Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie: Zugleich ein Beitrag zur Problematik von Grundrechtskonkurrenzen [1 ed.] 9783428449224, 9783428049226

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Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie: Zugleich ein Beitrag zur Problematik von Grundrechtskonkurrenzen [1 ed.]
 9783428449224, 9783428049226

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M A N F R E D DEGEN

Pressefreiheit, Berufefreiheit, Eigentumsgarantie

Schriften zum O f f e n t l i c h e n Recht Band 395

Pressefreiheit Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie Zugleich ein Beitrag zur Problematik von Grundrechtskonkurrenzen

Von D r . M a n f r e d Degen

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1981 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04922 5

„Die F o r m ist die geschworene Feindin der W i l l k ü r , die Zwillingsschwester der Freiheit." Rudolf v o n Jhering Geist des römischen Rechts, Bd. I I 2, § 45, S. 471.

Vorwort Die vorliegende Abhandlung lag i m Jahre 1980 der Abteilung für Rechtswissenschaften der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation vor. Das rechtswissenschaftliche Interesse des Verfassers an der Beziehung von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie entwickelte sich auf Grund seines politischen Engagements für eine Reform des Pressewesens, insbesondere für die Einführung der „inneren Pressefreiheit" und die Eindämmung der wachsenden Pressekonzentration. Dies erklärt, warum ganz zu Beginn dieser Untersuchung eine Ausgangshypothese stand, i n welcher das Verhältnis der beteiligten Grundrechtsnormen auf Grund eines modischen, funktional-demokratischen Grundrechtsverständnisses eindimensional über eine Ausrichtung auf die werthaft aufgeladene Pressefreiheit und die „öffentliche Aufgabe" der Presse bestimmt werden sollte. Die intensive Auseinandersetzung mit den i n Literatur und Rechtsprechung vertretenen Problemlösungsansätzen sowie deren methodischen und theoretischen Grundlagen hat den Verfasser jedoch eines Besseren belehrt. Der Mangel an Präzision, rechtstechnischer Faßbarkeit, Konsistenz und Plausibilität der einzelnen Varianten eines „modernen" Grundrechtsverständnisses „jenseits des toten Formalismus des juristischen Positivismus" hat zu dem Versuch geführt, die konkrete Problemstellung, die Untersuchung des Koordinatenfeldes von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie, auf der Grundlage eines Verfassungs- und Grundrechtsverständnisses anzugehen, das unter Berücksichtigung neuerer rechtstheoretischer und methodologischer Ansätze u m dogmatische Konstruierbarkeit, Formalität und kontrollierbare Auslegungskriterien i m Interesse der normativen Kraft der Grundrechte und der Freiheit des Einzelnen bemüht ist. Erst von daher konnte versucht werden, den Freiheitsrechten und ihren Schranken eine rechtstechnisch faßbare, nachvollziehbare Bedeutung zuzuweisen, das Problem von Grundrechtskonkurrenzen aufzufächern und einer dogmatisch-konstruktiven Lösung zuzuführen. Diese Entwicklung der vorliegenden Untersuchung ist untrennbar verbunden mit ihrer ständigen Betreuung durch Herrn Prof. Dr. Rolf Grawert, mit seinem guten Rat und seiner fördernden K r i t i k . Sowohl seine inhaltlichen Anregungen, die er stets mit präzisen, normorien-

8

Vorwort

tierten sowie verfassungstheoretisch und -historisch ausgewiesenen Argumenten entwickelte, als auch seine selbstverständliche Bereitschaft, den wissenschaftlichen Ansatz und den individuellen Arbeitsstil des Verfassers zu respektieren, haben diese Dissertation erst möglich gemacht. Hilfreich war zudem, daß der Verfasser an der Redaktionsarbeit für die Zeitschrift „DER STAAT" m i t w i r k e n durfte. Für diese Unterstützung darf ich Herrn Prof. Dr. Grawert sehr herzlich und sehr aufrichtig danken. Mein Dank gilt weiterhin Herrn Prof. Dr. Jürgen Schwarze, Hamburg, der nicht nur das Zweitgutachten übernommen und rasch erstellt hat, sondern auch i n zahlreichen Diskussionen durch viele Anregungen die Bearbeitung des Themas gefördert hat. Herr Dr. Christoph Gusy, Hagen, Herr Prof. Dr. Erich Kiichenhoff, Münster und Herr Prof. Dr. Dr. Adalbert Podlech, Darmstadt haben durch Gesprächsbereitschaft und ermutigende K r i t i k zu der vorliegenden Arbeit Wichtiges beigetragen; dafür sei ihnen nochmals gedankt. Besonders verpflichtet fühle ich mich zudem Herrn Prof. Dr. Johannes Broermann dafür, daß er diese Dissertation so rasch für die „Schriften zum Öffentlichen Recht" angenommen und durch außergewöhnlich großzügige Vertragsgestaltung gefördert hat. Schließlich möchte ich mich bei Frau Evelyn Feldmann, Bochum, für die überaus sorgfältige Erstellung der Reinschrift und bei Herrn cand. iur. Werner Engemann, Essen, für seine zuverlässige Hilfe bei der Korrektur des Manuskripts herzlich bedanken. Gewidmet ist diese Abhandlung meinem Vater und dem Andenken meiner Mutter. Münster/Westf. i m Frühjahr 1981 Manfred

Degen

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

19

Erster Teil Die Problemlösung in der Sicht von Literatur und Rechtsprechung §1

26

Das Verhältnis zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und den A r t . 12 Abs. 1,14 GG als Problem der Tatbestandsabgrenzung 26 I. Methodische Grundlagen der Tatbestandsabgrenzung I I . Die subjektiv-rechtliche Grundlage

Lehre

als

28

grnndrechtstheoretische

1. Die Pressefreiheit als subjektives öffentliches Recht

32

2. Die Pressefreiheit als Recht des status negativus

35

3. Der Umfang der Pressefreiheitsgarantie

37

I I I . Pressefreiheit u n d Berufsfreiheit

39

I V . Pressefreiheit u n d Eigentumsgarantie

42

V. Offene Probleme der Abgrenzungsthese §2

32

44

Das Verhältnis zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und den A r t . 12 Abs. 1,14 GG als Problem der Grundrechtskonkurrenz

46

I. Methodische Grundlagen der Konkurrenzlehren

46

I I . Grundrechtstheoretische Grundlagen 1. Modifikation der subjektiv-rechtlichen Lehre: Die Ausdehnung des Schutzumfangs der Pressefreiheit 2. Die Lehre v o m grundrechtlichen Doppelcharakter

49 52

a) Die Pressefreiheit als subjektives öffentliches Recht m i t individueller u n d sozialer Zwecksetzung

52

b) Die Verdopplung des Freiheitsbegriffs: positive „rechtliche" Freiheit

55

Negative

und

48

nsverzeichnis c) Die Verdopplung des grundrechtlichen Rechtscharakters: Pressefreiheit als objektivrechtliche Garantie der S t r u k turen des Lebensbereichs „Pressewesen"

58

d) Der Schutzbereich der Pressefreiheit

61

I I I . Die These v o n der Gesetzeskonkurrenz zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG u n d den A r t . 12 Abs. 1,14 GG

66

1. Gesetzeskonkurrenz wegen erschöpfender Sonderregelung ..

67

2. Pressefreiheit u n d Berufsfreiheit

69

3. Pressefreiheit u n d Eigentumsgarantie

72

4. Die Schranken der „lex specialis"

73

5. Offene Probleme der These von der Gesetzeskonkurrenz . .

77

IV. Die These von der Idealkonkurrenz zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG u n d den A r t . 12 Abs. 1,14 GG

78

1. Die Idealkonkurrenz als verfassungsrechtlicher Regelfall . .

78

2. Die Lösung der Schrankendivergenz a) Die „objektive Zielrichtung" des Eingriffs aa) Das K r i t e r i u m der Pressebezogenheit bb) Z u r Bestimmbarkeit der Eingriffsrichtung b) Der „Vorrang des stärkeren Grundrechts" aa) Pressefreiheit u n d Berufsfreiheit bb) Pressefreiheit u n d Eigentumsgarantie

82 82 82 85 88 90 92

3. Geltungsbeschränkung des A r t . 5 Abs. 2 GG, „institutioneller" Gesetzesvorbehalt und Konkurrenzproblematik

92

a) „Institutioneller Ausgestaltungsvorbehalt" u n d K o n k u r renzproblematik

94

b) „Institutioneller renzproblematik

95

Begrenzungsvorbehalt"

und

Konkur-

4. Offene Probleme der These von der Idealkonkurrenz §3

98

Das Verhältnis zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und den A r t . 12 Abs. 1, 14 GG als Problem wertender Zuordnung I. Methodische Grundlagen der wertenden Zuordnung

100 100

I I . Die institutionelle Lehre als grundrechtstheoretische Grundlage 102 1. Die I n s t i t u t i o n „Freie Presse" 102 a) Die I n s t i t u t i o n als zum sozialen F a k t u m materialisierte Grundrechtsidee 102 b) Die dialektische Zuordnung von öffentlichen u n d p r i v a ten Interessen 105 c) Die institutionelle Überformung der Freiheit

108

d) Der Gewährleistungstatbestand der institutionellen Pressefreiheit 109

nsverzeichnis

11

2. Pressefreiheit des einzelnen u n d I n s t i t u t i o n „Freie Presse" 112 a) Die Pressefreiheit des einzelnen als institutionelles Reflexrecht 112 b) Der institutionelle Status des einzelnen

115

I I I . Die S t r u k t u r wertender Zuordnung

116

IV. Pressefreiheit und Berufsfreiheit

120

V. Pressefreiheit und Eigentumsgarantie

§4

122

V I . Offene Probleme der wertenden Zuordnung

125

Praktische Problemlösungsansätze i n der Rechtsprechung

128

I. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Problemen der Grundrechtskonkurrenz 128 1. Die Problemlösungskriterien des Bundesverfassungsgerichts 128 2. Das Verhältnis zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG u n d den A r t . 12 Abs. 1,14 GG i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 135 I I . Das Verhältnis zwischen Pressefreiheit, Berufsfreiheit u n d Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte u n d der Verwaltungsgerichte 138 1. Strafrechtliches Berufsverbot für Presseangehörige (BGHSt. 17,38) 138 2. Reisegewerbekarte für Zeitschriftenwerber 3. Zeitungsbeförderung u n d Köln, A f P 1978, S. 101)

Güterkraftverkehrsgesetz

4. Zeitungsverkauf und Ladenschlußgesetz A f P 1972, S. 334)

(OLG

5. Pressesubventionierung

Zweiter

(OLG

Karlsruhe,

142 143 145

Teil

Grundrechtsnorm und gesellschaftlicher Lebensbereich §5

139

Der Begriff des Lebensbereichs I. Ansätze i n der subjektivrechtlichen Lehre

148 149 149

I I . Entwicklung i n der Lehre v o m grundrechtlichen Doppelcharakter 150 I I I . Entfaltung i n der institutionellen Lehre

152

I V . Lebensbereich, Regelungsbereich, Schutzbereich

153

nsverzeichnis

12 §6

Die Bedeutung der „Lebensbereichstheorie" für die Bestimmung des Verhältnisses der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit u n d zur Eigentumsgarantie 155 I. Irrelevanz für die These von der Tatbestandsabgrenzung

155

I I . Die exklusive Zuordnung von Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich i n der These von der Gesetzeskonkurrenz 155 I I I . Die Uberschneidung der grundrechtlichen Lebensbereiche als Ausgangspunkt der These von der Idealkonkurrenz 158 IV. Die Einheit von L e i t b i l d u n d Lebensbereich als Ausgangspunkt der These von der wertenden Zuordnung 159 §7

Z u r K r i t i k der „Lebensbereichstheorie" I. Die Unbestimmtheit des grundrechtlichen „Lebensbereichs" I I . Die Auflösung der Gegensätze u n d die Folgen

162 162 166

1. N o r m u n d W i r k l i c h k e i t

167

2. Privates u n d öffentliches Interesse

175

3. Freiheit und Bindung

180

4. Die Folgen

183

a) „Fließende Geltungsfortbildung" der Verfassung i n Nachvollzug des sozialen Wandels 184 b) Verlust an Transparenz u n d Rechtssicherheit

184

c) Entgrenzung der Reichweite staatlicher Eingriffskompetenz 188 d) Begrenzung der politischen Gestaltungsfreiheit

191

e) Verlust an Offenheit für gesellschaftliche Innovation . . . 194 f) Verrechtlichung der politischen Diskussion I I I . Abschied v o n der „Lebensbereichstheorie"

Dritter

197

Teil

Grundrechtskonkurrenz im Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie §8

195

Grundrechtstheoretische und methodische Grundlagen I. Verfassung

199 199 199

1. Positiv-rechtliche Verfassung

199

2. Abgeschlossenes, nicht geschlossenes Normensystem

200

3. Staatsverfassung

201

nsverzeichnis

13

I I . Freiheitsgrundrechte

203

1. Verhaltensnormen

203

2. Vorbehaltsschranken als Argumentationslastregeln

204

I I I . Grundrechtsauslegung 1. Auslegungsarbeit Kriterien

209 als

Argumentation

um

falsifizierende

209

2. Die einzelnen Falsifikationskriterien: Wortlaut, Systematik, Genese, Auslegungsfolgen 210 Tatbestand u n d Schranken der Pressefreiheit

215

I. Der Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG 1. Problemexposition: Differenzierung schützten Handlungsaspekte

215

der grundrechtlich ge-

2. Wortlaut

215 217

a) „Pressebegriff" oder „Pressefreiheitsbegriff"?

217

b) Der sprachliche K o n t e x t des Begriffs „Pressefreiheit"

.. 221

c) Ergebnis: Pressefreiheit als Freiheit der Herstellung u n d Verbreitung von Druckwerken jeglichen Inhalts 223 3. Systematik: Pressefreiheit nungsäußerungsfreiheit

als besonderer

Fall der

4. Genese 5. Folgendiskussion a) Pressefreiheit n u r noch für Amateure?

Mei-

225 226 228 228

b) Leerlaufen der Pressefreiheit? 230 aa) Empirische Grundlagen der Folgenprognose 230 bb) Mangelnde Plausibilität der Prognose i m Zusammenhang m i t schrankennivellierenden Konzeptionen 234 cc) Recht s vergleich: Die Rechtslage i n Frankreich

235

c) Pressefreiheit ohne Privilegien u n d Sonderbindungen .. 240 d) Ergebnis der Folgendiskussion 6. Zusammenfassung I I . Die Schranke des „allgemeinen Gesetzes" 1. Die „Allgemeinheit" der Gesetze

247 247 248 248

a) Die Auslegungshypothese u n d ihre Konkurrenten

248

b) W o r t l a u t aa) Die Bedeutung v o n „allgemein" bb) Der sprachliche K o n t e x t

250 250 252

c) Systematik

255

nsverzeichnis d) Genese

259

e) Folgendiskussion 260 aa) Zulässigkeit einer besonderen Pressegesetzgebung . . 260 bb) Begrenzung der Staatsschutzgesetzgebung 264 2. Der Gesetzesbegriff

266

3. Zusammenfassung

269

§10 Berufsfreiheit u n d Eigentumsgarantie

270

I. Tatbestand und Schranken der Berufsfreiheit

270

1. Der Garantietatbestand des A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG: Berufsfreiheit als erwerbsgerichtete Entscheidungsfreiheit 270 2. Die Vorbehaltsschranke des A r t . 12 Abs. 1 S. 2 G G

273

I I . Tatbestand u n d Schranken der Eigentumsgarantie

277

1. Der Garantietatbestand des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG: Eigentum als gegenstandsbezogene private Entscheidungskompetenz . . 277 2. Die sozialbindende Inhalts- u n d Schrankenbestimmung gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG 284 §11 K u m u l a t i v e Normenkonkurrenz („Idealkonkurrenz") i m Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit u n d zur Eigentumsgarantie . . 288 I. Problematik einer grundrechtlichen Normenkonkurrenz

288

1. Fragwürdigkeit der herkömmlichen Fragestellung

288

2. S t r u k t u r grundrechtlicher Bedingungsnormsätze

290

3. Die grundrechtliche Konkurrenzsituation

294

I I . Ausschluß der verdrängenden Normenkonkurrenz konkurrenz)

(Gesetzes-

1. Bedingungen der verdrängenden Normenkonkurrenz

295 295

a) Spezialität

296

b) Erschöpfende Sonderregelung

297

2. Pressefreiheit u n d Berufsfreiheit

298

3. Pressefreiheit u n d Eigentumsgarantie

300

I I I . K u m u l a t i v e Normenkonkurrenz („Idealkonkurrenz")

303

1. Bedingungen k u m u l a t i v e r Normenkonkurrenz

303

a) Tatbestandliche Bedingungen b) „Schrankendivergenz" kompatibilität

als

Problem

303 der

Rechtsfolgen-

304

nsverzeichnis

15

2. Pressefreiheit und Berufsfreiheit

307

a) Die Vereinbarkeit der konkurrierenden Rechtsfolgen

307

b) Exemplifizierung: Zulässigkeit Journalistenausbildung?

309

einer

obligatorischen

3. Pressefreiheit u n d Eigentumsgarantie

319

a) Die Vereinbarkeit der konkurrierenden Rechtsfolgen b) Exemplifizierung: Zulässigkeit einer gesetzlichen lagenbegrenzung für Zeitungen und Zeitschriften?

I V . Diskussionsperspektive

319 Auf-

321

331

Zusammenfassende Thesen

335

Literaturverzeichnis

345

Abkürzungsverzeichnis

Abg. AfP A f P Rspr. Übers. Allgem. Red. Auss. ALR AP-Entwurf

AT brem. PG. BetrVG BT-Drs. CDU DJU DJV DKP DSt. DV. Ev. StLex. Fg. FN Fs. Grds. Auss. G.U. HauptAuss. HChE HbBd. HdbPrR. HdWbdSW. HWbdPh. HS iSd. JA JbRSozRTh.

= Abgeordneter = Archiv für Presserecht = A r c h i v Presserechtlicher Entscheidungen. Jahresübersicht über die Rechtsprechung i n Pressesachen = Allgemeiner Redaktionsausschuß = Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 = Pressefreiheit. E n t w u r f eines Gesetzes zum Schutze freier Meinungsbildung u n d Dokument a t i o n des Arbeitskreises Pressefreiheit = Allgemeiner T e i l = bremisches Pressegesetz v o m 20.12.1948 (GBl. 1948, S. 250) = Betriebsverfassungsgesetz = Drucksachen des Deutschen Bundestages = Christlich Demokratische U n i o n = Deutsche Journalistenunion i n der Industriegewerkschaft Druck und Papier = Deutscher Journalistenverband = Deutsche Kommunistische Partei = Der Staat. Zeitschrift für Staatslehre, Öffentliches Recht u n d Verfassungsgeschichte = Die Verwaltung. Zeitschrift für Verwaltungswissenschaft = Evangelisches Staatslexikon = Festgabe = Fußnote = Festschrift = Grundsatzausschuß = Gazetta Ufficiale della Republica Italiana = Hauptausschuß = Herrenchiemsee-Entwurf = Halbband = Handbuch des Presserechts = Handwörterbuch der Sozialwissenschaften = Historisches Wörterbuch der Philosophie = Halbsatz = i m Sinne des/der = Juristische Arbeitsblätter = Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie

Abkürzungsverzeichnis JÖR Jur. Diss, lit. li. Sp. LKW LPG NW MDHSch m. F N m. w . Ν . nds. VorschaltG NPL o.J. o.O. PKW Pr. V U Rdnr. re. Sp. RPG RStW. RTh. RV S.A. S.A.R.L. Sess. SPD StaRuVfgbkt. StLex st. Rspr. Verh. d. RT wüba. PG. ZfP Z. f. ges. StWiss. ZV + ZV

17

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Dissertation Litera l i n k e Spalte Lastkraftwagen Pressegesetz für das L a n d Nordrhein-Westfalen v o m 25. 5.1966 (GV N W S. 340) i n der Fassung v o m 3.12.1974 (GV N W S. 1504) Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz. Kommentar m i t Fußnote m i t weiteren Nachweisen Vorschaltgesetz für ein niedersächsisches Gesamthochschulgesetz v o m 26.10.1971 (GVB1. S. 317) Neue Politische Literatur. Berichte über das internationale Schrifttum ohne Jahresangabe ohne Ortsangabe Personenkraftwagen Preußische Verfassungsurkunde Randnummer rechte Spalte Reichspressegesetz v o m 7. 5.1874 (RGBl. 1874, S. 65) Recht—Staat—Wirtschaft, Schriftenreihe des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen für Staatswissenschaftliche Fortbildung Rechtstheorie. Zeitschrift für Logik, Methodenlehre, K y b e r n e t i k u n d Soziologie des Rechts Verfassung des Deutschen Reiches v o m 16.4.1871 Société Anonyme Société à responsabilité l i m i t é Session Sozialdemokratische Partei Deutschlands Staatsrecht u n d Verfassungsgerichtsbarkeit, Juristischer Studienkurs Staatslexikon. Recht—Wirtschaft—Gesellschaft ständige Rechtsprechung Verhandlungen des Deutschen Reichstages württemberg-badisches Pressegesetz v o m 1.4.1949 (RegBl. 1949, S. 59) Zeitschrift für P o l i t i k Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitungsverlag u n d Zeitschriftenverlag (Zeitschrift; Organ des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger u n d des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger)

I m übrigen w i r d auf Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der deutschen Rechtssprache, 2. Aufl., B e r l i n 1968, verwiesen. 2 Degen

Einleitung Das Verhältnis des Grundrechts der Pressefreiheit gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG zum Grundrecht der Berufsfreiheit gem. A r t . 12 Abs. 1 GG und zur Eigentumsgarantie gem. A r t . 14 GG, welches m i t der vorliegenden Arbeit untersucht werden soll, ist vornehmlich i m Zusammenhang mit der politischen Auseinandersetzung u m die Ordnung des Pressewesens zum rechtlichen Problem geworden. Die politische Forderung nach einer Pressereform w i r d vor allem von den Organisationen der i m Pressegewerbe beschäftigten Arbeitnehmer, den Journalistenverbänden und Druckergewerkschaften seit den Anfängen der Weimarer Republik bis heute mit wechselndem Elan und durchschnittlich recht geringem Erfolg vorgebracht. Der Verlauf der durch diese Forderungen ausgelösten öffentlichen Debatte kann fast zyklisch genannt werden; auf Zeitabschnitte wie 1918-1925, 1945-1954, 1968-1974, i n denen das Thema Pressereform einen Schwerpunkt der politischen Auseinandersetzung bildete, folgten — unterbrochen durch die Gleichschaltung der Presse unter der nationalsozialistischen Willkürherrschaft — regelmäßig Perioden relativ geringen öffentlichen Interesses, i n denen jedoch die verbandsinternen Reformdiskussionen vorangetrieben w u r den 1 . Angesichts dieses Diskussionsverlaufs ist es bemerkenswert, m i t welcher Konstanz die Reformforderungen seit mehr als sechzig Jahren artikuliert werden; mögen i m Laufe der Zeit die Reformkonzeptionen auch inhaltlich modifiziert und m i t anderen politischen Akzenten versehen worden sein, i m K e r n wurden stets dieselben Forderungen erhoben, handelte es sich u m Variationen über dasselbe Grundthema: — U m den Schutz der „äußeren Pressefreiheit" vor dem Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht des Verlegers und vor den Auswüchsen des gewerblichen Charakters der Presseproduktion ging es mit den Sozialisierungsforderungen der Jahre 1918/19 und 1945/46 sowie m i t den Vorschlägen zu einer wettbewerbsrechtlichen Eindämmung der Pressekonzentration der sechziger und siebziger Jahre. Letztere reichten von der Fusionskontrolle über eine Auflagenbegrenzung 1 Vgl. dazu die Darstellung bei Funke, Innere Pressefreiheit, S. 20 ff. u n d die Dokumentation bei RoegelelGlotz, Presse-Reform u n d Fernsehstreit, S. 78 ff. 2*

20

Einleitung

bis zur Entflechtung von Monopolunternehmen und waren deutlich durch die radikalen Kritikansätze der studentischen Protestbewegung beeinflußt. Das i m Vergleich zu den hochfliegenden Reformplänen bescheidene Ergebnis dieser Debatte u m die „äußere Pressefreiheit" stellt neben dem Pressestatistik-Gesetz von 1975 das Pressefusions-Kontrollgesetz aus dem Jahre 1976 dar 2 . — U m die Sicherung der „inneren Pressefreiheit" der Journalisten gegenüber der innerbetrieblichen Direktionsbefugnis des Verlegers ging es mit dem Journalistengesetz-Entwurf des Reichsverbands der Deutschen Presse aus dem Jahre 1924, den Entwürfen des Deutschen Journalistenverbandes von 1950 und 1954 für ein Bundespressegesetz sowie m i t einer kaum noch übersehbaren Vielzahl von Konzeptionen für ein Bundespresserechtsrahmengesetz, für Landespressegesetz-Novellen oder Tarifverträge, die seit dem Ende der sechziger Jahre von den Journalistenorganisationen und den politischen Parteien vorgelegt wurden. Von der Vereinbarung von „Redaktionsstatuten" bei einigen Zeitungen und Zeitschriften abgesehen, war der Forderung nach redaktioneller Mitbestimmung für Journalisten kein Erfolg beschieden. Die 1969 aufgenommenen Kompetenzabgrenzungsverhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien scheiterten bereits 19703. Obwohl nun der Gesetzgeber gefordert wurde, blieben die Arbeiten für die Verankerung der „inneren Pressefreiheit" i n einem Bundespresserechtsrahmengesetz — ähnlich wie bereits i n der Weimarer Republik und zu Beginn der fünfziger Jahre — i m Stadium von Referentenentwürfen (1973/74) stekken 4 . Seitdem ist es u m die „innere Pressefreiheit" relativ still geworden; auch die V I I . und die V I I I . Legislaturperiode verstrichen entgegen den Ankündigungen in den Regierungserklärungen ohne Verabschiedung eines Presserechtsrahmengesetzes 5.

2 Gesetz über eine Pressestatistik v. 1.4.1975, BGBl. 1975/1, S. 777; I I I . Gesetz zur Änderung des G W B v. 28.6.1976, B G B l . 1976/1, S. 1697. Z u den Sozialisierungsforderungen vgl. die Dokumentation bei Roegelel Glotz, PresseReform u n d Fernsehstreit, S. 78 ff., 165, u n d die Darstellung bei Funke, Innere Pressefreiheit, S. 49 f. 3 Funke, Innere Pressefreiheit, S. 20 ff., 46 ff., 112 ff.; als erste der i m B u n destag vertretenen Parteien befaßte sich die SPD 1971 auf einem Sonderparteitag m i t der „ M e d i e n p o l i t i k " ; vgl. die Entschließung zur Lage u n d Entwicklung der Massenmedien, hg. v o m Vorstand der SPD, Bonn 1971. 4 Abgedruckt bei Hoffmann-RiemlPlander, Rechtsfragen der Pressereform, S. 193 ff. 5 Vgl. die Regierungserklärungen des Bundeskanzlers v. 18.1.1973, B u l l e t i n des Presse- u n d Informationsamts der Bundesregierung 1973 Nr. 6, S. 45 ff. (53) u n d v o m 17.12.1976, B u l l e t i n des Presse- u n d Informationsamts der Bundesregierung 1976, Nr. 135, S. 1285 ff. (1300).

Einleitung

— Weiter w i r d von den Gewerkschaften immer wieder die Beseitigung des mitbestimmungsrechtlichen „Tendenzschutzes" für die Presseunternehmen verlangt, seitdem es ihnen 1920 nicht gelungen war, die Aufnahme des § 67 i n das Betriebsrätegesetz zu verhindern. Weder für das alte Betriebsverfassungsgesetz von 1952 noch für das neue von 1972 noch für das Mitbestimmungsgesetz von 1976 konnten die Gewerkschaften die Aufnahme einer Tendenzklausel verhindern und die vollständige Bindung der Verleger an die sonst für alle Unternehmenseigentümer geltenden Entscheidungsverfahren m i t A r beitnehmerbeteiligung durchsetzen. Gegenüber dem Argument, das tendenzbestimmende Direktionsrecht sei zentrales Element der verlegerischen Pressefreiheit, konnte die gewerkschaftliche Argumentation u m eine Effektivierung des Schutzes der Arbeitnehmer i n Pressebetrieben bislang politisch nicht überzeugen®. — Vergleichsweise geringe öffentliche Resonanz fand schließlich bislang die Forderung der Journalistenverbände nach einer überbetrieblichen, wissenschaftlich orientierten Journalistenausbildung, obwohl auch diese Debatte seit Beginn des Jahrhunderts mit mehr oder minder großer Intensität geführt wird. Der Abbau des bisher üblichen betrieblichen Volontariats und der Abschied von der Konzeption des Journalistenberufs als eines „offenen Begabungsberufs" w i r d m i t der Notwendigkeit eines qualifizierten Pressepersonals für die adäquate Wahrnehmung der „öffentlichen Aufgabe" der Presse gerechtfertigt. Noch beschränken sich die journalistischen Berufsverbände darauf, i m Wege von Tarifvertragsverhandlungen mit den Verlegerverbänden zu einer Lösung zu gelangen und die Durchführung von Modellversuchen der Länder für eine Vereinheitlichung des Studiengangs „Journalistik" zu unterstützen. Es w i r d abzuwarten sein, ob die Appelle an die Adresse des Gesetzgebers, regelnd einzugreifen, demnächst mit mehr Nachdruck vorgetragen werden 7 . Die skizzierte politische Auseinandersetzung u m eine Pressereform w i r d vornehmlich m i t Argumenten u m die Pressefreiheit und ihren Schutz vor gesellschaftlichen Gefährdungen bestritten; es sind die politischen Schlagwörter „äußere Pressefreiheit", „innere Pressefreiheit" und „öffentliche Aufgabe der Presse", die die Szene beherrschen. M i t dieser pressefreiheitszentrierten Debatte w i r d i n den Hintergrund gedrängt, daß mit den Reformforderungen zumeist auch das verlegerische Eigentum an den Pressebetriebsmitteln, die Gewerbsmäßig6 Vgl. zur Position der Gewerkschaften: Vorstand der Industriegewerkschaft Druck u n d Papier, Dokumentation. Tendenzschutz u n d Pressekonzentration, Stuttgart 1971. 7 Vgl. dazu die Beiträge zur aktuellen Diskussion i n dem Sammelband „Ausbildungswege zum Journalismus", hg. v o n J. A ufermann u n d E. Elitz.

Einleitung

22

keit des Pressebetriebs oder die Professionalisierung journalistischer Arbeit sowie deren gesellschaftliche Folgen zur Diskussion stehen. Die Funktion dieser argumentativen Verengung kann darin gesehen werden, daß der Pressefreiheitsbezug den i n der politischen Auseinandersetzung erforderlichen Gemeinwohlbezug der Argumentation leisten und damit sowohl den Reformforderungen als auch deren Abwehr die ideologische Legitimationsbasis verschaffen kann. Den politisch streitenden Interessengruppen bietet sich die Gelegenheit, ihre Interessenpositionen i n das Gewand von Gemeinwohlformeln wie „Schutz der Pressefreiheit", „Sicherung der öffentlichen Aufgabe" oder „Erhaltung der Meinungsvielfalt" zu kleiden. Man mag diese Verengung der politischen Diskussion bedauern, hat sie aber als Ergebnis des politischen Kampfes in freier Rede und Gegenrede hinzunehmen. Die Kontinuität der pressepolitischen Debatte von der Weimarer Republik bis heute kontrastiert mit der Diskontinuität der Verfassungsrechtslage. Anders als nach der Weimarer Reichsverfassung unterwirft das Bonner Grundgesetz den Gesetzgeber, an welchen ja vornehmlich die Reformforderungen herangetragen werden, einer strikten Grundrechtsbindung und der Kontrolle durch ein Verfassungsgericht m i t der Folge einer deutlichen Restriktion des gesetzgeberischen Handlungsspielraums. Wenn die pressepolitische Debatte i n der Bundesrepublik — anders als noch i n der Weimarer Republik — zunehmend eine Verfassungsverrechtlichung erfuhr, war dies kein Zufall. Es entspricht heute „schon fast einem Ritual", „daß die Auseinandersetzung i n vielen Dimensionen von Juristen beherrscht wird, die Vetopositionen oder Reformgebote formulieren 8 ." Eine kaum noch zu überblickende Fülle verfassungsrechtlicher Arbeiten zu Fragen der Pressereform ist beredtes Zeugnis hierfür. Wie die politische Diskussion kreiste und kreist die juristische u m die Pressefreiheit, u m den normativen Gehalt des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG. Bei aller Differenziertheit der Interpretations- und Argumentationsansätze kann grosso modo gesagt werden, daß neben A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. A r t . 12 Abs. 1 GG ebenso wie die Eigentumsgarantie gem. A r t . 14 GG i n ihrer Relevanz für die verfassungsrechtliche Beurteilung einer staatlichen Reformgesetzgebung i m Bereich des Pressewesens allenfalls recht kursorisch berücksichtigt wurden. Dies, obwohl es bei den angestrebten Pressereformen zumeist auch u m Beschränkungen des verlegerischen Eigentums oder der verlegerischen Gewerbefreiheit oder der journalistischen Berufsfreiheit gehen dürfte. Eine eingehende Untersuchung des Verhältnisses des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG zu den A r t . 12 Abs. 1, 14 GG unterblieb. Die der pressepolitischen Debatte 8

Hoffmann-Riem/Plander,

Rechtsfragen der Pressereform, S. 9.

Einleitung

parallele Verengung des verfassungsjuristischen Diskussionsrahmens auf die Pressefreiheitsgarantie erscheint als nicht akzeptabel; die verfassungsrechtliche Analyse kann sich die Eindimensionalität der politischen Diskussion nicht leisten, denn ihre Normorientierung verpflichtet zur Reflexion aller möglicherweise tangierten Grundrechte mit ihren differenzierten Schranken. Seitdem die Konkurrenz schrankendivergenter Freiheitsgrundrechte i n den letzten Jahren mehr und mehr zum Thema verfassungsrechtlicher Abhandlungen geworden ist 9 , dürfte heute das Bewußtsein dafür geschärft sein, daß eine isolierte Argumentation u m A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG möglicherweise nicht zureicht, u m die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Regelungen des Pressewesens i n der A r t , wie sie politisch gefordert werden, umfassend und zuverlässig beantworten zu können. Sollen solche Regelungen i n ihrer grundrechtlichen Relevanz möglichst vollständig erfaßt werden, muß zunächst sehr sorgfältig geprüft werden, ob mehrere Grundrechtsnormen, insbesondere die A r t . 5 Abs. 1 S. 2, A r t . 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 S. 1 GG gleichzeitig tatbestandlich aktualisiert werden. Kann dieser Konkurrenzfall aufgewiesen werden, w i r d weiter zu untersuchen sein, ob bei divergenten Vorbehaltsschranken nur eine und, wenn ja, welche Grundrechtsbestimmung die Schranken stellen kann oder ob beide Normen trotz Schrankendivergenz rechtsfolgebestimmend zusammenwirken können. M i t diesem knappen Aufriß w i r d schon die Entscheidungserheblichkeit des Problems erkennbar: Läßt sich i m Verhältnis von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie der Konkurrenzfall aufzeigen, so kann die Rechtmäßigkeit eines eingreifenden Hoheitsakts entscheidend davon abhängen, wie das Problem der Schrankendivergenz gelöst wird. So kann etwa die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Normierung subjektiver Voraussetzungen für den Zugang zum Journalistenberuf davon abhängen, ob man allein die Schranke der „allgemeinen Gesetze" gem. A r t . 5 Abs. 2 GG oder den einfachen Gesetzesvorbehalt des A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG für maßgeblich erklärt oder ob man annimmt, beide Schranken seien zu kumulieren. Ebenso kann es für die Zulässigkeit einer gesetzlichen Auflagenbegrenzung für marktbeherrschende Presseunternehmen darauf ankommen, ob ausschließlich A r t . 5 Abs. 2 GG oder A r t . 14 Abs. 1 S. 2 GG den Prüfungsmaßstab abgeben soll oder ob man eine Schrankenkumulation für möglich hält. 9 Vgl. insbesondere: Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte i m Grundrechtsabschnitt des GG, 1968; Bethge, Z u r Problematik v o n Grundrechtskollisionen, 1977; Schwacke, Grundrechtliche Spannungslagen, 1973; H. Schneider, Die Güterabwägung des B V e r f G bei Grundrechtskonflikten, 1979; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, insbes. S. 324 ff.; F ohmann, Konkurrenzen u n d Kollisionen i m Verfassungsrecht, 1978; Rüfner, DSt.7 (1968), S. 45 ff.; dersFg. BVerfG, Bd. I I , S. 453 ff.; Gygy, Mélanges Henri Zwahlen, S. 61 ff.

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M i t der vorliegenden Untersuchung w i r d nun nicht die detaillierte verfassungsrechtliche Aufarbeitung einzelner Reformprojekte i m Koordinatenfeld von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie, etwa der „inneren Pressefreiheit" oder wettbewerbsrechtlicher Maßnahmen gegen die Pressekonzentration angezielt. Es soll nicht mehr und nicht weniger als die Erarbeitung eines Argumentations- und Diskussionsrahmens für die Lösung von Konkurrenzlagen i m Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie geleistet werden. A m Anfang der Untersuchung hat der Versuch zu stehen, die bisher entwickelten sporadischen Diskussionsansätze gebündelt vorzustellen und auf mögliche Inkonsistenzen zu befragen. Da verfassungsrechtsdogmatische Konstruktionen für die Lösung von Grundrechtskonkurrenzen gefordert sind und solche Konstruktionen wegen der extremen Vagheit grundrechtlicher Normsätze ohne methodische und theoretische Fundierung nicht auskommen können, können die unterschiedlichen Angebote zur Problemlösung nur dann angemessen analysiert und bewertet werden, wenn diese Ansätze nicht losgelöst von ihren methodischen und grundrechtstheoretischen Prämissen aufgearbeitet werden. Es genügt nicht, andere Auffassungen als die eigene i n der A r t theorieneutraler dogmatischer Konstruktionen darzustellen und diese sodann vom eigenen methodischen und theoretischen Standpunkt aus zu kritisieren. Mag es vereinzelt auch für nutzlos erklärt werden, die Rechtsarbeit an einer leitenden Grundrechtstheorie und einer ausgewiesenen Interpretationsmethodik zu orientieren 10 , praktisch w i r d dem niemand entkommen, denn die methodischen und theoretischen Grundannahmen des Interpreten werden sich auch hinter seinem Rücken durchsetzen. Angeregt insbesondere durch die Arbeiten Ernst-Wolfgang Böckenfördes 11 soll hier daher der Versuch gemacht werden, die durchgängige Verankerung grundrechtsdogmatischer Konstruktionen über die Konkurrenz zwischen Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie i n bestimmten methodischen und grundrechtstheoretischen Ansätzen aufzuweisen. Deren K r i t i k soll die Grundlage dafür abgeben, u m eine Argumentationsstruktur für die Auslegung der A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 12 Abs. 1, 14 GG und deren Konkurrenzverhältnis zu erarbeiten. Die zu enfaltende dogmatische Argumentation w i r d ohne die Verarbeitung rechtstheoretischer Diskussionsergebnisse nicht auskommen, wenn auch i n die Tiefen der rechtstheoretischen Debatte nicht vorgedrungen werden kann und soll. Die Einbeziehung rechtstheoretischer Aspekte erscheint als notwendig, u m die Erarbeitung der dogmatischen Auslegungshypothesen derart methodisch und theoretisch zu disziplinieren, daß Vorstellungen über das politisch 10 11

So Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 5. E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff.; dersNJW

1976, S. 2089 ff.

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Wünschenswerte nicht ungebremst durchschlagen und den normativen Gehalt von Grundrechtsbestimungen überspielen können. M i t der Betonung methodischer und theoretischer Probleme w i r d also eine gewisse Distanz zur pressepolitischen Auseinandersetzung und ihren Parteiungen angestrebt. Gerade w e i l Verfassungsrecht und Politik nahe beieinander liegen, erscheint diese Distanz für die rechtsdogmatische Argumentation als unabdingbar.

Erster Teil

Die Problemlösung in der Sicht von Literatur und Rechtsprechung § 1 Das Verhältnis zwischen Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und den Art. 12 Abs. 1,14 GG als Problem der Tatbestandeabgrenzung Wenn die Garantietatbestände der A r t . 5 Abs. 1 S. 2,12 Abs. 1,14 Abs. 1 S. 1 GG als überschneidungsfrei und voneinander völlig verschieden ausgelegt werden, die Presseberufsfreiheit damit ausschließlich dem A r t . 12 GG 1 und das Presseeigentum allein dem A r t . 14 GG 2 zugeordnet werden, so läßt sich dies auf die Vorstellung zurückführen, es sei möglich und notwendig, den Geltungsumfang der grundrechtlichen Einzelgarantien durch Auslegung auf der Tatbestandsebene eindeutig voneinander abzugrenzen 3 . Dieser Anspruch auf klare Grenzziehung zwischen den Tatbeständen der einzelnen Grundrechtsnormen führt dazu, für das Verhältnis zwischen den Einzelgrundrechten zwei Konstellationen als möglich anzuerkennen: Zum einen w i r d die Gesetzeskonkurrenz wegen logischer Spezialität 4 für denkbar gehalten, etwa i m Verhältnis des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zu A r t . 2 Abs. 1 GG 5 oder zu A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG®. I n diesem — rein formal-logisch definierten — Falle enthält der Tatbestand der 1 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 144 ff.); HenschelKittner, ZRP 1972, S. 177 ff.; Schwenk, N J W 1962, S. 1321 (S. 1323); Löwer, J A 1976, ÖR S. 245 ff. (S. 248 f.); w o h l auch Henke, DVB1. 1975, S. 272 (S. 273). 2 Henschel Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff.; Hensche, Tendenzschutz, S. 78; ArndtlEbsen, Mitbestimmung, S. 84. 8 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 138, 139 F N 100); Henschel Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 179), die eine „genaue Differenzierung" fordern. Wehrhahn, AÖR 82 (1971), S. 250 ff. (S. 273); Löwer, J A 1976 ÖR S. 245 ff. (S. 248). 4 Der Begriff der „logischen Spezialität" stammt v o n Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 20 ff., insbes. S. 24; vgl. auch Lorenz, Methodenlehre, S. 251. 5 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 104 F N 6); ders., Verfassungsauslegung, S. 29; dagegen spricht Wehrhahn, AÖR 82 (1971), S. 250 ff. (S. 269 ff.) dem A r t . 2 I GG die Grundrechtsqualität ab. β Schnur, V V D S t R L 22 S. 101 ff. (S. 101): Pressefreiheit als bloßer Unterfall der allgemeinen Meinungsfreiheit.

§ 1 Abgrenzungsthese

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lex specialis alle Merkmale der lex generalis und zusätzlich noch mindestens ein weiteres Merkmal, es gilt regelmäßig nur die Rechtsfolge der speziellen Norm 7 . Da es sich u m „ein auf der Begriffsbildung der Tatbestände fußendes Rangverhältnis zweier Normen" 8 handelt, w i r d dem Anspruch auf eindeutige Abgrenzung der Tatbestände vollauf Genüge getan. Ob auch eine Gesetzeskonkurrenz wegen Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung 9 möglich sein kann, w i r d allerdings nicht angesprochen 10. Zum anderen kommt das isolierte Nebeneinander grundrechtlicher Einzelgarantien m i t voneinander strikt geschiedenen Tatbeständen i n Betracht. Tatbestandsüberschneidungen i m Sinne partieller Tatbestandsidentitäten 11 werden ausgeschlossen12. Die Möglichkeit einer grundrechtlichen Idealkonkurrenz, d. h. des Nebeneinandergeltens zweier Grundrechtsnormen für die Rechtsfolgebestimmung 13 , w i r d ausgeschieden: Die Parallelgeltung verschiedener Grundrechte ein und derselben Person, die gleichzeitig durch ein und dieselbe hoheitliche Maßnahme berührt werden, erscheint als unmöglich 14 .

7 Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 31, nach dem stets allein die Rechtsfolge der lex specialis zur A n w e n d u n g k o m m t ; dagegen differenzierend: Lorenz, Methodenlehre, S. 251 m i t Nachweisen. 8 Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 22. 9 Ebenda, S. 62; i m Anschluß an diesen: Larenz, Methödenlehre, S. 253. 10 Leva, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 163) ist der Meinung, die Vermeidung v o n Schutzbereichsüberschneidungen erfolge nicht n u r mittels enger Garantieauslegung, sondern auch mittels „Konsumtion", worunter w o h l Gesetzeskonkurrenz wegen logischer Spezialität w i e wegen Subsidiarität zu verstehen sein soll. Z u m strafrechtlichen Begriff der Konsumtion: Maurach, Dt. Strafrecht, A T , S. 754. 11 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 332. 12 Wehrhahn, AÖR 82 (1971), S. 250 ff. (S. 253); Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 138 f., S. 144 f.); Henschel Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178). 13 Z u m Begriff der „Idealkonkurrenz" vgl. vorerst: Berg, Konkurrenzen, S. 161 f. A u f Begriff u n d Bedeutung grundrechtlicher Idealkonkurrenz w i r d unten unter § 2 I V näher eingegangen werden. 14 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 138), w e n n dort die Ausübung der Pressefreiheit durch den Gebrauch anderer Freiheitsrechte den diesen zugeordneten Verfassungsregeln über Freiheit u n d Schranke unterstellt w i r d . Vgl. auch ebenda, S. 144 ff. für das Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit u n d S. 139 f ü r das Verhältnis der Pressefreiheit zur Wettbewerbsfreiheit gem. A r t . 2 I GG; Wehrhahn, AÖR 82 (1971), S. 250 ff. (S. 273); Henschel Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 179), die zwischen Pressefreiheit u n d Eigentumsgarantie genau differenzieren w o l l e n u n d also Tatbestandsüberschneidungen ausschließen.

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung I . Methodische Grundlagen der Tatbestandsabgrenzung

D i e methodische G r u n d l a g e der These v o n d e r T a t b e s t a n d s a b g r e n z u n g l ä ß t sich n i c h t einfach — w i e manche K r i t i k e r m e i n e n — i n e i n e m P r i n z i p r e s t r i k t i v e r G r u n d r e c h t s i n t e r p r e t a t i o n ausmachen 1 5 . E i n e r d e r a r t i g e n A n a l y s e stehen zunächst u n ü b e r s e h b a r e Ä u ß e r u n g e n v o n V e r t r e t e r n d e r A b g r e n z u n g s t h e s e entgegen, i n d e n e n das V e r b o t enger G a r a n t i e a u s l e g u n g als f ü r die G r u n d r e c h t s i n t e r p r e t a t i o n e l e m e n t a r h e r ausgestellt w i r d 1 6 . V o r a l l e m w i r d m i t der R e d u k t i o n d e r A b g r e n z u n g s these auf e i n angebliches P r i n z i p r e s t r i k t i v e r A u s l e g u n g aber v e r k a n n t , daß diese A r t d e r P r o b l e m l ö s u n g v o n e i n e r rechtsstaatlich a k z e n t u i e r t e n G r u n d r e c h t s i n t e r p r e t a t i o n 1 7 h e r nach d e n R e g e l n d e r „ n o r m b e z o g e n e n , 15 So v o r allem Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 163); zurückhaltender auch Berg, Konkurrenzen, S. 51. 16 Wehrhahn, AÖR 82 (1971), S. 250 ff. (S.260, 261 f., 269, 272 F N 33). Der V o r w u r f restriktiver Interpretation k n ü p f t jedenfalls bei Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 162) daran an, daß Wehrhahn, S. 273, v o r einem „Problem einschränkender Garantieauslegung" spricht. Diese Formulierung darf aber nicht mißverstanden werden; Wehrhahn f ü h r t nicht aus, „es gehe n u r u m das Problem einschränkender Garantieauslegung" (so aber das Zitat bei Lepa, S. 162), sondern „ i n allen diesen Fällen taucht das Problem einschränkender Garantieauslegung n u r als das Problem der Abgrenzung der Tatbestandsvoraussetzungen v o n Einzelgarantien untereinander auf" (S. 273). Damit w i r d auf das Problem (nicht Prinzip!) enger Auslegung der Einzelgarantien i m Zusammenhang m i t den v o n Wehrhahn, S. 260, 269, abgelehnten Auffassungen zu A r t . 2 I G G u n d zur Schrankenproblematik (immanente Schranken unbeschränkter Grundrechte, weite Auslegung der Schrankentrias des A r t . 2 I GG) rückgeblendet. I m Verhältnis der Einzelgarantien stellt sich das Problem der Garantieeinengung nicht hinsichtlich der Schranken, sondern nur auf der Tatbestandsebene. Dies implziert nicht die Forderung, daß die Tatbestände zwecks Abgrenzung gezielt r e s t r i k t i v ausgelegt werden sollen; Schnur, Verfassungsauslegung, S. 26 f., wendet sich zwar gegen eine extensive Auslegung der Freiheitsrechte, jedoch n u r i m Sinne einer unzulässigen Uberinterpretation. Daß Schnur damit nicht ein Prinzip restriktiver Interpretation befürwortet, w i r d vollends deutlich, w e n n er (S. 29) einer freiheitsrestringierenden institutionellen Grundrechtsauslegung den Vorrang der Freiheit entgegenhält (freilich nicht i m Sinne einer Freiheitsvermutung, vgl. ders., V V D StRL 22, S. 101 ff. (S. 132). 17 Schnur, VerwArch. 51 (1960), S. 175 ff. (S. 176); ders., V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 101, 109 F N 16; 146 F N 125); ders., Verfassungsauslegung, S. 18, 20, 31; ders., Fs. Gehlen, S. 331 ff. (S.344f.); Wehrhahn, AÖR 82 (1971), S. 250 ff. (S. 250, 252, 256); ders., V V D S t R L 15, S. 35 ff. (S. 62 F N 49); auch Henschel Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178, 180) folgen der „Individualrechtslehre" u n d heben die Unterscheidung von rechtlich Gesolltem u n d politisch E r wünschtem gegen eine funktionale Interpretation hervor; vgl. auch Hensche, 49. DJT, Ν 162 u n d ders., Tendenzschutz, S. 78; Henke, DVB1. 1975, S. 272 ff. (S. 273); Löwer, J A 1976, ÖR S. 245 ff. (S.248); vgl. zudem den schon klassisch zu nennenden Beitrag Forsthoffs, Die U m b i l d u n g des Verfassungsgesetzes, Fs. C. Schmitt, S. 35 ff. sowie die übersichtliche Darstellung bei E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff.; inhaltlich w i r d auf die rechtsstaatliche, subjektivrechtliche Grundrechtstheorie noch unter § 1 I I u n d § 2 I I 1 näher eingegangen werden, i m folgenden soll der Akzent auf Fragen der Interpretationsmethode gelegt werden.

§ 1 Abgrenzungsthese

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klassisch-juristischen Hermeneutik" entwickelt wird 1 8 : Normtextbefund, entwicklungs- wie entstehungsgeschichtliche Aspekte und Betonung des systematischen Bezuges zur Rechtsstaatlichkeit führen h i n zu einer Interpretation der grundgesetzlichen Grundrechtsnormen als negative Kompetenznormen für die Ausübung der Staatsgewalt, durch die der Grenzverlauf zwischen allgemeiner Unterworfenheit unter die Staatsgewalt und individueller Freiheit markiert werde 19 . Freiheit und Bindung werden als „radikales aut-aut" gesehen20. Die Grundrechtsauslegung sieht sich so vor die zentrale Aufgabe gestellt, den Grenzverlauf möglichst bestimmt und eindeutig herauszuarbeiten 21 ; denn die Basis für eine effektive Bindung der Staatsgewalt, also für den Schutz der Individualfreiheit w i r d i n größtmöglicher Bestimmtheit, i n der Beseitigung der Ungewißheit über den Grenzverlauf zwischen Subjektion und Subjektionsfreiheit erblickt 2 2 . Für die Auslegung m i t dem Ziel eindeutiger A b grenzung von staatlichem und individuellem (gesellschaftlichem) Bereich ist die Annahme von grundlegender Bedeutung, daß die Grundrechte diese Abgrenzung nicht durch positive inhaltliche Determinierung der Freiheit 2 3 , sondern ausschließlich durch Errichtung von Rechtsschranken für die Betätigung der Freiheit und also der staatlichen Gewalt normieren 2 4 . Die notwendige Gewißheit über den Grenzverlauf zwischen Subjektion und Subjektionsfreiheit ist demnach nur dann erreichbar, wenn die Schranken verfassungsrechtlich normiert und inhaltlich dem Maßstab der Meßbarkeit und Berechenbarkeit unterworfen sind 25 . Der Auslegung der Grundrechtsnormen falle damit, gerade angesichts des zumeist fragmentarischen Normtextes, die Auf18

E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2090). Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 101, 102 F N 3, 109 F N 16); ders., DVB1. 1965, S. 489 ff. (S.490); ders., Verfassungsauslegung, S.26, 28; C.Schmitt, V e r fassungslehre, S. 126 ff., 164; Forsthoff, Umbildung, S.40; ders., V V D S t R L 12, S. 8 ff. (S. 17 ff.); E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1530). 20 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 108); ders., DVB1. 1965, S. 489 ff. (S. 490 Ii. Sp.). 21 Wehrhahn, AöR 82 (1971), S. 250 ff. (S. 257); Schnur, V V D S t R L 22, S.101 ff. (S. 123 F N 54); ders., Verfassungsauslegung, S.21, 26; Forsthoff, V V D S t R L 12, S. 8 ff. (S. 18 f.); vgl. auch Küchenhoff, Allgemeine Staatslehre, S. 58 ff. 22 Sehr nachdrücklich Wehrhahn, AöR 82 (1971), S. 250 ff. (263, 267/68, 272, 274); Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 103 F N 4, 108); ders., DVB1. 1965, S. 489 ff. (S. 490 Ii. Sp.). 23 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 103 F N 4, 5; 104 F N 9, 109 F N 16, 118 F N 40); ders., DVB1. 1965, S. 489 ff. (S. 490 li. Sp.); ders., Verfassungsauslegung, S. 28 f.; Henschel Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 179). A u f den negativen Freiheitsbegrifï w i r d noch unter § 1 I I 2 näher eingegangen werden. 24 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 103); ders., DVB1. 1965, S. 489 ff. (S. 490 Ii. Sp.). 25 Vgl. schon C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 164; Schnur, DVB1. 1965, S. 489 ff. (S. 490 re. Sp.), w e n n die Frage herausgestellt w i r d , w e r die Freiheit i n welcher F o r m begrenzt u n d w i e w e i t er sie begrenzen darf; ders., Verfassungsauslegung, S. 26 („feste Formen, klare Prozeduren") und S. 29. 19

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

gäbe zu, die inhaltliche Bestimmtheit und Sinnentschiedenheit der Normen herauszuarbeiten und so den unabdingbaren normativen Halt der Verfassung zu sichern 26 . Die verfassungsrechtliche Normierung bestimmter Grundrechtsschranken verwehre es der Verfassungsauslegung jedoch, i m Verfassungstext nicht geschriebene Schranken zu konstruieren und die regelmäßige Übereinstimmung des Geltungsbereichs von grundrechtlichem Garantietatbestand (Gewährleistungsschranken) und Vorbehaltsschranken zu beseitigen 27 . Diese Auffassung erweist sich als Hindernis für eine Idealkonkurrenz schrankendivergenter Grundrechte: Wenn die Lösung der Schrankendivergenz nur derart für möglich gehalten wird, daß die Vorbehaltsschranken eines der beteiligten Grundrechte zum alleinigen Rechtmäßigkeitsmaßstab erhoben werden, müßte das einheitliche normative Gefüge von Garantietatbestand und Vorbehaltsschranken aufgelöst werden. Weil zudem die Lösung von Schrankendivergenzen nicht nach verfassungsgesetzlich normierten Regeln, sondern letztlich nur nach Grundsätzen erfolgen kann, die i m Wege der Konsensbildung der Verfassungsinterpreten etabliert werden 2 8 , müßte eine Anerkennung der Idealkonkurrenz schrankendivergenter Freiheitsrechte notwendig einen Verlust an Gewißheit über den Grenz verlauf zwischen Subjektion und Subjektionsfreiheit nach sich ziehen. Wer, wie offensichtlich die Vertreter der These von der Tatbestandsabgrenzung, nicht bereit ist, diesen Preis zu zahlen, dem bleibt nur der Weg einer strikten Abgrenzung der grundrechtlichen Einzelgarantien voneinander mit der Folge des Ausschlusses von Tatbestandsüberschneidungen. Wenn dieses Vorgehen dem Vorwurf ausgesetzt wird, es führe häufig zur Zerreißung einheitlicher, nicht teilungsfähiger Lebenstatbestände und zur Verkürzung des Grundrechtsschutzes 29 , dann w i r d nicht hinreichend berücksichtigt, daß von dem das kritisierte Verfahren tragenden Interpretationsansatz der normbezogenen Hermeneutik her 26 E.W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2091 Ii. Sp.); Schnur, V e r fassungsauslegung, S. 20, 24. 27 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 103 F N 4): „feste Grundsätze für die Schrankenziehung" unter Bezugnahme auf das „rechtsstaatliche Verteilungsprinzip" nach C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 126, 164 ff.; danach erscheint der gesetzliche Grundrechtseingriff als „prinzipiell begrenzte u n d meßbare, generell geregelte Ausnahme" (C. Schmitt, S. 166); nach Schnur, Verfassungsauslegung, S. 29, legt das GG „Schranken fest bzw. ermächtigt den Gesetzgeber i n unterschiedlichem Umfang, solche Schranken zu ziehen". Ungeschriebene Schranken müssen danach prinzipiell ausgeschlossen sein: v. MangoldtKlein, Bd. I, Vorbem. Β X V 2, Kiichenhoff, Allgemeine Staatslehre, S. 61; Wehrhahn, AÖR 82 (1971), S. 250 ff. (S.264f., 269, 274); zum besonderen F a l l der „Mißbrauchswehr" vgl. Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 136 ff.). 28 Dazu allgemein die K r i t i k Schnurs, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 126 ff.). 20 Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 164).

§ 1 Abgrenzungsthese

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gar nicht der Anspruch erhoben wird, bei der Grundrechtsauslegung jeden faktischen sozialen Zusammenhang stets als normative Einheit zu behandeln 30 . I m Gegenteil werden solche Vorstellungen scharf zurückgewiesen, weil sie geltendes Recht geradezu revolutionieren müßten. Die grundrechtlichen Freiheitsgewährleistungen werden nicht als „sachbezogene Monaden" gefaßt 31 ; durch sie werden nicht soziale Lebensbereiche, innerhalb derer sich die jeweilige freiheitliche Betätigung der Bürger bewegt und die sich gegenseitig überschneiden und überlagern können, i n das rechtsnormative Gefüge des Verfassungsgesetzes hineingenommen 32 . Eine solche Grundrechtsauslegung, die nicht normative Größen, sondern eine Gesamtschau sozialer Wirklichkeit und Funktion der Verfassung zum Bezugspunkt nimmt 3 3 , w i r d nicht für erforderlich gehalten, u m sozialen Zusammenhängen Rechnung tragen zu können: „Wenn behauptet wird, die Aufführung einzelner Freiheiten des Bürgers i n der Verfassung (inhaltlich-sektoral geordnet) mache es unmöglich, bei der Rechtsanwendung größeren sozialen Zusammenhängen zu folgen, so liegt das zunächst einmal an der Unfähigkeit der Interpreten, soziales Wissen bei der Entscheidung über Konflikte von verschiedenen freien Interessen zum Tragen zu bringen, nicht aber an der grundgesetzlichen Systematik der Freiheitsgrundrechte 34 ." Die so bekräftigte normbezogene Verfassungsauslegung vermag i m Gegensatz zu einer realitätsbezogenen, „soziologischen Verfassungsinterpretation" 35 die inhaltlich-sektoral geordneten Freiheitsgewährleistungen der Verfassung nicht auf Ausschnitte aus der Totalität des gesellschaftlichen Lebens, sondern nur auf Handlungen von Individuen zu beziehen 36 . Die verschiedenen Einzelgrundrechte betreffen demnach verschiedene Handlungen, die zwar faktisch zusammenfallen können, rechtlich aber scharf zu trennen sind 37 .

30 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 118 F N 41); auch HenschelKittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 179) wehren sich dagegen, den „ursprünglich emanzipatorischen" Grundrechten „einen festen Platz i m Rahmen" des vorgefundenen „Systems oder Subsystems" zuzuweisen. 31 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 109 F N 16, 118 F N 40, 41). 32 Schnur, Verfassungsauslegung, S. 28. 33 E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2095). 34 Schnur, Verfassungsauslegung, S. 30. 35 E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2095). 36 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 118 F N 40, S. 144); ders., DVB1. 1965, S. 489 ff. (S. 490 re. Sp.). 37 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 145); nach seinen Beispielsfällen zu schließen, geht davon auch Wehrhahn, A ö R 82 (1971), S. 250 ff. (S. 273) aus. HenschelKittner, ZRP 1972, S. 177 ff., reden v o n „Rollenverschränkung" (S. 178), der gegenüber genau zu differenzieren sei (S. 179).

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

I I . Die subjektiv-rechtliche Lehre als grundrechtstheoretische Grundlage Indem herausgearbeitet wurde, daß die These von der Tatbestandsabgrenzung nicht losgelöst vom methodischen Ansatz der normbezogenen, klassisch-juristischen Hermeneutik begriffen werden kann, wurde schon angedeutet, daß gleichermaßen ein Zusammenhang mit einem bestimmten Grundrechtsverständnis besteht: Die Abgrenzungsthese ist abhängig von der rechtsstaatlichen, subjektiv-rechtlichen Grundrechtstheorie 38 . Abhängigkeit meint nicht — wie noch deutlich gemacht werden soll —, daß von diesem Grundrechtsverständnis aus andere Konzeptionen für die Bestimmung des Verhältnisses von Grundrechtsnormen zueinander, etwa die Konzeption der Idealkonkurrenz überhaupt nicht möglich wären. Es ist aber eine deutliche Affinität zwischen klassischer Interpretationsmethode und rechtsstaatlicher Grundrechtstheorie einerseits und überschneidungsfreier Tatbestandsabgrenzung wie der Gesetzeskonkurrenz andererseits feststellbar. Die Abgrenzung des Garantietatbestands der Pressefreiheit von den Tatbeständen der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie basiert auf der folgenden rechtsstaatlich akzentuierten, subjektiv-rechtlichen Auslegung des Grundrechts der Pressefreiheit. 1. Die Pressefreiheit als subjektives öffentliches Recht

Die Grundrechtsbestimmung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG w i r d i n der subjektiv-rechtlichen Lehre dogmatisch als Gewährleistung eines subjektiven öffentlichen Rechts des status negativus gefaßt 39 . Diese eindeutige Formulierung w i r d allerdings nur selten verwandt; vorzugsweise ist von „Freiheitsrechten" 40 , „Individualrechten" 4 1 oder „Abwehrrechten" 42 die Rede. Es erweist sich jedoch, daß der herkömmliche Be38 Dazu werden hier insbesondere Bettermann, Czajka, Forsthoff, Friesenhahn, Fröhler, Merten, Rehbinder, Schnur, W. Weber, Windsheimer u n d auch Herzog gerechnet. W e n n die Auffassung Herzogs auch i n manchen Punkten (Betonung der „soziologischen B r e i t e n w i r k u n g " , vgl. MDHSch, A r t . 5, Rdnr. 13, u n d des Demokratieprinzips, vgl. MDHSch, A r t . 5, Rdnr. 14, S. 185) gegenüber der subjektiv-rechtlichen Lehre modifiziert ist, bleibt sein Ansatz doch eindeutig ein subjektiv-rechtlicher. M i t der Bezeichnung „subjektiv-rechtliche Lehre" w i r d versucht, diese Meinung nicht v o n vornherein gesellschaftstheoretisch zu bewerten. Bezeichnungen w i e „traditionell-liberale Lehre" (Stammler, S. 149 ff.) nehmen eine Bewertung dieser Auffassung als „anachronistisch" (so Bull, 49. DJT, Bd. I I , Ν 143) vorweg. 39 Bettermann, 49. DJT, Bd. I I , Ν 175 ff. 40 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 170; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 22; Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 101); Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 3; Windsheimer, S. 71. 41 Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 3; Windsheimer, S. 117.

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griff des subjektiven öffentlichen Rechts für das Verständnis dieser Lehrmeinung von entscheidender Bedeutung ist 4 3 . Das subjektive Recht w i r d i m Anschluß an die zivilistische und publizistische Dogmatik des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts als von der Rechtsordnung anerkannte und geschützte, auf ein Individualinteresse gerichtete Willensmacht definiert 44 . Dieses „durch ein Wollenkönnen geschützte Interesse" 45 stellt sich als die auf einer „norma agendi" des objektiven Rechts beruhende „facultas agendi" dar 4 6 , als ein abstrakt potentielles Rechtsverhältnis, aus dem sich konkret-aktuelle Ansprüche auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen ergeben können 47 . Inhalt des subjektiven öffentlichen Rechts ist ausschließlich ein individuelles Interesse 48 . Dementsprechend ist die Pressefreiheit „ebenso wie die »allgemeine Meinungsfreiheit' primär u m der Persönlichkeitsentfaltung der am geistigen Kommunikationsprozeß beteiligten Individuen (und Gruppen von Individuen) . . . w i l l e n gewährt 4 9 ." Sie ist „primär immer ein Stück individueller Selbstbestimmung" 50 . Dennoch geht die subjektiv-rechtliche Lehre damit nicht vom B i l d eines autonomen Individuums i n völliger Vereinzelung und ohne gesellschaftlichen Bezug aus. I n der sozialen und staatlichen Dimension w i r d nämlich gerade die materielle differentia specifica des subjektiven öffentlichen Rechts gegenüber dem subjektiven privaten Recht gesehen. Dieser Unterschied bezieht sich jedoch nicht auf den Rechtsinhalt, sondern nur auf die Motive, „welche die Rechtsordnung zur rechtlichen 42 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 16; HenschelKittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178). 43 Bettermann, 49. DJT, Bd. I I , Ν 175. 44 Vgl. für das öffentliche Recht v. a.: C. F. von Gerber, Uber öffentliche Rechte, S. 64 ff.; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 41 ff.; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 206 ff.; Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 224; Richter, AöR N. F. 8 (1925), S. 1 ff. (S. 41); vgl. i m übrigen den Überblick bei Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 186 F N 1. 45 G. Jellinek, System, S. 57. 46 E. Bloch, Naturrecht u n d menschliche Würde, S. 240. 47 G. Jellinek, System, S. 55, 58, wobei J. dieses Rechtsverhältnis als Z u stand oder Status der Persönlichkeit i m Sinne einer das I n d i v i d u u m rechtlich qualifizierenden Beziehung zum Staat versteht (S. 58, 83); Richter, AöR N. F. 8 (1925), S. 1 ff. (S. 1, 2). 48 G. Jellinek, System, S. 52; Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 42 ff.; Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage, S. 63 f.; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 22 f.; ders., Umbildung, S. 40; ders., Der Staat der Industriegesellschaft, S. 151; Friesenhahn, Fs. Kunze, S. 21 ff. (S. 24); Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 101, 118 F N 40); H. H. Klein, DSt. 10 (1971), S. 145 ff. (S. 161); Czajka, S. 142; Windsheimer, S. 117 ff.; Dittrich, S. 39; H. P. Klein, S. 92; Henschel Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178); Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 6 ff., betont dagegen die Gleichrangigkeit des demokratischen Prinzips u n d des Individualinteresses bei der Auslegung des A r t . 5 12 GG. 49 Czajka, S. 142. 50 Windsheimer, S. 72.

3 Degen

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

Anerkennung des Individualinteresses bewogen haben 51 ." „Überwiegend i m Gemeininteresse anerkanntes individuelles Interesse ist Inhalt öffentlichen Rechts", das dem Einzelnen „nicht als isolierter Persönlichkeit, sondern als Glied des Gemeinwesens" zugebilligt wird. „Demnach ist seiner materiellen Seite nach subjektives öffentliches Recht solches, welches dem einzelnen wegen seiner gliedlichen Stellung i m Staate zusteht 52 ." Bezogen auf das Grundrecht der Pressefreiheit ergeben sich daraus nach der subjektiv-rechtlichen Lehre folgende Konsequenzen: Die gesellschaftliche Bedeutung der freien Presse, ihre Funktion für die Meinungs- und Willensbildung i m demokratischen Staat werden durchaus nicht i n Frage gestellt; es w i r d darin aber nur das Motiv für die Gewährleistung des subjektiven öffentlichen Rechts auf Pressefreiheit erblickt 5 3 . Dementsprechend w i r d es für unzulässig gehalten, aus dem Freiheitsrecht etwa „lebendige Anteilnahme am Ganzen, Mitgestaltung und Mitverantwortung" zu „vindizieren", da ansonsten „das Motiv einer normativen Regelung zum Inhalt der Regelung gemacht würde 5 4 ." Dem gesellschaftlichen Sinn der Pressefreiheitsgarantie kann daher nicht rechtliche Erheblichkeit, sondern nur „eminente verfassungspolitische Bedeutung" 5 5 zukommen. Der soziale Sinn der Freiheitsgewährleistung könne eben nicht i n ihren verfassungsrechtlichen Inhalt integriert werden 5 6 . Damit w i r d einsichtig, daß eine „öffentliche Aufgabe der Presse" nach der subjektiv-rechtlichen Lehre dem Grundrecht des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht zugeordnet werden kann. Der „öffentlichen Aufgabe" kann so wohl soziologische und politische, keinesfalls aber rechtliche Bedeutung zuerkannt werden 5 7 . Liegt die materielle 51 G. Jellinek, System, S. 52; ähnlich Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 44; Richter, AÖR N. F. 8 (1925), S. 1 ff. (S. 32 ff.), h ä l t zwar das „öffentliche Interesse" für die Abgrenzung v o n subjektivem privaten u n d subjektivem öffentlichen Recht für ungeeignet, n i m m t aber w i e G. Jellinek an, daß „der Zweck, das Interesse, u m deswillen die Rechtsinhaltsbestimm u n g vorgenommen w i r d , nicht zum Tatbestand gehört". (S. 32). 52 G. Jellinek, System, S. 53. 68 Forsthoff, Verfassungsschutz, S.26; ders., DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S. 5); ders., DÖV 1963, S. 633 ff. (S.635); Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 110 f.); Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 13, S. 19 f.; Czajka, S. 152; Dittrich, S. 39. 54 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 16, gegen Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 20); ähnlich Czajka, S. 104, w e n n auch wegen der Annahme einer „sozialen F u n k t i o n " (S. 154, i m Anschluß an Häberle) selbstwidersprüchlich. 55 Forsthoff, V V D S t R L 22, S. 189. 56 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 16. 57 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 10; ders., DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S. 11 f.); ders., DÖV 1963, S. 633 ff. (S.634); Friesenhahn, Fs. Kunze, S.29; Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 113 ff.); H.H.Klein, DÖV 1965, S. 755 ff. (S.759); Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 119 ff.; ders., Innere Pressefreiheit, S. 8; Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 15, 16, S. 22 f.; ders., Die öffentliche Aufgabe,

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differentia specifica des subjektiven öffentlichen Rechts gegenüber dem subjektiven privaten Recht i n der überwiegenden Gemeinwohlmotivation der rechtlichen Gewährleistung individueller Interessen, so w i r d die formelle differentia specifica darin gesehen, daß Verpflichtungsadressat des subjektiven öffentlichen Rechts nicht der gleichgeordnete Privatmann, sondern das „staatliche Machtsubjekt" 5 8 , das staatliche Imperium 5 9 ist. „Ermöglicht w i r d die Figur des subjektiven öffentlichen Rechts erst durch die Vorstellung, daß der Staat eine juristische Person darstellt, weil erst durch diesen Gedanken das subjektive öffentliche Recht einen Adressaten und Verpflichteten erhält 6 0 ." 2. Die Pressefreiheit als Recht des status negativus

I m System der subjektiven öffentlichen Rechte w i r d das Grundrecht der Pressefreiheit den subjektiven öffentlichen Rechten des status negativus (libertatis) zugeordnet 61 . Es w i r d damit auf die von Georg Jellinek geprägte Einteilung der subjektiven öffentlichen Rechte i n solche des status negativus, des status positivus und des status activus zurückgegangen, wenn damit auch nicht notwendig alle theoretischen Implikationen der Jellinekschen Statuslehre übernommen werden dürften 6 2 . Die Grundrechtsbestimmung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistet demnach ein Freiheitsrecht i m Sinne eines Abwehrrechts des Individuums gegen den Staat, das sich i n einem Reaktionsanspruch auf Unterlassung und Beseitigung rechtswidriger staatlicher Eingriffe i n die Freiheitssphäre des Bürgers aktualisieren soll. Objektiv-rechtlich S. 120 ff.; Czajka,, S. 142; Windsheimer, S. 101; H. P. Klein, S. 94; Kuli, Fs. Löffler, S. 187 ff. 58 G. Jellinek, System, S. 57; die v o n J. ebenda, S. 45 ff. außerdem hervorgehobene formale Charakterisierung des subjektiven öffentlichen Rechts als durch machtverteilende Rechtssätze gewährtes Wollenkönnen stellt sich dagegen, w i e Richter, A ö R N. F. 8 (1925), S. 1 ff. (S. 55) überzeugend nachgewiesen hat, nicht als brauchbare Unterscheidung dar. Insoweit hat sich die Lehre Jellineks auch nicht durchsetzen können. 59 Richter, AöR N. F. 8 (1925), S. 1 ff. (S. 12); Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 14. 60 Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 185. β1 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 16 ff.; ders., V V D S t R L 12 (1954), S. 8 ff. (S. 18); ders., Der Staat der Industriegesellschaft, S. 147 ff. (S. 151 f., S. 156 f.); Friesenhahn, Fs. Kunze, S.27; Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 101, 117); Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 14, S. 21; Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 136, 162,184; Fröhler, Werbefernsehen, S. 20; Windsheimer, S. 88; Hensche/Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178). 62 Z u r Jellinek-Rezeption vgl. näherhin: Grabitz, Freiheit, S. 14 ff. u n d Schmitt Glaeser, Mißbrauch, S. 92 ff. Die Position Forsthoff s erscheint als widersprüchlich, da F. einerseits den Jellinekschen Systematisierungen jeden heuristischen W e r t für den modernen Staat abspricht (HdWbdSW., Bd. 10, S. 234 ff. [S. 236]), andererseits aber die Jellineksche Begrifflichkeit undifferenziert ü b e r n i m m t (vgl. Verfassungsschutz, S. 25). 3*

1. Teil: Konventionelle Problemlösung

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gewendet, ist die Grundrechtsvorschrift des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG also negative Kompetenznorm für die Betätigung der Staatsgewalt 63 : sie gibt an, daß der Staat bestimmte Handlungen des Einzelnen nur unter bestimmten Voraussetzungen und i n bestimmter Form für rechtsw i d r i g erklären darf, mit anderen Worten, wo die Grenzen der staatlichen Kompetenz zur Begrenzung der Individualfreiheit liegen 64 . Die subjektiven öffentlichen Rechte des status negativus, also auch das Grundrecht der Pressefreiheit, werden als Ausfluß und Konkretisierung des fundamentalen rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips begriffen 65 . Die individuelle Freiheitssphäre w i r d als vor-staatliche verstanden: Freiheit meine zwar nicht vor-soziale, wohl aber i m eigentlichen Wortsinne vor-staatliche Willensfreiheit; sie sei nicht durch den Staat verliehen, sondern liege i h m — rechtlich gesehen — voraus 66 . Ein Freier sei so, „wer nicht daran gehindert ist, Dinge, die er auf Grund seiner Stärke und seines Verstandes t u n kann, seinem Willen entsprechend auszuführen 67 ." M i t der Unterwerfung unter die staatliche Rechtsordnung finde der status naturalis grenzenloser Freiheit sein Ende 68 . Für die rechtsstaatliche Rechtsordnung sei kennzeichnend, daß sie Freiheit nicht inhaltlich definiere, sondern sich darauf beschränke, der anerkannten Freiheit bestimmte Grenzen zu ziehen, jenseits derer der Einzelne t u n und lassen könne, was er wolle 6 9 . Rechtlich könne Freiheit so nur als Ausgrenzung eines Bereichs, innerhalb dessen sich das Individuum nach subjektivem Belieben betätigen dürfe, aus dem von der Verfassung umgrenzten Funktionsraum des Staates gefaßt werden; Freiheit meine „die Aufrichtung von Bereichen, vor denen die Staatsgewalt halt macht 70 ." Man nimmt an, es müsse die Freiheit aufheben, 63

E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1530). Schnur, DVB1. 1965, S. 489 ff. (S. 490). 65 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 126 ff.; Forsthoff, Staat der Industriegesellschaft, S. 151; ders., Epirrhosis, S. 186 ff.; Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 103 F N 4); H.H.Klein, Die Grundrechte, S.63; E.W. Böckenförde, NJW 1974, S. 1529 ff. (S. 1530); Czajka, S. 96, 142. ββ Hobbes, V o m Bürger, S. 75 ff., insbes. Abschn. 10, S. 82 ff.; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 164; E.W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1530); Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 151; ders., Epirrhosis, S. 191; Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 104); Friesenhahn, 50. DJT, Bd. I I , G 14. 67 Hobbes, Leviathan, Kap. 21, S. 163. 68 Schnur, DVB1.1965, S. 489 ff. (S. 490) unter Hinweis auf Hobbes, Leviathan, Kap. 21, S. 163 ff. u n d V o m Bürger, S. 75 ff. 69 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 103 F N 4, 104 F N 9, 118 F N 40); ders., Verfassungsauslegung, S. 28 f. 70 So die schon klassische Formulierung Forsthoffs, V V D S t R L 12 (1954), S. 8 ff. (S. 18); vgl. auch ders., Verfassungsschutz, S. 15; ders., Der introvertierte Rechtsstaat, S. 221; Friesenhahn, Fs. Kunze, S. 27; ders., 50. DJT, Bd. I I , G 14; H. H. Klein, Die Grundrechte, S. 35; E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1530); Herzog, Fs. Hirsch, S. 71; Steiger, Institutionalisierung, S. 112; Merten, JuS 1976, S. 345 ff. (S. 346). 64

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„wenn mit der Freiheitsgewährleistung i n rechtlich relevanter Weise bestimmte Verhaltenserwartungen verbunden würden" 7 1 . Freiheit könne nicht als „Freiheit wozu", also nicht als Freiheit zu bestimmten Zielen oder Zwecken, sondern nur als „Freiheit schlechthin" verstanden werden. Freiheit und Bindung werden so als „radikales aut-aut" gesehen72. Bestimmte gesellschaftliche und politische Erwartungen könnten daher mit der rechtlichen Freiheitsgewährleistung nur derart verbunden sein, daß man sich diesen als vorgegebenes Faktum anvertraue, ohne sie zur Vorbedingung oder gar zum Modus verfassungsrechtlich garantierter Freiheit zu machen. Eine rechtserhebliche „öffentliche Aufgabe der Presse" birgt von diesem Standpunkt aus die Gefahr von freiheitsgefährdenden Sonderbindungen der Presse. Der Freiheitsgenuß drohe von einer staatlichen Entscheidung darüber abhängig gemacht zu werden, welchem Presseorgan noch attestiert werden könne, daß es an der Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" Teil habe und welchem nicht 7 3 . 3. Der Umfang der Pressefreiheitsgarantie

Wegen dieser Qualifizierung von Freiheit als prinzipiell unbegrenzte und Undefinierte Sphäre subjektiven Beliebens kann der Umfang der Freiheit wie des Grundrechts methodisch nicht positiv durch inhaltliche Beschreibung des gewährleisteten Freiheitsbereichs, sondern nur negativ i n einer A r t von Substraktionsverfahren ermittelt werden. Dabei w i r d auf den Unterschied von Freiheitsumfang und Grundrechtsumfang hingewiesen 74 : Der Freiheitsumfang bestehe i n dem, was dem Einzelnen nach Abzug aller Rechtsschranken, die die Gemeinschaft errichte, an Freiheit übrigbleibe 7 5 . Das bedeute, „daß die Menschen i n allen vom Gesetz nicht geregelten Gebieten die Freiheit besitzen, das zu tun, was sie auf Grund ihrer eigenen Vernunft für das Vorteilhafteste halten 7 8 ." Das Grundrecht normiere nicht konkrete Freiheitsgrenzen, 71

Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 15. E.W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1530); i m gleichen Sinne: Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 15; H. H. Klein, DSt. 10 (1971), S. 145 ff. (S. 164); ders., Die Grundrechte, S. 35; Ossenbühl, N J W 1976, S. 2100 ff. (S. 2102 f.); Steiger, Institutionalisierung, S. 111; Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 108); ders., DVB1. 1965, S. 489 ff. (S. 490). 73 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 15, 22 ff.; ders., DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S. 11); ders., DÖV 1963, S. 633 ff. (S. 634); Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 114, 116); H. H. Klein, DSt. 10 (1971), S. 145 ff. (S. 164 f.); Ossenbühl, N J W 1976, S. 2100 ff. (S. 2104); Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 122; Dittrich, S. 38; Steiger, I n s t i tutionalisierung, S. 95, 113 f., der darauf hinweist, daß die Zuweisung einer „öffentlichen Aufgabe" an die Presse konsequenterweise dazu führen müsse, einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf i n einer die Öffentlichkeit berührenden Frage durch einen Legitimierten zu verlangen. 74 Schnur, DVB1. 1965, S. 489 ff. (S. 490). 75 Ders., V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 103). 76 Hobbes, Leviathan, Kap. 21, S. 165. 72

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

sondern garantiere ausgrenzend nur den staatlicher Begrenzungskompetenz verschlossenen Kern der Freiheit. Der Grundrechtsumfang werde nur „punktuell determiniert"; er ergebe sich aus den verfassungsgesetzlich normierten Grundrechtsschranken, der Umfang der sachlichen Gewährleistung also aus den Gewährleistungsschranken. Tatbestandsauslegung ist demzufolge Interpretation der Gewährleistungsschrankenbegriffe 77 . Darauf fußend, faßt man Pressefreiheit gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als die Freiheit von jedermann, sich mittels der Erzeugnisse der Drukkerpresse zu äußern 78 . Dem lapidaren Wortlaut des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG w i r d jedenfalls soviel entnommen, daß nicht die „Freiheit der Presse" oder die „Freie Presse", sondern die Pressefreiheit i. S. eines Handlungsgrundrechts gewährleistet werde 7 9 . Systematisch w i r d die geschützte Handlung als Modalität der Meinungsäußerung und -Verbreitung charakterisiert, wenn das Grundrecht der Pressefreiheit als bloßer Unterfall der Garantie der allgemeinen Meinungsfreiheit gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG eingestuft w i r d 8 0 . Die allgemeine Meinungsfreiheit sei lex generalis aller anderen Verbürgungen des A r t . 5 Abs. 1 GG 81 . Daher trete die Pressefreiheit nicht kumulativ als selbständige Größe neben die allgemeine Meinungsfreiheit 82 , sondern als lex specialis sei sie nur deren besondere Ausprägung 83 . Diese Verhältnisbestimmung finde sich i m Wortlaut des A r t . 18 GG, „die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit", bestätigt 84 . Systematisch w i r d der sachliche Gewährleistungsumfang des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG damit so gefaßt, daß die tatsächlichen ökonomischen Voraussetzungen der Pressetätigkeit nicht dem Schutz des Grundrechts der Pressefreiheit unterstellt werden können 85 . Entwicklungsgeschichtlich 77 E.W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1530 f.); Schnur, DVB1. 1965, S. 489 ff. (S. 490); ders., V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 103); v. Mangoldt-Klein, Bd. I, Vorbem. Β X V 1 b). 78 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 104); Fröhler, Werbefernsehen, S.20; HenschelKittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178 f.). 79 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 101); Bettermann, 49. DJT, Bd. I I , Ν 177. 80 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 101); Fröhler, Werbefernsehen, S. 20, auch w e n n auf S. 19/20 betont w i r d , diese Streitfrage könne dahinstehen; ArndtlEbsen, Mitbestimmung, S. 83. Diese systematische Stellung des A r t . 5 I GG, jedoch gleichzeitig die Einbeziehung der ökonomischen Voraussetzungen der Pressetätigkeit i n den Schutzbereich des A r t . 5 1 2 GG nehmen an: Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 11, 14; Friesenhahn, Fs. Kunze, S. 24; Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 9, S. 18; Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 1, S. 152 f.; Czajka, S. 145 ff.; Η . P. Klein, S. 87 ff.; 92; Windsheimer, S. 117. 81 Besonders deutlich Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 1. 82 Windsheimer, S. 117. 83 Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 1. 84 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 101 F N 2); Friesenhahn, Fs. Kunze, S. 25; Czajka, S. 147; Η . P. Klein, S. 91.

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verweist man auf die liberale Herkunft des Grundrechts 8®. Ursprünglich lediglich M i t t e l zur geistigen Auseinandersetzung, sei die Presse erst später zum Beruf und zur Erwerbsquelle geworden. Die historische Interpretation führe zu dem Ergebnis, daß die Pressefreiheit nur die geistige Auseinandersetzung i n einer spezifischen Form schütze, sie aber nicht auf die ökonomische Komponente der Pressetätigkeit bezogen sei. Pressefreiheit bedeute daher allein, daß der Staat die i n und mit der Presse sich vollziehende geistige Auseinandersetzung nicht behindern dürfe, sie erstrecke sich aber nicht darauf, unter welchen wirtschaftlichen Voraussetzungen und m i t welchem wirtschaftlichen Resultat die Freiheit, eine Meinung mit Hilfe von Presseerzeugnissen zu äußern, i n Anspruch genommen wird. Insoweit sei das Grundrecht der Pressefreiheit indifferent 87 . Ι Π . Pressefreiheit und Berufsfreiheit W i r d der Garantietatbestand der Pressefreiheit als Freiheit, Meinungen mittels der Presse zu äußern und zu verbreiten, gefaßt, so soll dies ausschließen, die Presseberufsfreiheit — d. h. die Freiheit der Träger des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG, einen Presseberuf, etwa den des Verlegers oder den des Journalisten, zu wählen und die Pressetätigkeit berufsmäßig auszuüben — dem Schutz des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zu unterstellen. Der Grundrechtstatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG weist dann keinerlei Überschneidungen m i t dem Grundrechtstatbestand des A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG auf. Eine Gesetzeskonkurrenz zwischen beiden Grundrechtsnormen wegen Spezialität des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG kann demnach nicht i n Betracht kommen. Pressefreiheit und Berufsfreiheit werden i n einem klar abgegrenzten Nebeneinander gesehen; die Presseberufsfreiheit w i r d exklusiv dem A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG zugeschlagen88. Dieser Tatbestandsabgrenzung w i r d eine scharfe Unterscheidung zwischen „Beruf" und „Freiheitsbetätigung" zugrunde gelegt; für Journalisten wie Verleger seien Beruf und Pressefreiheitsbetätigung nicht dasselbe, sondern völlig verschiedene Dinge: „Eine berufsmäßige Freiheit 85

Fröhler. Werbefernsehen, S.20; Henschel Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178); ArndtlEbsen, Mitbestimmung, S.84; Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 138 f., S. 144 ff.). 86 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 101); Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 11, 14; ders., DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S. 13 f.); ders., DÖV 1963, S. 633 ff. (S. 633); Czajka, S. 19 - 81, 103 f.; Windsheimer, S. 64 ff., 77; H. P. Klein, S. 84 ff., 92. 87 Fröhler, Werbefernsehen, S. 20 f. 88 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 138 f., 144 ff.); Henschel Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 180); Schwenk, N J W 1962, S. 1321 ff. (S. 1323), jedoch ohne Begründung; w o h l auch Löwer, J A 1976 ÖR 245 ff. (S. 248 f.) i m Zusammenhang m i t Fragen der Pressesubventionierung; Arndt lEbsen, Mitbestimmung, S. 84.

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

gibt es nach dem geltenden Verfassungsrecht nicht, ebenso wie es keinen Freiheitsberuf gibt. Diese beiden Elemente können zusammenfallen — sie t u n es sogar oft —, sie sind jedoch bei der rechtlichen Beurteilung scharf zu trennen 89 ." Damit w i r d die Konsequenz aus dem Begriff rechtsstaatlicher, negativer Freiheit gezogen: Wenn die Freiheitsrechte des rechtsstaatlichen Verfassungsgesetzes sich darauf beschränken, durch Gewährleistungsschranken bezeichnete Tätigkeiten auszugrenzen, dann müssen sie hinsichtlich der Modalitäten des Freiheitsgebrauchs völlig indifferent sein 90 . Für die Gewährleistung der Pressefreiheit i n A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG muß es rechtlich bedeutungslos sein, ob die geschützte Meinungsäußerung mittels der Presse einmalig oder dauerhaft, amteurhaft oder berufsmäßig erfolgt; A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG kann i n dieser Beziehung keine Aussage entnommen werden 9 1 . Die Notwendigkeit, Beruf und Freiheitsbetätigung deutlich zu unterscheiden, w i r d weiter damit begründet, daß rechtsstaatliche Freiheitsrechte rechtlich gleiche Freiheit garantierten: Die grundrechtlichen Freiheitsgewährleistungen implizierten stets die vollständige Rechtsgleichheit der Träger des Freiheitsrechts 92 , sie normierten jedoch nicht „ein Recht, dessen Ausübung für bestimmte Berufe rechtlich monopolisiert ist, denn eine freiheitliche Verfassung, wie das Grundgesetz, stellt das Gegenteil einer ständischen oder korporativen Verfassung dar, i n welcher bestimmte Freiheiten nur bestimmten Berufen vorbehalten sind 93 ." Jede Gewährleistung berufsmäßiger Freiheit müsse unweigerlich zu dem gleichheits- und also rechtsstaatswidrigen Ergebnis einer rechtsnormativen Privilegierung eines Berufsstandes führen 9 4 . Wenn überhaupt, so könne man die Gleichsetzung von Grundrechtsausübung und Beruf konsequenterweise nicht auf die Presseberufe beschränken, sondern müsse sie auf alle anderen Berufe erstrecken. Daran denke jedoch niemand: „Diese korporative, ständische Idee soll nur für den politischen Journalisten gelten, für den Beruf, der sich beim Kampf gegen — die korporative Idee ausgezeichnet hat 9 5 ." 89

Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 145). Ebenda, S. 102, 138. 91 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 138, 145); Arndt/Ebsen, Mitbestimmung, S. 84. 92 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 102); Hensche! Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178); Arndt/Ebsen, Mitbestimmung, S. 84. 93 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 102). 94 Ebenda, S. 145, 146 F N 125; ders., Verfassungsauslegung, S. 32; Hensche/ Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 177), wenden sich dagegen, die Journalisten als „beati scientes" durch die Schaffung besonderer Vertretungsorgane neben dem Betriebsrat zu privilegieren. 95 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 146 F N 125). 90

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Die von A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht erfaßte A r t und Weise der Ausübung der Pressefreiheit, etwa die berufsmäßige Pressetätigkeit oder die Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb auf dem Pressemarkt 96 , werde jedoch nicht schutzlos gestellt: Gegenüber Gesetzen, die „die Ausübung der Pressefreiheit durch den Gebrauch anderer Freiheitsrechte" regelten, gälten die diesen anderen Grundrechten zugeordneten Verfassungsregeln über Freiheit, Schranken und Wesensgehaltssperre 97 . Wenn die Presseberufsfreiheit so ausschließlich dem Schutz des A r t . 12 Abs. 1 GG unterstellt wird, führt dies — wie insbesondere die Argumentation Roman Schnurs zeigt — zu folgenden praktischen Ergebnissen: Berufswahl und Berufsausübung dürften nur dann strenger als bisher geregelt werden, wenn sich erweise, daß die bisherigen Regelungen entweder die betreffenden Gemeinschaftsgüter nicht ausreichend schützten oder aber die Berufsbetätigung mehr als gedacht einengten. Die Rechtsfigur der Zulassung zu den Presseberufen sei grundsätzlich ausgeschlossen, insoweit nehme die Verfassung den Schutz bestimmter Gemeinschaftsgüter zurück. Änderungen der bestehenden Rechtslage seien nur gerechtfertigt, wenn sich die Interessenlage i n nennenswertem Maße verändert habe. Es sei aber die Situation nicht undenkbar, i n der es dem Gesetzgeber gestattet sei, eine echte Zulassung zu den Presseberufen einzuführen. Das sei dann der Fall, wenn i m Pressewesen Mißstände einträten, die man sich bei Erlaß der Verfassung nicht vorgestellt habe. Dies setze jedoch eine i m wahren Sinne des Wortes außergewöhnliche Situation voraus und sei insofern höchst unwahrscheinlich. Eine Verwirkung gem. A r t . 18 GG der Presseberufsfreiheit w i r d ausgeschlossen, da A r t . 12 Abs. 1 GG nicht zu den i n A r t . 18 GG aufgezählten verwirkbaren Grundrechten gehöre. Ein strafrechtliches Berufsverbot gem. § 70 StGB w i r d hingegen für zulässig gehalten. A r t . 18 und § 70 StGB beträfen eben zwei verschiedene Dinge: A r t . 18 GG treffe die Tätigkeit überhaupt, ob beruflich ausgeübt oder nicht; § 70 StGB treffe den Beruf, nicht aber die Tätigkeit. Das strafrechtliche Berufsverbot berühre also nicht die Pressefreiheit, es erfasse nicht einmal die gesamte berufliche Tätigkeit i n der Presse. Der Journalist, dem die Berufsausübung gem. § 70 StGB verboten worden sei, dürfe sich immer noch i n der Presse betätigen: Er könne seinen Beruf noch i n anderen Sparten ausüben und dürfe auch noch politisch schreiben, nämlich wie jeder andere Staatsbürger auch. „Wollte man dem entgegenhalten, das reiche nicht aus, u m den Fluß der politischen Mei96 Ebenda, S. 139; Henke, DVB1. 1975, S. 272 ff. (S. 273); Löwer, J A 1976 ÖR 245 ff. (S. 249). 97 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 138).

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

nungsbildung offen zu halten, so würde man einen Beruf privilegieren wollen 9 8 ." IV· Pressefreiheit und Eigentumsgarantie I m Verhältnis der Pressefreiheit zur Eigentumsgarantie soll prinzipiell dasselbe wie i m Verhältnis zur Berufsfreiheit gelten: Überschneidungen der Grundrechtstatbestände der A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG werden ausgeschlossen, eine Spezialität des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG komme nicht i n Frage. Das Presseeigentum w i r d exklusiv dem Schutz des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG unterstellt 9 9 . Basierte die Tatbestandsabgrenzung i m Verhältnis A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG — A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG auf der scharfen Unterscheidung zwischen „Beruf" und „Freiheitsbetätigung", so w i r d ihr hier die ebenso „genaue Differenzierung" zwischen Eigentum und Freiheitsgebrauch zugrundegelegt 100 . Eigentumsgebrauch und Pressefreiheitsbetätigung könnten zwar faktisch uno acto zusammenfallen — wie dies beim VerlegerEigentümer regelmäßig der Fall sei —, diese tatsächliche Rollenverschränkung müsse aber rechtlich durch die getrennte Beurteilung beider Elemente aufgelöst werden 1 0 1 . Denn gegenüber eigentumsgebrauchender Freiheitsbetätigung müsse das Grundrecht der Pressefreiheit als Gewährleistung rechtsstaatlicher, negativer Freiheit ebenso indifferent sein wie gegenüber berufsmäßigem Freiheitsgebrauch 102 . Die rechtsstaatliche Verfassung könne eigentumsmäßige Freiheit und Freiheitseigentum ebensowenig kennen wie berufsmäßige Freiheit und Freiheitsberuf 103 . Unter dem Aspekt rechtlich gleicher Freiheit verbiete sich die Annahme, das Grundgesetz garantiere die Pressefreiheit als ein Recht, dessen Ausübung für Eigentümer von Presseproduktionsmitteln 98 Ebenda, S. 138 f., 143 ff. m. F N 99, 124, 125; vgl. auch Schwenk, N J W 1962, S. 1321 ff. (S. 1323). 99 Hensche/Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178 f.); Hensche, Tendenzschutz, S. 78; Arndt/Ebsen, Mitbestimmung, S. 84. 100 Die v o n Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 102, 144 ff.) m i t Deutlichkeit auf historischem u n d grundrechtstheoretischem Niveau herausgearbeitete U n terscheidung v o n Beruf u n d Freiheitsbetätigung w i r d v o n i h m nicht ausdrücklich auf die Relation Eigentum—Freiheitsbetätigung übertragen; das Problem w i r d thematisch nicht berührt. Die A r g u m e n t a t i o n Hensches u n d Kittners, ZRP 1972, S. 177 ff., entbehrt des fundierten theoretischen Bezuges, basiert aber eindeutig auf dem rechtsstaatlichen Freiheitsbegriff. 101 Hensche/Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178); Hensche, Tendenzschutz, S. 78; Arndt/Ebsen, Mitbestimmung, S. 84. 102 Das k l i n g t bei Hensche/Kittner, ZRP 1972, S. 178, an: „Aus der A n erkennung eines solchen verfassungskräftig gesicherten persönlichen Freiraums läßt sich jedoch eine bestimmte Organisation des Pressewesens nicht a b l e i t e n " ; ähnlich Hensche, Tendenzschutz, S. 78. 103 I n A b w a n d l u n g der Formulierung Schnurs, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 145).

§ 1 Abgrenzungsthese

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monopolisiert oder m i t dem Gebrauch von Presseeigentum identisch sei. Auch insofern schlage die rigorose Privilegienfeindlichkeit des rechtsstaatlichen Verfassungsgesetzes durch 104 . Die scharfe Trennung von Pressefreiheit und Eigentum w i r d insbesondere für die Problematik der Arbeitnehmermitbestimmung i n Presseunternehmen und -betrieben praktisch relevant, wie die Ausführungen von Detlef Hensche und Michael Kittner belegen: Die gesetzliche Einführung redaktioneller Mitbestimmung für Journalisten („innere Pressefreiheit") sowie die Beseitigung des „Tendenzschutzes" für die Presse gem. §118 BetrVerfG und § 1 Abs. 4 Nr. 2 MitBestG berührten die Pressefreiheit des Verlegers nicht. Jede gegenteilige Auffassung müsse darauf hinauslaufen, die für die gegenwärtige W i r t schaftsordnung kenzeichnende Verbindung von Eigentum, Unternehmer· und Arbeitgeberfunktion presserechtlich zu überhöhen: „Die faktische Vormachtstellung des Eigentümers, der entweder gleichzeitig Unternehmer und Arbeitgeber ist oder diese einsetzt, erhält die Weihe des A r t . 5 GG — zu Unrecht, wie ein näheres Hinsehen zeigt." I m Verhältnis des Verlegers zu den Arbeitnehmern seines Pressebetriebes, vor allem zu den Journalisten, sei nicht A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG die Rechtsgrundlage dafür, andere für sich arbeiten und seine Meinung verbreiten zu lassen, sondern der Arbeitsvertrag. Nicht die Pressefreiheit verleihe dem Verleger das Recht, eine bestimmte Meinungsrichtung der Publikation durchzusetzen, sondern das arbeitsrechtliche Direktionsrecht. „Daß der Verleger herkömmlicherweise die tendenzbestimmende Vormachtstellung innehat, folgt daraus, daß Eigentum, Unternehmerund Arbeitgeberfunktion zumeist i n einer Person zusammenfallen oder zumindest von einer Person abhängen. Das ist aber eine Frage des geltenden Eigentums-, Unternehmens- und Arbeitsrechts, d.h. auf Grundrechtspositionen bezogen ein Problem des A r t . 14 GG." Von A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG werde diese „Rollenverschränkung" nicht geschützt. Den Schutz des Grundrechts der Pressefreiheit genieße der Verleger nur, soweit er selbst i n seinem Presseorgan schreibe, nicht aber soweit es sich u m seine „spezifische Eigentümerleistung", das Bereitstellen der sächlichen Produktionsmittel handele. Dieser Eigentümerleistung fehle nämlich der personale Bezug zur Meinungsäußerung. Gesetzliche Regelungen über die Erweiterung der Arbeitnehmermitbestimmung i m Bereich der Presse seien daher ausschließlich nach A r t . 14 GG zu beurteilen und unter allgemeinen Mitbestimmungsgesichtspunkten zu entscheiden. Danach soll selbst der gänzliche Fortfall des Direktionsrechts des Verleger-Eigentümers nicht an A r t . 14 GG scheitern 105 . 104 Henschel Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178), wenden sich dagegen, daß einige freier u n d gleicher sein sollen als andere.

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

V. Offene Probleme der Abgrenzungsthese Eine konsequente Tatbestandsüberschneidungen vermeidende Schutzbereichsabgrenzung erscheint auf den ersten Blick als bestechende, weil klare Problemlösung. Und i n der Tat „verliert manches vermeintliche Konkurrenzproblem seinen Zauber, wenn man das Verhältnis der beteiligten Grundrechte zueinander kritisch überdenkt und den zu beurteilenden Sachverhalt vernünftig zerlegt 106 ." Auf wichtige Fragen vermag die Abgrenzungsthese jedoch keine schlüssige A n t w o r t zu geben: I m Verhältnis zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und den A r t . 12, 14 GG führt die Schutzbereichsabgrenzung zwar — wie gezeigt wurde — zu einem konsistenten Auslegungsergebnis; es ist aber zu Recht bezweifelt worden, ob das rigorose Abgrenzungsverfahren allgemein zwanglos durchgehalten werden kann, d. h. ob es ausnahmslos für das Verhältnis aller Grundrechtsnormen zueinander angewandt werden kann, ohne Wortlaut und Sinn von Grundrechtsvorschriften unter Verletzung der klassisch-juristischen Auslegungsregeln Gewalt antun zu müssen 107 . Darin liegt jedoch nicht das einzige offene Problem der Abgrenzungsthese; denn selbst wenn man annimmt, das Abgrenzungsverfahren ließe sich widerspruchsfrei handhaben, ergäbe sich damit nicht schlüssig, daß jede Handlung stets dem Schutz nur einer Grundrechtsnorm zu unterstellen und jede auf diese Handlung bezogene Regelung nur anhand dieser einen Vorschrift auf ihre Grundrechtskonformität h i n zu untersuchen wäre. Die Aussage, die Elemente „Pressefreiheit" und „Beruf" bzw. „Eigentum" könnten faktisch zusammenfallen, seien bei der rechtlichen Beurteilung aber scharf zu trennen 1 0 8 , kann nur dahin verstanden werden, daß die voneinander eindeutig abgegrenzten Grundrechtstatbestände faktisch uno acto verwirklicht werden können. Dann läßt sich die geforderte scharfe Trennung bei der rechtlichen Beurteilung aber nur erreichen, wenn die Handlung, i n der die verschiedenen „Elemente" zusammenfallen, und die darauf bezogene hoheitliche Regelung i n selbständige Einzelakte aufgeteilt werden können 1 0 9 . 105 Hensche!Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178); Hensche, Tendenzschutz, S. 78; Arndt/Ebsen, Mitbestimmung, S. 84. Dagegen wendet sich Schnur, V e r fassungsauslegung, S. 32, engagiert gegen Entmachtung u n d Entrechtung der Zeitungsverleger. 100 Leva, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 163). 107 Berg, Konkurrenzen, S. 75 ff.; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 161, 163); Rüfner, Fg. BVerfG, Bd. I I , S. 454 ff. (S. 474 ff.), jeweils m i t Beispielen. 108 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 145); ähnlich Hensche/Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178). 109 Bachof, Die Grundrechte I I I / l , S. 169 f.; i m Anschluß an diesen W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 76; zweifelnd dagegen Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 164).

§ 1 Abgrenzungsthese

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Hier kann i n der Tat jeder Teil gesondert rechtlich gewürdigt werden, u . U . m i t dem Ergebnis der Teilnichtigkeit der Regelung. Daß dies keineswegs immer der Fall sein muß, ist i m Grunde eine triviale Einsicht 110 . Häufig stellen sich die verschiedenen Handlungselemente nur als (rechtliche) Aspekte derselben unteilbaren Handlung dar 1 1 1 . Es mag zwar abstrakt möglich sein, die unterschiedlichen Aspekte einer einheitlichen Handlung verschiedenen Grundrechtstatbeständen zuzuordnen; konkret ist eine solche Aufteilung nicht möglich, wenn die einheitliche Handlung zum Regelungsgegenstand einer (nicht teilbaren) hoheitlichen Maßnahme wird. Denn es können nicht Handlungsaspekte, sondern nur Handlungen, menschliches Verhalten geregelt werden; und auf einheitliche Handlungen bezogene, nicht teilbare Regelungen können nur insgesamt als rechtmäßig oder rechtswidrig beurteilt werden. Es kann daher der Frage nicht ausgewichen werden, welche der durch eine einheitliche Handlung gleichzeitig i n Anspruch genommenen, aber schutzbereichs- und schrankendivergenten Grundrechtsnormen den Entscheidungsmaßstab bei der Beurteilung der Regelung als rechtmäßig oder rechtswidrig abgeben soll. Zur Illustration des Problems soll an dieser Stelle ein einfaches Beispiel genügen: Die Verpflichtung zum Abdruck der Gegendarstellung gem. § 11 NW LPG betrifft sowohl die Pressefreiheit gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG (i. S. der Freiheit der Meinungsäußerung mittels der Presse) 112 als auch die Berufsfreiheit gem. A r t . 12 Abs. 1 GG von verantwortlichem Redakteur und Verleger 1 1 3 . Für den Verleger-Eigentümer kommt zudem Art. 14 GG i n Betracht. Eine Zerlegung des Sachverhalts „Abdruck der Gegendarstellung" i n mehrere Einzelakte und eine Aufteilung der Regelung sind nicht möglich; die rechtliche Prüfung muß daher die Frage einbeziehen, ob für die Grundrechtskonformität des § 11 NW LPG die Schranken des A r t . 5 Abs. 2 GG oder des A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG bzw. des A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 GG ausschlaggebend sein sollen. Von Interesse ist hier weniger, daß die Vorschrift i m Ergebnis nach allen einschlägigen Grundrechtsnormen rechtlich unproblematisch sein mag; das Beispiel zeigt jedoch, daß es trotz klarer Schutzbereichsabgrenzung nicht möglich ist, eine Handlung stets nur einer Grundrechtsnorm zuzuordnen, selbst wenn man die Möglichkeit der Aufteilung i n Einzelakte i n Rechnung stellt.

110 Jedenfalls angesichts der analogen A n w e n d u n g des § 139 BGB i m öffentlichen Recht. 111 W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 76. 112 Jedenfalls, w e n n m a n Freiheit u n d Pflicht als aut-aut sieht u n d also die Abdruckverpflichtung nicht als immanente Schranke begreift. 113 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 143).

§ 2 Das Verhältnis zwischen Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und den Art. 12 Abs. 1,14 GG als Problem der Grundrechtskonkurrenz Den Konkurrenzlehren — Gesetzeskonkurrenz wegen Spezialität des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 Abs. 2 GG oder Idealkonkurrenz zwischen den A r t . 5, 12, 14 GG — ist die Ausgangsannahme gemein, durch ein und dieselbe hoheitliche Regelung könnten gleichzeitig die Tatbestände der Grundrechte ein und derselben Person berührt werden 1 . I m Gegensatz zur tatbestandsabgrenzenden Auslegung w i r d i n den Konkurrenzlehren die Möglichkeit von Tatbestandsüberschneidungen herausgestellt; diese Vorstellung von Überschneidungen, Überlappungen oder sich schneidenden Kreisen 2 ist Ausdruck eines räumlichen Denkens, welches sich begrifflich darin manifestiert, daß der Schutzumfang der Freiheitsgrundrechte als „Bereich", „Raum", „Reservat" oder als „Lebensbereich" 3 bezeichnet wird. I. Methodische Grundlagen der Konkurrenzlehren Interpretationsmethodisch gesehen lassen sich Zusammenhänge zwischen räumlichem Denken und klassisch-normbezogener Hermeneutik wie einer (auch) wirklichkeitsbezogenen, materiellen Verfassungsauslegung 4 herstellen: Geht es der normbezogenen Grundrechtsinterpretation u m die Ermittlung des rechtsstaatlichen Grenzverlaufs zwischen allgemeiner Subjektion unter die Staatsgewalt und Subjektionsfreiheit 5 , so ist es nicht fernliegend, diesen Grenzverlauf nicht bloß handlungsbezogen®, 1

Berg, Konkurrenzen, S. 9; Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S.474; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 161); Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 324. 2 Peters, Grundfragen, S.297; Bachof, Die Grundrechte I I I / l , S. 169; Friesenhahn, Fs. Kunze, S. 28; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 76; SternlBethge, Rundfunk, S. 98; Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S. 474; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 163); Erbel, Kunstfreiheit, S. 124; Wilke, V e r w i r k u n g , S. 73; W. Müller, V e r sammlungsfreiheit, S. 71. 8 Forsthoff, V V D S t R L 12, S. 8 ff. (S. 18); ders., Verfassungsschutz, S. 15; ders., Staat der Industriegesellschaft, S. 152; Hesse, Grundzüge, § 10 I, S. 129. 4 I n A n l e h n u n g an die Bezeichnung „wirklichkeitswissenschaftliche Verfassungsinterpretation" bei E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2094 ff.). 5 Vgl. oben unter § 1 I. β Wie jedoch bei der These von der Tatbestandsabgrenzung, vgl. oben unter § 1 I.

§ 2 Konkurrenzlehren

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sondern stärker bereichsbezogen zu beschreiben. Damit t r i t t eine gewisse Akzentverlagerung innerhalb der rechtsstaatlichen Norminterpretation ein: es geht nicht allein u m die Grenzen eingreifenden Staatshandelns bzw. freien Bürgerhandelns, sondern abstrakter um die Abschichtung von Willenssphären, nämlich von staatlichem Bereich und dem daraus ausgegrenzten Bereich individueller (gesellschaftlicher) Freiheit 7 . Die Formalität des bürgerlichen Rechtsstaats w i r d so i n der Tat als „höchst räumlich-statische Formalität" gefaßt; „sie charakterisiert sich nicht zum mindesten aus der stetigen Gegenübersetzung des Innen und Außen, des Oben und Unten 8 ." Eine (auch) wirklichkeitsbezogene, materiale Grundrechtsauslegung hält der klassisch-normbezogenen Interpretation zwar ihr „naiv verräumlichendes" 9 Denken vor, kommt letzthin aber selbst nicht ohne räumliche Vorstellungen aus: Indem jedes isolierte Verstehen von Norm und Wirklichkeit zurückgewiesen wird, beide vielmehr i n einem Verhältnis korrelativer Zuordnung gesehen werden, kann auch die Verfasung nur i n ihrer Doppelseitigkeit als Sinnordnung und als Lebensordnung erfaßt werden 1 0 . Die damit deutlich markierte Abwendung vom Gesetzespositivismus impliziert die Hinwendung zum soziologischen Positivismus 11 . Der normative Geltungsanspruch der Verfassung, staatliche wie gesellschaftliche Wirklichkeit zu ordnen und zu gestalten, ihr Durchbruch zur Allgemeingültigkeit habe zur V e r w i r k lichungsbedingung, daß die Verfassung „vom Gegenstand her bestimmte, d. h. sachliche Gesamtordnung konkreter Lebensverhältnisse" sei, deren Eigengesetzlichkeiten sie „ i n kluger Anpassung" respektiere 12 . Während die Ordnungsfunktion der „Gesamtverfassung" die Totalität gesellschaftlichen Lebens ergreife, könnten sich die einzelnen Grund7

Forsthoff, V V D S t R L 12, S. 8 ff. (S. 18). Lerche, DVB1. 1961, S. 690 ff. (S. 693); ähnlich bereits Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 196 f. 9 Smend, A r t i k e l „Integrationslehre", i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 479. 10 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, in: Staatsrechtliche A b h a n d lungen, S. 187 ff.; ders., A r t i k e l „Integrationslehre", in: Staatsrechtliche A b handlungen, S. 478; Kaufmann, V V D S t R L 3, S.2ff. (S. 15); ders., V V D S t R L 4, S. 77 ff. (S. 78 f.); Hesse, Die normative K r a f t , S. 83 m . w . N.; Hollerbach, AÖR 85 (1960), S. 241 ff. (S.248); Lerche, DVB1. 1961, S. 690 ff. (S. 697 ff.); Leisner, D Ö V 1961, S. 641 ff. (S. 644 f.); F.Müller, Juristische Methodik, S. 60 ff., 91 ff., 115 ff. — Es w i r d darauf verzichtet, die Auffassungen zum Verhältnis Norm— W i r k l i c h k e i t auch n u r annähernd differenziert darzustellen; es k o m m t hier n u r darauf an, räumliche Ansätze i n der wirklichkeitsbezogenen Auslegung zu erläutern. 11 So die zutreffende Analyse bei I. Maus, Bürgerliche Rechtstheorie u n d Faschismus, S. 47 ff. 12 Hesse, Die normative K r a f t , S. 82, 86; ders., Grundzüge, § 1 I I I , S. 18; Leisner, DÖV 1961, S. 641 ff. (S.644); vgl. auch schon Kaufmann, V V D S t R L 3, S. 2 ff. (S. 15). 8

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

rechtsbestimmungen nur auf bestimmte Ausschnitte aus dieser Lebenstotalität, d. h. auf konkrete gesellschaftliche Lebensbereiche 13 , also auf Räume beziehen. Die i m Verfassungstext geschriebenen Begriffe dürften so nicht nur als „juristische Relationsbegriffe" behandelt werden, vielmehr solle auf die „juristischen Dingbegriffe" zurückgegangen werden 14 . Moderner formuliert, evozierten die Begriffe der Normtexte als Signal-, Anknüpfungs- oder Verweisungsbegriffe das, woran als Entsprechung i n der sozialen Realität gedacht sei 15 . Verfassungsinterpretation könne daher nicht an den konkreten Lebensverhältnissen vorbeigehen. Neben dem normativen Kontext müßten deshalb die Besonderheiten der Lebensbereiche, die die Norm ordnen solle, d.h. der Sachgehalt der Norm i n die Auslegung einbezogen werden 1 6 . Dies gelte für die Grundrechtsinterpretation i n besonderem Maße, da die Grundrechte wegen ihres oft nur vagen Normtextes als gesteigert sachgeprägte Normen charakterisiert seien 17 . Die interpretatorische Ermittlung des grundrechtlichen Schutzumfangs vollziehe sich daher wesentlich durch den Rückgriff auf den gewährleisteten gesellschaftlichen Lebensbereich 18 . Daß das räumliche Denken, wie es sich i m Begriff des „Lebensbereichs" ausdrückt, nicht formal-ausgrenzender, sondern material-eingrenzender Natur ist, w i r d noch an anderer Stelle zu berücksichtigen sein, trägt jedoch zur Erklärung der Vorstellung von Grundrechtsüberschneidungen nichts bei. I I . Grundrechtstheoretische Grundlagen Die nähere Darstellung der beiden Konkurrenzlehren setzt zum Verständnis ihrer Aussagen und Probleme die Offenlegung grundrechtstheoretischer Ausgangsannahmen voraus. Zwar läßt sich die A n nahme einer Spezialität des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG oder einer Idealkonkurrenz zwischen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und den A r t . 12, 14 GG nicht als 13

Hesse, Grundzüge, §10 I, S. 129; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 45); F. Müller, Freiheit der Kunst, S. 14; Lerche, A f P 1974, S. 593 ff. (S. 594); Bachof, Die Grundrechte I I I / l , S. 167; Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S.456; BVerfGE 6, S. 32 (S. 37), 30, 173 (S. 188). 14 Kaufmann, V V D S t R L 4, S. 77 ff. (S. 78 f.), daran anschließend Lerche, DVB1. 1961, S. 690 ff. (S. 698). 15 F.Müller, Juristische Methodik, S. 115; Leisner, D Ö V 1961, S. 641 ff. (S. 643, 645); der Verweisungsbegriff k l i n g t bereits bei Kaufmann, VVDStRL 3, S. 2 ff. (S. 15) an. 16 Hesse, Die normative K r a f t , S. 89; ders., Grundzüge, § 1 I I I , S. 19; F.Müller, Juristische Methodik, S.91 f.; Leisner, DÖV 1961, S. 641 ff. (S.644): Hollerbach, AöR 85 (1960), S. 241 ff. (S. 262). 17 F. Müller, Juristische Methodik, S. 273. 18 Hesse, Grundzüge, §10 I, S. 129; F.Müller, Juristische Methodik, S.46, 117; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S.45); Lerche, Übermaß, S. 106; BVerfGE 6, S. 32 (S. 37).

§ 2 Konkurrenzlehren

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notwendige Konsequenz eines ganz bestimmten und einheitlichen grundrechtstheoretischen Ansatzes ausmachen; i m Gegenteil finden sich i n beiden Konkurrenzlehren jeweils Vertreter zweier unterschiedlicher Grundrechtskonzeptionen, nämlich einer modifizierten subjektiv-rechtlichen Lehre und der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter. Die Unterschiede zwischen beiden Grundrechtstheorien führen aber innerhalb jeder der beiden Konkurrenzlehren zu Modifikationen, sei es i m Ergebnis, sei es i n der dogmatischen Konstruktion. I n diesem Zusammenhang als besonders bedeutsam werden sich die Differenzen beider Theorien hinsichtlich der Kategorien zulässiger Grundrechtsbegrenzungen herausstellen. 1. Modifikation der subjektiv-rechtlichen Lehre: Die Ausdehnung des Schutzumfangs der Pressefreiheit

Die den Konkurrenzlehren immanente Annahme von Tatbestandsüberschneidungen i m Verhältnis der A r t . 5 Abs. 1 S. 2, 12, 14 GG w i r d vom Boden der subjektiv-rechtlichen Grundrechtstheorie aus 19 nur durch eine Ausdehnung des Schutzumfangs des Pressefreiheitsgrundrechts möglich: A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG w i r d als lückenlose und umfassende Garantie aller Tätigkeiten ausgelegt, die typischerweise zu der auf Herstellung und Verbreitung von Erzeugnissen der Druckerpresse gerichteten Arbeit gerechnet werden müssen 20 . Erfaßt w i r d also die gesamte Prozedur der Herstellung des Druckwerks von der Nachrichtenbeschaffung bis zur Nachrichtenverbreitung einschließlich sämtlicher „neutraler" technischer Hilfstätigkeiten 2 1 , der berufs- und gewerberechtlichen Seite 22 sowie des Eigentums an Presseproduktionsmitteln 23 . Zwischen spezifisch pressebezogenen und anderen Verhaltensweisen könne in diesem Zusammenhang nicht unterschieden werden. Dieser Schutzumfangserweiterung liegt eine Modifikation der Methode der Schutzumfangsermittlung zugrunde, die i m Zusammenhang mit dem bereits angesprochenen räumlichen Denken zu sehen ist. Metho19

Vgl. oben § 1 I I . Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnrn. 135, 153; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 12; ders., DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S.4); Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 8, S. 17; Czajka, S. 93; Windsheimer, S. 98 ff., 117 f.; Dittrich, S. 54 f.; Ipsen, PresseGrosso, S. 62. 21 Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnrn. 136, 140; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 12; Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 13, S. 19; Czajka, S. 93; Ipsen, PresseGrosso, S. 33. 22 Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 141; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 44; ders., DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S. 4); Rehbinder, Presserecht, Rdnrn. 8, 13, S. 17, 20; Czajka, S. 146. 23 Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 142 F N 2; ders., Innere Pressefreiheit, S. 5; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 44; Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 140. 20

4 Degen

1. Teil: Konventionelle Problemlösung

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disch w i r d nicht mehr ein bloßes Substraktions ver fahren eingeschlagen 24 , sondern es w i r d eine Beschreibung des grundrechtlich geschützten staatsinterventionsfreien Raums vorgenommen. Das Grundrecht der Pressefreiheit schützt danach nicht allein individuelle Handlungen der einzelnen Grundrechtsträger vor rechtswidrigem Staatseingriff, die geschützten Aktionen der Individuen werden nicht i n einem beziehungslosen Nebeneinander gelassen, sondern i n einen realen gesellschaftlichen Handlungszusammenhang gestellt: Geschützt werden soll die freie Betätigung des Einzelnen innerhalb eines bestimmten, staatlicher Gerenz entzogenen Bereichs 25 . Dieser Raum stelle sich als Sozialbereich, als von Menschen getragenes und beherrschtes Ordnungsgefüge dar 2 6 . I m Zusammenhang m i t der Vorstellung vom Ausgrenzungscharakter der Grundrechte ergibt sich als prägendes Moment des Ordnungsgefüges die reale auf Grund spontaner Selbstregulierung historisch hervorgebrachte Strukturbildung der Gesellschaft; die Grundrechte sind demnach „Hohlformen, die von der Gesellschaft als relativer Totalität menschlicher Beziehungen und Verhältnisse ausgefüllt werden" 2 7 . Die Ordnung des grundrechtlich geschützten Bereichs ergibt sich damit aus dem gesellschaftlichen status quo 28 . Für das Grundrecht der Pressefreiheit w i r d so als geschützter staatsinterventionsfreier Raum das private Presseunternehmen festgemacht: „ A r t . 51 Satz 2 garantiert eben das gesamte Leben und die gesamte Arbeit des konkreten Presseunternehmens" 29 . Die Bestimmung des Schutzumfangs des Pressefreiheitsgrundrechts fällt demnach weiter aus als bei seinem „Urgrundrecht" 3 0 , dem Recht auf freie Meinungsäußerung und -Verbreitung gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG. Diese Erweiterung w i r d m i t tatsächlichen gesellschaftlichen 24

Vgl. oben unter § 1 I I 3. Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 22, wonach ein v o n Menschen getragener u n d beherrschter Sozialbereich i m Genuß der grundrechtlichen Freiheiten steht. Ders., DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S. 7) spricht v o n dem v o n der Pressefreiheit geschützten sachlichen Substrat; ders., Staat der Industriegesellschaft, S. 151: „Die Grundrechte normieren einen individuellen Bereich . . ."; ders., Staatsbürger u n d Staatsgewalt I I , S. 19: „Die Grundrechte legen auch eine bestimmte überindividuelle soziale Ordnung verbindlich fest." Merten, JuS 1976, S. 345 ff. (S. 347); Wilke, V e r w i r k u n g , S. 72 f. u n d Schwark, S. 126, reden noch deutlicher v o n „Lebensbereich". 28 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 12, gegen die „Offenheit des Begriffs der Pressefreiheit" i m Verständnis Löfflers (Presserecht, Bd. I , Kap. 5, Rdnr. 16): „Es ist Sinn der Verfassung, ein bestimmtes Ordnungsgefüge i n Normen m i t zwingender K r a f t festzulegen." 27 Forsthoff, DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S. 7). 28 Forsthoff, V V D S t R L 12, S. 8 ff. (S. 18), hebt selbst den „Status quo", die „gesellschaftliche Situation w i e sie ist" i m Zusammenhang m i t dem v o n i h m betonten grundrechtlichen Ausgrenzungscharakter hervor. 29 Herzog, i n MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 140. 30 Ebenda, Rdnr. 1. 25

§ 2 Konkurrenzlehren

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Entwicklungen begründet: Die Pressemeinungsäußerung und »Verbreitung erfordere unter den Bedingungen der modernen Industriegesellschaft einen besonderen technischen Aufwand und daher die Existenz eines besonderen Gewerbezweiges 31 . Diese historisch hervorgebrachte sachliche „Konnexität der m i t der Herstellung eines Presseerzeugnisses notwendig verbundenen Vorgänge" erzwinge die Erstreckung der Pressefreiheit auf die technisch-gewerbliche Seite der Pressetätigkeit 32 . W i r d damit das Grundrecht der Pressefreiheit zur Kategorie der Grundrechte gezählt, „deren Ausübung an eine Organisation oder einen Betrieb gebunden ist" 3 3 , so führt dies dazu, dem A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG neben seinem „Primäreffekt", nämlich der Garantie eines subjektiven öffentlichen Rechts, einen „Sekundäreffekt" 34 abzugewinnen: Dieser soll i n der objektiv-rechtlichen „Umhegung" des subjektiven öffentlichen Rechts durch ein i m status negativus belassenes „Konnexinstitut" bestehen 35 . Unter einem solchen „Konnexinstitut" w i r d die verfassungsrechtliche Garantie der typischen einfach-gesetzlichen „Umbau-Normen" eines Freiheitsrechts, also des „überlieferten typischen Maßes staatlicher Eingriffe" verstanden 36 . Die Gewährleistung eines freiheitsumhegenden Normenkomplexes sei nicht mit der Garantie eines gesellschaftlichen Sachverhalts identisch 37 . Das Konnexinstitut schütze nicht bestimmte Lebensformen, etwa die Presse i n Bestand und Funktion, sondern beinhalte nur den Schutz gesellschaftlicher Einrichtungen i n ihrer typischen herkömmlichen Formiertheit 3 8 , i n A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG den Schutz des privatrechtlich und privatwirtschaftlich organisierten Presseunter31 C.Schmitt, Grundrechte u n d Grundpflichten, i n : Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 210 F N 77; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 12; ders., DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S. 4); Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 8, S. 17; Czajka, S. 108, 146; Windsheimer, S. 98; Dittrich, S. 54. 32 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 12. 33 Forsthoff, Staat der Industriegesellschaft, S. 155; Czajka, S. 108. 34 Herzog, Fs. E. Hirsch, S. 73; Rüthers, A f P 1977, S. 305 ff. (S. 312). 35 C. Schmitt, Grundrechte u n d Grundpflichten, i n : Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 210 F N 77; W.Weber, Innere Pressefreiheit, S. 53; ders., DSt. 4 (1965), S. 410 ff. (S. 436 f.); Rüthers, A f P 1977, S. 305 ff. (S. 311 f.); P.Schneider, Pressefreiheit u n d Staatssicherheit, S. 64. Ohne Rekurs auf den Begriff „ K o n nexinstitut", aber inhaltlich identisch: Forsthoff, Verfassungsschutz, S.25, 64 f.; Bettermann, 49. D J T I I , Ν 175 ff.; H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 50 ff. 36 C. Schmitt, Freiheitsrechte, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 140 ff.; ders., Grundrechte u n d Grundpflichten, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 210 F N 77; vgl. auch die Darstellung u n d Analyse der Lehre C. Schmitts bei Abel, S. 18 ff.; Windsheimer, S. 105 ff. u n d I. Gross, S. 63 ff. 37 So gegen die Lehre F. Kleins, ν. Mangoldt-Klein, Bd. I, Vorbem. A V I 3) c) S. 84 ff .-.Lerche, Übermaß, S. 241 F N 336, der zutreffend darauf hinweist, daß bei K l e i n eine Verwechslung der gesellschaftlichen Sachverhalte m i t den freiheitssichernden Normenkomplexen vorliegt. 38 H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 51 f.

4*

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

nehmens 39 . I m Verhältnis zum subjektiven öffentlichen Hecht komme dem Konnexinstitut keine selbständige Bedeutung zu; es verdanke seine Existenz dem subjektiven Recht, erschöpfe sich i n dessen sachlichem Gehalt und sei i n Abhängigkeit von i h m zu interpretieren 4 0 . Die Rolle des Konnexinstituts w i r d so auf die zusätzliche „Verteidigung und Umhegung der Freiheit 4 1 " beschränkt. Dies verbietet es, dem Konnexinstitut den Rang einer zweiten, dem subjektiven Recht gleichgeordneten objektiv-rechtlichen Grundrechtskomponente zuzuerkennen. Erst recht kann es nicht als über das subjektive Recht hinausweisendes Element objektiver gesellschaftlicher Ordnung und Grundlage für staatliche Institutionspflege beschrieben werden. 2. Die Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter

a) Die Pressefreiheit mit individueller

als subjektives öffentliches Recht und sozialer Zwecksetzung

Das Grundrechtsverständnis, das hier als Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter bezeichnet w i r d 4 2 , sieht durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG eine subjektiv-rechtliche und eine objektiv-rechtliche Komponente garantiert; das subjektive öffentliche Recht auf Pressefreiheit w i r d demnach nicht mehr als alleiniger Garantieinhalt, sondern nur als eines von zwei Garantieelementen des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG begriffen 43 . Die Rechtsprechung des BVerfG hat sich diesen Ansatz 39 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 44, 64 f.; ders., DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S. 4); W.Weber, Innere Pressefreiheit, S. 64, 70; ders., A f P 1974, S. 586 ff. (S.590); H. H. Klein, A f P 1973, S. 494 ff. (S. 494); Kaiser, Presseplanung, S. 31 ff.; Bettermann, 49. DJT, I I , Ν 175; Η. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 54; Rüthers, DB 1972, S. 2471 ff. (S. 2475); ders., A f P 1977, S. 305 ff. (S. 311); Dittrich, S. 54; Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 13, S. 19 f.; P. Schneider, Pressefreiheit u n d Staatssicherheit, S. 64, 75. 40 Windsheimer, S. 105 f. 41 C. Schmitt, Freiheitsrechte, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 169. 42 M i t dieser Bezeichnung ist nicht beabsichtigt, die i n der Folge zitierten A u t o r e n unterschiedslos einem einheitlichen Theorieansatz zuzuordnen. Wenn auch nicht verkannt w i r d , daß es sich u m ein breit facettiertes Spektrum an Meinungen handelt, w i r d es nicht immer möglich sein, die Unterschiede i m einzelnen ausführlich darzustellen. Die folgende Darstellung legt den Akzent auf diejenigen Auffassungen, die die Impulse des Smendschen Werkes aufgegriffen u n d verarbeitet haben. 43 Smend, Meinungsfreiheit, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 95, 116; Scheuner, RStW. I V , S.92; ders., V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 56, 70 f., 91); ders., D Ö V 1971, S. 505 ff. (S. 508); Hesse, Grundzüge, § 9 I I 2, S. 121 ff.; Kübler, 49. D J T I, D 43; Ehmke, Fs. A r n d t , S. 84; Lerche, Pressekonzentration, S. 24; Dagtoglou, S. 12; Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 117 ff.; Mallmann, 49. DJT I I , Ν 17; Löffler, Presserecht, Bd. I, Kap. 5 Rdnr. 51 ff.; Kunert, S. 35 ff.; Heck, A f P 1968, S. 701 ff. (S.703); Geiger, A f P 1977, S. 256 ff. (S.256); Mössle, AöR 101 (1976), S. 202 ff. (S. 203); Grimmer, Demokratie u n d Grundrechte, S. 215 ff.

§ 2 Konkurrenzlehren

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weitgehend zueigen gemacht 44 . Der Inhalt des subjektiven öffentlichen Rechts w i r d — wie i n der subjektiv-rechtlichen Lehre — primär i n einem individuellen Interesse festgemacht: „Es ist zunächst ein Stück sittlich notwendiger Lebensluft für den Einzelnen, die Wahrheit sagen zu dürfen 4 5 ." Die Pressefreiheit erscheint als „ein grundlegendes Moment freier Selbstverwirklichung der Person 46 ." I m Gegensatz zur subjektiv-rechtlichen Lehre bleibt die Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter hier aber nicht stehen, sie sieht vielmehr durch das subjektive öffentliche Recht des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zusätzlich ein überindividuelles, soziales Interesse geschützt: Es ist dies das Interesse an der „Aktualisierung" der grundrechtlich verbürgten Individualfreiheit, an der freien und selbstverantwortlichen Lebensgestaltung und vor allem der M i t w i r k u n g der Individuen an den Angelegenheiten des Gemeinwesens, an der lebendigen Anteilnahme am Ganzen, der Mitgestaltung und Mitverantwortung 4 7 . Dieses soziale Interesse ist „nicht nur Motiv und Sinn des Grundrechts, sondern gehört zu dem von i h m geschützten Tatbestande" 48 . Damit soll freilich keine Verkehrung des Grundrechts i n eine Verpflichtung zu einem bestimmten Freiheitsgebrauch einhergehen 49 . Die Einbeziehung überindividueller Interessen i n den Inhalt des subjektiven öffentlichen Rechts des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG gründet i n einem gewandelten Verfassungsverständnis: Anknüpfend an die Integrationslehre Rudolf Smends w i r d i n der Literatur die wesentliche Funktion der Verfassung i n der Herstellung eines beständigen Prozesses politischer Einheitsbildung festgemacht, als verfassungsinterpretationsleitendes Prinzip w i r d dementsprechend die materiale Einheit der Verfassung herausgestellt 50 . Die Rechtsprechung des BVerfG 44 BVerfGE 7, S. 198 (S.205); 10, S. 118 (S. 121); 12, S. 205 (S.260); 20, S. 162 (S. 175); 25, S. 256 (S.268); 36, S. 193 (S. 204); 31, S. 314 (S. 325); vgl. auch O V G Berlin, DVB1. 1975, S. 905 ff. (S.906); V G Berlin, DÖV 1974, S. 100 ff. (S. 101), DÖV 1975, S. 134 ff. (S. 135); B G H Z 19, S. 392 (S. 398). 45 Smend, Meinungsfreiheit, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 95. 46 Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 20). 47 Smend, Meinungsfreiheit, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 90 f.; Hesse, Grundzüge, §9 I I 2, S. 121 ff.; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S.20); ders., A r t . Verfassung, StLex., Sp. 122; ähnlich Lerche, Werbung, S. 84; Schmitt Glaeser, Mißbrauch, S. 102 ff.; vgl. näherhin: Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 124 ff. 48 Smend, Meinungsfreiheit, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 96; i m gleichen Sinne, aber differenzierter: Lerche, Pressekonzentration, S. 39; a. A . hingegen: R. Gross, Presserecht, S. 40 f.; ders., N J W 1963, S. 893 f. (S. 894). 49 Hesse, Grundzüge, § 9 I I 2 b, S. 123. 50 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, in: Staatsrechtliche A b h a n d lungen, S. 119 ff., 233 ff.; ders., A r t i k e l „Integrationslehre", HdWbdSW. V, S. 299 ff.; Scheuner, Fg. Smend, S. 225 ff.; ders., AÖR 95 (1970), S. 353 ff. (364); Hesse, Grundzüge, § 1 I I , I I I , S. 5 ff., 12 ff.; Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff.

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

hat diesen topos aufgenommen und i m Rahmen der Verfassungsauslegung recht häufig eingesetzt 51 . Wenn damit insbesondere ein Verständnis der redaktionellen Zweiteilung der Verfassung i n einen grundrechtlichen und einen organisatorischen Teil als eine materielle Zweiteilung zurückgewiesen w i r d 5 2 , so w i r d es möglich, „einen prinzipiellen und unaufhebbaren dogmatischen Zusammenhang zwischen rechtsstaatlicher Gewährleistung individueller Meinungs- und Pressefreiheit und sozialstaatlicher Demokratie" 5 3 herauszustellen. Das interpretatorische Theorem der „Einheit der Verfassung" führt somit dazu, „die Begrenzung rein individueller Zwecksetzung i m Grundrechtsteil" 5 4 zu überwinden. Ausgehend von der „schlechthin konstituierenden" Bedeutung 55 des A r t . 5 GG für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung, gelingt es also, eine „überindividuelle Zwecksetzung" 56 i n den Inhalt des subjektiven öffentlichen Rechts hineinzunehmen. A u f den Begriff der „öffentlichen Aufgabe der Presse" gebracht, w i r d dieser sozialen Zwecksetzung bereits für das subjektive Recht Bedeutung beigemessen, „öffentliche Aufgabe der Presse" meint in der Lehre vom Doppelcharakter nicht nur eine soziologisch-analytische, sondern eine verfassungsrechtlich relevante Kategorie 57 . Aus i h r soll sich die (S. 77); Lerche, Übermaß, S. 93 ff.; F.Müller, Juristische Methodik, S. 91, 170, 195; Kühler, 49. DJT, I, D 40; Kunert, S. 76. 51 BVerfGE 1, S. 14 (S.32); 3, S.225 (S. 231 f.); 6, S. 309 (S.361); 15, S. 167 (S. 194 f.); 19, S. 206 (S. 220); 28, S. 243 (S. 261). 52 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : Staatsrechtliche A b h a n d lungen, S. 198; ders., Bürger u n d Bourgeois, i n : Staatsrechtliche A b h a n d l u n gen, S. 318 f.; Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff. (S.89); Scheuner, V V D S t R L 20, S. 125 (Diskussionsbeitrag); ders., A r t . „Verfassung", StLex., Sp. 126 f.; Hesse, Grundzüge, § 9 I I I , S. 125; Kühler, 49. D J T I , D 40. 53 Kühler, 49. D J T I, D 40; i m gleichen Sinne: ders., A f P 1973, S. 405 ff. (S. 409); Scheuner, A f P 1977, S. 367 ff. (S. 368); Hesse, Grundzüge, § 12 I 5 b) cc), S. 159 ff.; Ehmke, Fs. A r n d t , S. 84; Löffler, Presserecht, Bd. I, Kap. 5 Rdnr. 6; Leisner, Werbefernsehen, S. 193 ff.; Mallmann, Publizistik 1959, S. 323 ff. (S. 328 f.); ders., 49. D J T I I , Ν 19; Geiger, Fs. A r n d t , S. 131; ders., Pressefreiheit, S. 35 f.; Lerche, Ev. StLex., Sp. 1911, Dagtoglou, S. 12 ff.; ders., D Ö V 1963, S. 636 (S. 638); Schmitt Glaeser, Mißbrauch, S. 100; Kunert, S. 41 ff.; Heck, A f P 1968, S. 701 ff. (S. 703); vgl. auch Scholz, Fs. Löffler, S. 355 ff. (S. 360 ff.), der noch zwischen W i r k u n g s - u n d Nutzenansatz hinsichtlich der Medienfunktionen differenziert. 54 Scheuner, V V D S t R L 20, 126 (Diskussionsbeitrag); Lerche, Pressekonzentration, S. 39. 55 BVerfGE 7, S. 198 (S. 208); 10, S. 118 (S. 121); 12, S. 113 (S. 125). 56 Lerche, Werbung, S. 81, spricht v o m „zentralen überindividuellen Rechtsgut" des A r t . 5 GG. 57 Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 75, 204) (ders., A f P 1968, S. 725 [S. 726] u n d A f P 1977, S. 367 [S. 368], verneint jedoch einen normativen Charakter der „öffentlichen Aufgabe"); Kühler, 49. D J T I, D 43 f.; Dagtoglou, S.25; Hesse, Grundzüge, § 12 I 5 b) cc), S. 159; Löffler, Presserecht, Bd. I, Kap. 1 Rdnr. 57 ff., geht sogar soweit, die Presse wegen ihrer „öffentlichen Aufgabe" als „Vierte Gewalt" zu bezeichnen; Geiger, Pressefreiheit, S. 17, 30, 35 ff., v e r t r i t t die

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„Tragweite der gewährleisteten Freiheit" erschließen lassen 58 . I n konsequenter Fortführung dieses Ansatzes geht eine Minderheit i n Rechtsprechung und Schrifttum soweit, die „öffentliche Aufgabe der Presse" als immanente sachliche Gewährleistungsschranke des subjektiven öffentlichen Rechts gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 anzusehen. Das bedeutet, daß der Grundrechtsschutz solcher Pressetätigkeit und solchen Presseerzeugnissen versagt wird, die keine „öffentliche Funktion" erfüllen; dies w i r d regelmäßig für die „bloße" Unterhaltungs- und Sensationspresse angenommen. Der Pressebegriff des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG w i r d damit als wertbezogen ausgelegt 59 . Die Mehrheit i n Judikatur und Literatur vollzieht diesen Schritt jedoch nicht mit, sondern beschränkt sich darauf, unter Beibehaltung des formalen Pressebegriffs, also der Definition von „Presse" als jedes Erzeugnis der Druckerpresse 80 , die „öffentliche Aufgabe" als Grundlage für Differenzierungen hinsichtlich der Intensität des Grundrechtsschutzes anzusehen 61 . Dementsprechend verneint es das BVerfG, „daß der Schutz des Grundrechts jedem Presseorgan i n jedem rechtlichen Zusammenhang und für jeden Inhalt seiner Äußerungen i n gleicher Weise zuteil werden müßte". Insbesondere bei der Abwägung zwischen Pressefreiheit und anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern soll so berücksichtigt werden, ob die Presse i m öffentlichen Interesse tätig geworden ist oder nicht 6 2 . b) Die Verdopplung des Freiheitsbegriffs: Negative und positive „rechtliche" Freiheit Die skizzierte Relativierung des subjektiven öffentlichen Rechts gem. A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG i m Wege der Einbeziehung des Garantiemotivs Meinung, das Grundrecht beinhalte auch ein nicht erzwingbares rechtliches Sollen für die Grundrechtsträger zur Orientierung an den grundrechtlich verbürgten Werten; Rheinheimer, S. 50 ff.; Eckhold, S. 137 ff., 176 ff.; vgl. näherhin die Darstellungen bei: Czajka, S. 98 ff.; Mallmann, JZ 1966, S. 625 ff.; H. P. Klein, S. 74 ff.; Leisner, Pressegleichheit, S. 48 ff.; ders., Werbefernsehen, S. 22 ff., 191 ff.; vgl. zur Bedeutung der „öffentlichen Aufgabe" i n der Rspr. des B V e r f G auch: Hoffmann-Riem, JZ 1975, S. 469 ff. 68 Hesse, Grundzüge, § 12 I 5 b) cc), S. 159; Mallmann, 49. D J T I I , Ν 20. 59 Hesse, Grundzüge, § 12 I 5b)cc), S. 159; F. Schneider, Presse- u n d M e i nungsfreiheit, S. 136 ff.; Erdsiek, Fs. Nipperdey, S. 262 f.; v. Mangoldt-Klein, A n m . V I 3 zu A r t . 5 GG; B G H S t 18, S. 182 (S. 185 ff.); Β GHZ 39, 124 (S. 128 f.). 80 Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 68 f.); Lerche, A f P 1975, S. 822 (S. 825); ders., A f P 1976, S. 55 (S. 58); R. Gross, N J W 1963, S. 893 (S. 894); ders., DVB1. 1966, S. 562; Dagtoglou, S. 27 ff.; ders., DÖV 1963, S. 636 (S.636); Mallmann, JZ 1966, S. 626 (S. 632); ders., A r t . „Presse", StLex., Sp. 18 (20); v. Münch, A r t . 5 Rdnr. 22; Gädeke, i n : Schiwy/Schütz, S. 137 (S. 139 f.); Löffler, Presserecht, Bd. I, Kap. 5, Rdnr. 85 ff.; Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 195 ff.; O L G Nürnberg M D R 1963, S.412; BVerfGE 25, S.296 (S.307); 34, S.269 (S.283); 35, S. 202 (S. 222). 61 Mallmann, A r t . „Presse", StLex., Sp. 18 (20); v. Münch, A r t . 5 Rdnr. 22. 82 BVerfGE 34, S. 269 (S. 283); 35, S. 202 (223).

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„öffentliche Aufgabe" i n den Rechtsinhalt w i r d dadurch fortgesetzt, daß die Konzeption der Freiheitsrechte als negative Statusrechte weitgehend aufgegeben wird. Eine Klassifizierung der Grundrechte i m Rahmen der überkommenen Status-Lehre Georg Jellineks 63 als subjektive öffentliche Rechte des status negativus w i r d unter den veränderten Bedingungen des demokratischen Verfassungsstaates für unzulässig gehalten 64 . Der durch Grundrechte gewährleistete Status des Einzelnen lasse sich nicht „auf die formalen und abstrakten Kategorien eines durch potentiell unbegrenzte Gewaltunterworfenheit geprägten Verhältnisses zweier Willenssubjekte — des herrschenden Subjekts „Staat" und des unterworfenen Subjekts „Individuum" — reduzieren" 65 . Die Grundrechte begründeten vielmehr einen materialen verfassungsrechtlichen Status konkret bestimmten Inhalts, der weder für den Einzelnen noch für den Staat unbegrenzt verfügbar sei. Als subjektive öffentliche Rechte erschöpften sich die Grundrechte nicht i n ihrer negativen Seite, d.h. i n ihrer Qualität als Abwehrrechte gegen staatliche Übergriffe; sie seien keine „antistaatliche Veranstaltung", sondern beinhalteten neben der negativen eine ebenso wichtige positive Seite, nämlich „Rechte zur M i t w i r k u n g am geistigen, sozialen und politischen Leben" i m Interesse der Konstituierung der freiheitlichen Demokratie 66 A n dieser Stelle zeigt sich, daß die Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter m i t zwei additiv einander zugeordneten Freiheitsbegriffen operiert 6 7 : A u f der „negativen Seite" der Grundrechte geht es nach wie vor u m die Freiheit des Einzelnen von staatlicher Beeinträchtigung. Dennoch handelt es sich nicht mehr u m eine Konzeption der „Freiheit vom Staat", denn Freiheit w i r d nicht als natürliche und vorstaatliche, also als ausgegrenzte angesehen, sondern als rechtlich begründete und geschützte, also als eingegrenzte gefaßt 68 . Negative Freiheit betreffe demgemäß nicht die Abwesenheit staatlicher Einwirkung auf die individuelle W i l l k ü r 6 9 , sondern die Freiheit objektiv-rechtlich gewährleisteter und geordneter Lebensbereiche als etwas rechtlich Be63

G. Jellinek, System, S. 81 ff., 94 ff. Z u r K r i t i k an der Jellinekschen System- u n d Begriffsbildung vgl. Hesse, Grundzüge, §9 I I 1, S. 121; Scheuner, Fg. Smend, S. 232 ff.; Schmitt Glaeser, Mißbrauch, S. 92 ff.; vgl. auch bereits Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 184 ff. 85 Hesse, Grundzüge, § 9 I I 1, S. 121 ff. 88 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 264; ders., Bürger u n d Bourgeois, ebenda, S. 316 f.; Scheuner, V V D StRL 22, S. 1 ff. (S. 3, 19 f., 56, 70 f.); ders., D Ö V 1971, S. 505 ff. (S. 507); Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff. (S. 89); BVerfGE 7, S. 198 (S. 204 f.); 8, S. 104 (S. 112 f.). 87 Grabitz, S. 221 ff. 88 Scheuner, DÖV 1971, S. 505 ff. (S. 507); ders., V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 40 ff.); Hesse, Fs. Smend, S. 71 ff. (S. 85); F. Müller, Positivität, S. 41. 89 Grabitz, S. 235. 84

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grenztes, aber i n diesen Grenzen Geschütztes. Unter dem soziologischen Gesichtspunkt der Angewiesenheit des Einzelnen auf staatliche Leistungen und auf staatlichen Schutz vor gesellschaftlicher Übermacht Dritter soll nur eine Konzeption rechtlicher Freiheit reale, effektive Freiheit gewährleisten könnnen. Der Charakter des Abwehrrechts w i r d aus diesem Zusammenhang heraus nuanciert: Abwehrrecht meint nicht allein 'subjektives Recht auf Unterlassung staatlichen Übergriffs, sondern auch „auf Schutz der Freiheit und Erhaltung i n der Freiheit" 7 0 . Neben den Begriff negativer Freiheit w i r d (unverbunden) ein Begriff von positiver Freiheit gestellt, der Freiheit als Chance zur Persönlichkeitsentfaltung und M i t w i r k u n g am sozialen und politischen Leben des Gemeinwesens umreißt und auf der Annahme basiert, Entfaltung und Teilnahme aller würden erst durch den Staat ermöglicht. Dabei w i r d das staatlich organisierte „Gemeinwesen" primär nicht als Herrschaftseinheit und freiheitsbedrohendes Potential, sondern als Prozeß der Hervorbringung von Freiheit gesehen. Verkürzt formuliert, geht es also mit positiver Freiheit u m „Freiheit zum Staat" 7 1 . Dieser zusätzliche, positive Freiheitsbegriff bildet die zentrale Kategorie zur Kennzeichnung des materialen Status des Einzelnen. Das Verständnis von Freiheit als positive gründet i n einem Theorieansatz, der unter Verwerfung des toten „juristischen Formalismus" des staatsrechtlichen Positivismus die Grundrechte als Ausfluß einer den Konsens der Bevölkerung schaffenden Wertgrundlage des Staatswesens begreift, als Ausfluß einer werthaften Ordnung, die von einer einheitlichen Gesinnung getragen ist 7 2 . Die Grundrechte normieren demnach ein „Wertoder Güter-, ein Kultursystem" 7 3 , sie verkörpern eine „objektive Wertordnung" 7 4 . Positiv verstandene Freiheit ist daher „jeweils Freiheit 70

Hesse, Fg. Smend, S. 85. Krebs, Vorbehalt, S. 81: „Freiheit zum und durch den Staat"; nach Schmitt Glaeser, Mißbrauch, S. 103, enthalten die Grundrechte als Lebenselemente staatlicher Existenz auch „subjektive Rechte auf Tätigkeit für den Staat"; bereits Smend, Recht der freien Meinungsäußerung, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 93, bezeichnet die Grundrechte als „Verstärkungen des Staates"; vgl. näherhin die Darstellung bei Grabitz, S. 211 ff., 221 ff. u n d bei Gusy, Asylrecht u n d A s y l verfahren, S. 244 ff. 72 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 124; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 46, 51). 73 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : Staatsrechtliche A b h a n d lungen, S. 264; Scheuner, A r t . „Verfassung", StLex. Sp. 126; Lerche, Pressekonzentration, S.39, bezeichnet die Grundrechte als „Konzentrat deutscher Rechtskultur"; Krebs, Vorbehalt, S. 51. 74 BVerfGE 2, S. 1 (S. 12); 5, S. 85 (S. 134 ff.); 6, S. 32 (S. 41); 7, S. 198 (S. 205); vgl. auch Geiger, Pressefreiheit, S. 35; Ulmer, A f P 1975, S. 870 ff. (S. 870). A u f die Unterschiede zwischen der Wertordnungslehre des B V e r f G u n d der „Werttheorie der Grundrechte" (E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. [S. 1533]) soll hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. hierzu: Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 50 ff.); Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff. (S. 82 ff.); Hesse, 71

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zur Realisierung der i n den Grundrechten ausgedrückten Werte und i m Rahmen der durch die Grundrechte insgesamt aufgerichteten Wertordnung" 7 5 . c) Die Verdopplung des grundrechtlichen Rechtscharakters: Pressefreiheit als objektiv-rechtliche Garantie der Grundstrukturen des Lebensbereichs „Pressewesen" Dieses werthafte Verständnis nicht nur der Grundrechte, sondern von Staat und Verfassung 76 überhaupt, führt über die Verdoppelung des Begriffs individueller Freiheit hinaus zu einer Verdoppelung des Rechtscharakters der Grundrechte. Als werthafte Ordnung beschränke sich Verfassung nicht auf die rechtliche Ordnung des Staates, sie erfasse vielmehr als rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens Staat wie Gesellschaft. Wolle Verfassung so für das gesamte soziale Leben Maßstäbe aufrichten, dann könnten sich die Grundrechte ihrer Rechtsnatur nach nicht i n der Gewährleistung subjektiv-öffentlicher Rechte des Individuums erschöpfen; folgerichtig müßten sie darüber hinaus als objektive Faktoren sachlicher Integration des Staates, als „Elemente objektiver Ordnung des Prozesses politischer Einheitsbildung" gefaßt werden 7 7 . „Den Grundrechten kommt verfassungsstrukturelle Bedeutung zu, sie ordnen bestimmte Lebensbereiche eines freien Gemeinwesens und i n diesen die Rechtsstellung des einzelnen als objektives Recht 78 ." Die grundrechtliche Ordnungsfunktion ist hiernach total: Sie soll das staatliche Leben, die Grundlagen der Privatrechtsordnung sowie alle wesentlichen gesellschaftlichen Lebensbereiche, darunter nicht zuletzt den Bereich des „freien Pressewesens" ergreifen 79 . Diese gesellschaftlichen Lebensbereiche sollen deshalb nicht i n einen „verGrundzüge, § 9 I I I , S. 127. Z u r Rspr. des B V e r f G näherhin: Goerlich, W e r t ordnung u n d Grundgesetz, 1973. 75 E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1533). 76 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : Staatsrechtliche A b h a n d lungen, S. 155 ff., 160 ff., 187 ff., der den Staat i n seiner Integrationslehre als Integrationsprozeß zu einer W e r t - , K u l t u r - u n d Erlebnisgemeinschaft darstellt. Scheuner, Fg. Smend, S. 247 ff.; ders., A r t . „Verfassung", StLex., Sp. 126; Mallmann, V V D S t R L 19, S. 165 ff. (S. 183 f.); Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff. (S. 62, 89); Badura, Fg. Scheuner, S. 19 ff. 77 Smend, Recht der freien Meinungsäußerung, i n : Staatsrechtliche A b handlungen, S. 91 ff., der i n diesem Zusammenhang v o n den Grundrechten als „Verstärkungen des Staates u n d der Staatsgewalt" redet (S. 93); ders., Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 260 ff.; Hesse, Grundzüge, § 9 I I 3, S. 126; ähnlich bereits Scheuner, RStW. I V , S. 93; ders., V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 55); Ehmke, Fg. Smend, S.46. Z u den Grenzen einer Funktionalisierung v o n Grundrechten durch den Aspekt politischer Integration vgl. F. Müller, Positivität, S. 43. 78 Ehmke, Fs. A . A r n d t , S. 84. 79 Vgl. die Aufzählung der wichtigsten Lebensbereiche bei Hesse, Grundzüge, § 9 I I 3, S. 126; vgl. auch Scheuner, RStW. I V , S. 93 ff.

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fassungstranszendenten Bereich des für die Ordnung des Gemeinwesens Nicht-Erheblichen" verwiesen werden dürfen, da ihre „Bedeutung für das verfassungsrechtlich intendierte Leben des Gemeinwesens" als erhaltene- und schützenswert begriffen w i r d 8 0 . Daher w i r d bestimmten Grundrechten, insbesondere dem Grundrecht der Pressefreiheit, der Rechtscharakter von objektiv-rechtlichen Garantien der Grundzüge der Ordnung bestimmter gesellschaftlicher Lebensbereiche zugewiesen 81 . Das Verhältnis dieser „objektiv-rechtlichen Seite" des Grundrechts zum subjektiven öffentlichen Recht w i r d als ein „Zugleich", als ein „Nebeneinander" oder als „Parallelität" dargestellt 82 . Der objektivrechtlichen Grundrechtskomponente w i r d eine Verstärkungsfunktion zugeschrieben 83 . Mögen diese Formulierungen zunächst auch den Schluß nahelegen, beide „Grundrechtsseiten" befänden sich i n einem Gleichgewichtsverhältnis zueinander, so erweist sich jedoch, daß der Charakter der Grundrechte als objektive Norm i n Konsequenz des werthaften Grundrechtsverständnisses deutlich i n den Vordergrund t r i t t 8 4 : A u f der objektiv-rechtlichen Seite soll das „Hauptgewicht", das „Schwergewicht" des Grundrechts liegen; der objektive Garantiegehalt soll den liberalen Aspekten übergeordnet sein und i m Konfliktfalle vorgehen 85 . Dieser Vorrang der objektiv-rechtlichen Grundrechtsseite ist mit Bezug auf die dargestellte Inhaltsveränderung des subjektiven öffentlichen Rechts zu sehen: Indem die subjektiv-rechtliche Seite aus ihrer Be80

Hesse, Grundzüge, § 9 I I 3, S. 126. Smend, Recht der freien Meinungsäußerung, in: Staatsrechtliche A b handlungen, S. 95; Scheuner, RStW. I V , S. 93; ders., V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 34 f., 45, 58); Bachof, V V D S t R L 22, S. 184 (Diskussionsbeitrag); Hesse, Grundzüge, § 9 I I 3, S. 124; Ehmke, Fs. A r n d t , S. 84 f.; Kubier, 49. DJT, D 43 ff.; F. Müller, Positivität, S. 44; Dagtoglou, S. 12; Löffler, Presserecht I, Kap. 5, Rdnrn. 51 ff.; Mallmann, 49. DJT, Ν 17; Geiger, Fs. A r n d t , S. 130 f.; Leisner, Werbefernsehen, S. 199 ff.; Heck, A f P 1968, S. 701 ff. (S. 703); Mössle, AöR 101 (1976), S. 202 ff. (S. 203); Kunert, S.44; R. Gross, DVB1. 1975, S. 236 ff. (S.239); VG Berlin, D Ö V 1974, S. 100 ff. (S. 101); VG Berlin, DÖV 1975, S. 134 ff. (S. 135); BVerfGE 7, S. 198 (S.205); 10, S. 118 (S. 121); 12, S.205 (S.259f.); 20, S. 162 (S. 174 f.); 21, S. 271 (S.279); 25, S.256 (S.268); 27, S. 71 (S.81); 30, S. 173 (S. 188 f.); 31, S. 314 (S. 325 f.); 36, S. 193 (S. 204). 82 BVerfGE 20, S. 162 (S. 175); Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 34); Dagtoglou, S. 12. 83 BVerfGE 7, S. 198 (S. 205); Löffler, Presserecht I, Kap. 5 Rdnr. 81; Leisner, Werbefernsehen, S.201. 84 So auch Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 61 ff. (S. 101), nach dem die gesamte Rspr. des B V e r f G zur Meinungsfreiheit ein „groß angelegter Gegenbeweis" zur Gleichgewichtigkeit beider Grundrechtsseiten ist; ebenso Berger, A f P 1968, S. 787 ff. (S. 791 f.). 85 Dagtoglou, S. 12; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 69); Lerche, Pressekonzentration, S. 40; Kubier, 49. DJT, D 46; Mallmann, 49. DJT, Ν 20; Hesse, Grundzüge, § 12 I 5, S. 160; Berger, A f P 1968, S. 787 ff. (S.791); Ehmke, Fs. A r n d t , S.93; Geiger, Fs. A r n d t , S. 132; R. Gross, DVB1. 1970, S.337 (S.340f.); Heck, A f P 1968, S. 701 (S. 703); V G Berlin, D Ö V 1974, S. 100 ff. (S. 102); B G H Z 51, S. 236 (S. 249). 81

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

schränkung auf individuelle Interessen gelöst und für das Einströmen sozialer Interessen geöffnet wurde, vollzog sich eine gewisse Relativierung des Individualschutzes durch soziale Einbindung. Der Relativierung auf der subjektiv-rechtlichen Seite korrespondiert die Absolutheit auf der objektiv-rechtlichen Seite: deren Garantiegehalt erschöpft sich nämlich i m Schutz gesellschaftlicher Interessen, der „öffentlichen Aufgabe der Presse". Der Konflikt- und Abwägungsfall trifft damit auf eine Ausgangslage, die durch die ungleiche Verteilung der Durchsetzungschancen gekennzeichnet ist: Da die subjektiv-rechtliche Seite durch partielle Integration überindividueller Interessen, d. h. aber von Aspekten ihres objektiv-rechtlichen Widerparts, relativiert ist, müssen sie und das von ihr primär geschützte individuelle Interesse i n aller Regel zurücktreten. Der Vorrang der objektiv-rechtlichen vor der subjektiv-rechtlichen Grundrechtsseite ist damit nichts anderes als der Vorrang der sozialen vor den individuellen Interessen. Dieses soziale Interesse, u m das es auf der objektiv-rechtlichen Seite allein geht, soll bei der Pressefreiheit das Interesse an der Funktion einer freien Presse als eines der Träger und Verbreiter der öffentlichen Meinung für den kontinuierlichen Lebensprozeß des demokratischen Gemeinwesens, für die freie geistige Betätigung und den Prozeß der Meinungsbildung i n der freiheitlichen Demokratie sein 86 . Begrifflich werden diese Aussagen i n der Formel von der „öffentlichen Aufgabe der Presse" komprimiert. Wurde dieser bereits i m Rahmen der subjektiv-rechtlichen Seite rechtliche Relevanz zugewiesen 87 , so w i r d i m Zusammenhang m i t der objektiv-rechtlichen Seite ihre volle verfassungsrechtliche Bedeutung entfaltet: Wegen der „öffentlichen Aufgabe der Presse" sei der Staat — „unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner — verpflichtet, i n seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen". „ U m ihrer Aufgabe w i l l e n und nur i m Rahmen dieser Aufgabe" könne daher eine Privilegierung der Presse bei Setzung und Anwendung staatlichen Rechts erforderlich sein; es soll sich dabei jedoch „nicht u m persönliche Privilegien" handeln; „Befreiungen von allgemein geltenden Rechtsnormen müssen nach A r t und Reichweite stets von der Sache her sich rechtfertigen lassen." Die 88 BVerfGE 10, S. 118 (S. 121); 25, S. 256 (S.268); ähnlich auch: Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 27 ff.); Ehmke, Fs. A r n d t , S. 84; Geiger, Pressefreiheit, S. 35 f.; Hesse, Grundzüge, § 12 I, S. 161; Lößler, Presserecht I, Kap. 5, Rdnrn. 6 ff.; Kubier, 49. DJT, D 45 f.; Lerche, Ev. StLex., Sp. 1911 ff.; ders., Pressekonzentration, S. 28; Dagtoglou, S. 22; Mallmann, Publizistik, 1959, S. 323 ff. (S. 328 f.); Kunert, S. 41 fî.; R. Gross, A f P 1965, S.489 (S.490); Heck, A f P 1968, S. 701 (S. 703); V G Berlin, DÖV 1974, S. 100 (S. 101); O V G Berlin, DVB1. 1975, S. 905 (S. 906). 87 Vgl. oben § 2 I I 2 a).

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„öffentliche Aufgabe" könne aber auch zur Quelle von Sonderbindungen für die Presse werden, ja sie könne die Pflicht des Staates begründen, mögliche Gefahren für ein freies Pressewesen abzuwehren 88 . M i t h i n impliziert das Verständnis von Pressefreiheit als objektiv-rechtlicher Garantie eine Veränderung des normativen Verpflichtungsinhalts für den Grundrechtsadressaten „Staat": Korrespondiert dem subjektiven Abwehrrecht des Individuums die staatliche Pflicht zur Unterlassung rechtswidriger Eingriffe i n die Pressefreiheit, so entspricht der objektiv-rechtlichen Garantie des Lebensbereichs „Freie Presse" die Pflicht des Staates, vor allem des Gesetzgebers, zu positivem Tun, nämlich zur Privilegierung der Presse oder gar zum Eingriff i n die subjektive Pressefreiheit zum Schutze der allgemeinen Pressefreiheit 89 . Die bereits erwähnte Verdoppelung des Freiheitsbegriffs t r i t t hier erneut zutage: Die negative, private Pressefreiheit des Einzelnen „vom Staat" w i r d der positiven, öffentlichen Freiheit des Pressewesens „durch den Staat" unvermittelt gegenübergestellt. d) Der Schutzbereich der Pressefreiheit Das gewandelte FreiheitsVerständnis i n der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter kann nicht ohne Folgen für die methodische Bestimmung des Schutzumfangs des subjektiven öffentlichen Rechts auf Pressefreiheit bleiben: Wo negative Individualfreiheit nicht mehr als vorstaatliche, also ausgegrenzte, sondern als durch staatliches Recht begründete und umhegte, also eingegrenzte Freiheit gefaßt wird, da ist eine Ermittlung des grundrechtlichen Schutzumfangs i m Wege der Subtraktionsmethode 90 ausgeschlossen. Methodisch kann die Ermittlung des Schutzumfangs des Freiheitsrechts nur durch positive Inhaltsbestimmung erfolgen. Es gilt demnach, den „ m i t Substanz gefüllten, abgegrenzten Wirkungsbereich eines Grundrechts" 91 , den grundrechtlich gewährleisteten freien „Le88 BVerfGE 20, S. 162 (S. 176); ebenso: Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 77); ders., A f P 1968, S. 725 ff. (S. 730); Hesse, Grundzüge, § 12 I 5, S. 162; Lerche, Pressekonzentration, S. 27 ff.; ders., Innere Pressefreiheit, S. 33 f.; ders., Ev. StLex., Sp. 1913; Ehmke, Fs. A r n d t , S. 83; Mallmann, 49. DJT, Ν 20; ders., A r t . „Presse", StLex., Sp. 20; ders., JZ 1966, S. 625 ff. (S. 629); Kubier, 49. DJT, D 45 f.; Löffler, Presserecht I, Kap. 5 Rdnr. 81; Rheinheimer, S. 86 ff. — A u f die einzelnen Privilegierungen u n d Sonderbindungen, die v o n der Rspr. aus A r t . 5 1 2 GG abgeleitet werden oder v o m Gesetzgeber normiert wurden, soll später noch näher eingegangen werden. 89 Geiger, A f P 1977, S. 256 ff. (S. 258 f.); Löffler, Presserecht, Bd. I, Kap. 16, Rdnr. 97 s); DenningerlBeye, A P - E n t w u r f I, S. 26. 90 Vgl. oben § 1 I I 3. 91 Lerche, Übermaß, S. 106; ähnlich Scheuner, DÖV 1967, S. 585 ff. (S. 585 f.), der die Grundrechte als „gegenständlich abgegrenzte Verstärkungen des

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

bensbereich" 92 positiv festzulegen. Die Pressefreiheit w i r d als von der allgemeinen Meinungsfreiheit abgegrenzter eigenständiger Lebensbereich vorgestellt. Dies w i r d i n der Formel zusammengefaßt, die Pressefreiheit sei kein bloßer Unterfall der Meinungsfreiheit 93 . Von daher w i r d i n der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter — i n Ubereinstimmung m i t der modifizierten subjektiv-rechtlichen Lehre 9 4 — überwiegend angenommen, der Schutzumfang der „subjektiven Seite" der Pressefreiheit beschränke sich nicht auf die publizistischgeistige Seite der Pressetätigkeit, sondern erfasse gleichermaßen deren technisch-ökonomische Seite 95 . Die materielle Seite der Pressetätigkeit sichere das Recht, Nachrichten und Meinungen zu beschaffen und zu verbreiten sowie aus eigener Initiative m i t Anregungen und kritischen Äußerungen an die Öffentlichkeit zu treten 9®. Die formelle Seite dagegen schütze neben der beruflichen Tätigkeit der Pressemitarbeiter „die gesamte materielle Basis des Presse-Unternehmens wie Grund und Boden, Gebäude, Maschinen, Papierlager und Papierbelieferung, den Verteilungsapparat, die Inseratenkundschaft sowie die zum Unternehmen gehörigen Titel- und sonstigen Schutzrechte wie auch die Geschäftsbeziehungen" 97 . Der Schutzbereich der „subjektiv-rechtlichen Seite" der rechtlichen Schutzes für bestimmte Rechte u n d Freiheiten" bezeichnet; vgl. auch F.Müller, Freiheit der Kunst, S.51; ders., Positivität, S.42; ders., J u r i stische Methodik, S. 46,117. 92 BVerfGE 6, S. 32 (S.37); 11, S. 234 (S.238); 30, S. 173 (S. 188); ebenso: Hesse, Grundzüge, § 10 I , S. 129; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 45); F. Müller, Freiheit der Kunst, S. 14; Lerche, A f P 1974, S. 593 ff. (S. 594); Bachof, Die Grundrechte, I I I / l , S. 167; Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S. 456. 93 BVerfGE 10, S. 118 (S. 121); 12, S.205 (S. 259 f.); i m Anschluß hieran: Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 65); Lerche, Ev. StLex., Sp. 1912; Leisner, Pressegleichheit, S.28; Geiger, A f P 1977, S. 256 ff. (S.258); Dagtoglou, S. 12; Kunert, S. 35 ff.; Leisner, Pressegleichheit, S. 28 f.; Jerschke, S. 179 ff. m. w . N.; O V G Berlin, DVB1. 1975, S. 905 ff. (S. 906). 94 Die erwähnte Methodendifferenz zur subjektiv-rechtlichen Lehre schlägt sich nicht i n einer Inhaltsdifferenz bei der Bestimmung des Schutzumfangs des subjektiven öffentlichen Rechts des A r t . 5 12 G G nieder, jedenfalls sofern am formalen Pressebegriff festgehalten w i r d . Z u m wertgebundenen Pressebegriff vgl. oben § 2 I I 2 a). 95 Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 68); ders., A f P 1968, S. 725 ff. (S. 727), 729); Geiger, Pressefreiheit, S. 11, 14; Lerche, Ev. StLex. Sp. 1912; Löffler, Presserecht I, Kap. 5 Rdnr. 52; Mallmann, 49. DJT, Ν 16; Kunert, S. 37 ff.; Gädeke, i n : Schiwy/Schütz, S. 141; Heck, A f P 1968, S. 701 ff. (S. 702, 703); Mössle, AÖR 101 (1976), S.202 ff. (S.203); BVerfGE 10, S. 118 (S. 121); 20, S. 162 (S. 175); O V G Berlin, DVB1. 1975, S. 905 ff. (S.908); V G Berlin, DÖV 1975, S. 134 ff. (S. 135); V G H Baden-Württemberg, A f P 1975, S. 768 ff. (S. 769). Dagegen w o l l e n Dagtoglou, S. 13, Scholler, Person u n d Öffentlichkeit, S. 123, u n d Schule, Persönlichkeitsschutz, S. 19, die die technisch-ökonomische Seite n u r als über das „ I n s t i t u t Presse" geschützt ansehen. 9 « Kunert, S. 36; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 71); beide ohne Rücksicht darauf, ob damit der „öffentlichen Aufgabe der Presse" Genüge getan w i r d oder nicht. 97 Löffler, Presserecht I, Kap. 5 Rdnr. 52; ähnlich auch: Scheuner, V V D S t R L

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Pressefreiheit umfaßt demnach über die Pressemeinungsfreiheit hinaus auch das Presseeigentum sowie die Presseberufs- und Pressegewerbefreiheit 9 8 . Zur Begründung dieser Schutzumfangsbestimmung w i r d wie i n der modifizierten subjektiv-rechtlichen Lehre zunächst auf den Gesichtspunkt historisch gewachsener, sachlich notwendiger Konnexität zwischen publizistischer und ökonomischer Pressetätigkeit abgestellt: Die Einbeziehung der genannten wirtschaftlichen Freiheiten i n den Schutzbereich des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG sei notwendige tatsächliche Voraussetzung materieller Pressefreiheit. „Ohne eigener Sachgewalt unterworfene Betriebsmittel, ohne die Freiheit des journalistischen Berufs und ohne die Möglichkeit, sich i m wirtschaftlichen Bereich frei zu bewegen, würde das Pressefreiheitsrecht des einzelnen weitgehend leerlaufen 99 ." Diese Gefahr des „Leerlaufens" ergebe sich daraus, daß die Garantien der A r t . 12 und 14 GG wegen ihrer weit gefaßten Regelungsvorbehalte allein nicht ausreichten, u m den Besonderheiten der Presse Genüge zu tun. So könne ζ. B. die isolierte Anwendung des A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG die sub specie A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG intolerable Folge zeitigen, den Verleger auf die Publizierung eines einzigen Blattes zu beschränken. Daneben w i r d zur Begründung — über den Argumentationsrahmen der subjektiv-rechtlichen Lehre hinausgehend — der Gesichtspunkt des Funktionenschutzes herangezogen: Die ökonomische Seite der Pressetätigkeit müsse i m Interesse der ungestörten Wahrnehmung der „öffentlichen Aufgabe der Presse" über A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG gesichert werden 1 0 0 . Während die subjektiv-rechtliche Seite des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG innerhalb des Lebensbereichs „Presse" individuelle Aktionen und deren konkrete organisatorische Verflechtung i m einzelnen Presseunternehmen schützen soll, w i r d der Schutz durch die objektiv-rechtliche Grundrechtsseite auf die überindividuelle, soziale Struktur des Lebensbereichs „Pressewesen" bezogen, die inhaltlich als „Freiheit" beschrieben w i r d 1 0 1 . 22, S. I f f . (S. 71); Mössle, AöR 101 (1976), S. 202 ff. (S. 203) u n d Gädeke, in: Schiwy/Schütz, S. 140 f. 98 V G Berlin, D Ö V 1974, S. 101 ff. (S. 102); VG Berlin, D Ö V 1975, S. 134 ff. (S. 135). 99 V G Berlin, D Ö V 1975, S. 134 ff. (S. 135); i m gleichen Sinne auch Lerche, Pressekonzentration, S. 78 f.; Löffler, Presserecht I, Kap. 5 Rdnr. 52 sowie Kunert, S. 39 f. u n d Gädeke, i n : Schiwy/Schütz, S. 141. 100 Lerche, Ev. StLex., Sp. 1912; Lerche, Pressekonzentration, S. 79; Kunert, S. 40, 47; Gädeke, i n : Schiwy/Schütz, S. 141. 101 Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S.56): „institutionelle Ausgestaltung eines Lebensbereichs"; vgl. auch S. 69 ff., 202; ders., A f P 1968, S. 725 ff. (S. 727); ders., Fs. Scupin, S. 324: „Festlegung gesellschaftlicher Grundordnungen"; Bachof, V V D S t R L 22, S. 184 (Diskussionsbeitrag): „Freie Presseordnung"; Löffler, Presserecht I, Kap. 5 Rdnr. 81: „Sicherung eines freien Pressewesen als Ganzem", „freiheitliche S t r u k t u r " ; Lerche, Ev. StLex., Sp. 1913: „ I n s t i t u t

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D i e als g a r a n t i e r t a n g e n o m m e n e f r e i h e i t l i c h e S t r u k t u r des Pressewesens k a n n zunächst n ä h e r als die O r d n u n g eines r e c h t l i c h ausgestalt e t e n u n d geschützten — „ v e r f a ß t e n " , also n i c h t „ s t a a t s f r e i e n " — sozial e n Lebensbereichs der U n a b h ä n g i g k e i t , d e r s p o n t a n e n S e l b s t e n t f a l t u n g u n d Selbstgestaltung umschrieben werden 102. „ O r d n u n g " m e i n t nicht d i e k o n k r e t e , tatsächlich v o r f i n d l i c h e V e r f a ß t h e i t des Pressewesens i n a l l e n seinen E i n z e l h e i t e n , s o n d e r n e i n abstraktes, n o r m a t i v e s O r d n u n g s b i l d der G r u n d z ü g e e i n e r f r e i e n Presse 1 0 3 . Dieses „ O r d n u n g s b i l d " w i r d n i c h t als „ I d e a l b i l d " e i n e r f r e i e n Presse gefaßt. D u r c h die o b j e k t i v - r e c h t l i c h e Seite des A r t . 5 A b s . 1 S. 2 G G s o l l k e i n v e r b i n d l i c h e s B i l d e i n e r — a n d e n E r f o r d e r n i s s e n eines f r e i h e i t l i c h f u n k t i o n i e r e n d e n Meinungsbildungsprozesses gemessenen — o p t i m a l e n P r e s s e s t r u k t u r festgelegt w e r d e n . V i e l m e h r w i r d a n g e n o m m e n , es h a n d e l e sich l e d i g l i c h u m eine „ e x i s t e n t i e l l e M i n d e s t g a r a n t i e eines f r e i h e i t l i c h f u n k t i o n i e r e n d e n K o m m u n i k a t i o n s p r o z e s s e s " u n d d a h e r auch n u r u m die v e r fassungsrechtliche A b s i c h e r u n g organisatorischer M i n d e s t b e d i n g u n g e n eines f r e i e n Pressewesens. Z u r B e g r ü n d u n g w i r d insbesondere v o n Pressefreiheit"; ähnliche Formulierungen auch bei Kübler, 49. D J T , D 47; Mallmann, 49. DJT, Ν 19; Kunert, S. 47; Harms/Wissel, A f P 1976, S. 149 ff. (S. 153); Beim B V e r f G ist vorzugsweise v o m „ I n s t i t u t Freie Presse" die Rede; vgl. etwa E 10, S. 118 (S. 121); 12, S. 205 (S. 260); 20, S. 162 (S. 175); 31, S. 314 (S. 325 f.); 36, S. 193 (S. 204). Das Schutzobjekt der objektiv-rechtlichen Seite w i r d zumeist nicht präzise herausgestellt; nicht zu Unrecht bemerkt daher H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 53, es sei noch niemandem gelungen, „das I n s t i t u t zu präzisieren, auf welches sich die verfassungsrechtliche Verbürgung beziehen soll". Trotz mancher terminologischer Unschärfen k a n n aber gesagt werden, daß nicht die „freie Presse als solche" (so aber: Mathy, Presserecht, S. 23: Bestandsgewähr), sondern die „Freiheit der Presse" objektiv-rechtlich verbürgt werden soll. Freiheit meint hier eine bestimmte „Verfaßtheit" des Lebensbereichs „Presse". 102 Hesse, Fg. Smend, S. 87 f.; eingeschränkter: Lerche, Übermaß, S. 238 ff. (S.240f.), der als „ I n s t i t u t " n u r das „Kernstück der unter verfassungsrechtlichen Normenkomplexe" begreift; i n bezug auf A r t . 5 1 2 GG betont ders., Pressekonzentration, S.24, das „Zusammenwirken der rechtlichen Grundbedingungen . . . ohne die i m Bereich des Pressewesens eine freiheitliche Meinungsbildung nicht möglich ist", hebt aber zusätzlich die soziale „typische Grundgestalt, i n der sich die Freiheit der Presse ihren geschichtlichen Platz eroberte" (S. 23) hervor. Ders., Innere Pressefreiheit, S. 53, betont schließlich die Notwendigkeit der Einbeziehung tatsächlicher Erscheinungen i n die Bestimmung des geschützten „Typs". Ders., D Ö V 1965, S. 212 ff. (S. 213) h ä l t es zudem für klar, daß die objektiv-rechtlichen Gehalte eines Grundrechts „eine ungefähre soziale Ordnung konstituieren". los BVerfGE 12, S.205 (S.260): „ B i l d der freien Presse"; Kunert, S. 61 f. m i t Nachweisen zur Figur des Leitbildes i n der Rspr.; anders als bei K u n e r t w i r d der Begriff des „Ordnungsbildes" dort nicht q u a l i t a t i v - w e r t e n d verwandt. Scheuner, Fs. Scupin, S.324; ders., AÖR 95 (1970), S. 353 ff. (S. 361): „objektive Prinzipien der Staatsgestaltung"; Lerche, Pressekonzentration, S. 22 f.; ders., Innere Pressefreiheit, S. 32 f.; Kübler, 49. DJT, D 47. Demgegenüber redet das VG Berlin, D Ö V 1975, S. 134 ff. (S. 135) v o n einer „Existenzverbürgung"; ähnlich auch Mathy, Presserecht, S. 23: „Bestandsgewähr".

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Peter Lerche vorgetragen, die Grundrechte zielten, „von Mißbrauchsabwehr abgesehen, nicht auf die Garantie mehr oder minder qualitätsvoller Verhaltensweisen und Zustände, sondern i m allgemeinen nur auf die Sicherung gewisser Mindestpositionen für den Bürger, sei es — wie regelmäßig — i m Sinne abwehrender Abschirmung oder i m Sinne zusichernder Garantien und Ziel Vorstellungen". Die Vorstellung von einem verfassungskräftig aufgegebenen „optimalen" oder „guten" Pressewesen laufe auf die Eröffnung von Möglichkeiten für den Staat hinaus, „verbindliche Staatsmodelle in Bereichen zu schaffen, i n denen sich gerade die individuelle Freiheit erproben und ihr Eigenverständnis entfalten können solle" 1 0 4 . Die Ermittlung des Inhalts der „existentiellen Mindestgarantie" soll einmal an der historisch gewachsenen, typischen Grundgestalt einer freiheitlichen Presseordnung anknüpfen, zum anderen soll sie von den Grundbedingungen ausgehen, ohne die i m Pressewesen eine freiheitliche Meinungsbildung nicht möglich sein kann 1 0 5 . Die objektiv-rechtliche Garantie einer freiheitlichen Ordnung des Lebensbereichs „Pressewesen" stellt sich demzufolge als Typus- und Funktionsgarantie heraus 106 . Ist der Inhalt dieser Garantie auch i n Einzelfragen streitig, so kann doch gesagt werden, daß er nach der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter mindestens folgende Elemente umfassen soll: — Staatsfreiheit des Pressewesens: Der Verfassungsgarantie widerspreche es, „die Presse oder einen Teil von ihr unmittelbar oder mittelbar von Staats wegen zu reglementieren oder zu steuern" 1 0 7 . 104 Lerche, Pressekonzentration, S. 30 ff., m i t ausführlicher Begründung; vgl. auch den Hinweis auf BVerfGE 15, S. 256 (S. 264) bei H. Schneider, V e r fassungsrechtliche Grenzen, S. 51; Kubier, 49. DJT, D 47, stellt dagegen p r i m ä r darauf ab, daß ein Verständnis einer verfassungsrechtlich gebotenen „optimalen Pressestruktur" das Presserecht zur ausschließlichen Domäne des BVerfG machen u n d die politische Verantwortung des Parlaments schwächen müsse. Vgl. zudem: Leisner, Werbefernsehen, S. 213; Mallmann, JZ 1966, S. 625 ff. (S. 629); w o h l auch Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 76 f.), w e n n dort eine Verpflichtung zu staatlicher Ingerenz n u r für den extremen Fall angenommen w i r d ; a. A . Kunert, S. 61 ff. 105 Lerche, Pressekonzentration, S. 23 f.; vgl. auch BVerfGE 15, S. 256 (S. 264); 36, S. 193 (S. 204): „Gewährleistung einer institutionell eigenständigen und funktionsfähigen Presse" ; ähnlich auch Scheuner, Meinungs- u n d Pressefreiheit, S. 37: „. . . u n d hier gewinnt . . . die öffentliche F u n k t i o n der Äußerung das, was w i r institutionelle Seite nennen können, ein besonderes Gewicht". 106 Lerche, A f P 1974, S. 593 ff. (S. 594, 597). 107 BVerfGE 12, S.205 (S.260); aus dem Schrifttum vgl. insbesondere Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff.; ders., A f P 1968, S. 725 ff. (S. 726); ders., A f P 1977, S. 367 ff. (S. 368); Lerche, Pressekonzentration, S. 25; Löffler, Presserecht I, Kap. 5 Rdnr. 83, sowie Kühler, 49. DJT, D 45.

5 Degen

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— Privatwirtschaftliche Organisation des Pressewesens: „Presseunternehmen müssen sich i m gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und i n privatrechtlichen Organisationsformen 108 ." — M i n i m u m an „äußerer Pressefreiheit" : Aus der objektiv-rechtlichen Garantie kann sich die Pflicht des Staates ergeben, „Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten" 1 0 9 . — M i n i m u m an „innerer Pressefreiheit": A l l e n geistig Schaffenden i m Pressewesen ist unter Berücksichtigung der Eigengesetzlichkeiten ihrer Tätigkeit ein Mindestmaß an Eigenverantwortungsraum garantiert 1 1 0 . I I I . Die These von der Gesetzeskonkurrenz zwischen Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und den Art. 12 Abs. 1,14 GG Von der skizzierten theoretischen Grundlage der modifizierten subjektiv-rechtlichen Lehre wie der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter aus w i r d häufig argumentiert, die Grundrechtsbestimmung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG sei dogmatisch als lex specialis i m Verhältnis zu A r t . 12 Abs. 1 GG wie zu A r t . 14 GG einzustufen. Daher müsse die Garantie der Pressefreiheit sowohl die Berufsfreiheitsgarantie als auch die Eigentumsgarantie i m Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängen 111 . Da nicht erläutert wird, was i m Verfassungsrecht los BVerfGE 20, S. 162 (S. 175); ebenso Scheuner, A f P 1968, S. 725 ff. (S. 727); ders., A f P 1977, S. 367 ff. (S.368); Lerche, Pressekonzentration, S.45; ders., Innere Pressefreiheit, S. 53; Kühler, 49. DJT, D 48; Ehmke, Fs. A r n d t , S. 115 f.; Mallmann, 49. DJT, Ν 20 f. 109 BVerfGE 20, S. 162 (S. 175); ebenso Lerche, Pressekonzentration, S.45: ders., Ev. StLex., Sp. 1913; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 76 f.); ders., A f P 1968, S. 725 ff. (S. 729); Kübler, 49. DJT, D 48. Es muß hier darauf verzichtet werden, den Streitstand u m die verfassungsrechtlichen Fragen der Pressekonzentration darzustellen, insbes. näher darauf einzugehen, ob u n d i n w i e w e i t A r t . 5 1 2 GG einen „freien publizistischen Wettbewerb" (vgl. etwa APEntwurf I, S. 165 ff., dagegen Lerche, Pressekonzentration, S. 52 ff.), „Pressevielfalt" (vgl. etwa Ehmke, Fs. A r n d t , S.89ff. u n d Kunert, S. 71 ff.) oder „Chancengleichheit" (vgl. etwa Kunert, S. 62 ff.) u n d dgl. mehr verfassungsk r ä f t i g festschreibt. Vgl. die Übersicht bei Lerche, Pressekonzentration, S. 32 ff., sowie Schütz, i n : Schiwy/Schütz, S. 82 ff. 110 Lerche, Pressekonzentration, S. 48; ders., Innere Pressefreiheit, S. 70 ff.; ders., Ev. StLex., Sp. 1913; Kübler, 49. D J T , D 66 ff.; Mallmann, Publizistik 1959, S. 323 ff. (S. 328). Z u m Streitstand vgl. den Überblick bei Lerche, Innere Pressefreiheit, S. 15 ff., sowie Niemann, in: Schiwy/Schütz, S. 101 ff. 111 So für Art. 12 GG: Herzog, MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 142; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 43 f.; Kübler, 49. DJT, D 49; Dagtoglou, S. 15; Czajka, S. 146; Weber, Innere Pressefreiheit, S. 76; Rehbinder, Presserecht, S. 20, 28; Merten, JuS 1976, S. 345 ff. (S. 347); Mössle, AÖR 101 (1976), S. 202 ff. (S.232); V.Münch, A r t . 5 Rdnr. 78; R. Gross, DVB1. 1970, S. 337 ff. (S. 341); Eckhold, S. 204 f.;

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unter „Gesetzeskonkurrenz" und „Spezialität" verstanden werden soll, muß versucht werden, die Bedeutung beider Begriffe zu rekonstruieren: 1. Gesetzeskonkurrenz wegen erschöpfender Sonderregelung

Mangels abweichender Definitionen ist davon auszugehen, daß „Gesetzeskonkurrenz" und „Spezialität" i n der Bedeutung verwandt werden, die von der konventionellen juristischen Methodenlehre wie von der Zivilrechts- und Strafrechtsdogmatik entwickelt wurde. Danach meint „Gesetzeskonkurrenz" den Fall, daß zwar die Tatbestände mindestens zweier Rechtsnormen gleichzeitig durch ein und dieselbe Handlung verwirklicht werden, die Rechtsfolge der einen Norm aber durch die -der anderen verdrängt w i r d 1 1 2 . I m Grundrechtsteil des Grundgesetzes kann „Gesetzeskonkurrenz" demnach bedeuten, daß bei gleichzeitiger Aktualisierung mindestens zweier Grundrechtstatbestände die Rechtmäßigkeit eines grundrechtsrelevanten Hoheitsaktes nur nach einer einzigen Grundrechtsbestimmung beurteilt werden darf, die anderen thematisch berührten Grundrechtsnormen also zurücktreten und weder ihre Garantietatbestände noch ihre Vorbehaltsschranken für die Rechtmäßigkeitsprüfung von irgendwelcher Bedeutung sind 113 . Die gleichzeitige Tatbestandsverwirklichung w i r d dabei darin gesehen, daß ein und dasselbe Verhalten eines Grundrechtsträgers mehrere Garantietatbestände erfüllt und Objekt ein und desselben Hoheitsakts ist 1 1 4 . Die Spezialität, welche den Grund für die Verdrängung einer tatbestandlich berührten Norm i m Wege der Gesetzeskonkurrenz abgibt, w i r d i n der juristischen Methodenlehre als „logisches Verhältnis" zwischen Normtatbeständen konzipiert. I m „logischen Verhältnis der Spezialität" sollen nach Rolf Dietz und Karl Larenz Normen nur dann zueinander stehen, „wenn der Anwendungsbereich der spezielleren Norm völlig i n dem der allgemeineren aufgeht, wenn also alle Fälle der spezielleren Norm auch solche der allgemeineren Norm sind. Das ist der Fall, wenn der Tatbestand der spezielleren Norm alle Merkmale der allgemeinen und darüber hinaus noch mindestens ein zusätzliches MerkR. Scholz, DÖV 1975, S. 136 ff. (S. 136); Mallmann, 49. DJT, Ν 14; Lahusen, S. 70 f.; Füchtenbusch, S.43f.; V G Berlin, DÖV 1974, S. 100 ff. (S. 102); V G Berlin, D Ö V 1975, S. 134 ff. (S. 135). — Für Art. 14 GG: Herzog, MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 142 F N 2, Rdnr. 182; Forsthoff, Verfassungsschutz, S.44; Kubier, 49. DJT, D 50; v. Münch, A r t . 5 Rdnr. 78; R. Gross, DVB1.1970, S. 337 ff. (S. 341); R. Scholz, DÖV 1975, S. 136; V G Berlin, DÖV 1974, S. 100 ff. (S. 102); V G Berlin, DÖV 1975, S. 134 ff. (S. 135). 112 Larenz, Methodenlehre, S. 250. 113 Begriffsbestimmung i n A n l e h n u n g an die auf das Strafrecht bezogene Formulierung Maurachs, Dt. Straf recht, A T , S. 749/50; ähnlich Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 331; Berg, Konkurrenzen, S. 161. 114 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 325 f.; Berg, Konkurrenzen, S. 7. *

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mal enthält" 1 1 5 . Die lex specialis soll sich — in der Sprache einer geometrisch inspirierten Metaphorik ausgedrückt — zur lex generalis wie ein Kreisausschnitt zum ganzen Kreis verhalten 1 1 6 . Wenn nun das die Gesetzeskonkurrenz zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und den A r t . 12 Abs. 1, 14 GG auslösende Moment i n der „Spezialität" des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG ausgemacht wird, so erscheint es als fraglich, ob damit i n der Tat die soeben skizzierte Spezialität i m „logischen" Sinne gemeint sein kann. Denn selbst wenn man mit der modifizierten subjektiv-rechtlichen Lehre und der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter auch die Presseberufsfreiheit und das Presseeigentum dem Garantietatbestand der Pressefreiheit gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zuordnen w i l l 1 1 7 , ist damit noch nicht i n zureichender Weise nachgewiesen, daß der Gewährleistungstatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG sämtliche Merkmale der Tatbestände der A r t . 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 S. 1 GG und darüber hinaus noch ein besonderes zusätzliches Merkmal enthält. Es ist vielmehr recht leicht aufzuzeigen, daß ein Fall des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht stets auch ein Fall des A r t . 12 Abs. 1 GG und des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG sein muß; es genügt daran zu erinnern, daß Herstellung und Verbreitung von Druckwerken auch nicht gewerblich und nicht beruflich durch engagierte Amateure erfolgen können, wie dies heute etwa i n zunehmendem Maße mit den sogenannten Stadtteilzeitungen der Fall ist; zudem kann von der Pressefreiheit durchaus auch Gebrauch machen, wer nicht über eigene Pressebetriebsmittel — Druckmaschinen, besondere Redaktionsräume, Vertriebsmittel usw. — verfügt, sondern die technischen Dienste eines Dritten, etwa eines Lohndruckers, i n Anspruch nimmt. Damit läßt sich sagen, daß ein Fall des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG nur unter bestimmten Umständen auch ein Fall der A r t . 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 S. 1 GG sein kann; dies dürfte insbesondere auf die gewerbliche Produktion von Zeitungen und Zeitschriften durch privateigene Presseunternehmen zutreffen. Es liegt demnach keine vollständige, sondern nur eine teilweise Identität der beteiligten Garantietatbestände vor. W i l l man sich metaphorisch ausdrücken, so liegt kein Kreisausschnitt innerhalb des ganzen Kreises, sondern die Überschneidung mehrerer Kreise vor. Obwohl A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG i n der These von der Gesetzeskonkurrenz durchweg als lex specialis bezeichnet wird 1 1 8 , kann zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 115 Lorenz, Methodenlehre, S. 251, i m Anschluß an Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 23 ff.; ebenso: Zippelius, Methodenlehre, S. 46 f.; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 327; Stern, Gebietskörperschaften, S. 56 f.; W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 71; Berg, Konkurrenzen, S. 162. 116 W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 71. 117 Vgl. oben §2 I I I , 2d). 118 Herzog, MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 142; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 43 f.; Kübler, 49. DJT, D 49 f.; Mallmann, 49. DJT, Ν 14; υ. Münch, A r t . 5 Rdnr. 78;

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GG und den A r t . 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 S. 1 GG kein „logisches Verhältnis" der Spezialität aufgewiesen werden. Wenn von Spezialität die Rede ist, scheint i n Wirklichkeit eine „Subsidiarität infolge erschöpfender Sonderregelung" als das die Gesetzeskonkurrenz auslösende Moment angesprochen zu sein. Gemeint sind die Fälle, „bei denen sich die Tatbestände zweier Normen nur teilweise decken, einige Fälle also nur dem einen, einige dem anderen, einige beiden Tatbeständen unterfallen" 1 1 9 . Eben diese Konstellation träfe auf das Verhältnis zwischen dem A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und den A r t . 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 S. 1 GG zu, wollte man den Schutz der Pressefreiheit auch auf die Presseberufsfreiheit und das Presseeigentum erstrecken. Allerdings reicht die partielle Tatbestandsidentität allein nicht aus, u m die Gesetzeskonkurrenz auszulösen; vielmehr ist zusätzlich nachzuweisen, daß das Grundgesetz Betätigungen innerhalb des „Überschneidungsbereichs" zweier Grundrechtstatbestände aus besonderen Gründen einer einheitlichen Regelung hat unterwerfen wollen, die es für diese Fälle als abschließend gedacht hat. Denn die Gesetzeskonkurrenz kann hier nicht mit einem „logischen Verhältnis" der beteiligten Tatbestände begründet werden, sondern bedarf der Rechtfertigung über weitere hermeneutische Erwägungen. Nach der konventionellen juristischen Methodenlehre ist darauf abzustellen, ob der Zweck der besonderen Norm noch erreicht werden könnte, wollte man auf einen der Vorgänge, die auch dem Tatbestand der anderen, allgemeineren Norm unterfallen, diese andere Norm ebenfalls anwenden 120 . 2. Pressefreiheit und Berufsfreiheit

Soweit es nun u m den Charakter des Grundrechts der Pressefreiheit als erschöpfende Sonderregelung gegenüber dem Grundrecht der Berufsfreiheit geht, w i r d kaum unterschieden zwischen der besonderen Mössle, AöR 101 (1976), S. 202 ff. (S. 232); Merten, JuS 1976, S. 345 ff. (S.347); R. Scholz, DÖV 1975, S. 136 ff. (S. 136). — N u r W. Weber, Innere Pressefreiheit, S. 76, vermeidet den Begriff „Spezialität" u n d spricht stattdessen von einer Verdrängung des A r t . 12 I GG „nach dem Subsidiaritätsprinzip". Vgl. auch Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 332, der zutreffend bemerkt, es habe sich i m Staatsrecht eingebürgert, Spezialität u n d Gesetzeskonkurrenz synonym zu verwenden, obwohl es sich u m verschiedene Erscheinungen handele. Der v o n Schwabe vorgeschlagene „ T r i b u t an die herrschende Terminologie" sollte aber nicht gezahlt werden. 119 Larenz, Methodenlehre, S. 253, i m Anschluß an Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 62. 120 Larenz, Methodenlehre, S. 252; Zippelius, Methodenlehre, S. 47 f. — Selbst i m Falle „logischer Spezialität" gibt es keine „Verdrängungsautomatik"; vgl. Larenz, Methodenlehre, S.251 (mit weiteren Nachweisen) gegen Dietz, A n spruchskonkurrenz, S.31 ff.; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S.326; W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 71; Schwache, S. 1; Berg, Konkurrenzen, S. 162, verkennt diese Problematik.

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

teleologisch angelegten Begründung für die Subsidiarität des A r t . 12 Abs. 1 GG und der Begründung für die Einbeziehung der Presseberufsfreiheit i n den Grundrechtstatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG 1 2 1 . Diese mangelnde Differenzierung dürfte sich daraus erklären, daß zumeist implizit doch von logischer Spezialität ausgegangen wird. Läßt man die auf den Garantiegehalt des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG bezogenen Argumente beiseite, so bleibt als selbständiges teleologisches Argument für den erschöpfenden Charakter des Pressefreiheitsgrundrechts nur übrig, daß die Vorbehaltsschranke des A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG einschneidendere Freiheitsbegrenzungen zulasse als A r t . 5 Abs. 2 GG: „Die Berufsausübung, u m die es hier allein geht, (kann) nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich i n sehr viel weitergehender Weise reguliert werden, als dies für die Presse je der Fall sein dürfte: während die Einschränkung der Berufsfreiheit insoweit durch jede sachgerechte und vernünftige Erwägung des Gemeinwohls i m Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit legitimiert wird, bedarf es bei A r t . 5 i n jedem Falle einer Güterabwägung, die der schlechthin konstituierenden Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit Rechnung zu tragen hat 1 2 2 ." Die besondere Schutzwürdigkeit der Pressefreiheit, die ihren Ausdruck i n der besonderen und einheitlichen Grundrechtsbestimmung des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG gefunden habe, verbiete also eine auch nur partielle Unterstellung der Pressetätigkeit unter A r t . 12 GG und seine weite Vorbehaltsschranke 123 . Gegenüber einer Idealkonkurrenz, die die kumulative Geltung von A r t . 5 und A r t . 12 GG zuließe, w i r d der Gesetzeskonkurrenz als der „einleuchtenderen Lösung" der Vorzug gegeben 124 . Die so begründete Verdrängung des A r t . 12 GG führt dazu, daß sich die Rechtmäßigkeit von die Pressefreiheit tangierenden Hoheitsakten allein nach den Vorbehaltsschranken des A r t . 5 GG richten muß 1 2 5 . Dieser konsequente Schritt w i r d von Roman Herzog 126 und Wilhelm Mössle 127 nicht mitvollzogen. Beide sind der Ansicht, die Vorbehalts121 Vgl. insbesondere Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 43 f.; Herzog, in: MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 142; Kubier, 49. D J T , D 4 9 ; Lahusen, S. 70; Füchtenbusch, S. 43 f. 122 Kubier, 49. DJT, D 49 f. 123 Lahusen, S. 70; Füchtenbusch, S. 44, spricht v o n einer „privilegierenden Sondervorschrift". 124 Herzog, i n : MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 142. 125 Kubier, 49. DJT, D 49 f.; Forsthoff, Verfassungsschutz, S.44; R. Gross, DVB1. 1970, S. 337 ff. (S. 341); v. Münch, A r t . 5 Rdnr. 78. — Es w i r d hier v o r läufig undifferenziert v o n „den Vorbehaltsschranken des A r t . 5 GG" gesprochen. Dies erscheint deshalb als tunlich, da — w i e noch zu zeigen sein w i r d — die Lehre v o m grundrechtlichen Doppelcharakter anders als die subjektivrechtliche Lehre die Pressefreiheit nicht n u r der Schranke des A r t . 5 I I GG, sondern zusätzlich einem „institutionellen Gesetzesvorbehalt" unterstellt. 126 Herzog, in: MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 142. 127 Mössle, AöR 101 (1976), S. 202 ff. (S. 232).

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schranken des A r t . 5 GG seien schwächer als die des (verdrängten) Art. 12 GG. Daher w i r d gefordert nicht zuzulassen, „daß die Auslegung des A r t . 5 Abs. 2 GG auf dem Gebiet des Presseberufsrechts zu weiterreichenden Reglementierungsbefugnissen des Gesetzgebers führt als dies nach dem Apotheken-Urteil und den i n seinem Gefolge ergangenen Entscheidungen des BVerfG bei einer unmittelbaren Anwendung des A r t . 12 I der Fall wäre"; es handele sich hierbei „ u m eine ähnliche Erscheinung wie man sie in der Konkurrenzlehre des Strafrechts unter der Bezeichnung ,Sperrwirkung des milderen Gesetzes4" kenne 128 . A n diese Auffassung ist die Frage zu richten, ob sie wirklich — wie ausdrücklich hervorgehoben — Gesetzeskonkurrenz meint; sie scheint nämlich praktisch eher auf eine Idealkonkurrenz zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und A r t . 12 GG hinauszulaufen 129 . Denn wegen der „Sperrwirkung des milderen Gesetzes" w i r d ja keine Bestimmung vollständig verdrängt, beide Vorschriften kommen vielmehr nebeneinander zur Anwendung. Dafür, daß hier i n Wirklichkeit Idealkonkurrenz vorgeschlagen wird, spricht zudem folgendes: Von der Einstufung des A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG als „milderes Gesetz" her läßt sich der Charakter des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als erschöpfende Sonderregelung nicht mehr begründen, da als selbständiges teleologisches Argument für den erschöpfenden Charakter des Pressefreiheitsgrundrechts allein eine schärfere Fassung der Vorbehaltsschranke der Berufsfreiheit i n Rede steht. W i r d eine Parallele zur strafrechtlichen Konkurrenzlehre gezogen, so zeigt sich, daß eine positive Sperrwirkung des milderen Gesetzes dort nur i m Rahmen der Idealkonkurrenz bekannt ist 1 3 0 . Eine Relativierung des Charakters des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als erschöpfende Sonderregelung der Presseberufsfreiheit w i r d schließlich von Mössle vorgetragen: Hinsichtlich genereller gewerberechtlicher Regelungen, die keinen speziellen presserechtlichen Inhalt haben, sondern allgemeine Regeln für den Betrieb eines Gewerbes darstellen, erweise sich A r t . 12 GG „aufgrund seiner stärkeren Affinität zu den Regelungen der Gewerbeordnung als primär berührte Norm und als der sachgemäßere Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung". Insofern w i l l Mössle eine „partielle Idealkonkurrenz" zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG annehmen 131 . Diese neuartige dogmatische Konstruktion einer partiellen Idealkonkurrenz verdeutlicht zusammen mit der auch von Mössle vertretenen These von der Sperrwirkung des milderen A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG nur, daß i n Wirklich128

Herzog, in: MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 142. So auch Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 340. 130 Vgl. Maurach, Dt. Strafrecht, A T , S. 755 ff. zur Behandlung der Gesetzeskonkurrenz, S. 764 ff. zur Behandlung der Idealkonkurrenz. 131 Mössle, AÖR 101 (1976), S. 202 ff. (S. 232 f.). 129

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

keit nicht Gesetzeskonkurrenz, sondern vollständige Idealkonkurrenz angenommen wird. 3. Pressefreiheit und Eigentumsgarantie

Die Verdrängung des A r t . 14 GG durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG i m Wege der Gesetzeskonkurrenz w i r d nicht sehr ausführlich begründet; man beschränkt sich darauf, auf die Argumentation zum Verhältnis zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und A r t . 12 Abs. 1 GG zu verweisen 132 . Entscheidender Gesichtspunkt für den erschöpfenden Charakter des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG scheint zu sein, daß das als unabdingbare ökonomische Voraussetzung der materiellen Pressefreiheit begriffene private Eigentum am Presseunternehmen nicht der gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 2 GG sowie der Enteignung gem. A r t . 14 Abs. 3 GG ausgesetzt werden soll 1 3 3 . So hat ζ. B. Werner Weber gegen den von Bernd Rüthers 134 erhobenen Vorwurf der argumentativen Vernachlässigung der Eigentumsgarantie eingewandt, „daß i m weiteren Bereich der Mitbestimmungsproblematik die unter Sozialbindungen stehende Eigentumsgarantie für sich allein nicht so viel hergibt wie die Pressefreiheit" 135 . Und für A r t . 14 Abs. 3 GG hebt Ernst Forsthoff hervor: „Das Presseunternehmen ist auch ein eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb. Solche Betriebe sind an sich einerseits Schutzgut der Rechtsordnung, andererseits auch mögliche Objekte der Enteignung. Aber diese Eigenschaft w i r d auch hier überlagert durch die speziellere und vorrangige: Schutzobjekt der Pressefreiheit zu sein 136 ." Die Verdrängung des A r t . 14 GG und seiner weitreichenden Vorbehaltsschranken w i r d offensichtlich zur Sicherung des Schutzzwecks des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG für notwendig gehalten. Eine modifizierte Lösung w i r d von Karl-Heinz Eckhold vorgetragen; anders als bei der journalistischen und verlegerischen Berufsfreiheit sei hinsichtlich des Presseeigentumsschutzes folgende Unterscheidung anzubringen: Soweit die Presse i n privatwirtschaftlicher Form betrieben werde, sei der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb notwendige Voraussetzung einer freien Presse; insofern bestehe „Spezialität" zwischen A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG und A r t . 14 GG. Da die Bedeutung der i m 132 Herzog, in: MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 142 F N 2, Rdnr. 182; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 44; υ. Münch, A r t . 5 Rdnr. 78; VG Berlin, DÖV 1974, S. 100 ff. (S. 102); V G Berlin, DÖV 1975, S. 134 ff. (S. 135). Kübler, 49. DJT, D 50, n i m m t „Spezialität" des A r t . 5 gegenüber A r t . 14 GG soweit an, als es u m die M i t w i r k u n g der Redaktion an der publizistischen Gestaltung geht. 133 V G Berlin, DÖV 1975, S. 134 ff. (S. 135). 134 Rüthers, DB 1972, S. 2471 ff. (S. 2476). 135 Weber, Innere Pressefreiheit, S. 77 F N 75. 136

Forsthoff,

Verfassungsschutz, S.44.

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Gewerbebetrieb zusammengefaßten Vermögenswerten Positionen sich aber nicht auf ihre Verwertbarkeit i m Presseunternehmen beschränkten, sondern i m Gegensatz zur Presseberufsfreiheit auch außerhalb der Presse selbständigen Bestand hätten, genieße das Eigentum i n dieser Hinsicht einen von A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG unabhängigen Schutz über A r t . 14 GG 1 3 7 . 4. Die Schranken der „lex specialis"

Bewirkt die Verdrängung der A r t . 12, 14 GG, daß für die Rechtmäßigkeitsprüfung hoheitlicher Eingriffe i n die Presseberufsfreiheit wie i n das Presseeigentum allein das Grundrecht der Pressefreiheit nach Tatbestand und Schranken maßgeblich ist, so w i r d damit eine Reduzierung des gesetzgeberischen Spielraums zum Erlaß von berufsbzw. eigentumsregelnden Normen für die Presse erreicht: Der Gesetzgeber kann sich nicht auf die einfachen Gesetzesvorbehalte der A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG und des A r t . 14 Abs. 1 S. 2 GG stützen, sondern ist auf die engeren Vorbehaltsschranken der Pressefreiheit verwiesen. Die Presse kommt so i n den Genuß einer gegenüber anderen Wirtschaftszweigen privilegierten Stellung. Sind sich subjektiv-rechtliche Lehre und Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter bis hierhin einig, so geraten sie in deutlichen Gegensatz über die Frage, welchen Schranken die Pressefreiheit unterworfen ist. I m K e r n geht es bei dieser Auseinandersetzung u m die Zulässigkeit von Sonderrecht zu Lasten der Presse: Für die subjektiv-rechtliche Lehre unterliegt die Pressefreiheit ausschließlich den Schranken des A r t . 5 Abs. 2 GG 1 3 8 . Bei dessen Auslegung steht seit der Münchner Staatsrechtslehrertagung des Jahres 1927 der Begriff der „allgemeinen Gesetze" i m Vordergrund, wobei sich der Meinungsstreit damals wie heute u m die Alternative formelle oder materielle Interpretation dreht 1 3 9 . Obwohl die wissenschaftliche Auseinandersetzung noch immer nicht als abgeschlossen bezeichnet werden kann, hat sich das Schrifttum unter dem Einfluß der Rechtsprechung des BVerfG 1 4 0 weitgehend einem Synkretismus aus formeller und mate137

Eckhold, S. 205 ff. iss Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 66 f.; Bettermann, 49. DJT, Ν 175 ff. (S. 178); Weber, Innere Pressefreiheit, S. 56, 60; H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 54 ff., 57; Merten, 49. D J T , Ν 104; Niemann, 49. DJT, Ν 132; Schwark, S. 103. 139 Z u m Diskussionsstand vgl. v. a.: Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff.; Weber, Innere Pressefreiheit, S. 46 ff.; Kemper, Pressefreiheit u n d Polizei, S. 57 ff.; Papier, DSt. 13 (1974), S. 399 ff. (S.405f.); Roellecke, Begriff des positiven Gesetzes, S. 24 ff.; Starck, Gesetzesbegriff, S. 62 ff. — Z u r Rspr. des BVerfG Schmitt Glaeser, AÖR 97 (1972), S. 276 ff.; den umfassendsten Überblick gibt die Monographie Schwarks, Der Begriff der „Allgemeinen Gesetze" i n A r t . 5 Abs. 2 GG, 1970.

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

rieller Deutung verschrieben 141 . Dies gilt auch für die subjektiv-rechtliche Grundrechtstheorie: Zwar w i r d hier von einer starken Mindermeinung mit Nachdruck eine rein formelle Auslegung der „allgemeinen Gesetze" verfochten 142 , überwiegend akzeptiert man aber die Kombination formeller und materieller Elemente, wenn i m Schnitt auch die formelle Komponente deutlich akzentuiert w i r d : Die „allgemeinen Gesetze" sollen danach nicht m i t den abstrakt-generellen Gesetzen i. S. A r t . 19 Abs. 1 S. 1 GG identisch sein 143 ; A r t . 5 Abs. 2 GG meine vielmehr nur diejenigen Gesetze, die nicht speziell gegen die Presse gerichtet seien, sondern an prinzipiell alle Rechtsunterworfenen gewendet andere Rechtsgüter als die Pressefreiheit einschränkend regelten und dabei möglicherweise für alle Bindungen schüfen, denen sich auch die Träger der Pressefreiheit nicht unter Berufung auf A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG entziehen könnten (formelle Komponente) 144 . Darüber hinaus sei von einem „allgemeinen Gesetz" zu verlangen, daß dem geregelten „anderen" Rechtsgut nach einer Güterabwägung ein höherer oder doch gleicher Rang wie der eingeschränkten Pressefreiheit zuerkannt werden könne (materielle Komponente) 145 . Aufgrund dieser Auslegung soll zwar „pressefreiheits-neutrales" Sonderrecht, durch welches das allgemeine Recht nur modifiziert und an die Besonderheiten des Pressewesens angepaßt werde, ebenso wie presseprivilegierendes Sonderrecht verfassungsrechtlich zulässig sein, Sonderrecht zu Lasten der Presse hingegen ausgeschlossen sein14®.

140 BVerfGE 7, S. 198 (S. 211); 20, S. 162 (S. 176); 21, S. 271 (S. 280); 28, S. 282 (S. 292). 141 So auch die Einschätzung v o n Weber, Innere Pressefreiheit, S. 56; damit sollen die weiterbestehenden Differenzierungen nicht unterbewertet werden, es muß jedoch darauf verzichtet werden, auf diese näher einzugehen. 142 Vgl. vor allem: Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 602, 603); ders., 49. D J T , Ν 179; Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 26, S. 32; Kemper, S. 62; Schwark, S. 130 f. 143 So jedoch Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 38; vgl. für A r t . 118 W R V auch W. Jellinek, Verwaltungsrecht, § 16 I V 3 Note 78; Pr. O V G 77, S. 519 f. 144 I m Anschluß an Häntzschel, AöR N. F. 10 (1926), S. 228 ff.; ders., HbDStR. I I (1932), S. 659, u n d an Rothenbücher, V V D S t R L 4 (1928), S. 6 ff. (S. 20): Weber, Innere Pressefreiheit, S.47; Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 603); ders., 49. DJT, Ν 179; Schwark, S. 130 f.; H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 54 ff.; v. Mangoldt-Klein, Bd. I , A n m . I X 3 a) zu A r t . 5; Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 26, S. 32; Kemper, S. 63 ff. 145 So i m Anschluß an Smend, Recht der freien Meinungsäußerung, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 89 ff.: Weber, Innere Pressefreiheit, S. 50; Papier, DSt. 13 (1974), S. 399 ff. (S.406); H.Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 56; Herzog, in: MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 244 ff.; Ipsen, PresseGrosso, S. 58 f. 146 Weber, Innere Pressefreiheit, S. 50; Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 610); Papier, DSt. 13 (1974), S. 399ff. (S.406); Rehbinder, Presserecht, Rdnr. 27, S. 32; Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 609), wendet sich allerdings

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Die Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter setzt dem nun nicht eine grundsätzlich verschiedene Auslegung der „allgemeinen Gesetze" entgegen. Wenn hier auch von einer beachtlichen Mindermeinung eine rein materielle Auslegung vertreten w i r d 1 4 7 , w i r d vorwiegend doch die skizzierte synkretistische Interpretation mitgetragen 148 . I m Gegensatz zur subjektiv-rechtlichen Lehre gelangt die Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharaikter i n beiden Auslegungshypothesen zu A r t . 5 Abs. 2 GG aber zur Zulässigkeit von Sonderrechten zu Lasten der Presse. Zur Begründung werden zwei unterschiedliche dogmatische Konstruktionen eingesetzt: Soweit mit der Mindermeinung eine rein materielle Auslegung der „allgemeinen Gesetze" angenommen wird, kann vor allem das Demokratieprinzip i. S. A r t . 20 Abs. 1 GG als zu schützendes „anderes" Rechtsgut qualifiziert und gegenüber der einzuschränkenden Pressefreiheit des Einzelnen als vorrangig eingestuft werden. I m Rahmen der Güterabwägung muß hier durchschlagen, daß bei der Auslegung des Garantietatbestandes des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG die Beschränkung auf eine rein individuelle Zwecksetzung zugunsten der partiellen Integration von Gemeinwohlaspekten wie der demokratiekonstitutiven „öffentlichen Funktion" der Presse überwunden wurde. Von daher können bei rein materieller Auslegung insbesondere spezielle Gesetze zur Bekämpfung der Pressekonzentration oder zur Sicherung der „inneren Pressefreiheit" von Journalisten als „allgemeine Gesetze" gerechtfertigt werden 1 4 9 . Soweit der synkretistischen, formell-materiellen Interpretation der Vorzug gegeben wird, läßt sich derartiges Sonderrecht zu Lasten der gegen privilegierende Exemtionen der Presse v o n für alle geltenden Freiheitsbeschränkungen; vgl. auch ders., 49. DJT, Ν 175 ff. (S. 178). 147 Vgl. v o r allem: Friesenhahn, Fs. Kunze, S. 37; Ehmke, Fs. A r n d t , S. 85; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 80); Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 121 ff.); Dittrich, S. 60; R. Gross, DVB1. 1979, S. 833 ff. (S. 835). 148 Löffler, Presserecht, Bd. I, Kap. 5, Rdnr. 91; Geiger, Fs. A r n d t , S. 138 ff.; Leisner, Werbefernsehen, S. 221; ders., Pressegleichheit, S. 124, 149; Rüfner, DSt. 7 (1968), S. 41 ff. (S. 55); R. Gross, Presserecht, S. 48 ff.; ders., DVB1. 1966, S. 562 ff. (S. 563). — Differenzierend Lerche, Die Grundrechte IV/1, S.474f. („reflexive Gesetze ohne individualisierenden Charakter"); ders., Ubermaß, S. 113; ders., Pressekonzentration, S. 53; ders., Ev. StLex., Sp. 1913 f.; ders., JZ 1972, S. 468 ff. (S.473), der neben der formellen Komponente zwar auch eine Güterabwägung für erforderlich hält, darin jedoch i m Anschluß an Kaufmann, V V D S t R L 4 (1928), S. 81 f., n u r durch eine „fixierte Verfassungssubstanz" anerkannte Rechtsgüter einbringen w i l l ; anders das B V e r f G i n st. Rspr. seit E 7, S. 198 (S. 206 ff.), das nicht abstrakte Rechtsgüter gegeneinander abwägt, sondern eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Interessenabwägung v o r n i m m t . — Kritisch hierzu: Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 610); Lerche, DVB1. 1958, S. 524 ff. (S. 526); ders., Übermaß, S. 150; Dittrich, S.61. 149 Vgl. etwa Friesenhahn, Fs. Kunze, S. 37; Dittrich, S. 62 f.; kritisch hierzu: H.Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 56 f.; Papier, DSt. 13 (1974), S. 399 ff. (S. 406).

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

Presse z w a r n i c h t als „ a l l g e m e i n " i. S. A r t . 5 A b s . 2 G G b e g r ü n d e n , seine Z u l ä s s i g k e i t w i r d aber d a d u r c h e r r e i c h t , daß n e b e n A r t . 5 A b s . 2 G G e i n ungeschriebener „ i n s t i t u t i o n e l l e r Gesetzesvorbehalt" e i n g e f ü h r t w i r d : Gesetze, die auf die o b j e k t i v - r e c h t l i c h e e x i s t e n t i e l l e M i n d e s t g a r a n t i e eines f r e i h e i t l i c h f u n k t i o n i e r e n d e n Pressewesens gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 G G bezogen seien, s o l l e n i h r e n verfassungsrechtlichen S t a n d o r t u n d i h r e Grenze i n dieser G a r a n t i e u n d n i c h t i n d e n „ a l l g e m e i n e n Gesetzen" gem. A r t . 5 A b s . 2 G G finden 150. D i e o b j e k t i v - r e c h t l i c h e Gar a n t i e e r w e i s t sich i n s o f e r n als Q u e l l e eines „ i n s t i t u t i o n e l l e n Gesetzesv o r b e h a l t s " als i h r n o r m a t i v e r V e r p f l i c h t u n g s g e h a l t f ü r d e n G r u n d rechtsadressaten „öffentliche G e w a l t " a u f positives (gesetzgeberisches) T u n m i t „ p r e s s e s t r u k t u r s c h ü t z e n d e m " Z i e l gehen s o l l 1 5 1 u n d diese V e r p f l i c h t u n g n o t w e n d i g z u g l e i c h verfassungsrechtliche E r m ä c h t i g u n g d e r ö f f e n t l i c h e n G e w a l t z u m E r l a ß j e n e r „ s t r u k t u r s c h ü t z e n d e n " Gesetze sein m ü s s e 1 5 2 . D e r „ i n s t i t u t i o n e l l e Gesetzesvorbehalt" soll z u m E r l a ß v o n Gesetzen u n t e r der V o r a u s s e t z u n g e r m ä c h t i g e n , daß diese w e g e n e f f e k t i v e r B e e i n t r ä c h t i g u n g des o b j e k t i v - r e c h t l i c h g a r a n t i e r t e n M i n destbestandes n o t w e n d i g s e i e n 1 5 3 . Diese dogmatische Konstruktion 150 Lerche, Pressekonzentration, S. 50 ff.; ders., Innere Pressefreiheit, S. 48 f.; ders., Ev. StLex., Sp. 1915; ders., JZ 1972, S. 468 ff. (S.473); Kühler, 49. DJT, D 47 f.; Mallmann, 49. DJT, Ν 20, 23 F N 67; Bull, 49. DJT, Ν 145; R. Gross, DVB1. 1970, S. 337 ff. (S. 341); ders., Presserecht, S. 62; Löffler, Presserecht, Bd. I, Kap. 16 Rdnr. 97 v); Kunert, S. 84; Berger, A f P 1968, S. 787 ff. (S. 793); Leisner, Pressegleichheit, S. 130 f., 138 f., 150, 157, nach dem ζ. Β . gezielte Förderungsmaßnahmen für die Presse zwar nicht v o n A r t . 5 I I GG gedeckt sind, sich aber aus der Pressefreiheit rechtfertigen lassen u n d auf ihre Vereinbarkeit m i t der „Pressegleichheit" zu überprüfen sind. Insgesamt scheint die Metamorphose der Pressefreiheit zur Pressegleichheit Funktionen des A r t . 5 I I GG zu übernehmen. Der Begriff des „institutionellen" Gesetzesvorbehalt w i r d hier i n einem weiteren Sinne als bei E. W. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 95 v e r wandt; dort geht es ausschließlich u m einen Vorbehalt für die Ausübung der staatlichen Organisationsgewalt durch den Gesetzgeber. Einzelheiten zu Begriff u n d Bedeutung des „institutionellen" Gesetzesvorbehalts werden erst i m Rahmen der These von der Idealkonkurrenz relevant u n d erst dort näher dargestellt. I n diesem Zusammenhang ist schließlich anzumerken, daß auch einige Vertreter der subjektiv-rechtlichen Lehre, v. a. Herzog, in: MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 182 f., u n d Schwark, S. 106, neben der Schranke des A r t . 5 I I GG eine aus dem Demokratiegebot des A r t . 20 I GG abgeleitete Ermächtigung zum Erlaß v o n Sondernormen zu Lasten der Presse kennen. Kritisch hierzu H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 58 ff. Wegen der Figuren der „immanenten Grenzen" u n d des „institutionellen Gesetzesvorbehalts" w i l l Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 158 f., dem A r t . 5 I I GG „keine große praktische Bedeutung" mehr beimessen! 151 Vgl. hierzu bereits oben § 2 I I 2 c). 152 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 116 ff.; zum Zusammenhang von objektiv-rechtlicher Garantie u n d Gesetzesvorbehalt vgl. auch Leisner, Pressegleichheit, S. 59 f. 153 Lerche, Pressekonzentration, S. 80; Kühler, 49. DJT, D 47 f.; Mallmann, 49. DJT, Ν 18 ff.; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 76 f.); Löffler, Presserecht,

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öffnet somit im Gegensatz zur subjektiv-rechtlichen Lehre Tür und Tor für den Erlaß von Sondernormen zu Lasten der individuellen Pressefreiheit von Verlegern und Journalisten: Die als unabweislich geboten eingestuften Einschränkungen der individuellen Pressefreiheit zum Zwecke der Rettung der „freien Presse" können verfassungskonform durch speziell pressebezogene Gesetze — etwa zur Bekämpfung der Pressekonzentration, zur Einführung der „inneren Pressefreiheit", zur Sicherung einer funktionsadäquaten Journalistenausbildung etc. — vorgenommen werden 1 5 4 . 5. Offene Probleme der These von der Gesetzeskonkurrenz

Problematisch an der These von der Gesetzeskonkurrenz erscheint zunächst — wie bereits angedeutet wurde — die Begründung für die Verdrängung der neben A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG tatbestandlich berührten Grundrechte. Da der Charakter des Grundrechts der Pressefreiheit als erschöpfende Sonderregelung ja damit gerechtfertigt wird, daß die Schranken der A r t . 12 Abs. 1, 14 GG „schwächer" als die der Pressefreiheit seien und weitergehende Beschränkungen der Presseberufsfreiheit bzw. des Presseeigentums zuließen, muß diese Argumentation i m Hinblick auf die skizzierte Auslegung der Schranken der Pressefreiheit auf ihre Plausibilität geprüft werden: Soweit Eingriffe i n die Pressefreiheit allein nach Maßgabe des A r t . 5 Abs. 2 GG für zulässig gehalten und die „allgemeinen Gesetze" allein oder auch formell gedeutet werden, ist es überzeugend, das Grundrecht der Pressefreiheit als „stärker" als die Grundrechte der A r t . 12 Abs. 1, 14 GG einzustufen. Denn i m Gegensatz zu diesen soll A r t . 5 Abs. 2 GG ja jegliches Sonderrecht zu Lasten der Presse ausschließen, womit etwa pressespezifische Berufsregelungen i n der A r t subjektiver Zulassungsvoraussetzungen unzulässig wären. Soweit A r t . 5 Abs. 2 GG allerdings rein materiell i m Sinne eines Abwägungsvorbehalts interpretiert wird, kann der erschöpfende Charakter des Pressefreiheitsgrundrechts schon nicht mehr plausibel begründet werden. Denn dann lassen sich „Stärkedifferenzen" zwischen A r t . 5 Abs. 2,12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG nicht mehr nachweisen. Beschränkungen der Pressefreiheit wären wie Berufsregelungen und sozialbindende Eigentumsbegrenzungen zulässig, wenn sie verhältnismäßig wären. Gleichermaßen läßt die Annahme eines „institutionellen Gesetzesvorbehalts" gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG die Argumentationsgrundlage für eine Verdrängung der A r t . 12 Abs. 1, Bd. I, Kap. 5 Rdnr. 81; Geiger, A f P 1977, S. 256 ff. (S.258); Ehmke, Fs. A r n d t , S. 84 f.; Leisner, Werbefernsehen, S. 201 ff., 205; Heck, A f P 1968, S. 701 ff. (S. 703); BVerfGE 20, S. 162 (S. 176); VG Berlin, DÖV 1975, S. 134 f. (S. 135). 154 Lerche, JZ 1972, S. 468 ff. (S. 473); vgl. auch die kritische Analyse E. W. Böckenfördes, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1532).

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

14 GG zugunsten des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG entfallen. Wenn aufgrund dieses Gesetzesvorbehalts die unabweislich gebotenen Einschränkungen der individuellen Pressefreiheit zum Schutze des Instituts „freie Presse" zulässig sein sollen, dann kommt es letztlich wiederum auf eine Verhältnismäßigkeitsabwägung an, womit die angeblichen „Stärkedifferenzen" nivelliert werden müssen. Ein weiteres offenes Problem der These von der Gesetzeskonkurrenz ergibt sich i m Verhältnis von A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG zu A r t . 14 GG. Soll das Grundrecht der Pressefreiheit als „lex specialis" die Eigentumsgarantie verdrängen, so muß auch A r t . 14 Abs. 3 GG zurücktreten. Es ist dann allerdings zu fragen, ob damit Enteignungen von Presseeigentum, etwa von Betriebsgrundstücken zum Zwecke des Straßenbaus, unzulässig sein sollen und, wenn nein, unter welchen Voraussetzungen sie verfassungsrechtlich erlaubt sein sollen, insbesondere woraus die verfassungskräftige Entschädigungspflicht der öffentlichen Gewalt hergeleitet werden soll 155 . IV. Die These von der Idealkonkurrenz zwischen Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und den Art. 12 Abs. 1,14 GG 1. Die Idealkonkurrenz als verfassungsrechtlicher Regelfall

Die These von der Gesetzeskonkurrenz w i r d m i t der Auffassung konfrontiert, die Grundrechtsbestimmung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG stehe zu A r t . 12 Abs. 1 GG 1 5 6 wie zu A r t . 14 GG 1 5 7 i m Verhältnis der „Idealkonkurrenz". M i t diesem vom Straf recht i n das Verfassungsrecht übertragenen Terminus 1 5 8 w i r d der Fall der „Handlungseinheit mit 155

Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 370 ff. Vgl. für das Verhältnis A r t . 5 I 2 - 12 GG: Lerche, Werbung, S. 72 ff., 102 ff.; ders., Rundfunkmonopol, S. 74 ff.; ders., Pressekonzentration, S. 78 ff.; ders., Ev. StLex., Sp. 1912; Scheuner, A f P 1968, S. 725 ff. (S. 729); H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 43; Löffler, Presserecht, Bd. I, Kap. 16 Rdnr. 97 r); Ehmke, Fs. A r n d t , S. 86, 105; Leisner, Werbefernsehen, S. 95 ff., 161 ff., 192; Rüfner, Fg. BVerfG, Bd. I I , S.476; SternlBethge, Rundfunk, S. 96 ff.; Dittrich, S. 54 ff.; Kunert, S. 92 ff., 99 ff.; Schwark, S. 129; Greiser, S. 160; Grund, DVB1. 1969, S. 481 ff. (S.484 F N 72); Herzog/Schick, Nr. 33, S. 31 f.; Ipsen, Presse-Grosso, S. 30 ff., 62. 157 Vgl. für das Verhältnis A r t . 5 I 2 - 14 GG: Lerche, Werbung, S. 72 ff., 102 ff.; ders., Rundfunkmonopol, S. 76 F N 206; ders., Pressekonzentration, S. 83; ders., Innere Pressefreiheit, S. 56 f.; ders., Ev. StLex., Sp. 1912; Scheuner, A f P 1968, S. 725 ff. (S. 729); H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 43; Löffler, Presserecht, Bd. I Kap. 16 Rdnr. 97 w); Ehmke, Fs. A r n d t , S. 86, 99; Leisner, Werbefernsehen, S. 183 f., 192; Dittrich, S. 54 ff.; Kunert, S. 95 ff., 99 ff.; Schwark, S. 129; DenningerlBeye, A P - E n t w u r f I, S.29; Greiser, S. 160, 164; Schwerdtner, ZRP 1970, S. 220 ff. (S. 222); ders., B B 1971, S. 833 ff. (S. 836, 840); ders., JR 1972, S. 357 ff. (S. 359); Rüthers, D B 1972, S. 2471 ff. (S. 2475 f.); Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 371; Ipsen, Presse-Grosso, S. 30 ff., 62. iss v g l die ausdrückliche Bezugnahme bei Herzog, i n : MDHSch, A r t . 5 156

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notwendiger Tatbestandsmehrheit" umschrieben. Genauer gesagt w i r d unter „Idealkonkurrenz" i n der verfassungsrechtlichen Diskussion nicht „gleichartige Idealkonkurrenz" i. S. mehrfacher Erfüllung desselben Tatbestandes durch eine Handlung, sondern ausschließlich „ungleichartige Idealkonkurrenz" verstanden 159 : Wenn durch ein und dieselbe Handlung ein und derselben Person gleichzeitig die partiell identischen Garantietatbestände von zwei oder mehr Grundrechtsnormen v e r w i r k licht würden und diese Handlung durch einen Hoheitsakt beschränkt werde, dann soll keine der einschlägigen Grundrechtsvorschriften alle anderen verdrängen, sondern sollen alle nebeneinander rechtsfolgebestimmend gelten 160 . Auf der Tatbestandsebene w i r d dieselbe Konstellation angenommen wie bei der Gesetzeskonkurrenz wegen Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung, nämlich der Fall der Tatbestandsüberschneidung. Erstreckt man den Schutzumfang des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG auch auf die Presseberufsfreiheit und das Presseeigentum, so ist die Überschneidung des Grundrechtstatbestandes des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG mit den Tatbeständen der A r t . 12 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 S. 1 GG evident. Dieses Ergebnis der tatbestandsvergleichenden Untersuchung ist jedoch — wie schon für die Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung betont wurde — allein für die Entscheidung der Alternative Idealkonkurrenz oder Gesetzeskonkurrenz nicht zureichend; es muß auf zusätzliche hermeneutische Erwägungen abgestellt werden, die ohne Wertungen nicht auskommen dürften. Soweit einer grundrechtlichen Idealkonkurrenz der Vorzug gegeben wird, erscheint es als nützlich, zwei Argumentationsebenen zu unterscheiden: Von den Argumenten, die sich allgemein auf die Zulässigkeit und Regularität von grundrechtlicher Idealkonkurrenz bzw. Gesetzeskonkurrenz beziehen, sind die Überlegungen abzusondern, die sich auf die konkrete Abgrenzung beider Erscheinungsformen voneinander konzentrieren. Allgemein w i r d zunächst herausgestellt, die Idealkonkurrenz sei für das Verhältnis konkurrierender Grundrechtsnormen regulär; vice versa könne daher „grundsätzlich kein Freiheitsrecht als bloßer Spezialfall eines anderen angesehen werden" 1 6 1 . Diese These stützt sich auf den Rdnr. 35; Berg, Konkurrenzen, S. 1 ff., u n d Kunert, S. 99 F N 28; gegen die Übernahme der strafrechtlichen Terminologie W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 64. 159 Maurach, Dt. Straf recht, A T , S. 749, 756 f. 160 Z u m Begriff der Idealkonkurrenz i m Verfassungsrecht, vgl. Herzog, in: MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 35; Herzog!Schick, Nr. 33, S. 31 f.; Kunert, S. 100 F N 33; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 161); Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S.332; Dittrich, S. 55. 161 Rüfner, Fg. BVerfG, Bd. I I , S. 477, i m Anschluß an Berg, Konkurrenzen, S. 161 ff., 163: Kunert S. 100. I n dieser Richtung auch Stem/Bethge, Rundfunk,

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

punktuellen, eigenständigen Charakter der Grundrechtsgewährleistungen 162 , die Überschneidungsfähigkeit der grundrechtlich gewährleisteten Lebensbereiche 163 sowie auf die sachliche Weite und begriffliche Unbestimmtheit der Grundrechtsbestimmungen. Die Grundrechtsnormen erfaßten i n ihrer Gesamtheit nahezu sämtliche Gebiete menschlicher Entfaltung, ihre Tatbestandsmerkmale hätten aber bei weitem nicht dieselbe begriffliche Schärfe wie sie i n einfach-gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Strafrechts zu finden seien, die nur kleine Ausschnitte menschlichen Verhaltens beträfen 164 . „ U m so undeutlicher werden die Grenzen, die zwischen den einzelnen Grundrechtsgewährleistungen bestehen. U m so schwieriger w i r d es aber auch, komplexe Lebenssachverhalte nur unter einen einzigen Grundrechtstatbestand zu subsumieren 165 ." Zudem schließe der Grundsatz der „Grundrechtseffektivität" 166 bzw. der „Grundrechtsoptimierung nach dem Prinzip praktischer Konkordanz" 1 6 7 die Verdrängung von Grundrechtsnormen i m Wege der Gesetzeskonkurrenz weitestgehend aus und verlange die gegenseitige Verstärkung aller thematisch einschlägigen Grundrechtsbestimmungen i m Wege der Idealkonkurrenz 1 6 8 . Deren Verstärkungseffekt w i r d darin festgemacht, daß sich der betroffene Grundrechtsträger auf alle i n Betracht kommenden Gewährleistungen gleichzeitig berufen könne und so den Schutz doppelter rechtlicher Prüfung genieße 169 . Methodisch ist anzumerken, daß die Regularität der Idealkonkurrenz so nicht i m Wege dogmatischer Begründung, sondern über ein topisch-problemorientiertes Argumentationsmuster 1 7 0 abgeleitet S. 96 f.; Lerche, Übermaß, S. 128; ders., Rundfunkmonopol, S. 76 F N 208; F. Müller, Juristische Methodik, S. 176. 182 Kunert, S. 100; zum punktuellen Charakter der Grundrechtsgarantien vgl. auch: Hesse, Grundzüge, § 9 I I I , S. 127; Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 45); Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff. (S. 85); Forsthoff, Umbildung, S. 40. 183 Kunert, S.99; Rüfner, Fg. BVerfG, Bd. I I , S.474; ders., DSt. 7 (1968), S. 41 ff. (S. 41); Stern/Bethge, Rundfunk, S. 98; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 76; Erbel, Kunstfreiheit, S. 124; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 161); Peters, Grundfragen, S. 297. 184 Berg, Konkurrenzen, S. 74; Schwark, S. 126; Leisner, RuSt. 286/287, S. 5. 185 Berg, Konkurrenzen, S. 74. ιββ BVerfGE 6, S. 55 (S. 72); v.Mangoldt-Klein, Bd. I, Vorbem. Β X I V 3; Peters, Grundfragen, S. 298; Berg, Konkurrenzen, S. 162; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 163); Dittrich, S. 54; Schwark, S. 126. 187 Hesse, Grundzüge, §2 I I I 2b)cc), S. 28 f.; Rüfner, Fg. BVerfG, Bd. I I , S. 466 f.; F. Müller, Juristische Methodik, S. 175 ff. (dort auch zur Abgrenzung von der „Grundrechtseffektivität" bzw. der „FreiheitsVermutung"). 188 Berg, Konkurrenzen, S. 162 f.; Rüfner, Fg. BVerfG, Bd. I I , S. 476 ff.; Kunert, S. 100; Lerche, Übermaß, S. 128; ders., Rundfunkmonopol, S. 76. ιββ Berg, Konkurrenzen, S. 163; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 76; Dittrich, S. 54. 170

Vgl. hierzu näherhin Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 (S. 2091 ff.); Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff. (S. 62); Viehweg, Topik, S. 31 ff.

§ 2 Konkurrenzlehren

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wird. Die „strukturelle Offenheit" der Verfassung hinsichtlich des Problems von Grundrechtskonkurrenzen führt zu einer Problemlösung mittels eines verfassungsinterpretationsleitenden principals, nämlich der „Grundrechtsoptimierung bzw. -effektivität" als „Prinzip der Verfassungsinterpretation" 171 . Soll also die grundrechtliche Idealkonkurrenz die Regel sein, w i r d dadurch doch die Gesetzeskonkurrenz nicht schlechthin ausgeschlossen, sondern nur auf Ausnahmen beschränkt 172 . Es kann daher nicht darauf verzichtet werden, Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz i m Grundrechtsbereich ihren abstrakten Voraussetzungen nach abzugrenzen. Die Annahme, die Idealkonkurrenz sei der Regelfall, enthebt nicht der Notwendigkeit, i m Einzelfall — also etwa i m Verhältnis des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG zu den A r t . 12, 14 GG — die Voraussetzungen der Idealkonkurrenz nachzuweisen und den Ausschluß der Gesetzeskonkurrenz zu begründen. Für die Annahme grundrechtlicher Idealkonkurrenz wäre — w i l l man die Anlehnung an die strafrechtliche Konkurrenzlehre beibehalten — darzulegen, daß eine grundrechtsrelevante hoheitliche Handlung zur vollständigen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit notwendig unter dem Aspekt mehrerer einander ergänzender Grundrechtstatbestände zu betrachten ist, daß also nicht einer von mehreren Tatbeständen allein für die Beurteilung ausreicht 173 . I n diesem Zusammenhang wäre zu berücksichtigen, daß Verschiedenheit der i n den einzelnen Grundrechtstatbeständen geschützten Rechtsgüter einen Anhaltspunkt für Idealkonkurrenz abgibt, Gleichheit der Schutzrichtung hingegen für Gesetzeskonkurrenz spricht 174 . A n einer solchen, die Einzelvoraussetzungen nachweisenden Begründung der Idealkonkurrenz des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG mit den A r t . 12 Abs. 1, 14 GG fehlt es i n der Literatur jedoch ebenso wie es an einer ins Detail gehenden Ablehnung der Gesetzeskonkurrenz wegen erschöpfender Regelung mangelt.

171 Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff. (S. 62, 72 ff.); Hesse, Grundzüge, §2 I I I 2 c), S. 28 ff. 172 So n i m m t ζ. B. Berg, Konkurrenzen, S. 164 f., i h m folgend Rüfner, Fg. BVerfG, Bd. I I , S. 477 F N 124, Spezialität zwischen A r t . 4 u n d A r t . 7 I I I S. 3 GG an. Nach Berg soll es sich dabei allerdings u m den einzigen F a l l v o n Spezialität i m Grundrechtsabschnitt handeln. Weitergehend dagegen Lerche, AöR 90 (1965), S. 362 ff. F N 76, der gegen Forsthoff, Staatsbürger u n d Staatsgewalt, Bd. I I , S. 19 ff., Spezialität des A r t . 12 I gegenüber A r t . 14 GG annimmt. 173 Formulierung i n A n l e h n u n g an Maurach, Dt. Strafrecht, A T , S. 749. 174 Maurach, Dt. Straf recht, A T , S. 751.

6 Degen

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung 2. Die Lösung der Schrankendivergenz

Die Annahme der Idealkonkurrenz als Regelfall macht Versuche unumgänglich, das Problem einer Schrankendivergenz idealiter konkurrierender Grundrechtsnormen mittels allgemeiner Regeln einer Lösung zuzuführen. Die Konstellation -der Schrankendivergenz betrifft den Fall, daß die i m Verfassungstext geschriebenen Vorbehaltsschranken der i n Konkurrenz stehenden Grundrechtsbestimmungen inhaltlich nicht übereinstimmen 175 . Die Antworten auf die Frage, welche der divergierenden Vorbehaltsschranken konkurrierender Grundrechtsnormen den Rechtmäßigkeitsmaßstab für hoheitliche Grundrechtseingriffe abgeben soll, fallen abstrakt recht uneinheitlich aus 178 ; soweit es jedoch konkret u m die Relation zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und den A r t . 12, 14 GG geht, besteht letztlich Übereinstimmung darüber, daß bei die Presse betreffenden Eingriffen die Schranken des A r t . 5 GG maßgeblich sein sollen 177 . Dieses Ergebnis w i r d über unterschiedliche dogmatische Konstruktionen erreicht: a) Die „objektive

Zielrichtung"

des Eingriffs

aa) Das K r i t e r i u m der Pressebezogenheit Zur Ermittlung der i m Konkurrenzfall maßgeblichen Vorbehaltsschranken w i r d vorgeschlagen, auf die „objektive Zielrichtung" des staatlichen Grundrechtseingriffs abzustellen 178 . Zu prüfen sei, ob die 175 Rüfner, Fg. BVerfG, Bd. I I , S. 474; Berg, Konkurrenzen, S. 9 ff.; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 161); Stem/Bethge, Rundfunk, S. 98; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 111; Lerche, Übermaß, S. 128; ders., Werbung, S. 103, 107; Leisner, Werbefernsehen, S.96; Dittrich, S.55/56; Schwark, S. 126; W.Müller, Versammlungsfreiheit, S. 55, 62; v.Hase, J A 1969 ÖR, S.27f. — Daß n u r die Vorbehaltsschranken i n die Konstellation der Schrankendivergenz eingebracht werden, w i r d teils ausdrücklich festgestellt (Rüfner, Berg, Stem/Bethge), teils ergibt sich dies aus dem Argumentationszusammenhang (Leisner, Lerche, Scholz) oder aus den angeführten Beispielen (Dittrich, Schwark, W. Müller). 176 Neben den i m folgenden näher darzustellenden Auffassungen zum V e r hältnis zwischen Pressefreiheit u n d der Berufsfreiheit w i e der Eigentumsgarantie sind folgende Meinungen zu erwähnen: Die Lehre F. Kleins, v. M a n goldt-Klein, Bd. I , Vorbem. Β X V 2 b) über die systematischen sachlichen Gewährleistungsschranken 1. u n d 2. Grades; zustimmend: Küchenhoff, Allgem. Staatslehre, S. 70 f.; Bachof, Die Grundrechte I I I / l , S. 170 f.; Gallwas, AöR 95 (1970), S. 329 ff. (S. 331 f.); Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S.97f., 210 ff.; m i t Vorbehalten auch Rüfner, DSt. 7 (1968), S.41ff. (S. 55); der „ w e r t i n t e r pretatorische", einzelfallbezogene Ansatz Erbeis, Kunstfreiheit, S. 124 ff.; vgl. schließlich die an der Unterscheidung v o n Inhalts- u n d Ausübungsrecht sowie der „Funktionsgerechtigkeit" orientierte Auffassung Scholz 9, Koalitionsfreiheit, S. 110 ff. 177 Rüfner, Fg. BVerfG, Bd. I I , S. 476; Lerche, Innere Pressefreiheit, S. 56 f.; ders., Pressekonzentration, S. 79; ders., Ev. StLex., Sp. 1912; ders., Werbung, S. 103; Leisner, Werbefernsehen, S. 95; Dittrich, S. 56, 65; Kunert, S. 101; Schwark, S. 128 f.

§ 2 Konkurrenzlehren

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staatliche Regelung „meinungsbezogen" 179 sei bzw. „die Pressefreiheit als solche beeinflussen" müsse 180 oder ob sie i n typischer Weise auf ein anderes, gleichzeitig geltend gemachtes Freiheitsrecht ziele 181 . I m Falle der „Pressebezogenheit" soll die Vorbehaltsschranke des A r t . 5 Abs. 2 GG, ansonsten sollen die Schranken der anderen Grundrechtsbestimmung „gelten" 1 8 2 . Gemeint scheint damit ein Vorgang der „Schrankenersetzung": Die Vorbehaltsschranke der nach der Eingriffsrichtung weniger tangierten Grundrechtsnorm — nicht die Norm insgesamt — verliert i m Wege der Verdrängung ihre Maßgeblichkeit für die Rechtmäßigkeitsprüfung; an ihre Stelle t r i t t die Vorbehaltsschranke der primär betroffenen Grundrechtsvorschrift 183 . Die beiden anderen diskutierten Möglichkeiten, zur Lösung der Schrankendivergenz grundsätzlich entweder dem weniger einschränkbaren, „freiheitlicheren" Grundrecht oder dem stärker einschränkbaren Grundrecht den Vorrang einzuräumen, werden mit der Begründung abgelehnt, derartige Prinzipien ließen sich aus der grundrechtlichen Schrankensystematik nicht ableiten und müßten zudem zu bedenklichen Ergebnissen führen 1 8 4 . M i t dem K r i t e r i u m der „Pressebezogenheit" steht die Lösung der Schrankendivergenz idealiter konkurrierender Freiheitsrechte nicht unter der Herrschaft allgemeiner und fester Regeln, sondern sie w i r d i n Abhängigkeit von dem nach Lage des Einzelfalls variablen Eingriff der Staatsgewalt entwickelt. Es läßt sich also keine allgemeine Aussage darüber treffen, ob i m Kon178 Herzog!Schick, Nr. 33, S. 31 f.; Schwark, S. 128; Kunert, S. 101; W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 86 f., sämtlich i n Fortentwicklung des Ansatzes v o n Herzog, i n : MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 37, der dort auf das Eingriffsmotiv abstellen w i l l ; kritisch hierzu W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 84 ff.; Schwark, S. 128, behauptet zwar, seine Lösung liege i n der v o n Erbel, Kunstfreiheit, S. 127, entwickelten Richtung; w i e Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 414, bei aller überflüssigen Polemik doch zutreffend bemerkt, k o m m t die Lösung Schwarks aber eher dem Ansatz Herzogs nahe. 179 Schwark, S. 128; ähnlich auch W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 87. 180 Kunert, S. 101. 181 Schwark, S. 128. 182 Schwark, S. 128 f.; vorsichtiger, jedoch unklarer Kunert, S. 101, der davon spricht, die Regelung müsse sidh an A r t . 5 I, I I GG „orientieren" oder sei „ p r i m ä r " an A r t . 12,14 GG zu messen. 183 Schwark, S. 125 ff.; Kunert, S. 99; Herzog, in: MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 37. Andere Äußerungen Herzogs lassen jedoch Zweifel aufkommen, ob n u r S ehr ankener setzung oder Verdrängung der gesamten N o r m gemeint ist; etwa, w e n n HerzogISchick, Nr. 33, S. 32, formulieren, A r t . 12 GG sei „als Maßstab heranzuziehen" oder eine Regelung sei „ a n A r t . 5 zu messen". Vgl. auch Herzog, MDHSch, A r t . 8 Rdnr. 32: „. . . so ist auf den Eingriff folgerichtig auch nicht A r t . 8, sondern das jeweils konkurrierende Grundrecht anzuwenden". Ä h n l i c h auch W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 87. 184 Schwark, S. 127; Herzog, i n : MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 37 gegen die systematischen sachlichen Gewährleistungsschranken v. Mangoldt-Kleins, Bd. I, Vorbem. Β X V 2 b).

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kurrenzfall die Schranken von A r t . 5 Abs. 2 GG oder von A r t . 12 Abs. 1 S.2 bzw. A r t . 14 Abs. 1 S.2 GG gestellt werden. Die Relation zwischen den A r t . 5, 12, 14 GG kann nur anhand von Beispielsfällen dargestellt werden; als „pressebezogen" werden etwa folgende Fälle angesehen: E i n gesetzliches Verbot der Nacht- u n d Sonntagsarbeit für Journalisten tangiere p r i m ä r A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG, nach dem Journalisten i n der Lage sein müßten, sich jederzeit an Ort u n d Stelle die Informationen zu beschaffen, die sie zur Unterrichtung der Leser benötigten. Eine solche Regelung sei deshalb nicht an A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG, sondern an A r t . 5 Abs. 2 GG zu messen 185 . Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, alle Beiträge i n Tageszeitungen v o r ihrer Veröffentlichung einer staatlichen Stelle vorzulegen u n d i m Falle der Nichtbeanstandung v o n jeder strafrechtlichen Verantwortung freigestellt zu werden, sei eine typische Regelung der Pressefreiheit u n d daher an A r t . 5 GG zu messen, obwohl sie auch Auswirkungen auf die Berufsfreiheit habe 1 8 6 . Werde aus Furcht v o r größerer Pressekonzentration die Aufstellung v o n Vierfarbdruckmaschinen für Tageszeitungen verboten u n d als Grund für eine derartige Vorschrift die zu große Geräuschentwicklung solcher Maschinen angegeben, so sei nach der objektiven Richtung des Eingriffs p r i m ä r A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG, nicht A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG betroffen; maßgeblich müsse daher A r t . 5 Abs. 2 GG sein 1 8 7 .

Dagegen w i r d i n den folgenden Fällen eine Pressebezogenheit verneint: Wenn ein Gesetz vorsehe, daß sich einer Berufsausbildung von zwei Jahren unterziehen müsse, wer verantwortlicher Redakteur an einer Tageszeitung werden oder bleiben wolle, so ziele diese Ausbildungsregelung auf die Berufsfreiheit i m allgemeinen; sie könne nämlich einen anderen Beruf genauso betreffen. Insoweit sei A r t . 12 GG als Maßstab heranzuziehen 1 8 8 . Wenn der Bau v o n Druckereien u n d Redaktionsgebäuden durch ein Presseunternehmen neben A r t . 14 GG auch durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt sei, so beträfen die Vorschriften der Bauordnung, des Grundstücks- und Nachbarrechts doch typischerweise die Eigentumsfreiheit. Es müsse daher die extensivere Schranke des A r t . 14 Abs. 1 S. 2 GG gelten 1 8 9 . Die Antikonzentrationsmaßnahme der Marktanteilsbegrenzung betreffe vor allem die wirtschaftlich-organisatorische, also die dienende Komponente der Pressefreiheit, publizistische Positionen w ü r d e n weniger berührt. Die V e r fassungsmäßigkeit der Marktanteilsbegrenzung (vor wie nach Erreichen der Grenze) richte sich daher nach den Vorbehaltsschranken der A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG, 14 Abs. 1 S. 2 GG, nicht jedoch nach A r t . 5 Abs. 2 G G 1 9 0 .

185 188 187 188 189 190

Schwark, S. 129. Herzog!Schick, Nr. 33 b), S. 31 f. Schwark, S. 129. Herzog!Schick, Nr. 33 a), S. 31 f. Schwark, S. 129. Kunert, S. 138 f., 144 ff.

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bb) Zur Bestimmbarkeit der Eingriffsrichtung Versucht man zu ermitteln, was unter dem für die Lösung des Konkurrenzproblems maßgeblichen K r i t e r i u m der „objektiven Zielrichtung des Eingriffs" verstanden wird, stößt man zunächst auf eine negative Aussage: Die Zielrichtung soll m i t dem Motiv des Eingriffs nicht identisch sein. Der Beweggrund der eingreifenden Behörde könne zwar für die Rechtmäßigkeit behördlichen Ermessensgebrauchs Bedeutung erlangen, für die Bestimmung der Rechtsgrundlage und der grundrechtlichen Maßstabsnorm jedoch nicht ausschlaggeebend sein 191 . Dieser Abgrenzung folgt keine Definition des Begriffs der „objektiven Zielrichtung", die man jedoch deshalb erwarten durfte, weil der Begriff zu vage ist, u m aus sich heraus unmittelbar verständlich zu sein 192 . Zur Klärung könnte sich anbieten, den Begriff der „Zielgerichtetheit" oder „Finalität" heranzuziehen, wie er i n der Diskussion u m den Eingriffsbegriff, vor allem i m Enteignungsrecht, verwandt worden ist 1 9 3 . Aber wenn dort Finalität subjektiv als Wissen und Wollen des freiheitsmindernden Effekts der staatlichen Maßnahme gefaßt w i r d 1 9 4 , muß mit der objektiven Zielrichtung anderes gemeint sein. Die Auseinandersetzung u m die Eingriffsmerkmale hat jedoch zu einer teilweisen Verobjektivierung des Finalitätsbegriffs geführt: Anstelle des „Wissens" w i l l man die intersubjektive „Vorhersehbarkeit" der freiheitsbeeinträchtigenden Wirkung ausreichen lassen 195 . Für sich gesehen könnte hierauf durchaus der Begriff „objektive Zielrichtung" angewandt werden. Zweifel ergeben sich aber i m Problemzusammenhang der Lösung der Schrankendivergenz idealiter konkurrierender Grundrechte. Man dürfte kaum zu einer sinnvollen Inhaltsbestimmung des vorgeschlagenen Maßstabsbegriffs „objektive Zielrichtung" gelangen, wenn man diesen mit dem für den Eingriffsbegriff konstituierenden Merkmal der Finalität gleichsetzen wollte. Für die Konstellation der Idealkonkurrenz ist ja conditio sine qua non, daß ein und dieselbe staatliche Regelung 191 W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 84 ff. gegen Herzog, i n : MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 37, A r t . 8 Rdnr. 32; auch HerzogISchick, Nr. 33, S. 32, betonen den objektiven Charakter der Eingriffsrichtung; vgl. zudem Schwacke, S. 54, 67; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 414. 192 Vgl. auch Schwabe, ebenda, S. 173 ff. 193 Vgl. die Übersichten bei Grabitz, S. 29 ff. u n d Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 22 ff., beide m i t weiteren Nachweisen; zum Wandel der Eingriffsvorstellungen auch Lerche, DVB1. 1958, S. 524 ff. (S. 528 ff.). 194 Forsthoff, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 19 I, S. 259; diesem folgend B G H Z 12, S. 52 (S. 57); 23, 235 (S.240); vgl. i m übrigen die Nachweise bei Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 22. 195 Wolff iBachof, Bd. I, § 62 I V b 2), S. 550 f.; OVG Münster, OVGE 14, S. 81 (S. 92 f.); Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S.23, m i t weiteren Nachweisen.

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die Schutzbereiche von mindestens zwei Grundrechten gleichzeitig beeinträchtigt 1 9 6 . Läßt man aber als Grundrechtsbeeinträchtigungen nur finale Eingriffe gelten 197 , so kommt es erst gar nicht zu einer Konkurrenzlage, wenn ein Grundrecht final und ein anderes nur reflexiv betroffen ist. Läßt man hingegen nicht finale, rein effektive Beeinträchtigungen genügen 198 , so kommt es zwar zur Idealkonkurrenz, die „objektive Zielrichtung" ist als konkurrenzlösender Maßstab aber nur für den Fall geeignet, daß eines der idealiter konkurrierenden Freiheitsrechte final, ein anderes dagegen nur effektiv beeinträchtigt w i r d 1 9 9 . Dieser Fall dürfte jedoch recht selten sein, wenn Finalität bereits bei objektiver Vorhersehbarkeit vorliegen soll 2 0 0 . Häufig werden deshalb alle i n Idealkonkurrenz zueinander stehenden Grundrechte final getroffen sein. Es ist offensichtlich, daß die Finalität dann für die Lösung der Schrankendivergenz nichts hergeben kann. Insgesamt gesehen vermag der Rückgriff auf die Diskussion u m das Eingriffsmerkmal der Finalität nichts zu einer sinnvollen Bestimmung des vorgeschlagenen konkurrenzlösenden Kriteriums der „objektiven Zielrichtung des Eingriffs" beizutragen. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, den Begriff der Eingriffsrichtung rein objektiv zu verstehen 201 . Subjektive Elemente wie Motive, Wissen und Wollen, aber auch Vorhersehbarkeit, können dann keine Rolle spielen. Es kann nur auf den objektiven freiheitsmindernden Effekt der Regelung ankommen. Daran muß sich aber sogleich die Frage anschließen, wodurch der als konkurrenzlösender Maßstab angesprochene objektive Effekt sich von der Grundrechtsbeeinträchtigung unterscheiden soll. Teilweise w i r d dieses Problem nicht scharf genug gesehen, etwa i n folgender Formulierung: „Betrifft die Maßnahme dagegen den Schutzbereich des A r t . 5 GG, d. h. richtet sie sich gegen die i n der Versammlung geäußerte Meinung, dann ist sie ausschließlich an A r t . 5 GG 196

Vgl. oben § 2 I V 1. Forsthoff, Planung I I I , S. 33; Bachof, Die Grundrechte I I I / l , S. 196 f.; Friauf, DVB1. 1971, S. 674 ff. (S. 681 f.). 198 BVerfGE 13, S. 181 (S. 185 ff.); 22, S. 380 (S. 384); Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 51 ff., u n d S. 25 ff. m i t umfangreichen Nachweisen zur Effektbezogenheit. I m Ansatz auch schon Lerche, Übermaß, S. 114; Herzog, Fs. Hirsch, S. 63 ff. 199 Damit ergäbe sich ein gewisser Widerspruch: Sollte n u r das final getroffene Grundrecht die Schranken stellen, gelangte m a n auf Umwegen wieder zur Erforderlichkeit eines finalen Eingriffs für die Auslösung des grundrechtlichen Rechtsschutzes durch ein bestimmtes Grundrecht. zoo Dig Wandlung des Finalitätsbegriffs i n Richtung „Vorhersehbarkeit" verfolgte j a gerade den Zweck, den Eingriffsbegriff zu erweitern, so daß praktisch bloß „atypische Sonderfälle" (Wolff/Bachof, Bd. I, § 62 I V b 2), S. 550) nicht erfaßt werden. 197

201 Dies w i r d ausdrücklich n u r von W. Müller, herausgestellt.

Versammlungsfreiheit, S. 86,

§ 2 Konkurrenzlehren

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z u messen 2 0 2 ." Ü b e r w i e g e n d w i r d aber w o h l e r k a n n t , daß der o b j e k t i v e E f f e k t als K r i t e r i u m der K o n k u r r e n z l ö s u n g n u r d a n n etwas t a u g t , w e n n er gegenüber d e r „ e i n f a c h e n " G r u n d r e c h t s b e e i n t r ä c h t i g u n g q u a l i f i z i e r t w i r d . Es w i r d versucht, diesem Q u a l i f i z i e r u n g s e r f o r d e r n i s d a d u r c h R e c h n u n g z u t r a g e n , daß f ü r die L ö s u n g der S c h r a n k e n d i v e r g e n z d a r a u f abgestellt w i r d , w e l c h e r v o n m e h r e r e n g r u n d r e c h t l i c h e n Schutzbereichen „ p r i m ä r " bzw. „typisch" u n d welcher w e n i g e r betroffen w i r d 2 0 3 . D e r B e g r i f f d e r o b j e k t i v e n Z i e l r i c h t u n g h a t so sicherlich a n K o n t u r e n g e w o n n e n . E i n h i n r e i c h e n d g e n a u e r M a ß s t a b f ü r die L ö s u n g der S c h r a n k e n d i v e r g e n z ist d a m i t aber noch n i c h t gegeben: Es b l e i b t n ä m l i c h w e i t g e h e n d offen, nach w e l c h e n K r i t e r i e n die „ p r i m ä r e B e t r o f f e n h e i t " eines G r u n d r e c h t s e r m i t t e l t w e r d e n soll. E i n e U n t e r s u c h u n g d e r a n g e f ü h r t e n B e i s p i e l s f ä l l e zeigt, daß n i c h t e i n h e i t l i c h e , s o n d e r n verschiedenartige K r i t e r i e n v e r w a n d t werden: Soweit es u m das Verbot der Aufstellung v o n Vierfarbdruckmaschinen geht, w i r d die primäre Betroffenheit des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 G G nicht objektiv, sondern subjektiv nach dem w i r k l i c h e n M o t i v des Eingriffs, der Furcht vor größerer Pressekonzentration b e s t i m m t 2 0 4 . Daß eine gesetzliche Marktanteilsbegrenzung vorrangig die A r t . 12 u n d 14 GG berühren soll, w i r d über eine Wertung begründet: Die Pressefreiheit soll weniger betroffen sein, da es n u r u m ihre dienende wirtschaftliche, also m i n derwertige Komponente gehe 2 0 5 . I m Falle der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, Zeitungsberichte einer Behörde zur vorbeugenden Inhaltskontrolle vorzulegen, soll sich die primäre Betroffenheit des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 G G nach der T y p i k der Regelung richten20®. Der Charakter als typische Regelung der Pressefreiheit dürfte w o h l daraus hergeleitet werden, daß die Regelung i h r e r gesamten Ausprägung nach den historisch überlieferten Einrichtungen einer staatlichen Pressevorzensur sachlich angenähert ist. I n d e n ü b r i g e n B e i s p i e l s f ä l l e n w i r d z w a r auch m i t d e m K r i t e r i u m der „ T y p i k " o p e r i e r t . Es geht d a b e i aber n i c h t u m d i e Sachnähe z u f r ü h e r e n Regelungen. E n t s c h e i d e n d scheint v i e l m e h r die besondere 202 W. Müller, Versammlungsfreiheit, S. 86; die MißVerständlichkeit dieser Formulierung w i r d relativiert, w e n n M. die Eingriffsrichtung i n A n l e h n u n g an das Polizeirecht (!) danach bestimmen w i l l , aus welchem grundrechtlichen Wirkbereich die Störung k o m m t (S. 86/87). Vgl. dazu auch Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 174 f., dessen berechtigte K r i t i k durch übertriebene Polemik an sachlicher Präzision verliert. 203 Schwark, S. 129; Kunert, S. 138 f.; Herzog!Schick, Nr. 33, S. 32; ähnlich auch Haas-Träger, D Ö V 1980, S. 16 ff. (S. 19), die für die Ablieferungspflicht des Verlegers allein auf A r t . 14 GG abstellen w i l l , da dessen „typischer Schutzbereich" berührt sei. 204 Schwark, S. 129. 205 Kunert, S. 138 f., 144 f. 206 Herzog!Schick, Nr. 33, S. 32.

1. Teil: Konventionelle Problemlösung

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Sachnähe des Regelungsgegenstands zu einem bestimmten grundrechtlichen Schutzobjekt zu sein: Daß eine Berufsausbildungspflicht für verantwortliche Redakteure an A r t . 12 GG gemessen werden soll, w i l l m a n daraus ableiten, daß der Gegenstand dieser Regelung nicht der spezifischen Presseberufsfreiheit, sondern der unspezifischen „Berufsfreiheit i m allgemeinen" sachlich besonders angenähert sei 2 0 7 . Bei einem gesetzlichen Verbot der Nacht- u n d Sonntagsarbeit für Journalisten w i r d dagegen w o h l v o n einem engen Bezug zur spezifischen Presseberufsfreiheit ausgegangen 208 . Die Regelung der Errichtung von Druckerei- u n d Redaktionsgebäuden durch die Bauordnung w i r d schließlich i n einen engen Sachzusammenhang zur allgemeinen, unspezifischen Eigentumsfreiheit gebracht; diese, nicht die spezifische Presseeigentumsfreiheit gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG soll betroffen sein 2 0 9 .

Dieser Lösungsansatz dürfte erhebliche Schwierigkeiten haben, die typische Sachnähe des Regelungsgegenstandes zu einem der Schutzbereiche konkurrierender Grundrechte i n intersubjektiv nachprüfbarer Weise zu begründen. Es werden jedenfalls keine konkreten Anhaltspunkte vorgestellt, nach denen die Ermittlung der typischen Sachnähe ausgerichtet werden könnte. b) Der „Vorrang

des stärkeren

Grundrechts"

Zur Lösung der Schrankendivergenz geht man vorwiegend von einer Unterscheidung zwischen „stärkeren" und „schwächeren" Grundrechten aus und gelangt wegen der „Sperrwirkung des milderen Gesetzes" zur Maßgeblichkeit der Schranken des „stärkeren" Grundrechts 210 . Die „Stärke" eines Grundrechts w i r d abstrakt der objektiv-rechtlichen Grundrechtsnorm zugeordnet, hat also keinen unmittelbaren Bezug zur Durchsetzungskraft eines konkreten subjektiven Reaktionsrechts. Die Grundrechtsstärke definiert sich durch die Vorbehaltsschranken der grundrechtlichen Gewährleistung: Diejenige Grundrechtsbestimmung 207

Ebenda. Schwark, S. 129. 209 Ebenda. 210 Ausdruck „ S p e r r w i r k u n g " nach Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 258 F N 13; vgl. auch: Herzog, i n : MDHSch, A r t . 5 Rdnr. 142; Maunz, in: MDHSch, A r t . 12 Rdnr. 13; Mössle, AöR 101 (1976), S. 202 ff. (S.232). — Z u m Vorrang des stärkeren Grundrechts auch: Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S. 477; Peters, Grundfragen, S. 298; Berg, Konkurrenzen, S. 80 ff., 142, 162, 168; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 164); Leisner, Werbefernsehen, S. 95; ders., Grundrechte u n d Privatrecht, S.392; ders., JZ 1972, S.33ff. (S.36); Lerche, Übermaß, S. 128; ders., Werbung, S. 103; ders., Rundfunkmonopol, S. 76 F N 208; Stern, Gebietskörperschaften, S. 65; zurückhaltender jedoch ders./Bethge, Rundfunk, S. 98; GecklBöhmer, JuS 1973, S. 499 ff. (S. 503). 208

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ist stärker als eine andere, die staatlichem Zugriff mangels Vorbehaltsschranken nicht oder wegen enger und bestimmter gefaßter Vorbehaltsschranken schwerer zugänglich ist. „Deshalb gilt die Grundrechtsbestimmung mit einem qualifizierten Gesetzesvorbehalt als stärker i m Vergleich zu jener m i t einfachem Vorbehalt, und beide als schwächer gegenüber dem Grundrecht ohne Gesetzesvorbehalt 211 ." Die Entscheidung für den „Vorrang des stärkeren Grundrechts" enthält für sich genommen noch keine Aussage darüber, mittels welcher dogmatischen Konstruktion sich dieser Vorrang durchsetzt. Zwei Lösungswege werden angeboten: Nach der Konzeption der „Schrankenersetzung" sollen die Vorbehaltsschranken der „schwächeren" Grundrechtsnorm durch diejenigen der „stärkeren" verdrängt werden. Die „schwächeren" Vorbehaltsschranken verlieren ihre Maßgeblichkeit für die Rechtmäßigkeitskontrolle des staatlichen Eingriffs; an ihre Stelle treten die „stärkeren" Schranken der konkurrierenden Grundrechtsnorm. Mangels Konformität m i t diesen „stärkeren" Schranken ist ein Eingriff mit beiden konkurrierenden Grundrechtsnormen unvereinbar 2 1 2 . Dem t r i t t , ausgehend vom Nebeneinander-Gelten idealiter konkurrierender Normen, die Vorstellung eines „Schrankennebeneinander" entgegen: Die divergenten Schranken bleiben selbständig nebeneinander bestehen; ein Eingriff ist an beiden zu messen. Entspricht dieser zwar den Vorbehaltsschranken des „schwächeren" Grundrechts, nicht jedoch denen des „stärkeren", so führt der „Vorrang des stärkeren Grundrechts" zur Rechtswidrigkeit des Eingriffs 213 . I m Ergebnis dürften beide Konstruktionsvarianten — Schrankenersetzung und Schrankennebeneinander — nicht zu praktischen Unterschieden führen. Der Grundsatz des „Vorrangs des stärkeren Grundrechts" w i r d i m wesentlichen auf zwei Argumente gestützt: Einmal w i r d darauf abgestellt, daß die tatbestandliche Erfassung des Verhaltens einer Person durch mehrere Grundrechte primär eine Kumulation von Rechtsgüter211 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S.304f.; vgl. auch Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 164); Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 392. 212 Begriff „ S ehr ankener Setzung" nach Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 395, der synonym auch v o n „Schrankenübertragung" redet. Scholz, K o a l i tionsfreiheit, S. 111, schlägt dagegen den Begriff „Schrankensubtraktion" vor. Scholler, DÖV 1969, S. 526 ff. (S. 529) verwendet den Ausdruck „Schrankenbeschränkung". Die Konzeption der „Schrankenersetzung" w i r d vertreten von: Berg, Konkurrenzen, S. 83, 86, 154, 158; Peters, Grundfragen, S.298; Leisner, Werbefernsehen, S. 95; u n k l a r ders., JZ 1972, S. 33 ff. (S. 37). 213 E i n „Schrankennebeneinander" nehmen an: Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 165); Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S. 476 f.; Dittrich, S. 56, 65; w o h l auch Lerche, Ev. StLex., Sp. 1912 u n d Ipsen, Presse-Grosso, S. 31. Die Problematik w i r d hier zumeist n u r am Rande u n d undeutlich abgehandelt.

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schütz, nicht aber von staatlichen Eingriffsbefugnissen darstelle 214 . „Der Bürger kann nicht deshalb schlechter stehen, weil es noch ein Grundrecht ,mehr' gibt 2 1 5 ." „Die Ausnützung eines anderen Grundrechts ist stets — von diesem formalen Aspekt aus — ein Plus mehr, sie kann nicht zur Erzeugung eines Minus auf der Seite des ,ersten' Grundrechts herangeholt werden. M i t weit mehr Recht könnte der gegenteilige Schluß gezogen werden 2 1 6 ." Zum anderen w i r d auf die „Vermutung für die Freiheit" abgehoben 217 : Aus dem interpretationsleitenden Grundsatz des „Primats der Freiheit" 2 1 8 folgert man, daß bei Konkurrenzen schrankendivergenter Grundrechte die „freiheitlichere" Bestimmung gegenüber der eingeschränkteren den Vorrang haben soll; dabei w i r d angenommen, die „freiheitlicheren" Normen seien i m Regelfall auf den Schutz der Individualsphäre bezogen, die eingeschränkteren präsentierten sich dagegen als sozialrelevante Freiheitsrechte 219 . aa) Pressefreiheit und Berufsfreiheit Für das Verhältnis zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und dem A r t . 12 Abs. 1 GG soll die Lösung der Schrankendivergenz nach der Regel des „Vorrangs des stärkeren Grundrechts" ergeben, daß die Pressefreiheit wegen der Schranke der „allgemeinen Gesetze" gem. A r t . 5 Abs. 2 GG als nur schwer begrenzbares, relativ „starkes" Grundrecht zu begreifen sei, demgegenüber die Vorbehaltsschranken des A r t . 12 Abs. 1 S.2 GG als „extensiver", also als „schwächer", einzustufen seien 220 . Die behauptete „Stärkedifferenz" zwischen beiden Grundrechten w i r d so nur sehr pauschal begründet; ein detaillierter Vergleich der beteiligten Schranken und des jeweiligen Eingriffsspiel214 Berg, Konkurrenzen, S.80; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 (S. 164); Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S. 477; Leisner, JZ 1972, S. 33 ff. (S. 36). 215 Lerche, Rundfunkmonopol, S. 76 F N 208. 21β Lerche, Übermaß, S. 128. 217 Berg, Konkurrenzen, S. 80 f.; Peters, Grundfragen, S. 298; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 164); Dittrich, S. 55; Leisner, Pressegleichheit, S.95: „favor maioris libertatis". — Zur „Freiheitsvermutung" vgl. näherhin: Uber, Freiheit des Berufs, S. 28; P. Schneider, I n dubio pro libertate, Fs. DJT, S. 263 ff.; ders., V V D S t R L 20, S. 1 ff. (S. 31 ff.); Dürig, AöR 79 (1953/54), S. 57 ff. (S. 62); BVerfGE I , S. 97 (S. 105); 7, S. 377 (S.404f.); 13, S. 97 (S. 104 f.); 15, S. 226 (S. 234); 15, S. 288 (S. 296); 16, S. 194 (S. 201); 17, S. 108 (S. 117); 17, S. 306 (S. 313 f.); 22, S. 180 (S. 204); 27, S. 253 (S. 283). — Kritisch dagegen: Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff. (S.80); Hesse, Grundzüge, § 2 I I I 2 b) bb), S.29; ders., Fg. Smend, S. 85 f.; F. Müller, Juristische Methodik, S. 175 ff.; Grabitz, S. 76 ff. m. w. N. 218 P. Schneider, V V D S t R L 20, S. 1 ff. (S. 34). 219 Berg, Konkurrenzen, S. 97, 99 ff., 105. 220 Lerche, Pressekonzentration, S. 78 f.; ders., Werbung, S. 103; ders., Ev. StLex., Sp. 1912; Leisner, U F I T A , 37 (1962), S. 129 ff. (S. 136); ders., Pressegleichheit, S. 90, 95; Rüfner, DSt. 7 (1968), S.41ff. (S.59); ders., Fg. BVerfG, I I , S. 476; Dittrich, S. 56; GecklBöhmer, JuS 1973, S. 499 ff. (S. 503).

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raums der öffentlichen Gewalt unterbleibt. Es muß daher versucht werden, die Argumentation u m die „Stärkedifferenz" zwischen Pressefreiheit und Berufsfreiheit zu rekonstruieren: Soweit man eine rein formelle oder eine formell-materielle Auslegung des A r t . 5 Abs. 2 GG vertritt 2 2 1 , kann angenommen werden, daß sich die größere „Stärke" des A r t . 5 Abs. 2 GG aus dem Verbot von Sonderrecht zu Lasten der Presse ergeben soll; die „Schwäche" des Art. 12 Abs. 1 GG folgte dementsprechend daraus, daß danach pressespezifische und -belastende Berufsregelungen prinzipiell zulässig wären. Besondere Regelungen des Zugangs zu den Presseberufen ζ. B. müßten an der formellen Komponente der „allgemeinen Gesetze" i. S. A r t . 5 Abs. 2 GG scheitern, während sie, gemessen am Regelungsvorbehalt des A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG, zulässig wären, wenn nur die „Güterabwägung" entsprechend ausfiele. Soweit allerdings eine rein materielle Interpretation der „allgemeinen Gesetze" i. S. A r t . 5 Abs. 2 GG angenommen wird 2 2 2 , dürfte es schwer fallen, die behauptete „Stärkedifferenz" zwischen beiden Grundrechten plausibel zu begründen. Denn dann handelte es sich sowohl bei A r t . 5 Abs. 2 GG als auch bei A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG um reine Abwägungsvorbehalte; Beschränkungen der Pressefreiheit wie der Berufsfreiheit wären demnach verfassungsgemäß, wenn sie nur verhältnismäßig wären. Dies wäre i n beiden Fällen i m Wege der „Güterabwägung" zu ermitteln. M i t dieser Nivellierung der Schranken der Pressefreiheit und der Berufsfreiheit müßten sich aber — wie Jürgen Schwabe gezeigt hat — 2 2 3 , „die i n abstrakter Sicht zuweilen naheliegenden Stärke-Differenzen der Grundrechte" i m Einzelfall „als Schein erweisen". Finden sich i m Schrifttum auch keine eingehenden Analysen der „Stärkedifferenz", so werden doch Folgenerwägungen angestellt: Gegen einen „Vorrang der Berufsfreiheit" w i r d von Peter Lerche vorgebracht, dieser müsse ein Leerlaufen der Pressefreiheit zur Folge haben, da es dem Staat offen stünde, „den Gebrauch des Grundrechts ohne weiteres zu regeln, falls für diese Regelung nur irgendwelche sachlich vertretbaren und angemessenen Gründe sprächen". Der Gesetzgeber müsse daher bei allen Regelungen des Verleger- oder Journalistenberufs die Schranken der Pressefreiheit beachten 224 . Deswegen habe der Gesetzgeber z.B. nicht die Möglichkeit, i m Pressebereich berufsausübungsregelnde Normen zu erlassen, nach denen der Verleger auf die Publi221

Vgl. oben § 2 I I I 4 m. F N 144, 145. Vgl. oben § 2 I I I 4 m. F N 149. 223 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 443. 224 Lerche, Pressekonzentration, S. 78 f.; ähnlich auch: Rüfner, I I , S. 476; ders., DSt. 7 (1968), S. 41 ff. (S. 59). 222

Fg. BVerfG,

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zierung eines einzigen Blattes beschränkt werden könnte; denn es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die Gründung einer weiteren Zeitung dem Schutz der Pressefreiheit unterfalle und daß derartige Maßnahmen durch die „stärkeren" Schranken des A r t . 5 GG nicht gedeckt würden 2 2 5 . A m Vorrang des „stärkeren" Pressefreiheitsgrundrechts müßten auch pressebezogene gewerbliche Aufsichtsmaßnahmen 22® oder die gesetzliche Beschränkung der Zeitungsverlage auf die Rechtsform der Stiftung 2 2 7 scheitern. bb) Pressefreiheit und Eigentumsgarantie Gegenüber der Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG w i r d die Pressefreiheit ebenfalls für „stärker" gehalten 228 : Die „grundrechtliche Sperre" 2 2 9 trete bei der Pressefreiheit früher ein als bei der Eigentumsgarantie, deren Vorbehaltsschranken „sehr weitgehende Begrenzungen" 2 3 0 zuließen. Die „Nachrangigkeit" des A r t . 14 GG soll ebenfalls dem Schutz der Pressefreiheit vor Aushöhlung dienen: Richtete sich ζ. B. der Blick nur auf A r t . 14 GG, so könnte selbst die Umwandlung von privaten Presseunternehmen i n öffentlich-rechtliche Anstalten bei Beachtung des A r t . 14 Abs. 3 GG verfassungskonform sein; richtigerweise sei aber zusätzlich und vorrangig auf A r t . 5 GG abzustellen, der einem derartigen Vorhaben entgegenstehe 231 . Eine gesetzliche Marktanteilsbegrenzung für Großverlage könne sich zwar als sozialbindende Einwirkung auf das verlegerische Eigentum gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG darstellen, aber dennoch mangels Konformität mit A r t . 5 GG verfassungswidrig sein 232 . 3. Geltungsbeschränkung des Art. 5 Abs. 2 GG, „institutioneller" Gesetzesvorbehalt und Konkurrenzproblematik

Die Darstellung der beiden dogmatischen Konstruktionen zur Lösung der Schrankendivergenz zwischen den idealiter konkurrierenden A r t . 5, 12, 14 GG bedarf der Ergänzung, soweit die Lösungsvorschläge auf der 225 Lerche, Pressekonzentration, S. 79. 22® Lerche, Ev. StLex., Sp. 1912. 227 Ehmke, Fs. A r n d t , S. 105; Dittrich, S. 127; Greiser, S. 160. 228 Lerche, Innere Pressefreiheit, S. 56 f.; ders., Pressekonzentration, S. 83, 88; ders., Ev. StLex., Sp. 1912; ders., Werbung, S. 103; Leisner, Werbefernsehen, S. 192; ders., Pressegleichheit, S. 23; Dittrich, S. 56, 65. 229 Leisner, Werbefernsehen, S. 192. 230 Lerche, Innere Pressefreiheit, S. 57. 231 Ebenda, S. 56 f. 232 Lerche, Pressekonzentration, S. 83 f.; zu Einzelfragen der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Marktanteilsbegrenzung vgl. etwa Lerche, ebenda, S. 71 ff.; Ehmke, Fs. A r n d t , S. 98 ff.; Dittrich, S. 94 ff.

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Grundlage der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter entwickelt werden 2 3 3 . Die Ergänzung ist nicht hinsichtlich des Lösungsmodus — „Vorrang des stärkeren Grundrechts" oder „Eingriffsrichtung" — anzubringen; sie bezieht sich vielmehr auf die Reduktion des Geltungsbereichs der Vorbehaltsschranke des A r t . 5 Abs. 2 GG, wie sie i n der Lehre vom Doppelcharakter vorgenommen wird, und auf die sich daraus ergebenden Probleme. Wie bereits i m Zusammenhang m i t der These von der Gesetzeskonkurrenz gezeigt wurde, ergibt sich die Geltungsbeschränkung des A r t . 5 Abs. 2 GG aus der Einführung eines ungeschriebenen „institutionellen", d. h. aus der objektiv-rechtlichen Garantie folgenden Gesetzesvorbehalts 234 : „Die Konsequenzen rechtsstaatlicher Schranken (für den Gesetzgeber!) sind ganz verschieden, je nachdem, ob es sich u m allgemeine Gesetze handelt oder u m solche, die i n anderer und i m Verfassungstext ,nicht geschriebener 4 Weise legitimiert werden müssen und überhaupt legitimiert werden können 2 3 5 ." Wichtige, allerdings kaum beachtete Konsequenzen ergibt diese Vorstellung für die Konkurrenzproblematik: M i t dem ungeschriebenen „institutionellen" Gesetzesvorbehalt w i r d ein Element eingeführt, auf das die vorgestellten schrankendivergenzlösenden Regeln nicht recht zugeschnitten scheinen. Zunächst wurde der Fall der Schrankendivergenz ja darauf beschränkt, daß die i n der Verfassungsurkunde geschriebenen Vorbehaltsschranken konkurrierender Grundrechtsnormen voneinander inhaltlich abweichen 236 ; nicht erfaßt wurde die Konstellation der Nicht-Übereinstimmung von ungeschriebenen und geschriebenen Vorbehaltsschranken. Mag dieses formelle Element noch nicht als ernstzunehmendes Hindernis für die weitere Anwendbarkeit der schrankendivergenzlösenden Grundsätze erscheinen, so ergeben sich jedoch aus Begriff und Bedeutung jenes ungeschriebenen Gesetzesvorbehaltes einige Schwierigkeiten; denn mit seiner bloßen Feststellung ist noch nichts darüber ausgesagt, ob und inwieweit er den Gesetzgeber zum Erlaß grundrechisbegrenzender Gesetze (im Sinne von Reduzierungen der grundrechtlichen Freiheitsgewährleistung 237 ) ermächtigt:

233 Hierzu werden insbesondere Lerche, Leisner, Löffler, Kunert und Rüfner gezählt. 234 Vgl. hierzu bereits oben § 2 I I 2 c). 235 Lerche, Pressekonzentration, S. 50. 236 Vgl. oben § 2 I V 2. 237 v. Mangoldt-Klein, Bd. I, Vorbem. X V 1.

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a) „Institutioneller Ausgestaltungsvorbehalt" und Konkurrenzproblematik Teilweise w i r d den erwähnten „strukturschützenden" Gesetzen der grundrechtsbegrenzende Charakter abgesprochen 238 ; sie werden statt dessen als (bloß) grundrechtsausgestaltende Normen eingestuft, die nur die immanenten Grenzen 239 der grundrechtlichen Freiheitsgewährleistung konkretisierten und das Freiheitsrecht zum Zwecke seiner sozialen Effektivierung inhaltlich näher bestimmten 2 4 0 . So w i r d für Antikonzentrationsgesetze vertreten, diese beeinträchtigten den Schutzbereich des subjektiven Pressefreiheitsrechts nicht, da die objektiv-rechtlich garantierte „Vielfalt der Presse durch Vielzahl" immanente Grenze der subjektiv-rechtlichen Seite des Grundrechts sei 241 . Dies führt zurück zum Begriff rechtlicher Freiheit, wie er i n der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter entfaltet w i r d : Freiheit meint hiernach nicht nur verfassungsrechtlich konstituierte, sondern auch der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung bedürftige Freiheit; gesetzliche Regelungen i m Grundrechtsbereich erscheinen nicht mehr zuvörderst als Beschränkungen, sondern eher als Ermöglichung und Verwirklichung von grundrechtlicher Freiheit. Soziale Einbindungen der Freiheit i m Wege ausgestaltender Gesetze stellen keine Grundrechtsbegrenzungen dar, weil sie als immanente Grenzen der rechtlich gefaßten Freiheit schon zugehören. Gesetze „zum Schutze der Pressefreiheit" beeinträchtigen also nicht die Freiheit, sie schaffen vielmehr „Freiheit durch den Staat" 2 4 2 . 238 Löffler, Presserecht I, Kap. 16 Rdnr. 97 v); ders., ZRP 1968, S. 16; Denninger/Beye, A P - E n t w u r f I, S.26; Roellecke, B B 1968, S. 1437 ff. (S. 1438); vgl. auch Mallmann, 49. DJT, Ν 23 F N 67; R. Gross, DVB1. 70, S. 337 ff. (S. 341); ders., Presserecht, S. 62. 239 I m Sinne Hesses, Grundzüge, § 10 I I , S. 131 f.; i m Gegensatz zu den „immanenten Schranken" bei Dürig, A ö R 79 (1953/54), S. 57 ff. (S.59); ders., i n : MDHSch, A r t . 2 I Rdnr. 69 ff.; d . h . der auf alle Freiheitsrechte übertragenen Schrankentrias des A r t . 2 I GG. 240 Nach Hesse, Grundzüge, § 10 I, S. 131, umfaßt die Ausgestaltung „stets ein Stück Konkretisierung"; vgl. zu diesem Begriff näherhin: Hesse, G r u n d züge, § 2 I I I , S. 25 ff.; F. Müller, Juristische Methodik, S. 125 ff.; Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 180 ff.; vgl. auch Lerche, Übermaß, S. 107 ff., 112: „Grundrechtsprägung". 241 R. Gross, Presserecht, S. 62; ähnlich auch Löffler, Presserecht I, Kap. 16 Rdnr. 97 i; DenningerlBeye, A P - E n t w u r f I, S. 26. Die also relativ weite Fassung des Garantiegehalts der objektiv-rechtlichen Seite (vgl. dazu bereits oben § 2 I I 2 d) m. F N 109) impliziert eine weite Bestimmung der immanenten Grenzen. Vgl. zur Bedeutung der Lehre v o n den immanenten Grenzen u n d der Grundrechtsausgestaltung auch die kritischen Bemerkungen v o n H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 46 ff. u n d v o n E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1532). 242 Recht deutlich Kunert, S. 75; Hesse, Grundzüge, § 12 I 5 b) cc), S. 162; vgl. i m übrigen die Darstellung bei E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1532).

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Für die Konkurrenzproblematik ergibt diese Auffassung, daß die Konstellation der Schrankendivergenz zwischen A r t . 5 GG und den A r t . 12, 14 GG praktisch bedeutungslos ist, wenn es sich u m Regelungen aufgrund des „ungeschriebenen institutionellen Ausgestaltungsvorbehalts" handelt. Denn die Relevanz der Schrankendivergenz-Problematik hat eine Konkurrenzlage, also eine gleichzeitige Beeinträchtigung des Schutzbereichs mehrerer Grundrechte desselben Grundrechtsträgers durch dieselbe hoheitliche Maßnahme 243 , zur Voraussetzung, die Beeinträchtigung des Schutzbereichs des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG w i r d hier aber gerade ausgeschlossen. b) „Institutioneller Begrenzungsvorbehalt" und Konkurrenzproblematik Der Leugnung der Schrankenqualität des „institutionellen" Gesetzesvorbehalts w i r d innerhalb der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter mit Deutlichkeit widersprochen 244 : Die Möglichkeit und die Notwendigkeit (bloß) grundrechtsausgestaltender Gesetzgebung werden zwar anerkannt; i m Verhältnis der beiden Grundrechtskomponenten w i r d aber die Möglichkeit von Kollisionen zwischen den Rechtsgütern der objektiv-rechtlichen Garantie und des subjektiven öffentlichen Rechts gesehen. Die Kollisionslösung soll jedoch nicht so erfolgen, daß die prinzipiell übergeordnete objektiv-rechtliche Seite zusätzliche immanente Grenzen für die subjektiv-rechtliche Seite stellt; vielmehr w i r d dem Gesetzgeber die Funktion des schonenden Ausgleichs durch Erlaß kollisionslösender Normen zuerkannt, denen eingriffsgleicher, also grundrechtsbegrenzender Charakter beigemessen wird. Denn die Eigenart von Grundrechtsbegrenzungen w i r d gerade darin festgemacht, daß sie auf die gesetzliche Zuordnung kollidierender, von der Verfassung als gleich- oder höherwertig anerkannter Rechtsgüter ausgerichtet sind. Gesetzliche Maßnahmen, die sich aus der objektiv-rechtlichen existentiellen Mindestgarantie eines „freien Pressewesens" legitimieren, etwa auf deren Schutz vor gefährlichen Folgen der Pressekonzentration gehen, können so nur als grundrechtsbegrenzende Normen eingestuft werden 2 4 5 .

243

Berg, Konkurrenzen, S. 5; Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S.474; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 161). 244 Vgl. etwa Lerche, Pressekonzentration, S. 51; Kunert, S. 81 f.; Heck, A f P 1968, S. 701 (S. 703). 245 Lerche, Ubermaß, S. 130 ff.; ders., Werbung, S. 107 ff.; ders., Pressekonzentration, S. 56 ff.; Kunert, S. 76, 81 F N 61, 86 f.; Heck, A f P 1968, S. 701 ff. (S. 703); allgemein auch: Hesse, Grundzüge, § 10 I I 2 a), S. 134 f.; F.Müller, Juristische Methodik, S. 175 ff.; Rüfner, Fg. BVerfG, Bd. I I , S. 471 ff. — Zur Überordnung der objektiv-rechtlichen Seite vgl. oben § 2 I I c).

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W i r d damit dem Grundrecht der Pressefreiheit neben der geschriebenen Vorbehaltsschranke des A r t . 5 Abs. 2 GG ein ungeschriebener, „institutioneller Begrenzungsvorbehalt" beigefügt, dann ist zu fragen, welche Konsequenzen sich daraus i m Fall idealiter konkurrierender Grundrechte für die Anwendbarkeit der dargestellten schrankendivergenzlösender Regeln ergeben. Soweit man nach der Regel des „Vorrangs des stärkeren Grundrechts" verfahren w i l l 2 4 0 , sieht man sich vor erhebliche Probleme gestellt. Denn wenn die „Grundrechtsstärke" der Grundrechtsnorm abstrakt zugeordnet und durch die Vorbehaltsschranken definiert werden soll, so stellt sich angesichts der Parallelität von geschriebenen und „institutionellen" Vorbehaltsschranken desselben Grundrechts die Frage, welche von beiden Schranken für die Bestimmung der „Grundrechtsstärke" maßgeblich sein soll. Eine Antwort w i r d man i m Schrifttum vergeblich suchen; versucht man, den grundsätzlichen Ansatz weiterzudenken, so läßt sich — ohne i n Spekulationen verfallen zu wollen — etwa folgendes sagen: Ein fallbezogenes Vorgehen — je nachdem, ob eine Maßnahme dem A r t . 5 Abs. 2 GG oder dem „institutionellen Begrenzungsvorbehalt" zugeordnet w i r d — wäre mit der Vorstellung einer der Grundrechtsnorm abstrakt beigemessenen „Stärke" nicht vereinbar. I n Konsequenz des grundsätzlichen A n satzes ist vielmehr daran zu denken, „Stärkedifferenzen" zwischen beiden Schranken desselben Grundrechts zu ermitteln und die „Stärke" der gesamten Norm von der „schwächsten", also die äußerste Grenze gesetzgeberischer Begrenzungsbefugnis festlegenden Schranke aus zu bestimmen. Dieses Verfahren kommt ohne Wertungen nicht aus, da für die Ermittlung der „Stärke" des „institutionellen Gesetzesvorbehalts" nicht auf normtextliche Anhaltspunkte zurückgegriffen werden kann: I n A r t . 5 GG muß wohl die „institutionelle" Schranke i m Vergleich zu A r t . 5 Abs. 2 GG als „schwächer" bewertet werden, da sie ja nicht nur „reflexive", sondern i m Gegenteil pressespezifische, eingriffsgleiche Grundrechtsbegrenzungen zulassen soll 2 4 7 . Die „Stärke" des A r t . 5 GG müßte also von dem „institutionellen Begrenzungsvorbehalt" aus festgelegt werden 2 4 8 . Dennoch ist mit diesem Ergebnis für die weitere Anwendbarkeit der Regel des „Vorrangs des stärkeren Grundrechts" noch nicht viel gewon246

Vgl. oben § 2 I V 2 b) m. F N 210. Lerche, Die Grundrechte IV/1, S.474; ders., Pressekonzentration, S. 54; ders., Ev. StLex., Sp. 1915; ders., JZ 1972, S.468 (S.473); ders., Übermaß, S. 131; Kunert, S. 81 F N 61; vgl. i m übrigen § 2 I I 2 d) m. F N 109. 248 Diese Konsequenz w i r d i m Schrifttum nicht ausdrücklich gezogen. Dort bleibt bei Ansprache des Verhältnisses zwischen A r t . 5 GG u n d den A r t . 12, 14 GG vielmehr u n k l a r , welche der Schranken der Pressefreiheit zu deren „Stärkebestimmung" maßgeblich sein sollen. Vgl. etwa die Formulierungen bei Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S. 476; Lerche, Pressekonzentration, S. 79; Leisner, Pressegleichheit, S. 23. 247

§ 2 Konkurrenzlehren

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nen, man w i r d nämlich zu einem neuen Problem geführt: Es fragt sich, wie die divergenten Schranken idealiter konkurrierender Grundrechte miteinander verglichen werden können, wenn ungeschriebene „institutionelle" Schranken i m Spiel sind. Der „Stärkevergleich" zwischen den konkurrierenden Grundrechtsnormen basiert ja auf der Fassung der beteiligten Schranken und fragt danach, welche von ihnen aufgrund enger oder bestimmter gefaßter Voraussetzungen gesetzliche Maßnahmen schwerer zuläßt als die andere. Ist dieser Vergleich schon zwischen geschriebenen Schranken manchmal nicht einfach, so w i r d er noch schwieriger, wenn ungeschriebene „institutionelle" Schranken zu berücksichtigen sind. Denn mangels verfassungstextlich festgelegter Begriffe können diese Schranken ihre Konturen nur aus ihrer Sicherungsfunktion für die objektiv-rechtliche existentielle Mindestgarantie gewinnen. Doch da sich auch deren Garantiegehalt nicht sehr präzise, sondern nur i n vagen Formulierungen ohne Normtextqualität umschreiben läßt, verschwimmen die Zulässigkeitsvoraussetzungen für „institutionell" legitimierte Grundrechtsbegrenzungen. Damit läuft hier alles auf eine Wertentscheidung hinaus, für deren Begründung kaum intersubjektiv prüf bare Argumente in Sicht sind. Dennoch w i r d i m Schrifttum am „Vorrang" des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG vor den A r t . 12, 14 GG festgehalten: Während A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG Beschränkungen der Freiheit der Berufsausübung bereits dann zulasse, wenn „vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen ließen" 2 4 9 , seien durch den „institutionellen Βegrenzungsvorbehält" des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG gesetzliche Maßnahmen nur für den Fall zugelassen, daß diese wegen effektiver Beeinträchtigung des objektiv-rechtlich garantierten Mindeststandards notwendig seien und ein milderes Mittel nicht verfügbar sei. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG weise dem Staat insofern nur eine „notrechtsähnliche Kompetenz" zu 2 5 0 . Wenn auch unklar bleibt, nach welchen Kriterien die geforderte Beeinträchtigung zu messen sein soll, so w i r d doch die Vorbehaltsschranke des A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG als extensiver als der „institutionelle" Gesetzesvorbehalt des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG bewertet 2 5 1 . Dasselbe w i r d auch für das Verhältnis zu A r t . 14 GG angenommen: Während der einfache Gesetzesvorbehalt des A r t . 14 Abs. 1 S. 2 GG dem Gesetzgeber für die Schrankenbestimmung beträchtlichen Spielraum lasse und so zu „sehr 249

BVerfGE 7, S. 377 (S. 378), 36, S. 47 (S. 59). Lerche, Pressekonzentration, S. 80; ders., Innere Pressefreiheit, S. 84; Heck, A f P 1968, S. 701 (S. 703); vgl. auch die Nachweise oben §2 I I c), m. F N 88. 251 Lerche, Werbung, S. 103; ders., Pressekonzentration, S. 78 f.; ders., Ev. StLex., Sp. 1912; Leisner, U F I T A , 37 (1962), S. 129 ff. (S. 136); ders., Pressegleichheit, S. 90, 95; Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S. 476. 250

7 Degen

1. Teil: Konventionelle Problemlösung

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weitgehenden Begrenzungen" ermächtige, gestatte die „institutionelle" Schranke des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG Begrenzungen der Pressefreiheit nur, wenn sie zur Abwehr effektiver Beeinträchtigungen notwendig seien und die Schranken-Schranke der garantierten Grundstrukturen des Lebensbereichs „Pressewesen" beachteten 252 . Für die Bestimmung des „Stärkeverhältnisses" zwischen A r t . 5 GG und den Art. 12, 14 GG soll es damit i m Ergebnis nichts ändern, ob man für die „Grundrechtsstärke" des A r t . 5 GG auf Art. 5 Abs. 2 GG oder die „schwächere", „institutionelle" Schranke abstellt. Der „Vorrang des stärkeren Grundrechts" ist hier demnach stets der Vorrang der Pressefreiheit. Diese Bewertung der „Stärkedifferenz" zwischen dem „institutionellen Begrenzungsvorbehalt" gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und den Schranken der Berufsfreiheit wie der Eigentumsgarantie erscheint aber sachlich als nicht begründet: Denn der „institutionelle Begrenzungsvorbehalt" läuft letztlich darauf hinaus, daß Einschränkungen der individuellen Pressefreiheit dann zulässig sind, wenn sie zum Zwecke des Institutionenschutzes geeignet, notwendig und angemessen sind. Ihre Rechtmäßigkeit hängt damit allein von einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung ab, wie sie auch für die Kontrolle berufsregelnder Gesetze i m Rahmen des A r t . 12 Abs. 1 GG und sozialbindender Eigentumsbeschränkungen i m Rahmen des A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG für maßgeblich gehalten wird. Die abstrakt behauptete „Stärkedifferenz" muß sich demnach verflüchtigen 253 . 4. Offene Probleme der These von der Idealkonkurrenz

Wenn für die Lösung von Grundrechtskonkurrenzen die Idealkonkurrenz schrankendivergenter Freiheitsrechte als Alternative zur Verdrängung einer der beteiligten Grundrechtsnormen durch eine andere i m Wege der Gesetzeskonkurrenz angeboten wird, so muß aufgewiesen werden können, daß zwischen Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz relevante Unterschiede bestehen. Eben hierin liegen — wie Jürgen Schwabe herausgearbeitet hat — 2 5 4 die Schwierigkeiten der These von der Idealkonkurrenz: Die Idealkonkurrenz w i r d ja nur für den Fall der Schrankendivergenz der beteiligten Grundrechtsnormen für praktisch bedeutsam gehalten. Dabei glaubt man, die Schrankendivergenz nur so lösen zu können, daß die Schranken einer der beteiligten Grundrechts252

Lerche, Innere Pressefreiheit, S. 48 f., 57 f. Z u r Verhältnismäßigkeitsabwägung bei A r t . 12 I GG vgl. BVerfGE 7, S. 377 (S. 404); 41, S. 251 (S. 264); bei A r t . 14 I 2, I I GG vgl. Maunz, in: MDHSch., A r t . 14 Rdnr. 46 f. Z u r K r i t i k vgl. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 306 ff., 420. 254 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 356 ff. 253

§ 2 Konkurrenzlehren

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normen für allein maßgeblich erklärt werden; ein Zusammenwirken der divergenten Schranken kann man sich offenbar nicht vorstellen. Damit werden alle beteiligten Grundrechte einheitlich entweder den Schranken des „stärkeren" oder des nach Eingriffsrichtung primär betroffenen Grundrechts unterstellt, alle anderen Schranken folglich verdrängt. Wenn dennoch neben dem ersten Grundrecht m i t seinen maßgeblichen Schranken noch das zweite Grundrecht gelten soll, dann ist danach zu fragen, welche Relevanz dessen Geltung noch zukommen kann. Nach den Vertretern der These von der Idealkonkurrenz soll die Bedeutung des zweiten Grundrechts darin liegen, daß die betroffenen Grundrechtsträger sich auf alle einschlägigen Freiheitsrechte berufen könnten, so i n den Genuß doppelter rechtlicher Kontrolle gelangten und ihnen derart ein möglichst extensiver Grundrechtsschutz gewährleistet werde 2 5 5 . Diese Argumentation vermag aber nicht zu überzeugen: Denn m i t der exklusiven Maßgeblichkeit der Schranken des ersten Grundrechts kann dem zweiten keine rechtsfolgebestimmende Wirkung mehr zukommen; wegen der Verdrängung seiner Schranken kann das zweite Grundrecht zur Rechtmäßigkeitsprüfung hoheitlicher Eingriffe nichts Entscheidendes mehr beitragen. Der Berücksichtigung des verbleibenden Garantietatbestandes des zweiten Grundrechts bedarf es zudem nicht, u m Modalitäten des Freiheitsgebrauchs i m Überschneidungsbereich der konkurrierenden Grundrechtsnormen Rechnung tragen zu können. Denn der i m Konkurrenzfall getroffene Überschneidungsbereich soll j a tatbestandlich auch dem Schutz des ersten Grundrechts unterfallen. Wenn also etwa die Presseberufsfreiheit gleichermaßen durch die Garantietatbestände der A r t . 5 Abs. 1 S. 2, 12 Abs. 1 GG geschützt werden soll, i m Konkurrenzfall aber allein die Schranken der Pressefreiheit maßgeblich sein sollen, dann ist nicht ersichtlich, welchen Ertrag die Berücksichtigung des Tatbestandes der Berufsfreiheit noch erbringen könnte. Infolgedessen kann dem Verweis auf das idealkonkurrierende zweite Grundrecht allenf alls deklaratorischer Wert beigemessen werden. Zwischen der Idealkonkurrenz schrankendivergenter Freiheitsrechte und der grundrechtlichen Gesetzeskonkurrenz kann daher kein relevanter Unterschied aufgezeigt werden 2 5 6 .

255 Berg, Konkurrenzen, S. 83, 162 ff.; Kunert, monopol, S.76. 258 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 364 f. 7*

S. 99 f.; Lerche,

Rundfunk-

§ 3 Das Verhältnis zwischen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und den Art. 12 Abs. 1,14 GG als Problem wertender Zuordnung Der Lösungsansatz, für den hier die Bezeichnung „wertende Zuordnung" vorgeschlagen wird, läßt sich weder als bloße Variante der Tatbestandsabgrenzung noch der Konkurrenzlehre darstellen. Es handelt sich um einen eigenständigen Lösungsweg, der zwar i n manchem der These von der Idealkonkurrenz nahekommt, gleichzeitig aber Elemente der Tatbestandsabgrenzung wie der Gesetzeskonkurrenz verarbeitet. Die Schwierigkeit, diesen Lösungsansatz anhand der Kategorien, die von der juristischen Methodenlehre für die Fälle der Normenkonkurrenz entwickelt worden sind, einzuordnen, hängt damit zusammen, daß die Konkurrenzlösung von vornherein funktional auf ein konkretes, „werthaftes" Ziel, den adäquaten Schutz der Institution „Freie Presse" ausgerichtet wird; demgegenüber t r i t t die Entwicklung abstrakter K r i terien der Konkurrenzlösung i m Wege rechtsdogmatischer Konstruktion i n den Hintergrund. Man begnügt sich mit der allgemeinen Formel, bei gleichzeitiger Aktualisierung mehrerer Grundrechtsnormen seien die i n den Grenzbereichen miteinander konkurrierenden verfassungsrechtlichen „Rechtsgüter" einander i m Wege der Güterabwägung wertend zuzuordnen und zum Ausgleich zu bringen 1 .

I. Methodische Grundlagen der wertenden Zuordnung Interpretationsmethodisch gesehen, basiert die wertende Zuordnung auf einer wert- wie wirklichkeitsbezogenen ganzheitlichen Verfassungsauslegung 2 : Grundlage und Maßstab der Auslegung sind nicht Normtext und dogmatische Begrifflichkeit, sondern das Verstehen der Verfassung i n ihrer Doppelseitigkeit als Sinn- und Lebensordnung. Die Verfassung w i r d als logisch-ideologisches Sinngebilde begriffen, das 1 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 31 ff., 38; Stammler, S. 309, 314 ff.; I. Gross, S. 148 ff. 2 Vgl. zu einer auch wirklichkeitsbezogenen Interpretation bereits oben unter § 2 I, die jedoch darum bemüht ist, den normativen Bezugspunkt zu erhalten. Die soziale W i r k l i c h k e i t ist dort n u r ein Element der N o r m k o n k r e t i sierung; vgl. Hesse, Grundzüge, §2 I I I 3; F.Müller, Juristische Methodik, S. 153 ff.

§ 3 Wertende Zuordnung

101

durch Zusammenschau aller Einzelnormen zu einem Sinnganzen zu integrieren sei3. Als Sinn- oder Wertordnung w i r d Verfassung zugleich als Wertuer/iäZfmsordnung begriffen. Daher stehe jedes Grundrecht i n einer nur i h m spezifischen Wertrelation zu anderen Verfassungsrechtsgütern; diese Einordnung i n das Ganze der Verfassung könne nur durch Güterabwägung ermittelt werden 4 . Die Verfassung w i r d zudem als umfassende Lebensordnung des Gemeinwesens verstanden, der die Aufgabe zufalle, die lebendigen Kräfte einer Zeit zu einer Einheit zusammenzuordnen. Demnach ist Verfassung funktionale, integrierende Wirklichkeit. Die soziale Wirklichkeit w i r d so nicht mehr jenseits der Verfassungsnorm angesiedelt. Es w i r d vielmehr angenommen, jede Norm weise auf ein soziales Substrat hin. Die normative Kraft der Verfassung soll wesentlich zur Voraussetzung haben, daß die Verfassung sachliche Gesamtordnung der wirklichen gesellschaftlichen Lebensverhältnisse ist und deren allseitiges Funktionieren gewährleistet 5 . Die Verfassungsauslegung hat demnach eine „ganzheitliche" zu sein: Sie hat sich verstehend an der „Sinn- und Lebenstotalität" des „Verfassungsganzen" zu orientieren, die den Einzelnormen und konkreten Grundentscheidungen der Verfassung vorausliegen soll. Die verfassungsrechtlichen Einzelnormen, insbesondere die Grundrechte, müssen nach diesem Verständnis i n ihrer Einordnung i n die „Totalität des verfassungsrechtlichen Wertsystems" erkannt und von dort her interpretiert werden. Die Einzelinterpretation geht demnach vom Erkennen und Verstehen der elementaren Grundsätze der Verfassung, ihrer Wertkonstellationen und Leitideen aus6. Damit soll der Blick frei werden für die soziale Funktion der Verfassung, für ihre Bezogenheit auf das soziale Ganze, die „unter dem Einfluß der positivistischen Staatsrechtslehre so lange verdeckt war" 7 . Als „ i n verdeckter Weise normativ wirkende Orientierung der Interpretation" bleibt so nur die Integrationsfunktion der Verfassung. Damit einher geht eine „Umkehrung des Bezugspunkts der Interpretation", der nicht mehr i n normativen Größen, sondern i n einer Gesamtschau und -analyse gegebener Wirklichkeit und sozialer Funktion der Verfassung liegt" 8 . 3 BVerfGE 19, S. 206 (S. 220); Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 5; Stammler, S. 193; I. Gross, S. 86. 4 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 4 ff., 31 f., 38; Stammler, S. 193; I. Gross, S. 86. Kritisch hierzu: E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2094). 5 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 7, 11, 45, 49; Stammler, S. 193; Hoffmann-Riem, JZ 1975, S. 469 ff. (S. 470); ders./Plander, Rechtsfragen der Pressereform, S. 27; ähnlich auch Ridder, Innere Pressefreiheit, S. 4. 6 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 5 f.; Stammler, S. 192; I. Gross, S. 86; vgl. auch die Darstellung bei E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2094 f.). 7 Stammler, S. 193; Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 9; zur „ F u n k t i o n a lisierung" vgl. auch Ridder, Meinungsfreiheit, S. 247, 249 ff.

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

I I . Die institutionelle Lehre als grundrechtstheoretische Grundlage I n der Skizze der methodischen Prämissen wertender Zuordnung deutete sich bereits an, daß diese A r t der Bestimmung des Verhältnisses zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und den A r t . 12, 14 GG i n einem institutionellen Grundrechtsverständnis gründet, das für die Interpretation des Grundgesetzes vor allem durch Peter Häberle wiederbelebt wurde 9 . Die institutionelle Grundrechtstheorie präsentiert sich zwar i n unterschiedlichen Ausprägungen 10 , zur Erklärung der wertenden Zuordnungsweise kommt es aber nur auf die gemeinsamen Grundannahmen an. Den Verästelungen der institutionellen Lehre soll daher nicht nachgegangen werden. I n unserem Zusammenhang interessieren primär Charakter und Stellenwert der institutionellen Garantie i m Rahmen des anderen Grundrechten zuzuordnenden Pressefreiheitsgrundrechts, dem j a auch noch eine individuelle Komponente zugeschrieben w i r d 1 1 . 1. Die Institution „Freie Presse"

a) Die Institution als zum sozialen Faktum materialisierte Grundrechtsidee Wenn A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als Garantie der Institution „Freie Presse" gekennzeichnet wird 1 2 , sieht man sich sogleich mit der Sinnvarianz des Institutionsbegriffs konfrontiert 1 3 . Bei Peter Häberle nimmt der Begriff bald den soziologischen Bedeutungsgehalt von Institution als „eingerichteter" , „verfaßter", „organisierter", „objektiver" Lebensbereich, bald den juristischen Bedeutungsgehalt von lebensbereichsordnenden 8

E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2095). Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 70 ff. A u f die historische E n t w i c k l u n g des institutionellen Rechtsdenkens k a n n hier nicht eingegangen werden; vgl. hierzu I. Gross, S. 47, u n d besonders die kritische Darstellung bei Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 278 ff., der als die „Ahnherren" der i n s t i t u t i o nellen Lehren F. C. v. Savigny, F. J. Stahl, M . Hauriou u n d E. Kaufmann herausstellt u n d die Bedeutung institutionalistischer Elemente i m nationalsozialistischen Rechtsdenken herausarbeitet. Hinweise zu den Wurzeln des j u r i s t i schen Institutionalismus i n der „gegenaufklärerischen Romantik" auch bei E. Bloch, Naturrecht u n d menschliche Würde, S. 102 ff. 10 Vgl. einerseits den radikaldemokratischen Ansatz bei Stammler, S. 178 ff., andererseits den eher konservativen Ansatz bei I. Gross, S. 76 ff. 11 Vgl. dazu näher unter § 3 I I 2. 12 Ridder, Meinungsfreiheit, S. 250 f., 254, 259; Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 97; Stammler, S. 178 ff.; I. Gross, S. 76 ff. 13 Grabitz, S. 228; zu den Definitionsschwierigkeiten i m Bereich der Sozialwissenschaften vgl. 17. Wiese, A r t . Institution, HdWbSW., Bd. 5, S. 297; zu den verschiedenen soziologischen Institutionstheorien vgl. W. Lipp, A r t . I n s t i t u tion, Ev. StLex., Sp. 1011 ff. 9

§ 3 Wertende Zuordnung

103

„Normenkomplexen" an 14 . Der Dualismus von Faktizität und Normativität findet sich auch bei Ingrid Groß: bei i h r ist die Rede von „gleich gestalteten, überindividuellen und dauerhaften Sozialgebilden, die zugleich Rechtsquelle und Objekt der Rechtsordnung sind" oder von einem „ i n der Wirklichkeit funktionierendem Organisationszusammenhang, dem ein Komplex von Normen zugeordnet ist" 1 5 . Dieter Stammler schließlich spricht von „freiheitlich geordneten und gestalteten Lebensbereichen" sowie von einer „Funktion i n der Gesellschaft" 16 . Wie immer der Begriff „Institution" i m einzelnen definiert wird, er ist jedenfalls darauf ausgerichtet, „einerseits das Subjektive und das Objektive i m Recht zu verbinden, zum anderen die soziale Wirklichkeit m i t dem Recht i n Zusammenhang zu setzen. Er ist also weder ein rein normativer, noch ein rein wirklichkeitswissenschaftlicher Begriff" 1 7 . Diese „Oszillation der Begriffe" 18 hängt inhaltlich mit der Institutionenlehre Maurice Haurious zusammen, die der institutionellen Grundrechtstheorie zugrunde liegt 1 9 . Nach Hauriou ist eine Institution „eine Idee vom Werk oder vom Unternehmen, die i n einem sozialen Milieu Verwirklichung und Rechtsbestand findet" 20. „Une institution sociale consiste essentiellement en une idée objective transformée en une œuvre sociale par u n fondateur, idée qui ensuite recrute des adhérents en nombre indéterminé dans le milieu social et assujettit ainsi à son service des volontés subjectives indéfinement renouvellées 21 ." I m Gegensatz zu den „institutions-personnes" werden Rechtsnormen als „institutions-choses" gefaßt 22 . Dieses Denken soll nun nach den Vertretern einer institutionellen Grundrechtsauffassung für die Auslegung der Grundrechtsnormen des Grundgesetzes lediglich auszu14 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 96 f.; i m Anschluß hieran Rupp, AöR 101 (1976), S. 161 ff. (S. 172). Ganz ähnlich w i e Häberle formuliert bereits F. J. Stahl, der „Rechtsphilosoph der reaktionären Romantik" (E.Bloch, N a t u r recht u n d menschliche Würde, S. 244) i n seiner „Philosophie des Rechts", Bd. I I , 1, S.293: Rechtsinstitute „sind Komplexe v o n Thatsachen u n d t h a t sächlichen Beziehungen u n d i h r e n rechtlichen Normen, die sämmtlich durch die Einheit der ihnen innewohnenden Bestimmung (telos) ein unauflösliches Ganzes bilden". Vgl. näherhin die Darstellung bei Grabitz, S. 228. 15 J. Gross, S. 51, 94. 16 Stammler, S. 196, 199. 17 Steiger t Institutionalisierung, S. 105. 18 Grabitz, S. 228. 19 Vgl. insbesondere: Hauriou, Theorie der I n s t i t u t i o n u n d der Gründung, in: Schnur (Hrsg.), Die Theorie der Institution, S. 27 ff., u n d die Bezugnahme auf diesen bei Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 73; I. Gross, S. 93. 20 Hauriou, Theorie der Institution, S. 34. 21 Ders., Précis de D r o i t Constitutionnel, 1. Aufl., S. 76 ff., zitiert nach Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 105 F N 242; vgl. auch Hauriou, Précis de D r o i t Constitutionnel, 2. Aufl., S. 72 ff. 22 Hauriou. Theorie der Institution, S. 34 f.

104

1. Teil: Konventionelle Problemlösung

werten und der Interpretation zugrunde zu legen sein 23 . Es mag erstaunen, daß dieses methodische Vorgehen der vollständigen Rezeption einer geschlossenen soziologischen Theorie, die nicht anhand des Grundgesetzes entwickelt wurde, kaum begründet wird. Man begnügt sich damit, auf das „Wesen des Rechts" zu verweisen, das aus einem Ineinander von sich gegenseitig durchdringenden objektiv-institutionellen und subjektiven Prinzipien bestehe 24 . Die Vorgehensweise w i r d verständlich, vergegenwärtigt man sich den methodischen Ansatz Haurious: „Quand on cherche à résoudre une question théorique concernant le système juridique, i l faut commencer par oublier la loi écrite et les codes et se reporter à l'âge de la coutume . . . parceque la coutume reste la source du droit la plus fondamentale malgré l'ostracisme momentané dont l'a frappée la loi écrite 25 ." Die Grundrechte werden also als „institutions juridiques objectives", genauer als „institutions-choses" begriffen. Als „institutions-choses" w i r d die Grundrechtsnorm insofern bezeichnet, „als sie sich i n ihrer Eigenschaft als Idee i m sozialen Milieu ausbreitet und i n diesem lebt" 2 6 . Es sind nach Hariou die Ideen, nicht materielle Interessen oder Arbeitsteilung, die die gesellschaftliche Verfassung bestimmen: „Car ce sont les idées qui mènent le monde . . . , elles le soutiennent et le front durer 2 7 ." Die Institutionen sollen auf der Kraft dieser Ideen beruhen 28 . Die Idee vom zu schaffenden gemeinsamen Werk könne als das „selbstgesetzte dauernde Leistungsziel" einer Institution bezeichnet werden. „Idee" und „Funktion" seien Kennzeichnungen ein- und desselben Tatbestandes, der einmal von der Institution, also der „Innenseite" (Idee), das andere Mal von der „Außenseite" der verfaßten Gesellschaft (Funktion), her gesehen werde 2 9 . Der „idée d'oeuvre" soll die Grundrechtsidee, das grundrechtliche Leitbild entsprechen, „d. h. die Idee m i t ihrer verpflichtenden Kraft, die den einzelnen Grundrechten zugrunde liegt 3 0 ."

23

Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 73; I. Gross, S. 93. Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 73. 25 Hauriou, Précis de Droit Constitutionnel, 2. Aufl., S. 619. 26 Hauriou, Theorie der Institution, S. 35; ders., Précis de D r o i t Constitutionnel, 2. Aufl., S. 618; Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 104. 27 Hauriou, Précis de Droit Constitutionnel, 2. Aufl., S. 65, 74. H i e r i n findet sich angedeutet, daß Hauriou auf den Grundgedanken des platonischen Idealismus aufbaut; vgl. auch Hauriou, Principes de Droit Public, 2. Aufl., S.281; dazu Leontowitsch, in: Schnur, I n s t i t u t i o n u n d Recht, S. 179 ff. 28 Ders., Theorie der Institution, S. 36 f. 29 I. Gross, S. 95; Hauriou, Theorie der Institution, S. 37, unterscheidet die Idee allerdings v o n Zweck wie Funktion, verwendet aber einen recht engen Funktionsbegriff. 30 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 96 f.; Stammler, S. 220; Ridder, Meinungsfreiheit, S. 262: „Sittliche Leitidee". 24

§ 3 Wertende Zuordnung

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I n A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG soll dies die Idee einer freiheitlichen Presseordnung, die Idee der M i t w i r k u n g der Presse am staats- und gesellschaftsbezogenen Kommunikations- und Integrationsprozeß sein 31 . Die als rechtlich verbindlich angesehene Leitidee des Pressefreiheitsgrundrechts fällt so recht vage aus. Der Begriff der „idée d'oeuvre à réaliser" ist zu unbestimmt: „Es ist nicht klar auszumachen, was sich dahinter an Vorstellungen verbirgt. Zu leicht ist gerade hier ein Einfallstor für Mystifizierungen gegeben 32 ." Die Grundrechtsidee — hier einer „freien Presseordnung" — w i r d als bewegende Kraft der sozialen Wirklichkeit gesehen: Sie soll den jeweiligen grundrechtlichen Lebensbereich (milieu social) durchdringen und so selbst zu einem Faktum werden. Durch die Ausprägung ähnlicher und gleichförmiger Verhaltensweisen seitens der Grundrechtsträger, die die Grundrechtsidee ständig aktualisierten, komme es zu einem dialektischen Sprung, zum Umschlagen der Quantität i n die Qualität, des Faktums i n die Norm 3 3 . Dieser Vorgang der „Transsubstantiation" 34 der Idee zur sozialen Wirklichkeit und dieser zur Norm erlaubt es der institutionellen Grundrechtsauffassung, das Grundrecht als „zum sozialen Faktum materialisierte Grundrechtsidee" 35 , als verdinglichte Institution vorzustellen. b) Die dialektische Zuordnung von öffentlichen und privaten Interessen

Werden die Grundrechte als Sachinstitutionen gefaßt, so können sie nicht mehr zentral auf das Individuum, auf individuelle Aktionen und Interessen ausgerichtet werden; sie müssen vielmehr konsequenterweise auf das soziale Ganze h i n bezogen und i n überindividuelle Zusammenhänge eingeordnet werden. I n dieser ihrer sozialen Funktion werden die Grundrechte als Bausteine für die ganze soziale Ordnung wie für das verfassungsrechtliche Wertsystem begriffen. Sie intendierten auch die Erzielung eines gesellschaftlichen Gesamterfolgs und nicht allein die individuelle „Selbstbefriedigung" des unpolitischen Bürgers 38 . Die Grundrechte seien für das Individuum und die Gemeinschaft, 31

I. Gross, S. 96; Stammler, S. 198 ff. Steiger, Institutionalisierung, S. 108; das zeigt sich ganz deutlich an der „Idee der Familie" wie sie Hauriou , Précis de Droit Constitutionnel, 2. Aufl., S. 652, versteht: Zentrale Idee ist demnach die „perpétuité du foyer i n d i v i duel dans l'intérêt de la femme et des enfants". A l s „idées accessoires" nennt Hauriou „la monogamie, la puissance paternelle et maritale, l'indissolubilité du mariage". 33 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 106 f. 34 So der eigene Ausdruck von Hauriou, Cours de Science Sociale. La Science Sociale Traditionelle, 1896, S. 360. 35 So die Kennzeichnung bei Grabitz, S. 229. 32

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

für den Bürger und die freiheitliche Demokratie gleichermaßen konstituierend. Eingeordnet i n den Gesamtsinn der Verfassung, „lebendige Menschen zu einem politischen Gemeinwesen zusammenzuordnen", soll der Sinn der Grundrechte darin liegen, „einen freiheitlichen Lebensprozeß zu garantieren, zu dem jeder seinem Lebenskreis und ,Stand' entsprechend einen Beitrag leistet" und der den Prozeß der Wertfindung und Wertverwirklichung erst ermöglicht 37 . Daraus w i r d gefolgert, die Grundrechte schützten tatbestandlich nicht nur private Individualinteressen, sondern auch öffentliche Gemeinwohlinteressen. Der grundrechtliche Gewährleistungstatbestand sei durch die dialektische „Einheit des Individuellen und Überindividuellen" gekennzeichnet 38 . Diese Auflösung der Alternativität von privaten und öffentlichen Interessen basiert zunächst auf einer gewandelten Konzeption des privaten Individualinteresses: Das grundrechtlich mitgeschützte Privatinteresse w i r d als Interesse des Grundrechtsträgers an der „Entfaltung seines Personseins" definiert. Da das Individualinteresse als „auf die Gemeinschaft wesensmäßig hingeordnet" begriffen wird, soll sich das „Personsein" nicht durch willkürliche Zweckverfolgung, sondern erst durch Finden und Verwirklichen der geltenden Wertmaßstäbe, also durch wertgebundene Entscheidungen, entfalten 39 . Damit ergibt sich eine wertbezogene Überformung des Individualinteresses i m Sinne seiner Vergemeinschaftung: Privates Interesse kann nicht mehr als selbstverstandener Eigennutz, sondern nur noch als „wohlverstandenes Interesse" des Einzelnen gefaßt werden 4 0 . Auch das „öffentliche Interesse" w i r d neu konzipiert: „Öffentliches Interesse" w i r d zunächst nicht als vorgegebene, monolithische Größe begriffen. Es soll nicht m i t dem staatlichen Interesse identisch sein; dieses w i r d zum Unterfall des öffentlichen Interesses deklassiert; es müsse sich der Konkurrenz anderer öffentlicher Interessen stellen. Ebensowenig sei „öffentliches Interesse" auf die Summe der privaten Einzelinteressen reduzierbar. Es soll vielmehr u m ein beide übergreifendes und integrierendes aliud handeln: Gemeint ist die sich wandelnde und daher stets aktualisierungsbedürftige, pluralistische salus publica des — Staat und Gesellschaft vereinenden — öffentlichen

36

Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 11, 16, 20. Ebenda, S. 16 ff., 19, 21. 38 Häberle, AÖR 95 (1970), S. 261 ff. (S. 294); ders., öffentliches Interesse, S. 355 f. 39 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 25, 27 f. 40 Ebenda, S. 30; dieser Bedeutungswandel w i r d durch sämtliche Beispiele Häberles, S. 21 - 31, belegt. 37

§ 3 Wertende Zuordnung

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Gemeinwesens. Dieses „Gemeinwohl" w i r d als „Aufgegebenheit" vorgestellt, das sich i n einem „öffentlichen Gemeinwohlkonsens a posteriori" verwirkliche: Die öffentliche Konkurrenz öffentlich artikulierter pluralistischer Interessen führe zum Kompromiß, der sich — getragen von einer bestimmten öffentlichen Meinung — als Konsens über das i m allgemeinen Interesse praktisch Notwendige herausstelle. Es soll „also über einen i n der Öffentlichkeit gewonnenen Konsens, i n den Privatinteressen ,einströmen', zu öffentlichen Interessen kommen" 4 1 . Der Charakter der Grundrechte als „öffentliche Gemeinwohlgüter" werde am Grundrecht der Pressefreiheit besonders deutlich: I m Begriff der „öffentlichen Aufgabe der Presse" werde geradezu exemplarisch ausgedrückt, daß öffentliches Interesse seinen wesentlichen Bezugspunkt nicht mehr i n der „Staatlichkeit", sondern i n der einen Öffentlichkeit der res publica des Grundgesetzes habe. Der „öffentlichen Aufgabe der Presse" könne nicht nur soziologische Bedeutung beigemessen werden; sie sei vielmehr verfassungsrechtlich normierte „öffentliche Gemeinwohlaufgabe" 42 . Deren konkrete rechtliche Relevanz w i r d darin festgemacht, daß sie eine „qualitativ andere rechtliche Einordnung" der Presse gegenüber „der Rechtsstellung des einfachen' Bürgers", also „weitreichende Privilegien" der Presse verlange 43 . Die Kehrseite w i r d i n der publizistischen Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit, also i n Sonderpflichten ausgemacht. Die „öffentliche Aufgabe der Presse" werde damit zum inhaltlichen Maßstab der Presse. Wenn hiermit auch keine unmittelbaren Rechtspflichten für die Presse begründet würden, so sei die „öffentliche Aufgabe" doch „unmittelbarer Verfassungsauftrag und zugleich Richtschnur für eine gesetzgeberische Ausgestaltung des Pressewesens" bis h i n zu dessen Strukturveränderung 4 4 .

41 Häberle, Öffentliches Interesse, S.209, 560; ders., ZfP 16 (1969), S. 273 ff. (S. 283, 285 f.); ders., A ö R 95 (1970), S. 81 ff. (S. 87 ff., 96), S. 261 ff. (S. 292 ff.); ders., Wesensgehaltsgarantie, S.21. 42 Häberle, Öffentliches Interesse, S. 213 f., 584; ders., AöR 95 (1970), S. 81 ff. (S. 112 ff.). 43 Stammler, S. 209; I. Gross, S. 143 f.; Häberle, Öffentliches Interesse, S. 214, sieht die öffentliche Aufgabe als Verstärkung öffentlicher und m i t t e l bar auch privater Freiheit. 44 Stammler, S. 213 ff., der aus der „öffentlichen Aufgabe" die Pflichten zur Respektierung der P r i v a t - u n d der Geheimsphäre, zur Wahrhaftigkeit u n d zur Veröffentlichung aller Informationen v o n öffentlichem Interesse ableiten w i l l ; ähnlich I. Gross, S. 123 ff., Berichterstattungs-, Wahrheits- u n d Schweigepflicht.

1. Teil: Konventionelle Problemlösung

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c) Die institutionelle

Überformung

der Freiheit

Die Auflösung der Gegensätzlichkeit von öffentlichem und privatem Interesse, von Norm und sozialem Faktum, von Staat und Gesellschaft, hat weitreichende Konsequenzen für den Inhalt des grundrechtlichen Freiheitsbegriffs. M i t der „institutionellen Überformung der Freiheit" geht auch die Gegensätzlichkeit von Freiheit und Bindung verloren 4 5 : M i t „individueller Freiheit" ist nicht mehr individuelle W i l l k ü r , „Freiheit zur Beliebigkeit", gemeint. Vielmehr w i r d angenommen, individuelle Freiheit bedürfe der Richtung, des Maßes, der Sicherheit und Geborgenheit, bedürfe „objektiver Ordnungen, i n denen sie sich bewähren und entfalten kann". Die individuelle Freiheit finde die Freiheit als Institut vor; sie w i r d auf grundrechtliche Lebensbereiche — also „etwas Eingerichtetes, d. h. Institutionelles" — bezogen und als von vornherein i n diese „eingebunden" begriffen. Als institutionelle Freiheit t r i t t sie der individuellen, „entsprechend der Eigenart des jeweiligen Lebensgebiets, objektiviert als etwas Gegebenes und Ausgestaltetes gegenüber". Demnach ist die individuelle Freiheit „der Eigengesetzlichkeit des Lebensbereichs unterworfen", die sich dem Individuum verpflichtend auferlegt, es ergreift 4 6 . Individuelle Freiheit w i r d so zur „personalen Freiheit" umgeformt, die sich i n der Bindung und der Verantwortung bewähre und der eine Aufgabe gestellt sei. Die Freiheit des Individuums reduziert sich demzufolge darauf, innerhalb vorgefundener Lebensbereiche Schöpferkräfte zu entwickeln, vorgegebene Werte zu aktualisieren und gestellte Aufgaben i n eigener Individualität zu erfüllen 4 7 . Das Verständnis rechtlich Undefinierter liberaler Freiheit w i r d damit eindeutig aufgegeben. Freiheit w i r d als inhaltlich durch die die Institution konstituierenden Verhaltensmuster determiniert gesehen, was zwar nicht zur Aufhebung, wohl aber zur graduellen Abstufung der Chancen individueller Persönlichkeitsentfaltung je nach dem Grad institutioneller Verfestigung der einzelnen Lebensverhältnisse führt. Das institutionelle Verständnis grundrechtlicher Freiheit vermeidet so zwar, mit einer methodisch fragwürdigen Verdopplung des Freiheitsbegriffs zu operieren, es gewinnt diesen Vorteil aber nur u m den Preis, daß Freiheit als Möglichkeit individueller Selbstbestimmung sich rechtlich auf das durch soziale Institutionen vorgegebene Aktionsfeld und das von ihren Verhaltensmustern geprägte Rollenspiel redu-

45

Grabitz, Häberle, 47 Ebenda, S. 111, u n d bei 46

S. 228 f. Wesensgehaltsgarantie, S. 96, 98 ff. S. 101; vgl. auch die Analyse bei Steiger, Institutionalisierung, E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1533).

§ 3 Wertende Zuordnung

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ziert 4 8 . Die erstrebte Vergegenständlichung der Freiheit i n der gesellschaftlichen Wirklichkeit w i r d von der Schaffung „einer Fülle von Normenkomplexen", von der gesetzlichen Ausgestaltung der grundrechtlichen Lebensbereiche abhängig gemacht. Bei dieser seiner grundrechtsausgestaltenden Tätigkeit soll der Gesetzgeber an das Leitbild gebunden sein, das das Grundgesetz von jedem Grundrecht geschaffen habe 49 . d) Der Gewährleistungstatbestand der institutionellen Pressefreiheit Das grundrechtliche Leitbild, nicht etwa der Bestand eines bestimmten Sozialgebildes, soll Gegenstand der grundrechtlichen Gewährleistung sein 50 . I n der Terminologie Maurice Haurious w i r d nicht eine konkrete, sondern eine abstrakte Institution, d.h. der Idealtypus einer sozialen Organisation, garantiert 5 1 . Der Schutz der institutionellen Pressefreiheit sei demgemäß nicht auf den Bestand des einzelnen Presseunternehmens oder der gegenwärtigen Presseordnung zu beziehen; geschützt sei vielmehr die Idee eines freiheitlichen Pressekommunikationssystems. Institutionelle Pressefreiheit sei nur als „Bedingung der optimalen Verwirklichung der institutionellen Idee zugesichert". Sie beinhalte sowohl eine „limitierend-programmatische" als auch eine „dirigierend-programmatische" Komponente 52 . Besteht über diese allgemeinen Grundsätze auch Einigkeit i n der institutionellen Lehre, so gehen die Meinungen jedoch darüber auseinander, wie der Idealtypus eines freiheitlichen Pressewesens näher zu beschreiben sei: Gegenüber dem Leitbild eines freien Pressekommunikationssystems sind für Dieter Stammler überkommene tatsächliche und rechtliche Organisationsstrukturen der Presse nur insoweit verfassungsrechtlich relevant, als sie notwendige Voraussetzungen freiheitlicher Kommunikation sind. „Für die Pressefreiheit folgt daraus, daß sie weder an das einzelne Presseorgan geknüpft ist noch mit einer bestimmten rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Ordnung, ζ. B. der privaten Eigentumsordnung, wesensmäßig verbunden ist 5 3 ." Die gewerbliche Betätigung des Presseunternehmens sei daher nur i m Rahmen des jeweiligen Kommunikationssystems und nur insoweit geschützt als sie 48

Grabitz, S. 229 f. Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 96, 164, 180 ff. 50 Stammler, S. 223 f.; I. Gross, S. 140, 157; vgl. auch Häberle, haltsgarantie, S. 213 ff. 51 I. Gross, S. 94, 157. 52 I. Gross, S. 140, 155, 157; ähnlich Stammler, S. 223 ff. 53 Stammler, S. 225. 49

Wesensge-

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

i m Dienst des freiheitlichen Kommunikationsvorgangs stehe. Das Leitb i l d eines freien Pressewesens beinhaltet nach Stammler also nicht die Vorgabe einer bestimmten Presseorganisation. Materielle Maßstäbe einer verfassungsmäßigen Presseordnung seien nur die Grundprinzipien der Freiheitlichkeit und der Demokratie, die immer wieder neu entsprechend den sich wandelnden sozialen Gegebenheiten zu realisieren seien 54 . Die freiheitlich-demokratische Presseordnung soll nach Stammler notwendig durch folgende Strukturprinzipien gekennzeichnet sein: — Das Prinzip der Freiheit von funktionsfremden staatlichen wie gesellschaftlichen Einflüssen auf die Informationsbeschaffung und Meinungsäußerung durch die Presse stelle sich nicht nur als Verbot einer Staatspresse und jeglicher äußerer Zwangseinwirkungen, sondern auch als Gebot einer freiheitlich-demokratischen Binnenstruktur, d. h. der „inneren Pressefreiheit" dar 5 5 . — Das Prinzip der Pluralität verlange, daß jede relevante gesellschaftliche Meinungsgruppe die Chance effektiver Beteiligung an der öffentlichen Diskussion über das Medium Presse haben müsse. Diese chancengleiche Pluralität werde durch wachsende Pressekonzentration gefährdet 56 . Demgegenüber sieht Ingrid Groß m i t der Garantie der abstrakten Institution „Freie Presse" bestimmte Organisationsstrukturen des einzelnen Presseunternehmens wie der Presse als Gesamtheit als zwingend vorgegeben an. Diese Vorgaben werden allerdings nicht mehr normat i v begründet, sondern unmittelbar aus der Institutionentheorie Maurice Haurious abgeleitet. Danach müsse die als „institution-personne" vorgestellte Presse neben der Werkidee eine organisierte Führungsmacht m i t Gewaltenteilung und repräsentativer Herrschaftsform aufweisen 57 . I m einzelnen gelangt Ingrid Groß zu folgenden Gewährleistungselementen: 54

Stammler, S. 360. Stammler, S. 225 f., 355 f., 361. 56 Ebenda, S. 226, 339 f., 361. 57 I. Gross, S. 95 ff., 140 ff., 158 ff. I. Gross versucht S. 96 ff. nachzuweisen, daß sowohl das Presseunternehmen wie die Presse als Gesamtheit die geforderten gewaltenteilenden u n d repräsentativen Strukturen aufweisen. A u f die Ergebnisse dieser Untersuchung k a n n hier nicht näher eingegangen werden. Kritisch angemerkt werden muß jedoch, daß es I. Gross nicht gelingt, alle drei Gewalten i n Presseunternehmen u n d Pressewesen nachzuweisen. Manche E r gebnisse erscheinen zudem als fragwürdig, da gekünstelt, etwa die Kennzeichnung des Verlegers als Unternehmenslegislative w i e des Deutschen Presserats als Presselegislative u n d Repräsentant der Gesamtpresse. Diese Schwierigkeiten dürften darin gründen, daß I. Gross, S. 96 f. i m Anschluß an Hauriou, Précis de D r o i t A d m i n i s t r a t i f , 6. Aufl., S. 12, A n m . 1, versucht, S t r u k t u r 65

§ 3 Wertende Zuordnung

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— Die Freiheit der Institution Presse vom Staat beinhalte die Freiheit von staatlichen Eingriffen, die den Sachgesetzlichkeiten der Institution nicht genügten (Interventionsverbot) sowie die Freiheit von staatlicher Konkurrenz, die den Charakter des Pressewesens als Institution der Gesellschaft verändere (Funktionsverbot) 58 . — Die Freiheit der Institution Presse durch den Staat erstrecke sich nicht nur auf den „Außenbereich Staat — Presse", sondern auch und vor allem auf den institutionellen Binnenbereich 59 . Die als geboten erachtete freiheitliche, gewaltenteilige und repräsentative Binnenstruktur der Institution „Presseunternehmen" w i r d i m privatwirtschaftlichen Tendenzbetrieb ausgemacht. Eine auch nur teilweise Übertragung der publizistischen Richtlinienkompetenz vom Verleger auf die Redaktion sei eine erhebliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Institution und daher unzulässig. M i t dem Gebot einer freiheitlichen Binnenstruktur der Institution „Presse als Gesamtheit" hält Ingrid Groß auch ein monopolistisch strukturiertes Pressewesen für vereinbar, da dieses durch innere Neutralisierung die Funktion als Träger eines offenen Kommunikationsprozesses durchaus erfüllen könne. Die Vielzahl der Beteiligten sei aber ein Wesenselement der Institution. Das Verhältnis der institutionsbeteiligten Presseunternehmen zueinander müsse sich als horizontal-arbeitsteiliges Zusammenwirken zwecks Verwirklichung der Werkidee i n Form des Wettbewerbs darstellen. Daher müsse „die Verminderung der Zahl der verschiedenen Beiträge auf den eines Monopolisten als irreguläre, korrekturbedürftige Abweichung vom Idealtypus der Institution bezeichnet werden" 6 0 . Daß die Zeichnung des Idealbilds der Institution „Freie Presse" bei Dieter Stammler und bei Ingrid Groß so gegensätzlich ausfällt, kann deshalb nicht verwundern, weil schon der abstrakte Begriff des Leitbilds sehr vage gefaßt ist und für die Bestimmung des konkreten Idealtypus kaum intersubjektiv kontrollierbare, sondern allenfalls wertbezogene Kriterien offengelegt werden. Die Befreiung von jeglichem normativen Halt muß die Leitbild-Konzeption für völlig konträre Vorstellungen vom „Idealen", also vom politisch Wünschenswerten, öffnen.

elemente des neuzeitlichen Staates auf nicht staatliche Verbände zu übertragen. 58 I. Gross, S. 145 ff., 151 ff. 59 Ebenda, S. 155 ff.; m i t der Freiheit durch den Staat i m Außenbereich werden v. a. die Landespressegesetze u n d sonstigen presserechtlichen Spezialregelungen angesprochen. 60 Ebenda, S. 158 ff., 167 ff.

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung 2. Pressefreiheit des Einzelnen und Institution „Freie Presse"

Wenn die institutionelle Theorie — wie vorstehend zu zeigen versucht wurde — das Grundrecht der Pressefreiheit als auf öffentliche Gemeinwohlinteressen funktional bezogene Garantie des Leitbilds des i n der sozialen Wirklichkeit eingerichteten, frei verfaßten Lebensbereichs „Presse" vorstellt, so ist danach zu fragen, wieviel Raum angesicht der deutlichen Betonung des Dinglich-Institutionellen für das Persönlich-Individuelle übrig bleiben soll. Da dem Grundrecht der Pressefreiheit überwiegend neben der institutionellen noch eine individuelle Seite abgewonnen wird, ist zu untersuchen, ob dieser formale „Doppelcharakter des Grundrechts" 61 auch materiell i m Sinne einer Gleichrangigkeit beider Seiten durchgehalten w i r d oder ob sich dahinter die inhaltliche Abhängigkeit der individuellen von der institutionellen Seite verbirgt. a) Die Pressefreiheit des Einzelnen als institutionelles

Reflexrecht

Auch die institutionelle Lehre bedient sich zur Kennzeichnung des Garantiegehalts der individuellen Grundrechtsseite des herkömmlichen dogmatischen Begriffs „subjektives öffentliches Recht" 62 . Die unveränderte Übernahme dieser traditionellen Kategorie kann aber den tiefgreifenden Wandel nicht verbergen, dem das subjektive öffentliche Recht gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG inhaltlich unterworfen wird. Dieser Wandel w i r d dadurch bewirkt, daß individuelle und institutionelle Seite nicht i n einem Verhältnis additiver Zuordnung belassen, sondern inhaltlich zueinander i n Beziehung gebracht werden. Das als „Korrelation" bezeichnete Verhältnis beider Seiten soll „weder als Nachordnung noch als Unterordnung des einen normativen Elements unter das andere, sondern als ein Verhältnis gegenseitiger inhaltlicher Durchdringung, als inhaltliche Wechselbeziehung zu begreifen sein" 63 . Die abstrakte Charakterisierung als Wechselbeziehung gleichrangiger Größen erweist sich aber konkret als institutionelle Überformung des subjektiven öffentlichen Rechts; denn dieses gerät i n Abhängigkeit zur institutionellen Gewährleistung, w i r d zum „institutionellen Reflexrecht" 64 . Dies meint zunächst, daß dem subjektiven Recht die 61

So ausdrücklich: Häherle, Wesensgehaltsgarantie, S. 70. Ebenda, S. 70, 97; Stammler, S. 221 m. F N 113; a. A . I. Gross, S. 121 ff. 63 So die Zusammenfassung bei Grabitz, S. 230 f. 84 Stammler, S. 221; Ridder, Meinungsfreiheit, S.269. Es ist damit anderes gemeint als der Rechtsreflex i m Sinne des Verwaltungsrechts; der Anspruchs62

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Eigenart als originäres Recht des Einzelnen weitgehend oder völlig genommen werden soll: Das Individualrecht soll auch oder nur der Quelle der institutionellen Garantie entspringen, also zur derivativen Berechtigung werden. Häberle erwähnt immerhin noch, daß die subjektiven öffentlichen Rechte auch der Grundrechtsberechtigten wegen verbürgt seien, stellt aber zentral die Funktion der „schöpferischen Individualität" für die Lebensfähigkeit der Institution heraus 65 . Stammler sieht den Zweck der „subjektiven Reflexrechte" nur mehr i m Bestandsschutz der Institution — i m Falle der Institution „Freie Presse" also i m Schutz eines freiheitlichen Pressewesens — nicht i m Schutz des Einzelnen 66 . Der Inhalt des subjektiven öffentlichen Rechts w i r d ebenfalls einem weitreichenden Wandel unterworfen: Wurde dieser Rechtsinhalt von der traditionellen Dogmatik i n einem individuellen Interesse ausgemacht, so sieht i h n die institutionelle Lehre nun vornehmlich i n einem öffentlichen Interesse. Individualinteressen kommen allenfalls noch als gemeinwohlgebundene, wohlverstandene Interessen vor 6 7 . Das Gemeininteresse — ursprünglich auf die Rolle des Garantiemotivs beschränkt — w i r d zum wesentlichen GarantieinhaZi erhoben 68 . Damit kann konsequenterweise auch die soziale Funktion der Individualrechtsgarantie nicht i m Bereich des rechtlich Irrelevanten belassen werden. Die individuelle Grundrechtsseite w i r d vollständig funktionalisiert: "Durch die Grundrechte als subjektive öffentliche Rechte werden die Individuen i n das Übergreifende objektiver Lebensverhältnisse eingebettet, i n welchem sie stehen und wirken, und ihnen w i r d der Ort angewiesen, von dem aus sie eine Aufgabe, einen ,Beruf zu erfüllen haben 69 ." Diese Formulierung Häberles w i r d von Stammler noch an Deutlichkeit übertroffen: Bei den individuellen Reflexrechten handele es sich „ u m bloße Funktionen der Institution ..., die daher der Institution untergeordnet sind und sich i n Inhalt und rechtlicher Ausformung nach der Gestalt der Institution richten" 7 0 . Von daher kann es Charakter der Berechtigung soll nämlich erhalten bleiben. Vgl. Stammler, S. 221 F N 113 u n d für das Verwaltungsrecht Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, S. 62 ff. 65 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 11, 97 f. 86 Stammler, S.221; die exklusive Gemeinwohlorientierung bei Stammler dürfte damit zusammenhängen, daß er anders als Häberle Gemein- u n d Individualinteressen als A n t i n o m i e n sieht u n d nicht dialektisch auflöst. 67 Vgl. oben § 1 I I 1 u n d oben § 3 I I 1 b. 68 Dieser Fall, daß einer Einzelperson die Willensmacht zur Geltendmachung eines Gemeininteresses übertragen w i r d , wurde i n der v e r w a l tungsrechtlichen Dogmatik des subjektiven öffentlichen Rechts als Ausnahme anerkannt; als Voraussetzung wurde aber ein ausdrücklicher gesetzgeberischer A k t verlangt; vgl. Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, S. 63 f.; Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I, § 43 I b 2), S. 266. 69 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 98. 8 Degen

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

nicht mehr verwundern, daß sich i m Konfliktfall die institutionelle Garantie gegenüber dem Individualrecht durchsetzen soll. Der objektive Schutz der Einrichtung gehe dem individuellen Schutz bestimmter Personen vor. Falls es sich u m der Freiheit der Presse i n ihrer Funktion für die Allgemeinheit als notwendig erweise, könne von einer institutionellen Betrachtung aus die Rechtsposition des Einzelnen, sofern sie der Verwirklichung des Institutszwecks entgegenstehe, eingeschränkt bzw. sogar aufgehoben werden 7 1 . Daß das Individualgrundrecht derart zum institutionellen Reflexrecht herabgestuft wird, scheint Ingrid Groß noch nicht weitgehend genug zu sein, denn sie t u t den Schritt zur völligen Entsubjektivierung der Pressefreiheitsgarantie 72 . Die „Ablehnung" eines Grundrechts „Pressefreiheit" w i r d nicht etwa über eine Norminterpretation dogmatisch begründet, sondern aus einer angenommenen sozialen Realität gefolgert: Weil die Pressetätigkeit nur anonyme Meinungsübermittlung sei und nicht i n individuell beherrschten, sondern von Sachgesetzlichkeiten gelenkten Handlungsabläufen bestehe, die Pressemitarbeiter also nur „austauschbare Rollenträger" seien, könnten den Institutionsbeteiligten aus der Pressefreiheitsgarantie keine eigenen subjektiven Rechte erwachsen. Dennoch soll der rein objektiv-rechtlichen Gewährleistung die „individuelle Ansprüchlichkeit" in vollem Umfange korrespondieren. Der unmittelbare Schutz der Institution 7 3 werde durch das Klagerecht eines Repräsentanten — beim Presseunternehmen des Verlegers — gewährleistet 7 4 . Abgesehen davon, daß die völlige „Ablehnung eines Grundrechts der Pressefreiheit" angesichts des Normtextes der A r t . 5 und 18 GG die Grenzen zulässiger Auslegung überschreitet 75 , muß die Konstruktion einer A r t gesetzlicher Prozeßstandschaft des Verlegers an A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG scheitern. Wenn der Verleger keine eigenen, sondern nur fremde Rechte wahrnehmen kann, läßt sich für ihn auch keine Antragsbefugnis i m Verfassungsbeschwerdeverfahren begründen. Hierüber vermögen auch Hilfskonstruktionen nicht hinwegzuhelfen. Alle Analogieversuche Ingrid Groß's können nicht darüber täuschen, daß 70

Stammler, S. 221. Ebenda, S. 222; ähnlich: Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 100. 72 I. Gross, S. 121 ff., 181 ff. 73 Der „mittelbare Schutz" soll dagegen über die Wahrnehmung selbständiger, nicht aus A r t . 5 1 2 GG fließender subjektiver Rechte der Institutionsbeteiligten erfolgen; vgl. ebenda, S. 182 ff. 74 I. Gross, S. 184 ff. 75 „Diese Rechte" i. S. d. A r t . 5 I I GG bezieht sich selbstverständlich auch auf A r t . 5 I 2 GG; w e n n i n A r t . 18 GG die Pressefreiheit ausdrücklich unter die Grundrechte gezählt w i r d , die i n d i v i d u e l l v e r w i r k t werden können, ist es contra Constitutionen! ein Grundrecht der Pressefreiheit „abzulehnen", mag diese Ablehnung auch einer soziologischen Institutionstheorie entsprechen. 71

§ 3 Wertende Zuordnung

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es nach geltendem Verfassungsrecht keinen unmittelbaren Schutz der Institution „Freie Presse" ohne subjektive Rechte geben kann. Die mangelnde Tragfähigkeit der prozeßrechtlichen Konstruktion erweist die Brüchigkeit der grundrechtlichen Konstruktion Ingrid Groß's 78 . b) Der institutionelle

Status des Einzelnen

Soweit die institutionelle Lehre der Pressefreiheitsgarantie überhaupt noch eine individuelle Seite abgewinnt, w i l l sie das subjektive öffentliche Recht nicht mehr dem Status negativus zuordnen. Der klassischen Statuslehre w i r f t man vor, sie habe sich darauf beschränkt, die individuelle von der staatlichen Willenssphäre abzugrenzen. Der Gegenentwurf der institutionellen Grundrechtstheorie läßt sich auf den Begriff des „institutionellen Status" des Individuums bringen. Dieser Begriff umschreibe nicht nur ein Rechtsverhältnis, sondern eine ausgestaltete, dauerhafte und objektive Rechtsstellung, die der subjektiven Verfügung grundsätzlich entzogen sei. Gemeint ist damit nicht nur die Stellung des Individuums i m Staat, der „Institution der Institutionen", sondern auch i n gesellschaftlichen Institutionen wie der Institution „Freie Presse". Wenn der institutionelle Status also auch die Hinordnung des Einzelnen auf eingerichtete Lebensbereiche und damit die Eingliederung i n das soziale Ganze ausdrücken soll, erweist er sich als Beschreibung der gliedschaftlichen Stellung des Individuums i n Staat und Gesellschaft. Inhaltlich w i r d der institutionelle Status als „objektives Ganzes" gekennzeichnet, aus dem die einzelnen subjektiven Rechte und Pflichten fließen sollen 77 . Die Pflichtenseite w i r d zurückhaltend als aufgabenbezogene Stellung des Einzelnen innerhalb des institutionellen Lebensbereiches umschrieben. Ins Blickfeld gerät hier wieder76 Es ist möglich, rechtspolitisch „die mangelhafte Ausbildung i n t r a i n s t i tutioneller Gerichtsbarkeit" (S. 181) zu bedauern; das berechtigt jedoch nicht dazu, das geltende Verfassungsrecht gegen seinen Wortlaut i m politisch erwünschten Sinne zu interpretieren. Gerade w e r die „Einheit der Verfassung" als interpretationsleitenden topos herausstellt (S. 86), müßte begreifen, daß die These einer v ö l l i g entsubjektivierten Institutionsgarantie angesichts des hinreichend bestimmt gefaßten A r t . 93 I Nr. 4 a GG nicht haltbar ist. Wer allerdings meint, seine These unbedingt „retten" zu müssen, w i r d es v o r ziehen, alle i m Wege stehenden Normen „theoriegerecht" umzuinterpretieren. 77 Vgl. zum institutionellen Status: Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 112 ff., der n u r v o n „Status" redet, da dies für i h n „die adäquate juristische Kategorie für die Kennzeichnung der Rechtsstellung" ist, „die der einzelne i n Institutionen h a t " . Da der Statusbegriff aber auch i n der subjektiv-rechtlichen Lehre (vgl. oben § 1 I I 2) u n d i n der Lehre v o m Doppelcharakter (vgl. oben §2 I I 2 b) verwandt w i r d , ist hier v o m „institutionellen Status" die Rede. Vgl. i m übrigen: I. Gross, S. 122, u n d Stammler, S. 197, der i n A n l e h nung an Ridder, Meinungsfreiheit, S. 259, zwischen dem Status des I n d i v i duums, des Bourgeois u n d des Citoyen unterscheidet (S. 193 ff.) u n d n u r für letzteren jeglichen Abwehrcharakter verneint (S. 197).

8*

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

u m die „öffentliche Aufgabe der Presse" mit allen aus ihr abgeleiteten Sonderpflichten wie der Berichterstattungspflicht, der Wahrheitspflicht, der Schweigepflicht usw. 78 Auf der Seite des subjektiven Rechts w i r d eine abwehrende wie eine aktivbürgerliche Komponente ausgemacht. Die negatorische Komponente w i r d dadurch relativiert, daß auch ihr der Sinn beigelegt wird, den Einzelnen zu Staat und Gemeinschaft hinzuführen. Das aktivbürgerliche Moment — aus der demokratiekonstitutiven Funktion der Grundrechte abgeleitet — w i r d in einem Recht zur Teilnahme am demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß gesehen79. Inhalt und Ausmaß dieser subjektiven Reflexrechte sollen sich nach den Erfordernissen der institutionellen Pressefreiheit richten: „Jedem an dem Kommunikationssystem „Presse" Beteiligten stehen — je nach Funktion innerhalb des Systems — diejenigen subjektiven Berechtigungen zu, die zur Effektivierung der objektiv-rechtlich gewährleisteten Freiheiten i m Rahmen der jeweiligen verfassungsmäßigen Presseordnung geboten sind 80 ." I m einzelnen w i r d dem Journalisten damit ein Recht auf ungehinderten Zugang zu den Presseberufen und auf Freiheit der Berichterstattung zuerkannt; dem Verleger stehe i n einer privatwirtschaftlichen Presseordnung neben einem eigenen Anspruch auf freie Berichterstattung das Recht auf freie Gründung eines Presseunternehmens und auf ungehinderte Ausübung seiner pressegewerblichen Tätigkeit zu. Ihre konkrete Ausprägung sollen diese Rechte aber erst durch den Gesetzgeber i n Wahrnehmung seiner Funktion der leitbildgerechten Grundrechtsausgestaltung erhalten 81 . I I I . Die Struktur wertender Zuordnung A u f der institutionellen Interpretation des Grundrechts der Pressef r e i h e i t b a u e n Dieter

Stammler

u n d Ingrid

Groß

d e n V e r s u c h auf,

die Institutionsgarantie des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG anderen Grundrechtsgewährleistungen, insbesondere den A r t . 12 und 14 GG wertend zuzuordnen. Die Argumentationen beider Autoren weichen zwar i n einigen Punkten voneinander ab, liegen aber doch so dicht beieinander, daß sie zusammen dargestellt werden können 82 . Einleitend wurde bereits 78

Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 114. Ebenda, S. 18 f., 114; Stammler, S. 197, betont zwar, die Pressefreiheit verleihe i n keiner Hinsicht mehr einen status negativus, doch konkret k o m m t auch er nicht u m Abwehrrechte herum (S. 227 f.). 80 Stammler, S. 227. 81 Ebenda, S. 227 f.; allgemein dazu Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S.180 ff. 82 Stammler, S. 308 ff.; I. Gross, S. 148 ff.; Die Darstellung folgt hier h i n sichtlich der Definition der Konkurrenzlage u n d der Voraussetzungen v o n Gesetzes- bzw. Idealkonkurrenz dem Ansatz Stammlers. Die Besonderheit 79

§ 3 Wertende Zuordnung

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darauf hingewiesen, daß die Vertreter einer „wertenden Zuordnung" weitgehend davon absehen, i m Wege rechtsdogmatischer Konstruktion abstrakte Kriterien der Konkurrenzlösung zu erarbeiten und offenzulegen. Daher muß hier versucht werden, diese Kriterien aus einer Analyse der von beiden Autoren formulierten konkreten Zuordnung der Pressefreiheit zu anderen Grundrechten zu rekonstruieren. Diese Rekonstruktionsarbeit w i r d dadurch erschwert, daß die Strukur wertender Zuordnung zu Lasten klarer dogmatischer Konstruktionsprinzipien völlig zweckrational auf das konkrete, „werthafte" Ziel des adäquaten Institutionsschutzes ausgerichtet wird 8 3 . Angesetzt w i r d auf dieselbe Weise wie i n den Konkurrenzlehren 8 4 : Es soll u m die Frage gehen, ob eine Person, die von einer gesetzlichen Regelung des Pressewesens betroffen werde, demgegenüber gleichzeitig mehrere Grundrechtsnormen geltend machen kann oder nicht. Dazu werden die Garantietatbestände der i n Betracht kommenden Grundrechtsbestimmungen auf teilweise Übereinstimmungen h i n untersucht. Geht es u m das Verhältnis zwischen institutioneller Pressefreiheitsgarantie und anderen institutionellen Gewährleistungen, so w i r d danach gefragt, ob sich die beiden institutionellen Lebensbereiche überschneiden. I m Verhältnis zu individuellen Freiheitsrechten w i r d geprüft, inwieweit vom Schutz des Freiheitsrechts erfaßte Tätigkeiten sich gleichzeitig als spezifische, an die Institution „Freie Presse" gebundene Betätigungen darstellen. Räumlich-gegenständlich ausgedrückt, untersucht man, inwiefern der gewährleistete Bereich individueller Freiheitsentfaltung gleichzeitig von dem übergreifenden institutionellen Lebensbereich „Freies Pressewesen" mitumfaßt w i r d 8 5 . Können Überschneidungen aufgewiesen werden, so soll es für die Konkurrenzlösung allein auf einen wertenden Vergleich von Schutzzweck und Schutzrichtung der beteiligten Grundrechtsnormen ankommen: Seien diese als gleichartig zu bewerten, müsse Gesetzeskonkurrenz angenommen werden, und zwar zugunsten des Grundrechts m i t der der Konzeption v o n I . Gross liegt darin, daß sie — anders als i n der i n s t i t u tionellen Lehre vorherrschend — A r t . 5 1 2 GG als v ö l l i g entsubjektivierte, objektiv-rechtliche Garantie auslegt u n d v o n daher Grundrechtskonkurrenz nicht zwischen institutioneller Pressefreiheit u n d anderen Grundrechten, sondern n u r zwischen Individualrechten der Presseangehörigen, etwa A r t . 5 1 1 , 12 I, 14 GG für möglich hält. Beide Ansätze treffen sich i n der Harmonisierung der Schranken der konkurrierenden Grundrechtsnormen durch den Gesichtspunkt der „Funktionsfähigkeit der I n s t i t u t i o n Presse". 83 I. Gross, S. 149; v o n Stammler w i r d dies nicht ausdrücklich herausgestellt, i h m geht es aber stets u m den optimalen Schutz der Institution, u n d zwar auch u m den Preis eines Verlustes an individueller Freiheit; vgl. S. 309, 312, 317. 84 Vgl. oben § 2, vor I); § 2 I V . 85 Stammler, S. 309, 314, 316 f.

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„zentralen Wertentscheidung" für den betroffenen Lebensbereich. Es soll also nicht danach zu fragen sein, ob ein Fall der Spezialität oder der Subsidiarität wegen erschöpfender Sonderregelung aufgewiesen werden kann; entscheidend ist die Abwägung, welche der beteiligten grundrechtlichen Wertentscheidungen als „zentral" und damit als vorrangig einzustufen ist. Seien die Schutzrichtungen als verschiedenartig zu bewerten, so müsse ein Fall der Idealkonkurrenz angenommen werden 86 . Die Schutzrichtungen von institutioneller Pressefreiheitsgarantie und anderen Einrichtungsgarantien werden für prinzipiell gleichartig gehalten, da es stets u m Funktions- und Strukturschutz für die Institution gehe. Für das Verhältnis der Gewährleistung der Institution „Freie Presse" zu anderen institutionellen Verbürgungen soll die Möglichkeit einer Parallelgeltung der beteiligten Grundrechtsnormen ausgeschlossen sein, da die Verfassung die zentrale Wertentscheidung über die Ordnung des Lebensbereichs „Pressewesen" i n A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG getroffen habe. Die den anderen Institutionsgarantien zugrunde liegenden Grundsatzentscheidungen würden daher insoweit verdrängt 8 7 . Die Schutzrichtung von institutioneller Pressefreiheitsgarantie und Freiheitsrechtsverbürgungen soll dagegen auseinanderliegen; denn einerseits handele es sich u m den Schutz eines freiheitlichen Pressewesens und andererseits u m den Schutz individueller Freiheitsentfaltung. Der individuelle Grundrechtsschutz greife stets neben dem institutionellen Grundrechtsschutz Platz; insoweit soll also stets Idealkonkurrenz vorliegen 88 . I n diesem Falle sollen Schrankendivergenzen nicht über einen „Vorrang des stärkeren Grundrechts" 89 gelöst, sondern rein institutionsfunktional überwunden werden: Die Verschränkung von individueller und institutioneller Freiheit, die Tatsache, daß sich die Freiheit der Institution gerade auch durch die Freiheit ihrer Mitglieder realisiere, müsse dazu führen, das Ziel der Lösung der Schrankendivergenz i m adäquaten Schutz der Freiheit der Institution festzumachen. Da sich die institutionelle Garantie der Pressefreiheit ja als zentrale Wertentscheidung für den Lebensbereich „Pressewesen" gegenüber anderen Institutionsgarantien durchsetzen soll, muß es also u m den adäquaten Schutz der Institution „Freie Presse" gehen. Diese lenke als 86 Ebenda, S. 313 f., 315 f.; den F a l l der Idealkonkurrenz bezeichnet Stammler auf S.314 als „Schutzbereichsdivergenz"; diese Bezeichnung erscheint als unglücklich, da sie verdunkelt, daß die gleichzeitige Anwendbarkeit zweier Grundrechte auch nach Stammler partielle Tatbestandsidentität voraussetzen soll. 87 Stammler, S. 315 f. 88 Ebenda, S. 317. 89 Vgl. dazu oben § 2 I V 2 b).

§ 3 Wertende Zuordnung

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überragendes Rechtsgut der Allgemeinheit die als Abwägungsvorbehalte gefaßten Schranken der Pressefreiheit wie der damit konkurrierenden Grundrechte mit der Folge einer Schrankenharmonisierung 90 . Soweit die Schranke der „allgemeinen Gesetze" gem. A r t . 5 Abs. 2 GG überhaupt noch Erwähnung findet 91, w i r d sie als bloßer „Ausgestaltungsvorbehalt" gedeutet. Sie ermächtige den Gesetzgeber zur leitbildgerechten Ausgestaltung des institutionellen Lebensbereichs „Presse" zum Zwecke der optimalen Verwirklichung der Grundrechtsidee. Der Gesetzgeber habe die rechtlichen Voraussetzungen für ein freiheitliches Pressewesen zu schaffen und die bestehende Ordnung ständig darauf h i n zu überprüfen, ob die Freiheit des Kommunikationsvorgangs noch gewährleistet sei. Erforderlichenfalls habe der Gesetzgeber geeignete Maßnahmen zu ihrer Erhaltung oder Wiederherstellung zu treffen. Die Legislative sei von der Verfassung aufgerufen, den Raum für die Freiheit der Presse und der Kommunikation i m allgemeinen zu planen. Richtlinie und Grenze der Ausgestaltung der Pressefreiheit seien allein die Prinzipien eines freiheitlich-demokratischen Kommunikationswesens 92 . Begrenzungen der individuellen Pressefreiheit sollen aufgrund eines „institutionellen Gesetzesvorbehalts" zulässig sein. Worin dessen normative Grundlage liegen soll, bleibt unklar. A u f A r t . 5 Abs. 2 GG erfolgt kein Hinweis. Da nur herausgestellt wird, daß der Institutionenschutz Beschränkungen der individuellen Freiheit der i m Pressewesen tätigen Personen zulasse, liegt der Schluß nahe, daß die institutionelle Gewährleistung des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG als Quelle des Begrenzungsvorbehalts angesehen wird. Die Voraussetzungen einer Begrenzung der mit der institutionellen Seite kollidierenden individuellen Seite der Pressefreiheit werden funktional bestimmt: „Falls es sich . . . u m der Freiheit der Presse i n ihrer Funktion für die Allgemeinheit als notwendig erweisen sollte, könnte von einer institutionellen Betrachtung aus die Rechtsposition des Einzelnen, sofern sie der Verwirklichung des Institutionszwecks entgegensteht, eingeschränkt oder aufgehoben werden 9 3 ." 90 I. Gross, S. 149 f.; vgl. zudem die konkrete Darstellung Stammlers, die die institutionsfunktionale Schrankenharmonisierung praktisch demonstriert. 91 Bei Stammler w i r d A r t . 5 I I i m Verlauf der gesamten A b h a n d l u n g n u r zweimal am Rande erwähnt (S.254, 321); I. Gross verzichtet v ö l l i g auf eine Erörterung des A r t . 5 I I GG. 92 Stammler, S. 321, 215, 221 i m Anschluß an Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 180 ff. Die Ausführungen Stammlers zur Grundrechtsausgestaltung nehmen n u r auf S. 321 Bezug auf A r t . 5 I I GG, ansonsten w i r d der Eindruck erweckt, als fließe die legislative Ausgestaltungskompetenz aus der I n s t i t u tionsgarantie gem. A r t . 5 1 2 GG. W o r i n sich die Grundrechtsausgestaltung letztlich noch von Grundrechtsbegrenzungen unterscheiden soll, w i r d v o n Stammler nicht herausgearbeitet. 93 Stammler, S. 222; ähnlich I. Gross, S. 149 f.

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Gleichzeitig soll das Rechtsgut „Institution Freie Presse" aber die Einschränkbarkeit der individuellen Freiheit der Institutionsbeteiligten begrenzen; die Freiheitsbeschränkung dürfe nicht weiter reichen, als es die Wahrung der Freiheit der Institution erfordere. Es soll also eine A r t „Wechselwirkung" stattfinden: Die Gewährleistung der Freiheit der Institution schränke die beteiligten individuellen Freiheitsrechte ein, diese Einschränkung werde aber ihrerseits durch das Gebot der Freiheit der Institution begrenzt 94 . Einfacher ausgedrückt hängt die Zulässigkeit von Eingriffen i n die Pressefreiheit demnach davon ab, ob sie zum Zwecke des Institutionenschutzes erforderlich und ihrer Intensität nach angemessen sind, ob sie also verhältnismäßig sind. Die Rechtmäßigkeitsprüfung läuft damit letztlich auf eine Güterabwägung zwischen der individuellen Freiheit der i n der Presse tätigen Personen und der institutionellen Freiheit des Pressewesens hinaus. Diese Abwägung kann allerdings nicht offen ausfallen; da Dieter Stammler und Ingrid Groß immer wieder den Vorrang der Institution betonen, muß i m Zweifel das individuelle Recht immer hinter den Belangen des Institutionenschutzes zurücktreten 95 . M i t den Schranken der Pressefreiheit werden die Schranken der daneben anwendbaren Grundrechte dadurch gleichgeschaltet, daß die „Funktionsfähigkeit der Institution Freie Presse" als überragendes Rechtsgut der Allgemeinheit die nach den einzelnen „Gemeinschaftsvorbehalten" notwendige Güterabwägung dirigieren soll. So soll die institutionelle Funktionsfähigkeit der Presse als „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" Beschränkungen der Berufsfreiheit gem. A r t . 12 Abs. 1 GG und als elementarer Bestandteil des „Wohls der Allgemeinheit" die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG lenken 96 .

I V . Pressefreiheit und Berufsfreiheit Wenn der institutionelle Schutz der Pressefreiheit sämtliche Pressetätigkeiten von der redaktionellen Gestaltung und ihrer Vorbereitung bis zum Druck- und Verlagswesen umfassen soll, so w i r d er damit auch auf Berufswahl und Berufsausübung von Verlegern und Journalisten erstreckt. Demnach überschneiden sich also der institutionelle Lebensbereich „Pressewesen" gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und der grundrechtliche Lebensbereich „Beruf" gem. A r t . 12 Abs. 1 GG 9 7 . 94 95 98 97

I. Gross, S. 150. Stammler, S. 312; I. Gross, S. 122 ff. I. Gross, S. 149 f. Stammler, S. 227 ff., 309.

§ 3 Wertende Zuordnung

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Institutionelle Pressefreiheit und individuelle Berufsfreiheit sollen aber auf verschiedenen Ebenen liegen und i n unterschiedliche Schutzrichtungen zielen: A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG schütze nur das Institut „Freie Presse" als solches. Die daraus fließenden subjektiven Rechte von Journalisten und Verlegern auf freien Zugang zu den Presseberufen und auf ungehinderte Berufsausübung seien nicht u m der individuellen Persönlichkeitsentfaltung willen, sondern wegen der Funktionsfähigkeit der Institution gewährleistet. Die subjektiven Rechte reichten also nur so weit als es der Schutz des Instituts „Freie Presse" erfordere 98 . Die Berufsfreiheit gem. A r t . 12 Abs. 1 GG sei dagegen ein „echtes Individualrecht", das den Einzelnen i m Interesse der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit schütze 99 . Wegen dieser Divergenz der Schutzrichtungen werde die Anwendbarkeit des A r t . 12 Abs. 1 neben A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG nicht ausgeschlossen. Es soll demnach ein Fall der Idealkonkurrenz vorliegen 1 0 0 . Die Harmonisierung der Vorbehaltsschranke des A r t . 12 Abs. 1 GG mit den Schranken der institutionellen Pressefreiheit soll sich über den Begriff des „überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes" vollziehen: Das zeigt zunächst Dieter Stammlers Erörterung der Vereinbarkeit einer staatlichen Monopolisierung des Verlegerberufs i m Rahmen einer Vergesellschaftung der Tagespresse m i t der Berufsfreiheit gem. A r t . 12 Abs. 1 GG. Anknüpfend an die Rechtsprechung des BVerfG zum staatlichen Berufsmonopol hält Stammler eine Monopolisierung des Verlegerberufs für zulässig, denn diese diene „dem Schutz der freien gesellschaftlichen Information und Kommunikation, letztlich der Funktionsfähigkeit der Demokratie überhaupt, deren besondere Wichtigkeit außer Frage steht" 1 0 1 . Diese Rechtsgüter seien durch die p r i v a t w i r t schaftliche Ordnung des Pressewesens schweren Gefahren ausgesetzt: die private, kommerzielle Zielsetzung gefährde die öffentliche Aufgabe einer objektiven, wahrheitsgetreuen und vollständigen Information des Lesers; der kommerzielle Wettbewerb beeinträchtige über eine stetige Förderung der Pressekonzentration die Pluralität des Pressewesens 102. 98

Ebenda, S. 313 f. Ebenda, S. 313/314; w e n n Stammler A r t . 12 I 1 GG hier als reines I n d i vidualrecht behandelt, so gerät er i n Widerspruch dazu, daß er noch auf S. 194 die Berufsfreiheit zu den auf die private Gesellschaft bezogenen G r u n d rechten zählte, denen er S. 196 auch eine institutionelle Seite zusprach. K o n sequenterweise müßte Stammler auch das Verhältnis zwischen institutioneller Pressefreiheit u n d objektiv-rechtlicher Gewährleistung einer „freiheitlichen Berufsordnung" problematisieren. Seinem Ansatz zufolge dürfte Gesetzeskonkurrenz zugunsten v o n A r t . 5 1 2 GG als der „zentralen Wertentscheidung" anzunehmen sein. 100 Stammler, S. 314. 101 Ebenda, S. 314 f. 102 Ebenda, S. 284 ff., 361. 99

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

I m Vergleich zu der aus einer Monopolisierung des Verlegerberufs beim Staat resultierenden Freiheitsbeeinträchtigung für den Einzelnen wögen diese Gefahren für das Gemeinwesen schwerer. Soweit lediglich die Berufsfreiheit i n Frage stehe, sei ohne weiteres einsichtig, daß deren partielle Beschränkung i n keinem Verhältnis zu der Bedeutung stehe, die der Funktionsfähigkeit der Presse wie der Demokratie nach der Verfassung zukomme 103 . Auch Ingrid Groß gelangt über die Harmonisierung der Schranken der Berufsfreiheit mit jenen der institutionellen Pressefreiheit zur Zulässigkeit weitreichender Beschränkungen der Presseberufsfreiheit: Subjektive Zulassungsvoraussetzungen für die Presseberufe seien zum Schutze des überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes „Freiheit der Institution Presse" gem. A r t . 12 Abs. 1, A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG erlaubt. Die Institution sei auf die Fähigkeit ihrer M i t glieder zur Verwirklichung der institutionellen Idee angewiesen. Die Ideenverwirklichung — die M i t w i r k u n g der Presse am staats- und gesellschaftsbezogenen Kommunikations- und Integrationsprozeß — setze von vornherein „ein hohes Maß an fachlicher und charakterlicher Qualifikation" von Journalisten und Verlegern voraus. Die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen dürften aber nicht so weit reichen, daß die Presse mehr als „zur sachgerechten Verwirklichung der Idee erforderlich" reglementiert werde. Unter dem Aspekt dieser „institutionellen Schranken-Schranke" erscheine eine obligatorische mehrjährige Ausbildung i n einer Journalistenschule noch als zulässig, nicht jedoch eine obligatorische Hochschulausbildung. Zudem könne die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Institution unter Umständen sogar die Errichtung objektiver Zulassungsschranken für den Verlegerberuf erfordern 1 0 4 . V. Pressefreiheit und Eigentumsgarantie I m Verhältnis der Institutsgarantie des Privateigentums gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG zur Gewährleistung der Institution „Freie Presse" gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG w i r d von einer thematischen Überschneidung und 103 Ebenda, S. 315; Stammler beruft sich auf die Rspr. des B V e r f G (E 7, S. 377; 11, S. 30; 21, S. 245) u n d w i l l deshalb neben den Voraussetzungen der einzelnen Stufe der Berufsregelung (S. 312 ff.) zusätzlich noch das Übermaßverbot prüfen (S. 322 ff.). Wenn er sich dort n u r wiederholt, zeigt sich, daß er nicht deutlich genug erkennt, daß sich die v o m B V e r f G entwickelten A n f o r derungen an Berufsregelungen nicht aus dem einfachen Gesetzesvorbehalt des A r t . 12 I 2 GG, sondern aus der Schranken-Schranke des Übermaßverbots ergeben sollen. 104 I. Gross, S. 137 f., 149 f.; dabei w i r d allerdings davon ausgegangen, daß gegenüber dem hoheitlichen Eingriff i n die Presseberufsfreiheit n u r die V e r letzung von A r t . 12 I GG zu rügen sei, dessen Schranken durch A r t . 5 1 2 GG determiniert würden (S. 183).

§ 3 Wertende Zuordnung

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einer Gleichrangigkeit der Schutzrichtungen ausgegangen. Eine Parallelgeltung beider Garantien soll ausgeschlossen sein, denn für den Pressebereich habe die Verfassung i n A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG die „zentrale Wertentscheidung" getroffen. Diese bestehe i n der Entscheidung für ein freiheitliches und demokratisches Kommunikationswesen, und zwar allein auf den Kommunikationsvorgang bezogen. Die Presse als Institution und ihre Strukturverfassung hätten ihre Regelung ausschließlich in A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG gefunden. Diese Norm beziehe sich auch auf die Eigentumsordnung innerhalb der Presse, denn diese bilde die wirtschaftliche Grundlage des Pressewesens. Die institutionelle Garantie des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG stelle sich daher für den gesellschaftlichen Lebensbereich „Pressewesen" als lex specialis gegenüber der Institutsgarantie des Privateigentums dar; A r t . 14 GG werde insoweit durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG verdrängt 1 0 5 . I m Verhältnis der institutionellen Pressefreiheitsgewährleistung zum Grundrecht des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG w i r d die Möglichkeit einer Tatbestandsüberschneidung bejaht. Staatliche Eingriffe i n das Eigentum an Pressebetriebsmitteln sollen sowohl den Schutzbereich des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als auch den des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG betreffen. Die Schutzrichtungen beider Grundrechtsnormen werden aber als divergent eingestuft: Die institutionelle Pressefreiheit schütze als zentrale Wertentscheidung für den Lebensbereich „Pressewesen" zwar auch das individuelle Eigentum am Presseunternehmen, dieser Schutz sei aber nur reflexiver Natur und reiche nur so weit, wie es die Institution erfordere. Dagegen schütze A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG das private Eigentum des Presseunternehmers durch ein eigenständiges Individualrecht. Es stehe daher außer Frage, daß der individuelle Grundrechtsschutz des Eigentums auch neben A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG Platz greife. Es w i r d also ein Fall der Idealkonkurrenz angenommen 106 . Die divergenten Schranken beider Grundrechtsbestimmungen sollen durch das Rechtsgut „Institution Freie Presse" gelenkt und begrenzt werden. Die Berücksichtigung soll über den Begriff des „Wohls der Allgemeinheit" i. S. A r t . 14 Abs. 2, 3 GG erfolgen. Die Funktionsfähigkeit der Presse dirigiert demnach die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Presseeigentums gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG ebenso wie die Zulässigkeit von Enteignungen gem. A r t . 14 Abs. 3 GG 1 0 7 . Da jedoch — wie gezeigt wurde — die Auffassungen Dieter Stammlers und Ingrid Groß's darüber auseinandergehen, ob und inwieweit die institutionelle Pressefreiheit eine Organisation des Pressewesens auf der Basis privaten 105 106 107

Stammler, S. 317, 319. Ebenda, S. 316. I. Gross, S. 149 f.; Stammler,

S. 316.

124

1. Teil: Konventionelle Problemlösung

Eigentums und privatwirtschaftlicher Grundsätze erfordert 1 0 8 , ergeben sich erhebliche Differenzen hinsichtlich der Zulässigkeit gesetzlicher Reformen des Pressewesens: Dieter Stammler muß i m Rahmen des A r t . 14 Abs. 1 S. 2 GG weitreichende Pressereformen für zulässig erklären, da nach seiner Auffassung die institutionelle Pressefreiheit ein geistig-kommunikatives Schutzrecht ist, durch das keine bestimmte Wirtschaftsverfassung des Pressewesens festgeschrieben wird. Dem existenten privaten Eigent u m an Presseunternehmen w i r d eine rein dienende Funktion zugeschrieben. Von daher sieht Stammler bei Eingriffen i n das verlegerische Eigentum i m Zuge von Pressereformen das Verhältnismäßigkeitsgebot regelmäßig als gewahrt an. Bei der Güterabwägung falle nämlich entscheidend ins Gewicht, daß das private Presseeigentum tatsächlich die Presse an der „Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Funktion" hindere. Da Art. 14 GG das Eigentum wegen der Schranke des Abs. 3 lediglich i n seinem Vermögenswert schütze, stelle er kein grundsätzliches Hindernis für eine systemverändernde Pressereform dar. Auf die normativen Zulässigkeitsvoraussetzungen von Enteignungen gem. A r t . 14 Abs. 3 GG geht Stammler allerdings nicht ein; er nimmt wohl an, die institutionelle Funktionsfähigkeit der Presse sei als hinreichendes Gemeinwohlinteresse i. S. A r t . 14 Abs. 3 GG anzusehen 109 . Demgegenüber zieht Ingrid Groß deutlich engere Grenzen für gesetzliche Pressereformen, die das verlegerische Eigentum tangieren; denn nach ihrer Auffassung gebietet die Institution „Freie Presse" ja die privatwirtschaftliche Organisation des Pressewesens wie die Organisation des einzelnen Verlagsunternehmens als privater Tendenzbetrieb 1 1 0 . Von daher sollen sich aus dem Institutionenschutz recht enge Grenzen für eine Beschränkung des verlegerischen Eigentums durch redaktionelle Mitbestimmungsrechte der Journalisten ergeben: Die völlige oder teilweise gesetzliche Übertragung der Richtlinienkompetenz vom Verleger-Eigentümer auf die Redaktion beeinträchtige die Dispositionsbefugnis des Verlegers über das Presseunternehmen und seine Erzeugnisse. Diese Beeinträchtigung des verlegerischen Eigentums werde aber durch A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG nicht „legitimiert", denn eine Übertragung der Richtlinienkompetenz auf die Redaktion sei als Ausgestaltung einer freiheitlichen Binnenstruktur der Institution ,Presseunternehmen' zur Wahrung ihrer Funktionsfähigkeit als Träger eines ,freien 4 Kommunikations- und Integrationsprozesses weder erforderlich noch geeignet. Ein so weitreichender Übergang von Entscheidungs108 109 110

Vgl. oben § 3 I I 1 d). Stammler, S. 316 ff., 318 ff. Vgl. oben § 3 I I 1 d).

§ 3 Wertende Zuordnung

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befugnissen auf Nichteigentümer müsse i n einem privatwirtschaftlichen Tendenzbetrieb zu erheblichen Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Institution führen. Eine Institution sei eben nicht die Summierung gleicher Freiheiten der Beteiligten; der institutionelle Status setze vielmehr eine Unterwerfung unter die Sachgesetzlichkeiten der Institution voraus, zu denen auch die Arbeitsteilung zwischen Verleger und Redaktion gehöre 111 .

VI. Offene Probleme der wertenden Zuordnung Die wertende Zuordnung von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie ergibt ein recht geschlossenes Bild. Die Freiheit von inneren Widersprüchen hängt wesentlich damit zusammen, daß die Zuordnung der beteiligten Grundrechtsnormen rein zweckrational auf den adäquaten Schutz der Institution „Freie Presse" ausgerichtet wird. Diese zweckrationale Ausrichtung gelingt aber nur u m den Preis eines deutlichen Verlustes an Normativität und rechtsstaatlicher Bestimmtheit: Die Maßstäblichkeit des „adäquaten Schutzes der Institution" für die Zuordnung von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie w i r d nicht anhand positiver Verfassungsnormen entwickelt, sondern unmittelbar aus der „Wertordnung abgeleitet, die der objektivierten Normativität der Verfassung unterlegt wird. Indem diese Wertordnung zum Bezugspunkt der Interpretation erhoben w i r d 1 1 2 , kann zwischen konkurrierenden Grundrechtsnormen ein Rangverhältnis ausgemacht und die Zuordnung auf die „zentrale Wertentscheidung" ausgerichtet werden. Und diese w i r d regelmäßig i n der Institutionsgarantie gesehen, die ja nicht nur individuelle und private Interessen repräsentieren, sondern demokratiekonstitutive Gemeinwohlinteressen verkörpern soll. Offen bleibt allerdings, nach welchen Kriterien über das Verhältnis der institutionellen Garantie der Pressefreiheit zu anderen Institutionsgarantien, vor allem des Eigentums gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG entschieden werden soll. Warum gerade der Institutionsgarantie des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG die Präferenz eingeräumt wird, bleibt ohne jede prüfbare Begründung. Es muß daher angenommen werden, daß die Vorrangfrage i m Verhältnis von Institutionsgarantien untereinander dezionistisch gelöst wird. Als Entscheidungsmaßstab kann wohl nur auf das individuelle Präferenzsystem des Interpreten verwiesen werden. 111

I. Gross, S. 158 ff. Vgl. zur K r i t i k der „Wertordnungslehre" vorerst Podlech, AöR 95 (1970), S. 185 ff.; hierauf soll später noch ausführlicher eingegangen werden. 112

126

1. Teil: Konventionelle Problemlösung

Damit w i r d schon deutlich, daß mit dieser „Wertorientierung" der Weg zu einer kasuistischen Konkurrenzlösung eingeschlagen werden muß. Die Bestimmung des Verhältnisses zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und den A r t . 12, 14 GG w i r d denn auch nicht über anhand positiven Verfassungsrechts entwickelte allgemeine Kriterien der Konkurrenzlösung angegangen; die Zuordnung der beteiligten Normen erfolgt vielmehr nur für das konkrete Verhältnis der institutionellen Pressefreiheitsgarantie zu anderen Grundrechten und w i r d ausschließlich auf die konkreten Schutzbedürfnisse der Institution „Presse" zugeschnitten. Die für die Zuordnung verwandten Maßstabsbegriffe fallen derart vage aus, daß ihr Bedeutungsgehalt nach intersubjektiv prüfbaren Kriterien nicht angegeben werden kann. Das gilt ganz besonders für den zentralen Begriff der „Funktionsfähigkeit der Institution Presse"; ebenso wie die Beschreibung des institutionellen Leitbilds der „öffentlichen Funktion der Presse" bleibt auch die der „Funktionsfähigkeit" leerformelhaft. Gemessen an rechtsstaatlichen Maßstäben muß dies erheblichen Bedenken begegnen, denn die „Funktionsfähigkeit" soll ja immerhin den alleinigen Maßstab für die Zulässigkeit staatlicher Begrenzungen der Pressefreiheit abgeben, nachdem A r t . 5 Abs. 2 GG der institutionellen Lehre aus dem Blickfeld geraten ist. Und darüber hinaus soll die „Funktionsfähigkeit" i m Konkurrenz fall auch die Schranken der Berufsfreiheit wie der Eigentumsgarantie dirigieren und limitieren. Wegen der Leerformelhaftigkeit der Maßstabsbegriffe läßt sich nur anhand des konkreten Einzelfalls über eine politisch-wertende Güter- und Interessenabwägung angeben, ob eine zum Eingriff legitimierende Beeinträchtigung der institutionellen Funktionsfähigkeit vorliegt oder nicht. Auch hier bleibt wiederum völlig offen, an welchen prüfbaren Kriterien die Abwägungsentscheidung orientiert werden soll und wie der Abwägungsvorgang methodisch vonstatten zu gehen hat. Es ist daher kein Zufall, wenn Dieter Stammler und Ingrid Groß trotz gemeinsamer grundrechtstheoretischer Grundlagen i n den Einzelfragen zu konträren Ergebnissen gelangen. Denn — so paradox es auch klingen mag — die Entsubjektivierung des Grundrechts der Pressefreiheit und seine Wandlung zur objektiven Institutionsgarantie führt über den Weg der Funktionalisierung und der Güterabwägung zur Subjektivierung der Verfassungsmäßigkeitsprüfung staatlichen Handelns. Es w i r d letztlich zu einer Frage der politischen Erwünschtheit und des politischen Konsenses, ob staatliche Reformen des Pressewesens als verfassungsrechtlich zulässig oder unzulässig eingestuft werden. Sollen nun nach der These von der wertenden Zuordnung i m Konkurrenzfall die Schranken der konkurrierenden Grundrechtsnormen mit den Schranken der institutionellen Pressefreiheit harmonisiert werden, so ist — wie bei der These von der Idealkonkurrenz — 1 1 3 danach zu fragen,

§ 3 Wertende Zuordnung

127

welche Entscheidungsrelevanz es noch haben soll, wenn neben A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG weitere Grundrechte geltend gemacht werden können. Außer für A r t . 14 Abs. 3 GG, der mit der Entschädigungsregelung eine exklusive Rechtsfolgeanordnung enthält 1 1 4 , ist nicht ersichtlich, wie weitere Grundrechte angesichts der nivellierenden Überformung ihrer Schranken für die Prüfung staatlicher Regelungen des Pressewesens noch eine selbständige Rolle spielen könnten. Soll letztlich allein die „Funktionsfähigkeit der Institution Presse" maßgebend sein, so muß es ausreichen, die Prüfung allein an A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG zu orientieren.

113 114

Vgl. oben § 2 I V 4. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 370 f.

§ 4 Praktische Problemlösungsansätze in der Rechtsprechung Der Beitrag der Rechtsprechung zur Lösung von Konkurrenzproblemen ist i m Schrifttum bislang nicht systematisch ausgewertet worden. Die Rechtsprechung wurde vielmehr vornehmlich punktuell zum Beleg oder zur Illustration der eigenen Auffassung herangezogen 1 . Dieses Vorgehen konnte zur Unterschätzung des Beitrags der Rechtsprechung verleiten. So meint Manfred Lepa, die Rechtsprechung sei mit dem Problem von Grundrechtskonflikten zwar schon früher konfrontiert worden, habe die Probleme jedoch nur ad hoc und ohne sonderlichen Aufwand für Diagnose und Therapie gelöst 2 . Die thematische Begrenzung der vorliegenden Untersuchung läßt an dieser Stelle ebenfalls keine umfassende Analyse des Beitrags der Rechtsprechung zur Problematik der Grundrechtskonkurrenzen zu. Es soll daher nur der Versuch unternommen werden, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts daraufhin zu befragen, ob sie Problemlösungskriterien anbietet, die sich zu einer Konzeption verdichten lassen. Anschließend soll untersucht werden, wie das Verhältnis von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung bestimmt wird.

I. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Problemen der Grundrechtskonkurrenz 1. Die Problemlösungskriterien des Bundesverfassungsgerichts

Die Frage, nach welchen Maßstäben zu verfahren ist, wenn zwei oder mehr Grundrechte eines Grundrechtsträgers durch ein und dieselbe hoheitliche Regelung berührt werden, ist zwar vom BVerfG noch nicht allgemein entschieden worden; aus einzelnen Entscheidungen des Gerichts werden aber Problemlösungskriterien ersichtlich, die sich zu einer Konzeption zusammenfügen lassen: Das BVerfG versucht zunächst, die Tatbestände der beteiligten Grundrechtsnormen vonein1 Vgl. etwa Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff.; Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S. 474 ff.; auch die neuere A b h a n d l u n g von H. Schneider, Güterabwägung, S. 110 ff.; bleibt doch recht knapp, w e n n dort die Rspr. des BVerfG auch sehr sorgfältig ausgewertet w i r d . 2 Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 161).

§ 4 Ansätze i n der Rechtsprechung

129

ander abzugrenzen. So soll die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Regelung der Berufsausübung auch die Eigentumsgarantie berühren kann, grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen sein, „welche Freiheitsbereiche von beiden Grundrechten geschützt werden" 3 . Diese Tatbestandsabgrenzung erfolgt auf der Grundlage einer Sicht des Grundrechtskataloges als „Gesamtsystem" der Grundrechte" 4 , wobei i n den Mittelpunkt der Freiheitsrechte das Generalfreiheitsrecht des A r t . 2 Abs. 1 GG gestellt wird, u m das herum sich dessen besondere Ausprägungen, die Einzelfreiheitsrechte gruppieren sollen. „Neben der allgemeinen Handlungsfreiheit, die A r t . 2 Abs. 1 GG gewährleistet, hat das Grundgesetz die Freiheit menschlicher Betätigung für bestimmte Lebensbereiche, die nach den geschichtlichen Erfahrungen dem Zugriff der öffentlichen Gewalt besonders ausgesetzt sind, durch besondere Grundrechtsbestimmungen geschützt 5 ." Dementsprechend w i r d A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als eigenständiges, spezifisches Grundrecht für den Lebensbereich „Presse" gefaßt 6 und A r t . 12 Abs. 1 GG w i r d als „lex specialis für das Gebiet des Berufsrechts" gesehen7. Dieses Verständnis der einzelnen Freiheitsrechte als besondere Grundrechtsnormen für besondere Lebensbereiche schließt die Vorstellung ein, die einzelnen Grundrechtstatbestände seien voneinander weitgehend überschneidungsfrei abgesondert. Demgemäß bedient sich das BVerfG zunächst des Mittels der Tatbestandsabgrenzung, u m das Grundrecht zu bestimmen, das unter mehreren als verletzt gerügten Bestimmungen als Prüfungsmaßstab i n Betracht kommt 8 . So ergibt i n der Mephisto-Entscheidung die Tatbestandsabgrenzung i m Verhältnis des A r t . 5 Abs. 3 S. 1 GG zu A r t . 5 Abs. 1 S. 1 GG die Maßgeblichkeit der Kunstfreiheitsgarantie für die verfassungsrechtliche Prüfung: „Künstlerische Aussagen bedeuten, auch wenn sie Meinungsäußerungen enthalten, gegenüber diesen Äußerungen ein aliud 9 ." I n der Entscheidung zu § 46 UrhG a. F. werden die Tatbestände von A r t . 5 Abs. 3 S. 1 GG und 3

BVerfGE 30, S. 292 (S. 334). BVerfGE 22, S. 180 (S.219); vgl. auch BVerfGE 7, S. 198 (S.215); 12, S. 1 (S. 4); 21, S. 362 (S.372); 32, S.98 (S. 108); 33, S.23 (S.29); 37, S. 57 (S. 65). 5 BVerfGE 6, S. 32 (S.37); 9, S. 3 (S. 11); 9, S. 73 (S. 77); 10, S. 55 (S. 58); 10, S. 185 (S. 199); 11, S.234 (S.238); 15, S. 226 (S.231); 21, S. 227 (S.234); 22, S. 114 (S. 120); 23, S.50 (S. 56); 25, S.244 (S.62); 25, S. 88 (S.97); 30, S. 292 (S. 335 f.); 32, S.98 (S. 107); 33, S. 171 (S. 191); 33, S. 240 (S. 247); 37, S. 271 (S.290); 38, S. 61 (S. 79); 45, S. 354 (S. 359). — Vgl. näherhin die Analyse bei Scholz, AÖR 100 (1975) S. 80 ff., 265 ff. 6 BVerfGE 10, S. 118 (S. 121); 12, S. 113 (S. 125); 25, S. 88 (S. 101). 7 BVerfGE 9, S. 63 (S. 73); 9, S. 73 (S. 77); 38, S. 61 (S. 79). 8 Vgl. etwa BVerfGE 19, S. 129 (S. 133); 28, S. 295 (S. 310); 30, S. 173 (S. 200); 30, S.292 (S. 334f.); 31, S. 229 (S.238 f.); 35, S. 79 (S. 146 f.); 38, S. 61 (S. 79); 43, S. 242 (S. 285); 47, S. 327 (S. 368, 416). 9 BVerfGE 30, S. 173 (S. 200). 4

9 Degen

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG voneinander abgegrenzt. Bei § 46 UrhG gehe es nicht u m den Sachbereich der Kunstfreiheit; i m Vordergrund stehe vielmehr die wirtschaftliche Verwertung der geistigen Leistung. „Es geht u m die Frage, ob die i n der angegriffenen Norm vorgenommene Begrenzung der Vermögenswerten Seite des Urheberrechts mit der Verfassung i n Einklang steht. Das ist der typische Schutzbereich der Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG 10 ." I n der Entscheidung über die Mineralölbevorratungspflicht gewinnt das BVerfG den Prüfungsmaßstab des A r t . 12 Abs. 1 GG durch die Abgrenzung von Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie: Das Grundrecht der Berufsfreiheit sei persönlichkeitsbezogen und zukunftsgerichtet, die Eigentumsgarantie hingegen objektbezogen und auf den Schutz des vorhandenen Vermögensbestandes gerichtet 11 . „ A r t . 14 Abs. 1 GG schützt das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung, A r t . 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst 12 ." Wenn das BVerfG es auch oft dahinstehen läßt, ob Regelungen einer Grundrechtsausübung überhaupt den Schutzbereich eines anderen Grundrechts berühren können 13 , schließt es damit jedoch nicht grundsätzlich eine Konstellation aus, i n der sich die Tatbestände zweier Grundrechtsnormen überlagern. Einmal sollen sich nach der Rechtsprechung des BVerfG die Tatbestände der Einzelfreiheitsrechte mit dem Generaltatbestand des A r t . 2 Abs. 1 GG überschneiden 14 , zum anderen hält das Gericht auch die „Überlagerung des Bereichs verschiedener Grundrechte" für möglich 15 . Die Fälle, i n denen das BVerfG nebeneinander die Verletzung mehrerer Grundrechte durch dieselbe Regelung prüft, sind nicht selten; soweit ersichtlich, verfährt das Gericht i n diesen Fällen aber so, daß es seine Entscheidung zentral aus der Prüfung eines Grundrechts begründet und das so gewonnene Ergebnis mit der knappen Prüfung eines weiteren Grundrechts untermauert 1 6 . So stellt das BVerfG bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Werbeverbots gem. § 5 Abs. 2 GjS zunächst auf A r t . 5 Abs. 1 S. 1 GG ab und geht dann zusätzlich auf A r t . 12 Abs. 1 GG ein 17 . Die Verfassungsmäßigkeit eines strafrechtlichen Berufsverbots für Presseangehörige unter10

BVerfGE 31, S. 229 (S. 238). BVerfGE 30, S. 292 (S. 334). 12 BVerfGE 30, S. 292 (S. 335). 13 BVerfGE 12, S. 1 (S.4); weitere Nachweise bei H. Schneider, Güterabwägung, S. I l l F N 549. 14 BVerfGE 30, S. 173 (S. 200). 1δ BVerfGE 25, S. 88 (S. 97). 16 BVerfGE 11, S. 234 (S. 238 f.); 17, S. 232 (S. 248); 19, S. 206 (S. 225); 21, S. 150 (S. 160); 25, S. 44 (S. 63 f.); 25, S. 88 (S. 101); 30, S. 336 (S. 350 f.); 33, S. 171 (S. 191); 34, S. 252 (S. 257). 17 BVerfGE 11, S. 234 (S. 238 f.). 11

§ 4 Ansätze i n der Rechtsprechung

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sucht das BVerfG zuerst anhand der A r t . 5 Abs. 1 S. 2, 18 GG, erst abschließend hebt es hervor, daß auch kein Verstoß gegen A r t . 12 Abs. 1 GG vorliege 18 . Da i n all diesen Fällen die Prüfung sämtlicher einschlägiger Grundrechtsnormen zu demselben Ergebnis der Verfassungsmäßigkeit führte, ergab sich für das BVerfG nicht die Notwendigkeit, anzugeben, nach welchen Regeln i m Konfliktfall, d.h. bei Konkurrenz schrankendivergenter Freiheitsrechte verfahren werden soll. Hinweise ergeben sich jedoch aus einigen Entscheidungen des Gerichts: Einmal hält das BVerfG die Regel „lex specialis derogat legi generali" auch i m Verfassungsrecht für anwendbar: „Nun ist es allgemeines Rechtsprinzip, daß die generelle Norm zurücktritt, falls das Gesetz für die Beurteilung eines Sachverhalts eine spezielle Norm zur Verfügung stellt. Dem entspricht es, wenn das Bundesverfassungsgericht i n ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, daß für eine Prüfung am Maßstab der allgemeinen Gewährleistung von Freiheit und Gleichheit i n A r t . 2 Abs. 1 und A r t . 3 Abs. 1 GG kein Raum mehr sei, wenn die zu prüfende einfache Gesetzesnorm einer speziellen Grundrechtsnorm zuwiderlaufe. . . . Der Gedanke des Vorrangs der Spezialnorm w i r d immer zutreffen, wenn die spezielle Norm nur als Ausprägung der allgemeinen Norm erscheint, so daß i n jener notwendig diese mitbetroffen ist 1 9 . Einen Fall von Gesetzeskonkurrenz wegen Spezialität hat das BVerfG i m Verhältnis von A r t . 5 Abs. 3 S. 1 GG zu A r t . 5 Abs. 1 S. 1 GG angenommen: Die systematische Trennung der Gewährleistungsbereiche weise den Abs. 3 dieser Bestimmung gegenüber dem Abs. 1 als lex specialis aus; für eine Prüfung am Maßstab des A r t . 5 Abs. 1 S. 1 GG sei daher kein Raum mehr 2 0 . Die Regel des Vorrangs der Spezialnorm hat das Gericht zudem i m Verhältnis des A r t . 9 Abs. 3 GG zu A r t . 5 Abs. 1 S. 1 GG angewandt: „Eine Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus A r t . 5 Abs. 1 S. 1 GG scheidet hier schon deshalb aus, weil die Betätigungen von Koalitionen durch A r t . 9 Abs. 3 GG als lex specialis geschützt sind 21 ." Neben der Gesetzeskonkurrenz wegen Spezialität sieht das BVerfG auch die Möglichkeit einer „Idealkonkurrenz" zwischen zwei oder mehr Grundrechtsnormen. Dies soll sogar i m Verhältnis von A r t . 2 Abs. 1 GG zu einzelnen besonderen Freiheitsrechten gelten: „Das Bundesverfassungsgericht hat zwar entschieden, daß die besonderen Grundrechts18

BVerfGE BVerfGE 20 BVerfGE S. 290 (S. 296). 21 BVerfGE 19

β*

25, S. 88 (S. 95 ff., 101). 13, S. 290 (S. 296). 30, S. 173 (S. 191, 200) unter Bezugnahme auf BVerfGE 13, 28, S. 295 (S. 310).

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

normen für ihren Bereich die Anwendung des A r t . 2 Abs. 1 GG ausschließen (...). Dies gilt aber nur, soweit eine Verletzung unter demselben sachlichen Gesichtspunkt i n Betracht kommt, nicht aber, wenn A r t . 2 Abs. 1 GG unter einem Gesichtspunkt verletzt ist, der nicht i n den Bereich der besonderen Grundrechtsnorm fällt 2 2 ." So konnte das BVerfG i n seiner Entscheidung über das Badische Ortskirchensteuergesetz neben einer Verletzung von A r t . 2 Abs. 1 GG wegen Unvereinbarkeit der Kirchenbausteuerpflicht mit der grundgesetzlichen Ordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche zusätzlich einen Verstoß gegen A r t . 4 Abs. 1 GG i n Betracht ziehen 23 . Daß durch ein und dieselbe hoheitliche Regelung mehrere besondere Grundrechtsnormen tatbestandlich berührt werden können, ohne daß eine Verdrängung wegen Spezialität durchgreift, hat das BVerfG auch i n anderem Zusammenhang angesprochen: Die Regel des Vorrangs der Spezialnorm soll dann nicht gelten, „wenn der Sinngehalt der ,besonderen 4 Norm zunächst von der ,allgemeinen' Norm unabhängig ist, also jede eine spezifische Bedeutung hat, so daß eine Verletzung der »speziellen' Norm ohne gleichzeitige Verletzung der »allgemeinen' denkbar ist" 2 4 . I n den Fällen gleichzeitiger Einschlägigkeit mehrerer Grundrechtsnormen hält es das BVerfG nicht für angängig, den betroffenen Lebensvorgang i n einzelne Teile aufzuspalten und diese Teile jeweils isoliert einem Grundrechtstatbestand zuzuordnen. Das Gericht respektiert vielmehr die Einheitlichkeit des Lebenssachverhalts und unterwirft diesen insgesamt seiner verfassungsrechtlichen Prüfung 2 5 . Kommen so für die Beurteilung eines einheitlichen Vorgangs mehrere Grundrechtsnormen i n Betracht, so w i l l das BVerfG diese Konkurrenzlage dadurch lösen, daß es das Grundrecht, bei dem der Schwerpunkt des hoheitlichen Eingriffs liegt, zum Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bestimmt: Es soll darauf ankommen, „welche Norm als primär verletzt anzusehen ist"; dies soll davon abhängen, welche von beiden Normen „nach ihrem spezifischen Sinngehalt die stärkere sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverhalt hat" 2 8 .

22

BVerfGE 19, S. 206 (S. 225). Ebenda, wobei das BVerfG jedoch einen Verstoß gegen A r t . 4 I GG dahingestellt sein läßt, da bereits eine Verletzung von A r t . 2 I GG festzustellen sei. 24 BVerfGE 13, S.290 (S. 296); ein derartiger F a l l w i r d i n dieser Entscheidung i m Verhältnis v o n A r t . 6 I GG zu A r t . 3 I GG angenommen. 25 BVerfGE 30, S. 173 (S. 191); i n der Mephisto-Entscheidung sieht das B V e r f G „Werkbereich" u n d „Wirkbereich" als „unlösbare Einheit" (S. 189); es h ä l t es zudem für unzulässig, „aus dem Zusammenhang eines Werkes der erzählenden Kunst einzelne Teile herauszulösen u n d sie als Meinungsäußerungen i m Sinne des A r t . 5 Abs. 1 GG anzusehen, auf die dann die Schranken des Abs. 2 A n w e n d u n g fänden" (S. 191). 23

§ 4 Ansätze i n der Rechtsprechung

133

Unter A n w e n d u n g dieser K r i t e r i e n k o m m t das BVerfG i n der Entscheidung über die Mineralölbevorratungspflicht zur Maßgeblichkeit v o n A r t . 12 Abs. 1 GG: „Greift somit ein A k t der öffentlichen Gewalt eher i n die Freiheit der individuellen Erwerbs- u n d Leistungstätigkeit ein, so ist der Schutzbereich des A r t . 12 Abs. 1 GG berührt, begrenzt er mehr die Innehabung u n d V e r wendung vorhandener Vermögensgüter, so k o m m t der Schutz des A r t . 14 GG i n Betracht 2 7 ." Ä h n l i c h verfährt das B V e r f G i n seiner Entscheidung über das Straßengüterverkehrssteuergesetz; dieses „ist in erster Linie an A r t . 12 Abs. 1 GG als ,lex specialis für das Gebiet des Berufsrechts' zu messen, da es infolge seiner Gestaltung i n einem engen Zusammenhang m i t der Ausübung eines Berufs steht u n d — o b j e k t i v — eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen läßt". A r t . 14 G G könne daher als Prüfungsmaßstab nicht mehr herangezogen werden 2 8 . I n beiden Fällen schließt das Gericht jedoch nicht aus, daß neben A r t . 12 Abs. 1 GG auch A r t . 14 Abs. 1 GG verletzt sein kann, w e n n es sich u m besonders tiefgreifende Eingriffe i n das Eigentum handelt, ζ. B. w e n n Handlungspflichten für Unternehmen sich i m wirtschaftlichen Ergebnis als Eingriff i n die Substanz des Gewerbebetriebes darstellen 2 9 oder w e n n einer Besteuerung erdrosselnde W i r k u n g zukommt 3 0 . I n diesen F ä l l e n , i n denen eine R e g e l u n g z w a r p r i m ä r d e m Schutzb e r e i c h eines G r u n d r e c h t s , e t w a A r t . 12 A b s . 1 G G z u z u o r d n e n ist, g l e i c h z e i t i g aber e i n w e i t e r e s G r u n d r e c h t , e t w a A r t . 14 A b s . 1 G G nachh a l t i g b e e i n t r ä c h t i g t w i r d , scheint d e m B V e r f G w o h l eine K o n k u r r e n z lösung nach dem K r i t e r i u m der „ p r i m ä r verletzten N o r m " nicht m e h r angemesssen zu sein. Es müssen d a h e r b e i d e N o r m e n n e b e n e i n a n d e r g e p r ü f t w e r d e n . A b e r gerade b e i dieser K o n s t e l l a t i o n s t e l l t sich die Frage, nach w e l c h e m M a ß s t a b entschieden w e r d e n soll, w e n n eine R e g e l u n g nach d e m e i n e n G r u n d r e c h t als zulässig, nach d e m a n d e r e n aber als u n z u l ä s s i g z u b e u r t e i l e n w ä r e . Z u d e n k e n ist e t w a a n d e n F a l l , daß eine B e s c h r ä n k u n g d e r B e r u f s f r e i h e i t z w a r als R e g e l u n g d e r B e r u f s a u s ü b u n g h i n z u n e h m e n ist, indes e n t e i g n e n d e W i r k u n g a u f b e stehende G e w e r b e b e t r i e b e h a t 3 1 . Es s p r i c h t einiges d a f ü r , daß das B V e r f G b e i e i n e r d e r a r t i g e n Lage i n d e r G r u n d r e c h t s k o n k u r r e n z eine V e r s t ä r k u n g des G r u n d r e c h t s schutzes sehen w ü r d e : Z u m e i n e n h a t das B V e r f G i n s t ä n d i g e r Rechts p r e c h u n g entschieden, daß j e d e Regelung, die d u r c h e i n G r u n d r e c h t — e t w a A r t . 12 A b s . 1 G G — e r l a u b t sei, i m m e r auch i n sonstiger H i n 26 BVerfGE 13, S.290 (S. 296) (Hervorhebung durch Verf.). Die K o n k u r renzlösung liegt damit i n der Richtung der Lehre von der Eingriffsrichtung [vgl. oben § 2 I V 2 a ) ] . Güterabwägungen f ü h r t das B V e r f G zur Lösung v o n Grundrechtskonkurrenzen entgegen der Behauptung Bergs, Konkurrenzen, S. 69, regelmäßig nicht durch, wie H. Schneider, Güterabwägung, S. 112, zutreffend feststellt. 27 BVerfGE 30, S. 292 (S. 335) (Hervorhebung durch Verf.). 28 BVerfGE 38, S. 61 (S. 79, 102) (Hervorhebung durch Verf.). 29 BVerfGE 30, S. 292 (S. 335). 30 BVerfGE 38, S. 61 (S. 102). 31 So Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S. 476.

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

sieht verfassungsgemäß sein müsse 32 . „Der Gesetzgeber muß daher bei derartigen Regelungen nicht nur die besondere Wertentscheidung des A r t . 12 GG, sondern auch alle übrigen Verfassungsnormen beachten 88 ." Damit w i r d nicht nur die Notwendigkeit der Konformität mit dem Verfassungsorganisationsrecht, sondern auch die der Vereinbarkeit mit anderen Grundrechten angesprochen. Zum anderen ist das BVerfG i n seiner Grundrechtsrechtsprechung stets von einer „Vermutung für die Freiheit" ausgegangen34, die es nahe legt, i m Falle der Konkurrenz schrankendivergenter Freiheitsrechte auf das nicht oder höher beschränkte, „freiheitlichere" Grundrecht abzustellen 35 . Zu der Vorgehensweise des BVerfG ist zunächst anzumerken, daß der Begriff der „lex specialis" recht extensiv verwandt w i r d ; das Gericht gebraucht den Begriff nämlich i n zweifacher Bedeutung: Einmal kann „lex specialis" einen Fall logischer Spezialität meinen 38 . I n diese Richtung geht auch die allgemeine Definition, die das Gericht i m 13. Band formuliert 3 7 . Logische Spezialität nimmt das BVerfG insbesondere i m Verhältnis der besonderen Freiheitsrechte zu A r t . 2 Abs. 1 GG an 38 . Es kann aber auch Subsidiarität gemeint sein 39 ; der Begriff der „lex specialis" w i r d dann i m Sinne einer erschöpfenden Sonderregelung verwandt. So w i r d Art. 9 Abs. 3 GG i m Verhältnis zu A r t . 5 Abs. 1 S. 1 GG als „lex specialis" eingestuft, obwohl sicher kein Fall logischer Spezialität vorliegt 4 0 . Diese mangelnde Unterscheidung zwischen Spezialität und Subsidiarität muß dazu führen, daß die unterschiedlichen Voraussetzungen der beiden dogmatischen Figuren nicht jeweils i m einzelnen nachgewiesen werden, sondern daß für die Annahme der Gesetzeskonkurrenz das vereinfachte Schema „speziellere Norm" — „allgemeinere Norm" zugrunde gelegt wird. Die Konkurrenzlösung des BVerfG nach dem Maßstab des Eingriffsschwerpunkts unterscheidet sich nicht wesentlich von der Literaturmeinung, die auf die „objektive Zielrichtung des Eingriffs" abstellen w i l l 4 1 . Wie gegen diese Auffassung, so ist auch gegen den Lösungsweg des BVerfG einzuwenden, daß völlig 32 BVerfGE 4, S.219 (S.243); 9, S. 83 (S.88); 13, S. 181 (S. 190); 38, S. 61 (S. 79). 33 BVerfGE 38, S. 61 (S. 79). 34 BVerfGE 1, S. 97 (S. 105); 7, S. 377 (S. 404 f.); 13, S. 97 (S. 104 f.); 15, S. 226 (S.234); 15, S.288 (S.296); 16, S. 194 (S.201); 17, S. 108 (S. 117); 17, S. 306 (S. 313 f.); 22, S. 180 (S. 204); 27, S. 253 (S. 283). 35 So auch Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 164). 36 Vgl. oben §2 I I I 1. 37 BVerfGE 13, S. 290 (S. 296). 88 Vgl. oben § 4 I 1 m. F N 5. 39 Vgl. oben §2 111 1. 40 BVerfGE 28, S. 295 (S. 310). 41 Vgl. oben § 2 I V 2 a).

§ 4 Ansätze i n der Rechtsprechung

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offen bleibt, nach welchen intersubjektiv nachprüfbaren Kriterien ermittelt werden soll, welche Grundrechtsnorm als „primär" verletzt anzusehen ist bzw. die „stärkere sachliche Beziehung" zu dem zu prüfenden Sachverhalt aufweist. Ebenso ungeklärt bleiben die Voraussetzungen, unter denen nach Ansicht des BVerfG neben dem „primär verletzten" Grundrecht noch ein weiteres zur Anwendung kommen kann. 2. Das Verhältnis zwischen Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und den Art. 12 Abs. 1,14 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Der Schutzbereich des Grundrechts der Pressefreiheit ist durch das BVerfG zwar von den Grundrechtstatbeständen der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie noch nicht grundsätzlich abgegrenzt worden; einzelne Entscheidungen des Gerichts ergeben jedoch Anhaltspunkte dafür, daß das Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit wie zur Eigentumsgarantie nicht als Schutzbereichsdivergenz, sondern als Schutzbereichsüberschneidung gesehen wird: Der Gewährleistungstatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG w i r d vom BVerfG weit gefaßt: Nach der Rechtsprechung des BVerfG beinhaltet das Grundrecht der Pressefreiheit zunächst „das subjektive öffentliche Recht der i m Pressewesen tätigen Personen, ihre Meinung ebenso frei und ungehindert zu äußern wie jeder andere Bürger". Aber die Pressefreiheit „ist mehr als nur ein Unterfall der Meinungsfreiheit" 4 2 . Denn sie beginnt „nicht erst mit der pressemäßigen Verbreitung einer eigenen Meinung, sondern umfaßt bereits die Beschaffung der Information und deren Verbreitung" 4 3 . Darüber hinaus schützt A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG nach Ansicht des BVerfG auch die berufliche Seite der Pressetätigkeit: So hat das Gericht i n einem exekutivischen Berufsausübungsverbot für Verleger u n d Journalisten einen Eingriff i n das Grundrecht der Pressefreiheit gesehen 44 ; ebenso hat das B V e r f G ein strafrechtliches Berufsausübungsverbot gem. § 421 StGB a. F. für eine Einschränkung der Pressefreiheit gehalten 4 5 . Zudem hat das Gericht i n der Spiegel-Entscheidung den „freien Z u gang zu den Pressberufen" ausdrücklich dem Schutzbereich des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zugeordnet 4 6 . Schließlich wurde i n der Südkurier-Entscheidung die Vorschrift des § 37 Abs. 2 S. 3 A V A V G a. F., die über ein Zustimmungserfordernis zur Veröffentlichung v o n Stellenangeboten für das Ausland die Berufsausübung von Zeitungsverlegern regelte, wegen Verstoßes gegen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG für nichtig e r k l ä r t 4 7 . 42

BVerfGE 10, S. 118 (S. 121). BVerfGE 21, S.271 (S.279); vgl. auch BVerfGE 10, S. 118 (S. 121); 12, S. 205 (S. 260); 20, S. 162 (S. 176); 36, S. 193 (S. 204). 44 BVerfGE 10, S. 118 (S. 121 f.). 45 BVerfGE 25, S. 88 (S. 95). 46 BVerfGE 20, S. 162 (S. 176). 43

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

Das G e r i c h t geht s o m i t d a v o n aus, daß sich die Schutzbereiche v o n A r t . 5 A b s . 1 S. 2 G G u n d A r t . 12 A b s . 1 S. 1 G G ü b e r l a g e r n , daß b e i d e G r u n d r e c h t e h i n s i c h t l i c h des Schutzes der Presseberufsfreiheit n o t w e n d i g e r w e i s e z u s a m m e n h ä n g e n . D i e d a m i t festgestellte p a r t i e l l e I d e n t i t ä t b e i d e r G r u n d r e c h t s t a t b e s t ä n d e w i r d aber n i c h t f ü r so w e i t g e h e n d geh a l t e n , daß v o n e i n e r S p e z i a l i t ä t des A r t . 5 A b s . 1 S. 2 G G i m V e r h ä l t n i s z u A r t . 12 A b s . 1 S. 1 G G die Rede sein k ö n n t e . J e d e n f a l l s ergeben sich aus der Rechtsprechung des B V e r f G k e i n e r l e i A n h a l t s p u n k t e f ü r die A n n a h m e , daß das G e r i c h t d e n A r t . 5 A b s . 1 S . 2 G G als „ l e x specialis" e i n s t u f t , d u r c h die A r t . 12 A b s . 1 S. 1 G G i m W e g e d e r Gesetzeskonk u r r e n z v e r d r ä n g t w e r d e n w ü r d e . V i e l m e h r scheint das B V e r f G d a h i n z u t e n d i e r e n , z w i s c h e n A r t . 5 A b s . 1 S. 2 G G u n d A r t . 12 A b s . 1 G G Idealkonkurrenz anzunehmen: Jedenfalls hat das Gericht i n seiner Entscheidung zum strafrechtlichen Berufsausübungsverbot für Presseangehörige beide Grundrechtsnormen nebeneinander geprüft. Da i n diesem Falle weder eine Verletzung des Grundrechts der Pressefreiheit noch ein Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit angenommen wurde, konnte das B V e r f G die Frage offen lassen, welche von beiden Normen als „ p r i m ä r " beeinträchtigt anzusehen war. Die Entscheidungsgründe lassen aber erkennen, daß der Eingriffsschwerpunkt bei A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG ausgemacht wurde: B e i m strafrechtlichen Berufsausübungsverbot für Presseangehörige handele es sich u m einen Eingriff i n einen Lebensbereich, der durch A r t . 5 Abs. 1 GG besonders geschützt sei; auf die Berufsfreiheit habe es n u r „Reflexwirkung", der Grundrechtsbereich des A r t . 12 Abs. 1 GG sei also bloß „mitbetroffen" 4 8 . Auch i n der Südkurier-Entscheidung betrachtet das B V e r f G den A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als p r i m ä r verletzte N o r m u n d daher als adäquaten Prüfungsmaßstab. Ob das Verbot des §37 Abs. 2 S. 3 A V A V G a. F. neben der Verletzung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG weitere Grundrechtsverstöße enthält, h ä l t das BVerfG nicht mehr für erörterungsbedürftig. Es läßt damit offen, ob § 37 Abs. 2 S. 3 A V A V G a. F. für die Zeitungsverleger eine m i t A r t . 12 Abs. 1 GG vereinbare Berufsausübungsregelung darstellt, w i e es noch das BSG angenommen hatte 4 9 . Dagegen p r ü f t das B V e r f G die Verfassungsbeschwerde eines Buchhändlers gegen § 3 Ladenschlußgesetz ausschließlich i m Hinblick auf A r t . 12 Abs. 1 GG, ohne auf die Pressefreiheit überhaupt einzugehen 50 . Dabei hätte die Erwähnung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 G G hier durchaus nahe gelegen, da das Gericht den Vertrieb von Druckwerken ansonsten dem Schutzbereich der Pressefreiheit unterstellt 5 1 .

47

BVerfGE 21, S. 271 (S. 278 ff.). BVerfGE 25, S. 88 (S. 95, 97, 101); die „Reflexwirkung" w i r d hier zwar nicht explizit auf die Berufsfreiheit bezogen; i m K o n t e x t k a n n aber n u r A r t . 12 I GG als „mitbetroffen" gemeint sein. 49 BVerfGE 21, S. 271 (S. 278 ff., 291); BSGE 20, S. 169 (S. 174 ff.). 50 BVerfGE 13, S. 237 (S. 239 ff.); vgl. dazu Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S.475 F N 113. 48

§ 4 Ansätze i n der Rechtsprechung

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F ü r die A b g r e n z u n g des Schutzbereichs der Pressefreiheit v o m Schutzbereich der E i g e n t u m s g a r a n t i e l ä ß t sich aus d e r Rechtsprechung des B V e r f G noch w e n i g e r M a t e r i a l e n t n e h m e n als f ü r das V e r h ä l t n i s zwischen A r t . 5 A b s . 1 S. 2 G G u n d A r t . 12 A b s . 1 G G . Z w a r ist i n V e r fassungsbeschwerdeverfahren w i e d e r h o l t seitens d e r B e s c h w e r d e f ü h r e r die V e r l e t z u n g des A r t . 14 A b s . 1 G G n e b e n e i n e m Verstoß gegen A r t . 5 A b s . 1 S. 2 G G g e r ü g t w o r d e n , das G e r i c h t h a t seine E n t s c h e i d u n g aber stets n u r aus A r t . 5 A b s . 1 S . 2 G G b e g r ü n d e t u n d e i n e n V e r s t o ß gegen die E i g e n t u m s g a r a n t i e u n e r ö r t e r t gelassen 5 2 . E i n A n h a l t s p u n k t für die Annahme einer tatbestandlichen Überschneidung von A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG u n d A r t . 14 GG seitens des B V e r f G ergibt sich indes aus der Spiegel-Entscheidung, w e n n das Gericht i m Zusammenhang m i t der Pressefreiheit ausführt: „Presseunternehmen müssen sich i m gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen u n d i n privatrechtlichen Organisationsformen. Sie stehen m i t einander i n geistiger u n d wirtschaftlicher Konkurrenz, i n die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf 5 3 ." Sind diese Sätze auch i n d i k a tivisch formuliert, so dürften sie doch Imperativisch gemeint sein. I n der Südkurier-Entscheidung gibt das B V e r f G ebenfalls zu erkennen, daß es die unentbehrlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines v o m Staat unabhängigen Pressewesens durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG für geschützt h ä l t 5 4 . I n der Blinkfüer-Entscheidung grenzt das B V e r f G den Schutz der wirtschaftlichen Seite der Pressetätigkeit durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG weiter ein: „Meinungs- u n d Pressefreiheit w o l l e n die freie geistige Betätigung u n d den Prozeß der Meinungsbildung i n der freiheitlichen Demokratie schützen; sie dienen nicht der Garantie wirtschaftlicher Interessen 5 5 ." Gelegenheit zur Bestimmung des Verhältnisses der Pressefreiheit zur Eigentumsgarantie bot das Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen die A n w e n d u n g des § 102 Abs. 1 B e t r V G i n Tendenzunternehmen i. S. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Das B V e r f G erwähnt jedoch A r t . 14 GG überhaupt nicht, sondern orientiert sich allein an A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG u n d unterstellt auch die innerbetriebliche Entscheidungsbefugnis des Verleger-Eigentümers dem Schutzbereich des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG. Dabei bleibt offen, ob die alleinige Prüfung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG wegen dessen primärer Betroffenheit oder wegen dessen Charakter als erschöpfende Sonderregelung des Pressewesens einschließlich der Eigentumsordnung der Presse erfolgt 5 6 . Eine Zusammenschau der genannten Entscheidungen läßt den v o r sichtigen Schluß zu, daß das B V e r f G die ökonomische K o m p o n e n t e d e r Pressearbeit, insbesondere das P r i v a t e i g e n t u m a m P r e s s e u n t e r n e h m e n , n u r i n s o w e i t als d u r c h A r t . 5 A b s . 1 S . 2 G G g e w ä h r l e i s t e t ansehen w i l l , 51 BVerfGE 10, S. 118 (S. 121); 12, S. 205 (S. 260); 20, S. 162 (S. 176); 21, S. 271 (S. 279); 36, S. 193 (S. 204). 52 Vgl. etwa BVerfGE 20, S. 162 (S. 167); 21, S. 271 (S. 275); 42, S. 212 (S. 215). 53 BVerfGE 20, S. 162 (S. 175). 54 BVerfGE 21, S. 271 (S. 280). 55 BVerfGE 25, S. 256 (S. 268). 56 BVerfG, N J W 1980, S. 1093 ff. = A f P 1980, S. 33 ff.

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

als dies für die Erfüllung der öffentlichen Funktion der Presse notwendig erscheint. Wie weit dieser Schutz konkret gehen soll, ist bisher i n der Rechtsprechung des BVerfG offen geblieben. Das Gericht scheint demnach jedenfalls anzunehmen, das der Gewährleistungstatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG den Tatbestand des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht voll i n sich aufnimmt, so daß von einem logischen Spezialitätsverhältnis wohl nicht die Rede sein kann. Weitergehende Elemente zur näheren Bestimmung des Verhältnisses beider Grudrechtsnormen lassen sich aus der Rechtsprechung des BVerfG nicht zuverlässig entnehmen.

II. Das Verhältnis zwischen Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte und der Verwaltungsgerichte Das Problem, wie das Verhältnis des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zu den A r t . 12, 14 GG zu bestimmen ist, ist i n der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte wie der Verwaltungsgerichte zu pressebezogenen Einzelfragen des Strafrechts wie des besonderen Verwaltungsrechts bisher nur selten angesprochen worden. Diese vereinzelten Entscheidungen betreffen darüber hinaus überwiegend allein das Verhältnis zwischen Pressefreiheit und Berufsfreiheit, während die Relation zwischen Pressefreiheit und Eigentumsgarantie, soweit ersichtlich, nur i n einer Entscheidung thematisiert wird. Bei diesem Befund wäre es wenig aussichtsreich, das vorliegende Rechtsprechungsmaterial auf fallübergreifende Konzeptionen h i n untersuchen zu wollen. Dagegen scheint die Analyse einzelner, von der Rechtsprechung entschiedener Fragen i m Koordinatennetz von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie als möglich und sinnvoll; dabei soll herausgearbeitet werden, nach welchen praktischen Problemlösungskriterien i n der Rechtsprechung verfahren wird. 1. Strafrechtliches Berufsverbot für Presseangehörige (BGHSt. 17, 38)

I n seiner Entscheidung vom 19.1.1968 revidiert der Bundesgerichtshof ein landgerichtliches Urteil, das die Verhängung von Berufsverboten gem. § 421 StGB a. F. gegen politisch delinquente Journalisten m i t Rücksicht auf A r t . 5 Abs. 1, 2, A r t . 18 GG abgelehnt hatte 5 7 . Der BGH beginnt seine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Berufs57 BGHSt. 17, S. 38 (S. 38 f.); vgl. auch B G H N J W 1965, S. 1388 ff., wo jedoch auf A r t . 12 I GG nicht mehr eingegangen w i r d .

§ 4 Ansätze i n der Rechtsprechung

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Verbots gegen Verleger oder Redakteure aus Gesichtspunkten des strafrechtlichen Staatsschutzes relativ unvermittelt bei der Schranke der „allgemeinen Gesetze" iSd. A r t . 5 Abs. 2 GG. A u f die Frage, ob ein Berufsverbot gegen Presseangehörige überhaupt den Schutzbereich des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG berührt, ob also das Grundrecht der Pressefreiheit auch die Berufsfreiheit von Verlegern und Redakteuren schützt, geht der BGH nicht ein. Der Gewährleistungstatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG w i r d nur angedeutet, wenn die Pressefreiheit „als Unterfall des allgemeinen Grundrechts der Meinungsfreiheit und als institutionelle Sicherung der Presse als eines Trägers und Verbreiters der öffentlichen Meinung" bezeichnet w i r d 5 8 . Diese Vorgehensweise läßt nur den Schluß zu, daß es der BGH für selbstverständlich und folglich für nicht erörterungsbedürftig hält, daß A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG auch die berufliche Seite der Pressetätigkeit garantiert. Neben einer Verletzung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG prüft der BGH einen Verstoß gegen A r t . 12 Abs. 1 GG, wiederum ohne auf den Schutzbereich näher einzugehen 59 . Demgemäß unternimmt der BGH auch keinen Versuch, die Tatbestände der beiden Grundrechtsnormen voneinander abzugrenzen. Die gleichzeitige Anwendung von A r t . 5 Abs. 1 S.2 und A r t . 12 Abs. 1 GG spricht zwar für die Annahme einer Tatbestandsüberschneidung; es w i r d i m Zusammenhang damit aber nicht die Frage gestellt, ob A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als Spezialnorm oder als erschöpfende Sonderregelung für das Gebiet der Presseberufsfreiheit einzustufen ist, durch die die Anwendbarkeit des A r t . 12 Abs. 1 GG i m Wege der Gesetzeskonkurrenz ausgeschlossen würde. Der BGH geht also praktisch davon aus, daß beide Grundrechtsnormen nebeneinander zur Anwendung kommen können. Das Gericht kann i n diesem Falle nur deshalb problemlos so verfahren, da es unter keinem Gesichtspunkt einen Grundrechtsverstoß für gegeben hält 6 0 und es somit auf die Schrankendivergenz zwischen Art. 5 Abs. 2 und A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG für die Entscheidung nicht ankommt. 2. Reisegewerbekarte für Zeitschriftenwerber

I n den letzten Jahren hatten Strafgerichte und Verwaltungsgerichte sich wiederholt m i t der Frage zu befassen, ob Zeitschriftenwerber, die i m Reisegewerbe Bestellungen für Abonnements aufsuchen, gem. §55 GewO i m Besitz einer Reisegewerbekarte sein müssen 61 . Obwohl 58

BGHSt. 17, S. 38 (S. 39). Ebenda, S. 43 f. 60 Ebenda, S. 39 ff., 43 f. 61 B G H A f P 1978, S. 203 ff.; B a y O b L G N J W 1971, S. 1761 ff. = A f P 1971, S. 182 = GewArch. 1971, S.205; O L G Stuttgart, Die Justiz B W 1975, S. 317; 58

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

diese Fragestellung das Verhältnis zwischen Pressefreiheit und Berufsfreiheit berührt, w i r d es i m Rahmen der verfassungsrechtlichen Überlegungen, die i n den einzelnen Entscheidungen angestellt werden, nicht ausdrücklich thematisiert. Dennoch ergeben sich aus diesen Urteilen — unabhängig davon, ob i m Ergebnis § 55 GewO auf Zeitschriftenwerber für anwendbar erklärt w i r d oder nicht 6 2 — interessante Anhaltspunkte dafür, wie das Verhältnis der Pressefreiheitsgarantie zur Gewährleistung der Berufsfreiheit i n der Judikatur gesehen wird. Die Frage der Grundrechtskonformität einer Anwendung des § 55 GewO auf Zeitschriftenwerber i m Reisegewerbe w i r d von den Gerichten nicht anhand des A r t . 12 Abs. 1 GG, sondern ausschließlich i m Hinblick auf A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG untersucht 63 . Diese Enthaltsamkeit hinsichtlich der Berufsfreiheit dürfte kaum damit zureichend erklärt sein, daß die Gerichte die Vereinbarkeit des § 55 GewO mit A r t . 12 Abs. 1 GG für völlig unproblematisch und daher für nicht erwähnenswert halten konnten. Die Ausführungen, die i n den Entscheidungsgründen zur Pressefreiheit gemacht werden, deuten eher darauf hin, daß A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als abschließende Sonderregelung für das Gebiet des Pressewesens einschließlich der beruflichen Seite der Pressetätigkeit verstanden wird. Dafür spricht zunächst die weite, das Pressewesen i n all seinen Aspekten umschließende Fassung des Gewährleistungstatbestandes der Pressefreiheit: I n den besonderen Schutzbereich der Pressefreiheit müsse jedes wesentliche und funktionelle Element einer wirksamen Pressetätigkeit einbezogen werden 64 , also nicht nur die spezifisch pressebezogenen Tätigkeiten, sondern auch „neutrale" Tätigkeiten, sobald sie O L G Bremen, N J W 1976, S. 1359 = GewArch. 1976, S.331; O L G K ö l n , GewArch. 1976, S.383; O L G Schleswig-Holstein, GewArch. 1977, S. 378; V G H Baden-Württemberg, A f P Rspr. Übers. X I I I (1968), S. 53; V G H Baden-Württemberg, GewArch. 1973, S. 286 = A f P 1975, S. 768 = DVB1. 1975, S.261. — Vor den Strafgerichten ging es dabei u m Verfahren wegen Verstoßes gegen §§ 148 I Nr. 5, 55 GewO a. F. bzw. §§ 145 I a), 55 GewO; vor den Verwaltungsgerichten ging es u m vorläufigen Rechtsschutz gem. § 80 V V w G O bzw. die Anfechtung einer teil weisen Gewerbeuntersagung gem. § 35 GewO. 62 Die Reisegewerbekarte für erforderlich halten: B G H A f P 1978, S.203; V G H Baden-Württemberg GewArch. 1973, S. 286; O L G Schleswig-Holstein, GewArch. 1977, S. 378. — Eine Reisegewerbekarte für nicht erforderlich h a l ten dagegen B a y O b L G N J W 1971, S. 1761; O L G Stuttgart, Die Justiz B W 1975, S. 317; O L G Bremen, N J W 1976, S. 1359; O L G K ö l n , GewArch. 1976, S.383. 63 B G H A f P 1978, S.203 (S.205); B a y O b L G N J W 1971, S. 1761 (S. 1761 f.); O L G K ö l n GewArch. 1976, S. 383; V G H Baden-Württemberg A f P Rspr. Übers. X I I I (1968), S. 53 (S.54); V G H Baden-Württemberg, GewArch. 1973, S.286 (S. 288 f.). 64 B a y O b L G N J W 1971, S. 1761 (S. 1762); V G H Baden-Württemberg GewArch. 1973, S. 286 (S. 288).

§ 4 Ansätze i n der Rechtsprechung

141

wegen ihrer organisatorischen Verbindung zu einer Hilfstätigkeit für die Presse würden 6 5 . Der Vertrieb von Presseerzeugnissen habe zwar auch gewerbliche Aspekte, A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG beziehe aber auch die Meinungsverbreitung in seinen Schutzbereich ein und erweitere so die Pressefreiheit auf die Verbreitung des Druckwerks 66 . Das Grundrecht der Pressefreiheit erfasse daher ebenfalls den Vertrieb der Presseerzeugnisse, gerade auch wenn er gewerbsmäßig geschehe67. „ I m Hinblick auf den allgemein geltenden weiten Begriff der »Presse' muß also auch die auf den unmittelbaren Vertrieb von Presseerzeugnissen gerichtete berufliche Erwerbstätigkeit wegen des unabdingbaren Funktionszusammenhangs mit einer wirksamen Verbreitung von Nachrichten und Meinungen durch die Presse der eigentlichen Pressetätigkeit zugerechnet werden 68 ." Der Verbreitung von Druckwerken diene auch das Aufsuchen von Bestellungen durch Zeitschriftenwerber i m Reisegewerbe 6 9 ; die Tätigkeit der Abonnementswerbung i m Reisegewerbe sei nur eine der möglichen A r t e n der Verbreitung von Druckerzeugnissen und stehe rechtlich gleichwertig neben anderen Arten wie Verkauf i n Buchhandlungen oder Kiosken, Straßenverkauf oder der schriftlichen Werbung 7 0 . Der Schutzbereich der Pressefreiheit soll demzufolge den gesamten besonderen Lebensbereich des Pressewesens lückenlos abdecken; jegliche Pressetätigkeit, sei sie journalistische Meinungsäußerung oder Abonnementswerbung i m Reisegewerbe, w i r d dem „besonderen Schutzbereich der Pressefreiheit" 71 und nur i h m unterstellt. Denn des Schutzes durch andere Grundrechtsnormen, insbesondere durch die „wirtschaftlichen Generalfreiheitsrechte" 72 der A r t . 12, 14 GG mit ihren schwächeren Schranken, bedürfe es nicht mehr. Für ein Verständnis des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als erschöpfende Sonderregelung i m Verhältnis zur Berufsfreiheitsgarantie des A r t . 12 Abs. 1 GG spricht zudem, daß einerseits §55 GewO zwar als Berufswahlregelung, genauer als subjektive Zulassungsschranke gesehen73, andererseits A r t . 12 Abs. 1 GG aber nicht für einschlägig gehalten wird. Vielmehr w i r d 85

O L G K ö l n GewArch. 1976, S. 383. B a y O b L G N J W 1971, S. 1761 (S. 1761). 67 V G H Baden-Württemberg GewArch. 1973, S. 286 (S. 288). 68 B a y O b L G N J W 1971, S. 1761 (S. 1762). 89 V G H Baden-Württemberg A f P Rspr. Übers. X I I I (1968), S. 53 (S.54); V G H Baden-Württemberg GewArch. 1973, S.286 (S.288); B a y O b L G N J W 1971, S. 1761 (S. 1762); O L G K ö l n GewArch. 1976, S. 383. 70 B a y O b L G N J W 1971, S. 1761 (S. 1762). 71 B a y O b L G N J W 1971, S. 1761 (S. 1762); V G H Baden-Württemberg GewArch. 1973, S. 286 (S. 288). 72 Scholz, DÖV 1975, S. 136 ff. (S. 136). 73 B G H A f P 1978, S.203 (S.205); V G H Baden-Württemberg GewArch. 1973, S.286 (S. 289); B a y O b L G N J W 1971, S. 1761 (S. 1762); O L G K ö l n GewArch. 1976, S. 383. ββ

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1. Teil: Konventionelle Problemlösung

angenommen, für das Pressewesen stelle sich § 55 GewO als Einschränkung der Pressefreiheit dar 74 . Dies, obwohl kein unmittelbarer Eingriff i n die Pressefreiheit i n Betracht komme, da die Rolle der Presse als M i t t l e r i n geistiger Inhalte durch § 55 GewO nur mittelbar berührt werde, zumal da die Gründe für die Versagung einer Reisegewerbekarte keinerlei Bezug zum Inhalt der Presseerzeugnisse hätten 7 5 . 3. Zeitungsbeförderung und Güterkraftverkehrsgesetz (OLG Köln, AfP 1978, S. 101)

I n seinem Urteil vom 13.12.1978 gibt das Oberlandesgericht K ö l n der Rechtsbeschwerde von Inhaber und Geschäftsführer eines Pressevertriebsunternehmens statt, die beide wegen unerlaubten und tarifwidrigen Güterfernverkehrs gem. §§3, 8 Abs. 1, 20, 98, 99 Abs. 1 S. 1 G ü K G zu einer Geldbuße verurteilt worden waren. Die Beschwerdeführer transportierten i m Auftrag eines Zeitungsverlages täglich die für den Vertrieb i n NRW bestimmten Exemplare einer Tageszeitung von Frankfurt nach Köln. A n Wochenenden, wenn die Zeitungen schwerer waren, erfolgte die Beförderung nicht mit einem PKW, sondern — ohne Genehmigung für den Güterfernverkehr — m i t einem L K W . Eine Genehmigung konnten die Beschwerdeführer auch i n absehbarer Zeit nicht erhalten, weil die Kontingente iSd. § 9 GüKG erschöpft waren 7 6 . Die Entscheidung des OLG K ö l n liegt völlig auf der Linie der Judikatur zur Anwendbarkeit des § 55 GewO i m Bereich des Pressevertriebs, auf die das Gericht auch ausdrücklich Bezug nimmt 7 7 . Wie i n jenen Fällen sieht das OLG durch die Genehmigungspflicht der Zeitungsbeförderung i m Güterfernverkehr gem. §8 Abs. 1, §3 GüKG den — weit gefaßten — Schutzbereich der Pressefreiheit beeinträchtigt. Dieser umschließe auch die „neutralen" Hilfstätigkeiten der Presse, insbesondere den Vertrieb und die Verbreitung der Zeitungen an die Leser. Daher falle auch der Transport von Tageszeitungen zwischen Verlag und Grossisten i n den Bereich der Pressetätigkeit. Neben der individuellen Presse(gewerbe)freiheit der Beschwerdeführer sieht das OLG auch das Institut „Freie Presse" i n Mitleidenschaft gezogen: Die Anwendung des GüKG auf die Zeitungsbeförderung durch Lastkraft74 V G H Baden-Württemberg GewArch. 1973, S.286 (S.289); O L G Schleswig-Holstein GewArch. 1977, S. 378. 75 B G H A f P 1978, S. 203 (S. 205); V G H Baden-Württemberg GewArch. 1973, S. 286 (S. 289). 70 O L G K ö l n A f P 1978, S. 101 (S. 101). 77 Vgl. oben § 4 I I 2, S. 146. Das O L G beruft sich für seine Auffassung auf B a y O b L G N J W 1971, S. 1761; O L G Gelle, N J W 1975, S. 1894; O L G Bremen, N J W 1976, S. 1359; O L G H a m m G A 1977, S. 179; O L G K ö l n GewArch. 1976, S.383.

§ 4 Ansätze i n der Rechtsprechung

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wagen gefährde ein schnell und sicher arbeitendes Vertriebsnetz der Zeitungsverlage außerhalb der Nahzone und fördere durch die Benachteiligung von kleinen und mittleren Verlagen, die keinen erlaubnisfreien Werksfernverkehr unterhalten könnten, die Pressekonzentration 7 8 . Nach Meinung des OLG kann die Pressefreiheit durch das GüKG nicht gem. A r t . 5 Abs. 2 GG wirksam begrenzt werden, da die Regelung der Zeitungsbeförderung nicht der Gesetzgebungsmaterie des A r t . 74 Nr. 11 GG zuzurechnen sei, sondern zum Presserecht gehöre, für das der Bund keine Vollregelungskompetenz besitze. Maßgeblich könne daher nicht das Bundesgüterkraftverkehrsgesetz, sondern nur das Landespressegesetz NW sein. Dieses erkläre die Pressetätigkeit i n § 2 LPG NW für zulassungsfrei 79 . Nach alledem könne es auf sich beruhen, ob nicht auch eine Auslegung der §§ 3, 8 Abs. 1 GüKG unter dem Gesichtspunkt der Rechtsprechung des BVerfG zu A r t . 12 Abs. 1 GG zu demselben Ergebnis käme 80 . Wenn das OLG also die Prüfung der Grundrechtskonformität der §§3, 8 Abs. 1 G ü K G allein anhand von A r t . 5 Abs. 1, 2 GG vollzieht und es für unerheblich erklärt, ob die Prüfung am Maßstab des A r t . 12 Abs. 1 GG zu demselben oder zu einem anderen Ergebnis führen müßte, kann daraus nur geschlossen werden, daß es A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als abschließende Sonderregelung für das Gebiet des Pressewesens ansieht, neben der für eine Anwendung des A r t . 12 Abs. 1 GG kein Raum mehr verbleibt. Auch insoweit deckt sich die Entscheidung des OLG K ö l n mit der Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 55 GewO i m Bereich des Pressevertriebs 81 . 4. Zeitungsverkauf und Ladenschlußgesetz (OLG Karlsruhe, AfP 1972, S. 334)

I n seinem Beschluß vom 2.11.1971 verwirft das Oberlandesgericht Karlsruhe die Rechtsbeschwerde einer Zeitungseinzelhändlerin gegen die Festsetzung einer Geldbuße wegen Verstoßes gegen §§ 3, 5 LadSchlG. Die Beschwerdeführerin, die einen Zeitungskiosk betreibt, hatte vor ihrer täglichen Zeitungsverteilung an Wiederverkaufsstellen gegen 5 Uhr jeweils einen Zeitungsselbstbedienungskasten neben ihre Ladentür gestellt. Aus diesem wurden täglich i n der Zeit zwischen 5 und 6 78

O L G K ö l n A f P 1978, S. 101 f. Ebenda, S. 101; auf diese umfangsmäßige Gleichsetzung von Schutzhereich der Pressefreiheit u n d der Gesetzgebungsmaterie „Pressewesen" k a n n hier nicht eingegangen werden; anders als das O L G K ö l n jedoch BVerfGE 36, S. 193 (S.205); B G H A f P 1978, S.203 (S.205); V G H Baden-Württemberg GewArch. 1973, S. 286 (S. 288). 80 Vgl. insbesondere BVerfGE 40, S. 196 (S. 216 ff.) zur Vereinbarkeit der Kontingentierung der Güterverkehrsgenehmigung gem. § 9 I G ü K G m i t A r t . 12 I GG; vgl. auch B V e r w G E 51, S. 235. 81 Vgl. oben § 4 I I 2. 79

144

1. Teil: Konventionelle Problemlösung

Uhr etwa 20 Zeitungen entnommen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts hatte die Beschwerdeführerin damit vorsätzlich den §§ 3, 5 Nr. 1 LadSchlG zuwidergehandelt 82 . Das OLG Karlsruhe sieht die Anwendbarkeit der §§ 3, 5 Nr. 1 LadSchlG nicht durch die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs. 1 LadSchlG über Warenautomaten für ausgeschlossen an. Es wendet sich sodann der Frage der Verfassungsmäßigkeit der §§ 3, 5 Nr. 1 LadSchlG zu, untersucht diese jedoch allein am Maßstab des A r t . 12 Abs. 1 GG. I m Ergebnis n i m m t das OLG unter Berufung auf die Ladenschluß-Entscheidung des BVerfG 8 3 eine zulässige Regelung der Berufsausübung an 84 . A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG gerät dem O L G überhaupt nicht ins Blickfeld, obwohl es sich hier noch deutlicher als bei der Abonnementswerbung i m Reisegewerbe und ebenso wie bei der Zeitungsbeförderung i m Güterfernverkehr u m den Bereich des Pressevertriebs handelt. Die Tatsache, daß die §§ 3, 5 Nr. 1 LadSchlG spezifisch die Berufsausübung i m Zeitungsvertriebswesen einschränkend regeln, scheint für das OLG aber kein Anlaß zu sein, u m die unterschiedslos für alle Berufe geltende Grundrechtsnorm des A r t . 12 Abs. 1 GG nicht auch i n diesem Falle für anwendbar zu halten. Die Vorgehensweise des O L G läuft praktisch darauf hinaus, die Presseberufsausübung — jedenfalls i m Vertriebsbereich — allein dem Schutzbereich der Berufsfreiheit und nicht (auch) dem Grundrechtstatbestand der Pressefreiheit zuzuordnen 85 . Das OLG mag dazu zwar darauf verweisen, daß das BVerfG i n seiner Ladenschluß-Entscheidung 86 ebenfalls nur den A r t . 12 Abs. 1 GG geprüft habe; das O L G gerät m i t seiner Entscheidung aber — bewußt oder unbewußt — i n direkten Gegensatz zur übrigen höchstrichterlichen Judikatur, die den gewerbsmäßigen Vertrieb von Druckerzeugnissen i n den Schutzbereich der Pressefreiheit einbezieht 87 . Es liegt eindeutig i n der Konsequenz dieser Rechtsprechung, die Verbreitung von Tageszeitungen durch Selbstbedienungskästen m i t anderen, durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Vertriebsarten für gleichwertig zu halten 8 8 . 82 O L G Karlsruhe, A f P 1972, S. 334 (S. 334). Die Entscheidungen des B V e r w G i n N J W 1960, S. 2209 = A f P Rspr. Übers. V (1960), S. 38 u n d i n B B 1963, S. 1457 = A f P Rspr. Übers. V I I I (1963), S. 61 f. sowie die Entscheidungen des O L G Hamm, B B 1965, S. 1290 = A f P Rspr. Übers. X (1965), S. 66 u n d des V G K ö l n , A f P Rspr. Übers. I V (1959), S.42f. = DRSP V/533/136 können hier außer Betracht bleiben, da sie keine i n unserem Zusammenhang bedeutsamen verfassungsrechtlichen Erwägungen beinhalten. 83 BVerfGE 13, S. 237 (S. 239). 84 O L G Karlsruhe, A f P 1972, S. 334 (S. 334). 85 So auch Menzel, A f P 1972, S. 334 (S. 335) i n seiner Urteilsanmerkung. 86 BVerfGE 13, S. 237 (S. 239). 87 Vgl. zur Rspr. des BVerfGE oben § 4 1 1 ; vgl. i m übrigen die zur Reisegewerbekarte für Zeitschriftenwerber oben i n F N 61 zitierte Rspr. 88 So auch Menzel, A f P 1972, S. 334 (S. 335).

§ 4 Ansätze i n der Rechtsprechung

145

5. Pressesubventionierung

I n seinen Urteilen vom 31.10.1973 89 und vom 15. 5.1974 90 erklärt das Verwaltungsgericht Berlin die Gewährung von staatlichen Kredithilfen an konzentrationsgefährdete kleine und mittlere Zeitungsverlage mangels gesetzlicher Grundlage für rechtswidrig. Die gegen das zweite verwaltungsgerichtliche Urteil eingelegte Berufung w i r d vom Oberverwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 25.4.1975 als unbegründet zurückgewiesen 91 . Die materiell-rechtlich zu schützende und klagebegründende Rechtsposition der nicht subventionierten Kläger erkennt das V G Berlin i n seinen beiden Entscheidungen i n der grundrechtlichen Garantie der Pressefreiheit gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG 9 2 . I n diesem Zusammenhang erörtert das V G ausdrücklich das Verhältnis zwischen Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie: I m allgemeinen berühre die Subventionierung von Wirtschaftsunternehmen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit gem. A r t . 2 Abs. 1 GG der nicht geförderten Konkurrenzunternehmen, ihre Berufsfreiheit gem. A r t . 12 Abs. 1 GG und das i m Rahmen der Eigentumsgarantie des A r t . 14 Abs. 1 GG gewährleistete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 93 . I m besonderen Fall der Pressesubventionierung seien zwar auch die publizistische Berufs- und Gewerbefreiheit, das Recht am Pressegewerbebetrieb und die Wettbewerbsfreiheit der Zeitungsverlage betroffen 94 ; die genannten Freiheiten seien aber sämtlich auch über den A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt. Die hier berührten Grundfreiheiten und die Eigentumsgewährleistung seien nämlich zugleich notwendige Voraussetzung der individuellen Pressefreiheit. Ohne eigener Sachgewalt unterworfene Betriebsmittel, ohne die Freiheit des journalistischen Berufes und ohne die Möglichkeit, sich i m wirtschaftlichen Bereich frei zu bewegen, müsse das Pressefreiheitsrecht des Einzelnen weitgehend leerlaufen 95 . Die unternehmerische Tätigkeit innerhalb eines Pressebe89 V G Berlin, DÖV 1974, S. 100 = N J W 1974, S. 330 = A f P 1973, S. 520, m. A n m . K u l i . 90 V G Berlin, D Ö V 1975, S. 134, m. A n m . Scholz = DVB1. 1975, S. 268, m. A n m . Henke. 91 O V G Berlin, DVB1. 1975, S. 905 = N J W 1975, S. 1938 = A f P 1975, S. 851, m. A n m . Gädecke = JZ 1976, S. 402, m. A n m . Hoffmann-Riem = JuS 1976, S. 115. — Zur Problematik v o n Pressesubventionierung u n d Vorbehalt des Gesetzes vgl. insbesondere Schenke, GewArch. 1977, S. 319 ff.; ders., DSt. 15 (1976), S. 553 ff.; Krebs, DVB1. 1977, S. 632 ff. sowie Löwer, J A 1976 ÖR S. 245 ff. 92 V G Berlin, D Ö V 1974, S. 100 (S. 101 f.). V G Berlin, DÖV 1975, S. 134 (S. 135). 93 V G Berlin, DÖV 1975, S. 134 (S. 135). 94 V G Berlin, D Ö V 1974, S. 100 (S. 102). 95 V G Berlin, D Ö V 1975, S. 134 (S. 135).

10 Degen

1. Teil: Konventionelle Problemlösung

146

triebs stehe i n einem so engen sachlichen Zusammenhang mit der publizistischen Tätigkeit, daß sich Pressefreiheit und Gewerbefreiheit des Verlegers nicht voneinander trennen ließen 96 . Das V G geht daher davon aus, „daß die gesamte Tätigkeit eines Presseunternehmens dem i m Verhältnis zu den Verbürgungen der A r t . 2, 12 und 14 GG weitergehenden Schutz des A r t . 5 GG unterfällt" 9 7 . Das verfassungsrechtliche Problem staatlicher Maßnahmen zum Schutze der Presse- und Informationsfreiheit gegenüber Konzentrationsvorgängen liege deshalb nicht i n einer Abwägung der Presse- und Informationsfreiheit m i t der Eigentumsgarantie und der Freiheit wirtschaftlicher Betätigung oder mit der Berufsfreiheit, sondern i m Bereich des A r t . 5 GG selbst 98 . Diese Beschränkung der Eingriffskontrolle auf die Pressefreiheit ist nur von der Auffassung her konsequent, derzufolge auch die wirtschaftliche Seite der Presse dem Schutzbereich des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG unterfällt und das Grundrecht der Pressefreiheit abschließende Sonderregelung gegenüber den „wirtschaftlichen Generalgrundrechten" aus A r t . 2 Abs. 1, A r t . 12 Abs. 1, A r t . 14 Abs. 1 GG ist 9 9 . I n diesem Ergebnis trifft sich die Auffassung des V G Berlin mit der Judikatur zur Anwendbarkeit des § 55 GewO 1 0 0 und der §§ 3, 8 G ü K G 1 0 1 i m Bereich des Pressewesens. I m Unterschied zu jener Rechtsprechung versucht das V G Berlin jedoch nicht nur, die weite Fassung des Schutzbereichs der Pressefreiheit, sondern auch den Charakter des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG als erschöpfende Sonderregelung näher zu begründen. Dabei erkennt das V G durchaus, daß sich der weit gefaßte, auch die ökonomische Seite erfassende Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG mit den Tatbeständen der A r t . 2 Abs. 1, A r t . 12 Abs. 1, A r t . 14 Abs. 1 GG überschneiden muß 1 0 2 . Die Subsidiarität der „wirtschaftlichen Generalgrundrechte" 103 folgt für das V G daraus, daß die Regelungsvorbehalte der A r t . 2 Abs. 1, A r t . 12 Abs. 1 S. 2, A r t . 14 Abs. 1 S. 2 GG weiter gefaßt sind als die Vorbehaltsschranke des A r t . 5 Abs. 2 GG. Der „weiterreichende Schutz" des A r t . 5 GG w i r d auch für die wirtschaftliche Seite der Pressetätigkeit für unabdingbar gehalten, da ohne diesen auch die mit der wirtschaftlichen eng zusammenhängende publizistische Seite der Pressearbeit nicht zureichend gesichert sei. Nach Ansicht des V G könnte 96 97 98 99

273). 100 101 102 103

V G Berlin, DÖV 1974, S. 100 (S. 102). V G Berlin, D Ö V 1974, S. 100 (S. 102); V G Berlin, D Ö V 1975, S. 134 (S. 135). V G Berlin, D Ö V 1974, S. 100 (S. 102). Scholz, DÖV 1975, S. 136 ff. (S. 136); Henke, DVB1. 1975, S. 272 ff. (S. 272/ Vgl. oben § 4 I I 2. Vgl. oben § 4 I I 3. V G Berlin, DÖV 1974, S. 100 (S. 102); V G Berlin, DÖV 1975, S. 134 (S. 135). So Scholz, D Ö V 1975, S. 136 ff. (S. 136).

§ 4 Ansätze i n der Rechtsprechung

147

also der Schutzzweck des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht mehr erreicht werden, wollte man auf die wirtschaftliche Pressetätigkeit, die auch dem Tatbestand der allgemeineren Normen der A r t . 2 Abs. 1, A r t . 12 Abs. 1, A r t . 14 Abs. 1 GG unterfällt, diese Grundrechtsnormen ebenfalls anwenden 104 . Gegenüber dieser relativ ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie beschränkt sich die das verwaltungsgerichtliche Urteil bestätigende Berufungsentscheidung des OVG Berlin vom 25.4.1975 auf die Feststellung, das Grundrecht aus A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG schütze das gesamte Leben und die gesamte Arbeit des Presseunternehmens 105 . Damit w i r d die Eingriffskontrolle auch hier auf das Grundrecht der Pressefreiheit begrenzt, was darauf hindeutet, daß auch das OVG den A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als abschließende Sonderregelung i m Verhältnis zu den A r t . 12 Abs. 1, A r t . 14 Abs. 1 GG begreift.

104 Dies w i r d vor allem i n der zweiten Entscheidung deutlich herausgearbeitet: V G Berlin, DÖV 1975, S. 134 (S. 135). 105 O V G Berlin, DVB1. 1975, S. 905 (S. 908).

10*

Zweiter Teil

Grundrechtsnorm und gesellschaftlicher Lebensbereich Bisher ist gezeigt worden, daß die unterschiedlichen Ansätze zur Bestimmung des Verhältnisses der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie mit verschiedenen interpretationsmethodischen und grundrechtstheoretischen Konzeptionen i n Verbindung gebracht werden können. I m Zusammenhang dieser Darstellung ist auch deutlich geworden, daß alle Lösungsmodelle m i t mehr oder minder ausgeprägten räumlichen Vorstellungen operieren: Die Grundrechte werden auf ausgegrenzte Bereiche 1 , auf gesellschaftliche Lebensbereiche 2 , auf institutionelle Lebensbereiche 3 bezogen. Ihre Schutzbereiche werden voneinander abgegrenzt, auf Überschneidungen h i n untersucht oder einander funktional zugeordnet. Dieses bisher nur sporadisch angesprochene „verräumlichende Denken" gilt es wegen seiner Bedeutung für die unterschiedlichen Lösungswege i m Zusammenhang zu erfassen. I m Mittelpunkt der Untersuchung muß zunächst der Begriff des grundrechtlichen „Lebensbereichs" stehen, der trotz seiner häufigen Verwendung kaum näher erläutert wird.

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So die subjektiv-rechtliche Lehre; vgl. oben § 1 I I 2). Vgl. für die modifizierte subjektiv-rechtliche Lehre oben § 2 I I 1) u n d für die Lehre v o m grundrechtlichen Doppelcharakter oben § 2 I I 2 b) u n d § 2 I I 2 c). 3 So die institutionelle Theorie; vgl. oben § 3 I I 1). 2

§ 5 Der Begriff des Lebensbereiche I. Ansätze in der subjektiv-rechtlichen Lehre Verräumlichende Kategorien werden i n der subjektiv-rechtlichen Lehre zwar insofern verwandt als angenommen wird, durch die Freiheitsrechte würden „Bereiche" aufgerichtet, vor denen die Staatsgewalt Halt mache. Die aus der staatlichen Willenssphäre ausgegrenzte Sphäre individuellen Beliebens w i r d aber ohne positive Definition gelassen; sie kann daher nicht auf soziale Zusammenhänge, auf bestimmte Teilbereiche des sozialen Lebens bezogen werden. Die Pressefreiheit w i r d demgemäß rein handlungsbezogen verstanden 1 . Die Modifikation der subjektiv-rechtlichen Lehre vollzieht hier eine wichtige Änderung 2 : M i t der Aufgabe des reinen Substraktionsverfahrens der Schutzumfangsermittlung w i r d das „sachliche Substrat" des grundrechtlich ausgegrenzten Bereichs positiv als gesellschaftlicher Lebensbereich bestimmt 3 . Dieser Begriff w i r d zwar nicht regelmäßig verwandt und nicht ausdrücklich definiert, aber inhaltlich w i r d die Grundrechtsnorm damit auf einen Ausschnitt aus der Totalität des wirklichen gesellschaftlichen Lebens bezogen. Darauf läuft auch die Kennzeichnung des Grundrechts der Pressefreiheit als umfassende, lückenlose Regelung aller typischen Pressetätigkeit hinaus. So w i r d der Schutz durch das subjektive öffentliche Recht des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG auf individuelle Aktionen innerhalb des Lebensbereichs „Presseunternehmen" bezogen. Der Strukturschutz durch das objektiv-rechtliche „Konnexinstitut" w i r d i m Rahmen desselben Lebensbereichs gehalten, der für den subjektiv-rechtlichen Aktionsschutz maßgeblich sein soll 4 . Die Modifikation der subjektiv-rechtlichen Lehre bleibt damit auch auf der objektiv-rechtlichen Seite konkret-individuellen Dimensionen verhaftet. Methodisch werden für die Abgrenzung des grundrechtlichen Lebensbereichs nicht funktionale, sondern traditionale Kriterien zum Ausgangspunkt genommen: Die Beschreibung des Lebensbereichs 1 Schnur, DVB1. 1965, S.489 ff. (S.490); ders., V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 103 F N 9, 118 F N 40, 41); vgl. näherhin oben § 1 I, I I 2. 2 Vgl. oben § 2 I I 1. 3 Forsthoff, DSt. 5 (1966), S. 1 ff. (S. 7); Merten, JuS 1976, S. 345 ff. (S.347); Wilke, V e r w i r k u n g , S. 72 f.; Schwark, S. 126. 4 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 12, 44, 64; Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 140; vgl. auch die weiteren Nachweise oben § 2 I I 1.

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

„Presseunternehmen" orientiert sich an der historisch gewachsenen, teilweise rechtserzeugten, typischen gesellschaftlichen Realität. I I . Entwicklung in der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter Der Bezug des grundrechtlichen Aktions- und Strukturschutzes auf einen sozialen Lebensbereich t r i t t in der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter durch regelmäßige ausdrückliche Verwendung des Begriffs „Lebensbereich" deutlicher hervor als i n der modifizierten subjektiv-rechtlichen Lehre 5 . I n der Lehre vom Doppelcharakter finden sich zudem Versuche, den Begriff des „Lebensbereichs" zu definieren. Dies nicht zufällig, denn die Methode positiver Inhaltsbestimmung des grundrechtlichen Schutzumfangs macht solche Definitions versuche unumgänglich 6 . Die inhaltliche Bestimmung dessen, was als grundrechtlicher Lebensbereich angesprochen wird, gelangt jedoch über die A n gabe weniger vager Kriterien nicht hinaus: Das Bundesverfassungsgericht w i l l unter „Lebensbereich" einen „Komplex des sozialen Lebens" verstehen, „der zusammengehört und sich — vielfach auch schon i m bisherigen Recht — von anderen als Einheit abhebt" 7 . Was einem derartigen „Lebensbereich" unterfallen soll, soll aus seinem „Wesen" ermittelt werden: „Der Lebensbereich ,Kunst' ist durch die vom Wesen der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale zu bestimmen. Von ihnen hat die Auslegung des Kunstbegriffs der Verfassung auszugehen8." I n durchaus ähnlicher Weise beschreibt Friedrich Müller den „Normbereich" als „Ausschnitt sozialer Wirklichkeit i n seiner Grundstruktur, den sich das Normprogramm als seinen Regelungsbereich ,ausgesucht' oder ζ. T. erst geschaffen hat" oder als „realmöglich formulierten Zusammenhang von Strukturmerkmalen, die i n der auswählenden und wertenden Perspektive des Normprogramms aus der sozialen Realität herausgehoben werden und i m Regelfall zumindest teilweise rechtlich geformt sind". Der „Normbereich" umfaßt also nicht alle sachlichen Gegebenheiten des Ausschnitts sozialer W i r k lichkeit, auf den die Norm bezogen ist, er geht über die bloße Faktizität eines Wirklichkeitsausschnitts hinaus. Der „Normbereich" soll nur das „sachspezifisch Geschützte", eine bestimmte „Eigen-Art" und „auf andersartige Sachverhalte und Bezugssysteme nicht mehr reduzierbare Elemente" umfassen. Der „Normbereich" soll durch die historisch ge5

Vgl. oben § 2 I I 2. Z u r Methode positiver Inhaltsbestimmung vgl. Scheuner, V V D S t R L 22, S. I f f . (S. 50); Lerche, Übermaß, S. 106; F.Müller, Freiheit der Kunst, S.51; vgl. auch die weiteren Nachweise oben § 2 I I 2 d) m. F N 91, 92. 7 BVerfGE 9, S. 338 (S. 349), allerdings bezogen auf A r t . 3 I GG. 8 BVerfGE 30, S. 173 (S. 188) — Mephisto —; kritisch hierzu Lerche, A f P 1973, S. 496 ff. (S. 497), der für eine funktionale Betrachtungsweise plädiert. 6

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formte „faktische Daseinsweise und Ausübung des Grundrechts", die „typischen Ausübungs-, Organisations- und Sachzustandsformen des betreffenden Grundrechts" sowie durch unterverfassungsrechtliche Normierung geprägt werden 9 . Als grundrechtliche „Normbereiche" angesprochen werden etwa „Glaube" (Art. 4 Abs. 1 GG), „Kunst" (Art. 5 Abs. 3 GG), „Beruf" (Art. 12 Abs. 1 GG) oder „Eigentum" (Art. 14 Abs. 1 GG) 10 . Der „Normbereich" des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG ist demgemäß mit „Presse" anzugeben. Über die Charakterisierung des „Normbereichs" als „typisch und eigenständig" 1 1 und die Aussage der Grenz Wirkung des Normtexts 1 2 hinaus führt dieser Ansatz nicht zur Formulierung weiterer rechtsdogmatischer oder sozialwissenschaftlicher Kriterien für die Abgrenzung verschiedener, i m Normtext oft nur leerformelhaft angesprochener „Lebensbereiche" 13 . Die Vagheit des Lebensbereichs-Begriffs macht es möglich, daß die Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter bei der Auslegung des Grundrechts der Pressefreiheit mit einer Verdoppelung des Lebensbereichs-Begriffs operieren kann: Der Schutz durch das subjektive öffentliche Recht des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG w i r d auf individuelle Aktionen innerhalb des Lebensbereichs „Presseunternehmen" bezogen 14 . Dagegen soll der Strukturschutz durch die objektiv-rechtliche Garantie nicht mehr auf den konkret-individuellen Unternehmensbereich, sondern den gesamtgesellschaftlich dimensionierten Lebensbereich „Pressewesen" bezogen sein 15 . Es w i r d nebeneinander m i t zwei verschieden ausgelegten Lebensbereichen operiert, die nur durch den Oberbegriff „Presse" zusamengehalten werden. Auch die Lehre vom Doppelcharakter versucht die Abgrenzung des grundrechtlichen Lebensbereichs nach traditionalen Kriterien vorzunehmen. Die Umschreibung des Lebensbereichs richtet sich nach der historisch gewachsenen, teil9 F.Müller, Juristische Methodik, S.38: „grundrechtlich geschützte Ausschnitte individuellen u n d sozialen Lebens", S. 117, 120 f., 199 u n d S. 270 zur Unterscheidung v o n Sachbereich u n d Normbereich; ders., N o r m s t r u k t u r u n d Normativität, S. 80 f.; ders., Freiheit der Kunst, S. 39, 64; ders., Positivität, S. 41; zustimmend hierzu Hesse, Grundzüge, § 1 I I I 5), S. 19; ähnlich auch Kunert, S. 46 u n d Grimmer, Demokratie u n d Grundrechte, S. 174 f. 10 v g l Müller, Juristische Methodik, S. 39 ff.; ders., Normbereiche v o n Einzelgrundrechten, S. 20 ff.; Hesse, Grundzüge, § 10 I I 1, S. 131 f. 11

Kunert, S. 39; ähnlich F. Müller, Positivität, S. 98 ff. F. Müller, Juristische Methodik, S. 153 f. 13 F. Müller, Juristische Methodik, S. 154, spricht selbst v o n der Schwierigkeit, die Grenzfunktion des Wortlauts gegenüber Sachgesichtspunkten des Normbereichs zu aktualisieren, da dieser oft n u r durch Stichwörter angedeutet sei. 14 Löffler, Presserecht I, Kap. 5, Rdnr. 52; Mössle, AöR 101 (1976), S. 202 ff. (S. 203); Gädeke, in: Schiwy/Schütz, S. 140 f. 15 Löffler, Presserecht I, Kap. 5, Rdnr. 81; weitere Nachweise oben § 2 I I 2 d) i n F N 101. 12

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

weise rechtserzeugten sozialen Wirklichkeit. Der Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Funktion der Presse ist nur maßgeblich dafür, daß der objektiv-rechtliche Strukturschutz auf einen gesamtgesellschaftlichen Lebensbereich, das „Pressewesen", bezogen w i r d und welche Strukturen innerhalb dieses Lebensbereichs für schützenswert erklärt werden. Die inhaltliche Beschreibung der beiden Lebensbereiche „Presseunternehmen" und „Pressewesen" erfolgt aber ohne Rücksicht auf die „öffentliche Aufgabe der Presse" allein anhand eines traditionalen Pressebegriffs 16 . ΙΠ. Entfaltung in der institutionellen Lehre Die Beziehung des Grundrechtsschutzes auf einen gesellschaftlichen „Lebensbereich" ist i n der institutionellen Grundrechtstheorie ständige façon de parier: Die Grundrechtsnormen werden „einzelnen Lebensgebieten" , bestimmten „Lebenskreisen", „tatsächlichen, objektiven, sozialen Lebensverhältnissen", einem „milieu social" zugeordnet 17 . Die institutionelle Lehre arbeitet nicht m i t einer methodisch fragwürdigen Verdoppelung des Lebensbereich-Begriffs, sondern findet wegen ihrer theoretischen Geschlossenheit zur begrifflichen Einheitlichkeit zurück: „Lebensbereich" meint auch hier zunächst einen durch den Verfassungstext bezeichneten kohärenten und so von anderen abgegrenzten Ausschnitt aus der Totalität des gesellschaftlichen Lebens 18 . Es handelt sich jedoch i n keiner Weise mehr u m einen „ausgeklammerten" individuellen Bereich, sondern u m einen übergreifenden, überindividuellen Zusammenhang 19 . Gemeint ist nicht mehr der individuell „beherrschte Lebensraum" 20 , sondern der gesellschaftlich „eingerichtete", „verfaßte", „organisierte" Lebensbereich m i t seinen Eigengesetzlichkeiten; an die Stelle des individuellen t r i t t der institutionelle Lebensbereich 21 . Eine abstrakte, i m voraus festgelegte Definition des institutionellen Lebensbereichs w i r d für nicht möglich gehalten; eine solche könne der Kon16 Vgl. bereits die Ausführungen oben § 2 I I 2 a), w o festgehalten wurde, daß i n der Lehre v o m Doppelcharakter ein wertbezogener Pressebegriff überwiegend abgelehnt w i r d . Die Beschreibung des Lebensbereichs „Presse" anhand traditioneller K r i t e r i e n wurde zudem bereits dadurch kenntlich gemacht, daß für die „objektiv-rechtliche Seite" die genauere Bezeichnung „objektiv-rechtliche Garantie der Grundzüge der Ordnung eines gesellschaftlichen Lebensbereichs" vorgeschlagen wurde (vgl. oben § 2 I I 2 c). 17 Hauriou, Theorie der Institution, S. 34; Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 11, 19, 22, 70, 106; Stammler, S. 196. 18 I. Gross, S. 83. 19 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 11, 22, 98. 20 Forsthoff, Verfassungsprobleme des Sozialstaats, in: ders., Rechtsstaat i m Wandel, S. 50 f. 21 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 96 ff.

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kretheit der grundrechtlich geschützten Lebensbereiche nicht gerecht werden, diesen müsse vielmehr von Fall zu Fall nachgespürt werden. So w i r d das Grundrecht der Pressefreiheit auf den vagen, kaum näher umschriebenen Lebensbereich „Institution Freie Presse" bezogen 22 . Die Entfaltung der Lebensbereichs-Konzeption i n der institutionellen Lehre, die Lösung von individuellen und die Hinwendung zu sozialen Dimensionen geht zwar auch von dem Anspruch der positiven Inhaltsbestimmung des grundrechtlichen Schutzumfangs aus, erklärt sich vollständig aber nur aus dem prononcierten Wirklichkeitsbezug der Verfassungsinterpretation und der institutionellen Überformung der Freiheit 2 3 . I V . Lebensbereich, Regelungsbereich, Schutzbereich A u f einen gemeinsamen Nenner gebracht, meint „Lebensbereich" i n allen drei Grundrechtstheorien einen durch den Verfassungstext bezeichneten, zusammenhängenden und einheitlichen Komplex sozialer Wirklichkeit. Damit ist aber noch keine grundrechtsdogmatische Einordnung des grundrechtlichen „Lebensbereichs" geleistet. Für diese Einordnung kann die Unterscheidung zwischen dem „Regelungsbereich" und dem „Schutzbereich" einer Grundrechtsnorm hilfreich sein: Der „Regelungsbereich" meint das grundrechtliche Gewährleistungsobjekt, das i n der verräumlichenden Sprache einer wirklichkeitsorientierten Verfassungsauslegung als Ausschnitt sozialer Wirklichkeit gesehen wird, auf den die normative Regelung bezogen sei. I n diesen „Regelungsbereich" fallen alle innerhalb des normtextlich thematisierten Soziaibereichs möglichen Verhaltensweisen 24 . Dagegen umfaßt der „Schutzbereich" neben dem Gewährleistungsobjekt stets die Grundrechtssubjekte und i n einigen Fällen weitere sachliche Gewährleistungsschranken 25 . Unter „Schutzbereich" w i r d so der vom Normtext begrenzte personelle und sachliche Umfang der Freiheitsgewährleistung einer Grundrechtsvorschrift vor Abzug der verfassungsunmittelbaren und verfassungsmittelbaren Vorbehaltsschranken verstanden 26 . Räumlich ausgedrückt bezeichnet der „Schutz22

Ebenda, S. 102; Stammler, S. 224; I. Gross, S. 157. Vgl. oben § 3 I u n d § 3 I I 1. 24 Erichsen, StaRuVfgbkt. I, S. 138; F. Müller, Juristische Methodik, S. 92, 117; Krebs, Vorbehalt, S. 38 f. 25 Z u m Begriff der Gewährleistungsschranken vgl. v. Mangoldt-Klein, Bd. I, Vorbem. Β X V 2), S. 123 f. 26 Vgl. zum Begriff des Schutzbereichs auch Schwabe, Grundrechtsdogm a t i k , S. 151 ff.; zum Begriff der Vorbehaltsschranken vgl. v. Mangoldt-Klein, Bd. I Vorbem. Β X V 3), S. 129 f. 23

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

bereich" den durch den Normtext aus dem „Regelungsbereich" personell und sachlich ausgegrenzten Ausschnitt sozialer Wirklichkeit, innerhalb dessen freie Betätigung grundrechtlich garantiert sein soll. Der „Schutzbereich" ist dann enger als der „Regelungsbereich", wenn er zusätzliche persönliche oder sachliche Gewährleistungsschranken enthält: So ist i n A r t . 8 Abs. 1 GG der thematisierte „Regelungsbereich" m i t „sich versammeln" angegeben, der „Schutzbereich" des A r t . 8 Abs. 1 GG ergibt sich aber erst nach Hinzufügung der immanenten persönlichen Gewährleistungsschranke „Alle Deutschen" und der immanenten sachlichen Gewährleistungsschranke „friedlich und ohne Waffen" 27 . Bei dem hier interessierenden Menschenrecht der Pressefreiheit gem. A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG fallen „Regelungsbereich" und Schutzbereich" zusammen. Da der Begriff des grundrechtlichen „Lebensbereichs" anders als der des „Schutzbereichs" keine Aussage über den Kreis der grundrechtsberechtigten Personen wie über den garantierten Freiheitsbereich enthält, kann er nur mit dem „Regelungsbereich" identifiziert werden. Auch i n der Terminologie Friedrich Müllers sind „Lebensbereich", „Regelungsbereich" und „Normbereich" identisch 28 . Der Begriff des „Lebensbereichs" erweist sich als eine den Realitätsbezug der Norm räumlich ausdrückende Kategorie zur Kennzeichnung des grundrechtlichen Gewährleistungsobjekts, dessen immanente Grenzen nicht mehr aus seiner normtextlichen Begrifflichkeit, sondern mittels einer „Normbereichsanalyse" aus seinen „begriffenen Sachgehalten" ermittelt werden 29 .

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Erichsen, StaRuVfgbkt. I, S. 139; Hesse, Grundzüge, § 10 I I 1), S. 131 f. Vgl. F. Müller, Juristische Methodik, S. 40: „ A n k n ü p f u n g an der Natur des geregelten Lebensgebiets, also der S t r u k t u r des Normbereichs" u n d S. 92, 117 zur Gleichsetzung v o n Normbereich u n d Regelungsbereich; i n diesem Sinne auch Erichsen, StaRuVfgbkt. I, S. 20; dagegen w i l l Schwabe, G r u n d rechtsdogmatik, S. 151, den Normbereich i m Sinne Müllers m i t dem Schutzbereich identifizieren. Es ist E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2096 F N 90) zuzustimmen, daß m a n sich nie ganz sicher ist, ob man die besondere Terminologie F. Müllers richtig versteht. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht k r i t i s i e r t auch H. J. Koch, Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 131, es werde nicht hinreichend deutlich, was bei M ü l l e r genau unter Normbereich zu verstehen sei. 29 F.Müller, Juristische Methodik, S.45: Grundrechte als „Garantien bestimmter Sachzusammenhänge", S. 269 ff. Anders etwa: v. Mangoldt-Klein, Bd. I, Vorbem. Β X V 2 a), S. 124: „ I n der Regel sind die fraglichen Begriffe aus sich selbst zu bestimmen." 28

§ 6 Die Bedeutung der „Lebensbereichstheorie" für die Bestimmung des Verhältnisses der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie I. Irrelevanz für die These von der Tatbestandsabgrenzung Die scharfe Abgrenzung der Grundrechtstatbestände der A r t . 5 Abs. 1 S.2, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG voneinander kann zwar mit einem „verräumlichenden Denken" i n Verbindung gebracht werden, stellt sich aber nicht als überschneidungsfreie Abgrenzung verschiedener sozialer Lebensbereiche dar. Es ist gezeigt worden, daß die These von der Tatbestandsabgrenzung interpretationsmethodisch rein normbezogen vorgeht und nicht m i t einer Gesamtschau sozialer Wirklichkeit operiert, die sich i n einzelne Bereiche auflösen ließe 1 . Ausgangspunkt ist vielmehr die grundrechtliche Einzelnorm, deren Garantiegehalt i n der — soziale Zusammenhänge u. U. w i l l k ü r l i c h zerschneidenden — Ausgrenzung bestimmter individueller Willenssphären aus der als umfassend gedachten staatlichen Willenssphäre festgemacht wird 2 . Die ausgegrenzten Bereiche werden dabei nicht i n ein lückenloses Grundrechtssystem eingeordnet, sondern als punktuell und voneinander isoliert, als mit eigener Logik für sich stehend begriffen 3 . Die punktuell ausgegrenzten Bereiche können so als voneinander klar getrennt begriffen werden. Erst diese Vorstellung ermöglicht die Aussage, Pressefreiheit und Berufsfreiheit des Journalisten könnten zwar faktisch zusammenfallen, seien aber bei der rechtlichen Beurteilung scharf zu trennen 4 . I I . Die exklusive Zuordnung von Grundrechtsnorm und Lebensbereich in der These von der Gesetzeskonkurrenz Ausgangspunkt der These von der Gesetzeskonkurrenz zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und den A r t . 12, 14 GG ist ein Vergleich der beteiligten Regelungsbereiche, wirklichkeitsbezogen ausgedrückt der 1

Vgl. oben § 1 I. Vgl. oben § 1 I I 2) u n d Schnur, Verfassungsauslegung, S. 30 f.; Wehrhahn, AöR 82 (1971), S. 250 ff. (S. 257/58, 268) wendet sich gegen die „Mutterrechtsthese" u n d spricht statt dessen von „nominierten Einzelgarantien"; Hensche/ Kittner, ZRP, 1972, S. 177 ff. (S. 179). 3 Forsthoff, Umbildung, S. 40 f. 4 Schnur, V V D S t R L 22, S. 101 ff. (S. 145). 2

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

grundrechtlichen Lebensbereiche. Dieser Vergleich ergibt Überschneidungen: Der Lebensbereich „Presse" stimmt m i t den Lebensbereichen „Beruf" und „Eigentum" teilweise überein. Durch die Bewertung von A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als erschöpfende Sonderregelung für den Lebensbereich „Presse" (einschließlich der beruflichen und eigentumsrechtlichen Seite) w i r d aber eine Überschneidung der Schutzbereiche ausgeschlossen. Indem Presseberufsfreiheit und Presseeigentum ausschließlich dem Schutz des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG unterstellt werden, werden die Schutzbereiche der A r t . 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG insoweit systematisch reduziert. Die „lex specialis" bildet also eine systematische sachliche Gewährleistungsschranke. Die Überschneidungen zwischen den Regelungsbereichen „Presse", „Beruf" und „Eigentum" werden durch ausschließliche Zuordnung der Überschneidungsbereiche „Presseberufsfreiheit" und „Presseeigentum" zu A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG rechtlich überwunden. Diese Einstufung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als erschöpfende Sonderregelung hängt nicht allein damit zusammen, daß das von A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützte „Lebensgebiet" als „spezieller" angesehen wird. Die Wertung der Sonderregelung als erschöpfend läßt sich auf den Anspruch zurückführen, den Schutz durch die Einzelgrundrechte jeweils auf einen von anderen abgegrenzten, isolierten Ausschnitt sozialer W i r k lichkeit zu beziehen. Der einzelnen Grundrechtsnorm soll ein abgegrenzter „Lebensbereich" exklusiv zugeordnet werden 5 . Der postulierte Wirklichkeitsbezug der Auslegung führt zu dem Versuch, Norm und Wirklichkeit i m Wege korrelativer Zuordnung zur Deckung zu bringen 6 . Dabei bleibt der Normbezug aber insoweit erhalten, als die Norm den auf sie bezogenen Wirklichkeitsausschnitt auswählen und eingrenzen soll, nicht umgekehrt 7 . Damit verbunden ist ein rechtsstaatliches Interpretationselement: Die Auslegung ist u m rechtsstaatlich bestimmte Grenzziehung zwischen den verschiedenen Schutzbereichen der Einzelgrundrechte bemüht. Das hat zur Konsequenz, daß aus weit gefaßten, einheitlichen Lebensbereichen wie „Beruf" oder „Eigentum" Teilbereiche ausgegliedert und „spezielleren" Lebensgebieten wie „Presse", „Rundfunk" oder „Kunst" zugeordnet werden müssen. Der Einheitlichkeit der besonderen Lebensbereiche w i r d auf Kosten der allgemeineren Lebensbereiche Rechnung getragen.

5 So die treffende Analyse bei Stem/Bethge, Rundfunk, S. 96; das V e r hältnis exklusiver Zuordnung w i r d aber n u r selten ausdrücklich vertreten, etwa bei Rupp, N J W 1966, S. 2037 ff. (S.2038); ders., N J W 1971, S. 1403 f. (S. 1403). 6 Vgl. oben § 2 I. 7 So ausdrücklich F. Müller, Juristische Methodik, S. 117.

§ 6 Bedeutung der Lebensbereichstheorie

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Ein weiterer Grund für die exklusive Zuordnung von Grundrechtsnorm und Lebensbereich dürfte „ i n der Neigung liegen, den gesamten Grundrechtskatalog möglichst i n ein einheitliches, geschlossenes System zu fassen" 8 . Diese Ursachenanalyse von Klaus Stern und Herbert Bethge trifft insbesondere für die Auffassung Roman Herzogs zu, der i m Anschluß an Günter Dürig 9 und i n grundsätzlicher Übereinstimmung m i t der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 10 den A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG i n das u m das Generalfreiheitsrecht des A r t . 2 Abs. 1 GG zentrierte „Wert- und Anspruchssystem" 11 der Grundrechte gestellt sieht und von dort aus das Verhältnis des Grundrechts der Pressefreiheit zu den anderen Grundrechten bestimmt. Ein solches Systemdenken legt es nahe, jedem gegenüber A r t . 2 Abs. 1 GG speziellen Grundrecht seinen von i h m exklusiv einzunehmenden Platz innerhalb des Systems zuzuweisen. Wenn sich Stimmen i n der Literatur bei der Darlegung der These von der Gesetzeskonkurrenz unter anderem auf die Stellungnahme Herzogs berufen 12 , ist damit noch nicht ausgemacht, daß auch diese von einem geschlossenen Grundrechtssystem ausgehen. Soweit die Frage überhaupt angesprochen wird, w i r d der Vorstellung eines grundrechtlichen Wert- und Anspruchssystems häufig m i t K r i t i k begegnet. Der Annahme eines geschlossenen Grundrechtssystems w i r d eine Konzeption der Grundrechte als punktuelle, jeweils mit eigener Logik für sich stehende Gewährleistungen einzelner, besonders gefährdeter Lebensbereiche entgegengesetzt 13 . Auch diese Konzeption vermag die Grundlage dafür abzugeben, Grundrechtsnorm und Lebensbereich i n das Verhältnis exklusiver Zuordnung zu bringen: Kann hier auch nicht jedem Grundrecht sein eigener Platz i m System zugewiesen werden, so 8

Stern/Bethge, Rundfunk, S. 96. Dürig, N J W 1955, S. 729 ff. (S. 731); ders., in: MDHSch., A r t . 1 Rdnr. 1 ff. 10 A r t . 2 I GG als Generalfreiheitsrecht u n d Auffangtatbestand ist st. Rspr. des B V e r f G seit E 6, 36 (37) — Elfes —; ein ausführlicher Überblick über diese Rspr. findet sich bei Scholz, AÖR 100 (1975), S. 80 ff., 265 ff.; vgl. auch Goerlich, Wertordnung, S. 75 ff. sowie Grabitz, S. 113 ff. 11 Herzog, in: MDHSch., A r t . 5 Rdnr. 1; ders., Fs. E.Hirsch, S. 74, äußert sich allerdings kritisch zur Vorstellung eines hierarchischen Wertsystems der Grundrechte. Vgl. auch BVerfGE 7, S. 198 (S.215): „Wertrangordnung"; E 12, S. 1 (S. 4): „Aufbau der grundrechtlichen Wertordnung"; E 21, S. 362 (S. 372): „Wertsystem"; E 22, S. 180 (S. 219): „Gesamtsystem der Grundrechte"; E 32, S.98 (S. 108): Grundrechtliches Wertsystem"; E 33, S. 23 (S. 29): „Einheit des grundrechtlichen Wertsystems", „System der Grundrechte"; E 37, S. 57 (S. 65): Grundrechte als „objektive Normen, die ein Wertsystem statuieren". 12 Vgl. etwa Kübler, 49. DJT, D 49 f.; Mössle, AÖR 101 (1976), S. 202 ff. (S. 231 f.); Weber, Innere Pressefreiheit, S. 76. 13 Forsthoff, Umbildung, S. 40 f.; Mallmann, V V D S t R L 19, S. 165 ff. (S. 184); Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 42 ff.); Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff. (S. 82 f.); Hesse, Grundzüge, §9 I I I , S. 127 ff.; F.Müller, Juristische Methodik, S. 46 ff.; damit w i r d nicht verkannt, daß die Grundrechte gedanklich u n d geschichtlich zusammenhängen u n d ihnen unter sich u n d i n i h r e m Zusammenhang eine gewisse Ordnung zuerkannt werden kann. 9

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

legt es doch der punktuelle, isolierte Charakter der Grundrechtsnorm wie des normativ gesicherten Lebensbereichs nahe, den Schritt zur exklusiven Zuordnung zu vollziehen. System- wie Punktualitätsvorstellung bergen damit beide die Möglichkeit i n sich, einen „Totalitätsanspruch auf eine abschließende Konsumtion des jeweils anfallenden komplexen Lebenssachverhalts durch eine einzelne Grundrechtsvorschrift 14 " zu entwickeln. Der Grund für dieses „Exklusivitätsdenken" kann daher aber nicht primär i n der jeweiligen Auffassung über A r t und Ausmaß systematischer Verbindungen i m Grundrechtsteil des Grundgesetzes liegen. Diese Vorstellungen erscheinen nur als sekundäre Faktoren m i t verstärkendem Effekt. I I I . Die Überschneidung der grundrechtlichen Lebensbereiche als Ausgangspunkt der These von der Idealkonkurrenz Die These von der Idealkonkurrenz zwischen den A r t . 5 Abs. 1 S. 2, 12, 14 GG bejaht ebenfalls eine Überschneidung der grundrechtlichen Regelungsbereiche 15. Die Überschneidungsfähigkeit w i r d aus dem nicht systematisch-geschlossenen, punktuellen Charakter der Grundrechtsnormierung hergeleitet. Aus der „Planlosigkeit" der verfassungsnormativen Sicherung gewisser, nach historischer Erfahrung i n besonderem Maße der Gefährdung durch hoheitlichen Zugriff ausgesetzter Aspekte menschlichen Verhaltens w i r d i n der Zusammenschau mit der Vielfalt menschlicher Lebensäußerungen die Unmöglichkeit einer strikten Sonderung der geschützten Lebensbereiche gefolgert 16 . I m Gegensatz zur These von der Gesetzeskonkurrenz w i r d aber auch eine Überschneidung der grundrechtlichen Schutzbereiche für möglich gehalten: Zwar läßt sich auch die These von der Idealkonkurrenz von dem Anspruch leiten, Norm und Wirklichkeit als Einheit zu behandeln 17 ; aber der Auswahl des Wirklichkeitsausschnitts durch die Norm werden Grenzen gesetzt: Es soll die „Einheitlichkeit" des gesellschaftlichen Lebensbereichs respektiert werden. Die Zerlegung vielschichtiger Lebenssachverhalte i n Einzelbestandteile und die isolierte Zuordnung dieser Teile zu einer einzelnen Grundrechtsnorm w i r d für unzulässig gehalten, da dies zur Zerreißung einheitlicher, nicht teilungsfähiger 14

Stern/Bethge, Rundfunk, S. 97. Kunert, S. 99; Stern/Bethge, Rundfunk, S. 98; Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S. 474; ders., DSt. 7 (1968), S.41ff. (S.41); Lerche, Rundfunkmonopol, S. 76; Erbel, Kunstfreiheit, S. 124; Lepa, DVB1.1972, S. 161 ff. (S. 161); Peters, Grundfragen, S. 297, spricht anstelle von Grundrechtskonkurrenzen von „ G r u n d rechtsüberlagerungen"; vgl. zudem oben § 2 I V 1). 16 Kunert, S. 100. 17 Vgl. oben § 2 I. 15

§ 6 Bedeutung der Lebensbereichstheorie

159

Lebenstatbestände führen müsse 18 . Zudem erlaube es die sachliche Weite und begriffliche Unbestimmtheit der Grundrechtsnormen nicht, Schutzbereichsüberschneidungen auszuschließen: Die Grundrechtsbestimmungen erfaßten i n ihrer Gesamtheit nahezu sämtliche Gebiete menschlicher Entfaltung, ihre Tatbestandsmerkmale hätten aber bei weitem nicht dieselbe begriffliche Schärfe wie sie i n einfach-gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Strafrechts zu finden sei, die nur kleine Ausschnitte menschlichen Verhaltens beträfen. „ U m so undeutlicher werden die Grenzen, die zwischen den einzelnen Grundrechtsgewährleistungen bestehen. U m so schwieriger w i r d es aber auch, komplexe Lebenssachverhalte nur unter einen einzigen Grundrechtstatbestand zu subsumieren 19 ." Die Analyse der grundrechtlichen Schutzbereiche als voneinander nicht klar abscheidbar und untereinander überschneidungsfähig hat zur Konsequenz, die Idealkonkurrenz für das Verhältnis konkurrierender Grundrechtsnormen als regulär zu setzen. Damit kann vice versa „grundsätzlich kein Freiheitsrecht als bloßer Spezialfall eines anderen angesehen werden" 2 0 . IV. Die Einheit von Leitbild und Lebensbereich als Ausgangspunkt der These von der wertenden Zuordnung Davon ausgehend, daß durch die Grundrechte zahlreiche Lebensbereiche nebeneinander anerkannt würden, die wegen der generalklauselartigen Weite des Normtextes aber nur „schematisch" bezeichnet würden und sich einer abstrakten Definition entzögen, hält die institutionelle Lehre eine klare Abscheidung der grundrechtlichen Regelungsbereiche voneinander für nicht möglich. Überlagerungen werden also als unvermeidlich angesehen21. Was Überschneidungen der grundrechtlichen Schutzbereiche angeht, kennt die institutionelle Lehre kein 18 Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 164) gegen Bachof, Die Grundrechte I I I / l , S.169. 19 Berg, Konkurrenzen, S. 74; ähnlich auch: Schwark, S. 126; Leisner, RuSt. Nr. 286/287, S. 5. 20 Rüfner, Fg. BVerfG, I I , S.477, i m Anschluß an Berg, Konkurrenzen, S. 161 ff., 163; Kunert, S. 100. I n dieser Richtung auch: Stern/Bethge, Rundfunk, S. 96 f.; Lerche, Übermaß, S. 128; ders., Rundfunkmonopol, S. 76 F N 208; F. Müller, Juristische Methodik, S. 176. Damit w i r d Gesetzeskonkurrenz wegen Spezialität nicht schlechthin ausgeschlossen, sondern n u r auf Ausnahmen beschränkt. So n i m m t ζ. B. Berg, Konkurrenzen S. 164 f., i h m folgend Rüfner, Fg. BVerfG, I I S. 477 F N 124, Spezialität zwischen A r t . 4 u n d A r t . 7 I I I S. 3 GG an. Nach Berg soll es sich dabei allerdings u m den einzigen F a l l von Spezialität i m Grundrechtsabschnitt handeln. Weiter dagegen offensichtlich Lerche, AÖR 90 (1965), S. 341 ff. (S. 362 F N 76), der gegen Forsthoff, Staatsbürger u n d Staatsgewalt I I , S. 19 ff., Spezialität des A r t . 12 gegenüber A r t . 14 GG annimmt. 21 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 38,168,102, „Grenzbereiche"; Stammler. S. 316; I. Gross, S. 148; vgl. näherhin oben § 3 I I I 1.

160

2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

aut-aut: Diese werden teilweise mit der Folge der Idealkonkurrenz zugelassen, teilweise i m Wege der Gesetzeskonkurrenz ausgeschlossen. Wie die Konkurrenzlage konstruktiv auch immer gelöst wird, sei es durch Schrankenharmonisierung i m Falle der Idealkonkurrenz, sei es durch Verdrängung i m Falle der Gesetzeskonkurrenz, stets w i r d der institutionelle Lebensbereich „Freies Pressewesen" i n all seinen Aspekten und mit all seinen Grenzbereichen letztlich dem einheitlichen Régime der Institutionsgarantie des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG unterstellt. Dies liegt i n der Konsequenz des Institutionsbegriffs: Wenn die idée directrice i m K e r n bereits Zweck, Mittel und Organisationsform des zu schaffenden gemeinsamen Werks enthalten und das milieu social, dem sie eingepflanzt sein soll, durchdringen und mit verpflichtender Kraft gestalten soll, so ist innerhalb ein und desselben milieu social ein beständiges Nebeneinander verschiedener Leitideen nicht vorstellbar. I m Institutionsbegriff ist so die Einheit von Leitbild und Lebensbereich angelegt. Ein institutioneller Lebenskreis kann demnach nur von einem Leitbild, d. h. aber einer Grundrechtsnorm verbindlich dirigiert werden; Grenzbereiche müssen demzufolge i m Konkurrenzfall der „zentralen" institutionellen Leitidee wertend zugeordnet werden 2 2 . Diese vereinheitlichende Zuordnung muß auch i m Zusammenhang mit dem bereits erwähnten ganzheitlichen Verfassungsverständnis gesehen werden 2 3 : Die Grundrechte werden weder als isolierte, m i t eigener Logik für sich stehende Verbürgungen begriffen, noch werden sie zu einem geschlossenen System innerhalb der Verfassung zusammengefaßt; sie werden vielmehr als Elemente des einheitlichen „Verfassungsganzen" gesehen, werden i n die „Totalität der verfassungsrechtlichen Wert- und Lebensordnung" eingebettet. „Einheitlichkeit des Verfassungsganzen" meint nicht die statische, formale Geschlossenheit eines Normensystems, sondern die dynamische, materiale Einigung der Verfassungsrechtsgüter zu einer wertgebundenen Gesamtordnung. Damit werden zunächst die immanenten Zusammenhänge, die Ergänzungsverhältnisse und wechselseitigen Bedingtheiten zwischen den verschiedenen Verfassungsrechtsgütern, insbesondere den Grundrechten betont. Doch über Spannungen, Kollisionen und Uberlagerungen soll damit nicht hinweggegangen werden; diese sollen interpretatorisch aber nicht nur festgestellt, sondern überwunden werden. Da die Einheit der Verfassung nicht nur gegeben, sondern auch aufgegeben sei, müßten die einzelnen Verfassungsrechtsgüter einander derart ausgleichend zugeordnet werden, daß sie als i n das „Sinnganze" der Verfassung eingebettet erschienen. So seien die einzelnen 22 23

Vgl. oben § 3 I I 1 a). Vgl. oben § 3 I.

§ 6 Bedeutung der Lebensbereichstheorie

161

grundrechtlichen „Ordnungen" untereinander abzugleichen und einander zuzuordnen, damit sie sich zur einheitlichen Gesamtordnung der Verfassung zusammenschließen könnten 2 4 . Die als ständige Aufgabe verstandene „Einigung zu einem Gesamtzustand" 25 steht i n engem Zusammenhang m i t der Wirklichkeitsbezogenheit des Verfassungsverständnisses: Wenn Verfassung als „umfassende Lebensordnung" dargestellt und der „lebendigen Wirklichkeit" Bedeutung für die Normkonkretisierung beigemessen wird, kann es primär nicht u m den formalen Zusammenhang des Verfassungsgesetzes, u m dessen systematische Geschlossenheit und logische Widerspruchsfreiheit 26 gehen; indem positives Verfassungsrecht auf dauerhafte, aber sich wandelnde soziale Zusammenhänge, auf das soziale „Leben" bezogen und so als „ i n die Zeit hinein offen", als „lebendig" begriffen wird, muß die Auslegung zuvörderst darum bemüht sein, die innere Einheit der Verfassung stets neu herauszuarbeiten 27 . Angesichts der angenommenen Vitalität der gesellschaftlichen Verhältnisse und der auf diese bezogenen Verfassung geht es u m „die Notwendigkeit, die Verfassung jeweils als einen i n sich sinnvollen, zwar vielseitigen und keineswegs spannungslosen, aber doch immer auf die Einheit des politischen Gemeinwesens gerichteten Ordnungszusammenhang zu interpretieren" 2 8 .

24 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 5 f., 12 f., 38 f.; Krebs, Vorbehalt, S. 50 ff.; Stammler, S. 192 f.; I. Gross, S. 86. 25 F.J.Stahl, Philosophie des Rechts I I 1, 3.Aufl., 1854; i m Anschluß hieran: Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 39, u n d Krebs, Vorbehalt, S. 51. 28 So aber ζ. B. Radbruch, Einführung, S. 257 f. 27 Häberle, Zeit u n d Verfassung, ZfP 21 (1974), S. 111 ff. Z u m Zusammenhang v o n wirklichkeitsorientierter Auslegung u n d dem Interpretationstopos „Einheit der Verfassung" vgl. I. Gross, S. 52 ff.; vertiefter: Heller, Staatslehre, S. 266 ff. 28 Ehmke, V V D S t R L 20, S. 53 ff. (S. 77).

11 Degen

§ 7 Zur Kritik der „Lebensbereichstheorie" Die dogmatische Theorie 1 , welche die Grundrechtsnormen als auf bestimmte soziale „Lebensbereiche" bezogen sieht („Lebensbereichstheorie"), soll zunächst daraufhin untersucht werden, ob ihre Aussagen dem Erfordernis hinreichender Präzision, d. h. begrifflicher K l a r heit und Sinnentschiedenheit genügen. Präzision ist wissenschaftstheoretisch als Voraussetzung intersubjektiver Prüf barkeit wissenschaftlicher Theorien zu fordern 2 . Dies gilt auch für rechtsdogmatische Theorien, die ja unter anderem dazu dienen, rational kontrollierbare, verbindliche Entscheidungen konkreter Streitfälle zu ermöglichen 3 . Erst i m Anschluß an diese Untersuchung können die zentralen inhaltlichen Prämissen der „Lebensbereichstheorie" einer K r i t i k unterzogen werden. I. Die Unbestimmtheit des grundrechtlichen „Lebensbereichs" Es ist gezeigt worden, daß einerseits der Begriff des „Lebensbereichs" zwar i n der Grundrechtsdiskussion häufig Verwendung findet und für die Mehrzahl der Konkurrenzlösungsmodelle relevant ist, daß andererseits aber nur selten angegeben wird, was unter „Lebensbereich" verstanden werden soll 4 . Unter diesen wenigen Erklärungsversuchen erweist sich zunächst derjenige des Bundesverfassungsgerichts 5 als weitgehend unbestimmt und kaum aussagekräftig: „Lebensbereich" w i r d pleonastisch durch das Synonym „Komplex des sozialen Lebens" definiert 6 . Daß ein Komplex 1 Z u m Begriff der Dogmatik vgl. Jahr, in: ders./Maihofer, Rechtstheorie, S. 303 ff. (S. 303); Podlech, JbRSozRTh. 2 (1972), S. 491 ff. (S. 492). Z u m Begriff der rechtsdogmatischen Theorie vgl. Dreier, Fs. Schelsky, S. 103 ff. 2 Z u m Erfordernis der Präzision vgl. Opp, Methodologie der Sozialwissenschaften, S. 226; zur Prüfbarkeit vgl. Dreier, Fs. Schelsky, S. 118, 123; Podlech, JbRSozRTh. 2 (1972), S. 491 ff. (S. 494). 3 Podlech, AöR 95 (1970), S. 185 ff. (S. 193); F.Müller, N o r m s t r u k t u r , S. 17; zur Anwendbarkeit des K r i t e r i u m s der „Prüfbarkeit" auf rechtsdogmatische Theorien vgl. Dreier, Fs. Schelsky, S. 123 f. 4 Vgl. oben §§ 5, 6. 5 BVerfGE 9, S. 338 (S. 349); vgl. oben § 5 I I . 6 K o m p l e x = Gruppe, Bereich, Gebiet; vgl. Duden, Bd. 10, S. 382.

§ 7 K r i t i k der Lebensbereichstheorie

163

„zusammengehört" und sich „von anderen als Einheit abhebt" 7 , ist eine derart abstrakte Aussage, daß für die Kennzeichnung eines „Lebensbereichs" und dessen Abgrenzung von anderen keine hinreichenden Kriterien erkennbar sind. Unklar ist zudem, i n welchem Maße die „Lebensbereiche" durch das „soziale Leben" einerseits und das positive Recht andererseits erzeugt oder geprägt werden 8 . Recht undeutlich bleibt auch, was unter „sozialem Leben" zu verstehen sein soll 9 . Letztlich verweist das Bundesverfassungsgericht zur Bestimmung eines „Lebensbereichs" auf dessen „Wesen" 10 , welches methodisch wohl nur durch phänomenologische „Wesensschau" zu ermitteln sein dürfte 1 1 . Nicht erklärt w i r d schließlich, i n welchem Verhältnis „Lebensbereich" und „Norm" gesehen werden. Es bleibt offen, i n welchem Ausmaß „Sachelemente" bei Auslegung und Anwendung der Norm zu berücksichtigen sind. Demgegenüber stellt sich die Bestimmung des „Normbereichs" durch Friedrich Müller 12 als erheblich präziser dar; doch bleibt auch bei Müller noch so viel offen, daß nicht hinreichend deutlich wird, was genau unter „Normbereich" verstanden w i r d 1 3 . Als genügend bestimmt erscheint der Ausdruck „Ausschnitt sozialer Wirklichkeit"; darunter w i r d ein Teil einer ontisch, nicht existential gefaßten gesellschaftlichen Gesamtwirklichkeit verstanden 14 , welcher einen relativ autonomen Zusammenhang realer sozialer Strukturen bilden soll 15 . Unklar bleibt dagegen, was m i t den — vom „Normbereich" allein umfaßten — „Grundstrukturen" des Wirklichkeitsausschnitts gemeint ist 1 6 . W i r d „Struktur" als empirisch-analytisch ermittelbarer innerer Aufbau eines 7

BVerfGE 9, S. 338 (S. 349). Das BVerfG spricht n u r vage davon, daß sich der Lebensbereich „ v i e l fach auch schon i m bisherigen Recht" v o n anderen als Einheit abhebt. 9 Den philosophischen Wurzeln des w o h l vitalistisch beeinflußten Gesellschaftsbildes des B V e r f G k a n n hier nicht nachgegangen werden. Genügen mag ein Hinweis auf Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 125 ff., der auf der Lebensphilosophie Th. L i t t s aufbaut. Interessant ist i n diesem Zusammenhang auch die Auseinandersetzung Max Webers, Nachtrag, i n : ders., Wissenschaftslehre, S. 360 ff. (S. 368 ff.) m i t dem Begriff des sozialen Lebens bei Rudolf Stammler. 10 BVerfGE 9, S. 338 (S. 349). 11 Auch möglichen phänomenologischen Bezügen k a n n hier nicht weiter nachgegangen werden. 12 Vgl. die Darstellung oben § 5 I I . 13 H.J.Koch, in: ders., Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 131; E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2096 F N 90). 14 F. Müller, Normstruktur, S. 107 f., 163. 15 Ders., Normstruktur, S. 166,169; ders., Juristische Methodik, S. 120 f., 124. 16 Ders., Juristische Methodik, S. 117 f., 270; ders., Normstruktur, S. 163; zur K r i t i k vgl. auch H. J. Koch, in: ders., Die juristische Methode i m Staatsrecht, S.131. 8

11*

164

2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

sozialen Systems oder Subsystems begriffen 17 , so ist nicht erkennbar, nach welchen Kriterien zwischen den „auf andersartige Sachverhalte und Bezugssysteme nicht mehr reduzierbaren" 18 und den noch reduzierbaren Bauelementen eines Sozialbereichs unterschieden werden soll. Es h i l f t nicht weiter, wenn Müller „Grundstrukturen" als „sachlich gegründete, bestimmbar geordnete Zusammenhänge" erläutert 1 9 , denn damit w i r d allenfalls eine taugliche Umschreibung des Strukturbegriffs geliefert. Wenn nach Müller die Abgrenzung des „Normbereichs" von den „typischen Ausübungs-, Organisations- und Sachzustandsformen" ausgehen soll 20 , so deutet dies darauf hin, daß mit „Grundstrukturen" die „typischen" Strukturen des Wirklichkeitsausschnitts angesprochen werden sollen. Die Kategorie des „Typus" bleibt aber ebenso undeutlich wie die der „Grundstruktur" 2 1 . Dies kann deshalb nicht verwundern, weil die Typuslehre, auf die Müller sich bezieht 22 , die These der Nichtdefinierbarkeit von Typusbegriffen vertritt 2 3 . Nicht hinreichend klar w i r d zudem, wie die „Grundstruktur" eines bestimmten grundrechtlichen „Lebensbereichs" präzise und kontrollierbar festgestellt werden kann. Es führt kaum weiter, wenn Müller auf die „auswählende und wertende Perspektive des Normprogramms" (d. h. des interpretierten Normtextes) verweist, durch welches die grundlegenden Strukturmerkmale aus der sozialen Realität herausgehoben würden 2 4 . Die Vagheit grundrechtlicher Normtexte und die begrenzte Ergiebigkeit weiterer Interpretationselemente werden hinreichend genaue und nachprüfbare Aussagen über die „Grundstruktur" gesellschaftlicher Teilbereiche wie „Presse", „Rundfunk", „Kunst" usw. nicht zulassen. Ein konkretes „Normprogramm" läßt sich aus den vagen grundrechtlichen Normtexten ohne Rückgriff auf eine normorientiert 17

Lüdtke, in: L e x i k o n zur Soziologie, S. 662; F. Müller, Normstruktur, S. 89. F. Müller, Freiheit der Kunst, S. 39. 19 Ders., N o r m s t r u k t u r , S. 179. 20 Ders., Freiheit der Kunst, S. 64. 21 Das Typische soll nicht n u r das Konventionelle, sondern auch das T y p i sierbare meinen; vgl. ebenda, S. 64; M ü l l e r bekennt sich i n „ N o r m s t r u k t u r u n d N o r m a t i v i t ä t " , S. 170 f., zu einem typologisch arbeitenden hermeneutischen Verständnis. Z u r K r i t i k vgl. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 156 f. 22 F. Müller, N o r m s t r u k t u r , S. 170, 191. 23 Z u r Typuslehre vgl. insbesondere Lorenz, Methodenlehre, S. 439 ff.; A . Kaufmann, Analogie u n d „ N a t u r der Sache", S. 37 ff.; Engisch, Einführung, S. 255 ff. F N 118 a) m. w. Ν.; kritisch hierzu Kuhlen, Die Denkform des Typus, in: H. J. Koch, Juristische Methodenlehre u n d analytische Philosophie, S. 53 ff., welcher S. 66 f. zu Recht darauf hinweist, daß die Typuslehre zu sehr auf die klassische Definitionslehre („def initio fit per genus p r o x i m u m et differentiam specificam") fixiert ist u n d neuere analytische Ansätze (vgl. etwa Opp, Methodologie der Sozialwissenschaf ten, S. 189 ff.) nicht genügend zur Kenntnis n i m m t . 24 F. Müller, Juristische Methodik, S. 117, 270. 18

§

t

der Lebensbereichstheorie

165

entwickelte Grundrechtstheorie, der die Funktion einer interpretativen Leitidee zukommt, nicht gewinnen; dieser übergreifende Orientierungspunkt der Interpretation ist bei Friedrich Müller aber nicht ersichtlich 25 . Die Ermittlung der „Grundstrukturen" muß daher großenteils der empirisch-soziologischen Analyse, der „Normbereichsanalyse" überlassen werden, über deren Methoden keine näheren Angaben gemacht werden 2 6 . Unklar bleibt schließlich, was gemeint ist, wenn Müller den „Normbereich" als „Bestandteil des Normativtatbestandes" bezeichnet 27 . Die Beziehung zwischen „Normbereich" und „Tatbestand" w i r d nicht erklärt, sondern nur durch ähnliche Formulierungen gleicher Unschärfe umschrieben: „Die der Norm zugehörige T e i l w i r k lichkeit w i r d als Teil der Norm behandelt" 2 8 oder „der Normbereich ist ein die Normativität mitbegründender Faktor" 2 9 . I m Vergleich zu Friedrich Müllers Kennzeichnung des „Normbereichs" verschwimmen die Konturen des gesellschaftlichen „verfaßten Lebensbereichs" i n der institutionellen Grundrechtstheorie völlig: Dies liegt zunächst daran, daß der „konkrete Begriff" des „Lebensbereichs" für nicht definierbar erklärt w i r d 3 0 . I m Dunkeln bleibt damit, welche Merkmale einen „Lebensbereich" auszeichnen und wie verschiedene „Lebensbereiche" voneinander abgegrenzt werden können. Unklar ist zudem, was unter „Verfaßtheit" und den „Eigengesetzlichkeiten" eines „Lebensbereichs" verstanden w i r d und wie diese i n rational kontrollierbarer Weise festgestellt werden können. Es reicht nicht aus, dazu auf die Notwendigkeit einer Besinnung auf „die Eigenart, das Wesen des ganzen objektiven Verhältnisses" zu verweisen 31 ; denn so kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich unter dem Signum der objektiven Wesenserkenntnis Werturteile unkontrolliert i n Sachurteile über gesellschaftliche „Eigengesetzlichkeiten" verwandeln 3 2 . Die Unbestimmtheit des „verfaßten Lebensbereichs" w i r d durch den Mangel an Aus25

E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2096 f.). F. Müller, Juristische Methodik, S. 269 ff.; auf S. 270 ist n u r lapidar dav o n die Rede, die Sachfaktoren seien „empirisch zu ermitteln". 27 Ebenda, S. 120; kritisch hierzu: H.J.Koch, in: ders., Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 131 f. 28 F. Müller, N o r m s t r u k t u r , S. 173. 29 Ders., Juristische Methodik, S. 120. 30 Vgl. oben § 5 I I I ; Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 102. 31 E.Kaufmann, Wesen des Völkerrechts, S. 211; i m Anschluß hieran Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 102. 32 Vgl. W. Hofmann, Gesellschaftslehre als Ordnungsmacht, S. 65 ff.; A n schauungsmaterial für ein solches Verfahren bieten die Ausführungen M.Haurious, Précis de D r o i t Constitutionnel, 2. Aufl., S. 652, w o die Grundzüge der katholischen Familienauffassung zu Wesenseinsichten stilisiert werden. 26

166

2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

druckskonstanz i n der institutionellen Lehre noch gesteigert 33 . Der Verzicht auf eine Erklärung dessen, was unter einem „verfaßten Lebensbereich" verstanden wird, wiegt u m so schwerer, als dieser Begriff auf eine Vielzahl verschiedenartiger Erscheinungen angewandt wird, die von Aspekten des individuellen Bewußtseins wie „Gewissen" oder „Glauben" bis zu sozialen Verflechtungszusammenhängen unterschiedlicher Dichte wie „Familie" oder „Presse" reichen 34 . Völlig offen ist schließlich die Bestimmung des Verhältnisses zwischen „verfaßtem Lebensbereich m i t seinen Eigengesetzlichkeiten" und „Norm": Die Aussage, die soziale Wirklichkeit stehe nicht „jenseits der Norm" 3 5 , Sein und Sollen seien einander vielmehr „korrelativ" zugeordnet 36 , w i r d nicht weiter erklärt, ihre rechtsdogmatischen Konsequenzen nicht systematisch entwickelt. I I . Die Auflösung der Gegensätze und die Folgen Der Versuch, die Aussagen der „Lebensbereichstheorie" näher zu bestimmen, hat bei aller verbliebenen Unklarheit doch ergeben, daß die dogmatische Figur des „grundrechtlichen Lebensbereichs" m i t dem Ziel eingesetzt wird, den positivistischen Dualismus von Sein und Sollen durch Einbeziehung von „Sachstrukturen" i n die Norminterpretation zu überwinden 3 7 . Dieses Anliegen darf nicht isoliert gesehen werden; es ist vielmehr Ausdruck eines durchgängigen Bemühens, abstrakte Dualismen i m Konkreten zu versöhnen. So sollen öffentliches und privates Interesse, Freiheit und Bindung einander nicht länger widerstreiten, sondern sich i n der Grundrechtsnorm und ihrem „Lebensbereich" miteinander verschränken 38 . Den rechtsphilosophischen und -theoretischen Ausgangsannahmen dieser Tendenz zur Auflösung der abstrakten Gegensätze i m einzelnen nachzugehen, wäre zwar eine reizvolle Aufgabe; i m Rahmen dieser Untersuchung können aber nur einige Probleme angerissen werden. Dennoch muß zu ihnen Stellung 33 Z u m Erfordernis der Ausdruckskonstanz: Podlech, JbRSozRTh. 2 (1972), S. 491 ff. (S. 494). 34 Ä h n l i c h die K r i t i k bei F. Müller, N o r m s t r u k t u r , S. 179; zum Begriff des sozialen Verflechtungszusammenhangs vgl. N. Elias, Soziologie, S. 139 ff. 35 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 45. 36 Ebenda, S. 49; für die „Kategorie der Wechselbeziehung" n i m m t Häberle, ebenda, auf E. Kaufmann, K r i t i k der neukantianischen Rechtsphilosophie, S. 65, Bezug. Vgl. i n diesem Zusammenhang auch Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 130, der die „ S t r u k t u r der geistig-gesellschaftlichen W i r k l i c h k e i t " als „System von Wechselw i r k u n g e n " versteht. 37 Vgl. oben § 5 I V . 38 Z u r Verschränkung v o n öffentlichem u n d individuellem Interesse vgl. oben §2 I I 2 a) u n d §3 I I 1 b); zum Verhältnis von Freiheit u n d Bindung vgl. oben § 2 I I 2 b) u n d § 3 I I 1 c).

§

t

der Lebensbereichstheorie

167

genommen werden. Dafür soll insbesondere berücksichtigt werden, ob die Auflösung der Dualismen i n methodische Vorschläge mündet, die zu einer höheren Rationalität der Norminterpretation beitragen. Außerdem sollen mögliche tatsächliche Folgen einer Verschränkung von Norm und Wirklichkeit, von öffentlichem und privatem Interesse sowie von Freiheit und Bindung aufgezeigt und bewertet werden. 1. Norm und Wirklichkeit

Der Streit u m den „Methodendualismus" oder „Methodenmonismus" kann hier nicht vollständig nachgezeichnet werden 39 . Wenige Bemerkungen mögen genügen: Die „Lebensbereichstheorie" ist dogmatischer Ausdruck einer ontologischen Rechtsauffassung, die zu Recht auch als konkretes Naturrecht bezeichnet wird 4 0 . I n dessen methodenmonistischem Verständnis werden Norm und Wirklichkeit als einander korrelativ zugeordnete Größen begriffen 41 . „Wirklichkeit" meint nicht nur die empirisch beobachtbare Faktizität, sondern sinnhaft geordnete, werthafte Seinssachverhalte 42 . Dementsprechend w i r d der grundrechtliche „Lebensbereich" nicht auf die „nackte Empirizität" eines W i r k lichkeitsausschnitts beschränkt 43 , sondern als konkrete Ordnung gesellschaftlichen Lebens gefaßt; die Rechtsnorm w i r d als durch die so verstandene Wirklichkeit vorgeformt und als an diese gebunden begriffen 44 . 39 Z u m Streitstand vgl. F. Müller, Normstruktur, S. 24 ff.; Ellscheid, N a t u r rechtsproblem; in: Kaufmann/Hassemer, S. 23 ff.; Schünemann, Sozialwissenschaften u n d Jurisprudenz, S. 12 ff. m i t umfangreichen Nachweisen. 40 M i t Ellscheid, Naturrechtsproblem, in: Kaufmann/Hassemer, S. 28, w i r d hier die Bezeichnung „Naturrecht" für solche Theorien verwandt, nach denen Recht überpositiv an für menschliche Praxis nicht verfügbares Sein (d. h. Natur) gebunden sein soll; anders Forsthoff, Recht serneuerung, i n : Maihof er, Naturrecht oder Rechtspositivismus, S. 73 ff. (S. 77). Als „konkretes" N a t u r recht sollen die Theorien bezeichnet werden, die von einer Bindung des positiven Rechts an substanzielle Verhältnisse, d . h . an unverfügbare k o n krete Ordnungen, welche sich i n der Geschichte lebendig entwickeln (Ontologisierung), und/oder an „objektive Werte" (Ethisierung) ausgehen; vgl. Ellscheid, ebenda, S. 52; Rottleuthner, Rechtswissenschaft als Sozialwissenschaft, S. 216. A u f die einzelnen, rechtsphilosophischen Richtungen (Neuhegelianismus, Phänomenologie, Existenzphilosophie etc.) k a n n hier nicht differenzierend eingegangen werden. 41 A . Kaufmann, Analogie u n d „Natur der Sache", S. 14 ff.; ders., JZ 1975, S. 337 ff. (S. 338); E. Kaufmann, Wesen des Völkerrechts, S. 102 f., 107 f., 125 f., 129 f.; Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : Staatsrechtliche A b handlungen, S. 187 ff.; Hesse, Normative K r a f t , S. 83; Häberle, Wesensgehaltsgarantie; vgl. zudem § 2 I m. F N 10. 42 F.J.Stahl, Philosophie des Rechts, Bd. I I 1, S. 223, Bd. I I 2, S. 158; E.Kaufmann, V V D S t R L 3 (1926), S. 2 ff. (S. 3, 10, 15 f.); Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 125 ff., 188 ff.; A.Kaufmann, JZ 1975, S. 337 ff. (S. 388): „präformierte W e r t v e r w i r k l i c h u n gen"; Hesse, Normative K r a f t , S. 80 ff.; C.Schmitt, Über die drei A r t e n rechtswissenschaftlichen Denkens, S. 13 („konkrete Ordnungen"). 43 F. Müller, N o r m s t r u k t u r , S. 187.

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

Die Grundrechtsauslegung kann damit auf die „Sachstrukturen" und „Eigengesetzlichkeiten" des konkreten gesellschaftlichen „Lebensbereichs" verwiesen werden. Gleichzeitig soll die Rechtsnorm auch durch die werthaft geprägte Ordnungsidee vom Seinsollenden bestimmt werden 45 . Von einer wertphilosophisch orientierten Richtung w i r d das Sollen für i n „objektiven Werten" fundiert erklärt, wobei die Werte i m Verhältnis einer objektiven Rangordnung gesehen werden 4 6 . Es kann dann von den Grundrechten als „Höchstwerten" und konstitutiven Elementen der „objektiven Wertordnung" des Grundgesetzes die Rede sein 47 . Diese ontologische Rechtsauffassung kann als Antwortversuch auf die Fragen verstanden werden, die sich aus der Vagheit und Offenheit von Normtexten ergeben. Kann die notwendige Normkonkretisierung nicht ohne Rückgriff auf theoretische und dogmatische Metaregeln auskommen, so müssen jene Metaregeln unter den Bedingungen einer wertpluralistischen Gesellschaft i n unterschiedlichen, ja gegensätzlichen rechtsphilosophischen Entwürfen gründen. Wer dennoch am „richtigen Recht" als Ergebnis des Konkretisierungsvorgangs festhalten, sich also mit bloßer argumentativer „Vertretbarkeit" nicht begnügen w i l l , w i r d versuchen, „ein vorgegebenes, unverfügbares Konkretum aufzuzeigen, das die Einbindung isolierter Wertgesichtspunkte, Bedürfnisse, Interessen i n einen Gesamtzusammenhang (ein Gefüge, ein System, i n Institutionen usw.) je schon geleistet hat, so daß aus dem Sinn jenes Konkretums die bestimmte Tragweite von Werten, Bedürfnissen, Interessen abgelesen werden kann". „Das Maß w i r d dann nicht mehr i n abstrakten Wertgesichtspunkten oder Postulaten gesucht, sondern i n einer Ganzheit, i n der jene Abstrakta nur Momente sind, die je schon i n konkrete Zusammenhänge verwiesen sind und aus ihnen ihren Sinn erhalten 48 ." Die Maßstäblichkeit jener konkreten Ganzheit w i r d verstärkt, wenn diese als Realsein objektiver Werte begriffen wird 4 9 . 44 Smend, Recht der freien Meinungsäußerung, i n : Staatsrechtliche A b handlungen, S. 95; Hesse, Normative K r a f t , S. 80, 89; vgl. zudem § 2 I I 2 c) m. F N 81; Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S.49, 96 ff. u n d die i n F N 15- 17 zu § 3 I I 1 Genannten; Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 22 u n d die i n F N 25 zu § 2 1 1 Genannten. 45 Schünemann, Sozialwissenschaf ten u n d Jurisprudenz, S. 21. 46 Vgl. die Nachweise oben i n F N 72 - 74 zu § 2 I I 2 b), 3, 4 zu § 3 I ; kritisch hierzu Podlech, AöR 95 (1970), S. 185 ff., (S. 201 ff.). 47 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S.4, 6; Smend, Verfassung u n d V e r fassungsrecht, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 264; Scheuner, Staatslexikon, Sp. 126; BVerfGE 2, S. 1 (S. 12); 6, S. 32 (S. 41); 7, S. 198 (S. 205). 48 Ellscheid, Naturrechtsproblem, in: Kaufmann/Hassemer, S. 45 ff., v. a. S.49, 51 f. 49 Vgl. zu dieser wertphilosophischen Annahme Podlech, AöR 95 (1970), S. 185 ff. (S. 202 ff.) u n d Topitsch, K r i t i k der phänomenologischen Wertlehre, in: Albert/Topitsch, S. 16 ff.

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Diese Lehre von der normativen Relevanz vorgefundener Teilbereiche der sozialen Wirklichkeit vermag die Frage nicht befriedigend zu beantworten, w a r u m diese oder jene seiende konkrete Ordnung überhaupt sein soll 50, Normativsätze sind aus deskriptiven Sätzen nach logischen Regeln nicht ableitbar 5 1 . Während Sachurteile Sachverhalte bezeichnen, haben Normativurteile (weisende Werturteile), die w i r einem angenommenen Sachverhalt beimessen, nicht selbst Sachverhaltsqualität. „Der Sachverhalt ist nicht werthaft. Er w i r d werthaft immer nur für uns und durch uns. Sachverhalte bestehen ganz außer unserem Nachdenken über sie; Wert verleihen erst w i r ihnen 5 2 ." Eine Werteigenschaft des Sachverhalts ist ebenso unbeweisbar wie die Existenz einer objektiven Wertordnung. Dem Sachverhalt selbst Werteigenschaft zuzusprechen bedeutet, Werte verdinglichen und so m i t der Freiheit vom Werturteil zugleich die Freiheit des Werturteils drangeben. Normativurteile sind aber, obwohl von Sachurteilen verschieden, doch aus diesen hervorgegangen. Soll-Vorstellungen können ohne Auffassung vom Sachverhalt selbst nicht entstehen, bleiben so i n dauernder Verbindung zur Realität, an der sie sich immer wieder erproben müssen 53 . Dies erlaubt es dem Norminterpreten, bei der Beantwortung der Frage, was der Fall sein soll, auf Sachurteile über empirische W i r kungen der Realisierung bestimmter Wertungen zurückzugreifen und derjenigen Wertung den Vorzug einzuräumen, deren negative Folgen als geringer eingeschätzt werden 5 4 . Diese Beschränkung des „Wirklichkeitsbezugs der Norm" auf eine i m Rahmen der Norminterpretation zu leistende Reduktion i n die Folgen ermöglicht intersubjektiv prüfbare und relativ weltanschauungsinvariante Begründungen für Wertungen. Sie schafft Raum für kritische Diskussion und vermag so die Rationalität der Interpretation zu erhöhen 55 . Wenn nach der Gegenposition das Sein die Ebene des Sinn- und Werthaften umschließen soll 56 , ist damit noch nicht schlüssig dargetan, 50

Ellscheid, Naturrechtsproblem, in: Kaufmann/Hassemer, S. 57. Max Weber, Der Sinn der „Wertfreiheit", in: ders., Wissenschaftslehre, S. 489 ff. (S. 501); V.Kraft, Wertbegriffe u n d Werturteile, in: Albert/Topitsch, S.44ff.; Topitsch, Restauration des Naturrechts? i n : ders., Sozialphilosophie zwischen Ideologie u n d Wissenschaft, S. 53 ff. (S. 54, 60); Albert, Das W e r t urteilsproblem i m Lichte der logischen Analyse, Z. f. ges. StWiss. 112 (1956), S. 410 ff.; G. Radbruch, Rechtsphilosophie, §1, S. 1 ff.; H.J.Wolff, Juristische Person u n d Staatsperson, Bd. I, S. 250; W. Hof mann, Gesellschaftslehre als Ordnungsmacht, S. 16 ff.; Podlech, AöR 95 (1970), S. 185 ff. (S. 197) m . w . N . ; Grimmer, Demokratie u n d Grundrechte, S. 128 ff. 52 W. Hof mann, Gesellschaftslehre als Ordnungsmacht, S. 17. 53 Ebenda, S. 17 ff. 54 Podlech, AöR 95 (1970), S. 185 ff. (S. 197 ff.); vgl. auch bereits Max Weber, Der Sinn der „Wertfreiheit", in: ders., Wissenschaftslehre, S. 510 f. 55 Podlech, ebenda, S. 198, 201. 56 Vgl. oben F N 42. 51

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

daß die „Wirklichkeit" Aussagen über das rechtlich verbindlich Gesollte zuläßt und bei der Auslegung positiv gesetzten Rechts berücksichtigt werden muß. Denn der Gesetzgeber hat allemal die Möglichkeit, sich über „wirkliche" Ordnungen hinwegzusetzen und andere für sinnvoller zu erklären. Über diese Problematik w i r d teilweise mit der verdinglichenden Formulierung hinweggegangen, soweit das Recht zwischenmenschliche Beziehungen gestalten wolle, müsse es auf die Sozialstrukturen und deren Eigengesetzlichkeiten Rücksicht nehmen 57 . Ist man sonst auf den Bezug zum „wirklichen Leben" bedacht, geht dieser hier verloren; denn man setzt sich i n dieser und i n vergleichbaren Formulierungen darüber hinweg, daß i m fraglichen Zusammenhang Willens- und Handlungssubjekt nur der jeweilige Gesetzgeber sein kann. Dieser sollte bei seinen Entscheidungen i n der Tat vorhandene Sozialstrukturen bedenken und tut es i n aller Regel auch; doch daraus folgt nichts für eine unmittelbare normative Relevanz konkreter gesellschaftlicher Ordnungen. Die Problematik w i r d von Karl Larenz erkannt: Grundsätzlich könne die Auslegung zwar auf vorgefundene Sachstrukturen zurückgreifen, da zu vermuten sei, daß jedes Gesetz eine „der Sache angemessene Regelung" bezwecke; nur dann könnten Sachstrukturen keine Auslegungskriterien sein, wenn der Gesetzgeber sich über sie bewußt und erkennbar habe hinwegsetzen wollen 5 8 . Dagegen ist einzuwenden, daß die Frage, ob eine rechtliche Regelung ihrem Regelungsobjekt „angemessen" ist, nicht durch bloße Feststellung von Seinsstrukturen, sondern durch wertendes Messen beantwortet werden kann. Dieser Bewertungsvorgang w i r d verdunkelt, wenn unter dem Stichwort „Sachadäquanz" die Struktur konkreter gesellschaftlicher „Lebensbereiche" für ein „dem Seienden selbst zu entnehmendes normatives Element" erklärt wird 5 9 . Die Kompetenz zur Entscheidung von Wertungskonflikten kann so unkontrolliert vom Gesetzgeber zum Gesetzesinterpreten verlagert werden 60 , ohne die Legitimität dieses Vorgangs begründen zu müssen. Der Versuch, i n konkreten, realen Ordnungen normativen Halt jenseits einer „rechtsphilosophischen Parteienlehre" 6 1 zu gewinnen, kann auch aus methodischen Gründen nicht gelingen: Die Beschreibung des Verhältnisses zwischen Norm und Wirklichkeit als „Korrelation" oder „Wechselwirkung" ist zu pauschal, u m für die Methodik der Norminterpretation fruchtbar werden zu können. Voraussetzungen und Gren57 Schünemann, Sozialwissenschaf ten u n d Jurisprudenz, S. 19; ähnlich Hesse, Normative K r a f t , S. 86 u n d Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 44. 58 Larenz, Methodenlehre, S. 323. 59 Ebenda. 60 Ellscheid, Naturrechtsproblem, in: Kaufmann/Hassemer, S. 30. 61 So die Überschrift des 8. Kapitels i n Radbruchs Rechtsphilosophie, S. 58.

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zen einer normativen Relevanz von „Sachstrukturen" sind nicht erkennbar. „Wechselwirkung" ist eine zu unbestimmte Kategorie, die fast jedem möglichen Interpretationsverfahren Raum gibt 6 2 . Zudem bleibt völlig offen, wie die behauptete „Wirklichkeit" des konkreten sachlichen Substrats einer Norm nachgewiesen werden soll. Vor allem bei gesellschaftlichen Verflechtungszusammenhängen (wie Presse oder Wissenschaft) ist es überaus schwierig, aus einzelnen Ordnungsfaktoren einen vor- oder außergesetzlichen Ordnungszusammenhang zu konstruieren, der dem Anspruch genügt, „wirkliche" Ordnung zu sein 63 . Die Berufung auf eine phänomenologische „Wesensschau" kann nicht genügen. Derart gewonnene Einsichten entziehen sich jeder wissenschaftlichen K r i t i k und Diskussion. Anstatt daß „zu den Sachen selbst" zurückgekehrt wird, besteht die Gefahr, daß die „Wesensschau" in Subjektivitäten auseinanderfließt 64 . „Wesenserkenntnisse" haben es von jeher erleichtert, die eigenen Entscheidungen mit Hilfe des Wesensvokabulars i n das sprachliche Gewand der Erkenntnis zu kleiden 6 5 . Es kann so nicht ausgeschlossen werden, daß der als existent angenommene Ordnungszusammenhang, der für die Norminterpretation berücksichtigt werden soll, nicht nur auf Tatsachen, sondern auch auf bestimmten Soll-Vorstellungen beruht. Diese sind aber empirisch nicht prüfbar und werfen die Frage nach ihrer normativen Richtigkeit auf 66 . Wenn derartige Soll-Vorstellungen teilweise aus einer „objektiven Wertordnung" legitimiert werden, so können für die „Objektivität" jener Wertordnung keine intersubjektiv vermittelbaren Kriterien angegeben werden: „Da Werte i m Sinne der klassischen deutschen Wertphilosophie keine unter objektiven Bedingungen reproduzierbaren Tatsachen sind, können Wertungen i m Sinne dieser Position nicht i n wissenschaftliche Begründungszusammenhänge eingeführt werden 67 ." Die Berufung auf eine rational unüberprüfbare „objektive Wertordnung" ist als Verkleidung für die verschiedensten politischen Ziele und Interessen vorzüglich geeignet: „Die Gruppen-Interessen treten dann als Werte auf, indem sie wesentliche Rechtskategorien zu Stellenwerten irgendeines ihnen adäquaten Wert-Systems machen 68 ." 62

F. Müller, Normstruktur, S. 85 f. Vgl. die kritische Analyse bei Ellscheid, Naturrechtsproblem, in: K a u f mann/Hassemer, S. 54 ff. am Beispiel der Wissenschaftsfreiheit. 64 Stier-Somlo, HdbDStR, Bd. I, S. 384. 65 Albert, Das Werturteilsproblem i m Lichte der logischen Analyse, Z. f. ges. StWiss. 112 (1956), S. 410 ff. (S. 431). ββ Ellscheid, Naturrechtsproblem, in: Kaufmann/Hassemer, S. 57; vgl. auch H. J. Wolff, Juristische Person u n d Staatsperson, Bd. I, S. 255 ff. u n d Topitsch, Restauration des Naturrechts?, i n : ders., Sozialphilosophie zwischen Ideologie u n d Wissenschaft, S. 53 ff. (S. 66 f.). 67 Podlech, AöR 95 (1970), S. 185 ff. (S. 206). 68 C. Schmitt, Tyrannei der Werte, S. 39. 63

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Der Versuch, über ein hermeneutisches „Verstehen" den Wirklichkeitsbezug der Norm jenseits von Natur recht und Rechtspositivismus 69 zu begründen, ist inhaltlich und methodisch nicht minder problematisch als der rechtsontologische Ansatz 70 : Hermeneutisch w i r d der W i r k lichkeitsbezug der Norminterpretation aus der Struktur des Verstehensprozesses begründet: Eine Norminterpretation i m Sinne einer Bildung von abstrakten Obersätzen ohne Rücksicht auf Sachgehalte sei überhaupt nicht möglich, da alles Textverstehen notwendig Sachverstehen sei. Es könne also keinen Wortsinn geben, der neben dem intendierten Sachgebilde stehe und i n der Auslegung selbständig betrachtet werden könnte 7 1 . Diese Annahme ist jedoch nicht haltbar: Die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks kann auch ohne Kenntnis der „Sache", auf die sich dieser bezieht, mitgeteilt werden: „Die Bedeutung eines Begriffs oder eines Satzes kann ich durchaus angeben, und ich muß sie sogar angeben können, unabhängig davon, ob ich weiß, daß dem Begriff unterfallende Gegenstände existieren, daß der Sachverhalt der Fall ist 7 2 ." Reines Bedeutungswissen ist unabhängig von empirischem Wissen möglich, die Sinnfrage kann losgelöst von der Wahrheitsfrage beantwortet werden. Damit ist natürlich nicht gesagt, empirisches Wissen sei für die Norminterpretation nutzlos; i n dem Maße, i n dem man über Sachkenntnis verfügt, kann man die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks besser angeben 73 . Wo und wie empirisches Wissen i m Rahmen der Norminterpretation methodisch kontrolliert verarbeitet werden kann, darüber kann das hermeneutische Dogma der Zusammengehörigkeit von Text- und Sachverstehen aber keine hinreichend präzise Auskunft geben. Die Beschreibung des Verstehensprozesses als „hermeneutischer Z i r k e l " 7 4 leitet zwar zu einer K r i t i k des „logischen Syllogismus" über 7 5 , nicht aber zur Formulierung hinreichender Bedingungen für richtiges Verstehen 76 . Denn die Hermeneutik i m Sinne Gadamers 77 69

A . Kaufmann, JZ 1975, S. 337 ff. (S. 337). Wobei beide Parallelitäten aufweisen u n d oft miteinander verbunden werden, so bei A . Kaufmann, ebenda; auch Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten, S. 52, h ä l t die „Sache Recht" für „notwendig extrapositiv" u n d erkennt einen „eigenartigen Bezug" rechtsontologischer Überlegungen zu den Ergebnissen der hermeneutischen Analyse (S. 97). 71 Hruschka, ebenda, S. 39, 44 ff. 72 Rottleuthner, Hermeneutik u n d Jurisprudenz, i n : H. J. Koch, Juristische Methodenlehre u n d analytische Philosophie, S. 7 ff. (S. 18). 73 Ebenda. 74 Gadamer, Wahrheit u n d Methode, S.251; Esser, Vorverständnis u n d Methodenwahl, S. 125, 134. 75 Vgl. etwa A . Kaufmann, JZ 1975, S. 337 ff. (S. 339); F. Müller, N o r m s t r u k tur, S. 24 ff. 76 Rottleuthner, Hermeneutik u n d Jurisprudenz, in: H. J. Koch, Juristische Methodenlehre u n d analytische Philosophie, S. 15. 77 Gadamer, Wahrheit u n d Methode, 2. Aufl., Tübingen 1965. 70

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erhebt — i m Gegensatz zur klassischen Hermeneutik 7 8 — nicht den Anspruch, „Kunstlehre des Verstehens" zu sein 79 . Wenn „Verstehen" existential als „die ursprüngliche Vollzugsform des Daseins" gedeutet wird, dann kann nicht i n Frage stehen, „was w i r t u n sollten, sondern, was über unser Wollen und T u n hinaus mit uns geschieht" 80 . Die Methodik der Norminterpretation, insbesondere deren Wirklichkeitsorientierung, bleibt so unklar: Anstatt die Möglichkeit einer rationalen Folgendiskussion i n Betracht zu ziehen, i n die empirisches Wissen eingebracht und aufgrund derer eine Bedeutungsfestsetzung erfolgen könnte, w i r d eine fallbezogene, wechselseitige Konkretisierung der Norm am Sachverhalt und des Sachverhalts an der Norm vorgeschlagen 81 . Friedrich Müller verwendet i n diesem Zusammenhang das B i l d einer hermeneutischen „Ellipse" mit den Brennpunkten Normprogramm und Normbereich 82 . „Eine derart metaphorische Fassung hermeneutischer Leistung (— schon fast eine Hermeneutik der Hermeneutik! —) mag dem, der eine gut entwickelte geometrische Phantasie besitzt, eine willkommene Vollzugshilfe bieten 83 ." Eine greifbare Eingrenzung der normativen Relevanz von „Sachstrukturen" w i r d so nicht geleistet. Wenn angenommen wird, die Richtigkeit der Normkonkretisierung könne nur i m konkreten Rechtsfindungs ver fahren durch Reflexion und Argumentation, durch Intersubjektivität und Konsens hergestellt werden, dann verweist die juristische Hermeneutik-Rezeption methodisch auf ein topisches Argumentationsverfahren 84 . Dessen nahezu unbegrenzte Offenheit bedeutet den Verzicht auf inhaltliche Maßstäbe für Zulässigkeit, Reihen- und Rangfolge der verschiedenen topoi. Nach welchen Gesichtspunkten „Sachstrukturen" von Normbereichen zu ermitteln sind und welcher Stellenwert ihnen bei der Gesetzesauslegung zukommen soll, kann daher nicht angegeben werden 85 . 78

Vgl. hierzu den Uberblick bei Schroth, Hermeneutikdiskussion, i n : K a u f mann/Hassemer, S< 188 ff. (S. 189 f.). 79 Gadamer , Wahrheit u n d Methode, S. X V I ; Esser, JZ 1975, S. 555 ff. (S. 555); dennoch scheint Hermeneutik unter Juristen nicht selten als alternative Methode mißverstanden zu werden. Z u r juristischen HermeneutikRezeption vgl. Rottleuthner, Hermeneutik u n d Jurisprudenz, i n : H . J . K o c h , Juristische Methodenlehre u n d analytische Philosophie, S. 7 ff. (S. 10 ff.). 80 Gadamer , Wahrheit u n d Methode, S. X V I , S. 246. 81 A . Kaufmann, JZ 1975, S. 337 ff. (S. 339); F. Müller, Juristische Methodik, S. 131 ff.; vgl. hierzu E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2095 ff.). 82 F. Müller, Normstruktur, S. 195 ff. 83 Denninger, AöR 94 (1969), S. 333 ff. (S. 337). 84 A . Kaufmann, JZ 1975, S. 337 ff. (S.341); Ehmke, V V D S t R L 20, S. 71 f.; F. Müller, Normstruktur, S. 58 f., 167, 47 ff. „topische Hermeneutik"; Hruschka, Verstehen von Rechtstexten, S. 53; vgl. zum topischen Interpretationsverfahren auch: Grimmer, Demokratie u n d Grundrechte, S. 145 ff. 85 E.W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S.2092); hier bieten sich dann Einbruchsteilen für eine „alternative Rechtsauslegung"; vgl. etwa Däubler,

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Die topische Hermeneutik macht aus der methodischen Not, die sich aus der Unbestimmtheit und Offenheit verfassungsrechtlicher Normtexte ergibt, eine philosophisch legitimierte Tugend: Das Heil w i r d i n einer Kasuistik gesucht, deren Zusammenhalt, Konsistenz und Richtigkeit allein vom Konsens über das maßgebliche „Vorverständnis" abhängt 86 . Das hermeneutische Richtigkeitskriterium der potentiellen Zustimmung aller Vernünftig- und Gerecht-Denkenden aufgrund gewaltfreien, rationalen Diskurses 87 ist angesichts der Wirklichkeit eines „Grundgesetzes i m Parteienkampf" 8 8 praktisch nicht einlösbar; es besteht so die Gefahr, daß der potentiell universelle Konsens fiktiv wird, indem er mit dem faktisch erreichten, aber begrenzten Konsens identifiziert wird89. Die angeschnittenen methodischen Probleme lassen sich anhand des „Instituts ,Freie Presse'" recht gut verdeutlichen: M i t dem Normtext des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG hält man sich nicht lange auf, es geht sogleich an das „Sachverstehen", wobei allerdings die Auffassungen über das „Wirkliche", die „Sachstrukturen" einer freiheitlichen Presseordnung erheblich auseinandergehen: Die einen halten die tatsächliche privatwirtschaftliche Organisation der bundesdeutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage für ein wirkliches Strukturmerkmal einer „Freien Presse", die anderen „verstehen" die Privatwirtschaftlichkeit als nebensächlichen, ja hinderlichen Faktor. Für diese ist „innere Pressefreiheit" wesentliches Bauelement, für jene nicht 9 0 . I n dem Strukturelement der „öffentlichen Funktion" der Presse verfließt die Grenze zwischen Faktenanalyse und Soll-Vorstellung vollends. Damit ist bereits angezeigt, daß sich hinter dem sachlichen Institut „Freie Presse" ebenso wie hinter dem „objektiven Wert" einer für die freiheitliche Demokratie konstitutiven unabhängigen Presse sehr unterschiedliche Vorstellungen über das politisch Wünschenswerte verbergen, die nicht als „Vorverständnis" offen ausgewiesen werden. Die einen wollen den status quo einer privatwirtschaftlichen, verlegerzentrierten Presse konservieren, die anderen erstreben eine weitgehende „DemokratisieGesellschaftliche Interessen u n d Arbeitsrecht, S. 51, 52, der i n seltener Offenheit feststellt: „ K o n k r e t bedeutet dies, daß die wünschbaren, den Interessen der Lohnabhängigen entsprechenden Rechtsinhalte i m Wege gängiger dogmatischer Argumentation begründet werden. . . . Dabei erweist sich die T a t sache als besonders nützlich, daß die i n der aktuellen Diskussion zugelassenen Topoi sehr fungibel sind, platter ausgedrückt, daß man lege artis außerordentlich vielfältige Ergebnisse begründen kann." 86 E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2092). 87 Vgl. Neumann, Wissenschaftstheorie, in: Kaufmann/Hassemer, S. 174 ff. (S. 185 ff.). 88 Kriele, ZRP 1973, S. 129 ff. 89 Ellscheid, Naturrechtsproblem, in: Kaufmann/Hassemer, S. 34. 90 Vgl. oben § 2 I I 1, § 2 I I 2 d), § 3 I I 1 d).

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rung" der Presse zugunsten der Pressemitarbeiter. Angesichts dieses Antagonismus erweist sich der Konsens aller Vernünftig- und GerechtDenkenden als utopisches Richtigkeitskriterium. Das Beispiel des „ I n stituts ,Freie Presse'" belegt, daß die Annahme einer unmittelbaren normativen Relevanz von „Sachstrukturen" sozialer „Lebensbereiche" weder eine größere „Objektivität" des Interpretationsergebnisses noch eine höhere methodische Rationalität zu leisten vermag. Der Rückgriff auf „sachliche" Ordnungen überspielt zu leicht die Direktiven des Normtextes, er verbaut den Zugang zu den Wertungsfragen und zu deren methodischer Aufbereitung i m Rahmen einer Folgendiskussion.

2. Privates und öffentliches Interesse

Die Tendenz zur Auflösung überkommener abstrakter Dualismen, die die „Lebensbereichstheorie" durchzieht, zeigt sich auch darin, wie das Verhältnis von öffentlichem und privatem Interesse i m Grundrechtsbereich bestimmt wird. Für die K r i t i k dieser Verhältnisbestimmung ist es nicht erforderlich, die umfangreiche Kontroverse u m Begriff und Bedeutung von privatem und öffentlichem Interesse v o l l aufzurollen 91 . Es erscheint als fruchtbarer, die kritische Analyse auf die zentralen inhaltlichen und methodischen Prämissen zu beschränken. Es ist gezeigt worden, daß privates und öffentliches Interesse i n der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter wie i n der institutionellen Grundrechtstheorie nicht mehr als einander widerstreitende Positionen, sondern als miteinander verschränkte Elemente gesehen werden, deren Integration i m grundrechtlichen „Lebensbereich" angelegt sei 92 . Diese Auflösung des klassischen Gegensatzes w i r d durch die weitgehende Entformalisierung des Interessenbegriffs ermöglicht, welche schon bei der Bestimmung der Interessensubjekte und deren Definitionskompetenz einsetzt: Die Träger von Individualinteressen werden nicht i n die abstrakte Form von rechtlich autonomen Personen des Privatrechts gebracht, sondern entsprechend der konkreten sozialen Realität als „gemeinschaftsbezogene", i n das Beziehungsgeflecht der gesellschaftlichen Totalität integrierte Einzelmenschen vorgestellt 93 . W i r d diese „Vergesellschaftung des Individuums" nicht nur als deskriptive, sondern auch 91 Vgl. dazu Wolff/Bachof I, § 29, S. 166 ff.; Martens, Öffentlich, S. 173 ff.; Fach, ARSP 60 (1974), S. 231 ff.; Häberle, Öffentliches Interesse, S. 32 ff.; Rincken, Das Öffentliche, S. 87 ff. 92 Vgl. oben § 2 I I 2 a) u n d § 3 I I 1 b). 93 BVerfGE 4, S. 7 (S. 15 f.); 7, S. 198 (S. 205); 8, S. 274 (S. 329); Hesse, Grundzüge, §4, S. 49 f.; Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 19, 207; Rincken, Das Öffentliche, S. 218 ff.

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

als normative Aussage verstanden, so ermöglicht sie die gemeinwohlorientierte Überformung des Inhalts individueller Interessen. Von daher kann Häberle zu dem Ergebnis gelangen, nicht „willkürliche Zweckverfolgung", sondern die „Entfaltung des Personseins" durch „Finden und Verwirklichen der geltenden Wertmaßstäbe" sei Inhalt des grundrechtlich maßgeblichen Individualinteresses 94 . Sich gegenüber solcher Anbindung individueller Interessen an „objektive" soziale Präferenzordnungen aufdrängende Assoziationen an historisch belastete Formeln wie „Gemeinnutz geht vor Eigennutz" versucht man m i t dem Hinweis vorzubeugen, die zu integrierenden Gemeinwohlaspekte orientierten sich nicht an monarchischer Staatsraison, sondern an der salus publica der demokratisch-pluralistischen res publica. Aber: „Historische Erfahrungen machen skeptisch. Es gilt zwar als trivial, auf den Leerformelcharakter und die Manipulierbarkeit des ,Gemeinwohls' aufmerksam zu machen. Dennoch muß es getan werden; denn die Gefahr von ,Gemeinwohlterror' gehört notwendig zum Gesamtbild 95 ." Dieser kann auch von einem demokratisch legitimierten „comité de salut public" ausgehen und sich als „Tyrannei der Mehrheit" präsentieren. Wenn die Reformulierung des grundrechtlich relevanten Individualinteresses die Unterscheidung zwischen wohlverstandenen und vermeintlichen Interessen erlaubt, muß die Frage nach der Kompetenz zur Definition des Interesseninhalts gestellt werden. Während die überkommene „formalistisch-positivistische" Auffassung die Kompetenz eindeutig der einzelnen Person als der Trägerin des privaten Interesses zuspricht, bleibt die neuere „materiale" Lehre eine klare A n t w o r t schuldig. Es erscheint daher plausibler, private Interessen als selbstbestimmte, eigennützige Interessen einer bestimmten natürlichen Person oder eines bestimmten menschlichen Verbandes zu definieren 96 . Die Entformalisierung des öffentlichen Interesses setzt beim Begriff der „Öffentlichkeit" an. Diese könne zutreffend weder auf die organisierte Staatlichkeit reduziert noch rein formal als unbestimmte Personenvielzahl bestimmt werden 9 7 . I n ihrer materialen Dimension bezeichne „Öffentlichkeit" keine Interessensubjekte, sondern einen „sozialen Raum", nämlich den zwischen Staat und Gesellschaft vermittelnden, gegebenen und aufgegebenen Lebensbereich innerhalb des demokratischen Gemeinwesens, i n dem sich ein kritisch räsonierendes, pluralistisches Publikum als Träger der öffentlichen Meinung und Kontrahent der organisierten Staatlichkeit konstituiere 9 8 . „Öffentlich94

Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 16, 27 f. Stolleis, V e r w A r c h 65 (1974), S. 1 ff. (S. 28). 96 Ä h n l i c h Martens, Öffentlich, S. 178, u n d Wolff /Bachof 97 Häberle, Öffentliches Interesse, S. 558 ff.; Rincken, S. 270 f. 95

I, § 29 I I I , S. 169 f. Das Öffentliche,

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keit" kann demnach weder auf den Interessenträger noch auf die Interessenrichtung verweisen; sie bezieht sich vielmehr auf das Verfahren zur Formulierung des öffentlichen Interesses. „Öffentlich" sind demzufolge jene Interessen, über welche aufgrund eines allgemein zugänglichen, rationalen Diskurses sozialer Konsens erzielt worden ist. „Öffentliches Interesse" ist so kaum noch als Ergebnis, sondern vornehmlich als Prozeß faßbar". Dieser Reformulierungsversuch vernachlässigt aber, daß „Interesse" notwendig einen formalen Tatbestand, nämlich die (positive) Bezogenheit eines Subjekts auf ein Objekt, ausdrücken muß 1 0 0 . Eine rein prozedurale Version kann die erforderliche Bezeichnung der Interessensubjekte nicht leisten. Wenn der Staat, die Allgemeinheit (i. S. der Gesamtheit aller Rechtsgenossen) und die „Öffentlichkeit" als Interessenträger ausgeschlossen werden 1 0 1 , ist noch keine hinreichende Klarheit geschaffen. Der Mangel einer positiven Definition läßt es zu, daß auch die Interessen einzelner gesellschaftlicher Gruppen oder gar von Einzelpersonen i n den Rang öffentlicher Interessen erhoben werden können, wenn nur die prozeduralen Bedingungen eingehalten sind. Damit ist der Weg frei für eine privatwohlorientierte Durchdringung öffentlicher Interessen. Diese Möglichkeit w i r d i n der plausibleren Konzeption von Martens ausgeschlossen, der i n Entfaltung seines subjektiven Interessenbegriffs die Interessensubjektivität vom Staat i. S. einer Kollektivpersönlichkeit auf die Öffentlichkeit i. S. einer unbestimmten Personenvielzahl verlagert 1 0 2 . Indem die „materiale" Auffassung den prozeduralen Charakter des öffentlichen Interesses i n den Vordergrund stellt, umgeht sie — wie schon beim privaten Interesse — die Frage nach der Definitionskompetenz. Die K r i t i k an der angeblichen Ersetzung „der Inhaltlichkeit durch einen Entscheidungsmechanismus 103 " vermag über die mangelnde Plausibilität der eigenen Position nicht hinwegzuhelfen. A l l e Versuche, mittels prozedural und generell festgelegter Prämissen inhaltliche Resultate zu begründen, übersehen, daß sie auf halbem Wege stehen bleiben müssen. Da selbst bei optimalen Partizipationschancen Interessenkonflikte nie restlos „ausgeregelt" werden können, muß eine Aussage darüber getroffen werden, was m i t verbleibenden Entscheidungsanforderungen geschehen soll. Eben dies bleibt i n der „materialen" Lehre völlig offen. Denn über ihrer auf der Annahme weitge98 Häberle, ZfP 16 (1969), S. 273 ff. (S.278); ders., Öffentliches Interesse, S. 560 f.; Rincken, Das öffentliche, S. 98. 99 Stolleis, Ev. StLex., Sp. 803. 100 Fach, ARSP 60 (1974), S.231 ff. (S.245); Wolff/Bachof I , § 29 I a), S. 167. 101 Häberle, öffentliches Interesse, S. 560; Rincken, Das öffentliche, S. 249 ff. 102 Martens, Öffentlich, S. 178. 103 Rincken, Das Öffentliche, S. 258.

12 Degen

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

hender sozialer Harmonie basierenden Konzeption von demokratischem Prozeß und Konsens gerät die Möglichkeit antagonistischer Interessenkonflikte und die Notwendigkeit zu deren verbindlicher Entscheidung aus dem Blickfeld. Von daher muß verkannt werden, daß „öffentliches Interesse" und Staat insofern untrennbar zusammenhängen als die Funktion der autoritativen, d. h. gesellschaftlich verbindlichen und sanktionsmäßig abgesicherten Zuteilung von Werten allein i n die Verbandskompetenz des Staates als der m i t dem Monopol legitimer Gewaltanwendung ausgestatteten politischen Entscheidungseinheit fallen kann 1 0 4 . I m demokratischen Verfassungsstaat kann die Organkompetenz nur dem Verfassungsgeber und i m Rahmen der Verfassung dem Gesetzgeber zufallen. Bei diesen liegt die Befugnis, aus den i n der Rechtsgemeinschaft konkurrierenden Interessen diejenigen auszuwählen, die von Rechts wegen verfolgt werden sollen, und zu regeln, wie das zu geschehen hat. Maßgebende öffentliche Interessen können so nur die durch Verfassung und Gesetz dazu erklärten sein 105 . Die Auflösung des Gegensatzes von privaten und öffentlichen Interessen resultiert aus der Preisgabe der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft. Die Problematik dieser Position kann hier nicht völlig ausgelotet werden, einige grundsätzliche Bemerkungen mögen genügen: Die K r i t i k am herkömmlichen Dualismus von „Staat" und „Gesellschaft" setzt deshalb falsch an, weil sie die dualistische Auffassung als Versuch der Beschreibung konkreter normativer wie faktischer W i r k lichkeit begreift, während sie doch als Formulierung eines abstrakten regulativen Prinzips gedacht ist. Über dieses Mißverständnis w i r d verhindert, daß der Unterschied zwischen abstraktem Prinzip und dessen konkreter Ausgestaltung erfaßt sowie danach differenzierende Argumente angemessen berücksichtigt werden können. Dies führt dazu, daß der Grundsatz der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft m i t seiner spätabsolutistischen und frühkonstitutionellen Ausformung i m Sinne eines Nebeneinander zweier getrennter Verbände identifiziert und nach Konfrontation mit dem „Strukturwandel der Öffentlichkeit" i n den sozialstaatlichen Massendemokratien für erledigt erklärt werden kann. Der Anspruch der „Anpassung" der Auslegung von Verfassungsnormen an eine gewandelte Wirklichkeit soll sodann i n einer die alten Dualismen hinter sich lassenden Konzeption des demokratischen öffentlichen Gemeinwesens eingelöst werden. I n diesem seien die „institutionalisierte Öffentlichkeit" des „Bereichs der Regierung" und die pluralistisch strukturierte Öffentlichkeit des demokratischen Staatsvolks zu einem einzigen, nach Kriterien des Öffentlichen und Privaten 104 105

Fach, ARSP 60 (1974), S. 231 ff. (S. 233, 253). Forsthoff, öffentliche Körperschaft, S. 17; Martens,

Öffentlich, S. 186 f.

§ 7 K r i t i k der Lebensbereichstheorie

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nicht mehr zu differenzierenden Funktionszusammenhang integriert. Dem so gefaßten öffentlichen Gemeinwesen falle die Aufgabe zu, durch umfassende planende und versorgende Gestaltung die i n der Verfassung vorgezeichnete konkrete „gute Ordnung" zu verwirklichen 1 0 6 . M i t der Preisgabe der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft muß deren elementare kompetenzverteilende Funktion verloren gehen, die Ernst-Wolfgang Böckenförde folgendermaßen beschrieben hat: „Sie liegt i n der (verfassungsrechtlichen) Festlegung der A r t , verfahrensmäßigen Gestaltung und Begrenzung der Einflußnahme der Gesellschaft auf den Staat hin, also insbesondere der Organisation und Ausgestaltung des Prozesses der politischen Willensbildung und staatlichen Entscheidung sowie der A r t , Ausgestaltung und Begrenzung der staatlichen Einflußnahme und Durchführung staatlicher Entscheidungen i n die Gesellschaft hinein 1 0 7 ." Die Kategorie der „Öffentlichkeit" kann keine vergleichbare juristische Aussagekraft entfalten: „Öffentlichkeit" bezeichnet einen Integrationsvorgang, der nicht durch die Abgrenzung von einzelnen Elementen, sondern nur durch deren wechselseitiges Zusammenwirken zu einem konkreten Ganzen zutreffend beschrieben werden kann. Die einheitsbildenden Züge des Öffentlichen bedingen die Betonung der fließenden Übergänge anstatt der Trennungslinien. Für die Differenzierung von Aufgaben und Kompetenzen i m Verhältnis von „politischem System" zum „gesellschaftlichen Gesamtsystem" kann die Figur der Öffentlichkeit daher ebensowenig etwas beitragen wie für die Differenzierung von „öffentlichem" und „privatem" Interesse 108 . Deren Verschränkung erscheint auch unter Methodengesichtspunkten als anfechtbar: A u f der Grundlage mangelnder Unterscheidung von Normativität und Faktizität werden über das pauschale Postulat einer „Anpassung" an den sozialen Wandel aus — weithin unbestrittenen — empirischen Befunden (zunehmende soziale Dependenz der Individuen, wachsende Interdependenz von Staat und Gesellschaft) unmittelbar Folgerungen für die Interpretation von Grundrechtsnormen gezogen. Die Fragen nach der Bewertung der gewandelten Wirklichkeit, nach den Wertungsmaßstäben und nach der Wertungskompetenz werden damit überspielt. Getroffene Wertungen werden nicht zureichend ausgewiesen. Aus welchen Folgenaspekten heraus es für wünschenswert gehalten wird, das private Interesse als faires, gemeinschaftsgebundenes, statt als selbstbestimmtes, eigennütziges Interesse eines Einzelnen zu fassen

106 Vgl. näherhin: Hesse, Grundzüge, § 1 I I I , S. 8 ff.; ders., Staat und Gesellschaft, S. 484 ff.; Ehmke, Fg. Smend, S. 23 ff.; Häberle, ZfP 16 (1969), S. 273 ff.; Rincken, Das Öffentliche, S. 248 ff.; kritisch hierzu E. W. Böckenförde, Staat u n d Gesellschaft, S. 395 ff.; H. H. Klein, Grundrechte, S. 30 ff. 107 E. W. Böckenförde, Staat u n d Gesellschaft, S. 410. 108 H. H. Klein, D V 1972, S. 361 ff. (S. 362 f.).

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

und das öffentliche Interesse über seine prozedurale Version für das Einströmen privater Gruppeninteressen zu öffnen, w i r d nicht erörtert.

3. Freiheit und Bindung

Der Versuch einer Reformulierung des grundgesetzlichen Freiheitsbegriffs, wie er i n der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter begonnen und i n der institutionellen Grundrechtstheorie fortgesetzt w i r d 1 0 9 , gründet i n dem Anliegen, Freiheit für jedermann Wirklichkeit werden zu lassen. Mag dieses Postulat auch prinzipiell begrüßenswert sein, seine verfassungsrechtsdogmatische Umsetzung begegnet jedoch Einwänden. U m die Dimension der „Wirklichkeit der Freiheit" i n die Grundrechtsinterpretation integrieren zu können, darf „Freiheit" nicht mehr als abstrakte, formale, sondern nur als konkrete, materiale Kategorie gefaßt werden. Sie muß damit notwendig substantiell definiert werden, was m i t dem Begriff „realer Freiheit" versucht wird. Dieser soll die rechtlich begründete und gesicherte Möglichkeit einzelner Personen zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit innerhalb verfaßter gesellschaftlicher Lebensbereiche bezeichnen. Die Bedeutung von „Freiheit" w i r d so freilich nicht angegeben: M i t „Persönlichkeitsentfaltung" w i r d nur der grundrechtlich intendierte Erfolg des Freiheitsgebrauchs, m i t „Lebensbereich" die sozialen Rahmenbedingungen von Freiheitsverwirklichung benannt. „Freiheit" selbst w i r d nicht durch Prädikate gekennzeichnet. Versucht man dies, so kommt man u m den Begriff „negativer" Freiheit allerdings nicht herum: Allgemein meint „Freiheit" trotz der substantivischen Fassung des Worts keine Substanz, sondern die Relation eines Subjekts zu einem Objekt, von dem es unabhängig ist. Das Objekt muß daher etwas sein, woran das Subjekt normalerweise gebunden ist. Freiheit beruht also auf Bindung und ist i n dem Sinne ein Ausnahmefall als sie darauf hinweist, daß eine Bindung gelöst ist. Die Bedeutung der Aussage, jemand sei frei, erschließt sich also nur über die Frage danach, wovon er frei sei 110 . I m Kontext menschlichen Handelns innerhalb entwickelter Gesellschaftsordnungen kann „Freiheit" nicht Entbundenheit von jeglicher, selbst latenter und unbewußter Handlungsdetermination durch die soziale Umwelt bedeuten, denn dann wäre „Freiheit" gar nicht denkbar. Indem „Freiheit" vielmehr die Existenz von Gesellschaft und ge109

Vgl. oben § 2 I I 2 c) u n d § 3 I I 1 c). no y Freytag-Löringhoff, Logische Struktur, S. 39 ff.; vgl. auch HWbdPh., Sp. 1088; R. Aron, Über die Freiheiten, S. 134 ff.

Spaemann,

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seilschaftlicher Bindung voraussetzt, kann sie sinnvoll nur als Freistellung von sozial manifesten, extern gesetzten Handlungsdeterminanten, von äußeren Zwängen und genau vorgezeichneten sozialen Erwartungen, begriffen werden, weil nur diese die erwünschte soziale Konstitution einer individuellen Persönlichkeit behindern können. I m gesellschaftlichen Kontext ist „Freiheit" also kein Problem der Unterbrechung des Zusammenhangs sozialer Determination durch originären Willenseinsatz, sonderen eine Frage der Zurechnung sozialen Handelns zu einer individuellen Person oder zu einer gesellschaftlichen Handlungseinheit 111 . Für den Kontext der grundrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes kann dieser sozialwissenschaftliche Freiheitsbegriff nicht uneingeschränkt übernommen werden. Der Umstand, daß soziales Handeln durch Grundrechtsnormen (mit-)geregelt ist, setzt die Existenz der Herrschaftsform des Staates und die Unterworfenheit der Z i v i l personen unter die staatliche Rechtsordnung voraus. Staatliche Herrschaft ist notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung von „Freiheit". Indem der Staat als die mit dem Monopol legitimer Gewaltanwendung ausgestattete Handlungs- und Entscheidungseinheit das Potential an Freiheitsbedrohung, das i n der Gesellschaft diffus und ungreifbar verstreut vorhanden ist, weitgehend monopolisiert, w i r d die Freiheitsfrage erst verbindlich entscheidbar. I m grundrechtlichen Kontext ist „Freiheit" daher als „staatsgerichtet" zu fassen: Sie bezeichnet nicht Entbindung von beliebigen sozial manifesten und externen, sondern nur von bestimmten staatlich gesetzten Handlungsdeterminanten. Erst über diese Reduktion w i r d „Freiheit" rechtstechnisch faßbar 112 . Eben dies findet seine allgemeine normative Regelung i n A r t . 1 Abs. 3 GG: I n dem Maße, wie die „nachfolgenden Grundrechte" die staatlichen Organe „binden", also deren Handlungsspielraum beschränken, entbinden sie die Zivilpersonen, gewährleisten sie diesen Freiheit von staatlichen Beschränkungen 113 . Auch rechtlich erweist sich „Freiheit" damit als Zurechnungsproblem; es geht dabei allerdings nicht mehr u m die sozialwissenschaftliche Frage, wem soziales Handeln tatsächlich zuzurechnen ist, sondern u m die juristische Frage, wem i m Verhältnis zwischen Staat und Zivilpersonen ein bestimmtes Handeln als erlaubt zugerechnet werden darf. M i t „Freiheit" w i r d ein Kompetenz111 Luhmann, Grundrechte, S. 63 ff.; Podlech, DSt. 6 (1967), S. 341 ff. (S. 345); OeGré, Wörterbuch der Soziologie, S. 306. 112 Luhmann, Grundrechte, S.57; Podlech, DSt. 6 (1967), S. 347; Schlink, DSt. 18 (1979), S. 615 ff. (S. 617). 113 Entgegen Hesse, Grundzüge, § 9 I I 1, S. 120, k a n n aus A r t . 1 I GG nichts anderes geschlossen werden, denn dort geht es zunächst u m „Würde", nicht u m „Freiheit". Auch aus dem Bekenntnis des A r t . 1 I I GG ergibt sich nichts für den Freiheitsbegriff.

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

Verteilungsproblem angesprochen; die Freiheitsrechte können daher zutreffend als „negative Kompetenznormen" für staatliches Handeln gekennzeichnet werden 1 1 4 . Indem die Konzeption „realer Freiheit" auf eine vergleichbare Bestimmung von „Freiheit" verzichtet, kann sie die Dichotomie von Freiheit und Bindung auflösen: „Reale Freiheit" muß folgerichtig nicht nur die real vorhandene, „gegebene", sondern auch und erst recht die noch zu realisierende, „aufgegebene" Freiheit meinen. Als konkrete Gegebenheit spricht „reale Freiheit" die tatsächlichen Bedingungen der Möglichkeit persönlicher Entfaltung an. Zu diesen müssen wesentlich die gesellschaftliche Bedingtheit und Vermitteltheit von Persönlichkeitsentfaltung gerechnet werden. Die Konstitution der individuellen Persönlichkeit soll nur innerhalb sozialer Subsysteme („Lebensbereiche") und deren immanenten Funktionsbedingungen („Eigengesetzlichkeiten") möglich sein. Dieser Befund ist empirisch nicht prinzipiell bestreitbar, erlaubt aber unmittelbar keine rechtsdogmatischen Folgerungen. Gerade wenn man das konkrete interaktionistische Netzwerk persönlicher Entfaltung sieht, müssen die „Freiheit" konstitutierenden Elemente abstrahiert und rechtstechnisch konstruiert werden 1 1 5 . W i r d hingegen der empirische Befund unter dem Vorzeichen „reale Freiheit" unvermittelt auf die rechtliche Ebene transportiert, so w i r d individuelles Handeln i n rechtserheblicher Weise nicht nur staatlich gesetzten, sondern auch sonstigen sozialen, manifesten wie latenten Handlungsbedingungen unterworfen. Der Freiheitsgebrauch kann letztlich auf eine „Systemkonformität" verpflichtet werden, deren Konturen jedoch überaus fließend sind 1 1 6 . Als Aufgegebenheit w i r f t „reale Freiheit" die Frage „frei wozu?" auf. Diese erschließt aber keine zusätzlichen Dimensionen des Begriffs „Freiheit", sie richtet sich vielmehr auf die Tatsache, daß Lösung von Bindungen für das befreite Subjekt neue Verhaltensweisen möglich macht, Spielräume möglichen Freiheitsgebrauchs eröffnet. Gefragt w i r d nach den Zielen des Befreiten für diesen Gebrauch 117 . W i r d dieser Frage normative Relevanz beigemessen, wie dies i n der Figur „aufgegebener Freiheit" geschieht, kann es sinnvoll nicht mehr u m Zieldefinitionen nach subjektivem Belieben des Befreiten, sondern nur nach objektiven Maßstäben durch verfassungsrechtsanwendende Organe gehen. Der Freiheitsgebrauch w i r d an objektive Ziele und Zwecke gebunden, die 114

E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1530). Schlink, DSt. 18 (1979), S. 615 ff. (S. 617). 116 I n der kritisierten Richtung sehr deutlich: Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 23 ff., 100, 105; zur K r i t i k vgl. v. a. H. H. Klein, Grundrechte, S. 54 ff., u n d Gusy, Asylrecht u n d Asylverfahren, S. 253 ff. 117 v. Freytag-Löringhoff, Logische Struktur, S. 43 f. 115

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der Lebensbereichstheorie

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Freiheit unter funktionalem Aspekt beschränkt. Als grundrechtlich intendiertes Ziel des Freiheitsgebrauchs spricht „aufgegebene Freiheit" die „Entfaltung der Persönlichkeit" an. „Entfaltung" bezeichnet weder ein bestimmt geartetes Handeln noch einen bestimmten Handlungszusammenhang, sondern einen Prozeß, der durch das Wirken bestimmter Kräfte, etwa sozialer Interaktion, allmählich zu einem bestimmten Erfolg führt. Wenn der Freiheitsgebrauch auf den Erfolg „individuelle Persönlichkeit" orientiert wird, dessen E i n t r i t t aber nur unter der Voraussetzung der „Entfaltung" einer freiheitlich-demokratischen Ordnung des Gemeinwesens für möglich gehalten wird, und dies wiederum auch von der aktiven Teilnahme möglichst vieler Einzelner am gesellschaftlichen und politischen Leben abhängen soll, dann liegt es nahe, den Freiheitsgebrauch auch auf einen Beitrag zum intendierten gesamtgesellschaftlichen Erfolg festzulegen. Mögen individueller und sozialer Erfolg auch nie abschließend, sondern immer nur annähernd erreichbar sein, so kann der Freiheitsgebrauch doch auf die Aufgabe verpflichtet werden, jene Erfolge zu beabsichtigen und tätig zu fördern. Gleichzeitig erlaubt es die Erfolgs- und Aufgabenorientierung zwischen „echtem" und „wahrem", „unechtem" und „falschem" Freiheitsgebrauch zu differenzieren 118 . „Die Geschichte zeigt, daß die die politische Freiheit zerstörenden Systeme zur Rechtfertigung ihres Vorgehens immer wieder vorgeben, die echte Freiheit damit zu bewahren 1 1 9 . 4. Die Folgen

Neben der methodischen und inhaltlichen Anfechtbarkeit der Auflösung der Gegensätze i n der „Lebensbereichstheorie" läßt eine Reflexion ihrer möglichen Folgen ihre Tragfähigkeit als Grundlage für die Auslegung der Grundrechtsnormen als fraglich erscheinen. Dabei kann es nicht auf alle möglichen Folgen ankommen, zu berücksichtigen sind nur solche, die sich aus der Verwendung der „Lebensbereichstheorie" als Basis authentischer Verfassungsinterpretation durch das Bundesverfassungsgericht ergeben können. Angesprochen sind damit insbesondere die Auswirkungen solchermaßen gegründeter Verfassungsrechtsprechung auf die Situation der Zivilpersonen angesichts staatlicher Verhaltensregelungen wie auf die Beziehungen der obersten Staatsorgane untereinander. Die möglichen Konsequenzen können nicht umfassend diskutiert werden; folgende Thesen sollen aufgestellt und anschließend begründet werden 1 2 0 : 118

Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 15, 25. Podlech, DSt. 6 (1967), S. 341 ff. (S. 350 F N 76) m. w. Ν. 120 p ü r die Folgendiskussion fehlt es zudem an gesichertem empirischen Material, insbesondere aus dem Bereich der Politikwissenschaft; so auch 119

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

a) Die „Zukunftsoffenheit" der Verfassung ermöglicht die laufende Anpassung der Grundrechtsinterpretation an den sozialen Wandel. b) Damit geht ein Verlust an Offenheit i m Sinne von Transparenz und Vorhersehbarkeit einher. c) Offen w i r d auch die zulässige Reichweite staatlicher Regelungen i m Grundrechtsbereich. d) Gleichzeitig w i r d die politische Gestaltungsfreiheit von Legislative und Exekutive durch verfassungsgerichtliche Handlungsaufträge zunehmend eingeschränkt. e) Damit t r i t t ein Verlust an Offenheit der Verfassung für gesellschaftliche Innovation i m Wege gezielter Sozialgestaltung ein. f) Die Offenheit der politischen Diskussion weicht der Juridifizierung der Politik. ad a): Die „Lebensbereichstheorie", verbunden m i t der „geisteswissenschaftlichen Methode" 1 2 1 , ermöglicht über die „Offenheit der Verfassung i n die Zukunft hinein" die „fließende Geltungsfortbildung" 1 2 2 des Verfassungsgesetzes durch die Verfassungskonkretisierende Instanz „Verfassungsgerichtsbarkeit". Verfassungsauslegung und -anwendung können dem Prozeß des sozialen Wandels relativ leicht angepaßt werden 123 . ad b): Zugleich muß ein Verlust an „Offenheit" i m Sinne von Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit eintreten. Anstelle einer Eingrenzung findet eine Entgrenzung der Verfassung zu einem „unbestimmten Bestimmten" statt, dessen sprachliche Fixierung durch die „schlechthin offene" Wirklichkeit stets i n Frage gestellt w i r d 1 2 4 . Die Verfassung muß an Formalität und Rationalität einbüßen 125 . Da die Schäfer, N P L 1974, S. 209 ff., m i t einem Überblick über die politologische Literatur. Die folgenden Thesen sind daher keineswegs als Abschluß, sondern als Anregung für die weitere Diskussion gedacht. 121 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : Staatsrechtliche A b h a n d lungen, S. 123 ff., 188 ff.; unter dem Begriff „geisteswissenschaftliche Methode" werden hier die methodischen Ansätze zusammengefaßt, die die N o r m i n t e r pretation als geisteswissenschaftliches w e r t - u n d wirklichkeitsbezogenes V e r stehen begreifen wollen. 122 Smend, ebenda, S. 242. 123 Vgl. etwa Häberle, ZfP 21 (1974), S. 111 ff.; Schenke, AöR 103 (1978), S. 566 ff. m. w. N.; E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2095): „Die V e r fassung w i r d . . . i n großem Umfang elastisch, selbstergänzend u n d wandlungsfähig." 124 I. Maus, Fs. Carlo Schmid, S. 124 ff. (S. 127); ähnlich spricht E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2095) von einer Umkehrung des Bezugspunktes der Interpretation, der i n die soziale W i r k l i c h k e i t verlegt werde. 125 Forsthoff, Umbildung, S.60; E.W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2095): Die Verfassung „muß zu einem weichen Element werden, dem sich alles Mögliche einbilden läßt".

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Verarbeitung von „Sachelementen" und „Werten" methodisch ungeklärt ist, bleibt nur der Weg einer kasuistischen Verfassungskonkretisierung, die sich erst i n der Anwendung auf jeweils unberechenbare Realitäten unter permanenter Korrektur bewähren kann 1 2 6 . Es muß mit unkontrollierbaren Wertabwägungen gearbeitet werden, welche sich ganz auf die Ebene konkreter Zweck-Mittel-Relationen begeben müssen 127 . Denn die Auflösung des Gegensatzes von privatem und öffentlichem Interesse bewirkt, daß das öffentliche Interesse aus seiner Rolle als bloßes Garantiemotiv heraustritt und als Element des Garantietatbestandes nun die Funktion des Freiheitsgebrauchs angibt. Diese Wende zur Funktionalisierung der Freiheitsrechte ermöglicht sowohl Begrenzungen des Schutzumfangs als auch Abstufungen der Schutzintensität: W i r d „öffentliches Interesse" als immanente Gewährleistungsschranke zugelassen, kann der Schutz des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG solchen Publikationen versagt werden, welche keine „öffentliche Funktion" erfüllen, sondern nur ein „Unterhaltungs- und Sensationsinteresse" befriedigen 128 . Welcher Journalist, welcher Verleger vermöchte angesichts der vagen wertausfüllungsbedürftigen Formel von der „öffentlichen Aufgabe" der Presse noch einigermaßen zuverlässig zu prognostizieren, ob seine jeweilige publizistische Betätigung den Schutz der Pressefreiheit genießt oder nicht? Weniger weitgehend kann die funktionale Ausrichtung auf das „öffentliche Interesse" auch dazu dienen den Freiheitsgebrauch qualitativ abzustufen und die Intensität des Grundrechtsschutzes zu gewichten. Bernhard Schlink hat für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu A r t . 5 Abs. 1 GG nachgewiesen, daß das Gericht vom natürlichen und üblichen Freiheitsgebrauch, einerseits das weniger wertvolle, unerhebliche, allenfalls formal korrekte, andererseits als besonders wertvoll das rechte soziale Handeln des Grundrechtsträgers unterscheidet. I m letzteren Fall soll es darauf ankommen, ob es sich u m einen wesentlichen Beitrag zur Demokratie konstituierenden öffentlichen Meinungsbildung handelt. Welcher Freiheitsgebrauch vom Bundesverfassungsgericht wie eingeordnet werden wird, ist für die betroffenen Grundrechtsträger k a u m noch vorhersehbar, da die gerichtliche „Wertordnung des Grundrechtsgebrauchs" nicht offenliegt 129 . Wie soll ein Redakteur noch abschätzen können, ob eine Veröffentlichung über eine geplante militärische Einrichtung i n einem Erholungsgebiet als wertvoll, da i m Interesse der Öffentlichkeit liegend, oder als weniger wertvoll eingestuft werden wird 1 3 0 ? 126 127 128 129

I. Maus, Fs. Carlo Schmid, S. 127. Dies., Entwicklung, S. 49. Hesse, Grundzüge, § 12 I 5, S. 162. Schlink, Abwägung, S. 21, 26, 45.

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

Die funktionale Abstufung des Freiheitsgebrauchs auf der Ebene des Garantietatbestands zieht auf der Schrankenebene die wertende Gewichtung jener öffentlichen Interessen nach sich, die die Freiheitsbeschränkungen legitimieren sollen. Das feste Gegenüber von Gewährleistung und Schranke kann verabschiedet und durch die „korrelative Zuordnung" beider Seiten mittels konkreter Interessenabwägung ersetzt werden. Da es also nicht mehr zuvörderst u m den verfassungsrechtlich normierten Ausdruck bereits abgewogener, sondern u m die interpretatorische Aufgabe noch abzuwägender Interessenzuordnung geht, tendiert das Abwägungskonzept zu einer Nivellierung der verschiedenen Grundrechtsgarantien und ihrer differenzierten Vorbehaltsschranken 131 . Dies geht so weit, daß Häberle den „Grundsatz der Güterabwägung" zum Maßstab für die Bestimmung von Inhalt und Grenzen der Grundrechte erklärt und sämtliche Grundrechte dem Generalvorbehalt der „allgemeinen", d.h. der i m Interesse der Allgemeinheit erlassenen Gesetze unterstellen w i l l 1 3 2 . Die geforderte Interessen- und Güterabwägung kann i n einer rangmäßig gestuften Wertordnung der Grundrechte oder des Grundrechtsgebrauchs zwar Maß und Halt suchen, jedoch nicht finden. Denn weder liegt eine entwickelte Wertrangskala offen noch ist ersichtlich, wie Grundrechte und ihr Gebrauch methodisch korrekt i n eine rational erkennbare und diskutierbare Präferenzordnung gebracht werden können. Ebenso ungeklärt bleibt, wie die Operation des „Abwägens", d.h. des Vorziehens und Entscheidens, methodisch vonstatten gehen soll 1 3 3 . „ M i t dem ,einerseits-andererseits' von sieben Gründen ,für' und sechs Gründen ,gegen4 eine bestimmte Entscheidung . . . und deren Abwägung nach A r t der alten Kameralistik und etwa moderner chinesischer Denkschriften", ist nach Max Weber „ i m Sinn keiner wie immer gearteten Wissenschaft etwas gewonnen" 1 3 4 . Die verfassungsrechtliche Interessen- und Güterabwägung läuft so stets Gefahr, zur weder durch Empirie noch durch Interpretation disziplinierten subjektiven Bewertung zu geraten 135 . Die damit vollzogene Wendung zum konkreten Situationsrecht und zur Situationsjurisprudenz hindert die Durchschaubarkeit verfassungsrichterlicher Argumentationen und Wertungen. Sie mindert Vorherseh130

BVerfGE 21, S. 239 (S. 243 f.). Schlink, Abwägung, S. 47, 51. 132 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 31 ff. 133 Vgl. näherhin Schlink, Abwägung, S. 126 ff., v. a. S. 139 ff.; ders., DSt. 18 (1979), S. 622 ff. (S. 623). 134 Max Weber, Der Sinn der Wertfreiheit, i n : ders., Wissenschaftslehre, S. 514 f. 135 Schlink, Abwägung, S. 141; E.W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1534). 131

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barkeit und Rechtssicherheit 138 . Für den Staatsbürger ergibt sich die Lage, daß er i n einer Gesellschaft lebt, ohne die Verbindlichkeiten zu kennen, die er i n ihr eingegangen ist 1 3 7 . Gleichermaßen werden die Organe der Legislative und der Exekutive verunsichert, da für sie nicht mehr annähernd prognostizierbar ist, ob und inwieweit Gesetze 138 oder Regierungsakte 139 für verfassungswidrig erklärt werden werden oder nicht. Bezogen auf das Grundrecht der Pressefreiheit verhüllt der „Nebel des Institutionellen" 1 4 0 den Garantieumfang des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG, die Auflösung der Schranken des A r t . 5 Abs. 2 GG i n ein System von Wert ab wägungen läßt den Grenzverlauf zwischen Subjektion und Subjektionsfreiheit verschwimmen. I n welch erheblichem Ausmaß Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit gemindert werden, zeigt ein Blick auf die Rechtsprechung zum Ehrenschutz gegenüber Massenmedien: Die konkrete Abwägung soll durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet werden, der Angriff auf die fremde Ehre müsse das angemessene Mittel zum richtigen Zweck darstellen 141 . Demnach sei zunächst zu verlangen, daß es sich bei der Meinungsäußerung u m „einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf i n einer die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage" handelt 1 4 2 . Ob ein solcher „überragender Öffentlichkeitsbezug" gegeben sei, richte sich ausschließlich nach objektiven Maßstäben 143 . Für den betroffenen Journalisten ist so kaum Klarheit gewonnen; wie soll er i m Einzelfall einigermaßen zuverlässig abschätzen können, ob sein geplanter Beitrag, etwa über den Privatbereich eines führenden Politikers, noch zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt oder lediglich das „Bedürfnis nach oberflächlicher Unterhaltung" befriedigt 1 4 4 ? Weiterhin w i r d gefordert, die K r i t i k müsse nach A r t und Aussagegehalt die angemessene Reaktion 136 Forsthoff, Umbildung, S. 55; I. Maus, Fs. Carlo Schmid, S. 129, 136; dies., Entwicklung, S. 41. 137 Montesquieu, De l'Esprit des Lois, L i v r e X I , Chap. 6, Œuvres Complètes, S. 587: „Mais, si les tribunaux ne doivent pas être fixes, les jugements doivent l'être à u n t e l point, qu'ils ne soient jamais qu'un texte précis de la loi. S'ils étaient une opinion particulière du juge, on v i v r a i t dans la société sans savoir précisément les engagements que l'on y contracte." 138 Dies w i r d recht deutlich i n BVerfGE 35, S. 79 (nds. VorschaltG), E 39, S. 1 (§ 218 StGB); E 40, S. 296 (Diäten); E 48, S. 127 (Wehrdienstnovelle). 139 Vgl. hierzu BVerfGE 36, S. 1 (Grundlagenvertrag). 140 Bettermann, DVB1. 1963, S. 41 f. 141 BVerfGE 24, S. 278 (S. 282 f.). 142 BVerfGE 7, S. 198 (S.212); 12, S. 113 (S. 127); 24, S. 278 (S. 282 f.); B G H Z 4, S. 296 (S. 308). 143 L G Hamburg, A f P 1978, S. 38 f. 144 Vgl. einerseits B G H N J W 1964, S. 1471, andererseits BGHSt. 18, S. 182; BVerfGE 34, S. 269; kritisch zur Ehrenschutzrechtsprechung u n d ihren W i d e r sprüchen auch Rüthers, Fs. Löffler, S. 303 ff. (S. 305).

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

auf einen anderen Vorgang bilden; sie müsse sachbezogen sein, d.h. einen inneren Zusammenhang zu dem erörterten Gegenstand aufweisen. Je schwerer der Vorwurf wiege, u m so höhere Anforderungen seien an die Angemessenheit zu stellen. Unter Umständen bestehe aber das Recht zu einem harten „Gegenschlag", doch stets dürfe die Grenze zur „Schmähkritik" nicht überschritten werden 1 4 5 . Wie vage diese Richtpunkte der gerichtlichen Abwägung bleiben, zeigen folgende U r teilsformulierungen: Erlaubt seien u . U . auch „hämisch-ironische", „schimpfend-polternde" 14e , „scharfe, schonungslose, ausfällige" 1 4 7 Äußerungen, verboten seien hingegen „polemische Ausfälle, die jedes Maß vermissen lassen", „Verhöhnungen" 1 4 8 , „böswillige und gehässige" K r i t i k 1 4 9 . So darf von ein und derselben Stiftung zwar behauptet werden, sie sei ein „nationalistisches Unternehmen m i t demokratischem Deckmantel" und ein Verein „rechter Sektierer" 1 5 0 , nicht jedoch, sie sei „von A l t - und Neufaschisten durchsetzt" 151 . Die einzelfallbezogene A b wägung zwischen Ehrenschutz und Medienfreiheit führt dazu, daß heute weder für den Journalisten noch für den verletzten einzelnen genügend deutlich erkennbar ist, wo die Grenze zwischen erlaubter und verbotener Meinungsäußerung verläuft. Das bedeutet für den Journalisten ein erhebliches Risiko für seine publizistische Arbeit, für den i n seiner Ehre getroffenen Bürger ein kaum noch zu kalkulierendes Prozeßrisiko. ad c): Die beschriebene Entgrenzung der Grundrechtsnormen führt zu einer Ausdehnung der zulässigen Reichweite staatlicher Regelungen i m Grundrechtsbereich: „FreiheitsVerwirklichung" soll nicht nur den Grundrechtsträgern, sondern auch und vor allem dem Staat als Aufgabe gestellt sein. Dieser w i r d dazu befugt, durch Rechtsetzung und -anwendung die erforderlichen Voraussetzungen für die Möglichkeit des Freiheitsgebrauchs aller zu schaffen. Er soll die Persönlichkeitsentfaltung aller wie die Entwicklung einer freiheitlichen Ordnung des Gemeinwesens zunehmend ermöglichen. A u f diese Weise werden die Grundrechte also als positive Kompetenznormen für die Betätigung der Staatsgewalt gefaßt 152 . Zudem kann nach dem Verständnis „realer Frei145 BVerfGE 12, S. 113; 24, S.278; Β G H Z 45, S.296 (S.308); B G H A f P 1974, S. 702 ff.; B G H A f P 1977, S. 223 ff.; B G H A f P 1978, S. 33 ff.; B G H A f P 1978, S. 136 ff. 146 B G H Z 45, S. 296 (S. 308). 147 B G H A f P 1974, S. 702 ff. (S. 704). 148 Ebenda, S. 703; B G H A f P 1977, S. 223 ff. (S. 224). 149 B G H Z 45, S. 296 (S. 310). 150 BVerfGE 42, S. 143 (S. 150 ff.). 151 BVerfGE 42, S. 163 (S. 169 ff.). 152 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 126 ff.; Krebs, Vorbehalt, S. 72 ff.; kritisch hierzu: E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1532).

§ 7 K r i t i k der Lebensbereichstheorie

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heit" zwischen nur grundrechtsausgestaltenden Regelungen, welche die immanenten Funktionsbedingungen des Freiheitsgebrauchs für den jeweiligen „Lebensbereich" konkretisierend festlegen, und grundrechtsbegrenzenden Regelungen unterschieden werden, welche die Freiheit des einzelnen beschneiden, u m funktionswidrigen Freiheitsgebrauch abzuwehren und so die „reale Freiheit" aller zu sichern 153 . Weiter kann die Verpflichtung des Freiheitsgebrauchs auf eine „öffentliche Funktion" zur Ableitung ungeschriebener Gesetzesvorbehalte eingesetzt werden 1 5 4 . Die funktionale Ausrichtung des Freiheitsgebrauchs schließlich erlaubt es, bei Rechtsetzung und Rechtsanwendung einzelne Gebrauchsformen nach dem qualitativen K r i t e r i u m der Funktionsgerechtigkeit zu unterscheiden und rangmäßig abzustufen. Dabei kann der erwünschte, funktionsgerechte Gebrauch als besonders wertvoll eingestuft und rechtlich privilegiert, der unerwünschte, funktionswidrige als weniger wertvoll angesehen und Sonderbindungen unterworfen werden. Die Annahme, der Gebrauch der Pressefreiheit habe der „öffentlichen Aufgabe" der Presse zu dienen, hat die Rechtsprechung dazu geführt, aus A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG eine stattliche Anzahl von Privilegierungen zugunsten der Pressetätigkeit zu entwickeln: — Der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB, der neben dem Strafrecht auch i m bürgerlichen Deliktsrecht Anwendung findet, w i r d für ehrverletzende Publikationen m i t besonders hohem Öffentlichkeitswert erweitert ausgelegt 155 . Nur „auf Sensationen ausgehende, bewußt einseitige oder verfälschende Darstellungen" sollen nicht privilegiert werden 156 . — Das Redaktiongeheimnis soll wegen der „öffentlichen Aufgabe" besonders geschützt werden 1 5 7 , den Journalisten soll ein publizistisches Zeugnisverweigerungsrecht kraft Verfassung zustehen 158 . 153

Deutlich i n dieser Richtung: Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 119 f. Vgl. oben § 2 I V 2 b) cc) u n d § 3 I I 2. iss BVerfGE 12, S. 113; 24, S. 278; 42, S. 163; 43, S. 130; Β GHZ 31, S. 308 (S. 312 f.); 36, S. 77 (S. 82 f.); 39, S. 124 (S. 132); 45, S. 296 (S.308); B G H L M Nr. 8, 14, 16, 30 zu A r t . 5 GG; B G H N J W 1963, S. 665 ff. (S. 667); B G H A f P 1974, S. 702 ff.; B G H A f P 1975, S. 801 ff.; B G H A f P 1976, S. 34 ff.; B G H A f P 1977, S. 223 ff.; B G H A f P 1978, S. 33 ff.; B G H A f P 1978, S. 136 ff. BGHSt. 12, S. 287 (S. 293); 18, S. 182. O L G Hamburg, N J W 1970, S. 1325 ff. (S. 1325); A f P 1977, S. 346 ff. (S.348); O L G Celle, A f P 1977, S. 233 ff. (S.234 f.); O L G K ö l n , A f P 1973, S. 479 ff. (S.480); O L G München, A f P 1976, S. 130 ff. (S. 131); zustimmend zu dieser Rspr.: Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 75); Dagtoglou, S. 25; ders., DÖV 1963, S. 636 ff.; Löffler, Presserecht I, Kap. 9, Rdnr. 26 ff.; der s.j Ricker, HdbPrR., Kap. 53, Rdnr. 36 ff.; R. Gross, A f P 1968, S. 730 ff.; Erdsiek, Fs. Nipperdey, S. 257 ff.; kritisch: Lerche, A f P 1975, S. 822 ff. (S. 825). ΐ5β BVerfGE 12, S. 113 (S. 125); 35, S. 202 (S. 232). 154

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

— Die Presse habe gegenüber staatlichen Behörden einen besonderen, über Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG hinausgehenden Informationsanspruch 159 . — Die „öffentliche Funktion" der Tagespresse bedinge eine wettbewerbsrechtliche Privilegierung, nämlich den Schutz vor Existenzgefährdung durch Anzeigenblätter 1 6 0 . — I m Bereich des Betriebsverfassungs- und Unternehmensmitbestimmungsrechts sei der Tendenzschutz von Presseunternehmen verfassungsrechtlich geboten 161 . — A u f Zeitschriftenwerber i m Reisegewerbe dürfe § 55 GewO wegen A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht angewandt werden 1 6 2 . — Die Zeitungsbeförderung i m Güterfernverkehr dürfe nicht der allgemeinen Genehmigungspflicht gem. §§ 8, 3 GüKG unterliegen 1 6 3 . Aufgrund dieser Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, ist es zur gesetzlichen Normierung einer Reihe von „Medienprivilegien" gekommen. Erwähnt seien nur §§ 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO, 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, 177 AO, 84 Abs. 1 FGO (Zeugnisverweigerungsrecht), §4 Abs. 1 NW LPG (Informationsanspruch), §§118 BetrVerfG, 1 Abs. 4 Nr. 2 MitbestG (Tendenzschutz), § 1 Abs. 3 BDatenSchG (Freistellung von Medien). Über die genannten Privilegierungsfälle hinaus werden i m Schrifttum weitere erwogen. Löffler etwa w i l l wegen der „öffentlichen Aufgabe" der Presse auch die Streikfreiheit der Presse als durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert sehen 164 . 157

BVerfGE 20, S. 162 (S. 175); B G H A f P 1975, S. 801 ff. (S. 802); O L G Köln, A f P 1977, S. 236 ff. (S. 238). 158 BVerfGE 25, S. 296 (S.305); 33, S. 23 (S.34); 36, S. 193 (S.204); B F H B B 1974, S. 167; zustimmend: Löffler, Presserecht I I , Rdnr. 97 zu § 25 LPG; ders./ Ricker, HdbPrR., Kap. 10 Rdnr. 9; ders., A f P 1974, S. 555 ff. (S. 557); F. Müller/ Pieroth/Rottmann, S. 64 ff. m. w . N.; kritisch: Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 73). 159 BVerfGE 20, S. 162 ff. (S. 176); zustimmend: Löffler, Presserecht I, Kap. 5, Rdnr. 45; ders./Ricker, HdbPrR., Kap. 18, Rdnr. 6 ff.; v. Münch, A r t . 5, Rdnr. 24; Geiger, Fs. A r n d t , S. 133; Lerche, A f P 1976, S. 55 ff. (S. 57); Jerschke, Öffentlichkeitspflicht, S. 239 ff.; R. Gross, Presserecht, S. 86; Wenzel, Fs. Löffler, S. 391 ff. (S. 394 f.); eingeschränkt: Scheuner, V V D S t R L 22, S. 1 ff. (S. 78). 160 B G H Z 19, S. 392 (S.398f.); 51, S. 236 (S.249); O L G Saarbrücken, NJW 1971, S. 892; vgl. näherhin: Ulmer, A f P 1975, S. 870 ff. (S. 875 ff.); Harms/ Wissel, A f P 1976, S. 149 ff.; Kubier/Simitis, JZ 1969, S. 445 ff. 161 B A G A P Nr. 1, 4 zu § 81 BetrVerfG 1952; B V e r f G N J W 1980, S. 1093 ff. — anders: B A G A P Nr. 13 zu § 81 BetrVerfG 1952. — Für eine verfassungsrechtliche Begründung des Tendenzschutzes auch: Mayer-Maly, RdA 1966, S. 441 ff. (S. 447 f.); ders., B B 1971, S. 335 ff. (S.336); Neumann-Duesberg, BB 1970, S. 1832 ff. (S. 1833); Lerche, Ev. StLex., Sp. 1912; Rüthers, A f P 1974, S. 542 ff. (S. 543) m. w . N.; Scholz, Pressefreiheit u n d Arbeitsverfassung, S. 93 ff. 162 B G H A f P 1978, S. 203; V G H Baden-Württemberg, GewArch. 1973, S.286; O L G Schleswig-Holstein, GewArch. 1977, S.378; vgl. auch schon oben F N 61, 62 zu § 4 I I 2. 163 O L G K ö l n , A f P 1978, S. 101; vgl. dazu auch schon oben § 4 I I 3.

§ 7 K r i t i k der Lebensbereichstheorie

191

Die von der Judikatur aus der „öffentlichen Funktion" der Presse entwickelten Sonderbindungen der Pressetätigkeit sind zwar geringer an Zahl, aber nicht an Tragweite. Inhaltlich lassen sie sich als „Sorgfaltspflichten" der Presse beschreiben: — Dazu w i r d zunächst die „Wahrheitspflicht" der Presse gerechnet. „Wenn die Presse von ihrem Recht, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Gebrauch macht, ist sie zur wahrheitsmäßigen Berichterstattung verpflichtet." Die Erfüllung der Wahrheitspflicht soll „ i n der Bedeutung der öffentlichen Meinungsbildung i m Gesamtorganismus einer freiheitlichen Demokratie begründet" sein. Denn: „Nur dann, wenn der Leser — i m Rahmen des Möglichen — zutreffend unterrichtet wird, kann die öffentliche Meinung sich richtig bilden 1 6 5 ." — Daneben soll die Presse eine Pflicht zur Güterabwägung treffen, wenn durch eine Pressepublikation die Kollision des Rechtsguts der Pressefreiheit m i t anderen, mindestens gleichrangigen Rechtsgütern (ζ. B. Persönlichkeitsrecht, Staatssicherheit) zu gewärtigen sei. Demjenigen, der von der Pressefreiheit Gebrauch macht, w i r d also eine Erforderlichkeitsprüfung abverlangt. Er hat den Öffentlichkeitswert einer bestimmten Information abzuschätzen, den Rang des betroffenen anderen Rechtsguts zu bewerten und danach zu fragen, ob jenes Rechtsgut nicht mehr beeinträchtigt w i r d als es das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit erfordert. Wie der Grundrechtsträger dieser Inpflichtnahme gerecht werden kann, bleibt offen 166 . ad d): Die Entgrenzung des Verfassungsgesetzes muß zwar notwendig zu einer Ausdehnung der Reichweite gesetzlicher Regelungen i m Grundrechtsbereich, gleichzeitig aber zu einer Beschränkung der Gestaltungsfreiheit von Legislative und Exekutive führen, die der Verfassungsgerichtsbarkeit zugute kommt: I m Verständnis „ w i r k licher Freiheit" werden die Grundrechte nicht nur als positive Kompetenz·, sondern auch als Pflichtnormen gefaßt. M i t der staatlichen Regelungsbefugnis geht die Regelungspflicht einher. Die erforderliche Bestimmung der entgrenzten Regelungskompetenzen und -pflichten von 164 Löffler, Presserecht I, Kap. 5, Rdnr. 77; ders., N J W 1962, S. 1602; dagegen Rüthers, A f P 1977, S. 305 ff. (S. 317 ff.). les BVerfGE 12, S. 113 (S. 130); Β GHZ 51, S. 308 (S. 312 f.); O L G München, A f P 1977, S. 282 ff. (S.284); zustimmend: Löffler, Presserecht I, Kap. 14, Rdnr. 11 ff.; Mallmann, JZ 1966, S. 625 ff. (S. 632); Lerche, Ev. StLex., Sp. 1911; R. Gross, A f P 1968, S. 730 ff. (S. 732); Gädeke, in: Schiwy/Schütz, S. 139; k r i tisch: Dagtoglou, S.23ff.; Scheuner, A f P 1968, S. 725 ff. (S. 728); Thieme, DÖV 1980, S. 149 ff. (S. 150 f.). 1ββ BVerfGE 20, S. 162 (S. 212); 35, S.202 (S. 224 ff.); vgl. zudem die Nachweise i n F N 155; näher zur Güterabwägungspflicht: Löffler/Ricker, HdbPrR., Kap. 39, Rdnr. 20 ff

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

Legislative und Exekutive kann aber nur durch das Verfassungsgericht erfolgen. Verfassungsgerichtsbarkeit m i t der Kompetenz zur Verfassungs-, insbesondere Grundrechtswahrung, ist als organisatorischer Ausdruck einer „konstitutionellen Demokratie" 1 6 7 ein „neuer Versuch der Herrschaftszähmung unter den Bedingungen bürokratisch und politisch besetzter Entscheidungsinstanzen" 168 ; sie hindert die „Tyrannei der Mehrheit" 1 6 9 . Liegt aber die authentische Interpretation der Verfassung bei einem obersten Gericht, so muß jede einem Antrag stattgebende Entscheidung dieses Gerichts den zukünftigen Verhaltensspielraum der Verfassungsorgane der Legislative und Exekutive einschränken 170 . Dieser Vorgang ist durch die weiteren Tätigkeiten des Gerichts nicht aufhebbar, da der Prozeß der Rechtsprechungsänderung durch Interpretation eigener Entscheidungen langsamer vonstatten geht als die kontinuierliche Einschränkung des Spielraums anderer Verfassungsorgane 171 . Eine prekäre Verschiebung des Gefüges der checks und balances zu Lasten von Legislative und Exekutive w i r d dann erreicht, wenn das Verfassungsgericht die Verfassung nicht mehr als Rahmenordnung für den politischen Handlungs- und Entscheidungsprozeß wie für die Ausübung der politischen Entscheidungs-, insbesondere Rechtssetzungsgewalt 1 7 2 , sondern nach der A r t eines geschlossenen Normenprogramms handhabt. I n diesem Fall muß jede denkbare staatliche Entscheidung Vorzeichnung und Maß i n der Verfassung finden 173. Genau dies geschieht, wenn die Grundrechtsnormen methodisch unkontrolliert auf wirkliche konkrete Ordnungsgefüge, „objektive Werte" und „Funktionen" bezogen werden. Wenn die verfassungsgerichtliche Auslegungstätigkeit auf extrem vagen, nur wertend zu erschließenden Kategorien wie „Lebensbereich" und „wirklicher Freiheit" aufgebaut und zu rational nicht kontrollierbarer Interessenabwägung umgebaut wird, dann kann das Gericht die Grundrechtsnormen — trotz aller normtextlichen Unbestimmtheit und Offenheit — als geschlossenes politisches Aktionsprogramm, als den flexiblen Grundplan des demokratischen Gemeinwesens handhaben. Interessenabwägung als durchgängige verfassungsgerichtliche „Methode" kann der Gefahr nicht 167

C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 200. lee Podlech, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 67. 169

Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie i n Amerika, 1. Buch, I I . Teil, 7. Kap., S. 289 ff. 170 Podlech, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 71; Zweigert/Dietrich, S. 13. 171 Podlech, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 71. 172 E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2099); Podlech, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 70: „Erlaubnisordnung", die den Verhaltensspielraum der obersten rechtsetzenden Verfassungsorgane regelt. „ D . h . der Gesetzgeber darf alles, was i h m durch die Verfassung nicht ausdrücklich verboten ist." 173 ZweigertlDietrich, S. 13.

§ 7 K r i t i k der Lebensbereichstheorie

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entgehen, daß die vom Gesetzgeber abgewogene und fixierte Interessenzuordnung nicht nur auf Konsistenz und Annehmbarkeit überprüft, sondern durch richterliche Neuabwägung substituiert wird. Das Gericht behält es i n der Hand, „die Aktionsspielräume des Gesetzgebers und der Verwaltung hier — des Bürgers dort jeweils zueinander ins Verhältnis zu setzen; heute kann es den — nach seiner Meinung — allzu dynamisch vorpreschenden Gesetzgeber bremsen, morgen den Bürger stärker i n die Pflicht nehmen. Es dosiert und stabilisiert (nach Gutdünken? — „ i n den Grenzen des Zumutbaren") jeweils das Durchdringungsverhältnis von staatlicher Verhaltenssteuerung und „staatsfreier" Eigeninitiative der Bürger — womit deutlich wird, daß die rechtsformorientierte Begrifflichkeit des bürgerlich-rechtsstaatlichen Verteilungsschemas (die traditionelle Funktion von Gesetz und Gesetzesvorbehalt, die Eingriffs- und Schrankenterminologie) höchstens noch Darstellungsfunktion bei der Urteilsbegründung besitzt; ein materielles K r i t e r i u m bietet sie nicht" 1 7 4 . Die zum Normbestandteil hypostasierten faktischen gesellschaftlichen Verhältnisse wie die zur „objektiven Wertordnung" stilisierte gerichtliche Präferenzordnung des Freiheitsgebrauchs fungieren als immanente Schranken für Gesetzgebung und Regierung 175 . Das Verfassungsgericht muß dann dazu tendieren, aus einem Organ der Sicherung der gegebenen und bestehenden Verfassung zu einem Organ der Verfassungsgebung, vom „Hüter" zum „Herrn" der Verfassung zu werden. Damit rückt die Möglichkeit i n greifbare Nähe, daß das für die konstitutionelle repräsentative Demokratie des Grundgesetzes kennzeichnende System aus politischer Gestaltungsprärogative von Parlament und Regierung und aus verfassungsgerichtlicher Einzelfallkontrolle sich i n Richtung auf einen „Justizstaat" 1 7 6 , genauer: „Verfassungsgerichtsstaat" 177 , entwickelt. Mag die Entwicklung auch so weit noch nicht fortgeschritten sein, so ist jedenfalls mit Adalbert Podlech festzuhalten, daß „die gegenwärtige Krise des Bundesverfassungsgerichts . . . i n den politischen Auswirkungen der fehlenden methodischen wissenschaftlichen Selbstdisziplinierung des Gerichts" besteht 178 . 174

I. Maus, Entwicklung, S. 34. E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 f. (S. 2099). 176 Forsthoff, Umbildung, S.47, 54; W.Weber, Spannungen u n d Kräfte, S. 92; I. Maus, Entwicklung, S. 51. Der Sache nach bereits: C. Schmitt, Das Reichsgericht als H ü t e r der Verfassung, i n : Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 63 ff. (S. 78) u n d O. Kirchheimer, Bemerkungen zu C. Schmitts „Legalität u n d L e g i t i m i t ä t " , i n : V o n der Weimarer Republik zum Faschismus, S. 127; die Grenzen verfassungsgerichtlicher K o n t r o l l e können hier nicht detailliert aufgewiesen werden; vgl. die Ansätze bei Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, 1980. 177 Zweigert/Dietrich, S. 13. 178 Podlech, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 70 f. 175

13 Degen

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

ad e): Inhaltlich kann die Beschränkung der legislatorischen und exekutivischen Gestaltungsfreiheit einen Verlust an „Offenheit" der Verfassung für gesellschaftliche Innovation i m Wege gezielter Sozialgestaltung zur Folge haben 179 . Die Bindung der Grundrechtsauslegung an vorgefundenen Strukturen und Funktionsbedingungen konkreter Ordnungen der Wirklichkeit, die dogmatisch als „objektiv-rechtliche" oder „institutionelle" Seite der Grundrechte konstruiert werden, begrenzt die „Zukunftsoffenheit" der Verfassung auf den „nackten Kern" der „(Selbst-)Erhaltung der Systemfunktionalität" 1 8 0 . „Der Gesetzgeber, weit davon entfernt i n demokratischer Souveränität über die strukturelle Entwicklung von Einrichtungen wie Rundfunk, Presse, Hochschule oder auch von wirtschaftlichen Großunternehmen frei disponieren zu dürfen, nimmt, jeweils sub titulo Grundrechtsschutz, immer häufiger und immer präziser umschriebene Handlungsaufträge vom Bundesverfassungsgericht entgegen" 181 , die sich wesentlich am w i r t schafts-, sozial- und kulturpolitischen status quo orientieren. Die Rolle der organisierten Staatlichkeit w i r d so darauf beschränkt, die gesellschaftliche Entwicklung nachzuvollziehen und als Legalisierungsfaktor tätig zu sein 182 . Man ist versucht, von einer capitis diminutio des Staates vor der gesellschaftlichen Eigendynamik zu sprechen. Diese Ausrichtung am gesellschaftlichen status quo läßt sich i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu A r t . 5 Abs. 1 GG nachweisen; zwei Beispiele mögen zur Verdeutlichung ausreichen: Für die Presse werden bestimmte verfassungsrechtlich gebotene Strukturmerkmale als Voraussetzung „realer Pressefreiheit" entwickelt; die Presse müsse sich staatsfrei i n privatrechtlicher Form organisieren und nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen arbeiten 183 . Dies entspricht exakt dem gesellschaftlichen Zustand i n der Bundesrepublik; nach A r t der Rundfunkanstalten öffentlich-rechtlich verfaßte Presseunternehmen dürften damit ausgeschlossen sein. Für den Rundfunk ist das Bundesverfassungsgericht — ebenfalls i n Anlehnung an die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene Verfassung der Landesrundfunkanstalten — soweit gegangen, die innere Organisation von öffentlich-recht179

Zweigert/Dietrich, S. 19; I. Maus, Entwicklung, S. 50. E.W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S.2095); I.Maus, Entwicklung, S. 56. 181 Denninger, JZ 1975, S. 545 ff. (S. 548). 182 Forsthoff, Studium Generale 21 (1968), S. 692 ff. (S. 698); u m möglichen Mißverständnissen vorzubeugen, sei betont, daß damit nicht etwa eine totale Disposition der Gesellschaft für staatlichen Zugriff postuliert w i r d . Z u m hier zugrunde gelegten Staatsverständnis vgl. E.W. Böckenförde, Staat u n d Gesellschaft, S. 395 ff.; Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 2. HbBd., S. 1034 ff.; Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Bd. 2, S. 123 ff. 183 BVerfGE 20, S. 162 (S. 175). 180

§ 7 K r i t i k der Lebensbereichstheorie

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liehen (wie privaten) Rundfunkunternehmen i m Sinne einer Repräsentanz „gesellschaftlich relevanter Gruppen" festzuschreiben 184 . Mag das Verständnis „realer Freiheit" auch auf gesellschaftliche Veränderung i m Interesse zunehmender Freiheitschancen aller zielen, i n seiner praktischen Anwendung läuft es über die Bindung an konkrete „Lebensbereiche" auf die Unantastbarkeit vorhandener Besitzstände hinaus 185 . ad f): M i t der Tendenz zum Justizstaat, die durch die „Auflösung einer korrekten Dogmatik" 1 8 6 gefördert wird, können weitreichende Konsequenzen für den demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß verbunden sein: Wo die Verfassung als geschlossenes Normenprogramm behandelt wird, muß es zur Verfassungsverrechtlichung der Politik kommen. Bei den politisch Verantwortlichen i n Parlament und Regierung w i r d „an die Stelle einer Ermittlung des sozialen Sachverhalts und der Entwicklung innovativer Lösungen" eine „rechtlich vorstrukturierte Wirklichkeitsperzeption und juristische Subsumtion" treten 1 8 7 . Vorsorglich w i r d man auf Seiten von Parlament und Regierung darum bemüht sein, die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen auf Direktiven h i n minutiös auszuloten und peinlich zu beachten, u m einer Aufhebung von Gesetzen durch das Bundesverfassungsgericht zu entgehen. Da verfassungsgerichtliche Direktiven und Appelle an die Adresse von Parlament und Regierung aber nicht systematisch, sondern nur kasuistisch entwickelt werden können, w i r d ihre inhaltliche Reichweite und ihre Bedeutung für zukünftige, ähnliche Fälle für die politisch Verantwortlichen nur schwer abzuschätzen sein. Da solche Handlungsleitlinien meist nur i n den Entscheidungsgründen und dort nicht selten als obiter dicta zu finden sind, sind sie zudem vor die nicht einfach zu beantwortende Frage nach der Verbindlichkeit der gerichtlichen Direktiven gestellt, es sei denn, die gesamten Entscheidungsgründe würden, wie i m Grundlagenvertragsurteil, für verbindlich erklärt 1 8 8 . Man w i r d also kein Risiko eingehen und sich m i t neuen politischen Lösungen zurückhalten, die nicht bis ins Detail als verfassungsrechtlich abgesichert erscheinen. Der m i t der Konzeption „realer Freiheit" angezielte Effekt einer zunehmenden gesetzlichen Herstellung gleicher Freiheitschancen kann sich damit i n sein Gegenteil umkehren: Aus Unsicherheit über seine 184 BVerfGE 12, S. 205 (S. 261 f.). 185

E. W. Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff. (S. 1533). ιββ podlech, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 70. 187 Zweigert/Dietrich, S. 19; vgl. auch W. Weber, Spannungen u n d Kräfte, S. 29. ιββ BVerfGE 36, S. 1 (S. 36); zur ΒindungsWirkung vgl. Eckertz, DSt. 17 (1978), S. 183 ff.

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

Regelungskompetenzen und -pflichten sowie zwecks Vermeidung verfassungsgerichtlicher Korrektur kann es der Gesetzgeber vorziehen, überhaupt nicht tätig zu werden. Jedenfalls so lange nicht, wie die betroffenen gesellschaftlichen Gruppen und die Parlamentsfraktionen sich nicht zu einem Konsens durchgerungen haben, der ihnen die A n rufung des Bundesverfassungsgerichts als überflüssig erscheinen läßt. Den Weg der Passivität kann der Gesetzgeber also i n besonders umstrittenen politischen Fragen für ratsam halten. Eben diese Lösung des Aktivitätsverzichts hat der Bundesgesetzgeber i n Bezug auf die hier interessierende Presse gewählt. Seit 1952 hat die Bundesregierung wiederholt, zuletzt 1974, Referentenentwürfe für ein Presserechtsrahmengesetz gem. A r t . 75 Nr. 2 GG i n die öffentliche Diskussion eingebracht, die bei Verleger- wie Journalistenverbänden jedoch stets auf Ablehnung stießen. Da beide Gruppen zu einer Einigung nicht bereit sind und das Schicksal eines nicht konsensgetragenen Presserechtsrahmengesetzes i m m i t einiger Sicherheit zu erwartenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht als völlig ungewiß erscheint, haben die Bundesregierung und die Mehrheitsfraktionen des Bundestages auch i n der 8. Legislaturperiode darauf verzichtet, einen Gesetzentwurf i m Bundestag einzubringen. Dies, obwohl der Bundeskanzler i n seiner Regierungserklärung von 16.12.1976 noch anders i n Aussicht gestellt hatte 1 8 9 . Neben möglichem Aktivitätsverzicht kann die Verfassungsverrechtlichung politischer Entscheidungen weiter dazu beitragen, die Distanz zwischen der Aktivbürgerschaft und ihren politischen Repräsentanten i n unerwünschtem Maße wachsen zu lassen. Denn über den verfassungsrechtlichen Problemen, die die Bürger nur schwer nachvollziehen können, können die als akut erlebten Probleme und Nöte der Bürger proportional an Gewicht verlieren 1 9 0 . Abhilfe schafft hier nicht, die Bürger — wie Häberle vorschlägt — i n die „offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten" einzubeziehen. 191 I m Gegenteil kann die Juridifizierung der politischen Diskussion so nur überhöht und festgeschrieben werden. Ausgleich bringen auch nicht gesteigerte Aktivitäten des Verfassungsgerichts, denn dessen Streitentscheidung — mag sie politisch auch noch so bedeutsam sein — ist der Rückkoppelung an das Staatsvolk entzogen 192 . Auch der Distanzzuwachs ist somit das Gegenteil des Effekts, der i m Verständnis „wirklicher Freiheit" angestrebt wird, nämlich der zunehmenden Entfaltung der demokratischen Ordnung des Gemeinwesens. 189

Zur neueren E n t w i c k l u n g vgl. F A Z v o m 20.7.1978, „Baum: Presserechtsrahmengesetz nicht gegen die Beteiligten". 100 Zweig erti Dietrich, S. 19. 191 Häberle, JZ 1975, S. 297 ff. 192 Podlech, Verfassungsgerichtsbarkeit. S. 68.

§ 7 K r i t i k der Lebensbereichstheorie

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I I I . Abschied von der „Lebensbereichstheorie" Die K r i t i k an der „Lebensbereichstheorie" als Basistheorie für die Grundrechtsauslegung und für die Lösung von Grundrechtskonkurrenzen läßt sich i n folgenden Punkten zusammenfassen: 1. Die „Lebensbereichstheorie" genügt nicht dem Erfordernis hinreichender begrifflicher Präzision. „Lebensbereich" w i r d entweder tautologisch oder nur sehr vage definiert. Die Bedeutung von „privatem/öffentlichem Interesse" w i r d nur unvollständig erklärt, die Bedeutung von „Freiheit" überhaupt nicht analysiert. Völlig unklar bleibt die wiederholt eingesetzte Kategorie der „korrelativen Zuordnung". 2. Die „Lebensbereichstheorie" basiert auf den wissenschaftlich nicht beweisbaren Annahmen der Werthaftigkeit der sozialen Wirklichkeit (konkrete Lebensbereichsordnungen) wie der Wirklichkeit von Werten (objektive Wertordnung). 3. Die „Lebensbereichstheorie" trägt nicht zu einer höheren Rationalität der Grundrechtsauslegung bei: a) Die Bedeutung normtextlicher Begriffe w i r d anstatt aus ihrem Gebrauch i n der Sprache 193 aus dem „Wesen" bzw. der „Grundstruktur" des bezeichneten Sachverhalts zu ermitteln versucht. Die Bedeutungsanalyse einer Bezeichnung w i r d m i t der empirischen Analyse des Bezeichneten vertauscht, deren Methoden zudem nicht zureichend ausgewiesen werden 1 9 4 . Durch diese Analyse des „konkreten Lebens" kann ohne weiteres keine Reduktion der Komplexität von Rechtsbegriffen geleistet werden; i m Gegenteil werden die Grundrechtsnormen durch die Auflösung begrifflicher Gegensätze zu einem unbestimmten Bestimmten entgrenzt. b) Wertungen werden nicht genügend offengelegt. Weshalb gewisse Strukturen und Funktionsbedingungen eines „Lebensbereichs" rechtlich gelten sollen, bleibt unklar. Das Verfahren konkreter Interessen- und Güterabwägung macht Bewertungsvorgänge nicht transparent. 193 v g l z u r K r i t i k des semantischen Konventionalismus am semantischen Naturalismus: H. J. Koch, Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 29 ff., unter Hinweis auf Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Nr. 43. 194 Zur methodischen Unzulässigkeit dieser Vertauschung: Opp, Methodologie, S. 186 ff.; Weinberger, Logik, S. 161; H. J. Koch, Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 39.

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2. Teil: Grundrechtsnorm u n d Lebensbereich

c) Gleichermaßen ungeklärt bleibt, wie empirisches Wissen bei der Grundrechtsauslegung methodisch kontrolliert verarbeitet werden kann. 4. Die Folgen, die sich aus einer Verwendung der „Lebensbereichstheorie" als Basistheorie der Grundrechtsauslegung ergeben haben oder ergeben können, werden als unerwünscht bewertet, mißt man sie an den Maßstäben der Rechtssicherheit, der Begrenztheit staatlicher Regelungskompetenz, der politischen Gestaltungsprärogative des Gesetzgebers, des judicial restraint des Bundesverfassungsgerichts, der Offenheit der Verfassung für gezielte Sozialgestaltung und der Notwendigkeit einer primär an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientierten politischen Diskussion.

Dritter

Teil

Grundrechtskonkurrenz im Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie § 8 Grundrechtstheoretische und methodische Grundlagen Versucht man, die K r i t i k an der „Lebensbereichstheorie" positiv zu wenden und für die Grundrechtsauslegung wie für die Lösung von Konkurrenzproblemen fruchtbar zu machen, so können folgende Thesen aufgestellt werden: I. Verfassung 1. Positiv-rechtliche Verfassung

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist zunächst formelle positiv-rechtliche Verfassung i m Sinne einer vom Verfassungsgeber positiv gesetzten und i n einer Verfassungsurkunde schriftlich fixierten, bestimmten Menge höchstrangiger Rechtsnormen. Als Normsätze (Sollenssätze) treten die Verfassungsbestimmungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit mit normativem Geltungsanspruch gegenüber 1 . Diese normative Qualität des Grundgesetzes schließt es aus, Verfassung auf einen bloßen „Entwurf" 2 , einen „grundlegenden, auf bestimmte Sinnprinzipien ausgerichteten Strukturplan" 3 oder gar auf „Verfassungsrechtsmaterial" 4 zu reduzieren 5 . Weiter verbietet es die normative Qualität der Verfassung, den „Eigengesetzlichkeiten" der Wirklichkeit unmittelbar verfassungsrechtliche Relevanz zuzuerkennen. Die, wie auch immer, aussehende gesell1 E.W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S.2098); Schnur, Verfassungsauslegung, S. 15; zur formellen Verfassung: Heller, Staatslehre, S. 270 ff.; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 13 ff. 2 Scheuner, AöR 95 (1970), S. 353 ff. (S. 366). 3 Hesse, Grundzüge, § 1 I I I 1, S. 11. 4 Ehmke, V V D S t R L 20 (1963), S. 53 ff. (S. 62). 5 So die treffende K r i t i k bei E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2098).

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 G G

schaftliche Wirklichkeit hat gegenüber der positiv-rechtlichen Verfassung nicht a priori recht; Verfassungsrecht w i r d nicht erst durch die volle A n - und Aufnahme i n der Wirklichkeit zur „Verfassung". Da das Verfassungsrecht dazu bestimmt ist, Änderungen des Ablaufs der W i r k lichkeit zu vollbringen bzw. zu ermöglichen, ist die je aktuelle W i r k lichkeit die „dubioseste aller i n Betracht kommenden Erkenntnis- und Konstruktionshilfen" 6 . Schließlich müssen Verfassungsnormen von moralischen Normen, mögen sie auch zu „objektiven Werten" stilisiert sein, deutlich unterschieden werden. Die verfassungsrechtliche Erheblichkeit moralischer Normen erzeugt die Legitimation dafür, von anderen Personen Verhaltensweisen rechtlich zu fordern, ohne daß solche Forderung anders als durch Berufung auf die eigene nicht begründungsfähige Werterfahrung gerechtfertigt werden könnte. Die verfassungsrechtliche Analyse muß daher unabhängig von der Geltung von Moralen sein. „Erst die Moralunabhängigkeit der Analyse, die natürlich nicht moralische Irrelevanz ihrer Ergebnisse bedeutet, sichert die methodische Eigenständigkeit der juristischen Dogmatik und eine relative Neutralität gegenüber den intersubjektiv nur schwer zu vermittelnden moralischen Standpunkten 7 ." 2. Abgeschlossenes, nicht geschlossenes Normensystem

Das Grundgesetz stellt zwar ein abgeschlossenes, aber kein i n sich geschlossenes Normensystem dar. Abgeschlossen ist das grundgesetzliche Normensystem i n dem Sinne, daß nur explizit i m Verfassungstext als gesollt ausgesprochenen Sätzen rechtliche Geltungskraft zukommt. Ungeschriebenes Verfassungsrecht ist damit ausgeschlossen8. Inhaltlich i n sich geschlossen ist das Grundgesetz zunächst deshalb nicht, weil es die Totalität der staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse weder vollständig und systematisch regeln kann noch regeln w i l l 9 . Das verfassungsrechtliche Hegelwerk bleibt insoweit lückenhaft. Seine Normierungen greifen weithin punktuell auf historische Erfahrungen zurück, sie sind vorwiegend unbestimmt (vage) und offen (porös). Hinzu kommt, daß das Grundgesetz seine Entstehung nicht einem einheitlichen politischen Entwurf, sondern dem Kompromiß politischprogrammatisch konkurrierenden Parteien unter dem Einfluß der westalliierten Siegermächte verdankt. Es ist rechtlicher Ausdruck hetero6

Ridder, Soziale Ordnung, S. 17; ders., PVS 1979, S. 168 ff. (S. 172). Podlech, DSt. 6 (1967), S. 341 ff. (S. 348, 350) gegen Häberle. 8 Die Abgeschlossenheit ist i n A r t . 79 Abs. 1 S. 1 GG festgelegt. Z u m Begriff des abgeschlossenen Normensystems: Weinberger, Logik, S. 115 f. 9 Hesse, Grundzüge, § 1 I I I 2. S. 11 ff. 7

§ 8 Theoretische u n d methodische Grundlagen

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gener politischer Traditionen, Prinzipien und Absichten. Die Einheit der Verfassungsnormen liegt daher nicht i n ihrer immanenten inhaltlichen Geschlossenheit, sie reduziert sich vielmehr auf die äußere Zusammenfassung einer bestimmten Normenmenge i n einem Verfassungsgesetz kraft des politischen (Mehrheits)Willens des Verfassungsgebers. Systematische Beziehungen zwischen einzelnen Verfassungsnormen sind nur begrenzt möglich 10 . Ausgeschlossen w i r d somit, die Verfassung als logisch-systematische Einheit wie als „Verfassungsganzes" aus harmonisch aufeinander bezogenen „Sinnprinzipien" oder „Werten" zu fassen 11. Durch die verselbständigte Superstruktur eines „Verfassungsganzen", welche den einzelnen Verfassungsnormen voraus liegen soll, kann die Normauslegung von vornherein auf „Gesamtsinn" und „Wirklichkeit" der „Gesamtverfassung" ausgerichtet und die Bedeutung der Einzelnormen methodisch inkorrekt überspielt werden 1 2 . 3. Staatsverfassung

Das Grundgesetz ist Verfassung des Staates i m Sinne der normativen Festlegung von Organisation, Kompetenzen, Verfahren und Zielen staatlichen Handelns 13 . Die grundgesetzlichen Normen sind überwiegend Verhaltensnormen, die die Regulierung staatlichen Verhaltens zum Gegenstand haben und durch die gewisse denkbare Verhaltensweisen des Staates ausgeschlossen werden 1 4 . Die pragmatische Rolle dieser Verfassungsrechtssätze läßt sich m i t der Begrenzung des staatlichen Verhaltensspielraums zwecks Zähmung staatlicher Herrschaft angeben 15 . Unter den grundgesetzlichen Verhaltensnormen können einige als Gebotsnormen qualifiziert werden; dazu gehören insbesondere jene organisationsrechtlichen Vorschriften, welche die Pflicht zur Einrichtung bestimmter Staatsorgane statuieren. Vorwiegend handelt es sich jedoch u m Verbotsnormen; zu diesen können vor allem die Verbands- und Organkompetenzordnung, die Grundrechte sowie inhaltliche Verfassungsbestimmungen wie der Rechtsstaats- und der Sozialstaatsgrundsatz gerechnet werden. I m Bereich dieser Verbotsnormen gilt der Satz, daß den Staatsorganen alles erlaubt ist, was durch die Verfassung als abgeschlossenes Normensystem nicht explizit verboten 10

C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 15; Forsthoff, Umbildung, S. 40. Ridder, PVS 1979, S. 168 ff. (S. 172). 12 E. W. Böckenförde, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2095). 13 Vgl. die Präambel: „. . . hat das Deutsche V o l k . . ., u m dem staatlichen Leben eine neue Ordnung zu geben, k r a f t seiner verfassunggebenden Gewalt dieses Grundgesetz . . . beschlossen." 14 Weinberger , Logik, S. 110, 117 f. 15 Podlech, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 65 ff. 11

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

ist. Insoweit ist das Grundgesetz eine „Erlaubnisordnung" 1 6 . Neben den Verhaltensnormen enthält das Grundgesetz i n geringer Anzahl auch Aufgabennormen, durch die nur bestimmte Ziele festgelegt werden, ohne für die Zielverwirklichung bestimmte Verhaltensweisen vorzuschreiben 17 . Hierher gehören ζ. B. Teile der Präambel (Wiedervereinigung) und die A r t . 1 Abs. 1 S. 2, 6 Abse. 4, 5 GG. Die Qualität als Staatverfassung schließt es aus, das Grundgesetz als rechtliche Grundordnung des Staat und Gesellschaft umgreifenden Gemeinwesens zu fassen 18. Das Grundgesetz reguliert staatliches, nicht gesellschaftliches Verhalten. Indem die Verfassung den staatlichen Verhaltensspielraum gegenüber der Gesellschaft begrenzt, beinhaltet sie gerade keine unmittelbare Regulierung gesellschaftlicher Verhaltensweisen und Sachverhalte. Deren Regelung obliegt vielmehr i m Rahmen der Verfassung dem Gesetzgeber und i m Rahmen der Gesetze der Verwaltung. Verfassung als „Grundordnung des Gemeinwesens" tendiert zur normativen Überhöhung gesellschaftlicher Institutionen, auf deren Bestandsschutz die rechtsetzenden Staatsorgane sodann verpflichtet werden können. Soll Verfassung auch das gesellschaftliche Leben regulieren, dann ist es nicht mehr weit bis zur rechtsdogmatischen „Entdeckung" verfassungsunmittelbarer, qualitativ gestufter Bindungen des individuellen Freiheitsgebrauchs. Die Dominanz von Verhaltensnormen i m Grundgesetz verbietet es, die Verfassung als politisches Aufgabenprogramm zu konzipieren, durch das die staatlichen Organe i n den Dienst der Programmerfüllung gestellt werden 1 9 . Die verfassungsrechtlichen Verhaltensnormen, vor allem Verbotsnormen wie die Freiheitsrechte, werden unzulässig i n Aufgabennormen transformiert, wenn sie zu „Grundsatznormen" oder „Wertentscheidungen" stilisiert werden, aus denen nur durch Regelungsziele beschriebene „Verfassungsaufträge" abgeleitet werden können. M i t Recht stellt Roman Schnur fest, daß der früher eindeutige Rechtsbegriff „Verfassungsauftrag" nunmehr zu einem Vehikel geworden sei, mit welchem geradezu beliebige Aufträge aller A r t an den Gesetzgeber i n die Verfassung hineinbefördert und von dort scheinbar mühelos deduziert werden könnten 2 0 . A u f die negativen Folgen für die Rolle des Gesetzgebers und des Bundesverfassungsgerichts sowie für den politischen Meinungsbildungsprozeß wurde bereits hingewiesen 21 . 16

Weinberger, Logik, S. 116 f.; Podlech, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 70. Weinberger, Logik, S. 119 f. 18 So jedoch Hesse, Grundzüge, § 1 I I I 1, S. 11; jüngst auch Grimmer, Demokratie u n d Grundrechte, S. 105 f. 19 Denninger, JZ 1975, S. 545 ff. (S. 549). 20 Schnur, Verfassungsauslegung, S. 22. 17

§ 8 Theoretische u n d methodische Grundlagen

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Π . Freiheitsgrundrechte 1. Verhaltensnormen

Der normative Gehalt der einzelnen Freiheitsgrundrechte des Grundgesetzes besteht darin, daß sie jeweils gewisse staatliche Verhaltensweisen, nämlich gewisse Regelungen des Verhaltens von Zivilpersonen, ausschließen. Die Normsätze der Freiheitsgrundrechte bezeichnen die Freiheit möglicher menschlicher Verhaltensweisen, nicht die „Freiheitlichkeit" konkreter sozialer „Lebensbereiche". Indem die grundrechtlichen Normsätze angeben, was gesollt ist, enthalten sie neben normativen notwendig deskriptive Begriffe und treffen insoweit Aussagen über gewisse wirkliche oder denkbare Sachverhalte wie „Meinung", „Presse", „Rundfunk" usw. 22 Derartige Begriffe sagen insofern etwas über die Realität aus als sie vieles, was der Fall sein könnte, ausschließen. Dieser empirische Informationsgehalt ist bei den beschreibenden Begriffen, die i n den grundrechtlichen Normsätzen verwandt werden, durchschnittlich sehr gering, da sie vage und mehrdeutig sind 23 . Die Mehrdeutigkeit jener Begriffe, welche das Objekt der Freiheitsgewährleistung bezeichnen, läßt sich durch den Kontext reduzieren: I n den grundrechtlichen Normsätzen w i r d das Garantieobjekt häufig substantivisch ausgedrückt 24 . Substantive bezeichnen aber nicht notwendig konkrete Entitäten wie gesellschaftliche „Lebensbereiche". Als A b strakta können sie gleichermaßen menschliche Verhaltensweisen angeben und i m sprachlichen Zusammenhang m i t „Freiheit" ist eben dies der Fall. Menschen können i n ihrem Verhalten „frei" sein, konkrete „Lebensbereiche" allenfalls „freiheitlich" verfaßt. Doch mit „Freiheitlichkeit" spricht die Sprache „schon eine Freiheit m i t Bocksfuß aus, wie ,Schönheitlichkeit' eine bocksfüßige Schönheit wäre" 2 5 . A u f dieser Grundlage läßt sich die Normstruktur der Freiheitsgrundrechte folgendermaßen darstellen: Zunächst lassen sich die Freiheitsrechte als an Zivilpersonen gerichtete Erlaubnisnormen formulieren: Es ist erlaubt, daß alle oder alle deutschen Zivilpersonen gewisse Verhaltensweisen nach eigenem Willen vornehmen oder unterlassen, es sei denn, von der Verfassung erlaubte einschränkende Gesetze ver21

Vgl. oben § 7 I I 4 d). Weinberger, Logik, S. 113; H. J. Koch, Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 47 f.; Podlech, Gleichheitssatz, S. 25. 23 Z u m empirischen Informationsgehalt: Opp, Methodologie, S.255f.; zur Mehrdeutigkeit u n d Vagheit: H. J. Koch, Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 41 ff., u n d Podlech, AöR 95 (1970), S. 185 ff. (S. 187 ff.). 24 Vgl. A r t . 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 11 Abs. 1, 18 GG. 25 Ridder, PVS 1979, S. 168 ff. (S. 168); exakter formuliert, drückt das Suffix „-lieh" stets n u r die Annäherung an einen Zustand aus; „freiheitlich" bedeutet also „Freiheit anstrebend". 22

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

r i n g e r t e n die zulässigen V e r h a l t e n s m ö g l i c h k e i t e n 2 ® . Rechtsdogmatisch k ö n n e n d i e E r l a u b n i s n o r m e n z u t r e f f e n d als G a r a n t i e n s u b j e k t i v e r öffentlicher Rechte gekennzeichnet w e r d e n 2 7 . G l e i c h z e i t i g w e i s e n d i e e i n z e l n e n F r e i h e i t s r e c h t e w e g e n A r t . 1 A b s . 3 G G die S t r u k t u r v o n Ver botsnormen auf: Es ist v e r b o t e n , daß die deutsche öffentliche G e w a l t d e n Z i v i l p e r s o n e n gewisse V e r h a l t e n s w e i s e n v e r b i e t e t oder gebietet außer i m R a h m e n v o n d e r V e r f a s s u n g e r l a u b t e r e i n s c h r ä n k e n d e r Gesetze. Rechtsdogmatisch k ö n n e n die V e r b o t s n o r m e n k o r r e k t als negat i v e K o m p e t e n z n o r m e n f ü r staatliches H a n d e l n bezeichnet w e r d e n . 2. Vorbehaltsschranken als Argumentationslastregeln B e s c h r ä n k u n g e n d e r g r u n d r e c h t l i c h g a r a n t i e r t e n F r e i h e i t müssen d u r c h positives Verfassungsrecht e r l a u b t sein; die E r l a u b n i s e r g i b t sich stets aus g r u n d r e c h t l i c h e n V o r b e h a l t s s c h r a n k e n , u . U . auch aus A u f g a b e n z u w e i s u n g s n o r m e n 2 8 . D i e Begriffe „ b e s c h r ä n k e n " , „ e i n s c h r ä n k e n " , „ e i n g r e i f e n " o d e r „ r e g e l n " 2 9 e r l a u b e n k e i n e Aussage d a r ü b e r , w a n n w e l ches staatliche H a n d e l n i m G r u n d r e c h t s b e r e i c h m i t d e m G r u n d g e s e t z v e r e i n b a r ist u n d w a n n n i c h t 3 0 . D i e g e n a n n t e n B e g r i f f e bezeichnen i m g r u n d r e c h t l i c h e n K o n t e x t z w a r d u r c h w e g e i n H a n d e l n der ö f f e n t l i c h e n G e w a l t , das eine V e r r i n g e r u n g des S p i e l r a u m s e r l a u b t e n V e r h a l t e n s 26 Die S t r u k t u r v o n Erlaubnisnormen läßt sich dem Normsatz dann u n schwer entnehmen, w e n n dort formuliert w i r d „jeder hat das Recht . . bzw. „ A l l e Deutschen haben das Recht . . ." (vgl. A r t . 2 I , I I ; 5 I 1; 8 I ; 9 I ; 12 I ; 17 GG) oder „Niemand darf . . (Art. 4 I I I GG) oder „Das Recht zu . . ." (Art. 9 I I I GG). Synonym verwendet A r t . 18 GG den Ausdruck ,,-freiheit" für A r t . 5 I, 8 I, 9 I, woraus auf A r t . 4 I, 5 I I I G G geschlossen werden kann. 27 Z u m Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts vgl. oben § 1 I I 1. 28 Schnapp, JuS 1978, S. 729 ff. m. w . N.; zum Begriff „Aufgabenzuweisungsnormen": Erichsen, V V D S t R L 35, S. 171 ff. (S. 184 f.). Angesprochen sind v. a. die A r t . 73 - 75 GG. Allerdings lassen diese n u r ausnahmsweise Beschränkungen zu, nämlich w e n n das GG einem Träger öffentlicher Gewalt eine Aufgabe zuweist, deren E r f ü l l u n g unabhängig von A r t u n d I n h a l t der j e w e i ligen Maßnahme wegen entgegenstehender Grundrechte unmöglich wäre, so daß die Aufgabe i n keiner Weise erfüllt werden könnte. I n diesem F a l l ist wegen der Vermutung, daß das GG keine sinnlosen Normen enthält, davon auszugehen, daß die Beschränkung des der Kompetenzausübung entgegenstehenden Grundrechts zulässig ist, obwohl eine entsprechende Vorbehaltsschranke fehlt. Vgl. BVerfGE 41, S. 205 (S. 224 f.); näher: Gusy, Asylrecht u n d A s y l verfahren, S. 181 ff. m. w . N. 29 Die Terminologie des GG ist uneinheitlich: „Be- bzw. einschränken", „Beschränkung": A r t . 8 I I , 10 I I , 11 I I , 13 I I I GG; „finden Schranken": A r t . 5 I I GG; „Eingriff": A r t . 2 I I , 13 I I I GG; „regeln": A r t . 12 I GG. 30 Der empirische Informationsgehalt (semantische Gehalt) ist insoweit leer, vgl. Schlink, Abwägung, S. 196 f. F ü r die qualifizierten Vorbehaltsschranken k a n n er jeweils gesondert aufgefüllt werden. Der pragmatische Gehalt einer Rechtsregel ist an ein rechtliches Entscheidungsverfahren gebunden, da die Effektivität v o n Rechtsregeln nicht n u r Verstehen, sondern auch autorisiertes Entscheiden aufgrund eines geregelten Verfahrens voraussetzt; vgl. Podlech, Gleichheitssatz, S. 87.

§ 8 Theoretische u n d methodische Grundlagen

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von Zivilpersonen herbeiführt, lassen aber offen, mit welchem Ziel und welcher Intensität beschränkt werden darf. Die Offenheit i n diesem Punkt ist nicht funktionslos; sie verdeutlicht die begrenzte Leistungsfähigkeit der Verfassung, die Beschränkungen nicht inventarisieren kann, sondern den Entscheidungen des Gesetzgebers überlassen muß. Dessen Beschränkungsspielraum kann pragmatisch über Entscheidungs- und Argumentationsverfahren umrissen werden 3 1 , wie dies i n den grundrechtlichen Vorbehaltsschranken mehr oder minder deutlich geschieht: A u f ein bestimmtes Entscheidungsverfahren w i r d durch die Formulierung „durch Gesetz" bzw. „aufgrund eines Gesetzes" verwiesen 32 , nämlich auf das Gesetzgebungsverfahren des demokratisch gewählten und öffentlich verhandelnden Parlaments. Insoweit klingt i n den Vorbehaltsschranken die Tradition der französischen Revolution an, i n welcher das Parlament als Instrument zum Schutze der Rechte der einzelnen gesehen w i r d 3 3 . A u f ein Argumentationsverfahren w i r d der Gesetzgeber zwar nur i n den qualifizierten Vorbehaltsschranken ausdrücklich festgelegt, für die einfachen Vorbehaltsschranken läßt sich dies aber ebenfalls begründen. Diese Bindung an ein Argumentationsverfahren ist i n der konstitutionellen Demokratie notwendiges Komplement des Entscheidungsverfahrens, da nur so der Gefährdung der Rechte der einzelnen durch das Parlament, der Tyrannei der Mehrheit vorgebeugt werden kann. Zunächst folgt aus der Bezogenheit der Vorbehaltsschranken auf den Garantietatbestand ein Definitionsverbot: Beschränkungen dürfen nicht auf einer wert- oder zweckbegrifflichen Definition des grundrechtlich erlaubten Verhaltens aufbauen. Wenn das freie Verhalten über deskriptive Begriffe wie „Meinung", „Presse" usw. angegeben wird, dann darf der Gesetzgeber es nicht über Wert- oder Zweckbegriffe definieren 34 . Die Freiheitsgarantien verfolgen natürlich gewisse Zwecke und basieren auf bestimmten Wertungen, inhaltlich geben sie aber Verhaltensweisen an. Zwecke sind nur Motive der Normsetzung 35 . Dem Ge31

Schlink, Abwägung, S. 196 ff.; der Schlinksche Ansatz soll hier stärker auf das positive Verfassungsrecht bezogen werden, nachdem er anhand der Verfassungsrechtsprechung entwickelt wurde. Eine inhaltliche Modifikation dürfte sich i m folgenden k a u m ergeben. 32 Vgl. aber auch A r t . 13 I I , 104 I I , I I I GG. 33 F ü r Frankreich vgl. A r t . 4 Déclaration des droits de l'homme et du citoyen v o m 26. 8.1789 u n d A r t . 6 Constitution v o m 24. 6.1793 (La liberté „a pour principe la nature, pour règle la justice, pour sauvegarde la loi"). Vgl. zur F u n k t i o n des Gesetzes auch Grawert, DSt. 11 (1972), S. 1 ff., u n d ders., A r t . Gesetz, in: Geschichtliche Grundbegriffe, S. 863 ff. 34 Denn das Definiens muß den gleichen erkenntnismäßigen Charakter haben wie das Definiendum; vgl. Weinberger, Logik, S. 185. 35 Ebenda, S. 112; die logische Analyse bestätigt so vollständig die v o n Forsthoff wiederholt vorgetragene These, daß Gewährleistungstatbestand

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setzgeber ist es daher verboten, für Freiheitsbeschränkungen wertoder zweckbegriffliche Definitionen des grundrechtlichen Garantiegehalts einzusetzen, u m bestimmte Verhaltensweisen — etwa die Herausgabe von Zeitschriften, die keiner „öffentlichen Aufgabe", sondern einem „bloßen Unterhaltungs- und Sensationsinteresse" dienen — als nicht schutzwürdig zurückzudrängen. Ebensowenig zulässig sind Beschränkungen, die allein auf der Basis einer solchen Definition konsistent begründet werden können. Gegen das Definitionsverbot verstoßen etwa Sonderbindungen der Pressetätigkeit, die nur über einen Begriff davon, was Presse nach der Verfassung eigentlich sei, gerechtfertigt werden können 36 . Aus der Bezogenheit auf den Garantietatbestand nicht entnehmen läßt sich ein an den Gesetzgeber adressiertes Gebot, die Grundstrukturen des grundrechtlichen „Lebensbereichs" zu beachten; ebensowenig begründbar ist eine Stufung der gesetzgeberischen „Konkretisierungs- und Qualifikationskompetenz" nach dem Gesichtspunkt der „materiellen Wertigkeit" der einzelnen Freiheitsrechte 37 . Die rechtsdogmatische Konstruktion eines Definitionsverbots sichert das Recht der Zivilpersonen, selbstverantwortlich darüber zu entscheiden, wie sie „richtig" von ihrer Freiheit Gebrauch machen wollen: sie schützt also davor, daß Freiheitsbeschränkungen als Sicherung „wahrer" oder „echter" Freiheit ausgegeben werden können. Weiter müssen Beschränkungen — wie Bernhard Schlink herausgearbeitet hat 3 8 — stets über eine gewisse Ziel — M i t t e l — Argumentation begründet werden. Dies folgt zunächst daraus, daß die Freiheitsrechte als Erlaubnisnormen gleichzeitig ErlsLubnisvermutungen 39 formulieren, aus denen sich Argumentationslastregeln für den schrankenziehenden Gesetzgeber ergeben 40 . Es w i r d vermutet, daß gewisses Veru n d Gewährleistungsmotiv k l a r zu scheiden sind, also nicht wie bei der „öffentlichen Aufgabe" der Presse miteinander vermengt werden dürfen. Vgl. Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 16. 36 Schlink, Abwägung, S. 202, aber w o h l n u r für vorbehaltlos garantierte Grundrechte; i n gleicher Richtung auch Schnapp, JuS 1978, S. 729 ff. (S. 730). 37 Eine solche .Stufung w i r d etwa v o n Grabitz, Freiheit, S. 69 ff., vorgeschlagen u n d v o n Weber-Grellet, Beweis- u n d Argumentationslast, S. 38 ff., übernommen; da sie sich n u r auf eine Stufung der Grundrechte nach einer Wertrangordnung stützen kann, läßt sie sich rational nicht begründen. 38 Schlink, Abwägung, S. 196 ff. 39 N u r i n diessem Sinne k a n n zutreffend von Freiheitsvermutungen geredet werden. Gemeint ist also keine Auslegungsregel „ i n dubio pro liberiate" wie von P. Schneider, V V D S t R L 20 (1963), S. 1 ff. (S. 18 ff.) vorgeschlagen. Z u r Abgrenzung vgl. Weber-Gr eilet, Beweis- u n d Argumentationslast, S. 27 ff. — Zur Vermutung i m rechtstheoretischen Sinne vgl. näherhin: Podlech, Gewissensfreiheit, S. 61 ff., u n d ders., Gleichheitssatz, S. 267 ff. 40 Z u r S t r u k t u r von Argumentationslastregeln: Podlech, Gleichheitssatz, S. 85 ff., 267 ff.; ders., Gewissensfreiheit, S. 37 f. Die Darstellung von WeberGrellet, Beweis- u n d Argumentationslast leidet unter i h r e m ständigen Re-

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halten von Zivilpersonen erlaubt ist; daher muß der Gesetzgeber über eine hinreichend plausible Argumentation nachweisen, daß eine Beschränkung verfassungsrechtlich zulässig ist 41 . Anforderungen an die gesetzgeberische Argumentation lassen sich daraus entwickeln, daß schrankenziehende Gesetze nach einem Ziel — Mittel — Schema gebaut sind 42 : Die meisten qualifizierten Vorbehaltsschranken belegen dies deutlich; ihre Qualifizierung besteht darin, daß die schrankenziehenden Gesetze als Mittel über spezifische Ziele festgelegt werden 4 3 . Der Gesetzgeber w i r d darauf verpflichtet, mit dem M i t t e l des Gesetzes nur bestimmte erlaubte Ziele 4 4 oder keine bestimmten verbotenen Ziele 4 5 zu verfolgen. Diese Ziel — M i t t e l — Struktur ist für die einzelnen qualifiziert beschränkten Grundrechte ausgehend vom Normtext jeweils differenziert zu entwickeln. Die einfachen Vorbehaltsschranken legen dagegen nur das Mittel „Gesetz" ausdrücklich fest, schreiben aber weder spezifische Ziele vor noch schließen sie solche aus. Der Gesetzgeber ist hier i n seiner Zielwahl grundsätzlich frei, er darf jedes Ziel verfolgen, das durch das Grundgesetz nicht ausdrücklich verboten ist 4 8 . Die Frage nach der Legitimität eines Ziels ist damit die Frage eines Entweder/ Oder, nicht eines Mehr/Weniger; denn auf die „materielle Wertigkeit" des Rechtguts, dessen Schutz oder Förderung erzielt werden soll, kann nicht i n rational kontrollierbarer Weise abgestellt werden 4 7 . Eine plausible gesetzgeberische Argumentation i m Grundrechtsbereich muß weiter Geeignetheit und Notwendigkeit der Beschränkung für die Zielerreichung darlegen. Für die argumentative Begründung von Verhaltensregulierungen und also die Widerlegung der Erlaubnisvermutung reichen bloße Zielangaben nicht aus 48 ; hinzukommen muß vielmehr der kurs auf „materielle Wertigkeiten" u n d verarbeitet zudem den Schlinkschen Ansatz überhaupt nicht. 41 Die S t r u k t u r v o n Argumentationslastregeln w i r d i n dieser Formulierung n u r sehr ungenau angegeben; i m Zusammenhang knapper Thesen scheint mehr nicht angebracht. 42 Ziel heißt hier jeder beschriebene oder beschreibbare Zustand, der erstrebt w i r d . Vgl. Podlech, Gleichheitssatz, S. 110; dort auch zur Unterscheidung von „Ziel" u n d „Zweck". 43 Vgl. A r t . 5 I I , 6 I I I , 10 I I , 11 I I , 13 I I I , 14 I I I GG; zusätzliche Elemente wie Bedingungen (vgl. etwa A r t . 11 I I GG) treten demgegenüber zurück. Vgl. Schlink, Abwägung, S. 198. 44 A r t . 6 I I I , 10 I I , 11 I I , 13 I I I , 14 I I I GG. 45 A r t . 5 I I GG (allgemeine Gesetze); dies w i r d noch näher auszuführen sein. 48 Diese prinzipiell freie Z i e l w a h l ergibt sich aus dem Charakter des GG als Erlaubnisordnung. Vgl. auch Martens, Öffentlich, S. 186; Schlink, A b w ä gung, S. 192 f.; a. A . Grabitz, Freiheit, S. 68; Hesse, Grundzüge, §14 I I I 3 e), S. 228 f. 47 Schlink, Abwägung, S. 200; a. A . Weber-Greilet, Beweis- u n d Argumentationslast, S. 38 ff., 67. Zur näheren Problematisierung der Argumentation u m Ziele u n d M i t t e l vgl. Schlink, Abwägung, S. 203 ff.

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Nachweis, daß das Gesetz den angezielten Zustand herbeiführen kann, und daß das Ziel nicht auf eine dem Staat mögliche, für die Zivilpersonen weniger belastende Weise erreichbar ist. A u f eine argumentative Rechtfertigung der „Angemessenheit" von Beschränkungen kann der Gesetzgeber allerdings nicht rechtlich festgelegt werden. Denn interpersoneller Kosten-Nutzen-Vergleich, das Verrechnen von Freiheitszunahme und Freiheitsabnahme, ist — wie Schlink nachgewiesen hat — i n methodisch zuverlässiger, objektiver Weise nicht möglich; letztlich kommt es hier auf eine Dezision an. „Dem interpersonellen Nutzenvergleich ist i m politischen System der Platz zugewiesen, und das heißt nichts anderes, als daß dem Gesetzgeber die Freiheit der Wahl der zu verfolgenden Zwecke zuerkannt wird 4 9 ." Schließlich muß der Gesetzgeber wegen A r t . 19 Abs. 2 GG argumentat i v plausibel machen, daß durch seine Normsetzung nicht jeglicher Verhaltensspielraum beseitigt, sondern ein Mindestspielraum der Z i v i l personen gewahrt wird. Pragmatisch ausgedrückt: Soziale Rollen dürfen den Zivilpersonen nicht derart zugeschrieben werden, daß sie unabhängig vom Verhalten der einzelnen eingenommen und getragen werden müssen; soziale Rollen müssen vielmehr erwerbbar bleiben. Außerdem dürfen sie nicht i n dem Sinne abschließend definiert werden, daß für einzelne soziale Positionen bestimmte Verhaltenserwartungen genau vorgezeichnet werden 5 0 . Gesetzliche Freiheitsbeschränkungen 48

Podlech, Gewissensfreiheit, S. 157; Luhmann, Grundrechte, S. 172 f. Schlink, Abwägung, S. 177 ff., 210 ff. — Die Verpflichtung auf eine A n gemessenheitsargumentation würde auch deshalb zu w e i t gehen, w e i l den Grundrechtsnormen damit fälschlich eine Steuerungsfunktion zugewiesen würde, w i e sie einfachen Gesetzen gegenüber dem Verwaltungshandeln eignet. Die Unterstellung einer „Gesetzesfunktion" der Verfassung würde deren Leistungsfähigkeit deutlich überschätzen u n d den Gesetzgeber i n die Holle einer verfassungsvollziehenden Gewalt drängen. Vgl. Forsthoff, Staat der Industriegesellschaft, S. 137 ff.; Eckertz, DSt. 17 (1978), S. 183 ff. (S. 189 ff.). Die Zurücknahme der Verhältnismäßigkeitsprüfung i m Sinne Schlinks entgeht den v o n Forsthoff treffend gezeichneten Gefahren. Zudem verhindert die Schlinksche Disziplinierung der Z i e l - M i t t e l - A r g u m e n t a t i o n , daß die für den Rechtsstaat konstitutive Unterscheidung v o n Rechtmäßigkeit u n d (politischer) Zweckmäßigkeit v ö l l i g verfließt. Vgl. Eckertz, S. 190. Gegen die u n differenzierte A n w e n d u n g des „Ubermaßverbots" bei freiheitsbeschränkenden Regelungen auch Wendt, AöR 104 (1979), S. 414 ff. 50 Damit w i r d für die Freiheitsrechte ein Gedanke fruchtbar zu machen versucht, der v o n Podlech, Gleichheitssatz, S. 179, für A r t . 3 I GG entfaltet wurde. — F ü r A r t . 19 I I G G w i r d die Lehre v o m absoluten subjektiven Wesensgehalt favorisiert, da „Grundrecht" i n diesem K o n t e x t n u r m i t einem Erlaubnisnormsatz übersetzt werden kann. Sollte n u r die „Grundrechtsbestimmung i n i h r e m Gelten" geschützt werden [so v. Mangoldt-Klein, Bd. I, A n m . V 1 a) zu A r t . 19, S. 552], so könnte sich das Verbot des A r t . 19 I I GG n u r an den verfassungsändernden Gesetzgeber wenden. Vgl. zum Problem insgesamt: Maunz, i n : MDHSch., A r t . 19 I I , Rdnr. 1 ff.; Denninger, Staatsrecht I I , S. 146 ff. 49

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müssen stets einen Mindestspielraum respektieren, so daß eine Person eine Rolle, i n der sie lebt oder leben w i l l , nicht preisgeben, sondern nur umstilisieren und uminterpretieren muß. Für die Grundrechte des A r t . 5 Abs. 1 GG ist dabei — pauschal ausgedrückt — an die Wahrung der Möglichkeit zur Teilnahme an Prozessen freier Kommunikation zu denken 51 . I I I . Grundrechtsauslegung 1. Auslegungsarbeit als Argumentation um falsifizierende Kriterien

Die Auslegung der Grundrechte hat davon auszugehen, daß ihr normativer Gehalt aus den Normsätzen nicht deduzierbar ist, sondern durch Rechtsarbeit erst hergestellt werden muß. Die grundrechtlichen Normsätze sind durchweg zu unpräzise, u m als substantielle Vorgegebenheiten behandelt werden zu können, i n denen alle Entscheidungen ihre Vorzeichnung bereits derart fänden, daß sie nur i m Wege von Ableitungen und Paraphrasierungen herauszuholen wären. Da die Normsätze zu geringen semantischen und pragmatischen Gehalt haben, muß dieser ihnen erst zugeführt werden 52 . Auslegung meint daher nicht nur empirische Bedeutungsanalyse, sondern auch wertende Bedeutungsfestsetzung; doch stets muß sie durch Argumentation und Konstruktion methodisch-rational begründet werden können 53 . Es kommt dabei nicht darauf an, wie Auslegungshypothesen entdeckt werden (vorverständig, topisch, assoziativ usw.), sondern darauf, wie sie argumentativ gerechtfertigt werden. Von methodischem Interesse ist allein, ob die Rechtfertigung bestimmten Anforderungen — wie Präzision, Ausdruckskonstanz, Konsistenz, Abgeschlossenheit der Voraussetzungen, Prüfbarkeit — genügt 54 . Der Auslegungsvorgang läßt sich nicht — entsprechend dem klassischen Auslegungs- und Subsumtionsideal — i n einem einzigen Ablaufmodell fassen, i n dem nur entdeckt werden darf, was auch gerechtfertigt und als Auslegungsergebnis verifiziert werden kann 5 5 . 51 Z u r Mindestposition näher: Schlink, Abwägung, S. 76 ff., 193 ff., der darauf hinweist, daß die Mindestposition auch i n einem persönlichen Besitzstand bestehen kann. Dabei dürfte an A r t . 14 I GG zu denken sein. E i n anschauliches Beispiel für die Mißachtung einer Mindestposition bietet das NSSchriftleitergesetz v. 4.10.1933 (RGBl. 1/111 v. 7.10.1933), wonach der Schriftleiterberuf zu einer i n ihren beruflichen u n d außerberuflichen Pflichten u n d Rechten v o m Staat geregelten öffentlichen Aufgabe erklärt w i r d (vgl. §§ 1, 5, 13, 15). Hierzu w i r d die soziale Rolle des Schriftleiters genau definiert. 52 Schlink, DSt. 19 (1980), S. 73 ff. (S.95); F.Müller, Juristische Methodik, S. 97 f.; Rottleuthner, Rechtswissenschaft als Sozialwissenschaft, S. 25 ff. 53 Ebenda, S. 189 ff.; Koch, ARSP 61 (1975), S.27ff. (S.41); ders., R T h . 4 (1973), S. 183 ff. (S. 190); zur Konstruktion: Podlech, JbRSozRTh. 2 (1972), S. 491 ff. (S. 501) m. w . N. 54 Podlech, ebenda, S. 494.

14 Degen

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Auslegungstheorien werden wie alle wissenschaftlichen Theorien „erfunden" und können nicht verifiziert, sondern nur falsifiziert werden. Für einen Normsatz muß es nicht ein richtiges Auslegungsergebnis geben, mehrere vertretbare Ergebnisse sind möglich. „ Z u einem und demselben Problem oder Problemkomplex können verschiedene Hypothesen, die an fasifizierenden Kriterien nicht gescheitert und also bewährt sind, nebeneinander Bestand haben 56 ." Überkommene Auslegungselemente werden so aus Anleitungen zur Auffindung eindeutiger Ergebnisse zu Relevanzgesichtspunkten und Fragerichtungen, zu Operationsanleitungen für die argumentative Rechtfertigung grundrechtsdogmatischer Aussagen 57 . Damit stellt sich die Frage nach Rangverhältnissen unter den Auslegungselementen nicht mehr 5 8 . Wortlaut, Systematik, Genese und Folgen sind voneinander unabhängige K r i terien der Falsifikation; grundrechtsdogmatische Aussagen lassen sich aus ihnen nicht folgern, sie können aber an ihnen scheitern 59 . 2. Die einzelnen Falsifikationskriterien: Wortlaut, Systematik, Genese, Auslegungsfolgen

Damit der „Wortlaut" als falsifizierendes K r i t e r i u m taugt, muß seine Bedeutung anhand seiner sprachlichen Verwendungsregeln untersucht werden. Die Bedeutungsanalyse hat unabhängig von möglichen Normzwecken (Gar antiemotiven), bezeichneten Regelungsobjekten (Wirklichkeitsausschnitten) und verfassungstheoretischen Ansätzen (Verfassungsganzes) zu erfolgen. Die Bedeutung eines Begriffs ist über die Angabe seiner Merkmale zu bestimmen, wobei das Definiens denselben erkenntnismäßigen Charakter haben muß wie das Definiendum. Beschreibende Begriffe i n Grundrechtssätzen dürfen also nicht über Wert- oder Zweckbegriffe definiert werden 6 0 . Bei den Grundrechten führt die Analyse des „Wortlauts" deshalb zu Unsicherheiten über den normativen Anwendungsbereich, weil vornehmlich mehrdeutige, vage und zukunftsoffene Begriffe verwandt werden 61 . Die Mehrdeutigkeit 55 Zur Unterscheidung v o n Entdeckungs- u n d Rechtfertigungszusammenhang vgl. Schlink, RTh. 7 (1976), S. 94 ff. (S. 101 f.); ders., DSt. 19 (1980), S. 73 ff. (S. 87 ff.); der Sache nach bereits C. Schmitt, Gesetz u n d Urteil, S. 71 ff. 56 Schlink, DSt. 19 (1980), S. 73 ff. (S. 105); ders. RTh. 7 (1976), S. 94 ff. (S. 101 f.); Podlech, JbRSozRTh. 2 (1972), S. 491 ff. (S. 494 ff.). 57 Rottleuthner, Rechtswissenschaft als Sozialwissenschaft, S. 197; Schlink, RTh. 7 (1976), S. 94 ff. (S. 102). 58

Schlink, DSt. 19 (1980), S. 73 ff. (S. 99). Schlink, RTh. 7 (1976), S.94ff. (S. 102); vgl. zur Unmöglichkeit allgemeiner „Richtigkeit" i n der Verfassungsinterpretation: Grimmer, Demokratie und Grundrechte, S. 161 ff. m. w. N. 00 Weinherger, Logik, S. 184. 59

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grundrechtlicher Begriffe ist soweit wie möglich durch den sprachlichen Kontext zu verringern; die Verwendungsweise eines Begriffes kann dabei entweder aus dem Zusammenhang des einzelnen Grundrechtssatzes oder aus dem Kontext mit anderen Normsätzen des Grundgesetzes, v. a. des Grundrechtskataloges, geklärt werden 6 2 . Soweit sich Unklarheiten über den Gehalt eines Begriffs nicht beseitigen lassen, muß zunächst bei der Feststellung eingehalten werden, daß sich aus der Sprachlichkeit der Verfassung ein gewisser Auslegungsspielraum ergibt 6 3 . Die begrenzende Funktion des „Wortlauts" besteht dann darin, jene Auslegungshypothesen auszuscheiden, die sich nicht i m Rahmen des (semantischen) Auslegungsspielraums halten. Die Festsetzung der Bedeutung eines Grundrechtssatzes kann an den Kriterien der Systematik, der Genese und der Folgen scheitern: Beim K r i t e r i u m der „Systematik" kann es nicht darum gehen, aus einem die einzelnen Normsätze transzendierenden einheitlichen Bedeutungszusammenhang der Grundrechte untereinander (Wertsystem) oder m i t dem organisatorischen Teil des Grundgesetzes (Verfassungsganzes) Aussagen über die Bedeutung einer bestimmten Grundrechtsvorschrift abzuleiten. Der systematische Aspekt taugt nur insoweit als begrenzendes Kriterium, als danach gefragt wird, ob eine Auslegungshypothese dem Gehalt eines anderen Normsatzes des Grundgesetzes widerstreitet oder ob sie einen anderen Normsatz durch seine Bestimmung als bloß deklaratorisch seiner Normativität entkleidet 6 4 . Beim K r i t e r i u m der „Genese" kann es nicht u m den Versuch gehen, grundrechtsdogmatische Aussagen an oft divergierenden und selten 81 „Mehrdeutigkeit" liegt vor, w e n n ein Ausdruck i n verschiedenen K o n texten nach gänzlich verschiedenen semantischen Regeln verwendet zu w e r den pflegt. „Vagheit" liegt dann vor, w e n n die für die Verwendung eines Ausdrucks maßgeblichen semantischen Regeln nicht ausreichen, u m über die Anwendbarkeit oder Unanwendbarkeit des Ausdrucks i n jedem Falle entscheiden zu können „Porosität" (Zukunftsoffenheit) bezeichnet den Fall, daß w i r über die Anwendbarkeit eines Ausdrucks, den w i r an sich nach präzise angebbaren Regeln verwenden, deshalb nicht entscheiden können, w e i l w i r unvorhergesehene Erfahrungen oder Entdeckungen machen, hinsichtlich derer sich ein Gebrauch des fraglichen Ausdrucks nicht herausbilden konnte. Vgl. zum Ganzen: Koch, Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 41 ff., u n d aus soziolinguistischer Sicht: Grimmer, Demokratie u n d Grundrechte, S. 153 ff. 62 V g l das Beispiel bei Koch, Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 42; so auch Larenz, Methodenlehre, S. 311 ff., der den K o n t e x t jedoch erst bei der systematischen Interpretation berücksichtigen w i l l . 63 Koch, Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 56 ff., dort auch näher zur begrenzten Nützlichkeit der semantischen Analyse. e4 Z u r systematischen Auslegung vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 311 ff., der darin jedoch mehr als ein falsifizierendes K r i t e r i u m sieht. Schlink, DSt. 19 (1980), S. 73 ff. (S. 100 ff.) n i m m t den systematischen Aspekt nicht i n das Arsenal seiner Falsifikationskriterien auf; i n dem hier vorgeschlagenen begrenzten Umfang dürfte dies aber notwendig sein.

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eruierbaren Einsichten und Absichten der einzelnen Mitglieder des Parlamentarischen Rates zu widerlegen. Den Grundrechtssätzen eignet notwendig ein gewisser Formelkompromißcharakter: das verfassungsgebende Organ hat sich i n seiner Mehrheit nur auf den Normtext verbindlich geeinigt und nicht auf mit i h m verfolgte, durch ihn aber nicht festgeschriebene Absichten. Da die Verfassungsmaterialien also ihrerseits interpretationsbedürftig sind, h i l f t die Berufung auf den „historischen Willen" des Verfassunggebers hier kaum weiter. Für die begrenzende Funktion der „Genese" kann weniger auf die Richtung als auf die Tatsache einer Änderung abgestellt werden: Sind bei der Entstehung einer Grundrechtsnorm verschiedene Entwurfstexte vorgelegt, erörtert und verworfen worden, dann sind unter dem endlich beschlossenen Normtext diejenigen grundrechtsdogmatischen Aussagen falsch, die einem verworfenen Entwurfstext entsprechen 65 . Da das Grundgesetz nach den historischen Erfahrungen mit der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Diktatur i m Grundrechtskatalog neue Lösungen für das Verhältnis Staatsgewalt — Zivilpersonen formuliert, können unter dem Grundgesetz jene grundrechtsdogmatischen Aussagen für unzutreffend angesehen werden, die ein Auslegungsproblem ebenso lösen wie unter der Weimarer Reichsverfassung, obwohl das Grundgesetz davon normtextlich abweicht oder zu i n der Weimarer Reichsverfassung geregelten Fragen schweigt 66 . Darüber hinaus können die Grundrechtsauslegungen als falsch angesehen werden, die Problemlösungen zulassen, die Entsprechungen i n nationalsozialistischer Normsetzung finden. Das K r i t e r i u m der „Auslegungsfolgen" ist Juristen zwar praktisch vertraut 6 7 , w i r d aber nicht zur Klasse der anerkannten Interpretationsmittel gezählt. Folgen werden zwar bei der Grundrechtsauslegung häufig mitreflektiert, dies w i r d aber i m Rechtfertigungszusammenhang nicht ausreichend dargestellt. Die Folgendiskussion w i r d zumeist nicht begrenzt und methodisch strukturiert. Die Funktion der Folgendiskussion liegt in der Begründung wertender Bedeutungsfestsetzung; sie ist 65

Vgl. näher Schlink, DSt. 19 (1980), S. 73 ff. (S. 101 f.). Damit w i r d versucht, den Ansatz Schlinks, der explizit auf die Auslegung v o n Gesetzesrecht bezogen ist, für die Verfassungsauslegung fruchtbar zu machen. Die Schwierigkeit besteht hier darin, daß das GG — anders als etwa die Verfassung der V. französischen Republik — nicht unmittelbar an eine vorhergehende Verfassung anschließt, sondern zugleich A n t w o r t auf die W R V wie auf den folgenden faktisch verfassungslosen Zustand der NSWillkürherrschaft zu geben versucht. 67 So w i r d oft v o m „Ergebnis" her argumentiert, das als wünschenswert oder nicht wünschenswert qualifiziert w i r d . Die berühmte Juristen-Frage „Wo kämen w i r denn da hin?" hat also ihre sachliche Berechtigung, muß aber methodisch diszipliniert beantwortet werden. Vgl. zur Folgendiskussion näherhin: Schlink, DSt. 19 (1980), S. 73 ff. (S. 108 ff.). ββ

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der Ort für die Verarbeitung von empirischem Wissen über die soziale Wirklichkeit und für das Einbringen verfassungstheoretischer Aussagen. Mit „Auslegungsfolgen" werden hier — i m Gegensatz zu den Folgen von Einzelfallentscheidungen — solche tatsächlichen Folgen angesprochen, die dadurch ausgelöst werden können, daß grundrechtsdogmatische Aussagen vom Bundesverfassungsgericht als Gesetzgebung, Vollziehende Gewalt und Rechtsprechung bindende, authentische Verfassungsinterpretation festgelegt werden 68 . Dabei taugt eine mögliche Folge nicht dann schon als begrenzendes Kriterium, „wenn sie i n irgendeinem gesellschaftlichen Zusammenhang eintritt und unter irgendwelchen Gesichtspunkten interessant erscheint, die mit der Gedeihlichkeit des Zusammenlebens, den Zielen einer Politik oder der Fundamentalität von Interessen zu tun haben" 6 9 . Das K r i t e r i u m für die Scheidung der relevanten von den irrelevanten Folgen ist der Normtext, der für die Berücksichtigung der einen Folgen Anknüpfungspunkte bietet, für die der anderen nicht. Bei den Freiheitsrechten als Erlaubnisnormen kommt es auf die Konsequenzen für das bezeichnete, wirkliche Verhalten der Zivilpersonen an. Damit w i r d die soziale Wirklichkeit insofern i n die Auslegung eingebracht, als hier empirisches Wissen über soziale Verhaltensweisen und deren Rahmenbedingungen gefordert ist. Für A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG sind hier etwa gesicherte Kenntnisse über journalistische Arbeitsbedingungen und -weisen notwendig. Erst an dieser Stelle kann zutreffend von einer „Normbereichs"-Analyse i m Sinne einer empirischen Untersuchung des sozialen Regulierungsfeldes der Norm gesprochen werden 70 . Da die Freiheitsrechte zugleich als an den Staat adressierte Verbotsnormen u. U. mit Erlaubnisvorbehalten für den Gesetzgeber auf der Grundlage der Erlaubnisordnung des Grundgesetzes gekennzeichnet wurden, müssen auch die Folgen interessieren, die für den Handlungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers eintreten können. Zu fragen ist danach, ob durch die (unterstellte) verfassungsgerichtliche authentische Interpretation die politische Rolle der rechtsetzenden obersten Staatsorgane verändert werden kann. Die negative Bewertung einer Folge darf nicht „freihändig" vorgenommen werden, sondern muß an Verfassungsnormen orientiert sein. Sie muß primär anhand der betroffenen Grundrechtsnorm darstellbar 68

Diese Eingrenzung erscheint deshalb als nötig, w e i l die möglichen Folgen wissenschaftlicher Auslegungstheorien k a u m erfaßbar sind u n d die Folgen v o n Auslegungstheorien i m politischen System der BRD erst über V e r fassungsrechtsprechung spürbar u n d nachweisbar werden. 69 Schlink, DSt. 19 (1980), S. 73 ff. (S. 104). 70 Ä h n l i c h Schlink, ebenda, S. 103; auch Koch, Die juristische Methode i m Staatsrecht, S. 132, b r i n g t die Normbereichsanalyse i n Zusammenhang m i t der Folgendiskussion.

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sein, kann aber auch aus anderen Verfassungsnormen entwickelt werden, wenn dies i n den Zusammenhang der Grundrechtsnorm dogmatisch vermittelt werden kann 7 1 . Die negative Bewertung einer Folge für die Rolle des Gesetzgebers kann anhand der Vorbehaltsschranken wie der organisationsrechtlichen Normen erfolgen. Die normorientierte Folgenbewertung kann ohne Berücksichtigung des teleologischen Hintergrunds nicht auskommen. I n diesem Zusammenhang kann die historische ratio legis zu rekonstruieren und die gesellschaftliche Funktion der Norm zu analysieren sein 72 . Es darf jedoch nicht unvermittelt eine ratio legis unterstellt werden; denn wenn die Zweckermittlung auch aus den Verfassungsmaterialien nicht i n eindeutiger Weise geleistet werden kann und ohne Dezision nicht möglich ist, muß sie doch begründbar und diskutierbar sein. Dazu ist verfassungshistorische Forschungsarbeit und die Entwicklung eines positivrechtlich abgestützten staats- und verfassungstheoretischen Ansatzes erforderlich 73 .

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Schlink, DSt. 19 (1980), S. 73 ff. (S. 103 f.). Weinberger, Logik, S. 189 ff.; ohne Berücksichtigung des teleologischen Hintergrunds ist ein Verstehen i n pragmatischen Sprachen nicht vorstellbar. Vgl. zur Diskussion der sozialen Funktionen einer N o r m über historische u n d soziale Argumente: Podlech, Gleichheitssatz, S. 162 ff. 73 Z u r Rolle v o n verfassungstheoretischen Argumenten vgl. F. Müller, J u ristische Methodik, S. 189 ff., u n d dazu Schlink, DSt. 19 (1980), S. 73 ff. (S 97 ff.). Schlink weist zu Recht darauf h i n , daß Verfassungstheorie bereits i m E n t deckungszusammenhang eine wichtige Rolle spielt; i m Rechtfertigungszusammenhang k a n n sie erst an dieser Stelle eingeführt werden. 72

§ 9 Tatbestand und Schranken der Pressefreiheit Die Frage, ob zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und den A r t . 12, 14 GG Grundrechtskonkurrenz vorliegen kann, läßt sich nur beantworten, wenn zunächst der Garantietatbestand der Pressefreiheit daraufhin untersucht wird, ob i h m auch Presseberufsfreiheit und Presseeigentum unterfallen. Da Grundrechtskonkurrenz nur bei Schrankendivergenz entscheidungsrelevant werden kann, hat sich die Frage nach dem Gehalt des A r t . 5 Abs. 2 GG anzuschließen.

I. Der Garantietatbestand des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Der Gewährleistungstatbestand der Pressefreiheit soll hier nicht vollständig ausdifferenziert werden; es soll vielmehr schwerpunktmäßig darum gehen, die verbreitete Auslegungshypothese, A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiere auch die Presseberufsfreiheit und das Presseeigentum, anhand der begrenzenden Kriterien des „Wortlauts", der „Systematik" und der „Genese" zu prüfen und demgegenüber die eigene Auslegungshypothese zu entwickeln. Daran soll sich dann eine Folgendiskussion anschließen. 1. Problemexposition: Differenzierung der grundrechtlich geschützten Handlungsaspekte

Bevor mit der Untersuchung des „Wortlauts" begonnen werden kann, muß die Problemstellung zugespitzt werden. Denn soweit angenommen wird, der Pressefreiheit müßten auch die Presseberufsfreiheit und die Garantie des Presseeigentums zugerechnet werden, w i r d nicht erklärt, was genau damit gemeint ist. Es ist die Rede davon, neben der „publizistisch-geistigen Seite" werde auch die „gewerblich-technische", „berufliche Seite" geschützt 1 . Die „Freiheit der Berufsausübung" i m Pressewesen bedeutet nach Löffler und Ricker, daß jeder die Pressetätigkeit jederzeit ohne behördliche Genehmigung ausüben dürfe und zur Gründung eines Pressebetriebs keiner Zulassung bedürfe 2 . Außer1 Herzog, in: MDSch., A r t . 5, Rdnr. 141; Forsthoff, Verfassungsschutz, S.44; vgl. auch oben § 2 I I 1, § 2 I I 2 d). 2 LöfflerjRicker, HdbPrR., 10. Kap., Rdnr. 6, S. 45; unverständlich ist, wieso hier n u r die Ausübungsfreiheit definiert werden soll, wo doch deutlich die Zulassungsproblematik angesprochen w i r d .

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dem hält man den „technischen und wirtschaftlichen Apparat", die „gesamte materielle Basis" des Presseunternehmens für garantiert 3 . M i t diesen Paraphrasierungen i n verdinglichender Sprache w i r d versucht, den einheitlichen „Lebenszusammenhang" des Pressegewerbebetriebs i n seiner komplexen Handlungs-, Entscheidungs- und Zweckstruktur einzufangen; verdunkelt w i r d so aber, daß die rechtliche Normierung, soll sie rechtstechnisch faßbar werden, einheitliche „Lebenszusammenhänge" zerschneiden und aus ihnen bestimmte Aspekte abstrahieren muß. Daher w i r d für A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht scharf genug herausgearbeitet, daß es u m die Regulierung menschlichen Verhaltens geht und nicht u m die eines diffusen „Lebensbereichs". Jene Paraphrasierungen leisten deshalb nicht die Differenzierung zwischen der Frage, welches Handeln mit „Pressefreiheit" angesprochen w i r d (nur publizistische oder auch technische und verwaltende Arbeiten?) und der Frage, unter welchen Aspekten dieses Handeln geschützt w i r d (auch Berufsmäßigkeit und Eigentumseinsatz?). Die mangelnde A u f fächerung des Problems blockiert so gleichzeitig die Frage nach den Charakteristika von „Beruf" und „Eigentum". „Beruf" kann einfach piit bestimmten Handlungsarien und „Eigentum" m i t Sachen oder anderen Vermögensgegenständen gleichgesetzt werden 4 . Überspielt w i r d damit, daß „Beruf" sich eben nicht durch besonders geartete Handlungen, sondern durch das Handlungsziel „Erwerb" auszeichnet. Nach der korrekten Definition der Rechtsprechung heißt „Beruf" jede Tätigkeit von gewisser Dauer, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient 5 . Und ebenso w i r d „Eigentum" nicht durch bestimmte Arten von Handlungen i m vermögensrechtlichen Bereich, sondern durch eine private Entscheidungskompetenz gekennzeichnet, die über einen Rechtstitel vermittelt w i r d und welche die Verfügungsbefugnis an diesem Titel, die Befugnis zur Entscheidung über die Nutzung von Sachen und Vermögenswerten Rechten sowie die Kompetenz zur Aneignung der mit Hilfe jener Gegenstände erzeugten Produkte oder des erzielten Gewinns umfaßt 6 . Bei der Frage nach der Garantie der Presseberufsfreiheit geht es also darum, ob A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG die Pressetätigkeit auch unter dem Aspekt schützt, daß mit ihr Erwerbsziele verfolgt werden. Beim Problem der Gewährleistung des Presseeigentums ist danach zu fragen, ob A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG mit Entscheidungsakten, die i m Rahmen der Pressetätigkeit anfallen, auch die über 3 Löffler, Presserecht I, Kap. 5, Rdnr. 52; vgl. auch die weiteren Nachweise oben § 2 I I 2 d) m. F N 97. 4 Vgl. näherhin: Rittstieg, Eigentum, S. 315 ff. Vgl. allgemein zur Notwendigkeit, aus der unendlichen Vielfalt der Realität unter bestimmten Aspekten Strukturen herauszuarbeiten: Henke, DSt. 19 (1980), S. 181 ff. (S. 196 ff.). 5 BVerfGE 7, S. 377 (S. 397). 6 Podlech, DSt. 15 (1976), S. 31 ff. (S. 42 ff., v. a. F N 52 auf S. 42).

§ 9 Pressefreiheitsgarantie

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Eigentumstitel vermittelten Entscheidungskompetenzen schützt. Es geht i n diesem Zusammenhang also nicht darum, welche Handlungsarten mit „Pressefreiheit" angesprochen und als erlaubt garantiert werden 7 . 2. Wortlaut

a) „Pressebegriff"

oder „Pressefreiheitsbegriff"?

Für die Bedeutungsanalyse muß zunächst Klarheit darüber geschaffen werden, welchem Rechtsbegriff sie gelten soll. Diese Feststellung mag verwundern, ist aber angesichts der i m Schrifttum üblichen Vorgehensweise bei der „grammatischen Interpretation" erklärlich. Die Diskussion dreht sich dort u m den „Pressebegriff"; von seinem Verständnis soll jegliche Aussage über den Schutzumfang des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG abhängen 8 . Zu fragen ist allerdings, ob so die Bedeutung von „Pressefreiheit" korrekt analysiert werden kann. Daß diese Frage keine begriffsjuristische Spitzfindigkeit ist, w i r d sogleich deutlich werden: Bei der Untersuchung des „Pressebegriffs" w i r d die Zusammensetzung „Pressefreiheit" i n Bestimmungs- und Grundwort zerlegt und sodann „Presse" isoliert betrachtet. Diese „Zerlegungsmethode" übersieht aber, daß „Presse-" zu dem Grundwort ,,-freiheit" nicht nur substantivisches, sondern auch verbales Bestimmungswort sein kann, die Bedeutung also nicht notwendig vom Kollektivsingular „die Presse" i m Sinne des „Pressewesens", sondern ebenso vom Verb „pressen" i m Sinne von „drucken" her entwickelt werden kann. Dieser Gebrauch von „pressen" ist zwar i n der heutigen Sprache verlorengegangen, kann sich aber i n „Pressefreiheit" erhalten haben. Es darf daher nicht außer acht gelassen werden, daß „Presse-" i n „Pressefreiheit" etwas anderes bedeuten kann als „die Presse". „Pressefreiheit" und „Presse" hatten zwar gemeinsame sprachliche Anfänge, ihre Entwicklung verlief aber nicht parallel: Der deutsche Sprachgebrauch folgte jeweils dem französischen, welchem zunächst am Anfang des 16. Jahrhunderts der Begriff „Presse" i n der Bedeutung „Werkzeug zum Pressen", „Druckerpresse" und der Begriff „pressen" 7 V o n vornherein außer Betracht bleiben hier jene Auslegungen, welche aus „materialen" Erwägungen heraus n u r die „publizistisch-geistige", nicht aber die sonstige Pressearbeit schützen wollen; denn sie operieren m i t W e r tungen, die höchstens über ein unausgewiesenes Vorverständnis u n d nicht anhand kontrollierbarer K r i t e r i e n gerechtfertigt werden. 8 Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 126; u m die Auslegung des „Pressebegriffs" geht es auch BVerfGE 10, S. 118 (S. 121); 12, S. 113 (S. 125); 20, S. 162 (S. 174ff.); 21, S.271; Löffler/Richer, HdbPrR., l . K a p . , Rdnr. 6, S.2; Lerche, Ev. StLex., Sp. 1910; v.Münch, A r t . 5, Rdnr. 21; Czajha, Öffentliche Aufgabe, S. 14; Rebe, Träger, S. 17 ff.; F. Schneider, Presse- u n d Meinungsfreiheit, S. 54 ff.; n u r Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 12 ff. u n d Bettermann, 49. DJT, Diskussionsbeitrag, Ν 175 f. entwickeln einen Begriff von „Pressefreiheit".

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

i m Sinne von „drucken" entlehnt wurde 9 . I m Gebrauch des Begriffs „Pressefreiheit" blieb der Bezug zum technischen Vorgang des Druckens stets erhalten, wie i n der Form „Preßfreiheit" deutlich wird, die noch bis i n die 30er Jahre unseres Jahrhunderts geläufig war 1 0 . „Pressefreiheit" bedeutet demnach die Freiheit, Druckwerke herzustellen, in ihnen Meinungen zu äußern und durch sie Meinungen zu verbreiten und wurde so als „Tochter" der allgemeinen Gedankenäußerungsfreiheit verstanden. I n dieser Bedeutung spielte „Pressefreiheit" gegen Ende des 18. Jahrhunderts wie i m 19. Jahrhundert, insbesondere i m Vormärz, die Rolle eines erstrangigen politischen Schlagworts 11 . Sein Gebrauch i n der Rechtssprache läßt sich auf die Formulierungen der französischen Menschenrechtserklärung vom 4.8.1789 (Art. XI), der Konventsverfassung vom 24. 6.1793 (Art. 7, A r t . 122) und der Charte Constitutionnelle vom 4.6.1814 (Art. 7) zurückführen. I n Deutschland läßt er sich insbesondere für die A r t . 18 d) der Deutschen Bundesakte vom 8.6.1815, § 143 der Reichsverfassung vom 28.3.1849 und § 1 des Reichspressegesetzes vom 7.5.1874 nachweisen 12 . Besonders hervorzuheben ist § 1 RPG; denn dieser dürfte den juristischen, aber auch den allgemeinen Sprachgebrauch entscheidend mitgeprägt haben, galt er doch i n der Weimarer Republik gem. A r t . 178 WRV als Reichsrecht und i n der Bundesrepublik bis zur Verabschiedung der Landespressegesetze — also teilweise bis 1966 — als Landesrecht fort 1 3 . Wie die Berichte der Reichstagskommissionen belegen, deren Änderungsvorschläge gegenüber dem Bundesratsentwurf vom Reichstag übernommen wurden, bedeutete die „Freiheit der Presse" i m Sinne des § 1 RPG „das Recht durch Schrift, Abbildung oder Darstellung seine Meinung frei zu äußern" 14 . Dementsprechend hieß es auch i n den Pressegesetzen Bremens vom 20.12.1948 und Württemberg-Badens vom 1.4.1949, die 9 F. Schneider, Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, S. 899 ff. (S. 899 m. F N 2, 3); Rebe, Träger, S. 19 m. F N 15. 10 Vgl. z . B . C. Schmitt, Grundrechte u n d Grundpflichten (1932), Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 181 ff. (S. 210 F N 17). 11 F.Schneider, Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, S. 899 ff. (S. 913 ff.). 12 Franz. Verfassungen zitiert nach Jacques Godechot, Les Constitutions de la France depuis 1789; Dt. Bundesakte, Corpus Iuris Confoederationis Germanica, Bd. I I , S. I f f . ; RV 1849, RGBl. 1849, S. 101; RPG 1874, RGBl. 1874, S. 65; vgl. daneben für Frankreich auch: A r t . 64 Acte A d i t i o n n e l v. 22.4.1815, A r t . 8 Constitution Républicaine ν. 4.11.1848; für Deutschland: § 11 Bay. V U v. 26. 5.1818 (Bay. GBl. S. 101), § 17 Bad. V U v. 22. 8.1818 (Reg. Bl. S. 1425); § 25 Württembg. V U v. 25.9.1819 (Reg. Bl. 633); §37 Hess. V U v. 5.1.1831 (GVS S. 1); § 35 Sächs. V U v. 4. 9.1831 (GVB1. S. 241); A r t . 24, 25 prov. Preuß. V U v. 5.12.1848 (PrGS S. 375). 13 Z u r Fortgeltung nach 1945 i n der Bundesrepublik: BVerfGE 7, S. 29. 14 Bericht der V. Kommission betr. den Erlaß eines Reichsgesetzes über die Presse, Verh. des RT, I. Sess. 1873, Nr. 59, § 1 der Anlage, S. 346; hierauf verweist zustimmend der Bericht der V I I . Kommission, Verh. des RT, I. Sess. 1874, Nr. 67, S. 250.

§ 9 Pressefreiheitsgarantie

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Pressefreiheit sei ein Teil des von der Verfassung gewährleisteten Grundrechts auf freie Meinungsäußerung 15 . A n dieser Bedeutung scheint der allgemeine Sprachgebrauch auch heute noch festzuhalten, vetraut man den Lexika 1 6 . „Pressefreiheit" w i r d dort angegeben mit „Freiheit der Verbreitung von Meinungen, Nachrichten, Mitteilungen und sonstigem Gedankengut . . . durch Druck" 1 7 . Der so skizzierte Sprachgebrauch klammert die Aspekte „Presseberufsfreiheit" und „Presseeigentum" aus; nach i h m ist irrelevant, ob die Meinungsäußerung durch Druck zu Erwerbszielen erfolgt oder nicht, ob Entscheidungen, etwa über den Inhalt von Druckwerken, auf durch Eigentumstitel vermittelten Entscheidungskompetenzen beruhen oder nicht 1 8 . Dagegen hat sich der Gebrauch des Begriffs „Presse" seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auf die übertragene Bedeutung „Gesamtheit der Periodika" verengt, und zwar i n der doppelten Bedeutung von „Gesamtheit der periodischen Druckwerke", also der Zeitungen und Zeitschriften, wie von „Gesamtheit der Presseorgane", also der Zeitungsund Zeitschriftenunternehmen 19 . I n diesem Sinne w i r d „Presse" auch heute noch i n der allgemeinen Sprache verwandt 2 0 . Aber dieser Sprachgebrauch kann nicht auf den Begriff „Pressefreiheit" übertragen werden, ohne dessen Bedeutung zu verändern. Genau dazu verleitet aber die isolierte Untersuchung des „Pressebegriffs" i. S. von A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG, wie sie bei der „Zerlegungsmethode" unumgänglich ist. So berufen sich Franz Schneider, Bernd Rehe und Gerd H. Kemper auf den „umgangssprachlichen Wortgebrauch" von „Presse", u m die Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf Periodika zu begründen, wobei „Presse" explizit als „Gesamtheit der periodischen Druckwerke" definiert, implizit aber auch i m Sinne der „Gesamtheit der Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen" verwandt wird. „Presse" w i r d so unversehens aus einer Menge bedruckten Papiers zur handelnden Person und gesellschaftlichen Institution. Diese erstaunliche Mutation w i r d etwa i n 15

Brem. PG § 1 (GBl. 1948, S. 250); wüba PG Nr. 1032 (Reg. Bl. 1949, S. 59). Vgl. zur Zulässigkeit der Benutzung v o n L e x i k a für die Erforschung des allgemeinen Sprachgebrauchs: Herberger/Koch, JuS 1978, S. 810 ff. (S.811). 17 Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 15, S. 114; ebenda, Bd. 24, S. 524; Klappenbach/Steinitz, Wörterbuch der Deutschen Gegenwartssprache, Bd. 4 S.2858; Duden, Bd. 10, S. 501. 18 Damit w i r d nicht verkannt, daß Pressefreiheit stets auch eine Stoßrichtung gegen Konzessions- u n d Kautionszwang für das Pressegewerbe hatte; darauf w i r d i n der Argumentation u m den Normzweck zurückzukommen sein. Hier geht es n u r u m die Intension des Begriffs. 19 F.Schneider, Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, S. 899 ff. (S. 899 F N 3); Rebe, Träger, S. 19 m. w. N. i n F N 14; Forsthoff, DÖV 1963, S. 633 ff. (S. 634). 20 Vgl. Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 24, S. 524; Duden, Bd. 10, S. 501; Rebe, Träger, S. 19; Kemper, Pressefreiheit u n d Polizei, S. 30; F. Schneider, Presseu n d Meinungsfreiheit, S. 58; Czajka, öffentliche Aufgabe, S. 14. 16

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

der Formulierung Gerd H. Kempers sichtbar, die Pressefreiheit habe nur Druckschriften zum Gegenstand, die Massenkommunikationsmittel seien, was auch durch die politische Bedeutung der Presse als Trägerin und Gestalterin der öffentlichen Meinung gerechtfertigt werde 21 . Auch wenn der „weite Pressebegriff" i m Sinne der Gesamtheit aller Druckwerke verteidigt wird, ist die stille Bedeutungsverschiebung zum Lebensbereich „Pressewesen" i m Sinne des Inbegriffs aller Presseunternehmungen möglich. So sehen Löffler und Ricker die „gesamte Tätigkeit der Presse", also aller Presseunternehmen, und den „gesamten Inhalt der Presse", also aller Presseerzeugnisse, als durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt an 22 . Und auch Roman Herzog entwickelt zunächst den formalen und weiten „Pressebegriff", dem alle Druckwerke zugerechnet werden, um schließlich festzustellen, A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiere „Arbeit und Arbeitsfähigkeit der Presse", also aller Presseunternehmen, „grundsätzlich i n all ihren Gliedern und i n all ihren Varianten" 2 3 . Wie diese beiden Bedeutungen unausgewiesen nebeneinander verwandt werden können, sei schließlich an einigen Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts i m Spiegel-Urteil gezeigt: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfenen Presse (Anm.: Pressewesen) ist ein wesentliches Element des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse (Anm.: periodische Presseerzeugnisse) für die moderne Demokratie unentbehrlich. . . . Die Presse (Anm.: Pressewesen) hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und w i r k t damit als orientierende Kraft i n der öffentlichen Auseinandersetzung. I n ihr (Anm.: Presseerzeugnisse) artikuliert sich die öffentliche Meinung . . . I n der repräsentativen Demokratie steht die Presse (Anm.: Pressewesen) zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern i n Parlament und Regierung" 24 . Solche semantischen Kapriolen bleiben i n der Norminterpretation nicht folgenlos, wie sich zeigt, wenn „Presse-" wieder mit „-freiheit" zusammengefügt wird. Aus der Freiheit, Presseerzeugnisse herzustellen und zu verbreiten, ist dann die Freiheit des Lebensbereichs „Pressewesen" geworden. Damit w i r d es möglich, den gesamten Lebensbereich „Presse" und die ihn konstituierenden Presseunternehmen einschließlich 21 F. Schneider, Presse- u n d Meinungsfreiheit, S. 55 ff., bei dem aus den „bedruckten Blättern" (S. 55) einige Seiten später „eine für den Staat lebenswichtige I n s t i t u t i o n " geworden ist (S. 64). Rebe, Träger, S. 17 ff., 22, v. a. S. 33 „Die Presse steht . . . dem Staat w i e jede andere Person gegenüber". Kemper, Pressefreiheit u n d Polizei, S. 30. 22 Löffler/Ricker, HdbPrR., 6. Kap., Rdnr. 3, S. 33. 23 Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 127 - 135. 24 BVerfGE 20, S. 162 (S. 174 f.).

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§ 9 Pressefreiheitsgarantie

ihrer komplexen Handlungs-, Entscheidungs- und Zweckstruktur über A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zu erfassen. Als „Freiheit des Pressewesens" gewinnt „Pressefreiheit" so die Bedeutung, alle innerhalb des Pressewesens erforderlichen Tätigkeiten vornehmen, dabei Erwerbsziele verfolgen und als Eigentümer entscheiden zu dürfen 2 5 . b) Der sprachliche

Kontext

des Begriffs

„Pressefreiheit"

Nun kann man die hier entwickelte Bedeutung von „Pressefreiheit" für empirisch zu ungesichert halten, u m die alternative Bedeutungsmöglichkeit „Freiheit des Pressewesens" eindeutig ausschließen zu können. Zur Kontrolle ist daher der sprachliche Kontext des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG sowie weiterer Grundrechtsbestimmungen heranzuziehen: Zunächst kann „Presse-" vom Grundwort ,,-freiheit" her erschlossen werden. Begriff und Logik von „Freiheit" wurden bereits entwickelt; hier kann daher der Hinweis genügen, daß von menschlicher Freiheit nur in bezug auf menschliches Verhalten angesprochen werden kann und es regelmäßig irrelevant ist, zu welchen Zielen von der Freiheit Gebrauch gemacht wird. Hinzuzufügen ist, daß grundrechtlich gewährleistete Freiheit außer i n A r t . 14 GG keine gesellschaftlichen Entscheidungskompetenzen vermittelt 2 6 . Aus dem Zusammenhang des 2. Satzes des A r t . 5 Abs. 1 GG ist gefolgert worden, neben „Rundfunk" und „ F i l m " werde „Presse" i n der Bedeutung des dritten großen Massenkommunikationsmittels geschützt 27 . Dabei w i r d dieser Begriff jedoch ohne weiteres i n der übertragenen Bedeutung „Massenkommunikationsorgan", also i m Sinne einer Institution innerhalb des gesellschaftlichen Kommunikationssystems verwandt; die ebenfalls mögliche Bedeutung „technisches Vervielfältigungs- oder Verbreitungsmittel" w i r d so übergangen 28 . Diese methodische Unkorrektheit erlaubt es, „Presse-" auf den Sinn „Zeitungs- und Zeitschriftenwesen" zu verengen. Berücksichtigt man die Verwendungsregeln des allgemeinen Sprachgebrauchs, so kann „Rundfunk" sowohl 25 Vgl. die Nachweise oben i n F N 22, 23, 97 zu § 2 I I 1, 2. Diese A r g u m e n t a t i o n fällt bei einer Beschränkung auf das Zeitungs- u n d Zeitschriftenwesen leichter, w e i l dann auf die tatsächliche Kommerzialisierung u n d Professionalisierung dieses Pressesektors abgestellt werden kann. Das geht so weit, daß F. Schneider, Presse- u n d Meinungsfreiheit, S. 97, den Schutz der Pressefreiheit „naturgemäß" auf die i n Presseberufen tätigen Personen beschränken will. 26 Vgl. oben § 7 I I 3. 27 Rebe, Träger, S.21; Kemper, Pressefreiheit u n d Polizei, S.30; F.Schneider, Presse- u n d Meinungsfreiheit, S. 58. 28 Vgl. zur Ambivalenz des Begriffs: W. Schulz, A r t i k e l „ K o m m u n i k a t i o n s prozeß", in: Noelle-Neumann/Schulz, Publizistik, S. 96 f.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

„Sendeeinrichtung" als auch „Sendetechnik" bedeuten; der Begriff „ F i l m " w i r d dagegen nur für das technische Kommunikationsmittel verwandt. Da „Rundfunk" und „ F i l m " als instrumentale Umstandsangaben zu „Berichterstattung" gebraucht werden und so auf derselben sprachlichen Ebene liegen, kann angenommen werden, daß beide Begriffe i m Sinne technischer Kommunikationsmittel verwandt werden 2 9 . Dies trifft sich mit der analysierten Bedeutung von „Pressefreiheit". Der Kontext des Normsatzes des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG ergibt also, daß mit „Presse", „Rundfunk" und „ F i l m " drei technische Mittel für die Vervielfältigung bzw. Verbreitung von Informationen angesprochen werden. Für die Untersuchung des sprachlichen Kontexts von besonderem Interesse sind die Formulierungen des A r t . 18 GG. Dies zunächst deshalb, weil A r t . 18 GG neben A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG die einzige Verfassungsbestimmung ist, i n der der Begriff „Pressefreiheit" verwandt wird. Der Ausdruck „die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1)" faßt — wie der Klammerzusatz verdeutlicht — den gesamten 1. Absatz des A r t . 5 GG unter dem Stichwort der Meinungsäußerungsfreiheit zusammen und hebt „Pressefreiheit" als einen ihrer besonderen Fälle hervor 3 0 . Die Redeweise des A r t . 18 GG ist zudem deshalb für die Auslegung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG relevant, weil sich hier nochmals die sprachliche Struktur von Wortzusammensetzungen finden läßt, die m i t dem Grundwort ,,-freiheit" gebildet sind 31 . Die abbreviative Verwendungsweise von „Versammlungsfreiheit" und „Vereinigungsfreiheit" gibt Hinweise auf den Gebrauch von „Pressefreiheit". Aus A r t . 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 GG ergibt sich nämlich, daß die Abbreviaturen des A r t . 18 GG für Erlaubnisnormsätze stehen, die jeweils das Recht garantieren, sich i n gewisser Weise zu verhalten, (sich zu versammeln oder sich zu Vereinigungen zusammenzuschließen). Zu dem Grundwort ,,-freiheit" werden i n A r t . 18 GG also eindeutig keine substantivischen, sondern verbale Bestimmungswörter gebraucht. Geht man von der Konsistenz der Verfassungssprache aus, so kann für „Pressefreiheit" dieselbe sprachliche Struktur angenommen werden 3 2 . Sie drückt demnach ebenfalls die Freiheit zu einem gewissen Verhalten aus. 29 Der Sprachgebrauch v o n „ F i l m " k a n n hier nicht detailliert nachgewiesen werden; angemerkt sei nur, daß das „Filmwesen" allenfalls durch Prädikatisierung, etwa i n der Form „der Deutsche F i l m " angesprochen werden kann. Z u r Bedeutung von „ F i l m " als technisches M i t t e l : Duden, Bd. 10, S. 245; Herzog, i n : MDHSch., A r t . 5 Rdnr. 198; vgl. auch die berechtigte Skepsis über die kritisierte Kontextinterpretation bei Forsthoff, DÖV 1963, S. 633 ff. (S. 634). 30 Czajka, Öffentliche Aufgabe, S. 145 f. 31 Vgl. daneben auch A r t . 17 a Abs. 1 GG. 32 Diese Annahme v o n Konsistenz k a n n hier nicht nachgewiesen werden, sondern w i r d unterstellt.

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c) Ergebnis: Pressefreiheit als Freiheit der Herstellung und Verbreitung von Druckwerken jeglichen Inhalts Als Ergebnis kann also festgehalten werden: A m begrenzenden K r i terium des „Wortlauts" scheitert die Auslegungshypothese, derzufolge „Pressefreiheit" die Freiheit des Lebensbereichs „Presse" bedeutet. Bewährt hat sich hingegen die Annahme, „Pressefreiheit" bedeute die Freiheit, Druckwerke herzustellen, i n ihnen Meinungen zu äußern und durch sie Meinungen zu verbreiten. Diese Bedeutungsangabe soll durch folgende Erläuterungen verschärft werden: „Druckwerk" heißt jede i n einem zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahren erzeugte, verkörperte Mitteilung 3 8 . M i t diesem für die weitere technische Entwicklung offenen Begriff werden heute insbesondere alle Erzeugnisse der Druckerpresse wie Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Plakate und Flugblätter bezeichnet 34 . M i t „Meinungsäußerung" werden Akte angesprochen, durch die man anderen zu erkennen gibt, daß man Sachurteile für wahr oder Werturteile für gültig hält, selbst wenn man sie nicht als v o l l bewiesen oder begründet ansieht 35 . Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch umfaßt „Meinungsäußerung" gleichermaßen die Tatsachenmitteilung wie die wertende Stellungnahme. Die verfassungsjuristische Diskussion u m den „Meinungsbegriff" w i r d mit intuitionistischen Bedeutungsangaben, 33 Löffler/Ricker, HdbPrR., 1. Kap., Rdnr. 7, S. 2; § 7 n w L P G ; der engere allgemeine Sprachgebrauch (der eine Beschränkung auf die Erzeugnisse der Buchdruckerpresse v o r n i m m t ) w i r d damit korrigierend erweitert. Die Extension von „Druckwerk" ist unabgeschlossen, da v o n der k ü n f t i g e n technischen Entwicklung abhängig. Schon m i t §2 RPG fand eine Ausdehnimg auf die Erzeugnisse chemischer Vervielfältigungsmittel (Fotografie), m i t § 7 n w L P G auf besprochene Tonträger (Schallplatten) statt. A k t u e l l i n der Diskussion befindlich ist, ob gewisse elektronische Medien (z.B. Videotext) als Druckwerke angesprochen werden können. 34 Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 132. 35 Z u m Sprachgebrauch v o n „ M e i n u n g " : Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 12, S. 354; Duden, Bd. 10, S.436; Habermas, Strukturwandel, S. 102; v.Hentig, Öffentliche Meinung, S. 19 ff. — Die juristische Verengung des Meinungsbegriffs hat ihre historische, heute w e i t h i n i n Vergessenheit geratene Wurzel i n einem A k t politischer Justiz des Preuß. Obertribunals i m Rahmen des preuß. Verfassungskonflikts; i n der Entscheidung v o m 29.1.1866 ging es u m die Indemnität v o n Abgeordneten für ihre parlamentarischen Meinungsäußerungen (Art. 84 P r V U 1850); das Obertribunal beschränkte „Meinungen" auf „Ergebnisse des eigenen Denkvermögens", u m Tatsachenmitteilungen für nicht geschützt erklären zu können. Vgl. dagegen den Beschluß des Preußischen Abgeordneten-Hauses v o m 10.2.1866 (Verh. des Preußischen Abgeordneten-Hauses 1866, Bd. I I , A n i . 41, S. 137), i n dem gegen das U r t e i l unter Hinweis auf frühere anderslautende Judikate protestiert w i r d . Vgl. auch den Hinweis bei Häntzschel, HdbStR I I , S. 651 ff. (S. 654 F N 9). I m übrigen ist darauf zu verweisen, daß Meinungsäußerungsfreiheit stets Rede- u n d Schreibfreiheit bedeutete, also Tatsachenmitteilungen nicht ausblendete; vgl. F. Schneider. Geschichtliche Grundbegriffe, S. 899 ff. (S. 913 ff.).

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

philosophischen Überlegungen und praktischen Argumenten bestritten 36 , geht aber am Gebrauch des Begriffs i n der Sprache vorbei. Seine Meinung i n Druckwerken frei äußern zu dürfen, heißt demnach, Druckwerke jeglichen Inhalts herstellen zu dürfen. Das „Herstellen" und „Verbreiten" eines Druckwerks gibt jeweils den Übergang von einem Ausgangszustand zu einem Endzustand an 37 . „Herstellen" kann hier eng oder weit gefaßt werden: Es kann nur die Transformation von der fertigen Druckmater bis zum fertigen Druckwerk beschreiben und würde dann das bloße Drucken meinen. Es kann aber auch den Übergang vom gesammelten, vorhandenen Informationsmaterial über dessen redaktionelle Bearbeitung bis zum fertigen Druckwerk bezeichnen. Diese Alternative w i r d noch aufzulösen sein 38 . „Verbreiten" gibt unzweideutig den Übergang vom Vorhandensein von Druckwerken bis zu deren Empfang durch eine Vielzahl von Personen an. Daher kann festgehalten werden, daß alle Verbreitungsarten wie Abgeben, Zustellen, Verteilen, Auslegen, Anschlagen und Ausstellen von der „Pressefreiheit" erfaßt werden 39 . Schließlich zeigt die Untersuchung des Wortlauts: „Pressefreiheit" garantiert gewisse Handlungsarten ohne Rücksicht darauf als erlaubt, ob m i t ihnen Erwerbsziele verfolgt werden oder ob Entscheidungsakte auf durch Eigentumstitel vermittelten Entscheidungskompetenzen beruhen.

38 Intuitionistisch z. B. Ridder, Meinungsfreiheit, S. 248; Philosophisch ζ. B. F. Schneider, Presse- u n d Meinungsfreiheit, S. 12 ff. Praktisch: Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 50. Die praktische Argumentation erscheint, auch w e n n sie den Sprachgebrauch nicht reflektiert, doch als fruchtbar u n d plausibel, sie k a n n daher nicht einfach beiseite geschoben werden. 37 Weinberger, Logik, S. 117 ff.; Podlech, Gleichheitssatz, S. 243. 38 Diese Mehrdeutigkeit v o n „Herstellen" sieht auch Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 153, w e n n er hervorhebt, anders als i n A r t . 5 1 1 GG gehe es nicht n u r u m die M i t t e i l u n g erworbener Information, sondern auch u m v o r bereitende Tätigkeiten. Dabei bleibt allerdings v ö l l i g offen, wo die Grenze jener vorbereitenden Tätigkeiten liegen soll, d . h . v o n welcher Anfangsstat i o n eigentlich ausgegangen w i r d . Hier w i r d als Anfangszustand das Vorhandensein gesammelten Informationsmaterials i n Betracht gezogen, w o m i t die Informationsbeschaffung nicht zur geschützten Handlung des Herstellens von Druckwerken gerechnet werden könnte, sondern dem Schutz des A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG zu unterstellen wäre. 39 Zur Verbreitung vgl. Löffler/Richer, HdbPrR., 1. Kap., Rdnr. 23 ff., S. 5 f., die auch das „Verkaufen" als Verbreitungsart aufführen. Vgl. demgegenüber die korrekte Definition der V. Kommission zum RPG (§ 5 des Entwurfs), w o zwischen dem „bloß juristischen A k t des Verkaufs" u n d dem „faktischen A k t der w i r k l i c h e n Auslieferung an den Käufer" unterschieden w i r d (Verh. des RT, I. Sess. 1873, Nr. 59, S. 335 ff. [S. 338]).

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3. Systematik: Pressefreiheit als besonderer Fall der Meinungsäußerungsfreiheit

A m K r i t e r i u m der „Systematik" muß jede Auslegungshypothese scheitern, die i m Ergebnis A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG jeden selbständigen Gehalt abspricht und so seiner Normativität entkleidet. Genau das wäre der Fall, wollte man die Pressefreiheit nicht als besonderen Fall, sondern nur als „bloßen Unterfall" der Meinungsfreiheit gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG einstufen; denn dann hätte A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zwar verdeutlichende Funktion, aber keinen eigenständigen Regelungsgehalt. Auszuscheiden hat daher die — dem Wortlaut nach mögliche — Bedeutung, nach der neben dem Verbreiten nur das Herstellen des Druckwerks i m engen Sinne, also das bloße Drucken, garantiert werden würde. Dies w i r d nämlich durch A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG mit dem Ausdruck „Meinungsäußerung i n Schrift und Bild" vollständig abgedeckt, mit dem jede A r t der Fertigung von Schriftstücken und Bildwerken erfaßt wird 4 0 . Es muß daher i n A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG u m mehr gehen als das bloße Drucken, das ja eine technisch perfekionierte Variante des Schreibens und Abbildens ist. Die weite Bedeutung, die mit dem Transformationsprozeß vom vorhandenen Informationsmaterial bis zum fertigen Druckwerk umschrieben wurde und derzufolge die Pressefreiheit — i n Übereinstimmung m i t dem sprachlichen Kontext des A r t . 18 GG — als besonderer Fall der allgemeinen Meinungsfreiheit qualifiziert werden kann, hält dem K r i t e r i u m der Systematik stand. Anders als die Meinungsäußerung durch manuelles Schreiben und Abbilden setzt die Herstellung von Druckwerken notwendig, und zwar bedingt durch den Einsatz maschineller Vervielfältigungstechnik die vorgängige Bearbeitung von Inhalt und Form der zu druckenden Aussagen voraus, wobei diese Arbeit je nach A r t der verwandten Drucktechnik wie des geplanten Druckwerks unterschiedlich ausfallen kann. Zur Illustration mögen zwei Beispiele hinreichen: Bei der Zeitungsherstellung mittels der Rotationspresse ist die vorgängig notwendige Bearbeitung sehr komplex; vor Andruck fallen insbesondere die Festlegung der Aufmachung (vom Format über Spaltenbreite und Schriftart bis zum Lay-out), die Redaktion des Inhalts (vom Entwurf bis zum satzfertigen Manuskript), die Herstellung des Satzes und gegebenenfalls der Klischees, der Umbruch und die Korrektur der Handabzüge an 41 . Bei der Flugblatther40

Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 153. — Die Meinungsäußerung durch Schrift u n d B i l d erfaßt mehr als den Kommunikations Vorgang; das E n t äußern beginnt damit, daß Gedanken erkenn bar gemacht werden, indem ζ. B. Zeichen auf Papier angebracht werden u n d endet damit, daß sie anderen gegenüber zu erkennen gegeben w i r d . 41 M i t den neuen Techniken elektronischer T e x t k o m m u n i k a t i o n w i r d sich daran natürlich einiges ändern. 15 Degen

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Stellung i m Kleinoffsetverfahren ist die Bearbeitung natürlich viel einfacher, aber dennoch unumgänglich; auch hier werden Texte konzipiert und müssen Matrizen beschrieben werden bevor mit dem Druck begonnen werden kann. Es ist daher grundsätzlich der Ansicht Roman Herzogs zuzustimmen, daß A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG i m Unterschied zu A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG auch die „vorbereitenden Tätigkeiten" der Meinungsäußerung schützt und insoweit lex specialis ist 42 . Darin erschöpft sich der spezielle Gehalt des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG jedoch nicht. Bei den durch die Pressefreiheit erlaubten Handlungen geht es nicht notwendig wie i n A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG darum, seine eigene Meinung zu erkennen zu geben und zu verbreiten. Denn hier erfolgt die Meinungsäußerung durch ein Druckwerk, dessen Herstellung arbeitsteilig durch eine Vielzahl von Personen bewirkt werden kann, ja unter gewissen Bedingungen wie denen der Zeitungsproduktion arbeitsteilig bewirkt werden muß 4 3 . Das gilt gleichermaßen für die Verbreitung der Druckwerke, durch die indirekte Kommunikation mit einem dispersen Publikum ermöglicht w i r d 4 4 . Gewisse Tätigkeiten innerhalb des arbeitsteiligen Produktions- und Verbreitungsprozesses können so den Bezug zur Inhaltsgestaltung verlieren. Solche technischen oder verwaltenden Arbeiten genießen ebenso den Grundrechtsschutz der Pressefreiheit wie die publizistischen Arbeiten, da sie wie diese notwendige Bedingung für die Produktion des Druckwerks sind. Es bedarf daher nicht der Hilfskonstruktion von zwar nicht „geistigen", aber doch erforderlichen „Hilfstätigkeiten" 4 5 . 4. Genese

Wie schon am „Wortlaut", so scheitert die Auslegungshypothese, Pressefreiheit sei die Freiheit des Lebensbereichs „Presse", auch am begrenzenden K r i t e r i u m der „Genese". Diese Auslegung entspricht 42

Herzog, i n MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 153, allerdings m i t der Einschränkung, daß hier die Informationsbeschaffung dem Schutz der allgemeinen Informationsfreiheit gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG unterstellt w i r d , was zur Folge hat, daß die K o n s t r u k t i o n eines besonderen Informationsrechts von Berufsjournalisten ausgeschlossen w i r d . 43 Das g i l t heute auch schon für jeden Einzelnen oder jede Vereinigung, die Meinungen gedruckt verbreiten wollen, keinen Vervielfältigungsapparat zur Verfügung haben u n d sich daher an einen Drucker halten müssen. Dies i n Erinnerung zu rufen, scheint notwendig, w e i l i m Zusammenhang m i t der Pressefreiheit regelmäßig n u r v o n der Tagespresse her argumentiert w i r d , wie schon Forsthoff, DÖV 1963, S. 633 ff., kritisch herausgearbeitet hat. 44 Auch hier darf nicht allein an den Zeitungsvertrieb gedacht werden; denn auch das Verteilen v o n Flugblättern oder das Anschlagen v o n Plakaten muß bei aktuellem I n h a l t v o n einer gewissen Auflage an arbeitsteilig erfolgen, wobei sich Verteiler oder Anschlagende m i t dem I n h a l t nicht oder nicht v o l l zu identifizieren brauchen. 45 So aber Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 135.

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nämlich den Formulierungen von Entwurfstexten, die vom Parlamentarischen Rat diskutiert und verworfen wurden. Es handelt sich dabei u m A r t . 7 Abs. 2 HCh.E. und A r t . 8 Abs. 3 i n der Fassung des Grundsatzausschusses vom 29.9.1948, i n denen es jeweils hieß, „die Presse" habe die Aufgabe und/oder das Recht zu berichten 46 . „Presse" w i r d hier zweifelsfrei i n der übertragenen Bedeutung von „Pressewesen", alsd des Inbegriffs aller Presseorgane verwandt, denn sonst könnte sie nicht als Trägerin von Aufgaben und Rechten angesprochen werden. Dieser Ansatz geriet jedoch bereits m i t A r t . 7 Abs. 1 der „Kritischen Würdigung" Richard Thomas und mit A r t . 8 Abs. 1 des Vorschlags des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 16.11.1948 aus der Diskussion 47 , er wurde m i t der Annahme von A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG, dessen Formulierung auf den Vorschlag des Grundsatzausschusses vom 21.11. 1948 für A r t . 6 Abs. 3 S. 1 zurückgeht 48 , durch den Parlamentarischen Rat verworfen. Es ist daher nicht richtig, eben diese Entwürfe — wie Bernd Rebe dies t u t 4 9 — als Beleg dafür anzuführen, daß der Schutz des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG dem Zeitungs- und Zeitschriftenwesen gelte. Dagegen w i r d die hier vertretene Auslegungshypothese, die Pressefreiheit sei ein Spezialfall des A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG, nicht durch die Genese falsifiziert. Der Formulierungsvorschlag Richard Thomas: „Es besteht grundsätzliche Freiheit der Meinungsäußerung und Meinungsverbreitung i n Wort, Schrift, Druck, B i l d und Symbol" wie der Entwurf des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 16.11.1948: „Die Freiheit der Meinungsäußerung i n Wort, Schrift, Druck und B i l d w i r d gewährleistet" wurden zwar insoweit verworfen, als i n den endgültigen A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG der Begriff „Druck" nicht aufgenommen und stattdessen i n Satz 2 die Pressefreiheit" selbständig gewährleistet wurde. Aber damit wurde es nur ausgeschlossen, die Meinungsäußerung durch Druck mit der Meinungsäußerung durch Wort, Schrift und B i l d unterschiedslos i n eine Reihe zu stellen und die Pressefreiheit als bloßen Unterfall der Meinungsfreiheit zu fassen. Die hier angenommene Bedeutung der Pressefreiheit als eines Spezialfalls der Meinungsfreiheit w i r d dadurch nicht falsifiziert. Zu berücksichtigen ist zudem die Genese des A r t . 18 GG. Während A r t . 20 Abs. 1 HCh.E., der als Vorlage diente, noch formulierte: „Wer die Grundrechte der Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 7 Abs. 1), der Pressefreiheit (Art. 7 Abs.2) . . . mißbraucht", heißt es i n der Endfassung, m i t der die Formulierung des Grundsatzausschusses vom 30.11.1948 unverändert 46 47 48 49

15*

Dömming/Füsslein/Matz, JöR NF. 1 (1951), S. 79 f. Ebenda, S. 81. Ebenda, S. 84. Rebe, Träger, S. 20 f., der sich v. a. auf A r t . 7 I I HChE beruft.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

übernommen wurde, bekanntlich: „Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1) . . . mißbraucht" 5 0 ; der Entwurf des A r t . 20 Abs. 1 HCh.E. w i r d also insoweit korrigiert, als „insbesondere" hinzugefügt und anstelle zweier Klammerzusätze nur ein gemeinsamer Klammerzusatz für beide Grundrechte eingeführt wurde. Von daher schließt es die Genese des A r t . 18 GG aus, die Pressefreiheit nicht als besonderen Fall der Meinungsäußerungsfreiheit zu verstehen. 5. Folgendiskussion

Die Untersuchung des Garantietatbestandes der Pressefreiheit mußte bisher eher formal geraten, da auf die Diskussion teleologischer Aspekte bewußt verzichtet wurde. Da „Wortlaut", „Systematik" und „Genese" nur dann als einigermaßen „objektive" und selbständige Kriterien taugen, wenn sie nicht teleologisch überformt und damit gleichgeschaltet werden, hatte dieses Vorgehen seinen guten Grund. Bei der Folgendiskussion muß diese Zurückhaltung aufgegeben werden, denn sie dient wertender Bedeutungsfestsetzung und kommt ohne Argumentation u m die Normzwecke nicht aus. Daß die Folgendiskussion dennoch nicht beliebig, etwa nach der A r t politischer Diskussion, erfolgen kann, sondern methodisch diszipliniert und an der Norm orientiert werden muß, wurde schon dargelegt. Zur Diskussion stehen die Folgen der Auslegungshypothese, derzufolge A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG mit der Pressefreiheit nicht auch die Presseberufsfreiheit und das Presseeigentum garantiert. Dazu sollen zunächst einige Folgenprognosen, die i m Schrifttum vorgebracht werden, auf ihre Stichhaltigkeit geprüft werden. a) Pressefreiheit

nur noch für Amateure?

Roman Herzog behauptet, eine derartige Auslegung müsse dazu führen, daß A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG ausschließlich die Pressefreiheit von Amateuren gewährleiste, während die gewerbliche und berufliche Ausübung pressebezogener Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich herausfallen müsse und nur noch über A r t . 12 GG geschützt werden könne. Dieses Ergebnis sei aber „abwegig" 5 1 . Dieser Bewertung Herzogs könnte ohne weiteres zugestimmt werden, wäre seine Behauptung über die Auslegungsfolge nur zutreffend. Herzog begeht aber den Fehler, die von der Pressefreiheit geschützten Handlungen m i t ihrer beruflichen Ausübung unterschiedslos gleichzusetzen, so als ob die Berufsmäßigkeit eine natürliche Eigenschaft von Handlungen wäre und 50 51

v. Mangoldt, Bonner Grundgesetz, A r t . 18, S. 113 f. Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 141.

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berufliche Handlungen anders geartet wären als nicht-berufliche. Sicherlich sieht die Arbeitsorganisation i n einem gewerblichen Großverlag mit hochentwickelter Arbeitsteilung anders aus als bei einem Lokal- oder Stadtteilblatt, das von engagierten Amateuren gemacht wird; dort werden neue elektronische Systeme eingesetzt, und der Redakteur schreibt, korrigiert und redigiert am Bildschirmterminal, hier w i r d mit der Schreibmaschine geschrieben und per Hand korrigiert; dennoch gewinnt das Schreiben des hauptberuflichen Redakteurs damit noch keine völlig neue und andere Qualität. Weitere Beispiele ließen sich anführen; doch dabei käme stets nur heraus, daß die Arbeitsgänge und ihre Erledigungsart von der jeweils eingesetzten Technik determiniert werden, daß etwa bei elektronischen Satz- und Umbruchsystemen das Mettieren wegfällt oder daß bei Einsatz von Lasertechnik und Elektrofotografie gewisse Arbeiten zwischen der Reproduktion der montierten Seiten und der Plattenkopie überflüssig werden 5 2 . A l l diese Arbeiten werden bei der Herstellung von Tageszeitungen und Publikumszeitschriften tatsächlich i n aller Regel berufsmäßig vorgenommen, und dennoch ist die Berufsmäßigkeit nichts, was den Tätigkeiten „wesensmäßig immanent" ist. Sie werden vielmehr zu beruflichen gemacht, indem ihnen das Erwerbsziel beigelegt wird. Gerät diese Differenzierung erst i n den Blick, so w i r d einsichtig, daß ein und dieselbe Handlung rechtlich durch unterschiedliche Normen wie A r t . 5 Abs. 1 S. 2 und A r t . 12 Abs. 1 GG unter verschiedenen Aspekten erfaßt werden kann, daß daher die von Herzog aufgebaute Alternative — Pressefreiheit nur für amateurhafte oder auch berufliche Ausübung der Pressetätigkeit — nicht besteht. Auch wenn man die Presseberufsfreiheit nicht A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG, sondern A r t . 12 Abs. 1 GG zurechnet, können sämtliche Handlungen des Herstellens und Verbreitens von Presseerzeugnissen durch den Garantietatbestand erfaßt werden, da der Aspekt der Berufsmäßigkeit für A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG irrelevant ist. Die Argumentation Herzogs konzentriert sich zwar auf den Schutz der Berufsausübung i m Pressewesen, gemeint ist aber wohl auch, daß die freie Wahl der Presseberufe über A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert sein müsse, u m die unerwünschte Folge einer Beschränkung der Pressefreiheit auf Amateure auszuschließen. I n der Tat impliziert die hier vertretene Auslegungshypothese, daß die freie Wahl der selbständigen wie der unselbständigen Presseberufe, also des Verlegers, Redakteurs, Metteurs, Druckers etc., ihren Schutz i n A r t . 12 Abs. 1 GG und nicht in A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG findet. Davon betroffen sind aber Wahlakte nur unter dem Aspekt, mit der jeweiligen Tätigkeit Erwerbsziele verfolgen zu wollen. Dieselben Wahlakte werden zugleich inso52

Zur „neuen Technik" vgl. ζ. B. Karl Vöhringer, Zeitungen, in: Die Feder 9/1977, S. 1 ff.

Die neue Technik i n den

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

fern über A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt, als es u m die Entscheidung geht, die Tätigkeiten des Herausgebens einer Zeitung, des Redigierens von Artikeln, des Druckens usw. aufzunehmen. M i t anderen Worten: Auch hier abstrahiert das Grundrecht der Pressefreiheit vom Erwerbsziel, ist es völlig gleichgültig, ob jemand Zeitungen, Zeitschriften, Bücher etc. beruflich verlegen, schreiben, drucken w i l l oder ob dies als Amateur neben dem Beruf als engagierter Bürger oder aus welchem Motiv auch immer geschieht. I n summa kann damit festgehalten werden, daß die von Herzog prognostizierte Folge für die hier vertretene Auslegung nicht zutrifft. b) Leerlaufen

der Pressefreiheit?

I n Literatur 5 3 und Rechtsprechung 54 findet sich die Behauptung, es müsse das „Leerlaufen" der Pressefreiheit zur Folge haben, würde man Presseberufsfreiheit und Presseeigentum nicht i n den Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG einbeziehen. Denn der Gebrauch der Pressefreiheit setze unter den Bedingungen der modernen Industriegesellschaft die Existenz eines besonderen Gewerbezweiges voraus und deshalb seien der freie Zugang zu den Presseberufen, ihre ungehinderte Ausübung sowie die eigene Sachgewalt über die Produktionsmittel notwendige Bedingungen von Pressefreiheit. Der Grundrechtsschutz über die A r t . 12, 14 GG reiche für das Pressegewerbe wegen der weit gefaßten Gesetzesvorbehalte nicht aus. Diese Folgenprognose kann an dieser Stelle nicht rundum diskutiert werden, denn dazu fehlt es noch an einem Modell für die Lösung von Grundrechtskonkurrenzen i m Verhältnis von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie, i n dem auch die Problematik von Schrankendivergenzen geklärt wäre. Die Folgendiskussion soll daher hier — ohne die Konkurrenzlösung zu präjudizieren — auf der Basis erfolgen, die i n der Folgenbehauptung des „Leerlaufens" unterstellt wird, nämlich, daß Presseberufsfreiheit und Presseeigentum nach Maßgabe der Vorbehaltsschranken der A r t . 12,14 GG beschränkt werden könnten. aa) Empirische Grundlagen der Folgenprognose Die Folgenprognose basiert auf der empirischen Behauptung, der Gebrauch der Pressefreiheit sei heute nur noch i m Rahmen gewerblicher Unternehmen möglich. Diese Annahme trifft für den Verlag von Tageszeitungen und Publikumszeitschriften ohne jeden Zweifel zu. 63 Löffler, Presserecht I, 5. Kap., Rdnr. 52; Lerche, Pressekonzentration, S. 78 f.; Gädeke, in: Schiwy/Schütz, S. 141; Kunert, Pressekonzentration, S. 39 f. 84 V G Berlin, DÖV 1975, S. 134 ff. (S. 135).

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Die Tageszeitungsstruktur ist i n der Bundesrepublik schon so festgefügt, daß die Erfolgsaussichten für Zeitungsneugründungen — wie der Medienbericht 1978 der Bundesregierung hervorhebt — als minimal einzuschätzen sind, es sei denn die Gründer wären bereit und i n der Lage, über Jahre hinweg Verluste i n Kauf zu nehmen 55 . Aber Tageszeitungen und Publikumszeitschriften machen ja nicht die ganze Presse aus. Wer es mit dem „weiten Pressebegriff" ernst meint, kann seine Argumentation nicht auf die großen Periodika beschränken. Vielmehr muß er zunächst berücksichtigen, daß es daneben eine Vielzahl nicht gewerblich hergestellter Periodika gibt. Da deren Lage empirisch nicht leicht zu erfassen und deshalb nur wenig aufgearbeitet ist, das politische und publizistikwissenschaftliche Interesse sich zudem auf Tageszeitungen und Publikumszeitschriften konzentriert, geraten sie auch bei der juristischen Interpretation des Grundrechts der Pressefreiheit nur schwer ins Blickfeld. Hier sollen ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur einige Beispiele angeführt werden: Zur nicht-kommerziellen periodischen Verbandspresse gehören ζ. B. 17 von den Einzelgewerkschaften i m Deutschen Gewerkschaftsbund verlegte Mitgliedsblätter, von denen schon „Metall" eine Auflage von mehr als 2 Millionen und das „ötv-magazin" eine Auflage von mehr als 900 000 Exemplaren erreichen 56 . Daneben existiert eine große Zahl von Betriebszeitungen, die von Gewerkschafts- oder Parteimitgliedern ehrenamtlich für die Belegschaften einzelner Unternehmen hergestellt werden. A l l e i n von den Betriebsgruppen der D K P wurden 1979 ca. 600 solcher Zeitungen herausgegeben 57 . Eine neuere Entwicklung sind die ca. 3 000 lokalen Initiativzeitungen, die 1978 von engagierten Laien aus Bürgerinitiativen oder örtlichen Parteigliederungen i n Ergänzung zu den lokalen Tageszeitungen publiziert wurden. A l l e i n von den Ortsvereinen der Sozialdemokratischen Partei wurden 1978 ca. 1 200 Stadt- oder Stadtteilzeitungen mit einer geschätzten Gesamtauflage von über 2,5 Millionen Exemplaren hergestellt und verbreitet 5 8 . Zudem werden heute i n den meisten Groß55 Bericht der Bundesregierung über die Lage von Presse u n d Rundfunk i n der Bundesrepublik Deutschland (1978) — Medienbericht — ( = BT-Drs. 8/2264 v o m 9.11.1978), S. 7. 56 Z u r Gewerkschaftspresse vgl. Wolfgang Ohlms, Die Gewerkschaftspresse — ein Medien-Gigant?, in: Der Journalist 11/1973, S. 18 ff.; A r t i k e l „Gewerkschaften geben 31 M i l l i o n e n M a r k für Pressearbeit aus", i n : Z V + Z V 1973, S. 1659; beide unter Hinweis auf eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft. 57 Noch 1971 gab die D K P erst 361 Betriebszeitungen heraus; vgl. Heinz D. Stuckmann, „Rote Rhein-Ruhr-Reporter. Die Betriebszeitungen der D K P füllen eine echte Marktlücke", in: Die Zeit Nr. 42 v o m 15.10.1971; für heute vgl. Waltraud Bierwirth, „Das ist doch gar nicht alternativ, was die machen", in: Die Feder 12/1979, S. 14 ff.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

städten auf Eigeninitiativ-Basis sogenannte Alternativzeitungen mit 14-tägiger oder monatlicher Erscheinungsweise und Auflagen bis zu ca. 10 000 Exemplaren verlegt. Schon 1976 waren ca. 60 dieser Alternativzeitungen bekannt; ihre Zahl dürfte zwischenzeitlich eher noch zugenommen haben 59 . Hingewiesen sei schließlich noch auf die nichtkommerzielle Jugendpresse. Dazu zählen insbesondere die Schüler- und Lehrlingspresse, die Verbands- oder parteiorientierte Jugendpresse sowie die Zeitungen von Jugendzentren, die sämtlich von jugendlichen Amateurjournalisten gemacht werden. Es handelt sich dabei insgesamt u m ca. 3 000 Publikationen, die jeweils Auflagen bis zu 5 000 Exemplaren erreichen 60 . Berücksichtigt man noch die nicht-periodische Presse, so läßt sich für den Buchverlag festhalten, daß der ganz überwiegende Teil der i m Jahre 1978 produzierten mehr als 50 000 Titel von gewerblichen Unternehmen publiziert wurde. Nur ein geringer Teil erschien nicht-gewerblich i m Selbstverlag von Instituten, Gesellschaften und Verbänden 61 . Was endlich Plakate und Flugblätter angeht, so braucht wohl nicht besonders begründet zu werden, daß deren Herstellung und Verbreitung nicht notwendig gewerblich erfolgen muß 62 . Diese Skizze zeigt, daß die Annahme, der Gebrauch der Pressefreiheit sei heute an gewerbliche Unternehmen gebunden, nur schlüssig ist, wenn man den Grundrechtsschutz des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG auf einen Teil der periodischen Presse, nämlich Tageszeitungen und Publikumszeitschriften, beschränkt. Wer dagegen dem Schutz der Pressefreiheit jegliche Herstellung von Druckwerken unterstellt, kann konsequenter58 Vgl. Otfried Jarren, „Lokale Parteizeitungen. Alternative, Ergänzung oder n u r politische Werbung?", i n : Die Feder 10/1978, S. 12 f.; Ulrike Rinnert, „Stadtteilzeitungen", i n : Der Journalist 10/1978, S.25; aus der Sicht der SPD: Werner Herminghaus, „Stadtteilzeitungen bringen Punkte", in: Die neue Gesellschaft, 1976, S. 891 ff., nach dem noch 1974 erst 218 SPD-Blätter existierten. Die E n t w i c k l u n g der Stadtteilpresse muß w o h l i m Zusammenhang m i t der Entwicklung wenig aufwendiger u n d kostengünstiger Techniken der K l e i n p r o d u k t i o n gesehen werden. 59 Z u r Alternativpresse: Albrecht Lampp, „Initiativzeitungen — k e i n G r u n d zur Panik", i n : Der Journalist 11/1976, S.33; Karl Rössel, „ E i n B l a t t fürs Volk?", i n : Der Journalist 12/1976, S.22; Elisabeth Cadot, „ L a presse parallèle cherche u n contenu", i n : Le Monde Dimanche Nr. 10933 v o m 23.3. 1980, S. V I . Vgl. i m übrigen auch den Medienbericht 1978 der Bundesregierung, S. 23, i n dem die Stadtteilpresse zum ersten M a l Erwähnung findet, allerdings ohne Zahlenangaben. 60 Manfred Knoche u n d Monika Lindgens, „Jugendpresse-Sorgen", in: Der Journalist 11/1977, S. 26; nicht erfaßt sind damit K i n d e r - u n d Studentenzeitungen. 61 Vgl. Bundesregierung, Medienbericht 1978, S.53; A r t i k e l „Buchmarkt 1978 — Entwicklung weiter positiv", in: Mediaperspektiven 1979, S. 700 f. 62 Dieser Sektor ist statistisch w o h l k a u m zu erfassen.

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weise die pauschal behauptete Notwendigkeit gewerblicher Presseproduktion nicht als erwiesen ansehen. Was die Notwendigkeit eigener Sachgewalt an Betriebsmitteln angeht, so kann vorweg festgehalten werden, daß der Gebrauch der Pressefreiheit i n der Tat an die Benutzung einer Vervielfältigungsmaschine gebunden ist, und zwar unabhängig davon, ob nun Tageszeitungen oder Flugblätter hergestellt werden sollen. Damit ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, woraus sich die Befugnis zur Benutzung des notwendigen Vervielfältigungsmittels privatrechtlich ergibt. Fest steht nur, daß die öffentliche Gewalt gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG die Benutzung nicht ver- oder behindern darf. I n der Behauptung, ohne eigene Sachgewalt an den Betriebsmitteln müsse das Pressefreiheitsrecht des einzelnen weitgehend leerlaufen, w i r d nun vorausgesetzt, daß das Eigentum an den Betriebsmitteln, also an Maschinen, Büroeinrichtungen, Gebäuden usw. 63 notwendige Bedingung der Herstellung und Verbreitung von Presseerzeugnissen sei 64 . Auch diese Sicht hat vor allem die Situation der gewerblichen Presseunternehmen, die i m Zeitungs- und Zeitschriftengeschäft tätig sind, i m Blick; sie geht dabei davon aus, daß sich Verlag, Satz, Druck und Vertrieb samt der dazugehörigen Betriebsmittel regelmäßig unter einem Dach und i n der Hand eines Eigentümers befinden. Damit w i r d zwar die Lage i n den meisten Regionalzeitungen getroffen, zugleich aber vernachlässigt, daß kleinere Tageszeitungen häufig über keine eigene Druckerei verfügen, sondern ihre Ausgaben i m Lohndruck herstellen lassen müssen. Ähnliches gilt für viele Verlage, die ausschließlich Zeitschriften publizieren 65 . Der Vertrieb an Abonnenten erfolgt zwar bei regionalen und lokalen Tageszeitungen durch verlagseigene Zustellorganisationen und eigene Vertriebsmittel, aber bei überregionalen Tageszeitungen geschieht die Zustellung entweder aufgrund von Kooperationsverträgen durch andere, regionale Verlage oder durch den Postzeitungsdienst. Und der Vertrieb für den Einzelverkauf w i r d zum großen Teil über Grossisten abgewickelt 66 . A u f die gewerbliche Produktion und Verbreitung anderer Periodika wie von Büchern kann hier nicht näher eingegangen werden; anzumerken ist nur, daß auch i n diesen Sektoren sich die w i r t schaftliche Funktionsdifferenzierung von Verlag, Druck und Vertrieb 63 Sellien/Sellien, Gablers Wirtschaftslexikon, Bd. 1, Stichwort „Betriebsm i t t e l " , S. 237. 64 Denn m i t dieser Begründung w i r d die Spezialität von A r t . 5 i m Verhältnis zu A r t . 14 GG angenommen; vgl. V G Berlin, DÖV 1975, S. 134 ff. (S. 135). 65 Bundesregierung, Medienbericht 1978, S. 47. 66 Bericht der Bundesregierung über die Lage von Presse u n d Rundfunk i n der Bundesrepublik Deutschland (1974), BT-Drs. 7/2104, S. 37 ff.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

durchgesetzt hat®7. Schließlich ist daran zu erinnern, daß i m Pressegewerbe auch die vertragliche Gebrauchsüberlassung von Betriebsmitteln, etwa die Pacht von Betriebsgrundstücken und die Miete von Räumen oder Büromaschinen, nicht unüblich ist. Für die nicht-gewerbliche Presseproduktion gilt ähnliches. Nur w i r d bei der Herstellung von Stadtteilzeitungen, Plakaten oder Flugblättern die Befugnis zur Benutzung der — weniger aufwendigen — Betriebsmittel seltener auf eigenem Betriebsmitteleigentum denn auf vertraglicher Vereinbarung wie Leihe, Miete oder Lohndruckvertrag beruhen. M i t dieser Skizze soll nicht etwa die unübersehbare tatsächliche Bedeutung des Eigentums an Betriebsmitteln für das heutige Pressegewerbe geleugnet werden. Erinnert werden sollte nur an folgendes: Wer eine Druckschrift verlegen w i l l , ist dazu nicht notwendig auf sein Eigentum an sämtlichen Betriebsmitteln angewiesen, denn die geltende Privatrechtsordnung ermöglicht es, aufgrund vertraglicher Vereinbarung fremde Eigentumsobjekte als Betriebsmittel zu benutzen oder die (entgeltlichen) Leistungen anderer i n Anspruch zu nehmen. Welche Rechtsform letztlich gewählt wird, ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit des Kapitaleinsatzes. Eigentum vermittelt zwar weithin die Befugnis zur Benutzung jener Betriebsmittel, welche für den Gebrauch der Pressefreiheit notwendig sind, aber die Ausübung der Pressefreiheit ist nicht schlechthin von eigenem Betriebsmitteleigentum abhängig. Die Folgenprognose des „Leerlaufens" der Pressefreiheit bei Anwendbarkeit der Gesetzesvorbehalte der A r t . 12, 14 GG kann daher nicht für den Gebrauch der Pressefreiheit schlechthin zutreffen; sie ist vornehmlich für die gewerbliche Massenproduktion von Presseerzeugnissen relevant. Wäre diese Prognose allerdings richtig, so würde m i t den Tageszeitungen, den Publikumszeitschriften und den Büchern der größte und gesellschaftlich bedeutendste Teil der Presseherstellung und -Verbreitung empfindlich getroffen. Die Folge wäre eindeutig negativ zu bewerten, Presseberufsfreiheit und Presseeigentum wären dem Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zuzurechnen. bb) Mangelnde Plausibilität der Prognose i m Zusammenhang mit schrankennivellierenden Konzeptionen Nun w i r d aber die Prognose des „Leerlaufens" nur pauschal, ohne konkrete Fälle exemplarisch durchzuspielen oder auf einschlägige Erfahrungen zu verweisen, damit gerechtfertigt, daß die Vorbehaltsschranken der A r t . 12, 14 GG dem Gesetzgeber einen größeren Beschränkungsspielraum eröffneten als A r t . 5 Abs. 2 GG. Diese Argumen67

Bundesregierung, Medienbericht 1978, S. 30 ff., 45 ff., 52 ff.

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tation kann aber schon i m Ansatz nicht überzeugen, wenn gleichzeitig eine schrankennivellierende Konzeption vertreten wird. Worin unterscheiden sich denn der gesetzgeberische Spielraum zur Berufsregelung, der durch den umfassenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt wird 6 8 , und der zur sozialbindenden Eigentumsbeschränkung, dessen Grenzen nach der „Zumutbarkeitslehre" bestimmt werden 6 9 , noch von jenem nach A r t . 5 Abs. 2 GG, wenn die Schranke der „allgemeinen Gesetze" materiell als Vorbehalt der Güterabwägung gedeutet w i r d und mit der „Wechselwirkungslehre" der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Anwendung gebracht wird 7 0 ? Das gleich- oder höherrangige Rechtsgut der Allgemeinheit, zu dessen Schutz die Pressefreiheit beschränkbar sein soll, kann ohne weiteres als „wichtiges Gemeinschaftsgut" angesprochen werden. Und wenn der Gebrauch der Pressefreiheit der „öffentlichen Aufgabe" dienen soll, dann klingt doch ganz deutlich A r t . 14 Abs. 2 GG an; was ist also gewonnen, wenn man die Pressefreiheit insgesamt der „öffentlichen Aufgabe" genannten Sozialbindung nach A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG unterwirft, anstatt A r t . 14 GG anzuwenden? Schwabe verdient Zustimmung, wenn er hervorhebt, daß bei striktem Einsatz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes solche Grundrechte, die aus abstrakter Sicht scheinbar einen weiteren Begrenzungsspielraum eröffnen, i m konkreten Anwendungsfall exakt die „Stärke" des Grundrechts erreichen, das — wie hier A r t . 5 GG — abstrakt scheinbar einen geringeren Spielraum zuläßt 71 . Treffender kann man den nivellierenden Effekt dieser Schrankenkonzeption kaum angeben. Die Prognose eines „Leerlaufens" der Pressefreiheit kann demnach nur dann i m Ansatz plausibel gestellt werden, wenn für A r t . 5 Abs. 2, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 GG ein differenziertes Schrankenkonzept entwickelt wird, das nicht durch die gleichmäßige Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nivellierend überformt wird. Das kann nur die Lehre für sich i n Anspruch nehmen, die A r t . 5 Abs. 2 GG formell interpretiert und damit von den Vorbehaltsschranken der A r t . 12, 14 GG deutlich absetzt 72 . cc) Rechtsvergleich: Die Rechtslage in Frankreich Prognostiziert w i r d das „Leerlaufen" für die „materielle Pressefreiheit", also für die freie Gestaltung des Inhalts von Druckwerken, und zwar vor allem von Tageszeitungen und Publikumszeitschriften. Ob 68

BVerfGE 7, S. 377 (S.404); 13, S. 97 (S. 105); 19, S. 330 (S.336f.); 23, S. 50 (S. 56); 25, S. 1 (S. 12); 41, S. 251 (S. 264). 69 B V e r w G E 5, S. 143; Maunz, in: MDHSch., A r t . 14, Rdnr. 46 f. 70 BVerfGE 7, S. 198 (S. 208 f.); 42, S. 163 (S. 169); A f P 1980, S. 33 ff. (S. 34). 71 Schwabe, J A 1979, S. 191 ff. (S. 194); vgl. auch Wendt, AöR 104 (1979), S. 414 ff.; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568 ff. 72 Vgl. die Nachweise oben i n F N 139 - 141 zu § 2 I I I 4.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

speziell auf A r t . 12 Abs. 1 GG gestützte Regelungen des Zugangs zu den Presseberufen und ihrer Ausübung sowie besondere Beschränkungen des Eigentums an Pressebetriebsmitteln gem. A r t . 14 Abs. 1, 2 GG mit Wahrscheinlichkeit dazu führen würden, daß die inhaltliche Gestaltung von Zeitungen und Zeitschriften zumindest indirekt von der öffentlichen Gewalt gesteuert werden würde, ist — w i l l man sich nicht auf Spekulationen verlassen — abstrakt nicht zuverlässig zu beantworten. Für Deutschland läßt sich nicht auf Erfahrungen zurückgreifen, die unter den Bedingungen demokratischer und rechtsstaatlicher Herrschaft mit speziellen Berufs- und Eigentumsregelungen für das Pressewesen gemacht worden wären 7 3 . Es erscheint daher als nützlich, rechtsvergleichend zu arbeiten und Erfahrungen i n anderen westlichen Demokratien heranzuziehen: I n den Rechtsordnungen Frankreichs, Italiens, Großbritanniens, der USA und der Schweiz w i r d die Pressefreiheit — parallel zu der hier vertretenen Auslegungshypothese — als besonderer Fall der Meinungsfreiheit verstanden und als das jedermann zustehende Recht gefaßt, Druckwerke jeglichen Inhalts ungehindert herstellen und verbreiten zu dürfen. Die Freiheit der Presseberufe w i r d der Garantie der allgemeinen Berufs- und Gewerbefreiheit zugerechnet, das Presseeigentum dem Schutz der allgemeinen Eigentumsgarantie unterstellt 7 4 . Das geschieht ohne weitere Problematisierung und ohne die Befürchtung laut werden zu lassen, darüber könne die Freiheit der Meinungsäußerung i n der Presse Schaden nehmen. Es versteht sich, daß hier nicht die Rechtslage i n allen genannten Staaten detailliert aufgearbeitet werden kann. Exemplarisch eingegangen werden soll auf Frankreich, und zwar aus folgenden Gründen: Einmal existiert i n Frankreich weder eine A r t . 1 Abs. 3 GG vergleichbare Bindung des Gesetzgebers an Grundrechte mit differenzierten Vorbehaltsschranken noch eine A r t . 93 GG vergleichbare verfassungsgerichtliche Kontrolle der öffentlichen Gewalt, insbesondere der Legislative 75 . Zudem findet i n Frankreich der 73

Die Folgenprognose k a n n daher nicht m i t dem Hinweis auf das NSSchriftleitergesetz (RGBl. 1933, S. 713) gerechtfertigt werden. 74 Vgl. das Resümee von Doehring, in: Doehring u. a., Pressefreiheit u n d innere S t r u k t u r v o n Presseunternehmen i n westlichen Demokratien, S. 7 ff. (S. 13); ebenda für Frankreich: Ress, S. 35 ff. (S. 54, 57); für Großbritannien: Schiedermair, S. 169 ff. (S. 181, 205); für die Schweiz: Hailbronner, S. 209 ff. (S. 221 f.); für die USA: Steinberger, S. 263 ff. (S. 274 ff.); vgl. für Italien: Lahusen, Presseberufe, S. 54 f. F ü r Frankreich vgl. außerdem: Stahl, Die Sicherungen der Grundfreiheiten i m öffentlichen Recht der V. französischen Republik, S. 205 ff., u n d Hiller, Das französische Presserecht, S. 47 ff. F ü r die Schweiz vgl. zudem: Lang, Pressefreiheit u n d Handels- u n d Gewerbefreiheit, 1970. 75 Z u m Verfassungsrecht der V. Republik vgl. insbesondere Claude Leclerq, Institutions Politiques et Droit Constitutionnel, S. 163 ff., der das Verfas-

§ 9 Pressefreiheitsgarantie

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Gebrauch der Berufs- und Gewerbefreiheit wie des Eigentums durch gewerbliche Pressebetriebe unter den Bedingungen weitgehender staatlicher Wirtschaftslenkung statt 7 6 . Die Gründung gewerblicher Presseunternehmen ist i n Frankreich grundsätzlich von keiner behördlichen Zulassung abhängig. Das gilt aber zunächst nur für französische Staatsangehörige. Die gewerbliche Pressetätigkeit von Ausländern, EG-Angehörige ausgenommen, steht unter generellem Verbot m i t dem Vorbehalt verwaltungsbehördlicher Erteilung eines Ausländergewerbescheins, welche erst nach Stellungnahme des Informationsministeriums erfolgen darf; zudem können von Ausländern hergestellte Presseerzeugnisse vom Innenminister i m Rahmen seines pouvoir discrétionnaire verboten werden, ohne daß die Entscheidung verwaltungsgerichtlich nachprüfbar wäre 7 7 . Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Gründungsfreiheit betrifft private Presseagenturen; hier ist auch für französische Bürger die vorherige Erlaubnis durch eine besondere Verwaltungskommission erforderlich 78 . Das Eigentum an Verlagen der Tagespresse w i r d durch die Vorschriften über den directeur de la publication insofern eingeschränkt, als die verantwortliche Leitung einer Zeitung und das Eigentum am Verlag kraft Gesetzes miteinander verbunden werden und niemand directeur von mehr als einer Tageszeitung sein darf; bei Tageszeitungen mit einer Auflage mit mehr als 50 000 Exemplaren darf der directeur diese seine Funktion mit keiner anderen hauptberuflichen i n Industrie und Handel verbinden 7 9 . Der persönliche Eigentümer oder Mehrheitsgesellschafter w i r d demnach auf die Herausgabe einer Tageszeitung beschränkt. I n der Praxis finden diese rechtlichen Restriktionen des Verlagseigentums allerdings kaum Beachtung 80 . sungssystem Frankreichs i m Rechtsvergleich m i t seinen Nachbarländern, v. a. auch der Bundesrepublik (S. 226 ff.) darstellt. 76 Z u den wirtschaftlichen Freiheiten: Colliard, Libertés Publiques, S. 169 ff., 266 ff. 77 Vgl. näherhin Auby/Ducos-Ader, Droit de l'Information, S. 176 ff., insbes. S. 181, 266 ff. m i t Nachweisen aus der Rspr. des Conseil d'Etat. 78 Ebenda, S. 442; L o i No. 70 - 946 v o m 19.10.1970. 79 Ordonnance v o m 26. 8.1914; nach deren A r t . 7 muß directeur stets der persönliche Eigentümer oder der Mehrheitsgesellschafter sein, ansonsten der Verwaltungsratsvorsitzende einer S.A. (AG) oder der Geschäftsführer einer S.A.R.L. (GmbH); die I n k o m p a t i b i l i t ä t ist i n A r t . 9 festgelegt. Der Einsatz von Strohmännern ist unter Strafe gestellt; Aktiengesellschaften, die Presseerzeugnisse verlegen, dürfen n u r Namensaktien ausgeben, die n u r m i t Z u stimmung des Verwaltungsrats übertragen werden dürfen. Vgl. zum Ganzen näherhin: Auby/Ducos-Ader, D r o i t de l'Information, S. 181 ff.; Colliard, Libertés Publiques, S. 489; Ress, in: Doehring u. a., S. 35 ff. (S. 62 ff.). 80 Vgl. zur Praxis: Serge Alain Rozenblum, „Die Konzentration i n der französischen Presse", in: Mediaperspektiven 1979, S. 625 ff. (S. 632).

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Der Zugang zum Journalistenberuf ist an keine, insbesondere keine subjektiven ZulassungsVoraussetzungen gebunden. Die von einer besonderen Verwaltungskommission ausgestellte carte professionelle de journaliste hat nur den Charakter eines Ausweispapiers, mag sie auch als Zulassungsregelung gedacht gewesen sein 81 . Die journalistische Berufsausübung unterliegt keiner besonderen gesetzlichen Regelung 82 . Einige A k t i v i t ä t e n des Presseunternehmens, insbesondere Papierbeschaffung und Vertrieb, werden i n Frankreich durch spezielle gesetzliche Vorschriften minutiös geregelt: Für die Versorgung der französischen Presse m i t Papier wurde durch Gesetz die Société Nationale des Papiers de Presse (S.N.P.P.) i n der Rechtsform einer Kooperative der papierverbrauchenden Unternehmen geschaffen, die staatlicher Kontrolle durch m i t Vetorecht ausgestattete commissaires de gouvernement unterworfen ist. Die S.N.P.P. hat das Monopol für den Einkauf i n Frankreich, für den Import und den Weiterverkauf von Zeitungspapier. Die Papierpreise werden allerdings — unter Beteiligung des Bureau des Papiers de Presse — vom Wirtschaftsminister einheitlich festgesetzt 83 . Vertriebskooperationen von Presseverlagen unterliegen einem besonderen gesetzlichen Régime. Die „Messageries" sind dem Unternehmensgegenstand nach auf den Vertrieb periodischer Druckschriften beschränkt, ihre Rechtsform und innere Organisation sind zum Schutz kleinerer Verlage exakt festgelegt und für sie besteht Kontrahierungszwang m i t jedem Presseverlag, der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptiert. Jede „Messagerie" w i r d von einem commissaire de gouvernement, der über ein Vetorecht verfügt, kontrolliert. Die A k t i v i t ä t e n der Messageries insgesamt werden vom Conseil Supérieur des Messageries de Presse, dem neben Unternehmensrepräsentanten auch Vertreter der beteiligten Ministerien angehören, koordiniert und kontrolliert. Die Kontrolle erstreckt sich vor allem auf die Einhaltung der kooperativen Unternehmens Verfassung und des finanziellen Gleichgewichts 84 . Der Verkaufspreis für Zeitungen und Zeitschriften ist erst seit 1967 von staatlicher Preisfestsetzung vollständig unabhängig, so daß heute die Unternehmen über das Recht freier Preisgestaltung verfügen 85 . Schließlich sei noch darauf hinge81 Der rein deklaratorische Charakter wurde der carte professionelle erst durch die Rechtsprechung beigelegt; vgl. Blin/Chavanne /Drago, Traité du Droit de la Presse, S. 521 f. 82 Auby/Ducos-Ader, Droit de l'Information, S. 193 ff.; Colliard, Libertés Publiques, S. 493 ff. 83 Auby/Ducos-Ader, D r o i t de l'Information, S. 226 ff.; Colliard, Libertés Publiques, S. 501 ff. 84 Auby/Ducos-Ader, D r o i t de l'Information, S. 236 ff.; Colliard, Libertés Publiques, S. 519 ff. 85 Auby/Ducos-Ader, D r o i t de l'Information, S. 244; i n I t a l i e n findet da-

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wiesen, daß auch über die Vergabebedingungen für staatliche Pressesubventionen, die für die französische Tagespresse von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sind, eine gewisse staatliche Steuerung stattfindet. I n den Genuß staatlicher Hilfen kommen nur Periodika, deren Inhalt einen caractère d'intérêt général hat und bei denen die Annoncen nicht mehr als 2 /s des bedruckten Raums ausmachen 86 . Trotz alledem kann für Frankreich von einem „Leerlaufen" der „materiellen Pressefreiheit" nicht die Rede sein. Nach wie vor dominiert i n der französischen Tagespresse ein ausgesprochener Meinungsjournalismus. Für einen Verlust oder gewichtige Einbußen an Staatsunabhängigkeit der Meinungsbildung i n der Presse gibt es keine A n zeichen. Als Beleg hierfür steht nicht nur „Le Monde", die wohl einflußreichste französische Tageszeitung m i t intensiver Ausstrahlung auf die administrative, wirtschaftliche und kulturelle Elite des Landes, sondern das ganze Spektrum der Pariser Blätter von der kommunistischen „L'Humanité" über die radikale „Libération" und den sozialistischen „Le Matin" bis h i n zu konservativen Zeitungen wie „Le Figaro" und „L'Aurore". Die Provinzpresse ist demgegenüber zwar ziemlich unpolitisch, von einem „Leerlaufen" ihrer Meinungsfreiheit kann ernsthaft nicht gesprochen werden 8 7 . Ein ähnlicher Befund ließe sich auch für andere westliche Demokratien wie Großbritannien, die USA und die Schweiz begründen. Besonders hingewiesen sei nur noch auf Italien, nach dessen Presseberufsgesetz von 1963 die Berufszulassung von subjektiven Voraussetzungen abhängig ist und Standeszwang für Journalisten besteht 88 . Zudem steht ein Presserèformgesetz vor der parlamentarischen Verabschiedung, das u. a. eine Marktanteilsbegrenzung von 20 υ /ο für Tageszeitungsverlage bringen wird 8 9 .

gegen noch heute eine staatliche Preisfestsetzung statt: Birgid Rauen, „Pressekonzentration i n Italien", in: Mediaperspektiven, 1979, S. 613 ff. (S. 615). 86 Colliard, Libertés Publiques, S. 497 ff.; Auby/Ducos-Ader, D r o i t de l ' I n formation, S. 421 ff.; A r t i k e l „Frankreichs Pressekrise — eine Krise aus A n passungsschwierigkeiten? Französische Zeitungsverleger fordern umfangreiche staatliche Subventionen", in: Mediaperspektiven 1973, S. 153 ff. (S. 162). 87 Kempf, Das politische System Frankreichs, S. 211 ff.; Ehrmann, Das politische System Frankreichs, S. 96 ff.; Gilles-Fabre Rosane/Eberhard Holtmann, „Konvergenzen u n d Divergenzen der Presse i n Deutschland und Frankreich", in: Dokumente 11/1979, S. 27 ff. 88 Gesetz v o m 3.2.1963 (G.U. 20.2.1963, Nr. 49); vgl. näherhin Lahusen, Presseberufe, S. 29 f. 89 Birgid Rauen, „Pressekonzentration i n Italien", in: Mediaperspektiven 1979, S. 613 ff. (S. 615). Z u r Presse i n I t a l i e n vgl. auch: H. P. Oschwald, „ K u m mer gewohnt", i n : Der Journalist 6/1976, S. 44 f.; B. Müller-Hülsebusch, „Presse i m Würgegriff der Industrie", in: Der Journalist 4/1975, S.28 ff.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Mag dieser Rechtsvergleich auch recht kursorisch bleiben und spezielle rechtliche, wirtschaftliche und politische Bedingungen anderer Staaten nicht genügend akzentuieren, so vermittelt er doch einen Eindruck davon, wie weit der Spielraum des Gesetzgebers für Regelungen des Pressewesens i n anderen westlichen Demokratien ist, i n denen der Grundsatz der Parlamentssouveränität mehr oder minder ungebrochen fortbesteht, ohne daß deshalb die Pressefreiheit ernsthaft Schaden nähme. Demgegenüber ist der Spielraum des deutschen Gesetzgebers für Berufsregelungen und Eigentumsbeschränkungen wegen der unmittelbaren Grundrechtsbindung deutlich enger. Das entwickelte deutsche System des verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Individualrechtsschutzes komplettiert dieses Bild. Die Behauptung, bei Anwendung der A r t . 12, 14 GG auf die Presse müsse die Pressefreiheit des einzelnen weitgehend leerlaufen, w i r d nach alledem als unwahrscheinlich bewertet. c) Pressefreiheit

ohne Privilegien

und Sonderbindungen

Klammert man den Schutz der Presseberufsfreiheit und des Presseeigentums aus dem Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG aus, so hat dies allerdings zur Folge, daß Pressewirtschaft und Presseberufe nicht i n den Genuß verfassungskräftiger Privilegien geraten und qua Verfassung keinen Sonderbindungen unterworfen sind. M i t anderen Worten: Der Gesetzgeber w i r d demnach durch A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG nicht dazu verpflichtet, besondere Schutzrechte und besondere Sorgfaltspflichten für Presseunternehmen und Presseberufe zu normieren; er bleibt wohl dazu berechtigt, i m Rahmen der Grundrechtsschranken und unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes tatsächlichen speziellen Arbeitsbedingungen der Presse, die er für besonders schutzwürdig hält, i n seiner Rechtsetzung Rechnung zu tragen. Es ist schon i m Rahmen der K r i t i k an der „Lebensbereichstheorie" gezeigt worden, daß die Garantie der Pressefreiheit zur Quelle einer — theoretisch unbegrenzbaren — Anzahl von Privilegien und Sonderbindungen wird, wenn man sie als Freiheit des Pressewesens i n seiner komplexen Handlungs-, Entscheidungs- und Zweckstruktur faßt. Es sei hier nur daran erinnert, daß diese besonderen Schutzrechte vom betriebsverfassungsrechtlichen Tendenzschutz über einen besonderen Informationsanspruch und ein spezielles Zeugnisverweigerungsrecht bis neuerdings zu einer Exemption vom Bundesdatenschutzgesetz reichen 90 . Der Privilegierungsmechanismus ist oben i m Zusammenhang m i t der „öffentlichen Aufgabe der Presse" als Element des Konzepts „realer Freiheit" dargestellt worden; nachzutragen ist hier die spezielle W i r 00

Vgl. oben § 7 I I 4 c).

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kung der Vermengung von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie: Das völlig legitime, aber ganz profane Ziel eigennützigen Erwerbs w i r d i n die öffentliche Gemeinwohlaufgabe der Presse integriert und gewinnt so zumindest einen Anflug von Gemeinnützigkeit, der die Privilegierung gegenüber anderen Berufen und Gewerben zu rechtfertigen scheint. Die Ambivalenz der „öffentlichen Aufgabe" erlaubt es natürlich auch, das Gemeinwohlziel, den demokratiekonstitutiven Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, gegen das „minder-wertige" Erwerbsziel auszuspielen und die Pressetätigkeit „funktionsbedingten" Gemeinwohlbindungen zu unterwerfen. W i r d die staatsgerichtete Befugnis, ungehindert über Herstellung und Verbreitung von Druckwerken zu entscheiden, m i t der für alle verbindlichen Entscheidungskompetenz des Eigentümers an den Pressebetriebsmitteln vermengt, so muß die eigentumsvermittelte Entscheidungsstruktur innerhalb des einzelnen Unternehmens wie des gesamten Pressewesens wegen der besonderen Funktion des Presseeigentums gegenüber der restlichen Privatwirtschaft als verfassungsrechtlich intensiver geschützt eingestuft werden. Doch die „öffentliche Funktion" rechtfertigt nicht nur privatautonomes Entscheiden über die Aufgabenerfüllung, sondern gleichzeitig deren öffentliche Kontrolle. Die „öffentliche Aufgabe" kann also nicht nur die Legitimation für eine privilegierte Direktionsbefugnis des Verleger-Eigentümers, sondern auch für eine eigentumsbeschränkende Gesetzgebung gegen die Pressekonzentration abgeben. Die „öffentliche Aufgabe" der Presse ist nicht nur Kompensation für die allgemeine Sozialbindung gem. A r t . 14 Abs. 2 GG, sondern auch Rechtfertigungsgrundlage für die gesteigerte Sozialbindung des Presseeigentums. Anzumerken ist, daß bei der Einbeziehung von Presseberufsfreiheit und Presseeigentum i n den Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG die Konstruktion der „öffentlichen Aufgabe" eine gewisse innere Logik hat; der Verlust an gesetzgeberischem Regelungsspielraum i m Vergleich zu A r t . 12, 14 GG muß rechtlich irgendwie kompensiert werden, wenn Pressewirtschaft und Presseberufe von besonderen gesetzlichen Regelungen nicht völlig eximiert und der gesellschaftliche status quo nicht zementiert werden soll. Nur bleibt es so bei ambivalenten Ersatzkonstruktionen, die nur unter Gewißheitsverlusten i n das verfassungsrechtliche Regelwerk eingepaßt werden können. Sieht man die Pressefreiheit ohne Rücksicht auf die Presseberufsfreiheit und das Presseeigentum als garantiert an, w i r d eine weitere Dimension verfassungskräftiger Privilegierung ausgeblendet, die bisher allenfalls gestreift werden konnte: die Verengung der Grundrechtsträgerschaft durch die Wandlung der Pressefreiheit vom Menschen16 Degen

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

recht zum „Standesrecht". Die Einbeziehung der Presseberufsfreiheit legt es nahe, die Grundrechtsträger nur noch i n den Personen auszumachen, die beruflich i n einem gewerblichen Presseunternehmen tätig sind. Bei diesem Ansatz kann der geschützte Personenkreis dann von bestimmten Berufsbildern anstatt von den geschützten Handlungen her abgesteckt werden. Träger der Pressefreiheit ist dann nicht mehr jeder, der ein Druckwerk beliebigen Inhalts herstellt und/oder verbreitet, sondern nur noch derjenige der einen spezifischen Presseberuf, etwa Verleger oder Redakteur ausübt. Und auch i n diesem Zusammenhang erweist sich die fast universale Einsatzfähigkeit der „öffentlichen Aufgabe": Über sie gelingt es nämlich, Personen wie Setzer und Drucker, die von der Pressefreiheit geschützte technische oder verwaltende Handlungen beruflich vornehmen, aus dem Kreis der Grundrechtsberechtigten auszuscheiden, da sie nicht „produktiv, vermittelnd oder rezeptiv" an der „geistig-inhaltlichen Kommunikation" durch die Presse teilnähmen 9 1 . Der Widerspruch, den Grundrechtsschutz nicht auf bestimmte Akteure, wohl aber auf deren Aktionen erstrecken zu wollen, läßt sich rechtstechnisch nur auflösen und die Verengung der Grundrechtsträgerschaft auf i n publizistischen Berufen tätige Personen läßt sich nur durchhalten, wenn einem Privilegierten die Berechtigung zuerkannt wird, anstelle der Akteure den Schutz der Pressefreiheit für technische und verwaltende Arbeiten quasi treuhänderisch geltend zu machen 92 . Hier kommt die Einbeziehung des Presseeigentums i n A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG ins Spiel: Dem Verleger, welchem die durch Eigent u m vermittelte umfassende Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Planung, Organisation und Leitung des gesamten Presseunternehmens zusteht 93 , kann auch das Recht zugesprochen werden, den Schutz der Pressefreiheit für die gesamte Arbeit des Presseunternehmens, einschließlich aller technischen und verwaltenden Tätigkeiten, zu reklamieren. Gegenüber der Folge, verfassungskräftige Presseprivilegien auszuschließen, mag man mit der traditionellen Schutzrichtung der Presse91 Das B V e r f G (E 20, S. 162 [S. 175]) spricht v o n einem Grundrecht „für die i m Pressewesen tätigen Personen u n d Unternehmen" u n d gibt damit den Bezug zu bestimmten Handlungen (Jeder, der Druckwerke herstellt u n d verbreitet) auf. Vgl. zu diesem Ansatz auch Rebe, Träger, S.46ff. Damit w i r d grundrechtlich — unbewußt — eine Unterscheidung nachvollzogen, die i n §21 RPG hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortung für den I n h a l t eines periodischen Druckwerks angelegt war. Schon i n der V. Kommission zum RPG wurde i n diesem Zusammenhang zwischen den „bloß mechanischen Handlungen" u n d der willentlichen Teilnahme an der Erstellung des Inhalts unterschieden (Verh. des RT, I. Sess. 1873, Nr. 59, S. 335 ff. [S. 339]). 92 Rebe, Träger, S. 48. 93 Darunter w i r d auch der v o m Eigentümer beauftragte Verlagsdirektor verstanden.

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freiheit gegen Konzessions- und Kautionszwang für das Pressegewerbe argumentieren. Diese Stoßrichtung ist nicht zu bestreiten, muß aber kurz historisch aufgearbeitet werden, u m sie etwas zu präzisieren: Sie hat ihren Ausdruck breits deutlich i n § 143 HV 1849 gefunden, der i n Anlehnung an Art. 24 Pr. VU. 1848 formulierte: „Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen u n d i n keiner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien u n d des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendiert oder aufgehoben werden 9 4 ."

Die Schutzrichtung gegen gewerbepolizeiliche Beschränkungen läßt sich auch § 4 RPG 1874 entnehmen, i n dem es hieß: „Eine Entziehung der Befugnis zum selbständigen Betriebe irgend eines Preßgewerbes oder sonst zur Herausgabe u n d zum Vertriebe v o n Druckschriften k a n n weder i m administrativen, noch i m richterlichen Wege stattfinden. I m übrigen sind für den Betrieb der Preßgewerbe die Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgebend 95 ."

Bei genauem Hinsehen läßt sich aber für beide Vorschriften keine Privilegierung des Pressegewerbes feststellen: I n § 143 RV 1849 geht es u m die Abwehr jeglicher vorbeugender Maßnahmen und jeglicher Hemmungen des freien Verkehrs, egal, ob es sich u m Zensur 96 , Konzessionszwang für das Pressegewerbe 97 oder u m den Erlaubniszwang für den nicht-gewerblichen Vertrieb wie das Plakatanschlagen oder die Handzettelverteilung handelt 9 8 . Und ebenso betrifft §4 RPG nicht nur die Befugnis zum Betrieb des Pressegewerbes, sondern zur Pressetätigkeit schlechthin wie die Formulierung „oder sonst zur Herausgabe und zum Vertriebe von Druckschriften" zeigt. § 4 RPG sichert so die allgemeine Pressefreiheit, nicht nur die besondere Freiheit des Pressegewerbes. Die Arbeit des gewerblichen Pressebetriebs w i r d nur beispielhaft als der 94

RGBl. 1849, S. 101; PrGS 1848, S. 375. RGBl. 1874, S. 65; § 4 RPG w a r insoweit lex specialis zu § 143 GewO. 96 Vgl. etwa die §§ 4, 23 der Allgemeinen Bundesbestimmungen zur V e r hinderung des Mißbrauchs der Preßfreiheit v o m 6.7.1854, Protokoll der Deutschen Bundesversammlung 1854, 20. Sitzung, § 213, S. 616 ff. 97 Vgl. etwa § 2 der Allgemeinen Bundesbestimmungen, § 1 Preuß. V O v o m 12.5.1851 (PrGS 1851, Nr. 16, S. 38 ff.). C. Schmitt, Freiheitsrechte u n d institutionelle Garantien, Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 140 ff. (S. 169 f.) sah i n § 143 R V 1849 eine Bestätigung für die Tendenz zur Privilegierung des Preßgewerbes durch eine sich v o n der Meinungsfreiheit institutsähnlich absondernde Preßfreiheit; aber w e n n Schmitt das Verbot des Konzessionszwangs etc. als „Konnexinstitute" ansprach, ging verloren, daß § 143 R V sprachlich als Verbotsnormsatz an die Adresse des Staats akzentuiert w u r d e u n d darunter seine Qualität als Erlaubnisnormsatz, d . h . als Freiheitsrecht nicht zu leiden hatte. 98 Vgl. z. B. §§ 9, 10 Pr. VO v o m 12. 5.1851 (PrGS S. 38). 95

1 *

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

w i c h t i g s t e F a l l d e r P r e s s e t ä t i g k e i t h e r a u s g e s t e l l t u n d ansonsten d e n f ü r a l l e G e w e r b e g e l t e n d e n V o r s c h r i f t e n der G e w e r b e o r d n u n g u n t e r w o r f e n " . Daß es d e m Reichsgesetzgeber n i c h t a l l e i n u m die A b s c h a f f u n g v o n Konzessions- u n d K a u t i o n s z w a n g g e t a n w a r , zeigt die A b l e h n u n g d e r Fassung des R e g i e r u n g s e n t w u r f s , i n dessen § 3 es noch geheißen hatte: „ F ü r den Betrieb der Preßgewerbe sind die Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgebend. V o n anderen als den hiernach berechtigten Personen dürfen Druckschriften, auch dann, w e n n ein Gewerbebetrieb nicht beabsichtigt ist, ohne besondere Erlaubnis weder auf Straßen, öffentlichen Plätzen u n d anderen öffentlichen Orten verkauft, vertheilt oder ausgestreut, noch i m Herumziehen verbreitet werden . . . Die i m d r i t t e n A b sätze des § 143 der Gewerbeordnung erwähnten Vorschriften der Landesgesetze treten außer K r a f t 1 0 0 . " Nach dem Regierungsentwurf wäre zwar den Presseunternehmen v o l l e G e w e r b e f r e i h e i t g e w ä h r l e i s t e t w o r d e n , ansonsten w ä r e es aber b e i m g e n e r e l l e n V e r b o t m i t E r l a u b n i s v o r b e h a l t i m Ermessen der V e r w a l t u n g geblieben. E r s t m i t d e r Ä n d e r u n g des R e g i e r u n g s e n t w u r f s i n § 4 R P G w u r d e d e r G r u n d s a t z d e r „ F r e i h e i t der Presse", w i e e r f ü r § 1 R P G durchgesetzt w u r d e , z u r g e n e r e l l e n E r l a u b n i s f ü r j e d e r m a n n ausgestaltet, D r u c k w e r k e h e r z u s t e l l e n u n d z u v e r b r e i t e n 1 0 1 . N a c h d e m Reichspressegesetz k o n n t e v o n e i n e r p r i v i l e g i e r t e n S t e l l u n g des Pressegewerbes n i c h t d i e Rede sein; die spezialgesetzliche B e s e i t i g u n g des Konzessionszwangs f ü r das Pressegewerbe w a r n u r die K o n s e q u e n z d e r A u f h e b u n g des P r ä v e n t i v s y s t e m s u n d d e r E i n f ü h r u n g des Repressivsystems. M i t d e m K o n z e s s i o n s z w a n g fiel auch die M ö g l i c h k e i t z u m E n t z u g der G e w e r b e b e f u g n i s , da diese d u r c h § 143 G e w O f ü r a l l e n i c h t 99

Vgl. § 14 GewO v o m 21. 6.1869 (BGBl. S. 245). 100 v e r h . des RT, I. Sess. 1874, Nr. 23, S. 135; vgl. demgegenüber: Bericht der V I I . Kommission zum RPG, Verh. des RT, I. Sess. 1874, Nr. 67, S. 250 ff. u n d die Ausführungen des Abg. Geib (SPD) während der I I . Lesung, Verh. des RT, I. Sess. 1874, 9. Sitzung am 20. 2.1874, S. 154. Gleichzeitig h i e l t der Regierungsentwurf i n § 14 am generellen Verbot für das Plakatieren fest, aber auch diese Beschränkung akzeptierte der RT nicht. 101 Allerdings unter dem Vorbehalt des Verbots gem. § 5 RPG i. V. m. § 58 GewO, m i t dem „ f ü r die nöthige Kontrolle über die m i t dem nichtgewerbsmäßigen Verkehr v o n Preßerzeugnissen sich beschäftigenden Personen" gesorgt werden sollte. Vgl. Bericht der V I I . Kommission zum RPG, Verh. des RT, I. Sess. 1874, Nr. 67, S. 251. Der K o n f l i k t über die i m Text angesprochenen Punkte ist i n der 18. Sitzung des RT am 16. 3.1874 offen ausgetragen worden: V o n konservativer Seite wurde zugunsten des Regierungsentwurfs vorgebracht, das Preßgewerbe sei n u r ein Geschäft w i e andere, es verdiene nicht, m i t einem gewissen Nimbus umgeben zu werden u n d eine privilegierte Stell u n g einzunehmen; daher solle das Preßgewerbe möglichst i n der GewO geregelt werden. Dem wurde zugunsten der Kommissionsvorlage entgegengehalten, eine Privilegierung des Preßgewerbes sei nicht beabsichtigt, Ausnahmen von der GewO rechtfertigten sich n u r aus der „ e i g e n t ü m l i c h e n Natur" der Presse; vgl. Verh. des RT, I. Sess. 1874, S. 376, 380.

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konzessionierten, bloß anzeigepflichtigen Gewerbe ausgeschlossen wurde 1 0 2 . Das mit der Garantie der Pressefreiheit i n §§ 1, 4 RPG anvisierte Präventivsystem zielte ja nicht auf die Beschränkung des Erwerbsziels gewerblicher Pressetätigkeit, sondern auf die Unterdrückung unerwünschter Meinungen; demgemäß ging es mit der Pressefreiheit nicht u m die Freiheit der Meinungsäußerung durch Presse zu gewerblichen Zielen, nicht u m die Freiheit des Pressegewerbes, sondern u m die Pressefreiheit schlechthin. Wenn i n A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG die Pressefreiheit als ein „ganz eingeführter Begriff" aufgenommen wurde 1 0 3 , so schließt dies die überkommene Schutzrichtung gegen gewerberechtliche Gängelung der Pressetätigkeit mit ein. Soweit ersichtlich, fanden einschlägige Diskussionen bei der Beratung des GG nur in der 25. Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rates am 24.11.1948 statt. Diese Debatten liefern keine Anhaltspunkte für die Absicht einer Privilegierung des Pressegewerbes, sondern drehten sich u m den Inhalt eines künftigen Pressegesetzes, für das allerdings u. a. die Regelung von Berufszulassungsvoraussetzungen für Verleger und Journalisten sowie von Vorschriften gegen den Mißbrauch des Kapitals i n Aussicht genommen wurden 1 0 4 . A n eine Exemption des Pressegewerbes und der Presseberufe von besonderer gesetzlicher Regelung hat man also sicherlich nicht gedacht. Die Argumentation u m die Schutzrichtung der Pressefreiheit gegen staatliche Gängelung i m Gewände gewerberechtlicher Regelungen rechtfertigt demnach nicht die Etablierung verfassungskräftiger Vorrechte des Pressegewerbes wie des JournalistenS t a n d s " . Für eine negative Bewertung der Folge des Ausschlusses von Privilegien und Sonderbindungen besteht daher kein Grund. Die positive Folgenbewertung läßt sich noch über einige verfassungstheoretische Argumente stützen, deren Grundlagen schon i m Rahmen der K r i t i k an der „Lebensbereichstheorie" gelegt wurden 1 0 5 . Für den Grundrechtsschutz des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG sind, wie gezeigt wurde, die Modalitäten des Freiheitsgebrauchs irrelevant. Individuelle Er102 § 4 RPG beseitigte n u r landesrechtliche Sonderbindungen für das Pressegewerbe, die nach § 143 I I I GewO fortgalten. Ansonsten sah die GewO damals keine Entzugs- oder Untersagungsmöglichkeit für das Pressegewerbe vor; § 35 GewO beinhaltete n u r eine Aufzählung v o n Gewerbebetrieben, die wegen strafbarer Handlungen untersagt werden konnten, Pressebetriebe gehörten nicht dazu. Vgl. näher Mössle, AöR 101 (1976), S. 202 ff. (S. 209 F N 33, 212). 103 So die bekannte Formulierung des Abg. v. Mangoldt (CDU), vgl. Doemming/FüssleinlMatz, JöR NF. 1 (1951), S. 79 ff. (S. 82). 104 Ebenda; vgl. auch den Katalog für ein künftiges Pressegesetz bei v. Mangoldt, A r t . 5, S. 64. 105 Vgl. oben §7.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

werbsziele, mögen sie sich auch tatsächlich mit dem Gemeinwohlziel der Förderung der öffentlichen Meinungsbildung verbinden, rechtfertigen ebensowenig einen intensivierten Grundrechtsschutz wie eigentumsvermittelte Entscheidungsbefugnisse über die Nutzung von Betriebsmitteln, mögen diese auch als Bedingungen für die „Aufgabenerfüllung" der Presse bewertet werden. Es ist Roman Schnur darin völlig zuzustimmen, daß es nach geltendem Verfassungsrecht weder eine berufsmäßige Freiheit noch einen Freiheitsberuf gibt 1 0 6 . Und ebensowenig läßt sich eine eigentumsgebundene Freiheit rechtfertigen. Zudem schließt die Pressefreiheit als Menschenrecht die vollständige Rechtsgleichheit ihrer Grundrechtsträger ein. Auch hier kann Schnur nur beigepflichtet werden: Die Pressefreiheit ist kein Recht, dessen Ausübung für einen bestimmten Beruf oder ein bestimmtes Gewerbe rechtlich monopolisiert ist, denn die Verfassung des Grundgesetzes stellt das Gegenteil einer ständischen Verfassung dar, i n welcher bestimmte Freiheiten nur bestimmten Berufen vorbehalten sind 1 0 7 . Da das Grundgesetz auch nicht als Klassen-Verfassung qualifiziert werden kann, kann Pressefreiheit auch nicht als Vorrecht der Eigentümer an den Pressebetriebsmitteln verstanden werden. Über das Verbot rechtlicher Monopolisierung der Grundrechtsträgerschaft hinaus schließt A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG als Garantie rechtlich gleicher Pressefreiheit für jedermann die Annahme einer besonderen, gesteigerten Pressefreiheit für die i m gewerblich organisierten Pressewesen beruflich tätigen Personen wie für die Presseeigentümer aus, mögen diese wegen der Dauerhaftigkeit ihrer Pressetätigkeit auch faktisch näher an der Schutzgarantie sein 108 . Wem dieser verfassungstheoretische Ansatz zu weit geht oder als „lebensfremd" scheint, sei an dieser Stelle nochmals daran erinnert, daß er i n den meisten unserer westlichen Nachbarländer weithin selbstverständlich ist und sich dort praktisch bewährt hat 1 0 9 . I h n hier pointiert vorzutragen scheint angesichts der deutschen Sonderentwicklung dringend vonnöten. Denn ausgehend von den speziellen Einzelgrundrechten und deren interpret ativer Ausrichtung auf den Schutz besonderer „Lebensbereiche" i n ihrer komplexen Handlungs-, Entscheidungs- und Zweckstruktur wurden bei uns die klassischen Freiheitsrechte zunehmend i n besondere Schutzrechte für gesellschaftliche Institutionen und Ordnungszusammenhänge transformiert. „Der Weg von der allgemeinen Freiheit zum Privileg ist oft sehr kurz"; mahnte Carl Schmitt schon i m Jahre 1931, „er geht über die speziellen Garantien und 108

Schnur, V V D S t R L 22 (1965), S. 101 ff. (S. 145). Ebenda, S. 102. 108 Doehring, in: Doehring u. a., Pressefreiheit u n d innere S t r u k t u r v o n Presseunternehmen i n westlichen Demokratien, S. 7 ff. (S. 13). 109 Vgl. die einzelnen Länderberichte, ebenda. 107

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247

Sicherungen der Freiheit" 1 1 0 . Dieser Weg ist in den letzten Jahren i n der Bundesrepublik mit zunehmender Konsequenz beschritten worden; wie schon gezeigt wurde, zu Lasten der Individualfreiheit wie der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die beide nur mehr nach Maßgabe der verfassungskräftig privilegierten Strukturen und Funktionen des Pressewesens oder anderer Lebensbereiche zum Zuge kommen 1 1 1 . d) Ergebnis der Folgendiskussion Die Diskussion möglicher Folgen der Auslegungshypothese, nach der Presseberufsfreiheit und Presseeigentum nicht dem Garantietatbestand der Pressefreiheit unterfallen, kann nach alledem zusammengefaßt werden: (1) Das Grundrecht der Pressefreiheit w i r d nicht zu einem Recht für reine Amateure verengt. Die Gefahr eines „Leerlaufens" der Freiheit der Meinungsäußerung i n der Presse ist nicht wahrscheinlich. (2) Bewirkt w i r d der Ausschluß verfassungskräftiger Privilegierungen und Sonderbindungen für die berufliche Pressetätigkeit wie für das Presseeigentum. Diese Folge w i r d als positiv bewertet. 6. Zusammenfassung

Der Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG läßt sich nach Berücksichtigung der begrenzenden Kriterien des „Wortlauts", der „Systematik" und der „Genese" wie der Diskussion möglicher Auslegungsfolgen folgendermaßen angeben: Pressefreiheit bedeutet, daß es allen Zivilpersonen erlaubt ist, Druckwerke jeglichen Inhalts herzustellen und zu verbreiten. Das Herstellen von Druckwerken umfaßt alle Akte, die während des Prozesses der Verarbeitung von gesammeltem Informationsmaterial zu fertigen Druckwerken vorgenommen werden. Dazu gehören nicht nur Entscheidungsakte bezüglich des Druckwerksinhalts und dessen Formulierung, sondern auch Entscheidungsakte und A r beiten i m Bereich von Technik und Verwaltung. Das Verbreiten von Druckwerken schließt alle Akte ein, über die bewirkt wird, daß der Zustand des Vorhandenseins fertiger Druckwerke i n den Zustand des Empfangs durch eine Vielzahl von Personen überführt wird. Beim Schutz dieser Handlungs- und Entscheidungsakte abstrahiert A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG von den damit möglicherweise gleichzeitig verfolgten Erwerbszielen und eigentumsvermittelten Entscheidungskompetenzen. 110 C. Schmitt, Freiheitsrechte u n d institutionelle Garantien, Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 140 ff. (S. 171). 111 Vgl. oben § 7 I I 3, 4 d).

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Für die Garantie der Pressefreiheit ist es rechtlich irrelevant, ob die Pressetätigkeit beruflich angelegt ist oder nicht, ob Entscheidungen über Herstellung und Verbreitung von Presseerzeugnissen aus Eigentümerbefugnissen legitimiert werden oder nicht. Die Freiheit der Presseberufe w i r d vom Garantietatbestand des A r t . 12 Abs. 1 GG, die Garantie des Eigentums an Pressebetriebsmitteln vom Gewährleistungstatbestand des A r t . 14 Abs. 1 GG erfaßt.

II. Die Schranke des „allgemeinen Gesetzes" Die Argumentation u m die Auslegung des A r t . 5 Abs. 2 GG w i r d nachfolgend — dem traditionellen Diskussionsschwerpunkt entsprechend — auf die „Vorschriften der allgemeinen Gesetze" konzentriert. Denn davon ist primär der staatliche Spielraum für Regelungen der Pressetätigkeit abhängig und daran hinge die Rechtmäßigkeit von Presseberufsregelungen und Presseeigentumsbeschränkungen, hielte man i m Konkurrenzfall A r t . 5 Abs. 2 GG für die maßgebliche Schrankenbestimmung. Darzustellen ist zunächst, was unter der Qualifizierung der Gesetze als „allgemeine" verstanden werden kann; anschließend w i r d nach dem Gesetzesbegriff zu fragen sein. 1. Die „Allgemeinheit" der Gesetze

a) Die Auslegungshypothese

und ihre Konkurrenten

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat versucht, die konkurrierenden Auslegungshypothesen zu A r t . 5 Abs. 2 GG miteinander zu kombinieren und einander anzunähern 112 . Daß dies nicht überzeugend gelungen ist, wurde i m Schrifttum insbesondere von Eberhard Schwark und Walter Schmitt Glaeser näher dargelegt 113 . Die Diskussion u m formelle oder materielle Auslegung und ihre Spielarten kann demnach nicht als abgeschlossen gelten 114 . Hier soll i m Anschluß an Bernhard Schlink 115 folgende Auslegungshypothese formuliert und gerechtfertigt werden: Die Schranke der „allgemeinen Gesetze" gem. A r t . 5 Abs. 2 GG erlaubt freiheitsbeschränkende Gesetze, die als geeignet und notwendig zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels begründet werden können, ohne daß die Argumentation der öffentlichen Gewalt auf die 112 113 114 115

BVerfGE 7, S. 198 (S. 211); 47, S. 130 (S. 198), st. Rspr. Schwark, S. 83 ff.; Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 276 ff. Vgl. zum Diskussionsstand bereits oben § 2 I I I 4 m. w . N. i n F N 138 ff. Schlink, Abwägung, S. 201; ders., DSt. 15 (1976), S. 335 ff. (S. 353 ff.).

§ 9 Pressefreiheitsgarantie

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inhaltliche Qualität oder die geistige Wirkung von Meinungs- bzw. Informationsinhalten abstellt. Demnach verbietet die Formel der „allgemeinen Gesetze" dem Staat, mit dem Mittel des schrankenziehenden Gesetzes bestimmte Ziele zu verfolgen: Verboten sind Beschränkungen mit dem Ziel, die Zivilpersonen zu bestimmten Meinungsinhalten zu bekehren oder von solchen abzubringen sowie bestimmte Meinungsinhalte zu diskriminieren, indem ihre Wertlosigkeit oder Schädlichkeit zur Tatbestandsvoraussetzung von Eingriffen gemacht wird. Dem Staat sind also alle missionarischen oder diskriminierenden Eingriffsziele verwehrt. Die Formel der „allgemeinen Gesetze" hat als Argumentationslastregel ihre Bedeutung darin, daß sie verlangt, zwischen Beschränkungsziel und Beschränkungsmittel müsse der Zusammenhang der Geeignetheit und Notwendigkeit begründet werden können, und daß sie dabei das Arsenal der Begründungsargumente beschränkt 116 . Diese Auslegungshypothese, der Sache nach eine Präzisierung der Auffassung Häntzschels 117, w i r d sich i n Konkurrenz mit den folgenden, bekannten Interpretationsansätzen zu bewähren haben, deren Kernsätze kurz i n Erinnerung gerufen werden sollen: Ernst Forsthoff begreift die Formel der „allgemeinen Gesetze" als bloße Wiederholung dessen, was A r t . 19 Abs. 1 S. 1 GG für alle Vorbehaltsgesetze vorschreibt; ein „allgemeines Gesetz" wäre demnach ein abstrakt-generelles Gesetz 118 . Karl August Bettermann, Werner Weber und Gerd H. Kemper verstehen A r t . 5 Abs. 2 GG als verfassungsunmittelbare Schranke, wobei „allgemeine Gesetze" als die „für alle geltenden Gesetze" gedeutet werden. Zulässig seien nur solche Gesetze, die ein Verhalten von Z i v i l personen ohne Rücksicht darauf regelten, ob es sich u m das Verhalten eines Grundrechtsträgers gem. A r t . 5 Abs. 1 GG handele oder nicht. Als Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes verbiete A r t . 5 Abs. 2 GG jedes Sonderrecht, seien es Privilegierungen oder Sonderbindungen, für die Grundrechtsträger des A r t . 5 Abs. 1 GG und ihr geschütztes Verhalten. „Freiheitsneutrales" Sonderrecht w i r d allerdings für mit A r t . 5 Abs. 2 GG vereinbar gehalten 119 . Schließlich nimmt die materielle Lehre i m Anschluß an Rudolf Smend i2 0 an, „allgemeine Gesetze" seien Gesetze, die Rechtsgüter von 116

Schlink, DSt. 15 (1976), S. 335 ff. (S. 354). Häntzschel, HdbDStR I I , S. 657 ff. (S. 659 f.). 118 Forsthoff, Verfassungsschutz, S. 35 ff., v. a. S. 38; F. ü b e r n i m m t so m i t neuer Begründung die Auffassung zu A r t . 118 W R V , welche „allgemein" als Redaktionsversehen behandelte; vgl. W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 371, 482 ff.; P r O V G 77, S. 519 f. 119 Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 603 ff.); W. Weber, Innere Pressefreiheit, S. 47 ff.; Kemper, Pressefreiheit und Polizei, S. 57 ff., 87 ff. 117

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

„materieller Allgemeinheit" schützten, welche gegenüber den Schutzgütern des A r t . 5 Abs. 1 GG aufgrund einer Güterabwägung als gleichoder höherrangig zu bewerten seien 121 . b) Wortlaut aa) Die Bedeutung von „allgemein" Die Vielfalt konkurrierender Auslegungshypothesen über A r t . 5 Abs. 2 GG hängt mit der Vieldeutigkeit des Begriffes „allgemein" zusammen. „Allgemein" i. S. des A r t . 5 Abs. 2 GG kann etwas aussagen über 1. den persönlichen Geltungsbereich, 2. den räumlichen Geltungsbereich und 3. den Inhalt eines Gesetzes. Untersucht man die Verwendung des Begriffs „allgemein" in der Verfassungssprache, so lassen sich folgende Bedeutungen finden: Die Bedeutung „für alle geltend" findet sich i n A r t . 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG („allgemein zugänglich"), A r t . 19 Abs. 1 S. 1 GG („allgemein und nicht nur für den Einzelfall geltend"), A r t . 38 Abs. 1 GG („allgemeine Wahl"), A r t . 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 86,87 b) Abs. 2,108 Abs. 7 GG „allgemeine Verwaltungsvorschriften") und i n A r t . 103 Abs. 3 GG („allgemeine Strafgesetze"). Dabei ist der jeweils als „allgemein" angesprochene Adressatenkreis i n den genannten Einzelvorschriften u. U. unterschiedlich groß 122 . I n den A r t . 19 Abs. 1 S. 1 GG, A r t . 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 86, 87 b) Abs. 2, 108 Abs. 7 GG gewinnt „allgemein" zusätzlich die Bedeutung „nicht nur den Einzelfall betreffend" 123. „Nicht auf Einzelheiten eingehend" heißt „allgemein" i n A r t . 75 Nr. 1 a) GG („allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens"), A r t . 75 Nr. 2 GG 120 Smend, Recht der freien Meinungsäußerung, Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 89 ff. (S. 96 f.). 121 Scheuner, V V D S t R L 22 (1965), S. 1 ff. (S.81); Friesenhahn, Fs. Kunze, S. 37; Schnur, V V D S t R L 22 (1965), S. 101 ff. (S. 121 ff.); Ehmke, Fs. A . A r n d t , S. 85. 122 Zu Art 5 I vgl. Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 90, v. Münch, A r t . 5, Rdnr. 16; BVerfGE 27, S. 71 ff. (S. 83). — Zu Art. 19 I 1 vgl. v. Mangoldt-Klein, A n m . I I I 2 a) zu A r t . 19, S. 543 f.; Hendrichs, in: v. Münch, A r t . 19, Rdnr. 8; BVerfGE 25, S.271 LS. 2; näherhin: Starck, Gesetzesbegriff, S. 57 ff. — Zu Art. 38 I vgl. Maunz, in: MDHSch., A r t . 84, Rdnr. 32, v. Mangoldt-Klein, Anm. I V 1 c) zu A r t . 84, S. 2152. — Zu Art. 103 III vgl. Dürig, in: MDHSch., A r t . 103, Rdnr. 128; Starck, Gesetzesbegriff, S. 67. 123 Vgl. die Nachweise zu A r t . 19 I 1 u n d A r t . 84 I I oben i n F N 122.

§ 9 Pressefreiheitsgarantie

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(„allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse") und in A r t . 91 a) Abs. 2 GG („allgemeine Grundsätze") 124 . „Alles umfassend" kann der Begriff i n A r t . 123 Abs. 2 GG bedeuten, wo es u m die „allgemeinen Rechtsgrundsätze" des Völkerrechts geht 125 . Und schließlich läßt sich die Bedeutung „überall verbreitet" A r t . 25 GG („allgemeine Regeln des Völkerrechts") nachweisen 126 .

für

Entsprechend dieser Vielzahl von Bedeutungsmöglichkeiten ist die Falsifizierungsleistung des „Wortlauts" sehr gering: Nicht ausgeschlossen w i r d zunächst die hier vertretene Auslegungshypothese; i n i h r gewinnt „allgemein" den Sinn von „nicht auf Einzelheiten eingehend", nämlich davon absehend, welche Meinungsinhalte von Zivilpersonen geäußert oder verbreitet werden oder welche Informationsinhalte gesammelt werden. Ebensowenig widerlegt w i r d die formelle Theorie Bettermanns, Webers und Kempers, i n der „allgemein die Bedeutung „für alle, nicht nur die Träger der Rechte des A r t . 5 Abs. 1 GG geltend" erhält. Halten läßt sich schließlich auch die Ansicht Forsthoffs, das abstrakt-generelle Gesetz sei gemeint. Schwierigkeiten ergeben sich nur für die materielle Lehre: Der Begriff „allgemein" drückt i n all seinen ΒedeutungsVarianten niemals eine bestimmte Wertigkeit aus, sondern bleibt insofern stets formal als er nur das Ergebnis eines Abstraktionsvorgangs anspricht. Die materielle Theorie reduziert „allgemein" zu einem Signalbegriff, dessen isolierte Auslegung nichts verspreche, sondern dessen Bedeutung nur durch ganzheitliche, teleologisch ausgerichtete Argumentation ermittelbar sei; über diesen Ansatz kann „allgemein" also als geistesgeschichtlich geprägter Ausdruck der „materiellen Allgemeinheit", sprich des Allgemeinwohls gedeutet werden. Die Vernachlässigung der als „formalistisch-technisch" abgetanen Begriffsexplikation muß aber Fehlleistungen produzieren, die vielleicht rhetorisch, jedoch nicht sachlich überspielt werden können: Die Argumentation Smends bezieht sich zunächst explizit auf die „allgemeinen Gesetze" gem. A r t . 118 WRV, daraus w i r d wenig später die „Allgemeinheit der Gesetze", was es endlich erlaubt, beides voneinander zu trennen und nur noch nach dem Sinn von „Allgemeinheit" zu fragen 127 . Smend entwickelt also zunächst einen Begriff von „Allgemeinheit" und über124 Zu Art 75 Nr. 1 a vgl. Maunz, in: MDHSch., A r t . 75, Rdnr. 31. — Zu Art. 75 Nr. 2 vgl. v. Mangoldt-Klein, A n m . V 2 b), zu A r t . 75, S. 1699; Löff 1erJRicker, HdbPrR., 2. Kap., Rdnr. 17, S. 10. iss BVerfGE 6, S. 346; Maunz, in: MDHSch., A r t . 123, Rdnr. 12. 126 Maunz, i n : MDHSch., A r t . 25, Rdnr. 17; v. Mangoldt-Klein, A n m . I I I 2 a) zu A r t . 25, S. 543. 127 Smend, Recht der freien Meinungsäußerung, in: Staatsrechtliche A b handlungen, S. 89 ff. (S. 96 f.).

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trägt dessen materiale Deutung als „Allgemeinwohl" auf den Begriff des „allgemeinen Gesetzes". Dieses Vorgehen ist nicht nur methodisch fragwürdig, sondern geht i m Ergebnis auch am Sprachgebrauch des Begriffes „allgemein" vorbei. bb) Der sprachliche Kontext Auch der sprachliche Kontext trägt nicht sehr viel zur Reduzierung der Vielfalt von Deutungsmöglichkeiten bei. Die hier vertretene Auslegungshypothese scheitert jedenfalls nicht; für die damit konkurrierenden Interpretationsansätze ergeben sich allerdings Schwierigkeiten. Der Ausdruck „Diese Rechte finden ihre Schranken" deutet nicht darauf hin, daß mit „allgemeinen" Gesetzen nur solche Gesetze gemeint sind, welche die durch A r t . 5 Abs. 1 GG geschützten Verhaltensweisen nur „reflexiv" treffen und nicht gezielt beschränken. Der Ausdruck unterscheidet sich von anderen Schrankennormsätzen nur dadurch, daß er keine passivische („kann beschränkt werden"), sondern eine aktivische Formulierung („finden ihre Schranken") enthält. Dieser stilistische Unterschied rechtfertigt nicht die Annahme einer grundlegenden Bedeutungsverschiedenheit derart, daß A r t . 5 Abs. 2 GG i m Gegensatz zu anderen Grundrechtsbestimmungen keine Vorbehaltsschranke normiere. Vielmehr drücken aktivische wie passivische Formulierung gleichermaßen aus, daß das grundrechtlich erlaubte Verhalten Objekt gesetzlicher Regelung sein darf 1 2 8 . I n beiden Fällen ist staatliches Handeln notwendig, u m den Beschränkungseffekt auszulösen, eine verfassungsunmittelbare Begrenzung liegt mit A r t . 5 Abs. 2 GG nicht vor 1 2 9 . Die Besonderheit des A r t . 5 Abs. 2 GG liegt allerdings darin, daß nicht — positiv — bestimmte Eingriffsgesetze vorbehalten werden, sondern daß — negativ — nur gewisse Rechtsnormen wegen mangelnder inhaltlicher Allgemeinheit ausgeschlossen werden 1 3 0 . Der Ausdruck „Diese Rechte finden ihre Schranken" gibt auch nichts dafür her, daß — wie Gerd H. Kemper meint — nur ein Verweis auf ein bereits bestehendes Normengefüge ausgesagt werden soll 1 3 1 . Der präsentische Gebrauch von „finden" drückt — wie dies i n der Rechtssprache regelmäßig vorkommt — ein Sollen aus; es soll nämlich der öffentlichen Gewalt erlaubt sein, den Rechten des A r t . 5 Abs. 1 GG gesetzliche Schranken zu setzen. Nur m i t dieser Präsupposition kann sinnvoll davon geredet werden, daß jene Rechte i n allgemeinen Gesetzen „Schranken finden". Die Interpretation der formellen Lehre überschätzt 128

Vgl. dazu näher: Duden, Bd. 4, Rdnr. 197 ff., S. 91. v. Mangoldt-Klein, A n m . I X 3 a) zu A r t . 5, S. 250; Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 238. 130 Schmitt Glaeser, in: AöR 97 (1972), S. 276 ff. (S. 287 f.). 131 Kemper, S. 67. 129

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also den Stellenwert der aktivischen Formulierung des A r t . 5 Abs. 2 GG und verkennt so ihre sprachliche Bedeutung. „Diese Rechte", welche gem. A r t . 5 Abs. 2 GG i n den „allgemeinen" Gesetzen ihre Schranken finden, werden in der formellen Lehre zudem nur bestimmten Personen als Grundrechtsträger zugewiesen. Die Deutung der „allgemeinen" Gesetze als „für alle geltende" Gesetze ist nur aus einer verengten Sicht der Träger der Rechte aus A r t . 5 Abs. 1 GG erklärbar. Bettermann, Weber und Kemper gehen davon aus, daß „diese Rechte" nur einem bestimmten — privilegierten — Personenkreis eignen. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Gegensatz zwischen den (besonderen) Trägern des A r t . 5 Abs. 1 GG und allen Bürgern konstruiert werden, nur dann w i r d die Aussage sinnvoll, A r t . 5 Abs. 2 GG verbiete gleichheitswidrige Privilegierungen oder Sonderbindungen „der Publizistik" oder „der Presse" 132 . Dieser Ansatz blendet allerdings A r t . 5 Abs. 1 S. 1 GG weitgehend aus und argumentiert schwerpunktmäßig von A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG her: „Was jedermann recht ist, muß auch den Journalisten und Reportern, den Filmschaffenden, den Redakteuren und Managern des Funks und Fernsehens b i l l i g sein 133 ." Die privilegienfeindliche Auslegung des A r t . 5 Abs. 2 GG ist so nur der Versuch, den Konsequenzen der Privilegierung auf der Ebene des persönlichen Schutzbereichs zu entgehen. Verloren geht damit allerdings, daß die Rechte des A r t . 5 Abs. 1 GG — wie der Normtext hinreichend deutlich ausweist — jedermann zustehen 134 . Der Begriff des „Gesetzes", auf den „allgemein" attributiv bezogen ist, ist selbst mehrdeutig. Er kann sowohl eng ein „formelles" Gesetz meinen als auch weit ein „materielles" Gesetz bezeichnen 135 . Der Gesetzesbegriff leistet daher keine Begrenzung der Bedeutungsvielfalt von „allgemein". Wenn neben den „allgemeinen" Gesetzen die „gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend" und das „Recht der persönlichen Ehre" i n dem abschließend formulierten Schrankennormsatz des A r t . 5 Abs. 2 GG besonders aufgeführt werden, w i r d damit ausgedrückt, daß es sich bei diesen gerade nicht u m „allgemeine" Gesetze handelt. Die gegenteilige Bedeutung wäre nur anzunehmen, wenn es hieße „ . . . der allgemeinen Gesetze, insbesondere den gesetzlichen Bestimmungen .. ," 1 3 6 . Die Auslegungshypothese, die hier vertreten wird, trägt 132 Die Verengung der Grundrechtsträgerschaft w i r d n u r bei Kemper, S. 28 f., u n d Löffler/Ricker, HdbPrR., 8. Kap., Rdnr. 4 ff., explizit entwickelt, aber bei Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 604 f.), wie bei W. Weber, Innere Pressefreiheit, S. 47, S. 69 ff., i n der Argumentation vorausgesetzt. iss Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 604). 134 135

Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 143, 159 ff. Vgl. dazu näher unten § 9 I I 2.

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dieser Bedeutung Rechnung; nach ihr besteht der Unterschied zwischen „allgemeinen" Gesetzen und Gesetzen zum Schutz der Jugend und der persönlichen Ehre darin, daß bei letzteren das Regelungsziel ausnahmsweise mit Argumenten über den inhaltlichen Wert und die geistige Wirkung der Äußerung bestimmter Meinungen und der Aufnahme bestimmter Informationen begründet werden darf 1 3 7 . Auch i n der formellen Theorie werden diese Bedeutungsunterschiede zwischen den alternativen Voraussetzungen des A r t . 5 Abs. 2 GG aufgegriffen und als Ausnahmen vom Sonderrechtsverbot erklärt. I n der Interpretation Forsthoffs wie i n der materiellen Lehre werden sie dagegen schlicht übergangen 138 . Für die Untersuchung des sprachlichen Kontextes der „allgemeinen" Gesetze ist schließlich A r t . 140 GG i. V . m . A r t . 137 Abs.3 S.2 WRV zu berücksichtigen, nach welchem „jede Religionsgesellschaft" ihre Angelegenheiten „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" selbst verwaltet. I n dieser Formulierung kann nicht — wie Bettermann wohl meint 1 3 9 — eine A r t „Übersetzung" der „allgemeinen" Gesetze des A r t . 5 Abs. 2 GG gesehen werden; denn während es i n A r t . 140 GG, 137 Abs. 3 S. 2 WRV eindeutig darum geht, den persönlichen Geltungsbereich schrankenziehender Gesetze festzulegen, fehlt i n A r t . 5 Abs. 2 GG ein vergleichbarer Bezug zu bestimmten Personengruppen, für die Sonderrecht auszuschließen wäre. Sprachlich könnten die „für alle geltenden Gesetze" i. S. der A r t . 140 GG, 137 Abs. 3 S. 2 WRV zwar synon y m als „allgemeine" Gesetze angesprochen werden; daß dieser geläufige Begriff i n A r t . 137 Abs. 3 S. 2 WRV nicht verwandt wird, indiziert eher eine Absetzung von den „allgemeinen Gesetzen" i .S. des A r t . 5 Abs. 2 GG 1 4 0 . Daher leistet A r t . 140 GG, 137 Abs. 3 S. 2 WRV keine Falsifizierung der hier vertretenen Auslegungshypothese. Insgesamt ist festzuhalten, daß der Begriff der „allgemeinen Gesetze" und sein sprachlicher Kontext der Auffassung nicht entgegenstehen, daß die Formel der „allgemeinen Gesetze" dem Gesetzgeber nur verbietet, mit schrankenziehenden Gesetzen Ziele zu verfolgen, die nur über eine Argumentation m i t dem inhaltlichen Wert oder der geistigen Wirkung von Meinungen und Informationen als geeignet und notwendig begründet werden können. 136 Bettermann, 137

JZ 1964, S. 601 ff. (S. 603); a. A . Schwark, S. 49.

Schlink, Abwägung, S. 201. Kemper, S. 62; Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 247. 139 Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 604); ähnlich auch W. Weber, Innere Pressefreiheit, S. 48. ho BVerfGE 42, S. 312 (S. 333), das den Unterschied zwischen A r t . 5 I I u n d A r t . 140 GG, 137 I I I 2 W R V hervorhebt; zur Problematik ausführlich Quaritsch, DSt. 1 (1962), S. 289 ff., m i t Hinweisen zur Entstehungsgeschichte von A r t . 137 I I I W R V i n F N 74, 75. 138

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c) Systematik Das Verständnis der „allgemeinen Gesetze", wie es hier vorgestellt worden ist, bewährt sich auch am begrenzenden K r i t e r i u m der „System a t i k " ; es gerät nicht i n Widerspruch zu einer anderen Verfassungsnorm und erklärt keine Verfassungsnorm für bloß „deklaratorisch". Dagegen haben die konkurrierenden Auslegungshypothesen Schwierigkeiten, systematischen Kriterien standzuhalten: Das gilt zunächst für die Auffassung Ernst Forsthoffs, durch die der Formel von den „allgemeinen Gesetzen" jeder eigenständige Normgehalt abgesprochen wird, indem sie zur bloßen Wiederholung von A r t . 19 Abs. 1 S. 1 GG deklassiert wird. M i t der Fassung als abstrakt-generelle Gesetze verlieren zugleich die Gesetze zum Schutze der Jugend und der persönlichen Ehre ihre selbständige Bedeutung und behalten allenfalls noch illustrative Funktion 1 4 1 . Dasselbe gilt für die materielle Lehre, bei der die „gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend" und das „Recht der persönlichen Ehre" ohne weiteres als material allgemeine Gesetze eingestuft werden können und darüber ihre eigenständige normative Aussagekraft verlieren müssen 142 . Zudem können beide Interpretationsansätze keine plausible Erklärung dafür anbieten, weshalb i n A r t . 17 a) Abs. 1 GG dem Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet wird, i n Gesetzen über den Wehrdienst und den Ersatzdienst das Grundrecht der Meinungsfreiheit einzuschränken. Sowohl nach der Meinung Forsthoffs als auch nach der materiellen Lehre wäre A r t . 17 a) Abs. 1 GG insoweit überflüssig. Denn gewiß handelte es sich bei den genannten Gesetzen u m abstrakt-generelle Gesetze und ebenso wäre die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik ein so wichtiges Rechtsgut der Allgemeinheit, daß zu dessen Schutz die Beschränkung der Rechte des A r t . 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt wäre 1 4 3 . Dagegen kann die Auslegungshypothese, die hier gerecht141 w. Weber, Innere Pressefreiheit, S. 57, m. F N 80; Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 246. 142 So auch die K r i t i k Bettermanns, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 603), Kempers, S. 62, u n d Herzogs, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 247; die E n t w e r t u n g w i r d auch i n der Argumentation Häberles, Wesensgehaltsgarantie, S. 37 f., deutlich. 143 Hartmann, Meinungsfreiheit — ein Grundrecht der Affirmation?, in: Pereis, Grundrechte als Fundament der Demokratie, S. 96 ff. (S. 115). Rauball, in: v. Münch, A r t . 17 a, Rdnr. 16, h ä l t die A u f f ü h r u n g des A r t . 5 1 1 GG i n A r t . 17 a I GG für „sinnlos", da über A r t . 5 I I G G hinaus keine zusätzlichen Einschränkungsbefugnisse geschaffen würden; i n derselben Richtung auch die Ausführungen bei v. Mangoldt-Klein, A n m . I I I 1 c) zu A r t . 17 a), S. 515 m. w . N. Dagegen versucht Dürig, in: MDHSch., A r t . 17 a), Rdnr. 27 f., dieser Konsequenz zu entgehen u n d v e r t r i t t die Meinung, A r t . 17 a) verschaffe dem Gesetzgeber die Ermächtigung, A r t . 5 1 1 GG über A r t . 5 I I GG hinaus auch zugunsten weniger w e r t v o l l e r Rechtsgüter zu beschränken. Dies k a n n aber nur vordergründig überzeugen, denn i n der konkreten Interessenabwägung

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fertigt wird, den A r t . 17 a) Abs. 1 GG problemlos als weitere Ausnahme vom Erfordernis „allgemeiner" Einschränkungsgesetze erklären. Schließlich wäre nach beiden Auffassungen auch der frühere A r t . 143 GG entbehrlich gewesen; dieser stellte i n seinem Abs. 2 die öffentliche Aufforderung zu Handlungen des Hochverrats i. S. des Abs. 1, also i m Bereich bloßer Meinungsäußerungen verbleibende Tatbestände unter Strafe und ermächtigte den Gesetzgeber i n Abs. 6 zur „anderweitigen Regelung" durch Bundesgesetz. Obwohl A r t . 143 GG entsprechend seinem Abs. 6 mit Erlaß von A r t . 7 des Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30.8.1951 automatisch außer Kraft trat, bildet er noch heute die verfassungsrechtliche Legitimationsgrundlage für die §§ 80 ff. StGB 1 4 4 . Auch für A r t . 143 Abs. 2 a. F. GG hatten die Meinung Forsthoffs wie die materielle Lehre keine Schwierigkeiten, ein „allgemeines Gesetz" anzunehmen. U m ein abstrakt-generelles Gesetz handelte es sich allemal, und der Schutz des Staates vor Hochverrat konnte problemlos als gegenüber der Meinungsfreiheit höherrangiges Recht eingestuft werden. Nach der hier entwickelten Auslegungshypothese war A r t . 143 Abs. 2 a. F. GG hingegen nicht entbehrlich, sondern normierte eine höchst bedeutsame Ausnahme von dem Verbot, die Schädlichkeit bestimmter Meinungsinhalte zur Tatbestandsvoraussetzung von Eingriffen zu machen. Damit w i r d der selbständige Regelungsgehalt des A r t . 143 Abs. 2 a. F. GG anerkannt und zur Geltung gebracht. Die formelle Auslegung der „allgemeinen Gesetze", wie sie insbesondere von Karl August Bettermann, Werner Weber und Gerd H. Kemper vorgetragen wird, scheitert systematisch an A r t . 75 Nr. 2 GG, welcher dem Bund die Rahmengesetzgebungskompetenz für die Regelung der „allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse" einräumt. Wenn A r t . 5 Abs. 2 GG es ausschließen soll, daß sich Gesetze speziell mit den Freiheiten des A r t . 5 Abs. 1 GG einschränkend beschäftigen, dann kann eine besondere Pressegesetzgebung nicht als zulässig gerechtfertigt werden 1 4 5 . Daß ein konsequentes Verständnis der „allgemeinen Gesetze" als der „für alle geltenden Gesetze" jegliche Pressegesetzgebung ausohne ausgewiesene Präferenzordnung k a n n doch fast jedes Rechtsgut, wenn man es n u r hinreichend abstrakt formuliert, als gleichrangig bewertet w e r den. Über das andere Rechtsgut der „Verteidigungsfähigkeit" ζ. B. läßt sich nach der materiellen Lehre für A r t . 5 I I G G Einschränkungen gleicher I n t e n sität w i e gem. A r t . 17 a) I GG rechtfertigen. Da zudem sowohl bei A r t . 5 I I GG w i e bei A r t . 17 a) I GG der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz v o l l angewandt werden soll (Dürig, Rdnr. 21), läßt sich die behauptete Besonderheit des A r t . 17 a) I GG nicht aufrechterhalten. 144 Vgl. den Hinweis bei Herzog, in: MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 267, auf den „bislang k a u m beachteten" A r t . 143 a. F. u n d dessen Begrenzungswirkung i m Hinblick auf A r t . 5 I I GG. 145 Rupp, A P - E n t w u r f I, S. 41.

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schließt, war i n der Diskussion um das Reichspressegesetz noch deutlich präsent, wie dies i n der „Petition des Schriftstellervereins zu Leipzig" an den Reichstag zum Ausdruck kommt: „ A l s oberster Grundsatz muß an die Spitze gestellt werden, daß, nachdem heutzutage i n Deutschland die Freiheit des Verkehrs u n d der Bewegung allseitig zur Anerkennung u n d Durchführung gelangt ist, folgerichtig auch die Presse u n d die Verbreitimg ihrer Erzeugnisse keinem anderen als dem gemeinen Gesetze für alle unterworfen werden sollte, daß also v o n einer Sondergesetzgebung für die Presse, v o n einem besonderen Preßgesetze nicht mehr die Rede sein dürfte . . . W i r erwarten nach Vorstehendem v o n dem hohen Reichstag, daß er in erster Linie von dem Erlaß eines Reichspreßgesetzes gänzlich absehe14°."

Werner Weber erkennt die Problematik und versucht sie dadurch aufzufangen, daß er zwischen Regelungen des Pressewesens und Einschränkungen der Pressefreiheit unterscheidet und eine gesetzliche Normierung des Pressewesens, „die hinsichtlich der Pressefreiheit indifferent oder neutral ist", für zulässig erklärt. Weber fügt erläuternd hinzu, die geltenden Landespressegesetze wahrten diesen zulässigen Rahmen streng 147 . A n diesem Erklärungsversuch ist zunächst unklar, worin eigentlich die Differenz zwischen Regelungen des Pressewesens und solchen der Pressefreiheit liegen soll, wenn wenig später formuliert wird, m i t dem Grundrecht der Pressefreiheit werde „das Pressewesen" i n Schutz genommen 148 . Aber selbst wenn man — wie dies hier für den Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG entwickelt wurde 1 4 9 — zwischen der Pressetätigkeit und dem Pressewesen i n seiner komplexen Handlungs-, Entscheidungs- und Zweckstruktur unterscheidet, kommt man nicht darum herum, daß eine Pressegesetzgebung nach der A r t des Reichspressegesetzes oder der Landespressegesetze die von A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG geschützten Verhaltensweisen einschränkend regeln muß. Dies belegen allein schon die Vorschriften des NW LPG über das Verbot der Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke (§5), Sorgfaltspflicht (§ 6), Impressum (§ 8), Kennzeichnungspflicht (§ 10), Gegendarstellungspflicht (§ 11) usf. Mögen diese Bestimmungen auch keine sehr tiefgreifende Wirkung haben, so bleiben sie doch allemal Beschränkungen der Freiheit. Normen, die Verhalten regulieren, können nicht „freiheitsindifferent oder -neutral" sein. Zwischen Freiheit und Bindung gibt es, wie Roman Schnur treffend formuliert, „wahrlich 146 Vgl. die auszugsweise Wiedergabe i m Bericht der V. Kommission zum RPG, Verh. des RT, I. Sess. 1873, Nr. 59, S. 335 ff. (S. 345). 147 Weber, Innere Pressefreiheit, S. 49 f.; ähnlich: Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 604): „publikationsfreiheitsneutrale Eingriffe" (1); Kemper, S. 87; Löffler/Ricker, HdbPrR., 11. Kap., Rdnr. 12, S. 52. 148 W. Weber, Innere Pressefreiheit, S. 70: „das . . . m i t dem Grundrecht der Pressefreiheit i n Schutz genommene Pressewesen". 149 Vgl. die Zusammenfassung oben § 9 I 6.

17 Degen

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nur eine radikale Freund-Feindposition, nur ein aut-aut" 1 5 0 . M i t der Figur „pressefreiheitsneutraler" Spezialgesetze w i r d der untaugliche Versuch unternommen, das Unvereinbare miteinander zu vereinen, nämlich die gem. A r t . 75 Nr. 2 GG zulässige pressespezifische Gesetzgebung mit der formellen Deutung der „allgemeinen Gesetze" als eines Verbots von Spezialgesetzen kompatibel zu machen. Der hier vertretenen Auslegungshypothese bildet A r t . 75 Nr. 2 GG dagegen kein Hindernis; denn nach ihr ist die spezielle Regelung der Pressetätigkeit durch besondere Pressegesetze solange zulässig, als mit dieser nicht Ziele verfolgt werden, die sich nur durch Argumente über den inhaltlichen Wert und die geistige Wirkung des Inhalts von hergestellten und verbreiteten Druckwerken als geeignet und notwendig rechtfertigen lassen. E i n weiterer systematischer Einwand gegen die formelle Lehre ergibt sich schließlich daraus, daß i n ihr die Schranke der „allgemeinen Gesetze" gem. A r t . 5 Abs. 2 GG zum bloßen Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes wird: Wenn A r t . 5 Abs. 2 GG mit den „allgemeinen Gesetzen" das Verbot an die Adresse des Gesetzgebers beinhalten soll, die Presse i m Vergleich zu den für alle geltenden Normierungen p r i v i legierenden oder diskriminierenden Sonderregelungen zu unterwerfen, gleichzeitig aber solche pressebegünstigenden oder -belastenden Sonderregelungen für erlaubt erklärt werden, welche durch „die Eigenart der Pressearbeit bedingt oder doch motiviert sind" 1 5 1 , so reduziert sich A r t . 5 Abs. 2 GG auf das Verbot willkürlicher, sachlich nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung und weist gegenüber dem allgemeinen Willkürverbot des A r t . 3 Abs. 1 GG keinen besonderen Regelungsgehalt mehr auf 152 . Dagegen wahrt die hier entwickelte Auslegungshypothese sowohl den selbständigen Normgehalt des A r t . 5 Abs. 2 GG wie den des A r t . 3 Abs. 1 GG. Nach ihr gewinnt A r t . 5 Abs. 2 GG i m Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes, der selbstverständlich auch bei speziellen gesetzlichen Regelungen der Pressetätigkeit zu beachten ist, insofern besondere Bedeutung als es ausgeschlossen wird, Ungleichbehandlungen — seien es Privilegierungen oder Sonderbindungen — mit der inhaltlichen Qualität oder der geistigen Wirkung von Meinungs- und Informationsinhalten als sachlich gerechtfertigt zu begründen 153 . Hieran kann ζ. B. ein spezieller Kautionszwang oder eine Sonderbesteuerung für die Presse scheitern. 150

Schnur, in: V V D S t R L 22 (1965), S. 101 ff. (S. 108). Bettermann, JZ 1964, S. 601 ff. (S. 610). 152 I n dieser Richtung schon A . Arndt, Brauchen w i r ein Pressegesetz? (1956), Gesammelte Schriften, S. 417 ff. (S. 419). iss V o n den aufgeführten Ausnahmen abgesehen: Jugend- und Ehrenschutz, Staatsschutz i m Rahmen des A r t . 143 a. F. GG. 151

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Zusammenfassend ergibt sich, daß die konkurrierenden Auslegungshypothesen an systematischen Kriterien scheitern, die hier angenommene Auslegung sich hingegen an ihnen bewährt. d) Genese Wenn die hier vertretene Auslegung als „allgemeine Gesetze" auch spezielle gesetzliche Regelungen der Pressetätigkeit zuläßt und dabei nur das Begründungsarsenal des Gesetzgebers beschränkt, hat sie sich bei der Argumentation u m das begrenzende K r i t e r i u m der „Genese" damit auseinanderzusetzen, daß die vom Parlamentarischen Rat verworfenen Entwürfe des Grundsatzausschusses vom 24.11.1948 und vom 11.1.1949 154 wie des Hauptausschusses vom 10.1.1949 155 für A r t . 6 Abs. 3 bzw. 5 folgenden Satz vorsahen: „Wegen Mißbrauchs dieser Rechte durch Presse, Rundfunk und F i l m darf nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften über Presse, Rundfunk und Film eingeschritten werden." Diesem abgelehnten Entwurfstext entspricht die hiesige Auslegung jedoch nicht, denn sie läßt zwar ebenfalls gesetzliche Bestimmungen über Presse, Rundfunk und F i l m zu, diese dürfen aber gerade nicht ohne weiteres m i t mißbräuchlicher Freiheitsausübung, also mit der Verwendung der Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit zum Zwecke der Verbreitung schädlicher Meinungsinhalte begründet werden; solcher Mißbrauch kommt vielmehr nur dann als Anknüpfungsund Begründungsgesichtspunkt i n Frage, wenn dies wie beim Jugendund Ehrenschutz gem. A r t . 5 Abs. 2 GG, bei der Verwirkung gem. A r t . 18 GG und beim Staatsschutz gem. A r t . 143 a. F. GG durch die Verfassung ausdrücklich zugelassen ist 1 5 6 . I m übrigen folgt aus der A n nahme des A r t . 75 Nr. 2 GG durch den Verfassunggeber, daß mit der Streichung jener Mißbrauchsklausel nicht jede presserechtliche Spezialgesetzgebung ausgeschlossen wurde. Die Verwerfung der Mißbrauchsklausel durch den Parlamentarischen Rat widerlegt hingegen genetisch die materielle Interpretation der „allgemeinen Gesetze", insoweit sie — wie dies vor allem i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geschieht 157 — mit einer konkreten Interessen- und Güterabwägung operiert und dabei die „Minderwertigkeit" des Freiheitsgebrauchs, den geringen oder nicht vorhandenen „Öffentlichkeitswert" des jeweiligen Meinungs- oder Informationsinhalts berücksichtigt. Dieser Ansatz w i r d außerdem da154

Doemming/Füsslein/Matz, JöR NF. 1 (1951), S. 79 ff. (S. 84, 86). Ebenda, S. 88. 156 A u f die Staatsschutzproblematik w i r d sogleich unten § 9 1 e) bb) näher einzugehen sein. 157 v g l z u r Güterabwägung oben § 7 I I 4 b). 155

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durch falsifiziert, daß alle Entwürfe, die für Presse, Rundfunk und F i l m eine bestimmte Aufgabe 158 , die Pflicht zu wahrheitsgetreuer Berichterstattung 1 5 9 und die Pflicht zur Treue gegenüber der Verfassung 160 vorsahen, ausnahmslos verworfen wurden. Schließlich scheitert die materielle Lehre deshalb am begrenzenden K r i t e r i u m der „Genese", weil nach ihr auch die „gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend" als „allgemeine Gesetze" anzusehen sind, obwohl dementsprechende Entwurfstexte vom Parlamentarischen Rat gerade korrigiert wurden: Sowohl die ursprüngliche Formulierung des Grundsatzausschusses vom 29.9.1948 (Art. 8 Abs. 4) „Diese Rechte finden ihre Grenze . . . an den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend" 1 6 1 wie die Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 13.12.1948 und vom 25.1.1949 (Art. 6 Abs. 4) „Diese Rechte finden ihre Grenze i n den allgemeinen Gesetzen, insbesondere den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend" 1 6 2 wurden letztlich abgelehnt. Hieran scheitert i m übrigen auch die Interpretation Ernst Forsthoffs, nach welcher zwischen „allgemeinen Gesetzen" und Jugendschutzgesetzen ja ebenfalls kein Unterschied bestehen würde. Dagegen hält die formelle Lehre dem K r i t e r i u m der „Genese" stand, denn sie findet keinerlei Entsprechung i n einem verworfenen Entwurfstext. e)

Folgendiskussion

aa) Zulässigkeit einer besonderen Pressegesetzgebung Die hier angenommene Auslegung des A r t . 5 Abs. 2 GG hat zunächst zur Folge, daß sie dem Gesetzgeber einen klaren Spielraum zur speziellen Regelung der durch A r t . 5 Abs. 1 GG erlaubten Verhaltensweisen eröffnet; sie läßt vor allem eine besondere Pressegesetzgebung zu. Begrenzt w i r d der legislatorische Regelungsspielraum allein dadurch, daß das eingesetzte M i t t e l des schrankenziehenden Gesetzes als geeignet und notwendig zur Erreichung eines legitimen Ziels begründet werden muß, ohne daß die gesetzgeberische Argumentation dazu auf den inhaltlichen Wert oder die geistige W i r k u n g von Meinungsinhalten abstellen muß. Anders als i n der formellen Lehre werden 158

Vgl. A r t . 7 I I HChE, Doemming/Füsslein/Matz f JöR NF. 1 (1951), S. 79. Vgl. A r t . 7 I I HChE, ebenda; A r t . 8 I I I i. d. F. des GrdsAuss. v o m 29. 9. 1948, ebenda, S.80; A r t . 6 I I I i. d. F. des GrdsAuss. v o m 24.11.1948, ebenda, S. 84; A r t . 6 V i. d. F. des A l l g . Red. Auss. v o m 11.1.1949, ebenda, S. 86; A r t . 6 I V i. d. F. des A l l g . Red. Auss. v o m 25.1.1949, ebenda, S. 87; A r t . 6 I V i. d. F. des Hauptauss. v o m 10.1.1949, ebenda, S. 88. 160 A r t . 8 I V i. d. F. des GrdsAuss. v o m 29. 9.1948, ebenda, S. 80; A r t . 8 I I I i. d. F. des A l l g . Red. Auss. v o m 16.11.1948, ebenda, S. 81. 161 Ebenda, S. 80. 162 Ebenda, S. 85, 87. 159

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dem Gesetzgeber damit keine speziellen Regelungsobjekte entzogen und anders als i n der materiellen Lehre bedarf es keines Wertvergleichs zwischen der geschützten Freiheit und dem mit dem Einschränkungsgesetz zu schützenden „anderen Rechtsgut". Diese Konsequenz w i r d i m Schrifttum deshalb negativ bewertet, weil so dem Gesetzgeber Beschränkungen der Freiheiten des A r t . 5 Abs. 1 GG auch aus geringfügigem Anlaß, zum Schutze „minderwertiger" Rechtsgüter erlaubt würden und so jene Freiheiten „ i m Kern" getroffen werden könnten 1 6 3 . Daß die Folgen der hiesigen Auslegung damit überzeichnet werden, w i r d die Auffächerung der einzelnen Elemente der Argumentationslastregel des A r t . 5 Abs. 2 GG i m Vergleich mit den angeblich strengeren Anforderungen ihrer K r i t i k e r zeigen: Wenn gesagt wurde, der Gesetzgeber dürfe nur legitime Ziele verfolgen, so w i r d von i h m verlangt darzulegen, welcher bestimmte W i r k lichkeitszustand m i t dem M i t t e l des jeweiligen Gesetzes herbeigeführt werden soll und daß diesem Ziel kein ausdrückliches Verfassungsverbot entgegensteht. Der Gesetzgeber kann sich also nicht mit vagen Angaben über zu schützende, abstrakte Gemeinschaftswerte aus der Affäre ziehen, sondern muß prüfbare Argumente und Prognosen liefern. Weiter muß sachlich gerechtfertigt werden können, daß die Zielverwirklichung öffentlichen, nicht privaten Interessen zu dienen bestimmt ist. Diese präzisierende Eingrenzung des Regelungsziels bezieht ihre Begründung daraus, daß das Gegenüber von grundrechtlichem Gewährleistungsnormsatz und Schrankennormsatz verfassungstheoretisch als Ausdruck des Gegensatzes von privatem und öffentlichem Interesse, an welchem hier ja festgehalten w i r d 1 6 4 , erklärt werden kann. Diese Eingrenzung auf die Verfolgung „öffentlicher Interessen" läßt sich — wie Rolf Grawert dies für die Entwicklung des neuzeitlichen Gesetzesbegriffes nachgewiesen hat 1 6 5 — auch verfassungsgeschichtlich begründen. Der Gegensatz zur materiellen Lehre liegt demnach nicht i m Verzicht auf den Bezug „allgemeiner Gesetze" zu öffentlichen Interessen, sondern darin, daß hier rechtlich von einer Wertordnung öffentlicher wie privater Interessen und folglich von einem abwägenden Wertvergleich abgesehen wird. Dem Gesetzgeber w i r d nur abverlangt, mit rational prüfbaren Argumenten zu begründen, welchen bestimmten Interessen des Staates oder einer unbestimmten Personenvielzahl m i t dem M i t t e l des betreffenden Gesetzes gedient sein soll. ιββ i 3 e r gâche nach zuerst w o h l Smend, Recht der freien Meinungsäußerung, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 89 ff. (S. 96 f.); W.Weber, Innere Pressefreiheit, S. 50; Schwark, S. 48. 164

Vgl. oben § 7 I I 2. Grawert, A r t i k e l „Gesetz", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. I I , S. 863 ff.; ders., Historische Entwicklungslinien des neuzeitlichen Gesetzesbegriffes, in: Studien zum Beginn der modernen Welt, S. 218 ff. 165

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M i t der obligatorischen Interessen- und Güterabwägung können die Anforderungen der materiellen Lehre zwar abstrakt als strenger hingestellt werden, i n der konkreten Anwendung erlaubt sie aber, jede politisch für wünschenswert erachtete Beschränkung der Freiheiten des A r t . 5 Abs. 1 GG zu rechtfertigen. Sie läßt es nämlich zu, ja verleitet dazu, bei der Bestimmung des „anderen Rechtsguts" mit Angaben von großer Abstraktionshöhe zu argumentieren und etwa die „demokratische Ordnung" oder die „Pressefreiheit aller" gegen die „Pressefreiheit des einzelnen" auszuspielen 166 . Da zudem völlig unklar ist, nach welchen methodischen Regeln die Operation des „Abwägens" vor sich gehen soll 1 6 7 , w i r d der Regelungsspielraum des Gesetzgebers weitgehend entgrenzt. Hier w i r d vom schrankenziehenden Gesetzgeber — über die Anforderungen der materiellen Lehre hinausgehend — weiter verlangt zu begründen, daß zwischen Regelungsziel und Regelungsmittel der Zusammenhang der Geeignetheit und Notwendigkeit besteht, ohne daß diese Argumentation auf den inhaltlichen Wert oder die geistige W i r kung von Meinungsinhalten zurückgreifen darf. Damit w i r d nun nicht der „reine Geist" ins Spiel gebracht, worunter man, wie Schnur richtig bemerkt, sich kaum etwas vorstellen könnte 1 6 8 . Wenn dem Gesetzgeber verwehrt ist, m i t der „geistigen Wirkung" zu argumentieren, dann heißt das nur folgendes: Er darf nicht darauf abstellen, daß die Meinungsäußerung und -Verbreitung durch Zivilpersonen andere i n ihrer Meinungsbildung bestärkend oder verändernd beeinflussen und zur Äußerung und Verbreitung dieser Meinung wie zu verändertem Informationsverhalten motivieren kann. Die „geistige Wirkung" bedeutet also die Wirkung auf das Denken anderer wie auf deren Sprechen, Schreiben, Abbilden und Verbreiten von Meinungen (mit oder ohne Einsatz technischer Vervielfältigungs- und Verbreitungsmittel) wie auf deren Informationsverhalten. Dagegen darf der Gesetzgeber sehr wohl damit argumentieren, daß durch eine Meinungsäußerung unmittelbar Handlungen anderer A r t ausgelöst werden, welche einem gesetzlich geschützten Rechtsgut Schaden zufügen 169 . Allerdings muß dieser Wirkungszusammenhang über bewährte empirische Hypothesen und Theorien nachweisbar sein; demnach kann ζ. B. auf den Zusammenhang zwischen der Aufforderung und der Begehung einer Straftat abgestellt werden, nicht jedoch etwa darauf, daß mit einer bestimmten 166 Vgl. oben § 2 I I 2 c); näherhin zur Problematik der Abstraktionshöhe, Herzog, i n : MDHSch., A r t . 5, Rdnr. 262 ff. 167 V g l oben § 7 I I 2. 168 Schnur, V V D S t R L 22 (1965), S. 101 ff. (S. 124). 169 Insoweit ist der Ansatz Häntzschels, HdbDStR I I , S. 657 ff. (S. 660 f.) also zu präzisieren.

§ 9 Pressefreiheitsgarantie

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Meinungsäußerung ein geistiges K l i m a geschaffen werde, durch welches der Boden für die Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bereitet werde. Wenn i n der materiellen Lehre, wie sie insbesondere das Bundesverfassungsgericht vertritt, der höhere Rang des zu schützenden „anderen Rechtsguts" aufgrund aller Umstände des Einzelfalls ermittelt werden soll, also etwa das Verhältnis des Meinungsäußernden zu seinem Gegenstand, seine Absichten, die gesellschaftliche und politische Bedeutung des Themas, die Repräsentativität der geäußerten Meinung usf., kann letztlich auf die inhaltliche Richtigkeit oder Werthaftigkeit der Meinung abgestellt werden; damit entsteht die Gefahr, daß die Freiheiten des A r t . 5 Abs. 1 GG weitgehend relativiert werden oder gar leerlaufen 170 . Die Begründung des Zusammenhangs der Geeignetheit und der Notwendigkeit 1 7 1 ist, wie Bernhard Schlink zu Recht bemerkt, schon ohne Beschränkung des gesetzgeberischen Argumentationsarsenals wie i n A r t . 5 Abs. 2 GG schwer genug: „Denn es geht u m ein Problem der Wirklichkeit, das nur durch den Aufweis von bewährten empirischen Hypothesen und Theorien gelöst werden kann, die einen Zusammenhang zwischen den Zuständen vermitteln, die bestehen, sowohl wenn der Zweck erreicht ist, als auch wenn der Eingriff vorgenommen wird, als auch schließlich, wenn er unterbleibt. Dabei gilt, daß die Geeignetheits- und Notwendigkeitsbegründung u m so eher gelingt, je bestimmter der Zweck angegeben werden kann und daß sie u m so eher scheitert, je unbestimmter die Zweckangabe ist. Ein zwar hochgeschätzter und allgemein anerkannter Eingriffszweck, dessen Anerkennung aber gerade i n seiner unbestimmten Abstraktionshöhe und A l l gemeinplätzlichkeit ihren Grund hat, gibt für die Legitimation des Eingriffs nicht viel her 1 7 2 ." Hinzu kommt bei A r t . 5 Abs. 2 GG die oben gekennzeichnete Reduzierung der Argumente, die zulässigerweise i n der Notwendigkeitsbegründung verwandt werden dürfen, womit dem Gesetzgeber insgesamt eine nicht sehr einfach zu bewältigende Argumentationslast aufgebürdet wird. Zur Illustration sei ein Beispiel referiert, das ebenfalls Bernhard Schlink vorführt, wobei mögliche Konkurrenzprobleme außer Betracht bleiben können: Die Demokratie ist zwar ein hochgeschätztes und verfassungsrechtlich anerkanntes Gut, aber für die Begründung der Geeignetheit und Notwendigkeit eines Gesetzes zur Begrenzung der Pressekonzentration, also einer Beschränkung der 170 Ridder, Soziale Ordnung, S. 79; Ladeur, Die Meinungsfreiheit i n der Rechtsprechung des BVerfG, i n : Däubler/Küsel, S. 102 ff. (S. 108). 171 A l l g e m e i n zur Rolle v o n Geeignetheit u n d Notwendigkeit i m Rahmen der staatlichen Argumentationslast u n d zur Abgrenzung zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz m i t Zumutbarkeitsabwägung vgl. die Darstellung oben § 8 I I 2 m. F N 49. 172 Schlink, DSt. 15 (1976), S. 335 ff. (S. 354).

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Pressefreiheit so lange unergiebig, als nicht i n einer Funktionsbestimmung der Demokratie einer ihrer Aspekte oder eine ihrer Komponenten so herausgearbeitet wird, daß eine Ziel-Mittel-Argumentation m i t bewährten Hypothesen und Theorien daran anknüpfen und z.B. den Nachweis versuchen kann, daß die Presseoligopole überregionaler Verlage und das Desinteresse der Bürger an regional- und kommunalpolitischen Angelegenheiten i n einem durch mildere M i t t e l nicht aufhebbaren Zusammenhang stehen. „Dabei ist das Begründungsarsenal des Nachweises dadurch beschränkt, daß m i t der geistigen Wirkung und dem inhaltlichen Wert der i n den Presseerzeugnissen vertretenen Meinungen nicht argumentiert werden darf, daß also ζ. B. nicht das Argument gebracht werden darf, oligopolistische Presseerzeugnisse neigten zu schlampiger und tendenziöser Berichterstattung und Kommentierung 1 7 3 ." Der Einwand, die Ausblendung von inhaltlicher Qualität und geistiger Wirkung von Meinungsäußerungen reiche nicht aus und erlaube Freiheitsbeschränkungen aus geringfügigem Anlaß, durch die die Pressefreiheit i m Kern getroffen werden könne, mag vielleicht die ursprüngliche Version Häntzschels treffen, wenn man diese nicht am Maßstab des A r t . 118 WRV, sondern an dem der entwickelteren normativen Sicherung der Freiheitsrechte durch das Grundgesetz mißt. Die hier i m Anschluß an Schlink vertretene präzisierte und ergänzte Version setzt sich diesem Einwand jedoch nicht aus. Dem steht nicht nur das Erfordernis der Geeignetheits- und Notwendigkeitsbegründung, sondern auch das der Respektierung der Mindestposition gem. A r t . 19 Abs. 2 GG entgegen 174 . Demnach w i r d der deutliche Regelungsspielraum, der dem Gesetzgeber durch die hier angenommene Auslegung des A r t . 5 Abs. 2 GG eröffnet wird, positiv bewertet. bb) Begrenzung der Staatsschutzgesetzgebung Eine weitere Konsequenz der hier vertretenen Auslegung besteht darin, daß gesetzliche Eingriffe i n die Äußerung und Verbreitung von Meinungen, welche sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik richten, nicht als zulässige „allgemeine Gesetze" gem. A r t . 5 Abs. 2 GG anzusehen sind, wenn sie vom Gesetzgeber allein mit dem staatsfeindlichen Inhalt oder der schädlichen geistigen Wirkung dieser Meinungen begründet werden können. Diese Folge w i r d insbesondere von Ulrich Scheuner negativ vermerkt, da sie „gegen die Wertrangordnung der Verfassung nicht bestehen" könne und strafrechtliche Staatsschutzbestimmungen gegen „verfassungsfeind173 174

Ebenda, S. 356. Vgl. zur Mindestposition oben § 8 I I 2.

§ 9 Pressefreiheitsgarantie

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liehe" Meinungen durch die Grundgesetzentscheidung für eine abwehrbereite Demokratie gedeckt seien 175 . Dem ist aber entgegenzuhalten, daß das Grundgesetz für den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung dpreh eine abgeschlossene Reihe spezieller Vorschriften Vorsorge getragen hat, welche dem Gesetzgeber nur einen geringen eigenen Regelungsspielraum lassen. Die Exklusivität dieser Verfassungsnormen — A r t . 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 2, 143 a. F. GG — ist als zentrales Element des Systems verfassungsrechtlicher Sicherung der Freiheitsrechte gegen Übergriffe der öffentlichen Gewalt zu bewerten. Denn wenn grundrechtliche Freiheit nur nach Maßgabe verfassungs- und staatstreuen Freiheitsgebrauchs gewährleistet oder einem Generalvorbehalt zugunsten staatsschützender Gesetze unterstellt würde, stünden die Freiheitsrechte weithin zur Disposition des Gesetzgebers. Der Tyrannei der Mehrheit wären kaum noch wirksame Grenzen gesetzt. Indem die genannten Verfassungsnormen vom Mißbrauch der politischen Freiheit der Zivilpersonen handeln, wehren sich gleichzeitig dem politischen Mißbrauch der öffentlichen Gewalt 1 7 6 . Das gilt i n besonders hohem Maße i n bezug auf die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG, deren Gewährleistungsmotiv ja auch i n der Ermöglichung eines staatsfreien und offenen Prozesses der politischen Meinungsbildung i m Vorfeld der verbindlichen demokratischen Staatswillensbildung ausgemacht werden kann 1 7 7 . Die verfassungsrechtliche Limitierung von Eingriffen i n die politische Freiheit der Zivilpersonen zu Staatsschutzzwecken trägt der Tatsache Rechnung, daß diese Eingriffe häufig ohne Argumentation über die inhaltliche Qualität und die geistigen Wirkungen von Meinungsäußerungen, etwa ihre Bewertung als staatsfeindlich und schädlich nicht gerechtfertigt werden können. Berücksichtigt w i r d zudem, daß sich angesichts der Abstraktionshöhe des Schutzguts der „freiheitlichdemokratischen Grundordnung" nicht durch bewährte Hypothesen und Theorien aufweisen ließe, die Propagierung eines bestimmten Meinungsinhalts werde zu einem faßbaren Schaden für den Bestand jener Grundordnung führen und sei daher notwendig zu unterbinden. Hier, wo ein die Kommunikationsfreiheiten einschränkendes Staatsschutzgesetz nicht als „allgemeines" gerechtfertigt werden kann, setzten die begrenzten Staatsschutzvorschriften des Grundgesetzes ein, welche die Eingriffskompetenz entweder für Legislative und Exekutive sachlich begrenzen (Art. 9 Abs. 2, A r t . 143 a. F. GG) oder beim Bundesverfassungsgericht monopolisieren (Art. 18, 21 Abs. 2 GG). Aus dieser be175

Scheuner, V V D S t R L 22 (1965), S. 1 ff. (S. 81). Schlink, DSt. 15 (1976), S. 335 ff. (S. 356). 177 Wie dies j a v o m B V e r f G seit E 7, S. 198 (S.205) immer wieder betont worden ist. 176

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sonderen A r t verfassungsrechtlicher Eingrenzung staatsschützender Maßnahmen kann begründet werden, daß auch bei Beschränkungen der Kommunikationsfreiheit der Gesetzgeber i m Rahmen von A r t . 5 Abs. 2 GG mit einer Rechtsfolge argumentieren darf, durch die in verfassungsrechtlich zulässiger Weise der inhaltliche Wert oder die geistige W i r kung von bestimmten Meinungsäußerungen mit Sanktionen belegt wurde. Wo das Bundesverfassungsgericht gem. A r t . 18 GG Verwirkungs- oder gem. A r t . 21 Abs. 2 GG Parteiverbotsentscheidungen getroffen hat oder wo von der Verbotskompetenz gem. A r t . 9 Abs. 2 GG Gebrauch gemacht wurde, dürfen diese Rechtsfolgen auch als Anknüpfungs- und Begründungspunkte für gesetzliche Beschränkungen der Freiheiten des A r t . 5 Abs. 1 GG genommen werden 1 7 8 . Nach diesen Präzisierungen dürfte deutlich geworden sein, daß die hier angenommene Auslegung des A r t . 5 Abs. 2 GG auch Staatsschutzgesetze zuläßt, welche i m Bereich bloßer Meinungsäußerung verbleibende Tatbestände unter Strafe stellen, dafür allerdings enge und präzise Voraussetzungen verlangt, die nicht aus einer Deutung des „Verfassungsganzen" und seiner „Wertordnung", sondern aus einzelnen Verfassungsnormen entwickelt wurden. Diese Konzeption kann dem Schutz der Kommunikationsfreiheiten des A r t . 5 Abs. 1 GG und einem offenen Meinungsbildungsprozeß nur zugute kommen; denn so ist die Gefahr gemindert, daß regierungs- und gesellschaftskritische Meinungen pauschal und vorschnell mit dem Verdikt der Staatsfeindlichkeit belegt und aus der öffentlichen Diskussion ausgeschlossen werden können. Das führt hier — entgegen dem Einwand Ulrich Scheuners — zu einer positiven Bewertung der Auslegungsfolge. 2. Der Gesetzesbegriff

I m Gegensatz zur Diskussion über die Bedeutung des „Allgemeinen" hat — wie Eberhard Schwark zu Recht feststellt — die Auseinandersetzung u m den Begriff des „Gesetzes" i n A r t . 5 Abs. 2 GG stets nur eine untergeordnete Rolle gespielt 179 , obwohl es dabei u m die wichtige Frage geht, welches Entscheidungsverfahren bei Beschränkungen der Freiheiten des A r t . 5 Abs. 1 GG einzuhalten ist. Es ist ja schon hervorgehoben worden, daß die Festlegung von bestimmten Entscheidungsverfahren durch die grundrechtlichen Vorbehaltsschranken ebenso wie die von Argumentationslastregeln herrschaftszähmende und freiheitssichernde Funktion hat 1 8 0 . Bei A r t . 5 Abs. 2 GG sieht sich die Interpret e Schlink, DSt. 15 (1976), S. 335 ff. (S. 355 f.). Schwark, S. 80. 180 Vgl. oben § 8 I I 2. 179

§ 9 Pressefreiheitsgarantie

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tation vor die Alternative gestellt, „Gesetz" entweder eng als „formelles" Parlamentsgesetz oder weit als „materielles" Gesetz darzustellen 181 . Hier soll die zweite Möglichkeit begründet werden: Der allgemeine wie der juristische Sprachgebrauch läßt beide Bedeutungen zu, so daß der Wortlaut keine Eingrenzung leistet. Auch über den sprachlichen Kontext läßt sich keine Auflösung der Bedeutungsalternative begründen: Der Ausdruck „Vorschriften der allgemeinen Gesetze" kann sinnvoll i n beiden Bedeutungen verwandt werden, insbesondere kann das A t t r i b u t „allgemein" i n dem oben interpretierten Sinne gleichermaßen auf formelle Parlamentsgesetze, gesetzesgegründete Rechtsverordnungen und Satzungen bezogen werden 1 8 2 . Wie das Bundesverfassungsgericht schon zu Anfang seiner Rechtsprechung festgestellt hat 1 8 3 und wie insbesondere Christian Starck und Gerd Roellecke i m einzelnen nachgewiesen haben 184 , kann zudem nicht aufgezeigt werden, daß der Begriff des Gesetzes i m Grundgesetz einheitlich gebraucht wird. Das gilt auch für seine Verwendung i n den grundrechtlichen Normsätzen: Die nach den verschiedenen Grundrechtsbestimmungen erlaubten staatlichen Freiheitsbeschränkungen „durch Gesetz (Art. 8 Abs. 2, 11 Abs. 2, 12 Abs. 1 S.2 GG) und „aufgrund eines Gesetzes" (Art. 2 Abs. 2 S. 3, 6 Abs. 3, 8 Abs. 2, 10 Abs. 2, 11 Abs. 2, 12 Abs. 1 S. 2, 13 Abs. 3, 16 Abs. 1 S. 2 GG) setzen zwar ein formelles Parlamentsgesetz voraus, zumindest für A r t . 14 Abs. 1 S. 2 und A r t . 103 Abs. 2 GG kann aber plausibel begründet werden, daß dort ein „materielles" Gesetz genügt 185 . Die Interpretation des Gesetzes i n A r t . 5 Abs. 2 GG als jede positiv gesetzte Rechtsnorm scheitert systematisch nicht an A r t . 19 Abs. 1 S. 1 GG. Denn dieser Vorschrift kann nicht entnommen werden, daß jede Freiheitsbeschränkung nur durch formelles Parlamentsgesetz erfolgen darf 1 8 6 , sie dient vielmehr „der Sicherung derjenigen Grundrechte, die aufgrund eines speziellen i m Grundgesetz enthaltenen Vorbehalts durch Gesetze oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden 181 Die Problematik der Unterscheidung zwischen „formellem" und „materiellem" Gesetz k a n n hier nicht aufgerollt werden; vgl. hierzu Starck, Gesetzesbegriff, S. 21 ff., 151 ff.; Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes, S. 24 ff., 271 ff. Z u r traditionellen Begriffsbildung: Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, §24 I I , S. 112 ff. 182 O V G Münster, DVB1. 1969, S. 500 ff. (S. 501). 183 BVerfGE 1, S. 184 (S. 189). 184 Starck, Der Gesetzesbegriff des GG, S. 15 ff.; Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes u n d das GG, S. 24 ff. 185 Starck, ebenda, S. 32 ff. m. w . N. 186 Hendrichs, i n : v. Münch, A r t . 19, Rdnr. 6 ff.; Kemper, S. 67; a. Α.: v. Mangoldt-Klein, A r t . 19, A n m . I I I 3.

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können" 1 8 7 . U m einen derartigen speziellen Vorbehalt handelt es sich bei der Schranke der allgemeinen Gesetze gerade nicht, denn hier w i r d nicht der Erlaß bestimmter Gesetze, die nach Regelungsfeld und ggfs. Bedingungen, Zielen usw. eingegrenzt sind, vorbehalten, sondern es handelt sich u m eine bloße Ausschlußformel 188 . Die Kommunikationsfreiheiten des A r t . 5 Abs. 1 GG können durch die positive Rechtsordnung beschränkt werden, sofern die jeweiligen Rechtsnormen nur „allgemein" sind. Es w i r d also nicht ein Eingriffsgesetz ausnahmsweise zugelassen, sondern „eine Normengruppe, ein Ausschnitt aus dem allgemeinen Recht, als Schrankenbestimmung genannt" 1 8 9 . Auch über das begrenzende K r i t e r i u m der „Genese" w i r d die hier vertretene Interpretation nicht ausgeschlossen: Einem vom Parlamentarischen Rat abgelehnten Entwurfstext entspricht sie nicht 1 9 0 , wohl aber der Auslegung von A r t . 118 Abs. 1 S. 1 WRV 1 9 1 . Es läßt sich aber nicht aufzeigen, daß der Verfassunggeber sich gerade von dieser Interpretation abgewandt hat. Die Formel der „allgemeinen Gesetze", deren Gehalt erst durch die Weimarer Staatsrechtslehre erarbeitet wurde, ist vom Grundgesetzgeber vielmehr ohne erkennbare Korrektur übernommen worden 1 9 2 . Das entscheidende Argument, u m die Auslegung als „materielles" Gesetz zu rechtfertigen, erbringt eine — kurze — Folgendiskussion: Ließe man für Beschränkungen der Kommunikationsfreiheit nur formelle Gesetze genügen, so würden die Grundrechtsträger bei Gebrauch ihrer Freiheit von zahlreichen Verpflichtungen eximiert, die sich aus Rechtsverordnungen oder Satzungen ergeben 193 . Zur Illustration mögen wenige Beispiele genügen: Betroffen wäre etwa § 25 StVO, wonach die Fußgänger zur Benutzung der Gehwege verpflichtet sind, sich also auch nicht zum Zwecke der individuellen Meinungsäußerung oder des Verkaufs von Zeitungen auf der Fahrbahn aufhalten dürfen 1 9 4 . Genauso ließe sich das Verbot des §33 Abs. 2 StVO, mit Verkehrszeichen ver187 BVerfGE 25, S. 371 (S. 399). 188 Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 276 ff. (S. 287 f.), der zudem v o n einem „durchaus untechnischen Gesetzesvorbehalt" spricht. 189 Schwark, S. 138; i m Ergebnis ebenso: Hendrichs, in: v. Münch, A r t . 19, Rdnr. 6. 190 Vgl. die Entwurfstexte bei Doemming/Füsslein/Matz, JöR NF. 1 (1951), S. 79 ff. 191 Anschütz, W R V , A n m . 4 d zu A r t . 118, S. 556; Häntzschel, AöR NF. 10 (1926), S. 228 ff. (S. 236); P r O V G 78, S. 264; RGSt. 55, S. 88 (S. 90). 192 v. Mangoldt, GG, A n m . 7 zu A r t . 5, S. 67; H.H.Klein , DSt. 10 (1971), S. 145 ff. (S. 159); O V G Münster, DVB1. 1969, S. 500 ff. (S. 501). 193 Kemper, S. 67. 194 So auch Schwahe, Grundrechtsdogmatik, S. 172.

§ 10 Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie

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wechselbare Einrichtungen zu verwenden, nicht durchsetzen, wenn i m Wahlkampf Stop-Schilder i m Zusammenhang mit dem politischen Gegner eingesetzt werden. Auch das Verbot von Verkehrsbeeinträchtigungen durch den Betrieb von Lautsprechern, durch das Anbieten von Waren wie durch Werbung gem. § 33 Abs. 1 StVO könnte gegenüber dem Gebrauch der Kommunikationsfreiheit nicht zum Zuge kommen. Ebensowenig halten ließen sich — u m die Reihe der Beispiele abzuschließen — das Verbot der Außenwerbung gem. § 15 NW BauO, gemeindliche Satzungen über Sondernutzungen gem. § 19 Abs. 3 NW LStrG 1 9 5 , die Vorschriften der Postordnung (§ 13) 196 und der Postzeitungsordnung (§ 6) über die Beförderungspflicht und den Ausschluß von der Beförderung 197 . Diese Folge w i r d hier negativ bewertet; es kann Eberhard Schwark darin zugestimmt werden, daß kein überzeugender Grund dafür besteht, die ihre Kommunikationsfreiheiten ausübenden Zivilpersonen dann von der allgemeinen Rechtsordnung auszunehmen, wenn es sich u m Vorschriften handelt, die nur als materielle Gesetze qualifiziert werden können 1 9 8 . 3. Zusammenfassung

Die Schranke der allgemeinen Gesetze gem. A r t . 5 Abs. 2 GG erlaubt freiheitsbeschränkende Rechtsnormen, die als geeignet und notwendig zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels begründet werden können, ohne daß die Argumentation der öffentlichen Gewalt auf die inhaltliche Qualität oder die geistige W i r kung von Meinungs- bzw. Informationsinhalten abstellt, sofern dabei als Anknüpfungs- und Begründungspunkte nicht Rechtsfolgen vorliegen, die i n anderen Verfassungsnormen für Äußerungen und Betätigungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorgesehen sind.

193

Vgl. hierzu OVG Münster, DVB1. 1972, S. 509. Z u § 13 PostO vgl. O V G Münster, DVB1. 1969, S. 500 ff. (S. 501); i m Gegensatz zu dieser Entscheidung k a n n die „Allgemeinheit" v o n § 13 PostO allerdings bezweifelt werden; vgl. Löffler/Ricker, HdbPrR., 90. Kap., Rdnr. 10, S.393. 197 Z u r Postzeitungsordnung vgl. Löffler/Ricker, ebenda. 198 I m Ergebnis ebenso: BVerfGE 20, S. 162 (S. 176), das i m Zusammenhang m i t den allgemeinen Gesetzen v o n „allgemein geltenden Rechtsnormen" und der „allgemeinen Rechtsordnung" spricht. O V G Münster, DVB1. 1969, S. 500 (S. 501), DVB1. 1972, S. 509; V G Freiburg, JZ 1956, S. 18 ff.; Schwark, S. 132; Kemper, S. 67 f., Reisnecker, Meinungsfreiheit, S. 173 ff.; Müller/Pieroth, Politische Freiheitsrechte, S. 72; v. Münch, A r t . 5, Rdnr. 49; SchmidtBleibtreu/ Klein, A r t . 5, Rdnr. 13; a. A . v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, A n m . I X 3 a), S. 251; L V G Hamburg, M D R 1953, S. 125 f. 198

§ 10 Berufefreiheit und Eigentumsgarantie Da die Presseberufsfreiheit wie die Garantie des Eigentums an Pressebetriebsmitteln hier nicht dem Gewährleistungstatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zugeordnet wurden, bleibt nur, sie dem Grundrechtsschutz der A r t . 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG zu unterstellen. Auf eine Darstellung von Garantietatbestand und Vorbehaltsschranken beider Grundrechtsnormen kann daher nicht verzichtet werden; diese soll aber nicht i n derselben Ausführlichkeit erfolgen, die bei der Pressefreiheit unumgänglich war. Da es für die anschließend zu entwickelnde Konkurrenzlösung darauf ankommt, die Strukturen beider Grundrechtsnormen zu erarbeiten, können wenige Thesen genügen: I. Tatbestand und Schranken der Berufsfreiheit 1. Der Garantietatbestand des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG: Berufsfreiheit als erwerbsgerichtete Entscheidungsfreiheit

I m Rahmen der Problemexposition zum Verhältnis zwischen Pressefreiheit und Berufsfreiheit ist schon herausgearbeitet worden, daß der Garantietatbestand des A r t . 12 Abs. 1 GG nicht bestimmte Handlungsarten erfaßt 1 ; es geht nicht wie i n A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG mit der Herstellung und Verbreitung von Presseerzeugnissen u m ein bestimmtes Verhalten, durch das eine bestimmte Anfangssituation i n eine davon verschiedene Endsituation überführt wird. Ein Ansatz der Berufsfreiheitsgarantie an beruflichen Handlungsarten wäre rechtstechnisch überhaupt nicht zu bewältigen, da die unendliche Menge von Möglichkeiten, sich beruflich zu betätigen, auch i n einem noch so vagen Normsatz nicht zu erfassen wäre. Der Versuch, berufliche Freiheit über die Klassifikation von Handlungsarten zu normieren, könnte höchstens an traditionellem beruflichen Rollenverhalten („Berufsbildern") anknüpfen und müßte innovatives Verhalten weitgehend ausblenden, womit berufliche Freiheit relativ eng definiert werden würde. Diese Schwierigkeiten umgeht der geltende Normsatz des A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG dadurch, daß er von bestimmten Handlungsarten abstrahiert und m i t dem Begriff „Beruf" an einem bestimmten VerhaltenszieZ, nämlich dem Ziel des Erwerbs bedarfsdeckender Güter, insbesondere 1

Vgl. oben § 9 1 1 .

§ 10 Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie

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des Erwerbs von Geld und Sacheigentum ansetzt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat diese Struktur sehr klar herausgearbeitet: Sie sieht durch A r t . 12 Abs. 1 GG den Erwerb als geschützt an und definiert „Beruf" als jede auf Dauer berechnete Tätigkeit, mit der die Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage angestrebt wird 2 . Indem das Problem der Berufsfreiheit über die Legitimierung des Erwerbsziels angegangen wird, werden die Mittel der Zielerreichung völlig offen gelassen. Damit w i r d der Tatsache Rechnung getragen, daß für die Verwirklichung von Erwerbszielen eine ungreifbare Vielzahl verschiedenartiger Handlungen als funktional äquivalente Mittel eingesetzt werden können. Das grundrechtlich erlaubte Verhalten w i r d daher als Wählen der Handlungen formuliert, die als Mittel für den Erwerb eingesetzt werden sollen. Es geht damit u m die Freiheit der Zivilpersonen, aufgrund ihres individuellen Präferenzsystems darüber zu entscheiden, mit dem M i t t e l welcher Handlungen sie Erwerbsziele anstreben werden. Der Entscheidungsinhalt kann dabei abstrakt i n die Elemente der Entscheidung über das „Ob" und jener über das „Wie" der erwerbsgerichteten Tätigkeit zerlegt werden 8 . Indem die Berufsfreiheit des A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG so als Entscheidungsfreiheit konzipiert wird, w i r d ein konstitutives Element jeder Handlung, nämlich die Eigenschaft als Effekt von Entscheidungen unter Anwendung des individuellen Präferenzsystems des Handlungssubjekts, rechtlich isoliert und berufliches Handeln rechtstechnisch faßbar gemacht 4 . Entscheiden w i r d dabei nicht auf den inneren Entschluß reduziert, sondern als mehrphasig strukturierter Prozeß gesehen, der mit der handelnden Ausführung endet 5 . Erfaßt w i r d so durch A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG nicht nur ein einmaliger Entscheidungsakt hinsichtlich der Aufnahme und der Beendigung einer Berufstätigkeit, sondern auch das dauernde Entscheiden über die Fortsetzung und die Modalitäten beruflichen Verhaltens. Der einzelne nimmt „diese Entscheidungsfreiheit nicht nur bei der ,Berufsaufnahme 4 2 BVerfGE 7, S. 377 (S.397); 16, S. 147 (S. 163); 21, S.261 (S. 266); 30, S. 292 (S.334); allerdings k a n n nicht darauf abgestellt werden, ob es sich auch u m eine „erlaubte" Tätigkeit handelt, da der Erlaubnisnormsatz des A r t . 12 I G G sonst gehaltsleer würde. Das Verbot bestimmter sozialschädlicher Berufe muß vielmehr über den Gesetzesvorbehalt gerechtfertigt werden. 3 Uber, Freiheit des Berufs, S. 104 f.; 193 f.; v. Mangoldt-Klein, Bd. I, A n m . I V 2 b), S. 371 „Substanzverwirklichung" u n d „Modalitätsverwirklichung". 4 Vgl. zur Berufsfreiheit als Entscheidungsfreiheit auch v. Mangoldt-Klein, Bd. I, A n m . I V 2 a), S. 370. Die S t r u k t u r als Entscheidungsfreiheit w i r d auch durch das BVerfG gesehen, allerdings n u r für die „Berufswahl" akzentuiert, wenn diese als „ A k t der Selbstbestimmung" charakterisiert w i r d (E 7, S. 377 [S. 403]) oder als „freie Entscheidung" über E i n t r i t t Fortsetzung u n d Beendigung (E 7, S. 377 [S. 401]) beschrieben w i r d . Z u r Entscheidung als Element jeden Handelns: Weinberger, Logik, S. 117. 5 Schneider/Schroth, in: Kaufmann/Hassemer, S. 254 ff. (S. 269) m. w. N.

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und durch diese (beim ,Berufsbeginn' und durch diesen), sondern stets und so lange i n Anspruch, wie er einen bestimmten Beruf tatsächlich ausübt, denn er entscheidet sich ja dadurch andauernd für die ihm grundrechtlich gewährleistete positive Möglichkeit, einen bestimmten Beruf auszuüben und gegen die i h m gleichfalls grundrechtlich gewährleistete negative Möglichkeit, den Beruf nicht auszuüben" e . Damit ergibt sich, daß die „Berufswahl" i n der gesamten beruflichen Tätigkeit zu sehen ist. Wenn das Bundesverfassungsgericht hervorhebt, die Begriffe „Wahl" und „Ausübung" ließen sich nicht so trennen, daß jeder von ihnen nur eine bestimmte zeitliche Phase des Berufslebens bezeichnete, sondern beide erfaßten den einheitlichen Vorgang der „beruflichen Betätigung" von verschiedenen Blickpunkten her 7 , so stimmt die hier skizzierte Auslegungshypothese damit der Sache nach überein; die hier entwickelte Argumentation arbeitet die Struktur des grundrechtlichen Normsatzes nur etwas schärfer heraus und liefert so eine etwas präzisere Rechtfertigung für die Auslegung von A r t . 12 Abs. 1 GG als einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit 8 . Demnach meint das allen deutschen Zivilpersonen garantierte Recht, den Beruf frei zu wählen, daß es allen deutschen Zivilpersonen erlaubt ist, selbst darüber zu entscheiden, ob und wie sie m i t einer Tätigkeit die Verwirklichung von Erwerbszielen anstreben werden. Dieser Erlaubnis korrespondiert das an die deutsche öffentliche Gewalt adressierte Verbot, solche erwerbsgerichteten Entscheidungen zu untersagen oder vorzuschreiben 9 . Wenn der Grundrechtsschutz des A r t . 12 Abs. 1 GG auch auf die berufliche Pressetätigkeit erstreckt wird, bedeutet dies die Erlaubnis, ungehindert darüber zu entscheiden, ob und wie Erwerbsziele mit dem Mittel der Herstellung und Verbreitung von Presseerzeugnissen angestrebt werden. Ohne Rangunterschied zwischen „publizistisch-geistigen" und „nur" organisatorisch-technischen Tätigkeiten w i r d durch A r t . 12 Abs. 1 GG die ganze Bandbreite der selbständigen und abhängigen Presseberufe erfaßt, also — u m nur einige traditionelle Berufsbilder anzuführen — der Beruf des Verlegers, Verlagskaufmanns, Redakteurs, Setzers, Druckers etc. Wenn hier die Presseberufsfreiheit nicht dem Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG, sondern dem des A r t . 12 Abs. 1 GG zugeordnet wird, hat dies Konsequenzen für die Bestimmung des grundrechtlich 6

v. Mangoldt-Klein, Bd. I, A n m . I V 2 a), S. 370. BVerfGE 7, S. 377 (S. 401); 17, S. 269 (S. 276). 8 Diese Auslegung zeigt vor allem, daß sich die Rechtsprechung des B V e r f G nicht über die Grenze des Wortlauts des A r t . 12 I GG hinwegsetzt, sondern sich i m Rahmen zulässiger Argumentation u m den Normtext hält. 9 Z u dieser S t r u k t u r als Erlaubnis- u n d Verbotsnormen vgl. bereits oben § 8 I I 1. 7

§10 Berufsfreiheit u n d Eigentumsgarantie

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geschützten Personenkreises; denn die Grundrechtsträgerschaft des A r t . 12 Abs. 1 GG steht nicht jedermann, sondern nur allen deutschen Zivilpersonen zu. Die mit recht unterschiedlichen Argumenten u m die „Schutzfunktion" der Pressefreiheit diskutierte Frage, ob und inwieweit die Pressetätigkeit von Ausländern grundrechtlich geschützt ist 1 0 , läßt sich über die hier entwickelte dogmatische Konstruktion eindeutig beantworten, ohne auf unausgewiesene Wertungen über die Holle ausländischer Beiträge zur öffentlichen Meinungsbildung i n der Bundesrepublik ausweichen zu müssen: Während die Pressefreiheit als Menschenrecht auch allen ausländischen natürlichen Personen zusteht 11 , können diese für den Grundrechtsschutz ihres Presseberufs nicht A r t . 12 Abs. 1 GG, sondern nur A r t . 2 Abs. 1 GG geltend machen, der auch insoweit als Auffanggrundrecht fungiert 1 2 . Ausländische natürliche Personen bleiben demnach nicht ohne jeden grundrechtlichen Schutz der Presseberufsfreiheit, sie genießen nur einen anderen, weniger intensiven Grundrechtsschutz als deutsche Zivilpersonen. 2. Die Vorbehaltsschranke des Art. 12 Abs. 1 S. 2 G G

Während i n A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG das grundrechtliche Garantieobjekt nicht über die Angabe bestimmter Handlungsarten, sondern nur als auf Erwerbsziele gerichtete Wahlentscheidung beschreibbar ist, kann i n A r t . 12 Abs. 1 S.2 GG das gesetzliche Hegelungsobjekt nur als „Berufsausübung", als Ausführungshandlung jener Entscheidung an10 Vgl. für eine Reduktion der Grundrechtsträgerschaft des A r t . 5 I GG auf Deutsche: Ridder, Meinungsfreiheit, S. 269; Erbel, JuS 1971, S. 34 ff. (S. 35), der zwischen „kleiner" Meinungsfreiheit als Menschenrecht u n d „großer" als Bürgerrecht unterscheiden w i l l ; auch Kemper, S. 29, sieht die Gefahr, „daß eine ausländische Macht die deutsche Presse unter Berufung auf die Pressefreiheit unterwandert" u n d w i l l Ausländer daher v o n der „ M i t w i r k u n g i n der deutschen Presse" ausschließen; a. A . die herrschende Meinung: Rebe, Träger, S. 73 f.; Löffler/Ricker, HdbPrR., 8. Kap., Rdnr. 1, S.41; Herzog, in: MDHSch., A r t , 5, Rdnr. 16. 11 Dagegen w i r d die Grundrechtsträgerschaft ausländischer juristischer Personen gem. A r t . 19 I I I GG eindeutig ausgeschlossen; vgl. Dürig, i n : MDHSch., A r t . 19 I I I , Rdnr. 31. Wenn Hendrichs, in: v. Münch, A r t . 19, Rdnr. 31, für diesen Ausschluß ausländischer juristischer Personen keinen „einleuchtenden Grund" zu erkennen vermag, berechtigt dies nach allen Regeln der juristischen Interpretation längst nicht dazu, sich über den k l a r e n W o r t l a u t des A r t . 19 I I I GG einfach hinwegzusetzen. 12 Auch BVerfGE 35, S. 382, sieht A r t . 2 I GG als Auffanggrundrecht v o n Ausländern, w o Deutschen-Rechte versagen. Z u m Streitstand i n der L i t e ratur vgl. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S.31 m. N. i n F N 27, S. 334 ff. Die gegenteilige Auffassung, die die Berufsfreiheit durch das spezielle DeutschenRecht des A r t . 12 I G G für „thematisch verbraucht" h ä l t u n d daher den Rückgriff auf A r t . 2 I GG ausschließt, basiert auf der unzutreffenden Annahme, die Einzelgrundrechte regelten einen bestimmten „Lebensbereich" (ζ. B. „Beruf") abschließend u n d i h r „persönlicher Geltungsbereich" gehöre nicht zum Garantietatbestand, sondern zur Rechtsfolgenseite (vgl. Schwabe, S. 334).

18 Degen

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

gegeben werden. Denn die innere Entscheidungsbildung kann durch Rechtsnormen nicht unmittelbar beeinflußt werden 1 3 , kontrollierbare Sieuerungseffekte sind nur über Verhaltensnormen erreichbar, die als Verbots- oder Gebotsnormen äußeres Verhalten tatbestandlich erfassen. Die Verhaltensregulierung, die dem Gesetzgeber durch die Vorbehaltsschranke des A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG erlaubt wird, kann sich auf jegliche A r t von Handlung, m i t der Erwerbsziele angestrebt werden, erstrecken und erfaßt damit die gesamte berufliche Betätigung einschließlich der Berufsaufnahme. Von daher kann dem Bundesverfassungsgericht darin zugestimmt werden, daß sich die staatliche Regelungsbefugnis gem. A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG sowohl auf das „Ob" als auch auf das „Wie" der Berufstätigkeit erstreckt 14 . Da solche berufsregelnden Verhaltensnormen die Menge an Möglichkeiten verringern, auf Erwerbsziele bezogene Entscheidungen zu verwirklichen und damit Einschränkungen der als Entscheidungsfreiheit konzipierten Berufsfreiheit bewirken 1 5 , hat der schrankenziehende Gesetzgeber seiner Argumentationslast zu genügen: Er muß begründen, daß das berufsregelnde Gesetz zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und notwendig ist. Wie gem. A r t . 5 Abs. 2 GG ist auch gem. A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG der W i r k lichkeitszustand darzulegen, der mit der Normierung angestrebt w i r d und das öffentliche Interesse aufzuweisen, dessen Wahrung mit der Normierung bezweckt wird, allerdings ohne das es auf dessen wertende Gewichtung als „überragend wichtig" oder „wichtig" ankommt 1 6 . Zudem hat die Argumentation der öffentlichen Gewalt an der „Berufsaus13 Vorstellbar ist allenfalls die normative Vorgabe v o n Entscheidungsmaß Stäben; deren Beachtung durch die Zivilpersonen wäre aber n u r dadurch zu erreichen, daß ihnen gegenüber der öffentlichen Gewalt die Rechtfertigungsu n d Argumentationslast für ihre Entscheidungen auferlegt würde; damit würde die grundrechtliche Erlaubnisvermutung zugunsten der Zivilpersonen unter dem Vorbehalt staatlicher Argumentationslast für Beschränkungen aber ins gerade Gegenteil verkehrt werden. Die grundrechtliche Erlaubnisn o r m s t r u k t u r ist also n u r so aufrecht zu erhalten, daß dem Staat die Regulierung v o n erkennbarem Verhalten zugewiesen w i r d . 14 So i m Ergebnis auch das B V e r f G (E 7, S. 377 [S. 403]), das hier jedoch i m Widerspruch zur Auslegung des Garantietatbestandes den Gegensatz z w i schen „Berufswahl" u n d „Berufsausübung" Wiederaufleben läßt; vgl. die K r i t i k bei Maunz, in: MDHSch., A r t . 12, Rdnr. 35. 15 „Regeln" u n d „Einschränken" sind keine Gegensätze, sie erfassen denselben Sachverhalt n u r unter verschiedenen Aspekten: Während „Einschränken" das Ergebnis staatlichen Handelns aus der Perspektive der Zivilpersonen, nämlich i h r e n Verlust an Freiheit erfaßt, akzentuiert „Regeln" das M i t t e l der Setzung v o n Verhaltensnormen u n d spricht das Ergebnis als Gew i n n an Ordnung an. Anders das B V e r f G (E 7, S. 377 [S. 403 f.] ; 13, S. 97 [S. 122]), nach dem „Regeln" eine Konkretisierung der immanenten Grenzen der Berufsfreiheit bedeuten soll. 16 Anders die Rechtsprechung des BVerfG: E 7, S. 377 (S. 405 ff.); 41, S. 373 (S. 395); zur K r i t i k vgl. Schlink, Abwägung, S. 48 ff.

§ 10 Berufsfreiheit u n d Eigentumsgarantie

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Übung" als dem möglichen erkennbaren Berufsverhalten anzuknüpfen, durch das der einzelne — wie das Bundesverfassungsgericht formuliert — „unmittelbar i n das soziale Leben" eingreift; die Regelungsbefugnis des Gesetzgebers ist u m der Berufsausübung w i l l e n gegeben und nur unter diesem Gesichtspunkt sind Berufsregelungen zulässig 17 . Dieser „Ausübungsbezug" der Argumentation ist dadurch herzustellen, daß die möglichen Gefahren und Nachteile für die „Allgemeinheit" i. S. einer unbestimmten Personenvielzahl aufgewiesen werden, die durch das ungeregelte Berufsverhalten hervorgerufen werden können 18 . Dazu reicht es allerdings nicht aus, i n allgemein gehaltenen Formulierungen solche Gefahren und Nachteile zu prognostizieren; vielmehr muß auf der Grundlage empirischer Daten und mittels bewährter empirischer Hypothesen präzise angegeben werden, welche konkreten Gefahren für welche Personen und welche Güter m i t Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit eintreten können 19 . Von daher w i r d es insbesondere nicht genügen, pauschal auf die Gefährdung von „Gemeinschaftsgütern" m i t großer Abstraktionshöhe, etwa der Funktionsfähigkeit der Demokratie, zu verweisen. Weiter ist wiederum der Zusammenhang von Geeignetheit und Notwendigkeit durch eine Argumentation m i t bewährten empirischen Hypothesen und Theorien zu begründen. Bei der Überprüfung der Notwendigkeitsbegründung berufsregelnder Gesetze ist — wie Bernhard Schlink i n seiner Untersuchung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu A r t . 12 GG näher gezeigt hat — das Ordnen, Vergleichen und wertende Gewichten von Gemeinschafts- und Individualgütern entbehrlich 20 . Soziale Wertungen, die i m Rahmen der Prognose von Gefahren der ungeregelten Berufstätigkeit, der Beurteilung von deren Schwere und der Abwägung der Angemessenheit des eingesetzten Mittels zur Erreichung des angestrebten Regelungsziels anfallen, sind über globale Nutzen- oder Wertkonzepte nicht zu bewältigen, sie sind daher prinzipiell der Dezision des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorzubehalten 21 . Von daher muß die Intensität der Rechtmäßigkeitskontrolle berufsregelnder Gesetze nach Maßgabe der 17

BVerfGE 7, S. 377 (S. 402 f.). W e n n i n der Rechtsprechung des B V e r f G auch oft das Erfordernis des Schutzes von „Gemeinschaftsgütern" i n den Vordergrund t r i t t , w i r d doch stets der Aufweis ausübungsbedingter Gefahren verlangt: BVerfGE 7, S. 377 (S. 404 if.); 11, S. 168 (S. 186); 17, S. 269 (S. 276 f.); 19, S. 330 (S. 338, 340 f.); 21, S. 245 (S. 249 ff.); 23, S. 50 (S. 56); 25, S. 236 (S. 247); 34, S. 71 (S. 78 f.); 36, S. 212 (S. 223): „berufsbezogenes Gemeinwohl argument" ; 37, S. 67 (S. 77 f.); 38, S. 373 (S. 381 f.). 19 Formulierung i n A n l e h n u n g an BVerfGE 11, S. 168 (S. 186). 20 Schlink, Abwägung, S. 68 ff.; zustimmend hierzu: Goerlich, RTh. 8 (1977), S. 231 ff. (S. 234). 21 Vgl. näherhin Schlink, Abwägung, S. 64 ff., 177 ff., 210 ff. 18

18*

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

umfassenden Verhältnismäßigkeitsabwägung verabschiedet werden und durch ihre Orientierung am Horizont des Gesetzgebers ersetzt werden, wie sie sich i n den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Mineralölbevorratungspflicht 22 und zum Mühlenstrukturgesetz 23 andeutet. Grosso modo ist die Rechtmäßigkeitskontrolle auf die Prüfung gesetzgeberischer Verhaltenskonsistenz, d. h. der Schlüssigkeit der vom Gesetzgeber selbst vorgebrachten Gefahrenprognosen und Zielargumentationen zurückzunehmen 24 . I m Rahmen der Begründung berufsregelnder Gesetze ist das legislatorische Argumentationsarsenal aber nicht auf dieselbe Weise wie in A r t . 5 Abs. 2 GG beschränkt, sondern hier sind Argumente, die strukturell den durch A r t . 5 Abs. 2 GG ausgeschlossenen entsprechen, gerade zugelassen. Es darf auf die Qualität und die Wirkung der „Berufsausübung" abgestellt werden. Wenn etwa Gesetze gem. A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG subjektive Zulassungsvoraussetzungen aufstellen, läßt sich ihre Notwendigkeit nicht ohne Bezug auf die schädlichen Wirkungen einer Berufsausübung ohne besondere Ausbildung, Sachkundenachweis o. ä. begründen. Und wenn Gesetze Berufsbilder prägen, können sie nicht als notwendig gerechtfertigt werden, ohne Inhalt und Wirkung ihrer Ausübung darzulegen 25 . Würde man gesetzliche Regelungen der Presseberufe allein nach Maßgabe des Gesetzesvorbehalts des A r t . 12 Abs. 1 S.2 GG für zulässig erklären, so dürfte die gesetzgeberische Argumentation also an inhaltlicher Qualität und geistiger W i r k u n g beruflicher Pressetätigkeit anknüpfen. Subjektive Voraussetzungen für die Zulassung zum Journalistenberuf könnten z.B. damit als notwendig begründet werden, daß die Gefahren für die „Allgemeinheit" aufgewiesen werden, die von dem gegenwärtigen Zustand ausgehen, bei dem die Journalistenausbildung gesetzlich nicht geregelt ist, sondern i n Verantwortung der Verlage durch ein betriebliches Volontariat erfolgt. Diese Gefahren könnten aufgrund empirischer Studien über die Volontärsausbildung 2 6 darin ausgemacht werden, daß nur i m Volontariat ausgebildete Journalisten mangels zureichender Berufsqualifikation an den Informationsbedürfnissen der Leser vorbeigehen und eine unausgewogene, unkritische Berichterstattung produzieren müßten. Weiter könnte argumentiert werden, über bewährte empirische Hypothesen 22 BVerfGE 30, S. 292 (S. 316 f.), wo allerdings an der Verhältnismäßigkeitsabwägung prinzipiell festgehalten w i r d . 23 BVerfGE 39, S. 210 (S. 225 f.). 24 Vgl. zur Konsistenzkontrolle als Gegensatz zur Verhaltenskontrolle: Goerlich, RTh. 8 (1977), S. 231 ff. (S. 234 f.); Schlink, Abwägung, S. 64 ff. Z u den Kontrollmaßstäben u n d der Kontrolldichte der Rspr. des B V e r f G vgl. die Analyse von H. P. Schneider, N J W 1980, S. 2103 ff., v. a. S. 2106 - 2109. 25 Schlink, Abwägung, S. 201. 26 Vgl. Kieslich, Der journalistische Nachwuchs i n der BRD, K ö l n 1974.

§ 10 Berufsfreiheit u n d Eigentumsgarantie

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lasse sich ein Zusammenhang zwischen dieser A r t von Berichterstattung und Defiziten der Kritikfähigkeit des Publikums und seiner Fähigkeit zu demokratischer Partizipation nachweisen. Zusammenfassend könnte dann von einer Gefährdung des „Gemeinschaftsguts" einer funktionierenden öffentlichen Meinung gesprochen werden 27 .

I I . Tatbestand und Schranken der Eigentumsgarantie 1. Der Garantietatbestand des Art. 14 Abs. 1 S. 1 G G : Eigentum als gegenstandsbezogene private Entscheidungskompetenz

Bereits i m Zusammenhang m i t der Problemexposition zum Verhältnis zwischen Pressefreiheit und Eigentumsgarantie wurde die These vertreten, daß A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht gewisse A r t e n von Handlungen i m vermögensrechtlichen Bereich erlaubt, sondern eine durch einen Rechtstitel legitimierte private Entscheidungskompetenz hinsichtlich wirtschaftlicher Güter garantiert 2 8 . Die Auslegung von „Eigentum" als private Entscheidungskompetenz läßt sich — ähnlich wie bei der Berufsfreiheit und auch bei der Pressefreiheit — damit begründen, daß die Grundrechtsnormen ihre rechtliche Faßbarkeit und ihre Regulierungsleistung dadurch erhalten, daß sie aus sozialen Verflechtungszusammenhängen bestimmte Aspekte abstrahieren und an diesen isoliert anknüpfen 29 . Bei A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG kann zunächst davon ausgegangen werden, daß wirtschaftliche Güter Objekte von völlig verschiedenen Verhaltensweisen sein können. Die Menge solcher Verhaltensmöglichkeiten kann über die Verfassung weder inventarisierend noch klassifizierend erfaßt werden, ohne die Zahl denkbarer Verhaltensalternativen deutlich zu reduzieren und so innovatives Verhalten zu erschweren. Wenn es bei der Eigentumsgarantie wie bei den anderen Grundrechtsnormen u m Erlaubnisvermutungen für menschliches Verhalten gehen soll, kann für einen rechtstechnisch faßbaren Grundrechtsschutz des privaten Umgangs mit wirtschaftlichen Gütern nur isoliert am Entscheidungsmoment 30 angeknüpft werden, daß jedes Verhalten auszeichnet. Die Vielfalt wirtschaftlichen Verhaltens kann so voll erfaßt 27

Vgl. dazu vorerst Langenbucher, in: Schiwy/Schütz, S. 22 ff. Vgl. oben § 9 I 1. Die Auslegung des A r t . 14 GG w i r d i m folgenden nicht v o n vornherein funktional-teleologisch ausgerichtet, w i e Jann Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 11 ff. dies jüngst vorgeschlagen hat, sondern anhand der oben i n § 8 entwickelten falsifizierenden K r i t e r i e n angegangen. 29 Dies findet sich schon bei M. Wolff , Reichsverfassung u n d Eigentum, S. 6, angedeutet: „Der Privatrechtstechnik steht die Reichs- (wie jede) V e r fassung gleichgültig gegenüber." 30 Vgl. näherhin Weinberger, Logik, S. 117 f. 28

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

werden. Die Entscheidungsstruktur des Eigentums kann zwar dem Normtext des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht unmittelbar entnommen werden, da sich die Verfassung „nicht mit rechtstechnischen Figuren beschäftigt, diese vielmehr als vorhanden voraussetzt und h i n n i m m t " 3 1 ; frühere gesetzliche Definitionen des Sacheigentums weisen diese Strukt u r aber ganz deutlich aus. Wenn das Sacheigentum auch — wie Dieter Suhr es treffend formuliert — „ i m durchdringenden Licht des A r t . 14 . . . zu einem Vermögenswerten Recht unter vielen, vielen anderen w i r d " , so bekommt man es beim Sacheigentum doch mit dem elementaren Fall von Eigentum zu tun, bei dem seine Strukturen relativ einfach herausgearbeitet werden können 32 . Die Struktur des Eigentums als wirtschaftliche Entscheidungsbefugnis w i r d schon i n der Legaldefinition des § 1 18 PrALR deutlich akzentuiert: „Eigentümer heißt derjenige, welcher befugt ist, über die Substanz einer Sache, oder eines Rechts, m i t Ausschließung anderer, aus eigener Macht, durch sich selbst oder durch einen Dritten, zu verfügen 3 3 ."

Gleichermaßen w i r d i n §903 BGB, an dessen Definition ja die Eigentumsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer noch anknüpft 3 4 , das Entscheidungselement herausgestellt, wenn dem Sacheigentümer das Recht zugesprochen wird, „ m i t der Sache nach Belieben zu verfahren u n d andere v o n jeder E i n w i r k u n g auszuschließen".

Diese Entscheidungsstruktur durchzieht nicht nur den „Idealtyp" 3 5 des Sacheigentums, sondern gleichermaßen i n je individueller Ausprägung alle subjektiven Vermögenswerten Rechte. Es sei nur daran erinnert, daß die traditionelle Dogmatik das subjektive Recht wesentlich als private Willensmacht, als privates Wollendürfen und damit als Entscheidungskompetenz Privater gekennzeichnet hat 3 6 . Getroffen werden so nicht nur Vermögenswerte absolute und relative subjektive Rechte des Privatrechts — neben dem Sacheigentum also insbesondere das „geistige" Eigentum 3 7 , die Sach- und Rechtsgesamtheit des Gewerbebetriebs 38 und Forderungsrechte 39 — sondern auch Vermögenswerte 31 O. Kirchheimer, Die Eigentumsgarantie i n Reichsverfassung u n d Rechtsprechung, S. 8. 32 Suhr, Entfaltung, S. 193, 198 f. 33 A L R , Textausgabe, S. 98. 34 BVerfGE 1, S. 264 (S. 268); 28, S. 119 (S. 142). 35 Suhr, Entfaltung, S. 199. 36 Enneccerus/Nipperdey, Bd. 1, §72, S. 428 ff.; vgl. zudem oben § 1 I I 1. 37 BVerfGE 31, S. 229 (S. 240 ff.); 36, S. 281 (S. 290). 38 BVerfGE 1, S. 264 (S. 277 f.); 13, S. 225 (S. 229). 39 BVerfGE 42, S. 263 (S. 264, 293).

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öffentlich-rechtliche Rechtspositionen von Privaten 4 0 . Die Entscheidungsstruktur für jede Einzelposition detailliert nachzuweisen, kann hier allerdings nicht geleistet werden. Die Eingrenzung der privaten Entscheidungsbefugnis w i r d nicht über die Angabe eines Entscheidungszwecks, sondern den Bezug auf bestimmte Verhaltensobjekte, nämlich auf wirtschaftliche Güter geleistet. Denn die Wahl von Verhaltenszielen, die unter Einsatz w i r t schaftlicher Güter angestrebt werden, kann durch ganz unterschiedliche Zwecke gelenkt werden, die allein von dem individuellen Präferenzsystem des privaten Entscheidungsträgers abhängen. Der wirtschaftliche Aspekt von Verhalten ist i n der sozialen Wirklichkeit m i t familiären, moralischen und politischen Rollenaspekten i n einem institutionalisiert, die normative Vorstellungswelt des wirtschaftlich Entscheidenden läßt sich nicht einseitig als moralisch, politisch etc. beschreiben, sie ist all dies zusammen und läßt sich i n ihrer Vielfalt rechtlich nicht fassen 41. Jede rechtliche Isolierung eines Zwecks müßte die Menge denkbarer wirtschaftlicher Verhaltensweisen deutlich verringern und eine private Rechtfertigungslast nach sich ziehen, über die die Entscheidungsfreiheit beseitigt werden würde. Die grundrechtliche Gewährleistung von Eigentum abstrahiert daher von den Entscheidungszwecken, sie ermöglicht so, daß die Auswahl unter den Verwendungsalternativen w i r t schaftlicher Güter durch eine subjektive Präferenzstruktur geordnet wird. Es kann gesagt werden, daß die letzte Rechtfertigung der Eigentumsgarantie i n der Subjektivität und Unvergleichbarkeit individueller Präferenzstrukturen liegt 4 2 . A r t . 14 Abs. 2 GG steht dieser Auslegungshypothese nicht entgegen, denn dieser redet nur von den gesellschaftlichen Wirkungen des Eigentumsgebrauchs und läßt die Zweckwahl des Eigentümers völlig offen. Während A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG von Entscheidungszwecken und Verhaltensarten abstrahiert, w i r d der Bezug auf bestimmte Verhaltensobjekte, auf wirtschaftliche Güter herausgestellt. Der „rechtstechnische Kunstgriff" beim Eigentumsschutz besteht — wie Dieter Suhr es aus40 Das Problem, i n w i e w e i t öffentlich-rechtliche Vermögenswerte Rechte Privater als Eigentum behandelt werden können, k a n n hier nicht aufgerollt werden. Vgl. dazu BVerfGE 1, S. 264 (S.278f.); 2, S. 380 (S. 399 ff.); 4, S. 219 (S. 240 f.); 16, S. 94 (S. 111 f.); 18, S. 392 (S. 397); 24, S. 220 (S. 225 f.); 40, S. 65 (S. 83 f.), wo i m wesentlichen darauf abgestellt w i r d , ob die Position, da durch eigene Leistung oder eigenes Opfer erworben, so „stark" ist, daß sie dem privatrechtlichen Eigentum gleichkommt. Vgl. hierzu kritisch u n d i m Ergebnis weitergehend: Abweichende Meinung der Richterin Rupp-v. Brünneck, BVerfGE 32, S. 129 (S. 141 ff.); Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 369 ff.; Maunz, in: MDHSch., A r t . 14, Rdnr. 37; Dicke, in: v. Münch, A r t . 14, Rdnr. 17 ff.; Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 44 ff. 41 Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 110. 42 Ebenda, S. 123 m. F N 44; kritisch hierzu: Suhr, Entfaltung, S. 204.

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drückt — darin, daß zwar jeweils nur eine TezZfreiheit, nämlich die durch die Innehabung des jeweiligen Gegenstandes vermittelte, verbürgt wird, daß es sich aber u m eine vergegenständlichte Teilfreiheit, die erkennbar und greifbar ist, handelt; insofern ist Eigentum eine „Parzelle gegenstandsbezogener Freiheit" 4 3 . Wegen dieses Gegenstandsbezugs geht es beim Eigentum darum, daß Zivilpersonen verbindlich über die Ziele entscheiden dürfen, welche mit eigenem oder fremdem Verhalten angestrebt werden, dessen Objekte wirtschaftliche Güter sind. Eigentum ist also als Mensch-Objekt-Beziehung gebaut, die rechtlich als Kompetenz von Zivilpersonen zu objektbezogenen Entscheiden gefaßt wird. Als Recht beschränkt sich Eigentum nicht auf die „Sachherrschaft" i m Sinne einer Beziehung zwischen Mensch und Sache, sondern gewinnt Bedeutung nur insoweit, als andere Personen den Zugang zum Eigentumsobjekt begehren 44 . Über die Eingrenzung auf den Objektbezug gewinnt die private Entscheidungskompetenz ihren Sozialbezug: sie w i r d für alle anderen Zivilpersonen wie für die öffentliche Gewalt verbindlich. Für das Sacheigentum w i r d dieser Effekt i n § 903 BGB klar m i t der Formel von der Ausschließung anderer ausgedrückt und die zivilistische Dogmatik hat dafür den Begriff des absoluten subjektiven Rechts parat, dessen Eigenart i n der Wirkung gegenüber jedermann ausgemacht wird 4 5 . Wegen dieses über den Objektbezug vermittelten Sozialbezugs ist das Eigentum ein „eminent zwischenmenschliches Phänomen"; „aus der Freiheit am und durch den seelenlosen Gegenstand ist" — wie Suhr formuliert — „ W i l l k ü r über die am Gegenstand beteiligten Menschen geworden" 46 . Offen bleibt i n A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG zunächst, auf welche w i r t schaftlichen Güter sich die private Entscheidungsbefugnis erstrecken soll, was also Eigentumsobjekt sein soll. Man kann zwar grob zwischen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern und bei ersteren zwischen Naturschätzen, Grund und Boden, Produktionsmitteln und Konsumgütern unterscheiden 47 , doch damit steht nicht ein für allemal und i n rechtlich genügend faßbarer Weise fest, welche Güter als Eigentumsobjekte behandelt werden müssen. Wenn sich ein wirtschaftliches Gut dadurch auszeichnet, daß es i m Verhältnis zum gesellschaftlichen Bedarf knapp ist und nur unter Aufwendung von Kosten zu erlangen ist 4 8 , dann handelt es sich u m eine variable Größe. Die Ge43

Suhr, Eigentumsinstitut, S. 20. Rittstieg, Eigentum, S. 316 m. w . N.; i m Ansatz auch Ramsauer, F a k tische Beeinträchtigungen, S. 25. 45 Enneccerus/Nipperdey, Bd. 1, § 72, S. 433. 46 Suhr, Eigentumsinstitut, S. 42. 47 Diese Unterscheidung k l i n g t i n A r t . 15 GG deutlich an. Vgl. dazu näher: Podlech, DSt. 15 (1976), S. 31 ff. (S. 42). 44

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meinsamkeit wirtschaftlicher Güter besteht unter den Bedingungen einer bürgerlichen Verkehrswirtschaft so nicht nur i n ihrem Gebrauchswert, sondern auch i n ihrem Tauschwert und insofern letztlich i n ihrem Geldwert 4 9 . A r t . 14 Abs. 3 S. 2 GG verdeutlicht, daß A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG kein Eigentum kennt, das nicht i n Vermögensäquivalent meßbar wäre 5 0 . Welche Vermögenswerten Güter i m einzelnen als Eigentumsobjekte rechtlich geschützt werden sollen, kann auf der Verfassungsebene nicht umrissen werden. Dies wäre auch wenig wünschenswert, da m i t der verfassungsrechtlichen Fixierung wirtschaftliche Wandlungsprozesse nicht m i t hinreichender Flexibilität berücksichtigt werden könnten. Es bedarf daher der gesetzlichen Normierung, u m den Kreis der als Eigentumsobjekte geschützten Vermögenswerten Güter abzustecken und faßbar zu machen. Eigentumsobjekt gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG ist daher nur das, was durch Gesetz dazu erklärt wurde 5 1 . M i t der Ausweitung des klassischen Eigentumsbegriffes w i r d der Verfassungsschutz des Eigentums heute — pauschal ausgedrückt — auf alle Vermögenswerten subjektiven Rechte Privater erstreckt 52 . Offen bleiben muß i n A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG weiterhin, nach welchen rechtlichen Regeln die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich eines konkreten Eigentumsobjekts einer konkreten Person zugeordnet werden soll. Diese Zuordnung — vom Bundesverfassungsgericht als Abgrenzung privater Vermögensbereiche angesprochen 53 — kann ebenfalls nur auf der Ebene unterverfassungsrechtlicher Normierung geleistet werden; sie muß sich nach den positiv-rechtlichen Regeln über den Erwerb von Rechtstiteln richten. Eigentümer heißt also nur der, welcher einen Eigentumstitel nach den entsprechenden rechtlichen Regeln erworben hat 5 4 . 48

Sellien/Sellien, Gablers Wirtschaftslexikon, Bd. 4, S. 643. Suhr, Eigentumsinstitut, S.22ff.; auch das BVerfG (E 36, S. 281 [S. 290]) sieht n u r „Vermögenswerte Güter" als Eigentumsobjekte an; zur Rolle des Geldes i m Zusammenhang m i t der Eigentumsgarantie: Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 110 ff. 50 Suhr, Eigentumsinstitut, S. 22. 51 BVerfGE 24, S. 367 (S. 396); 37, S. 132 (S. 141); Ramsauer, Faktische Beeinträchtigungen, S. 26, 74 f. 52 Vgl. die Formulierung v o n Maunz, in: MDHSch., A r t . 14, Rdnr. 37: „ A r t . 14 schützt m i t h i n nicht private Vermögensrechte, sondern Vermögensrechte Privater." Z u dieser Auflösung des klassischen Eigentumsbegriffs u n d seinen Folgen, insbesondere für die Rolle der Rechtsprechung: C. Schmitt, Die A u f lösung des Enteignungsbegriffs, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 110 ff.; O. Kirchheimer, Die Eigentumsgarantie i n Reichsverfassung u n d Rechtsprechung, S. 7 ff. 53 BVerfGE 14, S. 263 (S. 277). 54 BVerfGE 20, S.31 (S.34); 30, S.292 (S.334f.); 31, S. 312 (S.321); 38, S. 61 (S. 102), wo hervorgehoben w i r d , daß A r t . 14 I 1 GG lediglich Rechtspositionen schützt, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen. 49

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Der Inhalt der wirtschaftlichen Entscheidungskompetenz des Eigentümers läßt sich — orientiert an der historischen Entwicklung des Eigentumsbegriffs 55 — grob angegeben mit der Verfügungsbefugnis am Eigentumstitel, der Kompetenz zur Entscheidung über die Nutzung des Eigentumsobjekts sowie der Befugnis zur Aneignung der mit Hilfe jenes Gegenstandes unter Einsatz von Arbeit erzeugten Produkts oder erzielten Gewinns 56 . Die Entscheidungskompetenzen des Eigentümers differenziert auszuformen, kann wiederum nur auf der Ebene gesetzlicher Regelung gelingen 57 . A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG enthält also, wie es das Bundesverfassungsgericht treffend ausdrückt, keinen „absoluten" Begriff des Eigentums 58 ; garantiert w i r d nicht eine feste, sondern eine variable Größe, die für allgemein verbindliche wirtschaftliche Entscheidungskompetenzen von Zivilpersonen i m Rahmen einer staatlich organisierten Gesellschaft steht 59 . A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG stellt so — wie Adalbert Podlech gezeigt hat — eine verfassungsrechtliche Meta-Entscheidung dar, die man als „Institutsgarantie" bezeichnen mag: Der Staat entscheidet, Zivilpersonen entscheiden zu lassen. „Betrachtet man den Wirtschaftskreislauf als Resultat einer Vielzahl von Entscheidungen der Millionen privater Haushalte, der Unternehmungen und der öffentlichen Haushalte, so weist Eigentum Entscheidungskompetenzen i m Wirtschaftskreislauf zu 6 0 ." A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG beinhaltet dann die Entscheidung, daß eine Teilmenge aller möglichen wirtschaftlichen Entscheidungen von privaten Entscheidungsträgern getroffen wird, wozu nicht nur Konsumwahl-, sondern auch Unternehmensentscheidungen zu rechnen sind. Die „Institutsgarantie" sichert so, daß „der einzelne am Aufbau und an der Gestaltung der Wirtschaftsordnung eigenverantwortlich, autonom und m i t privatnütziger Zielsetzung m i t w i r k e n kann" 6 1 . Bei dieser Grund55 Dementsprechend orientiert sich das B V e r f G (E 1, S.264 [S. 268] ; 28, S. 119 [S. 149]) an dem Eigentumsbegriff, w i e er duròh das bürgerliche Recht u n d die gesellschaftlichen Anschauungen geprägt wurde. Z u r Geschichte näher: Rittstieg, Eigentum, S. 1 - 272. 56 Podlech, DSt. 15 (1976), S. 31 ff. (S. 44) m i t interessanten historischen Hinweisen zur E n t w i c k l u n g des Appropriationsrechts, S. 37 ff. 57 BVerfGE 14, S. 263 (S. 277); 20, S. 351 (S. 356); 24, S. 367 (S. 396); 37, S. 132 (S. 141); B V e r f G N J W 1979, S. 699 ff. (S. 703) — Mitbestimmung —. 58 BVerfGE 20, S. 351 (S. 355); 31, S. 229 (S. 240). 59 Podlech, DSt. 15 (1976), S. 31 ff., entwickelt sehr differenziert, daß Eigent u m eine Variable i m Aufbau staatlich organisierter Gesellschaften ist. 60 Ebenda, S.44; unter Kommunikationsaspekten auch Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 110 ff.; zur Institutsgarantie zuerst M. Wolff, Reichsverfassung u n d Eigentumsgarantie, S. 5 f. 61 B V e r f G N J W 1979, S. 699 ff. (S. 704), das den Akzent w i e i n E 24, S. 367 (S. 389); 31, S. 229 (S. 239) aber auf die Sicherung der persönlichen Freiheit

§10 Berufsfreiheit u n d Eigentumsgarantie

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entscheidung handelt es sich aber nur u m eine Vermutung, die rechtstheoretisch eine Erlaubnisordnung konstituiert: Auf allen Gebieten, für die der Staat sich nicht das Monopol der wirtschaftlichen Entscheidung vorbehalten hat oder für die er nicht von der Sozialisierungsermächtigung des A r t . 15 GG Gebrauch gemacht hat, sind die wirtschaftlichen Entscheidungen privaten Entscheidungsträgern mitübertragen, deren Kompetenz sich i m einzelnen aus der einfachen Rechtsordnung ergeben 62 . I m Vergleich zu anderen Grundrechten besteht die Besonderheit der „Individualgarantie" des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG darin, daß ihr Garantiegehalt erst i m Verbund mit einfach-gesetzlichen Normen vollständig erfaßbar wird: Erst, nachdem der Staat Eigentumsrechte für bestimmte Eigentumsobjekte gesetzlich eingerichtet hat und nachdem die Z i v i l personen derart gesetzlich geprägte Eigentümerpositionen für konkrete Eigentumsobjekte erworben haben, kann der Grundrechtsschutz des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG greifen. Er erstreckt sich so nur auf diejenigen Personen, die entsprechend den gesetzlichen Regeln einen Eigentumstitel erworben haben; insofern kann A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG mit dem Bundesverfassungsgericht als „Rechtsträgergarantie" bezeichnet werden 63 . Sachlich erstreckt sich der Grundrechtsschutz nur auf bereits erworbene gesetzlich geprägte Entscheidungskompetenzen über konkrete Eigentumsgegenstände; von daher ist dem Bundesverfassungsgericht zuzustimmen, wenn es A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG als „Bestandsgarantie" kennzeichnet 64 . Das subjektive öffentliche Recht des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG schützt — anders ausgedrückt — erworbene subjektive Rechte an Vermögenswerten Gütern. Der verfassungsrechtliche Bestandsschutz des ZuordnungsVerhältnisses zwischen Eigentumsobjekt und Eigentümer stellt sich aber wiederum nur als Vermutung dar, die i m Enteignungsfall widerlegt werden kann. Gelegentlich der Beseitigung des erworbenen konkreten Zuordnungsverhältnisses durch administrativen Einzelakt oder durch Gesetz schlägt die Bestandsgarantie — wie schon Martin Wolff gezeigt hat — wegen des Entschädigungsjunktims des A r t . 14 Abs. 3 S. 2 GG i n eine Eigentumswertgarantie um 6 5 . I m Enteignungsfall bleibt dem Eigentümer die verfassungsrechtliche Mindestposition gewährleistet, daß i h m nicht auch der Vermögenswert des entzogenen Eigentumsobjekts vollständig genommen w i r d 6 6 . legt. Hierzu kritisch Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 121 ff., der den gesamtwirtschaftlichen Effekt i n den Vordergrund stellt, ohne die F u n k t i o n f ü r die individuelle Persönlichkeitsentfaltung prinzipiell zu bestreiten. 62 Podlech, DSt. 15 (1976), S. 31 ff. (S. 44). 63 BVerfGE 24, S. 367 (S. 400 f.). e4 BVerfGE 24, S. 367 (S. 400 f.); 38, S. 175 (S. 184 f.); 42, S. 263 (S. 295). 65 M . Wolff , Reichs Verfassung u n d Eigentumsgarantie, S. 13; W. Weber, Die Grundrechte I I , S. 331 ff. (S. 350); Suhr, Eigentumsinstitut, S. 27.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Die grundrechtliche Erlaubnisvermutung des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG kann demnach folgendermaßen formuliert werden: Es ist erlaubt, daß alle Zivilpersonen, die gemäß den gesetzlichen Regeln einen Eigentumstitel erworben haben, i m Rahmen der vorgefundenen gesetzlichen Eigentümerkompetenzen über die Verfügung an ihrem Eigentumstitel, die Nutzung ihres Eigentumsgegenstands und die Aneignung des mit seiner Hilfe erarbeiteten Produkts oder Gewinns m i t Verbindlichkeit für jedermann entscheiden. Wenn hier vertreten wird, daß das Eigent u m an den Pressebetriebsmitteln nicht durch A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG, sondern durch A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG grundrechtlich geschützt w i r d 6 7 , so werden dem Presseeigentümer dieselben Entscheidungskompetenzen zugewiesen, die jedem Eigentümer eines Unternehmens zustehen. Abkürzend kann man sagen, daß es sich dabei vor allem u m Gewinn- und Investitionsentscheidungen 68 sowie u m Direktionsentscheidungen gegenüber Arbeitnehmern handelt. Die innerbetrieblichen Weisungsbefugnisse des Unternehmenseigentümers und seiner Beauftragten lassen sich — wie Helmut Rittstieg zutreffend formuliert — nicht allein aus dem Arbeitsvertrag erklären; denn Grundlage des Direktionsrechts ist die einseitige Verfügungsbefugnis über die Produktionsmittel 6 9 . Daher müssen auch die Direktionsentscheidungen des Verlegers hinsichtlich des Inhalts seiner Presseerzeugnisse, die i n seinem Unternehmen mit Hilfe seiner Betriebsmittel hergestellt werden, dem Grundrechtsschutz des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG unterstellt werden 7 0 . 2. Die sozialbindende Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 G G

Die Bedeutung der Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG ist bei der Darstellung des Garantietatbestandes schon deutlich angeklungen; dort wurde herausgearbeitet, daß A r t . 14 Abs. 1 S. 1 keinen „absoluten" Eigentumsbegriff enthält und sich die Reichweite des Verfassungsschutzes konkreter Eigentümerpositionen aus der gesetzlichen Eigentumsordnung ergibt 7 1 . Die gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung leistet also die rechtliche Festlegung der Eigentumsobjekte, der darauf bezogenen privaten Entscheidungskompetenzen und der Regeln über den Erwerb von Eigentumstiteln; sie gewinnt ββ

Vgl. zur Mindestposition näherhin Schlink, Abwägung, S. 80 ff. Vgl. die Zusammenfassung oben § 9 I 6. 68 Podlech, DSt. 15 (1976), S. 31 ff. (S. 44) m. w . N. 69 Rittstieg, Eigentum, S. 344; a.A.: Podlech, DSt. 15 (1976), S. 31 ff. (46). 70 So auch Hensche/Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. (S. 178). 71 B V e r f G N J W 1979, S. 699 ff. (S. 703), das den unlösbaren Zusammenhang zwischen A r t . 14 I 1,1 2, I I GG hervorhebt. 67

§10 Berufsfreiheit u n d Eigentumsgarantie

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ihre Funktion so i n Bezug auf die „Individualgarantie", nicht hinsichtlich der „Institutsgarantie": Inhalts- und schrankenbestimmende Gesetze prägen zwar das Eigentum als Rechtsinstitut, nicht jedoch die Institutsgarantie aus 72 ; denn diese ist als verfassungsrechtliche MetaEntscheidung gerade dem gesetzgeberischen Zugriff entzogen, den sie begrenzend steuern soll. Die gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung richtet also Eigentum erst als erwerbbare Vermögenswerte Rechtsposition ein und schafft so die Voraussetzung für den verfassungsrechtlichen Individualrechtsschutz erworbener Eigentümerpositionen. Der Gesetzgeber w i r d an seinem vorangegangenen Handeln festgehalten, er kann i n einmal erworbene gesetzlich geprägte Eigentümerpositionen nicht beliebig verändernd eingreifen, kann die Freiheit des Eigentümers, über die i h m zugeordneten Eigentumsobjekte im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse zu entscheiden, nicht ohne weiteres beschränken. Denn m i t der grundrechtlichen Erlaubnisvermutung des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG w i r d — wie das Bundesverfassungsgericht betont — das Vertrauen des Eigentümers auf das durch die verfassungsmäßigen Gesetze ausgeformte Eigentum geschützt 73 . Soweit der Gesetzgeber die einmal erworbene Entscheidungsfreiheit von Eigentümern beschränken w i l l , muß er „legitimierende Gründe" vorweisen können 74 , muß er seiner Argumentationslast genügen. Der Gesetzgeber steht so — wie das Bundesverfassungsgericht hervorhebt — nicht vor der Alternative „die nach dem bisherigen Recht begründeten subjektiven Rechte entweder zu belassen oder unter den Voraussetzungen des A r t . 14 GG zu enteignen", er kann vielmehr „bestehende Rechte inhaltlich umformen und unter Aufrechterhaltung des bisherigen Zuordnungsverhältnisses neue Rechte und Pflichten festlegen" 75 . Er muß jedoch — wie bei A r t . 5 Abs. 2 GG und A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG — begründen können, daß das beschränkende Gesetz zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und notwendig ist 7 6 .

72 So aber Maunz, i n : MDHSch., A r t . 14, Rdnr. 31; Dicke, i n : v . M ü n c h , A r t . 14, Rdnr. 36 m. w . N. Die Meta-Entscheidung garantiert doch nur, daß es überhaupt das Rechtsinstitut Eigentum gibt, daß also prinzipiell wirtschaftliche Entscheidungskompetenzen Privaten zu übertragen sind. Vgl. hierzu auch Ramsauer, Faktische Beeinträchtigungen, S. 74 ff. 73 BVerfGE 31, S. 275 (S. 293); 36, S. 281 (S. 293); 42, S. 263 (S. 300 f.). 74 BVerfGE 31, S. 275 (S. 293); 42, S. 263 (S. 295); näherhin: Rittstieg, Eigentum, S. 393 ff. 75 BVerfGE 31, S. 275 (S. 285); 36, S. 281 (S. 293). 76 Auch das B V e r f G (E 7, S. 198 [S. 208 f.], 42, S. 263 [S. 295]; N J W 1979, S. 699 ff. [S. 703]) verlangt die Legitimation durch das öffentliche Interesse, die Geeignetheit u n d Notwendigkeit, darüber hinaus aber auch die Z u m u t barkeit des Gesetzes, w o v o n hier abgesehen w i r d .

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Diese gesetzgeberische Argumentationslast w i r d nun durch A r t . 14 Abs. 2 GG präzisiert 77 : Die gesetzgeberische Argumentation hat am Eigentumsgebrauch als dem erkennbaren möglichen Entscheidungsverhalten von Eigentümern und dessen gesellschaftlichen Wirkungen anzuknüpfen; nur so ist eine prüfbare Argumentation über empirische Hypothesen und Theorien zuverlässig leistbar. Für den Aufweis möglicher sozialschädlicher Wirkungen des Eigentumsgebrauchs reichen — wie schon beim „Ausübungsbezug" gem. A r t . 12 Abs. 1 S.2 GG — pauschale Prognosen nicht aus; vielmehr ist zu verlangen, daß die erwarteten Wirkungen auf der Basis empirischen Materials so genau wie möglich angegeben werden. Dabei w i r d die an den gesellschaftlichen Wirkungen des Eigentumsgebrauchs orientierte Notwendigkeitsbegründung — wie das Bundesverfassungsgericht herausgearbeitet hat — um so eher gelingen, je wichtiger die soziale Funktion des jeweiligen Eigentumsgebrauchs ist, je mehr andere Personen von den Eigentümerentscheidungen betroffen werden und je intensiver die Entscheidungsfolgen für andere sein können 78 . Die Kontrolle der Notwendigkeitsbegründung sozialbindender Gesetze ist allerdings wiederum auf die Überprüfung der gesetzgeberischen Verhaltenskonsistenz zu reduzieren. Die sozialen Wertungen, die bei der Prognose sozialschädlicher Wirkungen des Eigentumsgebrauchs, der Einschätzung der sozialen Funktion des Eigentumsgebrauchs und der Abwägung der Angemessenheit der getroffenen Regelung i m Verhältnis zum erstrebten Regelungsziel getroffen werden müssen, obliegen prinzipiell der Entscheidung durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Dieser muß es sich zwar nicht gefallen lassen, daß seine Wertentscheidungen über globale Wertkonzepte umfassend nachgeprüft werden, wohl aber, daß die Konsistenz seiner Prognosen und Zielargumentationen einer Kontrolle unterzogen wird 7 9 . Das Argumentationsarsenal des Gesetzgebers ist somit bei A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG nicht i n derselben Weise begrenzt wie bei A r t . 5 Abs. 2 GG. Würde man gesetzliche Beschränkungen des Eigentums an Pressebetriebsmitteln allein anhand der Argumentationslastregel des A r t . 14 GG beurteilen, so dürfte der Gesetzgeber damit argumentieren, daß die Entscheidungen von Presseunternehmern über den Inhalt von Presseerzeugnissen erhebliche gesellschaftliche Wirkungen, nämlich solche auf die Meinungsbildung einer Vielzahl von Lesern haben können. A u f diesem Wege könnten z.B. weitreichende gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung der zunehmenden Pressekonzen77 Der BVerfGE 25, S. 112 (S. 117) kennzeichnet A r t . 14 Abs. 2 GG zutreffend als „Richtschnur" für den Gesetzgeber. 78 BVerfGE 21, S. 73 (S. 83); 42, S.263 (S.294); B V e r f G N J W 1979, S. 699 ff. (S. 703). 79 Vgl. oben § 10 I 2.

§10 Berufsfreiheit u n d Eigentumsgarantie

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tration als notwendig gerechtfertigt werden. Ebenso ließen sich Regelungen des unternehmensinternen Entscheidungsverfahrens nach A r t des Betriebsverfassungsgesetzes und des Mitbestimmungsgesetzes ohne tendenzschützende Einschränkungen auch für Presseunternehmen als zulässig begründen 80 . Die Argumentationslastregel des A r t . 14 Abs. 3 GG zu konkretisieren, kann i m Rahmen dieser Untersuchung nicht geleistet werden. Das Problem der Abgrenzung von sozialbindender Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung ist m i t der Auflösung des klassischen Enteignungsbegriffes 81 zu komplex geworden, u m hier knapp und dennoch angemessen abgehandelt werden zu können. Grob gesprochen geht es mit der sozialbindenden Inhalts- und Schrankenbestimmung u m die Regulierung des Entscheidungsverhaltens bei unverändertem Fortbestehen des Zuordnungsverhältnisses, während die Enteignung die Beseitigung des Zuordnungsverhältnisses zwischen Eigentumsobjekt und Eigentümer betrifft 8 2 . Wenn es hier auch offen bleiben muß, wie die Enteignungsvoraussetzungen präzisiert werden können, kann doch festgehalten werden, daß gem. A r t . 14 Abs. 3 GG das Argumentationsarsenal des Gesetzgebers keine mit A r t . 5 Abs. 2 GG vergleichbare Begrenzung erfährt.

80 Vgl. hierzu vorerst DenningerlBeye, A P - E n t w u r f I, S. 25 ff., u n d Hensche/Kittner, ZRP 1972, S. 177 ff. 81 Vgl. hierzu kritisch: C. Schmitt, Die Auflösung des Entscheidungsbegriffes, i n : Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 110 ff.; O. Kirchheimer, Die Grenzen der Enteignung, S. 223 ff.; Forsthoff, Verwaltungsrecht, § 17, S. 289 ff. 82 Ob der Enteignungsfall über das angegebene negative Moment auch positiv durch die Eigentumsübertragung zu definieren ist, wie insbesondere C. Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 110 ff. (S. 118 ff.), u n d neuerdings auch Rittstieg, Eigentum, S. 411 ff., meinen, muß hier offen gelassen werden. Z u den dogmatischen Theorien über die Unterscheidung v o n Sozialbindung u n d Enteignung vgl. die Ubersicht bei Leisner, Sozialbindung, S. 27 ff.

§ 11 Kumulative Normenkonkurrenz („Idealkonkurrenz") im Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie Nachdem die interpretationsmethodischen und grundrechtstheoretischen Prämissen offengelegt und die Auslegungshypothesen zu den A r t . 5, 12 und 14 GG begründet worden sind, kann das Konkurrenzverhältnis zwischen diesen Grundrechtsnormen dargestellt werden. Dazu kann allerdings nicht einfach auf eines der i m ersten Teil dieser Arbeit vorgestellten Konkurrenzmodelle zurückgegriffen werden. Die Thesen von der konkurrenzvermeidenden Tatbestandsabgrenzung, von der Gesetzeskonkurrenz wegen „Spezialität" des A r t . 5 GG wie von der Idealkonkurrenz schrankendivergenter Freiheitsgrundrechte erscheinen als zu problematisch, u m unreflektiert übernommen werden zu können.

I. Problematik einer grundrechtlichen Normenkonkurrenz Die verfassungsrechtliche Diskussion u m Grundrechtskonkurrenzen leidet darunter, daß die dogmatischen Konstruktionen, wie sie i n der Strafrechts- und Zivilrechtswissenschaft für die Lösung von Konkurrenzsituationen entwickelt wurden, ins Verfassungsrecht übertragen werden, ohne daß die prinzipielle Problemlage von Normenkonkurrenzen und die Struktur von Grundrechtsnormen genügend deutlich herausgearbeitet wird. 1. Fragwürdigkeit der herkömmlichen Fragestellung

Der Einstieg i n die Problematik von Grundrechtskonkurrenzen erfolgt i n der Literatur regelmäßig über den Hinweis darauf, daß ein und dieselbe menschliche Verhaltensweise unter dem Schutz mehrerer Grundrechte stehen könne, und über die sich daran anschließende Frage danach, auf welche Grundrechte sich eine Zivilperson dann berufen könne 1 . Es soll damit darum gehen, „wie ein unter mehrere Grundrechte fallendes, durch einen Hoheitsakt beschränktes Handeln 1 Berg, Konkurrenzen, S. 5, 163, 167; Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 161); Rüfner, Fg. B V e r f G I I , S. 474; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 324; Bachof, Grundrechte I I I / l , S. 169; Peters, Grundfragen, S. 298; H. Schneider, Güterabwägung, S.107.

§11 K u m u l a t i v e Normenkonkurrenz

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zu beurteilen ist" 2 . I n den Mittelpunkt des Interesses gerät so das Verhalten der Zivilpersonen und dessen tatbestandliche Erfassung durch Grundrechtsnormen, nicht das Verhalten der öffentlichen Gewalt und dessen Rechtmäßigkeit. A u f diesem Wege w i r d die grundrechtliche Normenkonkurrenz als Garantie-Taiöestoidskonkurrenz gefaßt: Es geht danach primär u m das gegenseitige Verhältnis abstrakter Garantietatbestände zueinander; wenn diese sich nicht klar voneinander abgrenzen lassen, soll sich aus der Bestimmung des Verhältnisses als Spezialität oder Teilidentität die Verdrängung einer Norm oder das Nebeneinandergelten mehrerer Normen „ergeben" 3 . Eine mögliche „Schrankendivergenz" idealkonkurrierender Grundrechtsnormen bildet dann nur noch ein „Zusatzproblem", das gesondert von der Tatbestandsproblematik behandelt wird 4 . Über diese Fragestellung w i r d der Zugang zum Basisproblem von Normenkonkurrenzen verbaut: Wie die rechtswissenschaftliche Methodenlehre herausgearbeitet hat, handelt es sich bei den Normenkonkurrenzen u m das Problem, wie Widersprüche zwischen den Rechtsfolgen mehrerer Normen aufgelöst werden können 5 . Die Konkurrenz ist — wie Rolf Dietz schon 1934 schrieb — nur u m der Rechtsfolgen willen, die sich vielleicht inhaltlich widersprechen können, interessant 6 . Normenwidersprüche i n diesem Sinne sind also — wie Karl Engisch es plastisch ausgedrückt hat — „darin zu finden, daß ein Verhalten i n abstracto oder i n concreto zugleich als geboten und nicht geboten oder als verboten und nicht verboten oder gar als geboten und verboten erscheint" 7 . Zwischen den grundrechtlichen Garantietatbeständen kann es zu solchen Konflikten gar nicht kommen; denn bei ihnen handelt es sich u m Erlaubnisnormsätze, zwischen denen logische Widersprüche unmöglich sind: Wenn a erlaubt ist, kann auch b erlaubt sein. Dies gilt auch für geschlossene Normensysteme wie das Grundgesetz 8 . Die Widersprüche zwischen den Rechtsfolgen zweier Normen werden erst dann entscheidungsrelevant, wenn beide Normen durch ein und dasselbe Verhalten tatbestandlich aktualisiert werden; es ist dann danach zu fragen, ob beide Rechtsfolgen nebeneinander eintreten können oder ob die eine Norm die andere verdrängt, so daß nur die Rechtsfolgen der ersten eintreten. 2 Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, S. 277; noch problematischer die Formulierung Fohmanns, Konkurrenzen, S. 34: „Verfassungsmäßigkeit von Handlungen eines Grundrechtsträgers". 3 Rüfner, DSt. 7 (1968), S. 41 ff. (S. 41); ders., Fg. BVerfG, I I , S. 479. 4 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 394. 5 Larenz, Methodenlehre, S. 250; Zippelius, Methodenlehre, S. 43 f.; Enneccerus/Nipperdey, I, § 60, S. 349; Fohmann, Konkurrenzen, S. 16. 8 Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 11. 7 Engisch, Einführung, S. 162. 8 Weinberger, Logik, S. 132.

19 Degen

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Schließen sich die Hechtsfolgen gegenseitig aus, so kann nur eine der beiden Normen zur Anwendung gelangen 9 . I n Konkurrenz zueinander treten Normen also nicht hinsichtlich ihrer Tatbestände, sondern hinsichtlich ihrer Geltungsanordnungen, soweit diese nach beiden Tatbeständen auf ein und dasselbe Verhalten Anwendung finden können 10 . Welche Rechtsfolge letztendlich maßgebend ist, „ergibt" sich daher nicht einfach aus dem Verhältnis der abstrakten Tatbestände zueinander, sondern bedarf stets besonderer Begründung 11 . Diese Problemlage ist der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Konkurrenzlehre geläufig; sie kann dort relativ einfach bewältigt werden, weil konkurrierende zivilrechtliche oder strafrechtliche Normen regelmäßig als Bedingungsnormsätze formuliert sind, bei denen Tatbestand und Rechtsfolge ohne weiteres unterschieden werden können. Zudem haben es beide Rechtsgebiete mit (primären) Verhaltensnormen an die Adresse der Zivilpersonen zu tun; daher können die Rechtsfolgen konkurrierender Normen eindeutig als Gebote, Verbote oder Erlaubnisse für die Zivilpersonen und als Durchsetzungs- oder Sanktionsgebote für die Rechtsschutzorgane des Staates identifiziert werden 1 2 . Deshalb kann davon ausgegangen werden, daß die konkurrierenden Rechtsfolgen durch die Verwirklichung mehrerer Tatbestände seitens einer Zivilperson „ausgelöst" werden 1 3 . Weil also i m Zivilrecht wie i m Strafrecht die prinzipielle Problemlage der Normenkonkurrenz und die Struktur der beteiligten Normen als bedingte hinreichend geklärt ist, kann dort i n die Konkurrenzlösung sogleich auf der Tatbestandsebene eingestiegen werden und erst i m zweiten Schritt begründet werden, welche Rechtsfolge(n) maßgeblich sein soll(en). 2. Struktur grundrechtlicher Bedingungsnormsätze

Dagegen sieht sich die verfassungsrechtliche Diskussion u m Grundrechtskonkurrenzen zunächst mit dem Problem konfrontiert, daß die grundrechtlichen Normsätze nicht nach dem Wenn-Dann-Schema zusammengesetzter, bedingter Normsätze formuliert sind. Garantietatbestand und Schranken werden jeweils durch voneinander getrennte, elementare Erlaubnisnormsätze ausgedrückt: Es ist erlaubt, daß die Zivilpersonen Druckwerke jeglichen Inhalts herstellen und verbreiten 9

Larenz, Methodenlehre, S. 250. Zippelius, Methodenlehre, S. 43. 11 Larenz, Methodenlehre, S. 251; Zippelius, Methodenlehre, S. 45; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 326; Enneccerus/Nipper dey, I, § 60, S. 349. 12 Larenz, Methodenlehre, S.232; Zippelius, Methodenlehre, S. 11, 35 f. 13 Z u m Zusammenhang v o n Tatbestand u n d Rechtsfolge: Zippelius, Methodenlehre, S. 32 f. 10

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(Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG). Es ist erlaubt, daß die deutsche öffentliche Gewalt jene Erlaubnis durch allgemeine Gesetze, Gesetze zum Schutze der Jugend oder der persönlichen Ehre einschränkt (Art. 5 Abs. 2 GG). Für eine grundrechtliche Konkurrenzlehre stellt sich daher zunächst die Aufgabe, die elementaren grundrechtlichen Normsätze i m Wege der Rechtsarbeit auf die Struktur zusammengesetzter, bedingter Normsätze zu bringen, u m überhaupt zwischen bedingendem Tatbestand und bedingter Rechtsfolge unterscheiden zu können. Diese Problematik w i r d i n der verfassungsrechtlichen Literatur von Jürgen Schwabe und Lothar H. Fohmann gesehen und angegangen: Wie Jürgen Schwabe die Struktur grundrechtlicher Bedingungsnormsätze sieht, erläutert er am Beispiel des A r t . 5 Abs. 1 GG: „Wenn jemand seine Meinung äußert (Tatbestand), so soll der Staat es unterlassen, i h n daran zu hindern, es sei denn . . . (Rechtsfolge) 14 ." Bei Lothar H. Fohmann findet sich keine vergleichbare zusammenfassende Formulierung, wohl aber eine Definition der grundrechtlichen Rechtsfolge, über die sein Ansatz rekonstruiert werden kann: Wenn die Rechtsfolge darin bestehen soll, daß sich ein subjektives öffentliches Recht ergebe (Rechtsfolgegegenstand), dessen Reichweite vom jeweiligen Gesetzesvorbehalt abhänge (Rechtsfolgeumfang) 15 , so muß der Tatbestand darin bestehen, daß sich eine Zivilperson i n gewisser Weise verhält. Für A r t . 5 Abs. 1 GG ζ. B. hieße das: Wenn jemand seine Meinung äußert (Tatbestand), dann hat er ein subjektives öffentliches Recht auf Schutz seiner Meinungsäußerung, es sei denn . . . (Rechtsfolge) 16 . Beide Definitionen gehen das Problem verengt an, indem sie auf der Seite des bedingenden Tatbestandes den konkreten Freiheitsgebrauch individueller Zivilpersonen einsetzen. Daß dieser keine Bedingung für die Aktivierung grundrechtlicher Rechtsfolgen sein kann, verdeutlicht schlagartig die Situation der Normenkontrolle gem. A r t . 93 Abs. 1 Nr. 2,100 Abs. 1,126 GG, wo es allein auf das staatliche Verhalten der Normensetzung ankommt und nach dessen Verfassungsmäßigkeit gefragt wird. Dagegen gehen Jürgen Schwabe wie Lothar H. Fohmann isoliert von der Situation der Verfassungsbeschwerde gem. A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a) GG aus 17 , verkennen dabei allerdings, daß es dort mit der „Grundrechtsverletzung" ebenfalls u m staatliches Verhalten geht, 14

Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 326. Fohmann, Konkurrenzen, S. 10, 38 f. 18 Ebenda, S. 84: „ W e n n A die Meinung X — i n beliebiger F o r m — äußert, so . . .". 17 Wovon auch ansonsten bei der Formulierung der Konkurrenzproblemat i k i m p l i z i t ausgegangen w i r d ; vgl. n u r die Fallbeispiele bei Berg, K o n k u r renzen, S. 2 ff. 15

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durch das die grundrechtlich garantierte Freiheit der Zivilpersonen beschränkt wird, ohne daß es auf die Behinderung freiheitsgebrauchender konkreter Handlungen ankäme. Wenn i n den Formulierungen Jürgen Schwabes und Lothar H. Fohmanns das Verhalten von Z i v i l personen zum bedingenden Tatbestand gerechnet wird, w i r d der Charakter der Grundrechte als Verhaltensnormen an die Adresse der öffentlichen Gewalt verkannt; als Verbotsnormen, durch die gewisse denkbare Verhaltensweisen des Staates gegenüber den Zivilpersonen zum Zwecke der Herrschaftszähmung ausgeschlossen werden, werden die Grundrechte m i t dem Erlaß jedes Hoheitsaktes relevant, durch den die Freiheit der Zivilpersonen über Verhaltensgebote oder -verböte beschränkt wird. Daher muß es auf der Tatbestandsseite grundrechtlicher Bedingungsnormsätze u m ein hoheitliches Verhalten der m i t dem Monopol allgemein verbindlicher Verhaltensregulierung und legitimer physischer Gewaltanwendung ausgestatteten, organisierten Handlungsund Entscheidungseinheit „Staat" gehen, durch das der prinzipiell unbegrenzte Spielraum des grundrechtlich erlaubten Verhaltens der Zivilpersonen beschränkt w i r d 1 8 . Dieser Ansatz hat seine normative Stütze i n A r t . 1 Abs. 3 GG, denn die Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt kann sich nur auf deren Verhalten gegenüber den Rechtsunterworfenen beziehen. Die unzutreffende Fassung des bedingten Tatbestands als privater Freiheitsgebrauch führt bei Lothar H. Fohmann wie bei Jürgen Schwabe zu einer problematischen Bestimmung der bedingten Rechtsfolge: Bei Fohmann ergibt der unrichtige Ausgangspunkt einer verquere Bestimmung der Rechtsfolge als „subjektives öffentliches Recht" 19 . Bei aller beachtenswerten Handhabung der analytischen Instrumente nichtjuristischer Wissenschaftsbereiche vernachlässigt er die rechtsdogmatische Analyse des subjektiven öffentlichen Rechts als eines abstrakt-potentiellen Rechtsverhältnisses, das nicht bedingt, sondern unbedingt kraft der grundrechtlichen Erlaubnisnormen existiert, daher selbst nicht erst als Rechtsfolge entstehen kann, wohl aber i m Falle der Rechtsverletzung durch die öffentliche Gewalt dieser gegenüber einen konkret-aktuellen Abwehranspruch der Zivilpersonen hervorbringen kann 2 0 . Dasselbe gilt, wenn Schwabe die Rechtsfolge als staatliche Unterlassungspflicht faßt, denn auch diese besteht nicht bedingt durch den privaten Freiheitsgebrauch, sondern unbedingt als Kehrseite des subjektiven öffentlichen Rechts kraft der grundrechtlichen Verbotsnormen, erst ihre Verletzung führt zu einer 18

Vgl. auch bereits oben § 8 I 3. Fohmann, Konkurrenzen, hätte daher besser daran getan, nicht auf die „Problematisierung v o n Definition u n d F u n k t i o n der subjektiven öffentlichen Rechte" zu verzichten, w i e er es S. 30 explizit tut. 20 G. Jellinek, System, S. 55, 58; Richter, AöR N F 8 (1925), S. 1 ff. (1/2); vgl. zudem bereits oben § 1 I I 1. 19

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konkret-aktuellen Beseitigungspflicht gegenüber der betroffenen Z i v i l person 21 . Die grundrechtliche Rechtsfolge kann aber nicht verengt dahin definiert werden, daß die öffentliche Gewalt gegenüber einer Z i v i l person zur Störungsbeseitigung verpflichtet ist und der Zivilperson ein entsprechender Abwehranspruch zusteht. Dies wäre eine Rechtsfolgebeschreibung, die wohl dem Zivilrecht angemessen wäre, wo es u m die Rechtsverhältnisse zwischen gleichberechtigten privaten Rechtssubjekten geht, sie ist es nicht für das Verfassungsrecht, wo es u m das Verhältnis staatlicher Herrschaft über die Zivilpersonen und deren Bindung (Art. 1 Abs. 3 GG) geht. Nun überwiegt i n Deutschland von jeher — wie Otto Mayer bereits 1886 feststellte — „die Neigung, den Staat i m Verhältnis zu seinen Bürgern einfach wie ein Rechtssubjekt des Civilrechts zu behandeln" 2 2 , so daß es nicht verwundern kann, wenn zivilrechtliches Anspruchsdenken auch Eingang i n die Grundrechtsdogmatik gefunden hat. Dieses verbaut allerdings den Zugang zu der i m Grunde trivialen Einsicht, daß es auf der Rechtsfolgeseite des grundrechtlichen Bedingungsnormsatzes u m die Vereinbarkeit des bedingenden staatlichen Verhaltens m i t der Verfassung geht. Wegen der Grundrechtsbindung staatlichen Verhaltens gem. A r t . 1 Abs. 3 GG löst die Verwirklichung des bedingenden Tatbestandes „Beschränkung der grundrechtlich garantierten Freiheit der Zivilpersonen durch den Staat" die bedingte Rechtsfolge aus, daß das staatliche Verhalten rechtsw i d r i g ist, es sei denn, es wäre durch die Verfassung ausdrücklich als erlaubt vorbehalten 23 . Die Struktur der grundrechtlichen Bedingungsnormsätze kann also folgendermaßen angegeben werden: Wenn die deutsche öffentliche Gewalt durch einen Hoheitsakt den Zivilpersonen ein Verhalten, das durch eine grundrechtliche Erlaubnisnorm geschützt wird, gebietet oder verbietet (Tatbestand), dann ist der Hoheitsakt rechtswidrig, es sei denn, er wäre gemäß einem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt erlaubt (Rechtsfolge). Unkomplizierter ausgedrückt: Wenn der Staat i n die garantierte Freiheit der Zivilpersonen eingreift (Tatbestand), dann ist der Eingriff rechtswidrig, es sei denn, er wäre durch die Schranken gedeckt (Rechtsfolge). Das, was i n der Auseinandersetzung mit Lothar H. Fohmann und Jürgen Schwabe detailliert begründet werden mußte, 21 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 23 ff., arbeitet dies i m Prinzip selbst heraus. 22 O. Mayer, Theorie des französischen Verwaltungsrechts, S. I X ; vgl. nur die deutliche A n l e h n u n g an das Zivilrecht bei Lepa, DVB1. 1972, S. 161 ff. (S. 165): „Anspruchskonkurrenz"!; auch Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 15, zieht Parallelen zwischen grundrechtlichen „Nichtstörungspflichten" und § 1004 BGB. 23 Diese Rechtsfolgebestimmung korrespondiert m i t dem I n h a l t der verfassungsgerichtlichen Entscheidung gem. §§ 78, 81, 82, 95 BVerfGG.

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erweist sich als ganz vertraute Struktur, nämlich diejenige, welche der Grundrechtsprüfung üblicherweise zugrunde gelegt w i r d und die mit den Fragen nach dem staatlichen Eingriff i n den Schutzbereich und nach der Rechtswidrigkeit des Eingriffs erschlossen wird. 3. Die grundrechtliche Konkurrenzsituation

M i t dieser Formulierung der Struktur grundrechtlicher Bedingungsnormsätze, die die Unterscheidung von bedingendem Tatbestand und bedingter Rechtsfolge erlaubt, kann nun die Konkurrenzsituation zwischen Grundrechtsnormen beschrieben werden: Die grundrechtliche Normenkonkurrenz t r i t t ein, wenn durch ein und dasselbe Verhalten der deutschen öffentlichen Gewalt die Tatbestände von mindestens zwei grundrechtlichen Bedingungsnormen erfüllt werden, wenn also durch ein und denselben Hoheitsakt ein und dasselbe Verhalten von Z i v i l personen, das gleichzeitig durch mindestens zwei grundrechtliche Erlaubnisnormen (Garantietatbestände) geschützt wird, verboten oder geboten wird. Dies bedarf noch einiger klarstellender Erläuterungen: Daß es sich u m ein und denselben Hoheitsakt handeln muß, bedeutet, daß das staatliche Regulierungsverhalten sich als rechtlich unteilbarer A k t darstellen lassen muß. Angesichts einer hoheitlichen Maßnahme ist also danach zu fragen, ob diese i n mehrere selbständige Teilakte zerlegt werden kann. Danach kann sich das Konkurrenzproblem unter Umständen als Scheinproblem herausstellen, wenn jeder Teilakt unterschiedliches Verhalten betrifft, das jeweils nur den Schutz eines Grundrechtes genießt 24 . Wenn der Hoheitsakt auf ein und dasselbe menschliche Verhalten bezogen sein muß, hat es sich u m die Regelung eines Verhaltens zu handeln, das von ein und derselben Zivilperson vorgenommen werden kann. Verengt man die Konkurrenzsituation nicht auf den Fall der Verfassungsbeschwerde, w i r d klar, daß nicht — wie dies überwiegend vertreten w i r d 2 5 — eine individuelle Person i n ihrem konkreten Verhalten aktuell betroffen sein muß, sondern, daß schon die abstrakte Regelung ein und desselben menschlichen Verhaltens hinreicht. Es kommt daher auch nicht darauf an, welches konkrete Verhalten eine Person an den Tag legt und ob sich dieses tatsächlich als mehraktig oder einaktig darstellt, was festzustellen — wie Fohmann herausgearbeitet hat — überaus schwierig wäre 2 6 . Entscheidend ist vielmehr, was der Hoheitsakt von den Zivilpersonen an Tun oder Unterlas24

Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 324, m i t Beispielen. Berg, Konkurrenzen, S. 6; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 325. 26 Fohmann, Konkurrenzen, S. 34 f.; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 325; Lepa, DVB1.1972, S. 161 ff. (S. 164). 25

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sen verlangt und rechtlich als einheitliches Verhalten definiert. Für die Frage, ob das geregelte einheitliche Verhalten gleichzeitig durch mindestens zwei Grundrechte geschützt ist, kommt es nicht auf „Überschneidungen" oder „Überlappungen" von grundrechtlichen „Lebensbereichen" an 27 . Die abstrakten Garantietatbestände können voneinander „überschneidungsfrei" abgrenzbar sein und dennoch ein und dasselbe Verhalten unter unterschiedlichen Aspekten schützen. „ K e i n Gesetz" — so schrieb Rolf Dietz schon 1934 — „ w i r d einen realen Vorgang i n jeder Hinsicht erschöpfen, jeder Sachverhalt kann unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet werden und dementsprechend einer Regelung zugeführt werden" 2 8 . Die Garantietatbestände von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie w u r den hier zwar so ausgelegt, daß sie jeweils verschiedene Verhaltensaspekte schützen, es w i r d zu zeigen sein, daß mit einer einheitlichen hoheitlichen Verhaltensregelung die genannten Grundrechte dennoch gleichzeitig aktualisiert werden können. I m Falle der so interpretierten gleichzeitigen Verwirklichung zweier Tatbestände grundrechtlicher Bedingungsnormen können nun die Rechtsfolgen miteinander i n Konkurrenz treten. Es stellt sich das Problem, was rechtlich gelten soll: Läßt sich begründen, daß die Rechtsfolge der einen Norm verdrängt wird, w e i l die andere Norm sich nach Tatbestand und Rechtsfolge als lex specialis oder als erschöpfende Sonderregelung darstellt (verdrängende Normenkonkurrenz, Gesetzeskonkurrenz)? Oder können beide Normen gleichzeitig zu Anwendung gelangen, dergestalt, daß sich ihre Rechtsfolgen gegenseitig ergänzen oder modifizieren (kumulative Normenkonkurrenz, Idealkonkurrenz)?

I I . Ausschluß der verdrängenden Normenkonkurrenz (Gesetzeskonkurrenz) 1. Bedingungen der verdrängenden Normenkonkurrenz

Nach den vorangegangenen Erläuterungen der grundrechtlichen Konkurrenzsituation versteht sich, daß die Verdrängung der einen Norm durch die andere nicht durch eine abstrakte Relation beider Normen bedingt ist, sondern nur zum Problem wird, wenn beide bedingenden Tatbestände gleichzeitig durch ein und dieselbe hoheitliche Handlung verwirklicht werden. Es ist nach der juristischen Methodenlehre eine ^Selbstverständlichkeit, daß eine Norm nicht schlechthin, sondern nur i m konkreten Konkurrenzfall verdrängt 27

28

Anders die herrschende Meinung, vgl. die Nachweise oben § 2 I V 1.

Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 55.

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werden kann 2 9 . Daher geht die K r i t i k Lothar H. Fohmanns, die konventionelle Problembehandlung gehe von einem abstrakten Verdrängungsmechanismus aus, ins Leere 30 . Weil gesagt werden kann, daß jede geltende tatbestandlich einschlägige Norm die Vermutung ihrer A n wendbarkeit für sich hat, bedarf der Effekt ihrer Verdrängung stets der besonderen argumentativen Rechtfertigung durch die rechtsanwendende Entscheidungsinstanz 31 . I m Arsenal der juristischen Methodenlehre werden dafür zwei Argumentationsfiguren — Spezialität und erschöpfende Sonderregelung — zur Verfügung gestellt, die auch i m Verfassungsrecht sinnvoll eingesetzt werden können 32 . a) Spezialität M i t der Figur der Spezialität w i r d zunächst auf der Ebene der bedingenden Tatbestände konkurrierender Normen angeknüpft und danach gefragt, ob jeder Fall der speziellen Norm stets auch ein Fall der allgemeinen Norm sein muß 3 3 . U m dies darstellen zu können, reicht es i m Verfassungsrecht nicht aus, die i n den Normsätzen verwendeten Begriffe abstrakt miteinander zu vergleichen 34 ; ob dies i m Zivilrecht oder i m Strafrecht angesichts relativ präzise formulierter Bedingungsnormsätze möglich ist, mag dahinstehen; bei den Grundrechten des Grundgesetzes ist es das wegen der extrem vagen und mehrdeutigen Normtexte jedenfalls nicht. I m Verhältnis des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zu A r t . 12 Abs. 1 GG und A r t . 14 Abs. 1 GG führt ein Vergleich der begrifflichen Merkmale „Pressefreiheit", „Beruf . . . frei zu wählen" und „Eigentum" zu nichts; i m Grundrechtsbereich muß vielmehr zunächst der Garantiegehalt der beteiligten elementaren Erlaubnisnormen 29 Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 16; Larenz, Methodenlehre, S. 250 f.; Zippelius, Methodenlehre, S. 45; Enneccerus/Nipperdey, § 60, S. 349 ff. 30 Fohmann, Konkurrenzen, S. 62 f., 82 ff.; es ist doch auch nach der „ k o n ventionellen" Methodenlehre v ö l l i g unproblematisch, daß lex generalis und l e x specialis gleichzeitig angewandt werden können, w e n n es sich u m eine „Scheinkonkurrenz" handelt, also beide Tatbestände nicht durch dieselbe Handlung aktualisiert werden. 31 Larenz, Methodenlehre, S. 250 f.; Enneccerus/Nipperdey, I, §60, S. 351 m. F N 9; a. Α.: Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 31; insofern geht es auch bei der Konkurrenzlösung u m eine Argumentationslast der norminterpretierenden u n d -anwendenden Entscheidungsinstanz. 32 Beide Möglichkeiten werden — w e n n oft auch nicht hinreichend unterschieden — i n der verfassungsrechtlichen Diskussion u m Grundrechtskonkurrenzen prinzipiell anerkannt, mögen ihre Anwendungsfälle auch für unterschiedlich zahlreich gehalten werden; vgl. Berg, Konkurrenzen, S. 161 ff.; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 324 ff. 33 Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 23 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 251; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 326 f. 34 So aber: Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 23 - 25, für das Verfassungsrecht: Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 327.

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(Garantietatbestände) über eine methodisch kontrollierte Argumentation erarbeitet werden und muß die Struktur zusammengesetzter, bedingter Normen hergestellt werden. Erst nach der Erarbeitung der Tatbestandsmerkmale läßt sich die Frage nach einem Spezialitätsverhältnis angehen, indem untersucht wird, ob die lex specialis alle Tatbestandsmerkmale der lex generalis und mindestens ein zusätzliches Merkmal enthält. Kann die Spezialität begründet werden, so setzt keine „Verdrängungsautomatik" ein 35 . Die tatbestandliche Spezialität ist notwendiges, aber nicht hinreichendes Element der Verdrängungsbegründung: Soweit nämlich die Rechtsfolgen der konkurrierenden Rechtssätze miteinander verträglich sind, kommt es darauf an, ob die Rechtsfolgen der spezielleren Norm für deren Anwendungsbereich die der allgemeineren Norm nur ergänzen, sie modifizieren oder aber an ihre Stelle treten sollen. Das ist eine Frage, die vor allem über das K r i t e r i u m der „Systematik" und eine Folgendiskussion zu beantworten sein dürfte. Nur dann, wenn die Rechtsfolgen sich ausschließen, rechtfertigt die tatbestandliche Spezialität allein schon die Verdrängung der lex generalis, da i m umgekehrten Falle die lex specialis überhaupt niemals zur Anwendung kommen könnte 3 6 . b) Erschöpfende Sonderregelung Die Argumentationsfigur der erschöpfenden Sonderregelung setzt ebenfalls auf der Tatbestandsebene an und fragt dort nach „Tatbestandsüberschneidungen". Gefordert wird, daß einige Fälle nur dem einen, einige dem anderen, einige beiden Tatbeständen zugeordnet werden können. Für die beteiligten bedingenden Tatbestände müssen daher neben identischen je spezifische Merkmale auf gewiesen werden können, was bei Grundrechtsnormen wiederum erst nach geleisteter Auslegungsarbeit möglich ist 3 7 . Die Verdrängung der Rechtsfolgen der einen Norm läßt sich i m Konkurrenzfall dann damit rechtfertigen, daß die andere als erschöpfende Regelung einer besonderen Verhaltensweise begründet w i r d 3 8 . Die Qualität der einen Norm als „erschöpfend" w i r d sich nur dann plausibel darstellen lassen, wenn sie das besondere Verhalten auch unter denselben rechtlichen Aspekten regelt wie die andere Norm 3 9 . Aufzuweisen wäre zudem i m Wege einer Folgendis35 Larenz, Methodenlehre, S. 251; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 326; Zippelius, Methodenlehre, S.45; a. Α.: Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 31 ff., der dann v o n Subsidiarität bei Deckung der Tatbestände spricht (S. 50 ff.). 36 Larenz, Methodenlehre, S. 251 f. 37 Zippelius, Methodenlehre, S. 45 f., der dies anhand des Verhältnisses von § 839 u n d § 823 B G B demonstriert; unter A n f ü h r u n g desselben Beispiels: Larenz: Methodenlehre, S. 252 f. 38 Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 55 ff.; Larenz, ebenda; Zippelius, ebenda.

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kussion, daß die kumulative Anwendung beider Rechtsfolgen dazu führen müßte, daß das Regelungsziel der „erschöpfenden Norm" für den betreffenden Teil ihrer Fälle vereitelt werden würde, und daher i m Ergebnis negativ bewertet werden kann 4 0 . 2. Pressefreiheit und Berufsfreiheit

U m zu zeigen, daß A r t . 12 Abs. 1 GG nicht durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG als lex specialis oder als erschöpfende Sonderregelung verdrängt wird, müssen beide Grundrechtsbestimmungen zunächst als Bedingungsnormsätze formuliert werden: Für die Pressefreiheit kann das folgendermaßen geschehen: Wenn die deutsche öffentliche Gewalt durch einen Hoheitsakt Zivilpersonen ein Verhalten, das als Herstellen und Verbreiten von Presseerzeugnissen gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG erlaubt ist, gebietet oder verbietet (Tatbestand), dann ist der Hoheitsakt rechtswidrig, es sei denn, er wäre gem. A r t . 5 Abs. 2 GG als oder durch ein allgemeines Gesetz, eine gesetzliche Bestimmung zum Schutze der Jugend oder eine ehrenschützende Norm erlaubt (Rechtsfolge). Für die Berufsfreiheit läßt sich folgender bedingter Normsatz aufstellen: Wenn die deutsche öffentliche Gewalt durch einen Hoheitsakt deutschen Zivilpersonen ein Verhalten, das als Entscheiden über die Verfolgung von Erwerbszielen gem. A r t . 12 Abs. 1 GG erlaubt ist, gebietet oder verbietet (Tatbestand), dann ist der Hoheitsakt rechtswidrig, es sei denn, der Hoheitsakt wäre gem. A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG als oder durch eine gesetzliche oder untergesetzliche „berufsausübungsorientierte" Norm erlaubt (Rechtsfolge) 41 . Damit weisen zwar beide bedingenden Tatbestände insoweit gemeinsame Merkmale auf, als es stets u m gebietendes oder verbietendes hoheitliches Handeln der deutschen öffentlichen Gewalt gegenüber Z i v i l personen geht. Sie unterscheiden sich aber hinsichtlich der Grundrechtsträger und vor allem hinsichtlich der Aspekte, unter denen der Schutz 39 Dies w i r d v o n Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 55, angedeutet, indem er hervorhebt, daß keine N o r m einen Sachverhalt unter all seinen Aspekten erschöpfen w i r d . Auch das Beispiel des § 839 B G B als erschöpfende Sonderregelung i m Verhältnis zu § 823 BGB, wie es v o n Zippelius u n d Larenz angeführt w i r d , verdeutlicht dies: beide Male werden die Handlungen unter dem Aspekt ihrer vermögensschädigenden W i r k u n g rechtlich betrachtet. 40 Ähnlich: Larenz, Methodenlehre, S. 252. 41 Die Auslegung v o n A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG, w i e sie oben i n § 10 I 2 begründet wurde, muß hier auf eine knappe Formel gebracht werden, w o m i t natürlich die angebrachten Differenzierungen nicht zurückgenommen werden sollen.

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ihres Verhaltens grundrechtlich angegangen wird. Während bei der Garantie der Pressefreiheit nur hervorgehoben wird, daß es sich um die Herstellung und Verbreitung von Druckwerken handeln muß, ohne Rücksicht darauf, ob damit Erwerbsziele verfolgt werden, stellt die Garantie der Berufsfreiheit nur darauf ab, daß über die Verfolgung von Erwerbszielen mittels beliebiger Tätigkeiten entschieden wird. Daher muß nicht jeder Fall, i n dem die öffentliche Gewalt die Pressefreiheit beschränkt, zugleich ein Fall des hoheitlichen Eingriffs i n die Berufsfreiheit sein. Es ist bereits gezeigt worden, daß tatsächlich der Gebrauch der Pressefreiheit nicht auf den Rahmen gewerblicher Verlage und die Ausübung des Verleger- und des Journalistenberufs beschränkt ist, sondern i n vielfältiger Weise und i n erheblichem Umfange auch durch Amateure erfolgt 42 . W i r d also etwa für den Straßenvertrieb einer nichtgewerblichen Stadtteilzeitung, die von engagierten Bürgern i n ihrer Freizeit gemacht wird, durch die Gemeindebehörde die Sondernutzungserlaubnis mit der Begründung versagt, das Blatt habe keinen Informationswert und zeichne sich nur durch unsachliche Berichterstattung über die Kommunalpolitik aus, so ist wohl der bedingende Tatbestand der Pressefreiheit, nicht jedoch jener der Berufsfreiheit verwirklicht 4 3 . Festzuhalten ist daher, daß ein Spezialitätsverhältnis zwischen beiden Tatbeständen nicht nachgewiesen werden kann. Ebensowenig läßt sich begründen, daß es sich bei A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG um eine erschöpfende Sonderregelung i m Verhältnis zu A r t . 12 Abs. 1 GG handelt. Zwar können die bedingenden Tatbestände beider Normen wegen der schon erwähnten gemeinsamen Merkmale als partiell identisch aufgewiesen werden, so daß einige Fälle nur der Pressefreiheit, einige nur der Berufsfreiheit und schließlich einige beiden Tatbeständen zuzurechnen sind. Die letztere Konstellation trifft etwa auf staatliche Regelungen für Voraussetzungen und Modalitäten der Mitarbeit hauptberuflicher Redakteure an der Zeitungsherstellung zu, ob es sich nun u m die Normierung subjektiver Zulassungsvoraussetzungen zum Redakteursberuf oder u m die gesetzliche Festlegung journalistischer Sorgfaltspflichten handelt. Aber i n diesen Fällen w i r d der Gehalt der Berufsfreiheit nicht durch die Pressefreiheit erschöpft, denn diese erfaßt das besondere Verhalten der Herstellung und Verbreitung von Druckwerken gar nicht unter dem Aspekt der Verfolgung von Erwerbszielen. Da — anders ausgedrückt — die Presseberufsfreiheit nicht A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zuzurechnen ist, kann von einer erschöp42

Vgl. oben § 9 I 5 a). Falls man hier eine Sondernutzungserlaubnis für erforderlich h ä l t ; bejahend: O V G Münster, DVB1. 1972, S. 509; B V e r w G DVB1. 1970, S. 873; BayO b L G DVB1. 1967, S. 202; ablehnend: O L G Celle N J W 1975, S. 1894 ff.; O L G Bremen N J W 1976, S. 1359 ff. 43

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fenden Sonderregelung nicht die Rede sein. Wenn die gegenteilige Ansicht die Presseberufsfreiheit als Teil der Freiheit des Lebensbereichs „Presse" ansieht, könnten zwar die tatbestandlichen Bedingungen für die Qualifikation des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG als erschöpfende Sonderregelung dargelegt werden; wie oben schon begründet wurde, reicht dies allein aber nicht aus, u m die Verdrängung des A r t . 12 Abs. 1 GG i m Konkurrenzfall zu rechtfertigen. Die These von der Gesetzeskonkurrenz zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und A r t . 12 Abs. 1 GG verzichtet allerdings darauf, danach zu fragen, ob beide Rechtsfolgen kumuliert werden können und ob i n Folge solcher Kumulation das Regelungsziel des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG vereitelt werden kann 4 4 . Es ist bereits gezeigt worden, daß selbst bei isolierter Beurteilung der Rechtmäßigkeit hoheitlicher Eingriffe i n die Presseberufsfreiheit anhand des Maßstabs des A r t . 12 Abs. 1 GG von einem „Leerlaufen" der Pressefreiheit kaum die Rede sein kann; daher dürfte dies bei einer Rechtsfolgenkumulation — sofern sich diese als möglich erweisen sollte — erst recht nicht der Fall sein 45 . Die vergleichende Analyse der bedingenden Tatbestände beider Grundrechtsnormen und die zusätzlichen Folgenerwägungen liefern demnach keine Anknüpfungspunkte dafür, u m eine Verdrängung der Rechtsfolgen des A r t . 12 Abs. 1 GG zugunsten des A r t . 5 Abs. 2 GG zu begründen. 3. Pressefreiheit und Eigentumsgarantie

U m darstellen zu können, daß auch A r t . 14 GG i m Konkurrenzfall nicht durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG verdrängt wird, muß auch hier zunächst die Form des grundrechtlichen Bedingungsnormsatzes erarbeitet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß A r t . 14 GG zwischen den bedingenden Tatbeständen der sozialbindenden Inhalts- und Schrankenbestimmung und der Enteignung unterscheidet und an deren Verwirklichung unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft. Für den Fall der sozialbindenden Inhalts- und Schrankenbestimmung, auf den i m folgenden i m Zusammenhang mit staatlichen Regelungen des Pressewesens das Interesse konzentriert werden soll, kann folgender Bedingungsnormsatz formuliert werden: Wenn die deutsche öffentliche Gewalt durch einen Hoheitsakt den Zivilpersonen ein Verhalten, das als durch einen Eigentumstitel legitimiertes Entscheiden über die Verfügung an diesem Titel, über die Nutzung des Eigentumsobjekts und die Aneignung von mit dessen Hilfe erzeugten Produkten 44 45

Vgl. oben §2 I I I 1. Vgl. oben § 9 I 5 b).

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oder erzielten Gewinnen gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG erlaubt ist, gebietet oder verbietet (Tatbestand), dann ist der Hoheitsakt rechtswidrig, es sei denn, er wäre als oder durch eine gesetzliche oder untergesetzliche „sozialbindende" Norm gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG erlaubt (Rechtsfolge). Für den Fall der Enteignung muß hier darauf verzichtet werden, die Argumentationslastregel des A r t . 14 Abs. 3 GG zu konkretisieren und eine Abgrenzung zur Sozialbindung zu versuchen. Die Struktur des grundrechtlichen Bedingungsnormsatzes kann — recht grob — folgendermaßen angegeben werden: Wenn die deutsche öffentliche Gewalt durch einen Hoheitsakt das durch A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Zuordnungsverhältnis eines Eigentumsobjekts zu einer Zivilperson beseitigt (Tatbestand), dann ist der Hoheitsakt rechtswidrig, es sei denn, er wäre als oder durch eine gesetzliche oder untergesetzliche Norm erlaubt, die Gemeinwohlzielen dient und A r t und Ausmaß der Entschädigung regelt (Rechtsfolge) 46 . Für das Verhältnis des Bedingungsnormsatzes gem. A r t . 14 Abs. 1, 2 GG zu dem des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG gilt prinzipiell dasselbe, was soeben i m Zusammenhang mit der Berufsfreiheit dargestellt wurde: Beide bedingenden Tatbestände weisen zwar gemeinsame Merkmale auf, da es stets u m freiheitsbeschränkendes staatliches Verhalten gegenüber den Zivilpersonen geht, gleichzeitig beinhalten sie aber jeweils spezifische Merkmale, die es ausschließen, daß jeder Fall der Einschränkung der Pressefreiheit notwendig ein Fall der Eigentumsbeschränkung ist. Während bei der Pressefreiheit allein auf das Herstellen und Verbreiten von Druckwerken abgestellt wird, ohne Rücksicht darauf, ob damit gleichzeitig als Eigentümer verbindlich entschieden wird, geht es bei der Eigentumsgarantie nur u m den Aspekt des rechtsverbindlichen Entscheidens eines Rechtsträgers über den Umgang m i t den i h m zugeordneten Eigentumsobjekten, wobei es sich auch u m Pressebetriebsmittel handeln kann. Es ist schon gezeigt worden, daß tatsächlich der Gebrauch der Pressefreiheit nicht zwingend eigenes Betriebsmitteleigentum voraussetzt, sondern, daß die Nutzung der Vervielfältigungstechnik, von Räumen usw. auch i n anderen Rechtsformen möglich ist 4 7 . Untersagt etwa die Ordnungsbehörde den Herausgebern einer Stadtteilzeitung den Betrieb einer gemieteten oder geliehenen KleinoffsetDruckmaschine i n den Räumen eines Mietwohnhauses wegen störender Geräuschentwicklung, so ist zwar der bedingende Tatbestand der Pressefreiheit, nicht aber auch jener der Eigentumsgarantie v e r w i r k licht 4 8 . Das Beispiel verdeutlicht, daß A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG nicht als lex specialis i m Verhältnis zu A r t . 14 GG gefaßt werden kann. 48 Z u den Gemeinwohlzielen vgl. insbesondere Frenzel, Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 68 ff. 47 Vgl. oben § 9 I 5 b) aa).

Das öffentliche

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Zudem läßt sich wiederum nicht aufzeigen, daß A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG als erschöpfende Sonderregelung gegenüber der Eigentumsgarantie eingestuft werden kann. Aufgewiesen werden kann zwar ebenfalls eine partielle Identität der bedingenden Tatbestände, so daß einige Fälle gleichzeitig beiden unterfallen können. Dies betrifft etwa gesetzliche Regelungen des internen Entscheidungsverfahrens i n privaten Presseunternehmen, nach denen eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer oder nur der Redakteure vorgesehen w i r d ; denn hier w i r d sowohl die spezifische M i t w i r k u n g des Verlegers an der Herstellung und Verbreitung der Presseerzeugnisse wie seine Eigentümerkompetenz beschränkt. Aber wiederum läßt sich nicht sagen, daß der Gehalt der Eigentumsgarantie durch die Pressefreiheitsgarantie erschöpft wird, denn das durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG erfaßte besondere Verhalten des Entscheidens i m Rahmen des arbeitsteiligen Prozesses des Herstellens und Verbreitens von Druckwerken w i r d nicht unter dem Aspekt der eigentumslegitimierten Entscheidungskompetenz angegangen. Das Eigentum an Pressebetriebsmitteln w i r d eben vom Schutz der Pressefreiheit nicht umfaßt, so daß A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG nicht als erschöpfende Sonderregelung i n Frage kommt. Wer das Presseeigentum dennoch dem Garantietatbestand der Pressefreiheit zuschlagen w i l l , müßte zur Begründung einer Verdrängung des A r t . 14 Abs. 1, 2 GG i m Konkurrenzfall aufzeigen, daß die Kumulation beider Rechtsfolgen entweder wegen ihrer Widersprüchlichkeit nicht möglich ist oder aber zu untragbaren Folgen für die Pressefreiheit führen wird. Beides geschieht i n der These von der Gesetzeskonkurrenz nicht; insbesondere w i r d nicht überzeugend dargetan, daß das Schutzziel der Pressefreiheitsgarantie verfehlt werden müßte, wollte man gleichzeitig A r t . 14 Abs. 1, 2 GG zur Anwendung bringen 4 9 . Über eine rechtsvergleichende Argumentation konnte vielmehr bereits gezeigt werden, daß die Gefahr des „Leerlaufens" der Pressefreiheit wenig wahrscheinlich ist, selbst wenn man hoheitliche Eingriffe i n das Eigentum an Pressebetriebsmitteln allein am Maßstab des A r t . 14 GG messen wollte. I m Verhältnis des Bedingungsnormsatzes gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 GG zu dem des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG gilt zunächst das soeben Ausgeführte. Soweit entgegen der hier vertretenen Auslegungshypothese der Schutz des Eigentums an Pressebetriebsmitteln auch dem Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zugeordnet wird, muß zudem bei der Argumentation u m die erschöpfende Sonderregelung 48 W o m i t natürlich über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme noch nichts gesagt ist. 49 Vgl. oben § 2 I I I 3.

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berücksichtigt werden, daß bei Gesetzeskonkurrenz zugunsten A r t . 5 Abs. 1 S.2, Abs.2 GG das Regelungsziel des A r t . 14 Abs. 1 S. 1, Abs.3 GG partiell vereitelt werden könnte, da der Gesetzgeber durch die Verdrängung seiner durch A r t . 14 Abs. 3 GG umrissenen und begrenzten Eingriffsbefugnis verlustig ginge und so an den status quo erworbener Eigentumsrechte an Pressebetriebsmitteln gebunden wäre. Es ist ja schon gezeigt worden, daß die These von der Gesetzeskonkurrenz keine plausible Antwort auf die Frage parat hat, ob und unter welchen Voraussetzungen mit der exklusiven Maßgeblichkeit des A r t . 5 Abs. 2 GG Enteignungen von Presseeigentum noch zulässig sein sollen 50 . Daß eine überzeugende Problemlösung nicht gelingen kann, hängt damit zusammen, daß A r t . 14 Abs. 3 GG — wie Jürgen Schwabe zutreffend hervorhebt — eine exklusive Rechtsfolgeanordnung enthält, die durch andere Normen nicht verdrängt werden kann. Dies nicht nur i m Interesse des „Wohls der Allgemeinheit", sondern auch und vor allem zur Sicherung der unentbehrlichen Mindestposition der „Eigentumswertgarantie" für die Zivilpersonen i m Falle des Eigentumsentzugs 51 . Nach alledem kann festgestellt werden, daß für eine Verdrängung der beiden Bedingungsnormen des A r t . 14 GG durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG i m Konkurrenzfall keine zureichenden Argumente zur Verfügung stehen. Ι Π . Kumulative Normenkonkurrenz („Idealkonkurrenz") Nachdem eine verdrängende Normenkonkurrenz ausgeschlossen w u r de, w i r d zu begründen sein, daß i m Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie eine kumulative Normenkonkurrenz möglich ist. Das kann nicht ohne eine K r i t i k an der These von der Idealkonkurrenz schrankendivergenter Freiheitsrechte abgehen 52 . 1. Bedingungen kumulativer Normenkonkurrenz

a) Tatbestandliche

Bedingungen

Für den Fall kumulativer Normenkonkurrenz muß ebenso wie für den Fall verdrängender Normenkonkurrenz wegen erschöpfender Sonderregelung die partielle Identität der Tatbestandsmerkmale beider bedingter Normen nachgewiesen werden können, weil ansonsten der Konkurrenzfall gar nicht darstellbar wäre 5 3 . Wenn für eine grund50

Vgl. oben § 2 I I I 5. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 370 f. 52 Vgl. oben § 2 I V . 53 Larenz, Methodenlehre, S. 252; Zippelius, Methodenlehre, S. 45 f.; Enneccerus/Nipperdey, I, § 60, S. 349. 51

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rechtliche „Idealkonkurrenz" eine „Überschneidung" der Garantietatbestände mindestens zweier Grundrechtsnormen verlangt wird, verkennt man, daß es auf die teilweise Übereinstimmung der Tatbestandsmerkmale grundrechtlicher Bedingungsnormsätze ankommt. Diese sind aber — wie gezeigt wurde — nicht m i t den Garantietatbeständen identisch, die als elementare Erlaubnisnormsätze formuliert sind. Die bedingenden Tatbestände nehmen zwar die jeweiligen Garantietatbestände i n sich auf, enthalten darüber hinaus aber stets das weitere gemeinsame Merkmal des gebietenden oder verbietenden hoheitlichen Handelns der öffentlichen Gewalt gegenüber Zivilpersonen. Da die bedingenden Tatbestände bereits insoweit teilidentisch sind, ist die Teilidentität der Garantietatbestände keine notwendige Bedingung der grundrechtlichen Normenkonkurrenz. Die grundrechtlichen Garantietatbestände können durchaus „überschneidungsfrei" voneinander abgrenzbar sein, entscheidend ist allein, daß beide das hoheitlich geregelte Verhalten der Zivilpersonen jeweils unter einem seiner unterschiedlichen Aspekte rechtlich erfassen. Wenn nun der rechtliche Gehalt der einen Grundrechtsnorm nicht durch die andere erschöpft wird, wie dies hier für das Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie begründet wurde, dann kommt es zur kumulativen Normenkonkurrenz, soweit die beteiligten Rechtsfolgen einander nicht ausschließen. Die Situation ist so jener der „Idealkonkurrenz" i m S traf recht (§52 StGB) durchaus vergleichbar: Hier wie dort sind — wie Reinhart Maurach es ausdrückt — die einzelnen Tatbestände für sich allein nicht fähig, ein konkretes Verhalten unter allen rechtlichen Gesichtspunkten und nach allen Richtungen h i n zu profilieren, hier wie dort ist also eine „mehrdimensionale Betrachtung" und deshalb die kumulative Anwendung mehrerer Normen erforderlich 54 . Der Unterschied besteht nur darin, daß es i m Strafrecht u m die Beurteilung des Verhaltens von Zivilpersonen und i m Verfassungsrecht u m die des Verhaltens der öffentlichen Gewalt geht. b) „Schrankendivergenz" als Problem der Rechtsfolgenkompatibilität Für die argumentative Rechtfertigung einer kumulativen Normenkonkurrenz i m Grundrechtsbereich ist weiter aufzuzeigen, daß die Rechtsfolgen der konkurrierenden Bedingungsnormen sich nicht gegenseitig ausschließen müssen, sondern sich untereinander ergänzen und modifizieren können und daher gleichzeitig zur Anwendung gelangen können. M

Maurach, Dt. Strafrecht, A T , § 55 I A , S. 749.

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Dieses Problem w i r d in der These von der Idealkonkurrenz zwar als „Schrankendivergenz" thematisiert, jedoch nicht i n den Griff bekommen, da — wie bereits gezeigt wurde 5 5 — letztlich kein relevanter Unterschied zwischen Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz dargestellt werden kann. Die Gründe für diesen Widerspruch können nun relativ einfach aufgewiesen werden: Weil die Garantietatbestände und Vorbehaltsschranken, die jeweils i n gesonderten elementaren Normsätzen ausgedrückt werden, nicht zu zusammengesetzten, bedingten Normsätzen verkoppelt werden, kann die „Idealkonkurrenz" auf ein bloßes „Nebeneinandergelten" von Garantietatbeständen reduziert und die Schrankendivergenz zu einem isolierten „Zusatzproblem" 5 6 stilisiert werden. Wenn dann davon ausgegangen wird, daß nur eine von mehreren divergenten Schranken maßgeblich sein könne, w i r d aus der Unterschiedlichkeit der Schrankennormsätze sogleich auf ihre Unvereinbarkeit geschlossen. Damit bleibt nur die Möglichkeit, die Schrankendivergenz konstruktiv über eine Schrankenersetzung oder ein Schrankennebeneinander mit Anwendungspräferenz für eine Schranke zu lösen 57 . Welche Konstruktion auch immer gewählt wird, sie läuft stets auf die Verdrängung einer der Schranken, d.h. aber einer der konkurrierenden Rechtsfolgen hinaus. Die grundrechtliche „Idealkonkurrenz" w i r d damit prinzipiell auf dieselbe Weise konzipiert, wie dies ursprünglich i n § 73 StGB a. F. geschehen war: Nach dessen Wortlaut galt das rigorose Prinzip „lex fortior derogat legi mitiori", kam die Rechtsfolge der „schwächeren" Norm zugunsten jener der „stärkeren" in Wegfall, womit praktisch eine Gleichstellung von „Idealkonkurrenz" und „Gesetzeskonkurrenz" erreicht wurde. Diese Konzeption der „Idealkonkurrenz" ist allerdings von der Rechtsprechung des Reichsgerichts schon frühzeitig i n Richtung auf eine Kumulation der Rechtsfolgen korrigiert worden, und die heutige Regelung des § 52 StGB hat die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze i n vollem Umfange übernommen 58 . Daß für Grundrechtskonkurrenzen die Möglichkeit einer gegenseitigen Ergänzung und Modifizierung der konkurrierenden Rechtsfolgen, wie sie der Zivilrechts- und der Strafrechtsdogmatik präsent ist, gar nicht i n den Blick gerät, dürfte damit zusammenhängen, daß die Vorbehaltsschranken nicht als Argumentationslastregeln, sondern als Obersätze i m Sinne des klassischen Subsumtionsideals begriffen werden. Man glaubt wohl, es könne nur entweder unter den einen oder den anderen Schranken-Obersatz subsumiert werden. Das Dilemma der These von der Idealkonkurrenz schranken65

Vgl. oben § 2 I V 4. So ausdrücklich Schwabe x Grundrechtsdogmatik, S. 394. 57 Vgl. oben § 2 I V 2 b). 58 Maurach, Dt. Strafrecht, A T , § 55 I I A , S. 763 unter Hinweis auf RGSt. 6, S. 183; 18, S. 193; Dietz, Anspruchskonkurrenz, S. 17 m i t F N 16. 56

20 Degen

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divergenter Freiheitsrechte, die k u m u l a t i v e Anwendung aller betroffenen Grundrechte begründen zu wollen und tatsächlich die Verdrängung eines Grundrechts zu begründen, kann man n u r entgehen, wenn man die „Schrankendivergenz" nicht als Zusatz-, sondern als TeiZproblem der Konkurrenz grundrechtlicher Bedingungsnormen faßt; denn erst dann w i r d hinreichend deutlich, daß es u m die K o m p a t i b i l i t ä t grundrechtlicher Rechtsfolgen geht, die durch die Grundrechtsschranken mitkonstituiert werden. Dabei w i r d die Möglichkeit einer gegenseitigen Ergänzung u n d Modifizierung u m so verständlicher werden, je mehr man auf Distanz zum klassisch-juristischen Subsumtionsideal geht. Löst man sich einmal von der Vorstellung, bei den Grundrechtsschranken handele es sich u m Obersätze, unter die nur je gesondert subsumiert werden könne, und formuliert sie stattdessen als Argumentationslastregeln für den freiheitsbeschränkenden Staat, so w i r d einsichtig, daß es unter dem Stichwort „Schrankendivergenz" darum zu t u n ist, die unterschiedlichen Anforderungen an die staatliche Argumentation auf Kombinationsmöglichkeiten zu untersuchen. Anders ausgedrückt handelt es sich bei der „Schrankendivergenz" u m das Problem der Vereinbarkeit von grundrechtlichen Argumentationslastregeln. I n diesem Sinne behält die „Schrankendivergenz" ihre Entscheidungsrelevanz solange, wie man die differenzierten Argumentationslastregeln nicht durch einen grundrechtlichen „Allgemeinvorbehalt" oder eine Güterabwägung i m Rahmen einer Zumutbarkeitsprüfung nivellierend überformt. Wenn Jürgen Schwabe die Unterschiede zwischen den grundrechtlichen Vorbehaltsschranken zu rein „nominellen" deklassiert, w e i l er jedem Grundrecht „die unabdingbar erforderlichen Eingriffsgründe" zugeordnet sieht, „auch wenn der Wortlaut dem entgegensteht" u n d w e i l er zudem i n jedem Falle eine Güter- u n d Interessenabwägung für geboten hält 5 9 , dann muß er allerdings die gesamte verfassungsrechtliche L i t e r a t u r zu den Problemen von Grundrechtskonkurrenzen für M a k u l a t u r erklären® 9 . Der Federstrich Jürgen Schwabes vermag aber weder diese W i r k u n g zu erzielen noch sie dogmatisch korrekt u n d plausibel zu begründen: Der von i h m postulierte „Allgemeinvorbehalt" ist — nach eigenem Zugeständnis — m i t dem Wortlaut der Verfassung nicht vereinbar, überschreitet also die äußerste Grenze zulässiger Verfassungsinterpretation u n d muß daher als contra constitutionem zurückgewiesen werden. M i t einem derartigen Allgemeinvorbehalt ergäbe sich zudem die unerwünschte Folge einer Blankovollmacht für staatliche Freiheitsbeschränkungen, da keine prüfbaren K r i t e r i e n dafür angebbar sind, w a n n ein Eingriff „unabdingbar 59 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 307, 319, 420 u. a. unter Berufung auf BVerfGE 33, S. 303 (S. 334). eo Schwabe, ebenda, S. 443.

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erforderlich" ist. Wenn diese Blankovollmacht nach Schwabe durch eine „strikte, freiheitlich ausgerichtete Kontrolle" des Verfassungsgerichts begrenzt werden soll 61 , dann w i r d der Entgrenzung gesetzgeberischer Eingriffskompetenzen mit der Entgrenzung verfassungsgerichtlicher Kontrollbefugnisse begegnet. Nach der völligen Nivellierung der Grundrechtsschranken bleibt als einziger Kontroll „maßstab" nur noch die konkrete Güter- und Interessenabwägung i m Rahmen der umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung, die dann zu einem „unverzichtbaren Instrument des Freiheitsschutzes" stilisiert werden muß 6 2 . Daß die konkrete Güter- und Interessenabwägung keinen normativen Halt i n einer verfassungsrechtlichen Präferenzordnung finden kann und daß die Operation des „Abwägens" methodisch völlig ungeklärt ist, w u r de i m Anschluß an Bernhard Schlink bereits begründet. Ebenso wurde aufgewiesen, daß die durchgängige Handhabung des Abwägens i m Verfassungsrecht die intolerable Wendung zum konkreten Situationsrecht und zur Situations]urisprudenz impliziert 6 3 . Die Problematik der Schrankendivergenz ist daher nicht mit Jürgen Schwabe für erledigt zu erklären. Es ist vielmehr zu entwickeln, wie die differenzierten Argumentationslastregeln, die auf der Rechtsfolgeseite der grundrechtlichen Bedingungsnormen angesiedelt sind, miteinander kombiniert werden können. 2. Pressefreiheit und Berufsfreiheit

a) Die Vereinbarkeit

der konkurrierenden

Rechtsfolgen

Die Diskussion der kumulativen Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und A r t . 12 Abs. 1 GG soll auf die Frage konzentriert werden, inwieweit die Schranke der allgemeinen Gesetze gem. A r t . 5 Abs. 2 GG und der Regelungsvorbehalt des A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG i m Konkurrenzfall rechtsfolgebestimmend zusammenwirken können 64 . Anzuknüpfen ist daran, daß es sich beidemal u m Argumentationslastregeln handelt, denen dieselbe Struktur, nämlich die Bauweise nach einem Ziel-Mittel-Schema eignet: Die öffentliche Gewalt hat jeweils über eine Argumentation mit bewährten empirischen Hypothesen und Theorien zu begründen, daß eine freiheitsbeschränkende Rechtsnorm zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und notwendig ist 6 5 . Diese gemeinsame Struktur w i r d in A r t . 5 Abs. 2 und A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG jeweils bezüglich der inhalt61 62 63 64 65

2 *

Ebenda, S. 310 f. Ebenda, S. 323. Vgl. oben § 7 I I 4 b). Z u r Begründung dieser Beschränkung vgl. oben § 9 I I v o r 1). Vgl. oben §8 11 1.

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liehen Anforderungen an die Argumentation des freiheitsbeschränkenden Staates differenziert: Nach A r t . 5 Abs. 2 GG w i r d — wie gezeigt wurde 6 8 — das Argumentationsarsenal der öffentlichen Gewalt beschränkt; mit der Ausschlußformel der „allgemeinen Gesetze" w i r d dem Staat verboten, i m Rahmen der Begründung von (materiellen) Gesetzen auf die inhaltliche Qualität und die geistige Wirkung von Meinungsbzw. Informationsinhalten abzustellen, sofern dabei als Anknüpfungsund Begründungspunkte nicht Rechtsfolgen vorliegen, die i n anderen Verfassungsnormen für Äußerungen und Betätigungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgesehen sind. Nach A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG ist der staatliche Argumentationsspielraum hingegen nur insofern beschränkt, als die Begründung an der Berufsausübung als dem möglichen erkennbaren Berufsverhalten ansetzen muß; i n diesem Rahmen darf auch mit der Qualität und der Wirkung der Berufsausübung argumentiert werden 67 . I m Konkurrenzfall, der pauschal als Beschränkung der Presseberufsfreiheit umschrieben werden kann, lassen sich beide Argumentationslastregeln i m Sinne ihrer gegenseitigen Beschränkung ergänzen, ohne daß eine von beiden ihre selbständige Bedeutung verlöre: A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG kann das Erfordernis des Bezugs zur Berufsausübung einbringen, das A r t . 5 Abs. 2 GG nicht beinhaltet. A r t . 5 Abs. 2 GG trägt den Ausschluß von Argumenten bei, die ansonsten strukturell nach A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG zugelassen sind. Die Argumentationslast des freiheitsbeschränkenden Staates kann i m Falle der Konkurrenz zwischen Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und A r t . 12 Abs. 1 GG also folgendermaßen kumuliert werden: Bei Presseberufsregelungen muß die Argumentation an der Ausübung des jeweiligen Presseberufs ansetzen, ohne dabei auf die inhaltliche Qualität und die geistige Wirkung von beruflich hergestellten Presseerzeugnissen abzustellen. Neben der Vereinbarkeit der Argumentationslastregeln ist für die Begründung einer Kumulation der konkurrierenden Rechtsfolgen grundrechtlicher Bedingungsnormen weiter aufzuzeigen, daß auch die jeweils für Freiheitsbeschränkungen vorgeschriebenen Entscheidungsverfahren sich nicht gegenseitig ausschließen: Das Entscheidungsverfahren, das gem. Art. 5 Abs. 2 GG für Beschränkungen der Pressefreiheit einzuhalten ist, unterscheidet sich nicht von jenem, welches gem. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG für Einschränkungen der Berufsfreiheit verlangt wird. Wie gezeigt wurde, darf die Pressefreiheit durch jedes materielle Gesetz68, die Berufsfreiheit durch oder aufgrund eines formellen Ge66 Vgl. oben § 9 I I . 67 Vgl. oben § 10 I 2. 68 Vgl. oben § 9 I I 2.

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setzes beschränkt werden 69 . Neben formellen Parlamentsgesetzen sind in beiden Fällen also auch gesetzesgegründete Rechtsverordnungen und Satzungen zugelassen70. Wenn nun i m Konkurrenzfall die deutsche öffentliche Gewalt durch ein und denselben Hoheitsakt deutschen Zivilpersonen ein Verhalten gebietet oder verbietet, das gleichzeitig durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und durch A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG als erlaubt garantiert wird, können die Rechtsfolgen wie folgt kumuliert werden: Der Hoheitsakt ist rechtswidrig, es sei denn, (1) er wäre ein ordnungsgemäß zustandegekommenes Parlamentsgesetz, eine gesetzesgegründete Rechtsverordnung oder Satzung bzw. als Verwaltungsakt darauf gestützt, (2) die schrankenziehende Norm könnte zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels als geeignet und notwendig begründet werden, a) wobei die Begründung an der Berufsausübung anknüpfte, b) ohne auf die inhaltliche Qualität und die geistige Wirkung von Meinungs- und Informationsinhalten abzustellen. Dieser Vorschlag zur Konkurrenzlösung i m Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit soll nun anhand einer gesetzlichen Regelung des Journalistenberufs verdeutlicht werden. b) Exemplifizierung: einer obligatorischen

Zulässigkeit Journalistenausbildung?

Die Diskussion über Vor- und Nachteile einer außerbetrieblichen, wissenschaftlich fundierten Journalistenausbildung, die i n der Publizistikwissenschaft und i n den journalistischen Berufsverbänden schon seit Beginn dieses Jahrhunderts geführt wird 7 1 , hat i n den vergangenen zehn Jahren neuen Auftrieb erhalten. Den vielfältigen Reformvorschlägen von Gewerkschaften, politischen Parteien, wissenschaftlichen Ein69 Maunz, in: MDHSch., A r t . 12, Rdnr. 9 f.; Gubelt, in: v. Münch, A r t . 12, Rdnr. 68 ff.; BVerfGE 33, S. 125 LS 3. 70 Z u r Frage, i n w i e w e i t der parlamentarische Gesetzgeber seine Rechtsetzungsbefugnis delegieren darf, insbes. i n w i e w e i t autonome Satzungen freiheitsbeschränkende Regelungen treffen dürfen: BVerfGE 33, S. 125; Starck, Gesetzesbegriff, S. 46 f.; 288 ff.; Lerche, DVB1. 1958, S. 524 ff. (S. 527 ff.). Pauschal läßt sich w o h l sagen, daß der parlamentarische Gesetzgeber die grundlegenden Sachentscheidungen zu treffen hat. 71 Langenbucher, in: Schiwy/Schütz, S. 22; vgl. zudem den bibliographischen Überblick von Hans Bohrmann, in: A u f ermann/Elitz, Ausbildungswege zum Journalismus, S. 252 f.

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richtungen usf. soll hier nicht i m einzelnen nachgegangen werden 72 . Es ist auch nicht beabsichtigt, ein „verfassungsgemäßes" Ausbildungsmodell zu entwerfen, denn ein solches ist aus der Verfassung nicht ableitbar 7 3 . Aus dem Bündel von Vorschlägen soll hier nur die Forderung herausgegriffen werden, den Zugang zum Journalistenberuf gesetzlich von einer besonderen Ausbildung abhängig zu machen. Diese Forderung w i r d — soweit ersichtlich — gegenwärtig nur von der Deutschen Journalistenunion i n der Industriegewerkschaft Druck und Papier — DJU — erhoben, während die i m Bundestag vertretenen Parteien, der Deutsche Journalistenverband — DJV — und die Verlegerverbände am Prinzip des offenen Berufszugangs festhalten 74 . I n der Ausbildungskonzeption der DJU vom 11.11.1973 heißt es: „Informationen u n d Meinungen i n die Öffentlichkeit zu bringen, ist jedermanns Recht. Publizistische Betätigung darf daher nicht Privileg eines Ausbildungsberufs werden. Wer aber in Zukunft hauptberuflich als Journalist tätig werden will, muß eine entsprechende Ausbildung absolviert haben75."

Unter einer adäquaten Journalistenausbildung w i r d von der DJU ein dreijähriges Journalistik-Studium an einer (Gesamt)Hochschule verstanden 70 . U m untersuchen zu können, ob die Verwirklichung dieser Forderung durch den staatlichen Gesetzgeber verfassungswidrig wäre oder nicht, muß sie zunächst auf eine rechtsförmiige Formulierung gebracht werden. Das kann durch folgende Bestimmung eines Journalistenausbildungsgesetzes — J A G — geschehen: „§ 1 Zulassung zum Journalistenberuf (1) Journalist ist, wer hauptberuflich durch Sammeln v o n Informationen, deren Prüfung, A u s w a h l u n d Bearbeitung u n d durch Kommentierung an der Herstellung u n d Verbreitung v o n Aussagen durch Massenmedien mitwirkt.

72 Vgl. Knoche, Ausbildungskonzepte des Deutschen Presserats u n d der Berufsorganisationen: D J V u n d DJU, in: Aufermann/Elitz, S. 144 ff.; Auf ermann, Pläne u n d Modelle zur Hochschulausbildung v o n Journalisten, ebenda, S. 198 ff. 73 Zur Begründung vgl. oben § 8 I 3. 74 Vgl. dazu die Interviews zur Reform der Journalistenausbildung m i t Vertretern der Parlamentsparteien, des DGB und des BDZV, in: A u f ermann/ Elitz, S. 169 ff. (S. 193); zur Position der Bundesregierung vgl. den Bericht der Bundesregierung (1974), BT-Drs. 7/2104, S. 79 ff., u n d den Medienbericht 1978, BT-Drs. 8/2264, S. 117 ff. 75 Abgedruckt i n : Bericht zur Journalistenausbildung und Fortbildung i m Lande N R W des Ministers für Wissenschaft u n d Forschung NRW, Anlage 14, S. 120 ff. 76 Ebenda, S. 121 f.

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(2) Als Journalist darf nur tätig sein, wer ein dreijähriges Studium der Journalistik an einer wissenschaftlichen Hochschule m i t der Prüfung als Diplom-Journalist erfolgreich abgeschlossen hat."

aa) Daß der Konkurrenzfall, also die igleichzeitige Aktualisierung der bedingenden Tatbestände der A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG und A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG hier gegeben ist, läßt sich relativ einfach aufzeigen: Zunächst liegt mit § 1 JAG ein einheitlicher Hoheitsakt vor. Die Vorschrift kann trotz ihrer beiden Absätze nicht i n ,zwei selbständige Teile zerlegt werden, denn Abs. 1 enthält keine eigene Rechtsfolgeanordnung, sondern präzisiert als „erläuternder Normsatz" ein Tatbestandsmerkmal des bedingten Normsatzes des Abs. 2. Dessen Rechtsfolgeanordnung bezieht sich auch auf ein einheitliches Verhalten von Zivilpersonen. A l l e n Zivilpersonen, die keine entsprechende Ausbildung absolviert haben, w i r d verboten, hauptberuflich als Journalist zu arbeiten. Eine empirisch-soziologische Analyse der journalistischen Berufsfelder gelangte sicherlich zu dem Ergebnis, daß die journalistische Berufstätigkeit i n verschiedene, mehraktige Handlungsabläufe gegliedert werden kann. Rechtlich kommt es darauf aber nicht an, da § 1 J A G die Berufstätigkeit als einheitliches Verhalten behandelt. Das verbotene Verhalten w i r d schließlich gleichzeitig, allerdings unter verschiedenen Aspekten durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und durch A r t . 12 Abs. 1 S. 1 GG erlaubt. M i t der Garantie der Pressefreiheit w i r d die Handlungsart des Herstellens und Verbreitens von Druckwerken beliebigen Inhalts, mit der Garantie der Berufsfreiheit die Verfolgung von Erwerbszielen mittels dieser Tätigkeit erfaßt. bb) Da ein Fall verdrängender Normenkonkurrenz nicht nachgewiesen werden kann, w i r d die Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit des § 1 J A G n u r ausgeschlossen, wenn sowohl das von A r t . 5 Abs. 2 GG als auch das von A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG geforderte Argumentations- und Entscheidungsverfahren eingehalten worden ist. Hinsichtlich des Entscheidungsverfahrens sei davon ausgegangen, daß § 1 J A G vom zuständigen Gesetzgebungsorgan i n dem verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Gesetzgebungsverfahren ordnungsgemäß beschlossen worden ist 7 7 . Problematisch ist hingegen, ob die Normierung subjektiver Voraussetzungen für den Zugang zum Journalistenberuf gem. § 1 J A G der kumulierten Argumentationslast gem. A r t . 5 Abs. 2,12 Abs. 1 S. 2 GG gerecht werden kann. A u f zu weisen ist zuerst das Regelungsziel, der Wirklichkeitszustand, welcher mit der Normierung erreicht werden soll. Dabei hat die Zielargumentation berufsausübungsbezogen zu sein, 77 Dabei k a n n davon ausgegangen werden, daß gesetzliche Regelungen der Journalistenausbildung i n die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen.

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ohne auf den inhaltlichen Wert und die geistige Wirkung von Meinungsäußerungen abzustellen. Für eine obligatoriische Journalistenausbildung formuliert das Ausbildungskonzept der DJU folgende Zielangabe: „Die Ausbildung von Journalisten muß sich an ihrer gesellschaftlichen F u n k t i o n orientieren. Die journalistische Tätigkeit ist wesentlicher Bestandteil der Massenkommunikation. Die gesellschaftliche F u n k t i o n der Massenkommunikation verlangt v o m Journalisten, die i n der Gesellschaft wirkenden Kräfte sichtbar zu machen. Dabei muß festgestellt werden, daß die Abhängigkeit des einzelnen v o m Massenkommunikationsprozeß, zu dem die Massenmedien entscheidend beitragen, m i t dessen Monopolisierung i n wenigen Großbetrieben wächst. M i t der Abhängigkeit des einzelnen aber n i m m t der Einfluß gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse auf die Meinungsbildung noch weiter zu. Deshalb müssen besonders die Interessen der abhängig Beschäftigten bei der Ausbildung v o n Journalisten berücksichtigt werden. Ausgehend v o n den real existierenden Bedürfnissen des Großteils der Rezipientenschaft dürfen die Medien nicht (weiter) auf bloße Unterhaltungs- u n d Werbefunktionen reduziert werden, sondern müssen sich i n ihrer Aufgabenstell u n g an den Prinzipien des DGB-Grundsatzprogramms von 1963 (Präambel) ausrichten, wo es heißt: „die demokratische Gestaltung des gesellschaftlichen, politischen u n d wirtschaftlichen Lebens" muß so gestaltet werden, „damit jeder Mensch seine Gaben nützen, seine Persönlichkeit frei entwickeln u n d verantwortlich mitentscheiden kann". Damit die Medien ihrer öffentlichen Aufgabe gerecht werden, müssen sie folgendes leisten: — Informationen über soziale Konflikte u n d deren Ursachen liefern, — A u f k l ä r u n g über gesellschaftliche Prozesse i n ihrem richtigen Zusammenhang, — Darstellung v o n politischen Ereignissen nach ihrer jeweiligen Relevanz für die Bevölkerung (Rezipientenschaft)." „Der Journalismus gilt traditionell als »offener Begabungsberuf 4 , i n dem sich das »Naturtalent' von selbst entwickelt, so daß sich eine systematische Ausbildung erübrigt. Solche Vorstellungen können heute nicht mehr akzeptiert werden, w e i l sie auf eine Privilegierung des Bildungsbürgertums beim Zugang zum Journalistenberuf hinauslaufen, w e i l sie den einzelnen Journalisten schutzlos dem Risiko des beruflichen Scheiterns überantworten, w e i l sie es allein dem Gespür des Journalisten überlassen w o l l e n zu entscheiden, welche Informationen richtig u n d wichtig sind, also I r r a t i o nalität u n d Konformismus begünstigen, u n d w e i l sie den eingetretenen Veränderungen der Berufswirklichkeit, insbesondere der Differenzierung u n d Technisierung der Medien u n d dem zunehmenden Zwang zur fachlichen Spezialisierung des Journalisten nicht standhalten. Die wissenschaftlich-technischen Umwälzungen i n der gesamten Gesellschaft u n d auch i m Bereich der Medien haben Verhältnisse entstehen lassen, i n denen der Allround-Journalist früherer Jahre versagen muß. Spezialisierung des Journalisten für ein bestimmtes M e d i u m u n d für ein bestimmtes Fachgebiet darf jedoch weder zu beruflicher I m m o b i l i t ä t , die eine ständige Gefahr für die Existenzsicherung bedeutet, noch zu Fachidiotentum führen.

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Gefordert ist der kritische Fachjournalist: sie setzt daher eine solide, gesellschaftsorientierte Grundausbildung aller Journalisten voraus 7 8 ."

Diese Zielargumentation, die den Diskussionsstand der Befürworter einer Ausbildungsreform i n seinen wesentlichen Zügen zusammenfaßt und i n bestimmter politischer Richtung akzentuiert, ist zu unstrukturiert und zu unpräzise, u m aus ihr klar entnehmen zu können, welcher wirkliche Zustand angestrebt wird. Das zu erreichende Ziel w i r d an keiner Stelle exakt herausgearbeitet; es finden sich nur sehr vage Zielumschreibungen, die das, was genau erreicht werden soll, nicht klar definieren. Daher muß versucht werden, das anvisierte Regelungsziel präzisierend zu rekonstruieren: Dabei kann grob zwischen zwei Zielen unterschieden werden, nämlich der Sicherung der gesellschaftlichen Funktion der Massenmedien und der Verbesserung der journalistischen Berufschancen. (1) Das erste Ziel, das i m Ausbildungskonzept der DJU ausführlich als Sicherung der öffentlichen Aufgabe der Medien angesprochen wird, reicht für eine prüfbare Zielangabe nicht hin. Es handelt sich u m eine Leerformel, da sie begrifflich derart vage ist, daß keine zuverlässigen Kriterien dafür angegeben werden können, wann ein Wirklichkeitszustand, bei dem die „öffentliche Aufgabe" erfüllt ist, vorliegt und wann nicht. Der Katalog von Anforderungen, den das DJU-Ausbildungskonzept formuliert, leistet keine zureichende Präzisierung; wenn dort den Medien abverlangt wird, über „soziale Konflikte und deren Ursachen" zu informieren, über „gesellschaftliche Prozesse in ihrem richtigen Zusammenhang" aufzuklären und politische Ereignisse „nach ihrer jeweiligen Relevanz für die Bevölkerung" darzustellen, w i r d die Leerformel von der gesellschaftlichen Funktion nur durch neue Leerformeln „definiert". Diese K r i t i k trifft nicht allein das Ausbildungskonzept der DJU; dieses steht hier nur für einen argumentativen Standard der gesamten Ausbildungsdiskussion, der in einer Vielzahl von Reformkonzepten mit schöner Regelmäßigkeit und i n immer neuer Variation auftaucht 79 . Angeführt sei hier nur die „Empfehlung zur Studienreform der Journalistenausbildung" des Beirats für die Studienreform des nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministers: „Das Ziel der Journalistenausbildung soll ja sein, die öffentliche Aufgabe 78 Ausbildungskonzeption der DJU, in: Bericht zur Journalistenausbildung und - f o r t b i l d u n g i n N R W des Ministers für Wissenschaft und Forschung NRW, Anlage 14, S. 120 f. 79 Vgl. etwa: Deutscher Presserat, Neues Memorandum für einen Rahmenplan zur Journalistenausbildung v o m 28.11.1973, abgedruckt in: Aufermann/ Elitz, S. 286 ff.; Kölner-Schule, I n s t i t u t für Publizistik e. V., Das Kölner M o dell, Grundsatz-Papier, S.2; Auf ermann/Elitz, Bildungs- u n d medienpolitische Perspektiven der Journalistenausbildung, in: Aufermann/Elitz, S. 244 ff. (S. 245).

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

der gesellschaftlichen Kommunikation von Menschen wahrnehmen zu lassen, denen die Funktion der Publizistik nicht schematisch als Information, Kommentar und Unterhaltung erscheint, sondern als ein wesentliches Element gesellschaftlicher Kontrolle und alternativen Denkens 80 ." Die leerformelhafte Zielargumentation über die gesellschaftliche Funktion der Massenmedien kann nicht völlig verhüllen, welcher w i r k liche Zustand mit einer obligatorischen Journalistenausbildung erreicht werden soll. Dieser läßt sich i n etwa folgendermaßen angeben: Die Ablösung des offenen Berufszugangs durch subjektive Zugangs Voraussetzungen nach A r t des § 1 J A G soll die Selektion und Rekrutierung des Nachwuchses für die journalistischen Berufe nach weniger irrationalen, objektivierbaren Kriterien ermöglichen 81 . Damit soll gewährleistet werden, daß nur jene Bewerber i n die frei werdenden oder neu entstehenden Berufspositionen einrücken, die eine bestimmte Qualifikation nachweisen können. Genauer soll der frühere Allround-Journalist ohne besondere Berufsausbildung durch den „kritischen Fachjournalisten" ersetzt werden 8 2 . Wenn ersterem „Versagen" vorgehalten und nur letzterem die Fähigkeit zugesprochen wird, den wachsenden Anforderungen der politischen, gesellschaftlichen und kommunikationstechnischen Entwicklung an die journalistischen Berufe hinsichtlich Allgemeinbildung, Fachkenntnissen, Medientheorie und Berufsmoral gerecht zu werden 83 , so schält sich als angestrebtes Ziel letztlich eine qualitative Veränderung des beruflichen Handelns von Journalisten und somit der Inhalte massenmedialer Aussagen heraus. Erreicht werden sollen eine „bessere Qualität der journalistischen Arbeit in allen Bereichen" 84 und damit eine Verbesserung der von der journalistischen Berufsarbeit geprägten Inhalte der Massenkommunikation 85 . Welchen Kriterien diese Qualitätsverbesserung folgen soll, w i r d nicht expliziert, sondern nur angedeutet. Der DJU geht es darum, es nicht mehr allein dem „Gespür des Journalisten" zu überlassen, „welche Informationen richtig und wichtig sind". Nicht „Irrationalität und Konfor80 Abgedruckt in: Bericht zur Journalistenausbildung u n d - f o r t b i l d u n g i m Lande NRW des Ministers für Wissenschaft u n d Forschung NRW, Anlage 2, S. 44 ff. (S. 46). 81 Langenbucher, in: Schiwy/Schütz, S. 25. 82 Ausbildungskonzeption der DJU, in: Bericht zur Journalistenausbildung u n d - f o r t b i l d u n g i m Lande N R W des Ministers für Wissenschaft u n d Forschung NRW, S. 121. 83 Ebenda, S. 121; Langenbucher, in: Schiwy/Schütz, S. 22 f. 84 So die Empfehlung zur Studienreform i m Bereich der Journalistenausbildung, in: Bericht zur Journalistenausbildung u n d - f o r t b i l d u n g i m Lande N R W des Ministers für Wissenschaft u n d Forschung NRW, Anlage 2, S. 44 ff. (S. 48). 85 Langenbucher, in: Schiwy/Schütz, S. 26.

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mismus", sondern die „real existierenden Bedürfnisse des Großteils der Rezipientenschaft", insbesondere „die Interessen der abhängig Beschäftigten" sollen für die journalistische Berufstätigkeit maßgeblich sein und die Aussagen der Medien prägen 86 . Von einer Minderheit i n der DJU w i r d diese Perspektive radikaler und eindeutiger formuliert: Die gesellschaftliche Funktion des Journalisten solle nach dem Prinzip der „offenen Parteilichkeit" für die Interessen der Arbeitnehmer ausgefüllt werden. Durch die Vermittlung von Einsichten i n die ökonomische und politische Situation werde der Journalist zu bewußtem politischen Handeln i m Sinne demokratischer Veränderung und sozialer Emanzipation anstatt ideologischer Verklärung von Herrschaftsverhältnissen befähigt 87 . Schlägt man nun wieder den Bogen zur Argumentation um die „öffentliche Aufgabe", mit der die Rechtfertigung einer Ausbildungsreform vornehmlich geleistet werden soll, so erweist sich, daß sie als Legitimationsgrundlage für die negative Bewertung der vorherrschenden, durch die aktuelle journalistische Berufspraxis geprägten Medieninhalte und für deren qualitative Veränderung instrumentalisiert wird. Die Berufung auf die Leerformel von der „öffentlichen Aufgabe" ermöglicht es den Befürwortern einer obligatorischen Journalistenausbildung sich auf einen vermeintlich objektiven Wertmaßstab zurückzuziehen, anstatt eine prüf bare Begründung für ihre Bewertung der gegenwärtigen Medieninhalte als weniger wertvoll und eher schädlich zu liefern und kontrollierbare Kriterien für eine Qualitätsverbesserung anzugeben. Dies ist sicherlich auch Ausdruck des Dilemmas, daß man sich i n der Ausbildungsreformdiskussion zwar weitgehend über die K r i t i k an der gegenwärtigen Regelausbildung des betrieblichen Volontariats verständigt hat 8 8 , sich aber nicht darüber einig ist, was heute unter einem Journalisten zu verstehen ist und wie die journalistischen Berufsfelder konkretisiert werden können 89 . Verfassungsrechtlich dient die Berufung auf die „öffentliche Aufgabe" Wolfgang Langenbucher 90 91 und Andreas Lahusen dazu, die an der inhaltlichen Qualität anknüp88 Ausbildungskonzeption der DJU, in: Bericht zur Journalistenausbildung u n d - f o r t b i l d u n g i m Lande N R W des Ministers für Wissenschaft u n d Forschung NRW, S. 120. 87 Vgl. Ralf Siegemann, Wie macht man Journalisten? — Tagung der D J U zur Journalistenausbildung, in: Die Feder 12/1973, S.9ff. (S. 10); Knoche, Ausbildungskonzepte des Deutschen Presserates u n d der Berufsorganisationen: D J V u n d DJU, in: Aufermann/Elitz, S. 144 ff. (S. 154). 88 Zur K r i t i k der Volontärsausbildung vgl. die grundlegende Studie von Günter Kieslich, Der journalistische Nachwuchs i n der BRD, K ö l n 1974. 89 Manfred Rühl, Weiterhin ein offener Begabungsberuf?, in: Der Journalist 8/1974, S. 32 f. 90 Langenbucher, in: Schiwy/Schütz, S. 22 ff. 91 Lahusen, Presseberufe, S. 40 ff., 63 ff.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

fende, missionarische Zielargumentation zu legitimieren: „Die Funktionsfähigkeit der entscheidend von der journalistischen Berufsarbeit geprägten öffentlichen Kommunikation" stelle „zweifelsfrei" ein „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" dar. Daher seien subjektive Zugangsvoraussetzungen verfassungsrechtlich unbedenklich, ja man müsse sogar fragen, ob der Staat nicht verpflichtet sei, berufliche Regelungen und eine normierte „Verfassung" der Kommunikationsberufe zu schaffen 92 . Abgesehen davon, daß wieder einmal eine Leerformel an die andere gereiht w i r d („Funktionsfähigkeit", „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut"), fällt auf, daß weder bei Langenbucher noch bei Lahusen die Schranke der allgemeinen Gesetze gem. A r t . 5 Abs. 2 GG zum Problem wird 9 3 . Indem die Argumentationslastregel des A r t . 5 Abs. 2 GG beiseite geschoben wird, ist es ein Leichtes, mit der Leerformel von der „öffentlichen Aufgabe" eine präzise und prüfbare Zielargumentation zu verdrängen, die Begrenzung des Argumentationsarsenals der öffentlichen Gewalt zu übergehen und so Tür und Tor für jedwede politisch erwünschte Freiheitsbeschränkung m i t missionarischer Zielsetzung zu öffnen. Von einer staatlichen ArgumentationsZast kann dann keine Rede mehr sein. Geht man hingegen m i t der hier angenommenen Auslegung davon aus, daß i m Konkurrenzfall die beteiligten Argumentationslastregeln der A r t . 5 Abs. 2, 12 Abs. 1 S. 2 GG i m Sinne ihrer gegenseitigen Ergänzung und Begrenzung kumuliert werden müssen, so scheitert die Zielargumentation u m die Sicherung der „öffentlichen Aufgabe": Zwar weist sie den gem. A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG erforderlichen Bezug zur Berufsausübung aus, denn wie bei anderen Berufen w i r d hier hinsichtlich des Journalistenberufs m i t möglichen Gefahren und Nachteilen argumentiert, die durch die A r t und Weise journalistischen Berufsverhaltens hervorgerufen werden können. Aber wenn diese Gefahren und Nachteile darin ausgemacht werden, daß die Presse als gesellschaftlicher Machtfaktor — wie Lahusen es ausdrückt — „mit dem Risiko des verantwortungslosen Handelns und somit des Machtmißbrauchs" belastet sei und die „Suggestionskraft des gedruckten Wortes erhebliche Schädigungen bewirken" könne 94 , dann w i r d entgegen Art. 5 Abs. 2 GG für die Rechtfertigung einer obligatorischen Journalistenausbildung auf die mangelnde inhaltliche Qualität und die schädliche geistige Wirkung von massenmedialen Aussagen, insbesondere von Presseerzeugnissen abgestellt. Von daher kann es nicht gelingen, ein legitimes Regelungsziel aufzuweisen, da die Zielargumentation — wie 02

Langenbucher, in: Schiwy/Schütz, S. 26. N u r Lahusen, Presseberufe, S. 53, stellt pauschal fest, Zulassungsvoraussetzungen seien m i t A r t . 5 I I GG vereinbar. 94 Lahusen, Presseberufe, S. 81. 93

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gezeigt wurde — missionarischen Charakter annehmen muß; es muß darum gehen, die Massenmedien auf eine andere, als besser verstandene inhaltliche Ausrichtung festzulegen. (2) Wenn mit einer obligatorischen Journalistenausbildung i. S. § 1 J A G weiterhin eine Verbesserung der Berufschancen von Journalisten angestrebt wird, so kann diese Zielangabe folgendermaßen präzisiert werden: Der einzelne Journalist soll nicht mehr schutzlos dem Risiko beruflichen Scheiterns überanwortet werden, vielmehr soll durch eine Höherqualifizierung ein Mehr an Unabhängigkeit vom Verleger, an beruflicher Mobilität und an Arbeitsplatzsicherheit erreicht werden 95 . Durch eine wissenschaftlich fundierte Qualifikation soll der Wert der Arbeitskraft von Journalisten erhöht und damit die Chance verbessert werden, nach beendeter Ausbildung einen Arbeitsplatz zu finden, einen eingenommenen Arbeitsplatz nicht unfreiwillig zu verlieren und den Arbeitsplatz nach eigener Wahl relativ leicht wechseln zu können. Damit soll innerbetrieblich eine Stärkung der Stellung der angestellten Journalisten gegenüber dem Verleger-Arbeitgeber einhergehen. Pauschal formuliert, w i r d ein Zustand erstrebt, bei dem die Arbeitsmarktsituation für Journalisten deutlich besser als gegenwärtig ist und daher innerbetrieblich ein größerer Bewegungsspielraum für die Redakteure möglich wird. Die Problematik dieser Zielargumentation liegt nicht bei der Argumentationslastregel des A r t . 5 Abs. 2 GG, sondern bei der des A r t . 12 Abs, 1 S. 2 GG: Die Argumentation stellt zwar nicht auf den inhaltlichen Wert und die geistige Wirkung von Presseerzeugnissen ab und das angestrebte Ziel hat weder missionarischen noch diskriminierenden Charakter, fraglich ist aber der Bezug zur Berufsausübung. Wie gezeigt wurde, ist von einer ausübungsbezogenen Argumentation zu verlangen, daß sie an den Modalitäten des Berufsverhaltens und dessen Wirkungen anknüpft. Das hat durch den Aufweis möglicher Gefahren und Nachteile zu geschehen, die durch das ungeregelte Berufsverhalten hervorgerufen werden können 96 . Das journalistische Berufsverhalten kann grob als produktiv (Herstellung der publizistischen Produkte durch Sammeln, Prüfen, Auswählen, Bearbeiten, Kommentieren, technische Realisation) und dispositiv (Schaffung der organisatorischen, personellen, technischen und finanziellen Voraussetzungen für die Produktion) gekennzeichnet werden 9 7 . Die Zielargumentation u m die Ver95 Ausbildungskonzepte der DJU, in: Bericht zur Journalistenausbildung u n d -forbildung i m Lande N R W des Ministers für Wissenschaft u n d Forschung NRW, S. 121; Knoche, Ausbildungskonzepte des Deutschen Presserates u n d der Berufsorganisationen: D J V u n d DJU, in: Aufermann/Elitz, S. 144 ff. (S. 149 f.). 96 Vgl. oben § 10 I 2.

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besserung der Berufschancen von Journalisten setzt nun gerade nicht an diesem äußeren Berufsverhalten, seinen Modalitäten und Wirkungen, sondern an der Qualifikation als einer persönlichen Eigenschaft der journalistisch tätigen Personen an. Sie geht davon aus, daß die gegenwärtige Regelausbildung i m betrieblichen Volontariat zu einer mangelhaften Berufsqualifikation führt, damit eine relativ starke Bindung an das Unternehmen, i n dem das Volontariat absolviert wurde, bewirkt, i m Falle der Entlassung es erschwert einen neuen Arbeitsplatz zu finden und so insgesamt den Wert der journalistischen Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt mindert. I n Rede stehen demnach die nachteiligen Wirkungen mangelnder Berufsqualifikation auf den A r beitsmarkt, nicht Gefahren und Nachteile, die möglicherweise durch die Ausübung des Berufs verursacht werden. Es kann zwar kein Zweifel daran bestehen, daß die Sicherung der Arbeitsplätze von Arbeitnehmern, die Förderung der Berufsqualifikation bestimmter Berufsgruppen, die Stärkung der innerbetrieblichen Position von Arbeitnehmern gegenüber dem Arbeitgeber grundsätzlich legitime Ziele staatlichen Handelns sind. Die Arbeitsplatzsicherheit und die innerbetriebliche Stellung können insbesondere i m Rahmen von Beschränkungen des Produktionsmitteleigentums gem. A r t 14 Abs. 1 S.2, Abs.2 GG eine wichtige und legitime Rolle spielen. I m Rahmen von Einschränkungen der Berufsfreiheit gem. A r t . 12 Abs. 1 S.2 GG reichen sie jedoch ebensowenig aus wie die Förderung der Gewinnchancen von Unternehmen (etwa durch Schutz vor Konkurrenz) oder die Hebung des Sozialprestiges einer Berufsgruppe 98 . cc) I m Ergebnis ist demnach festzuhalten, daß die Normierung subjektiver Zugangsvoraussetzungen nach A r t des hier formulierten § 1 J A G verfassungswidrig wäre, da der kumulierten Argumentationslast bereits insoweit nicht genügt werden kann als ein legitimes Regelungsziel nicht aufgewiesen werden kann. Das Dilemma liegt darin, daß eine obligatorische Journalistenausbildung wegen A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG immer berufsausübungsbezogen gerechtfertigt werden muß, die A r gumentation u m mögliche Gefahren und Nachteile journalistischen Berufsverhaltens aber kaum gelingen kann, ohne daß entgegen A r t . 5 Abs. 2 GG von der inhaltlichen Qualität und der geistigen Wirkung journalistischer Meinungsäußerung die Rede ist. Dieses Ergebnis darf nicht dahin mißverstanden werden, daß das Grundgesetz i n A r t . 5, 12 GG ein journalistisches Berufsbild i m Sinne eines „offenen Begabungsberufs" fixiere. Ob für den Journalistenberuf eine besondere 97 Ausbildungskommission des DJV, „Berufsbild — Rahmenentwurf", in: Der Journalist 12/1975, S. 34. 98 BVerfGE 7, S. 377 (S. 408); 11, S. 168 (S. 188 f.); 19, S. 330 (S. 342); B V e r w G E 2, S. 85 (S. 88); Gubelt, in: v. Münch, Bd. I, A r t . 12, Rdnr. 61.

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Begabung ausreicht, deren Attribute als Formulierungsgabe, Gespür für wichtige Nachrichten, Sinn für Objektivität etc. angegeben werden", ist keine verfassungsrechtliche, sondern eine sozial- und erziehungswissenschaftliche Frage. Vom Standpunkt des Verfassungsrechts her läßt sich nur .sagen, daß der Berufszugang nicht i m Wege staatlicher Normsetzung von subjektiven Voraussetzungen i. S. § 1 J A G abhängig gemacht werden darf, da damit regelmäßig missionarische Ziele ins Spiel kommen müssen. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken dürften jedoch dagegen bestehen, daß der Staat private Einrichungen der Journalistenaus- und -fortbildung fördert oder an seinen wissenschaftlichen Hochschulen Studiengänge anbietet wie dies etwa i m Rahmen des Modellversuchs des Landes Nordrhein-Westfalen an der Universität Dortmund geschieht 100 . 3. Pressefreiheit und Eigentumsgarantie

a) Die Vereinbarkeit

der konkurrierenden

Rechtsfolgen

Auch i m Verhältnis des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG zu A r t . 14 GG können i m Konkurrenzfall die Rechtsfolgen beider grundrechtlichen Bedingungsnormen kumuliert werden. Dies soll schwerpunktmäßig anhand der „allgemeinen Gesetze" gem. A r t . 5 Abs. 2 GG und der gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG gezeigt werden. Die Enteignungsproblematik kann allenfalls gestreift werden, da auf die interpretative Erarbeitung der A r gumentationslastregel des A r t . 14 Abs. 3 GG verzichtet wurde 1 0 1 . A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und A r t . 5 Abs. 2 GG können wegen der gemeinsamen Bauweise als Argumentationslastregeln i m Konkurrenzfall, der pauschal als Beschränkung des Eigentums an Pressebetriebsmitteln beschrieben werden kann, auf ähnliche Weise rechtsfolgebestimmend zusammenwirken wie A r t . 5 Abs. 2 GG und A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG. Beide Argumentationslastregeln lassen sich i m Sinne ihrer gegenseitigen Begrenzung miteinander kombinieren, ohne daß die spezifischen Merkmale einer von beiden unberücksichtigt bleiben müßten. A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG verpflichtet die Eingriffsbegründung der öffentlichen Gewalt darauf, an den gesellschaftlichen Wirkungen des Eigentumsgebrauchs anzuknüpfen und mittels bewährter empiri99 Ekkehard Nuissl, Ideologeme des Journalistenberufs, in: Die Feder 4/ 1978, S. 24 ff. 100 Z u m nordrhein-westfälischen Modellversuch vgl. den Bericht zur Journalistenausbildung u n d - f o r t b i l d u n g i m Lande N R W des Ministers für Wissenschaft u n d Forschung NRW, S. 33 ff. 101 Vgl. oben § 10 I I 2.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 G G

scher Hypothesen und Theorien zu argumentieren. Dabei w i r d der A r gumentationsspielraum wiederum durch A r t . 5 Abs. 2 GG weiter begrenzt: der öffentlichen Gewalt w i r d untersagt, m i t dem inhaltlichen Wert und der geistigen Wirkung von Presseerzeugnissen zu argumentieren, die gemäß den Unternehmensentscheidungen des Verlegers mit Hilfe der i n seinem Eigentum stehenden Betriebsmittel hergestellt werden. Hinsichtlich des einzuhaltenden Entscheidungsverfahrens lassen sich zwischen A r t . 5 Abs.2 GG und A r t . 14 Abs. 1 S.2, Abs.2 GG keine Widersprüche aufweisen; beidemal genügen „materielle" Gesetze. Dies ist für Art. 5 Abs. 2 GG näher begründet worden 1 0 2 ; für A r t . 14 Abs. 1 S.2 GG läßt sich diese Interpretation des inhalts- und schrankenbestimmenden „Gesetzes" knapp damit rechtfertigen, daß es dabei wieder nicht u m einen speziellen Gesetzesvorbehalt, der Eingriffe und Beschränkungen durch die öffentliche Gewalt an Form oder Ermächtigung des Gesetzes knüpft, sondern u m die „Normierung des EigentumsMachtbereichs" geht 103 , den festzulegen formelle Parlamentsgesetze allein kaum hinreichen dürften 1 0 4 . Wenn i m Konkurrenzfall die deutsche öffentliche Gewalt durch ein und denselben Hoheitsakt Zivilpersonen ein Verhalten gebietet oder verbietet, das gleichzeitig durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und durch A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG als erlaubt garantiert wird, können die Rechtsfolgen beider grundrechtlichen Bedingungsnormen folgendermaßen kumuliert werden: Der Hoheitsakt ist rechtswidrig, es sei denn, (1) er wäre ein ordnungsgemäß zustandegekommenes Parlamentsgesetz, eine gesetzesgegründete Rechtsverordnung oder Satzung bzw. als Verwaltungsakt darauf gestützt, (2) die schrankenziehende Norm könnte zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels über bewährte empirische Hypothesen und Theorien als geeignet und notwendig begründet werden, (a) wobei die Begründung an den gesellschaftlichen Wirkungen des Eigentumsgebrauchs anknüpfte, 102

Vgl. oben § 9 I I 2. Ipsen, V V D S t R L 10 (1952), S. 74 ff. (S.84f.); ohne Begründung, doch i m Ergebnis ebenso: BVerfGE 8, S. 71 (S. 79); 9, S. 338 (S.343); 25, S. 371 (S. 399); v. Mangoldt-Klein, A n m . V 1 c) zu A r t . 14 GG; Starck, Gesetzesbegriff, S. 34. 104 Dabei ist Stark, ebenda, darin zuzustimmen, daß gewisse Primärregelungen vom parlamentarischen Gesetzgeber getroffen werden sollen. 103

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(b) ohne auf den inhaltlichen Wert oder die geistige Wirkung von Presseerzeugnissen abzustellen. Bei enteignenden Eingriffen i n das Presseeigentum dürfte eine ähnliche Kumulation möglich sein; die Argumentationslastregel des A r t . 14 Abs. 3 GG kann durch A r t . 5 Abs. 2 GG auf dieselbe Weise begrenzt werden, ohne damit ihre Relevanz für die Rechtsfolgebestimmung zu verlieren. Enteignungen von Pressebetriebsmitteln, etwa von Betriebsgrundstücken oder Druckmaschinen, sind demnach nur rechtmäßig, wenn sie durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das A r t und Ausmaß der Entschädigung regelt und das zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels als geeignet und notwendig begründet werden kann, ohne auf inhaltliche Qualität und geistige Wirkung der mit Hilfe jener privateigenen Pressebetriebsmittel hergestellten Presseerzeugnisse zurückgreifen zu müssen. Der Vorschlag zur Lösung von Konkurrenzen i m Verhältnis von Pressefreiheit und Eigentumsgarantie soll nun anhand der Problematik einer gesetzlichen Auflagenbegrenzung für marktbeherrschende Presseunternehmen verdeutlicht werden: b) Exemplifizierung: Auflagenbegrenzung

Zulässigkeit einer gesetzlichen für Zeitungen und Zeitschriften?

I m Rahmen der ausgedehnten verfassungsrechtlichen Diskussion, die im Anschluß an den „Schlußbericht der Kommission zur Untersuchung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und der Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit" vom 14.6. 1968105 u m die Zulässigkeit gesetzlicher Maßnahmen gegen die zunehmende Pressekonzentration geführt wurde, wurde regelmäßig auch die Möglichkeit einer Auflagenbegrenzung für marktbeherrschende Presseunternehmen erörtert. Es konnte recht rasch weitgehende Einigkeit darüber erzielt werden, daß eine gesetzliche Auflagenlimitierung verfassungswidrig sein müßte 1 0 6 . Dieses Ergebnis wurde allerdings mit recht heterogenen Argumenten begründet; abgestellt wurde zumeist ausschließlich auf den Charakter der Maßnahme als Eingriff i n die Presse- und Informationsfreiheit, A r t . 14 Abs. 1 GG wurde oft nur gestreift, die Vereinbarkeit mit den Grundrechtsschranken des A r t . 5 Abs. 2 GG und des A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG kaum diskutiert und das Konkurrenzverhältnis zwischen A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG und Art. 14 GG wurde nur selten problematisiert 1 0 7 . Vernachlässigt wurde los BT-Drs. V/3122. 108

Ehmke, Fs. A . A r n d t , S. 102 f.; Kunert, Pressekonzentration, S. 150 f.; Denninger/Beye, A P - E n t w u r f I, S. 32 f.; I. Gross, I n s t i t u t i o n Presse, S. 176 f.; Lerche, Pressekonzentration, S. 77 ff. m. w. N. i n F N 244. 21 Degen

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

damit gerade die Rechtsfolgeseite der einschlägigen grundrechtlichen Bedingungsnormen, die für die verfassungsrechtliche Beurteilung der hoheitlichen Maßnahme von ausschlaggebender Bedeutung ist. Wegen dieses Defizits kann der vorherrschenden Argumentation u m die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Auflaigenbegrenzung nur geringe Tragfähigkeit attestiert werden; daher soll nachfolgend eine präzisere und zuverlässigere Argumentation versucht werden, die über das vorgeschlagene Konkurrenzlösungsmodell möglich wird. Dazu muß zunächst grob umrissen werden, wie eine gesetzliche Regelung einer Auflagenbegrenzung für marktbeherrschende Zeitungen und Zeitschriften aussehen kann. Dies kann durch folgende Formulierung einer Vorschrift eines Gesetzes zum Schutze freier Meinungsbildung geschehen: „§ 1 Auflagenbegrenzung (1) Eine Gefährdung des freien publizistischen Wettbewerbs w i r d w i d e r leglich vermutet, w e n n ein Unternehmen, dessen Gegenstand der V e r lag, die Herstellung u n d der Vertrieb v o n Zeitungen oder Zeitschriften ist (Presseunternehmen), einen M a r k t a n t e i l hat, der die i n Abs. 2 genannten Grenzen überschreitet. Zur E r m i t t l u n g des Marktanteils w i r d die Zahl der v o n dem Presseunternehmen verkauften Exemplare auf die Z a h l der insgesamt verkauften Exemplare bezogen. Der relevante M a r k t w i r d getrennt für Zeitungen u n d Zeitschriften bestimmt. (2) Die Grenze des Marktanteils beträgt bezogen auf das gesamte Bundesgebiet 20 % u n d bezogen auf die Land- u n d Stadtkreise 50 %. (3) Gefährdet ein Presseunternehmen den freien publizistischen Wettbewerb, so hat die zuständige Behörde die Höchstauflage der v o n dem Unternehmen hergestellten Zeitungen oder Zeitschriften so festzulegen, daß die Grenze des zulässigen Marktanteils gem. Abs. 2 nicht mehr überschritten w i r d 1 0 8 . "

aa) Zunächst ist der Konkurrenzfall aufzuweisen: M i t der Vorschrift des § 1 des Gesetzes liegt ein einheitlicher Hoheitsakt vor. Eine Zerlegung der Bestimmung i n mehrere Teilregelungen ist nicht möglich, da allein Abs. 3 eine Geltungsanordnung an die Adresse von Z i v i l personen enthält u n d die Abse. 1, 2 nur erläuternde Normsätze bilden, welche die Merkmale des Abs. 3 präzisieren. M i t § 1 des Gesetzes w i r d auch ein einheitliches Verhalten von Zivilpersonen geregelt. Als pri107 N u r Kunert, Pressekonzentration, S. 99 ff. setzt sich m i t dem K o n k u r renzverhältnis näher auseinander. Die i m übrigen verbreitete Tatbestandsfixierung der Argumentation erklärt sich w o h l daraus, daß m i t der institutionellen Überformung des A r t . 5 1 2 GG die Schranken des A r t . 5 I I GG w e i t gehend belanglos werden u n d es n u r noch u m die Institutionsfunktionalität der Regelung geht. Die regelmäßig angenommene Beschränkung der I n f o r mationsfreiheit der Leser durch eine Auflagenbegrenzung w i r d ebenfalls für verfassungswidrig erklärt, ohne A r t . 5 I I GG auch n u r m i t einem W o r t zu streifen. Vgl. die Nachweise i n F N 106. 108

Formulierung i n A n l e h n u n g an A P - E n t w u r f I I , S. 6, A r t . I, § 8 a GWB.

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märe Verhaltensnorm verbietet § 1 den Presseunternehmen, den publizistischen Wettbewerb dadurch zu gefährden, daß periodische Druckwerke i n höherer Auflage hergestellt werden als der festgesetzten Höchstgrenze des Marktanteils entspricht. Als sekundäre Verhaltensnorm gebietet § 1 der zuständigen Behörde, das an die Zivilpersonen adressierte Verbot zu individualisieren und zu konkretisieren. Das verbotene Verhalten, eine höhere als die zulässige Höchstauflage herzustellen, w i r d rechtlich als Einheit behandelt, obwohl es nach tatsächlicher Betrachtungsweise i n eine Vielzahl von Einzelakten aufgeteilt werden könnte. Entscheidend ist aber nicht die mögliche soziologischempirische, sondern die juristisch-normative Sicht, wie sie i m jeweiligen Hoheitsakt formuliert wird. Schließlich w i r d das Verhalten der Presseunternehmen, das gem. § 1 des Gesetzes verboten ist, gleichzeitig durch A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG und durch A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG erlaubt: I m Rahmen des durch das Grundrecht der Pressefreiheit geschützten arbeitsteiligen Handlungs- und Entscheidungsprozesses der Herstellung und Verbreitung von Druckwerken fällt notwendig auch die Entscheidung darüber an, welche Anzahl von Druckwerksexemplaren hergestellt und verbreitet werden soll. Insoweit garantiert A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG auch die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Auflagenhöhe 109 . Die Pressefreiheitsgewährleistung enthält aber keine Aussage darüber, wer .aufgrund welcher Legitimation unternehmensintern zur Entscheidnug befugt ist. Die Entscheidung über die Auflagenhöhe w i r d schlechthin geschützt, ohne Rücksicht darauf, ob sich die Entscheidungskompetenz aus einem Eigentumstitel oder etwa aus einem Wahlakt ergibt. Unter den Bedingungen einer privatwirtschaftlichen Organisation der Presseunternehmen werden die Entscheidungen über die Auflagenhöhe vom Unternehmenseigentümer oder dessen Verlagsleiter getroffen, ihr Entscheidungsverhalten genießt daher den Schutz der Erlaubnisvermutung des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG. Gleichzeitig w i r d das durch § 1 des Gesetzes verbotene Verhalten, eine bestimmte Auflagengrenze zu überschreiten, durch die Eigentumsgarantie des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG erlaubt. Das Eigentumsrecht des Verlegers am Presseunternehmen umfaßt auch die Befugnis zur Entscheidung darüber, welche Zeitungsauflage mit Hilfe seiner Produktionsmittel hergestellt und verbreitet werden soll. Genauer stellt sich die Auflagenentscheidung als Entscheidung über die Nutzung des investierten Produktivkapitals dar; es w i r d darüber entschieden, welche Druckmaschinen wie lange eingesetzt werden müssen, wieviel Druck109 So i m Ergebnis auch Lerche, Pressekonzentration, S. 83 f.; Heck, A f P 1968, S. 701 ff. (S. 703); Scheuner, A f P 1968, S. 725 ff. (S. 729).

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material verbraucht werden muß, welcher Vertriebsapparat wie genutzt werden muß usf. M i t dieser Entscheidung über die Verwertung des Produktivkapitals w i r d zugleich über die Höhe des aneignungsfähigen Gewinns aus Vertriebserlösen und Anzeigengeschäft und letztlich auch über zukünftige Investitionen entschieden. Daher muß die Entscheidung über die Auflagenhöhe als wichtiges Element der eigentumsvermittelten Entscheidungskompetenz des Verlegers gekennzeichnet werden 1 1 0 . bb) Da i m Verhältnis des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG zu A r t . 14 GG ein Fall verdrängender Normenkonkurrenz nicht nachgewiesen werden kann, w i r d die Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit einer Auflagenbegrenzung gem. § 1 des Gesetzes nur abgewendet, wenn sowohl das von A r t . 5 Abs. 2 GG als auch das von A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG geforderte Entscheidungs- und Argumentationsverfahren respektiert worden ist 1 1 1 . Bezüglich des Entscheidungsverfahrens soll hier Ordnungsgemäßheit unterstellt werden, problematisch ist, ob § 1 des Gesetzes den Anforderungen der kumulierten Argumentationslast genügen kann. Dazu wäre ein legitimes, i m öffentlichen Interesse liegendes Ziel aufzuweisen, das mit der Regelung angestrebt wird; das Mittel des § 1 müßte sich als geeignet und notwendig zur Erreichung dieses Ziels begründen lassen, wobei die Begründung an den sozialen Wirkungen des Eigentumsgebrauchs ansetzen müßte, ohne auf inhaltliche Qualität und geistige Wirkung von Presseerzeugnissen abzustellen. Für die Zielargumentation soll auf die Ausführungen des Arbeitskreises Pressefreiheit zurückgegriffen werden 1 1 2 . Wenn i n dessen Entw u r f eines Gesetzes zum Schutze freier Meinungsbildung auch keine Auflagenbegrenzung, sondern eine Fusionskontrolle nach Marktanteilskriterien vorgeschlagen wird, so enthält seine Begründung doch i n repräsentativer Weise Zielformulierungen, die i m Zusammenhang der Diskussion gesetzlicher Maßnahmen gegen die Pressekonzentration immer wieder vorgebracht wurden und auch heute noch regelmäßig vorgebracht werden. Allerdings muß gleich zu Anfang der Untersuchung der Zielargumentation des AP-Entwurfs m i t Karl-Dieter Opp festgehalten werden, daß das zu erreichende Regelungsziel an keiner 110

A r t . 12 I GG w i r d hier ausgeblendet, obwohl die Auflagenentscheidung auch i m Rahmen der verlegerischen Gewerbefreiheit geschützt w i r d , worauf insbesondere Scheuner, A f P 1968, S. 725 ff. (S. 729) hinweist. 111 U m die Untersuchung nicht zu überfrachten, sei davon abgesehen, A r t . 14 I I I GG einzubeziehen. Zur Frage, ob eine Auflagenbegrenzung unter bestimmten Bedingungen enteignende W i r k u n g haben kann: Lerche, Pressekonzentration, S. 83. 112 A P - E n t w u r f I, 1970, u n d A P - E n t w u r f I I , 1972.

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Stelle des Entwurfs deutlich herausgearbeitet wird. „Immer wieder findet man neue Zielformulierungen, ohne daß man sich bemüht, das, was genau erreicht werden soll, klar zu definieren 113 ." Wohl am häufigsten w i r d das angestrebte Regelungsziel mit der Verhinderung von Gefährdungen des freien publizistischen Wettbewerbs und der Erhaltung der Meinungsvielfalt umschrieben 114 . Auf den vagen Begriff des freien publizistischen Wettbewerbs w i r d im AP-Entwurf folgendermaßen näher eingegangen: „Freier publizistischer Wettbewerb umfaßt die Freiheit der Äußerung i n Zeitungen und Zeitschriften und die Freiheit des Empfangs aus ihnen 1 1 5 ." Die Äußerungsfreiheit von Zeitungen und Zeitschriften erzeuge einen A n gebotswettbewerb, vor allem i n Gestalt miteinander konkurrierender Zeitungen; sie sei ebenso denkbare Grundlage eines Abnehmerwettbewerbs, weil die „Äußerungsverbraucher" ebenfalls miteinander i n Konkurrenz stünden. M i t der gesetzlichen Antikonzentrationsmaßnahme solle vor allem der „Angebotswettbewerb m i t publizistischen Äußerungen", nämlich mit Meinungen, Informationen, Erbauung und Unterhaltung geschützt werden. Dieser Angebotswettbewerb werde in Übereinstimmung mit dem pressewissenschaftlichen Sprachgebrauch als „freier publizistischer Wettbewerb" bezeichnet 116 . Wenn Ziel sein soll, eine Gefährdung dieses Wettbewerbs zu verhindern, dann w i r d davon ausgegangen, daß dieser i n unterschiedlichen Graden vorliegen kann. A u f der einen Seite sind Situationen denkbar, i n denen überhaupt kein freier publizistischer Wettbewerb gegeben ist, auf der anderen Seite sind Zustände vorstellbar, i n denen ein „vollkommener" publizistischer Wettbewerb existiert. Es handelt sich also u m eine Variable, eine Größe, die zwischen verschiedenen Werten schwanken kann. Wenn nun gesagt wird, daß eine „Gefährdung" des freien publizistischen Wettbewerbs verhindert werden soll, dann kann das Ziel genauer dahin formuliert werden, daß der Grad des Wettbewerbs einen bestimmten Wert nicht unterschreiten soll 1 1 7 . Für die Gefährdung des Wettbewerbs werden i m AP-Entwurf wie dem i n Anlehnung daran formulierten § 1 des Gesetzes präzise Kriterien, nämlich Marktanteile, genannt. Bei deren Vorliegen w i r d die Gefährdung aber nur widerleglich vermutet, d. h. ein Presseunternehmen hat die Möglichkeit nach113 Opp, Soziologie i m Recht, S. 165, der sich ausführlich m i t der A r g u mentation des A P - E n t w u r f s I auseinandersetzt. A u f dieser K r i t i k w i r d nachfolgend aufgebaut werden. 114 A P - E n t w u r f I, S. 164, und den Bericht von Hoppmann, ebenda, S. 118 ff., über die Ziele des Entwurfs. A P - E n t w u r f I I , S. 6 f., m i t der Begründung durch Noelle-Neumann, S. 16, Hoppmann, S. 20, u n d Rupp, S. 41. 115 A P - E n t w u r f I, S. 164, § 8 a GWB; A P - E n t w u r f I I , S. 6, § 8 a GWB. 116 Fikentscher, A P - E n t w u r f I, S. 164. 117 Opp, Soziologie i m Recht, S. 163.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

zuweisen, daß trotz Überschreitens des Marktanteils keine Gefährdung des freien publizistischen Wettbewerbs eingetreten ist. Anhand welcher Tatsachen diese Widerlegung erfolgen kann, w i r d i m AP-Entwurf nicht gesagt 118 . M i t diesen Zielformulierungen w i r d keine hinreichend präzise Definition des „freien publizistischen Wettbewerbs" geliefert. Die Angabe des Kriteriums des Marktanteils ist kein Definitionsmerkmal. Der Begriff des freien publizistischen Wettbewerbs bedeutet etwas anderes als das, was m i t dem K r i t e r i u m gemeint ist. Denn trotz eines bestimmten Marktanteils braucht ja keine Wettbewerbsgefährdung vorzuliegen. Falls der Marktanteil eines Presseunternehmens die festgelegten Grenzen erreicht, w i r d die Gefährdung ja nur widerleglich vermutet; handelte es sich u m eine Definition des freien publizistischen Wettbewerbs, wäre keine Widerlegung möglich 119 . Der AP-Entwurf vertritt demnach eine empirische Hypothese, nämlich, daß ein bestimmter Marktanteil häufig die Wirkung hat, den freien publizistischen Wettbewerb zu gefährden, daß jedoch diese Wirkung oft auch nicht eintritt. M i t dieser Hypothesenbildung ist das Regelungsziel i n keiner Weise präzisiert. Bei welchem realen Zustand ein hinreichend freier publizistischer Wettbewerb anzunehmen ist, läßt sich aufgrund der Zielformulierungen nicht beantworten. Nun w i r d das zu erreichende Regelungsziel auch m i t der Formel umschrieben, die „Meinungsvielfalt" i m Pressewesen solle erhalten werden 120 . Voraussetzung für Meinungsvielfalt sei, daß eine möglichst große Anzahl selbständiger und voneinander unabhängiger Zeitungen und Zeitschriften, d.h. publizistischer Einheiten existiere. Diese Vielzahl erhöhe die Chance dafür, daß ein breites Angebot an Meinungen, Informationen, Erbauung und Unterhaltung i n der Presse zur Verfügung gestellt werde. M i t der effektiven Auswahlmöglichkeit der Rezipienten innerhalb eines publizistischen Angebots aus möglichst vielen, voneinander unabhängigen Quellen sei publizistische Vielfalt gegeben. Damit sei aber über die inhaltliche Qualität der Presseerzeugnisse nichts gesagt 121 . M i t der Meinungsvielfalt werde allerdings die Wahrscheinlichkeit rationaler Meinungsbildung erhöht: Richtige Beurteilungen seien umso wahrscheinlicher, je mehr Stimmen sich äußern könnten, je größer das Spektrum angebotener Argumente sei 122 . Man 118

A P - E n t w u r f I, S. 168, § 8 a I I G W B ; A P - E n t w u r f I I , S. 7, § 8 a I I GWB. Opp, Soziologie i m Recht, S. 164. 120 A P - E n t w u r f I : Rupp, S. 22; Denninger /Beye , S. 26; Fikentscher/Sandberger, S. 55; Noelle-Neumann, S. 71; Polimeri Kr oenlein, S. 125; Mestmäcker, S. 127; A P - E n t w u r f I I : Noelle-Neumann, S. 16; Rupp, S.41f.; kritisch zur Meinungsvielfalt Hoppmann, S. 20 f., m i t dessen Ausführungen sich Opp, Soziologie i m Recht, S. 165 f., kritisch auseinandersetzt. 119

121 Noelle-Neumann, w u r f I, S. 125.

AP-Entwurf

I I , S. 18; Pohmer/Kr

oenlein,

AP-Ent-

§11 K u m u l a t i v e Normenkonkurrenz

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geht deshalb davon aus, daß durch eine wachsende Auflagenkonzentration und eine Verringerung der selbständigen publizistischen Einheiten i m Pressewesen die Vielfalt des Meinungsangebots und die Auswahlmöglichkeit der Rezipienten abnehme: „Die Konzentration bewirkt", so heißt es i m Schlußbericht der Pressekommission, „daß immer weitere Verlagsunternehmen ihre Tätigkeit einstellen müssen; die Vereinheitlichung der Berichterstattung durch konzentrierte Verlagsunternehmen erhöht die schädlichen Wirkungen auf den Meinungsbildungsprozeß; die Zerstörung der i n A r t . 5 GG geschützten Meinungs- und Informationsfreiheit des Bundesbürgers verläuft progressiv 123 ." Auch diese Ausführungen bleiben noch so allgemein, daß nicht angegeben werden kann, unter welchen Voraussetzungen „Meinungsvielfalt" als wirklicher Zustand angenommen werden kann. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als den Versuch zu unternehmen, das angestrebte Ziel präzisierend zu rekonstruieren: Zunächst kann festgestellt werden, daß der Zustand „Meinungsvielfalt" innerhalb verschiedener Gebiete bestehen kann, nämlich sowohl innerhalb der überörtlichen Gebietseinheit „Bundesgebiet" als auch innerhalb der örtlichen Gebietseinheit „Landoder Stadtkreis" bzw. „Stadtstaat" 1 2 4 . Von Meinungsvielfalt w i r d man daher nur reden können, wenn jeder, der innerhalb der betreffenden Gebietseinheit wohnt, entweder mindestens zwei Zeitungen kaufen kann, die über Ereignisse innerhalb der Gebietseinheit berichten und verschiedene Meinungen vertreten, oder eine Zeitung kaufen kann, i n der nicht nur eine Meinung vertreten wird. Weiterhin w i r d man nur dann von Meinungsvielfalt sprechen, wenn verschiedene Meinungen auch i n etwa gleichem Umfang publiziert werden. Gibt es ζ. B. i n einem Landkreis nur eine Tageszeitung mit einer Auflage von 80 000 Exemplaren, i n der ganz überwiegend konservative Meinungen vertreten werden, und eine dreimal wöchentlich erscheinende Alternativzeitung m i t einer Auflage von 5 000 Exemplaren, i n der vorwiegend nur ausgesprochen linke Meinungen zum Abdruck kommen, w i r d man ebensowenig von Meinungsvielfalt reden können, wie wenn i n einer Zeitung mit lokaler Monopolstellung 300 Zeilen Meinung enthalten sind, die nur von einer politischen Partei akzeptiert werden und für andere Meinungen nur 20 Zeilen eingeräumt werden. Schließlich w i r d von Meinungsvielfalt sinnvoll nur dann die Rede sein können, wenn auch alle „relevanten" oder „weit verbreiteten" Meinungen i n der Presse zu Wort kommen und „ausgewogen" über lokale wie regionale und überregionale Ereignisse berichtet wird. Es wäre möglich, verschiedene Grade der Meinungs Vielfalt zu unterscheiden: „Für eine präzise For122

Hoppmann, A P - E n t w u r f I I , S. 20. 123 BT-Drs. V/3122, S. 40. 124 A P - E n t w u r f I I , S. 7, § 8 a I I GWB.

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mulierung eines solchen Maßes wäre von Bedeutung die Zahl der Zeitungen i n einem Gebiet, die Zahl der vertretenen Meinungen, deren „Extremität", der Umfang, in dem verschiedene Meinungen zu Wort kommen, und die Häufigkeit, i n der Meinungen vertreten werden 1 2 5 ." Auch dieser Rekonstruktionsversuch führt nicht zu einem so präzisen Ergebnis, daß intersubjektiv einheitlich festgestellt werden könnte, ob i n einem Gebiet Meinungsvielfalt existiert oder nicht. Es ist aber hinreichende Klarheit geschaffen, u m die Frage beantworten zu können, ob ein legitimes Regelungsziel i. S. A r t . 5 Abs. 2, 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG verfolgt wird. A n A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG scheitert die Zielargumentation nicht, denn sie knüpft an den gesellschaftlichen Wirkungen des Gebrauchs von Eigentum an Presseunternehmen an. Es w i r d davon ausgegangen, daß durch unkontrollierte Unternehmensentscheidungen eine Zunahme der Pressekonzentration und damit eine Gefährdung des freien publizistischen Wettbewerbs bewirkt wird. Ausdrücklich w i r d auf die „Sozialschädlichkeit" der Wettbewerbsbeschränkungen i m Pressewesen hingewiesen 126 . Die Beschränkung des Argumentationsarsenals gem. A r t . 5 Abs. 2 GG w i r d jedoch nicht respektiert. Denn wenn eine Einbuße an publizistischer Vielfalt und an publizistischer Leistung befürchtet w i r d und verhindert werden soll, muß notwendig m i t Argumenten über die inhaltliche Qualität und die geistige Wirkung von Presseerzeugnissen aus marktbeherrschenden Presseunternehmen operiert werden. Zwar w i r d eben dies von den Verfassern des AP-Entwurfs ausdrücklich i n Abrede gestellt 127 , doch tatsächlich kommt man nicht ohne Argumente aus, die gem. A r t . 5 Abs. 2 GG aus dem Begründungsarsenal ausgeschlossen werden: Schon die K r i t i k der gegebenen Lage muß letztlich inhalts- und wirkungsbezogen ausfallen; jenseits aller ökonomischen Daten über Marktanteile, Leserdichte usw. geht es immer darum, eine zunehmende inhaltliche Gleichförmigkeit der Presseerzeugnisse, die „publizistische Einfalt" aufzuweisen. I m Vordergrund steht die Sorge, „die Bewegung zur Konzentration unter den Presseunternehmen werde ohne gesetzliche Steuerung zu einer Beeinträchtigung der umfassenden und unverfälschten Information des Bürgers durch die Presse führen 1 2 8 ." Die angestrebte Vielfalt kann nur definiert werden, indem etwas über den Inhalt von Zeitungen und Zeitschriften ausgesagt wird. 125

Opp, Soziologie i m Recht, S. 167 f. Hoppmann, A P - E n t w u r f I I , S. 25 f.; daß den Anforderungen des A r t . 14 I 2, I I GG genügt w i r d , nehmen auch Ό enningerj Bey e} A P - E n t w u r f I, S. 32, an. 127 Ρ ohmer I Kroenlein, A P - E n t w u r f I, S. 125. 128 Rupp, A P - E n t w u r f I, S. 22; Rolinski, A P - E n t w u r f I I , S. 44. 126

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Denn es geht doch darum, daß i m Textteil der Zeitungen und Zeitschriften inhaltlich verschiedene Meinungen, Informationen etc. veröffentlicht werden. Dies belegt auch die enge Verbindung, die i m APEntwurf zwischen publizistischer Vielfalt und publizistischer Leistung hergestellt wird. Für letztere werden folgende Kriterien angegeben: Selbständiges Bearbeiten des Informationsmaterials, eigene Korrespondentenberichte, Recherchen, Kommentare — also Originalität — und inhaltsanalytisch ermittelbare Qualitätsmerkmale wie ein breites Spektrum i n der Veröffentlichung von Nachrichten, unabhängig von der Linie des Blattes, Veröffentlichung von Leserbriefen, die der redaktionellen Grundhaltung zuwiderlaufen usw. 1 2 9 . Daß die „publizistische Leistung" keine „wertneutrale" Kategorie ist, liegt auf der Hand; u m sie zu ermitteln, muß eindeutig von Kriterien für die Bewertung des Inhalts von Presseerzeugnissen ausgegangen werden 1 3 0 . Die hier wiedergegebenen Kriterien dürften ausgehend von der Annahme entwickelt worden sein, es sei wünschenswert, daß Zeitungen inhaltlich möglichst ausgewogen berichteten. Das bedeutet eine Absage an eine prononcierte Meinungspresse und die Favorisierung einer A r t „Generalanzeigerpresse". Wenn nun darauf abgehoben wird, daß durch Pressekonzentration die publizistische Leistung nachlasse 131 , dann w i r d nichts anderes ausgesagt als daß die inhaltliche Qualität von Zeitungen schlechter wird, also etwa ein Verlust an Originalität und inhaltlicher Ausgewogenheit eintritt. Ganz deutlich w i r d diese Annahme i m Zusammenhang mit der K r i t i k von Zeitungen mit lokaler Monopolstellung; für diese w i r d aufgewiesen, daß die Lokalberichterstattung quantitativ eingeschränkt werde, daß sich weniger Kommentare mit lokalen Institutionen und Politikern beschäftigten und in ihnen relativ wenig K r i t i k geübt werde 1 3 2 . I n dieselbe Richtung geht die These der Pressekommission, „daß Verleger oder Chefredakteure von Zeitungen mit lokaler Monopolstellung i n solchen Fällen gelegentlich glauben, ihre Kontrollfunktion vernachlässigen zu können, weil die Möglichkeit, daß die betreffenden ,heißen Eisen' von der Konkurrenz angefaßt werden, gar nicht gegeben ist" 1 3 3 . Wie sehr es mit der Forderung nach Meinungsvielfalt i m lokalen Bereich u m eine bestimmte inhaltliche (Mindest)Qualität der Presseerzeugnisse geht, läßt sich aus § 24 a Abs. 8 GWB des AP-Entwurfs entnehmen. Danach soll die Kartellbehörde verpflichtet sein, lokalen Monopolzeitungen mindestens folgende Auflagen zu erteilen: Berücksichtigung aller gesellschaftlicher Gruppen bei 129 130 131 132 133

Νoelle -Neumann, A P - E n t w u r f I, S. 50. Hoppmann, ebenda, S. 121. Hoppmann, A P - E n t w u r f I I , S. 23. Ν oelle-Neumann, A P - E n t w u r f I, S. 83. BT-Drs. V/3122, S. 17.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

der Nachrichtenauswahl, Veröffentlichung politischer Stellungnahmen der gesellschaftlichen Kräfte zu angemessenen Bedingungen, Berücksichtigung der Chancengleichheit der Parteien i n Wahlkampfzeiten bei der Nachrichtengebung, bei Interviews und Dokumentationen 134 . Daß es gleichzeitig u m die geistige Wirkung von marktbeherrschenden Zeitungen und Zeitschriften geht, w i r d nur verklausuliert mit der Formel von der Beeinträchtigung des Prozesses freier Meinungsbildung angesprochen 135 . Wenn aber die Funktion des erwünschten freien publizistischen Wettbewerbs darin ausgemacht wird, daß die Chancen rationaler Meinungsbildung und richtiger Beurteilung erhöht werden, dann müssen konsequenterweise die Wirkungen seiner Beeinträchtigung durch Monopol- oder Oligopolzeitungen darin festgemacht werden, daß eine Minderung rationaler und richtiger Meinungsbildung eintritt. Dem Leser soll nicht durch kanalisierte und einseitige Information der „Weg zu unvoreingenommener Meinungsbildung" versperrt werden 13®. Die Argumentation u m die Meinungsvielfalt kommt also nicht darum herum, zumindest verdeckt mit der schädlichen geistigen Wirkung der Presseerzeugnisse marktbeherrschender Presseunternehmen zu operieren. Ein legitimes Regelungsziel w i r d nach alledem nicht aufgewiesen. Das Ziel der Wahrung der Meinungsvielfalt kann nur dargelegt werden, indem entgegen der Beschränkung des Begründungsarsenals durch die Argumentationslastregel des A r t . 5 Abs. 2 GG an der inhaltlichen Qualität und der geistigen Wirkung von Presseerzeugnissen angesetzt w i r d 1 3 7 . Eine gesetzliche Regelung der Auflagenbegrenzung für marktbeherrschende Presseunternehmen wäre bereits deshalb verfassungswidrig. Ob eine Auflagenbegrenzung überhaupt geeignet wäre, das angestrebte Ziel der Meinungsvielfalt und des freien publizistischen Wettbewerbs zu erreichen, erscheint zwar als fraglich, braucht hier aber nicht mehr näher untersucht zu werden. Ob die Vielfalt des Presseangebots dadurch erhöht werden könnte, läßt sich deshalb nicht einfach beantworten, weil dieses Ziel nicht hinreichend präzise definiert w i r d und die möglichen Auswirkungen einer Auflagenbegrenzung nur über empirisch fundierte Hypothesen und Theorien zuverlässig prognostizierbar wären, empirische Untersuchungen aber nicht verfügbar sind. Wenn die Geeignetheit einer Auflagenbegrenzung durchweg negativ beurteilt wird, so erscheint dies zwar auf den ersten Blick als plausibel, aber als nicht hinreichend empirisch gesichert 138 . 134 135 136 137

A P - E n t w u r f I I , S. 9, § 24 a V I I I GWB. Hoppmann, A P - E n t w u r f I I , S. 22. Rupp, A P - E n t w u r f I I , S. 41. Schlink, DSt. 15 (1976), S. 335 ff. (S. 355 F N 60).

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Die Schwierigkeit der verfassungsrechtlichen Argumentation um Auflagenbegrenzungen oder andere gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pressekonzentration ergibt sich — wie die vorangegangene Untersuchung verdeutlicht hat — daraus, daß wegen extrem vager Zielformulierungen nicht erkennbar wird, welcher gesellschaftliche Zustand mit einem Reformvorschlag eigentlich genau erreicht werden soll. Dieses Defizit der Argumentation erschwert nicht nur die Beurteilung der Legitimität des Regelungsziels, sondern auch die darauf aufbauende Prüfung der Geeignetheit und Notwendigkeit. Wie soll denn i n kontrollierbarer Weise aufgewiesen werden, daß ein Gesetz tatsächlich das erreichen kann, was es erreichen soll, wenn das Ziel nur ganz allgemein umschrieben wird? Man mag einwenden, daß die verfassungsrechtliche Argumentation mit dem Postulat präziser Zieldefinitionen überfordert werde. Sicherlich w i r d so ein höherer Aufwand verlangt, der u. a. i n der Einbeziehung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse bestehen würde. Dem stehen aber die möglichen Folgen einer eher intuitiven Argumentation gegenüber, die insbesondere i n einem Mangel an Prüfbarkeit von Argumenten und an Rationalität der Diskussion ausgemacht werden können 139 . I V . Diskussionsperspektive

M i t dem hier vorgestellten Ansatz zur Lösung von Grundrechtskonkurrenzen i m Verhältnis des A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG zu den A r t . 12 Abs. 1, 14 GG ist nur eine Argumentations- und Diskussionsstruktur entwickelt, mit der die Richtung angegeben ist, i n der — über die vorgeführten Beispiele einer gesetzlichen Regelung der Journalistenausbildung und der Auflagenbegrenzung für marktbeherrschende Presseunternehmen hinaus — die Vielzahl von Einzelfällen i m Koordinatenfeld von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie aufzuarbeiten wäre. Einer ausführlichen Diskussion wert wäre vor allem die Frage, ob und inwieweit das betriebsverfassungsrechtliche Presseprivileg des §118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, der sogenannte Tendenzschutz, zur Disposition des Gesetzgebers steht. Eine abschließende Antwort soll hier nicht mehr versucht werden. Dies setzte u. a. den Einstieg i n spezielle betriebsverfassungsrechtliche Probleme voraus, der hier nicht zuverlässig geleistet werden kann. Genügen mögen daher wenige Hinweise auf die Struktur der Problemdiskussion, wie sie aus dem vorgeschlagenen Ansatz zur Grundrechtsinterpretation der A r t . 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 12 138 Z u r Geeignetheit vgl. Lerche, Pressekonzentration, S. 83; Fikentscher/ Sandberger, A P - E n t w u r f I, S. 60. 139 Opp, Soziologie i m Recht, S. 190.

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Abs. 1 und 14 GG sowie zur Konkurrenzlösung gewonnen werden können. Zunächst erscheint es als sinnvoll, daß die verfassungsrechtliche Auseinandersetzung sich von der Fragestellung löst, ob das betriebsverfassungsrechtliche Presseprivileg des § 118 BetrVG verfassungsrechtlich geboten ist 1 4 0 . Es ist hier begründet worden, daß die Grundrechtsnormen ihrer Normstruktur nach nicht als Gebots-, sondern als Verbotsnormen an die Adresse der hoheitlich handelnden öffentlichen Gewalt gefaßt werden müssen, daß sich, anders ausgedrückt, aus Freiheitsrechten keine Privilegien ableiten lassen 141 . Demnach sollte nicht danach gefragt werden, ob der Gesetzgeber gem. A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet ist, die Presseunternehmen betriebsverfassungsrechtlich zu privilegieren, sondern die Ausgangsfrage muß dahin formuliert werden, ob es ihm verboten ist, jene Vorschriften des BetrVG auf Presseunternehmen für uneingeschränkt anwendbar zu erklären, die bisher gem. §118 BetrVG entweder überhaupt nicht oder nur eingeschränkt anwendbar sind. Diese Verkehrung der traditionellen Fragestellung impliziert den Abschied von der recht pauschalen verfassungsrechtlichen Diskussion um Gehalt und Funktion des Tendenzschutzes i m Zusammenhang mit der Pressefreiheitsgewährleistung; die veränderte Fragestellung führt nämlich dazu, jede einzelne betriebsverfassungsrechtliche Bestimmung daraufhin zu prüfen, ob ihre Anwendung auf Presseunternehmen grundrechtswidrig wäre oder nicht. Dies hätte vor allem für die §§ 99, 102 (personelle Mitbestimmung), §§ 106 -110 (Wirtschaftsausschuß) und §§111-113 BetrVG (Betriebsänderungen) zu geschehen. Dabei müßte i n weit stärkerem Maße als bisher die Möglichkeit des Konkurrenzfalls i m Verhältnis von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG diskutiert werden. Es ist erstaunlich, daß das BVerfG i n seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit von §§102 Abs. 1, 118 Abs. 1 BetrVG die Eigentumsgarantie des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG mit keinem Wort erwähnt, sondern die innerbetriebliche Entscheidungsbefugnis des Verlegers ohne jegliche Problematisierung dem Garantietatbestand des Art. 5 Abs. 1 S.2 GG zuordnet 1 4 2 . Bei der Untersuchung, ob mit einer einzelnen Vorschrift des BetrVG der Konkurrenzfall ausgelöst wird, wäre zu beachten, daß A r t . 5 Abs. 1 S.2 GG nicht den Lebensbereich „Presseunternehmen", d. h. jede beliebige Tätigkeit innerhalb des Presseunternehmens schützt. Läßt man sich mit der hier entwickelten Auslegung darauf ein, daß nur der arbeitsteilige Handlungs- und Entscheidungsprozeß der Herstellung und Verbreitung von Druckwerken als erlaubt garantiert wird, so ist 140 Vgl. insbesondere Scholz, Pressefreiheit u n d Arbeitsverfassung, S. 93 ff., 122 ff., 168 ff.; Rüthers, A f P 1980, S. 2 ff.; Plander, N J W 1980, S. 1084 ff.; vgl. auch die Nachweise i n F N 822. 141 Vgl. oben § 7 I I 3, 4 c), § 8 I I 1. 142 BVerfG N J W 1980, S. 1093 ff. = A f P 1980, S. 33 ff.

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für jede einzelne Handlung und Entscheidung auf zuweisen, daß sie i m Rahmen von Herstellung und Verbreitung notwendig ist. Das dürfte für die Ausübung des verlegerischen Direktionsrechts nicht schwierig sein, anders liegt es mit den Tätigkeiten, mit denen Herstellung und Verbreitung nur vorbereitet und ermöglicht werden. Dazu dürften insbesondere personelle Maßnahmen i. S. §§ 99 ff. BetrVG und Investitionsplanungen und -entscheidungen i. S. § 106 BetrVG zu rechnen sein. Ob und inwieweit diese dem Garantietatbestand der Pressefreiheit zugerechnet werden können, ist eine Bewertungsfrage, die sich ohne Folgendiskussion nicht in annähernd zuverlässiger Weise beantworten läßt. M i t pauschalen Aussagen nach der A r t , daß die „Entstehenssicherung" global dem Garantietatbestand der Pressefreiheit zuzuschlagen sei 143 , oder mit einer vagen Argumentation über die „öffentliche Aufgabe" der Presse läßt sich nicht operieren, da man um eindeutige Grenzziehungen nicht herumkommt, soll nicht die endlose Kette tatsächlicher ökonomischer und gesellschaftlicher Bedingungen vollständig i n A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG einbezogen werden. Gefordert sind also differenzierte Untersuchungen und differenzierte Antworten. Kann der Konkurrenzfall für die jeweilige Vorschrift des BetrVG aufgezeigt werden, so w i r d das Ergebnis der weiteren Untersuchung vor allem von der möglichst präzisen Formulierung des Ziels abhängig sein, das m i t der jeweiligen Norm erreicht werden soll. Die Legitimität des Ziels w i r d weniger hinsichtlich A r t . 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG als hinsichtlich A r t . 5 Abs. 2 GG problematisch sein. Ob das Ziel hier notwendig missionarischen oder diskriminierenden Charakter haben muß i n dem Sinne, daß an inhaltlichem Wert und geistiger Wirkung von Presseerzeugnissen angeknüpft wird, darf bezweifelt werden. Denn zumeist dürfte sich das angestrebte Ziel betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen, auch wenn man ihre Anwendung auf Presseunternehmen besonders i n Rechnung stellt, mit Blick auf die soziale und wirtschaftliche Lage der Pressearbeitnehmer, einschließlich der Journalisten, darlegen lassen, ohne von Wert und Wirkungen der Publikationen reden zu müssen. Kommt man bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Anwendung betriebsverfassungsrechtlicher Normen auf Presseunternehmen, die bisher durch § 118 BetrVG ausgeschlossen oder eingeschränkt ist, einmal bis zur Argumentationslastregel des A r t . 5 Abs. 2 GG, so w i r d die pauschale A n nahme eines „Verfassungsgebots" des betriebsverfassungsrechtlichen Presseprivilegs überaus fraglich. Neben der Frage des Tendenzschutzes gem. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verdiente auch das Problem, ob Zeitschriftenwerber einer Reisegewerbekarte gem. § 55 GewO bedürfen, einer Untersuchung auf der 143 I n dieser Richtung vor allem: Klopfer, sicherung und Bestandsschutz, S. 15 ff., 89 f.

Grundrechte als Entstehens-

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3. Teil: Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5,12,14 GG

Grundlage des hier vorgeschlagenen Ansatzes zur Konkurrenzlösung. Die relativ umfangreiche Rechtsprechung zu dieser Frage hat sich hier — wie gezeigt wurde — auf die Diskussion eines Eingriffs i n die Pressefreiheit konzentriert und die mögliche Konkurrenzproblematik vernachlässigt 144 . Der Konkurrenzfall ist auch hier nicht ohne weiteres nachzuweisen. Daß mit § 55 GewO ein Eingriff i n die Berufsfreiheit vorliegt, ist zwar klar, weniger eindeutig ist aber, ob das Aufsuchen von Bestellungen für Zeitungs- oder Zeitschriftenabonnements auch den Schutz des Garantietatbestands der Pressefreiheit genießt. Denn bei dieser Tätigkeit handelt es sich ja nicht u m das Verbreiten des Druckwerks i m Sinne der Abgabe oder Zustellung produzierter Druckwerke an bestimmte Empfänger. Das Aufsuchen von Bestellungen und der Abschluß von Abonnementsverträgen liegen i m Vorfeld der Verbreitung, sie ermöglichen einen wirtschaftlich ertragreichen Absatz der Presseerzeugnisse. Ob man die Tätigkeit von Zeitschriftenwerbern dennoch dem Garantietatbestand des A r t . 5 Abs. 1 S. 2 GG zuordnen soll, ist wieder eine Bewertungsfrage. Ihre Beantwortung erfordert eine Folgendiskussion, die hier nicht geleistet werden kann. Nimmt man den Konkurrenzfall an, so erscheint es jedenfalls als sehr fraglich, ob das Erfordernis der Reisegewerbekarte für Zeitschriftenwerber gem. §55 GewO an der kumulierten Argumentationslast der A r t . 12 Abs. 1 S. 2, 5 Abs. 2 GG scheitern muß. Denn das Regelungsziel dürfte sich jedenfalls über eine berufsausübungsbezogene Argumentation darlegen lassen, und es ist nicht recht vorstellbar, wie hier entgegen A r t . 5 Abs. 2 GG eine inhaltlich diskriminierende oder missionarische Zielargumentation angesetzt werden sollte. Selbst wenn man §57 GewO berücksichtigt, wonach die Versagung der Reisegewerbekarte mangels Zuverlässigkeit möglich ist, so läßt sich die Regelung — grob formuliert — mit verbraucherschützenden Zielen rechtfertigen, von inhaltlichem Wert und geistiger Wirkung der angebotenen Presseerzeugnisse muß dabei überhaupt keine Rede sein. Die Reihe der diskussionswürdigen Fälle, in denen es zur kumulativen Normenkonkurrenz zwischen A r t . 5 Abs. 1 S.2, Abs.2 GG und A r t . 12 Abs. 1, 14 GG kommt, ließe sich noch weiter fortsetzen, soll hier aber abgeschlossen werden. Daß sie hier kurz angerissen wurden, geschah mit der Intention, zur weiteren, intensiven und differenzierten Diskussion anzuregen. Die vorliegende Arbeit versuchte, dazu mit der Entwicklung einer methodisch und grundrechtstheoretisch begründeten Argumentations- und Diskussionsstruktur einige Hinweise zu geben. Ob diese sich als fruchtbar erweisen werden, kann sich nur anhand der praktischen Rechtsarbeit an der Lösung konkreter Probleme zeigen. 144

Vgl. die Nachweise oben § 4.

Zusammenfassende Thesen ι.

Die Frage nach dem Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie w i r d bei der Verfassungsmäßigkeitsprüfung hoheitlicher Eingriffe i n die Presseberufsfreiheit oder i n das Presseeigentum relevant, denn von ihrer Beantwortung hängt es ab, am Maßstab welcher der divergenten Vorbehaltsschranken die Prüfung ausgerichtet werden soll. Wegen der Schrankendivergenz kann es für die Beurteilung des Hoheitsakts entscheidend darauf ankommen, ob nur eine und, wenn ja, welche Grundrechtsbestimmung die Schranken stellt oder ob zwei tatbestandlich gleichzeitig aktualisierte Grundrechtsnormen trotz divergenter Schranken rechtsfolgebestimmend zusammenwirken können. II. Für die Problemlösung werden i n Literatur und Rechtsprechung mehrere Ansätze angeboten, denen jedoch mangels Konsistenz oder Plausibilität nicht gefolgt werden kann. 1. Nach der These von der Tatbestandsabgrenzung sollen die Garantietatbestände der A r t . 5 I 2, 12 I, 14 I 1 GG nicht partiell identisch, sondern völlig verschieden sein. Da die Pressefreiheit durch A r t . 5 I 2 GG nur als Freiheit der Meinungsäußerung durch Druck garantiert werde und die Gewährleistung hinsichtlich der Modalitäten des Freiheitsgebrauchs völlig indifferent sei, müsse der Pressefreiheitsgebrauch von der Ausübung der Berufsfreiheit wie vom Eigentumsgebrauch rechtlich scharf unterschieden werden, wenn die verschiedenen Elemente auch faktisch zusammenfallen könnten. Eingriffe i n die Presseberufsfreiheit seien daher allein anhand von A r t . 12 I 2 GG, Beschränkungen des Eigentums an Pressebetriebsmitteln allein anhand von A r t . 14 I, I I GG zu überprüfen. Dieses Verfahren läßt sich aber nicht durchhalten: Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie können zwar abstrakt insofern unterschieden werden als sie je unterschiedliche Handlungsaspekte erfassen; werden diese Aspekte von ein und derselben Handlung erfaßt und ist diese das Objekt einer unteilbaren hoheitlichen Regelung, dann kann nicht mehr nur ein grundrechtlicher

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Garantietatbestand für berührt erklärt werden und dem Problem der Schrankendivergenz nicht mehr ausgewichen werden. 2. Nach der These von der Gesetzeskonkurrenz soll sich der Garantietatbestand des A r t . 5 I 2 GG mit dem des A r t . 12 I 1 GG und dem des Art. 14 I 1 GG „überschneiden", da mit der Pressefreiheit der gesamte „Lebensbereich" Presse einschließlich der beruflichen Tätigkeit der Pressemitarbeiter und des Eigentums an den Pressebetriebsmitteln gewährleistet werde. Die Grundrechtsnorm des Art. 5 1 2 , I I GG w i r d aber als erschöpfende Sonderregelung angesehen, durch die die A r t . 12 I, 14 GG als subsidiär i m Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt werden sollen. Dabei w i r d der erschöpfende Charakter der Pressefreiheitsgarantie damit gerechtfertigt, daß die Schranke des A r t . 5 I I GG „stärker" sei als die des A r t . 12 I 2 GG und des A r t . 14 I 2, I I GG. Demnach sind Eingriffe i n die Presseberufsfreiheit und i n das Presseeigentum allein anhand der Schranken der Pressefreiheit auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Die These von der Gesetzeskonkurrenz erscheint dann als nicht plausibel, wenn die Schranken der Pressefreiheit über die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nivellierend überformt werden, sei es dadurch, daß A r t . 5 I I GG rein materiell ausgelegt wird, sei es durch die Annahme eines „institutionellen Gesetzesvorbehalts" neben A r t . 5 I I GG; denn dann entfällt mit der „Stärkedifferenz" gegenüber A r t . 12 I, 14 I 2, I I GG die Grundlage für die Rechtfertigung des erschöpfenden Charakters des A r t . 5 I 2, I I GG. Zudem läßt die These von der Gesetzeskonkurrenz offen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen m i t der Verdrängung des A r t . 14 GG Enteignungen von Presseeigentum noch zulässig sein sollen. 3. Auch die These von der Idealkonkurrenz nimmt eine Überschneidung des Garantietatbestandes des A r t . 5 1 2 GG m i t den Tatbeständen der A r t . 12 I 1, 14 I 1 GG an, da der Schutz der Pressefreiheitsgarantie auch auf die wirtschaftliche Seite des „Lebensbereichs" Presse erstreckt wird. Wenn durch ein und dieselbe Handlung einer Zivilperson die partiell identischen Tatbestände von mindestens zwei Grundrechtsnormen verwirklicht würden und diese Handlung durch einen einheitlichen Hoheitsakt beschränkt werde, dann soll allerdings keine der berührten Normen alle anderen verdrängen, sondern alle sollen nebeneinander gelten. Diese Idealkonkurrenz w i r d mit dem Grundsatz der „Grundrechtseffektivität", dem punktuellen Charakter der Grundrechtsgarantien und der Vagheit grundrechtlicher Normsätze begründet. Für die Lösung von Schrankendivergenzen zwischen den idealkonkurrierenden Grund-

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rechtsnormen w i r d davon ausgegangen, daß i m Konkurrenzfall nur eine der beteiligten Schranken maßgeblich sein könne. Zu deren Ermittlung w i r d einmal auf das K r i t e r i u m der „objektiven Zielrichtung" des hoheitlichen Eingriffs abgestellt. Wenn i m Falle der „Pressebezogenheit" des Eingriffs die Schranken des A r t . 5 I I GG maßgeblich sein sollen, bleibt unklar, wie die Eingriffsrichtung i n kontrollierbarer Weise bestimmt werden kann. Z u m anderen w i r d den Schranken des „stärkeren" Grundrechts der Vorrang eingeräumt, was i m Verhältnis von Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie zu der Annahme führt, i m Konkurrenzfall seien die Schranken der Pressefreiheit maßgeblich. Die Verflüchtigung der angeblichen „Stärkedifferenzen" bei Anwendung nivellierender Schrankenkonzeptionen w i r d allerdings nicht reflektiert, da der Vergleich der „Grundrechtsstärken" abstrakt bleibt und nicht detailliert vorgenommen wird. Von daher w i r d auch nicht erörtert, welche Konsequenzen für die „Stärke" der Pressefreiheitsgarantie sich aus der Annahme eines „institutionellen Begrenzungsvorbehalts" neben A r t . 5 I I GG ergeben. Offen bleibt i n der These von der Idealkonkurrenz, w o r i n angesichts der Lösung der Schrankendivergenz zugunsten der alleinigen Maßgeblichkeit nur einer Schranke noch der relevante Unterschied zur Gesetzeskonkurrenz bestehen soll. 4. Die These von der wertenden Zuordnung setzt ähnlich an wie die beiden Konkurrenzlehren. I m Verhältnis der institutionell gedeuteten Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie werden Schutzbereichsüberschneidungen ausgemacht, da dem „institutionellen Lebensbereich" Pressewesen auch die berufliche Pressetätigkeit und das Presseeigentum zugeordnet werden. Da die Schutzrichtungen von institutioneller Pressefreiheitsgarantie und anderen Einrichtungsgarantien für gleichartig gehalten werden und die „zentrale Wertentscheidung" für den betroffenen „Lebensbereich" i n A r t . 5 I 2 GG gesehen wird, soll A r t . 5 I 2 GG als „lex specialis", insbesondere die Institutsgarantie des Eigentums gem. A r t . 14 I 1 GG i m Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängen. Dagegen soll zwischen A r t . 512 GG und den Individualrechten der A r t . 121, 1411 GG wegen divergenter Schutzrichtungen Idealkonkurrenz anzunehmen sein, wobei Schrankendivergenzen durch eine harmonisierende Ausrichtung der Schranken der A r t . 12 I 2, 14 I 2, I I auf die Erfordernisse des Schutzes der „Funktionsfähigkeit der Institution ,Freie Presse'" überwunden werden sollen. Diese rein zweckrationale Ausrichtung der Konkurrenzlösung auf die Bedürfnisse des Institutionenschutzes gelingt nur u m den Preis eines deutlichen Ver22 Degen

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lustes an normativem Halt und rechtsstaatlicher Bestimmtheit. A n gesichts der institutionsfunktionalen Schrankenharmonisierung i m Konkurrenzfall ist zudem ein relevanter Unterschied zwischen Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz nicht mehr erkennbar. 5. Der praktische Problemlösungsansatz des Bundesverfassungsgerichts läßt sich dahin rekonstruieren, daß zunächst versucht wird, die beteiligten Garantietatbestände voneinander abzugrenzen, ohne damit Tatbestandsüberschneidungen prinzipiell auszuschließen. I m Überschneidungsfall w i r d sowohl Gesetzeskonkurrenz wegen Spezialität als auch Idealkonkurrenz für möglich gehalten, wobei letzterenfalls auftretende Schrankendivergenzen nach dem Gesichtspunkt des Eingriffsschwerpunkts gelöst werden. Für das Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit und zur Eigentumsgarantie scheint das Bundesverfassungsgericht zur Annahme einer Idealkonkurrenz zu tendieren. Gegen den Problemlösungsansatz des Bundesverfassungsgerichts sind dieselben Bedenken wie gegen die These von der Idealkonkurrenz anzumelden. III. Die einzelnen Problemlösungsansätze sind nicht als methoden- und theorieneutrale Konstruktionen zu behandeln; vielmehr ist zu berücksichtigen, daß sie jeweils deutliche Affinitäten zu bestimmten interpretationsmethodischen und grundrechtstheoretischen Konzeptionen aufweisen. 1. Die These von der Tatbestandsabgrenzung w i r d methodisch auf der Grundlage der normorientierten, klassisch-juristischen Hermeneutik entwickelt, der es vornehmlich u m die klare Markierung des Grenzverlaufs zwischen Subjektion und Subjektionsfreiheit geht. Grundrechtstheoretisch w i r d von der subjektiv-rechtlichen Lehre ausgegangen; nach dieser w i r d A r t . 5 1 2 GG ausschließlich als Garantie eines subjektiven öffentlichen Rechts des status negativus gefaßt. Dessen Inhalt w i r d allein i n einem individuellen Interesse gesehen. Freiheit w i r d rein negativ als Freiheit vom Staat definiert. A r t . 5 I 2 GG garantiert demnach nicht die Freiheit des Pressewesens, sondern die Pressefreiheit i. S. eines Handlungsgrundrechts, nämlich die Freiheit der Meinungsäußerung durch Druckwerke. 2. Die Konkurrenzlehren stehen methodisch i m Zusammenhang mit einer Modifikation der klassisch-juristischen Hermeneutik oder einer auch wirklichkeitsbezogenen materialen Verfassungsinterpretation, die beide die Grundrechtsinterpretation nicht mehr handlungs-, sondern bereichsbezogen ansetzen.

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Grundrechtstheoretisch w i r d einmal von einer modifizierten subjektiv-rechtlichen Lehre ausgegangen, die das Garantieobjekt des A r t . 5 I 2 GG räumlich als Lebensbereich „Presseunternehmen" definiert und zudem neben einem Individualgrundrecht ein „Konnexinstitut" gewährleistet sieht. Zum anderen werden die Konkurrenzlehren auf der Grundlage der Lehre vom grundrechtlichen Doppelcharakter entfaltet, welche prinzipiell auch vom Bundesverfassungsgericht vertreten wird. I n dieser Lehre werden der Inhalt des subjektiven öffentlichen Rechts (individuelles und soziales Interesse), der Freiheitsbegriff (negative und positive rechtliche Freiheit), der grundrechtliche Rechtscharakter (subjektives Recht und objektiv-rechtliche Garantie) sowie der Schutzbereich (Lebensbereich „Presseunternehmen" und „Pressewesen") verdoppelt. Das Verhältnis zwischen „subjektiver" und „objektiver Seite" w i r d i m Konfliktfall i m Sinne des Vorrangs der objektiv-rechtlichen Garantie gelöst. 3. Die These von der wertenden Zuordnung basiert interpretationsmethodisch auf einer wirklichkeitsbezogenen ganzheitlichen Verfassungsauslegung, der es u m eine verstehende Orientierung an der werthaften Sinn- und Lebenstotalität des „Verfassungsganzen" geht. Grundrechtstheoretische Grundlage ist die institutionelle Lehre. Diese sieht durch A r t . 5 12 GG die Institution „Freie Presse" i. S. der zum sozialen Faktum materalisierten Grundrechtsidee von sozialer Struktur und Funktion eines „freiheitlichen Pressewesens" als garantiert an. Die Alternativität von individuellem und öffentlichem Interesse w i r d zugunsten der dialektischen Einheit des Individuellen und Überindividuellen i n der Institution aufgegeben, der Freiheitsbegriff w i r d institutionell überformt. Von daher w i r d die Pressefreiheit des einzelnen zum institutionellen Reflexrecht deklassiert. IV. Die Berücksichtigung der interpretationsmethodischen und grundrechtstheoretischen Grundlagen ergibt, daß alle Problemlösungsansätze m i t mehr oder minder ausgeprägten räumlichen Kategorien operieren. 1. Der These von der Tatbestandsabgrenzung geht es u m die Ausgrenzung von individuellen Willenssphären ohne Rücksicht auf zusammenhängende soziale „Lebensbereiche". 2. Dagegen w i r d der Grundrechtsschutz nach allen anderen Ansätzen auf soziale „Lebensbereiche" (i. S. der grundrechtlichen „Regelungsbereiche" i m Unterschied zu den u. U. engeren Schutzbereichen) bezogen. 22*

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3. Die These von der Gesetzeskonkurrenz läßt sich auf den Anspruch zurückführen, jeder einzelnen Grundrechtsnorm einen abgegrenzten Lebensbereich exklusiv zuzuordnen. 4. Dagegen läßt sich die These von der Idealkonkurrenz von dem Ziel leiten, die Einheitlichkeit der gesellschaftlichen Lebensbereiche zu wahren. Da man diese Einheitlichkeit bei der exklusiven Zuordnung von Grenzbereichen zu einer Grundrechtsnorm für gefährdet hält, w i r d die Parallelgeltung aller berührten Grundrechtsnormen zum verfassungsrechtlichen Regelfall erklärt. 5. Die These von der wertenden Zuordnung zielt auf die Einheit von institutionellem Leitbild und grundrechtlichem Lebensbereich. Da ein Lebensverhältnis nur von einer einheitlichen Leitidee dirigiert werden könne, müßten i m Konkurrenzfall die Grenzbereiche der „zentralen" institutionellen Leitidee wertend zugeordnet werden. V. Die K r i t i k der „Lebensbereichstheorie" führt zu ihrer negativen Bewertung. Sie w i r d für ungeeignet gehalten, u m als Basistheorie für die Grundrechtsauslegung zu fungieren. 1. Die „Lebensbereichstheorie" genügt nicht dem Postulat hinreichender begrifflicher Präzision. 2. Sie basiert auf den wissenschaftlich nicht beweisbaren Annahmen der Werthaftigkeit der sozialen Wirklichkeit und der Wirklichkeit von Werten. Daher w i r d die Unterscheidung von Norm und W i r k lichkeit aufgelöst. 3. Ebenso geht die Differenz zwischen privatem und öffentlichem Interesse verloren, womit unklar wird, bei wem jeweils die Kompetenz zur Definition des Interesseninhalts liegen soll. 4. M i t der Konzeption „realer Freiheit" verschwimmen die Grenzlinien zwischen Freiheit und Bindung. 5. Die Folgen, die sich aus der Verwendung der „Lebensbereichstheorie" als Basistheorie der Grundrechtsinterpretation ergeben haben oder ergeben können, werden als unerwünscht bewertet: „Fließende Geltungsfortbildung" der Verfassung durch Nachvollzug des sozialen Wandels, Verlust an Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit durch Entgrenzung der Verfassung, Entgrenzung der Eingriffskompetenz des Gesetzgebers, Begrenzung der politischen Gestaltungsfreiheit von Exekutive und Legislative durch extensive verfassungsgerichtliche Kontrolle, Verlust an Offenheit für gesellschaft-

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liehe Innovation i m Wege gezielter staatlicher Verrechtlichung der politischen Diskussion.

Sozialgestaltung,

6. Die „Lebensbereichstheorie" trägt nicht zu einer höheren Rationalität der Grundrechtsauslegung bei, da die Bedeutungsanalyse von Rechtsbegriffen m i t dem Verstehen des Bezeichneten vertauscht, Wertungen nicht hinreichend begründet werden und da ungeklärt bleibt, wie empirisches Wissen bei der Norminterpretation methodisch kontrolliert verarbeitet werden kann. VI. Für die eigene Problemlösung w i r d die „Lebensbereichstheorie" verabschiedet und von folgenden grundrechtstheoretischen und methodischen Prämissen ausgegangen: 1. Verfassung w i r d als positiv-rechtliches, abgeschlossenes Normensystem definiert, durch das Organisation, Kompetenzen, Verfahren und Ziele staatlichen Handelns festgelegt werden. Die Qualität als Staatsverfassung schließt es aus, das Grundgesetz als rechtliche Grundordnung des Staat und Gesellschaft umfassenden „Gemeinwesens" zu fassen. Die Dominanz von Verhaltensnormen an die Adresse des Staates verbietet, das Grundgesetz als politisches A u f gabenprogramm zu konzipieren. 2. Bei den Freiheitsgrundrechten handelt es sich u m Erlaubnisnormen für die Zivilpersonen und damit u m Verbotsnormen für die öffentliche Gewalt. Bei den Freiheitsbeschränkungen hat der Staat gemäß den grundrechtlichen Vorbehaltsschranken ein bestimmtes Entscheidungsverfahren einzuhalten und seiner je nach Grundrechtsnorm differenzierten Argumentationslast zu genügen. Er hat dabei zudem Definitionsverbote zu beachten und Mindestpositionen der Z i v i l personen zu respektieren. 3. Für die Grundrechtsauslegung w i r d entgegen dem klassischen Subsumtionsideal zwischen Findungs- und Rechtfertigungszusammenhang unterschieden. Es w i r d eine Argumentation u m die falsifizierenden Kriterien des Normtextes, der Systematik, der Genese und der Auslegungsfolgen vorgeschlagen. VII. Die Auslegung des Garantietatbestandes des A r t . 5 I 2 GG anhand falsifizierender Kriterien ergibt, daß m i t der „Pressefreiheit" nicht die Freiheit des Lebensbereichs „Pressewesen", sondern die Handlungsart des Herstellens und Verbreitens von Druckwerken jeglichen

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Inhalts geschützt w i r d und daß dabei von dem möglichen Handlungsziel „Erwerb" ebenso abstrahiert w i r d wie von eigentumsvermittelten Entscheidungskompetenzen über Pressebetriebsmittel. Die Interpretation der Schranke der „allgemeinen Gesetze" führt zu dem Ergebnis, daß A r t . 5 I I GG pressefreiheitsbeschränkende Rechtsnormen erlaubt, die als geeignet und notwendig zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels begründet werden können, ohne daß die gesetzgeberische Argumentation auf die inhaltliche Qualität oder die geistige Wirkung von Meinungsinhalten abstellt, sofern dabei als Anknüpfungs- und Begründungspunkte nicht Rechtsfolgen vorliegen, die i n anderen Verfassungsnormen für Äußerungen und Betätigungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgesehen sind. VIII. Das einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit gem. A r t . 12 I 1 GG w i r d als erwerbsgerichtete Entscheidungsfreiheit konzipiert. Garantiert w i r d die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, ob und wie mittels welcher Handlungen Erwerbsziele angestrebt werden. Bei Beschränkungen der Berufsfreiheit hat der Gesetzgeber gem. A r t . 12 I 2 GG seiner Argumentationslast zu genügen: Er hat an möglichen Gefahren und Nachteilen der Berufsausübung anzuknüpfen und aufzuweisen, daß das berufsregelnde Gesetz zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und notwendig ist. Die verfassungsrechtliche Kontrolle der gesetzgeberischen Argumentation ist dabei von einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsabwägung auf eine Verhaltenskonsistenzprüfung zurückzunehmen. IX. A r t . 14 11 GG w i r d als Garantie einer gegenstandsbezogenen privaten Entscheidungskompetenz interpretiert. Die besondere Struktur des A r t . 14 11 GG besteht zunächst darin, daß er eine Meta-Entscheidung („Institutsgarantie") enthält: Der Staat entscheidet, den Zivilpersonen Entscheidungsbefugnisse i m Wirtschaftskreislauf zuzuweisen. Der Garantiegehalt der „Individualgarantie" des A r t . 14 11 GG w i r d erst i m Verbund m i t einfach-gesetzlichen Normen faßbar: Der Grundrechtsschutz erstreckt sich nur auf die Personen, die gemäß gesetzlichen Regeln einen Eigentumstitel erworben haben, und sachlich nur auf bereits erworbene, gesetzlich eingerichtete Entscheidungskompetenzen an konkreten Eigentumsgegenständen. Diese Bestandsgarantie schlägt i m Enteignungsfall i n eine Eigentumswertgarantie um.

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Bei gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen gem. A r t . 14 12, I I GG hat die legislatorische Argumentation an den gesellschaftlichen Wirkungen des Eigentumsgebrauchs anzuknüpfen und aufzuzeigen, daß die Beschränkung zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und notwendig ist. Auch hier ist die Kontrolle des Gesetzgebers auf eine Prüfung der Konsistenz seiner Argumentation zurückzunehmen. X. Bei grundrechtlichen Normenkonkurrenzen geht es u m das Problem, wie Widersprüche zwischen den Rechtsfolgen mehrerer tatbestandlich gleichzeitig aktualisierter Normen aufgelöst werden können. Eine grundrechtliche Konkurrenzlehre steht daher zunächst vor der Aufgabe, die elementaren grundrechtlichen Normsätze auf die Struktur zusamengesetzter, bedingter Normsätze zu bringen, u m überhaupt zwischen bedingendem Tatbestand und bedingter Rechtsfolge unterscheiden zu können. Wegen der Struktur der Grundrechtsnormen als Verhaltensnormen an die Adresse der öffentlichen Gewalt, muß es sowohl auf der Seite des bedingenden Tatbestandes als auch auf der Seite der bedingten Rechtsfolge u m hoheitliches Verhalten gehen. Von daher können grundrechtliche Bedingungsnormsätze allgemein auf die vertraute Formel gebracht werden: Wenn der Staat i n die garantierte Freiheit der Zivilpersonen eingreift (Tatbestand), dann ist der Eingriff rechtswidrig, es sei denn, er wäre durch die Schranken des Grundrechts gedeckt (Rechtsfolge). XI. Die grundrechtliche Normenkonkurrenz t r i t t ein, wenn durch ein und dasselbe Verhalten der öffentlichen Gewalt die Tatbestände von mindestens zwei grundrechtlichen Bedingungsnormen erfüllt werden, wenn also durch einen unteilbaren Hoheitsakt ein rechtlich als Einheit definiertes Verhalten von Zivilpersonen geboten oder verboten wird, das gleichzeitig, wenn auch unter verschiedenen Aspekten, durch mindestens zwei grundrechtliche Garantietatbestände erlaubt wird. XII. Eine verdrängende Normenkonkurrenz („Gesetzeskonkurrenz") zwischen A r t . 5 12, I I GG und den A r t . 12 I, 14 GG w i r d ausgeschlossen. Weder die Voraussetzungen der Spezialität noch die der erschöpfenden Sonderregelung können aufgewiesen werden, denn die bedingenden Tatbestände unterscheiden sich jeweils hinsichtlich der Aspekte unter denen der Schutz des Verhaltens der Zivilpersonen angegangen wird.

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XIII. I m Verhältnis der Pressefreiheit zur Berufsfreiheit wie zur Eigentumsgarantie kommt es zur kumulativen Normenkonkurrenz („Idealkonkurrenz"), da die Rechtsfolgen der konkurrierenden Grundrechtsnormen einander nicht ausschließen, sondern sich untereinander ergänzen und modifizieren, ohne daß eine ihre selbständige Bedeutung verlöre. Die Möglichkeit der Rechtsfolgenkumulation gerät allerdings erst dann i n das Blickfeld, wenn man die Grundrechtsschranken i m Abkehr vom klassisch-juristischen Subsumtionsideal als Argumentationslastregeln begreift. 1. I m Falle der Konkurrenz zwischen A r t . 5 12, I I GG und A r t . 12 I GG werden die Argumentationslastregeln folgendermaßen kumuliert: Der hoheitliche Eingriff ist rechtswidrig, es sei denn, er wäre ein ordnungsgemäß zustandegekommenes Gesetz i m materiellen Sinne oder ein darauf gestützter Verwaltungsakt, und die schrankenziehende Norm könnte zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels als geeignet und notwendig begründet werden, wobei die Begründung an möglichen Gefahren und Nachteilen der Berufsausübung anknüpfte, ohne auf die inhaltliche Qualität oder die geistige Wirkung von Meinungsinhalten abzustellen. Eine gesetzliche Regelung des Zugangs zum Journalistenberuf durch subjektive Voraussetzungen würde dieser kumulierten Argumentationslast nicht genügen. 2. Bei der Konkurrenz zwischen A r t . 5 12, I I GG und A r t . 14 I, I I GG kann die Argumentationslast wie folgt kumuliert werden: Der hoheitliche Eingriff ist rechtswidrig, es sei denn, er wäre ein ordnungsgemäß zustandegekommenes „materielles" Gesetz oder ein darauf gestützter Verwaltungsakt, und das schrankenziehende Gesetz könnte zur Erreichung eines legitimen, i m öffentlichen Interesse liegenden Ziels als geeignet und notwendig begründet werden, wobei die Begründung an den gesellschaftlichen Wirkungen des Eigentumsgebrauchs anknüpfte, ohne auf die inhaltliche Qualität oder die geistige Wirkung von Meinungsinhalten abzustellen. Eine gesetzliche Auflagenbegrenzung für marktbeherrschende Presseunternehmen müßte an dieser kumulierten Argumentationslast scheitern.

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Das Literaturverzeichnis wurde am 31. Dezember 1980 abgeschlossen.