Praxis - Handeln und Handelnde in antiker Philosophie: Akten des 6. Kongresses der Gesellschaft für antike Philosophie 2019 3110738678, 9783110738674

Die antike Philosophie bietet eine differenzierte Diskussion zu akteurs- und handlungstheoretischen Fragen. Die deutsche

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Praxis - Handeln und Handelnde in antiker Philosophie: Akten des 6. Kongresses der Gesellschaft für antike Philosophie 2019
 3110738678, 9783110738674

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Einleitung
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi
Plato on Intelligent Agency
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen
Platonic Political Demiurgy
Transformation and Discontinuity
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles
Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles – Kinder als potenziell vernünftig Handelnde
Aristotle on Political Agency
An der Stasis teilhaben
Action as a Reaction
Does God Have a Choice?
Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical Action
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“
Cicero on Agency and Integrity
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions
Verzeichnis der Abkürzungen
Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren
Sachregister
Stellenregister

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Praxis – Handeln und Handelnde in antiker Philosophie

Beiträge zur Altertumskunde

Herausgegeben von Susanne Daub, Michael Erler, Dorothee Gall, Ludwig Koenen und Clemens Zintzen

Band 397

Praxis – Handeln und Handelnde in antiker Philosophie Akten des 6. Kongresses der Gesellschaft für antike Philosophie 2019 Herausgegeben von Friedemann Buddensiek und Sebastian Odzuck

ISBN 978-3-11-073867-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-073559-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-073567-3 ISSN 1616-0452 Library of Congress Control Number: 2022948389 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio­grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Der vorliegende Band versammelt eine Auswahl der Beiträge des VI. Internationalen Kongresses der Gesellschaft für antike Philosophie, der vom 24.–27. September 2019 an der Goethe-Universität Frankfurt stattfand und unter dem Thema „Praxis — Handeln und Handelnde in antiker Philosophie“ Fragen der antiken Handlungstheorie und angrenzender Gebiete gewidmet war. Wir danken dem damaligen erweiterten Vorstand der Gesellschaft für antike Philosophie für wichtigen Rat bei der Konzeption des Kongresses. Wir danken ferner all denen, die mit ihren Vorträgen zum Gelingen des Kongresses beigetragen haben, insbesondere den Autorinnen und Autoren dieses Bandes, die mit der Bearbeitung und Zurverfügungstellung ihrer Beiträge diesen Band ermöglicht haben. Ganz besonders danken möchten wir Johanna Sinn für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Erstellung der Druckvorlage und der Register. Danken möchten wir ferner dem Verlag de Gruyter und Charlotte Webster für die Unterstützung bei der Drucklegung des Bandes sowie Michael Erler und den anderen Herausgeberinnen und Herausgebern für die freundliche Aufnahme des Bandes in die Reihe der Beiträge zur Altertumskunde. Der Gesellschaft für antike Philosophie danken wir herzlich für die Übernahme der Druckkosten. Unser Dank gilt außerdem noch einmal der Gesellschaft für antike Philosophie sowie auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft, den Freunden und Förderern der Goethe-Universität und dem Institut für Philosophie der GoetheUniversität für die großzügige Unterstützung des Kongresses. Herzlich danken wir schließlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Organisation und Durchführung des Kongresses mitgewirkt haben: Maria Nicolosi, Christopher Izgin, Stefan Röttig, Maria Müller-Hornbach, Simon Reiners und Antonia Steins. Frankfurt, im Oktober 2022

https://doi.org/10.1515/9783110735598-202

Die Herausgeber

Inhalt Friedemann Buddensiek / Sebastian Odzuck Einleitung | 1 Tom Wellmann Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi | 15 Rachana Kamtekar Plato on Intelligent Agency | 33 Sebastian Odzuck Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen: Die Erklärung menschlichen Handelns in Platons Phaidon | 57 Dimitri El Murr Platonic Political Demiurgy: Prescription and Action in Plato’s Republic and Statesman | 81 Klaus Corcilius Transformation and Discontinuity: Nature, Rationality, and Self-Motion in Aristotle | 107 Antonio Ferro Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10: Das Einheitsproblem und sein platonischer Hintergrund | 139 Christian Kietzmann Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles | 173 Christoph Halbig Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 191 Stephan Herzberg Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis: Zum Normproblem in der aristotelischen Ethik | 209 Béatrice Lienemann Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 235

Inhalt | VIII

Laura Summa Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles – Kinder als potenziell vernünftig Handelnde | 261 Hallvard Fossheim Aristotle on Political Agency | 289 Uwe Walter An der Stasis teilhaben: Assoziation und Dissoziation als Handlungsmuster im griechischen Bürgerstaat | 307 Francesca Alesse Action as a Reaction: Psychological and Logical Issues in the Early Stoic Theory of Action | 329 Margaret Graver Does God Have a Choice? Human and Divine Volition in Stoic Philosophy | 349 John Sellars Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical Action | 371 Dagmar Kiesel „… von tiefer Dunkelheit umnebelt“: Alltäglicher Wahnsinn in Senecas Tragödie Phaedra
 | 385 Raphael Woolf Cicero on Agency and Integrity | 413 Miira Tuominen Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 433 Abkürzungsverzeichnis | 459 Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren | 461 Sachregister | 467 Stellenregister | 477

Friedemann Buddensiek / Sebastian Odzuck

Einleitung Die Fragen, wie es zu erklären ist und welches die Bedingungen dafür sind, dass wir uns durch ein Tun, das durch uns zu verantworten und uns zuzurechnen ist, auf die Welt beziehen und sie verändern, gehören schon in der Antike zu den zentralen Fragen der praktischen Philosophie. Die Diskussionen der antiken Philosophie zu diesen Fragen sind zugleich wichtige Anknüpfungspunkte auch für handlungstheoretische Diskussionen in der heutigen Philosophie (man vergleiche etwa die klassischen Arbeiten von Anscombe oder Davidson). Die Beiträge in diesem Band nehmen wichtige Teilfragen der antiken Handlungstheorie und ihrer vielfältigen Voraussetzungen auf. Die Texte sind im wesentlichen chronologisch angeordnet. Da aber zwischen den Fragen, die sie behandeln, vielfache Querverbindungen über die gesamte Antike hinweg bestehen, stellt die Einleitung einige dieser miteinander verbundenen Fragen vor und verknüpft sie durch eine erste Nennung der Autorinnen und Autoren mit den Texten in diesem Band. Im Anschluss daran folgt ein knapper Überblick über die einzelnen Beiträge. Zu den Voraussetzungen handlungstheoretischer Überlegungen gehören etwa Annahmen über die Struktur der Seele und das Verhältnis der Seelenteile zueinander (vgl. den Beitrag von Corcilius). Für die antike Philosophie ist es selbstverständlich, für Menschen – wie für Lebewesen überhaupt – eine Seele anzunehmen, die die wesentliche Grundlage auch für das ist, was Menschen tun. Die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis der Teile, Bereiche oder Vermögen der Seele und die Frage, inwiefern das Tun, das auf diesen Teilen beruht, eine Einheit bildet, stehen in enger Beziehung zueinander. Ebenso stellt sich die Frage, welche Teile, Bereiche oder Vermögen der Seele überhaupt anzunehmen sind (s. Ferro): gibt es etwa – neben den Teilen, die für Wahrnehmung und für rationale Aktivität zuständig sind – auch ein separates Vermögen, das für Strebungen verantwortlich ist? Wie auch immer diese Fragen beantwortet werden: sie betreffen nicht weniger als die Einheit der Akteurin. Aus systematischen Gründen wäre es zu wünschen, dass sie nicht in verschiedene einzelne Akteurinnen zerfällt – so als hätten wir es bei einem Menschen nicht mit einem einzelnen Menschen zu tun, dem sein Tun als sein Tun zuzurechnen ist, sondern mit einer Gruppe von Akteuren, die miteinander kooperieren oder aber auch gegeneinander arbeiten können. In diesen Fällen wäre diesen Akteuren, nicht dem Menschen als ganzen, das Tun zuzuschreiben, das wir von außen betrachtet sonst ihm zuschreiben. Wenn aber die Seele als Grundlage dessen, was ein Lebewesen ist und tut, eine Einheit bilden soll, stellt sich https://doi.org/10.1515/9783110735598-001

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wiederum die Frage, worin denn ihre Einheit besteht und welches die Basis für die Annahme dieser Einheit ist. Ein Bereich von handlungstheoretischen Fragen betrifft sodann die Erklärung des Zustandekommens von Handlungen. Klassischerweise wird hier auf eine Form des praktischen Syllogismus als Erklärungsmodell verwiesen, wie er sich bei Aristoteles findet (s. Kietzmann): ein allgemeiner Obersatz bestimmt etwas als gut und erstrebenswert (bzw. als schlecht und als zu vermeiden), ein Untersatz liefert eine handlungsermöglichende Konkretisierung, die Konklusion beschreibt dann – so eine der Deutungen – die Handlung (oder, so eine andere Deutung, das konkret zu Tuende). In welcher Hinsicht ist dieses Modell für die Erklärung des Tuns nicht-rationaler ebenso wie rationaler Lebewesen geeignet? Konkreter gefragt: Welche Rolle spielt es für die Handlungserklärung, dass Menschen die handlungsrelevanten Umstände nicht nur durch Wahrnehmung und phantasia, sondern auch durch Denken (im weitesten Sinn) erfassen? Und welche Rolle spielt es, dass die Struktur ihres Strebens zusätzlich das rationale Streben umfasst? Ein weiterer Bereich von Fragen betrifft die Kriterien der Zurechenbarkeit von Handlungen. So werden Handlungen üblicherweise der handelnden Person als ihre Handlungen zugerechnet, wenn diese Person zu diesem Tun nicht gezwungen wird und hinreichende Kenntnis der Handlungsumstände besitzt (vgl. Lienemann). Doch wann sind diese Kriterien erfüllt? Wenn Ödipus auf seiner gesellschaftlichen Stellung besteht und die Person tötet, von der er glaubt, sie müsse ihm Platz machen, die ihm aber nicht Platz macht und von der er nicht weiß, dass sie sein Vater ist, so ist ihm offenkundig die Tötung eines Menschen zuzuschreiben – doch ist ihm auch die Tötung seines Vaters zuzurechnen, wo er doch nicht wusste, dass jener Mensch, den er glaubt töten zu dürfen, sein Vater ist (den er wissentlich niemals, unter keinen Umständen getötet hätte)? Er unternimmt ja größte Anstrengungen, eben nicht in diese ihm vormals prophezeite Situation zu geraten. Und wenn die Tötung ihm doch zuzurechnen ist – schließlich war er es, der Laios getötet hat –, ist die Handlung dann zumindest wegen seines fehlenden Wissens entschuldbar (die sozialen Standards des Mythos, die uns ganz fremd sind, einmal vorausgesetzt)? Die Frage nach der Zurechenbarkeit und Entschuldbarkeit von Handlungen stellt sich jedoch noch allgemeiner: so etwa als Frage danach, wie weit der Erwerb von Kenntnis der handlungsrelevanten Umstände eine Frage der eigenen Verantwortung ist (s. Wellmann). Liegt es in unserer Verantwortung, eingehende theoretische, zum Beispiel naturphilosophische, Forschung zu betreiben und uns Kenntnisse etwa über Seelenwanderung zu verschaffen – wie Empedokles es verlangt –, damit wir nicht den Fehler bzw. die Untat begehen, Tiere zu op-

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fern und sogar deren Fleisch zu essen? In diesem Fall wäre uns die Tötung des Tieres als Fehler oder Untat nicht direkt zuzurechnen. Schuld würden wir aber dennoch auf uns laden, weil das Wissen um die Verwerflichkeit dieser Handlung uns bei eigenem Bemühen um das Wissen zugänglich gewesen wäre: das Versäumnis, uns dieses Wissen zu verschaffen, das dann zu jener Untat führte, ist uns durchaus als unsere Schuld zuzurechnen. Dass es sich hierbei nicht um eine weit entfernte Diskussion handelt, lässt sich an beliebigen aktuellen Beispielen veranschaulichen – man nehme etwa nur unsere Verantwortung für die Verschaffung von Kenntnissen über unseren Einfluss auf die Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen, durch den wir in ganz anderer Weise für Leben und Tod verantwortlich sind, als sich dies Empedokles vorstellen konnte. Empedokles‘ Forderung ist klarerweise, dass solche Tötungen zu unterlassen sind. Unterlassungen werden prominent zum Beispiel von Porphyrios in der späteren Antike diskutiert (s. Tuominen). Gelten Unterlassungen als Handlungen? Sie verlangen kein aktives, etwa mit Bewegung verbundenes Eingreifen in den Verlauf der Welt. Sie sind aber auch nicht oder nicht nur ein Nicht-Tun von etwas. Vielmehr verlangen sie eine bewusste, an Prinzipien orientierte Entscheidung, etwas nicht zu tun, und sie sind – im Unterschied zu vielen Fällen von bloßem Nicht-Tun – zurechenbar. Offenbar geht es bei Handlungen um die Verantwortung für einen bestimmten Weltzustand, und das scheint auch auf Unterlassungen zuzutreffen. Wenn wir wiederum auf die Frage nach den handlungsrelevanten Kenntnissen und nach der Verantwortung der handelnden Person für den Erwerb solcher Kenntnisse zurückkommen, stellt sich die Frage, wie umfassend die zu erwerbenden Kenntnisse sein müssen, damit wir unserer Verantwortung für den Kenntnis-Erwerb (und für die richtige Handlung ebenso wie für die angemessene Unterlassung) gerecht werden (s. Wellmann, Kiesel). Aristoteles scheint hier ernsthafte Sorgfalt um die Kenntnis alltäglicher Handlungsumstände für ausreichend zu halten, die Stoa hingegen setzt wie Empedokles die Hürde hinreichenden Wissens sehr viel höher an: mit Ausnahme des tugendhaften Menschen, der solches Wissen besäße und den es wohl kaum jemals gibt, sind, wie Seneca es darstellt, alle anderen Menschen in selbstverschuldetem Wahn befangen, der eine Folge ihrer fortwährenden Akzeptanz und Neuaufnahme falscher handlungsrelevanter Überzeugungen ist. Eine Frage, die hier – mit Blick auf den Kenntniserwerb, aber auch mit Blick auf den Charaktererwerb – zentral ist und die in den erhaltenen Texten der Stoa weniger, dafür bei Platon und Aristoteles mehr diskutiert wird, ist die Frage der „Akteursentwicklung“ (s. Summa): Wie haben wir uns die Entstehung eines rationalen Akteurs antiker Philosophie zufolge vorzustellen? Wie wird ein We-

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sen zu einem entwickelten vernünftigen Wesen, dem sein Tun uneingeschränkt zuzurechnen ist? Und um etwas vorauszugreifen: Wie muss die Entwicklung eines jungen Menschen verlaufen, damit er ein Mitglied der Polis wird, das zur Stabilität der Polis beiträgt (vgl. Walter). Die Frage nach der Zurechenbarkeit stellt sich auf andere Weise auch dort, wo ein erwachsener Mensch aufgrund der Beschaffenheit seiner Seele nicht anders handeln kann. Dies betrifft nicht nur den Fall der selbstverschuldeten Unwissenheit: In diesem Fall ist zwar im Moment des Handelns keine unmittelbare Abhilfe möglich, doch könnten wir jetzt anders handeln, wenn wir uns jene handlungsrelevanten Kenntnisse verschafft hätten. Anders sieht es im Fall des guten Menschen aus, wie die Stoiker ihn sich vorstellen: er kann – so wenig wie der die Welt lenkende Gott – nicht anders handeln, denn dies würde bedeuten, dass er nicht das Beste tut (s. Graver). Wenn er aber gezwungen ist, das Beste zu tun, wie kann er dann – wie auch die Stoiker meinen – willentlich handeln und wie kann ihm sein Tun dann noch zugerechnet werden? In diesem Kontext stellt sich ferner die verwandte Frage, wie ein Handeln, das, wenn es unmittelbar aus dem guten Charakter der handelnden Person hervorgeht, spontan, d.h. ohne Überlegung erfolgt, als ein gutes Handeln verstanden werden kann (s. Sellars). Auch hier deutet die Antwort wieder darauf, dass ein solches Handeln nicht als Folge mangelnder Freiheit, sondern als eine Realisierung des Besten – wie die Stoiker meinen: als ein Handeln in Übereinstimmung mit der Natur – zu verstehen ist. Selbst wenn sich dies so verhält, stellt sich aber die weitere Frage, wie ein Leben, das Handlungen verlangt, die sich an einem so verstanden Guten orientieren und es realisieren, möglich sein könnte (s. Woolf). Antike Philosophen halten es für eine notwendige Bedingung eines guten Lebens, dass die betroffene Person die richtigen Überzeugungen hat und ihnen gemäß lebt – ihr Leben muss sich durch „Integrität“ auszeichnen. Doch im Fall bestimmter Überzeugungen wie denen der Stoiker oder auch der Epikureer scheint es kaum möglich, auch offen solchen Überzeugungen gemäß zu leben: dafür scheinen sie doch zu radikal von den üblichen Überzeugungen abzuweichen. Aber wie könnte ein gutes Leben möglich sein, in dem die betroffene Person ihre Kernüberzeugungen nicht offen vertreten und ihnen gemäß leben kann? Sollte sie deswegen zur Skeptikerin werden und von jenen radikalen Überzeugungen ablassen? Sowohl diese letzte Frage als auch die zuvor genannte Frage zu den Wissensbedingungen als Zurechenbarkeitskriterien und zur Erfüllbarkeit dieser Bedingungen, führt zur größeren Frage – exemplifiziert in der Diskussion zum Phaidon –, ob rationales Handeln nur dann vorliegt, wenn die betroffene Person

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das tatsächlich Beste tut, oder auch dann, wenn sie das tut, was ihr als das Beste erscheint (s. Kamtekar und Odzuck). Welche Bezugnahme auf ein Ziel gilt als ein handlungsbegründendes Erfassen von Zielen? Welche Kriterien der Rationalität muss ein Tun erfüllen, um als Handeln gelten zu können? Bei solchen rationalitätstheoretischen Überlegungen geht es zudem auch um die Frage der Zurechenbarkeit, da Rationalität eine Voraussetzung für Zurechenbarkeit ist. Einen Teil dieser rationalitätstheoretischen Fragen betrifft die Frage, worin, wie Aristoteles es ausdrückt, praktische Wahrheit besteht (s. Halbig). Handlungen als solche sind üblicherweise Ereignisse, und das spricht zumindest dem ersten Blick nach dagegen, sie als mögliche Träger von Wahrheit zu identifizieren. Ist praktisch wahr zu sein dann eine Eigenschaft des Entschlusses, der der Handlung vorausgeht? Immerhin involviert der aus praktischer Überlegung resultierende Entschluss – jedenfalls bei Aristoteles – eine Meinung oder Überzeugung dazu, dass ein bestimmtes Mittel zur Erreichung eines bestimmten Ziels geeignet ist. Zugleich enthält er ein Streben, dieses Mittel zu verwirklichen. Dieses Streben allerdings kann doch wieder nur richtig oder passend, nicht wahr in einem heutigen Sinne von „wahr“ sein. Dass etwas Bestimmtes zu tun ist, wird im Griechischen (wie auch im Lateinischen) oft durch ein einzelnes Wort, nämlich eine bestimmte Verbform ausgedrückt, für die es im Deutschen oder im Englischen keine genau korrespondiere Form gibt. Ein berühmtes außerphilosophisches Beispiel findet sich etwa in Horaz‘ Verszeile nunc est bibendum (Carmen I 37.1): „nun ist zu trinken“. Aussagen, die solche Verbformen enthalten, können einerseits deskriptiv verstanden werden: sie bringen – nach stoischem Verständnis – einen Sachverhalt zum Ausdruck, nämlich dass etwas Bestimmtes zu tun ist. Solche Beschreibungen können wahr (oder falsch) sein, sie können Gegenstand der Zustimmung sein, dass die Welt sich so verhält. Als deskriptive Aussagen führen sie aber noch nicht zu einem Tun, und das könnte ein Problem sein, wenn Aussagen ein Ausdruck von Überzeugungen sind und Überzeugungen – nicht nur nach stoischer Auffassung – hinreichend für das Zustandekommen von Handlungen sein sollen. Den Stoikern zufolge ist hier für den Handlungsimpuls jedoch keine zweite, auf einer präskriptiven Aussage fußende Überzeugung nötig oder möglich. Vielmehr ist der einen Handlungsimpuls hervorrufende Faktor eben in jener Verbform enthalten (vgl. Alesse). Dieses scheinbare Changieren zwischen deskriptiver und präskriptiver Ebene ist nicht nur ein Phänomen der stoischen Philosophie. Ganz allgemein stellt sich für die antike Philosophie die Frage nach der Natur und der Begründung von Handlungsnormen, und diese Frage bezieht sich einerseits auf die Normativität als solche, andererseits auf die Frage, wie Normen praktikabel spezifiziert

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werden können (s. Herzberg). Für eine praktikable Spezifizierung wäre etwa ein Verweis auf eudaimonia als Kriterium für das Richtige und zu Tuende – wenn er denn angebracht wäre – längst nicht konkret genug. Auch ein Verweis auf die Mitte, wie er sich bei Aristoteles findet, kann allenfalls die Richtung einer Konkretisierung andeuten: für die konkrete Handlungssituation bleibt hier, so scheint es, immer noch vieles unbestimmt. Bis hierhin konnte vielleicht der Eindruck entstehen, als sei Handeln nur eine Sache des Individuums. Das aber wäre eine stark verkürzte Sichtweise. Handlungen stehen auch schon aus Sicht der antiken Philosophie immer in einem größeren Rahmen. Dieser größere Rahmen ist zum einen die oben schon angedeutete naturphilosophisch zu beschreibende Welt, in der sich die handelnde Person befindet. Zum anderen ist dies der soziale und politische Zusammenhang des näheren Umfeldes und der Polis, in dem das Handeln zu sehen ist. Eine zweifache Frage stellt sich hier zunächst an das Verständnis der Funktionsweise des Polis-Lenkers oder, wie etwa die Politeia (anders als später Aristoteles) explizit deutlich macht, der Polis-Lenkerin (s. El Murr): Eine solche Polis-Lenkerin oder Herrscherin würde sich ihren Fähigkeiten nach um anspruchsvolle theoretische Probleme kümmern. Wie kann sie sich da als PolisLenkerin betätigen und für die Realisierung des Guten – denn anderes könnte sie nicht tun (s. Graver) – in die Belange der Polis einmischen? Etwa dadurch, dass sie die Polis durch Anordnungen, d.h. nicht durch eigene Einmischungen anderer Art lenkt und auf diese Weise die Polis zu einer Einheit der Polis ‚verwebt‘, wie es im Politikos ausgedrückt wird? Politische Akteurschaft („agency“) zeigt sich offenkundig nicht nur auf der Ebene der Polis-Lenkung, sondern auch bei den übrigen Personen, die in der Polis tätig sind (s. Fossheim). Als polis- bzw. gemeinschaftsbezogene Lebewesen sind dies zunächst alle Menschen, die in der Gemeinschaft bzw. in der Polis leben. Insbesondere aber sind Akteure in der Polis die Personen, die eine Funktion, d.h. ein Amt, und damit ein Stück Herrschaft innehaben, und zwar vom obersten, die Polis lenkenden Amt bis zur einfachsten Funktion, die es in der Polis auszufüllen gilt. Doch was heißt das für die Akteurschaft: was passiert mit der Akteurschaft des Individuums, wenn es in ein solches Amt wechselt und in diesem Amt nicht mehr für sich selbst oder als es selbst, sondern als eine Funktion der Polis tätig ist? Und was heißt es für das Verständnis von Akteurschaft und von Handlungen, dass Mitglieder der Polis gemeinsam handeln und dass ihr Tun vielfach nur als ein solches gemeinsames Tun zu verstehen ist: wer ist hier der Akteur und wie ist sein Tun handlungstheoretisch zu beschreiben? Welche Rolle spielt das Handeln in der Polis, das aus einer Vielzahl von – oft

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auch einander scharf entgegengesetzten – Handlungen besteht, für die Konstituierung der Polis (vgl. Walter)? Dies mag soweit als Auswahl von übergreifenden Themen, Fragen und Diskussionen, denen sich die Beiträge dieses Bandes widmen, genügen. Hier schließt nun die Präsentation der knappen Zusammenfassungen der einzelnen Beiträge an. Der Band beginnt mit dem Beitrag von Tom Wellmann, der die Frage thematisiert, inwiefern Empedokles den Vollzug der von ihm scharf kritisierten Tieropfer als Formen schuldhaften Handelns betrachtet. Wellmann zeigt, dass das allgemeine Tötungsverbot von Lebewesen bei Empedokles sich nicht nur, wie man zunächst vielleicht erwarten könnte, aus der Transmigrationslehre der Katharmoi ergibt, sondern auch aus den Einsichten der naturphilosophischen Argumentation der Physika, die den Menschen durch richtigen Gebrauch ihrer Vernunft generell zugänglich sind. Tieropfer sind Empedokles zufolge damit zwar nicht als wissentlich falsches Handeln zu betrachten, aber insofern doch schuldhaft, als die Tötungshandlung aufgrund eines intellektuellen Versagens und selbstverschuldeten Mangels an Einsicht in größere naturphilosophische Zusammenhänge erfolgt. Mit dem Beitrag von Rachana Kamtekar wendet sich der Band der Diskussion handlungstheoretischer Überlegungen bei Platon zu. Im Mittelpunkt ihrer Auseinandersetzung steht die von Sokrates im Rahmen seiner fiktiven Autobiographie im Phaidon geführte Diskussion der Erklärung seines eigenen Handelns. Kamtekars Argumentation zufolge kann es Sokrates mit dem von ihm in dieser Passage untersuchten Fall des Handelns aus Vernunft (nous) nicht um menschliches Handeln allgemein gehen, sondern nur um einen Spezialfall des Handelns: Im Gegensatz zu dem, was Menschen normalerweise tun, genügt es bei Handlungen aus Vernunft nicht, dass das Handlungsziel der handelnden Person gut erscheint, es möglicherweise aber nicht ist, sondern es muss ihr gut erscheinen, weil es tatsächlich gut ist. Auch der nächste Beitrag setzt sich mit Sokrates’ Überlegungen zur Erklärung von Handlungen im Phaidon auseinander, kommt aber zu einem anderen Ergebnis. Sebastian Odzuck argumentiert für die These, dass diese Passage nicht als Diskussion spezieller Sonderfälle des Handelns gelesen werden darf, sondern als Diskussion grundlegender Charakteristika menschlichen Handelns zu verstehen ist, wenngleich zunächst Einiges gegen diese Deutung zu sprechen scheint. Sokrates’ Überlegungen zufolge ist menschliches Handeln grundsätzlich als rational, als Handeln mit Vernunft (nous), aufzufassen, insofern ein Akteur diejenige Handlung wählt, die ihm für die Realisierung seines Ziels am

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besten geeignet zu sein scheint, und insofern die Handlung damit prinzipiell nachvollziehbar ist. Auch Dimitri El Murr diskutiert handlungstheoretische Überlegungen Platons, lenkt seinen Fokus dabei aber auf Werke aus dem Bereich der politischen Philosophie. Er geht der Frage nach, wie die fachkundig staatslenkende Person die Polis lenken und zugleich Dialektikerin bleiben kann, die mit Wissen und Wahrheit beschäftigt ist. Der entscheidende Punkt im Politikos ist, dass die Kunst zur Staatslenkung eine anordnende technê ist, eine Fertigkeit oder Wissenschaft der Präskription, die sich als solche von Dialektik unterscheidet, ohne ihre Besitzerin jedoch in Aktivitäten hineinzuziehen, die nicht ihre eigentliche Aufgabe sind. Die staatslenkende Person erfasst das Gute und realisiert es durch Anordnungen und Kontrolle gegenüber den nachgeordneten Künsten und Aufgabenbereichen. Sie realisiert dadurch Rationalität auf jeder Ebene der Polis und verwebt die Strukturen der Polis zu einer Einheit, ohne sich an den konkreten Angelegenheiten der Polis direkt selbst zu beteiligen. Der Abschnitt zu Aristoteles beginnt mit dem Beitrag von Klaus Corcilius zu Aspekten der psychischen Grundlage des Verhaltens von Lebewesen und des Handelns des Menschen. Eine der schwierigen Fragen für das Verständnis der aristotelischen Seelenkonzeption ist die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis der Teile der Seele. Diese Teile sind einerseits separat definierbar, andererseits soll die Seele eine Einheit bilden. Grundlage für diese Einheit ist nun das teleologische Verhältnis, das zwischen den Teilen mit Blick auf ihre Aktualität besteht. Im Fall nicht-rationaler Lebewesen legt die biologische Natur des Lebewesens das natürliche Ziel fest, welches auch die letzte bewegende Ursache ist. Im Fall rationaler Wesen hingegen gibt es für die obersten Strebungen kein solches begrenzendes Ziel, das Lebewesen auf die Art in Bewegung setzte, wie dies bei nicht-rationalen Lebewesen geschieht. Die Erklärung der Bewegung durch rationale Ziele und damit menschliches Handeln als solches bedarf einer Erklärung ganz anderer Art als das Verhalten im Bereich nicht-rationaler natürlicher Teleologie. Antonio Ferro untersucht ebenfalls eine Frage, die die Grundlage menschlichen Handelns betrifft, nämlich die psychologische Frage, ob das Strebevermögen Aristoteles zufolge ein einheitliches und eigenständiges Vermögen ist oder ob es mit dem Bereich der Wahrnehmung oder dem der Vernunft identisch ist. Er präsentiert Aristoteles’ kritische Auseinandersetzung mit den platonischen Kriterien der Seelenteilung und argumentiert dafür, dass Aristoteles selbst die Eigenständigkeit des Strebevermögens angenommen habe. Bei einer Identifizierung mit anderen Seelenteilen würde das Strebevermögen auf verschiedene Seelenteile verteilt und auseinandergerissen. Die Einheit des Strebe-

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vermögens wird durch die Einheit des Gegenstands des Strebens garantiert, der weder durch Wahrnehmung noch durch Vernunft vollständig erfasst werden kann. Hierin, in der Unterscheidung zwischen dem Gegenstand der Strebung und den Weisen des kognitiven Zugangs zu ihm, liegt Aristoteles’ entscheidender Punkt: das Strebevermögen ist eines, weil alle Strebungen, die den Handelnden bewegen, von einem einheitlichen Gegenstand des Strebens ausgehen. In seinem Beitrag setzt sich Christian Kietzmann mit dem für die Erklärung für das Zustandekommen von Handlungen zentralen Begriff des praktischen Syllogismus auseinander. Seiner These zufolge sind die verschiedenen Beispiele des praktischen Syllogismus, die sich bei Aristoteles finden, nicht wie oftmals angenommen auf eine einzige zugrundeliegende Form zurückzuführen. Aristoteles’ Diskussion legt vielmehr nahe, dass zwischen zwei prinzipiell eigenständigen Formen zu differenzieren ist, und zwar praktisch-spezifizierenden und produktiven Syllogismen, denen jeweils eine unterschiedliche Rolle beim Zustandekommen von Handlungen zukommt. Während der praktisch-spezifizierende Syllogismus der Spezifikation von Zielen dient, insofern er diese Ziele mit Blick auf eine bestimmte Situation konkretisiert, soll der produktive Syllogismus die geeigneten Mittel zur Herstellung eines Produkts identifizieren. Christoph Halbig argumentiert dafür, dass praktische Wahrheit bei Aristoteles eine eigenständige Form von Wahrheit ist, ohne dass “Wahrheit” mehrdeutig würde. Praktische Wahrheit kommt nur dann zustande, wenn das Ergebnis praktischer Überlegung den Tatsachen entspricht – praktische Rationalität ist spezifisch auf praktische Wahrheit bezogen –, wenn das Streben auf Erstrebenswertes zielt, und wenn Überlegungsergebnis und Streben dasselbe in derselben Hinsicht zum Inhalt bzw. Gegenstand haben, der seinerseits am übergeordneten Ziel, nämlich der eudaimonia, orientiert ist. Praktische Wahrheit ist die Leistung der richtigen prohairesis, und prohairesis, nicht die resultierende Handlung, ist die Trägerin der Wahrheit. Handlungen sind mit praktischer Wahrheit durch ihr Verhältnis zur prohairesis verbunden. Stephan Herzberg erörtert das der aristotelischen Ethik inhärente Problem, dass in ihr kein Kriterium der richtigen Überlegung bzw. Handlung zum Zweck der Handlungsleitung und -bewertung diskutiert wird. Weder der Begriff der eudaimonia noch der der Tugend lassen sich normativ operationalisieren. Normen werden nicht durch eudaimonistische Prinzipien begründet. Der Verweis auf eudaimonia gibt keine Antwort auf die Frage, was hier und jetzt zu tun richtig ist. In Richtung einer Antwort deutet hingegen die Lehre von der Mitte. Die Mitte ist selbst kein Kriterium, sondern der Gesichtspunkt für die verschiedenen normativen Bedingungen, die zusammen die moralische Richtigkeit einer Handlung ausmachen. Ein zweiter Hinweis auf Normbegründung findet

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sich in der Rede von an sich schlechten Handlungen, die eine Grenze der praktischen Überlegung bilden. Doch eine ausgearbeitete Antwort liefert Aristoteles auch mit diesen Kriterien nicht. Béatrice Lienemann erörtert v.a. mit Blick auf EN V 10 und Poetik 13 Aristoteles’ Verständnis von praktischen Fehlern und ihrer Zurechenbarkeit – d.h. von Fehlern wie z.B. Ödipus’ Tötung seines Vaters. Sie zeigt, dass praktische Fehler eine bestimmte Art von Fehlhandlungen sind, die sich von anderen Arten von Fehlhandlungen abgrenzen lassen und die mit Blick auf die Zurechenbarkeit bei den zu entschuldigenden Schädigungsarten zu verorten sind, nämlich nahe bei den gänzlich nicht-zurechenbaren Unglücksfällen. Eine Folge daraus ist, dass solche Fehler Entschuldigung verdienen, und manchmal sogar Mitleid, weil die handelnde Person ihre Fehlhandlung unwissentlich begangen hat und ihr dieses Unwissen nicht in nennenswerter Weise anzulasten ist. Der Beitrag von Laura Summa widmet sich der Frage, wie sich im Rahmen der aristotelischen Theorie aus Kindern als zunächst vernunftlosen Wesen tugendhaft agierende Akteure entwickeln können, wenn doch das Erlernen und Einüben tugendhaften Handelns das Vorhandensein von Vernunft bei den Lernenden voraussetzt. Summa argumentiert für die These, dass sich die Vernunftentwicklung bei Kindern im Laufe der Erziehung graduell vollziehen muss: Sie erfolgt einerseits auf charakterlicher Ebene durch die Habituation der korrekten emotionalen Reaktionen und anderseits durch eng damit verzahnte Entwicklungs- und Lernprozesse auf kognitiver Ebene. Erst diese Vorgänge in ihrer Gesamtheit ermöglichen es letztlich, dass Vernunftgründe im Handelnden ihre motivationale Kraft entfalten können. Ein zentraler Bereich des Handelns ist auch für Aristoteles das Handeln in der Polis. Hallvard Fossheim zeigt, dass Aristoteles politische Akteurschaft nicht nur in dem weiten Sinn versteht, in dem jeder Mensch als gemeinschaftsbezogenes Lebewesen politischer Akteur ist, sondern auch in zwei engeren Sinnen: zum einen als Akteurschaft, die ein Handeln für die Gemeinschaft umfasst, zum anderen als Akteurschaft, die ein Handeln zum Guten der Gemeinschaft aus einem Amt heraus umfasst. Beim Übergang zum Handeln aus einem Amt heraus ändert sich die Akteurschaft in wesentlichen Aspekten: hier handelt nicht mehr das Individuum als solches, vielmehr wechselt der Handelnde aus der Rolle des Individuums in die der politischen Funktion und des Herrschenden in einem bestimmten Bereich. Für den Kontrast und die Erläuterung lässt sich auf das Negativbeispiel des Tyrannen verweisen, bei dem das Individuum die Art seiner Akteurschaft beim Übergang in den Bereich politischer Tätigkeit nicht wechselt.

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Der Beitrag von Uwe Walter widmet sich der Erörterung eines zentralen Problems des Handelns im politischen Raum im Griechenland der klassischen Zeit. Gemeinschaft und Zugehörigkeit – zentrale Merkmale eines politischen Verbands – verdanken sich vor allem dem gemeinschaftlichen Tun. Doch wie steht es um dessen Wirklichkeit? Grundlage für politische Kohärenz sind in vielen Bereichen Assoziationen, die nicht auf Verwandtschaft, sondern ausgehend von eigenen Interessen auf eigener Entscheidung beruhen. Problematisch wird dies, wo politische Fragen nicht auch durch Konsens, sondern vor allem durch Mehrheitsvotum entschieden werden, da dies vielfach zu einer Verschärfung der Trennlinien und zu ausgeprägter Dissoziation führt. Mit Blick auf die daraus erwachsenden Verwerfungen machen auch Philosophen dieser Zeit Vorschläge für die theoretische Grundlage politischer Stabilität, zum Beispiel durch Theorien der Gerechtigkeit oder der Mischverfassung. In jedem Fall legen sie besonderes Gewicht auf die Konzeption einer geeigneten Formung und Erziehung des Polis-Mitglieds. Die Reihe der Beiträge zur hellenistischen Philosophie beginnt mit dem Beitrag von Francesca Alesse zum stoischen Verständnis der Logik und Funktionsweise präskriptiver Aussagen. Damit eine Handlung zustande kommt, muss nach stoischer Auffassung eine Zustimmung der handelnden Person zum Sachverhalt vorliegen, dass etwas Gutes bzw. etwas Schlechtes der Fall ist. Damit aber auch ein Impuls zur Handlung zustande kommt, muss die Zustimmung zugleich ein Urteil der handelnden Person dazu sein, dass sie etwas Bestimmtes tun soll. Der entscheidende Punkt ist nun, dass die Zustimmung als ganze zwar auf die vollständige Aussage, die den Sachverhalt beschreibt, bezogen ist, der Impuls als solcher hingegen mit dem Prädikat der Aussage verbunden ist, das zum Ausdruck bringt, dass es ein bestimmtes Handeln notwendig oder angemessen ist. Diese Notwendigkeit oder Angemessenheit wird im Griechischen durch die Wortform des Verbaladjektivs ausgedrückt, das in einem einzigen Wort zum Ausdruck bringt, dass etwas zu tun ist. Solche Verbaldadjektive sind es, die Zustimmung praktisch machen und in einen Handlungsimpuls umwandeln. Ein systematisches Problem der stoischen Handlungstheorie ist das Problem, wie ein Handeln eines von sich aus guten Wesens – wie z.B. eines tugendhaften Menschen oder des stoischen Gottes –, für das es nur eine Handlungsrichtung geben kann, ohne Überlegung bzw. ohne alternative Möglichkeiten, anders zu handeln, willentlich sein kann und als Handlung im eigentlichen Sinn gelten kann. Die Frage, wie die Stoa auch solchen guten Wesen willentliche Bewegungen zuschreiben kann, erörtert Margaret Graver. Solche Bewegungen scheinen vorauszusetzen, dass der Bewegende auch anders handeln könnte.

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Das aber ist beim stoischen Gott gerade nicht der Fall: er kann seiner Natur nach nur das Beste tun und kann die Welt nur auf eine bestmögliche Weise lenken. Welcher Art von Nötigung ist er hier unterworfen, so dass er gleichwohl noch zu willentlichen Bewegungen in der Lage ist? Der entscheidende Punkt ist, dass der scheinbare Zwang zum Besten, unter dem er steht, ihm nicht von außen, sondern durch die eigene Natur auferlegt ist. Seneca unterscheidet zwischen ‚x kann nur dies tun’ und ‚x kann nur dies wollen’. Der Gott ist aufgrund seiner eigenen Natur unfähig zum Wunsch, Schlechtes zu tun, sein Wille, das Beste zu tun, ist unveränderlich. Doch das berührt nicht die Natur und das Vorliegen der Vorkommnisse seines Wollens. Ebenso können wir auch im Fall des guten Menschen etwa davon sprechen, dass er sich gezwungen fühlt zu helfen. Doch das heißt natürlich nicht, dass er nicht helfen wollte: der „Zwang“ ergibt sich auch in seinem Fall aus seiner Natur. Der Beitrag von John Sellars konzentriert sich, nun mit Blick auf Marc Aurel, auf die Frage nach der Möglichkeit und Erklärung spontanen tugendhaften Handelns, d.h. von Handlungen, die nahezu ohne praktisches Überlegen auszukommen und vollkommen aus dem tugendhaften Charakter der handelnden Person zu entspringen scheinen. Sellars zufolge kann Marc Aurels Diskussion aus den Meditationen nur vor dem Hintergrund der stoischen Annahmen zu Natur und oberstem Ziel des menschlichen Lebens verstanden werden, auf denen sie beruhen: Wenn wir ohne Überlegung und quasi absichtslos spontan tugendhaft handeln, weil wir dies in so hohem Maße verinnerlicht haben, dass wir gar nicht mehr darüber nachdenken müssen und nahezu automatisch handeln, dann realisieren wir damit das Ziel menschlichen Lebens, in permanenter Übereinstimmung mit der Natur zu leben, auf höchste Weise. In ihrem Beitrag zu Senecas Charakterisierung menschlichen Handelns kontrastiert Dagmar Kiesel Senecas Drama Phaedra mit Euripides‘ erhaltenem Hippolytos (d.h. nicht, wie üblich, mit dem nur in wenigen Fragmenten überlieferten Hippolytos Kalyptomenos, sondern dem Hippolytos Stephanêphoros). Sie argumentiert für die These, dass Seneca anhand seiner Phaedra-Figur den Zustand alltäglichen Wahnsinns verdeutlichen möchte, in dem wir alle uns der stoischen Auffassung zufolge im Gegensatz zum stoischen Weisen permanent befinden und der wesentlich unser Handeln bestimmt. Mit seiner Phaedra möchte Seneca verdeutlichen, dass diese Form des Wahnsinns selbstverschuldet ist, da sie auf der willentlichen Annahme falscher Überzeugungen beruht, die die kognitive und emotionale Instabilität des Akteurs und seiner Handlungen bewirkt. Raphael Woolf weist in seinem Beitrag auf die zentrale Bedeutung hin, die Cicero in den Werken De Finibus und De Officiis dem Begriff der Integrität des

Einleitung | 13

Handelns zuschreibt. „Integrität“ meint dabei die Disposition eines oder einer Handelnden, das eigene Leben in Übereinstimmung mit den eigenen Werten und Überzeugungen zu leben, ohne die Cicero zufolge ein gutes Leben unmöglich ist. Woolf argumentiert dabei für die These, dass Ciceros Forderung nach der Integrität des Handelns nicht nur klar im Einklang mit dessen skeptischer Grundhaltung steht, sondern dass er aus dieser Perspektive heraus auch Kritik an stoischen und epikureischen Entwürfen formuliert: deren Radikalität lässt es nicht zu, dass die charakterlich gute Person auch offen in Übereinstimmung mit ihren Überzeugungen lebt, obwohl auch diese Offenheit Voraussetzung für ein gutes Leben ist. So ist Cicero zufolge die skeptische Position im Gegensatz zu den beiden anderen Positionen die einzige, die ein Handeln gemäß der Integrität und damit ein erfülltes Leben ermöglicht. Im letzten Beitrag des Bandes wendet sich Miira Tuominen anhand von Porphyrios’ Werk De Abstinentia der Diskussion von Unterlassungen als speziellem Fall menschlichen Tuns zu. Genauer gesagt diskutiert sie, ob es sich bei dem in dieser Schrift geforderten Verzicht auf alle Schädigung von Lebewesen um ein Unterlassen im Sine eines Tuns handelt, für das wir als Akteure genauso so verantwortlich sind wie für unsere anderen Handlungen auch. Tuominen zufolge dürfen solche Verzichtshandlungen nicht auf ein rein negativ bestimmtes NichtTun reduziert werden. Sie sind vielmehr vor dem Hintergrund von Porphyrios’ Theorie des guten Lebens als einem Handeln gemäß ethischen Prinzipien zu betrachten. Damit, so Tuominen, wird auch mit Blick auf die moderne Debatte deutlich, dass eine Reduzierung ähnlich gelagerter Fälle des Unterlassens auf bloßes Nicht-Tun unangemessen ist und dass ein solches Unterlassen vielmehr als ein Handeln aus bestimmten ethischen Prinzipien aufzufassen ist.

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Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi Im Proömium seines Gedichts Katharmoi wendet sich Empedokles mit folgender Grußformel an die Bürger seiner Heimatstadt Akragas (DK 31 B 112.1–4): ὦ φίλοι, οἳ μέγα ἄστυ κατὰ ξανθοῦ Ἀκράγαντος ναίετ’ ἀν’ ἄκρα πόλεος, ἀγαθῶν μελεδήμονες ἔργων, ξείνων αἰδοῖοι λιμένες, κακότητος ἄπειροι, χαίρετ’· Freunde, die ihr die große Stadt am gelben Akragas-Flusse bewohnt bis hinauf zu den Höhen der Burg, gute Werke besorgend, ehrfürchtige Häfen der Fremden, unerfahren im Unglück, seid mir gegrüßt!

Empedokles spricht in diesen Versen die Akragantiner als „Freunde“ an und lobt ausdrücklich ihre gute Gesinnung und Gastfreundlichkeit. Nach dem, was aus den erhaltenen Fragmenten über den Inhalt der Katharmoi erschlossen werden kann, erhebt er im weiteren Fortgang dieses Gedichts gegenüber seinen Mitbürgern allerdings einen überaus schweren Vorwurf: Durch die von ihnen im Rahmen der Polisreligion ausgeübte Praxis des kultischen Schlachtopfers machten sie sich kollektiv nicht nur des Mordes, sondern sogar des Verwandtenmords schuldig. Mit seinem an die Akragantiner gerichteten Appell, die Praxis des blutigen Opfers vollständig aufzugeben, fordert er mithin nichts Geringeres als eine grundlegende Revolution der Polisreligion, sofern für deren rituelle Ausübung das Tieropfer konstitutiv war. Als Begründung für das in den Katharmoi zur Geltung gebrachte universale Tötungsverbot fungiert die darin ebenfalls dargestellte Lehre von den transmigrierenden daimones, mit der Empedokles offenkundig die pythagoreische Seelenwanderungslehre aufgreift, die er in verschiedenen Hinsichten modifiziert und weiterentwickelt.1 Der frevelhafte Charakter des Schlachtopfers ergibt sich nach dieser Konzeption aus dem Umstand, dass es sich beim getöteten Opfertier potenziell um einen postmortal reinkarnierten Menschen, ja um einen nahen Verwandten handeln könnte,

|| 1 Näheres zum Verhältnis der pythagoreischen Seelenwanderungslehre und der Konzeption in Empedokles’ Katharmoi bei Primavesi (2013) 713–717.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-002

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beziehungsweise, grundsätzlicher formuliert, aus der nach der Transmigrationslehre zwischen sämtlichen „beseelten“ Lebewesen bestehenden Verwandtschaftsbeziehung. Ausgehend von der damit angezeigten Spannung zwischen Empedokles’ lobender Anrede der „gute Werke besorgenden“ Akragantiner im Proömium und der Fundamentalkritik, die er im weiteren Verlauf des Gedichts an ihren Handlungen übt, wird im Folgenden nach Empedokles’ Beurteilung der Schuldhaftigkeit dieser Handlungen gefragt: Auf der einen Seite scheinen die Akragantiner ihre aus Empedokles’ Sicht verwerflichen Handlungen zumindest nicht wider besseren Wissens zu vollziehen, insofern ihnen ja die Begründung des Tötungsverbots, die Transmigrationslehre, in den Katharmoi überhaupt erst mitgeteilt wird. Auf der anderen Seite ist aber der anklagende Charakter der gegenüber den Akragantinern erhobenen Vorwürfe in den Katharmoi, wie sogleich deutlich werden wird, unübersehbar. Untersucht werden soll also, ob sich in den Texten Hinweise finden, inwiefern die Durchführung des rituellen Schlachtopfers für Empedokles als ein schuldhaftes Handeln zu betrachten ist. Anzusetzen ist dazu an zwei Fragmenten, die nach einhelliger Auffassung den Katharmoi zugehören. In B 136 bringt Empedokles die bereits erwähnte Ansicht zum Ausdruck, nach der es sich beim Schlachtopfer um nichts weniger als einen Mord (phonos) handelt, den diejenigen, die das Opfer durchführen, letztlich an ihresgleichen verübten (DK 31 B 136): οὐ παύσεσθε φόνοιο δυσηχέος; οὐκ ἐσορᾶτε ἀλλήλους δάπτοντες ἀκηδείῃσι νόοιο; Wollt ihr nicht aufhören mit dem misstönenden Mord? Seht ihr nicht, dass ihr einander zerfleischt in der Unbekümmertheit eures Verstandes?

Die zwei Fragen mit οὐ (οὐ παύσεσθε; οὐκ ἐσορᾶτε;), die als Antwort jeweils ein „doch!“ erwarten lassen, legen nahe, dass die Akragantiner Empedokles zufolge den wahren Charakter ihrer Handlungen erkennen könnten und von der Tötung von Opfertieren Abstand nehmen müssten, dies jedoch jeweils nicht tun. Zugleich liefert der Text Hinweise darauf, woran dies zu erkennen wäre und weshalb es dazu nicht kommt. Das Adjektiv δυσηχής, „misstönend“, bei Homer entweder in Verbindung mit πόλεμος („Krieg“) oder mit θάνατος („Tod“) stehend, bezieht sich hier, wie sämtliche Interpreten annehmen, auf die vom Opfertier in unmittelbarer Todesangst ausgestoßenen Schreie, durch die sich, nach der Logik des Textes, für Empedokles eben der wahre Charakter der ausgeübten Opferhandlung ankündigt. Dass dieser, obwohl er gehört werden kann, nicht „gesehen“ wird, liegt dem zweiten Vers zufolge an der „Unbekümmertheit des

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Verstandes“ (ἀκηδείῃσι νόοιο) der Beteiligten. Diese „Unbekümmertheit des Verstandes“ umfasst an dieser Stelle sowohl den Aspekt eines Nicht-Verstehens aufgrund von fehlender gedanklicher Konsequenz als auch den Aspekt eines gedanklichen Sich-nicht-Kümmerns um das Vernommene: Die sich spontan einstellende Irritation über die Gewaltsamkeit der Opferhandlung wird unterdrückt, so dass es zu einem konsequenten Durchdenken dessen, was die Schreie des Opfers bedeuten, gar nicht erst kommt. Die Schuldhaftigkeit der in Unkenntnis ihres wahren Charakters vollzogenen Opferhandlung begründet sich also durch ein noch näher zu bestimmendes intellektuelles Versagen. Bestätigung erfährt dieses Verständnis durch das bei Diels folgende Fragment 137, dessen Text insbesondere am Ende des zweiten Verses umstritten ist, wobei im Folgenden für die Beibehaltung von Diels’ Restitution der Stelle plädiert werden soll (DK 31 B 137): μορφὴν δ’ ἀλλάξαντα πατὴρ φίλον υἱὸν ἀείρας σφάζει ἐπευχόμενος μέγα νήπιος· οἱ δ’ ἀπορεῦνται λισσόμενον θύοντες· ὁ δ’ αὖ νήκουστος ὁμοκλέων σφάξας ἐν μεγάροισι κακὴν ἀλεγύνατο δαῖτα. ὡς δ’ αὔτως πατέρ’ υἱὸς ἑλὼν καὶ μητέρα παῖδες θυμὸν ἀπορραίσαντε φίλας κατὰ σάρκας ἔδουσιν. Den eigenen Sohn, der geändert hat seine Gestalt, hebt der Vater empor und schlachtet ihn, ein Gebet dazu sprechend, der große Narr! Die aber sind in Verlegenheit über das Flehen von dem, den sie opfern. Der Vater wiederum, der nicht hört auf die Schreie, bereitet, nachdem er ihn geschlachtet, im Hause ein schlimmes Mahl. Genauso aber ergreifen den Vater der Sohn und die Mutter die Kinder, entreißen ihnen das Leben und verschlingen ihr eigenes Fleisch.

Die ersten vier Verse schildern das drastische Szenario, bei dem ein Mann seinem eigenen, vor ihm verstorbenen und anschließend im Opfertier reinkarnierten Sohn eigenhändig erneut den Tod zufügt und sodann das Fleisch seines Sohnes für den gemeinschaftlichen Verzehr zubereitet. Die Verse 5–6 verdeutlichen dann, dass sich ein solcher Vorgang des Tötens und Verzehrens verstorbener Familienangehöriger im Rahmen des Opfers auch in anderen, nicht minder erschreckenden Konstellationen ereignen soll. Mit den Worten λισσόμενον („… Flehen …“) und ὁμοκλέων („… Schreie …“) nimmt Empedokles im dritten Vers nun erneut auf die vom Opfertier vor der Schlachtung in Todesangst ausgestoßenen Laute Bezug, die von keinem der an der Opferhandlung Beteiligten zureichend interpretiert werden: Indem der Vater, der das Opfer vollzieht, sich gegenüber dem Gehörten verschließt – wie das Wort νήκουστος (3) hier zu ver-

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stehen ist – erweist er sich als „großer Narr“ (μέγα νήπιος, 2). Die übrigen Teilnehmer am Ritual hingegen versetzt das „Flehen“ des Opfertieres in „Verlegenheit“ (aporia). Die Berechtigung von Diels’ Emendation des in einer SextusHandschrift überlieferten, aber sinnlosen οἶδα πορεῦνται zu οἳ δ’ ἀπορεῦνται2 („die aber sind in Verlegenheit“) am Ende des zweiten Verses ist zwar aufgrund einer vermeintlich fehlenden Plausibilität der dargestellten Situation bestritten worden.3 Nach den bis hierhin vorgetragenen Überlegungen steht die Aussage des von Diels restituierten Textes jedoch in Übereinstimmung mit dem beschriebenen Ansatzpunkt der von Empedokles’ geübten Kritik, die durch sie wie folgt präzisiert werden kann: Das Schreien des Opfertieres als Ausdruck eines verzweifelten Kämpfens ums Überleben steht in einem gedanklich kaum aufzulösenden Kontrast zur vermeintlichen Reinheit und Heiligkeit der kultischen Handlung. Da, wie Empedokles beobachtet, eine konsistente gedankliche Integration des „Flehens“ des Opfertieres in den Rahmen eines oftmals ja gerade zum Zweck der Reinigung von einer Befleckung vollzogenen Rituals unmöglich ist, befinden sich die Teilnehmer am Ritual mit Blick auf dieses Flehen in einem Zustand der aporia, über den sie sich jedoch „in der Unbekümmertheit ihres Verstandes“ hinwegzusetzen pflegen. Zur Stützung eines solchen Verständnisses kann man nicht zuletzt darauf verweisen, dass der Bewältigung der durch das gewaltsame Töten eines sich wehrenden Tieres hervorgerufenen negativen Affekte im Ablauf zahlreicher griechischer Opferrituale mit der sogenannten „Unschuldskomödie“4 sogar eine eigene Handlungssequenz gewidmet war. Gleichwohl ist an dieser Stelle zu fragen: Konnte Empedokles in diesen Texten tatsächlich die Ansicht zum Ausdruck bringen, dass ein gedankliches Ernstnehmen der Schreie von Opfertieren die Beteiligten von selbst zu der Einsicht hätte führen können oder gar müssen, dass es sich bei diesen in Wahrheit um zuvor verstorbene und nun in Tiergestalt reinkarnierte Menschen handelt? Zweifel hieran sind insbesondere deshalb angebracht, als Empedokles seine spezifische Version der Transmigrationslehre in den Katharmoi den Akragantinern ersichtlich als ein exklusives Wissen verkündet, dessen initiale Erlangung Erfahrungen voraussetzt, die allein ausgezeichnete Individuen – wie Pythagoras und Empedokles selbst – für sich beanspruchen können.5 Inwiefern hätten

|| 2 Siehe DK im kritischen Apparat zu 31 B 137.2. 3 Vgl. zuletzt Gemelli Marciano (2009) 435: „Niemand wäre damals verstört gewesen, weil es sich um eine von der Stadt und von den Göttern bewilligte rituelle Handlung handelte.“ 4 Zu diesem von Meuli geprägten Begriff s. Burkert (1972) passim. 5 Vgl. insbesondere DK 31 B 129.

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also die Akragantiner erkennen können, dass sie beim Opfermahl in Wahrheit „einander“ (B 136.2) verspeisen? Wie nun dargelegt werden soll, sind hierzu aus dem 1999 von Alain Martin und Oliver Primavesi herausgegebenen Straßburger Papyrus,6 durch den umfangreiche Passagen aus Empedokles’ Lehrgedicht Physika wiederentdeckt wurden, weiterführende Einsichten zu gewinnen. Für eine interpretatorische Auswertung der relevanten Textpassagen ist es allerdings erforderlich, zunächst auf einige Fragen zur Rekonstruktion des betreffenden Teils des Lehrgedichts einzugehen. Zu den in der sich an die Publikation des Straßburger Papyrus anschließenden Forschungsdiskussion am meisten beachteten Stellen zählt ein Verspaar, das – in leicht entstellter Form – bereits vor Entdeckung des Papyrus durch die Zitatüberlieferung bekannt war und das aufgrund des Zusammenhangs bei Porphyrios, der es zitiert (De abst. II 31), vor allem aber aufgrund seines Inhalts bis dahin stets den Katharmoi zugewiesen wurde: die Verse Strasb. d/f 5–6, die von Diels als Fragment 139 gezählt wurden und deren Relevanz für die hier verfolgte Frage offenkundig sein dürfte (Strasb. d/f 5–6 = DK 31 B 139.1–2): οἴμοι ὅτ(ι) οὐ πρόσθεν με διώλεσε νηλεὲς ἧμαρ, πρὶν χηλαῖς σχέτλι’ ἔργα βορᾶς πέρι μητίσασθαι· Wehe! Dass mich nicht ohne Erbarmen hat sterben lassen ein früherer Tag, bevor mit den Klauen ich schändliche Werke um Fraßes willen verübte!

Aus der damals überraschenden Entdeckung, dass diese beiden Verse, wie sämtliche Teile des Papyrus, dem naturphilosophischen Lehrgedicht entstammen, zogen die Interpreten nun ganz unterschiedliche Schlussfolgerungen: Während die einen meinten, die Textstelle beweise die gedankliche Einheit von Katharmoi und Physika,7 indem sie zeige, dass Empedokles auch in seinem naturphilosophischen Lehrgedicht die Transmigrationslehre vertrete, versteht etwa Primavesi sie als einen intertextuellen Verweis, mit dem Empedokles schlaglichtartig die gerade nicht in naturphilosophische Begrifflichkeit überführbare mythische Weltsicht der Katharmoi evoziere.8 Dazu ist, bei vorerst isolierter Betrachtung der beiden Verse, zunächst Folgendes festzustellen: Dadurch, dass Empedokles mit Reue auf eine von ihm begangene Tötung „um || 6 Martin/Primavesi (1999). 7 So etwa Martin/Primavesi (1999), Kingsley (2002). 8 Primavesi (2013) 720f.

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Fraßes willen“ zurückblickt, d. h. auf eine eigenhändig von ihm durchgeführte Schlachtung im Rahmen des Opferkultes, wird tatsächlich implizit deutlich, dass die Forderung nach einer Einstellung der Opferpraxis, die man vor Entdeckung des Papyrus ausschließlich den Katharmoi zugeordnet hat, von Empedokles auch in den Physika zur Geltung gebracht wird. Als Begründung für das Tötungsverbot wiederum fungiert in den Katharmoi, wie gesagt, die Transmigrationslehre. Hieraus kann man jedoch nicht folgern, dass Empedokles dieses Verbot in den Physika zwingend auf dieselbe Weise begründet hätte. Tatsächlich gibt es gute Gründe dafür, mit der Mehrzahl der Interpreten die Annahme einer wie auch immer gearteten postmortalen Fortexistenz von Individuen für unvereinbar mit der in den Physika dargestellten Elementenlehre zu halten, nach der es buchstäblich nichts anderes gibt als die Prozesse der Verbindung und Trennung der vier Elemente (vgl. DK 31 B 8.3–4: μόνον […] ἔστι). Dann allerdings stellt sich die Frage: Wie begründet sich das Tötungsverbot im Rahmen der Physika, wenn dies nicht durch eine Bezugnahme auf die Transmigrationslehre geschieht? Wie nun gezeigt werden soll, ist erstens eine Einbeziehung der Katharmoi zum Verständnis des Verspaares in der Tat nicht erforderlich. Auf dieser Grundlage lässt sich dann aber zweitens präzisieren, in welchem Sinne Empedokles den Akragantinern auch in den Katharmoi ein schuldhaftes Handeln vorwirft. Dazu ist jetzt, wie angekündigt, zu ermitteln, in welchem inhaltlichen Zusammenhang Empedokles in den Physika überhaupt diese Reuebekundung vornimmt. Der Straßburger Empedokles-Papyrus umfasst im Wesentlichen vier größere Ensembles, die von den Herausgebern mit den Buchstaben a, b, c und d bezeichnet wurden, wobei Janko erfolgreich die Zusammengehörigkeit von Ensemble d mit einem weiteren, kleineren Ensemble (f) nachweisen konnte.9 Das umfangreichste Papyrusfragment, Ensemble a, ließ sich mit DK 31 B 17, dem längsten Fragment der Zitatüberlieferung, zu einem 69 Verse umfassenden Textkontinuum verbinden, das dank eines stichometrischen Zeichens auf dem Papyrus nunmehr in absoluter Verszählung als Physika I, Verse 232–300 zitiert werden kann. Doch auch für den auf Vers 300 folgenden Teil ergeben sich vor allem aufgrund der letzten 13 Verse dieses Kontinuums Möglichkeiten einer näheren Rekonstruktion. Zentral ist dabei, dass die Verse 288–290 von Empedokles in einem weiteren Fragment, B 35, durch einen expliziten Rückverweis aufgegriffen und wiederholt werden (Physika I, 288–290):

|| 9 Janko (2004).

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[ὁππότ]ε10 δὴ Νεῖκός [τ’ ἀνυ]πέρβατα βέν[θε’ ἵκηται] δ[ίνη]ς, ἐν δὲ μέσ[ῃ] Φ[ιλ]ότης στροφά[λιγγι γένηται,] ἐν [τῇ] δὴ τάδε πάντα συνέρχεται ἓν [μόνον εἶναι.] Wenn also der Streit gelangt zu den unüberschreitbaren Tiefen des Wirbels und in der Mitte des Strudels die Liebe entsteht, dann gehen dort diese alle zusammen, Eines alleine zu sein.

Durch eine auf Vers 290 folgende Ankündigung sowie durch den Inhalt von B 35 kann, wie nun gezeigt werden soll, der anzusetzende Inhalt des Gedichtteils zwischen Vers 300 und B 35 in allgemeiner Weise ermittelt werden.11 Auf dieser Basis lässt sich wiederum die Position und der inhaltliche Zusammenhang auch der übrigen Papyrusensembles und damit auch der Reuebekundung in Ensemble d/f rekonstruieren. Empedokles’ in den Versen 291–300 vorgenommene Ankündigung lautet wie folgt (Physika I, 291–300): [σπεῦ]δε δ’ ὅπως μὴ μοῦνον ἀν’ οὔατα [μῦθος ἵκηται] [ἠδέ] μευ ἀμφὶς ἐόντα κλύων [ν]ημερτ[έα φράζευ·] [δεί]ξω σοι καὶ ἀν’ ὄσσ(ε) ἵνα μείζονι σώμ[ατι κύρει,] [π]ρῶτον μὲν ξύνοδόν τε διάπτυξίν τε γενέθλης ὅσ[σ]α τε νῦν ἔτι λοιπὰ πέλει τούτοιο τ[όκοιο,] τοῦτο μὲν [ἂν] θηρῶν ὀριπλάγκτων ἀγ[ρότερ’ εἴδη,] τοῦτο δ’ ἀν’ ἀ[νθρώ]πων δίδυμον φύμα, [τοῦτο δ’ ἀν’ ἀγρῶν] ῥιζοφόρων γέννημα καὶ ἀμπελοβάμ[ονα βότρυν.] ἐκ τῶν ἀψευδῆ κόμισαι φρενὶ δείγματα μ[ύθων·] ὄψει γὰρ ξύνοδόν τε διάπτυξιν τε γενέθλης … Sei aber darauf bedacht, dass nicht nur bis zu den Ohren mein Wort dir gelange, und – indem von mir du vernimmst, was uns umgibt – mache die Wahrheit dir klar. Zeigen werde ich dir auch bis zu den Augen, wo einen größeren Körper sie (die Elemente) bilden, zuerst die Vereinigung und Entfaltung der Schöpfung, und dann alles, was jetzt noch von dieser Erzeugung Bestand hat: zum einen bei den wilden Arten der bergedurchstreifenden Tiere, zum anderen bei der Menschen Zwillingsgewächs, dann auch || 10 [ὁππότ]ε Rösler (mündlich), [ἀλλ’ ὅτ]ε Primavesi; s. Wellmann (2020) 87 Anm. 265. 11 Im Folgenden werden, als Grundlage der unten vorzuschlagenden Interpretation der Verse Strasb. d/f 5–7, in verdichteter Form einige in Wellmann (2020), Kap. 6–7, detaillierter ausgearbeitete Argumentationslinien aufgegriffen. Mit Blick auf die dort unternommene Auseinandersetzung mit der Forschungsdiskussion zum Straßburger Papyrus beschränkt sich deren Einbeziehung im vorliegenden Text auf wenige, zentrale Aspekte.

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bei der wurzeltragenden Felder Erzeugnis oder der rebenbegehenden Traube – aus diesen gewinne feste Beweise für meine Worte deinem Verstand. Sehen nämlich wirst du Vereinigung und Entfaltung der Schöpfung …

Zum Verständnis dieses Textes ist hervorzuheben, dass Empedokles seine zuvor (288–290) begonnene Darstellung des Vereinigungsvorgangs der Elemente hier nicht, wie angenommen wurde, unterbricht,12 sondern lediglich darauf hinweist, dass er diese Darstellung im Folgenden „bis zu den Augen“ (293), d. h. bis zu den sichtbaren Ergebnissen dieses Vereinigungsvorgangs führen wird. Zwingend ist dies nicht zuletzt deshalb, da Empedokles in Vers 293 mit der Wendung ἵνα μείζονι σώμ[ατι κύρει,] grammatisch wie auch sachlich die im vorausgehenden Vers 290 erwähnten, sich vereinigenden Elemente – τάδε πάντα – wieder aufnimmt. Ferner trifft die etablierte Ansicht nicht zu, dass im erhaltenen Text das zweite Glied der in Vers 294 mit πρῶτον μὲν begonnenen Aufzählung fehle, denn die Partikelverbindung πρῶτον μὲν … τε, wie sie in 294 und 295 vorliegt, ist gleichbedeutend mit πρῶτον μὲν … ἔπειτα δέ.13 Empedokles kündigt somit an, erstens die „Vereinigung und Entfaltung der Schöpfung“ darzustellen und zweitens „alles, was jetzt noch von dieser Erzeugung Bestand hat“. Aus dieser letzten Aussage wiederum geht hervor, dass die in Vers 294 erwähnten Vorgänge, die Empedokles – nach plausibler Ergänzung der Herausgeber – in 295 als „diese Erzeugung“ zusammenfasst, zwingend in der Vergangenheit liegen müssen. Schließlich bezieht sich das Wort διάπτυξις, „Entfaltung“, in Vers 294 nicht, wie üblicherweise angenommen, auf das Trennungswirken des Streites,14 sondern bezeichnet jenen Prozess der Aszendenz, der auch im epischen Gebrauch des Wortes γενέθλη in der Bedeutung „Geschlecht als Aszendenz“15 enthalten ist und der, als Entfaltung der ersten Elementverbindungen, schrittweise zu den jetzt noch sichtbaren Resultaten „dieser Erzeugung“ führt. Da nun Entfaltung im Bereich von Lebewesen zwingend als ein Wachstum zu denken ist, Wachstum aber, wie Aristoteles bezeugt, für Empedokles in einer „Hinzusetzung“ (prosthesis) von Elementarteilen besteht,16 die von ihm wiederum durchgängig auf das Wirken der Liebe zurückgeführt wird, ist zu konstatieren, dass Empedokles in diesen Versen ausschließlich die in || 12 In diesem Sinne etwa Primavesi (2008) 21. 13 Siehe Denniston (1954) 374f. Anm. 2. 14 In diesem Sinne u.a. Trépanier (2003) 24, Gemelli Marciano (2005) 378, Sedley (2007) 36, Primavesi (2008) 22, Ferella (2013) 36–38. 15 Siehe LfgrE s. v. γενέθλη. 16 Arist. Gen. corr. II 6, 333a35–b1 (= zu DK 31 B 37).

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288–290 angesprochene, von der Liebe bewirkte Vereinigungsbewegung in den Blick nimmt. Was er hier somit ankündigt, ist eine Darstellung der sich unter dem Einfluss der Liebe vollziehenden Zoogonie bis hin zu ihren noch sichtbaren Resultaten. Eine von mehreren relevanten Implikationen dieser Verse, die hier nicht weiterverfolgt werden können, ist also, dass man die geläufige Situierung des für Empedokles gegenwärtigen Zeitalters in der Phase zunehmender Herrschaft des Streites aufgeben muss. Bestätigen lässt sich diese Interpretation durch den Inhalt von B 35, in dem Empedokles sein Selbstzitat der Verse 288–290 folgendermaßen einleitet (DK 31 B 35.1–3): αὐτὰρ ἐγὼ παλίνορσος ἐλεύσομαι ἐς πόρον ὕμνων, τὸν πρότερον κατέλεξα, λόγου λόγον ἐξοχετεύων, κεῖνον Doch will ich erneut beschreiten den Pfad meiner Hymnen, den ich zuvor schon ausführte, einen Punkt aus dem anderen herleitend, jenen:

Entscheidend für die Bestimmung der Funktion des anschließenden Selbstzitats ist der zweite Vers des Fragments und darin vor allem das Verb καταλέγειν, das im epischen Sprachgebrauch die Bedeutung „ausführlich und der Reihe nach erzählen“ hat. Empedokles kommt hier also „erneut“ auf etwas zu sprechen, das von ihm zuvor bereits in extenso dargestellt wurde. Nach einhelliger Auffassung enthält die Fortsetzung von Fragment 35 nun eine summarische Zusammenfassung des Vorgangs der Entstehung der Lebewesen bei zunehmendem Einfluss der Liebe, die Empedokles auch hier bis zu ihren „jetzt noch“ sichtbaren Resultaten führt (DK 31 B 35.16–17): τῶν δέ τε μισγομένων χεῖτ’ ἔθνεα μυρία θνητῶν παντοίαις ἰδέῃσιν ἀρηρότα, θαῦμα ἰδέσθαι. Sobald aber diese sich mischten, ergossen sich unzählige Scharen sterblicher Wesen, zu mannigfaltigen Formen gefügt, ein Wunder zu schauen.

Damit ergibt sich: Der Gedichtteil zwischen Vers 300 und B 35 enthielt eine ausführliche Darstellung der Zoogonie unter dem Einfluss der Liebe von der ersten Entstehung von Lebewesen bis hin zur Gegenwart. Der Ertrag dieses Befundes für die hier verfolgte Fragestellung liegt nun zum einen darin, dass sich auf dieser Grundlage das Ensemble d/f, in dem sich die beiden Verse mit Empedokles’ Reuebekundung finden, innerhalb dieses Teils des Gedichts lokalisieren lässt. Dieses Ensemble enthält in Vers 10 eine

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Zäsur, nach der Empedokles, ähnlich wie in B 35, ankündigt, etwas, von dem im Gedicht zuvor schon die Rede war, aufzugreifen und weiterzuführen (Strasb. d/f 10–14): … [ἡ]μεῖς δὲ λόγων ἐπιβ[ησόμ]εθ’ αὖθις [κείνων· ὁππότ]ε δὴ συνετύγχανε φ[λογ]μὸς ἀτειρής [ ]ς ἀνάγων π[ο]λυπήμ[ον]α κρᾶσιν, [ ζῷ]α φυτάλμια τεκνώθ[η]σαν [ τῶν ν]ῦν ἔτι λείψανα δέρκεται Ἠώς. … Wir aber kommen nunmehr zurück auf jene (früheren) Worte: Als nun die unermüdliche Flamme traf [auf …], während nach oben sie führte die schmerzreiche Mischung, [da] wurden zeugende Wesen geboren, [ ] von denen jetzt noch Überbleibsel die Morgenröte erblickt.

Auch hier spricht Empedokles offenkundig über die Entstehung von Lebewesen, die, wie sich der Verbform συνετύγχανε in Vers d/f 11 entnehmen lässt, infolge einer Verbindung der Elemente geschieht. Vor allem jedoch ergibt sich aus der schlagenden Parallelität der Verse d/f 18 – [τῶν ν]ῦν ἔτι λείψανα δέρκεται Ἠώς – und 296 – ὅσ[σ]α τε νῦν ἔτι λοιπὰ πέλει τούτοιο τ[όκοιο,] –, dass in dieser Passage exakt dasjenige dargestellt wird, was Empedokles am Ende des bis Vers 300 reichenden Textkontinuums angekündigt hatte. Zum anderen entfällt nach dem erläuterten Verständnis der letzten Verse dieses Kontinuums die inhaltliche Grundlage, um mit Janko und Primavesi in Ensemble c, das sich mit DK 31 B 20 überschneidet, die unmittelbare Fortsetzung des Textes dieses Kontinuums zu erblicken.17 Vielmehr enthalten Ensemble c sowie auch die ersten 10 Verse von Ensemble d/f, wie sogleich deutlich werden wird, eine Erklärung von Geburt und Wachstum sowie Tod und Zerfall von Lebewesen, die nicht mehr infolge eines einmaligen Schöpfungsakts durch die Liebe hervorgebracht werden, sondern sexueller Reproduktion fähig sind und damit dem fortgesetzten Wechselspiel von Geburt und Tod unterliegen. Bei Empedokles’ Ausführungen zu diesem Thema handelt es sich folglich ebenfalls nicht um einen Exkurs.18 Die Erklärung dieser Sachverhalte erscheint nach einer Darstellung der Zoogonie bis hin zur Entstehung reproduktionsfähiger Lebewesen im Rahmen seiner Darstellung vielmehr als geradezu zwingend. Zur Be|| 17 Siehe Janko (2004) 5, Primavesi (2008) 23 u. 39. 18 Vgl. hierzu insbesondere die Interpretation des Textes als „apokalyptischer Exkurs“ bei Primavesi (2008), 59.

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gründung ist zunächst auf das in seiner Interpretation umstrittene Ensemble c einzugehen (Strasb. c = DK 31 B 20): [ δι]άκτορα μη[ ] τοῦτο μὲν ἂν βροτέων μελέων ἀριδείκετον ὄγκον ἄλλοτε μὲν Φιλότητι συνερχόμεθ’ εἰς ἓν ἅπαντα, γυῖα τὰ σῶμα λέλογχε, βίου θηλοῦντος ἐν ἀκμῇ, ἄλλοτε δ’ αὖτε κακῇσι διατμηθέντ’ Ἐρίδεσσι πλάζεται ἄνδιχ’ ἕκαστα περὶ ῥηγμῖνι βίοιο. ὣς δ’ αὔτως θάμνοισι καὶ ἰχθύσιν ὑδρομελάθροις θηρσί τ’ ὀρειλεχέεσσιν ἰδὲ πτεροβάμοσι κύμβαις. [ ] Gedanken der Lenkung [ ] Dieses ereignet sich nun bei der augenfälligen Masse der menschlichen Glieder: Bald vereinigen wir uns in Liebe, alles zu Einem, als Glieder, die einen Körper erlangt haben, auf dem Gipfel blühenden Lebens, bald jedoch wieder, durch schlimme Hader zerschnitten, irrt, getrennt, ein jedes für sich umher in der Brandung des Lebens. Genauso (geschieht dies) auch bei Sträuchern und wasserbehausten Fischen, bei bergebewohnenden Tieren und mit Flügeln laufenden Vögeln.

Das Verständnis dieses Textes hängt wesentlich davon ab, wie man die Formulierung γυῖα τὰ σῶμα λέλογχε in Vers c 4 interpretiert. Seit Diels19 dachte man hierbei zumeist an die Zusammensetzung von Körpern aus zuvor einzeln vorliegenden Gliedmaßen, wie sie für den Übergang von der ersten zur zweiten Stufe im Rahmen von Empedokles’ zoogonischer Theorie bezeugt wird,20 und bezog den Text folglich auf ein oder gar mehrere von der Gegenwart verschiedene Stadien des kosmischen Zyklus.21 Nach einem anderen, von Gemelli Marciano und Trépanier22 vertretenen embryologischen Verständnis des Textes bringt Empedokles mit der Formulierung γυῖα τὰ σῶμα λέλογχε die Vorstellung zum Ausdruck, dass der Zeugungsvorgang im Sinne der sogenannten pangenetischen Samentheorie in einer Komposition einzelner Gliedmaßen zu einem Ganzen bestehe. Die kosmologisch-zoogonische Interpretation des Textes scheidet allerdings zum einen aufgrund von Empedokles’ ausdrücklichem Hinweis auf die Sichtbarkeit des Beschriebenen (c 2: ἀριδείκετον ὄγκον) aus; zum anderen ist sie unvereinbar damit, dass der beschriebene Wechsel sich dem Text zufolge || 19 Diels (1898) 128f. 20 Vgl. Aët. V 19,5 (= DK 31 A 72), DK 31 B 57. 21 In diesem Sinne etwa Guthrie (1965) 202, O’Brien (1969) 218–228. 22 Gemelli Marciano (2005), Trépanier (2014) 28.

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„bald“ und „bald“ abspielen soll, was sich kaum auf zwei bestimmte und zeitlich weit auseinander liegende Phasen des kosmischen Zyklus beziehen lässt. Gegen die embryologische Interpretation wiederum spricht, dass deren Voraussetzung, Empedokles habe eine pangenetische Samenlehre vertreten, nach der die Entstehung eines Embryos als Komposition präformierter Körperteile zu denken wäre, aufgrund der vorliegenden doxographischen Referate zu Empedokles’ Embryologie als unhaltbar erscheint.23 Eine konsistente Erklärung erschließt sich jedoch, wenn man berücksichtigt, dass der Plural γυῖα – bei Homer wie auch bei Empedokles – selbst schon den Körper in seiner Ganzheit bezeichnet.24 Mit dem Erlangen eines σῶμα ist hier somit nicht die Komposition von Einzelgliedmaßen zu einem Körper, sondern das Erlangen einer für die Augen sichtbaren Körperfülle gemeint, womit Empedokles die Aussage von Vers c 2 wieder aufnimmt: „Dieses ereignet sich nun bei der augenfälligen Masse der menschlichen Glieder“. Vers c 4 beschreibt demnach, wie auch am Perfekt λέλογχε erkannt werden kann, nicht den Prozess der Vereinigung selbst, sondern dessen Ergebnis: den „Gipfel des blühenden Lebens“. Der Tod hingegen, beschrieben im darauffolgenden Verspaar, tritt ein durch die – hier wie überall sonst bei Empedokles – negativ konnotierte Wirkung des Streites und manifestiert sich im allmählichen Zerfall des Körpers in seine elementaren Bestandteile. Die letzten beiden Verse des Fragments bringen sodann zum Ausdruck, dass diese bei Menschen zu beobachtenden Gesetzmäßigkeiten unterschiedslos auch für alle übrigen Lebewesen gelten: Das Leben ist ein von der Liebe gespendetes Gut, Tod und Zerfall hingegen ereignen sich durch die Wirkung des Streites. Auf dieser Basis ist nun ohne Schwierigkeiten erkennbar, dass Empedokles im ersten Teil von Ensemble d/f, in dem sich die oben zitierte Reuebekundung findet, exakt dieselben Dinge behandelt, womit sich bestätigt, dass Ensemble c demselben Teil des Gedichts entstammt und in diesem mit Janko25 kurz vor Ensemble d/f lokalisiert werden muss. Hierzu sind nun die Verse d/f 1–4 (mit tentativer Ergänzung des ersten Satzes in der Übersetzung) zu betrachten (Strasb. d/f 1–4): [ἄν]διχ’ ἀπ’ ἀλλήλω[ν] πεσέ[ει]ν καὶ π[ότ]μον ἐπισπεῖν [πό]λλ’ ἀεκαζομέν[ο]ισιν ἀ[να]γκα[ίης ὕ]πο λυγρῆς [ση]πο[μ]ένοις· Φιλίην δ’ ἐ[ρατ]ὴν [ἡμῖ]ν νυν ἔχουσιν [Ἅρ]πυιαι θανάτοιο πάλοις [ἤδη παρέσ]ονται. || 23 Die betreffenden Testimonien werden zitiert und ausgewertet in Wellmann (2020) 171f. 24 Für Homer s. LfrgrE s. v. μέλεα; für Empedokles s. DK 31 B 2.1; B 115.3; B 128.10; B 134.1. 25 Janko (2004).

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[Uns steht es bevor,] getrennt auseinander zu fallen und das Todesgeschick zu vollenden, indem (wir) ganz gegen (unseren) Willen unter schlimmem Zwange verwesen: Uns, die wir jetzt noch die sehnliche Liebe (in uns) haben, werden bald Harpyien mit Todeslosen bedrängen.

Erneut bringt Empedokles hier den – für ihn als Autor und jeden Leser immer jetzigen – Zustand des Lebens mit der Liebe in Verbindung, die wir „jetzt noch“ in uns haben, den Tod hingegen, von dem er in Vers d/f sogar explizit spricht, mit dem an dieser Stelle durch die Harpyien verkörperten Streit. In den ersten drei Versen beschreibt er wiederum, dass der nach dem Eintritt des Todes zu beobachtende Verwesungsprozess – die sêpsis – als ein Zerfall in die elementaren Bestandteile gedacht werden muss. Das von zahlreichen Interpreten vertretene Verständnis, nach dem hier ein in ferner Zukunft liegendes, apokalyptisches Szenario beschrieben werde,26 in dem eine Dekomposition von Lebewesen in ihre Einzelgliedmaßen stattfinde – ein Szenario, dessen Annahme durch Empedokles im Übrigen sonst nirgends bezeugt wäre –, ist somit abzuweisen: Empedokles blickt in diesen Versen voraus auf den auch ihm selbst bevorstehenden Vorgang des natürlichen Todes. Dabei fällt auf, dass der Tod, wie auch in Ensemble c, von ihm offenbar nicht als ein im lebenden Organismus selbst als dessen Finalität angelegter Prozess, sondern als ein „unter schlimmem Zwange“ (2) gleichsam von außen erlittenes Übel gedacht wird. Nachdem Empedokles also zuerst, in Ensemble c, den Gedanken einer prinzipiellen Gleichheit aller Lebewesen dargelegt und anschließend die verderbliche Wirkung des Streites im Vorausblick auf den eigenen Tod thematisiert hat, wird die zusammenhängende Bedeutung beider Motive von ihm nun in prägnanter Weise vor Augen geführt, indem er in Form einer Selbstanklage auf eine eigenhändige Durchführung des Opferrituals zurückblickt (Strasb. d/f, 5–6): οἴμοι ὅτ(ι) οὐ πρόσθεν με διώλεσε νηλεὲς ἦμαρ, πρὶν χηλαῖς σχέτλι’ ἔργα βορᾶς πέρι μητίσασθαι Wehe! Dass mich nicht ohne Erbarmen hat sterben lassen ein früherer Tag, bevor mit den Klauen ich schändliche Werke um Fraßes willen verübte!

|| 26 Ein solches Verständnis vertreten u.a. Martin/Primavesi (1999) 96, Osborne (2000) 352, Kingsley (2002) 339, Tonelli (2005) 328, Primavesi (2008) 59, Gemelli Marciano (2009) 408.

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Im Rückblick und im Lichte der später von Empedokles entwickelten Theorie erschließt sich, dass er an jenem Tag „mit den Klauen“ selbst die Rolle der soeben von ihm erwähnten todbringenden Harpyien ausgeübt hat. Damit dürfte deutlich geworden sein, dass eine Bezugnahme auf die Katharmoi oder die Transmigrationslehre zum Verständnis dieser beiden Verse nicht erforderlich ist. Das universale Tötungsverbot begründet sich in den Physika vielmehr durch die sich aus der Elementenlehre ergebende Annahme einer zwischen sämtlichen Lebewesen bestehenden Verwandtschaftsbeziehung, infolge derer eine Einschränkung des Tötungsverbotes auf Menschen als inkonsequent kritisiert wird. Als – modern gesprochen – Quelle des Normativen fungiert im Rahmen von Empedokles’ Konzeption ersichtlich die als kosmisches Prinzip gedachte Liebe, die jeden lebenden Organismus buchstäblich ausfüllt, indem sie seinen Zusammenhang erst stiftet und sodann erhält. Dass nun die Liebe nach Empedokles in einer solchen Weise „in uns“ wirkt, zeigt sich, wie aus den Versen 252–257 hervorgeht, zunächst darin, dass sämtliche Menschen ihr Wirken intuitiv-affektiv spüren und einige ihrer Handlungen danach ausrichten (Physika I, 252–257): τὴν σὺ νόῳ δέρκευ, μηδ’ ὄμμασιν ἧσο τεθηπώς ἥτις καὶ θνητοῖσι νομίζεται ἔμφυτος ἄρθροις, τῇ τε φίλα φρονέουσι καὶ ἄρθμια ἔργα τελοῦσι, Γηθοσύνην καλέοντες ἐπώνυμον ἠδ’ Ἀφροδίτην. τὴν οὔ τις γ’ ὄσσοισιν27 ἑλισσομένην δεδάηκε θνητὸς ἀνήρ Sie (die Liebe) erblicke mit dem Verstand, und sitze nicht da, über die Augen dich wundernd; sie, die ja auch bei den Sterblichen als eingeboren gilt in die Glieder, durch die sie Zuneigung empfinden und verbindende Werke vollziehen, sie Freude mit Beinamen nennend und Aphrodite. Keiner hat je mit Augen gesehen, wie sie sich schlängelt, kein sterblicher Mann!

Die entscheidende von Empedokles an dieser wie an anderen Stellen der Physika vermittelte Einsicht allerdings betrifft das Verständnis des Wirkens der Liebe als Hervorbringerin sämtlichen Lebens innerhalb der Natur. Da die Liebe jedoch

|| 27 γ’ ὄσσοισιν Preller; μετ’ ὄσσοισιν (F: ὄσοισιν) Simpl.; μετὰ τοῖσιν Brandis, Diels; vgl. Wellmann (2020) 56–57.

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nicht sichtbar ist (256–257), ist diese Erkenntnis jedoch nicht durch die Augen, sondern allein durch den noos zu erlangen (252). Die bis hierhin angestellten Beobachtungen zusammenfassend ist somit zu konstatieren, dass das universale Tötungsverbot von Empedokles als in der von ihm in den Physika dargestellten Weltordnung verankert gedacht wird. Bestätigung erfährt dieses Verständnis schließlich durch eine Stelle bei Aristoteles, der in der Rhetorik (I 13, 1373b6–17) mit folgenden Worten zwei von Diels als B 135 gezählte Empedokles-Verse zitiert: ἔστι γάρ, ὃ μαντεύονται τι πάντες, φύσει κοινὸν δίκαιον καὶ ἄδικον, […] ὡς Ἐμπεδοκλῆς λέγει περὶ τοῦ μὴ κτείνειν τὸ ἔμψυχον· τοῦτο γὰρ οὐ τισὶ μὲν δίκαιον τισὶ δ’ οὐ δίκαιον, ἀλλὰ τὸ μὲν πάντων νόμιμον διά τ’ εὐρυμέδοντος αἰθέρος ἠνεκέως τέταται διά τ’ ἀπλέτου αὐγῆς … Es gibt nämlich, was alle irgendwie vermuten, von Natur aus ein gemeinsames Gerechtes und Ungerechtes, […] wie auch Empedokles sagt über das Verbot, Beseeltes zu töten; dies (zu tun) ist nämlich nicht für die einen rechtmäßig und für die anderen unrechtmäßig, sondern, was für alle Gesetz ist, erstreckt sich ganz durch die weithin waltende Luft und den unermesslichen Glanz …

Da Aristoteles sämtliche seiner sonstigen Empedokles-Zitate dem naturphilosophischen Lehrgedicht entnommen hat, während die Katharmoi bei ihm „geradezu von einer Mauer des Schweigens umgeben“28 sind, ist davon auszugehen, dass auch diese beiden Empedokles-Verse den Physika zugehören. Zudem spricht auch die Erwähnung der Elemente Luft und Feuer im zweiten Vers, die Empedokles anschließend durch die von Erde und Wasser vervollständigt haben dürfte, dafür, dass das – nach Aristoteles’ Lesart für Empedokles „von Natur aus“ gültige – Tötungsverbot in der durch die vier Elemente konstituierten Weltordnung fundiert gedacht werden muss. Im Hinblick auf die Frage nach Empedokles’ Beurteilung der Schuldhaftigkeit des Handelns der Akragantiner in den Katharmoi verdient schließlich noch der auf die Reuebekundung in Strasb. d/f 5–6 folgende, nur bruchstückhaft erhaltene Vers (d/f 7) nähere Betrachtung: In ihm berichtet Empedokles mit der Aoristform κατέδ]ευσα παρειάς erneut von einem Ereignis seiner Vergangenheit, bei dem er Tränen vergossen zu haben angibt. Dies wurde zumeist damit erklärt, dass Empedokles im Rahmen der inszenierten Mündlichkeit sei|| 28 Burkert (1975) 142; vgl. Laks/Most (2016) 318.

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ner Darlegung bei der unmittelbar vorausgehenden Reuebekundung in Tränen ausgebrochen sein will – Tränen, die er, nach Ergänzung des Versanfangs zu [νῦν δ]ὲ μάτη[ν, im selben Atemzug als „vergeblich“ bezeichnet haben soll.29 Nach den zu den d/f 5–6 vorgetragenen Überlegungen erscheint es jedoch als plausibler, dass hier dasselbe vergangene Ereignis in den Blick genommen wird, auf das sich Empedokles auch in den beiden vorausgehenden Versen bezogen hat – seine erste eigenhändige Durchführung eines kultischen Schlachtopfers. Das nur zur Hälfte überlieferte Wort νο[ in der Versmitte lässt sich nach einem Vorschlag von Rösler30 in diesem Sinne als eine Form des von νέμειν abgeleiteten νομός, die „Verteilung“ oder „Speisung“, ergänzen, wobei auch eine Form von νόμος in der Bedeutung von „Brauch“ ein solches Verständnis erlaubte. Bezieht sich der Vers aber, wie die beiden vorausgehenden, auf eine vergangene Teilnahme am Schlachtopfer durch Empedokles, kann der Versanfang keinesfalls durch ein νυν zu ergänzen sein, so dass sich als Alternative die Ergänzung [οὐδ]ὲ μάτη[ν mit der Bedeutung „nicht ohne Grund“ aufdrängt, wie sie etwa in der (von Empedokles beeinflussten) Dichtung des Nonnos wiederholt am Anfang eines Hexameters steht31 (Strasb. d/f 7): [οὐδ]ὲ μάτη[ν ἐν] τῷδε νο[μῷ κατέδ]ευσα παρειάς Und nicht ohne Grund habe ich bei dieser Speisung die Wangen benetzt.

Empedokles erlebte die eigenhändige Durchführung des Schlachtopfers als schockierend und brach in Tränen aus, die er nun, im Lichte der später von ihm entwickelten Theorie, einordnen kann und als begründet erkennt. Im sich spontan einstellenden Mitleid bzw. der intuitiv-affektiven Abscheu gegenüber dem Töten manifestiert sich demnach für Empedokles die von den meisten Menschen verkannte Verwandtschaftsbeziehung aller Lebewesen untereinander, durch die sich die universale Geltung des Tötungsverbotes begründet. Diese Verwandtschaftsbeziehung könnte jedoch, wie sich Empedokles’ Konzeption weiterdenken lässt, von jedem durch einen aufmerksamen und konsequenten Gebrauch des noos erkannt werden, wobei es im Hinblick auf die praktischen Implikationen dieses Gedankens sekundär ist, ob er in naturphilosophischargumentierender Weise wie in den Physika oder in mythischer Weise wie in den Katharmoi ausformuliert wird. || 29 In diesem Sinne bereits Martin/Primavesi (1999) 303. 30 Nach mündlicher Mitteilung durch Wolfgang Rösler übernommen in Wellmann (2020) 182. 31 Dion. 4.88; 34.237; 47.442; 48.285.

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Damit lässt sich die Antwort auf die Frage, in welcher Weise die Akragantiner für Empedokles schuldhaft handeln, wie folgt präzisieren: Sie müssen sich zwar keinen bewussten Verstoß gegen den göttlichen nomos und somit auch keine grundsätzlich schlechte oder frevelhafte Gesinnung vorwerfen lassen; wohl aber, dass sie „in der Unbekümmertheit ihres Verstandes“ bereit sind, eine fundamentale Unstimmigkeit zwischen ihren von der Liebe bestimmten affektiven Regungen beim Opfern von Tieren, die sie gleichsam überhören, einerseits und ihrer verstandesmäßigen Interpretation des Opferrituals sowie den daraus resultierenden, vom Streit bestimmten Handlungen andererseits hinzunehmen.

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Rachana Kamtekar

Plato on Intelligent Agency 1 Introduction In his so-called intellectual autobiography in the Phaedo (96a–102a), Socrates maintains that if his actions are due to his intelligence (nous), then they should be explicable in terms of what seemed best to him, or what he judged to be best (98c–99b). Against prevailing scholarly opinion, I argue that this claim is not based on Socrates’ supposed assumption that we (human beings, or rational agents) only do what seems best to us.1 Rather, I argue, it is best understood as a claim about intelligent agency, modelled on expertise or craft-knowledge, which, because it achieves good ends by optimal means, explains through a reconstruction of the agent’s practical reasoning. The picture that emerges from the Phaedo is not of intelligent agency as rivalling material and mechanical causes (discussed at 96b–97b) or being replaced by formal causes (99d–105c), as much as of intelligent agency using materials well to achieve a good end, a use enabled by understanding their powers to change and be changed according to the analysis provided by their participation in forms. In this way the Phaedo anticipates the causal account of the cosmos in terms of reason and necessity provided in the Timaeus.

2 Material and Mechanical Causes The Phaedo account begins with Socrates recounting how, as a young man interested in the causes (tas aitias2, 96a9) of coming to be, passing away and being, he grew puzzled by the accounts proposed by the natural scientists:

|| 1 I gave a preliminary argument for this claim in chapter 6 of Kamtekar (2017). 2 In translation and discussion I am using the English “cause” for Plato’s hê aitia / aitios / to aition (what is responsible for). Frede (1980) argued for a distinction between aitia and aition / aitios in this discussion according to which aition / aitios would be “the thing responsible” and aitia would be a propositional item. As far as I can make out, Socrates uses both terms for “cause”, but aitia is the more inclusive, so that when the cause is a process rather than a body, he calls it an aitia, e.g. in the case of separation vs. coming-to-be-nearby; see 97a2–b1: θαυμάζω γὰρ εἰ ὅτε μὲν ἑκάτερον αὐτῶν χωρὶς ἀλλήλων ἦν, ἓν ἄρα ἑκάτερον ἦν καὶ οὐκ ἤστην https://doi.org/10.1515/9783110735598-003

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T1 [Socrates:] When I was a young man I was wonderfully keen on that wisdom which they call natural science, for I thought it splendid to know the causes [τὰς αἰτίας] of everything, why [διὰ τί] it comes to be, why it perishes and why it exists. [1] I was often changing my mind in the investigation, in the first instance, of questions such as these: Are living creatures nurtured when heat and cold produce a kind of putrefaction, as some say? Do we think with our blood, or air, or fire, or none of these, and does the brain provide our senses of hearing and sight and smell, from which come memory and opinion, and from memory and opinion which has become stable, comes knowledge? Then again, as I investigated how these things perish and what happens to things in the sky and on the earth, finally I became convinced that I have no natural aptitude at all for that kind of investigation, and of this I will give you sufficient proof. This investigation made me quite blind even to those things which I and others thought that I clearly knew before, so that I unlearned what I thought I knew before, about many other things and [2] specifically about how men grew. I thought before that it was obvious to anybody that men grew through eating and drinking [διὰ τὸ ἐσθίειν καὶ πίνειν], for food adds flesh to flesh and bones to bones, and in the same way appropriate parts were added to all other parts of the body, so that the man grew from an earlier small bulk to a large bulk later, and so a small man became big. That is what I thought then. […] I thought my opinion was satisfactory, [3] when a large man standing next to a small appeared to be taller by a head [ὁπότε τις φαίνοιτο ἄνθρωπος παραστὰς μέγας σμικρῷ μείζων εἶναι αὐτῇ τῇ κεφαλῇ] […]. Even clearer than this, I thought that ten was more than eight because two had been added, and that a twocubit length is larger than a cubit because it surpasses it by half its length. […] [Now] I am far, by Zeus, from believing that I know the cause of any of those things. I will not even allow myself to say that [2*] where one is added to one either the one to which it is added or the one that is added becomes two,3 or that the one added and the one to which it is added become two [4] because of the addition of the one to the other. I wonder that, when each of them is separate from the other, each of them is one, nor are they then two, but that, when they come near to one another, this is the cause of their becoming two, the coming together and being placed closer to one another. Nor can I any longer be persuaded that when one thing is divided, this division is the cause of its becoming two, for just now the cause of becoming two was the opposite. At that time it was that they came close together and one was added to the other, but now it is because one is taken and separated from the other. (Phd. 96a6–97b3, tr. Grube, in Cooper, with modifications; numbering inserted for ease of reference)

|| τότε δύο, ἐπεὶ δ’ ἐπλησίασαν ἀλλήλοις, αὕτη ἄρα αἰτία αὐτοῖς ἐγένετο τοῦ δύο γενέσθαι, ἡ σύνοδος τοῦ πλησίον ἀλλήλων τεθῆναι. οὐδέ γε ὡς ἐάν τις ἓν διασχίσῃ, δύναμαι ἔτι πείθεσθαι ὡς αὕτη αὖ αἰτία γέγονεν, ἡ σχίσις, τοῦ δύο γεγονέναι· ἐναντία γὰρ γίγνεται ἢ τότε αἰτία τοῦ δύο γίγνεσθαι. By “explanation” I mean what we should say about causes. 3 With regard to “or the one that is added” (ἢ τὸ προστεθέν, 96e9), Ebrey (forthcoming, ch. 9 n. 34) argues against keeping this phrase, which he reports is found neither in any of the mss. nor in the papyrus fragment PSI XIV 1393a (CPF 251 = OCT Π5), and is a conjecture based on a parallel with Plotinus VI 6 [34] 14.16.

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To begin, let us not assume that causes are necessary, or sufficient, or necessary and sufficient, conditions. Later, Socrates will say that materials such as are given by the natural scientists are “that without which cause could not act as a cause”, i.e., are necessary, but he says they are not causes (99b). He will count intelligence as a cause, but intelligence is not sufficient, since it cannot act as a cause without those necessary conditions.4 Similarly he will call forms, which require something to be qualified by them, ‘causes’. Again, unlike in many modern discussions about causation, Socrates’ search for causes is for the causes of types of events (thinking, growing, being larger or smaller than) rather than for token or singular events. Many commentators have remarked that the causes themselves are things rather than events5 (e.g. is it blood with which we think?), but candidate causes in [4] include addition and division, and indeed, in [1], putrefaction. We can follow the practice of many commentators and use Socrates’ list of complaints to determine his desiderata for causal accounts.6 First, and most simply, Socrates seems to want to know [1] which one of the candidate causes of natural phenomena is the cause: is it, e.g. with our blood or with air that we think, or do we think because the brain supplies perceptions, and on their basis we form memory, opinion, and then knowledge (96b)?7 [2] Second, he seems to want to know what is the subject of change, that, while somehow remaining the same, also changes? For example, when food adds flesh to flesh, why is it that

|| 4 Sattler (2018), 244–245, says that Plato’s causes are sufficient reasons, building on necessary conditions which by themselves would have allowed for a different outcome, but cause and necessary conditions together ensure that the effect in question comes about. Mackie (1965), 245–264, argues that a cause is an insufficient but necessary part of a set of unnecessary but sufficient conditions, specifying some difference-maker in a causal field. 5 E.g. Frede (1980) 223, 226; Sedley (1998) 115–116. 6 With most readers since Gallop (1975), I reject the view of Vlastos (1969), that the Phaedo is concerned with explanation more broadly rather than causation alone, and that Socrates introduces formal causes to give logical explanations and intelligence (nous) to give reasons. The explanations are in natural science, and the facts they seek to explain are physical. 7 This is not the same as assuming only one cause per change. Ebrey (2014) says that the reason Socrates rejects material causes is that he assumes one cause per change. According to Ebrey, it is also for this reason that Socrates rejects the possibility of opposites causing the same thing: when Socrates says that in the case of adding one and one, he can’t say whether the first or the second becomes two, the one-cause-per-change assumption is what rules out the answer “both” (251). But Socrates’ question at this stage isn’t which one is the cause; it’s (see next note) which one is the subject of coming to be two. As for Socrates’ alleged use of the singular in seeking the cause, the very opening description of his interest in natural science says he sought the causes (tas aitias) of each thing (96a9).

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an animal grows, rather than the food? How is that change different from when an existing animal perishes and a new animal is born or comes to be? (96c– 97a)?8 A causal account, then, should state what it is that changes, and how or by what process. [3] Third, the natural scientists’ explanations imply that something, F, is the cause of opposites, G and not-G, as when a head is that by which a big man is bigger than a smaller and also that by which he is smaller than a bigger man (96e); conversely, [4], the natural scientists’ explanations imply that opposites, F and not-F, are the causes of one and the same thing, G, as when e.g. combination is the cause of one thing becoming two, but so is division (97a–b). So causes should not be capable of causing opposite effects, and opposite things should not be causes of the same effect. In “Platonic Causes”, Sedley summarizes Socrates’ desiderata [3] and [4] for causal accounts as three ‘laws of causation’: If x causes anything to be F, then (1) x cannot be un-F, (2) x’s opposite cannot be the cause of anything’s being F, (3) x cannot cause anything to be un-F.9 As Sedley observes, these ‘laws’ support a “like causes like” conception of cause, which is obeyed by forms as causes. While this is true, I will argue (section 3) that “like causes like” isn’t Socrates’ most basic causal or explanatory principle.

|| 8 Menn (2010) argues that the core fault Socrates is identifying in his predecessors’ accounts is the lack of an account of identity-through-change. I agree that this is a fault, but not that it is the only or main one, for Socrates is clearly troubled by contradictory causes as well, and not only in Anaxagoras (according to Socrates’ autobiography he only encounters the book of Anaxagoras after he is already puzzled, 97b–c). 9 See Sedley (1998) 121. This is a fuller list than is provided in Annas (1982), which mentions only (2). It’s at least worth noting that Socrates doesn’t bring up (1) until after the introduction of forms as causes (101a–b). Further, if these laws are fundamental, then we should conclude that intelligence is the cause of goodness. But as Lennox (2001), 286, puts it, “explaining by goodness is not just one more explanation of a feature (namely goodness) possessed by a number of particulars: it is a way of explaining why particulars possess the other features they do”.

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3 Explanation by nous After the material-mechanical accounts of his predecessors had thoroughly confused him about the natural world, Socrates recounts, T2a once, having heard someone reading from a book of Anaxagoras and saying that nous10 is the orderer and cause of all things [νοῦς ἐστιν ὁ διακοσμῶν τε καὶ πάντων αἴτιος], I was pleased by this cause and it seemed to me to be good that nous is the cause of all things, and I considered that if this is how it is, then it is ordering nous that orders all things and places each thing in the manner and place that is the best [εἰ τοῦθ’ οὕτως ἔχει, τόν γε νοῦν κοσμοῦντα πάντα κοσμεῖν καὶ ἕκαστον τιθέναι ταύτῃ ὅπῃ ἂν βέλτιστα ἔχῃ]; then, if one should wish to find out the cause of each thing in what way it comes to be and passes away and is, one should find out this about it, in what way it is best for it to be or to undergo or to do anything [εἰ οὖν τις βούλοιτο τὴν αἰτίαν εὑρεῖν περὶ ἑκάστου ὅπῃ γίγνεται ἢ ἀπόλλυται ἢ ἔστι, τοῦτο δεῖν περὶ αὐτοῦ εὑρεῖν, ὅπῃ βέλτιστον αὐτῷ ἐστιν ἢ εἶναι ἢ ἄλλο ὁτιοῦν πάσχειν ἢ ποιεῖν]. From this argument it is fitting for a person to seek to know nothing else, about this and about other things, other than the best. (97b8–d3, my translation and emphases)

Notice the conditional form of Socrates’ appropriation of Anaxagoras: if intelligence is the cause of natural phenomena, then the explanation of natural phenomena should take the form of showing how they are for the best.11 For example, to explain whether the earth is flat or spherical, and why it is in the center of the world, if it is intelligence that shaped and placed it, then the explanation should say what good is served by this shape and position (97d–e; while this position secures its stability, 108e–109a, the explanation would need to say how this stability is a good). Socrates goes on to complain that the causes Anaxagoras actually cites (air, ether, water) don’t explain natural phenomena by showing how they are as they are for the best. Although you might have thought that the problems with Anaxagoras’ citing air, water and ether as causes are the same as what Socrates has just been complaining about in the previouslydiscussed natural scientists (e.g. opposites are causes of the same thing; there is no account of what stays the same and is the subject of change), what he actual-

|| 10 I will leave “nous” untranslated in quotations but translate by “intelligence” in discussion. For nous as a virtue, see Menn (1995). I’m also grateful to Stephen Menn for discussion of this passage. 11 Laks (1993) notes that given Anaxagoras’ association of nous with life and soul, including that of nonrational animals and plants, he probably thinks of its cognition as discriminating, critical, and separative (enabling the emergence of identities already in the original mixture) rather than ordering for the best.

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ly says is quite a bit different. Socrates illustrates his complaint by saying about the explanation of his own actions: T2b Indeed it seemed to me to be most like if someone were to say that Socrates does all the things he does by nous, and then when trying to say the causes of the things I do, he would say first that I am sitting here now on account of these things, because my body is composed of bones and tendons, and the bones are solid and have joints separated from each other, and the tendons are such as to tense and slacken [εἴ τις λέγων ὅτι Σωκράτης πάντα ὅσα πράττει νῷ πράττει, κἄπειτα ἐπιχειρήσας λέγειν τὰς αἰτίας ἑκάστων ὧν πράττω, λέγοι πρῶτον μὲν ὅτι διὰ ταῦτα νῦν ἐνθάδε κάθημαι, ὅτι σύγκειταί μου τὸ σῶμα ἐξ ὀστῶν καὶ νεύρων, καὶ τὰ μὲν ὀστᾶ ἐστιν στερεὰ καὶ διαφυὰς ἔχει χωρὶς ἀπ’ ἀλλήλων, τὰ δὲ νεῦρα οἷα ἐπιτείνεσθαι καὶ ἀνίεσθαι], […] having forgotten to say the true causes [ἀμελήσας τὰς ὡς ἀληθῶς αἰτίας λέγειν], that, since it seemed best to the Athenians to find me guilty, on account of this it actually seemed to me better to sit here, and more just to remain to suffer the penalty which they commanded. […] [T]hese tendons and bones would long ago be at Megara or Boeotia, carried by a judgment of the best, if I had not thought it to be more just and fine to suffer whatever penalty was ordered by the city before fleeing and running away like a slave. To call such things causes is very strange. If someone should say that without having such things, bones and tendons and however many other things I have, I would not be able to do the things that seemed best to me, he would say something true. But [to say] that I do the things I do on account of these things, and do these things by nous, but not by the choice of what is best, would be a very great heedlessness of the account. For [it is] not being able to distinguish that what is the real cause is one thing and that without which the cause could not ever be a cause is another [ἄλλο μέν τί ἐστι τὸ αἴτιον τῷ ὄντι, ἄλλο δὲ ἐκεῖνο ἄνευ οὗ τὸ αἴτιον οὐκ ἄν ποτ’ εἴη αἴτιον]. (Phd. 98c2–99b4, my translation and emphases)

Again, what Socrates says about explaining his own action is that if he acts from intelligence, then what seemed best to him must explain what he did (98c, 99a). In the imagined explanation of his sitting in prison due to the arrangement of his bones and sinews Socrates specifically objects to the conjunction of the claims that (1) he acts by intelligence and (2) the causes of what he is doing are material. Presumably this is because when someone acts by means of or from intelligence, as opposed to intelligence acting on him, or his luckily happening to do what is, independently, the best thing, he does so by exercising his judgment. So Socrates’ sitting in jail, if due to his acting with intelligence, must be due to Socrates’ correct judgment that it is best to abide by the verdict of the Athenian people. This conditional reading of Socrates’ rejection of materials and mechanisms as causes is at odds with the reading of most commentators, who assume that Socrates’ talk of intelligence arises from a commitment to the view that one

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always goes after what one believes is best (the view expressed at Protagoras 358c–d).12 For example, in his commentary, Bostock says that Socrates is supposing that a divine mind, by analogy with a human mind, has purposes or reasons for acting, on the “over-optimistic” assumption that “a man’s purpose will always be to achieve what seems best to him”.13 Likewise, nearly thirty years later, Broadie says that Socrates (rightly) thinks that bones and sinews contribute nothing to our understanding of Socrates’ sitting in prison, which is a phenomenon of ethical significance, to be understood by appeal to the agent’s logoi; the physics and chemistry of the action, she says, is irrelevant to understanding ethical phenomena but Socrates makes a mistake when he extrapolates from this to the cosmological perspective and concludes that material conditions give no explanation of cosmic facts.14 The line of reasoning common to these remarks is: [Socrates assumes that] (1) agents always do what they judge to be best; [Since] (2) what intelligent agents judge to be best really is best; [It follows that] (3) the explanation of an intelligent agents’ action is an account of how the action really is for the best. Although this would be a valid line of reasoning, Socrates doesn’t mention (1). So we might look for an alternative basis for (3) in the passage. In fact, the reasoning we find is this: [If you say of an effect that] (1*) intelligence is the cause; || 12 But my view is in agreement with Gallop (1975) 175: “This does not mean that Socrates will regard the judgements of rational agents as the only reasons ever admissible, but only that they are indicated by any appeal to ‘intelligence’ in explaining something.” Lennox’s claim that “[o]nly intelligent agents bring about certain states of affairs because they are good” (Lennox, 2001, 283) seems too strong: In a teleologically ordered world, how is it established whether my intelligence or divine intelligence is the cause? 13 Bostock (1986) 142–143. 14 See Broadie (2012) 175–176. She thinks that Plato corrects this extrapolation in the Timaeus by recognizing material conditions as cosmological causes, even if not ethical ones. While to understand human action, we can appeal to a person’s logoi and needn’t bother with physics and chemistry, we can’t get the demiurge’s logoi and so have to infer his specific purposes from considering material details.

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[Then, since] (2*) intelligence must be a cause via decision or judgment of what is best, and an intelligent decision involves a correct judgment of what is best; [It follows that] (3) the explanation of an intelligent agents’ action is an account of how this action really is for the best. (1*) and (2*) involve no commitment to what is explanatory in the absence of intelligence. This seems to me an advantage in the context of the Phaedo, which doesn’t say that (1) we always do what we judge best. Not subscribing to (1) leaves open many possibilities. Perhaps some things we do are due not to judgment or decision, but to pleasure or pain. And perhaps false or foolish judgments call for further explanation (e.g. in terms of the bodily conditions or the history that resulted in the false judgments). Nothing rules out unintelligent agents’ acting on false judgments, but neither does anything promise that by identifying the false judgment one has stated the cause. After all, ‘R judged A to be best’ will not explain my doing A if (1) I do A accidentally while trying to do B, or (2) I do B intending to do B and its (foreseen or unforeseen) consequence is A, or (3) I’m forced to do A, or (4) I do A following my teacher’s instructions. Further, ‘R judged A to be best’ may also be part of the explanation of my akratically failing to do A.15 So if non-contradictory causal power is one of the desiderata for a cause, then unintelligent judgments fail to conform to it. Some circumstantial evidence that Plato does not find a false judgment that ‘A is best’ to be a stopping point in causal accounts is that he goes out of his way to explain how false judgments arise. For example, the body’s needs fill the soul with desires of all kinds which distract it from its all-important pursuit of truth; further, sense-perceptions misrepresent reality (66b–c); in particular, the body gives rise to the false belief that only bodily things are real (81b), and the

|| 15 Peter Osorio has suggested to me that it seems to follow that intelligence is never akratic. I agree, for if intelligence produces not only actions that are in accordance with decision but also those that are contrary to decision, then not only does its causality seem contradictory, but it is also sometimes self-undermining, since decision is its instrument.

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soul can mistake the intensity of pleasures and pains for truth about the way things are (83c–d). These passages suggest that an important way in which the body contributes to foolish actions is by causing false beliefs or inhibiting the development of true beliefs. Does it imply that this is the only way? The Phaedo’s concern is with the soul’s pursuit of truth, and consequently with how the body hinders this pursuit by leading it to form false beliefs, not with how to explain actions, except incidentally in the illustration of how to flesh out explanation by intelligence. So the fact that we can’t pin it down on the question whether bodily desires result in foolish actions without first causing false beliefs needn’t commit Plato either way, either to all actions being caused by the agent’s beliefs about good and bad, or to some actions being caused by factors other than beliefs about good and bad. In addition to invoking the body’s influence to explain false judgments of what is best, Plato in other dialogues suggests that our constitutions and our upbringing can influence our beliefs. So, for example, in the Republic Socrates says that the oligarchic character steals from widows and orphans because in dealings with them, his (dispositional) belief that wealth is the ultimate good operates unchecked by caution about detection and punishment (554a–d). But then he adds a historical explanation of the false belief itself: as a young man, the oligarchic character sees his timocratic father dashed down from high office into poverty, exile, or death, and decides to secure himself by amassing wealth (553a–c). The genetic story shows how wealth could come to seem so good to someone even though it is not. Again, in the Timaeus, where folly (anoia) is the “disease of the soul” (86b2–3), one part of folly, madness, is caused by excessive pleasures and pains and is sustained by bad political constitutions (86b– 87b). If we ask ‘in what do such explanations terminate?’ the answer of the Timaeus seems to be, ‘in an account which shows the greater good that this bad thing serves or is a side-effect of’: false beliefs are a consequence of our embodiment in mortal bodies, which results in the experiences of perception and appetition which in turn distort our rational power of judgment (43a–44a, cf. 31b– c). But this embodiment was necessary for the completion of our world filled with all kinds of living things, which is a very great good indeed, and which the Timaeus tells us is the result of intelligence – not our own, of course, but the creator-craftsman-god’s. Returning to the Phaedo, where Socrates’ sitting in prison due to his intelligence is our model for what an account in terms of intelligent causation should look like, one might object to my restriction of Socrates’ claims to intelligent actions, rather than applying to all the actions of rational agents: Socrates’ ex-

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planation invokes not only his own judgment but also the Athenians’ judgment of what is better, but he surely isn’t crediting the Athenians with intelligence! In that case, Socrates must think that not only intelligent actions, but all actions, should be explained by the agent’s beliefs about what is best. But the explanandum is Socrates’ action, not the Athenians’. If the explanandum were the Athenians’ action or judgment, then ‘it seemed best to the Athenians to convict Socrates’, on the assumption that their judgment was false, would seem to stand in need of further explanation – such as we saw above in the case of the oligarch and the other vicious characters in Republic and Timaeus. In other words, it is not only explanation by nous that invokes judgment of what’s best, but explanation by nous must invoke judgment of what’s best, and in explanation by nous the judgment of what’s best will provide a complete explanation – which it will not do in the case of unintelligent actions. Now Socrates says of his bones and sinews that if he acted by intelligence, that they are not the cause of his sitting in prison but are “that without which the cause could not act as cause” (99b3–4). Thinking carefully about the relationship between an action due to intelligence and the material factors, such as bones and sinews, brings out some differences between this and a contemporary way of thinking about the relationship between the psychological and physical or decisions and their underlying biology and chemistry (in Broadie’s terms). We tend to think of the psychological and physical as describing and explaining the same events in different ways, perhaps parallel and irreducible, perhaps one reducible to the other. But Socrates is thinking of intelligence as using bones and sinews to do its bidding. In the affinity argument Socrates says that the soul is the natural ruler of the body (79e–80a), and throughout the dialogues he seems to think that the relationship of the natural ruler to the naturally ruled is one of use. This is why, for example, the kingly expertise of the Euthydemus (280c–81b) and Statesman (305d–e) is a knowledge of how to use the products and possessions of the subordinate expertises, and why in the hierarchy of expertises the user is the one who knows what the product is, and directs the maker in its production:

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T3 For each thing there are these three crafts, one that uses it, one that makes it, and one that imitates it? […] Then aren’t the virtue or excellence, the beauty and correctness of each manufactured item, living creature, and action related to nothing but the use for which each is made or naturally adapted? […] It’s wholly necessary, therefore, that a user of each thing has most experience of it and that he tell a maker which of his products performs well or badly in actual use. A flute-player, for example, tells a flute-maker about the flutes that respond well in actual playing and prescribes what kind of flutes he is to make, while the maker follows his instructions. (R. 601d1–e2, tr. Grube–Reeve, in Cooper)

Why are material factors no longer problematically contradictory in their new role as necessary conditions, as when they were contenders for cause on their own? For example, Socrates says that we should not say Socrates’ bones and sinews are the cause of his being in jail in Athens because his bones and sinews would also be causes of his being in Megara, that is, if he had judged it best to run away to Megara. Why can the same thing (bones and sinews) be necessary conditions, but not causes, of opposites (being in Athens, being in Megara)? If intelligence is modelled on craft expertise, an answer suggests itself: an expert might, for different purposes or in different circumstances, use the same materials to produce something and its opposite, or opposite materials to produce the same thing. For example, an expert potter might use some clay to make cheap but functional teacups (e.g. if clay is widely available), but also use the same clay to make exquisite and/or decorative teacups. Again, the expert mason could build a protective wall of thin pieces of slate, or bigger pieces of some other rock, depending on what sorts of destructive forces the wall is supposed to withstand, what local materials are available, and so on. Obviously, in these cases we’d need to specify more about the materials to explain how the craftsman was able to get these opposite effects out of the same material. But the context of intelligent use dispels the mystery around the apparent contradictoriness of material and mechanical necessary conditions. Our little excursus has suggested that rather than replacing material and mechanical explanation, explanation by intelligence subordinates materials and processes so that they pertain to the means by which (the ‘how’) intelligence achieves its end. But here another objection suggests itself: Socrates says that if Anaxagoras could show how each thing (the position of the earth, the movements of the heavenly bodies) is for the best, he wouldn’t seek any further cause (97e–98a). Why does he say this unless to exclude material and mechanical causes? Recall that Socrates is reserving ‘cause’ for a single item (T1 [1]), but of course he doesn’t think this single item produces everything out of itself. This is why he identifies intelligence as the cause and other factors as necessary conditions. To return to the position of the earth: on the assumption that intelli-

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gence rules the world, if I want to know why the earth is at the center, then if I’m told what good is served by the earth’s being at the center of the cosmos, I’ve received an answer. This answer won’t yet tell me how the earth came to be at the center. Still, discovering what good is served by an arrangement is a significant explanatory achievement, especially since goodness is often not a surface feature of things; further, knowledge of what it is for the sake of (stability? the possibility of astronomy?) can now direct inquiry into the process, because knowing the end provides a craftsman’s perspective on possible and optimal processes. This is another difference between taking the model for explanation by intelligence to be based on intelligent agency, modelled on craft expertise, rather than agency in general. When we ask agents why they did what they did, we should expect variability in their reasons not just because they have different ends, but because they differ in their knowledge of possible means to ends, and of how various ends should be combined and ordered in the service of the most important end(s). Saying ‘I judged it best to stay and receive the unjust death sentence’ is one thing; producing the speech of the laws in the Crito detailing all the reasons in favour of awaiting the sentence and against escaping is another; saying how awaiting this punishment fulfills Socrates’ divine mission may be still another. The difference lies not only in saying what (proximate) good is served by the action but also in saying what ultimate good, and by what means, and how those means are better than other means available. In the case of natural science, then, the determination of the good(s) served by how things are in the natural world will be constrained by knowledge of the ultimate good and how particular goods contribute to it. In the Timaeus, Timaeus fleshes out the general explanation-scheme, ‘X is/comes to be because it’s for the best, since created by an intelligent craftsman’, by showing (1) what good is achieved by this or that feature of the cosmos (including animal parts, given the creator’s end of a world full of all the kinds of living things) and (2) how this good is achieved by intelligent use of available materials. Here’s an example of (1). Why do we have eyes? According to Timaeus: T4 Our sight has indeed proved to be a cause of supreme benefit to us, in that none of our present statements about the universe could ever have been made if we had never seen any stars, sun or heaven. As it is, however, our ability to see the periods of day-and-night, of months and of years, of equinoxes and solstices, has led to the invention of number, and has given us the idea of time and opened the path to inquiry into the nature of the universe. These pursuits have given us philosophy, a gift from the gods to the mortal race whose value neither has been nor ever will be surpassed. I’m quite prepared to declare this to be the supreme good our eyesight offers us. Why then should we exalt all the lesser

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good things, which a non-philosopher struck blind would “lament and bewail in vain”? Let us rather declare that the cause and purpose of this supreme good is this: the god invented sight and gave it to us so that we might observe the orbits of intelligence in the universe and apply them to the revolutions of our own understanding [αὕτη ἐπὶ ταῦτα αἰτία, θεὸν ἡμῖν ἀνευρεῖν δωρήσασθαί τε ὄψιν, ἵνα τὰς ἐν οὐρανῷ τοῦ νοῦ κατιδόντες περιόδους χρησαίμεθα ἐπὶ τὰς περιφορὰς τὰς τῆς παρ᾽ ἡμῖν διανοήσεως]. For there is a kinship between them, even though our revolutions are disturbed, whereas the universal orbits are undisturbed. So once we have come to know them and to share in the ability to make correct calculations according to nature, we should stabilize the straying revolutions within ourselves by imitating the completely unstraying revolutions of the god. (Ti. 47a1–c4, tr. Zeyl, in Cooper, with slight modifications)

The point of having eyes is so that we can see, and the point of our ability to see is so that we can see the intelligent motions of the heavens, and the point of seeing these intelligent motions is so that we can apply them to ourselves and restore ourselves to rationality. But notice that what’s intelligent here isn’t (only) the end of restoring us to rationality, but the ingenious means (eyes that can see the intelligent movements of the heavens and make them available to our thought) to it. Socrates concludes the Anaxagoras episode in his intellectual biography by saying that since explanation by intelligence eluded him, he took up a new way of inquiring into cause: T2c But since I was deprived of this [cause] and was not able either to discover it for myself or learn it from another, do you want me to make a demonstration of the way in which, as a second voyage, I took up the inquiry into cause [τὸν δεύτερον πλοῦν ἐπὶ τὴν τῆς αἰτίας ζήτησιν], Cebes? (Phd. 99c8–d2, my translation)

Gabor Betegh has argued that the account that Socrates says he is unable to provide (T2c) is specifically a ‘tale’, a narrative telling how the current state of affairs in the physical world came to be as an intelligent solution to an original problem – for Socrates is able to give a teleological account of how things that are already in existence function for the best; he does so when, in the final myth of the Phaedo, he describes how the nature of the earth conduces to the ethical advancement of souls.16 Betegh’s argument draws on Sedley’s reading of the teleology in the myth, which requires some elaboration here.17 First, souls achieve their good condition when they are separated from the (distracting|| 16 Betegh (2011), 93–99. 17 Sedley (1990).

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from-truth) body not only by death (which is often succeeded by reincarnation) but also by philosophy (which affords a life of knowledge totally free from the body). The myth explains that the earth has a true surface above the misty hollows in which we live, and this is a place of uncorrupted beauty from which the lights of the heavens are clearly visible, a place in which philosophicallypurified souls can enjoy perceiving and knowing (110b–111c). The myth also describes the underground waters of Acheron and the pit of Tartarus into and out of which all the waters of the earth flow (112a–b); these are places of (hopefully corrective) punishment for wicked souls (113d–114a). Sedley says that in this myth, air, ether and water, to which Anaxagoras had assigned causal primacy, function in the myth as necessary conditions for the operation of real causes.18 Second, the shape and position of the earth are what they are due to the good end of making the earth stable, for the symmetry resulting from earth’s spherical shape and central position in the cosmos make it the case that it has no more reason to go one way rather than another; the (good) result is that the earth is stable. And why is it good for the earth to be stable? According to Sedley the whole cosmos is organized for the good of souls, so perhaps the idea is that having a stable earth makes it easier for us to know the nature of the cosmos than if we were in motion. Such a geometrical cause of stability is preferable to ‘unreliable’ material causes like air. Here is Socrates on the stability achieved by the earth due to its shape and position: T5 Well then […] the first thing of which I am convinced is that if the earth is a sphere in the middle of the heavens, it has no need of air or any other force to prevent it from falling. The homogeneous nature of the heavens on all sides and the earth’s own equipoise are sufficient to hold it, for an object balanced in the middle of something homogeneous will have no tendency to incline more in any direction than any other but will remain unmoved. (Phd. 108e4–109a6, tr. Grube, in Cooper)

While Sedley’s and Betegh’s claim that the different regions of the earth to which souls go serve the good of these souls seems correct, we might be skeptical that Socrates is offering a teleological account of the shape, position, and stability of the earth in the myth, and not only because he describes himself as

|| 18 See Sedley (1990) 362.

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deprived of that kind of cause (T2c).19 He does not say that the earth’s stability is a good, and the principles of the round earth’s equipoise on all sides and the heavens’ homogeneity all round could be geometrical, or mechanical (especially if we think the heavens are full of ether, offering equal resistance all round). But before turning to that, I want to provide two reasons against Betegh’s claim that what Anaxagoras and Socrates can’t deliver is an account of how things come to be, as opposed to how they are, for the best. While Betegh’s distinction between saying how things are for the best and how they come to be for the best is important, it seems to me that Socrates can do neither. First, in T2a (97b8–d3) what Socrates hopes from Anaxagoras is just an account of how things are for the best, not how they came to be (it is irrelevant that Anaxagoras in fact gave a narrative; that is not what Socrates asks for from him). Second, Socrates himself identifies a different shortcoming in his own account at the end of the Phaedo: he doesn’t have knowledge of, and can’t prove the truth of, the things he believes about the world (108d, 114d) – although he is willing to share some of what he believes about it, and some of what he believes is that the structure of the earth serves our good. Nevertheless Betegh is right that a teleological account of coming to be would need to say more than a teleological account of what is, and, I want to note, even if such a more demanding account need not be a ‘tale’, it does need an account of the means used by intelligence to achieve its end. A full account of how intelligence brings about good things should include its reasoning about the materials and processes it uses. For a craftsman knows not only the good end he should produce but the best means by which to produce it.20

4 Knowing Your Stuff I now want to argue that the hypothesis of Forms as causes, which Socrates describes next in his intellectual autobiography, takes the first steps towards giving this fuller account of how intelligence brings about good things, focusing on the nature of the means or materials at intelligence’s disposal. Socrates de-

|| 19 In this I agree with Fine (1990), 387. Fine adds that Socrates’ dissatisfaction with the natural scientists’ material accounts doesn’t commit him to thinking all material accounts are equally bad (386). In the next section, I take Fine’s point a step further. 20 Cf. Grg. 464c–465a on the difference between craft and experience (empeiria): the former aims at some good, knowing the nature of the things it brings to bear (prospherei) to achieve that good.

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scribes this method as a “second voyage” (deuterous plous, 99c9–d1), which indicates a second-best (Statesman 300c1 uses the same expression for the constitution ruled by law instead of expertise, and Philebus 19c for self-knowledge if one is not wise about everything). According to Menander (fr. 183 PCG VI 2; fr. 205 Körte / Thierfelder II) the expression refers to pulling out the oars when the wind has failed. When the wind fails, one rows in the same direction21 as one was previously sailing in, but one’s progress is painfully slow. This encourages us to see how Socrates’ method might contribute to explanation by intelligence, a topic to which I’ll turn in a moment. But first, what exactly is Socrates’ method? Socrates says that after his disappointment with Anaxagoras, because he feared ‘blindness’ from looking at things through his senses, he decided to look at them through logoi, or statements (99e1–6), which led him to the following method for inquiring into causes: T6a It seems to me that, if there is anything beautiful besides the Beautiful itself, it is beautiful for no other reason than that it shares in that Beautiful, and I say so with everything. […] I no longer understand or recognize those other sophisticated causes, and if someone tells me that a thing is beautiful because it has a bright color or shape or any such thing, I ignore these other reasons – for all these confuse me – but I simply, naively and perhaps foolishly cling to this, that nothing else makes it beautiful other than the presence of, or the sharing in, or however you may describe its relationship to that Beautiful we mentioned, for I will not insist on the precise nature of the relationship, but that all beautiful things are beautiful by the Beautiful [ὅτι οὐκ ἄλλο τι ποιεῖ αὐτὸ καλὸν ἢ ἡ ἐκείνου τοῦ καλοῦ εἴτε παρουσία εἴτε κοινωνία εἴτε ὅπῃ δὴ καὶ ὅπως †προσγενομένη· οὐ γὰρ ἔτι τοῦτο διισχυρίζομαι, ἀλλ᾽ ὅτι τῷ καλῷ πάντα τὰ καλὰ [γίγνεται] καλά]. That, I think, is the safest answer I can give myself or anyone else. And if I stick to this I think I shall never fall into error. (Phd. 100c4–e1, tr. Grube, in Cooper, with modifications)

Socrates introduces the Form, some F-itself, as the cause (by ‘participation’ or some such relation) of a thing’s possession of the property, F, to the extent that it is F, rather than not-F (F’s opposite). So, for example, if a body of water is hot, that is because it participates in the Hot. The ‘safety’ but lack of sophistication of this method explains why it is second best (inferior to intelligence but superior to the causes of the natural scientists). So long as he says the Beautiful (Tall, || 21 Fine (2003), 375, and Gallop (1975), 176, say ‘same destination’, i.e. the cause of generation and corruption (αἰτίας γενέσεως καὶ φθορᾶς); Hackforth (1955), 132, and Vlastos (1969), 297– 298 n. 15, say ‘different’, i.e., not teleological causes. However, I argue above that the ‘second voyage’ is still going in the direction of giving a teleological account.

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Hot) is the cause of beautiful things’ beauty (tall things’ tallness; hot things’ hotness), Socrates will avoid the contradictions of the natural scientists. But Socrates also calls his invocation of this kind of cause simple and unsophisticated, which I suggest is because it defers explanation until (1) he has an account of the Beautiful (Tall,22 Hot) itself and (2) he determines which things participate in the Beautiful (Tall) itself, and to what extent and under what circumstances.23 Socrates continues: T6b Now it seems to me that not only Tallness itself is never willing to be tall and short at the same time, but also that the tallness in us will never admit the short or be overcome, but one of two things happens: either it flees and retreats whenever its opposite, the short, approaches, or it is destroyed by its approach. It is not willing to endure and admit shortness and be other than it was, whereas I admit and endure shortness and still remain the same person and am this short man. (Phd. 102d6–103e5, tr. Grube, in Cooper)

The hypothesis of Forms as causes and the fact that these Forms are opposites allows Socrates to give an account of relations and changes: because F and notF logically exclude one another, a thing’s coming-to-be F is also a case of F’s driving out the not-F that thing formerly participated in. If the water cools, that is the case of the cold in the water driving out the hot. Further, talk of the advance and retreat of these forms ‘in us’ introduces a subject of change: it is we who come to be tall from being short, or beautiful from being ugly. From this ‘safe’ cause, Socrates now develops the notion of a nature in terms of the Forms necessary to the existence of a certain kind of subject: T6c [N]ot only do those opposites not admit each other, but this is also true of those things which, while not being opposite to each other yet always contain the opposites, and it seems that these do not admit that Form which is opposite to that which is in them [ἐναντία ἔχει ἀεὶ τἀναντία, οὐδὲ ταῦτα ἔοικε δεχομένοις ἐκείνην τὴν ἰδέαν ἣ ἂν τῇ ἐν αὐτοῖς οὔσῃ ἐναντία ᾖ]; when it approaches them, they either perish or give way. (Phd. 104b7–c1, tr. Grube, in Cooper)

T6c distinguishes two kinds of cases of subjects’ participation in Forms: in one case, the subject can tolerate participating in two opposites, as Socrates, can be tall or short, hot or cold; in the other case, one of the opposites is necessary to the subject’s existence, and the subject cannot survive the advance of the other || 22 However, Sedley (1998), 132, says ‘tall’ is given an account: ‘the capacity to exceed’. This account says what the power of the Tall, qua tall, is, or what effects it has on other things. 23 As Lennox (2001), 286, points out, Forms give no account of order and unity.

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opposite, as the number 3, being necessarily odd, cannot survive the advance of the even, and fire, being necessarily hot, cannot survive the advance of the cold. Participation in Forms is now used to describe the powers (and limits) of natural things to be changed, both changes they can undergo while continuing to exist and changes that entail their perishing. Simmias, at one time short, has the power to become tall; fire, on the other hand, does not have the power to become cold, but retreats or perishes at its advance. Finally, Socrates builds on his “safe” causes to construct a “more sophisticated” (105c2) cause: T6d I say that beyond that safe answer, which I spoke of first, I see another safe answer. If you should ask me what, coming into a body, makes it hot, my reply would not be that safe and ignorant one, that it is heat, but our present argument provides a more sophisticated answer, namely, fire [εἰ γὰρ ἔροιό με ᾧ ἂν τί ἐν τῷ σώματι ἐγγένηται θερμὸν ἔσται, οὐ τὴν ἀσφαλῆ σοι ἐρῶ ἀπόκρισιν ἐκείνην τὴν ἀμαθῆ, ὅτι ᾧ ἂν θερμότης, ἀλλὰ κομψοτέραν ἐκ τῶν νῦν, ὅτι ᾧ ἂν πῦρ], and if you ask me what, on coming into a body, makes it sick, I will not say sickness but fever [ᾧ ἂν σώματι τί ἐγγένηται νοσήσει, οὐκ ἐρῶ ὅτι ᾧ ἂν νόσος, ἀλλ᾽ ᾧ ἂν πυρετός]. (Phd. 105b6–c4, tr. Grube, in Cooper)

In T6, in place of the safe and ignorant causes, ‘heat’ for hot bodies and ‘sickness’ for sick bodies, Socrates gives the cleverer causes ‘fire’ and ‘fever’. Fire and fever are natural things that ‘must bring heat along with them’, and so have the power to heat, or the power to sicken, bodies that are suitable patients to heat or sickness. But these are sufficient conditions rather than necessary conditions for their effect: fire of heating, fever of sickness.24 The case of fire shows us how to understand Socrates’ saying in T6a that he won’t admit that anything other than the Beautiful-itself is a cause of beauty, not color or shape or anything else (100c–d). “Anything other than the Beautiful-itself” (100c4–5) rules out color and shape, which are not always beautiful, but if there is anything in nature that is always beautiful, as fire in nature is always hot, it will bring the Beautiful-itself along with it.

|| 24 Following Ross (1951), 33, Hackforth (1955), 161, complains that by this the answer loses its universality since fever is not the only thing that brings sickness. Gallop (1975), 211, points out that fever is sufficient for sickness but so is hypothermia. Rowe (1993), 259, doubts it that Socrates’s claim is meant seriously, since it would give the cause of a species of sickness as the cause of the genus. But at Ti. 86a ‘fever’ seems to be the result of excesses of either fire, air, water, or earth (in the primary or secondary constitution) – so perhaps ‘fever’ is some sort of connate evil of the body. See the valuable discussion in Patterson (2018), 295–296.

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Now it would seem that the operation of intelligence would need to know at least these features of the natural world, insofar as they regulate the possible changes that natural things can undergo and do.25 If intelligence (say in expertise in ice sculpting) is to use fire and ice to make an ice sculpture, it will have to know that fire both cuts and heats ice, and that heated ice melts, so that it can make an ice sculpture rather than a puddle. This ‘more sophisticated’ answer applies not only to natural materials, but also to mathematical properties. Another case of something that always ‘brings along’ an opposite with it is the 3, which always brings the odd along with it and so always excludes the even or ceases to be if it must admit the even (104a–b).26 To put the upshot of T6c and T6d in Aristotelian terms, we have here a sketch of simple necessity (Phys. II 9, 200a15–16): Aristotle says that necessity in mathematics is similar to necessity in natural things. Just as it belongs to a heavy body to fall earthward, given its nature, so too, given the definition of a straight line, it is necessary that the angles of a triangle should equal two right angles. In Plato’s terms, the necessary properties that flow from the nature or definition of a thing are “always brought along with” that thing. And some of these are opposites, allowing us to use logical relations, such as opposition and making like or assimilation, to explain their coming to be and perishing and affecting and being affected by other things. Once we see that formal, material, and geometrical properties are all cases of ‘simple necessity’, we can see that T5, in explaining the earth’s stability by (1) its round shape, which is equally balanced (isorrhopon, Phd. 109a4) in every direction, and (2) its central position in a homogeneous (homoiotêta, homoiou, 109a2–4) heaven, uses not only (as Sedley claims) a ‘better’ because ‘more reliable’ immaterial, geometrical principle (rather than e.g. a cushion of air to rest on), but also the notion of ‘simple necessity’ or ‘bringing along’ from T6c and T6d’s discussion of ‘more sophisticated’ causes. The principle of symmetry or indifference principle which has the effect of keeping the earth stable is not only geometrical but also mechanical. So we can say that the stability achieved by the symmetry or indifference of a round earth in the middle of a homogeneous

|| 25 Phlb. 23c–30e gives a highly abstract account of how intelligence is cause and ruler by imposing limit on unlimited more-and-less. 26 Perhaps it’s not the number but the figure, triangle, whose exclusion of the even is relevant.

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cosmos depends on the nature of the sphere, what it is to be in the centre, and what happens in homogeneous mediums.27 Still, even on this more generous interpretation of Socrates’ more sophisticated causes as invoking the relations of necessary properties and their oppositions, it’s hard to see what scientific progress can be made without the sort of reductive account that we get in the Timaeus, where to explain the genesis and properties of the primary bodies fire, air, earth and water, Timaeus invokes the properties of the atomic triangles that make up these bodies. For example, fire is a pyramid made up out of scalene triangles; its small size and sharp angles are the cause of its mobility and keenness, and the latter is felt as heat when the keen fire-bodies divide up the flesh (54a–62e). Timaeus calls these properties ‘necessary’ and says that God ‘takes them over’ and uses them as subservient (huperêtousais) causes (68e1–5). As has been noted by many commentators, the Timaeus seems to promote the necessary conditions of the Phaedo to the status of subservient or contributory causes (sunaitiai).28 For example, before explaining that the good served by the eyes is to enable us to see the movements of the heavenly bodies and thereby to do astronomy and thereby to become rational ourselves, Timaeus gives an account of how we see: T7a The eyes were the first of the organs to be fashioned by the gods, to conduct light. The reason why they fastened them within the head is this [τοιᾷδε ἐνδήσαντες αἰτίᾳ]. They contrived that such fire as was not for burning but for providing a gentle light should become a body, proper to each day. Now the pure fire inside us, cousin to that fire, they made to flow through the eyes: so they made the eyes – the eye as a whole but its middle in particular – close-textured, smooth and dense, to enable them to keep out all the other,

|| 27 Anaximander says that the earth is stable because of its position at the centre, a similar distance from all points on the extremes, so that, it being impossible to move in different directions, it stays fixed by necessity (Aristotle Cael. II 13, 295b10–16 = DK 12 A 26). He seems, however, to think that the earth’s shape is cylindrical rather than spherical (Ps.–Plutarch Strom. 2 = DK 12 A 10; Hippolytus Ref. I 6,3 = DK 12 A 11). 28 Johansen (2004), 104–106, argues that the promotion of necessary conditions to contributory causes is made possible by the Timaeus’ identification of the primary, intelligent cause in the intentions of the demiurge, failing which none of the necessary conditions can be causes of any kind, since a contributor requires a primary cause to contribute to. (He also claims that the Phaedo doesn’t allow us to distinguish between instrumental necessity and what we’ve above called simple necessity.) But Socrates’ very locution, “that without which a cause could not be a cause” (99b2–3) indicates one thing enabling another and thereby suggests that the second might use the first. A better explanation is suggested by Socrates’ willingness to call Forms causes in the Phaedo: Forms identify the causal powers in materials that intelligence uses, and it’s those causal powers that are called ‘contributory causes’ in the Timaeus.

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coarser stuff, and let that kind of fire pass through pure by itself. Now whenever daylight surrounds the visual stream, like makes contact with like and coalesces with it to make up a single homogeneous body aligned with the direction of the eyes. This happens wherever the internal fire strikes and presses against an external object it has connected with. And because this body of fire has become uniform throughout and thus uniformly affected, it transmits the motions of whatever it comes in contact with as well as of whatever comes in contact with it, to and through the whole body until they reach the soul. This brings about the sensation we call “seeing.” (Ti. 45b2–d3, tr. Zeyl, in Cooper)

He hastens to add that this account has been of the “contributory causes”, not primary cause, of sight:29 T7b. Now all of the above are among the contributory causes employed in the service of the god as he does his utmost to bring to completion the character of what is most excellent. But because they make things cold or hot, compact or disperse them, and produce all sorts of similar effects, most people regard them not as contributory causes, but as the actual causes of all things. Things like these, however, are totally incapable of possessing any account or intelligence about anything. (Ti. 46c7–d4, tr. Zeyl, in Cooper, slightly modified)

The last sentence suggests that the reason that contributory causes like fire, which can heat and disperse, nonetheless can’t be causes is that being a cause requires having intelligence. As the Phaedo said programmatically, and the Timaeus elaborates, this is because intelligent agency uses what there is (e.g. the fire within us, and the gentle fire outside of us) in a good-directed way (e.g. to make an eye capable of seeing). As intelligence in a particular craft can explain why its product is composed as it is, given the available materials, divine intelligence can explain why the cosmos as a whole and its parts are composed as they are, given the traces in the receptacle and the Forms of the living-thingitself that are its raw materials. Further, as intelligence in a craft explains why the maker makes the product (it’s good), so too, divine intelligence explains why the cosmos comes to be as it does. Intelligence both explains and originates.

|| 29 Broadie (2012), 180–181, complains about the misfit between the contributory cause account of vision, according to which we don’t see at night, and the purpose of vision, which is astronomy, done at night.

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5 Intelligent Human Action What happens when we apply the craft model for natural science from the Phaedo and Timaeus to human action, rather than thinking that all human action is based on what seems best to the agent, with the intelligent agent tracking the truth about what is best? In closing and by way of gesturing at future research, I’d like to suggest that applying the craft model distinguishes the agent from the character, and treats the character as among the materials to be used and improved by the action, rather than as only what is expressed or manifested by action. In the Republic, Socrates proposes this in his explanation of the lesson of the Myth of Er (618b–e): in order to make ourselves more just, we must always make our choices bearing in mind how things like wealth or poverty or political office combine with our natural assets like beauty or ease in learning to affect the condition of our soul (618b–e). We do not just make these choices ‘in character’, so to speak, but stand back from them and regard them as among the resources out of which we can make our future character. Similarly, in Books I–II of the Laws, the Athenian describes each of us as a puppet of the gods, our limbs moved by internal cords, a golden (flexible but weak) cord of calculation and several other cords, including pleasure and pain, and fear and confidence (stronger than the golden cord, but also less flexible). This image is supposed to help us with the inculcation of virtue, particularly self-control (644b–c, 645b), and to understand that to cultivate virtue we must pull along with calculation, which, when it is a public power in the city, is law (644d–645a). The Athenian illustrates with the institution of the symposium, which can be used to get mature men drunk in order to safely test their behavior when reason has abandoned them; those that misbehave are shamed by the leader of the symposium so that in the future they feel anticipatory shame when they imagine future wrongdoing. Now their anticipatory shame ‘pulls on the side of reason’, against temptation and daring (671a–672a). But one can also take this sort of evaluative and controlling managerial attitude towards oneself. If it’s the lawgiver or leader of the symposium that organizes the circumstances for me to practice shame and learn to follow reason, then it’s their intelligence directing my development; if it’s me myself, then I – qua shaper of my future character – am the intelligent agent. In both cases intelligence consists in part in knowing the ‘matter’ not only of my circumstances but also of my character – its capacities and tendencies – and knowing how they can be best combined to produce a good end. Of course how I act now, even if it is to shape my character in the future, is an expression of my character (now). But while that character will

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undergo change under the guidance of intelligence, the intelligence will not, and can be conceived of as cause – both good-maker and origin – of my character coming to be what it will be.

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Sebastian Odzuck

Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen Die Erklärung menschlichen Handelns in Platons Phaidon

1 Überblick Mein Beitrag konzentriert sich auf die Diskussion einer Passage aus Platons Dialog Phaidon. In dieser Passage, die einen der Anfangspunkte der philosophischen Reflexion menschlichen Handelns markiert, lässt Platon seinen Sokrates grundlegende Überlegungen zu der angemessenen Erklärung von Handlungen anstellen und gibt dabei, so meine These, entscheidende Einblicke in den von ihm an dieser Stelle zugrunde gelegten Begriff der Handlung. Meine Untersuchung der Passage ist von den folgenden zwei Fragen geleitet: Erstens, was können wir über menschliches Handeln lernen, wenn wir Sokrates’ Diskussion ernst nehmen? Und zweitens: Darf die Passage überhaupt als Darstellung von Überlegungen zur menschlichen Handlung allgemein gelesen werden? Letzteres wird zwar in der Literatur normalerweise ohne Weiteres vorausgesetzt, ist aber, wie ich zeigen werde, keineswegs selbstverständlich. In Antwort auf diese Fragen argumentiere ich für die folgenden drei Thesen: Erstens zeige ich, dass die Passage sehr gut als Diskussion grundlegender Charakteristika menschlichen Handelns gelesen werden kann. Zweitens argumentiere ich, dass Sokrates’ Ausführungen zufolge menschliches Handeln als prinzipiell rational, genauer gesagt als zweckrational, aufzufassen ist, und zwar insofern als ein Akteur normalerweise diejenige Handlung wählt, die ihm für die Realisierung seines Ziels am besten geeignet zu sein scheint. In diesem Sinne, so meine These weiter, sind auch solche Handlungen als grundlegend rational zu betrachten, die wir in anderer Hinsicht als nicht besonders vernünftig oder gar irrational bezeichnen würden, wie beispielsweise die Handlung eines Terroristen. Meine dritte These lautet, dass dies wiederum zeigt, dass Platons Sokrates in dieser Passage den Ausdruck nous (Vernunft) im Gegensatz zu einer

|| Anmerkung: Dieser Aufsatz entstammt der Arbeit an einem größeren Projekt zu Platons Handlungstheorie, für dessen großzügige Förderung durch die DFG und den DAAD ich mich an dieser Stelle bedanken möchte. https://doi.org/10.1515/9783110735598-004

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prominenten Deutung, in einem allgemeinen und nicht-terminologischen Sinn gebraucht, der für den Leser Platons auf den ersten Blick eher ungewohnt zu sein scheint, bei Platon aber an vielen Orten Verwendung findet.1 Um dies zu zeigen, gehe ich grob gesagt folgendermaßen vor. Nachdem ich in einem ersten Schritt einen kurzen Blick auf den Kontext der Passage aus dem Phaidon werfe (Abschnitt 2), konzentriere ich mich im Anschluss daran auf Sokrates’ Untersuchung der Frage nach der angemessenen Erklärung menschlicher Handlungen und entwickle einen ersten Deutungsvorschlag (Abschnitte 3 & 4). Wie ich dann darstelle, lassen sich gegen diese Deutung allerdings zwei schwerwiegende Einwände erheben (Abschnitt 5). In der Diskussion der beiden Einwände entwickle ich die drei genannten Thesen und zeige, dass die beiden Einwände letztlich keine Gefahr für meine Lesart darstellen (Abschnitte 6 & 7). Abschließend fasse ich die Ergebnisse meiner Untersuchung kurz zusammen und komme zu dem Schluss, dass den Überlegungen zufolge, die Platon seinen Sokrates im Phaidon anstellen lässt, menschliches Handeln grundlegend als rational zu denken ist (Abschnitt 8).

2 Der naturphilosophische Kontext Bei der Passage, in der Sokrates Überlegungen zur angemessenen Erklärung menschlicher Handlungen anstellt und auf deren Diskussion ich mich in diesem Aufsatz konzentrieren werde, handelt es sich um einen Auszug aus der sogenannten Autobiographie des Sokrates aus Platons Phaidon, genauer gesagt um den Auszug 98b7–99b6 dieses Dialogs. Als solcher ist die Passage Teil von Sokrates’ Antwort auf Kebes’ geäußerten Einwand gegen Sokrates’ zuvor in 95a– 102a3 präsentiertes Argument für die Unsterblichkeit der Seele. Kebes’ Einwand zufolge hat Sokrates mit seinem Argument zwar gezeigt, dass die Seele nicht mit dem Tod des Körpers vergehe, nicht jedoch, dass die Seele auch unsterblich sein müsse.2 Um diesem Einwand angemessen begegnen zu können, ist es Sokrates zufolge notwendig die aitia, d.h. die Ursache oder den Grund von „Entstehen und Vergehen überhaupt zu untersuchen“3 – und das ist es dann auch, was Sokrates

|| 1 Für diese Deutung siehe Kamtekar (2017), Kap. 6.3. 2 Siehe dazu Phd. 88a1–b8. 3 Für Texte aus dem Phaidon verwende ich die von mir teils leicht modifizierte Übersetzung Eberts, im Falle anderer Werke Platons von mir angepasste Übersetzungen Schleiermachers.

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in seiner sogenannten Autobiographie tut.4 Dabei legt Sokrates zunächst dar, weshalb die Antworten, die die Naturforscher seiner Zeit auf die Frage nach der aitia gegeben haben, als unbefriedigend zu betrachten sind. Mit Hilfe der Diskussion der Frage, wie menschliches Handeln angemessen zu erklären ist, zeigt er im Anschluss daran, weshalb auch die Naturphilosophie des Anaxagoras keine angemessene Antwort auf diese Frage bieten kann. Damit ist klar, dass die Diskussion menschlichen Handelns im Phaidon im Kontext einer Untersuchung aus dem Bereich der Naturphilosophie stattfindet. Die Literatur zu dieser Passage und ihrem größeren Kontext konzentriert sich weitgehend auf die Diskussion des Begriffs der aitia und dessen Beziehung zu Sokrates’ Verweis auf die Ideen, den er später vorzunehmen scheint.5 Für meinen Zweck reicht es an dieser Stelle allerdings aus, von dem Grundverständnis des Begriffs aitia auszugehen, das von Sokrates in dem für uns hier relevanten Teil des Phaidon vorausgesetzt wird. Im Zusammenhang mit unserer Passage wird aitia oftmals mit „Ursache“ oder „Grund“ übersetzt, und auch ich werde beide Wörter verwenden, wenngleich hierbei zu beachten ist, dass das griechische aitia einen weiteren Begriffsumfang hat als unser moderner Begriff der Ursache.6 Folgt man beispielsweise Ausführungen aus Platons Gorgias, dann lässt sich sagen, dass eine Person, die die aitia einer Sache y kennt, über Wissen von y verfügt und angemessen Auskunft über die Natur von y geben kann.7 Diese Person kann mit anderen Worten alle entscheidenden Fragen zu y beantworten und erklären, weshalb y genauso ist, wie sie ist, und nicht etwa anders. Dazu passt auch Vlastos’ Verständnis, dem zufolge x die aitia von y ist, wenn y wegen x geschehen ist, geschieht oder der Fall ist, und es ist in diesem Sinne, dass eine aitia, d.h. eine Ursache oder ein Grund, wie von Bostock angemerkt, zunächst als die Antwort auf eine Warum-Frage aufgefasst werden

|| Bei der hier zitierten Stelle handelt es sich um Phd. 95e10–11: δεῖ γὰρ περὶ γενέσεως καὶ φθορᾶς τὴν αἰτίαν διαπραγματεύσασθαι. 4 Für die fiktive Autobiographie des Sokrates siehe Phd. 96a8–99d3. 5 So beispielsweise bei Vlastos (1969), Rowe (1993), Sedley (1998), Sharma (2009) und Ebrey (2014). 6 So verwenden beispielsweise Schleiermacher, Rufener (1958) und Ebert (2004) sowohl „Ursache“ als auch „Grund“ zur Wiedergabe des griechischen aitia. Burnet (1911), ad loc., Hackforth (1955), Grube (1977), und Sedley/Long (2010) übersetzen aitia im Englischen mit „cause“, wohingegen Vlastos (1969) und Gallop (1975) diese Übersetzung wegen des zu begrenzten Bedeutungsumfanges ablehnen und stattdessen weitgehend mit „reason“ arbeiten. Zu dieser Diskussion siehe zum Beispiel Vlastos (1969) 292–296. 7 Siehe Grg. 464c–465b.

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kann.8 Um ein Beispiel zu nennen: Wenn ich also wissen oder verstehen will, warum eine Person das tut, was sie tut, und sie einen Text liest, der sich mit einem Werk des Philosophen Platon beschäftigt, dann frage ich nach der aitia ihrer Handlung.

3 Falsche aitiai des Handelns Wie ich gezeigt habe, entstammt die Textpassage aus dem Phaidon, die ich gleich genauer untersuchen werde, dem Kontext der Diskussion einer naturphilosophischen Frage. Genauer gesagt will Sokrates an dieser Stelle zeigen, dass die aitiai oder Gründe, mit deren Hilfe Anaxagoras die Ordnung der Welt erklärt, unangemessen sind – und das, obwohl Anaxagoras laut Sokrates grundsätzlich davon ausgeht, die aitia von allem liege in einem die Welt ordnenden Grundprinzip, dem nous oder der Vernunft, eine Annahme, die Sokrates selbst erst einmal durchaus attraktiv erscheint.9 Problematisch ist für Sokrates allerdings, dass Anaxagoras keinen angemessenen Gebrauch von diesem Prinzip des nous macht und stattdessen de facto andere Dinge als aitiai betrachtet, die seiner Auffassung nach gar keine sind. Kurz gesagt ist Sokrates enttäuscht, weil Anaxagoras anders als erwartet keine teleologische Erklärung der Natur bzw. des Kosmos vorlegt.10 Um dies zu verdeutlichen, bringt Sokrates Beispiele aus dem Bereich des Handelns ins Spiel. Laut Sokrates könne man auch in Bezug auf diese Beispiele – analog zum Bereich der Erklärung des Kosmos – wahre aitiai von solchen unterscheiden, die nur fälschlicherweise als Gründe oder Ursachen (aitiai) betrachtet werden. Ein Beispiel für die Angabe falscher Gründe wäre für Sokrates etwa der folgende Fall: T1 Ich hatte den Eindruck, dass es ihm ging wie jemandem, der sagt, dass Sokrates alles, was er tut, mit Vernunft tut, und anschließend versucht, die Gründe für mein Handeln im einzelnen anzugeben, und dann erklären würde, zunächst, dass ich jetzt deswegen hier sitze, weil mein Körper aus Knochen und Sehnen besteht, weil die Knochen kompakt und durch Gelenke voneinander getrennt sind, und weil die Sehnen, die angezogen und gelo-

|| 8 Siehe Vlastos (1969) 293 bzw. Bostock (1986) 135. 9 Siehe beispielsweise Phd. 97c1–2: „dass in der Tat die Vernunft alles ordne und für alles ursächlich sei“ (ὡς ἄρα νοῦς ἐστιν ὁ διακοσμῶν τε καὶ πάντων αἴτιος). 10 Siehe z.B. Bostock (1986) 143–146, Ebert (2004) 345–347, Frede (2005) 115–119 und Horn (2011) 127–128.

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ckert werden können, die Knochen umkleiden zusammen mit den Fleischpartien und der Haut, die sie zusammenhält. Da nun die Knochen in ihren Gelenken hängen, setzen mich die Sehnen, nehme ich an, durch Lockerung und Anspannung in die Lage, jetzt meine Gliedmaßen zu krümmen, und aus diesem Grunde hocke ich hier mit zusammengekrümmten Gliedmaßen.11 (Phd. 98c2–d6)

Text T1 beschäftigt sich mit der Frage, worin der Grund (aitia) einer jeden Handlung von Sokrates (tas aitias hekastôn hôn prattô) besteht, wenngleich Sokrates an dieser Stelle auf ganz konkrete Beispiele dessen verweist, was er tut. Die in Text T1 dargelegte Möglichkeit einer Erklärung seines Tuns mit Verweis auf einzelne seiner Körperteile und ihre Beschaffenheit scheint für Sokrates allerdings unangemessen, da sie die wahren Gründe dieses Tuns nicht nennt (amelêsas tas hôs alêthôs aitias legein).12 Wie wir später in T3 und in einer weiteren Textpassage sehen werden, müssen diese physiologischen Gegebenheiten eher als notwendige Bedingungen betrachtet werden, die erfüllt sein müssen, damit wir das tun können, was uns gut erscheint. Mit anderen Worten, die Tatsache, dass wir einen Körper haben, der aus bestimmten Bestandteilen zusammengesetzt ist und eine spezifische Beschaffenheit hat, ist zwar eine notwendige, nicht jedoch eine hinreichende Bedingung dafür, dass wir so handeln, wie wir handeln.13

4 Die Vorstellung des Besten als Grund der Handlung Im Gegensatz zu dem, was im Sinne des Anaxagoras als aitia des Handelns aufzufassen wäre, liegt der wahre Grund für Sokrates’ Tun allerdings darin,

|| 11 καί μοι ἔδοξεν ὁμοιότατον πεπονθέναι ὥσπερ ἂν εἴ τις λέγων ὅτι Σωκράτης πάντα ὅσα πράττει νῷ πράττει, κἄπειτα ἐπιχειρήσας λέγειν τὰς αἰτίας ἑκάστων ὧν πράττω, λέγοι πρῶτον μὲν ὅτι διὰ ταῦτα νῦν ἐνθάδε κάθημαι, ὅτι σύγκειταί μου τὸ σῶμα ἐξ ὀστῶν καὶ νεύρων, καὶ τὰ μὲν ὀστᾶ ἐστιν στερεὰ καὶ διαφυὰς ἔχει χωρὶς ἀπ’ ἀλλήλων, τὰ δὲ νεῦρα οἷα ἐπιτείνεσθαι καὶ ἀνίεσθαι, περιαμπέχοντα τὰ ὀστᾶ μετὰ τῶν σαρκῶν καὶ δέρματος ὃ συνέχει αὐτά· αἰωρουμένων οὖν τῶν ὀστῶν ἐν ταῖς αὑτῶν συμβολαῖς χαλῶντα καὶ συντείνοντα τὰ νεῦρα κάμπτεσθαί που ποιεῖ οἷόν τ’ εἶναι ἐμὲ νῦν τὰ μέλη, καὶ διὰ ταύτην τὴν αἰτίαν συγκαμφθεὶς ἐνθάδε κάθημαι. 12 Phd. 98e1. 13 Bei Text T3, den ich weiter unten genau betrachten werde, handelt es sich um Phd. 99a5– b2. Eine weitere Passage, in der Sokrates explizit auf diesen Zusammenhang hinweist, ist 99b3–4. Auch Kauffmann (1993), 168–169, sowie Ebert (2004), 347, beziehen sich in Bezug auf diese Passage auf die Unterscheidung zwischen notwendiger und hinreichender Bedingung.

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T2 dass es nämlich, weil es den Athenern besser schien, mich zu verurteilen, es deswegen auch mir besser schien, hier zu sitzen, und rechtmäßiger, hier zu bleiben und das Urteil anzunehmen, das sie verhängen würden. Denn beim Hunde, diese Sehnen und Knochen wären, wie ich glaube, schon längst weg nach Megara oder zu den Böotern, in Bewegung gesetzt von einer Vorstellung des Besten, wenn ich es nicht für gerechter und schöner gehalten hätte, anstatt zu fliehen und wegzulaufen, das Urteil der Stadt anzunehmen, wie immer sie es fällen würde.14 (Phd. 98e1–99a4)

Auch wenn ich zu dieser Passage später noch mehr sagen werde, ist diesen Ausführungen zufolge die Frage, weshalb sich die Körperteile tatsächlich bewegen oder eben gerade nicht bewegen, erst mit Blick auf eine „Vorstellung des Besten“ (doxa tou beltistou) zu beantworten. So spricht Sokrates in T2 von einer doxa tou beltistou, aufgrund derer seine Knochen und sein Körper als Ganzes normalerweise in Bewegung gesetzt worden wären, um Athen und der Vollstreckung seines Todesurteils zu entfliehen.15 Allerdings war es letztlich nicht diese Vorstellung des Besten, die sein Handeln leitete, sondern die Ansicht, es sei besser, zu bleiben und sich seiner Strafe zu stellen. Denn wie Sokrates in T2 explizit ausführt: „mir schien es besser“ (emoi beltion au dedoktai), „hier zu sitzen, und rechtmäßiger, hier zu bleiben und das Urteil anzunehmen, das sie verhängen würden“.16 Diese Vorstellung (doxa), erklärt, warum Sokrates Athen und seiner Strafe nicht entflieht, obwohl bereits alles dafür von seinen Freunden vorbereitet worden ist, wie wir aus dem Dialog Kriton wissen.17 Etwas irritierend ist, dass Sokrates hier einerseits unter Verwendung des Superlativs von einer „Vorstellung des Besten“ (doxa tou beltistou) spricht, anderseits aber den Komparativ verwendet, wenn von seiner ganz konkreten Beurteilung der tatsächlich gewählten Handlungsoption die Rede ist, und sagt, diese sei ihm „besser“ (beltion) erschienen. Vor diesem Hintergrund könnte man fragen, aus welchem Grund Sokrates sich letztlich für das entscheiden sollte, was ihm lediglich besser zu sein scheint, und nicht etwa für die Handlungsoption, die dem Inhalt der erwähnten Vorstellung des Besten entsprechen würde.

|| 14 ὅτι, ἐπειδὴ Ἀθηναίοις ἔδοξε βέλτιον εἶναι ἐμοῦ καταψηφίσασθαι, διὰ ταῦτα δὴ καὶ ἐμοὶ βέλτιον αὖ δέδοκται ἐνθάδε καθῆσθαι, καὶ δικαιότερον παραμένοντα ὑπέχειν τὴν δίκην ἣν ἂν κελεύσωσιν· ἐπεὶ νὴ τὸν κύνα, ὡς ἐγᾦμαι, πάλαι ἂν ταῦτα τὰ νεῦρα καὶ τὰ ὀστᾶ ἢ περὶ Μέγαρα ἢ Βοιωτοὺς ἦν, ὑπὸ δόξης φερόμενα τοῦ βελτίστου, εἰ μὴ δικαιότερον ᾤμην καὶ κάλλιον εἶναι πρὸ τοῦ φεύγειν τε καὶ ἀποδιδράσκειν ὑπέχειν τῇ πόλει δίκην ἥντιν’ ἂν τάττῃ. 15 Phd. 99a1–2. 16 Phd. 98e3–5. 17 Siehe Crit. 44b–c.

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Ich werde an späterer Stelle mehr dazu sagen, möchte aber bereits hier festhalten, dass es sich bei Sokrates’ Ansicht, es sei besser im Gefängnis zu bleiben, meiner Einschätzung nach ebenfalls um eine Vorstellung des Besten (doxa tou beltistou) handelt, wenngleich sich diese ihrem Inhalt nach deutlich von der doxa, d.h. der Ansicht oder Vorstellung unterscheidet, es sei das beste zu fliehen. Das lässt sich folgendermaßen verstehen: Mit Blick auf die Sokrates letztlich zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen erscheint es ihm im Vergleich mit jeder anderen jeweils besser (emoi beltion au dedoktai)18, die Strafe zu verbüßen und nicht zu fliehen. Insgesamt betrachtet handelt es sich seiner Ansicht nach um die unter den gegebenen Umständen beste Handlungsoption, und es ist in dieser Hinsicht, dass Sokrates hier von einer Vorstellung des Besten (doxa tou beltistou) sprechen kann. Zu diesen Überlegungen passt es auch, dass Sokrates wenige Zeilen später und auf ganz ähnliche Weise nochmals auf den eigentlichen Grund seines Handelns verweist: T3 Wenn aber jemand sagen würde, dass ich ohne den Besitz von Dingen jener Art, nämlich Knochen und Sehnen und was ich sonst noch besitze, nicht in der Lage wäre, das auszuführen, was mir gut scheint, dann würde er etwas ganz Richtiges sagen. Dass ich aber eben deswegen tue, was ich tue, und es trotzdem mit Vernunft tue, nicht aber aufgrund der Wahl des Besten, das wäre ein ganz unverantwortliches Argument.19 (Phd. 99a5–b2)

Den Ausführungen in T3 zufolge wäre es falsch, zu sagen, Sokrates tue das, was er tut, mit Vernunft (nous) allein deshalb, weil sein Körper und dessen Teile auf eine bestimmte Weise beschaffen und angeordnet sind. Wie Sokrates mithilfe des hier kausal zu verstehenden Dativs hairesei deutlich macht, liegt der entscheidende Grund für Sokrates’ Handeln in dessen hairesis tou beltistou, seiner „Wahl des Besten“. Diese Wahl des Besten (oder Entscheidung für das Beste – wie Ebert hairesis im Gegensatz zu Schleiermacher übersetzt) scheint sich hier erneut auf die beste mögliche Handlungsoption zu beziehen. Sokrates’ Handeln ist nur aus seiner Wahl dessen, was ihm besser erschien, d.h. aus der Wahl der besten Handlungsoption zu verstehen. Man kann sich das so vorstellen: Sobald ich glaube, dass eine bestimmte Handlungsoption die beste ist, habe ich sie auch schon bereits gewählt und mich dafür entschieden, sie zu tun.

|| 18 Phd. 98e3. 19 εἰ δέ τις λέγοι ὅτι ἄνευ τοῦ τὰ τοιαῦτα ἔχειν καὶ ὀστᾶ καὶ νεῦρα καὶ ὅσα ἄλλα ἔχω οὐκ ἂν οἷός τ’ ἦ ποιεῖν τὰ δόξαντά μοι, ἀληθῆ ἂν λέγοι· ὡς μέντοι διὰ ταῦτα ποιῶ ἃ ποιῶ, καὶ ταῦτα νῷ πράττων, ἀλλ’ οὐ τῇ τοῦ βελτίστου αἱρέσει, πολλὴ ἂν καὶ μακρὰ ῥᾳθυμία εἴη τοῦ λόγου.

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Diese Vorstellung oder doxa, über die wir hier sprechen, ist normalerweise nicht etwas, das uns einfach in den Schoß fällt, sondern ist oftmals das Ergebnis einer Art praktischen Überlegung, auch wenn ich hier nicht behaupten möchte, dass jeder unserer Handlungen immer ein Deliberationsakt unmittelbar vorausgehen muss. Vielleicht habe ich mich beispielsweise schon vor langer Zeit dafür entschieden, meinen Tee nie mit Milch zu trinken, und handle deshalb auch immer entsprechend, ohne dass ich auch nur einen Moment nachdenken müsste, ob ich nun Milch dazu gebe oder nicht. Dieses Verständnis von doxa als dem Ergebnis einer Überlegung passt zu der Art, in der dieser Ausdruck beispielsweise in einer Passage im Sophistes verwendet wird. Dort wird doxa explizit als das Resultat eines Denkprozesses (dianoias apoteleutêsis), d.h. als das Resultat eines Dialogs der Seele mit sich selbst charakterisiert.20 Auf unser Beispiel von Sokrates im Gefängnis angewendet hieße dies: Bevor Sokrates zu dem Schluss kam, dass er anders als von seinen Freunden angeboten nicht fliehen würde, stellte er die Überlegung an, was in dieser Situation zu tun sei. Ergebnis dieses Deliberierens war dann die doxa oder Vorstellung, das beste, was er tun könne, sei es, im Gefängnis zu bleiben und die von den Athenern über ihn verhängte Strafe über sich ergehen zu lassen. An dieser Stelle ist es wichtig, sich klar zu machen, dass doxa hier, wie oftmals bei Platon und im Griechischen allgemein, als neutraler Ausdruck aufzufassen ist, der nicht notwendiger Weise mit all den negativen Konnotation einhergehen muss, die man als Leser Platons oftmals gleich im Sinn hat, wenn man auf das Wort doxa stößt – man denke beispielsweise an die Gegenüberstellung von doxa i.S. bloßer Meinung und epistêmê i.S. wirklichen Wissens im Liniengleichnis in Politeia VI. Für eine neutrale Verwendung des Ausdrucks spricht ebenfalls, dass im Text auch dem weisen Sokrates ganz selbstverständlich doxai zugesprochen werden. Die Unterscheidung von besseren und schlechteren Handlungsoptionen setzt allerdings ein Gut oder Ziel voraus, das als Maßstab fungiert, kraft dessen wir diese Optionen erst als besser oder schlechter bewerten können. Dies wird an unserer Stelle im Phaidon zwar nicht explizit thematisiert, aber klarerweise vorausgesetzt, da Sokrates’ Beurteilung der Optionen anders gar nicht möglich

|| 20 Soph. 264a9–b1: „von dem übrigen das Denken sich zeigte als die Unterredung der Seele mit sich selbst, die Vorstellung aber als Endergebnis des Denkens“ (δίανοια μὲν αὐτῆς πρὸς ἑαυτὴν ψυχῆς διάλογος, δόξα δὲ διανοίας ἀποτελεύτησις). Ich danke Friedemann Buddensiek für den Hinweis auf diese Passage. Für eine weitere Passage, in der doxa auf ähnliche Weise verstanden wird, siehe auch Tht. 189e7–190a7.

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wäre. Sokrates schätzt jeweils die Handlungsoption als am besten ein, die seinem Ziel oder dem erstrebten Gut letztlich am ehesten gerecht zu werden oder es am ehesten zu realisieren scheint. So könnte Sokrates zum Beispiel der Auffassung sein, dass er gerecht handeln muss, wenn er ein gutes Leben führen will, womit ein entscheidender Maßstab zur Entscheidung der Güte einer Handlung darin läge, wie gerecht sie ist. Wie Sokrates in T2 deutlich macht, hält er es für gerechter (dikaioteron), im Gefängnis zu bleiben als zu fliehen und damit nicht den Gesetzen Athens zu folgen.21 Da es für ihn unabdingbar scheint, gerecht zu handeln, um sein Ziel des guten Lebens zu erreichen, wählt er diejenige Handlungsoption, die ihm am ehesten zur Realisierung dieses Zieles zu führen scheint, und bleibt im Gefängnis. Auch wenn das nicht explizit ausgeführt wird, so wird damit deutlich, dass die von mir diskutierten Passagen offenkundig die Annahme voraussetzen, dass wir, wann immer wir handeln, kraft unseres Handelns Ziele zu erreichen suchen, menschliches Handeln also teleologisch strukturiert ist. Wenn wir fragen, warum Sokrates so handelt, wie er handelt, bestünde eine als formal zu bezeichnende Antwort dem Text entsprechend darin, zu sagen, weil er die letztlich gewählte Handlungsoption angesichts seines Zieles für die beste hielt. Konkret hieße dies in unserem Beispiel, Sokrates bleibt im Gefängnis und entzieht sich nicht seiner Strafe, weil er angesichts seines Zieles, gerecht zu handeln und ein gutes Leben zu führen, die Handlungsoption wählt, die ihm gerechter und damit besser als alle anderen erscheint. An dieser Stelle ist also festzuhalten, dass der Passage aus dem Phaidon zufolge menschliches Handeln teleologisch strukturiert ist und sich dies auch darin zeigt, dass ein Akteur wie Sokrates normalerweise diejenige Handlungsoption wählt, die ihm am besten zu sein scheint, um seine Ziele zu erreichen. Zunächst mag diese Ansicht vielleicht trivial erscheinen. Allerdings muss man bedenken, dass wir hier mit Platon am Anfang der philosophischen Reflexion menschlichen Handelns stehen und die Annahme damals keineswegs selbstverständlich war und auch in der modernen Handlungstheorie nicht unumstritten ist.22 Tatsächlich lässt Platon seinen Sokrates mit dessen Ausführungen deutlich machen, dass die angemessene, d.h. auch teleologische Erklärung einer Handlung den Verweis auf die doxai des Akteurs voraussetzt und damit eine Erklärung i.S. des von ihm kritisierten Modells der zeitgenössischen Natur-

|| 21 Tatsächlich findet sich ein Argument für genau diese Annahme in Crit. 50a–54c. 22 Siehe z.B. von Wright (1981), 132, der die These vertritt, es gebe Fälle von „fortuitous or gratuitous action“, die wir um keines Zieles willen und aus überhaupt keinem Grund heraus vollziehen.

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philosophie nicht möglich wäre. Wie ich nun zeigen werde, muss man sich allerdings auch fragen, ob die bisher diskutierten Passagen überhaupt als Ausdruck einer derartigen Reflexion menschlichen Handelns allgemein gelesen werden können, auch wenn dies soweit eine plausible Lesart der untersuchten Passagen zu sein scheint.

5 Zwei Einwände gegen die vorgeschlagene Lesart Im Folgenden diskutiere ich nun zwei mögliche Einwände, die gegen die von mir vorgeschlagene Lesart zu sprechen scheinen. Meine Diskussion dieser Einwände wird nicht nur zeigen, dass diese als unangemessen zurückgewiesen werden können, sondern uns darüber hinaus helfen, ein tieferes Verständnis des Handlungsbegriffes zu entwickeln, der der Passage aus dem Phaidon zugrunde liegt. Wie ich argumentieren werde, lässt Platon seinen Sokrates mit dessen Diskussion nicht nur deutlich machen, dass menschliches Handeln als teleologisch strukturiert zu betrachten ist, sondern auch als grundlegend rational. Der erste Einwand lautet folgendermaßen: In der Textpassage aus dem Phaidon geht es nicht um das Thema menschlicher Handlung, sondern um eine Frage aus dem Bereich der Naturphilosophie. Wer Sokrates’ Ausführungen als eine Diskussion menschlichen Handelns generell liest, der ignoriert, dass diese Aussagen Teil einer größeren Diskussion eines naturphilosophischen Problems sind und nur ins Spiel gebracht werden, um die Frage zu erörtern, was die aitia des Werdens und Vergehens aller Dinge ist. Wie wir gesehen haben, geht es Sokrates darum zu zeigen, dass Anaxagoras, genau wie die anderen Naturphilosophen, keine angemessene Antwort auf diese Frage geben kann, da er keinen Gebrauch von seinem Prinzip der Vernunft, des nous, macht. Auch wenn es korrekt ist, dass Sokrates’ Diskussion im Phaidon nicht primär darauf abzielt, menschliches Handeln als solches zu untersuchen, sondern der Auseinandersetzung mit der genannten naturphilosophischen Frage dient, stellt dieser Befund kein grundlegendes Problem für das von mir vorgeschlagene Textverständnis dar. Vielmehr wird die angemessene Erklärung menschlichen Handelns als Paradigma eingeführt, an dem sich auch die Erklärungen der Naturphilosophie orientieren sollen: Sokrates behauptet, dass menschliche Handlungen und Naturvorgänge insofern als analog zu betrachten sind, als

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beide eine teleologische Struktur aufweisen. Er überträgt also die teleologische Struktur menschlicher Handlungen auf die Natur, nicht jedoch umgekehrt. In der Forschung ist man sich weitgehend einig darin, dass es Sokrates’ mit seiner Diskussion von Handlungen v.a. darum geht, das teleologische Erklärungsmodell auch für die Naturerklärung einzuführen.23 Anhand seiner Diskussion will er deutlich machen, dass eine teleologische Erklärung der einzig gangbare Weg ist, wenn wir davon ausgehen, dass alles im Kosmos von der kosmischen Vernunft des anaxagoreischen nous bestmöglich angeordnet ist. Dass menschliches Handeln grundsätzlich als teleologisch strukturiert aufzufassen ist und daher auch nur mit Hilfe finaler Kausalität erklärt werden kann, scheint im Text selbst nicht strittig zu sein und wird von Sokrates auch in keinerlei Weise problematisiert. Vielmehr scheint diese Annahme für Sokrates so offensichtlich, dass sie keiner weiteren Argumentation bedarf. Bei der Behauptung, auch die Prozesse in Natur und Kosmos seien teleologisch strukturiert und dementsprechend zu erklären, mag das – gerade auch für moderne Leser – anders aussehen, worauf in der Literatur auch hingewiesen worden ist.24 Doch auch wenn wir die Behauptung ablehnen, menschliches Handeln und Prozesse im Kosmos seien auf analoge Weise zu erklären, berührt dies nicht die Annahme, dass menschliches Handeln teleologisch zu erklären ist. Diese letztere Behauptung scheint für Sokrates und seine Gesprächspartner ganz unabhängig vom größeren naturphilosophischen Diskussionskontext gültig zu sein, und sie ist es auch, um die es mir bei meiner Fragestellung geht. Die Tatsache, dass die von mir betrachteten Passagen Teil einer größeren naturphilosophischen Untersuchung sind, spricht deshalb in keiner Weise gegen die Annahme, dass wir aus ihnen etwas über menschliches Handeln allgemein lernen können. Der zweite und schwerer wiegende Einwand gegen die Annahme, Sokrates teile hier Überlegungen über menschliches Handeln allgemein mit, lautet folgendermaßen: Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass Sokrates nicht nach dem Grund allen Handelns fragt, sondern explizit nach dem Grund für sein eigenes Handeln als ein mit Vernunft (nous) vollzogenes Handeln. So wurde in Passage T1 als Voraussetzung angenommen, Sokrates tue alles, was er tut, mit || 23 Siehe z.B. Gallop (1975) 174–175, Ebert (2004) 344, Frede (2005) 106 und Horn (2011) 127– 128. 24 Siehe Bostock (1986) 143–146, Frede (2005) 116–119 und Horn (2011) 127–128. Dabei wäre zu klären, worauf genau die Behauptung der Analogie zwischen kosmischen Prozessen und menschlichem Handeln hinausläuft. Wie Horn (2011), 135–136, richtig darlegt, impliziert sie beispielsweise keineswegs die notwendige Existenz eines akteurgleich agierenden und intelligent handelnden Demiurgen.

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Vernunft (panta hosa prattei nôi prattei).25 In T3 wird als Grund dafür, dass er das, was er tut, auf vernünftige Weise tue (nôi prattôn), auf seine „Wahl des Besten“ (hairesis tou beltistou) verwiesen.26 Es ist also die Tatsache, dass Sokrates die beste Handlung gewählt hat, die dafür verantwortlich ist, dass seine Handlung eine rationale Handlung ist und mit Vernunft (nous) vollzogen wird.27 Vor diesem Hintergrund scheint es in unserer Passage also nicht um eine Analyse menschlichen Handelns generell, sondern um ganz spezielle Fälle von Handlung zu gehen, und zwar um Handeln, das wir als mit Vernunft vollzogen betrachten. Mit Blick auf die Bandbreite menschlichen Handelns scheint es allerdings jede Menge Handlungen zu geben, die wir zu Recht als ohne Vernunft vollzogen bezeichnen würden. Dessen scheint sich auch Platon bewusst zu sein, und es gibt mehrere Stellen in seinem Werk, an denen dies deutlich wird. So lässt er seinen Sokrates z.B. im Dialog Gorgias explizit für die Behauptung argumentieren, Redner und Tyrannen handelten oftmals, wenn nicht sogar immer, ohne den Gebrauch der Vernunft (nous), deren Besitz er ihnen generell abspricht.28 Wenn es nun aber Handlungen gibt, die ohne nous ausgeführt werden, und Sokrates sich im Phaidon nur mit Handlungen beschäftigt, die mit Vernunft vollzogen werden, dann scheint es höchst problematisch von diesen speziellen Fällen Rückschlüsse auf menschliches Handeln generell zu ziehen.29 Das Problem wird noch dadurch verschärft, dass wir es bei den Beispielen nicht nur mit Handlungen mit oder aus Vernunft zu tun haben, sondern auch mit solchen, die Sokrates selbst tut. Sokrates allerdings wird von Platon stets als Ausnahmeerscheinung geschildert, der alle anderen Menschen, was vernunft- und tugendgemäßes Handeln anbelangt, bei Weitem übertrifft. Als ob dies nicht genug wäre, gilt es ebenfalls zu bedenken, dass das Handeln mit nous als analog zum Tun des den Kosmos auf beste Weise regierenden Vernunftprinzips, des sokratisch-anaxagoreischen nous, betrachtet werden muss. Aus diesem Grund werden hier auch nicht irgendwelche menschlichen Handlungen diskutiert, sondern eben die vernünftigen Handlungen von Sokrates selbst, der wie der nous im Kosmos alles auf denkbar bestmögliche Weise tut. Diesem göttlichen nous gleichen menschliche Akteure in dieser Hinsicht aber noch viel weniger als dem Menschen Sokrates.

|| 25 Siehe Phd. 98c4. 26 Siehe Phd. 99a8. 27 Siehe Phd. 99a5–b2. 28 Siehe Sokrates’ Diskussion mit Polos in Gorg. 466e9–467a7. 29 Diese Position vertritt implizit Kamtekar (2017), Kap. 6.3.

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Die These, man könne die Erklärung der vernünftigen Handlung des vernünftigsten aller Menschen – ein Handeln, das dem des göttlichen nous zu gleichen scheint – daher als ein Paradigma für die Erklärung menschlichen Handelns generell sehen, scheint daher milde gesagt nicht unproblematisch. Vielmehr legt der zweite Einwand nahe, dass Sokrates im Phaidon nicht menschliche Handlungen allgemein diskutiert, sondern seine Diskussion auf die stets mit Vernunft ausgeführten Aktivitäten des göttlichen nous bzw. des weisen Sokrates beschränkt ist. Wenn dies aber korrekt ist, hieße dies dem Einwand zufolge, dass sich unser Text dann lediglich mit einem kleinen Bruchteil menschlichen Handelns befasst und uns damit nichts über menschliches Handeln im Allgemeinen sagen kann.

6 Menschliches Handeln als grundsätzlich rationales Handeln Wie ich im Folgenden darlegen werde, zeigt sich bei genauer Betrachtung, dass sich auch dieser Einwand widerlegen lässt und es sehr gute Gründe gibt, die von mir untersuchten Passagen als Überlegungen zum menschlichen Handeln allgemein zu lesen. Damit dies allerdings möglich ist, so mein Argument, ist es entscheidend, ein angemessenes Verständnis davon zu entwickeln, was es heißt, jemand handle mit Vernunft (nous). Wenngleich es korrekt ist, dass Sokrates’ Handeln selbst klar im Mittelpunkt seiner Überlegungen steht, so verweist er im Rahmen seiner Argumentation doch auch auf eine Handlung, die nicht von ihm selbst ausgeführt wurde, die sich in entscheidenden Hinsichten jedoch nicht von seinem Handeln unterscheidet. Denn wie in dem folgenden uns bereits als Anfang von T2 vertrauten Textabschnitt deutlich wird, erklärt Sokrates die Handlung der Athener, ihn zum Tode zu verurteilen, ganz analog zu seinem eigenen Handeln. Dort erklärt er: T4 dass es nämlich, weil es den Athenern besser schien, mich zu verurteilen, es deswegen auch mir besser schien, hier zu sitzen.30 (Phd. 98e1–e3)

|| 30 ὅτι, ἐπειδὴ Ἀθηναίοις ἔδοξε βέλτιον εἶναι ἐμοῦ καταψηφίσασθαι, διὰ ταῦτα δὴ καὶ ἐμοὶ βέλτιον αὖ δέδοκται ἐνθάδε καθῆσθαι.

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Auch wenn es Sokrates hier nicht darum geht, eine vollständige Erklärung des Tuns der Athener abzugeben, so wird doch deutlich, dass die Erklärung in beiden Fällen analog verläuft: Genau wie es Sokrates besser erschien (emoi beltion dedoktai), „hier zu sitzen“,31 so erschien es auch den Athenern besser (Athênaiois edoxe beltion einai), ihn zu verurteilen.32 In dieser Hinsicht unterscheiden sich also beide Handlungen prinzipiell nicht. Sokrates zum Tode zu verurteilen, ist den Athenern zufolge das Beste, was man tun kann, und in dieser Annahme besteht deshalb ihre Vorstellung von dem Bestem, was zu tun ist – ihre doxa tou beltistou. Unter den gegebenen Umständen scheint ihnen dies mit Blick auf die anderen Handlungsmöglichkeiten die jeweils bessere Option zu sein und damit insgesamt die letztlich beste Handlungsoption. Dass ein Akteur eine Handlung für die bessere oder beste hält, schließt allerdings nicht aus, dass er mit seiner Ansicht auch falsch liegen kann – wie in unserem Beispiel die Athener, wenn sie glauben, es sei am besten, Sokrates zum Tode zu verurteilen, auch wenn das tatsächlich vielleicht gar nicht der Fall ist. Hieran wird Folgendes deutlich: Die Wahl des Besten (hairesis tou beltistou) wäre immer als eine Wahl dessen zu verstehen, was dem Akteur gerade als Bestes erscheint, selbst wenn es sich hierbei um etwas handelt, das weit entfernt davon ist, das in der jeweiligen Situation auch tatsächlich Beste zu sein.33 Aus Sicht der Athener ist es verständlich, dass sie Sokrates verurteilen, da es ihnen aus verschiedenen Gründen die beste Handlungsoption zu sein scheint. Der Fall des Sokrates und der der Athener gleichen sich also darin, dass beide der ihrer Vorstellung nach besten Handlungsoption (doxa tou beltistou) folgen und diese insofern wählen (hairesis tou beltistou). Die beiden Fälle unterscheiden sich allerdings entscheidend in Bezug auf die Frage, ob diese Ansichten wahr oder falsch sind. Wenn das korrekt ist, muss man allerdings fragen, inwiefern dann Sokrates’ Rede vom Handeln mit Vernunft (nôi prattein) zum Handeln der Athener passen soll. Wir erinnern uns: Die Gründe die Sokrates anführt, sollen sein Handeln, insofern es Handeln mit Vernunft (nous) ist, erklären. Wie wir gesehen haben, werden die Handlungen der Athener jedoch auf exakt die gleiche Weise erklärt. Folglich muss auch ihr Handeln als Handeln mit Vernunft (nous) gelten.34 || 31 Phd. 98e3. 32 Phd. 98e2. 33 Dies scheint weitgehend auch die Position der Forschung zu sein (siehe z.B. Bostock (1986) 147–148 oder Frede (2005) 116), wenngleich Kamtekar diese Auffassung zurückweist (siehe Kamtekar (2017) 205 Fn.10). 34 Auch Kamtekar (2017), 192, legt dar, „that Socrates’ explanation also invokes the Athenians’ judgement of what is better“ und dass „the Athenians’ verdict is described in the terms

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Diese Behauptung erscheint aber nicht unproblematisch, wenn man bedenkt, dass Platon seinen Sokrates beispielsweise in der Apologie dafür argumentieren lässt, dass die Einschätzung der Athener und die Schlüsse, die sie daraus für die Behandlung des Sokrates ziehen, falsch sind. Wenn man allerdings wie die Athener die Ansicht vertritt und fest davon überzeugt ist, die beste Handlungsoption bestehe darin, Sokrates zu verurteilen, dann ist es folgerichtig und zumindest aus Sicht des Akteurs nur vernünftig und rational, auch entsprechend zu handeln. In dieser Hinsicht also können wir durchaus sagen, dass die Athener mit Vernunft und rational handeln – und dies scheint der entscheidende Punkt zu sein. Tatsächlich dürften wir vor dem Hintergrund der Überzeugungen der Athener sehr überrascht sein, wenn wir hören würden, dass die Athener nicht diesen Überzeugungen entsprechend gehandelt hätten; wir würden es für nicht nachvollziehbar halten, sollten die Athener Sokrates plötzlich ohne weiteren Grund einfach gehen lassen oder ihm sogar, wie von ihm selbst in der Apologie vorgeschlagen, freie Speisung im Prytaneion gewähren.35 Folgen wir diesem Argument, dann hieße dies allerdings auch, dass jedes Handeln, in dem der Akteur seiner Vorstellung davon, worin die beste Handlungsoption besteht, folgt, zumindest in dieser Hinsicht als Handeln mit Vernunft (nous) und in diesem Sinne als rationales Handeln zu bezeichnen wäre.36 Dies würde dann für jede Handlung gelten, die diesem Prinzip entspricht – also auch für eine Handlung, die wir in anderer Hinsicht für eher unvernünftig oder gar irrational halten würden. Man denke z.B. an die eines paranoiden Tyrannen, der jeden tötet, der auch nur den geringsten Anschein erweckt, ihm feindlich gesonnen zu sein, oder an die minutiös geplanten Handlungen von Terroristen, die darauf abzielen, möglichst viele Menschen auf grausame Weise zu töten. Auch in diesen Fällen wählt der Akteur die Handlungsoption, die ihm am besten erscheint, um seine jeweiligen Ziele zu erreichen.

|| that Socrates, acting with intelligence [i.e. nous, S.O.], uses to determine his course of action“, lehnt aber gleichzeitig ab, dass dies impliziere, dass auch den Athenern nous zuzusprechen sei, ohne allerdings eine angemessene Erklärung oder Motivation für die parallele Formulierung beider Fälle anzugeben. 35 Siehe Ap. 36e–37a. 36 Ihren bereits von mir in Fn. 34 dargelegten Ausführungen entsprechend lehnt Kamtekar (2017), 192, dies ebenfalls ab und bestreitet, dass „Socrates must be saying that all actions, not only intelligent ones [i.e. solche mit nous, S.O.], are to be explained by the agent’s belief about what is best“, ohne jedoch klar zu machen, worin der Grund für die formal gleiche Erklärung der Handlung Sokrates’ und der der Athener besteht.

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Wenn das von mir vorgestellte Verständnis zutrifft, dann bedeutet dies, dass unsere Ausführungen aus dem Phaidon dem menschlichen Handeln Rationalität in einer ganz bestimmten Hinsicht und zwar im Sinne von Zweckrationalität zuschreiben. Damit eine Handlung in diesem Sinne als rational bezeichnet werden kann, genügt es, dass der Akteur diejenige Handlung ausführt, von der er glaubt, sie sei unter den gegebenen Umständen die beste ihm zur Verfügung stehende – ganz unabhängig davon, ob diese Handlung dann tatsächlich ein probates Mittel ist, das Ziel zu erreichen, um dessentwillen sie überhaupt vollzogen wird. Dass eine bestimmte Handlung instrumentelle Rationalität aufweist, impliziert darüber hinaus in keiner Weise, dass der Akteur nicht vollkommen falsche Ansichten darüber haben kann, was richtige Ziele des Handelns sind, oder dass er sich überhaupt schon einmal eine derartige Frage gestellt hat. Solange der Akteur das tut, was ihm am besten zu sein scheint, handelt er im dargestellten Sinne rational. Eine Definition für in diesem Sinne rationales Handeln könnte demnach folgendermaßen lauten. Rationale Handlung: Ein Akteur handelt rational genau dann, wenn er die Handlung wählt, die ihm die beste Handlung zu sein scheint, um sein jeweiliges Ziel zu erreichen.

7 Der Begriff des nous Wenn mein Verständnis der Phaidon-Passage korrekt ist, dann scheint der Ausdruck nous an dieser Stelle – gerade mit Blick auf Platon – auf vielleicht eher unerwartete Weise verwendet zu werden. Wenn Sokrates, wie wir gesehen haben, beispielsweise im Gorgias bestreitet, dass Redner und Tyrannen überhaupt über Vernunft (nous) verfügen, mit der sie handeln können, dann würde man erwarten, dass das auch für die Athener gilt, die zu dem Urteil kommen, Sokrates müsse sterben, und dass auch diese wohl nicht mit Vernunft handeln.37 Tatsächlich findet sich im Werk Platons, wie Jäger dargestellt hat, ein besonderer terminologischer Gebrauch des Wortes nous, dem zufolge nur göttliche Wesenheiten und, wenn überhaupt, dann nur besonders vollkommene Men-

|| 37 Für die Passage aus dem Gorgias siehe wieder Sokrates’ Diskussion mit Polos in Gorg. 466e9–467a7.

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schen über nous verfügen.38 In diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn bei von Fritz davon die Rede ist, bei Platon sei der nous „das geistige Organ, mit Hilfe dessen der Mensch einen Zugang zu dem Reich der Ideen hat.“39 Ebenso weist Menn in seiner Studie zum nous bei Platon darauf hin, der philosophische Gebrauch des Terminus bei Platon sei von dessen gängigem Verständnis zu unterscheiden und stelle eine wesentlich Weiterentwicklung desselben dar.40 Allerdings kann die Verwendung des Ausdrucks nous im Griechischen allgemein und auch bei Platon auf ganz unterschiedliche Sachverhalte verweisen. Gängige Übersetzungen wären beispielsweise „Sinn“, „Vernunft“ oder „Einsicht“.41 Oftmals findet sich der Ausdruck auch in stehenden Wendungen, von denen auch Platon immer wieder an zahlreichen Stellen Gebrauch macht. So lässt er die Protagonisten seiner Dialoge mit dem Ausdruck en nôi echein beispielsweise darauf verweisen, jemand habe etwas im Sinn, d.h. beabsichtige etwas.42 Ein weiteres häufiges Beispiel bei Platon ist die Wendung ton noun prosechein, die dann Verwendung findet, wenn es darum geht, dass jemand seine Aufmerksamkeit auf etwas richtet.43 Generell finden sich bei Platon in Dialogen aus allen Phasen seines Werks zahlreiche Belege für einen weiten und nicht-terminologischen Gebrauch des Wortes nous. Wenn davon die Rede ist, jemand habe nous, dann ist damit oftmals schlicht gemeint, dass diese Person über ein gewisses Grundmaß an Vernunft verfügt, das wir normalerweise bei unseren Mitmenschen voraussetzen und über das nicht nur Ausnahmeerscheinungen wie Sokrates oder gar göttliche Wesen verfügen.44 Da dies nicht der Ort sein kann die unterschiedlichen Verwendungsweisen des Ausdrucks nous bei Plato in aller Ausführlichkeit zu diskutieren, möchte ich an dieser Stelle lediglich auf einige Textpassagen verweisen, die exemplarisch zeigen, dass Platon den Terminus auch in diesem weiten nicht-terminologischen Sinn verwendet. So wird beispielsweise sowohl in der Apologie als auch im Dialog Phaidon selbst auf Menschen verwiesen, die nur „wenig Vernunft“

|| 38 Siehe Jäger (1967) 144–148. 39 Von Fritz (1971) 578. 40 Siehe Menn (1995) 16. 41 Siehe auch Liddell et al. (1996), 1180–1181, die beispielweise auf „mind“, „sense“, „thought“ oder „reason“ als Übersetzungen verweisen. 42 Siehe z.B. Crat. 50a9; R. I, 344d1; R. I, 344d6 und Leg. 712b8. 43 Siehe z.B. Euthphr. 14d5; Ap. 18a4; Crit. 46d1; Tht. 198b8; La. 197e8, Ly. 211a7 oder R. II, 376a9. 44 Darauf, dass sich bei Platon auch ein nicht-terminologischer Gebrauch von nous findet, haben auch Jäger (1967), 13–15, sowie Menn (1995), 14–15, hingewiesen.

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(smikron noun) besitzen. In beiden Fällen geht es darum, die Offensichtlichkeit bestimmter Zusammenhänge durch den Hinweis zu verdeutlichen, diese könnten selbst solche Menschen erkennen, die nur über wenig Vernunft, d.h. über ein gewisses Grundmaß an Vernunft verfügen. So kann laut Apologie jeder, der selbst nur über „wenig Vernunft verfügt“ (smikron noun echonta),45 die Argumente des Meletos als falsch durchschauen und wird, wenn wir der Diskussion im Phaidon folgen, die Ausführungen des Sokrates als wahr anerkennen.46 Die Tatsache, dass in diesen beiden und weiteren ähnlichen Passagen jemandem einerseits zwar prinzipiell Vernunft, d.h. nous zugesprochen wird, zugleich aber ebenso deutlich gemacht wird, dass es sich bei diesen Personen in keiner Weise um intellektuell-kognitive Ausnahmeerscheinungen handelt, zeigt, dass Platon an diesen Stellen den Ausdruck nous in einem weiten und nicht-terminologischen Sinn gebraucht. Daneben machen diese Passagen auch klar, dass der Begriff von Vernunft (nous) als prinzipiell graduierbar zu denken ist, eine Annahme, die uns auch heute nachvollziehbar erscheint. Auf diese Weise scheint es ohne weiteres plausibel, dass man auch den Athenern ein gewisses Grundmaß an Vernunft zusprechen kann, ohne dass man damit sagen müsste, sie würden über das gleiche Maß an Vernunft verfügen wie Sokrates. Auch an einer Textstelle aus dem Phaidros wird deutlich, dass Platon dort den weiten und allgemein gängigen Begriff von nous voraussetzt. So lässt Platon seinen Sokrates dort argumentieren, dass ho noun echôn geôrgos, also wörtlich „der Vernunft besitzende Bauer“,47 besonders wichtige Pflanzen klarerweise gemäß der Kunst des Landbaus mit Ruhe und Geduld heranziehen würde und nicht etwa auf die absurde Idee käme, diese im heißen Sommer auszusäen, um sich wenige Tage später am schnellen Wachstum der Sprösslinge erfreuen zu können.48 Im Phaidros geht es also offenbar um einen Bauern, den wir im gängigen Sinne des Wortes als vernünftig bezeichnen würden, ohne dass sein Besitz des nous darüber hinaus irgendwelche besonderen intellektuellen Fähigkeiten implizieren würde. Diese Beobachtung trifft für zahlreiche weitere Stellen im Werk Platons zu: Wenn dort die Rede von einem Menschen ist, der über nous verfügt,

|| 45 Ap. 27e6, für den größeren Zusammenhang siehe 27d4–28a2. 46 Siehe Phd. 102a4; für den größeren Zusammenhang siehe 102a2–a6. 47 Phdr. 276b1–2. 48 Siehe Phdr. 276b1–c2.

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so ist an jemanden zu denken, den wir im alltäglichen Sinn des Wortes und ohne weitere Spezifizierung, als vernünftig bezeichnen würden.49 Meiner Auffassung nach setzt auch unsere Passage aus dem Phaidon dieses weite und allgemeine Verständnis des Ausdrucks nous voraus. Dies ermöglicht es, auch den Athenern prinzipiell Vernunft (nous) zuzusprechen und damit der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sowohl für Sokrates’ vernünftiges Handeln als auch für das Handeln der Athener der gleiche Grund genannt und beides auf gleiche Weise erklärt wird. Gleichzeitig lässt dies genügend Raum, um einen Unterschied zwischen der Vernunft der Athener und der des Sokrates zu ermöglichen.50 Folgen wir diesem weiteren Gebrauch des Ausdrucks nous, ist es also durchaus plausibel, dass Handeln mit nous für ein Handeln stehen kann, das wir insofern als vernünftig oder rational bezeichnen würden, als der Akteur diejenige Handlung wählt, die ihm am besten geeignet scheint, seine Ziele zu realisieren, selbst wenn diese Einschätzung inhaltlich falsch ist. Wenn wir die Gründe des Akteurs für seine Handlung kennen, können wir verstehen und nachvollziehen, warum diese Person tut, was sie tut, und es ist in diesem Sinn, dass Gründe – um eine Formulierung Davidsons aufzugreifen – Handlungen rationalisieren.51 Wenn wir wissen, dass die Athener tatsächlich glaubten, es sei am besten, Sokrates zum Tode zu verurteilen, dann hilft uns das, besser zu verstehen, warum sie so handelten – auch wenn wir die zugrundeliegenden Vorstellungen und die daraus gezogenen Schlüsse nicht teilen. Vor diesem Hintergrund wird also deutlich, dass wir sowohl die Handlung des So-

|| 49 Als weitere Beispiele sollen an dieser Stelle die folgenden Passagen genügen: Crit. 51b2; Phd. 114d2; Tht. 167d7; Soph. 249a2–4; Plt. 285d9; Symp. 181c6; Phdr. 276c4, R. I, 331b7, R. II, 358d8. 50 Das macht auch deutlich, dass es kein Problem für meine Deutung darstellt, dass Platon seinen Sokrates in der zuvor genannten Textpassage aus dem Dialog Gorgias Rednern und Tyrannen generell abspricht, über nous zu verfügen, da Sokrates diesen Terminus an dieser Stelle nicht im allgemeinen Sinn gebraucht. Das ist auch daran erkennbar, dass das, was im Phaidon Kriterium des Handelns mit Vernunft (nous) ist, nämlich das zu tun, was einem am besten zu sein scheint, im Gorgias gerade Kennzeichen desjenigen zu sein scheint, der über keine Vernunft verfügt, da ein solcher Akteur, wie Sokrates an dieser Stelle argumentiert, nicht tut, was er will. Siehe dazu Grg. 466a4–468e5. 51 Siehe Davidson (1963) 685. Ich möchte an dieser Stelle allerdings nicht behaupten, dass Platon Vertreter einer kausalistischen Handlungstheorie war. Obwohl der Sokrates des Phaidon Davidson darin zustimmen würde, dass Gründe das Handeln rationalisieren, indem sie es nachvollziehbar machen, behaupte ich nicht, dass er ebenfalls behaupten würde, das Verhältnis von Handlungsgründen und Handlungen entspräche dem von Ursache und Wirkung im modernen Sinne.

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krates als auch die der Athener und damit auch alle ähnlichen Fälle menschlichen Handelns allgemein als grundlegend rational bezeichnen können. Bedeutet dies aber, dass Sokrates’ Ausführungen im Phaidon als Ausführungen über menschliches Handeln allgemein zu verstehen sind? Immerhin, so könnte man einwerfen, scheinen Fälle willensschwachen oder akratischen Handelns denkbar, in denen jemand nicht gemäß seiner Vorstellung vom Besten, sondern gegen diese handelt und sehenden Auges nicht das tut, was er für am besten hält, und die schlechtere Handlungsoption wählt. Tatsächlich ist ein Großteil der Platonforschung der Auffassung, dass für Platon spätestens mit der Einführung der verschiedenen Seelenteile in Politeia IV und der Möglichkeit inner-seelischen Konflikts auch akrasia denkbar wird,52 und selbst im Phaidon finden sich Passagen, die so verstanden werden können, als ob Sokrates bereits hier die prinzipielle Möglichkeit derartigen Handelns einräumen würde.53 Allerdings stellt die prinzipielle Möglichkeit von akrasia kein Problem für meine Deutung dar. Meine These besteht nicht darin, dass Sokrates’ Ausführungen im Phaidon zufolge alles, was ein Mensch tut, den Kriterien rationalen Handelns im oben genannten Sinne entspricht und damit also kein Raum für akrasia bestünde. Meine These besagt vielmehr, dass Sokrates mit seinen Ausführungen zeigt, dass menschliches Handeln im Sinne eines Tuns, das wir prinzipiell für erklärbar und nachvollziehbar halten, als rational aufgefasst werden muss. Dem Verständnis des Phaidon zufolge hat damit jeder, der handelt, im dargestellten Sinn Gründe für sein Handeln, die dieses auch leiten. Alles weitere Tun, für das dies nicht gilt, – und damit auch das Tun des Akratikers – fällt streng genommen nicht in den Bereich dessen, was wir meinen, wenn wir von Handeln sprechen: Dem Phaidon zufolge setzen wir für jedes Handeln immer schon voraus, dass es rational und prinzipiell nachvollziehbar für uns ist, wenn wir die Gründe des Akteurs kennen.54

|| 52 Siehe z. B. Penner (1992) 128–130, Brickhouse/Smith (1994) 90 Fn. 25 und 98 Fn. 35, Irwin (1995) Abschnitt 148, Reeve (1988) 131–135, Bobonich (2002) 236 sowie Lorenz (2006) 28–29 und 29 Fn. 27. Deswegen bezeichnen Bobonich/Destrée (2007), xv, diese Lesart auch als „standard story“. Diese weitverbreitete Deutung wird dagegen beispielsweise von Carone (2001) abgelehnt. Für einen Überblick zur Diskussion der akrasia bei Platon siehe Müller (2009). 53 Für diesen Hinweis danke ich Hendrik Lorenz. Siehe hierzu Lorenz (2006), 37, der argumentiert, bereits der Phaidon erlaube „the very types of conflict that the Republic’s argument for tripartition of the soul relies on“. 54 Auch wenn mir klar ist, dass diese These von der Vereinbarkeit der grundsätzlichen Rationalität des Handelns mit der Möglichkeit von akrasia im Werke Platons zahlreiche Fragen aufwirft, kann ich diesen hier nicht weiter nachgehen; für eine Diskussion möglicher Antworten

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Dass die Überlegungen von Platons Sokrates nicht unplausibel sind und vielmehr versuchen explizit zu machen, was man immer schon voraussetzt, wenn von Handeln die Rede ist, wird gerade am Fall des Akratikers deutlich. Dieser wird eben deshalb zum erklärungsbedürftigen Rätsel und Problemfall, weil wir erwarten und voraussetzen, dass Akteure rational handeln und, wie ich in diesem Beitrag argumentiert habe, die Handlungsoption wählen, die ihnen vor dem Hintergrund ihrer Ziele und in der gegebenen Situation am besten erscheint.55

8 Fazit Zusammenfassend kommt meine Untersuchung zu den folgenden Ergebnissen. Zunächst wurde deutlich, dass es Sokrates bei seiner Diskussion in der PhaidonPassage nicht primär um ein Verständnis menschlichen Handelns als solchem geht, sondern er der Frage der angemessenen Erklärung menschlicher Handlungen im Rahmen einer größeren naturphilosophischen Fragestellung nachgeht. Wie ich dann argumentiert habe, macht Sokrates’ Diskussion nicht nur deutlich, dass menschliches Handeln stets auf die Realisierung von Zielen ausgerichtet und damit als teleologisch zu bezeichnen ist, sondern ebenso, dass der wahre Grund (aitia) einer Handlung in der Vorstellung (doxa) des Akteurs davon liegt, was unter den gegebenen Umständen die beste Handlungsoption ist. Im Anschluss daran setzte ich mich mit zwei möglichen Einwänden gegen meine These auseinander, dass Sokrates mit diesen Ausführungen eine Charakterisierung menschlichen Handelns allgemein vorlegt. Wie ich gezeigt habe, stellt der naturphilosophische Kontext von Sokrates’ Diskussion kein Problem für meine Deutung dar. Sokrates’ Annahmen zur Erklärung menschlichen Handelns haben unabhängig von ihrem naturphilosophischen Rahmen Bestand, da die teleologische Erklärung von Handlungen als Paradigma angemessener Erklärungen in Natur und Kosmos fungieren soll und nicht umgekehrt.

|| darauf siehe Kapitel 4 meiner Habilitationsschrift Plato on Action.
 An Inquiry into the Philosophy of Action in Plato’s Dialogues (=Odzuck (2021)). 55 So weisen beispielsweise Stroud/Svirsky (2019) in der Einleitungspassage zu ihrer Diskussion von akrasia darauf hin, dass „we expect people’s actions […] to reflect their overall assessment of the merits of the alternative courses of action before them“ und dass wir dementsprechend Handlungen, die von diesem Schema abweichen, als „somehow puzzling, defective, or dubiously intelligible“ betrachten.

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Der zweite und schwerer wiegende Einwand bestand darin, dass Sokrates im Phaidon lediglich einen speziellen Sonderfall menschlichen Handelns diskutiert, und zwar den seines eigenen Handelns aus Vernunft (nous). Dieses Handeln, so der Einwand, scheint jedoch eher den Aktivitäten des göttlichen nous des Anaxagoras als denen gewöhnlicher Menschen zu gleichen, weshalb es unangemessen erscheinen würde, aus diesem Sonderfall verallgemeinernde Schlüsse über menschliches Handeln im Allgemeinen zu ziehen. In Antwort auf diesen Einwand zeigte ich zunächst, dass Sokrates mit der Handlung der Athener, ihn zum Tode zu verurteilen, ein weiteres, diesmal alltäglicheres Beispiel menschlichen Handelns verwendet. Wie ich darlegte, war dabei entscheidend, dass Sokrates sein eigenes Handeln und das der Athener jeweils auf die gleiche Weise erklärte: In beiden Fällen, so Sokrates in meiner Lesart, hat die jeweilige Handlung ihren Grund in der Vorstellung vom Besten, d.h. also in der Vorstellung des Akteurs davon, worin in den gegebenen Umständen die beste Handlung besteht. Wenn das Kriterium für Sokrates’ Handeln mit Vernunft (nous) nun darin besteht, dass er seiner Vorstellung vom Besten entsprechend handelt, ebenso aber auch die Athener gemäß ihrer Vorstellung vom Besten handeln, dann ist es allerdings korrekt, dass diese ebenfalls mit Vernunft (nous) handeln, auch wenn uns dies zunächst problematisch erscheinen mag. Daran wurde jedoch deutlich, dass Platon im Phaidon nicht nur voraussetzt, dass menschliches Handeln als teleologisch aufzufassen ist, sondern ebenso, dass Akteure prinzipiell rational handeln, indem sie normalerweise die Handlung vollziehen, die ihnen am besten zu sein scheint, um ihre Ziele zu realisieren – ganz unabhängig davon, ob diese Handlungen dann auch tatsächlich Mittel sind, diese Ziele zu erreichen. In diesem Zusammenhang zeigte sich damit auch, dass es sich im Phaidon damit um Rationalität im Sinne von Zweckrationalität handeln muss und in diesem Sinn auch solche Handlungen als rational gelten, denen wir dies in anderer Hinsicht absprechen würden. Abschließend argumentierte ich für die These, dass Platon in den diskutierten Passagen aus dem Phaidon den Ausdruck nous (Vernunft) in einem weiten und nicht-terminologischen Sinn verwendet. Meiner Deutung nach verfügt in diesem Sinne jeder über nous, dem wir ein gewisses Grundmaß an Vernunft zusprechen würden. Damit ist nicht nur das Handeln von Ausnahmeakteuren wie Sokrates als rational zu bezeichnen, sondern dies gilt ebenso für das Handeln der Athener und grundlegend auch für menschliches Handelns allgemein: Wenn wir davon ausgehen, dass die Handlungen menschlicher Akteure prinzipiell nachvollziehbar sind, sie also Gründe für ihr Handeln haben, dann setzen wir Platons Phaidon zufolge auch voraus, dass ein solcher Akteur diejenige

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Handlung wählt, die ihm am besten zu sein scheint, um seine Ziele zu erreichen, und dass seine Handlung in dieser Hinsicht als rational zu bezeichnen ist.

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Dimitri El Murr

Platonic Political Demiurgy Prescription and Action in Plato’s Republic and Statesman

1 Introduction The education of philosopher-kings, the successive steps of which are set out in Book VII of Plato’s Republic, is a scientific curriculum that lays the groundwork for the highest science there is, namely dialectic.1 It is also an education in which statesmanship and the effective conduct of the city’s affairs are conspicuously absent. True, Socrates signals that the philosopher-kings’ curriculum includes a return to the Cave for a period of fifteen years, during which they will acquire an ‘experience’ of military matters and other offices particularly adapted to young people (539e). But this mention, made only in passing, is seen by Socrates himself as a mere means to gauge the firmness and resistance of the philosophers’ souls, for, when they are back in the Cave, these would-be philosopher-kings or queens are expected to meet the highest standards “in everything they’ve had to do or learn” (540a6: en ergois te kai epistêmais).2 Thus, while the Republic depicts the structure of a politeia whose overall hierarchical order and detailed social organization depend crucially on the learned government of the philosopher-king, it has hardly anything to say on the details of this government and the strictly political skills and actions that are required of its rulers.

|| 1 Earlier versions of this paper were given at the Gargnano Ancient Philosophy Conference in May 2019 and the GANPH-Kongress in Frankfurt in September 2019. I thank the audience on both occasions for criticisms and suggestions, especially Franco Aronadio, Friedemann Buddensiek, Andrea Capra, Klaus Corcilius, Hallvard Fossheim, Lorenzo Giovannetti, Roberto Granieri, Philip Horky, Christoph Horn, Rachana Kamtekar, Hendrik Lorenz, Christopher Moore, Frederico Petrucci, and Miira Tuominen. I owe special thanks to Doug Campbell who sent me helpful comments on the penultimate version, and to Katie Ebner Landy who read the final version and made many suggestions to improve it. Last but not least, this paper greatly benefited from discussion with, and perceptive written comments by my doctoral student, Marion Pollaert, who recently completed her dissertation on “Knowledge and action in Plato” in which due importance is given to political demiurgy. 2 Translations of the Republic are borrowed from Rowe (2012). https://doi.org/10.1515/9783110735598-005

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One possible reason for this underdetermination of the philosopher’s government is that political rule is depreciated in the Republic. Notably, Socrates unhesitatingly asserts that the telltale sign of a well-run city is that those who are trained to rule will do their best to avoid doing so: “‘So,’ I said, ‘is there any other kind of life you can think of that looks down (kataphronounta) on political office (politikôn archôn), apart from that of true philosophy?’” (R. VII, 521b1–2). Socrates’ insistence on the lesser value of political office when seen from the standpoint of ‘true philosophy’ is a direct response to Thrasymachus, according to whom any ruler in any constitution rules in his own interest by exploiting the people under his control.3 Hence the importance Socrates places in Book VII on the vexed question of the moral motivation of the philosophers who will go on to rule. In the Republic, we thus find an emphasis on the idea that the philosopher will become a statesman by some kind of obligation. Yet, how they will adapt to this political office, how they will actually exercise power and use knowledge to perform political actions is something Socrates does not care to examine in the Republic. Such an examination is left for another occasion and, so I suggest, for the least popular of Plato’s three great political dialogues: the Statesman. One of the basic assumptions of my 2014 book on Plato’s Statesman is that this dialogue is just as important as the Republic or the Laws for understanding Plato’s political thought.4 Like the Republic and Laws, the Statesman is concerned from start to finish with elucidating ways of articulating knowledge and power, but unlike the Republic and Laws, it does so by offering a detailed definition of statesmanship and thereby grants political science (politikê epistêmê) a genuinely epistemic status, which results in new insights on political action. The Statesman, therefore, does not only help to account for Plato’s provocative view that philosophers-dialecticians are the best equipped to rule. Regarding the actual political rule of these philosophers, it also addresses specific issues that the Republic keeps in the shadows, and especially the one I wish to consider in this paper: how does the expert-statesman perform actions while remaining an expert-dialectician concerned with knowledge and truth? This paper argues that one of the main undertakings of Plato’s Statesman is to investigate in detail how prescription and action are connected, and one of its major philosophical achievements is to show that statesmanship is an epitaktikê technê, an

|| 3 See El Murr (2019) 360–364. 4 See El Murr (2014) 9–18.

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art (or a science)5 of prescription, which as such differs from dialectic, but which does not debase its practitioner’s involvement with knowledge. That there is a major philosophical achievement to be found in Plato’s discerning of the details of the concept of prescription should become clearer in the broader context of Plato’s conception of statesmanship as a form of craftsmanship, or what I should like to label, following earlier commentators, ‘Platonic political demiurgy’. In a paper written more than half a century ago entitled “The Demiurge in Politics”, Glenn Morrow convincingly argued that the action of the philosopher-legislator in the Laws should be understood as a form of demiurgy, putting to good use the materials that were available in Greek life, notably institutions, customs, and actual laws.6 Following the path opened by Morrow, the present paper intends to flesh out Plato’s demiurgic conception of politics by considering the evidence available in the Republic and the Statesman.7 It argues in particular that a distinctive idea of Platonic political demiurgy is that the prescriptive, order-giving activity of the political demiurge is the main instrument leading to the proper ordering of his material. Section 2 argues that one of the main outcomes of the craft analogy used by Socrates in his discussion of Thrasymachus’ conception of ruling in Book I of the Republic is to show that the prescriptions of genuine rulers are always goodoriented and for the benefit of the ruled. The craft analogy is then further explored by Socrates at R. VI, 500b–501c, where the ideal ruler is said to be a “‘demiurge […] of civic excellence” (s. 500d). A comparison with what Socrates says in the Gorgias (500e–501c and 503d–504a) on the distinctive properties of true craft will help elucidate Socrates’ view in that passage and shed light on the prescriptive activity of the rulers and founders of the ideal city. Section 3 then considers the first divisions of the Statesman which situate statesmanship in the genus of cognitive self-prescriptive arts and explain that performing actions by ruling other arts is a distinctive feature of politikê technê. Statesmanship’s indirect relationship to action is explored further in section 4 which examines how statesmanship directs the arts subordinate to it and especially those kindred arts which it is said to find most valuable. Lastly, section 5 considers the Statesman’s contribution to our understanding of Platonic political demiurgy.

|| 5 Throughout the Statesman, Plato uses the two terms (technê and epistêmê) interchangeably to refer to the kind of expertise particular to the statesman. 6 Morrow (1953–1954). 7 Barely touched upon by Morrow: see Morrow (1953–1954) 14–15.

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2 Prescription and the Craft of Politics in the Republic Unsurprisingly, Plato’s use of the vocabulary of prescription (epitattein, prostattein and cognate words) is highly evident in the political dialogues, and above all in the Statesman and the Laws.8 Yet, earlier passages in which the same vocabulary occurs, although less frequently, should not be overlooked. These passages show, first, that Plato uses epitattein and prostattein interchangeably and, second, that he does so to refer to the act of issuing an order to perform an action, the basic structure of this relation being: ‘X orders Y to φ’. A distinct context in which this injunctive relation is typically put to use concerns the actions dictated by gods to humans or to other gods. These include, for example, passages such as Ap. 33c, where Socrates’ mission to examine his fellowcitizens is assigned to him by a god; or Phd. 61a, where Socrates explains that during his life, he has had this recurring dream, ordering him to practice mousikê.9 This injunctive relation also describes situations in which one individual, or a group of individuals, dictate an action to another individual. For instance, the Thirty are described by Socrates as issuing unjust orders to many people, and in particular as ordering him to arrest Leon of Salamis (an order Socrates famously disobeyed).10 Similarly, Socrates accounts for Meno’s avoidance of his questions and his eagerness to have Socrates answer his own by comparing him to a spoiled pet who exercises tyrannical rule over his family.11 In all previously mentioned passages, the two verbs epitattein and prostattein are used to describe a relation of the form ‘X orders Y to φ’ where X and Y have unequal positions or statuses. In some of these passages, moreover, what motivates X to command Y does not take into account the good of Y. With the Republic, we get a more complex and systematic picture of prescription, as rightly noted in a recent monograph by Francesca Alesse: the language concerning rule and authority and related to the prescription of rules of conduct is quite common both in the V century and in some of Plato’s contemporaries, most notably Isocrates. Yet it is Plato who systematically uses, in his Republic, the verbs

|| 8 For detailed data, see Brandwood (1976). 9 Ap. 33c4–7, Phd. 61a4–8. See also Prt. 320d4–6, Tht. 149c2–3. 10 Ap. 32c3–8. 11 Men. 76a9–c2.

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ἐπιτάττειν and προστάττειν, as well as their cognate nouns, to refer to any form of prescriptive measures.12

In fact, the philosophical importance of prescription surfaces in the Republic as early as Socrates’ discussion with Thrasymachus, who makes use of epitattein and prostattein to describe the rule exercised by the ruler over the ruled. In any situation, Thrasymachus argues, the stronger (the ruler) makes prescriptions to the weaker (the ruled) in his own interest. Not so, according to Socrates, who offers an entirely different understanding of the ruler/ruled relationship and an alternative interpretation of how prescription works in this context. Because the relationship of ruler to ruled is analogous, Socrates claims, to that of a craftsman to the object of his expertise, it should be clear that just as craftsmen make prescriptions in the interest of the object they produce or look after, the prescriptions of rulers aim for the best interest (to beltiston) of the ruled. The crucial point here is that just like rulers, craftsmen give orders, which aim unobjectionably to achieve the best interest of the subject of their expertise. What’s more, as e.g. R. I, 342c–d clearly shows, the content of the prescription is indistinguishable from the end to which the prescription is directed.13 So, as early as the first book of the Republic, Plato exhibits that in any technical skill worthy of the name, epitattein and prostattein mean issuing orders for Y to φ in Y’s best interest, and that the same is true for the particular skill of ruling the city, which later dialogues will call politikê technê.14 Socrates’ appeal to the craft analogy in his argument against Thrasymachus does not come out of the blue. It is a direct echo of his earlier treatment of the same topic in the Gorgias, where he explains to Callicles what politics would be like if it were a true craft and if politicians were true statesmen, i.e. if they were to master the politikê technê that Socrates, at 521d, claims to be the only one to practice in Athens. The reason for such a provocative claim is that according to Socrates, neither the most famous politicians of his own time nor the celebrated

|| 12 Alesse (2018) 45. 13 R. I, 342c11–d1: “In that case, there’s no expertise that looks out (skopei) for what’s in the interests (to sumpheron) of the stronger, and prescribes (epitattei) that; every one of them looks out for the interests of the weaker party, the one ruled by itself.” The two verbs (skopei and epitattei) both refer to to sumpheron as the end of the prescription in this passage, and similarly at R. I, 346e3–347a6, a point well noted by Alesse (2018) 45. 14 Politikê (technê) occurs only once in the Republic at VI, 493d3 and is not credited to the philosopher-ruler, but to someone (the sophist) whose idea of sophia in the ‘art of politics’ is merely a form of familiarity with the opinions and desires of the many.

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figures of Athens’ past adequately meet the standards of true craftsmanship spelt out in the following passages: I was saying, wasn’t I, that I didn’t think that pastry baking is a craft (technê), but a knack (empeiria), whereas medicine is a craft. I said that the one, medicine, has investigated both the nature (phusin) of the object it serves and the cause (aitian) of the things it does, and is able to give an account (logon) of each of these. The other, the one concerned with pleasure, to which the whole of its service is entirely devoted, proceeds toward its object in a quite uncraftlike way, without having at all considered either the nature of pleasure or its cause. It does so completely irrationally, with virtually no discrimination. Through routine and knack it merely preserves the memory of what customarily happens, and that’s how it also supplies its pleasures. (Grg. 500e4–501b1) Well then, won’t the good man, the man who speaks with regard to what’s best (epi to beltiston), say whatever he says not randomly but with a view to something (apoblepôn pros ti), just like the other craftsmen, each of whom keeps his own product in view (blepontes pros to hautôn ergon) and so does not select and apply randomly what he applies, but so that he may give his product some shape? Take a look at painters for instance, if you would, or housebuilders or shipwrights or any of the other craftsmen you like, and see how each one places what he does into a certain organization (eis taxin), and compels one thing to be suited (prepon) for another and to fit to it (harmottein) until the entire object is put together in an organized and orderly way (tetagmenon kai kekosmêmenon). The other craftsmen, too, including the ones we were mentioning just lately, the ones concerned with the body, physical trainers and doctors, no doubt give order and organization to the body. Do we agree that this is so or not? (Grg. 503d6–504a5; tr. Zeyl in Cooper [1997])15

As earlier commentators have duly noted,16 these two passages set forth the distinctive features of true technê. What distinguishes a true craftsman from someone engaged in mere empeiria is that the true craftsman: (i) knows the nature of his subject matter and is able to provide a causal account of the products of his art; (ii) looks to something outside the product of his art, i.e. acts upon a specific model, or paradeigma; and (iii) aims for the best, that is, orders and arranges the material of his art so as to reach optimal organization.17 As evidenced in the first of the two passages above, Socrates’ main example of a true craft in the Gorgias is the art of medicine. Note, however, that in the

|| 15 See Dodds (1959), 328–329, for a good discussion of the textual problems at Grg. 503e1–4. 16 See e.g. Sedley (2007), 107–111, who offers a fascinating overview of how divine craftsmanship in the Timaeus meets the standards for technê in the Gorgias. 17 These three criteria are borrowed from Sedley (2007), 107–108, who speaks of them as the “three hallmarks” of true craft.

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second passage he provides other examples, such as painting, housebuilding, or shipbuilding. Interestingly, housebuilding and architecture will return in the early moves of the Statesman. As for painting, it is well worth noting that in the Republic Socrates explicitly compares the ideal rulers to painters in a passage which deserves to be quoted in full. At R. VI, 499d–e, Adimantus feels that Socrates is far too optimistic (to say the least) when he claims that the ideal city could come about if people were to accept philosophers as their rulers, and that they would gladly do so once they had understood the kind of gentle and dedicated individual that the true philosopher really is.18 That the philosopher could not be otherwise is, according to Socrates, perfectly obvious from his constant effort to model himself on eternal and immutable beings which maintain harmony and rationality in everything: ‘So if the philosopher spends his time with the divine and ordered, he’ll achieve such order and divinity as is possible for man; though there’s always a chance, for anyone, of being slandered.’ ‘There certainly is.’ ‘If, then,’ I said, ‘he finds himself somehow compelled to apply what he sees there (ekei) to humankind, not just to mould himself but to arrange the dispositions of others at the level of both individual and city (eis anthrôpôn êthê kai idiai kai dêmosiai), do you suppose he’ll turn out a bad craftsman (dêmiourgon) of moderation and justice, and of civic excellence (dêmotikês aretês) as a whole?’ ‘Hardly!’ he exclaimed. ‘And if ordinary people grasp that what we’re saying about him is true, will they maintain their harsh attitude towards philosophers, and will they go on disbelieving us when we say that there’s no other way that a city could ever be happy, that is, unless it was painted by artists (zôgraphoi) using the appropriate divine paradigm (tôi theiôi paradeigmati)?’ ‘No, they won’t be so harsh’, he said, ‘if they actually do grasp it. But what mode of “painting” would this be, exactly?’ ‘It would be’, I said, ‘as if the city, and the dispositions of those in it, were a wooden board they’d start by wiping clean. That’s not at all easy, but in any case you’ll recognize this as one way in which our artists would immediately differ from all others: they would refuse to do anything with either individual or city, or write laws, before either they’d received a clean slate, or they had cleaned it themselves.’ ‘And rightly so,’ he said. ‘And after that, do you think they’ll set about sketching the outline of its political arrangements?’ ‘Naturally.’ ‘Then, I imagine, as they worked away, they would glance (apoblepoien) repeatedly both at what justice, beauty, moderation and everything else of that sort are in nature (pros te

|| 18 On Plato’s subtle approach to the realizability of the ideal city in the Republic, see El Murr (2021a).!

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to phusei dikaion kai kalon kai sôphron kai panta ta toiauta) and at what they are in human beings, and fill in the details of their sketch accordingly,19 mixing and blending together from the various pursuits available to them the likeness of a man, all the time basing themselves on what Homer himself described, when it appeared in human beings, as the image or likeness of a god.’ (R. VI, 500d1–501b7)

Directly in line with his view that statesmanship is a craft, Socrates does not only say that the philosopher-ruler of the ideal city is a ‘craftsman’ (dêmiourgos) of civic excellence in this passage, but he describes him as a painter (zôgraphos) whose activity meets the standards of true technê specified in the Gorgias. The philosopher-ruler (a) applies to the individual and the city what he sees “there” (ekei) while repeatedly turning to a model, a “divine paradigm”; and (b) “arranges”, “moulds”, “mixes and blends” his material for the best. That this arrangement is for the best is clear from the fact that the philosopher-ruler is a craftsman of virtues, and also from Socrates’ allusion to the divinity of the paradigm which the philosopher tries to imitate. Lastly, Socrates explains that just like painters need to wipe their board clean before starting to paint, the philosopher-ruler needs to purify his material, which he describes as the characters of men (anthrôpôn êthê) in private and public life. This suggests that the painter of a constitution only uses materials that have been previously treated, materials that he can guarantee can be shaped according to divine standards. The philosopher-ruler thus (c) understands the nature of human character, and is able to give an account of the causes that will lead to dêmotikê aretê, i.e. to the forms of justice and moderation that can be shared by non-philosophers within the city.20 As noted in the introduction to this paper, there is scanty evidence available in the Republic on the actual government of philosopher-rulers. Even so, such passages as the one quoted above signal that according to Plato, philosophical rule is a form of demiurgic activity, which, as such, meets the standards of true technê specified in the Gorgias. What is the role played by prescription within this broader context? Note first that good-oriented prescriptions, that is, prescriptions made by the true

|| 19 As Rowe (2012), 412, notes, “the Greek text here is uncertain and contested”. For a discussion of available options, see Adam (1963), II 79. I am grateful to Marion Pollaert for pointing this out to me. 20 Presumably, “civic excellence” contrasts here with the philosopher’s own excellence which Socrates will soon consider by following the “longer road” (R. VI, 504b) culminating in the Form of the Good.

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craftsman in view of the best ordering of his craft’s materials, are repeatedly made by the founders of Kallipolis, the ideal city in the Republic. At R. IV, 423c, Socrates uses prostagma (a rare word in Plato) and the phrase prostagma prostattein (“shall we lay this further injunction on our guards?”) to refer to the founders’ order to keep the city within manageable limits. But this prescription, Socrates adds, is of no significance compared to the one important prescription to establish a proper education (423d–e). For, if this one important prescription is scrupulously followed, the rulers of the ideal city will work out for themselves the details of all the other rules that they will need to establish. Socrates then returns to this idea in Book V when he depicts the chain of command in the ideal city: ‘Well,’ I said, ‘I think that if the rulers in the city are going to be worthy of the title, and similarly if those serving as their auxiliaries are worthy of theirs, then the latter will be ready to carry out the orders given them (poein ta epitattomena), and the former will issue those orders (epitaxein), in some things obeying the laws we have given them, and in others, where we hand over responsibility to them, imitating those laws.’ (R. V, 458b9–c4)

As far as I’m aware, this is the most detailed description there is in the Republic of what I would like to call the epitactic organization of the ideal city. Socrates’ comment on the rulers’ and auxiliaries’ name is worth noting in that context, for the very name epikouroi, which literally means “helpers” or “assistants”, signals that guards will follow orders and perform actions to contribute to the overall good of the city. In other words (and this is a very strong point made explicit by Socrates at 463a–c), guards are not subjects to the rulers, but contributors to the well-being of the city as a whole.21 Furthermore, Socrates briefly describes how the rulers will issue orders: they will do so mostly (but perhaps not only) by using legislative means. Laws of course are prescriptive, as the very common phrase ho nomos epitattei / prostattei amply shows,22 and it is by following them that auxiliaries will be enjoined by the rulers to perform given actions. Yet, two distinct situations might occur regarding the prescriptions of the rulers: either they will issue orders in line with what the laws left by the founders and legislators of Kallipolis command, or, because the founders have left them with more initiative, they will issue new prescriptions in harmony with the spirit of the

|| 21 This is also true of the producers of Kallipolis. For more details on the social and emotional organization of the ideal city of the Republic, see El Murr (2012) and El Murr (2017). 22 See Cri. 50b8, 51b4, 52a1; Leg. 738b3, 745a8, 891a9, 947e9.

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existing laws.23 This is how I propose to understand Socrates’ point that the rulers will be making prescriptions by “imitating (mimoumenous) those laws”, a point which takes us back to R. IV, 423d–e mentioned above, where Socrates points out that there is no need to work out the details of the ideal city’s legislation, for the properly-educated rulers will find out the right prescriptions by themselves. Calling attention to the prescriptive activity of the rulers thus sheds light on a crucially important feature of the social organization of the ideal city in the Republic: the difference, within the social group of guards, between philosopher-rulers and auxiliaries. Part of the role devoted to the philosopher-ruler as demiurge of civic excellence specifically consists in issuing prescriptions to the rest of the city, and notably to the auxiliaries, prescriptions that will depend upon, or at least be in harmony with the legislative prescriptions left by the founders of the ideal city, and which will ensure that all citizens take their due share in excellence.

3 Statesmanship as a Cognitive Self-Prescriptive Art Despite its importance for understanding the political structure of the ideal city, the Republic’s approach to prescription does not come close to a systematic investigation into the prescriptive nature of statesmanship and its relationship to political action. Such an investigation is pursued in the Statesman where Plato not only coins the name epitaktikê technê, “prescriptive art”, but makes it a distinctive definitional feature of statesmanship. Consider the following passage where a search for the nature of statesmanship begins with a division of the genus of technê:24 Visitor [V.]: Well then: isn’t it the case that arithmetic and some other sorts of expertise that are akin to it don’t involve any practical actions (psilai tôn praxeôn), but simply provide knowledge (to gnônai)? Young Socrates [Y.S.]: That’s so. V.: Whereas for their part the sorts of expertise involved in carpentry and manufacture as a whole have their knowledge as it were naturally bound up with practical actions (hôsper en tais praxesin enousan sumphuton), and use it to complete those material objects they cause to come into being

|| 23 See Lane (2013a) for an insightful overview of law-giving and legislation in the Republic. 24 In this section, I am building on earlier material published in French in El Murr (2014), 113– 116.

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from not having been before? Y.S.: What of that? V.: Well, divide all cases of knowledge in this way, calling the one sort practical knowledge (tên men praktikên), the other purely cognitive (tên de monon gnôstikên). (Plt. 258d4–e5)25

Note that the Statesman is the only Platonic dialogue in which the term gnôstikê occurs, and that it is more than likely that Plato coined this word, along with several other key terms in the Sophist and the Statesman.26 This terminological innovation marks a conceptual innovation. The gnôstikê branch of knowledge including arithmetic and other kindred sciences which “don’t involve any practical actions” is opposed to the praktikê branch where knowledge is naturally bound to action. The examples illustrating this last branch, namely “carpentry and manufacture as a whole”, help explain why the Visitor claims that, within praktikê, knowledge is naturally connected to action: it is distinctive of manufacture and manual arts in general to acquire knowledge through the making of new products.27 It is clear, then, that praxeis, “practical actions”, should here be understood in a narrow, non-Aristotelian sense, as meaning manual productive actions. Since the statesman does not use his arms and fists to rule, the Visitor argues that statesmanship belongs to gnôstikê and not to praktikê.28 In describing statesmanship as a cognitive form of expertise and the arts falling under the class of praktikê as merely manual arts, Plato, however, could be accused of removing statesmanship from any connection to action and making it inefficient. Consequently, the connection between statesmanship and action is further explored in the next division, which explores the genus of gnôstikê: V.: We agreed, I think, that there is such a thing as an art of calculation? Y.S.: Yes. V.: And I suppose it belongs absolutely among the cognitive sorts of expertise (tôn gnôstikôn … technôn). Y.S.: Quite. V.: Because once it recognizes that there is a difference between numbers, there surely isn’t any further job we’ll assign to it than judging (krinai) what it

|| 25 The translations from Plato’s Statesman are borrowed from Rowe (1995) throughout this paper, sometimes with slight modifications. In this passage and elsewhere, I have in fact modified Rowe’s translation of gnôstikê and favoured “cognitive” (instead of “theoretical”) in agreement with Dixsaut/El Murr et al. (2018), the most recent French translation of the dialogue. For a very good discussion of this issue and its philosophical implications, see Lane (2018), 55–56, who settles for “discerning”. 26 On Plato’s terminological innovations in the Sophist and Statesman, see Campbell (1867) xxv–xxvi. 27 See Lane (2018) 57. 28 For a full discussion of the complex argument at Plt. 258e–259d proving that statesmanship belongs to the genus of gnôstikê, see El Murr (2018).

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has recognized? Y.S.: No, certainly not. V.: And all master-builders too – they don’t act as workers themselves, but manage workers. Y.S.: Yes. V.: In so far – I suppose – as what the master-builder provides is understanding rather than manual labour. Y.S.: Just so. V.: It would be right to say, then, that he has a share in the cognitive sort of knowledge (tês gnôstikês epistêmês)? Y.S.: Certainly. V.: But it belongs to him, I think, once he has given his professional judgement (krinanti), not to be finished or to take his leave, in the way that the expert in calculation took his, but to assign (prostattein) whatever is the appropriate task to each group of workers until they complete what has been assigned (prostachthen) to them. Y.S.: That’s correct. V.: So both all sorts of knowledge like this and all those that go along with the art of calculation are cognitive, but these two classes of knowledge differ from each other in so far as one makes judgements (krisei), while the other directs (epitaxei)? Y.S.: They appear to do so. V. So if we divided off two parts of cognitive knowledge as a whole, referring to one as directive (epitaktikon meros) and the other as making judgements (kritikon), would we say that it had been divided suitably? Y.S.: Yes, at least according to my view. (Plt. 259e1–260b5)

This division pits the sciences the Visitor describes as involving the making of judgements, which therefore belong to the genus of kritikê, against those he names epitactic or prescriptive, which make judgements and produce orders accordingly. The paradigm of kritikê is the art of calculation (logistikê), the science of knowing the properties of numbers and judging them as a result. Readers of Book VII of the Republic know that it is indeed crucial for Plato that these sciences are exercised “for the sake of knowing” (R. VII, 527b1: gnôseôs heneka) and not, as the language of the geometers might lead one to think, “for the sake of the practical” (527a7: praxeôs heneka).29 Concerning the prescriptive forms of knowledge, it has been assumed by most commentators, myself included,30 that the paradigm the Visitor has in mind here is architecture. In light of the evidence recently adduced by Melissa Lane, I now think that Plato uses architektôn in this passage not to refer to any builder, nor to someone with merely theoretical knowledge of architecture, but to someone employed by the city to oversee the completion of a building project and give commands to builders.31 The master-builder’s commands involve discerning knowledge; for neither the mathematician (or the dialectician), nor the master-builder exercise their art manually, but use their soul and intellect rather than physical force to fulfil their respective tasks. Nevertheless, the mathematician’s and the master-builder’s

|| 29 See Bénatouïl/El Murr (2010), 48–51, for a discussion of this much debated passage. 30 See El Murr (2014) 113. 31 See Lane (2020).

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knowledge clearly differ because the former judges the properties of numbers, while the latter’s knowledge involves “judging along with commanding”.32 Since the master-builder paradigm evidently involves a relationship with action, but a relationship mediated by knowledge and the prescriptions it dictates, Plato locates prescriptive knowledge on the border, as it were, of what we call theory and practice. Yet, the picture given of epitaktikê in the early moves of the Statesman is not that the statesman will apply theoretical principles in actual practical actions: rather, the intimate connection between judging and commanding involved in the master-builder paradigm suggests that the statesman’s prescriptions are “epistemic observation[s] […] expressed in the form of commands”.33 To that extent, the concept of prescription is summoned to meet a crucial requirement of the Platonic ideal of philosophical rule, namely the need to enact knowledge without corrupting epistemic norms.34 The early divisions of the Statesman thus provide evidence of Plato’s ongoing reflection, since Book VII of the Republic, on the articulation of politics and philosophy. In the Republic, Socrates emphasized the radical difference between the life devoted to philosophy and the life devoted to politics by showing that philosophers, even though they are the best equipped for it, will inevitably feel reluctant to govern others than themselves: hence the need to compel philosophers to rule, with a subtle balance of legal coercion and moral obligation. The second division of the Statesman presents synchronically, as it were, what the Republic narrated diachronically: when they go back into the Cave, philosophers enact knowledge by using the art of prescription, which, as the Statesman makes clear, only differs from all kritikai technai (including dialectic and mathematics) in that it judges and commands. Epitactic knowledge – this is the last point I wish to make about the passage quoted above –, not only involves issuing orders but following them into completion. Plato, therefore, understands prescription as a twofold process: issuing commands based on epistemic observation, and supervising how they are followed by subordinates.35 This supervising activity raises, in turn, the interesting question of whether the statesman, as a supervisor of subordinate experts, must be an expert in all required technai. The very fact that the Statesman makes the important philosophical point that epitaktikê is a distinct form of knowledge

|| 32 Lane (2018) 58. 33 As Lane (2018), 58, puts it. 34 I borrow this formulation of the problem from the fascinating discussion between Harte (2018) and Lane (2018) in the same volume of the Proceedings of the Aristotelian Society. 35 See e.g. Plt. 308d–e.

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suggests that the capacity to issue relevant orders does not presuppose the ability to perform the actions that these orders command. But more on this below. The next division deepens the understanding of the prescriptive dimension of statesmanship by distinguishing two kinds of epitaktikê technê: V.: Then we should need to look at directive expertise (epitaktikên technên) in its turn, to see if it divides somewhere. And to me it seems that it does so somewhere in this direction: in the way that the expertise of the retail-dealer is distinguished from that of the ‘selfseller’ or producer who sells his own products, so the class of kings appears set apart from the class of heralds. Y.S.: How so? V.: The retailer, I think, takes over someone else’s products, which have previously been sold, and sells them on, for a second time. Y.S.: Absolutely. V.: Well then, the class of heralds takes over directions (epitachthent’) that have been thought up by someone else, and itself issues (epitattei) them for a second time to another group. Y.S.: Very true. (Plt. 260c6–d10)

The Visitor points out that just as one can either sell what one produces directly oneself, or resell what others have produced, one can transmit either what one produces oneself, or what one has acquired from someone else.36 On the basis of this distinction, the Visitor proposes to separate the class of kings “from the class of heralds” (260d1). One simple reason for choosing this art as being particularly representative of the series that follows is that heralds were closely associated with priests and politicians. The herald (kêrux) is indeed a creature of words, who not only plays the role of ambassador, but most importantly, dictates the forms of prayers in assemblies, commands silence, and assists priests with sacrifices.37 Yet the herald is not the only one of its kind to differ from statesmanship regarding the art of issuing prescriptions: V.: So – shall we mix together the expertise of the king with that of the interpreter, the person who gives the time to the rowers, the seer, the herald, and many other sorts of expertise related to these, just because they all have the feature of issuing directions (to g’ epitattein)? Or do you want us to make up a name in line with the analogy we were using just now, since in fact the class of ‘self-directors’ (to tôn autepitaktikôn genos) happens pretty much to be without a name of its own? Should we divide these things this way, locating the class of kings as belonging to the ‘self-directing’ sort of expertise (tên autepitaktikên), and taking no notice of all the rest, leaving someone else to propose another

|| 36 On this distinction, see Prt. 313d and Soph. 223d. 37 On the multifaceted role of the kêrux in antiquity see e.g. Nettleship and Sandys (1899), s.v. Cēryx. In the Laws, Plato indicates that the herald transmits decisions and sentences to the people (Leg. XI, 917e1, 928d8, XII, 958b1), and serves as the ambassador of the city (Leg. XII, 941a1 and 950d8).

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name for them? For we set up our investigation in order to find the person who rules, not his opposite. (Plt. 260d11–261a1)

Issuing prescriptions, so much is clear from this passage, is not specific to statesmanship, for the art of the herald has this in common with the art of the interpreter (hermêneutikê),38 the head of the rower (keleustikê),39 the seer and many others. What matters, of course, is that they all pass on prescriptions they have received from someone else. Not so, however, with statesmanship, whose hallmark is that it decrees its own prescriptions to other arts that receive them. As a result, statesmanship is a ‘self-prescriptive’ art, belonging to the class of autepitaktikê, a name the Visitor coins for the occasion.40

4 The Prescriptive Capacity of Statesmanship and the Subordinate Arts The early divisions of the Statesman have singled out the particular epistemic status of statesmanship by showing that it is a self-prescriptive form of knowledge, which commands arts which are subordinate to it. The later parts of the dialogue examine in turn how this ‘prescriptive capacity’ (308e5–6: tên tês epistatikês dunamin) of statesmanship works in detail. All arts subordinate to statesmanship are not subordinate in like manner. So much is made clear by the minute exploration of the paradigm of weaving (279a–283b) and its application to the search for statesmanship (287b to the end of the dialogue). The analysis of the industry of cloth-making exhibits a distinction between arts that are themselves causes (aitiai) of the production of garments and arts that contribute to this production by providing tools and which, for that reason, are called sunaitiai, “contributory”, or “auxiliary” causes. It also

|| 38 Hermêneutikê is the art of interpreting in general, and notably of interpreting oracles. On the art of interpreting belonging to the rhapsode and its limits, see Ion 530c–535a. 39 For more details on the keleustês, see Skemp (1952) 127–128 and Casson (1971) 300–303. 40 Interestingly, the Visitor does not care to coin the name of the alternative kind, even though it wouldn’t have been too difficult to find, autepitaktikê calling for its counterpart, presumably hetero-epitaktikê. One possible reason for leaving this genus nameless concerns the later fate of the arts mentioned at 260d, which, at 290a–c, fall under the genus of the “arts of service” (hupêretikê), a name that signals that, although they are remote from statesmanship, they are subordinate to its prescriptions.

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shows that weaving exercises control and supervision over each and every one of these arts: a distant supervision over the arts which make a merely instrumental contribution to cloth-making, and a close supervision of the arts concerned with creating products which directly affect the quality of the final fabric.41 Applied to ‘the arts in the city itself’ (287b6: hai kata polin autên), the distinction between aitia and sunaitia elucidates how statesmanship distinguishes itself from these arts and, at the same time, governs them all. This leads to the following definition of statesmanship: V.: If then one looks at all the sorts of expert knowledge that have been discussed, it must be observed that none of them has been declared to be statesmanship. For what is really kingship must not itself perform practical tasks (cf. 258d–e), but control those with the capacity to perform them, because it knows when it is the right time to begin and set in motion the most important things in cities, and when it is the wrong time; and the others must do what has been prescribed (ta prostachthenta) for them. Y.S.: Correct. V.: For this reason, then, the sorts of expertise we have just examined control neither each other nor themselves, but each is concerned with some individual practical activity of its own, and in accordance with the individual nature of the activities in question has appropriately acquired a name that is individual to it. Y.S.: That seems so, at any rate. V.: Whereas the one that controls all of these, and the laws, and cares for every aspect of things in the city, weaving everything together in the most correct way – this, embracing its capacity with the appellation belonging to the whole, we would, it seems, most appropriately call statesmanship. (Plt. 305c9–e6)

This definition summarizes the main lessons of the dialogue, notably that statesmanship is cognitive and self-prescriptive, because it directs other arts. But it also adds important elements explaining how the statesman’s prescriptive knowledge applies to the specific expertise and actions of the subordinate arts. Among these arts, which, as the Visitor put it, “control neither each other nor themselves” and therefore differ from statesmanship, some have been shown to be sunaitiai, auxiliary arts, which satisfy basic material needs and, to that extent, are important as conditions of existence of the city, but are only remotely supervised by statesmanship.42 Some others have been shown to be

|| 41 Among the arts of cloth-making, arts involved in the making of spindles, shuttles, and the like belong to the sunaitiai of the final fabric, while arts concerned with crafting garments (such as carding, xantikê) and looking after them (such as the art of washing, pluntikê, or the art of mending, akestikê) belong to the aitiai. For a detailed analysis of the paradigm of weaving, see El Murr (2002), El Murr (2014) 189–208, and the diagram in Dixsaut/El Murr et al. (2018) 610 (Annexe 4). 42 See El Murr (2014) 208–217.

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“precious and kindred” arts (303e9–10), directly subordinate to the statesman’s prescriptions, because they are conditions of the unity of the polis, and as a consequence, too important to be left to their own devices, uncontrolled by statesmanship. These subordinate arts are: strategy, the art of the judge and rhetoric. These three arts are examined in the section of the dialogue (303d–305c) which immediately precedes the passage above. The Visitor’s approach to these precious arts is systematic, each art being considered in turn and shown: (a) to be a form of knowledge in its own right; (b) to have a specific praxis, i.e. a field of expertise in which specific actions are undertaken; and (c) to be directly subordinate to statesmanship.43 These characteristics indicate that the order-giving expertise of statesmanship controls the precious arts strictly, but without depriving them of their autonomy. The reason why these arts are recognized as forms of knowledge is precisely to guarantee that each of them, within its specific field of action, will perform actions of its own. Note that this is true even of rhetoric, which is here granted a form of autonomy and an epistemic status that any reader of the Gorgias would find perplexing. Notice also, regarding rhetoric, the awkward formulation found at 303e10–304a2 where strategy and the judicial art are plainly named while rhetoric is convolutedly described as “that part of rhetoric which in partnership with kingship persuades people of what is just and so helps in steering through the business of cities (tas en tais polesi praxeis)”. Rhetoric is given here a slightly different status from the two other precious arts, because its aim is to persuade that the praxeis undertaken by other arts are just. The importance of rhetoric for any action undertaken in the city thus explains why it should be granted the status of an expertise, but also why it should be strictly, and perhaps particularly, controlled by statesmanship. With respect to the control exercised by statesmanship over the precious arts, the Visitor’s approach is just as systematic as it was when it concerned their relative autonomy. The main point is that rhetoric persuades, generalship wages war, and the judicial art judges impartially whether something is lawful or unlawful, but that it is up to another technê, namely statesmanship, to decide whether rhetoric, generalship, or the art of the judge, should be set in motion, and if so, when. The precious arts are therefore autonomous in that they know how to perform actions in their specific field, but have no autonomy whatsoever

|| 43 Each precious art is an expertise in its own right: Plt. 304c10–d1 (rhetoric), 305a5, a9 (strategy), 305c9–10 (all three of them); each has its own praxis: 304a1–2, c10–d2 (rhetoric), 304e7–8 (strategy) , 305b6–7 (the judicial art); each is described as subordinate to statesmanship: 304e1 (rhetoric), 305a8 (strategy), 305c7–8 (the judicial art).

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as to whether and when these specific actions should be performed. The definition of statesmanship in the passage quoted above accounts for this reduced autonomy and enlightens the content of the statesman’s prescription. Statesmanship directs these subordinate arts “because it knows (gignôskousan) when it is the right time (enkairias te peri kai akairias) to begin and set in motion the most important things in cities, and when it is the wrong time” (305d2–4). As Melissa Lane convincingly argued 20 years ago, the statesman’s knowledge is knowledge of the kairos, the “right time”, that is, one of the aspects of what the Visitor called earlier in the dialogue the “due measure” (to metrion) (283b–284b) that all arts seek when producing something, as opposed to relative measure. Attributing knowledge of the kairos to the true statesman does not only mark Plato’s appropriation of an essentially rhetorical notion, but above all, his recognition of the temporal dimension of statesmanship.44 Because statesmanship is the knowledge of the right time to set something in motion, its scientific requirement does not come into contradiction with its constantly changing object. In other words, the kairos is the very measure of how well-adapted the prescriptions of the statesman are to its fluctuating object, the changing reality of human affairs. The importance conferred on understanding the kairos as a distinctive feature of epitaktikê takes us back to the issue raised earlier concerning the ability of the statesman to perform the actions he orders the other arts. Deciding whether and when subordinate arts should perform actions requires understanding the specific conditions and objectives of these arts, but does not require the ability to perform these actions oneself. Thanks to his knowledge of the kairos, the statesman prescribes actions with the overall good of the city in mind, and this, in my view, is sufficient to determine the appropriateness of setting an action in motion, without the further necessary condition that the statesman should himself master the subordinate arts. The final section of the dialogue (306a–311c) adds yet another important point regarding the statesman’s direct involvement with the subordinate arts. The statesman, the Visitor notes, entrusts “offices in cities” (311a1: tas en tais polesin archas), which means that he chooses the individuals who will carry out these offices, and in doing so, sees to the general balance of the city, making sure “never to allow moderate characters to stand away from the courageous” (310e8–9). I will return to these two types of characters in the next section of this paper. For now, I wish to observe that in all likelihood, these offices are the ones which the statesman’s orders were shown to directly address. The states|| 44 See Lane (1998) 139–146.

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man, therefore, does not take direct charge of the tasks undertaken by the subordinate arts, but, because these officers are the conduits of his orders and the means he has to diffuse them throughout the city, he will not let anyone but himself choose the individuals in charge of strategy, justice, and rhetoric, 45 and, in addition, education.

5 Political Demiurgy in the Statesman The final section of this paper examines the prescriptive dimension of statesmanship further by situating the order-giving activity of the true statesman within Plato’s broader conception of political demiurgy. We have learnt from the Gorgias that a true craftsman: (i) knows the nature of his subject and can give a causal account of the product of his art; (ii) looks to something which he uses as a paradigm; and (iii) aims for the best, i.e. for the proper arrangement of his material. How does the true art of statesmanship meet these requirements in Plato’s Statesman? Let us start with (ii) the appeal to a paradigm. The Statesman is unique among the Platonic dialogues in providing a full-blown analysis (at Plt. 277d– 279a) of the epistemological use of paradeigmata for the discovery of complex realities in dialectical enquiries.46 This methodological approach, however, is at odds with Plato’s usual ontological approach, where models are transcendent intelligible Forms, or ideal standards that e.g. craftsmen seek to reproduce. In the Statesman, it is not a Form, but another technê, the art of weaving, that acts as a paradigm for statesmanship. The paradigm of weaving, first understood as the art exercising supervision over the whole process of cloth-making and formulating prescriptions to the arts involved in that process, leads to a pros alla definition of statesmanship at Plt. 305c–e (passage quoted above), elucidating what statesmanship is in relation to other arts. Then, weaving, understood more narrowly as the art of intertwining warp and woof, proves a suitable paradigm for the specific task of politikê technê, what the Visitor calls “the intertwining that belongs to kingship” (306a1: basilikê sumplokê), or “its own intertwining” (308e2: tên hautês sumplokên), and so for formulating a pros hautên definition of statesmanship in itself, which takes up the final section of the dialogue (306a–311c). Weaving is thus an illuminating heuristic paradigm in the States-

|| 45 This point has been convincingly argued by Lane (2013b). 46 For a detailed analysis of this passage, see El Murr (2015).

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man because, as a clearly structured and value-neutral technê, it helps discover, within the more complex and value-laden art of statesmanship, the common features shared by both arts, such as prescription and intertwinement. I suggest nonetheless that weaving does not only operate as a model for the discovery of statesmanship in the Statesman, but provides useful information as well on the actual model which the political demiurge contemplates and seeks to reproduce. As the art responsible for issuing prescriptions to other arts involved in cloth-making, weaving acts first as a paradigm for the statesman to structure his own prescriptive activity to subordinate arts, which create products that affect the material existence and unity of the polis. In this respect, it is the whole textile industry that is a model for the social organization and division of labour in the polis. But weaving operates as a paradigm for the statesman at yet another level: as the art responsible for the production of fabric. For the royal weaver also looks to the fabric made out of the intertwinement of contrasting fibers of wool and uses it as a model for resolving oppositions and bestowing a certain kind of unity on the social material. Obviously, unlike the weaver who actually produces the fabric from the threads of warp and woof, the true statesman is not responsible for producing the city. He is responsible nonetheless for weaving its unity, that is, for producing unity and harmony within the city according to the paradigm of a “smooth” (310e11: leion), “fine-woven fabric” (euêtrion huphasma). Harmony and unity in the city are thus what the craft of statesmanship seeks to produce. Can the statesman then provide (i) a causal account of the product of his craft? Although statesmanship is a prescriptive art, with a mode of action which mostly consists in managing other arts, we noted earlier that the statesman’s knowledge of the kairos is sufficient for prompting subordinate arts to take action and does not therefore require full mastery of these subordinate arts. In this respect, statesmanship does not require the ability to give a causal account of the products of each and every subordinate art within the city. However, since the unity of the city partly depends on the epitactic organization of technai diffusing the statesman’s orders, the distinction between causes and auxiliary causes which grounds this specific organization helps to explain the product of statesmanship and therefore is key to the account which the political demiurge is able to provide about the causes of the city’s unity. Moreover, as weaver of the social fabric, the statesman has the ability to account for the causes that lead to its own intertwinement. So much is clear from passages such as this one, concluding the dialogue: V.: Then let us say that this marks the completion of the fabric which is the product of the art of statesmanship: the weaving together, with regular intertwining, of the dispositions

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of brave and moderate people – when the expertise belonging to the king brings their life together in agreement and friendship and makes it common between them […]. (Plt. 311b7–9)

This passage indicates that the statesman has deep knowledge of the material he is supposed to weave, namely “the dispositions (to êthos) of brave and moderate people (tôn andreiôn kai sôphronôn anthrôpôn)”. Thanks to this knowledge, he is able to understand why these two characters are in conflict and what needs to be done to reconcile them. At Plt. 306a–308b the Visitor argues that at least two types of characters coexist in a city – the ardent and the moderate types, but that their coexistence is anything but peaceful, since they are incapable of getting along and acting in concert (307c). What ultimately explains this conflict between two antagonistic tendencies is that their opinions and evaluations obey a law of similarity, of the form: “like loves like” (307d). Each tendency thus praises what is closer to its nature, and such value judgements reveal a clash between two parties within the city, each correlated with a way of life, the affirmation of one thereby necessarily implying the negation of the other. The difference between the brave and the moderate, therefore, should not be diagnosed by the statesman as disagreement, or psychological antipathy, but more dramatically, as conflict about the very purpose of the city. So much for the diagnosis. The next, and final, pages of the dialogue (Plt. 308c–311c) expose how statesmanship can remedy this conflict by spelling out the specific measures the royal weaver puts in motion to reconcile the antagonistic characters, measures which include the supervision of paideia, the constitution of a common opinion (homodoxia) on shared values among the citizens, marriage control and eugenics.47 It is clear, then, that knowledge of the nature of its material and the ability to give a causal account of the process leading to the production of the social fabric are constitutive of the statesman’s political demiurgy. The same goes for (iii) the statesman’s ability to aim for the proper arrangement of his material. There is no need to dwell on the specific social organization that statesmanship, as a prescriptive form of knowledge, wishes to produce: we have already seen that the order-giving activity of statesmanship implied a specific ordering of technai within the polis, something close to a social division of labour. In addition, note that statesmanship, as kingly intertwinement, is also concerned with arranging and fitting its specific material, the character types of individuals in the city.48 Consider the following passage, || 47 See El Murr (2021b), and Dixsaut/El Murr et al. (2018) 592–599 for more on eugenics. 48 Marion Pollaert suggests to me that the diversity in the statesman’s material, i.e. the technai and the character types within the city, is anticipated in the Republic passage (R. VI, 501b4–5)

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prefacing the argument designed to prove why statesmanship should closely supervise paideia: V.: Then let’s take the following point in its turn. Y.S.: What’s that? V.: Whether, I suppose, any of the sorts of expert knowledge that involve putting things together (tis tôn sunthetikôn epistêmôn) voluntarily puts together any at all of the things it produces, even of the lowliest kind, out of bad and good things, or whether every sort of expert knowledge everywhere throws away the bad so far as it can, and takes what is suitable and good, bringing all of this – both like and unlike – together into one, and so producing (dêmiourgei) some single kind of thing with a single capacity. Y.S.: Of course. V.: In that case, neither will what we have decided is by nature truly the art of statesmanship (ê kata phusin alêthôs ousa hêmin politikê) ever voluntarily put together a city out of good and bad human beings […]. (Plt. 308c1–d3)

This passage clearly attests to the demiurgic conception of statesmanship, for the true, kata phusin, art of statesmanship belongs to the “synthetic sciences”, to the technai “putting things together” which, as such, impose order and structure on their material, and arrange them for the best so as to produce (dêmiourgei) a single unified product. For that reason, such technai only incorporate materials that are good and useful for their own final product. Hence the need for statesmanship to supervise educators49 who will prepare the material for the weaving activity resulting in the proper arrangement of the polis. So, within Plato’s Statesman there is enough compelling evidence to conclude that in defining politikê technê as the self-prescriptive art responsible for weaving the city’s unity, Plato did not abandon his earlier views on the principles of technê and still holds a distinctly demiurgic conception of politics. In this respect, the art of statesmanship in the Statesman remains faithful to the true art of politics advocated by Socrates in the Gorgias.

6 Conclusion This paper examined the demiurgic conditions of statesmanship according to Plato, notably the kind of action the political demiurge takes to complete his job. It argued notably that the Statesman exhibits an essential feature of politi|| examined in section 2, where Socrates mentions the philosopher-king’s “mixing and blending together from the various pursuits”. “Pursuits” here stands for epitêdeuma, a word which refers to one’s business, or activity, as well as one’s habit or way of life. 49 For more details on this supervision, see El Murr (2021b), 240–249.

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cal demiurgy, namely that the political demiurge’s main tool, the art of prescription, allows him to closely control the actions of specific arts, regarded as causes, and direct the effects of other arts more distantly, regarded as contributory causes insofar as these latter arts offer materials to the former. Political demiurgy thus diffuses rationality at every level of the city and produces what the Visitor emphatically describes as “the most magnificent and best of all fabrics” (Plt. 311c2), “holding [citizens] together with this twining” (c4–5). Evidence that such a view of prescription and causality is a significant philosophical contribution of the late Platonic dialogues lies in the comparison between the political demiurge of the Statesman and the divine craftsman of the Timaeus.50 For the divine craftsman, too, gives prescriptions. To the lesser gods he has himself created, he gives orders and guidance that they should follow in producing the mortal parts of living beings and binding immortal souls to these mortal bodies (Ti. 41b–d and 42e–43b). These lesser gods are part of what the Timaeus calls “intelligent causes”, which manifest the intelligent agency of the Demiurge,51 and include the direct products of the Demiurge’s actions and decisions (such as the body of the World, the World-Soul, the lesser gods, the immortal part of individual souls) as well as the products of these creations. The Timaeus makes room for another type of cause, labelled “auxiliary causes” (sunaitiai): these are the material causes which act mechanically or irrationally, unless they are persuaded by intelligence. The Timaeus argues at length that cosmic demiurgy accounts for both types of causes, thus conferring rationality upon the world at every level. As a result, divine craftsmanship made the best possible physical world.

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|| 50 Comparison between the two craftsmen is prompted by the mention made, in the Statesman’s myth (Plt. 268d–274e), of the “craftsman and father” (273b1–2) of the universe, who alternatively controls the world and lets it go its own way. This comparison is called for despite the salient differences between the cosmology of the Statesman’s myth and the Timaeus. For my own view on how the two accounts of the kosmos cohere and a discussion of the views of others on the same topic, see El Murr (2010) and (2014) 143–188. 51 See Ti. 46c–48b and 68e–69a.

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Klaus Corcilius

Transformation and Discontinuity Nature, Rationality, and Self-Motion in Aristotle

1 The Problem of the Unity of the Human Soul In his De anima, Aristotle defines the soul as the essence of living things and the first principle of his science of living things. As a scientist, he is an explanatory essentialist. Explanatory essentialism is the doctrine according to which natural things and the things that depend on them have essences and that these essences explain all the non-essential universal and necessary attributes these things have insofar as they are bearers of their essences. Since Aristotle is committed to this doctrine, his scientific conception of the soul is designed for explaining all the non-essential universal and necessary attributes that hold of living things insofar as they are alive as their first principle.1 These non-essential necessary attributes of living things insofar as they are alive are the scientific facts about living things, i.e. the phenomena of living things. The definition of the soul will provide the basic starting points of that science, which are its primitive, most universal, and explanatorily most powerful propositions. In short, the soul will be the basic explanans, while the scientific facts about living things – the phenonema – will be the explananda of that science. However, in the course of the hunt for the definition of that principle in the second book of the De anima, it soon turns out that the explananda of living things are so rich and diverse that their first explanatory principle, in order to be able to cover them as their first principle, will have to be complex as well. The soul as the first principle of the science of living things thus turns out to consist of a set of subprinciples. These subprinciples are the so-called parts of the soul (merê, moria tês psuchês). Aristotle formally introduces the parts of the soul in the second chapter of the second book of De anima. They are three: the vegetative, the perceptual and the intellectual part.2 The parts of the soul jointly constitute the soul as the first

|| 1 De an. I 1, 402a7–10. See Corcilius (2017) introduction. 2 The locution of “parts of the soul” has long been thought to be a mere mode of parlance equivalent to speaking of “capacities” or “faculties” of the soul (see, e.g., Barnes (1971–1972)).

https://doi.org/10.1515/9783110735598-006

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explanatory principle of the science of living things. They thus cover all genera of living things. The vegetative part covers plants and other growing things, the perceptual part animals, and the intellectual part human beings. However, this tripartite division of the soul as the first principle of the science of living things immediately raises the question of the unity of the parts. This is a pressing and by no means trivial question. As the essence and basic explanans of the corresponding phenomena the soul is supposed to be the principle of the unity of living things whose soul it happens to be. And this is what makes the question, in Aristotle’s way of thinking of it, a pressing one. A mere aggregate of parts will not suffice for the job.3 Aristotle´s answer to the question consists in an analogy. This is the analogy of the relation among the parts of the soul with that among different kinds of geometrical figures in De anima II 3. It runs as follows: In the same way in which simpler geometrical figures are contained within more complex ones, each of which contains the simpler ones not as actual parts but “in potentiality”, the more basic capacities of the soul are contained in the “higher” and more sophisticated ones. The relation among the parts of the soul thus is that of an ordered series: The capacities of the soul are related in a similar way to geometrical figures: the preceding item is always present potentially in the next in the series, in the case both of figures and of capacities of the soul; for example, the triangle is in the tetragon, and the nutritive faculty capacity is in the perceptive. The reason why they are in this sort of series must be investigated. (De an. II 3, 414b28–415a2, tr. Miller, slightly modified)

My perceptual soul, for instance, is present in my intellectual soul in potentiality, i.e. not in actuality. So far so good. But what does this mean? Aristotle’s analogy here seems to merely gesture towards a solution of the problem without spelling out what exactly the relation among the parts of the soul is supposed to amount to. There are various possibilities of conceptualizing the unity of the parts of the soul, and figuring out which one is the most adequate is one of the vexed questions of Aristotle scholarship for a very long time.4 But it is not my

|| This view misses a basic structuring distinction in Aristotle’s thinking about the soul (see Corcilius/Gregoric (2010)). 3 See De an. I 5, 410b10–15. 4 The best suggestion that I can think of in recent scholarship has been made by Johansen (2012), 67–72. See fn. 13.

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intention to engage with the history of the treatment of that problem here. I wish to focus on just one particular aspect of the unity problem instead, namely the relation between the perceptual and the rational part of the human soul. I wish to do so in order to illustrate what seems to me a common misconception of the nature of the problem. As we will see, the misconception consists not so much in the application of a false conception of the way in which the parts of the human soul are supposed to form a unity but in too abstract a conception. But let me introduce the conception first.

2 Additive and Transformative Accounts of Unity Recently, Matthew Boyle has suggested an analysis of the problem of unity, not in terms of the unity of the soul, but in terms of “theories of rationality”, by which he means theories of how our rational powers unite with our perceptual powers. His analysis uses a classification of different types of solutions to the problem of unity that draws on the distinction between what Boyle calls “additive” and – following McDowell 1994 – “transformative” accounts of rationality. However, insofar as it regards the question of the relation and the unity of different powers of living things, the distinction can readily be applied to Aristotle’s division of the soul described above, and Boyle himself applies the transformative framework to his division of the soul. Therefore, in what follows I will continue to use the locution of “parts of the soul” for ease of reference. Boyle describes additive accounts as follows: Our additional rationality module, it is held, gives us the capacity to monitor and regulate our believing-on-the-basis-of-perception and our acting-on-the-basis-of-desire in ways that nonrational animals cannot, but it does not make our perceiving and desiring themselves essentially different from the perceiving and desiring of any animal. We rational animals perceive and desire in the same sense in which any animal perceives and desires; the power that differentiates our minds is something separate and additional. (Boyle 2016, 528)

The underlying idea of the additive account of the unity of the parts of the soul is the concept of aggregation5 of modules. The parts of the soul, on the additive

|| 5 And not so much the concept of addition (I think). Addition, if taken as a mathematical operation on numbers, seems to me to have more affinities with the transformative account.

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account as described by Boyle, are separate modules, which is to say that they are operationally autonomous, i.e. at least the perceptual part can exercise its functions without the aid of the other (rational) part. Thus, in a complex soul consisting of modular parts X and Y, the fact that X and Y are combined into one complex soul XY does not alter their respective being: nutrition, perception, and thinking are not essentially different from themselves when they occur in isolation from each other or when they occur as parts of complex souls. Integration into a complex soul does not alter them, which is also why they can be treated separately. The way in which intelligent natural beings perceive, in the additive account, is the same as with non-rational animals, they both share the basically same cognitive capacity of perception, only that intelligent perceivers can reflect, monitor and regulate their perceptual operations, while other animals cannot. On the additive account thus described the different modules are both operationally and definitionally separable from each other. Boyle then raises problems for the additive account, and rejects it as unsatisfactory on two related grounds: the problem of the interaction of the modules (how do the operationally autonomous modules or parts know of each other’s doings, and how do they interact?) and the problem of unity we are already familiar with. Finally, Boyle recommends McDowell’s transformative account as superior because it avoids these difficulties: We can thus call the sort of view that McDowell recommends a transformative theory of rationality. Such theories take the very nature of perceptual and desiderative capacities to be transformed by the presence of rationality, in a way that makes rational perceiving and rational desiring essentially different from their merely animal counterparts. (Boyle 2016, 531)

On the transformative account thus presented, perception and rationality are neither operationally nor definitionally separable from each other. When perception occurs in rational animals, its very essence will be different from when it occurs in non-rational animals.

|| Adding, for instance, 2 to 2 is transformative insofar as the result is not 2 and 2 but 4, which is after all another number into which 2 and 2 are fused.

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3 Additive and Transformative Accounts in Aristotle As mentioned above, in his science of living things Aristotle conceives of the soul as the generic essence of living things. It is the first principle of the scientific facts that hold of living things insofar as they are alive. We have seen that this common essence is divided into three parts, the so-called parts of the soul. But apart from this scientific way of speaking about the soul as the generic first principle of his science of living things, there is also another way in which Aristotle speaks about the soul. This is the perhaps more familiar conception of the soul as the essence and nature of particular species or even as the nature and essence of individual living beings. Aristotle, as we will see in a moment, offers different solutions to the unity problem for each of these two cases. Regarding the generic essence of living things, there can be no doubt that he adopts a solution more along the lines of what Boyle calls the additive account. Indeed, it seems that he speaks of parts of the soul in the first place only because he subscribes to some sort of additive conception of their relation to each other. This follows from the fact that, in his De anima, Aristotle is committed to both of the following claims: (i) each of the parts of the soul can be defined separately from the other parts, and (ii) the parts jointly constitute the explanatory essence of living things.6 Thus, some sort of talk of addition of parts does apply to Aristotle’s conception of parts of the soul. This is why De anima II 3 explicitly recommends defining the soul as the explanatory principle of the science of living things by going through the series of the definitions of the parts in turn, i.e. by defining each part separately: There might be a common account in the case of the figures which will fit all of them but be proper to none of them, and likewise also in the case of the types of soul just mentioned. That is why it is ridiculous in these cases as well as in the others to seek the general account while neglecting the proper account – that is, to seek the account which will be proper to nothing that exists while neglecting that which corresponds to the peculiar and indivisible species. So we must inquire about particular cases: what is the soul of each thing, for instance, what is the soul of a plant or of a human being or of a beast. (…) It is clear, then, that the account of each of these capacities [i.e. nutrition, perception, selfmotion and intelligence] is also the most specific account concerning the soul. (De an. II 3, 414b22–33, 415a12–13, tr. Miller)

|| 6 For a full account see Corcilius/Gregoric (2010) and Corcilius (2017) XV–XVII.

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Aristotle’s mode of procedure in the rest of the treatise complies with this methodology. He will discuss each of the candidates for parts of the soul mentioned in De anima II 2, the vegetative part, perception, the intellect and locomotion in turn, and there is no indication in or outside of the treatise that he does not regard the sum of these definitions to be the definition of the soul as the first principle of his science of living beings. So clearly, in this instance Aristotle accepts some version of the additive account. Having said this, however, it is important to add that this additive conception applies to the parts of the soul as the first principle of the science of living things only. And what that means is that the parts of the soul are separable from each other only in definition (logôi). But with this nothing is implied with respect to their operational separability (modularity), which is an important part of Boyle’s conception of additive accounts of rationality. Aristotle’s definition of the soul in the De anima does not aim at giving accounts of the actual workings of the soul within the living body, at least not immediately. For him, such accounts of the actual operations of the soul have to be dealt with in a different set of treatises, namely the works dedicated to the study of the so-called actions and affections “common to body and soul”. De anima, as we have seen, is confined to the definition of the first principle of the science of living things (see De an. I 1, 402a7–19). In Aristotle’s explanatory essentialism, first principles of scientific accounts are generic essences of the entities that constitute a scientific domain – in our case living things – and there is, of course, no reason to suppose that generic essences engage in any actual operation of the soul. They could not possibly engage in such operations because they lack what Aristotle thinks is absolutely necessary for such operations, namely a body. The generic essence of living things has no more a body than other artifacts of scientific abstraction have, such as, for example, ‘blooded animal’ or ‘soft-shelled animal’. Hence, in their case questions about the operations of the soul do not arise. They come up “later” in the order of scientific explanation, namely at the point where Aristotle goes about explaining the phenomena of living things with reference to the soul as the first principle of these explanations. This happens not in the De anima, which is dedicated to the definition of the generic principle of the science of living things, but in the accounts of the actions and affections of living things “common to body and soul”.7

|| 7 See Sens. 1, 436a1–437a17.

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With regard to the conception of the soul as the essence of individual living beings, by contrast, the question of operational separability should come up immediately. Are the different parts of the soul of empirically existing hylomorphic compounds like, say, a dog, not only separate in account but also operationally separate modules? Is the dog’s perception operationally autonomous from its vegetative part? As far as De anima is concerned, there seems to be no informative discussion of this issue apart from the above quoted vague geometrical analogy. Outside the De anima, though, there is textual evidence that seems to suggest that Aristotle falls squarely into the transformative camp.8 In his Metaphysics, he discusses the problem of the unity of multi-part definitional accounts of essences. His solution there rests on the assumption that the parts of the definition of essences correspond to steps on definitional trees that lead from the highest genus to their infimae species. The answer to the question of how the series of definitional steps, even though many in number, can form an essential unity consists in his novel conception of the generic parts of the essence higher up a given definitional tree as determinables.9 The idea is that the generic features along definitional trees receive their determinations further down the tree by increasingly specific differences until they are fully determined at the last stage where the series reaches its “last” difference (infima species). In this way of thinking about the ontology of definitional trees, it turns out that species just are certain determinations of their genera: If then a differentia of a differentia be taken at each step, one differentia – the last – will be the form and the substance; (…) Therefore it is plain that the definition is the formula which contains the differentiae, or, according to the right method, the last of these. (Met. VII 12, 1038a25–30; tr. Ross, in Barnes (1984))

On this determinable–determinant view the essence of a given species would, strictly speaking, consist only in the very last step of the series of determinations of the highest genus and not in the entire series of steps (as Plato seems to have thought). This is so because the generic features further up the tree, according to this view, have no separate existence apart from the infimae species: they are contained in the infimae species which are nothing but their last determinations. On that conception, therefore, the problem of unity of the so-called parts of the account of the essence does not arise. Since the more generic parts || 8 As noted by Boyle (2016) 532 and 551. 9 See Prior (1949).

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have no separate existence apart from the infimae species, no principle of unity is required to unify the species with its generic attributes. An immediate consequence of this determinable-determinant account of the metaphysics of definitional trees is that the very being of all previous steps on definitional trees – the generic essential features further up the tree – will receive their determination with their infimae species. And that is just another way of saying that the infimae species transform the genus.10 Aristotle draws this conclusion explicitly: For I give the name of ‘difference in the genus’ to an otherness which makes the genus itself other (legô gar genous diaphoran heterotêta hê heteron poiei touto auto). (Met. X 8, 1057b38–1058a4)

This is strong evidence that Aristotle is committed to a transformative framework in regard of the relation between genus and species as they occur in definitional trees. The question for us now is of course whether this result can be transferred to the unity of the definitional parts of souls as they occur in concrete species of living beings, in which case Aristotle would have to be regarded a transformativist. However, for that to be the case, i.e. for a straightforward application of the metaphysical determinable-determinant framework of definitional trees to the parts of the soul, the different parts of the soul would have to relate to each other as genus and species relate to each other in definitional trees. But that does not seem to be the case. Aristotle does not conceive of perception as a species of vegetative self-preservation, nor does he conceive of the intellect as a species of perception, and neither does he conceive of the intellect as a subspecies of vegetation. And the fact that De anima II 3 says that the different parts of the soul stand in a serial order furthermore virtually precludes that there is a common genus for the parts in the first place.11 Just as there is no common genus “figure” of which triangle and quadrangle etc. are species, there is no common genus “soul” of which vegetation, perception, and thinking are species. Neither is vegetation the genus of perception, nor is perception the genus of thinking. So, it seems we have to conclude that Aristotle is a transformativist with respect to genus and species, but also an adherent of an additive conception of the parts of the soul, albeit not in the operational (or “modular”) but only in a definitional sense. This has a striking consequence. For it

|| 10 Or, to put it differently, it is not the case for Aristotle that parts of the definition are predicated of the other parts as “of something else” (An. post. II 3, 90b34–38). 11 See Pol. III 1, 1275a34–38, cp. EN I 4, 1096a17–18.

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now seems that according to Metaphysics X 8 Aristotle is committed to the thesis that the genus “animality” in the horse Bucephalus (which is defined with reference to perception)12 is essentially different from the genus “animality” in the human being Alexander, while at the same time he is not committed to the thesis that perception as a part of Alexander’s soul and perception as a part of Bucephalus’ soul are essentially different from each other.13 This is a puzzling result.14

4 How? So how can Aristotle preserve the transformative idea that perception in humans is essentially different from perception in other animals? Or should he not be committed to this idea, after all? Before I discuss this question, I should point out that all too simple transformative accounts of the unity of the parts of the soul, and of the unity of perception and nous (“rationality” understood as the basic capacity to think and act rationally) in particular, are not desirable in the first place. Such all too simple transformative accounts would have it that the rational soul of a human being transforms the very essence of that human be-

|| 12 Somn. 1, 454b24–25. 13 Johansen has argued that Aristotle defines the parts of the soul not as kinds but as something like the specific differences of the largest kinds of living things: vegetation for plants, perception for animals, and rationality for humans, even though there is no single genus common to them (s. Johansen (2012) 47–72, cp. De an. ΙΙ 2, 413b33–414a1). This, if correct, would nicely cover the essential features of all living things while also taking care of the ordered series in which the different parts of the soul stand, according to Aristotle. Since there is no superordinate genus ‘soul’ of which the different kinds of soul are species, the parts of the soul differentiate the largest kinds of living things without being determinants of a genus. This would be an ingenuous solution to a long-standing problem. It does, however, not fully answer the question of unity, since now it is difficult to see how the determinable–determinant account can be transferred into a scenario in which there is no common genus. Johansen’s suggestion that De anima II 3 should be understood in such a way that the lower parts of the soul relate to the higher parts as matter relates to form seems plausible, but it is not clear how this version of the transformative account can be grounded in a scenario in which the parts of the soul relate as specific differences of a common pseudo-genus (as opposed to species to genus), while still preserving the features of ordered series. Of course, maybe there is no such grounding to be had. I do not think this is the case, though, but there is no room to argue for this here. 14 Of course, the result is much less puzzling if we bear in mind that the doctrine of parts of the soul is confined to the parts of the definition of the soul, not to actually existing souls.

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ing’s perceptual soul (and perhaps also the essence of the vegetative part) in such a way as to make the human soul an unproblematic natural unity. Humans, on such an exceedingly simple account, would be essentially rational in the same way in which, for instance, the vegetative capacities of a dog are essentially a canine’s vegetative capacities, i.e. they are naturally fused with, and operationally inseparable from, each other; they are essentially a dog’s capacities responsible for biologically reproducing the dog, thus making these vegetative capacities being essentially canine. If that were the case also for human beings and the relation between their rational and their non-rational capacities in particular, human beings would be, as it were, all of one natural rational piece. Everything they did or felt would have to be rational or at least in line with their rationality, and the exercise of their rational capacities would have to be not only definitionally but also operationally fused with the exercise of their nonrational capacities. But that seems clearly not what Aristotle has in mind when he speaks about the relation of the rational part of the human soul to the other parts. On the contrary, he seems to think that there is, at least to some sizable measure, a certain operational autonomy of our perceptual functions with respect to rationality. This happens, for instance, when we are in the grip of overwhelmingly strong emotions, in states of drunkenness, illness, or simply when we are asleep. Sometimes Aristotle speaks of such situations as moments of “eclipsed” rationality (epikaluptesthai ton noun, De an. III 3, 429a7–8). Now, in whatever way we may wish to describe (or to explain away) such phenomena of parts of the soul that are operationally autonomous from rationality, they certainly show that Aristotle does not think that we humans are all of one natural rational piece, and that he in one way or the other endorsed the idea that our perceptual system is in some way and to some extent operationally separable from our rational capacities (not, however, the other way round).15 A further

|| 15 One may object here that we encounter a similar operational separability with relation to perception and the vegetative functions, namely during sleep. While asleep, animals cannot only exert their vegetative functions without perception, but they can exert them even better (Somn. 1, 454b27–455a3). However, this objection would miss the point in at least two respects. Firstly, it takes it for granted that a simplistic transformative account applies with relation to the unity of the perceptual with the vegetative part. But this is an open question at this point. There may even be a certain degree of operational autonomy of the vegetative part with regard to perception as well. But the main point is that in the case of sleep the operational autonomy of the vegetative functions is the outcome of a causal (thermic) effect that certain digestive processes exert on the perceptual system. Basically, what happens is that the region around the heart, which is the location of the central perceptual organ, is thermally isolated from the

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reason to be cautious in this regard is that Aristotle denies the existence of a dedicated organ or, if one prefers that language, the existence of a “material realization” for the thinking capacity. This has, among other things, to do with the fact that in his theory thinking cannot be acted upon. This makes it that the capacity of thinking, unlike the other parts of the soul, is not something “of” a body, which renders it conceptually independent of the body. But, if that is so and vegetation and perception are hylomorphic, i.e. essentially enmattered capacities, while human nous is not, the question how the non-rational and hylomorphic parts of a human soul can be “of one natural piece” with nonhylomorphic nous becomes even more pressing. How can there be an essential unity between the form and entelecheia of a body on the one hand and the intellect which is not the entelecheia of any body (De an. II 2, 413a6–7) on the other? And then there is, of course, mental conflict. As Aristotle describes it, mental conflict consists of a simultaneous occurrence of conflicting desires, and it is important to add here that, in his conception, the conflicting desires stem from different parts of the soul (De an. III 9, 433a7–8; 10, b5–10; cp. 11, 434a12–14). He even says that each of the parts of the soul is capable of setting the animal in motion (EN VII 3, 1147a33–b5: kinein gar hekaston dunatai tôn moriôn), which strongly suggests some sort of operational autonomy of at least some parts of the soul and with respect to the moving function of the soul. So, clearly, an all too simple and unproblematic natural unity seems inadequate to capture the complexity of Aristotle’s conception of the unity of the human soul. To be sure, this all too unproblematic natural unity is a straw man. Nobody I am aware of has attributed such a theory to Aristotle explicitly.16 The point I wish to make with it is to bring out the undesirability of the application of the determinable–determinant idea from the Metaphysics to the relation among the parts of the human soul without significant further qualification. Aristotle sees clearly that the parts of the soul are not species of a common genus. And he is happy to speak about “parts of the soul” not only when speaking about the first || rest of the body and thus incapacitated (3, 457a33–b2). Now, whatever the details of this causal story, the very fact that sleep is induced by the impact that the digestive system exerts on the perceptual system shows that the perceptual system is there and ready to do its job, which it would do if it was not acted upon so as to be neutralized. There seems to be nothing like this in the case of nous. 16 I trust that Boyle (2016) does not suggest that theory either. As the title of his article suggests, his interest seems to lie elsewhere, namely with the inadequacy of modular accounts. The way I see it, the point of his paper is to show that some kind of transformative solution is preferable over the additive model.

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principle of his science of living things but also when he speaks about individual living things, and in particular when he discusses situations of mental conflict. The conception of parts of the soul pervades his entire oeuvre and is by no means confined to his so-called psychological works. Thus, when he introduces the soul in his ethical works he speaks about the unity of the human soul in a way that accepts the existence of parts of the soul also in the individual human being. He discusses the soul in terms that combine the concept of the definitional separability of the parts of the soul from each other (which is familiar from the definition of the parts of the soul in De anima) with their inseparability “by nature” (achôrista pephukota): Whether these parts (of the soul) are separate like the parts of the body or anything else physically divisible, or whether they are two in account while inseparable by nature, like the convex and concave in a curved figure, does not matter for our present concern. (EN I 13, 1102a28–32, tr. Ross, in Barnes 1984, altered)

This passage, I think, shows three things, which are relevant for our present concerns: Aristotle (i) thinks of the parts of the soul as being separate in account from each other not only in his so-called psychological writings but also in his ethical writings;17 he (ii) does not seem to see any problem with applying his conception of parts of the soul as separate in definition or account in his ethical works; he (iii) thinks that the parts of the soul, though separate in account, somehow form a natural unity “like the convex and the concave in a curved figure”. This is confirmed by a parallel passage in the Eudemian Ethics: It makes no difference if the soul is or is not divisible into parts; it still has different capacities, including those we have mentioned – just as the convex is not separable in a curve from the concave, nor is the straight from the white in a line. Yet the straight is not white, except incidentally and not in its own substance. (EE II 1, 1219b32–37, tr. Inwood/Woolf)

The result of this, I take it, is that the transformative account cannot possibly apply to the parts of the human soul, at least not in any simple sense, while

|| 17 This is how I understand his talk of “being two in account, while inseparable from each other like the convex and concave in a curved figure”. The example makes it clear that what he has in mind is some sort of combination of inseparability in nature with separability in account. The first option of a physical separation of the parts of the soul from each other is not a serious option for Aristotle as he does not believe that the soul has any physical extension.

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there can be no doubt that the additive account of the parts of the soul from De anima’s definition of the first principle of the science of living things continues to apply also in the ethical works. This, I submit, is as it should be. It is a simple truth, in spite of the natural unity that the complex souls of human beings are said to exhibit, that a human soul’s perceptual, vegetative, and intellectual parts – considered in themselves – are separate in account. Their definitions do not contain any reference to each other. Furthermore, qua perception, and qua vegetation all that is said in De anima by way of definition of the corresponding parts of the soul continues to hold if predicated of individual animals. As Aristotle seems to see it, the question really is only how a soul of multiple and definitionally separate parts can form a natural unity. Definitional fusion of the parts of the soul, as the simplistic transformative account of human rationality suggests, is not an option for Aristotle. What then is this Aristotelian conception of natural unity that allows him to bring together the parts of the human essence, and the rational and the perceptual parts of the soul in particular?18

5 Natural Unity Aristotle’s answer to our question of the natural unity of the parts of the soul is, I think, very much the answer of a scientist of living things.19 He says that the

|| 18 Aristotle speaks of inseparability “by nature”, but we should read this with the due portion of caution. For, while he thinks of the other parts of the soul as being necessarily co-present in each ensouled part of the living body, he does not seem to think this about nous: “For each of the parts [i.e. of the bisected bodies of insects] has perception and motion with respect to place, and if perception, then also phantasia and desire; for wherever there is perception, there is also both pain and pleasure; and wherever these are, of necessity there is appetite as well. But concerning reason and the capacity for contemplation nothing is yet evident but it seems to be a different genus of soul, and this alone admits of being separated, in the way the everlasting is from the perishable.” (De an. II 2, 413b21–27, tr. Shields). “Natural unity” here refers to the way in which the parts are one, it does not indicate that the parts are natures in the Aristotelian sense (nous is not a nature and therefore separable from matter, Part. an. I 1, 641b32–b8). Note that the ways in which the different definitional parts of the soul form a unity may vary in each case. See below. 19 In the sense sketched above. Aristotle’s science of living things is not biology insofar as he is an explanatory essentialist. Explanatory essentialism, unlike the modern science of biology,

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lower parts are teleologically subordinated to the higher parts, which is to say that the latter are the former’s natural goals, while the lower and more generally shared parts of the soul conversely are necessary enabling conditions for the existence of the higher parts. Thus, the vegetative capacity of a mouse, for instance, exists for the sake of its perceptual part, while the vegetative and the perceptual parts of a human being both exist for the sake of her rational part (cp. Gen. an. II 3, 736a35–b8). This seems to be the way in which Aristotle thinks about the unity of the parts of the human soul already in De anima II 3, where he introduces the idea of the lower parts as being potentially contained in the higher parts, even if he does not explicitly speak of teleological subordination there.20 So, in terms of the goal of their operations the different parts of the soul are teleologically fused, which is to say that in human beings each of the lower parts exists for the sake of the rational part, whereas the rational part is the goal. The following preliminary picture results: in naturally unified souls, the vegetative (i), the perceptual (ii), and the intellectual (rational) (iii) parts of the soul relate by: Potential Containment Whenever a living substance possesses more than one part of the soul, the lower parts – i.e. either (i) or (ii), or both (i) and (ii) – are contained in the highest part (iii) in potentiality but not in actuality – i.e. they are contained in (ii) or (iii). And by: Teleological Subordination In all living substances that possess more than one part of the soul, the lower parts are teleologically subordinated to the highest part, i.e. either (i) is teleologically subordinated to (ii), or (i) and (ii) are teleologically subordinated to (iii).

|| is, so to speak, metaphysical all the way down. Even the minutest biological detail should be shown to depend on the essence of the species in question. 20 The passage in Gen. an. II 3 references the De anima (736a37–b1).

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This gives us a first and rough idea of how Aristotle might have thought about “inseparability by nature”. It is a way of thinking about the parts of the soul that on the one hand preserves their definitional separability while emphasizing their teleological subordination to the highest part on the other. But the idea of teleological subordination is a very general and, at this point at least, still very abstract and unspecific idea. While it offers a basic answer to the question of the unity of the parts of the soul, it does not tell us in which way exactly (i) is teleologically subordinated to (ii), and in which way (ii) is subordinated to (iii). In particular, the mere notion of teleological subordination is not specific enough to offer a plausible account of the mode of unity of human rationality and perception, which seems to be different from the mode of unity exhibited by the vegetative and the perceptual parts of the soul in non-rational animals. All we know so far is that there is a teleological subordination among the parts along the steps of the ordered series. What we want to know, however, is on which conception of teleological subordination, if at all, human rationality and human perception can form a natural unity that allows for phenomena such as mental conflict and the eclipse of reason (and for whose at least partial operational autonomy, as we have seen, there seems to be no equivalent in the case of vegetation and perception). To see how this can be the case, I will look into three different fields of application of teleological explanation in Aristotle’s works. What we are looking for in particular is a more precise conception of what “teleological subordination” may mean for Aristotle in the case of the teleological subordination of the perceptual to the rational part of the soul.

6 Teleological Conceptions of Natural Unity in Aristotle I start with a brief account of Aristotle’s general and basic framework of explanation by final causes. This model, as we will see, underlies his various applications of teleological explanation.

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6.1 Aristotle’s General Account of Explanation by Final Causes Aristotle develops his general framework of explanation by final causes in Posterior Analytics II 11. I will present it here merely in its barest outline,21 and only to the extent to which it allows us to get a grip on Aristotle’s more specific conception of teleological subordination. According to this general framework, satisfying scientific explanations by final causes should exhibit three structural features. They are: a goal, a realizer of the goal, and a productive action which brings the realizer of the goal into physical existence. The example Aristotle uses is health as the final cause of a walk after lunch. “Why does he walk after lunch?” “In order to be healthy, since walking makes the foodstuff not remain at the mouth of the stomach, which is healthy.” The scientific explanation of this fact, says Aristotle, will look like this: A: health: the goal B: having food removed from one’s stomach (a certain state of affairs that realizes A in the obtaining circumstances). Aristotle says of B that it “is as it were an account of A”: the realizer of the goal C: walking about: the productive cause of B “making the foodstuffs not remain” The items relate as follows: B and C cause the existence of A; however, they do not cause the existence of A as such, since we cannot produce health, which is a universal, but the existence of something that has A as a feature, i.e., B and C can cause something in the sense of a state of the world that ‘is healthy’ (in what follows, A’, typically expressed paronymously, such as in ‘is healthy’). The resulting demonstration runs thus: A holds of B: ‘health in these circumstances means having food removed from one’s stomach’ B holds of C: ‘having food removed from one’s stomach in these circumstances means walking’ A holds of C: ‘health in these circumstances means walking’ Thus, final causes, strictly speaking, are only items of the kind A (‘A-type goals’ in what follows). They do not act as final causes by doing or undergoing things

|| 21 For a more extensive account see Corcilius (2019).

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but by having other things doing / undergoing something for their sake. These other things are items of kinds B and C that realize the goal and bring it about. Final causes are causes only of the goodness of these other things, B and C. More specifically, A-type goals are universals. Aristotle says of them that they are intrinsically good and that therefore they can act as causes of the goodness of the things that take place or exist for their sake, namely B and C. A, we may say, is the ‘point’ why B and C exist, are done, or happen. Final causes of type A are, in other words, the teleological ground for, and principle of, B and C. The other things (B and C) that exist for the sake of A are either physical states of affairs (or objects) that realize the final cause in the given circumstances (B),22 or they are the productive causes of B, i.e. C. Hence, B and C are good, but only because, and to the extent in which, they cause A’s existence, or, to be more precise, to the extent in which they cause the existence of something A-ish (A’). In this way, A is the teleological principle and norm of B and C, providing the latter with their goal and criteria of success and failure. Without A, B and C are neither good nor bad. However, insofar as B provides such norms for C, B may be regarded as a kind of goal as well (B-type goal in what follows). For example, supposing that shelter is the A-type goal of a house, then the house will be the B-type goal realizing A, but a proper house will also offer criteria of failure and success for C, the process of house-building. As a result, there are three necessary structural features of genuine explanations by way of final causes (‘A, B, C–structure’ in what follows):23 A-type goal: a universal intrinsic good or value like e.g. health (or pleasure, honor, the rationally good) B-type goal: a physical state of affairs or a physical thing realizing A in the obtaining circumstances, e.g. removal of the foodstuff C (the productive cause of B): e.g. walking about

|| 22 Aristotle says that B is “as it were an account of” A, which, I think, is best made sense of as saying that B realizes A in the given circumstances. See Corcilius (2019). 23 Of course, this is a minimum condition. There are no limits to the complexity of the further intermediary teleological steps. Aristotle’s point in An. post. II 11 is merely that A, B, and C are necessary and sufficient for explanation by final causes, and that every additional step will have to fall in the camp of either B or C. One cannot, of course, rule out the possibility that a given course of action or process may realize or produce more than one A-type goal. However, it will probably not be possible for B and C to contribute towards the existence of a plurality of goals in the same respect. I shall not discuss that complication here.

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So much for the general framework of teleological explanation in Posterior Analytics II 11. Since it is meant to be general, we can apply the framework of the A, B, C–structure to the different fields of teleological explanation in Aristotle’s work, which is what I will do in what follows. I distinguish two fields of application: natural teleology, within which I will distinguish two subcases, and nonnatural teleology.

6.2 Natural Teleology Aristotle’s natural teleology is based on his ontological thesis that there are things in nature that have final causes (A-type goals) which are ontologically tied to them. These things have their own intrinsic goals for the sake of which they engage in the processes that are distinctive of them. These goals are their specific natures and essences. For Aristotle, all such natural things are living things. The intrinsic goals that they have are their souls or life-functions, which are their natures and essences. Natural teleology rests on the assumption that living things tend towards self-realization and preservation and that they do so by engaging in processes that aim at their intrinsic goals (their souls). For Aristotle, this assumption is a metaphysically primitive fact about living things. Natural teleology is connected to natural processes (kinêsis) that either bring about or realize such natural goals. These goals, then, are naturally good. It is an important principle of Aristotle’s natural teleology that the goals of natural things are intrinsic goals relative to the species in question: Hence since nature is for the sake of something, we must know this cause also. We must explain the ‘why’ in all the senses of the term, namely, (….) and also because it is better thus, not without qualification, but with relation to the being of each thing (pros tên hekastou ousian). (Phys. II 7, 198b3–9; tr. Hardie and Gaye, in Barnes 1984, altered) What is healthy or good is different for men and for fish. (EN VI 7, 1141a22–23; tr. Ross, in Barnes 1984, altered)

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Natural teleology is specific to certain kinds and genera of living things, namely those that share the same kind of ousia (at least to some extent).24 This principle makes sure that the goals which enter the account are intrinsic to the species in question. This way Aristotle avoids teleological explanations by goals which are extrinsic to the natural thing in question.25 Natural teleology, we may say, explicates the teleological workings of natural goodness. In Aristotle we find two kinds of natural teleology, which I here label objective natural teleology and subjective natural teleology. I will briefly present the structure of both of these fields of application of Aristotle’s natural teleology.

6.2.1 Objective Natural Teleology Objective natural teleology is objective in the sense that it does not require any subjective representation of a goal. It “just so happens” that the items that fall under the domain of objective natural teleology behave in goal-oriented ways. That they do so is a primitive metaphysical fact. The fact that a chestnut tree, for instance, grows in the way in which chestnut trees naturally grow does not require the subjective representation of the corresponding goal-state neither on the side of the tree nor on the side of an alleged creator. That chestnut trees grow in this way, provided that nothing intervenes, is a metaphysical fact about chestnut trees. It is an important feature of objective natural teleology that the A-type goals of the relevant life-processes are the natures (souls, essences) of the living things whose goals they are. The chestnut tree’s goal-state is the natural form, soul, essence, and nature of the chestnut tree. Final and formal cause, essential substantial being and goal, coincide. This brings with it another important feature of objective natural teleology: the final cause of the relevant living things (their souls, essences) are their natures (phusis) also in the sense of the ultimate moving causes of their life-processes: final and moving cause coincide as well. Applying the A, B, C–structure to the goal-directed processes of our

|| 24 Aristotle’s methodological principle of commensurate universal explanation makes it that he sometimes transgresses the boundaries of the genera of living things. He does this wherever there are significant commonalities among heterogeneous living things that allow for a common account (see Part. an. I 1, 639a29–b5, and, more generally for the soul as the first principle of the science of living things, see Corcilius (2023)). 25 See Corcilius (2020a) 69–74.

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chestnut tree, then, results in the following schematic representation of objective natural teleology: Objective Natural Teleology (A) life-function (the soul, nature) of the chestnut tree (B) physical state realizing A in nature: the actual chestnut tree (C) process instrumental towards the production of B: growth of the chestnut tree Everything going well, the result of the process will be the achievement of the goal in the form of a well-functioning exemplar of the living thing in question: (A’) a particular well-functioning chestnut tree A’, the particular well-functioning chestnut tree, is paronymous with A, which is its teleological principle, namely the chestnut-tree soul. Something like this paronymy-relation is expressed when we say that the tree is ‘alive’ or – in the Greek – empsuchon: ‘endowed with soul’. All natural processes of growing things and all other vegetative processes in Aristotelian nature take place according to objective natural teleology. The fundamental idea behind the above schema of objective teleology is obviously that it describes a full circle: the soul, nature and life-function of a natural being is both, the goal and the productive cause of its own realization; no agent, demiurge or subjective representation of the goal state is required. Natural living things “just are such” that they engage in and undergo processes that serve their own intrinsic goals.26

6.2.2 Subjective Natural Teleology Unlike objective natural teleology, subjective natural teleology involves a subjective presentation or a representation of a goal. Subjective natural teleology

|| 26 This ontological thesis about natural living things as “self-creating systems” is one of Aristotle’s major innovations in teleological thinking (see Lennox (1995)). This important thesis raises a host of questions, among others the question as to how much Aristotle here relies on the ‘craft-analogy’. A discussion of this falls outside of the scope of this paper; for a survey of the problems and questions see Johansen (2020).

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applies to the domain of animal self-motion. We can introduce it by using a simple example: an animal – a rabbit, for instance, – cognizes an object in its environment, say, a carrot, which strikes it as pleasant. The animal desires the object, moves towards it, brings itself in possession of the object and eats it. We can represent the underlying teleological structure as follows: Subjective Natural Teleology (a) perception of a given object of desire (x) (b) desire for x (c) process instrumental towards achieving x (= self-motion or ‘action’ of the animal) driven by the animal’s desire Everything going well, this will result in: (a’) possession of the object of desire / satisfaction (and end) of desire This is the teleological structure of basic animal action as it underlies Aristotle’s theory of animal self-motion in De anima III 9–11 and the De motu animalium.27 Given that this structure looks very different from objective natural teleology, we have to ask whether it matches the general teleological A, B, C–structure of teleological explanation as stated above. In the case of a negative answer, we would have to conclude either that subjective teleology is not a genuine teleological explanation or that the A, B, C–structure is not generally applicable to all the instances of explanation by final causes. Perhaps the most striking difference between the two schemata is that in subjective natural teleology the object of desire (a), unlike the teleological principle (A) in the general schema, does not offer a teleological ground for the goodness of the objects of desire (nor for the goodness of other items in the schema). A perceived or otherwise cognized object of desire, like the carrot in our example, does not explain why that object is good and why it is desired by the rabbit. So, it would seem that the schema of subjective natural teleology does not offer a complete teleological explanation of why animals engage in self-motions. This is different in objective natural teleology, where the A-type goals do offer fully satisfying answers to the

|| 27 This is not to say that Aristotle’s theory of animal self-motion in De an. III 9–11 and the Mot. an. is a teleological theory. It is first and foremost a theory of the moving cause of animal selfmotion; see Corcilius/Primavesi (2018) and (2021).

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question “why are B and C good for the natural thing in question?”. A-type goals are in this sense ultimate (eschaton) that they offer ultimate answers to the question “why are B and C good?” This is why in Aristotle’s theory we cannot meaningfully ask why animals or plants do undergo processes for the sake of their A-type goals.28 But we can, by contrast, meaningfully ask: for the sake of which goal does the rabbit desire the carrot? The reason for this is that ‘object of desire’, if conceived of as an object of perception, as e.g. in the case of the carrot, clearly does not offer a teleological ground for animal self-motion: “carrot” is not a satisfying answer to the question “why is it good?” Aristotle’s theory of desire, however, does offer teleological grounds for the goodness of the objects of desire. These grounds are what he calls the “highest goals” of the three different kinds of desire he accepts in his theory. They are the rational good (to agathon), which is the goal of the desire for the rational good (boulêsis, often translated as wish), social recognition (honor, timê) for thumos, the desire for social rank and recognition, and pleasure (hêdonê) for appetitive desire (epithumia), which is the desire for pleasure.29 Leaving out the rational good for the time being, there is, then, a full Aristotelian explanatory account of animal self-motion available that entails a satisfactory teleological ground for the fact that animals desire objects, namely either because these objects are (and / or seem to them) honorable or they are or seem pleasurable to them. If we now integrate these Aristotelian teleological grounds of desire in the above schema of subjective teleology, we can assimilate it to some extent to the schema of objective natural teleology, as it now turns out that desires do have highest goal as their teleological principles, after all. But actually, there is an even closer connection between the two schemata. The connection consists in the fact that there is also a teleological ground for the fact that animals desire the highest goals of their desires in the first place. We can meaningfully ask “why do animals desire social rank and pleasure?”. And the answer to that question will be the same in both instances, namely that it is the natures of the animals in question that determine which highest goals they desire. So, pleasure and social rank as the highest goals of animal desires are themselves teleologically grounded in terms of what these animals are, that is to say in terms of what souls, essences and natures these animals have. It is only animals with natures, i.e. hylomorphic compounds that move and undergo natural processes, that || 28 Top. VI 8, 146b9–12, An. post. I 24, 85b27–35. See Corcilius (2019) 17. 29 Top. VI 8, 146a36–b9; for discussion see Corcilius (2008) 56–64 and Corcilius (2011) 119– 121, Corcilius/Primavesi (2018) CCXIV–CCXVI.

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desire pleasure and social rank as highest goals. Pleasure and social rank are the highest goals of animal behavior because of what animals are, i.e. because of their animal souls, essences and natures. This is what Aristotle suggests in his History of Animals: And what is natural is pleasant; and all pursue their natural pleasure. (Hist. an. VIII 1, 589a8–9, tr. Balme)30

Aristotle’s account of non-rational desire in the De anima confirms this picture. It says that animals experience pleasure (or pain) whenever they perceive objects that are good or bad for them. Here, the sense of ‘good or bad’ is biological; it is to be taken in the sense of ‘conducive or detrimental to the animal’s selfpreservation’ in the sense of the preservation of their natures. The result is what I call a homeostatic account of self-preservation on the level of perceivers:31 To perceive then is like bare saying or thinking; but whenever it is pleasant or painful, the soul, as if it were affirming or denying, pursues or avoids, and to feel pleasure and pain is to act with the perceptual mean in relation to what is good or bad insofar as they are such. (De an. III 7, 431a8–11)

What regulates sensations of pleasure and pain and desires in animals are their biological needs, and these biological needs are determined by their natures (souls, essences), i.e. by what they are. When animals are in need, e.g. in need of food, their perceptions of eatable things will strike them as pleasant, which is why they will feel attracted by these things and so on. And they will cease to feel attracted by them as soon as their needs have been met, and this will be the case whenever their natures have been “restored”. Their natures in this sense determine the “states of equilibrium” of their bodily states. There is, in other words, a teleological grounding relation between the subjective goals of animals and their natures. It is animal natures that are the regulating principles of their desires and their sensations of pleasure and pain. The upshot of all this is that subjective natural teleology, in Aristotle’s way of thinking about it, is embedded in objective natural teleology.

|| 30 Cp. De an. III 12, 434b14–27, Sens. 1, 436b15–437a1. 31 I argue for this biological interpretation of Aristotle’s definition of non-rational pleasure and pain and desire at length in Corcilius (2008), Part I, and in Corcilius (2011). A shorter version can be found in Corcilius/Primavesi (2018) CCII–CCXVI and in Corcilius (2021).

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Embedded Subjective Natural Teleology (A) life-function (soul, nature) of the animal (B) physical state realizing A (b) cognition of some x, which is good for the animal because it is conducive to B, and, for that reason, pleasant to, and desired by it (C) process instrumental towards the production / possession of x (driven by desire) Which, everything going well, will result in (b’) realization / satisfaction of the desire for x and end of desire (A’) a particular well-functioning animal Animals desire things they subjectively perceive or represent because, ultimately and usually unbeknownst to the animals, these things are either conducive or detrimental to their natures, which are their ultimate A-type goals. The structure of embedded subjective natural teleology thus again describes a full circle, starting with an animal nature as the final, the formal and the ultimate moving cause of the process and ending with a particular animal that is in possession of its natural state. So we ought to conclude that subjective natural teleology is not a self-standing mode of teleological explanation but fundamentally an extended case of objective natural teleology. And because it is embedded in objective natural teleology, subjective teleology works on the basis of A-type goals which are also the moving causes of the ensuing processes. Embedded subjective natural teleology is the underlying structure of Aristotle’s teleology of animal action and self-motion. It is also an instance of teleological subordination of the vegetative under the perceptual part in that the vegetative machinery of objective teleology continues to take care of the biological reproduction of the animal by providing it with a highest goal and moving cause, albeit in such a way that it is the animal nature (A) which is reproduced. This suggests that the vegetative soul continues to provide its functions qua vegetation (self-preservation) but it provides it with what turns out to be an essentially transformed nature, namely the nature of the animal (a perceiving living thing in the sense of an operationally fused natural unity). In this way, vegetation is teleologically subordinated to perception. So much for the different kinds of natural teleology in Aristotle. Before I turn to non-natural teleology, let me take stock by listing a number of structural features of embedded subjective natural teleology as they emerge from the brief discussion above:

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Some Important Features of Embedded Subjective Natural Teleology (i)

(ii)

(iii)

(iv)

(v)

(vi)

The subjective goals of animal behavior (B) are subordinated in nested hierarchical teleological structures whose final goals are set by the universal biological nature of the animal (A). Such natural goals of animals are intrinsically good for them in virtue of being members of their species. The ultimate final cause (A) – the animal’s nature – is also the ultimate moving cause of the process in the service of A’s realization (via the causal powers of the animals’ desires). Because of (i) and (ii), the teleological subordination of the goals of animal desires under their natures is intrinsic: it is a basic fact of objective natural teleology that the highest goals of animal desires are determined by their natures. Basic animal self-motion is homeostatic: in pursuing their subjective goals, animals tend towards the restoration of disturbed equilibrium states (determined by their natures, A) which provide the standards for determining at which point their desires are satisfied and their selfmotions stop and vice versa. A lack of the natural condition means pain, its restoration pleasure: non-rational goal-oriented states always involve states of pleasure and / or pain for which there always are contrary states of pleasure and / or pain, corresponding to lack and restoration of the corresponding natural states. Because of (iv), animal self-motions are finite. There are external limits to animal self-motion: their terminus ad quem (the peras, the point where they stop to move in direction of their goals) coincides with their having reached their goals. (Mot. an. 6, 700b15–16)32 Because of (v), the goals of natural self-motions are variably good, which is to say that they can, at different points of time, be attractive or unattractive to the animals in accordance with their bodily (or affective) condition.

So much for the structure of the natural teleology of animal behavior in Aristotle. Natural teleology applies to all living things insofar as they are endowed with a vegetative soul, while embedded natural teleology applies to the way in which the vegetative souls of animals are teleologically subordinated to their || 32 I argue for this in Corcilius (2020b) 310–314.

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perceptual souls. In the latter case, the mode of teleological subordination is natural, i.e. the vegetative and perceptual parts of the soul are teleologically subordinated naturally: the highest goals of animal self-motion fully coincide with their natures as they are ontologically tied to them as ultimate moving causes of their bodies. This is why they are “of one piece” and operationally fused: non-rational natures are intrinsically bodily, which is to say that they are hylomorphic. I now move on to a short glimpse at some of the structural features of rational goals in Aristotle. As we will see, here the mode of teleological subordination will be significantly different.

7 A Short Glimpse on Non-Natural Teleology Rational Goals I will start with a brief list of features of non-natural, i.e. rational goals insofar as they are relevant for our question. This list will touch upon issues the details of which are partly controversial. However, I think the emerging general picture of the teleological structure of rational goals should be more or less uncontroversial. To start with, from the short characterization of Aristotle’s theory of desire given above it follows that all those ultimate goals of human action that are neither pleasure nor social recognition will be rational. Note that this conception of rational goals is teleological. Rational goals are to be kept apart from the involvement of rationality in the pursuit of non-rational goals, i.e. they are to be kept apart from the employment of rational means for the pursuit of nonrational goals. This is so because, from a teleological point of view, to pursue non-rational goals with rational means (deliberately, premeditatively etc.) just is to pursue non-rational goals. One may also pursue things that are “rational” for any member of a given species to pursue. Thus, it may be “rational” in this sense for a lion to pursue a hare or it may be rational for any living being with a body to pursue food. This, unless one understands this as a claim about intrinsically rational goals (in which case the qualification “for any member of a given species” would be superfluous), is a sense of “rational” that ties the concept of rationality to species-relative goals. Again, from an Aristotelian teleological perspective, such cases, even though they may involve a great deal of rationality, are not cases of genuinely rational motivation. Rational goals properly speaking, then, in Aristotle’s philosophy, are not relative to any given species or nature. The per se correlate object of rational desire – wish (boulêsis; De an. III 9, 432b5, Top. IV 5, 126a13) – is “primarily that which is noble” (Met. XII 7,

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1072a28) and, in a more extended sense, “a good”,33 i.e. wish correlates with what is rationally good. “Good” is here to be taken in an absolute sense and not in the sense of “good for this or that species” or “good for me in this particular moment” etc.34 This entails that wish (boulêsis), unlike non-rational desires, as a desire can relate us to objects that invariably bring pleasure with them and that do not involve corresponding contrary states of pain.35 Examples of such rational goals that are completely detached from anything natural are god, and perhaps the contemplation of the truth,36 whereas health (of some other person), justice, and generally the virtues seem to be examples of rational goals that may be specific for human beings even if they do not involve natures as goals. Nature and Rationality Apart from the different relation that the goals of rational desire bear to natural species canvassed above, there is a further crucial difference between the rational capacity of the soul (nous) and vegetative and animal (perceptual) natures. Aristotle emphasizes that rationality does not constitute a nature in the physical sense of “source of motion”: However it is not the case that all soul is an origin of process / motion (kinêsis), nor all its parts; rather, of growth the origin is the part which is present also in plants, of alteration the perceptive part, and of locomotion something else and not the rational part; for locomotion is present in other animals too, but thought in none. So it is clear that one [i.e. the natural philosopher] should not speak of all soul. (Part. an. I 1, 641b4–9; tr. Lennox, altered)37

This passage severs the intimate connection between goal and moving cause that we have found in the different varieties of natural teleology. From the

|| 33 Which in the context of the passage in the Topics is to be taken in a sense that contrasts with “pleasure”, Top. VI 8, 146b5–6. 34 Cp. Mot. an. 6, 701a32–35. 35 Alupon, Top. VI 8, 146b2. There are to be sure wishes in Aristotle’s theory that aim at nonrational goals. For a discussion see Corcilius (2008) 160–207. Here, however, we are interested in rational goals from a teleological perspective. 36 E.g. Met. XII 7, 1072b24–26; EN X 9, 1178b20–32. 37 Vgl. EN VI 2, 1139a35–36; De an. III 9, 432b26–29. In the literature, a prominent strategy of explaining away Aristotle’s commitment to the causal inertia of rational desire per se is to say that in these and such contexts he speaks of theoretical nous only. This ignores the, in this respect, very clear passage in Part. an. I 1 just quoted.

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standpoint of natural teleology, then, the motivational relevance of rational goals becomes a serious question: rational goals, unlike animal natures, do not seem to be per se moving causes of human action because they are not per se moving causes at all. These differences change the picture of the mode of teleological subordination of the perceptual under the rational part of the soul significantly. The following points of contrast between natural and non-natural teleology stand out: (i) For humans, rational goals, unlike natural goals, are not per se moving causes of processes and motions (archê kinêseôs, Part. an. I 1, 641b4–9, Met. IX 5, 1048a2–24, EN VI 2, 1139a35–b5, De an. III 10, 433a23 etc.). (ii) Rational goals are not embedded in a nested teleological structure whose final goal is set by objective natural teleology. They are not relative to any given body or natural species; at times they can even conflict with the goals of natural teleology (like in cases of moral conflict). (iii) Rational goals do not provide standards for equilibrium states (there is no “rational state” of the human being invariantly corresponding to any determinate bodily state). Indeed, the highest goals of human rational action (our A-type goals) stand in more or less contingent relations to what we do for their sake (B-type goals). There are no corresponding contrary states of pain for rational pleasures. (iv) Because of (iii), rational goals do not provide external limits for human selfmotion. Rational action as such would go on forever, if not for reasons that have to do with our non-rational nature. This is to say that qua the exercise of our rational capacities in the contemplation of eternal truths there is no reason why thinking should ever stop, if it was not for our other (animal) nature with its need for nourishment etc. (EN VII 15, 1154b21–31, see De an. III 4, 430a5f.) To be sure, each single of these features of non-natural teleology calls for further discussion. But whatever the details and the controversies around them may be, I hope the list shows that there is a deep structural discontinuity between rational and non-rational teleology in Aristotle. This discontinuity makes it that the motivational relevance of rational goals – and therewith the existence of rational human action – is in need of an explanation for Aristotle that is crucially different from the explanatory scheme of natural teleology and from the scheme of embedded subjective natural teleology in particular. Aristotle is no doubt firmly committed to the thesis that the perceptual and nutritive parts of the human soul are teleologically subordinated to the rational part. He says so

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many times. He is also committed to the thesis that from a normative perspective rational goals should be a per se cause of human action (as opposed to animal self-motion). That, however, does not imply or suggest that the non-rational capacities and desires are subordinate to rationality in the same way in which natural goals or desires are subordinated to animal natures, which, as we have seen, is the basic idea underlying the simplistic transformative account of human rationality as presented above. Insofar as it involves rational goals, the motivation of human action cannot be explained by means of natural teleology in the sense of a human nature as a goal that is a source of motion and specific to human beings. There is no specifically human nature in Aristotle that works in the same way in which the natures of animals and plants work. Therefore, applying the same conception to animals and humans is an exceedingly abstract, one size fits all application of the idea of teleological subordination. But as we have seen, for Aristotle, rational motivation does not take place by nature.38 In acting rationally, humans transcend the animal part of their nature, but in so doing they do not acquire their own specific human nature. Rather, for Aristotle, to transcend animal nature is to transcend nature altogether. This reflects also in the mode of acquisition of human rationality (again, understood teleologically). It is our achievement.39 As such it involves habituation and moral education, i.e. behavioral and intellectual, social, political, and historical processes.40 These processes compensate for the fact that we lack a specific human nature. These processes are non-natural, fragile, and in principle always reversable, which is why in human beings genuine mental conflict and the eclipse of reason is possible. This is the fundamental difference between the teleological subordination of natural capacities of the soul to each other on the one hand and their subordination to rationality on the other. While the former mode of subordination has the character of an irreversible fusion of parts (recall: the dog’s vegetative capacity functions in the service of the self-preservation of the dog’s soul and is operationally fused with it), the latter has the character of a || 38 At least not for the most part. With regard to some rational states (noêtikai hexeis), Aristotle seems to have allowed for the possibility of their acquisition “by nature” (as opposed to “by others”, Phys. VII 3, 248a2–6, which I take to be a hint at the essentially social and historical dimension of human rationality. See below). 39 Of course, nature equips us with the capacity (or flexibility) of turning us into rational beings (EN II 1, 1103a23–26). 40 Habituation is important here especially in that it makes us feel pleasure about doings things which from a natural point of view not pleasurable for us, see, e.g., Rhet. I 11, 1369b15– 18, and Corcilius (2008) 162–207.

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relation among parts that, to some sizable extent at least, remain distinct from each other.41 That relation, in successful cases of subordination at least, is akin to a reciprocal, yet asymmetric, relation among parts of the soul that form a teleological unity while they remain distinct from each other and that Aristotle calls “love” (philia).42 Hence, if we wish to tell a story of the teleological subordination of our non-rational capacities to our rational capacity in Aristotle, these and such like complexities of his moral psychology should be taken into account. I trust that telling such a story on Aristotle’s behalf is possible, and I also trust that the resulting account will be a transformative one, albeit not in the simplistic sense canvassed above. I furthermore trust that the picture of the human condition emerging from such an account will be more adequate than what the simplistic account of human rationality suggests.

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|| 41 To which extent exactly is an interesting question. Do we, for instance, always perceive in ways that are subservient to our rational capacities? 42 Cp. the following statement about what we may regard the ideal result of moral education, namely the self-controlled person: “But such a man would seem more than the other a lover of self; at all events he assigns to himself the things that are noblest and best, and gratifies the most authoritative element in himself and in all things obeys this (peithetai); and just as a city or any other systematic whole is most properly identified with the most authoritative element in it, so is a man; and therefore the man who loves this and gratifies it is most of all a lover of self. Besides, a man is said to have or not to have self-control according as his intellect has or has not the control, on the assumption that this is the man himself; and the things men have done from reason are thought most properly their own acts and voluntary acts. That this is the man himself, then, or is so more than anything else, is plain, and also that the good man loves most this part of him. Whence it follows that he is most truly a lover of self, of another type than that which is a matter of reproach, and as different from that as living according to reason is from living as passion dictated, and desiring what is noble from desiring what seems advantageous.” (EN IX 8, 1168b28–1169a6, tr. Ross, in Barnes (1984) ). For a recent discussion of philia as a relation to one’s own self see Rapp (2019).

Transformation and Discontinuity | 137

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Antonio Ferro

Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 Das Einheitsproblem und sein platonischer Hintergrund

1 Einleitung In den Kapiteln 9 bis 10 des dritten Buchs seiner Schrift De anima stellt Aristoteles eine Untersuchung des seelischen Vermögens an, welches sowohl bei Tieren als auch bei Menschen für die Orts- oder Fortbewegung, d.h. die Bewegung von einem Ort zu einem anderen hin, kausal verantwortlich sein soll.1 Dabei unterstreicht er die Zäsur zwischen der Abhandlung der kognitiven Vermögen in De anima II 5–III 8, die das Wahrnehmungsvermögen und das Denken umfasst und nun für abgeschlossen erklärt wird, und der anstehenden Erörterung der Fähigkeit zur Ortsbewegung in De anima III 9–11. Die diese Kapitelgruppe durchziehende Fragestellung wird zu Beginn von Kapitel 9 aufgeworfen: Es soll das betreffende Seelenvermögen zur Ortsbewegung (kurz: „das Bewegende“ oder „der Beweger“) ermittelt werden, und zwar vor allem im Hinblick auf die Frage, ob (1.1) es ein neues einheitliches und eigenständiges bzw. über die bereits bekannten Seelenteile hinausgehendes Vermögen darstellt oder (1.2) ob es mit einem von diesen (in einem noch zu präzisierenden Sinne) identisch ist oder (2) ob die ganze Seele (d.h. die Zusammensetzung aller Seelenvermögen oder -Teile)2 für die Ortsbewegung verantwortlich ist.

|| 1 Mein ganz besonderer Dank gilt Friedemann Buddensiek und Béatrice Lienemann für ihre zahlreichen Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge. Der vorliegende Aufsatz entstand größtenteils im Rahmen meines Forschungsaufenthalts an der Martin Buber Society of Fellows in the Humanities at the Hebrew University Jerusalem im akademischen Jahr 2018–2019, der durch das BMBF finanziell unterstützt wurde. Für Stellenverweise verwende ich den jeweiligen OCT (R. (Burnet), De an., EN, Met., Phys.), die Ausgabe von W.D. Ross für Mem. und Insomn., die Budé-Ausgabe für Part. an. 2 Entgegen einer heutzutage gängigen Deutung, welche ursprünglich von Whiting (2002) stammt und von Corcilius/Gregoric (2010) verbessert und weiterentwickelt wurde, halte ich die Begriffe „(Seelen-)Vermögen“ (dynamis) und „(Seelen-)Teil“ (morion) im Kontext von De anima

https://doi.org/10.1515/9783110735598-007

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Im Folgenden (§ 4) werde ich für die These plädieren, dass Aristoteles eine argumentativ klar nachvollziehbare Antwort auf die Eingangsfrage im Sinne von (1.1) liefert. Meiner Rekonstruktion des Gedankengangs geht eine Auseinandersetzung mit einer jüngst sehr einflussreich gewordenen Deutungslinie voraus (vgl. § 3.2 unten), die besagt, dass (1.2) (oder eine Variante davon) Aristoteles’ endgültige Antwort auf die Frage nach dem Beweger spiegelt. Dabei stellt diese Interpretation auf eine vermeintlich aristotelische Unterscheidung zwischen (bloßen) Seelenvermögen und eigentlichen Seelenteilen ab, welche die bisherige Forschung angeblich missachtet habe. Ich werde zunächst Gründe gegen diese Deutung und die ihr zugrunde liegende philosophische Motivation vorbringen und dann Argumente für die These liefern, dass Aristoteles lediglich deshalb die Aporie über Seelenteile aufwirft, weil sie zum einen von einer grundlegenden Schwierigkeit für die Anwendung der platonischakademischen wissenschaftlichen Methode der Einteilung auf die Seele zeugt und zum anderen das Scheitern einer solchen Methode an einem besonderen Fall verdeutlicht: Er zeigt auf, inwiefern eine solche Methode es unmöglich macht, ein formal einheitliches Seelenvermögen anzuerkennen, welches für die Ortsbewegung von Tieren und Menschen verantwortlich sein soll. Aristoteles’ Kritik gilt dabei offensichtlich Platons Argument für die Dreiteilung der Seele im 4. Buch der Politeia, dem die Betrachtung von inneren Konflikten (d.h. unter anderem prima facie-Fällen von akrasia) zugrunde liegt und der Platons berühmtesten Beitrag zur Analyse der Handlungsmotivation darstellt. Besonders augenfällig in diesem Zusammenhang ist die zunächst eher ungewöhnlich bzw. platonisch anmutende Darstellung der akrasia als eines Konflikts zwischen entgegengesetzten Strebungen bzw. zwischen Vernunft und Begierde (vgl. auch III 11, 434a12–14; EN I 13, 1102b14–25). Als ungewöhnlich kann man dieses Bild insofern bezeichnen, als gemäß dem von Aristoteles in EN VII 3 entfalteten Modell der akrasia diese nicht im Sinne eines innerseelischen Konflikts („struggle“) zu verstehen, sondern vielmehr als ein kognitives Versagen („ignorance“) einzuordnen ist.3 Aus der im Folgenden (§ 4) entwickelten || für austauschbar und ich verwende sie hier entsprechend. In dieser Hinsicht ist meine Deutung als eine Variante der Lesart zu betrachten, die die letztgenannten Autoren als die „standard view“ bezeichnen. In § 3.2 wird ihre Auslegung, wonach nicht alle Seelenvermögen (darunter auch das Vermögen zur Ortsbewegung) Teile der Seele sind, einer ausführlicheren Kritik unterzogen. 3 „Struggle account“ (De an. III 9–11) und „ignorance account“ von akrasia werden in Moss (2012), insb. Kap. 5, kontrastiert. Den ersten Erklärungsansatz bezeichnet Moss als „a close descendant of Plato’s account of motivational conflict in Republic IV“ (101). Sie argumentiert

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Lesart soll allerdings hervorgehen, dass das etwas abweichende Modell der akrasia mit dem theoretischen Grundproblem zusammenhängt, mit dem Aristoteles in De an. III 9–10 konfrontiert ist in seiner Bestrebung, die Frage nach dem Bewegenden angemessen zu beantworten. Der Lösungsansatz, den Aristoteles in De anima erarbeitet, weist aber im Grunde bereits den Weg, den er in der Nikomachischen Ethik beschreitet.

2 Die Eingangsfrage in De an. III 9 In De an. III 9 führt Aristoteles das Hauptthema der zu führenden Untersuchung folgendermaßen ein:4 T1. Da die Seele der Lebewesen entsprechend zweier Vermögen bestimmt wird, nämlich einerseits durch das Vermögen zu unterscheiden, welches die Leistung des Denkens und der Wahrnehmung ist, und ferner auch dadurch, die Ortsbewegung zu vollziehen, und da Wahrnehmung und Vernunft so weit behandelt sein sollen, so ist die Untersuchung über das Bewegende zu führen, nämlich welches (Vermögen) der Seele es ist, ob es sich dabei um (1) einen bestimmten Teil von ihr handelt, der entweder der Größe nach oder dem Begriff nach abtrennbar ist, oder (2) um die Seele als ganze, und wenn es ein bestimmter Teil ist, ob er (1.1) ein eigenständiger Teil neben den für gewöhnlich genannten und den bereits besprochenen oder (1.2) ein bestimmter von diesen.5

Die Fragestellung zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass sie nicht mehr das „kritische“ Vermögen betrifft, welches bereits in II 5–III 8 ausreichend abgehandelt wurde, sondern vom „Bewegenden“ handelt, d.h. dem zweiten Hauptvermögen, durch das die Seele der Lebewesen bestimmt wird. Die Frage nach dem Bewegenden wird dahingehend präzisiert, dass es dabei um „(etwas) der Seele“ (432a19: ti tês psychês) gehen soll.

|| allerdings nicht nur, dass beide Ansätze vereinbar sind, sondern auch, dass die De animaAbhandlung das in der Nikomachischen Ethik vorzufindende Erklärungsmodell näher zu beleuchten vermag (100). 4 Die hier verwendete deutsche De anima-Übersetzung stammt von Corcilius (2017). Stellenweise wurde sie jedoch leicht geändert. 5 De an. III 9, 432a15–22: ἐπεὶ δὲ ἡ ψυχὴ κατὰ δύο ὥρισται δυνάμεις ἡ τῶν ζῴων, τῷ τε κριτικῷ, ὃ διανοίας ἔργον ἐστὶ καὶ αἰσθήσεως, καὶ ἔτι τῷ κινεῖν τὴν κατὰ τόπον κίνησιν, περὶ μὲν αἰσθήσεως καὶ νοῦ διωρίσθω τοσαῦτα, περὶ δὲ τοῦ κινοῦντος, τί ποτέ ἐστι τῆς ψυχῆς, σκεπτέον, πότερον ἕν τι μόριον αὐτῆς χωριστὸν ὂν ἢ μεγέθει ἢ λόγῳ, ἢ πᾶσα ἡ ψυχή, καὶ εἰ μόριόν τι, πότερον ἴδιόν τι παρὰ τὰ εἰωθότα λέγεσθαι καὶ τὰ εἰρημένα, ἢ τούτων ἕν τι.

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Damit schränkt Aristoteles die Antwortmöglichkeiten ein: Die Ausgangsfrage soll ausschließlich unter Angabe eines seelischen Vermögens bzw. Teils beantwortet werden. Somit scheiden einige Optionen gleich aus: Bei dem gesuchten Bewegenden handelt es sich im Zusammenhang von De an. III 9–10 weder um den – für sich betrachteten – Körper oder einen Körperteil des Lebewesens noch um das Lebewesen als Kompositum von Körper und Seele. Der Fokus liegt ausschließlich auf der Beteiligung der Seele an der Entstehung von Ortsbewegung.6 Kaum überraschend lässt die Abhandlung mehrere grundlegende Fragen bewusst außer Betracht: Anhand der durchgeführten Untersuchung lässt sich z. B. gar nicht sagen, warum eine konkrete Episode der Ortsbewegung bei einem bestimmten Tier zu einem bestimmten Zeitpunkt anfängt bzw. aufhört und nicht früher oder später. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass die Analyse der Ortsbewegung in De an. III 9–10 als unvollständig oder anderweitig mangelhaft zu beurteilen wäre. Denn Aristoteles erhebt in diesen Kapiteln keinen Anspruch auf eine wissenschaftlich erschöpfende Abhandlung, sondern hält sich vielmehr an ein Prinzip der disziplinären Arbeitsteilung.7 Eine befriedigende naturwissenschaftliche Erklärung der animalischen Ortsbewegung kann sich erst dann abzeichnen, wenn man die dem Thema gänzlich gewidmete Schrift De motu animalium sowie das 8. Buch der Physik und zwar insbesondere die in Phys. VIII 5 durchgeführte Kausalanalyse der Selbstbewegung mit einbezieht.8 De anima III 9–10 hat jedoch einen wesentlichen Beitrag zu leisten (vgl. § 4 unten). Der Wortlaut in T1 legt außerdem nahe, dass die Antwortoptionen einer zusätzlichen Beschränkung unterliegen: Sie umfassen lediglich (1) und (2), wobei (1) wiederum zwei Möglichkeiten, (1.1) und (1.2), zulässt. Demnach ist das Bewegende entweder ein Seelenvermögen bzw. -teil – einerlei ob, das Vermögen ein völlig neues ist oder mit einem der bereits bekannten zusammenfällt – oder die Seele als Ganze. Offensichtlich unberücksichtigt bleibt dabei die Möglichkeit, dass das gesuchte Bewegende mit mehr als nur einem Seelenvermögen zu identifizieren sei bzw. dass es sich aus mehreren Seelenvermögen zusammensetze. Es kann kein bloßer Zufall sein, dass Aristoteles in T1 dem Ausdruck für „Seelenteil“ (mori-

|| 6 Vgl. Corcilius (2008) 247. 7 Vgl. De an. III 10, 433b19–21. 8 Auf Letztere greift Aristoteles bereits in De an. III 10, 433b13–27, mit Verweis auf das dreigliedrige Schema „(Unbewegt) Bewegendes – Werkzeug – Bewegtes“ ausdrücklich zurück.

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on), der mit dem Indefinitpronomen verbunden ist, zweimal das Wort hen anfügt: Er spricht zunächst von „eine[m] bestimmten Teil“ (hen ti morion) der Seele, um die Antwort des Typs (1) allgemein zu charakterisieren, und dann verwendet er die gleiche Formulierung: „ein bestimmter [Teil] von diesen“ (toutôn hen ti), um (1.2) einzuführen. Die Charakterisierung der verfügbaren Antwortalternativen erinnert teilweise an den Beginn der Erörterung der Seelenteile im 4. Buch der Politeia, wo Sokrates die Ausgangsfrage folgendermaßen einführt: „Das ist aber wohl schwer, ob wir mit eben demselben [tôi autôi toutôi] alles verrichten oder von dreien mit jeglichem ein anderes [allo allôi] […] oder ob wir mit der ganzen Seele [holêi têi psychêi] jegliches von diesen verrichten, wenn wir einen entsprechenden Impuls haben [hotan hormêsômen]“ (436a8–b2, und das weitere Vorgehen so beschreibt: „[…] lass uns versuchen zu bestimmen, ob es unter sich dasselbe [ta auta allêlois] ist oder ob verschiedenes [hetera]“ (436b5–6). Aus dem 4. Buch der Politeia wird das Hauptkriterium der von Motivationskonflikten ausgehenden Seelenteilung (d.h. das sog. „Prinzip der Gegensätze“) zwar ersichtlich, doch der genaue Sinn, in dem jeder Teil eines und damit von allen anderen Teilen verschieden ist, ist in der Sekundärliteratur notorisch umstritten. Einige Interpreten (insb. Shields 2010) vertreten die Ansicht, dass die Seelenteile eher als bloße „Hinsichten“, „Eigenschaften“ oder „Merkmale“ der Seele (aspectual parts) denn als strikte „Bestandteile“ (compositional parts) derselben zu verstehen sind, während andere Platon ein viel radikaleres Verständnis der Seelenteile als separate Subjekte unterstellen, welches die Einheit der Seele zu einem schwer zu lösenden Problem werden lässt.9 Ebenfalls klärungsbedürftig ist das Verhältnis zwischen der im 4. Buch durchgeführten Dreiteilung der Seele und der Zweiteilung zwischen vernünftigem und unvernünftigem Teil im 10. Buch der Politeia, die Aristoteles vermutlich auch (vgl. T2 unten) anklingen lässt.10 Aristoteles beschränkt sich hingegen darauf, auf eine angeblich noch offene Frage nach der Art der Abtrennung des gesuchten Seelenteils von den anderen hinzuweisen, nämlich die, ob das gesuchte Vermögen zur Ortsbewegung „entweder der Größe nach oder dem Begriff nach [von den anderen] abtrennbar ist“ (432a20: chôriston on ê megethei ê logôi). Diese Alternative wird im Folgenden fallen gelassen, vor allem hinsichtlich der ersten Möglichkeit, welche bereits in || 9 Zu den Befürwortern dieser Lesart sind z.B. Bobonich (2002) und Lorenz (2006) zu zählen. Zum Einheitsproblem im Rahmen der Politeia siehe Brown (2012). 10 Siehe hierzu vor allem Moss (2008) und Ganson (2009).

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De an. II 2 für alle Seelenteile (bis auf die Vernunft)11 emphatisch ausgeschlossen wurde, doch Aristoteles weist im Folgenden auf eine wesentliche Schwierigkeit bezüglich der begrifflichen Abtrennbarkeit der Seelenteile und der von nicht namentlich genannten Denkern aufgestellten Kriterien für die Seelenteilung hin. Bezüglich Alternative (1.1) ist außerdem anzumerken, dass Aristoteles zwischen den „gewöhnlich genannten“ und den „bereits besprochenen“ Seelenteilen unterscheidet. Bei den ersteren handelt es sich um diejenigen, die im Grunde auf Platons eigene Einteilung der Seele im 4. bzw. 10. Buch der Politeia zurückgeführt werden können. Letztere sind diejenigen, die bisher im Rahmen von De anima abgehandelt worden sind, d.h. Ernährungs-, Wahrnehmungsund Denkvermögen. Anders als bei den spätantiken Kommentatoren12 hat diese Differenzierung in der jüngeren Literatur oft keine Beachtung gefunden. Relevant ist sie aber vor allem deshalb, weil diese voneinander abweichenden Einteilungen sich aus zwei grundsätzlich verschiedenen Erklärungsansätzen ergeben, von denen laut Aristoteles nur einer sich für den wissenschaftlichen Gebrauch eignet. Außerdem spielt sie insofern eine wichtige Rolle, als sie uns einen Einblick in Aristoteles’ argumentative Strategie gewährt: Zum einen hinterfragt er die Anwendung der Einteilungsmethode auf die Seele und zweifelt damit die Haltbarkeit ihrer Ergebnisse, d.h. die „gewöhnlich genannten“ Seelenteile (vgl. § 4 unten), an und zum anderen zeigt er in III 9, 432b8–433a1 mittels eines stringenten Ausschlussverfahrens auf, warum jedes der „bereits besprochenen“ Seelenvermögen (Ernährungs-, Wahrnehmungs- und Denkvermögen) als Kandidat für die Rolle als Bewegendes ausscheiden muss. Trifft diese

|| 11 In De an. II 2 fragt Aristoteles, ob die Seelenteile „nur dem Begriff nach […] oder auch dem Orte nach“ (413b14–15: chôriston logôi monon ê kai topôi) voneinander abtrennbar sind. Seine Antwort lautet, dass „die übrigen Teile der Seele“ (413b27–28: ta loipa moria tês psychês) – die Vernunft und das „Vermögen der theoretischen Betrachtung“ ausgenommen – hingegen nicht „in der Weise abtrennbar [χωριστά] sind wie manche sagen“. Vermutlich heißt dies, dass sie im Gegensatz zu Platons Annahme im Timaios nicht in räumlich getrennten Körperregionen zu verorten sind (vgl. auch I 5, 411b26–27), sondern lediglich „dem Begriff nach (voneinander) verschieden“ (tôi logôi hetera). Obwohl die platonisch-akademische Annahme der begrifflichen Abtrennbarkeit der Seelenteile laut Aristoteles ebenfalls problematisch ist, wird sie erst in De an. III 9–10 ausführlich thematisiert. Für eine andere Lesart plädieren Corcilius/Gregoric (2010), 97–102. 12 Simpl. in De an. 287.25–31 Hayduck; Them. in De an. 116.31–117.1 Heinze.

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Rekonstruktion zu, so beabsichtigt er wohl bereits in III 9 Argumente gegen die Option (1.2) anzuführen (vgl. § 4 unten).13 Wie ich im nächsten Abschnitt darlegen werde, erfüllt Aristoteles’ knappe und scheinbar zusammenhangslose Auseinandersetzung mit der Aporie über Seelenteile eine zweifache Funktion: Zum einen lässt sie vermutlich seine andernorts geäußerte Kritik an einer bestimmten Version der akademischen Einteilungsmethode anklingen, die sich hier ausschließlich gegen deren Anwendung auf die Seele richtet, zum anderen ermöglicht sie es ihm, einen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen einem allgemeinen theoretischen Problem und der grundlegenden Schwierigkeit bezüglich des Bewegenden herzustellen, die er in De an. III 9–10 zu bewältigen hat und die letztlich auf die durch die akademische Einteilungsmethode gefährdete Einheit des Strebevermögens zurückgeht.

3 Die Aporie über Seelenteile und das Problem des diaspan 3.1 Die einschlägigen Passagen und ihre Deutung bei den antiken Kommentatoren Die Aporie über Seelenteile wird im an T1 unmittelbar anschließenden Abschnitt aufgeworfen: T2. Es ergibt sich aber sofort die Schwierigkeit, in welchem Sinne von Seelenteilen gesprochen werden soll und auch von wie vielen. Auf gewisse Weise scheinen es nämlich unendlich viele zu sein und nicht nur diejenigen, die manche behaupten, wenn sie in ihren Einteilungen den zur Überlegung Fähigen, den Muthaften und den Begehrenden unterscheiden, andere dagegen den Vernünftigen und den Unvernünftigen; denn entsprechend den Unterschieden, durch welche sie sie trennen, stellt sich heraus, dass es auch || 13 Es ist durchaus fraglich, ob das Strebevermögen (vgl. T3 unten) zu den „bereits besprochenen“ Seelenvermögen zählen würde (vgl. auch Pearson (2012) 18). Zwar hat Aristoteles es bereits mehrmals (II 3, 414b1–16, III 7, 431a8–17) erwähnt, doch eine Betrachtung des Strebegegenstands (orekton) steht in De an. III 9 offensichtlich noch immer aus. Da die Frage nach dem Wesen eines Seelenvermögens laut Aristoteles (II 4, 415a14–22) nur dadurch beantwortet werden kann, dass sein jeweiliges Korrelat bzw. sein entsprechender Gegenstand (antikeimenon) betrachtet wird, kann das Strebevermögen in De an. III 9 noch nicht als abgehandelt gelten. Hierzu siehe vor allem § 4 unten.

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andere Teile gibt, die sich mehr voneinander unterscheiden als diese und über die gerade gesprochen worden ist, (nämlich) das Ernährungsvermögen, […] und das Wahrnehmungsvermögen, welches man wohl leichthin weder als unvernünftig noch als vernünftig ansetzen dürfte. Ferner das Vorstellungsvermögen, das sich zwar dem Sein nach von allen unterscheidet, doch bei dem es große Schwierigkeiten bereitet (herauszufinden), mit welchem von diesen es identisch oder von welchen es verschieden ist, wenn man denn abgetrennte Teile der Seele ansetzen will.14

Die Schwierigkeit, die Aristoteles in T2 anspricht, ist eine zweifache: Zum einen betrifft sie die genaue Definition der Seelenteile, d.h. was sie sind und gemäß welchen Identitätskriterien sie bestimmt werden, zum anderen bezieht sie sich auf ihre genaue Anzahl. Offenkundig hängt die Beantwortung der Frage nach der Anzahl der Teile sehr eng mit der Lösung der ersten Schwierigkeit zusammen. An dieser Stelle zielt Aristoteles offenkundig auf bestimmte Denker, welche drei oder zwei Seelenteile „unterscheiden“ (vgl. 432a25: dihorizontes). Plausibel ist die Annahme, dass diese Denker diejenigen sind, von denen er später sagt, dass sie die Teile der Seele „nach den Vermögen einteilen“ (433b1–2: kata tas dynameis dihairôsi). Denn auch später ist von „Begehr- und Mutvermögen“ (433b4: to epithymêtikon kai thymikon) die Rede, d.h. von zweien der drei Teile, die die Anhänger der Einteilungsmethode nach T1 unterscheiden. Ihr Einteilungsverfahren ist mit zwei Grundproblemen behaftet: Das in T2 zuerst genannte Problem besteht grundsätzlich darin, dass die Einteilung der Seele in nur zwei oder drei Hauptteile sich nicht – oder zumindest nicht nur – aus der Anwendung der Identitätskriterien ergibt, von denen die Verfechter der Einteilungsmethode auszugehen scheinen. Bei diesen Identitätskriterien kommt es in Aristoteles’ Terminologie auf die „Differenzen“ (diaphorai) an, welche der Einteilung zugrunde liegen. Mit anderen Worten: In T2 weist er auf einen Konflikt zwischen unterschiedlichen, aber nicht weiter genannten Identitätskriterien hin, die eine jeweils andere Anzahl an Seelenteilen nach sich ziehen. Die Befürworter dieser || 14 De an. III 9, 432a22–b3: ἔχει δὲ ἀπορίαν εὐθὺς πῶς τε δεῖ μόρια λέγειν τῆς ψυχῆς καὶ πόσα. τρόπον γάρ τινα ἄπειρα φαίνεται, καὶ οὐ μόνον ἅ τινες λέγουσι διορίζοντες, λογιστικὸν καὶ θυμικὸν καὶ ἐπιθυμητικόν, οἱ δὲ τὸ λόγον ἔχον καὶ τὸ ἄλογον· κατὰ γὰρ τὰς διαφορὰς δι’ ἃς ταῦτα χωρίζουσι, καὶ ἄλλα φαίνεται μόρια μείζω διάστασιν ἔχοντα τούτων, περὶ ὧν καὶ νῦν εἴρηται, τό τε θρεπτικόν, ὃ καὶ τοῖς φυτοῖς ὑπάρχει καὶ πᾶσι τοῖς ζῴοις, καὶ τὸ αἰσθητικόν, ὃ οὔτε ὡς ἄλογον οὔτε ὡς λόγον ἔχον θείη ἄν τις ῥᾳδίως· ἔτι δὲ τὸ φανταστικόν, ὃ τῷ μὲν εἶναι πάντων ἕτερον, τίνι δὲ τούτων ταὐτὸν ἢ ἕτερον ἔχει πολλὴν ἀπορίαν, εἴ τις θήσει κεχωρισμένα μόρια τῆς ψυχῆς.

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Methode – so Aristoteles’ Vorwurf – können sich somit nicht auf einen eindeutigen und klar erkennbaren Sinn von „(Seelen-)Teil“ (morion) festlegen: Denn in einem Sinn von „Teil“ gibt es unendlich viele (432a24: apeira), während es in einem anderen Sinn nur zwei oder drei geben soll. Das Identitätskriterium, welches der Zwei- oder Dreiteilung zugrunde liegt und hier dennoch unausgesprochen bleibt, scheint eine ganze Reihe von Teilen auszuschließen, welche das andere, ebenfalls nicht ausdrücklich genannte Identitätskriterium hingegen zulassen würde – darunter auch Seelenvermögen, die Aristoteles in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich behandelt hat und die er als besonders aussichtsreiche Kandidaten für die Rolle als Teile der Seele erachtet. Eine zweite, schwerwiegende Konsequenz betrifft die Art und Weise, wie die Seele eingeteilt wird bzw. wie die Seelenteile voneinander unterschieden werden: In T2 sowie an späterer Stelle macht Aristoteles nämlich deutlich, dass das betreffende Einteilungsverfahren voneinander „abgetrennte“ Seelenteile ergibt. Denn wie in T2 und III 10, 433b1–215 so hebt Aristoteles auch schon in T1 nachdrücklich hervor, dass die Seelenteile in dem Sinne „nach dem Vermögen“ eingeteilt oder unterschieden werden, dass sie voneinander „getrennt” werden (vgl. 432a27: chôrizousi). Dabei fällt auf, dass Aristoteles das Abgetrennt-Sein der Seelenteile als besonders problematisch ansieht: Denn zum einen lässt sich durch das Abtrennen nicht verhindern, dass die Zahl der Seelenteile, welche „nach den Vermögen“ (oder: „dem Sein nach“)16 unterschieden werden können, ins Unendliche wächst, weshalb die Festlegung auf nur zwei oder drei Teile als vollends willkürlich erscheint; zum anderen ist es aber so, dass andere Teile, welche „nach den Vermögen“ nicht bloß unterscheidbar sind, sondern vielmehr in noch größerem Maße als die zwei oder drei, die sich für die Freunde der Einteilungsmethode ergeben, aufgrund der Abtrennung entweder ganz vernachlässigt werden (wie z.B. das Ernährungsvermögen) oder völlig obskure Identitätskriterien erhalten. Das letztgenannte Problem lässt sich Aristoteles zufolge am deutlichsten an den Vermögen verdeutlichen, welche er bisher besprochen hat, und zwar insbesondere am Wahrnehmungsvermögen sowie am Vorstellungsvermögen: Vorausgesetzt, alle Seelenteile können jeweils einem von zwei eigenständigen Hauptteilen, d.h. entweder dem vernünftigen oder dem unvernünftigen, zugeordnet werden, leuchtet es beispielsweise nicht ein, auf welche der beiden Sei|| 15 Zu beachten ist das epexegetische kai in 433b1–2: ἐὰν κατὰ τὰς δυνάμεις διαιρῶσι καὶ χωρίζωσι. 16 Zur Äquivalenz der beiden Ausdrücke siehe Anm. 19 unten.

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ten der Zweiteilung das Wahrnehmungsvermögen fallen soll. Ferner: Sind alle Seelenteile (dem Begriff nach) voneinander abgetrennt, dann ist rätselhaft, ob und in welchem Sinne z. B. das Vorstellungsvermögen mit dem Wahrnehmungsvermögen identisch oder vom Meinungsvermögen verschieden sei,17 und zwar deshalb, weil es von beiden abgetrennt ist. Aristoteles’ Kritik an dieser Methode der Seelenteilung wird noch schärfer, wenn er auf ein weiteres Seelenvermögen zu sprechen kommt, mit dem er – wie sich im Laufe von Kapitel 10 zeigen wird – das gesuchte Bewegende identifiziert, nämlich das Strebevermögen (432b3: to orektikon). Es gilt deshalb, den im Originaltext auf T2 unmittelbar folgenden Passus etwas genauer zu betrachten: T3. Und darüber hinaus das Strebevermögen, welches doch wohl dem Begriff sowie dem Vermögen nach von allen verschieden zu sein scheint. Und es ist in der Tat abwegig, dieses zu zerreißen. Denn im vernünftigen (Seelenteil) entsteht das Wünschen und im unvernünftigen die Begierde und der Mut, und wenn die Seele aus dreien (Teilen) besteht, so würde es in jedem einzelnen eine Strebung geben.18

Die eingangs gemachte Bemerkung, wonach das Strebevermögen sowohl „dem Begriff nach“ als auch „dem Vermögen nach“ von allen anderen Teilen verschieden sei, wirkt zunächst obskur oder redundant. Es ist jedoch plausibel anzunehmen, dass sie auf die Aussage hinausläuft, dass für jedes Seelenvermögen zu φ-en das Strebevermögen von diesem verschieden ist bzw. nicht ein und dasselbe Vermögen ist wie dieses, wenn das Streben und das Φ-en dem Begriff nach verschieden sind.19 Dass das Streben und das Φ-en dem Begriff nach verschieden sind, soll wiederum einfach heißen, dass sie nicht die gleiche Definition teilen.20 || 17 In De an. III 3 entwickelt Aristoteles Argumente für beide Thesen. 18 De an. III 9, 432b3–7: πρὸς δὲ τούτοις τὸ ὀρεκτικόν, ὃ καὶ λόγῳ καὶ δυνάμει ἕτερον ἂν δόξειεν εἶναι πάντων. καὶ ἄτοπον δὴ τὸ τοῦτο διασπᾶν· ἔν τε τῷ λογιστικῷ γὰρ ἡ βούλησις γίνεται, καὶ ἐν τῷ ἀλόγῳ ἡ ἐπιθυμία καὶ ὁ θυμός· εἰ δὲ τρία ἡ ψυχή, ἐν ἑκάστῳ ἔσται ὄρεξις. 19 Vgl. Johansen (2012) 247. Diese Lesart stützt sich vor allem auf eine frühere Stelle (II 2, 413b29–31), an der die Verschiedenheit „dem Vermögen nach“ (dynamei) im Sinne eines Unterschieds „dem Sein nach“ (tôi einai) erläutert wird, wobei dieser wiederum auf einer Verschiedenheit der entsprechenden Ausübungen der Vermögen gründet: Das Wahrnehmungsvermögen ist z. B. vom Vermögen des Meinens insofern verschieden, als „das, was es heißt, fähig zum Wahrnehmen zu sein“ verschieden ist von „dem, was es heißt, fähig zum Meinen zu sein“. Das ist so, weil Wahrnehmen und Meinen, d.h. die jeweiligen Ausübungen der Vermögen, voneinander verschieden sind. 20 Der hier verwendete Begriff von begrifflicher bzw. definitorischer Verschiedenheit umfasst sowohl unterschiedliche Arten einer Gattung als auch generisch verschiedene Tätigkeiten.

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Nun geht der Hauptvorwurf, den Aristoteles in T3 den Anhängern der Einteilungsmethode macht, dahin, dass diese das Strebungsvermögen entweder „auseinanderreißen“ oder „abtrennen“ (diaspan). Der Wortlaut lässt mindestens zwei Lesarten zu: In der Literatur werden in der Regel Themistius’ und Simplikios’ Lesarten gegenübergestellt. Simplikios (in De an. 291.4–12 Hayduck) ist der Ansicht, dass diaspan im Sinne einer Absonderung oder Abtrennung des Strebevermögens „von den anderen (Seelenteilen)“ (apo tôn allôn) zu deuten ist; dies sei deshalb absurd, weil das betreffende Vermögen „weder von der Vernunft noch vom Vorstellungsvermögen dem Subjekt nach abgetrennt ist“:21 Das Vermögen könne nicht existieren, außer in Verbindung mit einem kognitiven Vermögen irgendeiner Art (vgl. synhyparchein, synhyphistasthai).22 Aristoteles würde dies unter Verweis auf den Wunsch, d.h. eine Strebung, welche „in der Vernunft“ (291.1–2 Hayduck: en tôi logôi) vorzufinden ist, einerseits und auf muthafte Strebung und Begierde, welche wiederum „im Vorstellungsvermögen“ (291.3 Hayduck: en tôi phantastikôi) vorzufinden seien, andererseits belegen: Auf diese Weise paraphrasiert Simplikios Aristoteles’ Bemerkung in T3, dass der Wunsch „im vernünftigen (Seelenteil)“ entsteht, während Begierde und Mut „im unvernünftigen“ entstehen. Doch Simplikios’ Lesart kann man folgende Punkte entgegenhalten, deren Tragweite erst in § 4 erkennbar werden wird: Erstens knüpft Aristoteles in T3 an die in T2 bereits angedeutete Differenzierung von Zwei- und Dreiteilung der Seele unter den Anhängern der Einteilungsmethode an (432b6–7: en tôi logistikôi ... kai en tôi alogôi … ei de tria hê psychê …), weshalb zunächst kein Anlass besteht, seine bisherige Behandlung der Seelenvermögen auf diese Modelle der Seelenteilung (im Sinne der Abtrennung) abzubilden. Zweitens geht er in III 9 zwar davon aus, dass es ein Strebungsvermögen gibt, doch diese Existenzannahme beruht vorerst allein auf der Feststellung, dass dieses „dem Begriff nach“ von allen anderen verschieden ist. Sie kann gemäß De an. II 4, 415a14–22 erst dann als berechtigt gelten, wenn auf einen entsprechenden Gegenstand

|| Begrifflich verschieden in diesem Sinne sind z. B. sowohl das Begehren und das Wünschen, welche beide Arten der Gattung Strebung sind, als auch das Sich-Ernähren und das Wahrnehmen, das Wahrnehmen und das Streben, usw. 21 Simplikios in De an. 291.1–2 Hayduck: καὶ ὡμολογημένως τοῦτο [scil. τὸ ὀρεκτικὸν] οὐ κεχώρισται τῷ ὑποκειμένῳ οὔτε τοῦ λόγου οὔτε τοῦ φανταστικοῦ. 22 Simplikios in De an. 290.41–291.1 Hayduck: τὸ δὲ ὀρεκτικὸν πάντως μετὰ γνώσεως; 291.5 Hayduck: γνώσει τινὶ πάντως συνυπάρχει; 291.6–7: τοῖς γνωστικοῖς συνυφίσταται.

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(antikeimenon) verwiesen wird, auf den sich die unterschiedlichen Ausübungen des Vermögens jeweils richten, d.h. ein orekton. Ein explizites Argument für diese These bringt Aristoteles allerdings erst in De an. III 10, 433a26–30 (= T7 unten) vor: Bis dahin sollte man eine solche Existenzannahme nicht als selbstverständlich betrachten, zumal er in De an. III 9 gegen Denker polemisiert, welche den Begriff orexis selbst, den die meisten Gelehrten als aristotelische Prägung ansehen, als philosophischen Fachbegriff vermutlich gar nicht kannten. Deshalb wäre die Annahme, dass Aristoteles von vornherein eine scharfe terminologische Unterscheidung zwischen Strebung als Vermögen (gr. to orektikon) und Strebung als Ausübung oder Verwirklichung desselben (gr. orexis) voraussetzt, letztendlich fehl am Platz. Denn erst in III 10, 433a31–b1 weist er darauf hin, dass es sich bei dem gesuchten Bewegenden um die orexis im Sinne des (Seelen-)Vermögens handelt.23 Der andere Sinn von orexis (d.h. orexis als Verwirklichung) wird später (433b17–18) kurz angesprochen. Der Hauptgrund, weshalb er nicht unproblematisch von dem dynamis/energeia-Unterschied ausgehen kann, ist, dass Aristoteles’ platonische Widersacher ihn anzweifeln könnten, etwa indem sie die zentrale Annahme bestreiten, Wunsch, Begierde und Mut seien unterschiedliche Ausübungen eines (einzigen und einheitlichen) Vermögens. Der dynamis/energeiaUnterschied wird erst dann legitim sein, wenn Aristoteles eine solche Auffassung erfolgreich zurückgewiesen und diese durch eine philosophisch befriedigendere Alternative ersetzt hat. Obwohl Aristoteles von dem dynamis/energeia-Unterschied noch keinen Gebrauch macht, fällt eines trotzdem auf: Wenn er in T3 auf die absurden Folgen des diaspan näher eingeht, redet er von Strebungen unterschiedlicher Art, die in jedem der Seelenteile „entstehen“ (432b5: ginetai).24 Damit kann nur Strebung im Sinne eines konkreten Vorkommnisses oder einer Episode (etwa einer Bewegung) und nicht im Sinne einer Disposition oder eines Vermögens gemeint sein.

|| 23 De an. III 10, 433a31–b1: ὅτι μὲν οὖν ἡ τοιαύτη δύναμις κινεῖ τῆς ψυχῆς ἡ καλουμένη ὄρεξις, φανερόν. Die Partikelverbindung μὲν οὖν signalisiert oft bei Aristoteles eine Überleitung, wobei das bisher Gesagte durch μὲν οὖν noch einmal zusammengefasst und/oder vervollständigt wird, während das entsprechende δέ dazu dient, einen neuen Diskussionspunkt einzubringen. 24 Eine ähnliche Ausdrucksweise ist in der Politeia vorzufinden: Vgl. z. B. R. IV, 436b10: en autois tauta gignomena, wobei sich tauta auf gegensätzliche Tätigkeiten oder Affektionen in der Seele (436b8: tanantia poiein ê paschein) bezieht.

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Deshalb erweist sich Simplikios’ Lesart von T3, welche unter den modernen Interpreten breite Zustimmung gefunden hat,25 als wenig überzeugend: Es ist per se zwar nicht falsch, Aristoteles die Ansicht zuzuschreiben, dass die Verwirklichung des Strebevermögens immer eine bestimmte kognitive Leistung voraussetzt bzw. dass die Betätigung der phantasia oder des Denkens eine notwendige Bedingung für eine wirkliche Strebung ist.26 Im Gegenteil: Aristoteles behauptet dies mit Nachdruck in III 10, 433b27–30, wo er das Hauptresultat der Untersuchung im 10. Kapitel zusammenfasst (vgl. insb. 433b28–29: orektikon […] ouk aneu phantasias). Doch das ist offensichtlich nicht der Aspekt, auf den er in T3 abhebt. Laut Themistius (in De an. 117.17–22 Heinze) besteht der Grundfehler der Platoniker hingegen darin, dass sie das Strebevermögen nicht selbst als abgetrenntes Vermögen neben den anderen Vermögen, von denen es gleichwohl dem Begriff nach verschieden ist, ansetzen, sondern dieses „zerstreuen“ oder „auseinanderreißen“, indem sie es teils auf den vernünftigen teils auf den unvernünftigen Teil verteilen. Allerdings scheint eine solche Lesart keine zufriedenstellende Alternative zu bieten: Ihr zufolge sollte das Strebevermögen als abgetrennter Teil anerkannt werden, weil nach den Platonikern jedem dem Begriff nach verschiedenen Seelenvermögen ein abgetrennter Seelenteil korrespondieren soll.27 Doch Aristoteles’ unmittelbar anschließende Erklärung in 432b5–7 (en [...] tôi logistikôi gar … kai en tôi alogôi …) lässt sich nur schwer mit einer solchen Auslegung in Einklang bringen.28 Darüber hinaus übersieht Themistius den engen Zusammenhang zwischen der für Aristoteles offenbar ernstzunehmenden Schwierigkeit, welche mit der Abtrennung der Seelenteile verbunden ist, und der Absurdität des diaspan völlig. Aristoteles gibt aber klar zu

|| 25 Simplikios‘ Lesart wird u.a. von Rodier (1900), Corcilius (2008), Johansen (2012) übernommen. Neutral bleibt hingegen Hicks (1907). 26 Simplikios‘ These ist allerdings stärker: Sie besagt, dass das (wie auch immer definierte) Strebevermögen nicht in Abtrennung von den jeweiligen kognitiven Vermögen existieren könne. Die Frage ist dann, ob sie auf die These hinausläuft, dass die kognitiven Vermögen (in einem näher zu klärenden Sinne) zum Inhalt der Definition selbst des Strebevermögens gehören sollen. Letztere These wird Aristoteles oft anhand von zwei früheren Stellen (De an. II 3, 414b1– 16, III 7, 431a8–17) unterstellt, auf die in § 3.2 näher eingegangen werden soll. Für den Zusammenhang zwischen existentieller bzw. ontologischer und definitorischer Abtrennbarkeit bei Aristoteles, siehe Anm. 39 unten mit bibliographischen Hinweisen. 27 Vgl. in De an. 117.20–22 Heinze: καὶ γὰρ ἄτοπον […] μὴ ποιεῖν καὶ ταύτην χωρὶς ὥσπερ ἐκείνων ἕκαστον. 28 Vgl. Rodier (1900) II 531, ad loc.

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erkennen, dass sein Verweis auf den Fall des orektikon dazu dienen soll, die grundsätzliche Unzulänglichkeit der platonisch-akademischen Einteilung der Seele noch einmal deutlicher offenzulegen, welche bereits an anderen Beispielen (vgl. T2) veranschaulicht wurde. In Folgendem soll eine Erläuterung geliefert werden, inwiefern das Einteilungskriterium, welches in die Abtrennung der Seelenteile mündet, die Freunde der Einteilungsmethode daran hindert, die unterschiedlichen Arten der Strebung als Arten einer gemeinsamen Gattung oder – genauer gesagt – als Ausübungen eines an sich einheitlichen Vermögens anzuerkennen. Dabei soll das grundlegende Einheitsproblem zutage gefördert werden, dem sich die Platoniker laut Aristoteles stellen müssen: Obwohl sie aufgrund der Differenzen, nach denen sie einteilen, das Strebevermögen als solches von allen anderen unterscheiden bzw. als eigenständiges, über die anderen hinausgehendes Vermögen anerkennen sollten,29 lässt sich die Art und Weise, wie sie zwei (d.h. vernünftig/unvernünftig) oder drei (d.h. vernünftig/begehrend/muthaft) Strebungsarten einteilen, kaum mit der Annahme vereinbaren, dass das entsprechende Vermögen Eines bzw. Einheitliches sei, sondern sie ergibt stattdessen eine Handvoll voneinander abgetrennter Teile. Wie sich in § 4 zeigen wird, sind die genaue Diagnose dieses Problems und Aristoteles’ eigener Lösungsansatz zur Beantwortung der Eingangsfrage in T1 sehr eng miteinander verflochten. Um den Weg für diese Lesart zu bereiten, werde ich mich zunächst einer im letzten Jahrzehnt einflussreich gewordenen Interpretation zuwenden, die von Simplikios ausgehend zu einer stark abweichenden Einschätzung der von Aristoteles angesprochenen Schwierigkeit gelangt.

|| 29 In De an. III 10, 433b1–4 stellt Aristoteles fest, dass „diejenigen, welche die Teile der Seele einteilen, wenn sie sie nach den Vermögen einteilen und trennen“, sich nicht auf Begehr- und Mutvermögen beschränken können, sondern von ihrer Methode selbst dazu verpflichtet wären, viele andere Teile einzuführen, erst recht wenn sie sich mehr voneinander unterscheiden als diese – darunter auch das Strebevermögen (433b3: eti orektikon). Demzufolge stellt sich die Beschränkung auf nur zwei oder drei Teile als völlig willkürlich heraus. Sollten sie das Einteilungsverfahren andererseits konsequent anwenden, so würde eine unbegrenzte Zahl von Teilen entstehen, ohne dass dabei ihre Verhältnisse zueinander (z.B. welche von ihnen fundamental sind und welche von ihnen auf fundamentalere zurückgeführt werden können, usw.) jemals ersichtlich werden könnten.

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3.2 Jüngere Versuche einer Interpretation: Eine Kritik Nach dieser Auffassung ist das Bewegende zwar mit dem Strebevermögen selbst zu identifizieren, dieses sei aber nicht als ein fundamentales, sondern als ein auf bereits besprochene kognitive Seelenvermögen (d.h. Wahrnehmungs- und Denkvermögen) zurückführbares Vermögen zu betrachten.30 Demgemäß plädiere Aristoteles in De an. III 10 für Antwort (1.2) (vgl. T1).31 Es zeigt sich allerdings, dass eine kaum zu lösende Spannung zwischen Option (1.2) und einigen zentralen Merkmalen dieser Lesart besteht. Denn merkwürdigerweise schreiben dieselben Interpreten, die (1.2) favorisieren, Aristoteles zuweilen auch Option (2) zu:32 Es gibt kein eigenständiges Seelenvermögen, auch nicht die Strebung, das für die Ortsbewegung zuständig wäre. Stattdessen gibt es eine Reihe unterschiedlicher Faktoren, die zur Ausbildung bzw. Konstitution von bewegungsrelevanten Strebungen beitragen bzw. beitragen können. Aristoteles beantwortet die Frage nach dem für die Bewegung der Lebewesen verantwortlichen seelischen Prinzip also, wenn überhaupt, im Sinne von [(2), AF].33

Andernorts heißt es dagegen, Aristoteles würde in De an. III 9–10 seinen in De anima sonst konsequent angewandten Erklärungsansatz über Seelenvermögen zugunsten einer rein „kausalen Theorie der animalischen Ortsbewegung“ nahezu vollständig aufgeben, welche „die Ortsbewegung als kontinuierlichen Prozess der Bewegungsgenese begreift, und die Beteiligung einer ganzen Reihe verschiedener seelischer Vermögen beinhaltet“.34 Damit ist offenbar der Erklärungsansatz gemeint, den Aristoteles vor allem in De motu animalium entfaltet, || 30 Z.B. Whiting (2002), Corcilius/Gregoric (2010) und Johansen (2012). Auf die Lesart von Whiting wird hier nicht näher eingegangen. Eine nützliche Abgrenzung zwischen Whitings Position und der von Corcilius und Gregoric vertretenen Lesart ist in Corcilius/Gregoric (2010), 114–118, zu finden. 31 Corcilius/Gregoric (2010) 105–106; Johansen (2012) 61. 32 Wie Pearson (2012), 17 Anm. 2, zu bedenken gibt, findet Antwortalternative (2) im restlichen Verlauf der Argumentation in III 9–10 nicht weiter Erwähnung. Außerdem hätte diese Deutung zur Folge, dass das Ernährungsvermögen selbst an der animalischen Ortsbewegung irgendwie beteiligt wäre, was besonders unplausibel scheint (vgl. III 9, 432b17–19). 33 Corcilius (2008) 245 (Herv. A.F.). 34 Corcilius (2011) 240. Vgl. auch Corcilius (2008) 260: „Aristoteles beantwortet die Frage nach dem bewegenden Seelenvermögen also nicht im Sinne eines oder mehrerer selbstständig agierender ‚Vermögen‘, wie die Fragestellung dies vielleicht nahelegt, sondern durch die Beschreibung eines kontinuierlichen Prozesses der Bewegungs- bzw. Handlungsgenese.“ (Herv. i. O.).

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wo er die Untersuchungsresultate aus De an. III 9–10 in die in Phys. VIII 5 durchgeführte Kausalanalyse der Selbstbewegung integriert, auf die bereits in De an. III 10, 433b13–27 verwiesen wird. Wie kann es innerhalb ein und desselben Interpretationslagers zu solchen merkwürdigen Schwankungen kommen? Die Befürworter der Option (1.2) orientieren sich zunächst an einer an sich plausiblen philosophischen Intuition, die man als eine „fakultätspsychologische“ bezeichnen könnte.35 Eine zufriedenstellende Theorie der Seelenvermögen kann sich demnach nicht damit begnügen, alle einschlägigen Vermögen in loser Reihenfolge aufzulisten, sondern sie muss diese nach bestimmten Kriterien systematisch ordnen, und zwar so, dass die Ordnung eine möglichst kleine Zahl basaler, eigenständiger Seelenvermögen („Fakultäten“) ergibt, von denen alle restlichen Vermögen abgeleitet werden können. Umstritten ist allerdings die Umsetzung einer solchen Strategie im Fall von De an. III 9–10, und zwar u.a. deshalb, weil Aristoteles die der Unterscheidung zwischen fundamentalen und abgeleiteten Seelenvermögen zugrunde liegenden Kriterien nirgends explizit festlegt. Die Befürworter von (1.2) unterstellen Aristoteles die Ansicht, dass nicht alle Seelenvermögen auch Seelenteile sind, wobei zu den Seelenteilen nur die fundamentalen, eigenständigen Seelenvermögen zählen, welche nämlich auf grundlegendere Vermögen nicht weiter reduzierbar sind.36 Ferner argumentieren sie, dass Aristoteles das Vermögen zur Ortsbewegung deswegen nicht als eigenständigen Seelenteil betrachtet, weil (i) es mit dem Strebevermögen (der Art nach) identisch ist und (ii) dieses wiederum auf grundlegende kognitive Vermögen, d.h. das Wahrnehmungsvermögen und die (praktische) Vernunft, zurückzuführen ist, welche hingegen als genuine Seelenteile gelten dürfen. Diese Lesart geht außerdem mit einer charakteristischen Diagnose des vermeintlichen Fehlers einher (vgl. Simplikios’ Deutung von diaspan in T3), den Aristoteles in T2–T3 den Anhängern der dihairesis vorwirft: Ihre Einteilungsmethode drohe das Strebevermögen zu einem (von allen anderen Vermögen) abgetrennten, eigenständigen Vermögen zu machen. Dieses unhaltbare Ergebnis sei wiederum eine der problematischen Folgen der allgemeinen Grundannahme, wonach es so viele voneinander abgetrennte Seelenteile gebe, wie es die dem Begriff (oder: dem Sein) nach voneinander verschiedenen Seelenvermögen sind: Da es unbegrenzt viele dem Begriff nach voneinander verschiedene Seelenver|| 35 Sowohl Corcilius/Gregoric (2010) als auch Johansen (2012) verweisen auf Jerry Fodors Modularismus als modernen Ausläufer eines solchen Ansatzes. 36 Vgl. Corcilius/Gregoric (2010) 113; Johansen (2012) 1–3, 4–7.

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mögen gibt, müssten die Platoniker demnach unbegrenzt viele voneinander abgetrennte Seelenteile anerkennen – darunter auch das Strebevermögen. 37 Dies führe sie insbesondere dazu, die definitorische oder begriffliche Abhängigkeit des Strebevermögens einerseits vom Wahrnehmungsvermögen und anderseits vom Denkvermögen völlig zu verkennen. Den Platonikern würde Aristoteles angeblich mit der Unterscheidung zwischen (DV) bloßer begrifflicher Verschiedenheit zweier Seelenvermögen und (DA) begrifflicher Abtrennbarkeit entgegnen: Nur Vermögen, welche dem Begriff nach nicht bloß verschieden, sondern abtrennbar sind, entsprechen eigenständige Seelenteile. Dabei gilt: (DA–1) Seelenvermögen x ist begrifflich (oder: definitorisch) abtrennbar

(oder: unabhängig) von Seelenvermögen y gdw x eine Definition hat, welche auf y keinen Bezug nimmt. Da die Rede von „Bezugnahme“ in (DA–1) für Probleme sorgen könnte, lässt sich (DA–1) folgendermaßen umformulieren:38 (DA–2) Seelenvermögen x ist begrifflich (oder: definitorisch) untrennbar

(oder: abhängig) von Seelenvermögen y gdw y dem Begriff nach früher ist als x.39 Es leuchtet zunächst nicht ein, wie sich anhand von (DA–1) bzw. (DA–2) Fälle abdecken lassen, in denen y begrifflich zwar nicht früher ist als x, aber dennoch eine notwendige Bedingung für x darstellt. Dieses Problem kann erst einmal beiseitegeschoben werden, es wird aber im weiteren Verlauf der Analyse eine Rolle spielen.

|| 37 So interpretieren Corcilius/Gregoric (2010) und Johansen (2012) die Zeilen 433b1–4 (insb. ἔτι ὀρεκτικόν in 433b3). 38 Vgl. Johansen (2012) 54 Anm. 21. 39 In diesem Zusammenhang werde ich weder auf die Schwierigkeiten weiter eingehen, die mit dem Begriff der definitorischen Unabhängigkeit und dessen Verhältnis zu ontologischer Priorität (d.h. Priorität „dem Sein nach“) und existentieller Abtrennbarkeit verbunden sind, noch werde ich mich mit den Fragen befassen, warum die Art Abtrennbarkeit, von der (DA–1) handelt, strikt symmetrisch sei oder ob (DA–1) als solches ein hinreichendes Kriterium für das Vorliegen eines Seelenteils sei. Für eine ausführliche Diskussion siehe Johansen (2012) Kap. 3; zum Verhältnis zwischen definitorischer Priorität und ontologischer Priorität („priority in being“) siehe Peramatzis (2008) Kap. 12.

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Laut den Interpreten, die Aristoteles (DA–1) bzw. (DA–2) als Kriterium der Seelenteilung unterstellen, ist das Strebevermögen dem Begriff nach zwar verschieden sowohl vom Wahrnehmungs- als auch vom Denkvermögen, im Gegensatz zu diesen erfülle es allerdings nicht das Kriterium (DA–1) bzw. (DA–2), welches die Grundlage für die Unterscheidung zwischen Seelenteilen (d.h. primären, fundamentalen Seelenvermögen) und bloßen Seelenvermögen (d.h. abgeleiteten Seelenvermögen) bilden soll. Das Strebevermögen sei folglich nicht als genuiner, eigenständiger Seelenteil neben den anderen anzuerkennen [= (1.1)], sondern bloß mit bereits bekannten Vermögen [= (1.2)] zu identifizieren, die ihm gegenüber begrifflich früher sind. Dagegen lässt sich einwenden, dass eine solche Interpretation mit Aristoteles’ Anforderung (vgl. § 2, oben), dass es sich bei (1.2) um nur einen, einheitlichen Seelenteil handeln muss, schlicht unvereinbar ist. Denn dieser Lesart zufolge sollen dem Strebevermögen zwei Seelenteile entsprechen. (Das macht vor allem Aristoteles’ Behandlung von seelischen Konflikten bei Menschen notwendig, welche, wie in § 4 gezeigt werden soll, den Ausgangspunkt für seine Darlegung des Strebevermögens als Bewegenden darstellen.) Hinzu kommt, dass sich Aristoteles in der zweiten Hälfte von Kapitel 9 (432b8–433a1) eines Ausschlussverfahrens bedient, um zu erweisen, dass keiner der „bereits besprochenen“ Seelenteile (d.h. Ernährungs- und Wahrnehmungsvermögen sowie „die sogenannte Vernunft“ und die Begierde) für sich betrachtet als Bewegendes infrage kommt. Außerdem ist zu prüfen, ob sich die These der definitorischen Untrennbarkeit bzw. Abhängigkeit des Strebevermögens vom Wahrnehmungs- und Denkvermögen am Text von De an. III 9–10 oder aber an anderen De anima-Stellen festmachen lässt. Drei Passus sind hier besonders einschlägig:40 II 3, 414b1–16, III 7, 431a8–17, und III 10, 433b27–30 (vgl. T4). Die Befürworter von (1.2) berufen sich gerne auf die beiden ersten Passagen als Belege für die These, dass das Strebevermögen, das in De an. III 10 zum Bewegenden erklärt wird, dem Begriff nach untrennbar ist vom Wahrnehmungsvermögen. In II 3, 414b1–16 behauptet Aristoteles, dass die Begierde bzw. das Begehren allen Lebewesen zukommt, denen das Wahrnehmen zukommt, insofern das

|| 40 Eine weitere problematische Passage ist II 2, 413b22–24, wo Aristoteles behauptet, dass nicht nur die Strebung, sondern auch die Vorstellung (phantasia) aus dem Wahrnehmungsbesitz erfolgt, und damit anderen Stellen (z.B. III 3, 428a9–11; vgl. II 3, 414b16–17) widerspricht, aus denen hervorgeht, dass nicht alle wahrnehmungsfähigen Lebewesen das Vorstellungsvermögen besitzen. Einiges spricht allerdings dafür, dass καὶ φαντασίαν (413b22) irrtümlich in den Text gelangt sein könnte: vgl. Lorenz (2006) 138 Anm. 2.

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Begehren identisch mit dem Lustempfinden ist, das das Wahrnehmen (eines lustvollen Gegenstands) regelmäßig begleitet: Alle Tiere, die wahrnehmungsfähig sind, indem sie wahrnehmen, empfinden das Wahrgenommene als lustoder leidvoll. Dass sie etwas als lustvoll empfinden, heißt wiederum, dass sie es begehren (414b5–6: tou […] hêdeos orexis [epithymia]), und das Begehren ist eine Art des Strebens. In III 7, 431a8–17 macht Aristoteles deutlich, dass die These zunächst das Wahrnehmen und Streben im Sinne der Wirklichkeit (431a12,: hê kat’ energeian) betrifft, und überträgt sie dann auf die Vermögen selbst. Die These besagt, dass die Tätigkeiten des Wahrnehmens und des Strebens bzw. Meidens der Zahl nach identisch sind: das Streben ist numerisch identisch mit dem Lustempfinden, das Meiden mit dem Leidempfinden, und diese wiederum sind „das Tätigsein mit der wahrnehmungsfähigen Mitte in Bezug auf das Gute oder Schlechte“ (431a10–11: to energein têi aisthêtikêi mesotêti pros to agathon ê kakon). Die numerische Identität soll entsprechend auch für die Vermögen gelten.41 Allerdings lässt Aristoteles eine wichtige Präzisierung unmittelbar folgen: Das Sein all dieser Tätigkeiten (und der entsprechenden Vermögen) ist jedoch ein jeweils anderes (431a14: to einai allo). Das scheint zu implizieren, dass es jeweils verschiedener Definitionen dessen bedarf, was es heißt, wahrzunehmen, Lust bzw. Leid zu empfinden, nach etwas zu streben bzw. etwas zu meiden. Das heißt wiederum, dass sich die entsprechenden Tätigkeiten auf unterschiedliche antikeimena richten. Da hervorgehoben wird, das Sein von Strebe- bzw. Meidevermögen und Wahrnehmungsvermögen sei ein jeweils anderes, ist deren numerische Identität mit einer schwächeren Lesart kompatibel als die von den Befürwortern von (1.2) vorgeschlagene Lesart, der zufolge das Wesen selbst des Strebe- bzw. Meidevermögens vom Wesen des Wahrnehmungsvermögens abhängig bzw. untrennbar ist. Die Feststellung der numerischen Identität lasst nämlich auch zu, dass der Besitz des Wahrnehmungsvermögens eine bloß notwendige Bedingung für die Ausübung der beiden anderen Vermögen ist.42

|| 41 Für ein analoges Argument, das laut den Vertretern von (1.2) die definitorische Untrennbarkeit der (rationalen) Strebung (d.h. des Wunsches) von der praktischen Vernunft aufzeigen soll, siehe III 7, 431a14–17 und Johansen (2012) 250. Damit wäre Aristoteles’ Lösung in De an. III 9–10 demselben Vorwurf ausgesetzt, den er nach meiner Lesart gegen Platons Seelenteilung richtet: vgl. § 4 unten. 42 Wäre dies der Fall, so könnte man aufgrund von (DA–1) bzw. (DA–2) allein nicht ausschließen, dass Strebevermögen und Wahrnehmungsvermögen begrifflich abtrennbar sind.

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Ferner: Selbst wenn man einräumen sollte, dass diese Stellen die definitorische Abhängigkeit des Begehrvermögens von der Wahrnehmung bzw. vom Wahrnehmungsvermögen nahelegen, ist es doch fraglich, ob sie einschlägig sind für das gesamte Strebevermögen, sofern dieses für die animalische Ortsbewegung verantwortlich sein soll.43 Denn erstens nimmt sich Aristoteles in De an. III 9–10 in erster Linie vor, seelischen Motivationskonflikten der Art, wie sie Platon im 4. Buch der Politeia behandelt, auf eine philosophisch befriedigendere Weise Rechnung zu tragen, was laut Aristoteles grundsätzlich voraussetzt, dass man über eine Erklärung des erklärungsbedürftigen Umstands verfügt, dass Strebungen sowohl „richtig“ als auch „nicht richtig“ sein können. Wie im nächsten Abschnitt dargestellt werden soll, beruht seine Lösung auf dem Grundgedanken, dass der kognitive Zugang zu den jeweiligen Strebegegenständen immer (auch) über das Vorstellungsvermögen stattfindet (vgl. III 10, 433a17–b1). Dies trifft allerdings auf die (rein wahrnehmungsbasierte) Begierde, von der an diesen beiden Stellen die Rede ist, offensichtlich nicht zu. Zweitens handeln diese Stellen von der elementarsten Form der Begierde, welche sogar bei Tieren vorkommt, die als einzigen Sinn die Tastwahrnehmung haben und vermutlich zur Ortsbewegung unfähig sind oder zumindest sich nicht auf die Weise fortbewegen, wie höhere Tiere es tun (vgl. III 11, 433b31– 434a5).44 Denn Aristoteles ist in De an. III 9–10 bemüht zu zeigen, dass selbst nicht-vernunftbegabte Lebewesen – d.h. Lebewesen, bei denen Motivationskonflikte nicht auftreten können – nur dann fähig zur Ortsbewegung sind, wenn sie über das „wahrnehmungsmäßige“ Vorstellungsvermögen (phantasia aisthêtikê) verfügen (vgl. T4 unten). Somit erbringen die ersten beiden Passus keinen ausreichenden Nachweis für die Annahme, dass das für die Ortsbewegung verantwortliche Strebevermögen vom Wahrnehmungsvermögen untrennbar ist. Der letzte Text stammt hingegen aus dem 10. Kapitel von De anima. Darin fasst Aristoteles das Hauptresultat seiner Untersuchung zusammen: T4. Überhaupt ist also das Lebewesen, wie gesagt, eben insofern fähig, sich selbst zu bewegen, als es zur Strebung fähig ist; zur Strebung fähig ist es allerdings nicht ohne Vor-

|| 43 Ich folge hier im Wesentlichen der Deutungslinie, die in Lorenz (2006), insb. Kap. 9–10, entwickelt wird. 44 Siehe Lorenz (2006), Kap. 9, für eine ausführliche Erörterung.

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stellung. Und alle Vorstellung ist entweder vernünftig oder wahrnehmungsmäßig. An Letzterer haben nun auch die übrigen Lebewesen teil.45

Zwei Bemerkungen sind hier angebracht: Erstens hebt Aristoteles zusammenfassend noch einmal hervor, dass das gesuchte Vermögen zur Selbstbewegung (d.h. zweckmäßiger Ortsbewegung) qua Vermögen mit dem Strebevermögen zu identifizieren ist. Zweitens suggeriert der Wortlaut, dass die phantasia eine notwendige Bedingung für den Besitz des Strebevermögens ist, das für die Ortsbewegung verantwortlich ist: Der Ausdruck, den Aristoteles in T4 verwendet, ouk aneu (phantasias), bezeichnet die conditio sine qua non, die Aristoteles andernorts auch synaition nennt.46 Ähnlich wie die ersten beiden Passagen kann auch T4 somit nicht als hinreichender Beweis für die These der begrifflichen Abhängigkeit des Strebevermögens von kognitiven Vermögen (insb. dem Wahrnehmungsvermögen)47 gelten, wenn damit gemeint ist, dass das Vorstellungsvermögen bzw. Wahrnehmungsvermögen zum Inhalt der Definition des orektikon selbst gehört bzw. im Definiens desselben vorkommt. Abschließend grenzt Aristoteles das Vorstellungsvermögen, das ausschließlich vernünftigen Lebewesen zukommt, bei denen Motivationskonflikte möglich sind, von demjenigen ab, das auch nicht-vernünftigen Lebewesen zukommt.

|| 45 De an. III 10, 433b27–30: ὅλως μὲν οὖν, ὥσπερ εἴρηται, ᾗ ὀρεκτικὸν τὸ ζῷον, ταύτῃ αὑτοῦ κινητικόν· ὀρεκτικὸν δὲ οὐκ ἄνευ φαντασίας· φαντασία δὲ πᾶσα ἢ λογιστικὴ ἢ αἰσθητική. ταύτης μὲν οὖν καὶ τὰ ἄλλα ζῷα μετέχει. 46 Vgl. Met. V 5, 1015a20–26. Vgl. auch De an. III 8, 432a13–14; Mem. 1, 450a12–13. 47 Die Grundannahme aller unter § 3.2 besprochenen Interpreten (Corcilius (2008), Corcilius/Gregoric (2010), Johansen (2012)) ist, dass das Vorstellungsvermögen ein bloßer „Aspekt“ des Wahrnehmungsvermögens bzw. von diesem begrifflich untrennbar (vgl. z.B. Insomn. 1, 459a21–22) und deshalb kein eigenständiger Seelenteil ist. Die weitere Annahme ist, dass das Strebevermögen analog zum Vorstellungsvermögen zu betrachten ist: Ähnlich wie das Vorstellungsvermögen sei es definitorisch untrennbar vom Wahrnehmungsvermögen und damit kein genuiner Seelenteil. Der zweiten Annahme werde ich in § 4 entgegenhalten, dass im Fall des Strebevermögens zwischen Gegenstand und den Gegebenheitsweisen desselben unterschieden werden muss.

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4 Das Einheitsproblem und Aristoteles’ Lösung 4.1 Das Einheitsproblem In diesem Abschnitt werde ich für eine alternative Deutung plädieren, die in der jüngeren Sekundärliteratur nur selten48 vertreten zu sein scheint. Ich werde für die Ansicht argumentieren, dass nur (1.1) in T1 Aristoteles’ Antwort auf die Ausgangsfrage widerspiegeln kann. Die skizzierte Lesart unterstellt Aristoteles kein explizites Kriterium für die Seelenteilung, sondern geht von einer anderen Diagnose des Grundfehlers der Platoniker aus, der darin besteht, dass sie das Strebevermögen „auseinanderreißen“. Sie weicht aber zugleich von Themistius’ Lesart von T3 ab. Ein zentrales Merkmal meiner Lesart ist die Unterscheidung zwischen zwei akademischen Kriterien für die Einteilung der Seele, die als „locker“ resp. „strikt“ bezeichnet werden können. Das erste wurde bereits genannt: Die Platoniker teilen die Seele „nach den Vermögen“ ein. Soweit man es anhand von De an. III 9–10 beurteilen kann, muss es sich bei diesem Kriterium um dasjenige handeln, das Platon im 5. Buch der Politeia festlegt, wonach nämlich ein jedes Vermögen (dynamis) lediglich danach bestimmt werden soll, „(i) worauf es sich bezieht und (ii) was es bewirkt“ (eph’ hôi te esti kai ho apergazetai) (477c9–d5), und das Sokrates verwendet, um epistêmê und doxa voneinander abzugrenzen.49 Ferner: Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass Aristoteles sein in De an. II 4, 415a14–22 eingeführtes Individuationskriterium für Seelenvermögen – wenn auch nicht uneingeschränkt – von Platon übernimmt. Es sieht vor, dass ein jedes Vermögen dadurch definiert werden soll, dass man sein entsprechendes Korrelat (antikeimenon) angibt. Wird die Anwendung eines solchen Kriteriums nicht angemessen geregelt oder beschränkt, so kann dieses zu unerwünschten Ergebnissen führen. Ein Beispiel dafür wird in T2 angeführt: Wenn jeglichem (wie auch immer spezifiziertem) Gegenstand, G, eine Tätigkeit, ε, und damit ein eigenständiges Vermögen, δ, entspricht, so wächst die Zahl der dadurch individuierten Vermögen ins || 48 Vgl. Pearson (2012) 17–19. 49 Zur umstrittenen Frage, ob die Bedingungen (i) und (ii) tatsächlich verschieden sind und inwiefern laut Sokrates ein Unterschied bezüglich (ii) auf einen Unterschied bezüglich (i) schließen lässt, siehe Fine (1990), wo der Kontrast zwischen „inhaltlicher“ („content reading“) und „gegenständlicher“ Lesart („object reading“) des Gegenstandsbereichs einer dynamis gezogen wird. Ein Alternativvorschlag wird in Harte (2018) verteidigt.

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Unendliche. Um das Problem überspitzt zu verdeutlichen: Man erhielte dadurch z.B. nicht nur das Vermögen, Geige zu spielen, sondern auch das Vermögen, Geige am Montag um 17.02 Uhr zu spielen, das Vermögen, eine schwarze Geige entsprechend der Strichart des staccato zu spielen, usw., oder aber zusätzlich zum Sehvermögen, das Vermögen, rot zu sehen, das Vermögen, den Wert RGB = (1;0;0) im RGB-Farbraum zu sehen, usw. Offenkundig würde ein allzu feinkörniges Individuationskriterium zur Einführung unbegrenzt vieler Vermögen führen, deren begriffliche Beziehungen zueinander außerdem völlig unberücksichtigt blieben. Es liegt nahe, dass die Freunde der Einteilungsmethode das Kriterium entsprechend anpassen müssen, damit die Zahl der Vermögen auf die wenigen beschränkt wird, die fundamental sind, und aus denen alle andere konstruiert werden können. Bedenkt man Sokrates’ Vorgehen im Buch 4. Politeia – auf welches De an. III 9–10 primär abzielt –, so muss man feststellen, dass es darauf angelegt ist, drei fundamentale Teile zu identifizieren. Mit anderen Worten soll das „lockere“ Kriterium soll durch ein „striktes“ ergänzt werden. Der Dreiteilung liegt ein zentrales methodisches Prinzip zugrunde, das über das antikeimenon-Kriterium hinausgeht, nämlich das notorische „Prinzip der Gegensätze“ (R. IV, 436b–c): Platon geht von der Tatsache aus, dass ein und derselbe Mensch z. B. das Verlangen zu trinken verspürt, sich aber dennoch zurückhält und gelangt mithilfe eines solchen Prinzips auf die Annahme von zwei eigenständigen Seelenteilen (vgl. R. IV, 439d4–5: ditta te kai hetera allêlôn), und zwar „das Gedankenlose und Begehrliche“ und „das Denkende und Vernünftige“. In seinem ersten Argument für die Unterscheidung von Vernunft und Begierde verweist Sokrates auf Gegensatzpaare, die den entsprechenden Konfliktfall charakterisieren: Er ordnet nämlich Begierde und Vernunft einem jeweils anderen der beiden Glieder eines Gegensatzpaares (z.B. Gewähren/Abschlagen, (nach etwas) Trachten/Ablehnen, An-Sich-Ziehen/Von-Sich-Stoßen) zu. Die Vernunft wird dabei mit dem „Verhindernden“ oder „Verbietenden“ identifiziert, während die Begierde mit dem „Treibenden“ und „Ziehenden“ gleichgesetzt wird (vgl. 439c–d). Wäre dem nicht so, so könnte das Prinzip der Gegensätze nicht zum Tragen kommen. Die beiden Teile, die sich für einen jeweils gegebenen Gegenstandsbereich (z. B. Trank) ergeben, entsprechen immer komplementären, sich einander ausschließenden Gliedern eines Gegensatzpaars. Ist dies der Fall, so läuft ein solches Verfahren schließlich auf eine Anwendung der Dichotomie hinaus – die Rede in der Politeia ist von „zwei der Seele innewohnenden Arten“ (439e2–3: dyo […] eidê en psychêi enonta). Vor diesem Hintergrund lässt sich besser ver-

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stehen, inwiefern Aristoteles in De an. III 9–10 die gegenseitige „Abtrennung“ der Seelenteile und das damit einhergehende „Zerreißen“ des Strebevermögens für bedenklich hält: Der Hauptvorwurf, der in De anima gegen die Anhänger der dihairesis erhoben wird, sollte mit Aristoteles’ allgemeiner (und besser bekannter) Kritik an der Einteilungsmethode in De partibus animalium I 2–3 in Zusammenhang gebracht werden.50 Da eine ausführliche Untersuchung des Verhältnisses zwischen dem Argument im 4. Buch der Politeia und anderen Anwendungen der dichotomischen dihairesis den Rahmen dieses Aufsatzes bei Weitem sprengen würde, werde ich mich hier mit dem Verweis auf eine auffällige terminologische Parallele begnügen, die es ermöglicht, einen Zusammenhang zwischen De anima III 9–10 und Aristoteles’ Kritik an der Einteilungsmethode in Part. an. I 2–3 herzustellen: Das im Corpus sonst eher selten vorkommende Verb diaspan ist zweimal in Part. an. I 2 vorzufinden (642b10–14; 642b16–18): T5. Ferner ist es angemessen, dass man keine Gattung auseinanderreißt [mê diaspan hekaston genos] und zum Beispiel die Vögel teilweise in der einen, teilweise aber in der anderen Einteilung aufführt, wie es die geschriebenen Dihäresen tun. Dort kommt es nämlich vor, dass ein Teil von ihnen mit den Wassertieren zusammengestellt wird, während ein anderer Teil sich in einer anderen Gattung befindet. Doch trägt eine bestimmte durch Ähnlichkeit [têi homoiotêti] zusammengeschlossene Gruppe den Namen Vogel und eine andere den Namen Fisch.51 T6. Wenn also gilt, dass man nichts Gleichartiges auseinanderreißen darf [mêden tôn homogenôn diaspasteon], muss die Zweiteilung vergeblich sein; denn wenn man auf diese Weise einteilt, muß man zwangsläufig trennen und auseinanderreißen [anankaion chôrizein kai diaspan].52

Das Beispiel in T5 ist das der Gattung der Vögel: Sie wird „auseinandergerissen“, wenn sie in zwei geteilt wird, so dass die einen Vögel „mit den Wassertie-

|| 50 Die meisten Interpreten stimmen darin überein, dass Aristoteles’ Kritik in erster Linie Speusipp gelten soll. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Aristoteles sie auch gegen Platon selbst gerichtet wissen will: vgl. Lennox (2001) 152–153; Kullmann (2007) 323–324. 51 Part. an. I 2, 642b10–14: Ἔτι δὲ προσήκει μὴ διασπᾶν ἕκαστον γένος, οἷον τοὺς ὄρνιθας τοὺς μὲν ἐν τῇδε, τοὺς δ’ ἐν ἄλλῃ διαιρέσει, καθάπερ ἔχουσιν αἱ γεγραμμέναι διαιρέσεις· ἐκεῖ γὰρ τοὺς μὲν μετὰ τῶν ἐνύδρων συμβαίνει διῃρῆσθαι, τοὺς δ’ ἐν ἄλλῳ γένει. Ταύτῃ μὲν οὖν τῇ ὁμοιότητι ὄρνις ὄνομα κεῖται, ἑτέρᾳ δ’ ἰχθύς. Alle Übersetzungen zu De partibus animalium stammen von Kullmann (2007). 52 Part. an. I 2, 642b16–18: Εἴπερ οὖν μηδὲν τῶν ὁμογενῶν διασπαστέον, ἡ εἰς δύο διαίρεσις μάταιος ἂν εἴη· οὕτως γὰρ διαιροῦντας ἀναγκαῖον χωρίζειν καὶ διασπᾶν.

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ren zusammengestellt“ werden, während sich die anderen z.B. in der Gattung der Landtiere befinden. Geht man von einer Einteilung der Gattung in Wasserund Landtiere aus, so werden sich die gleichen Merkmale, welche die gesamte Gattung der Vögel als solche auszeichnen, auf beiden Seiten der Zweiteilung wiederfinden. Analog dazu: Geht man von einer Einteilung der Gattung der Strebung in vernünftig und unvernünftig aus, so werden sich Strebungen (d.h. Mitglieder der Gattung) auf beiden Seiten der Einteilung wiederfinden (vgl. De an. 432b4–6 in T3). Angenommen, die Dreiteilung der Seele ließe sich irgendwie auf die Zweiteilung in vernünftig und unvernünftig zurückführen,53 hätte man Strebungen in allen drei Teilen (vgl. 432b6–7 in T3). Die Gattung wäre insofern „auseinandergerissen“, als die „Ähnlichkeit“ ihrer Mitglieder gewissermaßen aufgehoben wäre: Es wäre aufgrund der Differenzen, nach denen eingeteilt wird, nicht mehr ersichtlich, warum man den (unter unterschiedliche Arten zerstreuten) Mitgliedern der Gattung ein und denselben Namen beilegen sollte. Der zweite Passus, T6, ist ebenfalls aufschlussreich, weil Aristoteles dort unterstreicht, dass die verwandten Ausdrücke chôrizein und diaspan dazu dienen, die Dichotomie als eine bestimmte Art der dihairesis (vgl. Part. an. 642b18: houtôs dihairountas) zu charakterisieren, die zu einem Trennen führt. Dass nicht jede Anwendung der Einteilungsmethode eine Abtrennung der Teile und ein „Auseinanderreißen“ der Gattungen zur Folge hat, sollte hier entgegen der in §3.2 zusammengefassten Interpretation hervorgehoben werden: Denn diese lässt einen ganz im Dunkeln darüber, welcher Aspekt der Einteilungsmethode das chôrizein und diaspan nach sich zieht. Deshalb entpuppt sich die bereits angesprochene Schwierigkeit als eine bezüglich der Einheit des Strebevermögens: Teilt man dichotomisch nach dem Differenzpaar vernünftig/unvernünftig ein, so lässt sich nicht mehr sagen, inwiefern vernünftige und unvernünftige Strebungen bzw. Wunsch, Begierde und Mut gleichermaßen Strebungen, d.h. Arten ein und derselben Gattung (oder: Verwirklichungen ein und desselben Vermögens) sind. Durch die Einteilung wird nämlich genau die „Ähnlichkeit“ verwischt, welche sie alle zu Mitgliedern derselben Gattung macht. Vernünftige und unvernünftige Strebungen werden vielmehr zu primären, irreduziblen Trieben, Drängen oder gar Bewegungen, welche einander entgegengesetzt sind: Für ihre Individuation spielen die || 53 Für eine ausführliche Verteidigung dieser Annahme im Rahmen der Politeia siehe Moss (2008). Das zwei- und das dreigeteilte Modell werden in De an. III 9 allerdings bloß nebeneinandergestellt und anscheinend unterschiedlichen Denkern zugesprochen.

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Merkmale „vernünftig/unvernünftig“ (logon echon/alogon), welche Arten und Weisen der Kognition (Vernunft resp. Wahrnehmung) entsprechen, so eine wesentliche Rolle und die Unterschiede zwischen diesen beiden epistemischen Modalitäten sind dabei so gewaltig, dass ihre Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Gattung in den Hintergrund gedrängt wird. Anstatt vernünftige und unvernünftige Strebungen auf eine gemeinsame Gattung der Strebung zurückzuführen, könnte Platon (oder ein Platoniker) darauf insistieren, dass diese vielmehr fundamentale, nicht weiter analysierbare und einander ausschließende Triebe oder Bewegungen seien.54 Damit könnte er die These verbinden, dass die einen rein seelisch und/oder vernünftig (d.h. Wunsch), während die anderen körperlicher Herkunft und/oder hinsichtlich ihrer Entstehung grundsätzlich unvernünftig seien. Mit anderen Worten: Die Gegner könnten darauf beharren, dass den vernünftigen resp. unvernünftigen Bewegungen fundamental verschiedene bzw. entgegengesetzte konative Einstellungen entsprechen, welche sich (zumindest prima facie) nicht unter eine gemeinsame Gattung subsumieren lassen.55 Dann wäre es aber völlig unklar, in welchem Sinne die Vernunft und die Begierde beide als „Beweger“ gelten dürften.56 Es entsteht nämlich für die Platoniker ein Konflikt zwischen „strikten“ und „lockeren“ Individuationskriterien. Denn einerseits würde das „lockere“ antikeimenon-Kriterium sie dazu verpflichten, neben unzähligen anderen Vermögen auch das Strebevermögen einzuführen: Wenn ein entsprechender Strebegegenstand angegeben werden kann, dann muss auch ein (einheitliches)

|| 54 Ein solches Bild ist durchaus kompatibel mit Sokrates’ Ausführungen im 4. Buch der Politeia. Im ersten Argument für die Unterscheidung zwischen dem vernünftigen und dem begehrenden Seelenteil charakterisiert er entgegengesetzte Strebungen als in entgegengesetzte Richtungen verlaufende physische Bewegungen: Die Begierde wird z.B. als ein An-Sich-Ziehen (R. 437b2: prosagesthai) beschrieben, das Wünschen als ein Von-Sich-Stoßen bzw. Von-SichWegtreiben bzw. Dagegen-Ziehen (437b3: apôtheisthai, 437c9: apôthein, 437c9: apelaunein, 439b3: autên anthelkei). Vgl. auch das Bild des Schützen in 439b8–11. 55 Einen ähnlich gearteten Ansatz scheint Platon sowohl im Timaios als auch im 10. Buch der Gesetze zu entfalten: Er grenzt nämlich kreisförmige seelische Bewegungen, welche intelligent und zweckmäßig sind, von geradlinigen körperlichen Bewegungen ab, welche „notwendig“ oder „zufällig“ (d.h. nicht zweckmäßig) sind. Das im Theaitetos, Timaios und Philebos entwickelte Modell der aisthêsis als extern verursachter Bewegung, welche den Körper hindurch (dia sômatos) geht und bis hin zur Seele (epi tên psychên) gelangt, bringt allerdings wesentliche Komplikationen mit sich, welche jede Interpretation von Platons Theorie der arationalen Strebung berücksichtigen sollte. 56 Das etwas verkappte Argument in III 10, 433a22–23, könnte vielleicht als Seitenhieb gegen Platon gelesen werden. Siehe dazu Anm. 62 unten.

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Vermögen existieren. Andererseits ist dieser Schritt mit dem Vorgehen im 4. Buch der Politeia prinzipiell unvereinbar, welches (i) ausgehend von der Betrachtung innerseelischer Konflikte (z. B. akrasia) und (ii) unter Anwendung des Prinzips der Gegensätze das Strebevermögen „auseinanderreißt“, indem es dieses in zwei oder drei abgetrennte Teile spaltet. Das „strikte“ Individuationskriterium für Seelenteile hebt somit das „lockere“ Individuationskriterium auf.

4.2 Aristoteles’ Lösung im Umriss Wie bereits angedeutet, ist Aristoteles’ Besprechung des Bewegenden in De an. III 9–10 sehr geprägt durch die Konfliktfälle, die den Ausgangspunkt für Platons Argument für die Dreiteilung bildeten. Es gehört zu den Erfolgskriterien von Aristoteles’ Erklärung der animalischen Ortsbewegung in De anima, dass solche Phänomene in seiner Theorie untergebracht werden können. Sein Ziel ist somit nicht, die Realität solcher psychischen Phänomene selbst zu hinterfragen, sondern eine alternative Analyse derselben zu liefern, welche das Einheitsproblem vermeidet. Der Fall des akratês und der des enkratês werden zunächst in III 9, 433a1–6 in den Blick genommen und dienen als Beleg für die These, dass bei Menschen weder die Vernunft noch die Begierde allein hinreichend für eine Episode der Ortsbewegung sind. Es ist jedoch anzumerken, dass Aristoteles’ Darstellung dieser Fälle sowie die dort verwendete Begrifflichkeit recht ungewöhnlich sind: Möglicherweise ist er bemüht, diesen Phänomenen auf eine Weise Rechnung zu tragen, die selbst für einen Platoniker unstrittig wäre. Man sollte sich außerdem davor hüten, aus der Betrachtung dieser Fälle zu folgern, dass das Strebevermögen damit als Kandidat für die Rolle des Bewegenden endgültig ausscheidet: Zum einen möchte Aristoteles der platonischen Auffassung der innerseelischen Konflikte als Konflikte entgegengesetzter Strebungen möglichst treu bleiben, und zum anderen lässt er durch seinen bedachten Sprachgebrauch (vgl. auch § 2 weiter oben) durchblicken, dass es sich bei solchen Konflikten um Strebungen im Sinne von konkreten Episoden handelt, z. B. um gegenwärtige, tatsächlich auftretende Begierden (433a3: kata tên epithymian, a6–7: tautês kyria tês kinêseôs, a7: oregomenoi kai epithymountes, a8: hôn echousi tên orexin). Das Phänomen der innerseelischen Konflikte bleibt weiterhin ausschlaggebend für die folgenden Argumentationsschritte in III 10, 433a9–26, die hier außer Betracht bleiben müssen. In 433a26–30 (T7) zieht Aristoteles ein sehr wichtiges Zwischenfazit aus der Analyse der Konflikte zwischen Wunsch und

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Begierde,57 die er ausdrücklich als (vernünftige resp. unvernünftige) Strebearten bezeichnet (433a23, a25–26), indem er den Schwerpunkt von der Entgegensetzung der Strebungen hin auf Richtigkeit bzw. Möglichkeit von Irrtümern im Bereich der menschlichen Handlung verlagert: T7. Freilich ist jede (Betätigung der) Vernunft [nous pas] richtig, aber Strebung und Vorstellung [orexis de kai phantasia] sind sowohl richtig als auch nicht richtig. Deswegen [dio] bewegt jedes Mal der Gegenstand der Strebung [to orekton], aber dieser ist entweder das Gute oder das, was das Gute zu sein scheint [ê to agathon ê to phainomenon agathon]; allerdings nicht jedes, sondern das Gute, das Gegenstand einer Handlung ist [to prakton agathon]. Gegenstand einer Handlung aber ist das, was sich auch anders verhalten kann. Dass es also das so beschaffene Seelenvermögen [toiautê dynamis tês psychês] ist, das bewegt, die sogenannte Strebung, ist klar.58

T7 ist ein vieldiskutierter Passus, der zahlreiche Fragen aufwirft: Zum einen ist Aristoteles’ Behauptung, dass „jede Betätigung der Vernunft richtig“ sei, leicht irritierend, wenn man unter nous das praktische Denken im weiteren Sinne versteht.59 Zum anderen wurde über die extensionale oder intensionale Bedeutung des Ausdrucks „to phainomenon agathon“ in der Literatur mehrfach debattiert.60 Aristoteles’ Hauptgedankengang lässt sich jedoch ohne Mühe nachzeichnen. Zunächst erscheint der Übergang zum Aspekt der Richtigkeit bzw. Irrtum aufgrund des Argumentationsschritts in 433a22–26 berechtigt: Das Wünschen hat sich hierbei (433a23) als eine Strebungsart herausgestellt, die jede Bewegung auszeichnet, welche „gemäß einer Überlegung“ (433a24: kata ton logismon) initiiert wird, während die Begierde, welche ebenfalls eine Strebungsart

|| 57 Zum Gebrauch der Partikelverbindung μὲν οὖν … (δέ) in 433a26 siehe Anm. 23 weiter oben. 58 De an. III 10, 433a26–433b1: νοῦς μὲν οὖν πᾶς ὀρθός ἐστιν· ὄρεξις δὲ καὶ φαντασία καὶ ὀρθὴ καὶ οὐκ ὀρθή. διὸ ἀεὶ κινεῖ μὲν τὸ ὀρεκτόν, ἀλλὰ τοῦτ’ ἐστὶν ἢ τὸ ἀγαθὸν ἢ τὸ φαινόμενον ἀγαθόν· οὐ πᾶν δέ, ἀλλὰ τὸ πρακτὸν ἀγαθόν. πρακτὸν δ’ ἐστὶ τὸ ἐνδεχόμενον καὶ ἄλλως ἔχειν. ὅτι μὲν οὖν ἡ τοιαύτη δύναμις κινεῖ τῆς ψυχῆς, ἡ καλουμένη ὄρεξις, φανερόν. 59 Der Verweis auf EN III 6, 1113a22–b2, wo Aristoteles zwischen dem „schlechthin und in Wahrheit“ (haplôs kai kat’ alêtheian) Guten und dem „jedem (Einzelnen) gut Scheinenden“ (hekastôi to phainomenon) unterscheidet, dürfte genügen, um die etwas überzogen anmutende Behauptung der Unfehlbarkeit des nous in T7 ins rechte Licht zu rücken. Der Umstand, dass schlechte Menschen Dinge wünschen können, welche ihnen gut scheinen, aber nicht wirklich gut sind, widerspricht laut Aristoteles nicht der These, dass „jede (Betätigung der) Vernunft richtig ist“. Hierzu siehe vor allem Moss (2012) 103–105. 60 Überzeugende Argumente für die intensionale Lesart von to phainomenon agathon werden in Moss (2012), Kap. 1–2, geliefert.

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darstellt (433a25–26), „gegen die Überlegung“ (433a25–26: para ton logismon) bewegt. Darauf aufbauend behauptet Aristoteles in T7, jede Betätigung der Vernunft sei richtig, während Strebungen – allgemein betrachtet – „sowohl richtig als auch nicht richtig“ sein können: Denn einerseits sind vernünftige Strebungen – insofern sie vernünftig sind – auf „das (wirklich) Gute“ als ihren Gegenstand gerichtet. Andererseits sind manche Strebungen, wie die Begierde, die unvernünftig ist, unrichtig, und zwar insofern als sie den vernünftigen entgegengesetzt sind. Doch woran liegt der Umstand, dass Strebungen auch nicht richtig sein können? Aristoteles’ Antwort in T7 ist eindeutig: Das liegt daran, dass ihr Gegenstand über eine andere kognitive Leistung zugänglich ist, welche im Gegensatz zur Vernunft Irrtümer nicht prinzipiell ausschließt. Das ist die phantasia, welche „sowohl richtig als auch nicht richtig“ sein kann (vgl. III 3, 428a17–19): Das erklärt, warum es vorkommen kann, dass man nach etwas strebt, das nicht wirklich gut ist. Man wünschte zwar, Aristoteles könnte sich in T7 etwas eindeutiger ausdrücken, statt orexis und phantasia in Zeile 433a26–27 durch kai bloß nebeneinanderzustellen. Doch der unmittelbare argumentative Kontext legt folgende Deutung des Satzes nahe: „Strebung und Vorstellung – welche für die Strebung notwendig ist – sind sowohl richtig als auch nicht richtig“.61 Kurzum: Die Erwähnung der phantasia sowie des phainomenon agathon ist offensichtlich mit Aristoteles’ Erklärung der Möglichkeit von Irrtum aufs Engste verbunden. Daraus lässt sich folgern (433a27: dio), dass es immer etwas gibt, das sowohl durch die Vernunft als auch durch die phantasia erfasst werden kann und die entsprechenden Bewegungen initiiert: Das ist nämlich der Gegenstand der Strebung (to orekton). Wenn die Strebung „gegen die Überlegung“ bewegt, kann dies allein an der Beteiligung der phantasia an der Strebungsbildung liegen: Der Gegenstand der Strebung ist in diesem Fall etwas, was zwar als gut erscheint, aber nicht wirklich gut ist. Während die jüngsten Interpreten dieser Stellen auf der notwendigen Interaktion von Kognition und Strebung bestehen, scheint Aristoteles’ Argument eher eine wichtige Unterscheidung erforderlich zu machen, nämlich die zwischen Strebegegenstand und unterschiedlichen Gegebenheitsweisen desselben bzw. kognitiven Zugangsweisen zum Gegenstand. Denn Aristoteles verweist auf zwei verschiedene Weisen, den Strebegegenstand zu erfassen, welchen wiede-

|| 61 Vgl. Pearson (2012) 68.

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rum unterschiedliche Strebungsarten entsprechen. Im gleichen Atemzug unterstreicht er aber, dass die mit der einen oder anderen Strebungsart verbundenen Ortsbewegungen nicht durch zwei der Art nach verschiedene Beweger verursacht werden, sondern jeweils von einem der Art nach einheitlichen Beweger, dem Strebegegenstand, ausgehen: Dieser bewegt in beiden Fällen und lässt sich daher auf keine der beiden kognitiven Zugangsweisen reduzieren.62 Besondere Beachtung verdient dabei die Tatsache, dass der Strebegegenstand auch unabhängig von seiner jeweiligen Gegebenheitsweise charakterisiert werden kann, indem anstelle der kognitiven Komponente die Dimension der Handlung in den Vordergrund gerückt wird: Aristoteles bezeichnet den Strebegegenstand nachdrücklich als Gutes, das „Gegenstand einer Handlung“ (prakton) ist und somit in den Bereich des Kontingenten einzuordnen ist (vgl. auch EN III 5–6). Einleuchtend ist dann der letzte Schritt in T7: Nachdem Aristoteles auf den Strebegegenstand als den Beweger, von dem Strebungen beider Arten ausgehen, verwiesen hat, ist er dazu berechtigt, das Strebevermögen als das gesuchte Bewegende einzuführen, das den Strebegegenstand als sein antikeimenon hat. Dabei fällt auf, dass er von einer „sogenannten“ Strebung (hê kaloumenê orexis) spricht.63 Dies legt wiederum nahe, dass Aristoteles die Rede von Strebung im Sinne eines für die animalische Ortsbewegung zuständigen Vermögens (dynamis) erst nach erfolgtem Beweis der Existenz eines entsprechenden Gegenstands der Strebung für philosophisch begründet hält. Allem gegenteiligen Anschein zum Trotz erfüllt auch das Strebevermögen das in § 2 erwähnte allge-

|| 62 Aristoteles’ Zurückweisung der These, dass es zwei Beweger gibt, Vernunft und Strebung, die an einer früheren Stelle erfolgt, bleibt dabei etwas rätselhaft. In 433a21–22 verweist er nämlich auf eine vermeintlich unmögliche Folge dieser These (vgl. den Irrealis: ei gar dyo […] ekinoun, […] an […] ekinoun): Gäbe es zwei Beweger, so sollten sie „auf eine gemeinsame Art“ oder „gemäß einer gemeinsamen Art“ (kata koinon eidos) bewegen. Nur soviel ist klar: Die erneute Betrachtung der innerseelischen Konflikte im folgenden Abschnitt (433a22–26), mit dem der neue Argumentationsstrang in T7 eng gekoppelt ist, dient dazu aufzuweisen, warum beide Beweger nicht „auf eine gemeinsame Art“ bewegen und deshalb nicht zwei sein können. T7 zielt nach meiner Lesart darauf ab zu erläutern, inwiefern der Beweger trotz der besagten Konflikte und der unterschiedlichen Weisen, wie er dem Handelnden jeweils gegeben ist, eins sein kann. 63 Die Wendung „to kaloumenon x“ kommt bei Aristoteles öfter vor, wenn es bei „x“ um einen Ausdruck geht, der nicht gemäß dem allgemeinen oder alltäglichen Sprachgebrauch verwendet wird, weil er entweder aus einer technischen Fachsprache entlehnt wurde oder eine terminologische Neuprägung darstellt oder aber in der Alltagssprache in einer abweichenden, gewöhnlicheren Bedeutung vorkommt. Für eine Charakterisierung der „technischen“ oder „innovativen“ (technical or novel) Verwendung des Partizips siehe Crowley (2008), insb. § 3.

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meine Identitätskriterium, das Aristoteles in De an. II 4, 415a14–22 für Seelenvermögen festlegt. Die Hauptgründe, die zunächst dagegen zu sprechen schienen, waren auf Fälle von Motivationskonflikt und die darauf beruhende platonisch-akademische dichotomische Seelenteilung zurückzuführen, deren Grundfehler darin bestand, das Strebevermögen „auseinanderzureißen“. Gerade auf diese Fälle kommt Aristoteles im nächsten Abschnitt (T8 = 433b5–13) noch einmal zu sprechen: T8. Da aber Strebungen [orexeis] entstehen, welche einander entgegengesetzt [enantiai allêlais] sind – dies passiert dann, wenn die Vernunft [ho logos] und die Begierden [hai epithymiai] einander entgegengesetzt sind, und es kommt bei den (Lebewesen) vor, die eine Wahrnehmung von Zeit haben: auf der einen Seite befiehlt die Vernunft nämlich, aufgrund des Zukünftigen [dia to mellon] zu widerstehen [anthelkein keleuei], und auf der anderen Seite die Begierde aufgrund des Gegenwärtigen [dia to êdê], das gegenwärtig Lustvolle scheint nämlich auch schlechthin lustvoll und gut schlechthin zu sein, weil man das Zukünftige nicht sieht –, deswegen dürfte das Bewegende wohl der Art nach eines sein [eidei men hen], nämlich das Strebevermögen, insofern es zur Strebung fähig ist [to orektikon hêi orektikon]. Das erste von allen ist aber der Gegenstand der Strebung [to orekton], denn dieser bewegt als Unbewegter, indem er gedacht oder vorgestellt wird, doch der Zahl nach gibt es mehrere Beweger [arithmôi de pleiô ta kinounta].

In dieser Passage stützt Aristoteles sich offensichtlich auf die oben angedeutete Unterscheidung zwischen Strebegegenstand und seinen Gegebenheitsweisen, um die aus der Politeia bekannten Konfliktfälle aus der in T7 neu gewonnenen Perspektive zu beleuchten. Hier werde ich mich darauf beschränken, auf einige bemerkenswerte Aspekte von Aristoteles’ Lösungsansatz hinzuweisen. Erstens: Die Konflikte (z. B. akrasia) werden eingangs zwar wie schon bei Platon als Konflikte zwischen Vernunft und Begierde beschrieben. Aristoteles scheint dabei übrigens eine unverkennbar platonische Terminologie (z. B. anthelkein in 433b8) zu bemühen. Dennoch werden solche Konfliktfälle gleichzeitig im Sinne von entgegengesetzten Strebungen (Plural: orexeis) analysiert. Zweitens: Die betreffenden Konflikte werden daraufhin (433b7–10) auf eine Weise dargestellt, bei der es verstärkt auf das epistemische Verhältnis des Handelnden zum Gegenstand der Strebung ankommt. Aristoteles fokussiert vor allem auf die zeitliche Dimension, welche mit den unterschiedlichen kognitiven Zugangsweisen zum Gegenstand einhergeht, über die nur die Lebewesen verfügen, die „eine Wahrnehmung der Zeit haben“, d.h. die vernünftigen Lebewesen. Wenn der Strebegegenstand durch die Vernunft präsentiert wird, schließt der erstrebte Gehalt z. B. einen Bezug auf die Zukunft mit ein: Mit anderen Worten handelt es sich dabei nicht bloß um etwas, was jetzt gut ist, sondern um etwas, das auch langfristig gut ist. Das ist nicht der Fall beim Gegenstand von unvernünftigen Strebungen: Überlegungen bezüglich zukünftiger Verhältnisse kön-

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nen dabei völlig ausgeblendet werden, weshalb der eigentliche Gegenstand der Begierde, d.h. „das gegenwärtig [êdê] Lustvolle“, „auch schlechthin [haplôs] lustvoll und gut schlechthin [haplôs] scheint [phainetai]“. Der philosophisch interessanteste Aspekt einer solchen Analyse ist die Erklärung des für das akratische Handeln charakteristischen Irrtums. Mindestens ebenso wichtig ist aber, dass Aristoteles’ Lösung eine mögliche Entgegnung auf Platons Argument für die Seelenteilung in der Politeia eröffnet. Man könnte nämlich geltend machen, dass angesichts des Vorliegens bzw. Nicht-Vorliegens einer dem Strebegegenstand jeweils anhaftenden – z.B. zeitlichen – Bestimmung das „Prinzip der Gegensätze“ nicht länger zu greifen vermag. Denn die Gültigkeit eines solchen Prinzips unterliegt einigen Einschränkungen („zur gleichen Zeit“, „in derselben Hinsicht“, „in Bezug auf dasselbe“, usw.: vgl. R. IV, 436b8–c2, 436e8–437a10), auf die Platon im 4. Buch der Politeia übrigens wiederholt verweist. Man könnte dementsprechend darauf verweisen, dass eine dieser Einschränkungen verletzt ist, entweder weil der Gegenstand nicht in der gleichen Hinsicht betrachtet wird oder weil der erstrebte Gehalt selbst nicht ein und derselbe ist (vgl. „das gegenwärtig Lustvolle“ vs. „das schlechthin Lustvolle“).64 Drittens: Der Schlüssel zu Aristoteles’ Lösung liegt in der Unterscheidung zwischen Gegenstand der Strebung und kognitiven Zugangsweisen zu diesem. Einerseits ermöglicht die Angabe des antikeimenon es ihm, das Bewegende im Sinne eines „der Form nach“ (eidei) einheitlichen Vermögens zu definieren: Das ist nämlich das Strebevermögen als solches (d.h. als Vermögen), welches deshalb eins ist, weil alle Strebungen, die den Handelnden bewegen, immer von einem orekton ausgehen, das seinerseits „unbewegt“ ist. Doch diesen Strebungen entsprechen ebenso viele Ausübungen des Vermögens: Insofern sind sie „der Zahl nach“ mehrere Beweger.

|| 64 Es ist auffällig, dass Sokrates in der Politeia (437d8–439b2) große Mühe darauf verwendet zu zeigen, dass „jede Begierde für sich betrachtet [autê ge hê epithymia hekastê] allein auf dasjenige [gerichtet ist], worauf sie ihrer Natur nach gerichtet ist“ (autou monon hekastou hou pephyken), während „das, was hinzukommt“ (ta prosgignomena) (z. B. das „Gut-Sein“ des begehrten Gegenstands) zum „So-oder-so [tou toiou ê toiou]“ (d.h. den zusätzlichen qualitativen Bestimmungen des Gegenstands) gehört. Möglicherweise will Platon damit Einwände dieser Art entkräften. Stellenweise habe ich „Gegenstand“ und „Gehalt“ verwendet, um zwischen dem antikeimenon des Strebevermögens als solchen und den konkreten Inhalten (zusammen mit sämtlichen zeitlichen und qualitativen Bestimmungen) der einzelnen Strebungen zu differenzieren.

Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 171

Um diese voneinander zu unterscheiden und damit eine Erklärung zu liefern, wie der Handelnde eine konkrete Strebung bilden kann, muss man zwar auf die Art und Weise Bezug nehmen, wie der Strebegegenstand dem Handelnden jeweils gegeben (z.B. gedacht oder vorgestellt) ist. Letztere gehört jedoch nicht zum Wesen des Bewegenden im Sinne des Vermögens, sondern – wie T4 nahelegt – sie stellt eine notwendige Bedingung dafür dar, dass ein Lebewesen das Vermögen hat, sich dem Orte nach zu bewegen. Denn ein solches Vermögen lässt nicht verwirklichen, ohne dass der entsprechende Gegenstand der Strebungen auf die eine oder andere Weise gegeben wäre. Indem Aristoteles den Strebegegenstand und seine Gegebenheitsweisen auseinanderhält, kann er schließlich das definitorische Verhältnis von Strebegegenstand (unabhängig von den Arten seines Gegebenseins) und Strebevermögen, welches die Platoniker völlig verdeckt hatten, in den Vordergrund rücken. Deshalb, wenn er sich im letzten Abschnitt von III 10 auf das dreigliedrige Physik-Kausalschema „Bewegendes – Werkzeug – Bewegtes“ beruft, fügt er gleich hinzu, das Bewegende meine „zweierlei“ (433b14: ditton): einmal das Unbewegte, d.h. das Gute, welches Gegenstand einer Handlung ist (433b16: to prakton agathon; vgl. T7), einmal das Bewegende und Bewegte, d.h. das Strebevermögen als solches (433b17: to orektikon). Eine restlose Klärung der heiklen Frage, wie das Vermögen bzw. der bewegte Beweger durch den Gegenstand bzw. den unbewegten Beweger bewegt wird, liefert das dritte Buch von De anima zwar nicht.65 Nichtsdestotrotz ist der kritische Beitrag, den die Kapitel III 9–10 durch die Auseinandersetzung mit den Platonikern zum Verständnis der animalischen Selbstbewegung als strebungsbasierter Ortsbewegung leisten, nicht unerheblich.

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|| 65 Für eine eingehende Erörterung der Fragen rund um das orekton als unbewegten Beweger und das orektikon als bewegten Beweger sowie des Zusammenhangs zwischen De an. III 10, einerseits, und Phys. III 1–3, VIII 5 und Met. Θ 1–6, andererseits, siehe Ferro (2022) Kap. 3.

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Christian Kietzmann

Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles G.E.M. Anscombe hielt den praktischen Syllogismus für „one of Aristotle’s best discoveries.“1 Viele Philosophen der vergangenen Jahrzehnte stimmen ihr darin zu. Allerdings ist im Detail höchst umstritten, wie diese Entdeckung zu verstehen ist, und zwar sowohl systematisch als auch exegetisch. Eine der Fragen, die von Interpreten immer wieder diskutiert wurde, geht von der Beobachtung aus, dass sich die Beispiele, die Aristoteles gibt, anscheinend zwei recht unterschiedlichen Schemata zuordnen lassen, nämlich einerseits „deduktiven“ Syllogismen, in denen eine allgemeine Regel auf eine konkrete Situation angewendet wird, und auf der anderen Seite „Zweck-Mittel“-Syllogismen, die zu einem gegebenen Ziel notwendige Mittel identifizieren. In der Literatur ist umstritten, ob Aristoteles hier zwei unterschiedliche Arten des praktischen Syllogismus im Blick hat oder ob sich die eine Klasse letztlich als Sonderfall der anderen auffassen lässt. Dabei besteht bei den Exegeten ein gewisser Hang zur Vereinheitlichung. Wie Klaus Corcilius zusammenfassend berichtet, „[führen] Hardie und Mele die Zweck/Mittel-Stellen auf die deduktiven Stellen zurück, während Santas, Wiggins und Nussbaum umgekehrt versuchen, die deduktiven Stellen als Zweck/Mittel-Kalküle zu erweisen“.2 Ich werde hier die These vertreten, dass sowohl Aristoteles’ Auffassungen über die Funktion des praktischen Syllogismus als auch einige Textstellen nahelegen, die Spezifikation von Zielen, d.h. ihre Konkretisierung innerhalb einer bestimmten Situation, von der Identifikation von geeigneten Mitteln zur Herstellung eines Produkts zu unterscheiden. Entsprechend denke ich, dass wir zwischen zwei verschiedenen Formen des praktischen Syllogismus unterscheiden müssen: praktisch-spezifizierenden und produktiven Syllogismen.3

|| 1 So Anscombe in ihrem Klassiker Intention: Anscombe (1957) 58. – Stellenverweise im vorliegenden Text beziehen sich, soweit vorhanden, auf den jeweiligen neuesten OCT, ansonsten für De Memoria: W.D. Ross; De motu animalium: Primavesi; De partibus animalium: Louis. 2 Corcilius 2008a, 130. Corcilius bezieht sich hier auf Hardie (1968), Mele (1981), Santas (1969), Wiggins (1975) und Nussbaum (1978). 3 Jessica Moss deutet diese Unterscheidung an, jedoch ohne sie genauer zu erläutern; vgl. Moss (2014) 217–218. Zur Unterscheidung von instrumentellen und spezifizierenden Überlegungen im Allgemeinen vgl. Kolnai (1962), Wiggins (1975) und Millgram (2001) 10–12.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-008

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Mein Text gliedert sich in zwei Teile. Im ersten skizziere ich eine Interpretation von Aristoteles’ Theorie animalischer Ortsbewegung, in deren Kontext seine Idee des praktischen Syllogismus steht. Diese Interpretation wird mir als Hintergrund dafür dienen, im zweiten Teil den praktischen Syllogismus und seine Struktur näher zu untersuchen und meine Unterscheidung zwischen praktisch-spezifizierenden und produktiven Syllogismen einzuführen.

1 Aristoteles’ Theorie animalischer Ortsbewegung Ich möchte zuerst an einige philosophische Hintergrundannahmen der Theorie des praktischen Syllogismus erinnern. Aristoteles führt die Idee eines praktischen Syllogismus in De motu animalium 7 ein, und zwar im Kontext einer Untersuchung der Frage, wie die Ortsbewegung von Lebewesen zu erklären ist. Für ihn ist das menschliche Handeln ein Spezialfall tierischer Ortsbewegung. Aristoteles’ Idee ist also, dass Handlungserklärungen nicht grundlegend von den Erklärungen tierischen Verhaltens unterschieden sind. Wie kommt es nun aber zu tierischem Verhalten? Das heißt erstens: wieso bewegen sich Tiere überhaupt, und nicht vielmehr nicht; und zweitens: wieso bewegen sie sich so und nicht anders?4 Wieso bewegen sich Tiere überhaupt? Diese Frage stellt sich für Aristoteles vor dem Hintergrund seiner Überlegungen zu Veränderungen, wie sie etwa in seiner Physik und in De generatione et corruptione zu finden sind, sowie seiner Aussagen zur Natur und Physiologie intentionaler Zustände in De anima und in den Parva Naturalia. Ziel der in De motu animalium präsentierten Theorie scheint es zu sein, tierische Ortsbewegung mit Hilfe der dort erarbeiteten Begriffe verständlich zu machen: es handelt sich bei ihnen um einen Spezialfall von Veränderung, der dadurch ausgezeichnet ist, dass in seine Erklärung wesentlich intentionale Akte wie Wollen und Denken eingehen.5 Werfen wir deshalb zuerst kurz einen Blick auf den Begriff der Bewegung bzw. Veränderung im Allgemeinen. Kinêsis beruht laut der aristotelischen Physik auf dem Einwirken eines Akteurs auf einen Patienten: Akteur A besitzt die || 4 Dass Aristoteles’ Fragestellung so allgemein ist, zeigt die Formulierung in Mot. an. 1, 698a1–7. 5 Zu letzterem siehe die gegen Demokrit gerichtete Bemerkung in De an. I 3, 406b24–25.

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Veränderungsfähigkeit F, Patient B die Leidensfähigkeit G. Wenn Akteur und Patient zusammenkommen – einander berühren – und geeignete Bedingungen vorliegen, werden F und G zusammen in der Veränderung K ausgeübt, die im Patienten stattfindet. Am Beispiel einer qualitativen Veränderung: Die Herdplatte ist heiß und besitzt damit die Veränderungsfähigkeit, kalte Gegenstände zu erhitzen; der Topf ist kalt und besitzt damit die Leidensfähigkeit, erhitzt zu werden. Stellt man den Topf auf die Herdplatte, findet am Topf eine Veränderung statt: Er wird erhitzt. Diese bipolare Struktur kann nun auch in Ketten auftreten. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Wenn der Topf selbst heiß geworden ist, wird er das Wasser, das man in ihn hineinschüttet, erhitzen; und das erhitzte Wasser wird seinerseits das rohe Ei erhitzen, das man in es hineinlegt. In dieser Veränderungskette spielen Topf und Wasser eine Doppelrolle: sie sind zugleich Patient und Akteur, in Bezug auf einen Gegenstand sind sie Verändertes, in Bezug auf einen anderen Gegenstand Veränderndes. Das eben gegebene Beispiel des Erhitzens ist insofern einfach, als darin nur eine einzige Eigenschaft auf immer neue Gegenstände übertragen wird. Veränderungsketten können jedoch auch komplizierter aussehen. Insbesondere kann es vorkommen, dass Veränderungen der einen Kategorie – z.B. qualitative Veränderungen – zu Veränderungen einer anderen Kategorie – z.B. Ortsbewegungen – führen. Dabei kann außerdem eine kleine Anfangsveränderung zu einer großen und andersartigen Endveränderung transformiert werden. So etwas geschieht z.B. in einem Uhrwerk, das durch Temperaturschwankungen angetrieben wird: Die Veränderung der Temperatur der Feder führt zu ihrer Kontraktion bzw. Ausdehnung, und diese wiederum treibt den Mechanismus der Uhr an, der die minimalen Ausgangsveränderungen in eine gleichmäßige Zeigerbewegung, die Zeitanzeige auf dem Ziffernblatt, übersetzt. Eine minimale qualitative Anfangsveränderung wird hier, durch komplizierte Übertragungen innerhalb des Uhrmechanismus, in eine deutlicher wahrnehmbare Ortsbewegung des Zeigers transformiert.6 Ungefähr so scheint sich Aristoteles nun auch die Erklärung der Ortsbewegung von Lebewesen zu denken:

|| 6 Mot. an. 7, 701b1–32.

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Wie aber die Automatentheater (automata) bewegt werden, sobald nur eine kleine Bewegung stattgefunden hat – man löst die aufgezogenen Schnüre, und es schlagen sofort die Figuren ihre Säbel gegeneinander; [...] auf solche Weise bewegen sich auch die Lebewesen. (Mot. an. 7, 701b1–7, Übers. Klaus Corcilius)

Ein Automat (automaton) – also zum Beispiel ein mechanisches Theater oder ein Uhrwerk – transformiert eine kleine Ausgangsveränderung in eine womöglich andersartige und größere Endveränderung. Und Tiere denkt sich Aristoteles analog zu solchen Automaten: auch sie sind funktional so gegliedert, dass sie Anfangs- in Endveränderungen transformieren. Am Ende einer solchen Transformation stehen tierische Ortsbewegungen. Was aber bildet den Ausgangspunkt solcher Veränderungsketten? Es muss sich dabei um Veränderungen handeln. Aber um welche? Aristoteles’ Antwort in Mot. an. 6 lautet: Wahrnehmung, Vorstellung (phantasia), Denken. Diese drei Formen des Unterscheidens (krinein) sind für ihn Veränderungen und qualifizieren sich somit als Ausgangspunkte für Handlungserklärungen: Wahrnehmungen sind für Aristoteles eine Art qualitative Veränderung, das wissen wir aus De anima II 5.7 Auch phantasmata sind Veränderungen, wie Aristoteles in De anima III 3 bemerkt.8 Schwieriger in diese Reihe einzuordnen ist auf den ersten Blick das Denken, denn Aristoteles bestreitet mitunter explizit, dass Denken eine Veränderung sei: es handele sich vielmehr um ein Zur-Ruhe-Kommen.9 Andererseits behauptet Aristoteles wiederholt, dass man nicht ohne phantasmata denken könne.10 Wenn das stimmt, besteht das Denken zwar vielleicht nicht selbst in einer Veränderung, es ist aber dennoch notwendig mit einer verknüpft. Und das reicht aus für Aristoteles’ These, dass Denken den Ausgangspunkt von Ortsbewegung bilden kann.11 Wahrnehmung, Vorstellung und Denken sind aber nicht nur Veränderungen. Sie sind allesamt auch Weisen des Unterscheidens (krinein), wie Aristoteles sagt.12 Wir können auch, etwas moderner, sagen: es handelt sich bei ihnen um Formen des Repräsentierens, sie alle stellen etwas vor, sie sind intentionale Akte. Dieser Doppelcharakter – sowohl Veränderung als auch intentionaler Akt – ist für Aristoteles’ Theorie ganz entscheidend.

|| 7 De an. II 5, 416b33–35. 8 De an. III 3, 428b11–12. 9 De an. I 3, 407a32–33; Phys. VII 3, 247b1–248a9. 10 De an. III 7, 431a14–16; III 8, 432a7–14; Mem. 1, 449b30–450a9. 11 Mot. an. 7, 701b16–22. 12 De an. III 3, 428a3–5; Mot. an. 6, 700b19–22.

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Repräsentationen allein reichen nun aber anscheinend nicht aus, um Ortsbewegungen auszulösen. Eine Repräsentation kann einen schließlich ganz kalt lassen; sie motiviert uns nicht zwingend zum Handeln. Das tut sie erst dann, wenn der Vorstellende sich zu dem von ihm Repräsentierten in charakteristischer Weise verhält, nämlich erstrebend oder vermeidend. Aristoteles denkt, dass Tiere, die Lust und Schmerz empfinden können, dies bei denjenigen Repräsentationen, die ihnen zur Verfügung stehen – also solchen, die ihnen durch Wahrnehmung zuwachsen – ganz automatisch tun. Diese Tiere verhalten sich zu ihren Wahrnehmungen zwangsläufig so, dass sie das Wahrgenommene entweder als lustvoll empfinden und, damit in eins, es erstreben, oder aber das Wahrgenommene als schmerzhaft empfinden und damit in eins, es meiden. Diese beiden Haltungen sind gleichsam praktische Weisen der Bejahung oder Verneinung, die zwangsläufig mit einer wahrnehmenden Repräsentation verknüpft sind. Zum Beispiel: Der Affe sieht eine Banane, empfindet bei ihrem Anblick appetitvolle Lust und versucht, sie zu bekommen. Die Gazelle wittert das Löwenrudel, empfindet dabei angstvolle Unlust und flieht in die entgegengesetzte Richtung. Diese lust- und schmerzinvolvierenden praktischen Haltungen des Strebens bzw. Meidens sind allerdings nicht die einzigen Formen des Strebens. Sie sind zwar die einfachsten, weil sie schon mit der tierischen Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit gegeben sind. Jedes Tier, das wahrnehmen kann – also mindestens den Tastsinn besitzt –, ist ipso facto in der Lage, diese Haltungen einzunehmen. Manche Tiere besitzen aber zusätzlich zu ihren Wahrnehmungsfähigkeiten auch noch höhere kognitive Fähigkeiten des Repräsentierens, und diese gehen dann auch mit höheren Fähigkeiten des Strebens und Meidens einher. Ein Tier, das Erinnerung (mnêmê) besitzt, kann Erfahrung (empeiria) sammeln und so einen Sinn für Nützliches und Schädliches gewinnen. Die vorgestellten Gegenstände und Sachverhalte (phantasmata) wird das Tier dann als nützlich oder schädlich repräsentieren. Diese Vorstellung wird deshalb mit einer entsprechenden praktischen Haltung des Strebens bzw. Meidens einhergehen. Ein Lebewesen schließlich, das denken kann und über die Begriffe des Guten und Schlechten verfügt, wird einige seiner denkend repräsentierten Sachverhalte als gut oder schlecht vorstellen und damit entsprechend erstreben oder meiden. Es wird die Strebensform der boulêsis besitzen. Auf diese Weise wird es aber nur einige Sachverhalte repräsentieren, nämlich solche, die als rationales Ziel seines Handelns in Frage kommen. Das sind Sachverhalte, die sowohl kontingent und damit durch Handeln realisierbar sind als auch als gut oder schlecht bewertet werden. Neben solchen Sachverhalten kann ein denkendes Lebewesen auch allgemeine und notwendige Sachverhalte vorstellen, die unabhängig von seinem Handeln bestehen und zu denen es keine

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praktische Haltung einnimmt. Anders gesagt: Bei denkenden Lebewesen differenziert sich das Repräsentieren in eine praktische und eine theoretische Spielart aus.13 Laut Aristoteles bilden also Repräsentationen, die einen Gegenstand des Strebens vorstellen, den Ausgangspunkt tierischer Ortsbewegung. Solche Repräsentationen sind einerseits, ontologisch gesprochen, Veränderungen, oder zumindest systematisch mit solchen verknüpft. Das erklärt, wie sie komplexe Veränderungsketten in Gang setzen können, die schließlich in tierischem Verhalten münden. Andererseits sind sie intentional gehaltvoll und gehen mit den praktischen Haltungen des Strebens bzw. Meidens einher. Das erklärt, wie das resultierende Verhalten als ein Bestimmtes klassifizierbar ist: Es kann als Versuch verstanden werden, das Repräsentierte entweder zu erlangen oder zu vermeiden. Ich hatte gesagt, dass Repräsentationen Veränderungen sind, die Aristoteles zufolge einen komplexen Mechanismus in Gang setzen, der in Verhalten mündet. Wie genau funktioniert nun aber dieser Mechanismus? Ein Teil dieser Frage bezieht sich auf die physiologische oder anatomische Realisierung der Veränderungsübertragung: Welche körperlichen Veränderungen finden hierbei genau statt, und wie werden sie von Körperteil zu Körperteil übertragen? Aristoteles gibt hierauf verschiedene Hinweise: Einmal scheint er zu meinen, dass das Herz den organischen Ausgangspunkt der körperlichen Veränderungskette bildet.14 Das scheint er zu glauben, weil das Herz für ihn der Sitz, also das organische Korrelat, des Wahrnehmungsvermögens und damit des Gemeinsinns und des Vorstellungsvermögens ist.15 Diejenigen Veränderungen, die den Verhaltensmechanismus auslösen – d.h. Wahrnehmung, Vorstellung, Denken – haben eine Doppelgestalt: sie sind einerseits intentional, denn sie repräsentieren eine von ihnen verschiedene Wirklichkeit; andererseits haben sie aber auch eine physiologische Seite, denn sie bestehen (zumindest auch) in körperlichen

|| 13 Vgl. EN VI 2, 1139a5–14. Aristoteles unterscheidet dort einen „wissenschaftlichen“ (epistêmonikon) von einem „überlegenden“ (logistikon) rationalen Seelenteil, wobei ersterer unveränderliche und allgemeine Tatsachen erfasst, während letzterer veränderliche Einzelfalltatsachen registriert. Im Folgenden ordnet er dann dem wissenschaftlichen Teil die Aufgabe des interesselos-theoretischen Erfassens der Grundzüge der Wirklichkeit zu, während er für den überlegenden Teil die Identifikation der zweiten Prämisse des praktischen Syllogismus durch Nachdenken (bouleuesthai, logizesthai) und damit die Aufgabe der Handlungsanleitung reserviert. 14 Mot. an. 7, 701b28–32. 15 Part. an. III 3, 665a10–13.

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Veränderungen des Herzens. Aristoteles scheint dabei an unterschiedliche Temperaturen des Blutes zu denken: je nachdem, was wir repräsentieren, kühlt sich unser Blut im Herzen ab oder gerät in Hitzewallungen, und diese Temperaturunterschiede werden, vermittelt über das sogenannte „angeborene Pneuma“, in Kontraktion oder Ausdehnung transformiert, was wiederum Sehnen, Knochen und Muskeln bewegt, die dann ihrerseits einander in Bewegung setzen. Entsprechend stellt Aristoteles Überlegungen darüber an, wie die Anatomie der Gliedmaße beschaffen sein muss, damit solche Bewegungsübertragung durch Zug und Dehnung möglich ist. Hier geht es offenkundig um die Frage, wie ein Tier organisch gebaut sein muss, um die vorhin beschriebene Transformation der kleinen Ausgangsveränderung in tierische Ortsbewegung realisieren zu können. Das ist für Aristoteles eine Frage von der Art, wie sie sich Ingenieuren stellt, die für einen bestimmten Zweck einen Automaten konstruieren wollen.16 Neben diesem physiologisch-anatomischen Fragenkomplex behandelt Aristoteles aber auch die uns hier eigentlich interessierende Frage, wie genau ein solcher Mechanismus in Gang gesetzt wird. Bisher haben wir nur erarbeitet, dass Repräsentationen den Ausgangspunkt bilden. Doch wie genau schaffen es Repräsentationen, eine Veränderungskette der beschriebenen Art in Gang zu setzen? Die Frage stellt sich, weil nicht jede Vorstellung Verhalten motiviert. Zum einen ist, wie wir bereits gesehen haben, nicht jede Vorstellung mit einem Streben verknüpft; wissenschaftliche Vorstellungen z.B. sind das nicht. Wir haben deshalb präzisiert, dass nur strebende Vorstellungen, die ihren Gegenstand als lustvoll bzw. gut vorstellen, Verhalten motivieren. Zum anderen führt aber auch nicht jede mit Streben verbundene Vorstellung zu Verhalten. Solange uns nicht klar ist, dass hier und jetzt eine Gelegenheit besteht, das Erstrebte zu bekommen, und solange wir nicht wissen, wie wir es bekommen können, solange werden wir nicht entsprechend handeln. Diese Überlegungen zeigen, dass eine Repräsentation allein nicht hinreichend dafür ist, ihren Besitzer in Bewegung zu setzen. Ich denke, diese Beobachtung motiviert die Frage, die Aristoteles zu Beginn von De motu animalium 7 stellt: Warum bewegt Denken (im wei-

|| 16 Den zeitgenössischen Hintergrund dieser Überlegungen bildet wohl Sokrates’ Position in Platons Phaidon, 98c2–99b2. Platons Sokrates weist darauf hin, dass die eigentliche Erklärung einer Handlung in einer Meinung über das Beste zu suchen ist und demgegenüber die physiologische Beschaffenheit von Sehnen, Knochen und Muskeln bloß als Ermöglichungsbedingungen des entsprechenden Handelns in Handlungserklärungen eingehen.

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testen Sinn, der Wahrnehmen, phantasia und Denken im engeren Sinn umfasst) manchmal, und manchmal nicht?17

2 Der praktische Syllogismus Machen wir uns noch einmal das Problem klar, das sich an dieser Stelle für Aristoteles stellt: Tierische Ortsbewegung ist das Resultat einer komplexen Übertragungskette von Veränderungen, wobei eine Repräsentation den Ausgangspunkt bildet und diese Veränderung sukzessive so transformiert wird, dass am Ende eine Ortsbewegung herauskommt. Ein Teil dieser Transformation besteht in organischen Veränderungen, die durch unterschiedlich temperiertes Blut in Gang gesetzt werden. Doch damit das Blut in der richtigen Weise in Wallung gerät, bedarf es geeigneter Repräsentationen. Und Aristoteles bemerkt, dass die bloße Vorstellung eines Guts – selbst wenn es sich um ein praktisches Ziel und damit um ein Gut handelt, das erstrebt wird – nicht ausreicht, um den weiteren Mechanismus in Gang zu setzen. Die praktische Repräsentation von etwas als Strebensziel allein genügt also anscheinend nicht, um Verhalten auszulösen. Was fehlt? Ich denke, das Fehlende besteht in einem Beziehen des Ziels auf die konkrete Situation und die Bewegungsfähigkeiten des betreffenden Tiers. Die Repräsentation des Ziels ist in dem Sinn allgemein, dass erstens das Ziel bei verschiedenen Gelegenheiten auf unterschiedliche Weise einschlägig ist und sich zweitens in einer konkreten Situation meist auf verschiedene Weisen realisieren lässt. Demjenigen, der das Ziel hat, stellen sich damit – zumindest implizit – zwei Fragen: Erstens, was bedeutet es hier und jetzt, das Ziel zu verwirklichen? Und zweitens, wie mache ich das hier und jetzt? Um sich in irgendeiner Weise zu verhalten, muss der Betreffende zuerst diese beiden Fragen beantworten. Er muss sein Ziel zum einen auf die konkrete Situation als eine sich ihm bietende Gelegenheit beziehen und dabei auf diese Situation hin konkretisieren, und er muss es zum anderen zu seinen Fähigkeiten in Beziehung setzen, denn sie stellen ihm das Repertoire der ihm zur Verfügung stehenden Verhaltensweisen bereit. Diese beiden Operationen – das Konkretisieren des allgemeinen und noch unspezifischen Ziels auf die vorliegende Situation hin sowie das Identifizieren geeigneter Mittel – sind m.E. das, was Aristoteles im Folgenden beschreibt. Wir sollten also im Text eine Beschreibung davon erwarten, wie ein

|| 17 Mot. an. 7, 701a7–8.

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Ziel (d.h. ein Gut) auf eine Situation und die sich in ihr bietenden Verhaltensmöglichkeiten (d.h. auf das in dieser Situation praktisch Mögliche) bezogen wird. Schauen wir nun in den Text. Aristoteles’ Antwort auf die Frage, warum das Denken manchmal bewegt und manchmal nicht, lautet so: Dies aber scheint sich auf ganz ähnliche Weise zuzutragen wie bei denen, die sich über Unbewegliches Gedanken machen und deduzieren. Nur ist dort das Ergebnis eine theoretische Betrachtung – denn sobald man die beiden Prämissen gedacht hat, hat man auch schon die Konklusion gedacht und sie zusammengesetzt –, hier hingegen tritt an die Stelle der Konklusion aus den beiden Prämissen die Handlung. (Mot. an. 7, 701a8–13, Übers. Klaus Corcilius)

Aristoteles meint also offenbar, dass die Veränderungskette, die in ein Verhalten mündet, durch ein Zusammendenken zweier Repräsentationen in Gang gesetzt wird. „Denken“ ist in diesem handlungstheoretischen Kontext, wie gesagt, in einem weiten Sinn zu verstehen, der jede Form des kognitiven Erfassens von etwas umfasst. Das Zusammendenken fasst Aristoteles als analog zum Fall des theoretischen Schließens auf, in dem ein theoretischer Satz aus zwei bereits vorhandenen theoretischen Sätzen geschlussfolgert wird.18 Ein Zusammendenken zweier Repräsentationen findet hier wie dort statt; im einen Fall resultiert daraus eine weitere Repräsentation, im anderen Fall dagegen ein Verhalten. Die Pointe dieser Analogie liegt m.E. darin, dass uns das theoretische Schlussfolgern ein Modell dafür liefert, wie eine wirkkausale Beziehung so mit einer rationalen Begründungsbeziehung verknüpft sein kann, dass das Auftreten der Wirkung im Lichte der Ursachen zugleich kausal erklärt und rational verständlich wird. Wenn jemand theoretisch schlussfolgert, stehen die Gehalte seiner Gedanken einerseits in einer Folgerungsbeziehung zueinander: wenn die Prämissen wahr sind, ist notwendig auch die Konklusion wahr.19 Zugleich bildet er aber dabei auch einen neuen Gedanken, nämlich die Konklusion. Ganz so soll es nun auch beim tierischen Verhalten sein. Die Gedanken in den Prämissen sprechen

|| 18 Den Terminus syllogismos verwendet Aristoteles mehrdeutig: manchmal meint er damit ein gültiges Argument, d.h. einen abstrakten Gegenstand, so z.B. in der Definition in An. pr. I 1, 24b18–20; manchmal meint er damit aber auch ein psychologisches Ereignis des Schlussfolgerns (syllogizesthai), so etwa in De an. I 3, 407a32–34, oder an der uns hier interessierenden Stelle. 19 Vgl. Aristoteles’ Definition des Syllogismus in An. pr. I 1, 24b18–20.

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einerseits für ein bestimmtes Verhalten, sie „rationalisieren“ es. Zugleich bringen sie es aber auch hervor.20 Der Unterschied zwischen praktischem Zusammendenken und theoretischem Schlussfolgern besteht nun nicht nur in seinem Resultat – einer Repräsentation im theoretischen und einer Handlung im praktischen Fall –, sondern auch darin, dass praktisches Denken auch auf das Einzelne zielt, so dass bei ihm ein konkreter Situationsbezug ins Spiel kommen muss. Dieser Unterschied bedingt formale Unterschiede zwischen einem praktischen und einem theoretischen Syllogismus. Im theoretischen Syllogismus sind alle Repräsentationen allgemeine (katholou) und partikuläre (en merei) Gedanken (logoi), also etwa Aussagen der Form „Alle F sind G“ oder „Mindestens ein F ist G“. Dagegen enthält in einem praktischen Syllogismus die zweite Prämisse einen Bezug auf eine konkrete Situation und damit auf Einzelnes: Immer wenn jemand z.B. den Gedanken gefasst hat, dass jeder Mensch gehen soll und dass er selbst ein Mensch ist, geht er sofort; immer wenn er hingegen den Gedanken gefasst hat, dass jetzt kein Mensch gehen soll und dass er selbst ein Mensch ist, steht er sofort still. (Mot. an. 7, 701a13–15, Übers. Klaus Corcilius)

Die Ausgangspunkte dieser beiden Syllogismen, d.h. ihre ersten Prämissen, bilden Vorstellungen von etwas Gutem: dass Menschen gehen oder jetzt nicht gehen sollen. Aristoteles scheint sie für etwas Allgemeines zu halten: es geht um das, was Menschen im Allgemeinen tun sollen. Aristoteles drückt das später so aus, dass eine der Prämissen das Gute thematisiert.21 Dieser Gedanke wird im Syllogismus mit einer zweiten Vorstellung verknüpft, die eine relevante Infor|| 20 Klaus Corcilius nimmt an, dass man sich zwischen einer Deutung des praktischen Syllogismus als Kausalbeziehung und einer Deutung als Begründungsbeziehung entscheiden müsse, und optiert für die wirkkausale Deutung. Die Rolle der Begründung reserviert er dagegen für Deliberationsprozesse, die er vom praktischen Syllogismus unterscheidet; vgl. Corcilius (2008b). Ich stimme zu, dass Deliberation etwas anderes ist als der praktische Syllogismus. Ich sehe allerdings nicht, warum man sich zwischen den beiden Deutungen entscheiden muss und nicht stattdessen beide Beziehungen im praktischen Syllogismus am Werk sehen kann. Wenn man von der Begründungsbeziehung absieht, wird schließlich unklar, warum nicht Wünsche und Gedanken mit beliebigen Inhalten Handlungen verursachen können. Das wäre aber absurd. Nur, wenn man die Begründungsbeziehung mit in Rechnung stellt, ist auch die Verständlichkeit des Verhaltens im Lichte der sie verursachenden Wünsche und Überzeugungen gesichert. Patricio Fernandez argumentiert ausführlich dafür, dass Kausal- und Begründungsbeziehung im Schlussfolgern zusammengehören; vgl. Fernandez (2014), besonders 178–186. 21 Mot. an. 7, 701a23–25.

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mation über die konkrete Situation und die sich in ihr bietenden Verhaltensmöglichkeiten zum Gegenstand hat: in unserem Beispiel die Information, dass der Vorstellende selbst ein Mensch ist. Da es um kontingente Umstände geht, spricht Aristoteles davon, dass die zweite Prämisse des Schlusses vom Möglichen handle.22 Die Konklusion bildet das Verhalten: Der Schließende geht bzw. ruht. Manchmal setzt Aristoteles an deren Stelle einen Sollens-Satz, etwa „Ich muss einen Mantel machen“. Er fügt aber sogleich hinzu, dass dieser hier nur verbal die Handlung vertrete.23 Wir können Aristoteles’ Position so zusammenfassen: Wenn jemand einen allgemeinen, aber durch Verhalten realisierbaren Gegenstand als gut vorstellt und damit erstrebt, und außerdem hier und jetzt eine Gelegenheit sieht, dieses Gut zu erlangen, so resultiert ein Verhalten, eine Ortsbewegung, sobald er beide Informationen zusammenbringt, d.h. aufeinander bezieht. Wie gesagt: Aristoteles unterscheidet hier nicht grundlegend zwischen tierischem Verhalten und menschlichem Handeln. Ob wir es mit einem Regenwurm zu tun haben, der sich durch die Erde gräbt, oder mit einem Menschen, der vor der Volksversammlung eine Rede hält – hier wie dort ist letztlich dasselbe Erklärungsschema anwendbar. Den einfachsten Fall bildet die Ortsbewegung des Regenwurms: sein Tastsinn – dessen Besitz für Aristoteles die Minimalbedingung dafür bildet, dass wir überhaupt ein Lebewesen vor uns haben – sein Tastsinn also unterscheidet seine Umwelt in die basalen Gegensatzpaare feucht und trocken, warm und kalt. Wer ein Wahrnehmungsvermögen besitzt, hat laut Aristoteles ipso facto auch ein Begehrensvermögen, das die Unterscheidung lustvoll/unlustvoll auf die wahrgenommenen Eigenschaften abbildet. Der Regenwurm erstrebt im Allgemeinen das als lustvoll empfundene Warme und Feuchte und meidet das für ihn unlustvolle Kalte und Trockene. In einer konkreten Situation bringt er etwa sein allgemeines Begehren nach Warmem und Feuchtem (als etwas Lustvollem) mit der Wahrnehmung zusammen, dass es in dieser Richtung warm und feucht ist – und bewegt sich in diese Richtung. Schon hier haben wir es mit einem Zusammenbringen, einem Aufeinanderbeziehen, von Repräsentationen zu tun, also mit einer basalen Art von Schlussfolgern.24

|| 22 Ibid. 23 Mot. an. 7, 701a19–20. 24 Mit Hilfe dieser Theorie macht Aristoteles deutlich, was es bedeutet, dass ein Verhalten seinen Ursprung im sich verhaltenden Lebewesen hat. Aristoteles erklärt auf diese Weise einen wesentlichen Aspekt dessen, was er hier und anderswo hekousion – oft als „freiwillig“ oder

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Bei menschlichen Handlungen ist dasselbe Grundschema einschlägig. Es ist hier allerdings in mindestens vier Hinsichten raffinierter als beim Regenwurm: (a) Erstens verfügen Menschen über mehrere Arten des Repräsentierens: Neben dem Tastsinn haben sie auch noch die übrigen vier Sinne, außerdem besitzen sie (wie einige andere Tierarten auch) phantasia und verfügen über Erinnerung (mnêmê) und können Erfahrung (empeiria) ausbilden. Und, last but not least, können sie allein begrifflich denken (dianoia, nous). Das liefert mehr Quellen für die Repräsentationen, die den Gegenstand des Strebens vorstellen und so den Ausgangspunkt, die erste Prämisse, praktischer Schlüsse bilden. (b) Zweitens kommen beim Menschen zu der an Lust und Unlust orientierten Strebensform der epithymia weitere Arten des Strebens: der am Gegensatzpaar ehrend/kränkend orientierte thymos sowie die am Gegensatzpaar gut/schlecht orientierte boulêsis. Auch dieser Unterschied schlägt sich in der ersten Prämisse praktischer Schlüsse nieder.25 (c) Drittens verfügen Menschen über technê und damit über eine besondere Art von Verstehen, die sie gegenüber anderen Tieren auszeichnet. Dieser Umstand schlägt sich, wie wir gleich noch sehen werden, in der zweiten Prämisse praktischer Schlüsse nieder. (d) Schließlich sind Menschen viertens dazu in der Lage, praktisch nachzudenken (bouleuesthai). Sie können sich so, gewissermaßen durch eine „mentale Suche“ (zêtêsis), praktische Untersätze erschließen, die ihnen nicht unmittelbar gegenwärtig sind.26 Der Unterschied Tier-Mensch kommt also, wenn es um das Erklären von Verhalten geht, nur darin zum Tragen, dass solche Erklärungen beim Menschen von raffinierteren Formen des Repräsentierens und Strebens ausgehen können. Die Art ihres Zusammenwirkens ist aber für Aristoteles überall dieselbe. Es besteht überall im Zusammendenken dieser Elemente, also in dem, was wir „praktischer Syllogismus“ genannt haben.

|| „willentlich“ übersetzt – nennt, ein Merkmal, das ihm zufolge einerseits eine notwendige Voraussetzung der ethischen Zurechenbarkeit von Verhalten bildet, das andererseits aber, wie er betont, nicht nur erwachsenen Menschen, sondern auch Kindern und Tieren zukommt. Siehe Mot. an. 11, 703b3. Ausführlich in EN III 1–3, 1109b30–1111b3. 25 Vgl. etwa De an. III 9, 432b5–6; EE II 7, 1223a26–27; II 10, 1225b24–25; EN III 4, 1111b10–11; VII 7, 1149a23–25. 26 Zur Überlegung als Suche vgl. EN III 5, 1112b11–1113a2.

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Die beiden oben diskutierten Beispiele für praktische Syllogismen – ich meine den Menschen, der geht bzw. ruht – gehören nun auch insofern zu den einfacheren, als Gehen etwas ist, das so gut wie jeder einfach so tun kann. Die Fähigkeit zu gehen hat fast jeder in seinem Repertoire basaler Verhaltensweisen. Komplizierter wird die Sache, wenn das Verhalten, dass sich ihm durch die Konkretisierung seines Ziels nahelegt, darin besteht, etwas herzustellen. Diesen komplexeren Fall diskutiert Aristoteles anschließend anhand des folgenden Beispiels: „Ich brauche Bekleidung; eine geeignete Bekleidung aber ist ein Mantel; ich brauche einen Mantel.“ „Es soll das hergestellt werden, was ich brauche. Ich brauche aber einen Mantel.“ Er stellt einen Mantel her. Und die Konklusion „Es soll ein Mantel hergestellt werden“ ist eine Handlung. Doch handelt man von einem Ursprung (archê) aus: „Wenn es einen Mantel geben soll, so ist erst noch dieses notwendig, wenn aber dieses, dann dieses“; und das Letztgenannte tut man sofort. (Mot. an. 7, 701a17–22, Übers. Klaus Corcilius)

Beziehe ich mein allgemeines Ziel, Bekleidung zu haben, auf die konkrete Situation, in der ich mich befinde, so ergibt dies eine Konkretisierung meines Ziels: Ich brauche einen Mantel, und hier und jetzt gelange ich an einen Mantel, indem ich ihn herstelle.27 Der Herstellungsprozess scheint nun aber seinerseits von einer Einsicht angeleitet zu sein, nämlich einem Verständnis davon, wie man einen Mantel herstellt. Aristoteles deutet diese Einsicht als archê, d.h. als erklärendes Prinzip des Herstellungsprozesses. Wer versteht, wie man einen Mantel herstellt, der weiß, was geschehen muss, d.h. welche Schritte unternommen werden müssen, damit schlussendlich ein Mantel existiert. Er weiß, dass, damit ein Mantel existiert, bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen und er deshalb für das Vorliegen dieser Bedingungen sorgen muss, wenn er einen Mantel haben will. Aristoteles scheint vorauszusetzen, dass diese Bedingungsanalyse irgendwann bei einer Bedingung endet, die der Betreffende unmittelbar verwirklichen kann. Indem er dieses letzte Glied in der Bedingungskette verwirklicht, so denkt Aristoteles, beginnt der an Bekleidung Interessierte damit, einen Mantel für sich zu machen. Und dann realisiert er sukzessive in

|| 27 Man beachte allerdings, dass dieser Syllogismus sich insofern von den vorangegangenen unterscheidet, als er nicht explizit vom Hier und Jetzt spricht. Die Gedanken, dass Mäntel Bekleidung sind und man herstellen muss, was man braucht, sind beide allgemein, also situationsinvariant. Indirekt ist hier aber doch ein Situationsbezug im Spiel, da die Konkretisierung auf das Handeln hier und jetzt abzielt.

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umgekehrter Reihenfolge die in seiner Analyse identifizierten Bedingungen, bis sein Mantel fertig ist. Ich denke, wir sollten den Umstand sehr ernst nehmen, dass das Herstellen des Mantels für Aristoteles anscheinend eine andere Art von Denken oder Repräsentation ins Spiel bringt als die, die uns bei der Konkretisierung eines allgemeinen Ziels begegnet waren. Immerhin weist Aristoteles in EN VI 4 explizit auf den Unterschied zwischen Herstellen (poiêsis) und Handeln (praxis) hin: Was anders sein kann, ist teils Gegenstand des Herstellens, teils des Handelns. Herstellen und Handeln sind zweierlei [...]. Daher ist auch die mit Einsicht verbundene Disposition des Handelns (meta logou hexis praktikê) verschieden von der mit Einsicht verbundenen Disposition des Herstellens (meta logou hexis poiêtikê). Sie schließen sich daher auch nicht wechselseitig ein; weder ist das Handeln Herstellen, noch ist das Herstellen Handeln. (EN VI 4, 1140a1–6, Übers. Ursula Wolf, leicht modifiziert)

Handeln und Herstellen sind verschieden, und daher auch die „Dispositionen“ (hexeis), die sich in ihnen manifestieren. Charaktertugenden und praktische Klugheit sind verschieden von den verschiedenen Handwerkskünsten (technai).28 Und da sowohl Handeln als auch Herstellen auf Denken oder Verstehen (logoi) beruhen, sollten wir zweierlei erwarten. Erstens sollte es so sein, dass die logoi verschieden sind – man muss verschiedene Dinge verstehen, um ein guter Mensch und um ein guter Handwerker zu sein. Und zweitens ist anzunehmen, dass diese verschiedenen logoi jeweils irgendwie im praktischen Syllogismus auftauchen – denn wie anders sollte das entsprechende Verhalten auf Denken beruhen? Der Unterschied der logoi ist nun offenbar nicht nur einer des Gedankeninhalts, sondern auch einer der Form oder Struktur. Charaktertugenden und Klugheit enthalten insofern ein Wissen, als sie einerseits eine richtige Vorstellung von dem liefern, was gut und wichtig ist im menschlichen Leben – also

|| 28 Theodor Ebert hat vorgeschlagen, diese Stelle nicht (wie allgemein üblich) als Unterscheidung von zwei disjunkten Tätigkeitsklassen zu deuten, sondern im Sinne von zwei unterschiedlichen Arten der Beschreibung von Tätigkeiten – also als Unterscheidung nicht von Extensionen, sondern von Intensionen; vgl. Ebert (1976). Für meine Zwecke muss ich nicht entscheiden, welche von beiden Deutungen die Richtige ist, denn beiden Unterscheidungen lassen sich jeweils verschiedene Arten des praktischen Syllogismus zuordnen. Praktischspezifizierende bzw. produktive Syllogismen sorgen dann entweder für die Ausführung unterschiedlicher Tätigkeiten oder für den Umstand, dass ein und dieselbe Tätigkeit praxis- bzw. poiêsis-Beschreibungen zulässt.

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eine korrekte erste Prämisse für konkretisierende praktische Schlussfolgerungen – und uns andererseits in einer Situation genau diejenigen Aspekte erkennen lassen, auf die es ankommt – also „die richtigen“ zweiten Prämissen. Anders gesagt: wer Charaktertugenden und Klugheit besitzt, ist in der Lage, richtige menschliche Ziele korrekt zu spezifizieren. Demgegenüber geht es beim produktiven Wissen (epistêmê poiêtikê) des Handwerkers nicht um die Spezifizierung eines Ziels, sondern darum, wie, d.h. unter welchen Voraussetzungen, das Ziel zustande kommen kann. Handwerker wissen, wie man etwas herstellt, weil sie einerseits wissen, was das Herzustellende ist, und damit wissen, was der Fall sein muss, damit es besteht, und weil sie sich andererseits mit dem Material auskennen, das sie bearbeiten, d.h. weil sie die Materialeigenschaften kennen. Die Struktur dieses produktiven Verstehens wird besonders schön an einem Beispiel deutlich, das Aristoteles in seiner Metaphysik gibt: Es entsteht nun das Gesunde durch folgenden Gang des Denkens: ‚Da das und das Gesundheit ist, so muss, wenn dieses gesund werden soll, dieses Bestimmte stattfinden, z.B. Gleichmaß. Soll aber dies stattfinden, so muss Wärme vorhanden sein.‘ Und so schreitet man im Denken (noein) immer fort, bis man zuletzt zu dem hingeführt hat, was man selbst hervorbringen kann. Dann wird nun die von hier ausgehende und zum Gesundmachen fortschreitende Bewegung Hervorbringen genannt. (Met. VII 7, 1032b6–10, Übers. Hermann Bonitz, leicht modifiziert)29

Die Kunst des Arztes, die ihn dazu befähigt, Gesundheit (oder Krankheit) herzustellen, ist für Aristoteles ein Paradigma für technê. Der hier rekapitulierte Syllogismus geht von einem zu verwirklichenden Ziel, der Gesundheit des Patienten, aus, das aber nicht eigens genannt wird. Die „zweite Prämisse“ besteht selbst aus mehreren Komponenten. Zum einen besteht sie in einer Wesensaussage, denn sie sagt, was das Herzustellende, also Gesundheit, ist. Sie sagt etwa: „Gesundheit ist ein Gleichmaß, eine harmonische Mitte, der Gegensätze warm und kalt, feucht und trocken.“ Zum anderen formuliert sie eine Reihe von notwendigen Bedingungen für die Existenz dessen, worin das Herzustellende besteht. Sie sagt also etwa: „Ein solches Gleichmaß erfordert, dass so-und-soviel Wärme und so-und-soviel Feuchtigkeit vorhanden ist.“ Diese Bedingungen || 29 Ganz ähnlich heißt es in der Eudemischen Ethik: „Denn so wie für die theoretischen Wissenschaften die Grundannahme Ausgangsposition ist, so ist auch für die praktischen Künste das Endziel soviel wie Ausgangsposition und Grundannahme. ‚Nachdem dies in gesundem Zustand sein soll, muss notwendigerweise, wenn jenes zustande kommen soll, dies und das geschehen.‘“ (EE II 11, 1227b28–31, Übers. Franz Dirlmeier).

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werden in dieser Weise als hypothetisch notwendig ausgewiesen (nämlich unter Voraussetzung des Ziels in der ersten Prämisse). Die Konklusion besteht im Verwirklichen dieser Bedingungen und sie wird gezogen, sobald man beim Durchgehen der Bedingungskette zu einer Bedingung gelangt ist, die man unmittelbar herstellen kann. Indem man die zuletzt identifizierte Bedingung herstellt, schafft man die notwendigen (und, so scheint Aristoteles anzunehmen, zusammen hinreichenden) Voraussetzungen dafür, dass das durch sie Bedingte, also etwa die Gesundheit, vorliegt. Und so stellt man das Gewollte, in diesem Fall Gesundheit, her.30 Um Missverständnissen vorzubeugen, sei noch nachgetragen, dass sowohl in produktive als auch in praktisch-spezifizierende Syllogismen ein wahrnehmender Situationsbezug eingeht.31 Er spielt aber in beiden Arten des praktischen Syllogismus unterschiedliche Rollen. Bei praktisch-spezifizierenden Syllogismen dient er der Spezifizierung oder Konkretisierung eines Ziels. So wird dem phronimos beispielsweise die Hilfsbedürftigkeit einer Freundin auffallen und er wird sie als etwas erkennen, das an ihn die Anforderung stellt, der Freundin zu helfen. Außerdem wird er angesichts der besonderen Umstände bestimmen können, wie er der Freundin am besten und ohne sie zu beschämen oder zu bevormunden helfen kann. Demgegenüber sorgt die Wahrnehmung der Besonderheiten der vorliegenden Situation in produktiven Syllogismen dafür, dass allgemein bekannte Mittel im Lichte der Situation ausgewählt und adäquat auf deren Gegebenheiten bezogen werden. Beispielsweise wird eine Ärztin, nachdem sie die Krankheit ihres Patienten diagnostiziert hat, bei der Auswahl einer passenden Therapie die spezifischen Eigenschaften des Patienten im Blick behalten, also etwa sein Gewicht oder seine Nebenerkrankungen.32

|| 30 Aristoteles’ Konzeption von produktivem Verstehen untersuche ich ausführlicher in Kietzmann (MS). 31 Die Rolle von Wahrnehmung im praktischen Syllogismus betont auch Anton Ford in Ford (2013). 32 Frühere Versionen dieses Aufsatzes habe ich beim 12. GanPh-Workshop zur praktischen Philosophie im September 2017 in Bonn und beim VI. GanPh-Kongress im September 2019 in Frankfurt am Main vorgetragen. Ich danke den Teilnehmern für hilfreiche Fragen sowie Falk Hamann und Friedemann Buddensiek für Kommentare zu früheren Fassungen des Textes.

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Bibliographie Anscombe (1957): Gertrude Elizabeth Margaret Anscombe, Intention, Oxford. Aristoteles (EE, 1969): Eudemische Ethik, 2. Aufl, übersetzt von Franz Dirlmeier, Berlin. Aristoteles (EN, 2006): Nikomachische Ethik, übersetzt von Ursula Wolf, Reinbek. Aristoteles (MA, 2018): De motu animalium. Über die Bewegung der Lebewesen, historischkritische Edition von Oliver Primavesi, deutsche Übersetzung von Klaus Corcilius, Hamburg. Aristoteles (Met., 1994): Metaphysik, übersetzt von Hermann Bonitz, Reinbek. Corcilius (2008a): Klaus Corcilius, „Aristoteles’ praktische Syllogismen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“, in: Logical Analysis and History of Philosophy 11, 101–132. Corcilius (2008b): Klaus Corcilius, „Two Jobs for Aristotle’s Practical Syllogism?“, in: Logical Analysis and History of Philosophy 11, 163–184. Ebert (1976): Theodor Ebert, „Praxis und Poiesis: Zu einer handlungstheoretischen Unterscheidung des Aristoteles“, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 30, Nr. 1, 12–30. Fernandez (2014): Patricio A. Fernandez, „Reasoning and the Unity of Aristotle’s Account of Animal Motion“, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 47, 151–203. Ford (2013): Anton Ford, „Praktische Wahrnehmung“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 61, Nr. 3, 403–418. Hardie (1968): William Francis Ross Hardie, Aristotle’s Ethical Theory, Oxford. Kietzmann (MS): Christian Kietzmann, „Aristotle on productive understanding“. Kolnai (1962): Aurel Kolnai, „Deliberation Is of Ends“, in: Proceedings of the Aristotelian Society 62, Nr.1, 195–218. Mele (1981): Alfred R. Mele, „The Practical Syllogism and Deliberation in Aristotle’s Causal Theory of Action“, in: New Scholasticism 55, 281–316. Millgram (2001): Elijah Millgram, „Practical Reasoning: The Current State of Play“, in: ders. (Hg.), Varieties of Practical Reasoning, Cambridge Mass., 2001, 1–26. Moss (2014): Jessica Moss, „Right Reason in Plato and Aristotle: On the Meaning of Logos“, in: Phronesis 59, 181–230. Nussbaum (1978): Martha C. Nussbaum, Aristotle’s De Motu Animalium: Text with Translation, Commentary, and Interpretive Essays, Princeton N.J. Nussbaum (1986): Martha C. Nussbaum, The Fragility of Goodness, Cambridge. Santas (1969): Gerasimos Santas, „Aristotle on Practical Inference, the Explanation of Action, and Akrasia“, in: Phronesis 14, 162–191. Wiggins (1975): David Wiggins, „Deliberation and Practical Reason“, in: Proceedings of the Aristotelian Society 76, 29–51.

Christoph Halbig

Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven 0. „Vor Aristoteles war von praktischer Wahrheit überhaupt nicht, seitdem kaum die Rede. Und selbst Aristoteles hat den Begriff nur einmal eher beiläufig erwähnt (1139a25f.).“1 Diese lapidare Diagnose, die Fernando Inciarte noch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zu Recht stellen konnte, bedarf aus der Perspektive der gegenwärtigen Debatte erheblicher Modifikation: Unbeschadet des Umstandes, dass der Begriff der praktischen Wahrheit bei Aristoteles eben nur ein einziges Mal vorkommt,2 erscheint er nun sowohl als Schlüsselbegriff zum Verständnis von dessen Ethik insgesamt3 wie auch als eine zentrale Kategorie der praktischen Philosophie überhaupt. Ich möchte einleitend drei Hinsichten zu unterscheiden vorschlagen, in denen der Begriff der praktischen Wahrheit eine systematische Neuorientierung der praktischen Philosophie in Aussicht zu stellen scheint: (i)

Rationalitätstheoretisch: Praktische Wahrheit erlaubt eine präzise Individuierung dessen, was praktische Rationalität als solche ausmacht – eben durch den Bezug auf praktische Wahrheit als deren spezifisches Objekt.4

(ii) Handlungstheoretisch: Handlungen selbst – und nicht etwa bloß Propositionen – werden durch den Begriff der praktischen Wahrheit als genuin wahrheitsfähige Entitäten verständlich.5

|| 1 Inciarte (1985) 45. 2 Auch Thomas von Aquin verwendet den Begriff nur ein einziges Mal, und dann als Übersetzung von Aristoteles’ Begriff in seinem Kommentar zur EN, Sententia libri Ethicorum 6, lect. 2, n. 6 (Ed. Leon. tom. XLVII, p. 337, l. 92), vgl. zur Begrifflichkeit bei Pakaluk (2010) 145. Für den Versuch, den Begriff der praktischen Wahrheit als eine auch für Thomas von Aquins Philosophie grundlegende Kategorie fruchtbar zu machen, vgl. aber Brock (2008). 3 Vgl. etwa Broadie/Rowe (2002) 362: „This strange notion of practical truth is central for Aristotelian ethics.“ 4 Vgl. Olfert (2017) 129 mit Blick auf Aristoteles selbst: „practical truth is in fact integrally important to Aristotle’s innovative conception of practical reason.“ 5 Darin liegt die zentrale These von Elizabeth Anscombes Wiederbelebung des Begriffs der praktischen Wahrheit seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts: „these predicates [i.e. https://doi.org/10.1515/9783110735598-009

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(iii) Normativ: Der Begriff der praktischen Wahrheit erlaubt es, Handlungen im normativen Sinne als wahr oder falsch zu kennzeichnen und bildet damit ein Bollwerk gegen ethischen Nihilismus und Relativismus.6 Insbesondere geprägt durch die Arbeiten von Elizabeth Anscombe durchdringen sich die drei genannten Hinsichten sowohl in der systematischen praktischen Philosophie, sie wirken aber auch auf die Aristoteles-Exegese zurück: Lässt sich, so die Kernfrage, eine Konzeption praktischer Wahrheit formulieren, die geeignet ist, allen drei Hinsichten gleichermaßen Rechnung zu tragen, die sich aber zugleich weiterhin überzeugend als genuin aristotelisch verstehen lässt? Eine solche Konzeption konnte bisher nicht vorgelegt werden; stattdessen finden sich immer neue Anläufe zu einer Klärung von Inhalt und Leistungsfähigkeit des Begriffs praktischer Wahrheit, deren Verhältnis zueinander unklar bleibt und die häufig sogar die Frage aufwerfen, ob sie sich überhaupt auf denselben Gegenstand beziehen. Der Eindruck der Überforderung drängt sich hier auf: Suggeriert vielleicht der Begriff der praktischen Wahrheit eine Schlüsselfunktion in allen drei genannten Hinsichten zugleich, die zwar in hohem Maße wünschenswert wäre, sich aber eben nicht durch eine einzige Kategorie erfüllen lässt? Wäre es dann nicht besser, den suggestiven Begriff der praktischen Wahrheit wieder dem verdienten Vergessen anheimfallen zu lassen und stattdessen ein differenziertes begriffliches Instrumentarium für jedes einzelne der genannten Problemfelder zu erarbeiten? Ich möchte vor diesem Hintergrund in meinem Beitrag einen Schritt zurücktreten und der Frage nachgehen, woher eigentlich die spezifischen Schwierigkeiten rühren, mit denen sich der Begriff der praktischen Wahrheit konfrontiert sieht. Diese werde ich in einem ersten Schritt aus systematischer Perspektive zu charakterisieren versuchen (1), um dann in einem zweiten Schritt den Blick auf Ort und Inhalt des aristotelischen Begriffs der praktischen Wahrheit im sechsten Buch der Nikomachischen Ethik zu lenken (2). In einem dritten Schritt wird dann in Auseinandersetzung mit exemplarischen Positionen sowohl der Literatur zu Aristoteles wie auch der zeitgenössischen Handlungs- und Rationalitätstheorie

|| ‚true‘ and ‚false‘] apply to actions [praxeis] strictly and properly, and not merely by an extension and in a way that ought to be explained away.“ (Anscombe (1965) 158, Hinzufügungen in Klammern C.H.). 6 Vgl. etwa Inciarte (1987) 201: „If there is practical truth, there is a point in distinguishing between right and wrong actions, right and wrong ways of life. But if there is not a practical truth, then all kinds of action and all ways of life are in principle equally valid […].“

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der Versuch unternommen, die internen Spannungen und potentiellen Bruchstellen des Begriffs der praktischen Wahrheit näher zu erkunden (3), um dann in Form eines knappen Ausblicks einige wichtige Ergebnisse festzuhalten und wenigstens einen kurzen Blick auf die Perspektiven zu werfen, die der Begriff der praktischen Wahrheit sowohl für das Verständnis der aristotelischen Philosophie wie auch für die praktische Philosophie der Gegenwart eröffnen mag (4). 1. Als Orientierungsrahmen für die nähere Charakterisierung des Begriffs praktischer Wahrheit liegt es nahe, von drei Fragen auszugehen, die der Wahrheitsbegriff ipso facto aufwirft: (i) Wer ist der Träger von Wahrheit? (truth-bearer) (ii) Was sind die Bedingungen für Wahrheit? (truth-conditions) (iii) Was macht den Träger von Wahrheit wahr? (truth-maker) Die entscheidende Herausforderung besteht darin aufzuzeigen, in welcher Weise die Formulierung und Beantwortung dieser drei Fragen für spezifisch praktische Wahrheit zu einer Transformation auch des vorausgesetzten Verständnisses von Wahrheit führt oder lediglich einen weiteren Anwendungsbereich von Wahrheit neben anderen darstellt. Eben diese Frage hat auch Sarah Broadie im Blick, wenn sie es als zwingend notwendig anmahnt zu klären, ob praktische Wahrheit „a unitary concept or an amalgam of independently intelligible units“7 ist. Ein eindeutiges Beispiel für letztere Möglichkeit stellt etwa die von Thomas von Aquin sog. „speculativa consideratio […] de re operabili“ (Summa Theologiae I, q.14 a.16c) dar. Dass es dem Wohl von Hühnern dient, sich frei bewegen zu können, anstatt ihr Leben eingezwängt in Legebatterien zu fristen, stellt eine wahre Aussage in dem vertrauten Sinn propositionaler Wahrheit dar, die sich von anderen solchen Wahrheiten lediglich durch deren Gegenstandsbereich unterscheidet: Hier bilden den Gegenstandsbereich eben nicht mathematische Theoreme, Planetenbahnen oder Verkehrsampeln, sondern eben die Lebensform von Hühnern mit Blick auf deren praktische Dimension der artangemessenen Form der Selbstbewegung. Was Selbstbewegung ist und was propositionale Wahrheit ist, sind aber eben im Sinne Broadies „independently intelligible units“, deren Zusammenwirken zu informativen Aussagen führen mag, die einander aber äußerlich bleiben.

|| 7 Broadie (2016) 283.

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Der mit dem Begriff praktischer Wahrheit verfolgte Anspruch muss jedoch ein höherer sein: Praktische Wahrheit muss eine genuin eigenständige Form von Wahrheit darstellen, wie sie durch die Dimension der Praktizität erfordert wird; umgekehrt muss das Praktische, das unter dem Anspruch von Wahrheit steht, von anderen Formen des Praktischen konstitutiv unterschieden werden, für die das nicht gilt, z. B. entlang der aristotelischen Unterscheidung zwischen rationalen und a-rationalen Motiven (wie etwa boulêsis einerseits, epithymia andererseits). Hier freilich deutet sich ein fundamentales Dilemma an, das für die folgende Argumentation leitend bleiben wird: Entweder der Begriff der Wahrheit wird mit Blick auf die spezifischen Bedingungen von Praktizität so fundamental transformiert, dass er gleichsam unter der Hand schlicht äquivok wird. Wenn aber ‚Wahrheit‘ in ‚praktischer Wahrheit‘ etwas ganz anderes bedeutet als ‚Wahrheit‘ in ‚theoretischer Wahrheit‘, dann kann etwa weder an dem in der zweiten der oben formulierten Hinsichten formulierten Anspruch festgehalten werden, dass praktische Entitäten wie Handlungen wahrheitsfähig sans phrase sind, noch wird sich eine solche Wahrheit im Sinne der ersten und der dritten Hinsicht als normativer Maßstab für die Individuierung praktischer Rationalität oder für die richtiger und falscher Handlungsweisen eignen. Oder aber der Begriff der Wahrheit, wie er in der theoretischen Philosophie verstanden wird, wird lediglich auf das Praktische als einen Gegenstandsbereich unter anderen angewendet. Dann eignet er sich qua Voraussetzung nicht länger dazu, praktische Vernunft als solche und gerade in Abgrenzung zu theoretischer Vernunft zu individuieren (erste Hinsicht),8 es scheint auch von vornherein ausgeschlossen, praktische Entitäten als solche in einem mehr als nur metaphorischen Sinne als wahrheitsfähig auszuweisen (zweite Hinsicht). Kann es gelingen, einen Begriff praktischer Wahrheit zu formulieren, der die prekäre Balance zwischen den beiden Hörnern dieses Dilemmas zu halten erlaubt, der also einerseits eine genuine Transformation des Wahrheitsbegriffs im Lichte des Eigenrechts des Praktischen erlaubt, ohne andererseits den Wahrheitsbegriff aufzusprengen und äquivok werden zu lassen? Möglicherweise kann dies nicht nur gelingen, sondern ist bereits gelungen, und zwar eben an der Stelle der Nikomachischen Ethik, die den einzigen aristotelischen Beleg für den Begriff der praktischen Wahrheit darstellt (EN VI 2, 1139a26f.); sie und die daran anschließende Forschungsdiskussion gilt es nun, mit Blick auf das gerade formulierte Dilemma, in den Blick zu nehmen. || 8 Darauf hat etwa Olfert (2017), 102–104, zu Recht aufmerksam gemacht.

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2. Aristoteles erörtert das Problem der praktischen Wahrheit im sechsten Buch der Nikomachischen Ethik im Zusammenhang mit seiner Diskussion der Tugenden des Denkens (dianoia) in Abgrenzung zu den zuvor behandelten Tugenden des Charakters (êthos). Seine Individuierung der Tugenden des Denkens stützt sich dabei methodologisch auf die beiden Prämissen, (i) dass es sich bei Tugenden insgesamt um vollkommene Dispositionen (hexeis) handelt und (ii) dass die Vollkommenheit zu verstehen ist als die bestmögliche Erfüllung der spezifischen Funktion (oikeion ergon), die den jeweiligen Seelenteilen, die Träger der entsprechenden Disposition sind, obliegt (vgl. EN 1139a29). Innerhalb des Seelenteils, der Vernunft besitzt, ist nun weiter zwischen zwei Teilen zu unterscheiden, die jeweils Träger unterschiedlicher Spezies von Tugenden des Denkens sind. Die Unterscheidung resultiert aus den Objekten, auf die die entsprechenden Tugenden bezogen sind, nämlich einerseits das notwendige Seiende, andererseits das, „was [so oder] anders sein kann.“ (EN 1139a7–8) Die rationale Normierung praktischer Einstellungen ist Aristoteles zufolge Aufgabe des überlegenden Teils des Vernunft besitzenden Seelenteils, insofern sich Überlegen qua praktisches notwendig auf etwas richtet, was nicht notwendig der Fall ist (im Gegensatz zu z. B. mathematischen Wahrheiten, Ereignissen der Vergangenheit) und damit einen geeigneten Gegenstandsbereich für praktische Einstellungen darstellt. Praktische Wahrheit definiert Aristoteles nun ausgehend von einer Suchbewegung, die zunächst „drei Dinge in der Seele, die Handlung und Wahrheit kontrollieren“ (EN 1139a17f. ) in Betracht zieht, nämlich Wahrnehmung, Denken und Streben. Wahrnehmung wird von Aristoteles sogleich aus der Betrachtung ausgeschlossen, insofern sie nicht spezifisch sei für rationales Handeln, da sie gleichermaßen auch Tieren, die dazu nicht fähig seien, zukomme. Es verbleiben Denken und Streben: Was beim Denken Bejahung und Verneinung ist, ist beim Streben das Aufsuchen und Meiden. Also muss, da die charakterliche Tugend eine sich in Vorsätzen äußernde Disposition (hexis prohairetikê) und der Vorsatz ein überlegtes Streben (orexis bouleutikê) ist, eben deshalb die Überlegung wahr (alêthês) und das Streben richtig (orthos) sein, wenn der Vorsatz gut sein soll, und was der denkende Teil bejaht und der strebende Teil verfolgt, muss dasselbe sein. Dies ist das praktische Denken und die praktische Wahrheit. (EN VI 2, 1139a21–27; Übers. Wolf)

Praktische Wahrheit erweist sich damit als deutlich komplexer als Wahrheit im Bereich der Theorie: Ob ein Gebrauch der theoretischen Vernunft gut oder schlecht erfolgt, entscheidet sich für Aristoteles schlicht daran, ob er dazu geeignet ist, das zu erfassen, was tatsächlich (und notwendig) der Fall ist, und damit eben zu wahren oder falschen Urteilen darüber zu kommen (vgl. EN

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1139a27–31). Solchen theoretischen Urteilen fehlt aber jede praktische Dimension. Praktisch wird Denken erst durch den Bezug auf zu verwirklichende Ziele (vgl. EN 1139a35f. ), wie sie Gegenstand des Strebens, aber auch des Überlegens sind. Die Tugend des praktisch klugen Menschen, also die Phronesis, besteht gerade darin, zu gutem Überlegen befähigt zu sein, und zwar nicht über beliebige und disparate Ziele, sondern über das Ziel, das gemäss des aristotelischen Eudaimonismus keineswegs kontingent ist, sondern ein notwendiges Objekt des menschlichen Strebens bildet, nämlich das Glück bzw. das „gute Leben insgesamt [meine Übersetzung, C.H.]“ (EN VI 5, 1140a28, vgl. auch VI 10, 1142b27f. ) (Kant spricht mit Blick auf das Glück deshalb auch von assertorischpraktischen Imperativen, die sich aus ihm ableiten lassen).9 Das Glück wiederum besteht paradigmatisch nicht in der poietischen Herstellung von Gütern oder Zuständen, sondern im guten Handeln selbst, in der eupraxia (EN VI 5, 1140b7). Auf die übergreifende Strategie, die Aristoteles mit der Einführung des Begriffs der praktischen Wahrheit verfolgt, – geht es ihm darum, die Wahrheitsfähigkeit der Phronesis und dann auch der ethischen Tugenden zu retten, wenn diese neben den theoretischen Tugenden konstitutiv für Eudaimonia als tugendhafte rationale Aktivität sein sollen, wie Broadie meint,10 oder stellt die praktische Wahrheit lediglich ein vermittelndes Zwischenglied dar, das von der Wertschätzung der Praxis auf die Wertschätzung von theoretischer Weisheit als deren Maßstab hinführen soll, wie Richardson Lear nahelegt?11 – kann hier freilich nicht näher eingegangen werden. Mit Blick auf den Begriff der praktischen Wahrheit bleibt jedenfalls festzuhalten, dass Aristoteles sich ohne Zweifel dem Anspruch stellt, damit eine genuin eigenständige Dimension von Wahrheit zu identifizieren (also nicht bloß einen Anwendungsbereich theoretischer Wahrheit im Sinne von Thomas’ „speculativa consideratio […] de re operabili“) – andernfalls würde sie sich ja nicht als Ausgangspunkt der Individuierung der Phronesis als spezifisch handlungsleitende Tugend des Denkens eignen. Wahrheit selbst wird nun von Aristoteles korrespondenztheoretisch aufgefasst – ein logos ist in dem Maße wahr, als er mit dem übereinstimmt, wovon er handelt: „Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-seiende sei nicht, ist wahr.“ (Met. IV 7, 1011b26f., übers. von H. Bonitz; vgl. auch Cat. 5, 4b8–10; 12,

|| 9 Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Akademie-Ausgabe IV, 414–416. 10 Vgl. Broadie (1991) 220. 11 So Richardson Lear (2004) 94, 103.

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14b18–22; Met. IX 10, 1051b6–9).12 Auch an der oben zitierten Stelle macht Aristoteles eine Korrespondenzrelation geltend, freilich keine mit der Wirklichkeit, sondern eine Korrespondenzrelation zwischen den Gegenständen des Strebens einerseits, der Überlegung andererseits: „und was der denkende Teil bejaht und der strebende Teil verfolgt, muss dasselbe sein.“ Bedingung für Wahrheit ist hier der Grenzfall von Korrespondenz, nämlich Identität: Was behauptet und was erstrebt wird, muss dasselbe (ta auta) sein.13 Der Begriff der Wahrheit wird von Aristoteles jedoch ausdrücklich nur für das geltend gemacht, was das Überlegen behauptet, während er als normativen Maßstab für das Streben nicht von Wahrheit, sondern von Richtigkeit spricht.14 Weder ein wahres bejahendes Urteil noch ein Streben, das sich auf ein richtiges Objekt richtet, reichen jedenfalls für praktische Wahrheit aus; diese kommt nur dann zustande, wenn beide sich auf dasselbe Objekt richten. Eben darin sieht Aristoteles die Kernaufgabe des Vorsatzes als überlegtes Streben (orexis bouleutikê), dessen Leistung Aristoteles freilich im dritten Buch der Nikomachischen Ethik wiederum mit dem Begriff der Richtigkeit, und explizit nicht mit dem der Meinung vorbehaltenen Begriff der Wahrheit charakterisiert: Außerdem wird der Vorsatz eher deswegen gelobt, weil er das zum Inhalt hat, was er soll, oder weil er richtig ist, während die Meinung dafür gelobt wird, dass sie wahr ist. (EN III 4, 1112a5–7; Übers. Wolf)

Hält man trotz des verwirrenden Gebrauchs der Begriffe ‚Wahrheit‘ und ‚Richtigkeit‘ daran fest, praktische Wahrheit als die Leistung des richtigen Vorsatzes zu verstehen, bleibt zu konstatieren, dass sich die praktische Wahrheit gerade nicht durch das Fehlen einer Korrespondenzrelation, sondern durch deren

|| 12 Vgl. auch Christiana Olferts prägnante Charakterisierung des aristotelischen Wahrheitsbegriffs: „true cognitive states/assertions are those by which the thinker/speaker corresponds to or mirrors the world, in virtue of combining or separating items of sorts (a) or (b) [sc. Subjekt/Prädikat bzw. Materie/Form, C.H.].“ (Olfert (2017) 91). 13 Vgl. dazu Graeser (1983) 240–243. 14 An anderer Stelle definiert Aristoteles die Tugend der euboulia, also die Vollkommenheit des praktischen Überlegens, indes ausdrücklich durch Bezug auf das für das praktische Überlegen konstitutive Ziel der Richtigkeit (orthotês, vgl. EN VI 10, 1142b10), und eben nicht der Wahrheit, die das Ziel von Wissen und Meinung bilde. Aristoteles scheint insgesamt in verwirrender Weise ‚Richtigkeit‘ sowohl als Genus für die Bezeichnung des konstitutiven Ziels unterschiedlicher Praktiken (theoretischer wie praktischer) zu verstehen, so dass Wahrheit selbst als eine Spezies von Richtigkeit erscheinen kann, als auch als mit der Wahrheit kontrastierende Spezies ihrer selbst – in diesem Sinne kann Richtigkeit als Ziel praktischen Überlegens mit Wahrheit als Ziel von Meinungen auf gleicher Ebene kontrastiert werden.

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komplexe Multiplikation in Form von drei solcher, miteinander eng verknüpfter Relationen auszeichnet: (i) Der denkende Teil muss etwas bejahen, was den Tatsachen entspricht. (ii) Das Streben muss sich auf etwas richten, was es verdient, erstrebt zu werden. (iii) Die Inhalte von Bejahung und Streben müssen identisch sein. 3. Bevor gefragt werden kann, wie diese drei Bedingungen inhaltlich näher zu verstehen sind und wie sie sich auf die drei Ausgangsfragen nach Wahrheitsträger, Wahrheitsbedingungen, und Wahrmacher beziehen, gilt es indes zunächst zu zeigen, dass der aristotelische Begriff der praktischen Wahrheit ganz im Sinne der oben definierten Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen den beiden Hörnern des Dilemmas zu halten, sich weder für eine grundlegende Transformation des Wahrheitsbegriffs aus der Perspektive der Praxis in Anspruch nehmen, noch lediglich als Sonderfall einer theoretischen Bejahung lesen lässt. Für eine solche Transformation plädiert namentlich Elizabeth Anscombe mit ihrer provokanten These, die die Wiederentdeckung des aristotelischen Begriffs der praktischen Wahrheit durch die moderne Handlungstheorie eingeläutet hat: And if, as I should maintain, the idea of the description under which what is done is done is integral to the notion of action [praxis], then these predicates [i.e. ‚true‘ and ‚false‘] apply to actions [praxeis] strictly and properly, and not merely by an extension and in a way that ought to be explained away.15

Mit der These, dass Handlungen selbst wahr oder falsch sein können, will Anscombe mit einer Auffassung von Wissen und Wahrheit brechen, die sie bereits in Intention als „incorrigibly contemplative“16 zurückweist. Das Provokationspotential der These, dass Handlungen selbst Wahrheitsträger sein können, sollte indes nicht übersehen lassen (auch wenn Anscombe dem nach Kräften Vorschub geleistet hat), dass eine solche These erstens offensichtlich inkonsistent wäre (i) und dass sie zweitens bei genauerer Prüfung auch nicht Anscombes eigenem Ansatz gerecht wird (ii). Ad (i): Wenn Handlungen ebenso wie Urteile nämlich geeignete Wahrheitsträger wären, stellt sich unmittelbar die Frage, was sie denn wahr machen könnte. Auf diese Frage gibt es keine gute Antwort – die von Anscombe gewählte || 15 Anscombe (1965) 158; Hinzufügungen in Klammern C.H. 16 Anscombe (1963) § 32.

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Formulierung, praktische Wahrheit komme gleichzeitig Handlungen zu und werde durch sie hervorgebracht, erscheint als heillos paradox und wird von ihr selbst deshalb auch sogleich qualifiziert: Praktische Wahrheit „is brought about – i.e. made true – by action (since the description of what he does is made true by his doing it).“17 Die Handlung stellt also in der Tat den Wahrmacher dar, aber sie macht sich nur in dem Sinne selbst wahr, als die Handlung als solche konstituiert wird durch die Beschreibung, unter der sie intendiert wird. Wahrheitsträger ist mithin die Intention, die unter der Bedingung wahr ist, dass sie eben durch die ihr gemäße Handlung ausgeführt wird. Wer beabsichtigt, ein Buch zur Bibliothek zurückzubringen, und eben diese Absicht dadurch ausführt, dass er das Buch zur Bibliothek zurückbringt, verwirklicht praktische Wahrheit. Das ändert freilich nichts daran, dass Wahrheit pace Anscombe Handlungen nicht wie propositionalen Beschreibungen direkt zukommt, sondern nur insofern als Handlungen sich als Realisierung der verfolgten Absichten verstehen lassen, die die eigentlichen Wahrheitsträger bilden. Ad (ii): Ein solcher Begriff praktischer Wahrheit unterliegt zudem keiner anderen normativen Erfolgsbedingung als bloß der, dass die Intention eben zur Ausführung kommen muss. Dies kann auch dem aristotelischen Akolastos gelingen, wenn er gierig nach dem dritten Nachtisch greift. Demgegenüber hebt aber Anscombe selbst ausdrücklich hervor, dass Absichten selbst notwendig im Lichte einer Konzeption des Guten gebildet werden.18 Wer eine schreiend ungerechte Handlung oder auch nur eine zügellose Handlung wie der Akolastos vollzieht, erfüllt nach Anscombe den Begriff praktischer Falschheit.19 Falschheit muss hier aber offensichtlich etwas anderes meinen als der Umstand, dass die Realisierung der eigenen Absicht fehlgeschlagen ist – einem ungerechten Men-

|| 17 Anscombe (1965) 157. 18 Vgl. Anscombe (1965) 148: „any sort of decision which does not have in view what one thinks of as a good way of proceeding in one’s life, does not qualifiy to be a ‚choice‘.“ (Choice setzt „moral character of some sort“ (ebd.) voraus.) 19 Vgl. Anscombe (1965) 157. In Anscombe (2005b), 157, definiert Anscombe „practical falsehood“ wie folgt: „The agent chooses and he wants and believes the action that he chooses to be a case of doing well; and it is not.“ Anscombe erwägt zudem, von „praxistic truth“ zu sprechen, um deutlich zu machen, dass solche Wahrheit aus einer Praxis hervorgeht, die selber das Resultat praktischen Überlegens ist – und deshalb auch scheitern kann, wenn die Handlung keine Spezifikation von doing well darstellt. Entsprechend hebt sie in Anscombe (2005a), 144, ausdrücklich und unter Berufung auf Aristoteles hervor, dass es praktischem Überlegen nicht bloss um „getting things the way one wants them to be“ geht, sondern um „getting things a way it’s all right to want them to be.“

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schen mag es ja genau darum gegangen sein, jemand anderen zu betrügen, und das mag ihm eben auch gelungen sein. Festzuhalten bleibt hier jedenfalls zweierlei: Anscombe selbst benötigt neben dem Begriff der praktischen Wahrheit, der in der erfolgreichen Realisierung der handlungsleitenden Absicht durch den Handelnden besteht, noch eines weiteren Begriffs der praktischen Wahrheit, der darüber hinaus eine ausdrücklich sogar moralische Dimension umfasst, und der sich dazu eignet, die Bildung der Handlungsabsicht allererst normativ anzuleiten. Genau das Verwirklichen dieser Wahrheit bleibt dem Akolastos verwehrt.20 Aristoteles wiederum diskutiert den Begriff der praktischen Wahrheit nicht mit Blick auf die Ausführung der Handlungsabsicht, wie sie durch den Vorsatz gefasst wird, sondern mit Blick auf den Vorsatz selbst. Natürlich gehört es zu dessen natürlicher Teleologie, eben kein bloßer Vorsatz zu bleiben: Die Erfolgsbedingungen seiner Ausführung werden aber von Aristoteles selbst zumindest im Zusammenhang seiner Diskussion praktischer Wahrheit nicht weiter thematisiert. Die Dimension von Anscombes komplexem Begriff praktischer Wahrheit, die Handlungen qua Realisierung der für sie konstitutiven Absicht zukommen kann, vermag mithin den aristotelischen Begriff praktischer Wahrheit allenfalls zu ergänzen, sie eignet sich aber nicht als Deutungsvorschlag für das, was ihn im Kern ausmacht. Der Fokus eines angemessenen Verständnisses praktischer Wahrheit muss mithin aus aristotelischer Perspektive auf der Frage nach dem normativen Rahmen liegen, der das Fassen des rechten Vorsatzes ermöglicht – genau darin ist jedenfalls die Abgrenzung gegenüber einer Konzeption von Wahrheit als bloß theoretischer Bejahung in dem oben diskutierten Sinne zu suchen. Wenn Aristoteles nun im dritten Buch der Nikomachischen Ethik den Vorsatz definiert als ein „mit Überlegung verbundenes Streben (orexis bouleutikê) nach den Dingen […], die in unserer Macht (ta eph’ hêmin) stehen“ (EN III 5, 1113a10f. ), verweist er unzweideutig auf die Struktur dieses Rahmens: Der Vorsatz bildet eben das Resultat eines praktischen Schlusses. Die aristotelische Theorie praktischen Schließens kann hier nicht näher diskutiert werden; festzuhalten bleibt aber, dass ein solcher Schluss zumindest

|| 20 Olfert (2017), 100, weist zudem mit Recht darauf hin, dass wenn praktische Wahrheit erst durch die Handlung hervorgebracht wird, sie sich ipso facto nicht länger dazu eignet, Prozesse praktischen Überlegens und Entscheidungen rational zu kritisieren, die gar nicht (etwa durch Akrasie) in Handlungen resultieren. Auch dazu bedarf es eines anderen, normativ reichhaltigen Wahrheitsbegriffs.

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die folgenden drei Kriterien erfüllen muss, um zu einem rechten Streben zu führen: (i) Der Schluss muss formal gültig sein. (ii) Der Schluss muss ausgehen von einem Streben, das seinerseits (a) in einer stabilen, tugendhaften Verfassung des Charakters fest verankert ist und (b) auf die eupraxia als Objekt ausgerichtet ist. (iii) Die zwischen Obersatz und Vorsatz vermittelnden Untersätze müssen ihrerseits wahr sein. Bei der Formulierung der drei Bedingungen handelt es sich natürlich um eine idealtypische Rekonstruktion und nicht um eine Beschreibung tatsächlicher Prozesse praktischen Überlegens. Diese zeichnen sich gerade dadurch aus, dass immer neue situativ angemessen erscheinende Spezifizierungen von eupraxia erwogen, die dazu notwendigen Mittel auf ihre Verfügbarkeit ebenso wie auf ihre ethische Annehmbarkeit hin geprüft werden, um dann – häufig nach einer ganzen Reihe solcher Rückkoppelungen, Korrekturen und Anreicherungen – zu einem Handlungsvorsatz zu gelangen.21 Vor dem Hintergrund einer solchen komplexen Struktur kann es nun nicht verwundern, dass sich die Verwendung des Wahrheitsbegriffs gleich an mehreren Stellen nahelegt, die dann jeweils von einzelnen Interpreten und Interpretinnen als Schlüssel für das Verständnis der aristotelischen Theorie praktischer Wahrheit insgesamt in Anspruch genommen worden sind. Ich möchte hier nur exemplarisch auf einige dieser Ansätze hinweisen, um zum einen deren systematischen Zusammenhang untereinander sichtbar, zum anderen aber auf die Grenzen eines solchen hermeneutischen Zugangs aufmerksam zu machen, um dann abschließend einige inhaltliche und methodische Schlussfolgerungen für eine adäquate Theorie praktischer Wahrheit zu ziehen: In einem strikten und minimalen Sinne als wahr lassen sich erstens die Untersätze des praktischen Syllogismus qualifizieren. Die Behauptung, dass etwas ein geeignetes Mittel für einen gegebenen Zweck darstellt, erscheint selbst dann als unproblematisch wahrheitsfähig, wenn der Begriff des Mittels hier nicht auf rein instrumentelle Beziehungen verengt, sondern in einem umfassenderen Sinn verstanden wird, der etwa auch Beziehungen der Spezifikation etc. mitein-

|| 21 Für eine erhellende Rekonstruktion der aristotelischen Theorie praktischen Überlegens, die dieses nicht bloss als möglichst reibungsfreies ‚Herabrutschen‘ an gegebenen Prämissen, sondern als komplexe Suchbewegung versteht, vgl. Broadie (1991) 228–307.

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bezieht. Im Sinne des Ausgangsdilemmas muss freilich konstatiert werden, dass die Verwendung des Wahrheitsbegriffs an dieser Stelle zwar wahrheitstheoretisch unproblematisch ist, sich aber schlicht nicht für die Thematisierung des Problems praktischer Wahrheit eignet: Diese mag zwar eine solche theoretische Wahrheit in einer noch zu klärenden Weise voraussetzen, lässt sich aber keinesfalls auf diese reduzieren.22 Insofern sich die Untersätze des praktischen Syllogismus zwar als Wahrheitsträger, aber eben nicht als Träger praktischer Wahrheit qualifizieren, könnte es zweitens als probate Alternative erscheinen, den gesamten praktischen Syllogismus zum Wahrheitsträger zu erklären.23 Das Problem eines solchen Ansatzes liegt jedoch offensichtlich darin, dass der Begriff des Wahrheitsträgers hier überdehnt zu werden scheint. Die Aufgabe eines Syllogismus besteht ja im Kern darin, aus wahren Prämissen zu ihrerseits wahren Konklusionen zu gelangen; was ihm in dieser Deutung aber aufgebürdet wird, ist die Aufgabe, in diesem Prozess selbst eine genuin neue Art von Wahrheit zu generieren, die dann eben dem Prozess insgesamt attribuiert werden kann. Die Beweislast scheint so letztlich nur verteilt, nicht aber abgetragen zu werden: Wahrheit als genuin praktische wird so behauptet, aber nicht verständlich gemacht. Doch vielleicht bleibt selbst eine Orientierung am praktischen Syllogismus noch zu eng gefasst, um einen überzeugenden Kandidaten für den Träger praktischer Wahrheit zu bilden. Entsprechend schlägt Richardson Lear drittens vor, nicht weniger als die Person des tugendhaften Handelnden selbst als Wahrheitsträger zu verstehen: „the virtuous agent knows the truth by choosing and acting. In realizing the human good in his actions, he [sic! C.H.] corresponds to the object of knowledge in the appropriate way.“24 Ein solcher Ansatz jedoch scheitert m. E. aus zwei jeweils für sich hinreichenden Gründen: Zum einen wird hier endgültig die Schwelle zu einem ontologischen Wahrheitsbegriff überschritten, demzufolge jede Entität wahr sein kann, wenn sie – in der Formulierung Hegels – ihren Begriff adäquat realisiert. Ein solcher Wahrheitsbegriff mag legitim sein, er ersetzt aber den propositiona-

|| 22 So bezieht sich nach Vigo (2008), 76, die aristotelische Bedingung des „rightness of logos“ auf den Untersatz des praktischen Syllogismus „which contains a descriptive proposition that refers to the determination of the conditions or means under which the realization of the desired ends becomes possible.“ Es geht also hier um „adequate means“ zu gegebenen Zielen (ebd.); Vigo hält aber auch selbst ausdrücklich fest, dass es sich bei dieser Wahrheit eben um eine rein theoretische Wahrheit handelt (vgl. ebd. 77). 23 Diese Option ergreift etwa Sarah Broadie, wenn sie den wahrheitsfähigen logos bei Aristoteles mit dem „whole deliberative argument“ (vgl. Broadie (2016) 286) identifiziert. 24 Richardson Lear (2004) 106.

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len Wahrheitsbegriff keineswegs und reichert das Problem des Status praktischer Wahrheit nur um weitere Komplexitätsdimensionen an (wie verhält sich etwa die Korrespondenzrelation, die hier für ganze Personen geltend gemacht wird, zu der, in der von solchen Personen gefasste propositionale Gehalte zu ihren Objekten stehen?).25 Zum anderen wird auch hier die notwendige Klärung des Begriffs praktischer Wahrheit nur verschoben, wenn nämlich die für praktische Wahrheit konstitutive Korrespondenzrelation mit den Begriffen des ‚Wissens‘ und der ‚geeigneten‘ Beziehung charakterisiert wird. Worum es sich bei einem solchen genuin praktischen Wissen und den dafür zu unterstellenden normativen Kriterien handelt, stellt aber natürlich genau das zu lösende Problem dar. 4. Ein entscheidender Grund, der in die aufgezeigten Aporien einer immer weiter ausgedehnten Fassung des Wahrheitsträgers vom Untersatz des praktischen Syllogismus über den praktischen Syllogismus als Ganzes bis hin zu der deliberierenden Person selbst führt, scheint mir indes in der Wahl eines drittpersönlichen Zugangs zu einem wesentlich erstpersönlichen Problem zu liegen. Was macht Denken überhaupt praktisch in einem Sinn, der die Rede von praktischer Wahrheit verständlich werden lässt? Hier etwa im Sinne der ersten der drei zu Beginn des Textes unterschiedenen Fragedimensionen auf praktische Wahrheit als konstitutives Objekt zu rekurrieren, um so praktische Rationalität allererst individuieren zu können,26 stellt die tatsächlichen Abhängigkeitsbeziehungen auf den Kopf: Ausgangspunkt des praktischen Überlegens ist eben die Frage ‚was soll ich tun?‘, nicht die Suche nach einer besonderen Spezies von Wahrheit. Gleichermaßen verfehlt wäre es aber auch, eine falsche Alternative zwischen der Suche nach einer Beantwortung der praktischen Ausgangsfrage und der nach Wahrheit zu unterstellen. Nur bildet Wahrheit eben nicht intentione recta das Objekt, auf das der Überlegende seine Aufmerksamkeit richtet: Mit der Frage nach dem, was er tun soll, stellt sich ihm ein genuin normatives Problem (im Gegensatz etwa zu dem der bloßen Vorhersage von Verhaltenswahrscheinlichkeiten in eigener Sache). Ein solches normatives Problem bedarf zu seiner Lösung eines normativen Maßstabs, den Aristoteles selbst unzweideutig benennt: Das praktische Überlegen erfolgt im Horizont des Guten. Nun hat Aristo-

|| 25 Zur Rekonstruktion eines solchen ontologischen Wahrheitsbegriffs bei Hegel und seinem Verhältnis zu einer Theorie propositionaler Wahrheit, wie sie Hegel selbst unter dem Begriff der ‚Richtigkeit‘ diskutiert, vgl. Halbig (2002) Kap. 5. 26 In einem solchen Ansatz besteht der Kern von Olferts sog. priority desideratum, vgl. Olfert (2017) 86.

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teles bereits im ersten Abschnitt der Nikomachischen Ethik festgehalten, dass das Gute das ist, „wonach alles strebt“ (EN I 1, 1094a3); dies bedeutet aber nicht, dass das eigene Streben in einem humeanischen Sinne eine selbst nicht weiter befragbare Prämisse eines auf eine bloß instrumentelle Funktion reduzierten praktischen Vernunftgebrauchs bliebe. Umgekehrt hält Aristoteles in der Metaphysik fest: „Wir erstreben aber etwas vielmehr, weil wir es für gut halten, als dass wir es für gut hielten, weil wir es erstreben. Prinzip aber ist die Vernunfttätigkeit.“ (Met. XII 7, 1072a29f., übers. Bonitz) Die Herausforderung praktischen Überlegens besteht nicht in der Erfüllung gegebener Wünsche, sondern in der Beantwortung der Frage, wie sich das Gute, und zwar nicht das partikulare Gut einer bestimmten poietischen oder praktischen Aktivität, sondern das Gut der eupraxia insgesamt, situativ so angemessen spezifizieren lässt, dass daraus ein Handlungsvorsatz erwächst, der die Ausgangsfrage zu beantworten erlaubt.27 Genau an dieser Stelle verortet Aristoteles an der einzigen Stelle seines Gebrauchs ja auch selbst den Begriff praktischer Wahrheit: Er erhält seinen Fokus weder durch ihrerseits theoretische Aussagen über Status und Inhalt etwa des guten Lebens, wie es einer menschlichen Lebensform angemessen sein mag, noch durch die Handlung selbst bzw. deren gelungene Ausführung, sondern eben durch den Vorsatz als Schnittstelle zwischen beiden. Im Vorsatz als ein „überlegtes Streben“ (orexis bouleutikê) müssen, wie oben diskutiert, als Bedingung für das Vorliegen praktischer Wahrheit die Objekte von Streben und Überlegen dieselben sein. Diese Bedingung ist nun aber nicht so zu verstehen, dass zwei distinkte intentionale Objekte – die des Denkens und die des Strebens – nachträglich in eine Identitätsrelation zueinander gebracht werden müssten. Vielmehr spiegelt die von Aristoteles getroffene Unterscheidung zwischen Objekt des Denkens und Objekt des Strebens eine analytische, drittpersönliche Perspektive wider, die zwei Perspektiven auf das differenziert, was dem Subjekt, das erfolgreich einen Vorsatz gebildet hat, als ein einziges intentionales Objekt erscheint, nämlich dass die entsprechend spezifizierte Handlung das hier und jetzt als angemessene Spezifikation der eupraxia zu Tuende darstellt. Ein solcher Vorsatz kann umgekehrt praktische Wahrheit aus zwei distinkten Gründen verfehlen: Zum einen deshalb, weil die Überlegung insofern falsch

|| 27 Vgl. Olferts prägnante Charakterisierung des von ihr sog. „Guise of the Good account of rational motivation“: „when we are rationally moved to pursue or avoid something, this is because we are in the grip of a rational thought or appearance that it is good and practicable, and when we rationally believe or find something to be good and practicable, our rational capacity thereby drives us to pursue the thing in question.“ (Olfert (2017) 133f.)

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sein mag, als sich die Handlung tatsächlich eben nicht als gelungene Spezifikation der eupraxia erweist, zum anderen deshalb, weil das Streben sich dann faktisch und Vorsatz-widrig auf etwas anderes als die vorgesetzte Handlung richtet. Der aristotelischen Diskussion praktischer Irrationalität, wie sie durch diese zweite Weise des Verfehlens praktischer Wahrheit vorausgesetzt wird, kann hier nicht weiter nachgegangen werden. Die berühmte These, dass die Konklusion des praktischen Syllogismus in der Handlung selbst bestehe (und nicht etwa in dem Vorsatz zu ihr) (vgl. Mot. an. 7, 701a22f.), lässt jedenfalls keine Zweifel an der von Aristoteles unterstellten Teleologie des praktischen Überlegens auf das Handeln hin. Schließlich findet das Ausgangsproblem ‚was soll ich tun?‘ seine adäquate Lösung nicht in dem Vorsatz zu einer Handlung, sondern in der Handlung. Praktische Wahrheit ist mithin in dem Spannungsfeld zwischen normativer Orientierung am für den Handelnden Guten insgesamt und teleologischer Ausrichtung auf die Verwirklichung der eupraxia (EN VI 5, 1140b7) in der konkreten Handlungssituation zu verorten. Mit Blick auf das oben formulierte Dilemma soll die teleologische Orientierung auf das Handeln die praktische Wahrheit davor bewahren, zu einer bloßen Spezies theoretischer Wahrheit zu werden, während die Identifizierung des Vorsatzes als mentaler Entität mit propositionalem Gehalt (im Gegensatz etwa zur Handlung selbst) als Wahrheitsträger einerseits, die Orientierung am Guten als Maßstab für das Vorgesetzte andererseits,28 es erlauben soll, an der Univozität des Wahrheitsbegriffs festzuhalten. Blickt man von hieraus zurück auf die eingangs unterschiedenen drei Hinsichten, in denen der Begriff der praktischen Wahrheit eine systematische Neuorientierung der praktischen Philosophie in Aussicht zu stellen scheint, treten freilich die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit klar vor Augen, selbst wenn die hier skizzierte Deutung seines Gebrauchs bei Aristoteles es erlauben sollte, beiden Hörnern des Ausgangsdilemmas zu entgehen: Rationalitätstheoretisch bildet auch für Aristoteles die Orientierung am Guten, nicht an einer – wenn auch praktischen – Wahrheit, den Ausgangspunkt für die Individuierung praktischer Rationalität. Praktische Wahrheit (pace Olfert) vermag insofern die Last einer solchen Individuierung nicht zu überneh-

|| 28 Dabei bleibt freilich zu klären, wie genau das Gute als ein solcher Maßstab fungieren kann: Geht es darum, das Gute adäquat zu erkennen, oder muss es zusätzlich durch das erkennende Subjekt selbst instantiiert werden, wie etwa die folgenden Formulierungen von Olfert nahelegen: „rational action is a way of trying to assimilate ourselves to the unqualified goodness in the world.“ (Olfert (2017) 160) Eine solche Assimilation resultiere in einem „coming to have certain features of the rest of the world in our lives“ (ebd.).

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men und sie muss es auch nicht, weil diese Aufgabe durch das Gute als konstitutives Ziel praktischer Einstellungen bereits gelöst ist. Handlungstheoretisch hat es sich (pace Anscombe)29 als irreführend erwiesen, Handlungen selbst als genuin wahrheitsfähig zu verstehen. Das Wissen, das jemand, der eine Intention verwirklicht, von seinem Handeln hat, kann in der Tat durch die entsprechende Handlung wahr gemacht werden; dies schließt aber eben aus, dass die Handlung selbst zum Wahrheitsträger werden könnte. Normativ schließlich mag der Begriff der praktischen Wahrheit gerade angesichts von skeptischen, nonkognitivistischen und relativistischen Herausforderungen geeignet sein, den Gesichtspunkt des normativen Anspruchs präsent zu halten, dem das praktische Überlegen unterliegt. Wie auch der schwankende Begriffsgebrauch bei Aristoteles selbst belegt, ist freilich nicht ausgemacht, warum Begriffe wie ‚richtig‘ oder ‚gut‘ nicht ebenso geeignet sein sollen, zumindest mit Blick auf den Vorsatz und seine Erfolgskriterien diesen normativen Anspruch zum Ausdruck zu bringen. Ein naheliegendes Argument zugunsten des Wahrheitsbegriffs ergibt sich jedenfalls aus der damit eröffneten Möglichkeit, praktisches Überlegen insgesamt im Sinne einer wahrheitsfunktionalen Logik zu deuten.30 Dass sich die Renaissance des Begriffs der praktischen Wahrheit in der Philosophie der Gegenwart maßgeblich der überschießenden Rhetorik Elizabeth Anscombes verdankt, die mit ihrer These von der Wahrheitsfähigkeit von Handlungen eine Behauptung aufstellt, die sich weder systematisch einlösen lässt, noch auch den aristotelischen Gebrauch des Begriffs (dem Anscombe selbst in ihrer Gesamtkonzeption praktischer Wahrheit durchaus verpflichtet bleiben möchte) trifft, mag jedenfalls ein Anlass zur Vorsicht sein: Dass sein einziges Vorkommen bei Aristoteles an einer Stelle der Nikomachischen Ethik erfolgt, an der ganz unterschiedliche – handlungstheoretische, rationalitätstheoretische, normative – Problemstränge konvergieren, legt jedenfalls die Schlussfolgerung nahe, dass es sich bei praktischer Wahrheit viel eher um eine suggestive Formel zur bündigen Identifizierung eines für das antike wie das moderne Denken gleichermaßen herausfordernden Problemkomplexes denn um den Generalschlüssel zu ihrer Lösung handelt. || 29 Anscombe (1965) 158. 30 Auf die Schwierigkeiten, die daraus erwachsen, das nicht zu tun, macht etwa die Debatte um das sog. Frege-Geach-Problem aufmerksam, das die Frage aufwirft, wie das Vorkommen moralischer Äußerungen in eingebetteten Kontexten (etwa Konditionalsätzen) und die sich daraus ergebenden logischen Implikationen zu verstehen sind, wenn ein wahrheitsfunktionales Verständnis der entsprechenden Sätze aufgegeben wird. Vgl. Geach (1965) und Blackburn (2006).

Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 207

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Stephan Herzberg

Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis Zum Normproblem in der aristotelischen Ethik Wie erkennen wir nach Aristoteles die moralisch richtige Handlung? Was ist das Kriterium für die richtige Überlegung? Gibt es für Aristoteles so etwas wie handlungsleitende Prinzipien oder Regeln? Solche Fragen, die im deutschen Sprachraum bisher vor allem unter dem Titel „Normproblem“ diskutiert worden sind,1 quälen nicht nur die Erstleser von Aristoteles’ ethischen Schriften, sondern auch die Experten. Schon H. A. Prichard spricht von diesem „extremen Gefühl der Unzufriedenheit, das eine genaue Lektüre der Aristotelischen Ethik hervorruft.“2 Der Grund liegt nach Prichard darin, dass Aristoteles nicht das tut, was wir als (moderne) Moralphilosophen von ihm erwarten würden, nämlich einen Beweis dafür zu liefern, warum wir das, was wir bisher unreflektiert geglaubt haben tun zu sollen, tatsächlich tun sollen. Aristoteles spreche allerdings an manchen Stellen so, als ob er beabsichtigt, unser Verlangen nach Begründung zufriedenzustellen. Im vorliegenden Beitrag geht es mir darum, das Normproblem – also die bei Aristoteles fehlende Formulierung eines Kriteriums der richtigen Überlegung bzw. Handlung zum Zweck der Handlungsleitung und Handlungsbewertung – als ein der aristotelischen Ethik inhärentes Problem einer genaueren Analyse zu unterziehen und eine Richtung aufzuzeigen, in der eine Lösung zu suchen ist. Das ist ein „heißes Eisen“, denn wie bei anderen Problemen, die sich uns heute stellen (z.B. das Leib-Seele-Problem), könnte man der Auffassung sein, dass das Normproblem nicht Aristoteles’ Problem ist. Aristoteles ginge es vielmehr (nur) um die Analyse der verschiedenartigen affektiven und kognitiven Dispositionen, die in ihrer wechselseitigen Bezogenheit aufeinander den Handelnden dazu befähigen, das in einer konkreten Situation richtige Handlungsziel zu erkennen und dies mit der passenden Handlung umzusetzen. Diesem Zweck diene eine reichhaltige Tugendlehre, die sich der Handelnde durch die richtige

|| 1 Vgl. Jaeger (1955) 251–252; Dirlmeier (1999) 441; Bien (1972); Ricken (1976) 82; Rhonheimer (1994) 22–23, 163. 2 Vgl. Prichard (2002) 17.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-010

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Erziehung anzueignen hat. Oder man meint: Aristoteles interessiere sich in seiner Ethik qua Wissenschaft nur für die allgemeinsten Elemente, die Grundbegriffe des Praktischen, und ließe die Singularität des menschlichen Handelns aus guten Gründen (Inkonstanz, Variabilität) außen vor. Das konkrete richtige Handeln werde allein der praktischen Vernunft oder der moralischen Sensibilität des Einzelnen überlassen. Im Folgenden werde ich zunächst naheliegende Einwände gegen eine normative Lektüre entkräften: Die Frage, wie man handeln soll, genauer: unter welchen Bedingungen eine Handlung vernunftgemäß oder richtig ist, stellt meiner Auffassung nach keine Frage dar, die Aristoteles allein dem einzelnen Handelnden überlässt und bei deren Beantwortung das Reflexionswissen der Ethik vielleicht eine Hilfe sein kann. Vielmehr handelt es sich um eine Frage, die sich auch in einer Akteurs-fokussierten Ethik wie der des Aristoteles stellt, und zwar in ihrem Kern, und die hier eigentlich eine konsistente Antwort finden müsste (1.). In einem zweiten Schritt diskutiere ich, aus welchen Elementen der aristotelischen Ethik sich eine Antwort auf das Normproblem (rekonstruktiv) gewinnen lässt. Ich werde zeigen, dass sich weder der Glücksbegriff noch der Tugendbegriff im gesuchten Sinn normativ operationalisieren lassen (2.). In einem dritten Schritt werde ich zwei Lehrstücke der aristotelischen Ethik vorstellen, die aus meiner Sicht einen vielversprechenden Ansatzpunkt für eine Rekonstruktion der „normativen Rückseite“ der aristotelischen Ethik bilden. Diese Rekonstruktion weist in eine Richtung, die sich von modernen monistischen Moraltheorien deutlich unterscheidet (3.).

1 Diskussion naheliegender Einwände gegen eine normative Lektüre Es ist in der Tat nicht leicht, die Unzufriedenheit, von der Prichard spricht, zu beheben.3 Vom „Vater“ der praktischen Philosophie und insbesondere der Ethik als einer „Wissenschaft in sittlicher Absicht“4 hätte man gerne genauere Auskünfte über Fragen der Normenbegründung, zur Lösung moralischer Konflikte, zur konkreten Handlungsorientierung etc. Stattdessen präsentieren sich uns die Eudemische Ethik wie auch die Nikomachische Ethik erst einmal auf einem sehr || 3 Vgl. ebd. 4 Vgl. Höffe (1996); Höffe (1972).

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abstrakten Niveau: Im Kern scheint es hier um nichts anderes als um die Definition der Grundprinzipien menschlicher Praxis zu gehen (Glück, Tugenden, Freiwilligkeit etc.).5

1.1 Politischer Charakter In der Nikomachischen Ethik, auf die ich mich im Folgenden konzentrieren werde, ist dieses Definitions-Projekt in das größere Projekt einer „politischen Wissenschaft“ eingebettet, die von Aristoteles als „in höchstem Maß maßgeblich und architektonisch“6 charakterisiert wird, da sie das Wohl der Gemeinschaft zum Gegenstand hat. Sie hat im Hinblick auf die anderen (praktischen) Wissenschaften und Fähigkeiten innerhalb der Polis eine regulative Funktion, im Hinblick auf das Handeln ihrer Bürger eine normierende Funktion.7 Sie soll angehenden Gesetzgebern (und deren Beratern) ein fundiertes, d.h. Prinzipienbasiertes, Wissen des Praktischen mit auf den Weg geben, um sie so zu befähigen, (zusammen mit der notwendigen Erfahrung) gute Gesetze zu machen, d.h. solche, die das Glück der Gemeinschaft und die Tugend der Bürger fördern.8 Für dieses Gesetzgebungswissen ist nach Aristoteles ein allgemeines philosophisches Grundlagenwissen über die menschliche Natur und Praxis unverzichtbar.9 Ein solches Prinzipienwissen wird von der Ethik als (konstitutivem) Teil der

|| 5 Bei genauerem Blick zeigt sich, dass Aristoteles nicht einen Begriff nach dem anderen behandelt, sondern dass diese Begriffe in einer geordneten Sukzession stehen: Der Begriff des Glücks setzt den Begriff der Tugend voraus (vgl. EN I 13, 1102a5–7). Der Begriff der Tugend wiederum setzt den Begriff des Freiwilligen (vgl. EN III 1, 1109b30–34) und der Entscheidung (vgl. EN III 4, 1111b5–6) voraus. Und der Begriff der Entscheidung den des Strebens und der Überlegung bzw. der praktischen Vernunft (vgl. EN III 4, 1112a15–16). Die Nikomachische Ethik zeigt sich in ihren ersten sechs Büchern als eine definitorische Vertiefung ihrer Grundlage, d.h. als eine Reflexion auf die verschiedenen für den Glücksbegriff wesentlichen Teile. Von hier aus ergibt sich die ‚Sachordnung‘ der aristotelischen Ethik, die von ihrer ‚Darstellungsordnung‘ oder Exposition zu unterscheiden ist. 6 Vgl. EN I 1, 1094a26f; auch VI 8, 1141b24–25. 7 Vgl. EN I 1, 1094a26–b11, b15,1095a2; I 2, 1095a16; I 13, 1102a12. 8 Vgl. EN X 10, 1180a32–35, b30–31, 1181a11–12, a23 (οἱ δὲ νόμοι τῆς πολιτικῆς ἔργοις ἐοίκασιν; Pol. VII 2, 1325a7–10. Es ist umstritten, wo genau bei Aristoteles die Einlösung des Programms einer solchen architektonischen Wissenschaft des Praktischen zu suchen ist. Hierzu Scott (2015) 177–186. 9 Vgl. EN X 10, 1180b13–28.

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politischen Wissenschaft bereitgestellt.10 Es scheint also, so könnte ein naheliegender Einwand gegen eine normativ-ethische Lektüre lauten, eher um die Beantwortung der Frage „Welche Art von Gesetzen sollen wir erlassen?“ zu gehen als um die individualethische Frage „Was soll ich tun?“. Hierauf ist zu antworten: Man kann davon ausgehen, dass das Prinzipienwissen, das dem angehenden Politiker zugutekommen soll, auch für den einzelnen Bürger und seine phronêsis von Nutzen ist; die personale phronêsis hat ja auch mit dem Allgemeinen zu tun, ist also auch empfänglich für prinzipielle Überlegungen.11 Auch Gasthörer werden einen Nutzen von Aristoteles’ ethischer Prinzipienlehre für ihr Leben haben; die einzige Bedingung ist, dass sie ihr affektives Leben nach der Vernunft gestalten und über eine gewisse Erfahrung im menschlichen Leben verfügen.

1.2 Ein rein theoretisches Projekt? Aristoteles’ Definitions-Projekt in der Ethik könnte rein theoretisch verstanden werden, insofern es hier um nichts anderes ginge, als um eine Grundlagenreflexion auf den Bereich menschlicher Praxis.12 In diesem Sinn wurde in jüngerer Zeit der aristotelischen Ethik der normative Charakter ganz abgesprochen.13 Hier || 10 Vgl. etwa Nielsen (2015) 33–34; Karbowski (2019) 161–162; Frede (2020) I 251, II 988. 11 Vgl. EN VI 8, 1141b14–15. Zu beachten ist, dass Aristoteles in EN VI 8, 1141b23–33 davon spricht, dass die politische Wissenschaft und die Klugheit (phronêsis) dieselbe Disposition sind, ihr (definitorisches) Sein aber verschieden ist. Aristoteles unterscheidet zwischen der auf den Staat bezogenen Disposition, innerhalb derer die „architektonische“ für die Gesetzgebung zuständig ist, die untergeordnete dagegen für das Handeln und Beraten (üblicherweise als „Politik“ bezeichnet), und der auf den Einzelnen bezogenen, personalen Disposition (üblicherweise als „Klugheit“ bezeichnet). Einen Vorschlag, wie man diese nicht ganz klare Stelle verstehen könnte, macht Scott (2015), 109–111. 12 In Entsprechung zu den drei „theoretischen Philosophien“ in Met. VI 1, 1026a18–19. Vgl. Aristoteles’ Rede von der „Philosophie der menschlichen Dinge“ (EN X 10, 1181b14–15). 13 Vgl. Brüllmann (2011). Brüllmann skizziert eine dezidiert gütertheoretische Lesart des ersten Buchs der Nikomachischen Ethik. Eine Verknüpfung mit dem Begründungsprojekt der modernen Moralphilosophie ist aus seiner Sicht verfehlt: „Der Zusammenhang zwischen Glück und Tugend dient bei Aristoteles nicht dazu, Gründe zu benennen, die für moralisches Verhalten sprechen, und der Verweis auf den Tugendhaften dient nicht dazu, Kriterien des moralisch Richtigen zu formulieren“ (150). Aristoteles betone zwar das praktische Anliegen der Ethik, dennoch ließen sich weite Teile seiner Untersuchung einem deskriptiven Projekt zuordnen (183). Ähnlich im Ergebnis auch Karbowski (2019), 172: „In contemporary philosophy ethical principles are construed as prescriptive rules of conduct. Aristotle does not view them in this

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stellt sich allerdings die Frage, was aus der „praktischen Letztabsicht“ der Ethik wird, die Aristoteles mehrmals dezidiert formuliert und mit ihrem kognitivwissenschaftlichen Charakter verbindet: Die Ethik möchte auf ihre Art, nämlich als eine methodisch reflektierte und an Gründen orientierte Untersuchung über das Schöne und Gerechte, dazu beitragen, dass wir das Richtige tun, und zwar um des Richtigen selbst willen, und auf diese Weise selbst gut bzw. besser werden.14 Zutreffender (als den normativen Charakter zu verneinen) ist es daher zu sagen, dass auch eine Reflexion der Grundprinzipien menschlicher Praxis eine praktische Bedeutsamkeit für den Handelnden entfalten kann: Die EthikVorlesung biete denen, die in den menschlichen Handlungen erfahren sind und gemäß der Vernunft leben, d.h. dem erzogenen und nachdenklichen Menschen, eine vertiefte Reflexion über die Grundprinzipien menschlichen Handelns und trage auf diese Weise, nämlich indirekt, zur Verwirklichung des richtigen Handelns bei.15 Die konkrete Normierung des richtigen Handelns stehe aber in einer auffälligen Weise nicht im Mittelpunkt seiner Ethik.

1.3 Ethischer Partikularismus? Es gibt Stellen, die es erst einmal nahelegen, dass Aristoteles die Erkenntnis der richtigen Handlung allein der moralischen Sensibilität des Handelnden über-

|| way. He is not trying to develop a set of rules of conduct by appeal to which we can assess our own and other’s actions. Right and wrong, and especially good and bad, are on Aristotle’s mind. But the Nicomachean Ethics is – like most other Aristotelian philosophical treatises – by and large a work of definition.“ Ebd. 187: „The theory itself, however, does not directly generate any concrete practical advise. It is concerned exclusively with the goodness of ethical kinds.“ 14 Vgl. EN I 1, 1095a5–6; II 2, 1103b26–29; X 10, 1179a35–b4. 15 Vgl. Frede (2020) I 202: „Wenn Aristoteles’ Darlegungen über das Wesen des guten Lebens und seine Bedingungen auch der praktischen Anleitung dienen sollen, dann tun sie das nur auf indirektem Weg. Sie vermitteln weder einen konkreten Lebensplan noch ein konkretes Regelwerk, sondern vielmehr ein vertieftes Verständnis dafür, was das gute Leben ist und in welcher Art von Handlungsweisen es besteht. Es ist also das vertiefte Verständnis der Bedingungen der Möglichkeit des guten Lebens, das dazu führen soll, dass Menschen, die schon die richtige Motivation mitbringen, d.h. die richtigen Vorlieben und Abneigungen, auch das Richtige tun werden, wenn sie erst einmal die Prinzipien erfasst haben, auf denen das gute Leben beruht. […] Aristoteles betreibt also nur eine Art Grundlegung zu einer eudämonistischen Ethik.“ Vgl. auch Frede (2020) II 328, 409.

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lässt.16 Prinzipien und Regeln scheinen für die Identifikation der richtigen Handlungsweise erst einmal keine Rolle zu spielen, wie der ethische Partikularismus behauptet.17 Bei einem Denker wie Aristoteles, welcher der Annahme von Universalien und Regularitäten grundsätzlich positiv gegenübersteht, scheint es allerdings eher unwahrscheinlich zu sein, dass er den Raum zwischen den höchsten Prinzipien des Praktischen (Glück, Tugenden) und der Einzelsituation einer radikalen Singularität überlässt. Seine Aussagen zur abnehmenden Genauigkeit im Bereich des Praktischen, je weiter man sich der konkreten Situation nähert, schließen gerade nicht die Geltung allgemeiner präskriptiver Sätze (ho katholou logos) aus, sondern verdeutlichen nur, dass diese immer nur im Regelfall gelten und sich das konkrete Urteil über das, was hier und jetzt zu tun richtig ist, keiner simplen „Anwendung“ oder Subsumption verdankt.18 Auch wird der „politischen Wissenschaft“ eine eindeutig normierende Aufgabe zugesprochen.19

1.4 Charakter vor Handlung? Aber spricht nicht auch die Akteurs-Fokussierung der aristotelischen Ethik gegen eine handlungsnormierende Erwartung? Darauf ist zu antworten: Auch wenn die moralische Bewertung immer an den Handelnden und seine für die Handlung relevante Disposition zurückzubinden ist,20 muss die zugehörige Handlung erst einmal als solche richtig sein: „Es ist zwar umstritten, ob bei der Tugend die Absicht oder die Handlung wichtiger ist, da sie doch in beidem liegt. Dass ihre Vollkommenheit in beidem besteht, ist aber offenkundig“.21 Ein bestimmter tugendhafter Charakter manifestiert sich nicht nur in der objektiv richtigen Handlung, d.h. im Tun dessen, „was man soll“ (ha dei), er wird auch durch wiederholtes richtiges Handeln erworben und setzt die objektiv richtige

|| 16 Vgl. die Stellen EN II 2, 1103b34–1104a10 (τὰ πρὸς τὸν καιρὸν σκοπεῖν) und II 9, 1109b22–23 (καὶ ἐν τῇ αἰσθήσει ἡ κρίσις), die gerne für eine partikularistische Lektüre herangezogen werden. Vgl. etwa Wiggins (1980) 231: „There are no general principles or rules anyway.“ 17 Vgl. etwa McNaughton (1988) 62, 190. Zu einer etwas moderateren Form vgl. Dancy (1993) 67. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit einer partikularistischen Interpretation der aristotelischen Ethik vgl. Irwin (2000). 18 Vgl. EN II 2, 1103b34–1104a11. 19 Vgl. EN I 1, 1094b5–6; I 13, 1102a9–13; X 10, 1179b31–1180a14. 20 Vgl. EN II 3, 1105a27–33, b5–12; III 4, 1111b4–6; VI 13, 1144a13–22. 21 Vgl. EN X 8, 1178a34–b1 (Übers. Frede).

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Handlung für seine Individuierung als Fall einer bestimmten Tugend voraus.22 Die Frage, wie man handeln soll (pôs prakteon autas),23 d.h. wann ein Handeln vernunftgemäß oder richtig ist, ist also auch in einer Tugend-fokussierten Ethik – also in einer Ethik, in der die verschiedenen charakterlichen Haltungen, die den Handelnden jeweils zur richtigen Handlung disponieren, die primären Objekte der Normierung sind24 – keine triviale Frage.

1.5 Zirkel zwischen ethischer Tugend und praktischer Vernunft? Man könnte diese Frage allerdings unter Hinweis auf das wechselseitige Bedingungsverhältnis von ethischer Tugend und praktischer Vernunft25 für „geschlossen“ erklären. Dem theoretischen Zugriff erscheine dieses Wechselverhältnis als Zirkel und die Pointe der aristotelischen Ethik gegenüber der modernen Moralphilosophie bestünde gerade in der Nicht-Auflösbarkeit dieses Zirkels (der dann nicht „vitiös“, sondern „virtuous“ wäre).26 Diese Position setzt allerdings die problematische Annahme voraus, dass die Handlungsziele allein durch den Charakter festgelegt werden und die Klugheit ausschließlich für die Überlegung der passenden Mittel, d.h. für die Identifikation der richtigen Hand-

|| 22 Vgl. Halbig (2013) 14. 23 Vgl. die zentrale Passage EN II 2, 1103b26–34: „Da unsere gegenwärtige Untersuchung nicht wie unsere anderen auf Theorie ausgerichtet ist (denn nicht um zu wissen, was die Tugend ist, untersuchen wir sie, sondern um gut zu werden; sonst hätte sie ja keinen Nutzen), ist es notwendig, den Bereich der Handlungen näher zu untersuchen, d.h. wie man sie ausführen soll. Denn sie bestimmen auch die Qualität unserer Dispositionen, wie wir bereits gesagt haben. Dass man der richtigen Begründung entsprechend handeln soll, ist allgemein anerkannt und sei hier vorausgesetzt – später wird aber noch darüber zu sprechen und zu fragen sein, sowohl was die richtige Begründung ist wie auch in welchem Verhältnis sie sonst zu den Tugenden steht.“ (Übers. Frede). 24 Vgl. Wieland (1990) 131–134. 25 Vgl. etwa EN VI 13, 1144a7–9, a34–36, 1144b16–17, b20–21, 1145a4–6; X 8, 1178a16–19. 26 Vgl. Owens (1996a) 44: „To expect moral philosophy to function independently of the habituation is to mistake its nature as Aristotle sees it.“ Owens (1996b) 228: „Everywhere there is circularity, if the problem is approached on the theoretical level.“ Die aristotelische Ethik müsste demnach aus der Perspektive des Handelnden verstanden werden, der schon die richtige Erziehung innerhalb der richtigen Gesetze genossen hat; eine „absolute“ oder rein rationale Perspektive gebe es nicht.

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lung, zuständig ist.27 Demgegenüber wird aber an mehreren Stellen deutlich, dass die Vernunft bei der Erfassung der Handlungsziele zumindest mitbeteiligt sein muss.28 Auch die Erziehung zur Tugend als einer Disposition, die uns in der Vielfalt von Situationen zur jeweils richtigen Entscheidung befähigt, kann nicht ohne rationale Unterweisung ablaufen.29 Ethische Tugend und praktische Erkenntnis sind zwar untrennbar, aber dennoch unterscheidbar.30 Aristoteles’ Ethik, so meine These, ist also nicht nur eine für den Handelnden irgendwie bedeutsame „Metaphysik der menschlichen Praxis“, sondern ist von ihrem praktischen Anspruch her in einer direkteren Weise mit dem Feld menschlichen Handelns verbunden, als dies oft angenommen wird. Die Rekonstruktion dieser handlungsnormierenden Seite ist zuerst exegetisch motiviert: Ohne eine reflektierte Antwort auf die für die Tugendlehre zentrale Frage, wann oder unter welchen Bedingungen eine Handlung richtig oder vernunftgemäß ist, bliebe die aristotelische Ethik unvollständig. Sie wäre aber auch systematisch wenig attraktiv, insofern zwar die moralepistemologische Bedeutung der ethischen Tugenden für die Identifikation der situationsgerechten Handlung gegenüber anderen Ethik-Ansätzen hervorgehoben werden könnte,31 für die Erklärung dieser besonderen Fähigkeit aber nur das Rekurrieren auf Erziehung und Erfahrung bliebe. Für die zentrale Frage nach der richtigen Handlung wür|| 27 Zur Problematik der technê-Analogie, die eine Trennung zwischen Zielsetzung und Mittelfindung auch im moralischen Bereich nahelegt, vgl. Frede (2008) 110–111. 28 Dafür spricht schon die weitausgreifende Kompetenz der phronêsis, die letztlich das gute Leben im Ganzen im Blick hat (EN VI 5, 1140a25–28; VI 8, 1141b23–33) und damit auch für konkrete Handlungsziele zuständig ist, deren „Passen“ (qua Teilziel) zum Letztziel sie zu erkennen hat. Dafür spricht auch, dass das Ziel innerhalb einer praktischen Überlegung der Gegenstand eines Wunsches ist (EN III 4, 1111b26–27). Dem Wünschen als einer vernünftigen Strebung (De an. III 9, 432b6) liegt aber immer ein Urteil zugrunde; keiner wünscht etwas, was er nicht für gut hält (Rhet. I 10, 1369a2–4; EN III 6). Vgl. auch EN VI 10, 1142b32–33; EN VII 9, 1151a18–19: „Vielmehr ist es die Tugend, ob die natürliche oder die durch Gewöhnung erworbene, die richtiges Meinen (orthodoxein) das Prinzip betreffend lehrt“ (Übers. Frede). 29 Vgl. Frede (2008) 115–116. 30 Vgl. Ricken (2013) 253: „Die These des Aristoteles, dass die Phronesis die ethische Tugend voraussetzt, besagt nicht, dass es ohne Tugend keinerlei sittliche Erkenntnis gibt.“ Selbst für den, der nach seinen Affekten lebt, ist ein Erkennen möglich, wenn auch nutzlos (EN I 1, 1095a9). 31 Zu Recht werden die ethischen Tugenden bei Aristoteles nicht als Erfüllungsgehilfen für die Umsetzung der praktischen Einsicht verstanden, sondern ihnen wird selbst eine kognitive Dimension, eine Art „Spürsinn“ für das richtige, d.h. situationsangemessene, konkrete Handlungsziel, zugeschrieben. Es gehört zu ihrem Wesen, den Handelnden dazu zu disponieren, in jeder konkreten Situation die richtige Entscheidung zu treffen.

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de der Tugendbegriff dann fast zu einer Art Zauberwort. Bevor man also vorschnell die aristotelische Ethik in ihrem normativen Anspruch depotenziert, sollte man eher versuchen, die von Aristoteles an einigen Stellen angedeutete „normative Rückseite“ seiner Ethik genauer zu rekonstruieren. Aristoteles spricht in seiner Ethik durchaus von praktischen Prinzipien, Normen und Regeln.32 Die Aufgabe des Interpreten besteht darin, deren jeweiligen systematischen Ort genauer zu klären.

2 Glücksethik oder Tugendethik? 2.1 Eudaimonistische Prinzipienethik? Nach Aristoteles ist das Glück (eudaimonia) das Prinzip menschlichen Handelns: Ihm zuliebe tut jeder alles, was er aufgrund einer Entscheidung tut; es ist die Ursache des Gutseins aller menschlichen Güter.33 Aristoteles spricht diesem Prinzip zudem eine handlungsorientierende Bedeutung zu: „Wird die Kenntnis dieses Guts nun nicht einen großen Einfluss auf unsere Lebensführung haben, so dass wir wie Bogenschützen, die einen Zielpunkt haben, das Richtige (tou deontos) eher treffen können?“34 Man könnte in solchen Passagen den Ansatz für eine eudaimonistische Prinzipienethik sehen: Eine Handlung wäre genau dann moralisch richtig, wenn sie mehr als andere Handlungen, die in dieser

|| 32 Aristoteles bezeichnet nicht nur das Glück als eine archê, im Sinne des höchsten Prinzips allen menschlichen Tätigseins (EN I 12, 1102a1–3), sondern spricht auch von praktischen archai: Damit sind die konkreten, situationsbezogenen Ziele des Handelnden gemeint, die Ausgangspunkte der praktischen Überlegung sind und die sich auch als evaluative Obersätze in einem praktischen Syllogismus darstellen lassen (vgl. VI 5, 1140b16–20; VI 13, 1144a31–36; VII 9, 1151a15–17; EE II 10, 1227a8–9; EE II 11, 1227b23–26). Weiterhin gibt es Sätze, die wie Prinzipien gebraucht werden, wie etwa der formale Grundsatz, der richtigen Überlegung entsprechend zu handeln (EN II 2, 1103b31–32). Auch die im Umriss skizzierten Tugendbegriffe können als Prinzipien angesehen werden. Handlungsnormen und (prima facie-)Regeln werden in EN II 6, 1107a8–15, EN V 3, 1129b19–25 und EN IX 2 genannt. Ein nützlicher Überblick über das Thema der Prinzipien in Aristoteles’ Ethik findet sich in Nielsen (2015) 35–38. Vgl. auch die verschiedenen Anmerkungen zur Generalismus-Partikularismus-Debatte bei Frede (2020) etwa I 250, II 410–411, 871–872. 33 Vgl. EN I 12, 1102a2–4. Hierzu Richardson Lear (2004) 15. 34 EN I 1, 1094a22–24 (Übers. Frede mit Änderungen).

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Situation möglich sind, zur Verwirklichung dessen beiträgt, was objektiv unter dem menschlichen Glück35 zu verstehen ist.36 Gegen eine solche eudaimonistische normative Lektüre spricht aber, dass auch der mit einer Güter- und Tugendlehre gefüllte Glücksbegriff zu vage bleibt, um im konkreten Fall handlungsleitend zu sein: Das Glück ist für Aristoteles weder eine außermoralische Größe (wie im hedonistischen Utilitarismus) noch irgendein anderes vom Handelnden abtrennbares ‚größtmögliches Gut‘ (wie im idealen Utilitarismus),37 vielmehr verwirklicht es sich im tugendhaften Tätigsein des einzelnen Menschen. Es geht also nicht wie in einer universal-teleologischen Ethik um einen künftigen besseren oder besten Weltzustand, sondern um die bestmögliche Entfaltung der eigenen Fähigkeiten.38 Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass ein solches Tätigsein nicht exklusiv in der theôria besteht; eine Handlung wäre sonst genau dann richtig, wenn sie im Vergleich zu den alternativen Handlungsmöglichkeiten den größeren Beitrag zur Realisierung der eigenen kontemplativen Tätigkeit leistet, egal welche sonstigen Folgen eine solche Handlungsweise für andere Menschen hätte.39 Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Glück in einem geordneten Ensemble exzellenter Tätigkeiten || 35 Vgl. die umrisshafte Definition des menschlichen Glücks in EN I 6, 1098a16–17, die anschließend von Aristoteles mit den endoxa abgeglichen und mit einer Tugend- und Freundschaftslehre gefüllt wird. 36 Vgl. auch Ross (1995) 196. 37 Vgl. Ross (2002) 17. 38 Dieser Befund hat Aristoteles immer wieder den Vorwurf des Egoismus eingebracht. Ross etwa charakterisiert Aristoteles’ Ethik in ihrer formalen Struktur als teleologisch, und zwar in dem Sinne, dass moralische Richtigkeit für Aristoteles letztlich auf das dem Handelnden Zuträgliche, auf seinem Selbstinteresse gründe. Vgl. Ross (1995) 235: „For the most part Aristotle’s moral system is decidedly self-centred. It is at his own eudaimonia, we are told, that man aims and should aim. In the account of justice there is an implicit recognition of the rights of others. But in the whole of the Ethics outside the books on friendship very little is said to suggest that men can and should take warm personal interest in other people; altruism is almost completely absent.“ Die Ehrenrettung des Aristoteles besteht aber für Ross darin, dass er an manchen Stellen, wo es um das kalon geht (z.B. III 1, 1116b31), sein formales System zu vergessen scheint und sich von einer deontologischen Intuition leiten lässt (Ross (1995) 211–212, 239). Frede (2020) I, 207, unterscheidet mit Recht zwischen „einer gewissen ‚Ego-Zentriertheit‘“ der aristotelischen Ethik und einem Egoismus. 39 Gegen einen solchen „intellektualistischen Egoismus“ sprechen die Stellen, die vom intrinsischen Wert tugendhaften Handelns handeln (z.B. EN I 5, 1097b2–4; X 6, 1176b6–9) und den Eigenwert des praktischen Bereichs betonen (X 8, 1178b5–7). Zudem darf nicht vergessen werden, dass die betrachtende Tätigkeit als höchste Form menschlicher Tätigkeit selbst Gegenstand einer Entscheidung ist und moralischen Maßstäben unterliegt (vgl. VI 13, 1145a6–11).

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besteht, zu denen im Kern die Betätigung der ethischen Tugenden gehört. Die ethischen Tugenden verwirklichen sich im vernunftgemäßen Handeln. Auch wenn Aristoteles die praktische Überlegung in Analogie zur Überlegung im Bereich der technê erläutert und der phronêsis die vermittelnde Aufgabe zukommen lässt, das, was es heißt, glücklich zu sein, praktisch zu überlegen und zu konkretisieren,40 so ist doch offensichtlich, dass sich das, was hier und jetzt zu tun richtig ist, nicht einfach aus dem Glücksbegriff ableiten lässt. Die einzelnen Zwischenziele müssen vom Handelnden vielmehr auch in Entsprechung zu den jeweiligen Umständen, also situationsgerecht,41 bestimmt werden.42 Der Glücksbegriff als solcher ist nicht im gesuchten Sinn normativ operationalisierbar.

2.2 Ausweg Tugendethik? Das Problem verschärft sich, wenn wir uns die Definition der Charaktertugend genauer anschauen. Hier bringt Aristoteles den Begriff des orthos logos (recta ratio) ins Spiel, den Interpreten immer wieder als Lösung für das Normproblem ansehen. Aristoteles definiert die Charaktertugend folgendermaßen: „Die Tugend ist also eine Disposition zu Entscheidungen, die in einer Mitte in Bezug auf uns liegt und die durch eine Überlegung (logoi) bestimmt wird, so wie (hôs) sie auch der Kluge bestimmen würde.“43 Nicht erst philosophische Überlegungen,

|| 40 Vgl. EN VI 5, 1140a25–28; VI 8, 1141b14–16. 41 Die verschiedenen moralisch relevanten Merkmale einer Situation werden mit Hilfe der verschiedenen sog. ‚deontischen Operatoren‘ oder ‚Parameter des Sollens‘ erfasst, die Aristoteles unter den Titel der Mitte, und zwar der „Mitte in Bezug auf uns“, bringt (s. u.). Die Richtigkeit der praktischen Überlegung ist von den objektiven Merkmalen der Situation abhängig. Vgl. Brown (1997) 80, 86. 42 Vgl. Wolf (2004) 40: „Denn der Hinweis, dass das gute menschliche Leben im Ausüben der ethischen aretê liegt, enthält keine konkreten Aussagen darüber, was in jeweiligen Situationen zu tun ist. Er ist allgemein und vage. […] Was die phronêsis herausfinden muss, ist vielmehr, in welcher konkreten Handlung in der vorgegebenen Situation die Betätigung der relevanten aretê sich artikuliert, beispielsweise in welcher Handlung hier und jetzt sich unsere vage Leitvorstellung von Gerechtigkeit konkretisiert.“ Vgl. auch Frede (2008) 113: „Eine ‚kalkulierende Beratung‘ überlegt also nicht bloß, ob das gewünschte Handlungsziel mit diesen Mitteln zu erreichen ist, sondern auch ob es mit den gebotenen Mitteln erreicht wird.“ Die Effektivität allein ist nicht hinreichend für die Richtigkeit der praktischen Überlegung. 43 EN II 6, 1106b36–1107a2 (Übers. Frede). Diese Übersetzung folgt exakt den Handschriften.

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sondern schon unterschiedliche Lesarten des griechischen Textes44 zeigen folgendes Problem an: (a) Ist für Aristoteles der Kluge selbst (d.h. seine Überlegung, sein Urteil, seine Entscheidung) das Kriterium oder der letzte Maßstab der richtigen Überlegung bzw. des vernunftgemäßen Handelns? (b) Oder liegt dem Klugen selbst noch einmal ein objektiver Maßstab, ein Prinzip etc. (logos)45 der Überlegung voraus, d.h. ein ethisches Prinzip, an das sich auch der Kluge bei der Festlegung der richtigen Handlungsweise zu halten hat? In (a) hätten wir mit dem Tugendhaften zwar einen (im Unterschied zu einer Gesetzesethik) kontextsensitiven Maßstab vor uns: Eine Handlung wäre genau dann richtig, wenn sich unter vergleichbaren Bedingungen ein Tugendhafter für sie entscheiden würde.46 Eine solche normative Lektüre, die im Sinne einer Akteurs-basierten Tugendethik den Tugendhaften zum Kriterium erhebt, wäre aber mit schwerwiegenden Problemen konfrontiert: So stellt sich die Frage, wie man den Tugendhaften identifizieren kann, ohne schon von einer Vorstellung vom richtigen Handeln Gebrauch zu machen.47 Nehmen wir einmal an, eine nicht-zirkuläre Identifikation sei möglich, dann ist immer noch nicht klar, was der Tugendhafte in der konkreten Situation, in der ich stehe, tun würde.48 || 44 Aspasius (In Eth. Nic., CAG XIX 1, 48.12–21 Heylbut) liest dagegen hôrismenêi … hôi (dat.). Demgemäß wäre zu übersetzen: „Die Tugend ist also eine Disposition zu Entscheidungen, die in einer Mitte in Bezug auf uns liegt, die bestimmt wird durch den Logos, das heißt durch jenen, mit Hilfe dessen der Kluge die Mitte bestimmen würde.“ Dieser Lesart folgt Bywater in seiner kritischen Ausgabe von 1890. In dieser Lesart erscheint der Logos als ein unabhängiges rationales Prinzip. 45 Zur Vieldeutigkeit dieses Ausdrucks (Überlegung, Begründung, Rechtfertigung, Regel, Prinzip, Plan etc.), was sich auch in den Übersetzungen widerspiegelt, vgl. Frede (2020) II 410, 659. 46 So scheinen auch ältere Interpreten die Definition zu verstehen. Nach Jaeger (1955) kennt die spätere Nikomachische Ethik keine allgemeingültigen Normen mehr, „außer dem individuellen, lebendigen Maßstab, der in der autonomen sittlichen Persönlichkeit liegt“ (89), die, so Jaeger, „sich selbst zum Gesetz wird“ (252). Die Definition von EN II 6, 1107a1 ist für Jaeger „der prägnanteste Ausdruck, den man für den Wandel in der Stellung des Aristoteles zum Normproblem finden kann. Es gibt eben keine allgemeinen Normen mehr für ihn“ (252 Anm. 1). Dagegen handelt es sich nach Jaeger bei der Eudemischen Ethik um eine ‚theonome Urethik‘: „Der Schluß der Eudemischen Ethik ist die klassische Urkunde der theonomen Sittlichkeit im Sinne des späteren Platon. Gott ist das Maß aller Dinge“ (253–254). 47 Vgl. Brüllmann (2011) 168–169. Einige ältere Kommentatoren vermeiden die Gefahr der Zirkularität durch eine traditionsrelative oder „kommunitaristische“ Antwort auf die Frage, woran man den „Normträger“ erkennen kann. Vgl. etwa Dirlmeier (1999) 284: „[L]etzte Norm sind für Ar[istoteles] in der NE die edelsten Traditionen seines Volkes.“ 48 Vgl. Louden (1998) 191–203.

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Schließlich wären seine Entscheidungen nicht gegenüber anderen, d.h. intersubjektiv, rechtfertigbar, da der Rekurs auf Prinzipien und Regeln ausgeschlossen wäre. In (b), wo dem Klugen oder Tugendhaften selbst noch ein unabhängiges Prinzip vorausliegen würde, das die richtige Handlung determiniert, verschiebt sich das Problem auf die Frage nach dem Inhalt und der Rechtfertigung eines solchen Prinzips. Wie könnte es inhaltlich genauer bestimmt werden? Aristoteles scheint nun genau diese Frage im ersten Kapitel des sechsten Buchs der Nikomachischen Ethik aufzuwerfen und eine Lösung in Aussicht zu stellen: Da wir früher gesagt haben, dass man das Mittlere wählen soll, nicht das Übermaß oder den Mangel, das Mittlere aber so ist, wie es die richtige Begründung (orthos logos) bestimmt, wollen wir dies nun genauer untersuchen. Bei allen genannten Dispositionen, so wie auch sonst, gibt es einen bestimmten Zielpunkt (skopos), auf den derjenige blickt, der über diese Begründung verfügt, und seinen Bogen anspannt oder lockert. Auch gibt es eine Begrenzung der Mitten (horos tôn mesotêtôn), von denen wir sagen, sie lägen der richtigen Begründung entsprechend (kata ton orthon logon) zwischen Übermaß und Mangel. Diese Redeweise ist nun zwar wahr, aber keineswegs klar. […] Man muss vielmehr darüber hinaus festlegen, was die richtige Begründung ist und wie sie zu bestimmen ist (kai toutou tis horos).49

Aristoteles rekapituliert hier seine Definition der Charaktertugend und möchte sie weiter vertiefen. Die Frage ist, von welcher Art diese weitere Analyse ist. Neben dem Begriff des Zielpunkts (skopos)50 ist hier auch von einer „Grenze“ oder einem „Standard“ (horos) die Rede. Aristoteles bezieht diesen Begriff auf die verschiedenen situationsrelativen „Mitten“ innerhalb eines bestimmten Tugendgehalts und stellt eine genauere Bestimmung in Aussicht.51 Eine verbreitete Interpretation lautet, dass es sich hier um einen Standard im Sinne eines Kriteriums handelt, das dazu da sei, die richtige Mitte zu bestimmen.52 Um die handlungsleitende Funktion der Ethik sicherzustellen, müss-

|| 49 EN VI 1, 1138b18–34 (Übers. Frede). 50 Aristoteles verwendet diesen Begriff sowohl für das Glück als letztes Ziel menschlichen Tätigseins (EN I 1, 1094a24) als auch für die situationsgerechte Handlung (II 5, 1106b32). 51 Zum umstrittenen Status dieses Kapitels vgl. Frede (2020) II 658–660. 52 Vgl. etwa die Übersetzung von Ross/Urmson: „a standard which determines the mean states“ (EN VI 1, 1138b23), „what is the standard that fixes it“ (1138b34). Vgl. auch Joachim (1951) 163: „It was thus assumed that there was a ὅρος τῶν μεσοτήτων – an ultimate standard determining all the μεσοτήτων, all the moral virtues described in Books III–IV. […] Hence we

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te dieser Standard inhaltlich genauer formuliert sein. Ansonsten blieben die Aussagen der Ethik „zwar wahr“, aber in Bezug auf das Handeln „nicht erhellend“, vielmehr tautologisch oder leer. Zum Leidwesen der Interpreten bleibt uns aber Aristoteles diese erhellende Antwort im Folgenden schuldig; mit der Frage, wann genau ein Handeln vernunftgemäß ist, sind wir, so Friedo Ricken, beim „unklarsten und schwierigsten Punkt der aristotelischen Ethik“.53 Nun ist es sprachlich höchst zweifelhaft, ob der Terminus horos an dieser Stelle die enge Bedeutung von „Standard“ oder gar „Kriterium“ hat und der richtigen Überlegung als allgemein maßgebend vorgeordnet ist. Man kann der Auffassung sein, dass zu viel in dieses Kapitel hineingelegt wird, wenn man in ihm die Formulierung und die Ankündigung der Lösung des Normproblems im Sinne eines bestimmten Kriteriums erblickt.54 Was im sechsten Buch folgt, ist eher eine Reflexion auf die verschiedenen kognitiven Kompetenzen, die uns dazu befähigen, die richtige Entscheidung zu treffen. Diese Reflexion besteht im Kern in einer Abgrenzung der praktischen Vernünftigkeit (phronêsis) von anderen dianoetischen Tugenden.

3 Ansatzpunkt für eine Rekonstruktion Im Folgenden möchte ich zwei Lehrstücke untersuchen, die aus meiner Sicht zusammen einen vielversprechenden Ansatzpunkt für eine Rekonstruktion der normativen Seite der aristotelischen Ethik bilden:

3.1 Die Lehre von der Mitte als Lehre von den verschiedenen normativen Gesichtspunkten Die Tugend gehört nach Aristoteles zur Gattung der Disposition oder Haltung. Wesentlich für eine Haltung, wie es die Tugend ist, ist die Mitte, und zwar die „Mitte in Bezug auf uns“, d.h. relativ auf die Situation, in der wir stehen.55 Diese Mitte darf nicht in einem quantitativen Sinn verstanden werden, wie es sich erst || must explain further, in the sphere of conduct, precisely what the right rule is, what is the standard determining its rightness.“ 53 Ricken (1976) 82. Vgl. auch Ackrill (1980) 15; Wolf (2006) 16. 54 Vgl. auch Broadie/Rowe (2002) 357–360. 55 Vgl. Brown (1997).

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einmal durch die Analogien aus dem Bereich der körperlichen Kraft und der Gesundheit nahelegt („Mittelmaß“); es bedürfte dann zum tugendhaften Handeln lediglich einer eingespielten Routine, was aber gerade das Zerrbild dessen ist, was Aristoteles unter „Tugend“ versteht.56 Vielmehr muss die für die Tugend wesentliche Mitte qualitativ verstanden werden.57 Das zeigt sich daran, dass Aristoteles diesen Begriff mit einem Ensemble von verschiedenen normativen Parametern (dei-Formeln) erläutert. Das Mittlere und Beste, das das Wesen der Tugend ausmacht,58 besteht darin, Affekte und Begierden in der richtigen Weise zu haben (und gleiches gilt auch für Handlungen), und zwar „wann man soll (hote dei), welchen Dingen (eph’ hois) und welchen Menschen gegenüber (pros hous), weswegen (hou heneka) und wie man es soll (hôs dei).“59 Das richtige Maß an Zorn bedeutet, der richtigen Person gegenüber, über die richtigen Dinge, zum richtigen Zeitpunkt oder in der richtigen Länge, auf die richtige Weise und aus dem richtigen Motiv heraus zu zürnen. Freigebig zu sein bedeutet, der richtigen Person, das richtige Maß, aus dem richtigen Anlass, um des richtigen Zieles willen, auf die richtige Art und Weise Geld zu geben. Die Lehre von der Mitte benennt also die Bedingungen für die richtige Umsetzung eines generisch vorgegebenen Tugendgehalts (z.B. im Fall der Freigebigkeit: das richtige Geben und Nehmen von Geld in eine konkrete Handlung). Die einzelnen Parameter beziehen sich auf die Elemente, die die Richtigkeit der konkreten Handlung ausmachen, mit der ein allgemeines Tugendziel in einer konkreten Situation umgesetzt wird. Dem moralischen Anspruch einer konkreten Situation hat der Handelnde mit seinem Handeln gerecht zu werden,60 indem er die verschiedenen Formeln oder Leerstellen durch die Klugheit richtig bestimmt und mit der richtigen Handlung umsetzt, d.h. „situationsgerecht“ handelt. Die konkrete Situation mit ihren verschiedenen moralisch relevanten Aspekten ist der „Wahrmacher“ für das konkrete moralische Urteil des Handelnden über das, was hier und jetzt zu tun ist.61 || 56 Vgl. Achtenberg (2002) 118. 57 Vgl. Rapp (2006), insbesondere 125: „In summary, the introduction of the parameters is far from obscuring the doctrine, as some interpreters have maintained; on the contrary, the parameters spell out the qualitative criteria without which the scheme of deficiency and excess could not be applied.“ 58 Vgl. EN II 6, 1107a6–7. 59 EN II 5, 1106b21–22; vgl. auch II 2, 1104b22–26; II 9, 1109a28, 1109b15–16; III 10, 1115b15–16; III 15, 1119b17; IV 2, 1120b29. 60 Vgl. auch EN II 2, 1104a8–9; III 1, 1110a13–14. 61 Zu diesem „zirkumstantialen Realismus“ vgl. Achtenberg (2002) 67, 116, 122.

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Die für die Tugend essentielle Mitte ist also selbst kein Kriterium (etwa im Sinne eines „Mittelwegs“ oder „Mittelmaßes“), sondern der Titel für die verschiedenen normativen Bedingungen, deren Erfüllung zusammen die moralische Richtigkeit einer Handlung ausmacht. Der primäre Zweck der Lehre von der Mitte besteht darin, die verschiedenen Merkmale oder Umstände mit Hilfe von Leerstellen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit,62 erst einmal für den Handelnden zu markieren,63 dann aber auch als (mögliche) moralisch relevante Gesichtspunkte zu klassifizieren.64 Bei genauerer Betrachtung handelt es sich nämlich um heterogene moralische Gesichtspunkte (der Vergleich mit den Kategorien legt sich nahe), die man zu folgenden Gruppen zusammenbringen könnte: (a) Relation auf bestimmte Personen oder auf bestimmte Dinge (Objekt oder Adressat der Handlung), (b) konkretes Ziel (Absicht des Handelnden), (c) nähere Umstände (Zeitpunkt, Zeitdauer, Art und Weise der Ausführung). Wie ich im nächsten Abschnitt zeigen werde, kann man in dieser Parameter-Lehre nicht nur eine Klassifikation, sondern auch eine Gewichtung angedeutet finden. Die Richtigkeit der einzelnen Handlung, die der Handelnde in einer konkreten Situation zur Verwirklichung eines konkreten Ziels überlegt, hängt also nicht von der Erfüllung eines einzigen Merkmals (z.B. Effektivität im Hinblick auf das Ziel), sondern von der Erfüllung verschiedenartiger normativer Bedingungen ab. Hier ist es nicht ausgeschlossen, dass mit bestimmten Parametern (z.B. beim pros hous oder beim eph’ hois) auch allgemeine Normen, die das Verhalten gegenüber anderen Personen betreffen, und Werte ins Spiel kommen (z.B. elementare Rechte und Rechtsbeziehungen65; Schuldigkeiten bestimmten Personen gegenüber66; Werte und „Unwerte“). Aristoteles formuliert zwar keine systematische Pflichten- oder Regellehre, aber es ist naheliegend, dass sich

|| 62 Vgl. EN II 2, 1104b22–24, b26; IV 2, 1120a25. Eine (fast) vollständige Liste der Umstände findet sich in EN III 2, 1111a3–6. Diese steht aber im Kontext einer anderen Frage, nämlich der nach der Zurechenbarkeit einer Handlung. 63 Vgl. Wieland (1990) 140; Achtenberg (2002) 118: „It is to guide us to avoid the routinization of action and feeling […]“. Vgl. auch Rapp (2006) 123. 64 Vgl. Wieland (1990) 139. Wieland kommt das Verdienst zu, die Lehre von den Parametern (oder wie er sie nennt: Situationstopoi) wieder in ihrer normativen Bedeutung freigelegt zu haben: „Die Aristotelesforschung hat diesen Situationstopoi bisher nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die ihrer Bedeutung angemessen gewesen wäre. Auffallenderweise wird nun aber gerade im Umkreis dieser Topoi der präskriptive Charakter der aristotelischen Ethik offenkundig.“ (140). 65 Vgl. etwa Pol. VII 2, 1324b39–40. Hierzu Kraut (1996). 66 Vgl. das wichtige Kapitel EN IX 2.

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aufgrund der Erfahrungen mit ähnlichen Situationen (die sich in einem moralischen Fakten-Wissen verdichten können67) Handlungsschemata oder prima facie-Regeln formulieren lassen.68 Diese sind nichts anderes als die typischen Konkretisierungen oder Umsetzungsweisen umrisshaft vorgegebener Tugendgehalte (z.B. seinen Posten nicht zu verlassen als eine Form der Tapferkeit in Kriegssituationen, niemanden zu beleidigen als eine Form der Besonnenheit in Situationen persönlicher Konflikte, Wohltaten zu erwidern als eine Form der Dankbarkeit, Geschuldetes zurückzugeben als eine Form der Gerechtigkeit).69 Die Parameter-Lehre sollte also nicht vorschnell ineinsgesetzt werden mit einem ethischen Partikularismus, vielmehr wird sich der Handelnde für das Finden der richtigen Handlung durchaus an allgemeinen Gesichtspunkten, Normen oder Regeln orientieren, die ihm das geteilte moralische Wissen bereitstellt.70 Es versteht sich aber von selbst, dass solche Normen und Regeln nur Annäherungen an die „moralische Wahrheit“ der konkreten Situation sind, d.h. an das, was genau die konkrete Situation vom Handelnden verlangt.71 Oft sind solche Regeln nur umrisshaft formuliert und das, was genau zu tun ist, muss vom Handelnden selbst bestimmt werden. Manchmal kommen hier auch Umstände hinzu, die eine andere Handlungsweise als die, die „im Allgemeinen“ oder „im Regelfall“ richtig ist, notwendig machen.72 Die Regeln sind zwar Hilfen bei der konkreten Urteilsfindung, können diese aber nicht ersetzen.73 Aristoteles betont mehrfach, wie schwierig es ist, die richtige Handlung zu treffen, d.h. diejenige, die von der konkreten Situation gefordert ist. Es gibt viele Arten der

|| 67 Vgl. EN I 2, 1095b3–8; I 7, 1098b1–2. Hierzu Karbowski (2019) 167–169. 68 Ich lasse es einmal offen, ob es sich hier um bloße empirische Verallgemeinerungen (wie bei „Faustregeln“) handelt oder um induktiv erfasste moralische Universalien, die in den moralischen Überzeugungen der nachdenklichen und wohlerzogenen Menschen enthalten sind (wie in der Moralphilosophie von Ross (2002), 20–21 Anm.1, 29, 40–41). 69 Vgl. EN V 3, 1129b20–23; IX 2, 1164b31–33. 70 Ein Kapitel wie EN IX 2 ähnelt einer pluralistischen Deontologie, für die es im Unterschied zu Kant oder dem Utilitarismus keine einheitliche Begründung der verschiedenen prima facieRegeln gibt. 71 Vgl. EN I 1, 1094b10–23. Mit Frede (2020) II 325–327 ist dieses caveat nicht auf die Grundprinzipien der Ethik, wie z.B. den Glücksbegriff oder die einzelnen Tugendbegriffe (deren Definitionen Aristoteles erst einmal „vorzeichnet“ oder „umrisshaft bestimmt“: z.B. EN I 7, 1098a20) zu beziehen, sondern auf Gesetze (die ja die übergeordnete politische Wissenschaft formuliert: EN I 1, 1094b5–6), Normen und Regeln. Vgl. auch die Bemerkungen zur Allgemeinheit der Gesetze in EN V 14, 1137b13–24. 72 Vgl. EN III 1, 1110a4–7, a29–30; IX 2, 1164b31–1165a4. 73 Das ist meiner Auffassung nach die Botschaft von EN II 2, 1104a7–10.

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Verfehlung, aber nur eine Weise des richtigen Handelns.74 Deshalb ist es auch leicht, den (je anderen) Zielpunkt (skopos) oder die (je andere) Mitte zu verfehlen, schwer aber, sie zu treffen, d.h. die einzelnen Parameter richtig zu erfassen. Das richtige Handeln ist „selten, lobenswert und schön“.75 Im konkreten Fall die Grenzen zum tadelnswerten Handeln festzulegen, ist oftmals schwierig: Doch bis wohin und wie viel man fehlgehen muss, um tadelnswert zu sein, ist nicht leicht mit einer Begründung genau zu bestimmen, so wie auch sonst nichts von den Dingen, die Sache von Wahrnehmung sind. Denn alles Derartige hängt vom Einzelnen ab, und das Urteil darüber beruht auf der Wahrnehmung (kai en têi aisthêsei hê krisis).76

3.2 Die per se schlechten Handlungen als Grenzen der praktischen Überlegung Neben den schon angesprochenen prima facie-Regeln, die Aristoteles an wenigen Stellen andeutet, nennt Aristoteles im Anschluss an seine Lehre von der Mitte auch einige Verbotsnormen: Nun lässt aber nicht jede Handlung und jeder Affekt eine Mitte zu. Denn bei einigen Affekten ist schon im Namen eine Schlechtigkeit mit enthalten (syneilêmmena), wie bei Schadenfreude, Schamlosigkeit oder Missgunst, und so auch im Fall von Handlungen wie Ehebruch, Diebstahl oder Mord. Alle diese und andere dieser Art werden so genannt, weil sie selbst schlecht sind, nicht ihr Übermaß oder Mangel. Bei ihnen kann man nämlich niemals das Richtige treffen, sondern immer nur fehlgehen. Auch liegt in diesen Fällen das Richtige oder Falsche nicht darin, mit welcher Frau oder wann oder wie man ehebrechen soll, sondern es ist schlechthin verfehlt, irgendetwas von dieser Art zu tun.77

|| 74 Vgl. EN II 5, 1106b28–31. 75 Vgl. EN II 9, 1109a29–30. 76 EN II 9, 1109b20–23 (Übers. Frede). Vgl. auch EN IV 11, 1126b3–4. Dem letzten Satz im obigen Zitat kommt eine entscheidende Bedeutung in der Moralphilosophie von Ross zu. Vgl. Ross (2002) 42: „This sense of our particular duty in particular circumstances, preceded and informed by the fullest reflection we can bestow on the act in all its bearings, is highly fallible, but it is the only guide we have to our duty.“ Vgl. auch für Aristoteles Ross (1995) 205: „But after all no general rule will help us very much to know what we ought to do; we must wait till we are in the particular circumstances, and take account of them all; ‚the decision lies with perception.‘“ 77 EN II 6, 1107a8–17 (Übers. Frede); vgl. auch EE II 3, 1221b17–27.

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Aristoteles weist uns darauf hin, dass einige Affekte und Handlungen Namen tragen, die schon immer mit einer sittlichen Wertung verbunden sind: Der Ausdruck „Mord“ impliziert schon eine Schlechtigkeit, so dass die damit gemeinte Handlungsweise immer oder schlechthin falsch ist. Solche Handlungen und Affekte stellen gerade keine moralisch neutrale Materie dar, innerhalb derer dann nach einer „Mitte“ zu suchen wäre. Vielmehr handelt es sich schon um spezielle Affekt- und Handlungstypen, die in ihrer moralischen Qualität schon fixiert sind.78 Sie stellen, wie es das Partizip syneilêmmenon79 (in 1107a10) nahelegt, eine schon geformte Handlungsmaterie dar.80 Die Funktion dieses Abschnitts scheint auf den ersten Blick keine andere als eine logische zu sein.81 Wir müssen uns, so könnte die schlichte Botschaft lauten, unsere Moralsprache genau ansehen. Dort gibt es viele hybride Begriffe, die sowohl eine beschreibende als auch eine wertende Komponente haben. Manche Handlungsbegriffe bezeichnen schon Fehlgeformtheiten einer bestimmten Handlungsmaterie. Worin aber diese Fehlgeformtheit besteht, was genau also einen Beischlaf zu einem Ehebruch (also zu einem moralisch falschen Beischlaf), eine Tötungshandlung zu einem Mord (also zu einer moralisch falschen Tötung) etc. macht, bliebe offen. Es wäre der moralischen Sensibilität des Einzelnen überlassen zu überlegen bzw. zu beurteilen, was es in einer konkreten Situation heißt, zu stehlen, die Ehe zu brechen etc.

|| 78 Im Folgenden sehe ich von den Affekten ab und konzentriere mich auf die genannten Handlungstypen. Es ist klar, dass diesen nach Aristoteles jeweils ein fehlgeformter Affekt zugrunde liegt (vgl. EN V 3, 1129b19–25). Eine falsche emotionale Reaktion (z.B. ein Fall von Jähzorn, ein Fall von Zügellosigkeit) kann sich im Hinblick auf einen anderen Menschen ungerecht, d.h. in einer falschen Handlung, auswirken (z.B. Verletzung, Ehebruch). Ich gehe weiterhin davon aus, dass auch in einem Akteurs-fokussierten Ansatz die Qualität der Handlung als solche bestimmt werden kann und muss. 79 Vgl. Met. VI 1, 1025b32; VII 10, 1035a25–26. 80 Vgl. Joachim (1951) 91: „The moment you name them you are expressing by the name not bare material but material formed and wrongly formed.“ 81 Vgl. Hardie (1980) 137–138: „He is making a purely logical point which arises from the fact that certain words are used to name not ranges of action or passion but determinations within a range with the implication, as part of the meaning of the word, that they are excessive or defective, and therefore wrong. […] In our vocabulary for referring to actions and passions there are words which name misformations; and, in such cases, there is no sense in asking what is the right formation of the object named. This, and no more than this, is what Aristotle means when he says that ‚not every action nor every passion admits a mean‘.“

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Das scheint mir aber gerade nicht die Botschaft dieses Abschnitts zu sein. Aristoteles nennt hier vielmehr (wie schon etwa Xenophanes82, Platon83 und überhaupt die populäre Ethik, die mit operationalisierbaren Handlungsschemata84 arbeitet) mehr oder weniger wohldefinierte (d.h. in ihrer deskriptiven Komponente ausreichend bestimmte) Handlungstypen, die als das, was sie sind,85 schlecht und daher verboten sind.86 Aristoteles geht davon aus, dass klar ist, was z.B. unter Ehebruch zu verstehen ist.87 Im griechischen Recht steht moicheia für den „heimliche[n] Geschlechtsverkehr mit einer freien, ehrbaren Frau gegen den Willen ihres kyrios“.88 Solche Handlungsnormen unterliegen nicht mehr der praktischen Überlegung, sondern liegen dieser gerade als Grenze (horos) voraus, d.h. sie sind als Normen bei der Frage zu berücksichtigen, was die moralisch richtigen (und nicht nur effektiven) „Mittel“89 zur Umsetzung oder Realisierung eines bestimmten Tugendziels sind.90 Es scheint sich (auch schon) für

|| 82 Vgl. DK 21 B 11; B 12. 83 Vgl. R. IV 442e4–443a10. Hier geht es um das übliche Verständnis von Gerechtigkeit, das sich in erster Linie an der Unterlassung bestimmter Handlungstypen (Unterschlagung, Diebstahl, Ehebruch etc.) festmacht. 84 Vgl. Wieland (1990) 129–130. 85 Hier ist auch der Unterschied zwischen sachlicher und sprachlicher Ebene in der oben zitierten Passage zu beachten: Die angeführten Beispiele „und andere dieser Art“ (τὰ τοιαῦτα) werden mit solchen (hybriden) Begriffen „benannt“ (λέγεται, mit Bywater; nicht ψέγεται wie Bekker und Susemihl), weil sie „an sich schlecht sind“ (τῷ αὐτὰ φαῦλα εἶναι). 86 Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob es sich um empirische Generalisierungen oder um robuste moralische Universalien handelt, die induktiv erfasst werden. Vgl. hierzu die empirisch-teleologische Deutung von Kraut (2012), 551: „For the direction of explanation may go from the particular cases to the general rule, rather than the other way round. In other words, the universal generalization that all adultery is wrong may rest on the fact that, without exception, each particular act of adultery has brought about so much harm. […] It is not because there is a rule against adultery that it is wrong whenever it occurs; rather, it does great harm whenever it occurs, and that is why we can correctly formulate an exceptionless generalization about its wrongness.“ 87 Vgl. Pol. VII 16, 1335b38–1336a2; EN V 3, 1129b21–22; V 5, 1131a6; V 7, 1132a3; V 15, 1138a25– 26. 88 Thür (2000) 340. Hierzu auch Lipsius (1905–1915) 429–430; Dover (1974) 209–210. 89 Ein Mittel kann zwar effizient, aber dennoch moralisch unangemessen sein: „Folglich ist auch das noch keine Wohlberatenheit, wodurch man zwar erreicht, was man soll, aber nicht auf dem Weg, auf dem man es soll.“ (EN VI 10, 1142b24–26; Übers. Frede). Zur notwendigen moralischen ‚Symphonie‘ zwischen Mittel und Ziel vgl. Pol. VII 13, 1331b26–38. 90 Als solche „constraints“ liegen sie auch dem Tugendhaften und seinem Urteil voraus (vgl. Louden (1998) 195–196). Der Tugendhafte selbst qualifiziert sich überhaupt erst als ein mögli-

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Aristoteles um moralische „Selbstverständlichkeiten“91 (im Sinne von moralischen Wahrheiten) zu handeln, denn man sucht eine Analyse ihrer Natur, d.h. eine genaue Erörterung, was sie jeweils zu per se schlechten Handlungen macht, vergebens. Während Aristoteles für den Bereich des Rechts zumindest auf die Notwendigkeit verweist, klare Definitionen über ungerechte Handlungen aufzustellen, um „das Gerechte ans Licht zu bringen“92, fehlt eine solche Bemerkung in seiner Ethik. Das ist gerade hier ein Desiderat, handelt es sich doch um normierte Handlungstypen, die (insbesondere im Fall des Diebstahls oder des Mords) durch unterschiedliche Handlungen realisiert oder zustande gebracht werden. 93 Gerade hier wäre es wichtig, das moralisch relevante Merkmal klar zu benennen, um entscheiden zu können, wann eine Handlung unter das entsprechende Handlungsschema fällt und wann nicht. Im Fall des Ehebruchs, wo die Bandbreite möglicher Einzelhandlungen überschaubar sein dürfte, ist der moralisch entscheidende Parameter das pros hous („in Bezug auf wen“), gegen das verstoßen wird. Hinter diesem Verbot dürfte bei Aristoteles als Begründung nicht nur die Verletzung einer Rechtsbeziehung und auch der Schaden für die Gemeinschaft stehen, sondern auch das direkte Gerichtetsein gegen die Freundschaft (philia) zwischen den Eheleuten, der Aristoteles einen hohen intrinsischen Wert beimisst. Diese Freundschaft kann nicht nur der Lust oder des Nutzens wegen, sondern „auch der Tugend wegen bestehen, wenn beide gut sind“.94 Die Lehre von den per se schlechten Handlungen macht deutlich, dass in wenigen Fällen schon ein Parameter hinreichend sein kann, um eine Handlungsweise eindeutig moralisch zu qualifizieren; weitere Umstände spielen dann keine Rolle mehr. In

|| cher Kandidat für eine moralische Vorbildfigur dadurch, dass er diese Normen kennt und in seinem Handeln beherzigt. Vgl. Annas (1993) 113. 91 Wieland (1990) 129. Er weist in diesem Zusammenhang auch auf Top. I 11, 105a5–6 hin. 92 Vgl. Rhet. I 13, 1373b38–1347a9: „Da man häufig zwar darin übereinstimmt, dass eine Tat erfolgt ist, jedoch in der Anklageformulierung oder in dem, worauf sich die Anklage bezieht, nicht übereinstimmt, – wie zum Beispiel zwar darin, dass einer genommen, nicht aber darin, dass er gestohlen habe […] – muss man deswegen wohl darüber Definitionen aufstellen, was Diebstahl, was übermütige Misshandlung, was Ehebruch ist, damit wir, wenn wir zeigen wollen, ob ein Unrecht vorliegt oder nicht, in der Lage sind, das Gerechte ans Licht zu bringen“ (Übers. Rapp). 93 Hierzu genauer Buddensiek (2008) 36–37. 94 Vgl. EN VIII 14, 1162a25–27. Das ist eine sehr hohe Form, von der Ehe zu denken, die unserem modernen personalen Verständnis (nicht nur Vertrag, sondern beiderseitiger Konsens des Willens) sehr nahekommt.

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der entsprechenden Situation gäbe es eine eindeutige Grenze für die praktische Überlegung, insofern eine bestimmte Handlungsweise eindeutig verboten wäre.95 Handelt es sich hier um kategorische, d.h. ausnahmslos gültige, Verbotsurteile? Das ist schwer zu entscheiden und würde im Zusammenhang mit den „gemischten Handlungen“, d.h. in moralischen Konfliktsituationen, andere Probleme nach sich ziehen.96 Zumindest für den Diebstahl wird Aristoteles eine prima facie-Geltung vorgesehen haben, d.h. „an sich“ oder „einfachhin“ betrachtet sollten wir solche Handlungen niemals tun, weil sie per se schlecht sind, aber in einer besonderen Konfliktlage würden wir sie wählen, wenn wir vernünftig sind (noun echôn), weil nur so ein unvorstellbar großes Übel verhindert oder ein besonders hohes Gut bewahrt werden könnte. Das Ziel der Handlung richtet sich hier nach der augenblicklichen Situation.97 Aristoteles betont die Schwierigkeit, in solchen Situationen zum richtigen Urteil zu kommen: „Welche Dinge man aber um wessentwillen wählen soll, ist nicht leicht zu sagen, da es in den Einzelfällen viele Unterschiede gibt.“98 Ist die Wahl in einer solchen schwierigen Situation richtig (d.h. man nimmt etwas Schändliches oder Unangenehmes als Preis für besonders große und werthafte Dinge auf sich, indem man Erniedrigungen erträgt oder eine an sich gesehen schlechte Handlung vollzieht), erfährt man Lob, wurde dagegen die Rangordnung oder die Situation falsch eingeschätzt (d.h. man nimmt das Schändliche als Preis für etwas weniger Wertvolles auf sich), wird man getadelt. In manchen Fällen, wenn man etwas, was man nicht tun soll, unter Bedingungen tut, die die menschliche Natur übersteigen, erfährt man Verständnis (syngnômê), d.h. die

|| 95 Was die moralische Beurteilung des Handelnden angeht, so ist es möglich, Unrechtes zu tun, ohne deswegen schon ungerecht zu sein (EN V 10, 1134a17). Die Entscheidung macht den Unterschied (EE II 10, 1226a11–13; EN V 10, 1134a19–23; 1135b25; Rhet. I 13, 1374a9–17). Das, was man im Ehebruch tut, d.h. das unmittelbare Resultat der Handlung, muss als solches intendiert sein. Vgl. Buddensiek (2008) 38–39. 96 Zur Frage, ob sich für Aristoteles das Problem der dirty hands stellt, vgl. Nielsen (2007). Sie deutet Aristoteles ‚rossianisch‘. 97 Vgl. EN III 1, 1110a13–14. 98 EN III 1, 1110b7–9 (Übers. Frede). Solche Konfliktsituationen werden von Aristoteles eher als Randfälle betrachtet, während Ross sie in seiner Moralphilosophie eher als die Regel ansieht. Daher ist auch seine Moralphilosophie von einem starken Gewissheitsgefälle geprägt. Über das, was meine aktuale Pflicht ist, gibt es nur eine fallible, wahrscheinliche Meinung. Vgl. Ross (2002) 30–33.

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vollzogene Handlung ist unter diesen Umständen verzeihlich.99 Schließlich gibt es aber auch Dinge, und hier schlägt Aristoteles einen kategorischen Ton an, zu denen man sich wahrscheinlich niemals zwingen lassen darf, sondern eher den Tod auf sich nehmen sollte.100 Aristoteles nennt als Beispiel den Muttermord. Solche Handlungen sind im Unterschied zur vorherigen Klasse unverzeihlich und durch nichts rechtfertigbar; wer so etwas tut, korrumpiert sich selbst. Auch hier handelt es sich um eine moralische „Selbstverständlichkeit“, die Aristoteles mit einem isôs (wahrscheinlich) anfügt, ohne dies aber genauer zu begründen. Aristoteles macht hier nichts anderes, als eine „deontologische Intuition“ ernst zu nehmen; er lässt sich, mit W. D. Ross gesprochen, von dem, „what we really think“101, leiten. Das zeichnet seine Ethik gegenüber modernen Moraltheorien bis heute aus.

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|| 99 Vgl. EN III 1, 1110a19–29. Ich gehe davon aus, dass auch dieser von Aristoteles an dritter Stelle aufgeführte Fall zu den Handlungen zählt, für die man sich in einer bestimmten Situation entscheidet (auch wenn man sich die Situation nicht ausgesucht hat). 100 Vgl. EN III 1, 1110a26–27. 101 Vgl. Ross (2002) 19, 40–41.

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Béatrice Lienemann

Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles [Als Held einer möglichst guten Tragödie bleibt jemand übrig], der nicht trotz seiner sittlichen Größe und seines hervorragenden Gerechtigkeitstrebens, aber auch nicht wegen seiner Schlechtigkeit und Gemeinheit einen Umschlag ins Unglück erlebt, sondern wegen eines Fehlers – bei einem von denen, die großes Ansehen und Glück genießen, wie Ödipus und Thyestes und andere hervorragende Männer aus derartigen Geschlechtern. (Poet. 13, 1453a7–12)1

1 Einleitung Das vermutlich berühmteste Vorkommnis der Rede über Fehler (im Griechischen: hamartia) im Corpus Aristotelicum kommt in der Poetik vor. In Kapitel 13 der Poetik führt Aristoteles seine Ansicht aus, durch welche Merkmale sich die schönste bzw. beste Tragödie (kallistê tragô[i]dia) auszeichnet. Dieser Erläuterung ist das Eingangszitat entnommen, und wie wir noch sehen werden, nimmt ein Fehler für Aristoteles in einer guten Tragödie eine Scharnierfunktion ein. Viel ist schon gesagt und geschrieben worden über Aristoteles’ Tragödienverständnis und zu dem mehrfach in der Poetik bemühten Beispiel für eine gute Tragödie, den Oedipus Rex des Sophokles. Ich werde an diese jahrhundertelangen Diskussionen nur teilweise anknüpfen, und zwar indem ich dem schon häufiger beschrittenen Weg folgen und Erläuterungen und Beispiel der Poetik in Verbindung bringen werde mit der begrifflichen Bestimmung von Fehlern, die Aristoteles in Buch V der Nikomachischen Ethik gibt.2 Mein Interesse richtet sich indes vorrangig auf die Erwähnung und Behandlung von Fehlern in der Ethik. Die zentrale Frage, der ich nachgehen möchte, ist die nach Aristoteles’ Auffassung von der Zurechenbarkeit von Fehlern. Ödipus’

|| 1 Ὁ μεταξὺ ἄρα τούτων λοιπός. Ἔστι δὲ τοιοῦτος ὁ μήτε ἀρετῇ διαφέρων καὶ δικαιοσύνῃ μήτε διὰ κακίαν καὶ μοχθηρίαν μεταβάλλων εἰς τὴν δυστυχίαν, ἀλλὰ δι᾿ ἁμαρτίαν τινά, τῶν ἐν μεγάλῃ δόξῃ ὄντων καὶ εὐτυχίᾳ, οἷον Οἰδίπους καὶ Θυέστης καὶ οἱ ἐκ τῶν τοιούτων γενῶν ἐπιφανεῖς ἄνδρες. (Übers. nach Fuhrmann, leicht verändert). 2 Die Erörterung aus EN V 10 wird spätestens seit dem 17. Jh. zur Erklärung der hamartia in der Poetik herangezogen. Lurje nennt als erstes Textzeugnis für einen Versuch, die Passage in EN V 10 zur Erklärung des hamartia-Begriff in der Poetik heranzuziehen, die 1631 erschienene Ars Poetica des Jesuiten Alessandro Donati (vgl. Lurje (2004) 292, 306–309). https://doi.org/10.1515/9783110735598-011

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Tötungsdelikt am Dreiweg, wie es in Sophokles’ Werk dargestellt wird, gilt ihm, so denke ich, als mustergültiges Beispiel für eine solche Handlung, wie er sie bei seiner Erwähnung von Fehlern in EN V vor Augen hat. In der Darstellung bei Sophokles tötet Ödipus am Dreiweg einen Mann, den er erst nach der Tat als seinen Vater erkennt; er begeht die Tötung dabei, obwohl ihm das Orakel zuvor vorhergesagt hat, dass er Vatermord begehen wird, und Ödipus daraufhin alles daransetzt, diese schreckliche Tat zu vermeiden. Verhängnisvoller Weise kommt das Zusammentreffen am Dreiweg aber derart zustande, dass Ödipus in dieser Situation nicht ahnt, dass es sich bei dem Mann, den er tötet, um den eigenen Vater handeln könnte. Eine genaue Untersuchung der Bestimmung von Fehlern in EN V ist m.E. der geeignete Ausgangspunkt, um die Frage nach der Zurechenbarkeit von Fehlern zu beantworten. Mein Ziel ist es, aufzuzeigen, dass sich Fehler als eine bestimmte Art von Fehlhandlungen von anderen Arten von Fehlhandlungen abgrenzen lassen und auf einer Skala an möglichen Fehlhandlungen ganz unten bei den zu entschuldigenden Schädigungsarten, nahe bei den gänzlich nicht-zurechenbaren Unglücksfällen, zu verorten sind. Mit anderen Worten: Fehler verdienen Entschuldigung, manchmal sogar Mitleid, weil die handelnde Person ihre Fehlhandlung unwissentlich begangen hat und ihr dieses Unwissen nicht in nennenswerter Weise anzulasten ist. Aus dieser Deutung resultiert schließlich indirekt auch ein bestimmtes Verständnis des Tötungsdelikts, das Ödipus am Dreiweg begeht. Zu Beginn werde ich kurz zusammenfassen, welche Faktoren Aristoteles in der Poetik als wichtige Merkmale für eine möglichst gute Tragödie nennt und welche Rolle dabei Fehler einnehmen. Anschließend werde ich – nach einigen Bemerkungen zum Ausdruck „hamartia“ und der zugehörigen Wortgruppe – auf die Schlüsselpassage in EN V 10 eingehen. Hier nimmt Aristoteles eine systematische Begriffsklärung verschiedener Schädigungsarten vor, indem er sich einerseits am üblichen Sprachgebrauch orientiert und andererseits darüber hinaus geht und eine eigene, präzisere Begrifflichkeit entwickelt – und zwar eine Begrifflichkeit, für die die Willentlichkeit und die Zurechenbarkeit der jeweiligen Fehlhandlungen wesentlich sind. Im letzten Teil führe ich aus, in welchem Maße Fehler nach Aristoteles zurechenbare Handlungen sind. Das soll durch Abgrenzung von anderen Fällen geschehen, die er ebenfalls in den Ethiken diskutiert und an deren Beispiel seine Auffassung der Zurechenbarkeit sichtbar gemacht werden kann.

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2 Aristoteles’ Auffassung von einer möglichst guten Tragödie 2.1 Der Hintergrund in der Poetik Aristoteles beschreibt in Kapitel 13 der Poetik, durch welche Merkmale sich eine gute Tragödie auszeichnet. Die Handlungen einer Tragödie sollen Handlungen nachahmen, die bei den Zuschauern Furcht und Mitleid hervorrufen, um dadurch eine erwünschte Reinigung (katharsis) von diesen Affekten oder Emotionen beim Publikum zu bewirken.3 Furcht (phobos) wird erzeugt, wenn die Hauptperson Ähnlichkeit mit den Zuschauern hat; Mitleid (eleos) wird hervorgerufen, wenn die Hauptfigur ihr Unglück nicht verdient hat und man als Zuschauer mit ihr leidet. Um Furcht oder Mitleid beim Zuschauer als gewünschte Reaktionen zu bewirken, sind Handlungen unangebracht, bei denen eine makellose und tüchtige Person einen Umschlag vom Glück ins Unglück erlebt; dies empfände der Zuschauer bloß als abscheulich. Ebenso ungeeignet sind Handlungen, bei denen Schlechte entweder vom Unglück ins Glück geraten – dies wäre nicht einmal menschenfreundlich, philanthrôpon – oder vom Glück ins Unglück – dies enthielte zwar philanthrôpia, riefe aber weder Furcht noch Mitleid hervor. Vielmehr muss der tragische Held jemand zwischen diesen beiden Extremen sein, also weder eine charakterlich makellose Person noch eine charakterlich schlechte – vielmehr eine gewöhnliche, durchschnittliche Person, mit der man sich als Zuschauer leicht identifizieren kann. Einer solchen Person sollte es widerfahren, durch irgendeinen Fehler (di’ hamartian tina)4 vom Glück ins Unglück zu geraten. Aristoteles wiederholt dieses Ergebnis nochmals: „Die gute Tragödie muss [...] vom Glück ins Unglück umschlagen, nicht wegen der Schlechtigkeit, sondern wegen eines großen Fehlers entweder wegen eines Mannes, wie er genannt wurde, oder wegen eines besseren oder schlechteren.“5

|| 3 Vgl. auch Poet. 6, 1449b24–28. 4 Rösler weist darauf hin, dass die Verwendung des Singulars hier bedeutsam ist. Das Indefinitpronomen gibt zu verstehen, dass der Umschlag durch einen wie auch immer gearteten Fehler erfolgt, der je nach Komposition des Stücks eine unterschiedliche Form annehmen kann (Rösler (2011) 339). 5 Vgl. Poetik 13, 1453a12–18: ἀνάγκη ἄρα τὸν καλῶς ἔχοντα μῦθον ἁπλοῦν εἶναι μᾶλλον ἢ διπλοῦν, ὥσπερ τινές φασι, καὶ μεταβάλλειν οὐκ εἰς εὐτυχίαν ἐκ δυστυχίας, ἀλλὰ τοὐναντίον ἐξ εὐτυχίας εἰς δυστυχίαν, μὴ διὰ μοχθηρίαν ἀλλὰ δι᾿ ἁμαρτίαν μεγάλην, ἢ οἵου εἴρηται ἢ βελτίονος μᾶλλον ἢ χείρονος (Übers. Fuhrmann, leicht verändert).

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Schon zuvor (Kap. 10/11) hatte er ausgeführt, dass die Komposition der Geschichte einer guten Tragödie nicht einfach, sondern komplex zu sein hat. Eine komplexe Geschichte ist aus Handlungen aufgebaut, in deren Verlauf sich eine Wende durch einen Umschlag (peripateia), durch eine Wiedererkennung (anagnôrisis) oder durch beides vollzieht.6 Eine Peripatie erläutert Aristoteles als einen Umschlag dessen, was erreicht werden soll, in das Gegenteil, d.h. der Verlauf der Ereignisse wendet sich in einem plötzlichen, unerwarteten, aber gleichwohl logisch nachvollziehbaren Umschlag gegen die Absichten und Erwartungen der handelnden Person.7 Eine Anagnorisis ist bestimmt als ein Umschlag von Unkenntnis in Kenntnis (anagnôrisis de, [...], ex agnoias eis gnôsin metabolê).8 Dabei sieht es Aristoteles als die beste Kompositionsform einer Geschichte an, wenn die Wiedererkennung zugleich mit der Peripatie eintritt; und hierfür nennt er als Paradebeispiel den Oedipus Rex. Diese Übersicht der wichtigen Merkmale einer guten Tragödie ergibt ein passables Bild davon, was Aristoteles unter einem Fehler, wie Ödipus ihn begeht, verstanden wissen will. Erst einmal erscheint es klar, dass es sich beim Fehler um eine Handlung – und nicht etwa ein charakterliches Defizit, d.h. eine Disposition zu fehlerhaftem Handeln – handeln muss. Denn wenn Aristoteles die Komposition einer guten Tragödie analysiert, so bezieht er sich, wie er immer wieder deutlich zu erkennen gibt, auf die Verknüpfung von Handlungen. Und die Komposition des Ödipus zeichnet sich in seinen Augen dadurch aus, dass hier der Umschlag und das Wiedererkennen zusammenfallen, denn der Verlauf der Ereignisse ändert sich mit Ödipus’ plötzlichem Erkennen seines Fehlers in einem abrupten, für ihn unerwarteten, aber gleichwohl logisch nachvollziehbaren Umschlag. Der Fehler, den Ödipus begeht und den er plötzlich erkennt, ist der unwissentliche Vatermord, somit eine Tötungshandlung. Wichtig für die Beurteilung der Zurechenbarkeit von Fehlern ist schließlich, dass der Held einer guten Tragödie als einer bestimmt wird, der nicht aus Schlechtigkeit und Gemeinheit, sondern wegen eines Fehlers handelt. Aus Schlechtigkeit und Gemeinheit zu handeln, hieße, aufgrund eines schlechten Charakters zu handeln. Wer einen Fehler begeht, scheint aber nicht zwangsläufig über einen schlechten Charakter zu verfügen (ausgeschlossen ist dies freilich auch nicht). Der Poetik lassen sich also einige Anhaltspunkte entnehmen, was Aristoteles unter einem Fehler versteht; für eine genaue Begriffsbestimmung reichen sie aber

|| 6 Poet. 10, 1452a12–18. 7 Poet. 11, 1452a22–24. 8 Poet. 11, 1452a29–31.

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noch nicht aus. Dafür ist ein vergleichender Blick in die Ethik notwendig, wo Aristoteles in meinen Augen einen spezifischen Begriff des Fehlers entwickelt.

2.2 Eine jahrhundertealte Debatte Aristoteles’ Konzeption eines Fehlers, wie sie in der Poetik zur Sprache kommt, beschäftigt die Deutungen dieser Schrift schon lange. Eine Hochzeit erlebten die Diskussionen in der moralisierenden Tragödienexegese im 16.–18. Jh. insbesondere in Italien und Frankreich, aber auch in Deutschland und England. Viele dieser Deutungen vereinigt die Annahme, dass eine Tragödie eine moralische Schuld aufseiten der Protagonisten veranschaulichen soll. So entstanden Deutungen des Oedipus Rex, die auch in Ödipus’ Verhalten nach schuldhaftem Handeln aufgrund einer charakterlichen Schwäche suchten. In der Folge erfuhr auch Aristoteles’ Rede über Fehler in der Poetik eine erhebliche Umdeutung gegenüber dem offenbaren Wortlaut des Textes. Der Kern dieser langwährenden Debatten in der Rezeption der aristotelischen Dichtungstheorie lässt sich kurz als Dilemma formulieren: Entweder beruhen Fehler nach Aristoteles nicht auf einem moralischen Defizit, welches schuldhaftes Handeln begründen würde – dafür spricht, wie ich aufzeigen wollte, der Wortlaut des Textes der Poetik –, dann erfüllten aber weder die Mehrzahl der antiken noch der neuzeitlichen Tragödien das aristotelische Desiderat an eine gute Tragödie (was so manchem nicht gefiele); oder Fehler beruhen auf charakterlichen Schwächen und verdienen auch nach Aristoteles Tadel und Strafe, dann erweist sich aber die Beschreibung des tragischen Fehlers in Poetik 13 als unpassend und Sophokles’ Oedipus Rex verlangte eine grundsätzlich andere Deutung, als ich sie angedeutet habe. Ein genaueres Verständnis der Natur eines Fehlers könnte helfen, dieses Dilemma aufzulösen. Auch deswegen erscheint ein vergleichender Blick auf die Bestimmung von Fehlern in Buch V der EN lohnenswert. Diese spricht, um dies kurz vorwegzunehmen, für eine Lösung des Dilemmas zugunsten des ersten Horns.

3 Das Bedeutungsspektrum des Ausdrucks „hamartia“ und verwandter Ausdrücke Der Ausdruck „hamartia“ allein hilft nicht, die inhaltliche Frage zu entscheiden, ob unter einem Fehler ein moralisches Defizit oder ein entschuldbarer Tatsachenirrtum zu verstehen ist. Aristoteles verwendet den Ausdruck flexibel in beiden Bedeutungen und er ist damit nicht allein. Weil auch die etymologische

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Bildung des Ausdrucks keinen sicheren Anhaltspunkt für dessen Bedeutung liefert, sind im 20. Jh. mehrere umfangreiche vergleichende Untersuchungen zu den verschiedenen Gebrauchsweisen unternommen worden. Die Bedeutungen, die Ausdrücke der Wortgruppe des Verbs hamartanô haben können, lassen sich in drei Kategorien einteilen:9 (i) etwas verfehlen oder einer Sache beraubt sein, dieser verlustig gehen, etwas ermangeln; (ii) sich irren, einen Fehler machen, im Irrtum über eine Sache sein; (iii) (im moralischen Sinne) schlecht handeln, ein Gesetz brechen. Bei Homer kommen Varianten des Verbs hamartanô vielfach in der ersten Bedeutung vor, also im Sinne von Ein-ins-Auge-gefasstes-Ziel-nicht-Treffen. Die Redeweise vom Verfehlen eines Ziels findet früh auch im übertragenen Sinne Verwendung, wie z.B. Etwas-mit Worten-Verfehlen. Verwendungsweisen, in denen bereits eine ethische Bedeutung zum Tragen kommt, kommen bei Homer zwar auch vor, sind aber noch selten.10 In den Tragödien, wo sich erstmals auch die Substantive „hamartia“11 und „hamartêma“ finden, wird die moralische Bedeutung immer üblicher, aber auch die wörtliche Bedeutung des Verfehlens kommt immer noch vor (v.a. bei Euripides). Insgesamt decken die Ausdrücke der Wortgruppe von hamartanô in der Tragödiendichtung ein sehr weites Bedeutungsfeld ab, das vom verzeihlichen nichtigen Versehen bis zum vorsätzlichen Verbrechen reicht.12 Auch in der Geschichtsschreibung und Rhetorik des 5. Jhs. kommen die Ausdrücke der hamartanô-Wortfamilie in allen drei Bedeutungen vor (wobei die erste Bedeutung zunehmend unwichtiger wird); auffallend ist aber, dass sich in der Rhetorik und der Gerichtssprache, z.B. bei Antiphon in den Tetralogien, Ansätze zu einer präziseren Begriffsbestimmung des Fehlers finden, die eine Abgrenzung

|| 9 Diese Einteilung übernehme ich von Bremer; vgl. Bremer (1969) 30. 10 Eine der frühesten Studien ist die Analyse von van Braam von 1912, der sich auf die Vorkommnisse von „hamartia“ und „hamartêma“ in der EN konzentriert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Aristoteles’ Gebrauch der Ausdrücke in der EN konsistent (im Sinne von gleichbedeutend) ist und stets im Sinne von Urteilsfehler (error of judgment) und nicht als charakterliche Schwäche (flaw of character) oder moralisches Defizit (moral defect) aufzufassen ist. Weitere Beiträge sind von Hey (1928), Harsh (1945), Ostwald (1958) sowie Bremer (1969). Bremer gibt eine umfassende lexikologische Untersuchung des Ausdrucks „hamartia“ und seiner Paronyma von 800 v. Chr. bis zu Aristoteles, die er in drei Phasen einteilt: (i) Homer bis Pindar (800–ca. 480 v. Chr.), (ii) Tragödie, Geschichtsschreibung, frühe Redner (480–400 v. Chr.), (iii) Redner des 4. Jhs., Platon, Aristoteles (400–300). 11 Erstmals bei Aischylos, der auch „hamartion“ verwendet. Sophokles verwendet auch „hamartêma“. 12 Vgl. Hey (1928) 14.

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zwischen Fehlern (hamartêmata) und Unrechtstaten (adikêmata) andeuten.13 Es überwiegt jedoch ein unspezifischer Gebrauch von hamartanô als Oberbegriff für alle Arten von Fehlhandlungen bzw. Schädigungen (blabai), derentwegen jemand vor Gericht stehen kann, wobei noch offen ist, ob die Tat als verzeihlich (weil akousion) oder strafwürdig (weil hekousion) beurteilt werden wird. Bei Platon findet sich keine erkennbare Unterscheidung zwischen Fehlern und Unrechtstaten; vielmehr setzt Platon hamartiai und adikiai häufig gleich und sieht beides als gleichermaßen verwerflich und tadelnswert an. Diesen Eindruck vermitteln sowohl die Jenseitsmythen im Gorgias (523a–527a) und im Phaidon (107d–114c) als auch die Ausführungen im Strafrechtsexkurs in Buch IX der Nomoi (Leg. 860e9–10; 863a1; 906c3).14 Aristoteles verwendet Ausdrücke aus der Wortgruppe von hamartanô ebenfalls in allen drei der genannten Bedeutungen. Am häufigsten kommen Irrtumsfehler vor, und diese können ganz unterschiedlicher Art sein, so z.B. künstlerische Fehler verschiedener Art, beispielsweise von Dichtern oder Tragödiendichtern, ungeeigneter Wortgebrauch, Fehlbehandlungen eines Arztes, Fehler bei der Gesetzgebung, politische Fehlentscheidungen sowie Fehler, die bei anderen Autoren kritisiert werden.15 Auch in der Naturphilosophie spricht Aristoteles von Fehlern und meint hier Missbildungen der Natur (Phys. II 8, 199a33–b7).16 In der ersten Wortbedeutung des Verfehlens verwendet Aristoteles Ausdrücke aus der Wortfamilie von hamartanô vor allem zur Erläuterung der mesotêsLehre. Er nutzt wiederholt zur Illustration seiner Idee der Tugend als richtiger Mitte zwischen zwei Extremen das Bild eines Bogenschützen, der auf einen Zielpunkt (skopos) zielt; das Ziel kann dieser nur auf eine einzige Weise treffen, während er es auf viele Weisen verfehlen kann. Ähnlich besteht auch die Tugend in der richtigen Mitte, die zwischen zwei schlechten Extremen liegt und die nur auf eine Weise getroffen, aber auf vielfache Weise verfehlt werden kann. Bei der Behandlung der Einzeltugenden sagt er, dass einer, der noch nicht die richtige Mitte

|| 13 Vgl. Antiphon, Or. 1 (In Novercam), 27. 14 Außerdem kommen bei Platon auch Verwendungen von „hamartia“ vor, die keine moralische Bedeutung haben, sondern Kunstfehler oder Fehler im Denken bezeichnen, so z.B. in Charm. 172a; R. 379d; Plt. 296b. 15 Bremer (1969) 53. Belege: künstlerische Fehler des Dichters oder Tragödienschreibers: 1451a20; 1454b17–35; 1456b15; 1460b15, 17, 19, 23, 29, 30; 1461b8; ungeeigneter Wortgebrauch: 1405a31; Fehler im Entwerfen einer politischen Verfassung oder in der konkreten Gesetzgebung: 1103b6; 1160b31; 1270a9; 1272b2; 1273a31; 1275b1; 1279a20; 1289b9; 1293b25; 1297a7; 1301a36; 1302a6; 1303b29–30; 1317a37; 1338b12; 1137b16, 17, 22, 15; 1269a16; 1376b18; Fehler bei politischen Entscheidungen: Ath. Pol. 34,2; Fehler eines Arztes: 199a33; 1226a36; 1320b35; 1375b18. 16 Phys. II 8, 199a33–b7.

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trifft, nicht als schlecht (kakos) gilt, sondern als jemand, der falsch handelt (hamartanesthai).17 Dass im Kontext der mesotês-Lehre so häufig vom Verfehlen die Rede ist, könnte dafür sprechen, dass es sich bei Fehlern um charakterlich bedingte Fehler handelt und die Grundbedeutung des Verfehlens auf eine moralische Schwäche übertragen wird. Dieser Schluss wäre aber vorschnell. Zwar hat die Rede vom Verfehlen in Buch II der EN und auch später in den Tugend-Büchern eindeutig eine auf den Charakter bezogene Bedeutung, aber es ist wichtig, sich klarzumachen, dass Aristoteles hier zunächst mit der Bestimmung der Tugend als richtiger Mitte befasst ist und sich dann der Frage nach dem Erwerb eines tugendhaften Charakters zuwendet. Es ist also nicht der Besitz eines schlechten Charakters, der hier als Verfehlung bezeichnet wird, sondern bloß ein einzelnes Handeln, das nicht richtig (orthos) ist. Bei Aristoteles überwiegen also bei den Verwendungen von Varianten des Verbs hamartanô deutlich die Bedeutungen des Verfehlens und des Irrtums. Bremer anerkennt als relevante Beispiele für die dritte Bedeutung des Schlecht-Handelns sogar nur zwei Fälle in der Rhetorik und einen in der Politik18 und er kommt in der Folge zum Schluss, dass „statistisch gesehen“ alles dafür spricht, dass unter einer hamartia in der Poetik ebenfalls ein Irrtum und kein schuldhaftes Vergehen zu verstehen ist.19 Auch van Braam war schon zu dem Ergebnis gekommen, dass alle Vorkommnisse von „hamartia“ in der EN (das sechsmal vorkommt) und von „hamartêma“ (das dreimal vorkommt) die Bedeutung eines Urteilsfehlers (error of judgment) bzw. eines Tatsachenirrtums haben. Auch wenn mir vieles in den Untersuchungen von van Braam, Hey und Bremer zu Aristoteles’ Wortverwendungen richtig erscheint, so lässt sich die Frage, ob Aristoteles „hamartia“ und „hamartêma“ bisweilen eine spezifische Bedeutung beimisst, kaum statistisch (wie bei Bremer) beantworten. Auch glaube ich nicht, dass „hamartia“ in der EN immer eindeutig die Bedeutung eines Urteilsfehlers hat (wie bei van Braam). Z.B. bezeichnet Aristoteles in EN III 2 die Unwissenheit über das, was man tun und was man unterlassen soll, als einen Fehler (hamartia), durch den Menschen ungerecht und überhaupt schlecht werden.20 || 17 Vgl. EN IV 9, 1125a17–20. 18 Abgesehen von zwei weiteren in der (vermutlich pseudo-aristotelischen) Schrift Staat der Athener. 19 Bremer (1969) 56: „From a mere statistical point of view it is extremely probable that the instance in Poetics 1453a10–15 belongs to our second category [i.e. to err; BL].“ 20 EN III 2, 1110b28–31: ἀγνοεῖ μὲν οὖν πᾶς ὁ μοχθηρὸς ἃ δεῖ πράττειν καὶ ὧν ἀφεκτέον, καὶ διὰ τὴν τοιαύτην ἁμαρτίαν ἄδικοι καὶ ὅλως κακοὶ γίγνονται· τὸ δ᾿ ἀκούσιον βούλεται λέγεσθαι οὐκ εἴ τις ἀγνοεῖ τὰ συμφέροντα (Übers. B.L.).

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Diese tadelnswerte Art von Unwissenheit um das Allgemeine und Nützliche ist sicherlich kein Urteilsfehler, sondern diese Unkenntnis wurzelt tiefer und ist charakterlich bedingt und daher nicht zu entschuldigen. Aristoteles’ Verwendungsweise von „hamartia“ und „hamartêma“ in der EN erweist sich vielmehr überwiegend als untechnisch und ist am besten schlicht als Gegenbegriff zu allem, was orthos ist, zu verstehen, was zunächst ein sehr weites Bedeutungsspektrum zulässt. Darunter lassen sich auch Fehler im Denken und Überlegen fassen, wie sie zweimal in Buch VI erwähnt werden und hier der Richtigkeit (orthotês) im Überlegen und Denken gegenüberstehen.21 Von diesem überwiegend untechnischen Gebrauch hebt sich allerdings in meinen Augen die Verwendung von „hamartêma“ in Buch V 10 ab, denn hier verwendet Aristoteles den Ausdruck offenbar tatsächlich als terminus technicus und legt ihm eine spezifische Bedeutung bei.

4 Aristoteles’ Bestimmung des Fehlers in der Nikomachischen Ethik 4.1 Einführung von „hamartêma“ als terminus technicus in EN V 10, 1135b11–25 Der Kontext der Passage in EN V, in der Aristoteles „hamartêma“22 eine spezifische Bedeutung beilegt, ist seine Analyse, unter welchen Bedingungen eine Handlung ungerecht ist. Ich zitiere die ganze Passage, konzentriere mich aber auf die Deutung des ersten Teils: In unserem wechselseitigen Austausch kommt es daher23 zu drei Arten von Schädigungen: Ein mit Unwissenheit verbundener Fehler (hamartêma) liegt dann vor, wenn die betroffene

|| 21 EN VI 9, 1142b20–24 sowie EN VI 10, 1142b7–9. 22 Das Suffix „-μα“ wird für das Ergebnis einer Handlung reserviert (Debrunner 1917, 157). Dies deckt sich mit dem Gebrauch von „hamartêma“ in EN V 10, da es hier um das Ergebnis einer hamartia geht, und zwar die vollzogene Schädigung eines Opfers. Außerdem verwendet Aristoteles auch für die anderen Schädigungsarten jeweils den entsprechend gebildeten Ausdruck, i.e. „atychêma“ und „adikêma“. Für einen möglichen Bedeutungsunterschied zwischen „hamartia“ und „hamartêma“, vgl. auch Ostwald (1958). 23 Wie Susemihls Apparat zeigt, sind hier die Handschriften geteilt; einige bieten hier das folgernde dê, andere ein adversatives de. Meiner Übersetzung zufolge ist der zitierte Abschnitt als Folgerung zu verstehen, mit der an die zuvor in 1135a23–28 gegebene Bestimmung freiwilliger und unfreiwilliger Handlungen angeknüpft wird.

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Person, die Handlung, das Womit oder das Worumwillen nicht so sind, wie die handelnde Person angenommen hatte. Sie meinte etwa, den anderen nicht zu treffen oder nicht mit diesem Gegenstand oder nicht gerade diesen bestimmten Menschen oder nicht mit diesem Ziel. Herauskam aber nicht das, um dessentwillen sie zu handeln meinte (z.B. den anderen nicht zu verwunden, sondern bloß zu stoßen, oder nicht diese Person zu treffen oder nicht mit diesem Gegenstand). Tritt der Schaden nun wider vernünftiges Erwarten ein, dann liegt ein Unglücksfall vor. Wo er zwar nicht wider vernünftiges Erwarten eintritt, aber nicht auf Schlechtigkeit beruht, handelt es sich um einen Fehler (denn man begeht einen Fehler, wenn der Ursprung der Ursache24 (hê archê ... tês aitias) bei der handelnden Person liegt, erleidet einen Unglücksfall dagegen, wenn er außerhalb liegt). Handelt die betreffende Person zwar wissentlich, aber ohne vorherige Überlegung, dann ist es eine Unrechtstat von der Art, wie man sie im Zorn oder aus einem der anderen Affekte begeht, die Menschen entweder notwendig oder natürlicherweise befallen. Wenn sie in dieser Weise andere schädigen oder Fehler begehen, handeln die betreffenden Personen zwar ungerecht und es liegen auch Unrechtstaten vor, ungerecht oder schlecht sind sie aber deswegen noch nicht. Denn die Schädigung beruht dann ja nicht auf einer Schlechtigkeit. Geht die Schädigung auf einen Entschluss zurück, so ist die betreffende Person ungerecht und ein schlechter Mensch.25

4.2 Zwei Vorbemerkungen zu EN V 10 (1) In diesem Passus ist an zwei Stellen die Rede von Fehlern: in Zeile b12 und in b18. Der spezifische Gebrauch von „hamartêma“ liegt erst an der zweiten Stelle vor. Beim ersten Vorkommnis nutzt Aristoteles den Ausdruck hingegen noch als Oberbegriff für alle Arten von Schädigungen (blabai), die unwissentlich geschehen, ohne zu differenzieren, ob es sich um einen Unglücksfall handelt (der gegen die vernünftige Erwartung geschieht) oder um einen eigentlichen Fehler (der nicht gegen die vernünftige Erwartung geschieht). Erst in b18 tritt die spezifische Bedeutung von „hamartêma“ zutage und wird bestimmt. Derart lässt sich auch || 24 Jackson hat für „tês aitias“ die Konjektur „tês agnoias“ vorgeschlagen (Jackson (1879) 110f.), die z. B. auch von Susemihl übernommen wurde (s.u. Anm. 41). 25 EN V 10, 1135b11–25: τριῶν δὴ οὐσῶν βλαβῶν τῶν ἐν ταῖς κοινωνίαις, τὰ μὲν μετ’ ἀγνοίας ἁμαρτήματά ἐστιν, ὅταν μήτε ὃν μήτε ὃ μὴτε ᾧ μήτε οὗ ἕνεκα ὑπέλαβη πράξῃ· ἣ γὰρ οὐ βάλλειν ἢ οὐ τούτῳ ἢ οὐ τοῦτον ἢ οὐ τούτου ἕνεκα ᾠήθη, ἀλλὰ συνέβη οὐχ οὗ ἕνεκα ᾠήθη, οἷον οὐχ ἵνα τρώσῃ ἀλλ’ ἵνα κεντήσῃ, ἢ οὐχ ὅν, ἢ οὐχ ᾧ. ὅταν μὲν οὖν παραλόγως ἡ βλάβη γένηται, ἀτύχημα· ὅταν δὲ μὴ παραλόγως, ἄνευ δὲ κακίας, ἁμάρτημα (ἁμαρτάνει μὲν γὰρ ὅταν ἡ ἀρχὴ ἐν αὐτῷ ᾖ τῆς αἰτίας, ἀτυχεῖ δ’ ὅταν ἔξωθεν)· ὅταν δὲ εἰδὼς μὲν μὴ προβουλεύσας δέ, ἀδίκημα, οἷον ὅσα τε διὰ θυμὸν καὶ ἄλλα πάθη, ὅσα ἀναγκαῖα ἢ φυσικὰ συμβαίνει τοῖς ἀνθρώποις· ταῦτα γὰρ βλάπτοντες καὶ ἁμαρτάνοντες ἀδικοῦσι μέν, καὶ ἀδικήματά ἐστιν, οὐ μέντοι πω ἄδικοι διὰ ταῦτα οὐδὲ πονηροί· οὐ γὰρ διὰ μοχθηρίαν ἡ βλάβη· ὅταν δ’ ἐκ προαιρέσεως, ἄδικος καὶ μοχθηρός (Übers. B.L.).

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erklären, weshalb Aristoteles kurz darauf in Zeile b23–24 ausgerechnet das Partizip von hamartanô verwendet, um die Art des ungerechten Handelns im Falle von Unrechtstaten (adikêmata) der ersten Art zu erläutern. Hier liegt m.E. erneut der weite unspezifische Gebrauch von Varianten des Verbs hamartanô vor, der sich gleichermaßen für Fehler wie für eigentliche Unrechtstaten eignet.26 (2) Es fällt auf, dass Aristoteles zu Beginn des Zitats eine dreifache Unterscheidung von Schädigungen ankündigt, im weiteren Verlauf aber vier Arten unterscheidet. Das könnte man damit erklären, dass im attischen Gerichtswesen eine dreifache Unterscheidung bekannt war, an der sich Aristoteles möglicherweise orientiert, die er aber alsbald präzisierend modifiziert und erweitert.27 Eine Dreiteilung zwischen Unrechtstat (adikia), Fehler (hamartêma) und Unglücksfall (atychia) wird z.B. in der pseudo-aristotelischen Rhetorik an Alexander28 angeführt, um auf dieser Grundlage Angeklagten verschiedene Verteidigungsstrategien zu empfehlen: Unrechtstat, Fehler und Unglücksfall soll man folgendermaßen unterscheiden: Als Unrechtstat gilt, wenn man etwas Schlechtes mit Vorbedacht tut, und man sagt, dass man für solche [Vergehen] die größten Strafen geben muss; wenn man aufgrund von Unwissenheit etwas Schädliches tut, muss dies ein Fehler genannt werden. Und wenn man etwas Gutes beabsichtigt, und dies nicht durch sich selbst, sondern durch andere oder durch Zufall nicht erreicht, so gilt dies zu Recht als ein Unglücksfall.29

Eine ähnliche Dreiteilung findet sich auch in Aristoteles’ Rhetorik:

|| 26 Eine andere Erklärung für diesen Gebrauch erwägen Rösler (2011) und Flashar (2006). Beide führen die erneute Verwendung von „hamartanô“ in b23–24 als Beleg dafür an, dass Aristoteles keine klare Unterscheidung zwischen Fehlern und weniger schwerwiegenden Unrechtstaten ziehen will, sondern bloß eine graduelle Abstufung und einen fließenden Übergang zwischen hamartêmata und adikêmata annimmt. 27 Ähnlich auch Lurje, der vorschlägt, dass „Aristoteles hier die bereits existierende Dreiteilung der Schädigungsarten an seine eigene Handlungstheorie anzupassen versucht“ (Lurje (2004) 294). 28 Die Rhetorik an Alexander wurde wegen eines gefälschten Widmungsschreibens fälschlicherweise Aristoteles zugeschrieben; der wahrscheinliche Verfasser ist Anaximenes von Lampsakos. Die Schrift gilt als Vorläufer der aristotelischen Rhetorik. Allerdings sind die Ähnlichkeiten meist nur oberflächlich und rühren daher, dass Aristoteles Fachbegriffe der damaligen Rhetorik übernimmt, ihnen jedoch eine eigene Bedeutung beilegt (vgl. Rapp (2002) I 211; Fuhrmann (1960) und (1965)). 29 Rh. Al. 4, 1427a30–36: ἀδικίαν δὲ καὶ ἁμάρτημα καὶ ἀτυχίαν ὧδε ὅρισαι· τὸ μὲν ἐκ προνοίας κακόν τι ποιεῖν ἀδικίαν τίθει, καὶ φάθι δεῖν τιμωρίαν ἐπὶ τοῖς τοιούτοις τὴν μεγίστην λαμβάνειν· τὸ δὲ δι’ ἄγνοιαν βλαβερόν τι πράττειν ἁμαρτίαν εἶναι φατέον. τὸ δὲ μὴ δι’ ἑαυτόν, ἀλλὰ δι’ ἑτέρους τινὰς ἢ διὰ τύχην μηδὲν ἐπιτελεῖν τῶν βουλευθέντων καλῶς ἀτυχίαν τίθει.

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Auch dass man bloße Fehler nicht als gleich schlimm wie ungerechte Taten beurteilt, und auch nicht Unglücksfälle (sc. ist ein Beispiel von Billigkeit); denn Unglücksfälle sind solche, die wider vernünftiges Erwarten und nicht aus Schlechtigkeit, Fehler solche, die nicht wider vernünftiges Erwarten und nicht aus Schlechtigkeit, ungerechte Taten aber solche, die auch nicht wider vernünftiges Erwarten und aus Schlechtigkeit eintreten.30

Die verschiedenen Aufzählungen aus den beiden Rhetoriken enthalten dieselbe Trias an Schädigungen – Unrechtstat (adikia/adikêma), Fehler (hamartêma) und Unglückfsall (atychia/atychêma) –, die sich auch in EN V findet; außerdem beinhalten beide Rhetoriken zusammengenommen alle der Charakteristika, die Aristoteles in der Ethik zur Abgrenzung der Fehler von den anderen Schädigungsarten verwendet: Fehlern und Unglücksfällen ist gemeinsam, dass sie unwissentlich geschehen, sie unterscheiden sich aber dadurch, dass die Schädigung bei Unglücksfällen unerwartet bzw. gegen die vernünftige Erwartung eintritt (paraloga), während ein Fehler nicht unerwartet eintritt, allerdings auch nicht aus Schlechtigkeit. Letzteres unterscheidet Fehler wiederum von Unrechtstaten, die zum einen wissentlich geschehen und ferner aus Schlechtigkeit, d.h. aufgrund des Charakters der handelnden Person, eintreten. Ich werde gleich genauer auf diese Unterscheidungskriterien eingehen. Zuvor will ich noch einen signifikanten Unterschied zwischen den drei Texten erläutern. Aristoteles weicht in seiner Aufzählung von jenen der Rhetoriken ab, indem er innerhalb der wissentlichen Unrechtstaten, der adikêmata, eine weitere Binnendifferenzierung vornimmt. Er unterscheidet zwischen Unrechtstaten aus einem Entschluss (prohairesis)31 heraus, die auf Schlechtigkeit beruhen, und Unrechtstaten, die zwar wissentlich, aber nicht aus Schlechtigkeit und nicht aus einem Entschluss heraus geschehen. Der eine dieser beiden Typen von Unrechtstaten, Unrechtstaten aus einem Entschluss, deckt sich mit der dritten Art von Schädigung aus den Rhetoriken. In Aristoteles’ Rhetorik werden sie ebenfalls als ungerechte Taten, die aus

|| 30 Rhetorik I 13, 1374b4–9: καὶ τὸ τὰ ἁμαρτήματα καὶ τὰ ἀδικήματα μὴ τοῦ ἴσου ἀξιοῦν, μηδὲ τὰ ἀτυχήματα· ἔστι δ’ ἀτυχήματα μὲν ὅσα παράλογα καὶ μὴ ἀπὸ μοχθηρίας, ἁμαρτήματα δὲ ὅσα μὴ παράλογα καὶ μὴ ἀπὸ πονηρίας, ἀδικήματα δὲ ὅσα μήτε παράλογα ἀπὸ πονηρίας τέ ἐστιν (Übers. Rapp (2002) I, leicht geändert). 31 Ich übersetze hier „prohairesis“ mit „Entschluss“, wenngleich ich im Kontext der Rechtspraxis auch die Übersetzung mit „Vorsatz“ für passend halte. Aus Gründen der Einheitlichkeit bevorzuge ich aber eine durchgängige Wiedergabe mit einem einzigen Ausdruck und behalte mit „Entschluss“ diejenige Übersetzung bei, die ich für die beste in den ersten Büchern der EN halte, insbesondere dort, wo Aristoteles „prohairesis“ als terminus technicus einführt (i.e. EN III 4 und 5). Für meine Wahl der Übersetzung mit „Entschluss“ (und nicht etwa „Entscheidung“) argumentiere ich ausführlich in Lienemann (2018), 204–216.

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Schlechtigkeit erfolgen, charakterisiert; in der Rhetorik an Alexander werden sie als „Unrechtstaten aus Vorbedacht (pronoia)“ bezeichnet. Es lässt sich fragen, ob „pronoia“ und „prohairesis“ als bedeutungsgleiche Synonyme aufzufassen sind. Dafür spricht, dass Aristoteles „pronoia“ offenbar tatsächlich bisweilen austauschbar mit „prohairesis“ verwendet, und zwar insbesondere dann, wenn er sich explizit auf die damalige Rechtspraxis bezieht und sich an der Terminologie von Gerichtsreden orientiert,32 wie diese Textstelle in der Eudemischen Ethik zeigt (EE II 10): [...] es ist notwendig, dass zwar alles, wofür man sich entschlossen hat, willentlich ist, dass aber das Willentliche nicht alles etwas ist, zu dem man sich entschlossen hat, und dass alles, was gemäß dem Entschluss ist, willentlich ist, das Willentliche aber nicht alles33 gemäß einem Entschluss ist. Daraus wird zugleich auch deutlich, dass die Gesetzgeber zu Recht zwischen willentlichen und unwillentlichen Unrechtstaten34 und solchen, die aus Vorbedacht geschehen, unterscheiden; denn auch wenn sie nicht vollkommen Recht haben, so berühren sie die Wahrheit doch auf eine Weise.35

Gleichwohl lässt sich dafürhalten, dass Aristoteles ganz bewusst „prohairesis“ verwendet, da es ihm darum zu tun ist, sich von der üblichen Rechtsterminologie zu distanzieren – dies legt auch die Stelle in der EE nahe. Üblicherweise wurden in der Athener Rechtspraxis willentliche Schädigungen (hekousion) mit Schädigungen aus Vorbedacht (ek pronoias) identifiziert und den unwillentlichen (akousion) gegenübergestellt.36 Diese einfache Dichotomie ist Aristoteles aber zu

|| 32 So auch Lee (1937) 139–140. 33 Bonitz (1866), 798, ergänzt in 1226b35 „ἅπαν“, und auch Susemihl macht, ohne Bonitz’ Emendation zu kennen, denselben Vorschlag. Ich halte die Ergänzung für einleuchtend, da der Satz mit Sorgfalt und Absicht formuliert ist und es sachlich richtig ist, dass das Willentliche nicht alles gemäß einem Entschluss ist (vgl. Dirlmeier (1969) 297, contra Inwood/Woolf (2013) 36). 34 In den MSS ist in 1226b37–38 „παθημάτων“ (Widerfahrnisse) überliefert, was jedoch nicht passend erscheint, insbesondere im Fall von „Widerfahrnissen aus Vorbedacht“. Bonitz hat deswegen vorgeschlagen, „παθημάτων“ durch „ἀδικημάτων“ zu ersetzen (Bonitz (1866) 798). Ähnlich motiviert ist auch der Vorschlag von Ross (s. OCT-Apparat), stattdessen „ποιημάτων“ zu lesen. Ich lege meiner Übersetzung daher die Lesart, die Ross vorgeschlagen hat, zugrunde und übersetze mit „Unrechtstaten“ (so auch Woods (2005) 195; anders Dirlmeier (1969) 297). 35 Vgl. EE II 10, 1226b34–1227a2: [...] ἀνάγκη τὸ μὲν προαιρετὸν ἅπαν ἑκούσιον εἶναι, τὸ δ’ ἑκούσιον μὴ προαιρετόν, καὶ τὰ μὲν κατὰ προαίρεσιν πάντα ἑκούσια εἶναι, τὰ δ’ ἑκούσια μὴ πάντα κατὰ προαίρεσιν. ἅμα δ’ ἐκ τούτων φανερὸν καὶ ὅτι καλῶς διορίζονται οἳ τῶν παθημάτων τὰ μὲν ἑκούσια τὰ δ’ ἀκούσια τὰ δ’ ἐκ προνοίας νομοθετοῦσιν· εἰ γὰρ καὶ μὴ διακριβοῦσιν, ἀλλ’ ἅπτονταί γέ πῃ τῆς ἀληθείας (Übers. B.L.). 36 Lee weist darauf hin, dass „hekousion“ und „ek pronoias“ in antiken Texten häufig austauschbar verwendet werden (Lee (1937) 133). Beispielsweise kombiniert Antiphon (Or. 1 [In No-

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wenig genau, da ihm zufolge nicht alle willentlichen Handlungen aus Vorbedacht bzw. gemäß einem Entschluss (prohairesis) geschehen.37 Die interne Differenzierung, die er in EN V zwischen Unrechtstaten aus einem Entschluss und Unrechtstaten, die nicht gemäß einem Entschluss geschehen, vornimmt, scheint darauf gemünzt zu sein, die unzureichenden Unterscheidungen in der damaligen Rechtspraxis zu präzisieren und durch Untertypen zu ergänzen.38

4.3 Die Unterscheidungskriterien im Einzelnen Kommen wir zur begrifflichen Bestimmung von Fehlern (hamartêmata), die sich mittels der Kriterien darstellen lässt, durch die Aristoteles vier Arten von Schädigungen abgrenzt. Es gibt zwei Arten unwissentlicher Schädigung: [1] Unglücksfälle (atychêmata) sind Handlungen, die nicht ungerecht sind, sie geschehen [i] gegen die vernünftige Erwartung, sie haben [ii] eine außerhalb der handelnden Person liegende Ursache, sie erfolgen nicht aus Schlechtigkeit, und sie geschehen nicht aus einem Vorsatz heraus. [2] Fehler (hamartêmata) sind Handlungen, die nicht ungerecht sind, sie geschehen [i] nicht gegen die vernünftige Erwartung, sie haben [ii] eine innerhalb der handelnden Person liegende Ursache, sie erfolgen [iii] nicht aus Schlechtigkeit, und sie geschehen nicht aus einem Vorsatz heraus. Und es gibt zwei Arten wissentlicher Schädigung: [3] Unrechtstaten erster Art (adikêmata), kurz: Unrechtstaten–1 bzw. Affekttaten, sind Handlungen, die [iv] ungerecht sind, sie geschehen nicht gegen || vercam], 5) beide Ausdrücke auf nahezu redundante Weise in einer Wendung (τῆς δὲ ἑκουσιώς ἐκ προνοίας ἀποκτεινάσης) (vgl. Gagarin (2005) 109). 37 Eine Handlung erfolgt in der Regel dann gemäß einem Entschluss (prohairesis), wenn ihr ein Prozess des Überlegens und Abwägens vorausgegangen ist, im Zuge dessen sich eine Option als diejenige erwiesen hat, die den anderen möglichen Optionen vorzuziehen ist, und diese Option zum Inhalt eines Entschlusses geworden ist. Ein Entschluss bringt somit einen abwägenden Überlegungsprozess zu seinem Abschluss. Dabei muss sich die Überlegung auf etwas beziehen, was bei der handelnden Person liegt, weswegen sie auch keine Ziele, sondern nur Wege zum Erreichen der gewünschten Ziele zum Inhalt haben kann. 38 Ähnlich auch Rapp (2002) II 433–434, 439–440 und 480; vgl. auch Rhet. I 10, 1368b6–12 sowie I 12, 1372b16–18.

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die vernünftige Erwartung, sie haben eine innerhalb der handelnden Person liegende Ursache, sie erfolgen [v] aus einem notwendigen oder natürlichen Affekt, z.B. aus Zorn, sie erfolgen nicht aus Schlechtigkeit, und sie erfolgen nicht aus einem Vorsatz heraus. [4] Unrechtstaten zweiter Art (adikêmata), kurz: Unrechtstaten–2 bzw. eigentliche Unrechtstaten, sind Handlungen, die ungerecht sind, sie geschehen nicht gegen die vernünftige Erwartung, sie haben eine innerhalb der handelnden Person liegende Ursache, sie erfolgen [vi] aus einem Vorsatz heraus, sie erfolgen aus Schlechtigkeit, und [vii] die handelnde Person ist ungerecht und schlecht. (1) Unwissenheit: Das erste Kriterium, anhand dessen Aristoteles die vier Arten von Schädigungen zunächst in zwei Untergruppen aufteilt, ist die Unterscheidung zwischen wissentlichen und unwissentlichen Schädigungen. Fehlern und Unglücksfällen ist gemeinsam, dass es sich um Schädigungen handelt, die in Unwissenheit (met’ agnoias) geschehen. Dies unterscheidet sie von den beiden Typen von Unrechtstaten, die separiert werden. Die Erläuterungen und Beispiele, die Aristoteles für Unwissenheit im Falle von Fehlern und Unglücksfällen gibt, machen deutlich, dass Unwissenheit um die Einzelumstände der handelnden Person gemeint ist: Die Unwissenheit könne die von der Handlung betroffene Person (hon) (wie im Fall der Tötungshandlung des Ödipus), die Handlung (ho), das Womit (hô[i]) oder das Worumwillen (hou heneka) der Handlung betreffen.39 Die Unwissenheit im Falle von Fehlern und Unglücksfällen betrifft also nicht das Wissen um das Allgemeine oder Nützliche – wovon Aristoteles Unwissenheit um die Einzelumstände in EN III 2 abgrenzt –, und sie gilt auch nicht Wissen, das notwendig und/oder einfach zu haben ist – wovon er Unwissenheit um die Einzelumstände in EE II 9 absondert. Die beiden folgenden Kriterien sind die entscheidenden Merkmale, um Fehler von Unglücksfällen abzugrenzen. (2) Innere Bewegungsursache: Bei Fehlern liegt, so sagt Aristoteles in der in Klammern gesetzten Bemerkung, der „Ursprung der Ursache“ innerhalb der handelnden Person, bei Unglücksfällen liegt er außerhalb. Ich denke, damit ist gemeint, dass die Bewegungsursache bei Unglücksfällen extern ist, während sie bei Fehlern in der handelnden Person liegt. Ein solches Externalitätskriterium ist

|| 39 Sowohl die Hinsichten als auch die Beispiele, die Aristoteles für Unwissenheit um die Einzelumstände der Handlung gibt, entsprechen den Ausführungen an den beiden Parallelstellen in EN III 2 und EE II 9.

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bekannt aus Aristoteles’ Bestimmung von Handlungen aus Gewalt (bia) in EN III 1 und EE II 8; auch hier liegt der Ursprung der Bewegung außerhalb der „handelnden“ Person, wie wenn jemand meine Hand ergreift und damit einen Dritten schlägt.40 Die Formulierung, die sich in EN V 10 als Bezeichnung für die innere Bewegungsursache findet (hê archê tês aitias), ist bei Aristoteles ein Unikum und erläuterungsbedürftig. Henry Jackson hat angesichts der eigentümlichen Phrase eine Korrektur des Textes vorgeschlagen und den Genitiv „tês aitias“ durch „tês agnoias“ ersetzt, so dass vom Ursprung der Unwissenheit die Rede ist.41 Zur Begründung beruft er sich auf Parallelen zu Aristoteles’ Erläuterung selbstverschuldeter Unwissenheit, v.a. in EN III 7. Dort plädiert Aristoteles für die (sogar erhöhte) Strafbarkeit des Betrunkenen mit dem Argument, dass dieser für seine Unwissenheit verantwortlich (aition tês agnoias) ist, weil der Ursprung (gemeint ist wohl: der Ursprung der Unwissenheit) in der betrunkenen Person liegt (hê archê en hautô[i]). Jacksons Konjektur hätte offenkundig einen erheblichen Einfluss auf das Verständnis der Textstelle, da Fehler damit in die Nähe von selbstverschuldeten Vergehen gerückt (oder sogar damit identifiziert) würden, die auf eine Nachlässigkeit der handelnden Person zurückzuführen sind. Ich halte Jacksons Korrekturvorschlag weder für notwendig noch für überzeugend. Erstens steht ihm die Überlieferung der Mehrzahl der MSS (mit Ausnahme des Marcianus Mb und Ha) entgegen und zweitens lässt der Text auch ohne Korrektur eine plausible Lesart zu. Die Formulierung mag zwar für Aristoteles42 ungewohnt und einzigartig sein, sie lässt sich aber durchaus als Bezeichnung für den Ursprung der Bewegung (principium causae) verstehen. (Zudem wäre eine Interpretation, wie Jackson sie durch seine Korrektur zu erreichen versucht, auch || 40 Vgl. EE II 8, 1224a20–23 und EN III 1, 1109b35–1110a4. 41 Jackson (1879) 110–111: „It is plain that this sentence ought to restate the distinction already drawn between ἀτύχημα and ἁμάρτημα: but it is difficult to see how ὅταν ἡ ἀρχὴ ἐν αὐτῷ ᾖ τῆς αἰτίας – so the MSS. except Ha and Mb [and B2] (which have κακίας), and all the editors – can be equivalent to μὴ παραλόγως, and ὅταν ἔξωθεν to παραλόγως. Moreover, ἡ ἀρχὴ τῆς αἰτίας is a strange phrase. Hence I have supposed αἰτίας to be a corruption of ἀγνοίας, and I find the strongest possible confirmation of my conjecture both in the E.N. and in the M.M. Cf. E.N. III 5 §8 [...]: also § 7; and M.M.“ (nämlich I 33, 1195a27–b4). Susemihl hat in der EN-Ausgabe (1880) Jacksons Konjektur übernommen. Stewart erwähnt noch als weitere alternative Korrektur αἰκίας (= Entehrung, unziemliche Behandlung, Misshandlung), das in den Nomoi IX und auch bei Aristoteles in Pol. II 4, 1262a26 vorkommt (Stewart (1892) I, 504 Anm. 1). Unter den neueren Autoren befürwortet Kenny Jacksons Konjekturvorschlag mitsamt der daraus folgenden Interpretation des Textes (Kenny (1979) 59–60 Anm. 1). 42 Stewart (1892), I 504, weist außerdem auf eine parallele Formulierung bei Hippokrates hin (De Vetere Medicina 1, Littré vol. I 570, Zeile 3–4).

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nicht auf eine Veränderung des Textes angewiesen.)43 Um diese Option, nämlich Fehler als fahrlässige Vergehen zu deuten, noch genauer zu diskutieren, ist es zweckmäßig, zunächst das nächste Unterscheidungskriterium hinzuzunehmen. (3) Nicht gegen die (vernünftige) Erwartung: Das zweite Kriterium, anhand dessen Aristoteles Fehler von Unglücksfällen abgrenzt, ist, dass Unglücksfälle gegen das vernünftige Erwarten geschehen, während Fehler nicht wider das vernünftige Erwarten auftreten. Den Ausdruck „παραλόγως“ verwendet Aristoteles in verschiedenen Kontexten und in wechselnden Bedeutungen (z.B. ungewiss, merkwürdig, absurd, paradox, widervernünftig, unerklärlich, unerwartet). In der Physik bezeichnet er den Zufall (tychê) als ein paralogon, weil dieser sich nicht auf die Dinge bezieht, die immer oder meistens auf dieselbe Weise geschehen, sondern diesen entgegen auftritt; daher bezeichnet er den Zufall als unbestimmbar (ahoriston).44 Versteht man paralogos in EN V 10 in diesem Sinne, so ist ein Unglücksfall insofern wider das Erwarten, als er sich nicht vernünftig erklären lässt und somit der vernünftigen Überlegung zuwiderläuft und ihr entzogen ist.45 Es ist naheliegend, zu sagen, dass demgegenüber etwas mê paralogôs (= nicht gegen das vernünftige Erwarten) ist, wenn es nicht unerklärlich ist, d.h. wenn das Auftreten einer derartigen Sache grundsätzlich der vernünftigen Überlegung zugänglich ist und sich rational nachvollziehen lässt. Sherman erläutert mê paralogôs entsprechend: „[…] what is not paralogos is penetrable by human calculation. It is not beyond our reason to account for what happened. Indeed, what happened may be psychologically surprising, even astonishing, but at some level it is subject to coherent explanation.“ Wichtig an dieser Erläuterung ist, dass sie die beiden zentralen Charakteristika von Fehlern berücksichtigt: Fehler geschehen einerseits nicht gegen die vernünftige Erwartung, sondern sie sind grundsätzlich rational nachvollziehbar und erklärlich. Andererseits treten sie effektiv für die

|| 43 Dies zeigt die Position von Richard Sorabji, der zwar Jacksons Emendation ablehnt, Fehler aber ebenfalls als fahrlässige Vergehen deutet (Sorabji (1980) 279–281). 44 Phys. II 5, 197a18–21: καὶ τὸ φάναι εἶναί τι παράλογον τὴν τύχην ὀρθῶς· ὁ γὰρ λόγος ἢ τῶν ἀεὶ ὄντων ἢ τῶν ὡς ἐπὶ τὸ πολὺ, ἡ δὲ τύχη ἐν τοῖς γιγνομένοις παρὰ ταῦτα. ὥστ’ ἐπεὶ ἀόριστα τὰ οὕτως αἴτια, καὶ ἡ τύχη ἀόριστον. 45 Auch Daube, Sherman und Schofield betonen die inhaltliche Nähe zwischen der Bestimmung des Unglücksfalls als etwas, das paralogôs geschieht, in EN V 10 und der Definition des Zufalls in der Physik und in der EE VIII 2, 1247b6–8 (der Zufall wird hier definiert als „aitian alogon anthrôpinô[i] logismô[i]“), den Aristoteles als ti paralogon bezeichnet (Daube (1969) 150; Schofield (1973) 67; Sherman (1992) 187).

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handelnde Person überraschend und unerwartet auf; Sherman nennt sie „psychologically surprising, even astonishing“.46 Lässt sich nun daraus, dass Fehler mê paralogôs (nicht wider vernünftiges Erwarten) geschehen, folgern, dass ihr Auftreten voraussehbar und vermeidbar gewesen ist? Grundsätzlich voraussehbar und vermeidbar wären Fehler gewiss gewesen, das ergibt sich aus ihrer rationalen Erklärbarkeit. Allerdings heißt das nicht notwendig, dass sich daraus auch eine normative Forderung ergibt, derzufolge die handelnde Person ihren Fehler hätte voraussehen und vermeiden sollen.47 Mir scheint, dass Aristoteles Fehler in EN V 10 vielmehr von anderen Arten von selbst-verschuldeten Schädigungen abgrenzen und in die Nähe von harmlosen Unglücksfällen rücken will.

5 Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles Ich gehe davon aus, dass Aristoteles an verschiedenen Stellen unterschiedliche Arten von Handlungen (sowie Affekten bzw. Emotionen und Dispositionen) sehr differenziert auf ihre jeweilige Lobens- bzw. Tadelnswürdigkeit (bzw.: Zurechenbarkeit) hin beurteilt. Das Spezifische von Fehlern lässt sich am besten in Abgrenzung zu anderen Vergehen erfassen.

5.1 Unrechtstaten (adikêmata) Der Fortgang des Textes in EN V 10 enthält die Abgrenzung von unwissentlichen Handlungen von wissentlichen Schädigungen. Anders als Fehler geschehen Unrechtstaten wissentlich, was bereits einen zentralen Unterschied benennt. Eigentliche Unrechtstaten sind überdies solche, die aufgrund eines Entschlusses (prohairesis) und damit aus Schlechtigkeit geschehen. Unrechtstaten, denen kein Entschluss vorausgegangen ist und die nicht auf einen schlechten Charakter zurückzuführen sind, verbindet Aristoteles hier mit menschlichen bzw. natürlichen Emotionen (wie z.B.) dem Zorn.48 Ist die Differenz zwischen Fehlern und

|| 46 Sherman (1992) 187. 47 Vgl. Sherman (1992) 187. 48 Ein aristotelisches Beispiel, das den Unterschied zwischen eigentlichen und uneigentlichen Unrechtstaten, d.h. Unrechtstaten, die auf einem Entschluss beruhen, und solchen, die auf einen natürlichen Affekt zurückzuführen sind, findet sich zu Beginn von EN V 10 erwähnt (1134a17–23).

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Unrechtstaten aufgrund des Kriteriums des Wissens noch eindeutig, so ist die Abgrenzung von Fehlhandlungen, bei denen Unwissenheit eine Rolle spielt, umstrittener.

5.2 Akratische Handlungen Relativ klar erscheint es mir, dass Fehler etwas anderes sind als die Handlungen des schwachen Akratikers.49 Der Unbeherrschte handelt anders, als er es grundsätzlich für richtig hält, weil eine akute, der Vernunft gegenläufige Begierde sich als stärker erweist und dazu führt, dass er temporär nicht über sein Wissen um die richtige allgemeine Prämisse verfügt bzw. es nicht anwendet, sondern die Begierde anstelle des vernünftigen Seelenteils sein Handeln bestimmt. Die Unbeherrschtheit sieht Aristoteles zwar nicht als eine Schlechtigkeit an, qualifiziert sie aber zumindest als eine „Art von Schlechtigkeit“ (kakia tis)50, auch wenn der Unbeherrschte weniger schlecht und tadelnswürdig ist als der Unmäßige.51 Akratische Handlungen sind somit (wie Unrechtstaten) auf die charakterliche Beschaffenheit der handelnden Person zurückzuführen; sie erfolgen gleichsam habituell und nicht einmalig, wie es bei Fehlern der Fall zu sein scheint. Über Fehler sagt Aristoteles dagegen explizit, dass sie nicht aus Schlechtigkeit und Gemeinheit erfolgen.52

5.3 Handlungen in selbstverschuldeter Unwissenheit (Trunkenheit, Zorn, Nachlässigkeit) Sicherlich die beliebteste Gleichsetzung ist die von Fehlern und den verschiedenen Kandidaten für selbstverschuldete Unwissenheit, die Aristoteles diskutiert. In beiden Ethiken und auch in der Rhetorik anerkennt er, dass es unwissentliche

|| 49 Aristoteles unterscheidet in EN VII 8, 1150b19–22 und b25–28 zwischen der Unbeherrschtheit aus Schwäche und der Unbeherrschtheit aus Voreiligkeit. Diese unterscheidet sich von jener dadurch, dass hier keine Überlegung stattfindet und somit auch kein Entschluss resultiert. 50 EN VII 6, 1148a2–4. 51 EN VII 9, 1151a20–25. 52 Aus ähnlichen Gründen halte ich auch die Deutungen von Lefèvre (1987) und Schmitt (1987/88) für verfehlt, die die hamartia im Ödipus Rex sowie in der Rezeption von Aristoteles nicht als einzelne Fehlhandlung, sondern als verfehlten Charakterzug zu deuten versuchen. Lefèvre z.B. spricht von einem „hamartia-Komplex“ und nimmt an, dass Ödipus’ Neigung zu Unüberlegtheit und Zorn zur Tötung am Dreiweg führten.

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Fehlhandlungen gibt, für welche die handelnde Person trotz ihrer Unwissenheit Tadel verdient. Dazu zählt Unwissenheit aufgrund von Trunkenheit, Unwissenheit infolge starker Emotionen wie Zorn oder durch Nachlässigkeit (ameleia). Die Begründung für die Zurechenbarkeit derartiger unwissentlicher Handlungen lautet, dass die handelnde Person in diesen Fällen verantwortlich für ihre Unwissenheit ist und es bei ihr lag, sie zu vermeiden. In meinen Augen ist jedoch das Originelle der vierfachen Unterscheidung in EN V 10, dass Aristoteles hier in Gestalt von Fehlern einen anderen Typus von unwissentlicher Fehlhandlung einzufangen versucht, der faktisch auch vorkommt, der sich aber von den genannten tadelnswerten Handlungen unterscheidet. Es kommt bei möglichen Beispielen für Fehler freilich sehr darauf an, wie man die Geschichte erzählt; und es erscheint nicht abwegig, den Fall des Ödipus so zu erzählen, dass sein Unwissen auf Nachlässigkeit oder einer starken Emotion beruht. Ein vielleicht eher überzeugendes Beispiel behandelt Antiphon in der Zweiten Tetralogie in Gestalt eines Speerwerfers, der in der Trainingsstunde wie gewohnt mit dem Speer wirft und dabei versehentlich einen Mitschüler trifft, der über den Wurfsektor läuft und von dem Speer tödlich getroffen wird. Die zur Entscheidung stehende Frage, die sich hier den Richtern stellt, ist die, ob der Wurfschüler damit hätte rechnen können, dass sein Mitschüler über das Feld läuft, während alle anderen Schüler vom Rand aus den Wurf abwarten. In einem solchen Fall könnte Aristoteles es als angemessen ansehen, den Wurfschüler vom Vorwurf der Nachlässigkeit freizusprechen und ihm nur einen tragischen Fehler anzulasten, da es für ihn zwar nicht mê paralogos ist, dass er seinen Mitschüler trifft, dass es für ihn aber effektiv nicht erwartbar war, dass einer der Mitschüler während des Werfens über den Wurfsektor läuft.53

|| 53 Es sei erwähnt, dass ein anonymer Kommentator in seinen Erläuterungen der Passage in EN V 10 die Beispiele anders zuordnet. Der Kommentator betrachtet den Fall einer versehentlichen Tötung mit dem Speer während des Trainings als einen tragischen Unfall, ein atychêma; als Beispiel für einen Fehler erwägt er demgegenüber eine Situation, bei der sich der Tatort stattdessen auf einer Straße mit Passanten befindet. Der Wurfschüler beginge hier einen Fehler (hamartia), weil er sich nicht ausreichend über die Risiken seines Werfens vergewissert hat und daher aus Fahrlässigkeit handelt (vgl. Eustratios / Michael / Anonymus: In Ethica Nicomachea Commentaria, CAG XX 238.2–8).

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5.4 Handlungen in Unwissenheit um etwas, was einfach und/oder notwendig zu wissen ist und aus Nachlässigkeit nicht gewusst wird In der EE erwähnt Aristoteles, wenn er Unwissenheit als mögliche Entschuldigungsbedingung für willentliches Handeln erörtert, die Möglichkeit, dass eine Person nicht über Wissen verfügt, das notwendig oder einfach zu haben ist und über das die Person aufgrund von Lust, Unlust oder Nachlässigkeit nicht verfügt.54 Hier liegt eine weitere Differenzierung innerhalb von selbstverschuldeter Unwissenheit vor, denn Aristoteles geht davon aus, dass es Dinge gibt, die jeder kennen sollte und die nicht zu kennen, jemandem als Nachlässigkeit anzulasten ist. Auch dies ist ein anderer Fall, da es bei Fehlern zum einen der handelnden Person nicht an notwendigem oder einfachem Wissen zu mangeln scheint; zum anderen ist m.E. die Formulierung in EE II so zu verstehen, dass es sich nicht um disjunktive Bedingungen handelt, sondern der Mangel an notwendigem und einfachem Wissen nur dann tadelnswert ist, wenn die handelnde Person aus Lust, Unlust oder Nachlässigkeit nicht darüber verfügt. Diese möglichen Ursachen für den Wissensmangel liegen aber bei einem Fehler nicht vor.

5.5 Plötzliche Handlungen Einen alternativen Deutungsvorschlag, zu dem mir sonst keine Parallele bekannt ist, stammt von Rösler. Er macht auf die zeitliche Dimension der Handlung des Ödipus am Dreiweg aufmerksam und deutet Fehler wie diesen als plötzliche Handlungen. Eine plötzliche Handlung zeichnet es nach Aristoteles aus, dass zwischen dem Wahrnehmen der Handlungssituation und dem Vollzug der Handlung keine Zeit ist, um zu überlegen und einen Entschluss zum Handeln zu

|| 54 EE II 9, 1225b8–16: „Was also jemand nicht in Unwissenheit und durch sich selbst tut, wenn es auch bei ihm liegt, nicht zu handeln, dann geschieht das notwendigerweise willentlich, und dies ist das Willentliche. Was man in Unwissenheit und aufgrund von Unwissenheit tut, ist unwillentlich. Da aber Wissen und Verstehen zweierlei Art sind, das eine das Haben, das andere das Gebrauchen des Wissens, mag derjenige, der es hat, aber nicht gebraucht, auf eine Weise zu Recht unwissend genannt werden, auf eine andere Weise aber auch zu Unrecht, z.B. wenn er es aufgrund von Nachlässigkeit nicht gebrauchte. Ebenso würde auch derjenige getadelt, der es nicht einmal hat, wenn das Wissen, das er nicht hat, leicht oder notwendig war und er es aufgrund von Nachlässigkeit, Lust oder Schmerz nicht hat. Dies also ist der Definition hinzuzufügen.“

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fassen.55 Aristoteles’ Behandlung plötzlicher tapferer Handlungen in EN III 11 zeigt überdies, dass er diese trotz eines fehlenden Entschlusses als zurechenbar ansieht, und zwar mit der Begründung, dass sie direkt aus der entsprechenden Disposition heraus erfolgen. Röslers Vorschlag, Fehler als plötzliche Handlungen zu deuten, hat zum einen die Schwierigkeit, dass er plötzliche Handlungen anders beschreibt, als Aristoteles dies tut. Rösler spricht von einem „spontanen Entschluss“, auf den unmittelbar die Handlung folgt;56 für Aristoteles ist es dagegen wesentlich für einen Entschluss, dass ihm eine Überlegung vorausgeht; das schließt spontane Entschlüsse aus. Andererseits scheint es nach der Bestimmung in EN V 10 nicht das Spezifische von Fehlern zu sein, dass sie mit einem plötzlichen Handeln verbunden sind; plötzlich erfolgt in einer guten Tragödie vielleicht der Umschlag von Unkenntnis in Kenntnis, aber die Handlung, deren Fehlerhaftigkeit erkannt wird, muss nicht plötzlich geschehen. Es mag richtig sein, dass der Totschlag, wie die Ereignisse im Oedipus Rex beschrieben werden, plötzlich erfolgt. Aber das Beispiel des Speerwerfers zeigt, dass Fehler ebenso gut ohne das Merkmal der Plötzlichkeit auftreten können. Dass ein Fehler mê paralogos geschieht, ist mithin nicht durch sein plötzliches Auftreten zu erklären.

5.6 Fehler als entschuldbare, jedoch grundsätzlich nachvollziehbare und erklärliche Fehlhandlungen Es sollte deutlich geworden sein, dass ich Fehler, wie sie in EN V 10 erläutert werden, nicht als nachlässige oder fahrlässige Vergehen auffasse. Damit weiche ich ab von Deutungen, die insbesondere von deutschen Rechtswissenschaftlern in der ersten Hälfte des 20. Jhs. vertreten wurden, nämlich dass Aristoteles in Gestalt des Fehlers die Konzeption fahrlässiger Vergehen vorbereitet oder gar entwickelt hat. So sah z.B. der Rechtswissenschaftler Richard Loening in der Unterscheidung der Schädigungsarten einen Vorläufer der später im Römischen Recht etablierten Trias von casus, culpa und dolus.57 Auch in die philosophische Sekundärliteratur hat diese Deutung Eingang gefunden (z.B. bei Gauthier/Jolif und bei Sorabji).58 Mein Ziel war es demgegenüber, auszuloten, ob Aristoteles in seiner Übersicht in EN V Fehler als spezifischen Typus von Fehlhandlung von

|| 55 Aristoteles erwähnt plötzliche Handlungen in: EE II 8, 1224a2–4 und EE II 10, 1226b2–5 sowie EN III 4, 1111b6–10. Plötzlichkeit bestimmt er ferner in Phys. IV 13, 222b14–15. 56 Rösler (2011) 339. 57 Vgl. Loening (1903) 210–235; Maschke (1926) 155–159; Kübler (1930). 58 Gauthier/Jolif (1970) II 1, 400f.; Sorabji (1980), insb. 278–281.

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Unglücksfällen einerseits und Unrechtstaten andererseits abgrenzt und sie aufgrund ihrer effektiven Unvorhersehbarkeit für die handelnde Person in die Nähe von Unglücksfällen rückt. Fehler wären demnach zwar zurechenbare, aber zu entschuldigende Vergehen.

6 Schluss Gleichwohl ist mein Fazit abschließend eine Relativierung des erzielten Ergebnisses, auch wenn dies kein guter rhetorischer Topos ist: Denn letztlich scheint es mir zu weit zu gehen, zu sagen, dass Aristoteles in EN V 10 Fehler eindeutig als eigenen Handlungstypus etabliert. Denn erstens ist es die einzige Stelle, wo er eine derartige begriffliche Bestimmung unternimmt. Und zweitens geht es ihm mit seiner Auffächerung vielleicht viel eher darum, auf eine bloß graduelle Abstufung und einen kontinuierlichen Übergang zwischen den verschiedenen denkbaren Fehlhandlungen aufmerksam zu machen.59 Womöglich will er damit das Auge des Betrachters schärfen für die relevanten Aspekte der Handlungssituation, auf die es bei der Beurteilung der Handlung und vor allem des Handelnden ankommt.

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|| 59 Zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangen auch Rösler und Flashar (vgl. Rösler (2011) 341; Flashar (2006) 673–674; anders: Lurje (2004) 323–327).

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Laura Summa

Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles – Kinder als potenziell vernünftig Handelnde In der Nikomachischen Ethik erwähnt Aristoteles Kinder oft in einem Atemzug mit Tieren. Er tut dies in Kontexten, in denen er Kinder als Beispiel für nicht-rationale Lebewesen vom vernünftigen Menschen (phronimos) abgrenzen möchte. Kinder, wie Tiere, treffen aus Aristoteles’ Sicht keine Entscheidungen und können deshalb im strengen Sinne des Wortes auch keine Handlungen ausführen (EN III 4, 1111b8–9; vgl. auch EE II 8, 1224a25–30). Deshalb ist es ihnen auch (noch) nicht möglich, ein gutes Leben zu führen (EN I 10, 1099b32–1100a4). Kinder schlichtweg als nicht-rationale oder a-rationale Wesen zu begreifen, stellt allerdings eine Schwierigkeit für die Rekonstruktion des Prozesses der moralischen Erziehung dar. Wenn das Subjekt des Tugenderwerbsprozess ganz ohne Vernunft ist, so muss auch der Prozess selbst als eine Art mechanische Nachahmung zu verstehen sein, der ohne jegliche intellektuelle Einsicht oder vernünftige Erklärung auskommt. Am Anfang des Erziehungsprozesses steht dann ein unvernünftiges, ja tierartiges Kind, am Ende der voll ausgebildete, reflektierende, tugendhafte Mensch. Dabei bleibt unklar, wie der Sprung von ersterem zu letzterem gelingen soll. Um dieses Problem zu lösen, werde ich Aristoteles’ Verständnis von Kindheit analysieren und zeigen, dass Kindheit eine Phase der menschlichen Entwicklung ist, in der das menschliche Kind Vernunftfähigkeit graduell ausbildet. Auf dieser Grundlage wird es möglich sein, den Begriff der Erziehung ebenfalls als einen graduellen Prozess zu verstehen, bei dem Vorgänge der Einübung und Gewöhnung an richtige emotionale Reaktionen mit Lern- und Entwicklungsprozessen auf kognitiver Ebene einhergehen, wenn nicht sich sogar gegenseitig bedingen. So möchte ich die enge Verzahnung von kognitiver Entwicklung und charakterlicher Formung nachweisen. Zuerst werde ich einige zentrale Einsichten über den Prozess der Habituation darlegen, d.h. über den Prozess, innerhalb dessen die charakterlichen Dispositionen des Kindes geformt werden. Danach werde ich durch eine detaillierte Analyse der Darstellung der kindlichen Fähigkeiten in den zoologischen Schriften des Aristoteles zeigen, dass die Analogie zwischen Kind und Tier in der Nikomachischen Ethik mehr eine rhetorische Figur als eine substanzielle Behauptung darstellt. Zuletzt werde ich untersuchen, inwiefern Kinder sowohl aktiv als auch passiv in graduell wachsender Weise an der den Menschen ausmachenden https://doi.org/10.1515/9783110735598-012

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Fähigkeit zum logos teilhaben und inwiefern dies den Erwerb der charakterlichen Tugend ermöglicht.

1 Einsichten über den Prozess der Habituation Um das genannte Ziel dieses Beitrages zu erfüllen, werde ich in einem ersten Schritt den Prozess der Habituation (ethismos) nach Aristoteles, d.h. den Prozess des Tugenderwerbs skizzieren.1 Es gibt zwei Thesen, die ich in Bezug auf diesen Prozess vertreten möchte. Die erste These besagt, dass der Prozess der Habituation, auch wenn dieser Prozess nicht ein Vorgang der intellektuellen Belehrung ist, weder als stupide Einübung von Bewegungen noch als verständnisloses Nachahmen von Handlungen oder gar als bloßes Ausführen von Anweisungen abläuft,2 sondern ein Prozess ist, in dem Kinder eigenständig tätig sind, darin aber durch Ratschläge, Ermahnungen, Lob und Tadel von der erziehenden Bezugsfigur begleitet werden.3 Der Schlüsselbegriff, mit dem dieser Prozess bezeichnet werden kann, ist daher der von Myles Burnyeat geprägte Begriff der || 1 Der Begriff der Habituation wird in Anlehnung an die englische Forschungsliteratur für den Erwerb von tugendhaften Dispositionen verwendet. Der Begriff der Gewöhnung ist breiter und umfasst den Erwerb jeglicher Art von Disposition, auch den einer lasterhaften Disposition (vgl. EN VII 11, 1152a27–30) oder den einer krankhaften Störung (vgl. EN VII 6, 1148b25–31). – Ich verwende in diesem Aufsatz die folgenden Ausgaben: Aristoteles De an., EN, Met., Poet. (Kassel), Pol.: OCT; EE: Teubner; Hist. an.: Balme (CCTC); Part. an.: Budé; Rhet.: Kassel; De sensu: W.D. Ross; Platon R.: OCT (Slings). 2 Sorabji (1980), Sherman (1989), 7, McDowell (1996), 30, und Frede (2008) beispielsweise richten sich jeweils explizit dagegen, den Prozess der Gewöhnung als „mindless repetition/drill“ oder „passive absorption“ (Russell (2015) 24) zu verstehen. Vergleiche dazu die ausführliche Diskussion in Summa (2022), Kap. 3.2.1. 3 Für den Begriff des Handelns setzt Aristoteles drei Kriterien an: Jemand handelt wissentlich, vorsätzlich und aus einer festen Disposition heraus (vgl. EN II 3, 1105a30–33). Der Begriff des Handelns im eigentlichen Sinn kann Kindern daher nicht zugeschrieben werden. Im Folgenden werde ich also vermehrt vom ‚Tätigsein‘ des Kindes sprechen, um keine falschen Assoziationen zu wecken. Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine starke und eine schwache Lesart des Begriffs des Handelns zu verwenden, wie es Ursula Wolf in ihrem Kommentar zu EN vorschlägt. Der starke Begriff von Handeln würde die genannten Kriterien des Wissens, des Vorsatzes und der charakterlichen Grundhaltung voraussetzen, während ein schwacher Begriff des Handelns diesen Kriterien nicht entsprechen müsste. Dieser schwache Begriff wäre dann auf das Handeln von Kindern anwendbar und würde lediglich verlangen, dass das Kind „eine Handlung tut, die so beschaffen ist, wie ein Gerechter sie tun würde.“ Wolf (2007) 69. Daran bleibt jedoch zu kritisieren, inwiefern dann das ‚wie‘ gemeint ist – denn das allein von außen zu beobachtende Tun ist ja eben nur ein Teil einer Handlung, wie Aristoteles sie versteht.

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‚advice guided activity‘, dem ich durch meine Interpretation zusätzliche Evidenz verleihen und den ich gleichzeitig verfeinern möchte. Meine zweite These lautet, dass das Gelingen des Prozesses von der Beziehung zwischen erziehender Bezugsfigur und Kind abhängt, es sich also um einen bedeutungsvollen interpersonalen Prozess handelt.

1.1 Habituation als ‚advice guided activity‘ Bekanntermaßen nimmt Aristoteles aufgrund der Zweiteilung der menschlichen Seele in einen rationalen und einen arationalen Teil an, dass es auch zwei unterschiedliche Formen von Tugend gibt. Diesen beiden verschiedenen Formen von Tugend, nämlich der Tugend des Charakters und des Verstandes, ordnet Aristoteles unterschiedliche Formen des Erwerbs zu. Die Tugend des Charakters (aretê êthikê) entstehe durch Gewöhnung (ethismos), die Tugend des Verstandes durch Belehrung.4 Diese Dichotomie oder Gegenüberstellung verleitet zu folgender Interpretation: Die intellektuellen Tugenden entstehen durch Belehrungen, im Unterschied dazu muss der Prozess der Habituation ohne verbale Kommunikation auskommen. Diese Interpretation verführt sodann zu der Annahme, Aristoteles sehe Kinder als nicht-vernünftige, quasi tierartige Lebewesen, die wie der pawlowsche Hund auf die Tugend konditioniert werden können, ohne dass sie für rationale Erklärungen oder Erläuterungen empfänglich wären. Der Gegenentwurf zu dieser Interpretation verbirgt sich hinter dem Begriff der ‚advice guided activity‘. Ich möchte auf alle drei Aspekte dieses Begriffes genauer eingehen: activity, advice, guidance. Zunächst zum Begriff der Aktivität. Aristoteles vertritt die Auffassung, dass tugendhafte Haltungen durch tugendhaftes Handeln erworben werden.5 Dies kann kurz gesagt als learning-by-doing-These bezeichnet werden.6 Aristoteles vertritt des Weiteren die Auffassung, dass Handlungen die Äußerungen von charakterlichen Haltungen sind. Der tugendhafte Charakter eines Menschen drückt sich in tugendhaften Handlungen aus.7 Beide Thesen zusammengenommen stellen jedoch ein Problem dar: Einerseits muss ich tugendhaft sein, um tugendhaft zu handeln; andererseits kann ich aber nur tugendhaft werden, indem ich || 4 Vgl. EN II 1, 1103a14–18. 5 Vgl. EN II 1, 1103a26–1103b2. 6 Zu einer lesenswerten Verteidigung der Auffassung, dass Aristoteles diese These sinnvollerweise zugeschrieben werden kann, siehe Müller (2019). 7 Diese Auffassung kommt in der gesamten EN zum Tragen, sehr deutlich aber innerhalb Aristoteles’ Überlegungen zur Verantwortung für den eigenen Charakter. Vgl. EN III 7.

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tugendhaft handle. Wenn dies stimmt, ist Aristoteles’ Beschreibung des Tugenderwerbs zirkulär: Man kann nicht tugendhaft werden, ohne bereits tugendhaft zu sein.

1.1.1 Das Paradoxon des Lernens durch Handeln Dieses Paradoxon möchte ich an einem Beispiel erläutern. Ein Kind hat noch nicht die kognitiven Fähigkeiten zu verstehen, was zum Beispiel Gerechtigkeit ist. Für eine gerechte Handlung setzt Aristoteles aber drei Kriterien an: Sie muss wissentlich geschehen (eidôs), sie muss mit Absicht geschehen (prohairoumenos) und sie muss aus einer festen Disposition heraus geschehen (vgl. EN II 3, 1105a30–33).8 Das Kind erfüllt nun diese Kriterien nicht. Es ist kognitiv noch nicht weit genug entwickelt, um wissentlich zu handeln, und ist auch noch zu keiner prohairesis fähig; zudem befindet es sich noch im Lernprozess und hat daher noch keine feste Disposition. Daher kann ein Kind also nicht gerecht handeln. Es muss aber gerecht handeln, um die feste Disposition zu erwerben. Wie soll dies möglich sein? Nun legen einige Beispiele nahe, dass wiederholte Handlungen sehr wohl zu einem gewissen Lernprozess beitragen können. So fordern wir Kinder dazu auf, sich zu bedanken, wenn sie etwas bekommen. Kinder wissen vermutlich noch nicht, was Dankbarkeit ist. Sie haben auch noch keine feste Disposition, aus der heraus sie sich verlässlich bedanken. Wir müssen sie häufig daran erinnern. Doch irgendwann beginnen Kinder, sich immer wieder auch unaufgefordert zu bedanken. Und mit fortschreitendem Alter wissen sie immer besser, wann es angemessen ist, Dankbarkeit zu zeigen, und wie sie diese Dankbarkeit ausdrücken können. Vermutlich könnte ein Erwachsener eine dankbare Haltung nur schwer einnehmen, wenn er nie als Kind gelernt hätte, sich zu bedanken. Ein anderes Beispiel: Ein Kind hat Angst davor, ins Wasser zu springen. Es wird jedoch von den Eltern dazu ermutigt oder es beobachtet ein anderes Kind, wenn es lachend ins Wasser springt. Das Kind wird vielleicht seine Angst überwinden können, wird mutig ins Wasser springen und danach merken: ‚Das war gar nicht schlimm‘. Das Kind ist durch die tapfere Handlung tapferer geworden. Demnächst springt es vielleicht auch vom Sprungbrett und nicht nur vom Rand ins Wasser. Durch kleine Erfolgserlebnisse tritt so eine Veränderung der Persönlichkeit auf. Diese Beispiele zeigen, dass die Ausführung oder Wiederholung von Handlungen dazu führen kann, dass wir eine bestimmte Haltung einüben. || 8 Zur Schwierigkeit der Definition von Handlungen bei Aristoteles vgl. Buddensiek (2008).

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Allerdings wird auch deutlich, dass Menschen offenbar nicht von Natur aus dankbar oder tapfer sind. Sie brauchen einen von außen kommenden Anstoß in Form einer Empfehlung oder eines Vorbildverhaltens, um sich zu verändern. Neben diesen Beispielen gibt es auch noch eine andere Möglichkeit, der aristotelischen These eine gewisse Plausibilität zuzuschreiben. Stellen wir uns einen Menschen vor, der gerecht werden will. Jeden Tag aufs Neue verhält er sich seinen Mitmenschen gegenüber jedoch ungerecht und nimmt sich jedes Mal vor: ‚Morgen mache ich es anders‘. Wir würden Aristoteles zustimmen, dass dieser Mensch niemals gerecht werden wird, wenn er nicht endlich damit anfängt, sich so zu verhalten.9 Doch auch hier bleibt eine unauflösliche Spannung: Wenn es sich jemand zum Ziel macht, sich gerechter zu verhalten, so muss er doch wissen, was gerecht ist. Oder weiß er es gar nicht, weil er niemals gerecht handelt? Wie aber soll er je so handeln und gerecht werden, wenn er nicht weiß, was gerecht ist? Daraus ergibt sich letztlich die Frage, ob Lernen überhaupt möglich ist.

1.1.2 Die Lösung des Paradoxon Aristoteles selbst spricht dieses Problem an. Er schlägt meines Erachtens eine Lösung vor, die häufig übersehen wird und die ich im Folgenden anschaulich machen möchte. Als Reaktion auf den möglichen Einwand, er liefere eine zirkuläre Beschreibung des Lernens, erwidert Aristoteles: Ἀπορήσειε δ᾿ ἄν τις πῶς λέγομεν ὅτι δεῖ τὰ μὲν δίκαια πράττοντας δικαίους γίνεσθαι, τὰ δὲ σώφρονα σώφρονας· εἰ γὰρ πράττουσι τὰ δίκαια καὶ τὰ σώφρονα, ἤδη εἰσὶ δίκαιοι καὶ σώφρονες, ὥσπερ εἰ τὰ γραμματικὰ καὶ τὰ μουσικά, γραμματικοὶ καὶ μουσικοί. ἢ οὐδ᾿ ἐπὶ τῶν τεχνῶν οὕτως ἔχει; ἐνδέχεται γὰρ γραμματικόν τι ποιῆσαι καὶ ἀπὸ τύχης καὶ ἄλλου ὑποθεμένου. τότε οὖν ἔσται γραμματικός, ἐὰν καὶ γραμματικόν τι ποιήσῃ καὶ γραμματικῶς· τοῦτο δ᾿ ἐστὶ τὸ κατὰ τὴν ἐν αὑτῷ γραμματικήν. Es könnte aber jemand eine Schwierigkeit darin sehen, was wir meinen, wenn wir sagen, man könne gerecht werden nur dadurch, dass man Gerechtes tut, und mäßig nur dadurch, dass man Mäßiges tut. Denn wenn jemand tut, was gerecht und mäßig ist, ist er schon gerecht und mäßig, ebenso jemand, wenn er Grammatisches und Musikalisches tut, bereits ein Experte in der Grammatik und Musik ist. Oder verhält es sich schon beim Herstellungswissen nicht so? Jemand kann ja etwas Grammatisches auch durch Zufall (apo tychês) oder unter Anleitung (hypothemenou) tun. Er wird also ein Experte in der Grammatik erst dann sein, wenn er etwas Grammatisches tut und dies zugleich in der Weise des Grammatik-

|| 9 S. EN II 3, 1105b11–12: „Ohne das Tun dieser Dinge […] könnte niemand auch nur erwarten, gut zu werden“ (Übersetzung Wolf).

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experten tut, und das heißt, wenn er es aufgrund des in ihm selbst vorhandenen Grammatikwissens tut. (EN II 3, 1105a17–26; Übers. Wolf)

Aristoteles erörtert in dieser Passage verschiedene Möglichkeiten und Varianten, wie es zu richtigen Handlungen kommen kann. Die beste Variante ist, dass ein Wissender oder Experte eine Handlung ausführt, zum Beispiel, wenn ein Musiker etwas Musikalisches tut. Der Musiker handelt aufgrund seines eigenen Wissens. Kinetisch betrachtet heißt dies, dass er das Prinzip der Bewegung in sich selbst trägt. Es ist aber auch möglich, dass jemand, der selbst nicht über ein musikalisches Expertenwissen verfügt, etwas Musikalisches tut, und zwar entweder durch Zufall oder unter Anleitung eines anderen, der ihn leitet oder führt. Angewandt auf unsere Ausgangsfrage ist diese Variante bedeutsam, denn daraus folgt, dass die Möglichkeit besteht, dass ein Lernender, der noch nicht selbst über Wissen verfügt, richtige Handlungen unter Anleitung ausführen kann.10 In Aristoteles’ kinetisches Vokabular übersetzt bedeutet dies, dass der Lernende x das Prinzip seines Handelns, also dasjenige, das Art und Richtung seiner Bewegungen bestimmt, außerhalb seiner selbst, im Erziehenden oder Lehrenden y finden kann. Dies erfordert wiederum, dass y über ein solches Bewegungsprinzip in sich selbst verfügt, d. h. selbst ein Experte ist. Er oder sie muss das jeweilige Expertenwissen aktual besitzen sowie die zugehörigen Handlungsdispositionen, die es ermöglichen, dieses Wissen zuverlässig und regelmäßig anzuwenden. Diese naheliegende Lesart ist jedoch in dreierlei Hinsicht noch problematisch. Ein erstes Problem besteht darin, dass Aristoteles in den bereits besprochenen Passagen ganz ausdrücklich fordert, dass derjenige, der habituiert wird, selbst tätig ist. Wir können ihn also nicht als passive Marionette vorstellen, die einfach ausführt, was eine erziehende Bezugsperson anordnet. Das zweite Problem ist, dass die Beschreibung einer Bewegung, deren Prinzip außerhalb des Handelnden selbst liegt, an Aristoteles’ Definition von Handlungen unter Zwang erinnert.11 Eben dies, so meine Argumentation, schließt Aristoteles ausdrücklich für den Prozess der Habituation aus: Das Kind soll nicht zum korrekten Handeln gezwungen, sondern motiviert werden.12 Ein dritter relevanter Punkt besteht || 10 Ebenso argumentieren Burnyeat und Wolf. Vgl. Burnyeat (1980) 74 und Wolf (2011) 69. 11 Eine Handlung wird unter Zwang ausgeführt, wenn der Bewegungsimpuls nicht von innen, d. h. vom Handelnden selbst, sondern von außen kommt. Vgl. EE II 8, 1224b7–8. 12 Die Möglichkeit, dass der Prozess das Habituation damit verbunden ist, Kinder z.B. durch Drohungen zu bestimmten Handlungen zu zwingen, ist durch zwei kurze Überlegungen ausgeschlossen: Zwang verursacht nach Aristoteles Unlust, Lernen hingegen ist mit Lust verbunden.

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darin, dass Kinder nicht ohne eigenen Antrieb (wie leblose Körper) sind. Sie haben bereits ein natürliches Streben und Wollen (vgl. Pol. VII 15, 1334b20–25), auch wenn sie noch keine rationalen Entscheidungen treffen. Eine Lösung des Problems muss diese drei Schwierigkeiten auflösen können. Dies gelingt, wie ich im Folgenden zeigen möchte, mit Aristoteles’ eigenem Begriffsinstrumentarium. Gehen wir nochmals einen Schritt zurück zu den Prämissen. Der Lehrende y soll ‚externes‘ Bewegungsprinzip von x, dem Lernenden, sein und gleichzeitig soll der Lernende selbst in Aktivität sein und dabei die Fähigkeiten erwerben, die ihn bei einem erfolgreichen Gewöhnungsprozess in der Zukunft befähigen werden, aus sich selbst heraus in Aktivität zu sein. Dies ist nur vorstellbar, wenn wir das, was die erziehende Bezugsfigur als solche repräsentiert, als causa finalis verstehen, nämlich als Ziel oder Vorbild, zu dem das Kind aus eigenem Wollen heraus hinstrebt.13 Diese Lösung vereint alle drei Kriterien: Das Kind, das nacheifert, ist aus eigenem Antrieb aktiv und wird nicht gezwungen. Und das ist möglich, da das Kind ja schon ein Wollen hat, aus dem heraus es jemandem nachstreben kann. Grundlage dieses Prozesses ist die angeborene Fähigkeit des Menschen zur Nachahmung (mimêsis).14 Durch Nachahmung kann sich das Kind Verhaltensweisen des erwachsenen Vorbilds aneignen. Meiner Interpretation nach muss dabei kein Gegensatz zwischen dem Modell der Habituation durch Gewöhnung und dem Lernen am Vorbild bestehen: man kann das Lernen am Vorbild als Teil des Prozesses der Habituation verstehen. Die Bedenken, dass das Lernen am Vorbild gerade in Bezug auf das tugendhafte Handeln schwierig oder gar unmöglich sei, weil es beim tugendhaften Handeln gerade auf die innere Haltung ankäme und diese von außen weder sichtbar noch einfach ‚kopierbar‘ wäre,15 lassen sich dabei durch folgenden Hinweis ausräumen: Der Lehrende muss seine Rolle erfüllen, indem er einerseits selbst tugendhaft lebt und handelt, gleichzeitig aber auch

|| Durch Zwang würde sich der gewünschte Effekt also nicht einstellen. Gegen diese Auffassung argumentiert z.B. Curzer (2002). Für eine detailliertere Widerlegung seiner Argumente siehe Summa (2022), Abschnitt 8.1. 13 Die Konzeption, dass Habituation als Lernen am Vorbild zu verstehen ist, wurde in einem weiteren Zusammenhang schon von Kersting (2005) vorgeschlagen. Von Fossheim (2006) wurde sie explizit ausgearbeitet. Gegen diese Interpretation ist einzig einzuwenden, dass Aristoteles an keiner Stelle in der EN explizit selbst die Begriffe ethos und mimêsis miteinander verbindet. Vgl. Hoffmann (2012) 66–67. Aus systematischen Gründen muss hier allerdings über die EN hinausgedacht werden. 14 Vgl. Poet. 4, 1448b5–9. 15 Vgl. Hoffmann (2012) 65–67 und die ausführliche Diskussion ihrer Argumente in Summa (2022), Kap. 8.6.

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Rechenschaft über sein eigenes Verhalten, seine Gefühle und seine Motivation ablegt und so dem Kind einen Einblick in seine Emotionen, Überlegungen und Entscheidungen gewährt. So kann er dem Kind ermöglichen, die richtigen Handlungen auszuführen und dabei zugleich die innere Haltung kennenzulernen, aus der heraus das erwachsene Vorbild die Handlungen ausführt, ohne dass es selbst diese innere Haltung bereits besitzt. Somit ist das Kind in einem aktiven Prozess begriffen, indem es sich das Handlungsprinzip, durch das sein Vorbild geleitet ist, zu eigen macht, d. h. es internalisiert und für das eigene Handeln verbindlich macht. So ist die eigene Aktivität mit äußerer Führung und Begleitung verbunden. Am Ende eines gelungenen Erziehungsprozesses verfügt der Jugendliche oder junge Erwachsene dann selbst über die Fähigkeit, die richtigen Handlungen wissentlich, absichtlich und aus einer festen Disposition heraus auszuführen. Sein Handlungsprinzip liegt dann in ihm selbst.

1.2 Beziehung zwischen erziehender Bezugsfigur und Kind Voraussetzung für das Gelingen dieses Prozesses ist allerdings die Beziehung zwischen erziehender Bezugsfigur und Kind. In der Phase, in der das Kind die Prinzipien des Handelns noch nicht selbst besitzt, muss es sich ganz auf die Anweisungen, Ratschläge und Verhaltensweisen des Erwachsenen, dem es folgt, verlassen; es muss ihm blind vertrauen. Diese Interpretation zeigt, dass das Verhältnis zwischen Lernendem und Erziehendem eine wichtige Rolle spielt. Das Kind führt die anempfohlenen Handlungen nur aus, weil es dem Erziehenden vertraut, das Richtige für es zu wollen. Nur aufgrund der Tatsache, dass der Erziehende sie ihm empfiehlt, glaubt es, dass sie richtig sind. Die personale Beziehung ist also ausschlaggebend dafür, dass sich der Effekt der Gewöhnung überhaupt einstellt. Meines Erachtens spielt für Aristoteles die Liebe des Kindes zum Erziehenden dabei eine Schlüsselrolle.16 Dadurch, dass das Kind den Erziehenden liebt, eifert es dessen Idealen nach, möchte sein Lob erhalten und so werden wie er.17 Dieses Nacheifern oder Nachstreben ist der Motor des Habituations|| 16 Aristoteles charakterisiert das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern als Freundschaft bzw. Liebe (philia) (vgl. EN VIII 8, 1158b11–15; EN VIII 14). Während Eltern ihre Kinder von Anfang an lieben, beginnen Kinder erst ihre Eltern zu lieben, wenn sie ihre Beziehung zu ihnen kognitiv erfassen können (vgl. EN VIII 14, 1161b24–26). 17 Psychologische Gründe für diesen Zusammenhang liefern Steutel und Spiecker. Unter anderem gehen sie darauf ein, dass die durch Liebe geprägte Beziehung dazu beiträgt, dass das Kind

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prozesses. Etwas nachzueifern heißt gleichzeitig, es gut zu heißen, und dies bedeutet, eine wertschätzende Haltung ihm gegenüber zu entwickeln. Auch wenn Kinder noch nicht verstehen können, welche Handlungen aus welchen Gründen richtig sind, entwickeln sie durch nachahmendes Handeln in Verbindung mit Lob und Tadel sowie durch angeleitetes Handeln Präferenzen für die richtigen Handlungen. Diese Präferenzen sorgen dafür, dass sie richtige Handlungen schön finden und schätzen oder lieben: Aristoteles beschreibt die emotionale Komponente des Erziehungsprozesses mit den Worten, dass die Lernenden lernen, „bei denjenigen Dingen Lust und Unlust [zu] empfinden, bei denen man soll“ (EN II 2, 1104b12), und so zu Liebhabern des Edlen und Noblen werden.18 So lernen sie, das Gute und Richtige so zu schätzen und zu lieben, dass es ihr Leben und Handeln zunehmend prägt und sie genuine Freude daran finden (vgl. EN I 9, 1099a10–24). Die emotionale Bindung ist die Voraussetzung dafür, dass das Kind dem Erwachsenen gehorcht und folgt, sich über sein Lob und Tadel freut und seinen Anweisungen und Rückmeldungen Respekt und Aufmerksamkeit entgegenbringt. Die Beziehung zwischen erziehender Bezugsperson und Kind muss deshalb von Vertrauen, Liebe und Respekt geprägt sein.

2 Relativierung der Gleichsetzung von Tier und Kind Nachdem wir nun den Prozess der Habituation durch seine Kernelemente bestimmt haben, sollten wir uns dem Subjekt dieses Prozesses zuwenden: dem Kind. Die Gemeinsamkeit zwischen Tieren und Kindern besteht darin, dass sie beide der Vernunft (logos) entbehren. Allerdings ist bereits die Art und Weise, wie dieser Mangel vorliegt, unterschiedlich aufzufassen. Aristoteles hält Tiere grundsätzlich für unfähig, vernünftige Überlegungen anzustellen, überlegungsbasierte Entscheidungen zu treffen oder ihre Einsichten und Wünsche sprachlich-diskursiv darzustellen. Im Gegensatz dazu sind Menschen grundsätzlich vernunftbegabt. Die Abgrenzung, die innerhalb der scala naturae den Menschen von Tieren

|| die Emotionen des Erziehenden spiegelt: Wenn der Erziehende stolz auf es ist, wird es auch selbst stolz auf sich sein und wenn der Erziehende von ihm enttäuscht ist, wird es auch selbst über sich enttäuscht sein. Diese Spiegelung trägt dazu bei, dass positive Gefühle dauerhaft mit tugendhaften Handlungen und negative Gefühle mit schlechten Handlungen assoziiert werden. Vgl. Steutel/Spiecker (2004) 544–546. 18 Vgl. Burnyeat (2006) 222–223.

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trennt, wird genau durch die Logos-Fähigkeit des Menschen begründet. Die dafür ergiebigste Belegstelle stellt Pol. I 2, 1253a1–18 dar: ἐκ τούτων οὖν φανερὸν ὅτι τῶν φύσει ἡ πόλις ἐστί, καὶ ὅτι ὁ ἄνθρωπος φύσει πολιτικὸν ζῷον, καὶ ὁ ἄπολις διὰ φύσιν καὶ οὐ διὰ τύχην ἤτοι φαῦλός ἐστιν, ἢ κρείττων ἢ ἄνθρωπος […]. διότι δὲ πολιτικὸν ὁ ἄνθρωπος ζῷον πάσης μελίττης καὶ παντὸς ἀγελαίου ζῴου μᾶλλον, δῆλον. οὐθὲν γάρ, ὡς φαμέν, μάτην ἡ φύσις ποιεῖ· λόγον δὲ μόνον ἄνθρωπος ἔχει τῶν ζῴων· ἡ μὲν οὖν φωνὴ τοῦ λυπηροῦ καὶ ἡδέος ἐστὶ σημεῖον, διὸ καὶ τοῖς ἄλλοις ὑπάρχει ζῴοις (μέχρι γὰρ τούτου ἡ φύσις αὐτῶν ἐλήλυθε, τοῦ ἔχειν αἴσθησιν λυπηροῦ καὶ ἡδέος καὶ ταῦτα σημαίνειν ἀλλήλοις), ὁ δὲ λόγος ἐπὶ τῷ δηλοῦν ἐστὶ τὸ συμφέρον καὶ τὸ βλαβερόν, ὥστε καὶ τὸ δίκαιον καὶ τὸ ἄδικον· τοῦτο γὰρ πρὸς τὰ ἄλλα ζῷα τοῖς ἀνθρώποις ἴδιον, τὸ μόνον ἀγαθοῦ καὶ κακοῦ καὶ δικαίου καὶ ἀδίκου καὶ τῶν ἄλλων αἴσθησιν ἔχειν· ἡ δὲ τούτων κοινωνία ποιεῖ οἰκίαν καὶ πόλιν. (a.) Hieraus [aus der Beobachtung, dass aus der natürlichen Gemeinschaft zwischen Mann und Frau das Haus, aus der Gemeinschaft von Häusern ein Dorf und aus der Gemeinschaft von Dörfern die Polis entsteht – LS] wird deutlich, dass der Staat zu den naturgemäßen Gebilden gehört und dass der Mensch von Natur ein politisches Lebewesen (zôon politikon) ist: und derjenige, der von Natur und nicht durch zufällige Umstände außer aller staatlichen Gemeinschaft lebt, ist entweder mehr oder weniger als der Mensch. […] (b.) Dass ferner der Mensch in weit höherem Maße als die Bienen und alle anderen herdenweise lebenden Tiere ein politisches Lebewesen ist, liegt klar zutage. Denn nichts tut, wie wir behaupten, die Natur zwecklos. (c.) Der Mensch ist aber das einzige Lebewesen, das logos besitzt (zôon logon echon). Die bloße Stimme (phônê) zwar ist des Unangenehmen (lypêrou) und Angenehmen (hêdeos) (An-)zeichen (sêmeion), darum kommt sie auch den anderen Lebewesen zu (denn so weit reicht ihre Natur, von Angenehmem und Unangenehmem eine Wahrnehmung (aisthêsis) zu haben und diese einander anzuzeigen (sêmainein)); der logos dagegen ist dazu bestimmt, das Nützliche (sympheron) und Schädliche (blaberon) deutlich kundzutun (dêloun) und also auch das Gerechte (dikaion) und das Ungerechte (adikon). Dieses nämlich ist dem Menschen den Tieren gegenüber seine eigentümliche Eigenschaft/sein Spezifikum (idion): dass er allein fähig ist, (sich) vom Guten (agathou) und Schlechten (kakou), von Recht (to dikaion) und Unrecht (to adikon) eine Vorstellung (aisthêsin echein) auszubilden/zu haben/zu machen. Dass diese aber allen gemeinsam ist, erschafft Haus und Staat. (Pol. I 2, 1253a1–4, a7–18; Übers. LS)

In dieser Passage macht Aristoteles zwei grundlegende Aussagen über den Menschen: einerseits, dass er ein politisches Lebewesen ist, und andererseits, dass er das einzige Lebewesen ist, das über logos verfügt. Die zweite anthropologische Bestimmung, die Logos-Fähigkeit, erachtet Aristoteles als konstitutiv für die erstgenannte Fähigkeit zur Staatenbildung. Die Begründung ist Folgende: Tiere verfügen über ein Mitteilungsinstrument, das Aristoteles mit „Stimme“ (phônê) bezeichnet. Dieses dient dazu, ihre Wahrnehmung von Angenehmem und Unan-

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genehmem anzuzeigen oder auszudrücken. Das Schmerz- und Lustempfinden können sie einander mitteilen, indem sie mit ihrer Stimme Zeichen (sêmeion) dieser Empfindung geben. Tieren wird demnach die Fähigkeit zugeschrieben, Schmerz oder sein Gegenteil zu empfinden, und diese Empfindung durch eine lautliche Äußerung den Artgenossen verständlich zu machen. Genauso wie das Tier ist der Mensch ebenfalls in der Lage, sich seinen Artgenossen mitzuteilen, allerdings nicht nur aufgrund von stimmlichen Geräuschen, sondern aufgrund des logos. Auch Menschen haben eine Wahrnehmung, allerdings nicht nur wie Tiere vom Angenehmen und Unangenehmen, sondern zusätzlich vom Guten und Schlechten, vom Gerechten und Ungerechten sowie vom Nützlichen und Schädlichen. Weiterhin sind Menschen in der Lage, diese Wahrnehmung auch deutlich kundzutun. Was Aristoteles hier beschreibt, ist demnach die Fähigkeit, Begriffe von Gut und Schlecht oder Gerecht und Ungerecht, d. h. abstrakte moralische und rechtliche Begriffe, zu bilden und diese in der Kommunikation mit anderen zu verwenden. Diese Fähigkeit ist dem Menschen eigen (idion) – im Gegensatz zu allen anderen Lebewesen – und prägt deshalb die Form seines Zusammenlebens mit seinen Artgenossen: Durch die Begriffe von Recht und Gerechtigkeit kann er eine Gemeinschaft bilden, die von moralischen Prinzipien und rechtlichen Bestimmungen geprägt ist. Das macht ihn zu einem Wesen, das außerordentlich gut für die Staatenbildung befähigt ist, in viel höherem Maße als Bienen oder andere subhumane Lebensformen. Insofern kann man sagen, dass die menschliche Logos-Fähigkeit konstitutiv für die Eigenschaft zôon politikon ist, denn dann, wenn Menschen eine gemeinsame Vorstellung davon haben, was gerecht und ungerecht ist, können sie einen Staat miteinander gründen. In Pol. I schließt die Logos-Fähigkeit also die Fähigkeit ein, abstrakte moralische oder rechtliche Begriffe auszubilden. Begriffsbildung wird dabei einerseits als gedanklich abstrahierender und andererseits als sprachlich expressiver Prozess aufgefasst.19 Tiere sind von dieser Fähigkeit grundsätzlich und dauerhaft ausgenommen. Im Gegensatz dazu spricht Aristoteles Menschen grundsätzlich die Logos-Fähigkeit zu.

|| 19 Es ist möglich, dass Aristoteles der Logos-Fähigkeit generell die Bildung abstrakter Begriffe zuschreibt, hier jedoch im Hinblick auf den Kontext nur von der Ausbildung moralischer und rechtlicher Begriffe spricht, da sie konstitutiv für die Entstehung des Staates sind und es in dieser Passage gerade um die Entstehung des Staates geht.

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2.1 Potentielle Vernunftfähigkeit und temporäre Privation Im Folgenden werde ich erläutern, auf welche Weise bereits Kinder nach Aristoteles an dieser Logos-Fähigkeit teilhaben. Erstens sind sie potentiell vernunftfähig, d.h. ihr Mangel an Vernunft ist nur temporär und nicht grundsätzlich. Zweitens sind sie auf passive Weise vernunftfähig, weil sie an der Vernunft der Erwachsenen teilhaben. Auf beide Punkte möchte ich genauer eingehen. Die potentielle Vernunftfähigkeit ist darin begründet, dass Kinder gerade als Menschen definiert werden, deren Vernunftfähigkeit noch nicht voll ausgebildet ist. Die dafür zentrale Belegstelle befindet sich im ersten Buch der Politik. Aristoteles erläutert dort seine Auffassung, dass das Kind einen abwägenden (deliberativen) (Seelen-)Teil habe (to bouleutikon), aber in einer unvollkommenen Form (atelês, 1260a12–14).20 Dadurch unterscheide es sich vom Sklaven, der nicht über einen solchen Seelenteil verfüge. Aristoteles ergänzt dazu Folgendes: „Da das Kind unentwickelt ist, ist seine Tugend nicht relativ zu ihm selbst, sondern relativ zu einem voll entwickelten Individuum und demjenigen, der Autorität über es hat [seinem Erzieher – LS]“ (Pol. I 13, 1260a31–33).21 Das bedeutet, dass der Maßstab, an dem das Kind gemessen wird, nicht in ihm selbst liegt, sondern in dem vollkommenen Menschen, zu dem es möglicherweise werden kann. Insofern formuliert Aristoteles eine Konzeption der Entwicklung.22 Dieser Absatz verdeutlicht nicht nur, dass Aristoteles das Kind als unvollendet sieht, sondern auch, dass für ihn der Maßstab, an dem das Kind gemessen wird, immer der Erwachsene ist. Der defizitäre Aspekt der kindlichen Natur steht für ihn im Vordergrund.

|| 20 Die Auffassung, dass Kinder nicht vernünftig sind, findet sich schon bei Platon (R. IV, 441a– b). Allerdings nimmt Aristoteles eine wichtige Differenzierung vor, indem er Kinder nicht generell für nicht vernünftig hält, sondern indem er ihnen einerseits einen unvollkommenen, d. h. ausbildungsfähigen, vernünftigen Seelenteil zuschreibt und sie andererseits auf passive Weise an der Vernunft anderer teilhaben. Sorabji hält dies für eine bemerkenswerte Innovation gegenüber Platon. Vgl. Sorabji (1995) 70. 21 ἐπεὶ δ᾿ ὁ παῖς ἀτελής, δῆλον ὅτι τούτου μὲν καὶ ἡ ἀρετὴ οὐκ αὐτοῦ πρὸς αὑτόν ἐστιν, ἀλλὰ πρὸς τὸ τέλος καὶ τὸν ἡγούμενον. Meine Übersetzung orientiert sich an der Übersetzung von Sherman (vgl. Sherman (1999) 234). Willmanns Übersetzung dieser Passage macht es noch deutlicher: „Das Kind ist unentwickelt, seine Tugend ist nicht sein Eigentum, sondern nur auf seine Reife angelegt und Verdienst dessen, der es leitet.“ (Willmann (1909) 86). 22 Für Sherman stellt Pol. I auch die stärkste Belegstelle dafür dar, von einem Entwicklungsmodell bei Aristoteles zu sprechen. Allerdings verbindet sie damit noch die Behauptung, dass diese Entwicklung schubweise verlaufe, manchmal auch stagniere. Dies konnte sich bisher nicht nachweisen lassen. Vgl. Sherman (1999) 232. McGowan Tress betont ebenfalls, dass sich die kindliche Entwicklung vom unvollkommenen zum vollkommenen Menschen vollzieht. Vgl. McGowan Tress (1997) 83.

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Die Aussage, dass der rationale Teil der Seele bei Kindern zwar vorhanden, aber unvollkommen oder nicht voll entwickelt ist, lässt sich durch eine weitere Passage belegen, in der Aristoteles die Auffassung vertritt, dass Vernunft sich im Zuge einer naturgemäßen Entwicklung erst voll ausprägt. Die menschliche Vernunftfähigkeit resultiert für Aristoteles aus der Aktualisierung eines angeborenen Potentials. καὶ γὰρ ὁ λόγος φύσει ὑπάρχει ὅτι ἐωμένης τῆς γενέσεως καὶ μὴ πηρωθείσης ἐνέσται, καὶ ἡ ἐπιθυμία ὅτι εὐθὺς ἐκ γενετῆς ἀκολουθεῖ καὶ ἔνεστιν. σχεδὸν δὲ τούτοις δυσὶ τὸ φύσει διορίζομεν, τῷ τε ὅσα εὐθὺς γιγνομένοις ἀκολουθεῖ πᾶσι, καὶ ὅσα ἐωμένης τῆς γενέσεως εὐθυπορεῖν γίγνεται ἡμῖν, οἷον πολιὰ καὶ γῆρας καὶ τἆλλα τὰ τοιαῦτα. Denn sowohl die rationale Kraft ist von Natur da, weil sie sich bei normalem, unversehrtem Entwicklungsablauf bei uns einstellen wird – als auch ist die Begierde da, denn gleich von der Geburt ab begleitet sie uns und ist in uns anwesend. Das aber sind ja faktisch die beiden Momente, mit denen wir den Begriff ‚von Natur‘ bestimmen: einerseits ‚was uns alle gleich von Geburt an begleitet‘, andererseits ‚was uns bei normalem, geradlinigem Entwicklungsablauf zuwächst‘, z. B. graue Haare, Alter und was dergleichen mehr ist. (EE II 8, 1224b29–35; Übers. Dirlmeier)

Sowohl das rationale Vermögen, hier mit logos bezeichnet, als auch das strebende Vermögen, hier mit epithymia bezeichnet, kommen dem Menschen von Natur aus (physei) zu.23 Dennoch kommen sie dem Menschen auf unterschiedliche Weise von Natur aus zu: Das Streben, so Aristoteles, existiert ab der Geburt und begleitet den Menschen daher von Anfang an. Für den logos hingegen, so Aristoteles, gilt das andere Natürlichkeitskriterium: er stellt sich ein, wenn die Entwicklung eines Menschen gradlinig verläuft, d. h. wenn nichts diese Entwicklung verhindert. Der logos als Potential ist also im Menschen zwar ebenfalls von Geburt an anwesend, allerdings nur potentiell; er entfaltet sich im Laufe seiner Entwicklung zu einem aktualen Vermögen, das sich dann jeweils aktualisiert, wenn der Mensch denkt oder vernünftige Entscheidungen trifft. Vor dem Hintergrund dieser Überlegung wird besser verständlich, warum Aristoteles behauptet, dass Kinder einen (noch) unvollkommenen vernünftigen Seelenteil haben: Er ist in ihnen zwar schon vorhanden, aber noch in einer unvollkommenen Form. Wenn es zur Natur von erwachsenen Menschen gehört, rational zu sein, Kinder allerdings noch nicht rational sind, legt dies nahe, dass Kinder im Laufe des Erwachsenwerdens vernünftig werden. Sobald die Vernunft

|| 23 Aristoteles bestimmt das, was von Natur aus (physei) besteht, hier durch zwei Momente: einerseits als das, was uns von Geburt an begleitet, und andererseits das, was uns bei einem normalen ungehinderten Entwicklungsablauf ‚zuwächst‘.

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aktual da ist, sind sie, dem Begriff nach, keine Kinder mehr. Kindheit lässt sich in Aristoteles’ Sinn demnach als Zeit definieren, in der ein menschliches Lebewesen seine Logos-Fähigkeit noch nicht voll entwickelt hat. Da Aristoteles von einem Entwicklungsablauf oder einem Prozess spricht, impliziert das zudem, dass sich Vernunft graduell einstellt. Erwachsen-Werden wäre demnach zu verstehen als ein Prozess des sukzessiven Vernünftig-Werdens. Damit einher geht eine zunehmende Abstraktionsfähigkeit und die Fähigkeit, Begriffe wie gut und schlecht oder gerecht oder ungerecht zu bilden und zu kommunizieren. Diese Interpretation wird auch von einer anderen Belegstelle gestützt, in der Aristoteles Folgendes sagt: ὥσπερ δὲ τὸ σῶμα πρότερον τῇ γενέσει τῆς ψυχῆς, οὕτω καὶ τὸ ἄλογον τοῦ λόγον ἔχοντος. φανερὸν δὲ καὶ τοῦτο· θυμὸς γὰρ καὶ βούλησις, ἔτι δὲ ἐπιθυμία, καὶ γενομένοις εὐθὺς ὑπάρχει τοῖς παιδίοις, ὁ δὲ λογισμὸς καὶ ὁ νοῦς προϊοῦσιν ἐγγίγνεσθαι πέφυκεν. und geradeso wie der Körper seiner Entstehung nach früher ist als die Seele, so ist auch der unvernünftige Teil der letzteren früher als der vernunftbegabte. Auch dieses liegt offen zutage, denn Erregung (thymos) und Wollen (boulêsis) sowie die Begierde (epithymia) sind bei den Kindern gleich nach der Geburt vorhanden, Überlegen (logismos) und Einsehen (nous) aber entwickeln sich naturgemäß nach und nach mit zunehmendem Alter. (Pol. VII 15, 1334b20–25)24

Genauso wie in der Eudemischen Ethik betont Aristoteles auch in der Politik, dass sich vernünftiges Überlegen (logismos) und Einsehvermögen (nous) bei Kindern erst mit zunehmendem Alter einstellen, während alle Funktionen des strebenden Seelenteils schon von Geburt an aktual bei Kindern vorhanden sind. 25 Das Kind

|| 24 Als Formen des Strebens zählt Aristoteles hier thymos, boulêsis und epithymia auf. Von der Argumentationsstruktur ist deutlich, dass Aristoteles hier einerseits rationale und andererseits affektive Fähigkeiten einander gegenüberstellen will. Der Begriff der boulêsis ist deshalb hier verwunderlich, weil er eigentlich ein vernünftiges Wünschen bzw. rationales Streben bezeichnet (vgl. EN III 4, 1111b19–30, De an. III 9, 432b5–6, Rhet. I 10, 1369a1–4) und Kindern nicht zugeschrieben werden kann. Aufgrund des Kontextes und auch aus dem Satzbau lässt sich aber ableiten, dass Aristoteles von arationalen Seelenvermögen des Kindes spricht, die den rationalen kontrastierend gegenübergestellt werden. Eine Möglichkeit, zu erklären, warum Aristoteles hier auch die boulêsis erwähnt, könnte darin liegen, dass sein Vokabular in der Politik noch weniger ausgefeilt ist und Aristoteles den Begriff erst später in der strikten Definition als rationales Streben verwendet; in dieser Passage stünde es dann für ein kindliches Wünschen im Sinne eines Wollens. 25 Man könnte nun einwenden, dass alle Menschen gleichermaßen vernünftig sein müssten, wenn die Vernunftfähigkeit dem Menschen aufgrund seiner natürlichen Entwicklung zukommt

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ist deshalb schon hier vom Tier zu unterscheiden, da es im Gegensatz zu ihm potentiell vernünftig und nur temporär von der Vernunftfähigkeit ausgeschlossen ist.

2.2 Die defizitäre Natur des Kindes aus biologischer Sicht: Zwergenhaftigkeit Nachdem das gesagt ist, möchte ich mich den biologischen Schriften zuwenden, um zu zeigen, in welcher Hinsicht und wie lange die temporäre Analogie zwischen Kind und Tier gültig ist. Aristoteles vertritt in den zoologischen Schriften ein körperliches Erklärungsmodell, das seiner Meinung nach kausal für die mangelhafte oder unterentwickelte Vernunftfähigkeit des Kindes verantwortlich ist. Deshalb wende ich mich mehreren körperlichen Merkmalen von Kindern zu, die sie mit Tieren gemeinsam haben und die in ihrer Summe unter den Begriff der sogenannten ‚Zwergenhaftigkeit‘ fallen. νέοις δ᾿ οὖσι τοὐναντίον τὰ μὲν ἄνω μεγάλα, τὸ δὲ κάτω μικρόν. Διὸ καὶ ἕρπουσι, βαδίζειν δ᾿ οὐ δύνανται, τὸ δὲ πρῶτον οὐδ᾿ ἕρπουσιν, ἀλλ᾿ ἀκινητίζουσιν· νάνοι γάρ εἰσι τὰ παιδία πάντα. Προϊοῦσι δὲ τοῖς μὲν ἀνθρώποις αὔξεται τὰ κάτωθεν· […] Ἔστι δὲ καὶ τὸ τῶν ὀρνίθων καὶ τὸ τῶν ἰχθύων γένος καὶ πᾶν τὸ ἔναιμον, ὥσπερ εἴρηται, νανῶδες. Διὸ καὶ ἀφρονέστερα πάντα τὰ ζῷα τῶν ἀνθρώπων ἐστίν. καὶ γὰρ τῶν ἀνθρώπων, οἷον τά τε παιδία πρὸς τοὺς ἄνδρας […], ἀλλὰ τῷ τὸν νοῦν ἔχειν ἐλλείπουσιν. Bei den Kindern sind im Gegenteil die oberen Partien groß und die untere Partie ist klein, deshalb kriechen sie auch und können nicht laufen, anfangs aber kriechen sie nicht einmal, sondern sind unbeweglich. Denn alle Kinder sind Zwerge. Mit fortschreitendem Lebensalter

|| wie Kopfhaar. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall. Verlangt wird eine Präzision des Begriffes ‚vernünftig-sein‘. Wenn wir sagen, dass manche Menschen ‚unvernünftig‘ sind, dann meinen wir im strikten Sinne nicht, dass sie vernunftlos wären wie eine Topfpflanze, sondern wir möchten ausdrücken, dass Vernunft für diese Menschen in ihrem Handeln nicht verbindlich ist. Akratische Akteure oder an der Lust orientierte Menschen haben zwar eine Logos-Fähigkeit, aber diese wirkt nicht oder nicht immer handlungsleitend, weil ihre charakterlichen Dispositionen es nicht erlauben. Die Logos-Fähigkeit ist somit ein natürliches Potential, das sich in jedem Menschen qua Mensch entfaltet. Die Vernunft wird aber nur auf gute und richtige Weise im Menschen wirksam und für sein Handeln verbindlich, wenn seine charakterlichen Dispositionen mithilfe der richtigen Gewöhnung gut eingerichtet wurden. Das Streben, das Menschen von Geburt an begleitet, muss also gezielt habitualisiert werden, damit sie zu moralisch-vernünftigen Akteuren werden können. Diese Form der moralischen Vernünftigkeit, die an einen gut geformten Charakter angebunden ist, heißt im aristotelischen Vokabular dann phronêsis. Eine ausführlichere Erläuterung dieses Aspekts findet sich in Summa (2022), Kap. 2.6. Vgl. zu diesem Punkt auch Vasiliou (1996) 774–775.

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wachsen bei den Menschen die unteren Teile. […] Die Gattung der Vögel und die Gattung der Fische und überhaupt jedes blutführende Tier ist, wie gesagt, zwergenhaft. Deshalb sind auch alle Tiere weniger intelligent als die Menschen. Ja sogar bei den Menschen bleiben die Kinder im Verhältnis zu den Erwachsenen […] an Denkfähigkeit zurück. (Part. an. IV 10, 686b8–12, b21–27; Übers. Kullmann)

In dieser Beschreibung ist der Ausdruck ‚zwergenhaft‘ einer Erläuterung bedürftig. Aristoteles ist der Meinung, dass alle höheren Säugetiere, die Vierfüßler, nicht zum Denken fähig sind, weil das Gewicht des Kopfes auf dem Denken lastet. Diesen Körperbau beschreibt Aristoteles als zwergenhaft, weil die vorderen Körperpartien im Vergleich zu den hinteren schwer sind und das Lebewesen auf vier Füße zwingen.26 Die körperliche Eigenschaft des aufrechten Ganges, die nur dem Menschen zu eigen ist, ist aufgrund des gleichen Prinzips einer Kausalität zwischen körperlicher und seelischer Ausstattung seiner Meinung nach die körperliche Grundlage oder Voraussetzung für das Denken: τὰ δὲ πρὸς τῷ ζῆν αἴσθησιν ἔχοντα πολυμορφοτέραν ἔχει τὴν ἰδέαν, καὶ τούτων ἕτερα πρὸ ἑτέρων μᾶλλον, καὶ πολυχουστέραν, ὅσων μὴ μόνον τοῦ ζῆν ἀλλὰ καὶ τοῦ εὖ ζῆν ἡ φύσις μετείληφεν. Τοιοῦτο δ᾿ ἐστὶ τὸ τῶν ἀνθρώπων γένος· ἢ γὰρ μόνον μετέχει τοῦ θείου τῶν ἡμῖν γνωρίμων ζῴων, ἢ μάλιστα πάντων. Ὥστε διά τε τοῦτο, καὶ διὰ τὸ γνώριμον εἶναι μάλιστ᾿ αὐτοῦ τὴν τῶν ἔξωθεν μορίων μορφήν, περὶ τούτου λεκτέον πρῶτον. Εὐθὺς γὰρ καὶ τὰ φύσει μόρια κατὰ φύσιν ἔχει τούτῳ μόνῳ, καὶ τὸ τούτου ἄνω πρὸς τὸ τοῦ ὅλου ἔχει ἄνω· μόνον γὰρ ὀρθόν ἐστι τῶν ζῴων ἄνθρωπος. Τὸ μὲν οὖν ἔχειν τὴν κεφαλὴν ἄσαρκον ἐκ τῶν περὶ τὸν ἐγκέφαλον εἰρημένων ἀναγκαῖον συμβέβηκεν. Die Wesen aber, die zusätzlich zum Leben Wahrnehmung besitzen, haben eine vielfältigere Gestalt, und von diesen einige in höherem Maße als die anderen, und eine noch mannigfaltigere haben diejenigen Lebewesen, denen die Natur nicht nur am Leben, sondern auch am guten Leben einen Anteil gegeben hat. Dieser Art ist das Geschlecht des Menschen. Von den uns bekannten Lebewesen hat es allein Anteil am Göttlichen oder doch am meisten von allen, so dass man sowohl aus diesem Grunde als auch deshalb, weil die Gestalt seiner äußeren Teile am besten bekannt ist, zuerst über dieses sprechen muss. Zunächst nämlich verhalten sich allein bei diesem Lebewesen die naturgemäßen Teile auch naturgemäß, und dessen oberer Teil ist auf den oberen Teil des Alls gerichtet. Als einziges Lebewesen nämlich ist der Mensch aufrecht gehend. Dass sein Kopf ohne Fleisch ist, ergibt sich notwendig aus dem Gesagten über das Gehirn. (Part. an. II 10, 656a3–15; Übers. Kullmann)27

|| 26 Vgl. Part. an. IV 10, 686a25–686b5. Eine sehr hilfreiche Erläuterung dazu bietet Coles. Vgl. Coles (1997) 307–308. 27 Parallele Stellen: Part. an. IV 10, 686a25–686b5; Hist. an. II 1, 500b26f.

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Diese Beschreibung des Menschen ist sehr aufschlussreich: Seine körperlichen Merkmale bestehen im aufrechten Gang und in einem, wie Aristoteles sagt, „fleischlosen“ Gehirn. Diese Eigenschaften sind das physische Korrelat seiner Vernunftfähigkeit, die es ihm ermöglicht, sich auf das All, das Göttliche und die höchsten Dinge auszurichten.28 Zu diesen Fähigkeiten gehört auch die Sprache, über die das Kleinkind ebenfalls noch nicht verfügt. τὰ δὲ παιδία ὥσπερ καὶ τῶν ἄλλων μορίων οὐκ ἐγκρατῆ ἐστιν, οὕτως οὐδὲ τῆς γλώττης τὸ πρῶτον, καὶ ἐστιν ἀτελὴς καὶ ἀπολύεται ὀψιαίτερον, ὥστε ψελλίζουσι καὶ τραυλίζουσι τὰ πολλά. Und wie die Kinder ihrer sonstigen Glieder nicht mächtig sind, so haben sie auch noch keine Herrschaft über die Zunge zuerst (prôton). Sie ist auch noch unausgebildet und löst sich erst später (opsiaiteron). Daher stammeln sie und lallen. (Hist. an. IV 9, 536b5–8)29

Da das Kind über die grundlegenden, das Menschsein ausmachenden Eigenschaften, also den aufrechten Gang, die Sprache und das Denken, nicht verfügt, kann man durchaus behaupten, dass sich seine Seele nicht von der des Tieres unterscheide: φανερώτατον δ᾿ ἐστὶ τὸ τοιοῦτον ἐπὶ τὴν τῶν παίδων ἡλικίαν βλέψασιν· ἐν τούτοις γὰρ τῶν μὲν ὕστερον ἕξεων ἐσομένων ἔστιν ἰδεῖν οἷον ἴχνη καὶ σπέρματα, διαφέρει δ᾿ οὐδὲν ὡς εἰπεῖν ἡ ψυχὴ τῆς τῶν θηρίων ψυχῆς κατὰ τὸν χρόνον τοῦτον, ὥστ᾿ οὐδὲν ἄλογον εἰ τὰ μὲν ταὐτὰ τὰ δὲ παραπλήσια τὰ δ᾿ ἀνάλογον ὑπάρχει τοῖς ἄλλοις ζῴοις. Man versteht diese Behauptung [die Behauptung, dass Tiere analoge Anlagen haben wie Menschen – LS], wenn man auf das Kindheitsalter blickt: in ihm sind ja schon Spuren und Anlagen der Zustände zu sehen, die sich einmal entwickeln sollen, ihre Seele jedoch unterscheidet sich in nichts sozusagen zu dieser Zeit [Hvhbg. LS] von der eines Tieres, so dass es gar kein Wunder ist, wenn diese Eigenschaften geradeso, jene ähnlich, noch andere entsprechend ausgebildet sind bei den übrigen Geschöpfen. (Hist. an. VIII 1, 588a31–b3; Übers. Gohlke)

|| 28 Vgl. Coles (1997) 308. 29 Übersetzung Gohlke (mit b7 ἀτελής von Aubert/Wimmer statt ἀτελῆ). Thompson übersetzt hingegen: „Children, just as they have no control over other parts, so have no control, at first, over the tongue; but it is so far imperfect, and only frees and detaches itself by degrees, so that in the interval children for the most part lisp and stutter.“ Es ergibt inhaltlich Sinn anzunehmen, dass sich die Zunge nicht mit einem Schlag, sondern innerhalb einer schrittweisen Entwicklung löst. Allerdings gibt der griechische Text keinen expliziten Anlass für diese Interpretation.

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Aristoteles sagt ausdrücklich, dass man im Kind schon Spuren und Anlagen dessen sehen könne, zu dem es sich entwickelt. Gleichzeitig sei der Unterschied zwischen Tier und Mensch kein radikaler, denn Tiere hätten analoge Fähigkeiten, wie Aristoteles im Anschluss an die Passage erläutert. Das Entwicklungspotential des Kindes wird aber ausdrücklich angesprochen: Nur zu einer gewissen Zeit unterscheide sich das Kind nicht vom Tier. Manche Privationen sind nur temporär30 und die Privation des Kindes von der Vernunftfähigkeit gehört dazu. Es ist deshalb auch richtiger zu sagen, dass (Klein-)Kinder nicht unvernünftig, sondern vorvernünftig sind, denn sie sind der Möglichkeit nach vernünftig. Gleichzeitig wird aus Aristoteles’ Beschreibung der Kinder, die Tieren ähneln, deutlich, dass er von Säuglingen oder Kleinkindern spricht, nicht von älteren Kindern oder gar Jugendlichen. Die Analogie mit dem Tier, die auf theoretischer Ebene festgestellt werden kann, besteht nur solange, bis das Kind anfängt, aufrecht zu gehen und zu sprechen – eine Veränderung, die sich um das zweite Lebensjahr einstellt. Spätestens ab diesem Alter gilt also die Analogie zwischen Kind und Tier nicht mehr.31 Diese Feststellung relativiert die in den Ethiken gezogenen Vergleiche: In den Ethiken verwendet Aristoteles die Bezeichnungen für ‚Kind‘ und für ‚menschliches Wesen ohne Vernunft‘ schlichtweg synonym, um den jeweils gemachten Punkt über die Bedeutung der Vernunft für das jeweils diskutierte Phänomen (Entscheiden, Handeln, Glück) zu unterstreichen. Die Analyse der relevanten Passagen aus der Biologie zeichnen allerdings ein differenzierteres Bild. Kinder gelten dort nicht einfach als nicht-vernünftig, während Erwachsene im Gegensatz dazu vernünftig sind. Vielmehr ist Kindheit eine Phase der menschlichen Entwicklung, in der sich das Kind in einer stetigen körperlichen und kognitiven Weiterbildung befindet und in der sich Vernunft graduell ausbildet.32 Es gibt also nicht nur ‚Kind‘ oder ‚nicht-Kind‘ und damit ‚arational‘ oder ‚rational‘, sondern innerhalb der Kindheit selbst gibt es Abstufungen von Rationalität bzw. Logos-Fähigkeit. Kinder sind deshalb nicht wie Tiere, aber eben auch nicht wie kleine Erwachsene. Von beiden unterscheiden sie sich in ihren Fähigkeiten und Eigenschaften.

|| 30 Vgl. Met. IX 1, 1046a31–35. 31 „[T]hey [children] leave behind the quadrupeds in the scale of nature, both anatomically and psychologically […]“, Coles (1997) 317. 32 Coles spricht deshalb von einem graduellen Begriff von Kindheit („a gradual account of childhood“) bei Aristoteles. Vgl. Coles (1997) 317. Seine ausführliche Analyse der scala naturae mit Blick auf die körperlichen und seelischen Fähigkeiten verschiedener Tierarten und von Kindern in der aristotelischen Biologie stellen eine wichtige Vorarbeit für meinen eigenen Ansatz dar.

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2.3 Passive Teilhabe an der Vernunft der Erwachsenen: die Empfänglichkeit des Kindes für den logos Im Folgenden soll genauer auf die Fähigkeiten und Eigenschaften des Kindes ab dem zweiten Lebensjahr eingegangen werden, die sich positiv beschreiben lassen. Aristoteles beantwortet die Frage, inwiefern Kinder aufgrund ihrer noch nicht entwickelten eigenen Vernunftfähigkeit dennoch Anteil an der Vernunft haben können, mit dem Begriff der Teilhabe. Aristoteles vertritt die Auffassung, dass Kinder in einem passiven Sinne Anteil an der Vernunft der Eltern oder anderer Erwachsenen haben, indem sie ihnen gehorchen und auf sie hören. Diese Auffassung wird allerdings nur indirekt in einer Passage am Ende des ersten Buches der Nikomachischen Ethik thematisiert, in der es eigentlich um das Verhältnis des strebenden zum rationalen Seelenteil geht.33 Dieses Verhältnis erläutert Aristoteles mithilfe einer Analogie: Der strebende Seelenteil, der so wie das Kind nicht selbst über Vernunft verfüge, verhalte sich zum rationalen Seelenteil wie der Sohn zum Vater. Der strebende Seelenteil, so Aristoteles, habe Anteil an der Vernunft, insofern er auf sie höre und ihr gehorche. Da Aristoteles diese Analogie offensichtlich so versteht, dass sie das (hier zu klärende, unbekannte) Verhältnis von strebendem und rationalem Seelenteil erhellen soll, geht er davon aus, dass jedermann weiß, wie das Verhältnis von Vater und Sohn beschaffen ist. Er geht allerdings an keiner anderen Stelle darauf ein. Man kann also nur mit den Formulierungen arbeiten, die Aristoteles hier verwendet. Er sagt vom strebenden Seelenteil bzw. vom Kind, dass es den guten Rat in Rechnung stellt, d. h. ihm Gehör schenkt bzw. ihn verbindlich nimmt. Der vernünftige Seelenteil bzw. der Vater ermahnt, gibt Rat, tadelt und ermutigt. Im Grunde der Bedeutung des Wortes passt auf die Haltung des Kindes sehr gut der Begriff des Gehorsams, denn es verbindet den Aspekt des Hörens mit dem Aspekt des Verbindlich-Nehmens. So formuliert Willmann zwar etwas altmodisch, aber richtig: Das erste Gehorchen, peitharchein, gilt aber dem väterlichen Gebote, patrikê prostaxis; der Gehorsam, den unsere Strebekraft der Vernunft und deren Mahnungen, Vorwürfen und Aufmunterungen leistet, ist ein Hören auf dieselbe […].34

Kinder sind also selbst nicht aktiv vernünftig, haben aber auf passive Weise an Vernunft Anteil, indem sie diese in Form von Ratschlägen, Anweisungen und Ermahnungen in ihrem Verhalten umsetzen können. Diese Beschreibung entspricht recht genau dem anfangs erarbeiteten Begriff der ‚advice guided activity‘. || 33 Vgl. EN I 13, 1102b30–1103a1. 34 Willmann (1909) 89.

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Dort wo das Kind aufgrund der mangelnden Vernunftfähigkeit noch nicht selbst überlegen oder entscheiden kann, gibt ihm der väterliche Rat die nötige Wegweisung für das Verhalten.35 Das Kind muss also aufgrund der eigenen mangelnden Vernunftfähigkeit nicht untätig verharren, bis es selbst vernünftig wird, sondern kann vorläufig im Vertrauen auf die vernünftigen Anweisungen der Erwachsenen handelnd tätig werden. Die Fähigkeit, in dieser Weise mit vernünftigen Ratschlägen und Anweisungen anderer umzugehen, werde ich im Folgenden als Vernunftrezeptivität bezeichnen. Nun muss genauer untersucht werden, auf welchen anderen Fähigkeiten des Kindes die Vernunftrezeptivität gründet. Dies sind zum einen die körperliche Fähigkeit zu hören, zum anderen die seelisch konstituierte Fähigkeit, Vernunftgründen Raum zu geben, die ich mit dem Begriff der Argumentrezeptivität bezeichnen werde.

2.3.1 Auf-den-logos-hören-Können: der körperliche Aspekt Vieles spricht dafür, die Vernunftrezeptivität auf den passiven und später aktiven Umgang mit Sprache zurückzuführen, denn das Medium der Vermittlung von Anleitungen, Ratschlägen, Hinweisen und Ermahnungen ist die Sprache. Die passiv-rezeptive Fähigkeit mit Sprache umzugehen ist auf der körperlichen Ebene das Gehör. Es gibt Grund zu der Annahme, dass Aristoteles davon ausging, dass Kinder, die von Geburt an nicht hören können, entweder nicht in der Lage sind, selbst Vernunft auszubilden, oder in dieser Hinsicht zumindest deutlich benachteiligt sind. Das wird aus einer Passage in De sensu et sensibilibus deutlich, in der Aristoteles erklärt, dass Blinde intelligenter als Taubstumme seien, weil das Gehör (akzidentell) den größten Beitrag zur phronêsis leiste. κατὰ συμβεβηκὸς δὲ πρὸς φρόνησιν ἡ ἀκοὴ πλεῖστον συμβάλλεται μέρος. ὁ γὰρ λόγος αἴτιός ἐστι τῆς μαθήσεως ἀκουστὸς ὤν, οὐ καθ᾿ αὑτὸν ἀλλὰ κατὰ συμβεβηκός· ἐξ ὀνομάτων γὰρ

|| 35 Es ist nicht leicht zu entscheiden, welche Rolle Mutter und Vater im Prozess der Habituation einnehmen. Manche von Aristoteles’ Überlegungen legen nahe, dass er der Frau traditionell die Verantwortung für die Kindererziehung zuweist, wie es im Athen seiner Zeit üblich war (vgl. Sherman (1989) 153). Gleichzeitig bezweifelt Aristoteles, dass Frauen die Vernunftfähigkeit je vollkommen ausbilden (Pol. I 13, 1260a13). Dies schließt sie als Vorbilder des tugendhaften Handelns im Grunde genommen aus. Daraus würde folgen, dass Männer für die Begleitung im Habituationsprozess zuständig sein müssten, während das traditionell nicht ihre Aufgabe ist. Aristoteles’ Position ist an dieser Stelle inkonsistent. Für weiterführende Überlegungen zur Rollenverteilung in der Erziehung s. Summa (2022), Abschnitt 6.2.

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σύγκειται, τῶν δ᾿ ὀνομάτων ἕκαστον σύμβολόν ἐστιν. διόπερ φρονιμώτεροι τῶν ἐκ γενετῆς ἐστερημένων εἰσὶν ἑκατέρας τῆς αἰσθήσεως οἱ τυφλοὶ τῶν ἐνεῶν καὶ κωφῶν. Akzidentell trägt das Hören den größten Teil zur Klugheit (phronêsis) bei. Denn die Belehrung (logos) ist die Ursache des Lernens, und zwar, weil sie hörbar ist; aber sie ist nicht an sich hörbar, sondern akzidentell, weil sie aus Worten zusammengesetzt ist, von denen jedes ein Symbol ist. Folglich sind von denjenigen, denen von Geburt an eine Sinneswahrnehmung fehlt, die Blinden klüger als die Taubstummen. (De sensu 1, 437a11–17)

Es sei zwar nur eine akzidentelle Eigenschaft des logos, hörbar zu sein; die Möglichkeit, Kinder, die nicht hören können, auf alternativen Wegen zu belehren, wird außerdem nicht kategorisch ausgeschlossen. Allerdings ist das gesprochene Wort das übliche Medium der Unterweisung von Kindern. Insofern zieht Aristoteles hier eine direkte Verbindung zwischen der Möglichkeit, die phronêsis auszubilden, und der Möglichkeit, mit Sprache rezeptiv umzugehen. Dieses Bild wird bestätigt, wenn er an anderer Stelle behauptet, dass (von Geburt an) taubstumme Menschen nicht intelligent seien.36 Für ihn besteht somit ein direkter Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Vernunft und der Fähigkeit zu hören. Wenn es ausschließlich um die Fähigkeit ginge, Ratschläge und Anweisungen zu hören, müsste man aber wiederum alle Menschen mit gesundem Hörvermögen gleichermaßen durch eine vernünftige Rede zu vernünftigen Menschen machen können, auch Erwachsene. Ebendies hält Aristoteles allerdings für ausgeschlossen. Er bezeugt zu verschiedenen Gelegenheiten die Auffassung, dass Kinder, anders als verdorbene Erwachsene, noch formbar seien und sich weiterentwickeln.37 Im Gegensatz dazu hält er Erwachsene, die nur an der Lust orientiert leben, für unempfänglich für die vernünftige Rede und daher für unbelehrbar. Die Fähigkeit, der Vernunft Gehör zu schenken, kommt also nicht jedem Menschen zu.

2.3.2 Auf-den-logos-hören-Können: der seelische Aspekt Ich werde nun näher auf die Fähigkeit eingehen, der Vernunft Gehör zu schenken. Dazu müssen zwei Passagen aus dem zehnten Buch der Nikomachischen Ethik sorgfältig interpretiert werden. Obwohl Aristoteles die Fähigkeit, zum vernünftigen Denken zu gelangen, mit der Fähigkeit zu hören, also mit Sprache

|| 36 Vgl. Hist. an. IV 9, 536b3–4. 37 EN X 10, 1179b4–18; EN X 10, 1179b20–35.

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rezeptiv umzugehen, verknüpft, betont er, dass diese Fähigkeit nicht allen Menschen zukommt. Er unterstreicht die Nutzlosigkeit von verbalen Erziehungsmitteln, wenn man es mit Menschen zu tun hat, die nicht für sie empfänglich sind. Es ist nun aufschlussreich, an welchen Eigenschaften Aristoteles die Empfänglichkeit für Argumente festmacht. εἰ μὲν οὖν ἦσαν οἱ λόγοι αὐτάρκεις πρὸς τὸ ποιῆσαι ἐπιεικεῖς, πολλοὺς ἂν μισθοὺς καὶ μεγάλους δικαίως ἔφερον κατὰ τὸν Θέογνιν, καὶ ἔδει ἂν τούτους πορίσασθαι· νῦν δὲ φαίνονται προτρέψασθαι μὲν καὶ παρορμῆσαι τῶν νέων τοὺς ἐλευθερίους ἰσχύειν, ἦθός τ᾿ εὐγενὲς καὶ ὡς ἀληθῶς φιλόκαλον ποιῆσαι ἂν κατοκώχιμον ἐκ τῆς ἀρετῆς, τοὺς δὲ πολλοὺς ἀδυνατεῖν πρὸς καλοκαγαθίαν προτρέψασθαι· οὐ γὰρ πεφύκασιν αἰδοῖ πειθαρχεῖν ἀλλὰ φόβῳ, οὐδ᾿ ἀπέχεσθαι τῶν φαύλων διὰ τὸ αἰσχρὸν ἀλλὰ διὰ τὰς τιμωρίας· πάθει γὰρ ζῶντες τὰς οἰκείας ἡδονὰς διώκουσι καὶ δι᾿ ὧν αὗται ἔσονται, φεύγουσι δὲ τὰς ἀντικειμένας λύπας, τοῦ δὲ καλοῦ καὶ ὡς ἀληθῶς ἡδέος οὐδ᾿ ἔννοιαν ἔχουσιν, ἄγευστοι ὄντες. τοὺς δὴ τοιούτους τίς ἂν λόγος μεταρρυθμίσαι; οὐ γὰρ οἷόν τε ἢ οὐ ῥᾴδιον τὰ ἐκ παλαιοῦ τοῖς ἤθεσι κατειλημμένα λόγῳ μεταστῆσαι. Wenn Worte ausreichen würden, um Menschen gutzumachen, dann würden sie mit Recht nach dem Ausspruch des Theognis vielen und großen Lohn einbringen, und man müsste sie herbeischaffen. Nun aber vermögen sie offenbar zwar Jugendliche von der Art freier Bürger (eleutherios) anzuregen und anzutreiben und einen edel geborenen (eugenês), wirklich das Werthafte liebenden (philokalos) Charakter (êthos) dahin zu bringen, dass die Tugend von ihm Besitz ergreift; die Leute aus der Menge (hoi polloi) jedoch vermögen Worte nicht zum Guten und Werthaften zu motivieren. Denn diese sind ihrer Natur nach so beschaffen, dass sie nicht der Scham (aidôs), sondern der Furcht (phobos) gehorchen und dass sie sich schlechter Handlungen nicht deshalb enthalten, weil diese niedrig (aischros) sind, sondern weil sie Strafe nach sich ziehen. Denn indem sie nach ihren Affekten (pathos) leben, suchen sie die ihnen eigene Lust und das, wodurch diese entsteht, und meiden die entgegengesetzte Unlust, haben aber vom Werthaften und wahrhaft Lustvollen nicht einmal eine Vorstellung, da sie nie davon gekostet haben. Welche Reden könnten daher Menschen von solcher Beschaffenheit umgestalten? Es ist ja nicht möglich oder [zumindest] nicht leicht, das, was vor langer Zeit in den Charakter aufgenommen wurde, durch Worte zu beseitigen. (EN X 10, 1179b4–18; Übers. Wolf)

Aristoteles nennt hier die Eigenschaften, die ausschlaggebend dafür sind, dass eine vernünftige Rede oder ein ermahnender Appell jemanden zu Verhaltensänderungen motivieren können. Empfänglich für vernünftige Appelle sind seiner Meinung nach Jugendliche (neoi), die bestimmte Qualitäten besitzen. Sie sind Freie (1), ihr Charakter entspricht einem edel geborenen (eugenês) (2), welcher wahrhaft das Gute und Schöne liebt (philokalos) (3), und sie hören im Gegensatz zu den Menschen aus der Menge auf ihr Schamgefühl (4). Nicht empfänglich für eine vernünftige Rede sind nach Aristoteles Leute aus der Menge, die dadurch charakterisiert werden, dass sie nach dem Affekt (pathos) leben und kein

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Schamgefühl besitzen. Eine genauere Analyse dieser Abgrenzung wird zeigen, wie sich auf dieser Basis die bisher erarbeiteten Hypothesen bestätigen lassen. Die ersten beiden Eigenschaften, die Aristoteles hier nennt, beziehen sich auf gute Naturanlagen und somit auf die günstigen Voraussetzungen, die ein Lernender von Anfang an in den Lernprozess einbringt. Der dritte Punkt ist der für uns relevanteste: Nur derjenige, der philokalos (geworden) ist, d.h. nur derjenige, der das Gute und Schöne bereits erstrebt und liebt, kann auf Vernunftbelehrungen hören. Zu Beginn wurde gezeigt, dass genau diese Art von Liebe, Wertschätzung oder auch Verbindung von positiven Emotionen mit tugendhaften Handlungen das Ziel der Charakterformung durch Habituation ist. Interessant ist nun die Verbindung mit dem Schamgefühl. Wenn Kinder innerhalb des Lernprozesses Handlungen ausführen, die nicht erwünscht sind, werden sie sich dafür schämen, entweder schon von sich aus oder nach einem erhaltenen Tadel. Das Schamgefühl trägt also in einem positiven Sinne dazu bei, vernünftig zu handeln.38 Die Menschen aus der Menge haben keine Gefühle dieser Art. Falls ihnen bewusst sein sollte, dass ihre Handlungen falsch sind, dann nur, weil sie wissen, dass sie für diese Handlungen bestraft werden könnten. Dies legt nahe, dass es Aristoteles hier nicht um ein angeborenes Schamgefühl geht, sondern um ein erlerntes Schamgefühl, das aufgrund untugendhafter und unmoralischer Handlungen entsteht. Die Tatsache, dass ‚die Vielen‘ diese Scham nicht empfinden, weist m. E. nach darauf hin, dass sie erst im Habituationsprozess erworben wird. Neben dem fehlenden Schamgefühl gibt es jedoch einen noch gewichtigeren Aspekt, der dazu führt, dass verbale Erziehungsmittel bei den Menschen aus der Menge ohne Wirkung bleiben: Sie leben nach dem Affekt (pathos). Das bedeutet, dass sich ihr ganzes Streben an der Maximierung von Lustempfindungen orientiert. Wenn aber das Streben nach (körperlicher/niederer) Lust einen Menschen beherrscht, kann die Vernunft nicht in ihm herrschen. Zuletzt macht Aristoteles noch eine Aussage über das kausale Gefüge. Eine durch Gewohnheit erworbene charakterliche Disposition hält er für relativ stabil. Deshalb sei sie erst recht nicht durch Worte zu verändern. Dies kann einerseits heißen, dass es allgemein recht unwahrscheinlich ist, sie zu verändern. Oder aber, dass, wenn sie überhaupt verändert werden kann, das richtige Mittel dazu in jedem Fall nicht sprachlich verfasste Instruktionen sein können. Dies verrät uns etwas über Aristoteles’ Auffassung von den kausalen Wirkbeziehungen zwischen Gewöhnung und Belehrung. Wenn die Gewöhnung die charakterlichen Dispositionen richtig eingerichtet hat‚ fällt das belehrende Wort auf fruchtbaren || 38 Nicht ohne Grund stellt Burnyeat Scham als Tugend des Lernenden heraus, s. Burnyeat (1980) 78.

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Boden.39 Charakterbildung stellt Argumentrezeptivität also erst her. Hat aber eine Gewöhnung an das Schlechte stattgefunden oder ist eine Gewöhnung an das Gute ganz ausgeblieben, haben belehrende Worte keine verändernde Kraft. In einer etwas späteren Passage von Buch X macht Aristoteles vergleichbare Punkte (EN X 10, 1179b20–34). Auch dort führt er die Unfähigkeit, auf vernünftige Anweisungen, Belehrungen oder Ermahnungen zu hören, darauf zurück, dass jemand ausschließlich von Affekten geleitet wird. Diesmal geht er sogar so weit zu behaupten, dass Menschen, deren charakterliche Disposition in einem solch schlechten Zustand ist, nicht einmal in der Lage seien, eine vernünftige Rede überhaupt zu verstehen. Menschen, deren Seele auf das vernünftige Wort vorbereitet worden sind, befinden sich hingegen in einer günstigeren Ausgangslage: Ihre Seele sei wie fruchtbarer Boden für den Samen der Vernunft. ὁ δὲ λόγος καὶ ἡ διδαχὴ μή ποτ᾽ οὐκ ἐν ἅπασιν ἰσχύει, ἀλλὰ δεῖ προδιειργάσθαι τοῖς ἔθεσι τὴν τοῦ ἀκροατοῦ ψυχὴν πρὸς τὸ καλῶς χαίρειν καὶ μισεῖν, ὥσπερ γῆν τὴν θρέψουσαν τὸ σπέρμα. οὐ γὰρ ἂν ἀκούσειε λόγου ἀποτρέποντος οὐδ᾽ αὖ συνείη ὁ κατὰ πάθος ζῶν· τὸν δ᾽ οὕτως ἔχοντα πῶς οἷόν τε μεταπεῖσαι; Die Rede und Belehrung haben aber wohl kaum bei allen Menschen Wirkung; vielmehr muss die Seele des Hörers zuvor durch Gewöhnung bearbeitet worden sein, dass sie sich auf richtige (kalôs) Weise freut und abgeneigt ist, so wie Erde, die Samen nähren soll [bearbeitet wird]. Denn ein Mensch, der nach dem Affekt lebt, wird auf eine Rede, die ihn davon abbringen will, nicht hören; er wird sie nicht mal verstehen. Wie aber soll es möglich sein, einen Menschen, der so verfasst ist, umzustimmen? (EN X 10, 1179b23–28; Übers. Wolf)

In diesem Abschnitt legt Aristoteles deutlich die Gewöhnung als eine Vorbereitung auf das Hören der belehrenden Worte fest. Dafür benutzt er einen anschaulichen Vergleich: Gewöhnung soll den Lernenden in derselben Weise auf die Belehrung vorbereiten, wie man den Acker durch Pflügen auf die Einpflanzung des Samens vorbereiten muss. Ziel der Gewöhnung ist es laut Aristoteles, dass der Lernende lernt, auf die richtige Weise Freude und Abscheu zu empfinden; es geht also um die richtige emotionale Reaktion auf verschiedene Sachverhalte und Verhaltensweisen. Der Gewöhnte soll lernen, das Gute wertzuschätzen und das Schlechte zu hassen. Das sind genau die Ziele, die für die Habituationsphase festgelegt wurden. Das Gegenbild zum durch Gewöhnung veränderten Menschen ist auch hier derjenige, der nach dem Affekt lebt (ho kata pathos zôn). Dieser Mensch strebt danach, seinen Lustgewinn zu maximieren, wobei körperliche Lüste im || 39 Eine ausführliche Verteidigung dieser Auffassung findet sich bei Kraut (1998).

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Vordergrund stehen. Andere Werte sind für ihn nicht von Bedeutung, nur Zwang verbindlich. In ihm kann die Vernunft keine motivierende Wirkung entfalten. Das Ziel der Gewöhnung besteht demnach darin, das Streben nach Lust, das alle Menschen von Geburt an haben, einzuschränken und es gleichzeitig so zu verändern, dass es sich auf andere Gegenstände richtet, nämlich das Gute und Schöne. Der auf diese Weise Habituierte nimmt daher das Gute und Schöne im Allgemeinen sowie die Ausübung der Tugenden im Besonderen als lustvoll wahr. Sein Verhältnis zu den eigenen Affekten lässt zu, dass Vernunftgründe verbindliche Wirkung entfalten können. Diese Empfänglichkeit oder Offenheit für Vernunftgründe wird also durch Habituation erst erreicht. Dies ist die zentrale These, die Aristoteles mit Blick auf die Habituation vertritt: Habituation ermöglicht es, dass Vernunftgründe im Menschen motivationale Kraft entfalten können, d. h. sie stellt Argumentrezeptivität her.

3 Zusammenfassung Kinder haben, wie gezeigt wurde, auf doppelte Weise an der menschlichen Logos-Fähigkeit teil. Einerseits lernen sie aktiv, selbst zu sprechen, andererseits lernen sie, Sprache zu verstehen. Dabei ist eine graduelle Entwicklung zu verzeichnen. Erst sprechen Kinder nur einzelne Wortfetzen, dann ganze Wörter und Sätze, zuletzt komplexe Satzstrukturen. Zudem können sie mit zunehmendem Alter immer komplexere und abstrakte Begriffe und Konzepte verstehen. Wie Aristoteles betont, ist die menschliche Fähigkeit zum logos ein Vermögen, das sich dank der natürlichen Entwicklung des Menschen einstellt. Es ist zu Beginn seiner Existenz nicht schon voll ausgeprägt vorhanden, sondern entfaltet sich erst im Laufe der Kindheit und Jugend. Gleichzeitig kann die Formung des Charakters nicht darauf warten, dass Kinder vernünftig werden, sondern Kinder sollen von Anfang an, auch wenn sie noch nicht verstehen können, warum die richtigen Handlungen richtig sind, an diese gewöhnt werden und eine positive Grundhaltung gegenüber diesen Handlungen entwickeln. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sie vernünftige Erläuterungen dafür, warum diese Handlungen richtig sind, später verstehen können. Für den Prozess der Habituation bedeutet das, dass Habituationsprozesse sich mit der zunehmenden Vernunftfähigkeit mitentwickeln können. Die Impulse, die ein Erziehender ganz am Anfang gibt, werden anfänglich sehr schlicht sein. Mit der wachsenden Argumentrezeptivität können Ratschläge und Hinweise sukzessiv immer komplexer werden. Die wachsende aktive Teilhabe des menschlichen Kindes an der logos-Fähigkeit ist so für Aristoteles die Voraus-

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setzung dafür, durch Habituation eine gute charakterliche Disposition auszubilden und so in die (familiäre und dann politische) Gemeinschaft des tugendhaften Handelns hineinzuwachsen.

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Aristotle on Political Agency 1 The Question Is there such a thing as political agency in Aristotle? In one way, an answer is readily available. Given our nature as political beings, one could simply and safely reply that all human agency is political according to Aristotle. Sharpening the question, we might then ask whether Aristotle recognizes and develops a notion of political agency more specific than what is directly implied by our species being a zộon politikon? To see the relevance of such a more specific question, think of our standard use of the Nicomachean Ethics. One would hardly gather from most of the enormous literature on this work which constitutional framework each author has had in mind – or rather, one can gather that something like our own political frameworks has been taken for granted, but rarely involved as relevant to the analysis of agency. The examples and discussions almost universally concern what we classify as a private or even intimate sphere. If any idea of a political framework lingers in the background, it normally does not interfere in the picture painted, outside perhaps an acknowledgement of a general dependency for humans on a social network and culture. Even more pertinently, a lot of effort has gone into interpreting and expanding on Aristotle’s notion of human agency. The readings that have been developed are important for our understanding of his ethics and psychology generally and his theory of happiness specifically. Furthermore, that influence stretches into contemporary virtue ethics, ensuring an impact well outside purely exegetical circles. This essay is devoted to establishing that Aristotle does indeed provide the basis for a theory of political agency proper. “Proper” contrasts with the ways in which human agency can be said quite generally to be political according to Aristotle. After briefly sketching those more general ways, I go on to show that Aristotle also acknowledges and develops a specific conception of political agency. This more specific analysis in the main divides into discussions of acting for the community and of acting from office, respectively. Acting for the

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community is developed from Aristotle’s somewhat mysterious contention that phronêsis in one’s private doings and in a political capacity are different in being, although they are also the same.1 Acting from office, a more complex idea, is then approached by three main stages. First, I investigate acting from office as closely related to Aristotle’s definition of the citizen. Second, I argue from Aristotle’s recommendations that he considers political agency proper as having limitations and powers that are peculiar to it: this is nowhere as obvious as in Aristotle’s portrayal of the tyrant, which he fleshes out as what comes into being if someone retains a merely private individual agency while acting in a political sphere. Third, I consider how Aristotle thought of one and the same individual human agent as becoming another sort of agency, in a way that is not reducible to mere metaphor, when taking on political functions. This last issue I shall refer to as the question of political transubstantiation.

2 Political Agency, Base Camp Style Inquiring into political agency in Aristotle must commence from an appreciation that all human agency is after a fashion political agency. Every action is political in that life takes place within a political framework. Aristotle famously sums up his genealogy of the polis. It is evident from these considerations, then, that a city-state is among the things that exist by nature, that a human being is by nature a political animal, and that anyone who is without a city-state, not by luck but by nature, is either a poor specimen or else superhuman.2 (Pol. I 2, 1253a1–4)

|| 1 I hasten to add that by “private” in this article I will intend only the meaning found in expressions like “in a private capacity”, that is, a mainly privative sense. Such “non-official” agency is contrasted with political agency proper developed in the following pages. (Cf. Aristotle’s use of “idiôtai” at, e.g., Nicomachean Ethics (EN) X 8, 1179a6–8, where he thinks of such agency as citizen agency while at the same time defining citizen status in terms of political agency; more on this in section 4, below.) For a Realpolitik take on private interest in Ancient Athens, cf. Humphreys (1977/78). 2 Politics (Pol.) I 2, 1253a1–4; Reeve’s (1998) translation throughout.

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The individual needs the political framework in order to exist and act.3 By this is meant more than that the framework functions only as a means or enabling condition. Saying that we are political animals amounts to an articulation not only of conditions, but of our essence. Even in his praising of the theoretical life, Aristotle (unlike some of his commentators) never forgets the distinction between activity and life. Choosing the theoretical life means structuring one’s existence teleologically around the activity theôria; it does not mean that one somehow can let go of one’s political and social being and doing.4 Almost as encompassing a notion of political agency is reached via considerations of justice. Aristotle defines justice in terms of inter-personal activities.5 Spelled out in terms of virtue, “justice, then, is complete excellence, only not without qualification but in relation to another person” (EN V 1, 1129b25–27). This means that any activity that reaches beyond the individual is political in the sense of involving justice. In a related sense, any act following or diverting from justice understood as law is political, since law is the universal reason of a given polis. “For there is justice between people who also have law governing interactions between them.”6 Aristotle suggests how broadly encompassing is law to life in the polis in his transitional passage from the Nicomachean Ethics to the Politics: “their upbringing and patterns of behaviour must be ordered by the laws […]. [W]hen they are grown men too, there will need to be laws covering these aspects too, and indeed covering the whole of life” (EN X 9, 1179b34–35, 1180a2–4). This way of determining political agency roughly overlaps with the previous one, and might even include some acts (non-interpersonal ones) that do not belong to political justice.

|| 3 Political being is even more explicitly tied to species at Pol. I 2, 1253a27–29 (ἢ θηρίον ἢ θεός). 4 The distinction is obvious from EN X 7, 1177b26–29: the theoretical life is superior through the single activity provided by the divine element in one, not because other aspects of one’s existence are shed. 5 As set out in the first chapter of EN V (1129a32–b1). The Republic’s justice as psychological harmony is thereby judged to be as a mistaken conflation of two different principles, and a way of talking of justice which he in Nicomachean Ethics V 11 allows only “in an extended sense, based on similarity” (κατὰ μεταφορὰν δὲ καὶ ὁμοιότητα, 1138b5–6; for the EN I have used Rowe’s (2002) translation throughout). 6 EN V 6, 1134a30: ἔστι γὰρ δίκαιον, οἷς καὶ νόμος πρὸς αὑτούς.

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3 Acting for the Community As political animals, acting in spaces established by justice and law, we are such that all our agency is political. However, Aristotle acknowledges a divide within political action thus broadly construed, at the same time establishing one of two aspects of what I term political agency proper. The division is between acting for one’s own good and acting for the community. The idea, then, is that acting for one’s community will be political agency in a heightened way, since actions so described are defined in terms of the political community as their end or intention. We glean the distinction from Aristotle’s comment on phronêsis, a perfection of agency. The phrasing is compact and a perhaps a little mystifying. “Political expertise and wisdom are the same disposition, but their being is not the same.”7 There might seem to be at least two main ways in which to understand this dictum. On what we might call the identity reading, which I will argue is the most sustainable one, the disposition (hexis) should be taken to denote whatever is activated when one acts with perfection. If so, Aristotle’s claim is ultimately that political expertise and phronêsis are identical when considered as the ability or expertise of the agent, but that the activities are named according to whether they aim at the individual’s or the community’s good. On the alternative reading, the disposition mentioned would be the underlying ethical virtue conditioning phronêsis and political expertise alike, serving both, while they remain distinct. One consideration that might make one consider the second option is that Aristotle elsewhere distinguishes between various ways in which something can be when it is not activated, and hexis then seems to be associated with ethical virtues rather than with intellectual virtues.8 These technical niceties suggest that phronêsis is not the sort of thing that can have a hexis. Ultimately, however, Aristotle’s wording precludes the second option. The verb esti (“is”), deployed in such a plain predication, so clearly tells us that phronêsis is a hexis, that we

|| 7 EN VI 8, 1141b23–24: Ἔστι δὲ καὶ ἡ πολιτικὴ καὶ ἡ φρόνησις ἡ αὐτὴ μὲν ἕξις, τὸ μέντοι εἶναι οὐ ταὐτὸν αὐταῖς. 8 This is at least a possible reading of EN II 5, seen in connection with the account of habituation (ethismos) leading up to it in the previous chapters. Cat. 8, 8b26–29, includes knowledge as well as virtue among the hexeis.

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should consider hexis as whatever ability, disposition, or potential phronêsis might be when it is not activated.9 Considered as an ability, then, the perfection of successful political agency is the same as the perfection of successful individual agency. What of the second part of Aristotle’s characterization, that “their being is not the same”? Aristotle’s investigations into being readily suggest at least the silhouette of an answer. Speaking in terms of energeia and dunamis is one of the main ways of speaking about being and differences in being.10 If so, that the being – to einai – of phronêsis and political expertise are not the same might indicate that their activation into full reality (energeia) is not the same. If this is the general direction of Aristotle’s words, the fact that he spells out the relation between them might suggest that Aristotle does not expect his listeners to understand already that political expertise and practical wisdom are indeed the same. Corroboration for my reading is found in the fact that Aristotle points out that “[w]ith phronêsis too, what is thought to be phronêsis most of all is the sort that relates to oneself as an individual, and it is this that is given the generic name phronêsis” (EN VI 8, 1141b29–31). The word has been usurped by a part of the whole it denotes. Likewise, although his earlier examples are introduced as integral to setting out the received opinions, they turn out to be on his side in this case: “Hence Pericles and such people are the ones whom we regard as intelligent, because they are able to study what is good for themselves and for human beings; and we think that household managers and politicians are such people” (EN VI 5, 1140b7–11). For our purposes, the upshot is that while he emphasizes the differences in acting for the sake of oneself and acting politically in the more proper sense of concerning oneself with the city’s good, Aristotle insists that a grounding competence, ability, or disposition remains identical in the two cases. Considered in isolation, the individual’s ability is the same whether the context is a private or a political one; something else ensures that their activations differ from each other in their being. As we shall see, this is not his last word on the matter.

|| 9 EN X 8, 1178a14–22, could also be used to suggest that phronêsis could in fact be considered a hexis due to its total and integrated dependency on ethical virtues. I will not press the point, however. 10 Jagannathan (2019), esp. 10–15, develops a related view in terms of definition rather than being.

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4 Citizenship and Acting from Office Aristotle recognizes acting from office as importantly (albeit not perfectly) overlapping with what it means to be a citizen. “The unqualified citizen is defined by nothing else so much as by his participation in judgment and office.”11 Two of the crucial words here, “judgment” (krisis) and “office” (archê), denote primary channels for political activity. Archê concerns those offices and positions from which an individual, however chosen, has formal powers and responsibilities for some limited function, normally for a limited time. Aristotle’s label for acting in such capacities is “participating in office” (metechein archês), an important part of what I call “acting from office”. Depending on the size and wealth of the community, the list of such offices as recognized by Aristotle can be longer or shorter, with generalship for military command on any city’s shortlist, and general overseer of women’s morals a desirable addition for any community that can afford to keep someone in such a position.12 The judgment (krisis) prong of Aristotle’s stipulative definition explicitly counters those who claim that jury-duty and its like are not inherently part of what defines a citizen. From one point of view, serving on juries was known to Aristotle, from his own observations of practices in Athens and elsewhere, as an important way of controlling the polis. From another point of view, Aristotle’s political theory defines the political community as being for the good. Thus too the law-based judging of actions is an important way in which to set in play the community’s formally shared conception of the good as well as of its aberrations. He disagrees with those who would exclude citizenship from functions like juror or assemblyman, and invents the expression “indeterminate office”13 in order to find common terminological ground and include serving on juries or attending the assembly among the offices, the archai. It is important to see that Aristotle is not simply describing Athens, but stipulatively defining the citizen. He does so in a way that allows for a unified view of who are citizens, whether one looks to Athens or elsewhere. An implication of course is that in some cities, like those that do not have broadly based

|| 11 Pol. III 1, 1275a22–23: πολίτης δ’ ἁπλῶς οὐδενὶ τῶν ἄλλων ὁρίζεται μᾶλλον ἢ τῷ μετέχειν κρίσεως καὶ ἀρχῆς. 12 I list the necessary offices in what follows. 13 Pol. III 1, 1275a32: aoristos archê.

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assemblies or jury service, the number of citizens will be small relative to the size of the population.14 Political rule thus also fits into what we might call Aristotle’s metaphysics of ruling, his division into ruling and ruled as part of the analysis of any complex organism. This dichotomy of rulers and ruled matches a structure recognizable from his analyses of phenomena as different as animal physiology, individual agency, and cosmic order.15 The definition allows Aristotle to distinguish between different ways of thinking of people as somehow part of a society or state. Many people, he thinks, will – and should – be present in the polis and serve crucial functions, without thereby being part of the polis in the sense of being part of its rule. A citizen is someone who can be part of that rule. The mode is conveyed by Aristotle by the term exousia (Pol. III 1, 1275b18), “power, authority to do a thing”. The term reminds us that any given citizen might at any given time not be part of the rule. The citizen is the person who may enter such functions, not only the one who in fact holds them. Although Aristotle does not fully work out a theory of political agency based on his theory of citizenship, such a theory is presupposed, in both his Politics and Ethics. Acting from office normally brings with it a host of palpable alterations in agency, concerning function, power, limitation, and reflection. Considering them in turn will make it clear that political agency in the sense of acting from office entails a heightened form of agency by Aristotle’s standards. Function (end or objective). While individual actions normally have a more or less focused end, these ends for most of us are not clearly defined, and even tend to enter into conflict with each other. Acting from office will, for the various offices and appointments, be done on the basis of an explicit function in terms of both site and end. Listing in Politics VI 8, the clarifying specializations in terms of ends and functions that pertain to acting from office, Aristotle’s analysis in terms of sites has the necessary offices fall into nine main divides: the market (1321b12–18), property (1321b18–27), the countryside (1321b27–30), || 14 For a discussion of how this plays out in Aristotle’s ideal or nearly ideal setup, cf. Samaras (2015). 15 The metaphysics of ruling probably plays a major role in his view that if some individual is as different from the others as a human to a herd of animals, this individual must rule (Pol. VII 3, 1325b7–14). Aristotle’s metaphysics of ruling thus does not reduce to the fact that, to the extent that law establishes and defines justice, there is a difference between ruler and ruled when the law says there is. Aristotle was of course familiar with existing practices in this respect (cf., e.g., Ps.-Demosthenes [Or. 26] Against Aristogeiton II 5). The political dynamics of what he calls Aristotle’s “rule of reason” is developed by Miller (2013).

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community funds (1321b31–33), court administration (1321b34–40), punishment (1321b40–1322a29), defense (1322a33–b6), overseeing of offices’ finances (1322b7–12), and the administration of parliament (1322b12–17). For each of them, Aristotle reminds his reader of the various sub-functions and how they relate to an over-all end. Unlike private life, then, each political office is defined in such a way as to provide focus over time and reduce (if not completely eradicate) conflicts internal to the function. Power (ability and recognition). While individual actions rest on some power or ability on the part of the individual, individuals vary enormously in such power, and most do not have much of it. A community’s offices and institutions are generally characterized by the fact that they are universally (or nearly universally) recognized in the community. According to Aristotle, this is not their basis, however. For as citizens, all have a duty to uphold the state, and Aristotle does not appear to leave much room for going outside the state’s recognized channels of influence in altering or undoing it while remaining in the right. Whereas the short answer to the question about the end of the polis is eudaimonia or the good life, the slightly longer answer is that the will of the single individual or a small group is trumped by political authority, if there is a conflict.16 Political agency as acting from office thus offers what we might call a principled power. Such power does not depend on success at every turn, but remains in force even if a given initiative is halted or opposed. Limitation (strictures and laws). While all citizens by definition are ruled by the laws, many things in a person’s life are not ruled by laws. In an individual’s life, there will thus normally be ample opportunity for failings and corruptions that take their point of departure in activities and habits that do not strictly break any laws, or that take place outside the law’s gaze. As a holder of an office, however, one will come up against powers and options circumscribed in such a way that many obvious failings will either be prevented or not escape detection in the longer run. “Anyone who instructs law to rule [archein] would seem to be asking god and the understanding alone to rule; whereas someone who asks a human being asks a wild beast as well.”17 While such strictures are

|| 16 Speaking in terms of brute force, a king can justly arm himself sufficiently to take down limited uprisings, but not so much as to be able to quell a movement encompassing the majority of the populace: Pol. III 15, 1286b27–40. The exception is tyranny, because this is no longer a political authority (cf. section 5). 17 Pol. III 16, 1287a28–30. The underlying tripartite moral psychology is briefly commented on in the next section.

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far from perfect, and Aristotle bleakly evinces an awareness of their shortcomings as a lasting challenge even to the best of societies, they ensure that acting from office is disciplined entirely differently from the actions of a private individual. Reflection (knowledge of evaluations and checks). Finally, while each citizen in his actions carries an awareness of being evaluated by his compatriots, this is an aspect of individual agency that drastically varies in strength and presence. Well-functioning political agency not only for the most part takes place in front of witnesses, but is steeped in controls before, during, and after service. These controls depend less on the individual’s moral psychological setup, and more on formalized political practices, than is the case for individual, private agency. “Most people are pretty poor judges about what is their own.”18 This is perhaps nowhere as true as when justice is concerned. We all tend to think that whatever we possess (whether freedom or funds) is what should act as a measure rod for political power.19 A political framework is in place to quell such reductions in perspective. Pulling together these four aspects of acting from office, we can say that the political agency to which they contribute is very different from non-official agency in order, stability, and power. The actions of a private human being are explainable in terms of personal ends, desires, character traits, and decisions shaped by them. While political agency is certainly not independent of such personal qualities, the very root of political agency is something that goes beyond the individual. On a formal level, its powers are afforded by the constitution (politeia).20 To Aristotle, a constitution is not a founding document, but whatever conglomerate of laws and practices that sets out the basic structures and strictures for running a city-state – inclusions, exclusions, eligibilities, and strictures. In short, it is what constitutes a polis as a structured whole and political agency as its constituents. In claiming that the constitution is the form of the city-state, Aristotle in his own way subscribes to his teacher’s city/soul

|| 18 Pol. III 9, 1280a15–16. Thus doctors and trainers call in other doctors and trainers for treatment when it concerns their own case (Pol. III 16, 1287a41–b3). 19 Cf., e.g., Pol. V 1, 1301a25–b1. 20 Cf. Pol. III 4, 1276b29: “the community is the constitution”. Naturally, this is not to say that being based in the constitution is exclusively definitive of political agency proper, since private agency too depends on it.

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analogy.21 The shape of the constitution might be said to inform political actions somehow analogously to how character shapes individuals’ actions. While there is analogy between the political and individual levels in this particular way, however, what is engendered on the level of the active individual is best characterized in terms of contrasts and oppositions. A contrast between individuals’ private actions and acting from office is suggested in the following passage: It is neither the individual juror, nor the individual councillor, nor the individual assemblyman who is ruling, but the court, the council, and the people, whereas each of the individuals mentioned is only a part of these [ἕκαστος μόριόν ἐστι τούτων]. (By ‘part’ I mean the councillor, the assemblyman, and the juror). (Pol. III 11, 1282a34–37)

The passage is potentially confusing, in that Aristotle simultaneously describes two phenomena: acting from office and acting collectively. A challenge is how to disentangle political agency understood as acting from political office from collective agency in this part of Politics III. Usually, the passage is seen only as part of what, since Waldron’s seminal essay, has been known as the “Doctrine of the Wisdom of the Multitude” (DWM).22 The two are not identical, however, nor is being part of an over-individual agent a criterion for political agency. It is possible to instantiate political agency individually (to proffer an Athenian example: say, as royal archôn) as well as collectively (e.g., as council).23 The Doctrine of the Wisdom of the Multitude is well known and much discussed in the literature, not least for its ability to ameliorate agency by combining resources and coordinating competences.24 Something analogous can be said about the transformation of individual agency into political agency. Collective agency is a separate brand of agency in that its pooling of resources can

|| 21 Cf. Pol. III 3, 1276b1–9: a change in constitution is a change in form, which in turn alters the identity of its constituent parts. 22 Waldron (1995). A core passage is Pol. III 11, 1281a42–b10. 23 Correspondingly, it is possible to instantiate agency that is not specifically political even as a collective agent, for instance, in a friendship. I hope to deal with such Aristotelian subpolitical collective agency in a future publication. 24 A recent critical voice concerning the specifics of coordination is Cammack (2014).

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lead to other, better-quality outcomes. As we have seen, the same is true of political agency proper, albeit by different mechanisms.25 We can make sense of Aristotle’s added clarification that what he intends in talking about parts or members (moria) is “the councillor, the assemblyman, and the juror”. What misunderstanding does he wish to avoid by means of this emphasis, repeating the titles of individuals’ offices? Clearly, the misunderstanding that he has in mind is that the parts should be conceived of as simply individual human beings, entities not defined in terms of office. Nor should this come as any surprise. Already by his definition of the citizen, Aristotle has emphasized the difference between an individual qua human being and an individual qua citizen.26 Stepping back a little, we can appreciate how Aristotle integrates this distinction between the individual human being and the individual office holder in his theory. For if indeed a city-state is a sort of community of citizens sharing a constitution, then, when the constitution changes its form and becomes different, it would seem that the citystate too cannot remain the same. At any rate, a chorus that is at one time in a comedy and at another in a tragedy is said to be two different choruses, even though the human beings in it are often the same. (Pol. III 3, 1276b1–6)

More absolutely than a human being, a citizen is ultimately defined in terms of power granted by the constitution. The definitional dependence of a citizen on the constitution brings to the surface how political agency depends on something more and other than the person’s own, individual powers and abilities. Again, the picture is complicated by Aristotle’s superimposition of collective and political agency in his treatment. However one sees it, though, the distinction between the individual human being and the individual office holder is not reducible to a metaphor.

|| 25 Collective action and acting from political office share something important, in that neither collective nor political agency can be understood simply as the expression of the individual agent (in what we might term ‘merely’ ethical agency). 26 Just as who is a citizen is a different question from who is a human being – and even from who is a male, Greek human being of age and sound mind – the good citizen will differ from the good human being in almost all instances (cf. Pol. III 4, 1276b16–1277a10). This is because the goodness of the citizen is co-determined by the regime’s continued existence. Thus, justice – political justice – is not capable of destroying a city-state, because virtue politically defined “certainly does not ruin what has it, nor is justice something capable of destroying a city-state” (Pol. III 10, 1281a19–20).

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5 The Tyrant It has hopefully become clear that Aristotle possesses a developed conception of political agency proper. We will now investigate just how deep – how reflective, how considered – this complex conception of political agency is. By illustrating its disappearance, the tyrant will function as a litmus test for what difference it makes according to Aristotle whether political agency, as acting from office, in fact is present as a transformative and non-metaphorical mode of acting. On a general level, by Aristotle’s own lights, there could be no such thing as a good human being outside the political sphere.27 That much was made clear by the quote with which we opened (1253a1–4), where Aristotle claims that the individual needs the polis. The tyrant shows us how important political agency is, in the more specific sense of acting from office. For tyranny is nothing so much as the collapse of political agency proper into private agency. First, Aristotle’s tyrant is someone who radically breaks with the entire set of political strictures and grounds offered by a constitution. Someone who inherits the position is not really a tyrant. Aristotle suggests that the act of destruction is almost definitive of tyranny.28 The tyrant usurps power by undoing the entire structure of political agency set by established laws. He thereby also erases the end set up by the community; substitutes fear for recognition; and exists in a mode of agency devoid of external checks and balances. In other words, the tyrant is the undoing of political agency proper. Second, the tyrant’s resulting position thus, equally definitely, marks him as someone without recourse to the channels of mutual recognition and criticism that characterize political agency. Nor can the tyrant take recourse in friendship or personal relations, since personal relations depend on political relations. As for the deviations, just as there is little in the way of justice in them, so there is little friendship, and least in the worst deviation; for in a tyranny there is no, or little, friendship. For where there is nothing in common between ruler and ruled, there is no friendship either (after all, neither is there justice) […]. (EN VIII 11, 1161a30–34)

|| 27 So when the good human being and the good citizen are not the same, this is not because there is such a thing as a good human being outside the political sphere. 28 He does this in Pol. V 10, 1310b12–31, through his way of focusing on the coming-to-be of tyranny as a seemingly defining feature of it.

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The lack of a shared basis ! including, but not limited to, a shared advantage ! runs so deeply in tyranny that complete friendship is more or less impossible even among the inhabitants. Friendship in Aristotle’s full sense can only exist through mutual recognition and openness, involving constructive criticism and dialogue when this is in order. In a tyranny, it never is. The tyrant himself more than anyone else suffers from the resulting vacuum. No voice of alternate perspectives, or further reflection, enters the tyrant’s purview. The inverse relationship between political agency and merely inflated individual agency, law and tyranny, is succinctly communicated in Aristotle’s conclusion. This is why we do not allow a human being to rule, but rather logos, on the grounds that a human being does it for himself and becomes a tyrant; but the ruler [ho archôn] is guardian of what is just, and if of the just, of the equal too. (EN V 6, 1134a35–b2)

It is crucial to realize that Aristotle is not just saying that tyranny is bad, but that human beings performing political functions will turn radically bad if they lack political agency proper. According to Aristotle’s version of psychological tripartition, only reason stands a chance against corrupting forces if rule takes place outside these strictures. “For appetite [epithymia] is like a wild beast [thêrion, from a30], and passion [thymos] perverts rulers even when they are the best men” (Pol. III 16, 1287a30–32). What Aristotle is claiming is that we are all tyrants in the bud, were it not for the strictures and affordances of political agency afforded in acting from office.29 Aristotle’s sketch of the tyrant, then, at the same time offers a glimpse of the importance of political agency, in that the tyrant is a figure who lacks it.

6 Transubstantiation As a final stage, I wish to pose what I will call a question of transubstantiation about each of the two more specific notions of political agency I have sketched – acting for the sake of the community and acting from office. Is there a meaningful way in which we should say that the agent changes into an importantly different agent in moving from acting for one’s own good to acting for the good

|| 29 Even with those strictures in place, Aristotle warns that power – whether of idiôtai or archai – has a universal tendency to engender corruption: Pol. V 4, 1304a33–38.

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of the community, or in moving from acting as a private individual to acting from office? I use the term “transubstantiation” to emphasize that the sort of alteration I am considering would not be merely metaphorical. A real, as opposed to a merely metaphorical, change in agency would naturally be one that affected the outcomes of actions, but that would not be sufficient. To Aristotle, agency is something that affords causal explanation. The core of the question, therefore, is rather about whether a truthful and informative account of the agency would have to operate with other items, and include other factors, than those listed in what I have here termed private or merely ethical agency. In the standard ethical case, such agency requires as its conditions nonforce and knowledge, and reference to the agent’s decision in terms of intentions and general principles, which in turn refer to the person’s state vis-à-vis virtue and vice.30 This is the core of explaining an action, Aristotle-style. Is political agency proper reducible to those same factors, or do we have to acknowledge other elements in providing a proper explanation in such cases? Let us first look at acting for the community. When outcomes are concerned, Aristotle seems to think that in most cases, as long as the agent is a basically decent person and the political framework a reasonably good one, acting for one’s own good and acting for the good of the community will effectuate at least fairly similar actions.31 That is, if the situation forcing a decision is about, say, defending the city, then there will not be one course of action for the fairly good private individual and a wholly other option for the decent citizen. In such cases, there is no conflict between parallel schemes or strategies in the agent’s mind. Notice, however, that the harmonizing mechanism is not that the two aims are identical. The possibility of conflict is reduced because one’s role as a citizen is prioritized in such clear-cut, dramatic cases. In slightly other words, we might speak of harmonization by priority, not harmonization by integration in the single case. Nevertheless, comparing acting for one’s own good to acting for the good of the community can also reveal other consequences. Since the former depends so radically on the latter in the sort of example just mentioned, let us consider instead a case of seeing that one could use one’s material surplus to secure a critical good for the community. Imagining for the sake of the example that the

|| 30 For helpful sketches of ethical agency, cf. Price (2011), ch. C 2 (“Aristotle on Practical Reasoning”), and Gottlieb (2006). 31 Correspondingly, the happiness of the city and the happiness of the individuals are one and the same thing: Pol. VII 2, 1324a5–7.

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individual unsolicited decides to help the city (it is not forced upon one as leitourgia, for example), the mindset or intention of the agent shifts from focusing on some good pertaining exclusively to oneself, one’s friends, or one’s household, to focusing on some good of the political community. Even in such cases, I am doubtful that we need to acknowledge a change in agency of a transubstantive kind: we still explain the action in term of the agent’s priorities and qualities, just as we would a decision to help one’s friend or to spend one’s day at the Academy. This changes when we look at acting from office. For in the sort of case we have to consider here, the difference really concerns the status of the agency in question (say, the difference between the private individual and the court judge) and includes differences in function, authority, and framework. Acting from office is in one way the individual acting, but in other ways, it is not. As we have seen, Aristotle takes for granted such a change, and incorporates it in his explanations and recommendations in ways that suggest an implicit theory. At one point, he offers a suggestive indication. In Politics I 12, Aristotle reminds us of “what Amasis said about his footbath” (1259b8–9). Amasis rose to the position of pharaoh in 570 BC. At first looked down on by the Egyptians due to his low birth and dubious background, his reign in the end was seen as a success, peaceful and prosperous. According to Herodotus, the footbath incident went as follows. This was early in his time as pharaoh, while he was still held in little regard by his people. Among his countless treasures was a golden footbath in which Amasis and his guests had their feet washed before feasts. Amasis took this footbath and had it molten into a statue representing a god. He positioned it in a most prominent place in the city. The Egyptians revered and looked up to this divine image. Summing up, Amasis compared himself to the footbath turned into an object of divinity. “Once I was a common man, now I am a king; it is your duty to honour me and hold me in regard.”32 Aristotle is not very verbose in explaining to us what lesson he wants his listeners or readers to take away from this elegant parable. The context seems to be about how those in power try to establish a distinction between themselves and the ruled in cases where the two are otherwise equal in relevant qualities. In that respect, one might think the story is meant as a reminder that there is nothing behind apparent authority. The gold in the statue is just the gold in the footbath.

|| 32 Herodotus II 172 (trans. Godley (1920)).

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At the same time, the story fits well with other well-known Aristotelian tenets concerning form and matter. The statue and footbath are not primarily gold, even though they are of gold. Similarly for political office: it is not the individual history of the person elected, or chosen by lot, that determines his authority as a public official. He is merely the material that now goes into the political form and function. Aristotle’s point is not that Amasis was playing illegitimate tricks on the people. On the contrary, Aristotle straightaway goes on to say that one of his own favourite instances of legitimate rule, that of man over woman, is of just this kind (1259b9–10). Amasis was in this respect a good Aristotelian. When he is pharaoh, he should not be treated as a commoner, just as an image of a god should not be looked down upon as a footbath. Doing so is mistaking the identity of the object for something else, in this case, for its material constituents. Aristotle, in mentioning Amasis, means to remind us of the more complex insight that legitimate (non-tyrannical) rule affects the status of agency. Doing so requires signs – by manner, title, or rank – to secure the distinction upon which it rests. But those signs are not at the heart of the transformation. What is essential, has to do instead with the ruled and the ruler, respectively. As for the former, Aristotle’s Amasis helps us get a little clearer about how political rule is not only about the rulers, but also about the ruled – about the conceptions, abilities, qualities, and opinions of the ruled. Non-tyrannical rule requires recognition. In respect of the latter, the radical change in agency is not reducible to any ethical change in terms of virtues or vices, but a transformation of agency that goes far outside that psychological dimension. In explaining political agency proper, understood as acting from office, very different mechanisms must be introduced to identify and articulate the causes at work. Function, recognition, limitation, and reflection come together to afford other choices, other options, other responsibilities, other powers, and other borders. “Now I am king”.

7 Concluding Remarks To reiterate, there are at least three general ways in which one can see political agency as acknowledged in Aristotle: any action (in a polis), any other-directed action, and any legally prescribed or proscribed action. Then, more interestingly and less discussed, there are at least two notions of political agency that are more specific: acting for the community’s good and acting from office. These two overlap with each other as well as with the notion of collective or shared agency, in ways that can make it difficult to disentangle the various elements of

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agency, but that also make it clear that Aristotle does acknowledge and work from a notion of political agency not reducible to personal ethical agency. Including political agency proper in our reading of Aristotle constitutes an advancement in our understanding of his notion of human agency. We might think that the second notion of political agency, acting from office, is narrower than Aristotle’s other notion of political agency proper, acting with a view to the common good. However, whether speaking historically or from a study of Aristotle’s examples, acting for the public good would normally take part in ! and depend on ! a framework provided by acting from office. This of course is not to say that one cannot activate phronêsis in acting for the community outside of holding office. It is quite likely, however, that both in his ideal theory and in the Athens of Aristotle’s time, acting from office was much more common than truly acting for the common good outside an official position. The dozens of public sub-functions and great number of active positions defined in terms of Aristotle’s necessary offices ensure that the average citizen would habitually be acting from office.

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Uwe Walter

An der Stasis teilhaben Assoziation und Dissoziation als Handlungsmuster im griechischen Bürgerstaat

1 Tanzen wider den Bürgerkrieg? Nach der Kapitulation gegenüber Sparta im Peloponnesischen Krieg waren im Jahr 404 in Athen die sog. Dreißig an die Macht gekommen, zunächst formal getarnt als von der Volksversammlung eingesetztes Gremium, das eine Neufassung der Gesetze in Angriff nehmen sollte.1 Die Gruppe bestand aus Oligarchen, militanten Gegnern der Volksherrschaft aus der Oberschicht, die endlich eine Chance sahen, die seit langem verhasste Demokratie loszuwerden. Viele überzeugte Anhänger der seit drei Generationen in Athen etablierten politischen Ordnung waren zu dieser Zeit gar nicht in der Stadt, vor allem die Reste der einst so stolzen Flotte. Die verbliebenen, durch die Kriegsniederlage ohnehin bis ins Mark erschütterten Demokraten wurden überspielt, indem die schwer greifbaren sog. Hetairien – kleine private Zusammenschlüsse von Oligarchen, verstärkt durch rachelüsterne Rückkehrer aus dem Exil und gewaltbereite junge Männer ‒ wie schon bei der ersten Verfassungsänderung im Jahr 4112 eine Atmosphäre der Unsicherheit und Einschüchterung verbreiteten. Die Volksversammlung wurde bald gar nicht mehr einberufen, ein neu zusammengesetzter Rat der 500 diente als Feigenblatt für die faktische Diktatur der Dreißig. Dieses in sich ohnehin heterogene Regime um Kritias3, einen Onkel Platons, und || Anmerkung: Der Frankfurter Vortrag, dessen Titel die bald dreißig Jahre alte Dissertation des Verfassers spiegelt (Walter [1993]), erscheint hier in etwas erweiterter und annotierter Gestalt. Einige Passagen sind modifiziert aus Walter (2013) übernommen. Dem Überblickscharakter geschuldet beschränken sich die Literaturnachweise auf ein Minimum und sind längere griechische Texte nur in Übersetzung angeführt. ‒ Alle Jahreszahlen verstehen sich „v. Chr.“. || 1 Aus den vielen Darstellungen zum Regime der Dreißig seien hier exemplarisch genannt: Meyer (1902/1956), 13‒22, 32‒40; Welwei (1999), 247‒257; Munn (2000), 218‒247. Lehmann (1997) ordnet die ‚Dreißig‘ diachron in die athenische Geschichte ein. 2 Für eine einführende Skizze s. Bringmann (1998); immer noch lesenswert ist Meyer (1901/1965), 279‒305. 3 Zu ihm s. Németh (2006). https://doi.org/10.1515/9783110735598-014

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Theramenes radikalisierte sich bald, teils aus einer inneren revolutionären Dynamik heraus, in der Radikale meist im Vorteil gegenüber Gemäßigten sind, teils unter dem Druck der Verhältnisse: Um eine spartanische Besatzungstruppe zu bezahlen, musste Geld aufgebracht werden, das nur zu generieren war, indem man gutsituierte Bürger sowie Metöken in Prozessen verfolgte, enteignete, verbannte, in großen Zahlen auch ermorden ließ. Wer konnte, brachte sich durch Flucht in Sicherheit. Damit waren die Fronten klar, es bestand die klassische Konstellation einer Stasis, eine Spaltung der Polis: In Athen herrschten die Dreißig und ihre Anhänger sowie viele Mitläufer, unterstützt von einer spartanischen Truppe, und verschärften ihren Terror durch Massenhinrichtungen; jenseits von Attika, in Theben und weiteren Städten sowie auf Samos rüsteten die Demokraten, ebenfalls mit Unterstützung auswärtiger Mächte, zur Rückeroberung ihrer Stadt. Es kam 403 zu Kämpfen, bei denen auch Kritias sein Leben verlor4, sowie zu einer militärischen Pattsituation. Diese führte nach einem politischen Umschwung in Sparta zu einem Waffenstillstand zwischen den Bürgerkriegsparteien, den die Spartaner vermittelten: Alles Vergangene sollte vergeben und vergessen sein, niemand wegen einer Handlung zur Rechenschaft gezogen werden können, die er während oder vor der Revolution begangen hatte. Ausgenommen war nur der harte Kern von Oligarchen, denen aber die Option offenstehen sollte, vor Gericht Rechenschaft abzulegen.5 Die Anhänger der Oligarchie bildeten eine Sondergemeinde in Eleusis und sollten dort unbehelligt bleiben, im übrigen Athen und Attika wurde die Demokratie wiederhergestellt. Zwei Jahre später, 401, trat das eleusinische Klein-Athen unter Zusicherungen und Eiden dem demokratischen Groß-Athen bei, die staatliche Einheit war zurückgewonnen. Die politische, juristische und mentale ‚Bewältigung‘ dieser Katastrophe sollte die Athener indes noch mindestens eine Generation lang beschäftigen6, trotz der aus der Vereinbarung von 403 übernommenen Amnestie und des wegweisenden Amnesiegebots.7 Ein markanter, nur im politischen Kontext angemessen zu verstehender Höhepunkt dieser ‚Vergangenheitsbewältigung‘ war der Sokratesprozess 399.8

|| 4 Der von Anhängern gesetzte Epitaph für ihn und die anderen Toten der Dreißig zeugt von ungebrochener Feindseligkeit (Schol. Aischin. 1,39,18f.): μνῆμα τόδ’ ἔστ’ ἀνδρῶν ἀγαθῶν, οἳ τὸν κατάρατον δῆμον Ἀθηναίων ὀλίγον χρόνον ὕβριος ἔσχον. 5 Vgl. Loening (1987). Zur ‚Bewältigung‘ gehörte auch die vielbehandelte Modifikation des politischen Systems; einen guten Überblick bietet Haßkamp (2005). 6 Dazu Shear (2011), Kap. 6‒10. 7 Dazu monographisch Loraux (2002) und Wolpert (2002). 8 Wer diese Initialzündung für die klassische griechische Philosophie historisch angemessen verstehen will, muss gegenüber dem platonischen Zerrbild des Verfahrens den Blick auf die po-

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Eine Episode aus den schrecklichen achtzehn Monaten von Diktatur und Bürgerkrieg ist für das Thema des folgenden Überblicks von besonderem Interesse. Nach einem Gefecht im Piräus, so berichtet Xenophon, kamen Mitglieder der beiden Bürgerschaften zusammen und redeten miteinander. Ein gewisser Kleokritos, seines Zeichens Herold bei den Eleusinischen Mysterien, wandte sich an die Oligarchen: Mitbürger, warum verjagt ihr uns? Warum wollt ihr uns töten? Wir haben euch doch noch niemals ein Leid getan, sondern wir haben zusammen mit euch an den ehrwürdigsten Kulthandlungen und Opfern und an den schönsten Festen teilgenommen, wir sind Gefährten im Reigentanz, Schulgefährten und Kampfgefährten gewesen, und wir haben mit euch zusammen so manche Gefahr auf dem Lande und auf dem Meere bestanden, um die unseren beiden Parteien gemeinsame Sicherheit und Freiheit zu erhalten. Bei den Göttern unserer Väter und Mütter, bei den Banden des Blutes, der Verschwägerung und der Freundschaft ‒ denn durch alles dies sind viele von uns untereinander verbunden ‒ beschwöre ich euch, in Ehrfurcht vor Göttern und Menschen den Verfehlungen gegen das Vaterland ein Ende zu setzen! Hört nicht länger auf die gottlosesten aller Menschen, die Dreißig, welche um ihres persönlichen Vorteils willen in acht Monaten beinahe mehr Athener ums Leben gebracht haben als sämtliche Peloponnesier in zehn Kriegsjahren. Während es uns freistand, in Frieden als Bürger eines Staates miteinander zu leben, stiften diese uns zu dem allerverächtlichsten, verderblichsten, gottlosesten und bei Göttern und Menschen verhaßtesten aller Kriege untereinander an. (Xen. Hell. II 4,20–22; Übers. Strasburger)

Dieser Versöhnungsappell nennt als verbindende Kräfte zwischen den Bürgern Athens also die Götter der Väter und Mütter, die myth-historische Verwandtschaft aller Athener miteinander sowie tatsächliche gestiftete Verwandtschaften und Freundschaften. Zuvörderst aber appelliert der Redner an konkrete Handlungen, welche die Bürger einst zusammengeführt haben: Teilnahme an Opfern und Festen, am Tanz, am Unterricht und am Militärdienst. Die kurze Rede führt plastisch vor Augen, dass sich eine Polis wie Athen nicht allein durch ihr Gebiet mit Grenzen und Siedlungsverdichtungen oder durch ihre politischen Institutionen definieren lässt. Die Polis war vielmehr für die Bürger und darüber hinaus ein Raum, in dem Gemeinsamkeit und Zugehörigkeit in erster Linie durch gemeinsame Handlungen generiert wurden. Das Bürgersein stellte ‒ anders als in Rom ‒ keinen abstrakten Rechtsstatus dar, sondern materialisierte sich im gemeinschaftlichen Tun, wobei die Assoziationen in ihrer Größe sehr unterschied-

|| litischen Voraussetzungen richten, die zu dem durchaus nachvollziehbaren Urteil gegen den Lehrer und Freund prominenter Mitglieder der Dreißig, darunter Kritias, führten. Dieses wurde zu einer Zeit gesprochen, in der die Bürgerschaft sensibler als zuvor auf Provokationen reagierte. Vgl. Hansen (1995); Stone (1988).

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lich waren: Das konnten kleine Gruppen von Freunden sein, die sich zum Symposion trafen, oder Kultgemeinschaften, aber auch größere Kreise wie die örtliche Siedlungsgemeinschaft (Demos), die Phratrie und die Phyle, schließlich die politischen und gerichtlichen Institutionen in der Stadt Athen, die nach Hunderten oder gar Tausenden zählten. Es ging also um Handlungen und Haltungen. Nicht zufällig bildete für Aristoteles die Politik systematisch eine logische Fortsetzung der Ethik: Die Ethik als praktische Wissenschaft vom menschlichen Leben ziele auf das möglichst beste Leben, das sich durch richtiges Handeln erreichen lasse. Handeln aber geschehe stets mit anderen Menschen zusammen oder mit Bezug auf andere, sei also soziales Handeln im Verband. Zum wertvollen Menschen mit einem guten Leben werde man dabei nicht allein durch Naturanlage oder durch bloße Einsicht in das Richtige, sondern vor allem durch Gewöhnung und Belehrung. Gewöhnung und wirksame Belehrung in diese Richtung seien aber nur in einer durch gute Gesetze geordneten Gemeinschaft möglich. Die Gesetze und das Miteinander der Bürger wirkten dabei erziehend. Die Gesetzgebung wiederum sowie die eingeübte politische Praxis seien Emanationen der politikê epistêmê; diese zu gewinnen stelle demnach einen Teil der ethischen Selbstvollendung des Menschen dar.9

2 Assoziation ohne ‚natürliche‘ Fundierung Bekanntlich unterscheidet Aristoteles zu Beginn seiner Politik zwei Lebens- und Handlungsbereiche: das Haus (Oikos) und das Gemeinwesen (Polis). In beiden bestehen herrschaftliche Verhältnisse, also Über- und Unterordnung. Doch diese Verhältnisse unterscheiden sich je nach Konstellation: In den „natürlichen Gemeinschaften“ verfährt der Herr mit seinen Sklaven uneingeschränkt herrisch (‚despotisch‘), die Eltern erziehen ihre Kinder als fürsorgliche Herren (‚königlich‘). Das Verhältnis zwischen Eheleuten nennt Aristoteles dann bereits ‚politisch‘: Beide seien frei, und ihre Beziehung basiere auf Freundschaft; das Verhältnis sei komplementär, aber ungleich, da der Mann dauerhaft der Frau übergeordnet sei.10 Im eigentlichen Sinne politisch genannt zu werden verdiene aber lediglich das Verhältnis unter Bürgern: Sie seien als Bürger untereinander gleich, und die unvermeidbare Herrschaft in diesem Raum sei nicht dauerhaft,

|| 9 Vgl. Aristot. EN X 10, 1179a33‒1181b23 sowie u. am Ende dieses Aufsatzes. 10 Vgl. einsichtig Weber (2015), 83‒92.

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vielmehr lösten sich Herrschen und Beherrschtwerden im Wechsel ab: „Bürger ist allgemein gesagt, wer am Herrschen und Beherrschtwerden teilhat, in jeder Verfassung ist er verschieden bestimmt, in der besten Verfassung ist Bürger derjenige, der fähig ist und die Entscheidung getroffen hat, ausgerichtet auf ein Leben nach der Norm höchster menschlicher Qualität (kat’ aretên) zu herrschen und sich beherrschen zu lassen.“11 Zwar bilden für Aristoteles die Oikoi sozusagen die Bausteine, aus denen eine Polis besteht, aber wichtig ist für uns, dass beide Bereiche kategorial getrennt erscheinen. Bei allem Schematismus hat der Philosoph hier eine Besonderheit griechischer politischer Ordnungen im Vergleich zu anderen vormodernen Formationen zutreffend identifiziert: Die Hellenen lösten den politischen Raum in hohem Maße von Strukturen, die auf natürliche Verhältnisse zurückgingen. Während in den meisten vormodernen Gesellschaften Blutsverwandtschaft und gestiftete Verwandtschaften in Gestalt von Familien, Geschlechtern, Clans oder Stämmen auch die Politik stark beeinflussten oder sogar dominierten, war dies in den griechischen Poleis so gut wie gar nicht der Fall. Ja, man kann sogar sagen, dass zumindest in Athen und Sparta die im Kern (jedoch selbstverständlich nicht in ihren konkreten kulturellen Ausprägungen) natürliche soziale Einheit Familie von der politischen, also willentlichen Vergemeinschaftung zurückgedrängt wurde. Im Dienste ihrer Formierung hat man in Sparta sogar zeitweise die Ehe abgeschafft. Auch in Athen war, wenn auch in ganz anderer Weise, die Hierarchisierung sichtbar, etwa im Stadtbild: die privaten Häuser in Athen waren bis ins 4. Jahrhundert hinein unspektakulär und tendenziell recht ähnlich, während der öffentliche Raum früh ausgestaltet und ‚sichtbar‘ gemacht wurde. Zugespitzt formuliert: Die Verkümmerung der Familie war der Preis, den die Athener zu entrichten hatten, um den Fesseln von Tribalismus und Verwandtschaft zu entkommen.12 Ebenso wenig spielten bei den Griechen dauerhafte vertikale Abhängigkeiten in Gestalt von Klientelbeziehungen zwischen Bürgern eine nennenswerte Rolle, anders als in vielen anderen vormodernen Gesellschaften (z.B. auch im antiken Rom). Aus diesem Befund ergibt sich eine logische Konsequenz: Wenn Assoziation und Dissoziation, wenn Solidarität und Feindschaft in der griechischen Polis nicht in erster Linie durch Verwandtschaft im weiteren Sinn oder durch Klientelverhältnisse strukturiert waren, wenn es also so gut wie keine ‚natürlichen‘

|| 11 Aristot. Pol. III 13, 1283b42‒1284a3; Übers. Schütrumpf, verändert. 12 Vgl. Murray (1986), 217: „The erosion of the family was the price to be paid for her success in escaping from the ties of tribalism and kinship to create a new type of social and political organization.“

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und stabilen Loyalitäten gab, musste eine andere Art von Kohärenz eintreten, um kein soziales Vakuum entstehen zu lassen. Und diese Kohärenz wurde hergestellt durch genossenschaftliche Zusammenschlüsse, die entweder egalitär oder zustimmungshierarchisch funktionierten und die schon früh auch auf gesetzten Regeln sowie gemeinsamen Interessen und Überzeugungen basierten. Ihre Bindekraft waren der häufige Umgang miteinander im gemeinsamen Tun und die daraus erwachsende Freundschaft (philia). Aristoteles baut diesen Gedanken in sein Modell der idealen Polis ein: Die Gemeinschaft eines guten Lebens könne sich nicht entwickeln, wenn ihre Mitglieder „nicht ein und denselben Ort bewohnen und untereinander als gültig anerkannte Ehen schließen. Deswegen bildeten sich ja auch in den Poleis verwandtschaftliche Beziehungen und Phratrien aus, und es gibt gemeinsame Opfer und Veranstaltungen geselligen Zeitvertreibs. Es ist aber nur Freundschaft, die dies zustande bringt, denn die Entscheidung (prohairesis) zum Zusammenleben macht eine Freundschaft aus.“13 Man beachte, wie stark Aristoteles hier den Akzent auf Wahl und Willen setzt. Auch wenn nicht für alle Assoziationen eine Freiwilligkeit galt ‒ so wurde man in Athen in einen Demos und dadurch auch in eine Phyle hineingeboren ‒, so ruhten diese alle doch durchweg ganz wesentlich auf dem aktiven Mitwirken jedes einzelnen Mitglieds. In diesem Sinn liegt es auf der Hand, dass sich die Frage der Kohärenz und Stabilität solcher Gebilde sowie ihres Zusammen- oder eben auch Gegeneinander-Agierens in spezifischer Dringlichkeit stellte ‒ weil es eben keine ‚natürlichen‘ und selbstverständlichen Leitmuster gab.

3 Stasis: die politische Dissoziation als Kehrseite disponibler Loyalitäten Liest man Präskripte inschriftlich überlieferter Volksbeschlüsse griechischer Poleis einmal seriell durch, fällt auf, wie emphatisch hier eine Einheit des Willens beschworen wird. Eines der ältesten Dokumente dieser Art aus dem 7. Jahrhundert beginnt mit „Das hat die Polis beschlossen“.14 Einem athenischen Volksbeschluss des 5. oder 4. Jahrhunderts, in dem penibel der Antragsteller, der gerade amtierende Archont, die im Rat geschäftsführende Phyle, der Schreiber des Rates, der täglich wechselnde Vorsteher der Volksversammlung und gegebenenfalls auch noch der Proponent eines Abänderungs- oder Ergänzungsan|| 13 Aristot. Pol. III 9, 1280b35‒39; Übers. Schütrumpf, verändert. 14 Rhodes / Lewis (1997), 301 (Dreros auf Kreta).

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trages genannt werden, stand stets die Formel „Rat und Volk haben beschlossen“ voran.15 Gleichzeitig herrschte bei der Entscheidungsfindung in den zentralen politischen Gremien vielfach die Mehrheitsregel.16 Diese hatte erheblichen Einfluss auf die politische Kommunikation. Für das Gemeinwesen relevante Entscheidungen können nämlich prinzipiell auch ganz anders, nämlich konsensorientiert hergestellt werden, etwa durch Palaver, wie bei vielen nordamerikanischen Indianerstämmen, oder durch das Prinzip der aufgeschobenen Gegenleistung. Die Rhetorik orientiert sich in diesem Fall am Ziel der Konsensherstellung beziehungsweise der Reziprozität, sie betont das Gemeinsame und vermeidet Zuspitzung und Ausgrenzung. Entscheidungen so zu fällen braucht jedoch sehr viel Zeit und möglichst überschaubare Verhältnisse. Ein System mit Mehrheitsentscheidung hingegen ist schnell, außerdem begünstigt es polemische Rhetorik in dem Sinne, dass die Optionen möglichst klar herausgearbeitet und gegenübergestellt werden. Das ist solange unproblematisch, wie die Mehrheiten wechseln. Kommt es aber zu dauerhaften Parteiungen, etwa entlang sozio-ökonomischer oder regionaler Differenzen, persönlicher Rivalitäten oder sogar außenpolitischer Ausrichtungen (pro/contra Persien; Athen vs. Sparta), dann kann das zu einer Verfestigung führen, als ob sich eine Gruppe die Polis dauerhaft aneignet und die andere in die Ecke drängt oder ausgrenzt.17 Eine solche Konstellation war nun in der Tat in den griechischen Poleis sehr häufig; diese Parteiungen (Staseis, wörtlich „Auseinandertreten“) konnten zu blutigen Bürgerkriegen (ebenfalls Staseis) führen, in deren Verlauf die Unterlegenen vertrieben und enteignet, nicht selten auch ermordet wurden, um sie dauerhaft aus der bürgerschaftlichen Gegenwärtigkeit zu entfernen.18 „Die jedesmal herrschende Partei“, so bringt Jacob Burckhardt es auf den Punkt, „benimmt sich dann völlig so, als ob sie die ganze Polis wäre und deren ganzes Pathos auszuüben das Recht hätte.“19 Abstrakter formuliert: Die freie, auf Gedeih und Ver-

|| 15 Ebd., 20. 16 Dazu grundlegend Flaig (2012), auch für das Folgende. 17 Riess (2013), 6375, nennt als Forschungsaufgabe u.a., die Unterschiede zwischen Staseis in Archaischer und in Klassischer Zeit besser herauszuarbeiten. Eine Differenz lag sicher darin, dass in Klassischer Zeit (5. und 4. Jahrhundert) die einander gegenüberstehenden Gruppen sich vielfach gefestigter und ‚programmatischer‘ darstellten als die eher volatilen, um einzelne Aristokraten gescharten Anhängerschaften der Archaik. 18 Die grundlegende Studie ist Gehrke (1985); vgl. ferner als weniger systematisch angelegte Überblicksdarstellung Lintott (1982), die in einem Kapitel auch „The Philosophers and Civil Conflict“ behandelt (239‒251), sowie von den Aufsätzen Hansen (2004); Radici Colace / Sergi (2000); van Wees (2007). 19 Burckhardt (1898/1956), 80.

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derb geschlossene, daher potentiell sehr enge Assoziation generiert unter Umständen eine maximal ausgeprägte Dissoziation. In vielen griechischen Gemeinden gewannen jedenfalls die zerstörerischen Kräfte des eskalierenden Konflikts in Archaischer und Klassischer Zeit die Oberhand; die Stasis war ab dem sechsten Jahrhundert in Hellas ein endemisches Phänomen von großer Heftigkeit, übrigens auch noch im Hellenismus (338‒30), wie kürzlich in einer umfassenden Studie überzeugend aufgewiesen werden konnte.20 Dabei pflegten die Kontrahenten handfeste Gewalt, zudem wurden an sich stabilisierende Ordnungsräume gleichsam zweckentfremdet, etwa die Gerichte. Hans–Joachim Gehrke hat ermittelt, dass es in klassischer Zeit beinahe 300 dieser meist kurzen, eruptiven, sich in Gewalt, Vertreibung und Enteignung äußernden Staseis gab, häufiger in mittelgroßen als in ganz kleinen oder sehr großen Poleis, wobei es in manchen Gemeinden über die Zeit mehrere solche Umstürze gab, in Einzelfällen deren zehn oder sogar noch mehr. Ketten von Umsturz und Gegenumsturz wurden ganz gewiss auch durch die herrschende Erwiderungsethik befördert, in der Rache keineswegs tabuiert war.21 Eine gewisse Verdichtung lässt sich für die Zeit des Peloponnesischen Krieges (431‒404) beobachten. Die Opferzahlen (Vertriebene und Tote) waren sehr unterschiedlich; wo Angaben überliefert sind, ergeben sich gemessen an der Bürgerzahl Quoten von 5 bis 10 %, in Einzelfällen 20 oder sogar 33 % (Milet 405). Schaut man auf die Erscheinungsformen, so sind folgende Züge auffällig: Es gab eine Tendenz, den Gegner völlig zu eliminieren; die Bereitschaft und Fähigkeit, eine Opposition zu dulden oder eine Niederlage zu akzeptieren, blieben schwach ausgeprägt.22 So ging es immer wieder darum, den inneren Gegner selbst aus dem Weg zu räumen oder zumindest dauerhaft zu entmachten; in diesem Sinn wurde verhaftet, verbannt, getötet, enteignet und der Zugang zum politischen Raum verstellt.23 Das Handlungsmodell der Wahl, um die eigenen Ziele zu erreichen, waren in einer polarisierten Konstellation nicht das Bemühen um langfristig angelegtes Umgestalten oder der zähe, geduldige Kampf um die politische Macht im Rahmen des politischen Systems, sondern weit eher der plötzliche Coup, das überraschende und von vornherein durch die Anwendung brachialer Gewalt gekennzeichnete bezie|| 20 Börm (2019). 21 Dazu eindringlich Gehrke (1987/2019). 22 In der frühen Zeit bestand die ‚Lösung‘ der Stasis nicht selten darin, dass die Unterlegenen bzw. Schwächeren die Gemeinschaft verließen; dabei ging von der ‚Befleckung‘ (miasma) durch vorherige Gewalthandlungen zusätzlich ein religiös konnotierter Druck aus. Nicht wenige Gründungen von eigenständigen Neusiedlungen (Apoikien) gingen auf solche Konstellationen zurück; s. dazu Bernstein (2004). 23 Gehrke (1985), 266f., auch für das Folgende.

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hungsweise diese in Kauf nehmende Losschlagen; die meisten Staseis verliefen daher wie Ausbrüche von Devianz und Gewalt. Selbst da, wo die Attacke im Rahmen der Verfassung blieb, ging man rasch aufs Ganze, etwa durch politische Prozesse, die den Gegner existentiell gefährdeten, und man überschritt die Grenze schnell, gern auch präventiv ‒ wenn dies der Gegner nicht bereits getan hatte.24 Und selbst wer unterlegen war, dachte oft nicht daran, die Niederlage zu akzeptieren. Eher lieferte man dem Gegner einen das eigene Gemeinwesen und dessen Integrität gefährdenden Krieg, als sich seiner Dominanz zu beugen. Jedes Mittel war recht, alle Barrieren, die Moral und Religion, Recht und Ordnung bildeten, erwiesen sich nicht selten als zu schwach. So berichtet Thukydides in der berühmten „Pathologie“ über die Stasis auf Korkyra zu Beginn des Peloponnesischen Krieges: In allen seinen Erscheinungsformen trat der Tod auf, und, wie es in solchen Zeiten zu geschehen pflegt, es gab nichts, was nicht vorkam, und sogar noch mehr: Da tötete ja der Vater den Sohn, und Menschen wurden von den Heiligtümern fortgezerrt oder auch direkt an diesen erschlagen, und einige kamen um, nachdem man sie im Dionysos-Heiligtum eingemauert hatte. (Thuk. III 81,5; Übers. Weißenberger, leicht verändert)25

Thukydides führt die Eskalation des inneren Krieges ganz eindeutig auf den großen Staatenkrieg zurück, der polare Konstellationen verstärkte und als „gewalttätiger Lehrmeister“ wirkte. Die Analyse ist präzise (III 82,3‒6; 83,2‒4): Innere Konflikte also zerrissen die Städte, und kam es dazu irgendwo erst etwas später, so gab die Kenntnis des bereits Vorgefallenen Anlass, sich im Denken und Planen zu nie dagewesenen Exzessen zu versteigen in der Perfidie der Anschläge und der Maßlosigkeit der Racheakte. (4) Und die bis dahin übliche durch Bezeichnungen ausgedrückte Bewertung von Verhaltensweisen wurde verändert, wie man es für richtig hielt: Hirnloses Draufgängertum galt plötzlich als tapferer Einsatz für die Freunde, vorausdenkende Zurückhaltung als maskierte Feigheit, kluge Mäßigung als Bemäntelung von Schwäche, alles bedenkender Verstand als alles versäumende Untätigkeit; wie wahnsinnig zu toben hielt man für männlich, Sicherheit suchendes Überdenken für gut klingenden Vorwand der Verweigerung. (5) Wer unentwegt hetzte, galt als vertrauenswürdig, wer ihm widersprach, als ver-

|| 24 Ein Beispiel: Wohl 357 wurden Philon und Stratokles als Gegner Philipps II. von ihren eigenen Mitbürgern aus der Stadt Amphipolis verbannt, ihr Besitz enteignet; sie selbst und ihre Kinder erklärte man für vogelfrei und bedrohte jeden, der künftig ihre Partei ergreifen sollte, mit der gleichen Strafe; vgl. Rhodes / Osborne (2003) Nr. 49. 25 Besonders auffällig: Die politische Parteibildung schlägt alle ‚alten‘, eingewurzelten Loyalitäten und Handlungsleitlinien bzw. Restriktionen aus dem Feld, sowohl die familialen wie die religiösen.

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dächtig. Wer mit einem hinterlistigen Anschlag Erfolg hatte, den hielt man für klug, wer einen solchen rechtzeitig durchschaut hatte, galt noch mehr; traf einer aber im Voraus Maßnahmen, dass dergleichen nicht gebraucht werde, hieß es, er sei ein subversives Element im Kameradenbund und habe Angst vor dem Feind. Kurz, Lob erntete, wer zuschlug, während der andere noch plante, und wer den anstiftete, der gar nicht daran dachte. (6) Und Verwandtschaft wurde zu einer loseren Bindung als Parteizugehörigkeit, weil diese eher bereit war zu skrupellosem Handeln; denn nicht mit den geltenden Gesetzen zu gutem Zweck agieren derartige Gruppen, sondern wider das bestehende Gesetz zur Bereicherung. Und die Vertrauensbande, die sie zusammenhielten, entstammten nicht göttlichem Recht, sondern gemeinsam begangenem Unrecht. (…) Kein Wort war verlässlich, kein Eid furchterregend genug, eine Versöhnung herbeizuführen, und da alle sich stärker fühlten durch Berechnen des Unverhofften als durch Verlass auf Garantien, versuchten sie eher gegen Schaden Vorkehrungen zu treffen, als dass sie fähig gewesen wären, Vertrauen zu fassen. (3) Und bessere Überlebenschancen hatten zumeist die intellektuell niedriger Stehenden; denn sie hatten Furcht wegen ihres eigenen Defizits und der geistigen Überlegenheit ihrer Gegner und schritten deshalb, um nicht in der Debatte zu unterliegen und vorher Opfer einer mit gewandter Verschlagenheit eingefädelten Intrige zu werden, verwegen zur Tat. (4) Die anderen aber, voller Geringschätzung überzeugt, alles schon vorher zu durchschauen und nicht durch Handeln sich nehmen zu müssen, was man mit Verstand bekommen kann, waren ohne Schutz und kamen eher ums Leben. (Übers. Weißenberger)

In solchen Auseinandersetzungen fehlte auffälligerweise, anders als in modernen Revolutionen, jedes über den unmittelbaren Machtgewinn hinausweisende Telos; es gab keinerlei etwa auf ‚Fortschritt‘ oder ‚Emanzipation‘ gerichtete Dynamik. Die Stasis machte lediglich das Ziel potentiell jedes ‚Anführers‘ in Griechenland, Macht zu gewinnen ‒ Macht als diskretionäre Verfügung über Leben, Eigentum und politische Institutionen ‒, besonders sichtbar. Da es praktisch keine Routinen der De-Eskalation gab und die Akteure überdies sehr häufig noch unter dem Druck äußerer Gegner beziehungsweise Verbündeter standen, steigerte sich, wie wir ja schon im Fall von Athen gesehen haben, die Radikalität des Verhaltens: Man wollte durch einen schnellen Sieg klare Verhältnisse schaffen, um danach wieder zum Alltag nach den eigenen Vorstellungen übergehen zu können. Ein wesentlicher Grund für die Labilität und Konflikthaltigkeit der politischen Strukturen in den griechischen Poleis reicht bis in die früharchaische Zeit zurück: Schon in dieser Zeit existierten in der Gesellschaft keine übergreifenden, auf Verwandtschaft basierenden Strukturen; vielmehr standen die aristokratischen Oikoi isoliert und autark nebeneinander. Diese Vereinzelung war die entscheidende Voraussetzung für das Wettbewerbs- oder Aristie-Ideal, das wir bereits in den Homerischen Epen sowie in der archaischen Lyrik des 7. bis 5. Jahrhunderts greifen können. Schon hier beruhte die Assoziation, etwa in adligen Aktionszirkeln, den Hetairien, auf einer Entscheidung und konnte die Dis-

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soziation scharf ausfallen, wozu kommunikative ‚Echokammern‘ wie das Symposion und gruppendynamische Selbstbestätigungen ihren Teil beitrugen. Mit dem Aristie-Ideal untrennbar verbunden war das Denken in Kategorien von Sieg und Niederlage, war schließlich das Gebot zu Rache und Widerrache. Hinzu kam, dass viele aristoi durch Gastfreundschaften, Geschenke und Eheschließungen Verbindungen über ihre Polis hinaus unterhielten; diese stellten im Ernstfall eine Ressource dar. In vielen Poleis gewannen die hieraus erwachsenden zerstörerischen Kräfte die Oberhand, obwohl man selbstverständlich Verfahren ersann, um zu Lösungen zu kommen, die nicht einfach im Sieg der einen Partei bestanden. In Archaischer Zeit spielten kollektiv akzeptierte Satzungen ‒ oft angesichts einer drohenden Stasis durch einheimische oder auswärtige Schiedsrichter vorgeschlagen ‒ eine wichtige Rolle, außerdem wurde mancherorts auch die Bürgerschaft neu geordnet, um die Teilhabe am koinon zu stärken (s.u.). Später beschwor man Bürgereide oder schuf Gesetze gegen Tyrannen und Oligarchen.26 Aus der dennoch verbreiteten Heillosigkeit erklärt sich zum guten Teil, warum die griechische politische Philosophie ‒ von Platons Staat der Gerechtigkeit bis hin zum Konzept der Mischverfassung ‒ immer wieder und geradezu obsessiv nach Wegen suchte, wie eine Polisordnung dauerhaft zu stabilisieren und gegen Umsturz und Bürgerkrieg zu schützen sei. Auch die für sich genommen schwer verständliche Bewunderung für Sparta in Oberschichtkreisen sowie gerade unter Intellektuellen hat hier eine ihrer Wurzeln: Sparta galt im klassischen Griechenland als Wunder an innerer Stabilität: keine offenkundige Stasis, keine neben den Institutionen stehende Tyrannis.27 Man kann sich fragen, warum die dissoziativen Potentiale des adligen Aristie-Ideals der Frühzeit auch nach der Formierung der Polis fortwirkten. Hatte nicht die Idee nachbarschaftlicher Solidarität, wie sie die Bauern aus ihren dörflichen Gemeinschaften in die neue, größere Formation einbrachten, eine alternative, gleichsam kommunale Option des Zusammenlebens eingebracht, die von wechselseitiger Hilfe und strenger Verhaltenskontrolle durch die Gemeinschaft gekennzeichnet war?28 Das trifft sicher zu. Doch gerade die demographische, wirtschaftliche, militärische, politische und nicht zuletzt religiöse Verdichtung in der Polis seit dem 7. Jahrhundert machte diese zu einem höchst attraktiven und höchst sichtbaren ‚Spielfeld‘ für die Aristokraten, die aufgrund

|| 26 S. im Zusammenhang Dössel (2003); Börm (2019), 171‒272. 27 Zum Philolakonismus s. zuletzt Jordović (2014). Insofern ist das differenzierte, durchaus kritische Bild, das Aristoteles in der Politik von Sparta zeichnete, recht bemerkenswert. 28 Dazu grundlegend Schmitz (2004).

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ihrer überlegenen sozialen Position zunächst auch dort die Führung beanspruchen konnten. Nicht zufällig betreffen gesetzliche Regelungen von Polisangelegenheiten in der Archaischen Zeit (800‒500) sehr häufig die Besetzung und Ausübung der von den Aristokraten bekleideten Ämter. Ferner ging es oft darum, die Teilhabe an der Polis innerhalb einer oft inhomogenen Bürgerschaft neu zu regeln und dadurch Spannungen abzubauen; das ist sehr schön an den Phylenreformen zu sehen, wie zuletzt in einer vorzüglichen Studie gezeigt wurde.29 Auch der bekannte Ostrakismos in Athen, der in der frühen Demokratie der Perserkriegs- und Nachperserkriegszeit eine nicht unwichtige Rolle spielte, diente dazu, die Aristokraten auf ein gemäßigtes, gemeinschaftsdienliches Verhalten einzuschwören und die Eskalation von Rivalitäten innerhalb der Oberschicht zu verhindern30 ‒ was in Athen ja durchaus bis in den Peloponnesischen Krieg hinein gelang. Das Nebeneinander von Assoziation und Dissoziation hat Carmine Ampolo in ein attraktives Modell gefasst. Der italienische Althistoriker vergleicht die griechische Polis mit einer Aktiengesellschaft aus vielen kleinen und einigen größeren Aktionären. Die meiste Zeit arbeiten alle gemeinsam am Erfolg des Unternehmens; bisweilen kommt es jedoch auch zu Frontbildungen, sei es zwischen Kleinen und Großen, um Anteile am und Einfluss auf das Gesamtunternehmen zu gewinnen, oder sei es zwischen Großaktionären, die einander aus dem Unternehmen herausdrängen wollen und dabei auch Anhängerschaften der kleineren shareholder sowie Hilfe von außen mobilisieren. Nicht zu vergessen sind die Versuche einer feindlichen Übernahme von außen, der man sich gemeinsam entgegenstemmen kann, die einigen Anteilseignern aber auch Vorteile zu bieten scheint, weswegen sie dem externen Interessenten zuarbeiten.31 || 29 Grote (2016). 30 Vgl. knapp Walter (2004) (Besprechung von: Peter Siewert [Hg.], Ostrakismos-Testimonien I, Stuttgart 2002; Stefan Brenne, Ostrakismos und Prominenz in Athen. Attische Bürger des 5. Jhs. v.Chr. auf den Ostraka, Wien 2001). 31 Vgl. Ampolo (1996), 323f.: „Non voglio spingere troppo oltre il confronto che ho proposto: l’interpretazione della polis come comunità di azionisti della città costituisce un aiuto per comprendere alcuni caratteri apparentemente contraddittori della città greca e fa rientrare accanto alla politica e alla religione anche gli aspetti economici e sociali nella concezione della città. Può anche servire a spiegare la transizione alla democrazia dopo un periodo di lotte tra gruppi di aristocratici e loro seguaci: l’allargamento della partecipazione ai benefici della città era una pretesa naturale. Se è vero che Clistene apri al demo il suo raggruppamento politico, il parallelo con gli azionisti viene spontaneo. Uno dei grandi azionisti della città, per non essere sconfitto dagli altri azionisti, ha coalizzato intorno a sé i piccoli azionisti, o ‒ secondo un’altra versione ‒ ha fatto entrare dei «nuovi azionisti». L'interpretazione dei cittadini come «azionisti» aiuta a capire la dinamica degli avvenimenti e a spiegare alcuni testi.“

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Dieses Muster war ja geradezu in Reinkultur im einleitenden Beispiel des athenischen Bürgerkriegs 404/403 zu studieren, als die Oligarchen lange Zeit von Sparta beziehungsweise dem damals in Sparta starken Mann, Lysander, unterstützt wurden, die Demokraten hingegen von verschiedenen benachbarten Poleis, die ihrerseits mit Sparta verfeindet waren. Etwas anders hat zuletzt Benjamin Gray das Feld strukturiert: Anhand des Exils als Indikator der Eigenarten griechischer Politik und politischer Theorie unterscheidet er idealtypisch, mit Blick auf die komplexen Befunde wohl auch allzu schematisch zwei im Widerstreit koexistierende, grundsätzlich unterschiedliche „civic political cultures“: einen als „communitarian“ zu klassifizierenden Handlungsmodus, der auf bürgerschaftliche Solidarität und Gemeinwohl setzte, und einen „contractarian“ Entwurf, in dem strikte Reziprozität von Handlungen und Rechten gegolten habe. Beide Konzepte ließen sich in unterschiedlicher Gewichtung in jeder Polis identifizieren. Ihre prinzipielle Unvereinbarkeit habe eine der Polis inhärente Konfliktanfälligkeit begründet.32

4 Der Umfang des Politischen Auch die Intensität des politischen Lebens wurde durch Handlungen sowie deren Verstetigung in Routinen skaliert: Für die Gestaltung des politischen Raumes war es ganz erheblich, wie oft er aufgesucht wurde und was in ihm verhandelt wurde. Athen im 5. und 4. Jahrhundert ist wieder das am besten bekannte ‒ und zugleich extreme ‒ Beispiel: Durch die enorme außenpolitische Aktivität im Zeichen des Attischen Seebundes und die häufigen Kriege gab es hier für Rat und Volksversammlung einfach täglich ungeheuer viel zu tun. Ständig musste man Informationen einholen, Wissen aktivieren, beraten, entscheiden, anweisen, kontrollieren. Vieles davon war Routine, aber gerade diese stärkte die „bürgerliche Gegenwärtigkeit“ des Demos (Chr. Meier33) und das Selbstgefühl der Bürgerschaft, alle Fäden in Händen zu halten. Das ist übrigens auch der Hauptgrund, warum es im demokratischen Athen keine ausgearbeitete Ideologie der Demokratie gab beziehungsweise brauchte: Während die Gegner der Demokratie intellektuell ausgefeilte Schriften verfassten und in kleinen Zirkeln debattierten, weil sie ‚draußen‘ keine große Bühne fanden, lebte die Demo-

|| 32 Gray (2015). 33 Meier (1980), 91‒143: „Kleisthenes und die Institutionalisierung der bürgerlichen Gegenwärtigkeit in Athen“.

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kratie ganz und gar in der alltäglichen Praxis und aus der Praxis. Ihr Pathos, ihre ‚Ideologie‘ manifestierte sich nicht in Theorien, sondern in den erwähnten Präskripten jedes einzelnen Beschlusses von Rat und Volk sowie in der alltäglichen Rhetorik auf der Pnyx und in den Gerichten.34 Im 4. Jahrhundert mussten in Athen mindestens vierzig Volksversammlungen pro Jahr abgehalten werden; oft gab es noch mehr. Das sah in einer kleinen, ausschließlich bäuerlich geprägten Polis in Arkadien oder bei den Lokrern ganz anders aus: Hier gab es viel weniger zu entscheiden, der Blick richtete sich nicht nach außen, Politik spielte gegenüber Familie und Subsistenz keine dominierende Rolle, und vielfach gaben aristokratische Eliten den Ton an. In Sparta vollzog sich das politische Leben weitgehend im Dreieck zwischen Königen, Gerusie und Ephoren; die Versammlung der Vollbürger, ohnehin auf Disziplin und Gehorsam getrimmt, kam offenbar nur ins Spiel, wenn in der politischen Führung kein Konsens hergestellt werden konnte. Auch in Sparta war die Agenda sehr viel kürzer als in Athen; sie wurde stark dominiert von der Niederhaltung der Heloten und der Erhaltung der Vormachtstellung auf der Peloponnes. Leider wissen wir viel zu wenig darüber, wie eine Versammlung von Spartanern, die an Disziplin und Hierarchie gewöhnt waren, im Konfliktfall reagierte. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass dann das politische System der Spartaner oft überfordert war und Entscheidungen traf, die danach wieder revidiert wurden, woraus sich nach außen der Eindruck einer unsteten und schwer berechenbaren Politik ergeben konnte.35 Sparta zeigt überhaupt eines generell: Die stetige handelnde Neuschaffung des Politischen im innergemeindlichen, als egalitär vorgestellten Diskurs und seine einigermaßen klare Fixierung durch Institutionen und Verfahren, wie sie im demokratischen Athen beobachtet werden können, waren keineswegs in allen oder auch nur den meisten griechischen Polisstaaten selbstverständlich. Politische Kommunikation spielte sich selbstverständlich nicht allein in den ‚großen‘ Beratungs- und Entscheidungsgremien ab. Vielmehr gehörten die Bürger, wie bereits erwähnt, zahlreichen formellen und informellen Assoziationen an: Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft, Kultgemeinschaften, Berufsgruppen, gesellige Freundeskreise. Besonders institutionalisiert waren in Athen die insgesamt 139 Demen, mit eigenen politischen Institutionen quasi Poleis im Kleinen, ferner die Phratrien und Phylen, genossenschaftliche Verbände36 unter der Fiktion von Blutsverwandtschaft, die das Bürgersein jedes Atheners im familial-

|| 34 Vgl. Jordović / Walter (2019), 25‒33; Tiersch (2019). 35 Vgl. Link (2008) und (2011). 36 Vgl. Welwei (1988); Murray (1986).

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kultischen, im militärischen und im eigentlich politischen Bereich strukturierten. Alle boten Räume für Nachrichten, Gerüchte und Diskussionen, für eine ständige politische Sozialisation, besonders natürlich der Nachwachsenden. In Sparta nahmen vor allem die Mahlgemeinschaften (Syssitien) der erwachsenen Krieger diese Funktion wahr; charakteristisch für diese Polis war aber die Regel, vom dort Gesprochenen nichts nach außen dringen zu lassen. In Athen wäre ein Personenkreis mit einem derartigen Gebot als Verschwörergruppe angesprochen worden; umgekehrt orientierten sich die eingangs erwähnten oligarchischen Hetairien in Athen vermutlich am spartanischen Vorbild. Vielleicht auch deswegen wurde zu Beginn des 4. Jahrhunderts, also nach der Diktatur der Dreißig, in Athen die Ausbildung der jungen Männer durch die Polis in Gestalt der sog. Ephebie stärker geregelt: Der zweijährige gemeinsame (Wehr-)Dienst der etwa 18-Jährigen begann mit einer Begehung der Heiligtümer und Erinnerungsorte in Attika, wobei ein Eid abgelegt wurde, in dem sich die Epheben zu militärischem Gehorsam, zur Beachtung der Gesetze und religiösen Vorschriften der Polis sowie zum Schutz der Verfassung verpflichteten. Das erste Jahr verbrachten sie in den befestigten Garnisonen des Piräus. Nach diesem ersten Jahr demonstrierten sie während einer Volksversammlung im Theater ihr Können und empfingen Schild und Lanze. Im zweiten Dienstjahr waren die Epheben in den verschiedenen Festungen Attikas stationiert und hatten Patrouillendienst auf dem Land zu leisten, nahmen aber auch an besonderen Kulthandlungen und rituellen Wettkämpfen, zumal im Tanzen und Musizieren, teil, und wurden dadurch auch in die Polisreligion eingeführt.37 Diese stellte neben der Politik einen weiteren zentralen Handlungsraum dar, der ebenfalls nicht familial strukturiert war.

5 Ein aristotelischer Ausblick Ein skizzenhafter Ausblick zum Schluss: In seiner eindringlichen Analyse der Veränderungen in den Staatsverfassungen (metabolai tôn politeiôn) im fünften Buch der Politik stellt Aristoteles zu Beginn eine strukturelle Aporie fest: Demokraten und Oligarchen haben fundamental verschiedene Vorstellungen darüber, welche Folgerungen aus partieller Gleichheit beziehungsweise Ungleichheit für die politische Ordnung und deren Gerechtsein zu ziehen seien, und sie

|| 37 Vgl. einführend Bruit Zaidman / Schmitt Pantel (1994), 66‒111.

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suchen ihre subjektiv berechtigten, aber zusammengenommen inkompatiblen Ansprüche unbedingt und ohne Rücksicht auf das Ganze durchzusetzen: Man muß aber als Ausgangspunkt zunächst verstehen, daß viele Verfassungen dadurch entstanden sind, daß alle, die über Gerechtigkeit, d.h. proportionale Gleichheit38, einer Meinung sind, diese aber dann doch falsch bestimmen, (…). Die Demokratie entstand so daraus, daß (ihre Anhänger), die in einer bestimmten Beziehung gleich sind, annehmen, sie seien schlechthin gleich; denn weil sie alle in gleicher Weise frei geboren sind, glauben sie, sie seien schlechthin gleich. Die Oligarchie entstand dagegen daraus, daß (ihre Anhänger), die in einer Beziehung ungleich sind, annehmen, sie seien schlechthin ungleich; denn aufgrund ihrer Überlegenheit in Besitz glauben sie, schlechthin überlegen zu sein. Als Folge davon verlangen nun die einen, in der Überzeugung, gleich zu sein, an allen Dingen in gleichem Umfang beteiligt zu werden, die anderen suchen dagegen in der Überzeugung, überlegen zu sein, einen größeren Anteil zu bekommen; denn ein größerer Anteil bedeutet Überlegenheit. Alle (diese) Verfassungen besitzen zwar eine gewisse Rechtsgrundlage, müssen aber doch schlechthin betrachtet als verfehlt gelten. Wenn nun jede der beiden Gruppierungen nicht entsprechend ihren Vorstellungen an der Verfassung beteiligt ist, zettelt sie aus diesem Grunde innenpolitische Unruhen an (stasiazousin). (Aristot. Pol. V 1, 1301a25–39; Übers. Schütrumpf)39

|| 38 τὸ δίκαιον καὶ τὸ κατ’ ἀναλογίαν ἴσον. Schütrumpf (2019), 257f., widerruft seine eigene frühere Übersetzung von τὸ δίκαιον mit „Gerechtigkeit“: „Es ist eine unselige Vermischung und stiftet nur Verwirrung, die dem Verständnis von dikaion entgegensteht, wenn man dessen Identifikation mit dem Gleichen in E. N. V mit den davon verschiedenen Vorstellungen von E. N. III über Tugenden, zu denen auch Gerechtigkeit gehört, vermengt. Dikaion, die Bestimmung eines Verhältnisses von mehreren in einer bestimmten Weise miteinander in Beziehung getretenen Personen, einer rechtlichen Beziehung, eines Rechtsverhältnisses, das durch eine mehrere Glieder umfassende Gleichung ausgedrückt wird, eines reziproken Verhältnisses, kann mit der Übersetzung ‚Gerechtigkeit‘, justice, die bei Aristoteles immer nur die Charakterhaltung jeweils einer Person bezeichnet, nicht erfasst werden, da erstens die Besonderheit, das Grundmuster der verschiedenen von Aristoteles mit dikaion bezeichneten Beziehungen nicht zum Ausdruck gebracht wird, wenn sie auf eine ethische Haltung reduziert werden. Und zweitens weist man diesem Verhältnis eine ethische Dimension zu, die dessen meist entpersonalisiertem Charakter nicht zukommt, da Aristoteles darlegt, wie aufgrund objektiver Kriterien Schaden bemessen und wiedergutgemacht oder Leistungen oder Privilegien zugeteilt werden sollen. Der moderne, weit gefasste Begriff von ‚Gerechtigkeit‘ hat kein Gegenstück bei Aristoteles, bei dem dieser Begriff auf die Eigenschaft von Menschen begrenzt ist, während andererseits E. N. V ‚gerecht‘, dikaion, konkret die spezifischen Ansprüche von mindestens zwei Parteien in einer wie auch immer gestalteten Beziehung bezeichnet.“ 39 Pellegrin (2019), 241, hebt das psychologische Moment in Aristoteles’ Ursachenanalyse hervor: „Aristotle does not describe stasis as a political manoeuvre, violent or not, to get power, or wealth, or both, but as a reaction of unsatisfied people. (…) The goal of a stasis is to establish or

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Aus dieser Feststellung, die im Folgenden vom Autor noch weiter ausgeführt und erheblich substanziiert wird40, ließen sich eben wegen der fundamentalen Unterschiede, was unter einem ‚gleichen‘, das heißt gerechten Anteil zu verstehen sei, kaum wirksame Gestaltungs- oder Handlungsempfehlungen ableiten, sieht man von der Generallinie ab, die Verfassung der jeweiligen Bevölkerungsund Vermögensstruktur anzupassen und möglichst viele ‚mittlere‘ Bürger als „citoyens intrinsèquement excellents“ zu haben.41 Doch die Gefahr, dass die „cité différenciée“ zur „cité divisée“ wurde, bestand immer.42 In jedem Fall kann Aristoteles’ Analyse der Stasis als die differenzierteste in der griechischen politischen Literatur gelten.43 Andere Empfehlungen und praktische Bemühungen setzten stärker auf eine Erziehung zum guten Bürger, weil in der konkreten Stasis nicht Verfassungen, sondern Menschen gegeneinander kämpften. Wiederum Aristoteles hielt in diesem Zusammenhang bündig fest: Die wichtigste unter allen genannten Maßnahmen, die zur Dauer der Verfassungen beitragen, die aber jetzt alle vernachlässigen, ist die Erziehung auf die jeweiligen Verfassungen (to paideuesthai pros tas politeias) hin. Denn die besten Gesetze, die von allen Bürgern

|| re-establish a balance which had been broken to the detriment of the people who engage into the stasis.“ Schütrumpf (2019), 264f., lässt Aristoteles hingegen kognitive Defizite diagnostizieren: Dieser mache falsche, überzogene Vorstellungen von Demokraten und Oligarchen für Ausbruch und Schwere der Stasiskonflikte verantwortlich. 40 Für die sechs Kategorien von Personen(gruppen), die Aristoteles zufolge für staseis verantwortlich sind, s. eingehend Rogan (2018), 81‒123. 41 Vgl. zu den mesoi Rogan (2018), 256‒270. Dass die unaufhebbare und an sich auch fruchtbare Heterogenität der Bürgerschaft in einer Polis in Aristoteles’ Sicht den Nährboden für staseis bildete und er deshalb das Ideal einer Verfassung beschwor, in der die ‚mittleren‘ Bürger zahlreicher sind als die Reichen und die Armen, betont Rogan (2018), 271, unter Verweis u.a. auf Pol. IV 11, 1295b35‒39 mit Recht. Andererseits stellte gerade die Differenziertheit der Vermögen, Fähigkeiten und Ansprüche für ihn ein Hauptmerkmal einer Polis dar, weswegen „vouloir penser une cité sans stásis reviendrait paradoxalement à annihiler la polis“ (132). 42 Vgl. Rogan (2018), 149‒159. 43 Vgl. Lockwood (2019): „Whereas Aristotle’s predecessors (e.g., Plato, Thucydides, or the tragedians) represented στάσις as unequivocally and uniformly a problem, Aristotle’s dynamic and multifaceted analysis is much more subtle and complicated in its estimation of blame.“ Pellegrin (2019), 240, spricht von „Aristotle’s multi-level explanation of stasis“. Esther Rogans vorzügliche Studie zeichnet Aristoteles’ differenzierte Diskussion der stasis adäquat nach.

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gemeinsam beschlossen sind, nützen nichts, wenn nicht die Bürger im Geiste der Verfassung Gewohnheiten angenommen und eine entsprechende Erziehung erhalten haben ‒ falls ihre Gesetze demokratisch sind, eine Erziehung in demokratischer Weise, wenn sie oligarchisch sind, in oligarchischer Weise; denn wenn es Unbeherrschtheit (akrasía) bei einer Person gibt, dann findet sie sich auch beim Staat. (Aristot. Pol. V 9, 1310a12–19; Übers. Schütrumpf)44

Dahinter stand die Annahme, dass die „thymotischen“, leidenschaftlichen, die Ehre und den Sieg erstrebenden Teils der Seele durchaus gefährlich sind, wenn sie die Oberhand gewinnen. Das war ja auch der Kern der oben umrissenen thukydideischen Analyse der Stasis auf Korkyra gewesen. Gegen diese einseitige Ausprägung richtete sich ab dem 4. Jahrhundert vielerorts vor allem die Schulung im Gymnasion, in der Mut und körperliche Tüchtigkeit einzubringen waren in einen weitergreifenden Sozialisations- und Bildungsgang; dieser umfasste auch die Einübung in Disziplin und Harmonie im Zusammenwirken mit anderen beim Tanzen sowie in der Musik. Dahinter stand durchaus keine zweckfreie Liebe zum Schönen ‒ erinnert sei an den Appell des Herolds im athenischen Bürgerkrieg, der ausdrücklich auf das gemeinsame Tanzen und andere Aktivitäten dieser Art verweist. Nicht zufällig wurden im 4. Jahrhundert in Athen und andernorts die bereits erwähnte Ephebie oder ähnliche ganzheitliche Ausbildungsgänge vonseiten der Polis straffer und umfassender geregelt.45 Wenn verwandtschaftliche Bande nicht ausreichten, galt es, die künftigen Bürger unter sowie mit ihresgleichen zu formen. An dieser Stelle kann man übrigens durchaus so etwas wie eine Schnittstelle zwischen philosophischem Diskurs und praktischer Politik erkennen. Es war darum zu tun, „die Wildheit, die Zügellosigkeit und den unbändigen Ehrgeiz der jungen Machos (…) im Sinne der Gemeinschaft (zu) zügeln“46, ohne sie zu Schwächlingen zu machen, die ihre Heimat nicht mehr zu verteidigen bereit und fähig gewesen wären. Marsch und Tanz, Sport und Musik wurden als erfolgversprechende Mittel betrachtet, eine gute Haltung, eine eutaxia und euhexia auszubilden und die Bürger zur

|| 44 Schütrumpf verweist im Kommentar (Bd. 3, 539) darauf, dass das Verhältnis von Gesetzen und Erziehung in EN X 10 umgekehrt dargestellt sei: Nicht die besten Gesetze seien nutzlos, sofern die Bürger nicht die entsprechende Erziehung erhalten hätten, sondern umgekehrt: um in der Erziehung etwas zu erreichen, sei man auf die Zwangsmittel der Gesetze angewiesen (1179b31–1180a5). Vgl. zum Aspekt der Erziehung in der Politik insgesamt Lord (1990). 45 Vgl. für Athen zuletzt Friend (2018). 46 Gehrke (1987/2019), 260.

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Freundschaft zu erziehen, um so den „inwendigen Explosivstoff“ (Nietzsche)47, der in so vielen Poleis auf seinen Zündfunken wartete und ihn allzu oft auch fand, so gut es ging zu entschärfen.

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|| 47 Vgl. Friedrich Nietzsche (1889/1955), Götzen-Dämmerung: Was ich den Alten verdanke, Nr. 3, S. 1029: „In den Griechen »schöne Seelen«, »goldene Mitten« und andre Vollkommenheiten auszuwittern, etwa an ihnen die Ruhe in der Größe, die ideale Gesinnung, die hohe Einfalt bewundern – vor dieser »hohen Einfalt«, einer niaiserie allemande zu guter Letzt, war ich durch den Psychologen behütet, den ich in mir trug. Ich sah ihren stärksten Instinkt, den Willen zur Macht, ich sah sie zittern vor der unbändigen Gewalt dieses Triebs – ich sah alle ihre Institutionen wachsen aus Schutzmaßregeln, um sich voreinander gegen ihren inwendigen Explosivstoff sicher zu stellen. Die ungeheure Spannung im Innern entlud sich dann in furchtbarer und rücksichtsloser Feindschaft nach außen: die Stadtgemeinden zerfleischten sich untereinander, damit die Stadtbürger jeder einzelnen vor sich selber Ruhe fänden. Man hatte es nötig, stark zu sein: die Gefahr war in der Nähe –, sie lauerte überall. Die prachtvoll geschmeidige Leiblichkeit, der verwegene Realismus und Immoralismus, der dem Hellenen eignet, ist eine Not, nicht eine »Natur« gewesen. Er folgte erst, er war nicht von Anfang an da.“

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Francesca Alesse

Action as a Reaction Psychological and Logical Issues in the Early Stoic Theory of Action

1 Introduction In this paper I would like to offer a contribution to the explanation of the Stoic thesis according to which human action is a reaction to a psychic act of a logical and linguistic type.1 Interpreters fairly often use the notion of ‘reaction’ with regard to the Stoic theory of praxis in order to emphasize that action is the response to a sensory stimulus and to a certain content of the imagination, or representation (phantasia).2 Scholarship on this topic has focused on the Stoic notions of ‘assent’ and ‘impulse’, i.e. the act by which the human mind accepts a representational content as true, and the act by which the mind transmits an order to the body in order to move it according to a more or less deliberate plan of action.3 Both assent and impulse are signs of the intellectual activity and independence of human beings, whose mind is initially a tabula rasa and can only receive its first content from outside.4 Assent and impulse play a crucial role in Stoic ethics. They are the tools enabling human beings to build, however slowly, a system of

|| 1 This paper has been translated into English by Davide Del Forno. 2 Cf. Inwood (1985) 49–54, 66–72 and passim; Annas (1994) 72–80; Brennan (2003) 263, 275– 276; Brennan (2005) 55, 109, 311–317; Salles (2005) 46, 76–78, 92–97; Graver (2007) 40–45, 78– 89; White (2010) esp. 115–116. 3 The act of assent (synkatathesis) presupposes perceptions and representations, of which logos “approves” the content. Without this act of approval, it is not possible to understand the perceived reality and to establish the criterion of truth, cf. e.g., Cic. Acad. Pr. 37–38 = SVF II 115. Perception (aisthêsis) itself is sometimes called “assent”, in that we can say that we “perceive” the external world as we believe it to be true at the very moment we perceive it, cf. Aët. Plac. IV 8,12; Cic. Acad. Pr. 108 = SVF II 72 and 73. Assent is the basis of any complex cognitive process, including opinion, judgement, conjecture, learning, and memory, cf. Cic. Acad. Pr. 38 cit., and Clem. Al. Strom. II 12, p. 458 P. = SVF II 992. Impulse (hormê) is “primary motion of the soul” or “propensity of mind toward something”, cf. Philo Quod Deus sit immut. 41 = SVF II 458; Stob. Ecl. II 86.17 W. = SVF III 169; Clem. Al. Strom. II 13, p. 460 P. = SVF III 377. 4 Aët. Plac. IV 11,1–4 = SVF II 83. https://doi.org/10.1515/9783110735598-015

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knowledge – which becomes a constitutive part of their soul5 – and gradually conquer the external world not only from a cognitive, but also a practical and behavioural point of view. Scholars have spelled out the numerous implications of the notions of assent and impulse. More specifically, they have asked whether assent and impulse are always concomitant and, if they are not, which of the two arises first;6 they have also discussed non-cataleptic representation and weak assent and their relationship with the rule of conduct,7 as well as the deterministic perspective, which the Stoics defend just as they subscribe to the independence of assent.8 I shall focus on the linguistic structure of the particular representational contents and acts of assent whose direct consequence is an impulse to action. I shall take as my starting point the Stoic assumption that human mind can give propositional form to almost any representational content, even when it concerns directly the sphere of action; nonetheless, in my opinion, the Stoics did not admit that any linguistic form given to the representation of a good, can express an impulse and translate into an action. My aim is to show that action, as reaction to a practical assent, is closely linked to the grammatical structure and the verbal morphology of the logos by which assent is expressed. This verbal morphology must be able to constitute a logos that is, at the same time, apophantic and prescriptive. After some considerations relating to the role that, in general terms, language plays in the Stoic theory of action (par. 2), I first give an outline of some ethical

|| 5 Cf. Stob. Ecl. II 73.19–74.3 W. = SVF III 112: “Scientific knowledge is a cognition (katalêpsis) which is secure and unchangeable by reason. It is secondly a system of such sciences, like the rational cognition of particulars which exists in the virtuous man. It is thirdly a system of expert sciences, which has intrinsic stability, just as the virtues do. Fourthly, it is a tenor for the reception of impressions which is unchangeable by reason, and consisting, they say, in tension and power.” (Translation by Long/Sedley (1987), vol. 1, 256, LS 41H. Cf. also Diog. Laert. VII 46 = SVF II 130. 6 The question of the priority between assent and impulse is inferred from Cic. Acad. Pr. 24–25 = SVF II 116, and Fat. 41–42 = SVF II 974, which seem to argue that assent precedes impulse, and from Plut. Adv. Col. 1122a–f and Sen. Ep. 113,18 = SVF III 169, which on the contrary seem to support the priority of impulse over assent. See Ioppolo (1987), 449–466, who puts forward the thesis of a “preliminary impulse” going back to Zeno; Stevens (2000) 139–168; Sakezles (2007) 225–252. 7 Cf. e.g., Cic. Acad. Pr. 24 = SVF II 116; Gal. De An. Pecc. Dign. 1,4, p. 59–60 Kühn V = SVF III 172. The question of weak assent in relation to action is at the centre of the debate between the Stoics and the skeptical Academy, see Ioppolo (1986); Allen (1997) 217–256; Burnyeat (1997) 277–310. 8 Cf. above all Bobzien (1998) esp. 245–290; Weidemann (2001) 111–120; Salles (2005) esp. 41– 61; Ioppolo (2012) 197–222.

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and psychological doctrines of early Stoicism that I regard as relevant to the present issue (par. 3). Next, I shall argue for my central claim, i.e. that a proposition aimed at prompting action is made up of a particular type of predicates, and that this has consequences for education (par. 4). Finally, I shall discuss a case study, that of the sage who tells a falsehood (par. 5).

2 Language and Action in Stoicism The Stoics believe that all acts of the human soul are acts of the logos, hence logical and linguistic entities; action is a reaction provoked by a phantasia, to which an utterance corresponds that reflects its content.9 The utterance can therefore cause an action, for it can act as a stimulus on the soul of a listener. This is clear in the case of someone giving an order and being obeyed or asking for something and having their request granted. Such a view is interesting, since for the Stoics anything capable of acting and interacting is corporeal, as are the states of the soul, including cognitive contents, emotions and moral virtues.10 By contrast,

|| 9 Praxis, i.e. human action, always arises from a phantasia, like animal movement. There is, however, a crucial difference between the two: praxis is something of which only human beings are capable, as they are the only logikoi animals, see Alex. Aphr. Fat. p. 205.24–206.2 Bruns = SVF II 1002 = p. 86 Sharples and infra. Consequently, praxeis are the product of representations of which only human beings are capable, i.e. phantasiai logikai (cf. Diog. Laert. VII 51 = SVF II 61), whose content can be translated into a linguistic form in accordance with one of the structures making up discourse – more specifically, complete meaningful discourse: cf. Diog. Laert. VII 63 = SVF II 181: “They say that a sayable is what subsists in accordance with a rational impression (φασὶ δὲ [τὸ] λεκτὸν εἶναι τὸ κατὰ φαντασίαν λογικὴν ὑφιστάμενον)”, and particularly Sext. Emp. Adv. Math. VIII 70 = SVF II 187: “They say that a ‘sayable’ is what subsists in accordance with a rational impression (λογικὴ φαντασία), and a rational impression is one in which the content of the impression can be exhibited in language”. Translations by Long/Sedley (1987), vol. 1, 196, LS 33F and C. On these texts and, more generally, on the relationship between phantasia and lekton, see in particular Atherton (1993) 44–45; Frede (1994) 109–129, esp. 112; Alessandrelli (2013) 75–91. Another important text on the relationship between the content of phantasia and language is Diog. Laert. VII 49 = SVF II 52: “For the impression arises first, and then thought, which has the power of talking (διάνοια ἐκλαλητικὴ ὑπάρχουσα), expresses in language what it experiences by the agency of the impression” (Transl. by Long/Sedley (1987), vol. 1, 196, LS 33D). 10 Cf. Euseb. Praep. Evang. XV 14,1, 816 D = SVF I 98; Plut. De Comm. Not. 30, 1073d–e = SVF II 525; Diog. Laert. VII 55 = SVF II 140; Plot. Enn. VI 1 [42] 28 and II 4 [12] 1 = SVF II 319 and 320; Procl. In Plat. Parm. IV 841.2–4 Steel = SVF II 343. Qualities, virtues, as well as soul itself are all corporeal: Plut. De Comm. Not. 45, 1084a = SVF II 848; Sen. Ep. 106,3 = SVF III 84; Simpl. In Arist. Phys. p. 530.9–14 Diels = SVF II 467.

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utterances are incorporeal,11 and they would not seem to be able to produce such a concrete effect as an emotional reaction and an ensuing action. Yet, as is well known, they also play a crucial semantic role. The Stoics distinguish complete utterances, i.e. complex linguistic forms such as axiomatic propositions, interrogations, exhortations, orders, etc., from incomplete utterances, i.e. single terms. Only the former are complete or ‘perfect’ in that they contain all the linguistic elements that are necessary to describe a given situation, event or action, or to evoke its representation (“Socrates writes”, “come in my presence!”).12 However, even incomplete lekta have a direct connection with the objects of our perception or, at least, of our representation (“Socrates”, “writing”).13 In addition, as is clear from the examples provided by some texts, in the Stoics’ view there are notions, hence words as well, that can be connected to perceptible beings only through modes of imagination and thought (e.g. ‘giant’, by changing the proportions of ‘human being’, or ‘centre of the universe’, by analogy with the centre of a sphere, or ‘Hippocentaur’, by combining two images familiar to perception).14 Although incorporeal, utterances may have a more or less direct reference to the corporeal world as well as to the linguistic and conceptual elements that do not appear in utterances. Language, therefore, plays an evocative function. I use the word ‘evocative’ to refer to the view whereby the higher the degree of knowledge a human being has (i.e. their possession of the systêma of notions making up science15), the greater their ability to connect the meaning of a single sentence with other unexpressed representations and notions. I am unaware of there being in the Stoic vocabulary a specific word for this idea of an ‘evocative function’ of language, yet its legitimacy can be proved by various arguments. A while ago I mentioned the Stoic claim that such notions as ‘giant’ and ‘Hippocentaur’ have semantic value. This claim goes some way towards showing that, at least in adulthood and at a certain degree of intellectual development, a

|| 11 Sext. Emp. Adv. Math. VIII 10 = SVF II 195; X 218 = SVF II 331; Alex. Aphr. In Arist. Top. IV p. 301.19–25 Wallies = SVF II 329; on the topic, see Bronowski (2019) 322–326. 12 Diog. Laert. VII 63 = SVF II 181; Sext. Emp. Adv. Math. VIII 12 and 70–71 = SVF II 166 and 187. 13 For the Stoics, the first voices emitted by men “imitated” things and from these phônai the names of things were made to derive, cf. Orig. Contra Celsum I 24, p. 74 Koetschau I = SVF II 146. On meaningful voices and their ambiguity, or semantic multivalence, cf. SVF II 136–165 and Atherton (1993) 92–130 and passim. It is well known that the Stoics established a complex relationship between lekton, i.e. the meaning, the significant voice, and things (pragmata), cf. Sext. Emp. Adv. Math. VIII 11–12 = SVF II 166, see Alessandrelli (2013) 91–112 and passim; Bronowski (2019) 391–392. 14 Diog. Laert. VII 52 = SVF II 87; cf. also Cic. Fin. III 33. 15 Stob. Ecl. II 73.19 W. = SVF III 112.

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representational content expressible by a noun or a sentence can be intuitively connected to others that are neither linguistically expressed nor recollected. Another more complex evocative phenomenon can be found in the logical or situational context where a linguistic formulation can be placed.16 For example, there is no need to reformulate and express the demonstrative presuppositions of a theorem each time it is quoted as true in a demonstration or a calculation, although the theorem is assumed as true precisely in virtue of those presuppositions. A somewhat similar case is someone executing an order of which they understand the reason and aim even if these are not explicitly stated every time. This latter case is particularly relevant to the theory of action. For action is the consequence of an impulse that, as we shall see, is linguistically formulated in a specific form and expresses assent to the representational content of a value. The Stoic theory of action also considers prescription of a certain conduct to other people, in the form of either orders issued by an authority or educational processes. Anyone receiving the order to perform a certain action is presumably inferior, from a cognitive and a moral point of view, to the person issuing the order. Therefore, they will have to gradually learn to connect the limited semantic value of the order to a wider context of meanings (e.g. the aim of the order, the necessity of obeying it, the possible consequences of violating it), even though these connections are not expressed. Each of these connections, moreover, corresponds to an act of assent. Assent is not only a judgement whereby a certain representational content is accepted as true; it may also be an assessment, an indication of a practical type. Assenting to the view that something should be done amounts to giving a logical and linguistic expression to an inclination or a movement of the soul. These ideas open up an extremely important practical perspective, according to which language is one of the conditions for human action and the use of some modalities of language makes it possible to educate people and give them prescriptions. The Stoics subscribe to these ideas with a view to treating passions and more generally to help people become virtuous.17 In addition, they distinguish between ‘uttered’ or ‘emitted’ logos, which is compared to the language of the animals or the mere production of voice, and ‘internal’ logos, which is possessed by human beings alone and is a discourse the soul addresses to itself in order to get to a logical

|| 16 Alessandrelli (2013) 93f. 17 On the therapeutic logos of passions, cf. Orig. Contra Celsum I 64, p. 117 Koetschau I = SVF III 474, and infra; on moral education imparted through orders, prohibitions or exhortations, cf. Plut. De Stoic. Rep. 11, 1037c and e = SVF III 520 and 521; Philo Leg. Alleg. I 93 = SVF III 519. See also infra.

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conclusion or a practical deliberation.18 The Stoic sources apparently reduce ‘uttered’ logos to a mere voice emission or the minimally articulated sounds of animals, yet quite probably it is human (rational) language using corporeal organs that produce sounds. In the case of humans, internal and uttered languages converge because they are based on the same grammar and morphology. This is important for action, for if action is the reaction to a stimulus that is never irrational and can always be reduced to a propositional form, it is plausible that some linguistic forms are likelier than others to provoke a reaction, both in case of the internal discourse of the soul and in that of a prescription someone gives to others.

3 The Characters of the Stoic Theory of Action The early Stoics develop a theory of action whose peculiarities stem from the originality of their ethical and psychological doctrines. They propose a well-known value theory based on the tripartition between moral good, moral evil and ‘indifferent’. This last category comprises everything that is not identical with virtue or vice and can be more or less preferable according to the circumstances. The goal of life is acceding to a norm that the Stoics view as both universal nature and universal reason: “the goal of life is agreement with nature or the logos”. Universal nature is the way things are, the order of the cosmos. But this latter depends on a providential design which our individual choices cannot modify. Each of us has the moral duty to understand it and give it their assent.19 On this view, any action has moral relevance not because of its content and correspondence to a given set of rules, but only in virtue of the rational disposition with which it is performed. An action aimed at protecting one’s own or || 18 Gal. In Hipp. De Off. Med. Comm. I 3, p. 649–650 Kühn XVIIIB = SVF II 135; Sext. Emp. Adv. Math. VIII 275–276 = SVF II 223. On this topic see Labarrière (1997) 259–279; Manetti (2012) 83– 95. 19 Texts from primary and secondary literature on this topic are very numerous and I must limit myself to a few indications. On the tripartition between goods, evils, and indifferents (adiaphora), see the evidence collected in SVF I 190–196; 559–562; SVF III 29–37; 72–79; 117–123. On the definition of the moral end as “congruence with nature and universal reason”, see especially the evidence collected in SVF I 179–188; 552–556; III 2–19. A recent survey is provided by Bénatouïl (2014), 423–438. The main difficulty of the Stoic theory of good and moral end is seen by recent interpreters in the “tension” between the demand of detachment from what is not virtue and the delineation of practical and rational behaviour: see esp. Barney (2003) 303–340; Klein (2015) 227–281. On the relationship between ethics and nature, see Annas (2007) 58–87.

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someone else’s health or life is not absolutely good, but just preferable within an ordinary context, for health and life are indifferent in themselves. The Stoics give the example of the sage who commits suicide if he is forced to live under too adverse circumstances (e.g. under a tyrant, or in unbearable pains),20 or in situations that are contrary to the universal norm of reason. What is morally relevant is rather performing a higher duty, i.e. abiding by the universal law. In accordance with this view of the moral good as opposed to ‘indifferents’, the Stoics were committed to a bipartition of types of actions. They distinguished ‘appropriate actions’ (kathêkonta), characterized by their content, which is basically the product of an evaluation of indifferents, and ‘correct actions’ (katorthômata), characterized by their form, i.e. their adherence to universal reason.21 This bipartition is of some relevance to our topic, since Stoic linguistics elaborates a grammar in accord with the two types of action, i.e. two types of verbal predicate referring respectively to assent given to an appropriate action and a correct action. The general characters of Stoic psychology are also relevant to the theory of action. The Stoics do not regard passions as the effect of a psychic component separate from reason and independent of it. Passion is a psychic act amounting to a judgement, and more precisely a ‘wrong judgement’, an aberration of the logos.22 This implies that the passion itself is assent or the immediate consequence of assent to an erroneous judgment, and that the passionate action is the effect of that assent. For example, a sense of rage depends on propositional contents we might formulate as follows: ‘I have been insulted, here and now’ and ‘insult is an evil’. The resulting passionate action (for instance: revenge) depends on the fact that, according to the Stoics, pathos has a twofold propositional structure consisting in two judgements: a value judgement according to which a certain indifferent is good or bad; and a value judgement which is prescriptive as well, for it states that before an alleged good or evil we are allowed to react in a certain way.23 For example: when we get angry because we think we have been

|| 20 The topos of the suicide of the sage is amply attested in the sources, cf. SVF III 757–768. 21 SVF I 230–232; III 491–499; 500–523. 22 Cic. Tusc. III 24 = SVF III 385; Plut. De Virt. Mor. 3, 441c and 7, 446f = SVF III 459; Diog. Laert. VII 111 = SVF III 456; Stob. Ecl. II 88.8–10 W. = SVF III 378; Themist. In Arist. De an. paraphr. p. 107.17–18 Heinze = SVF I 208 and III 382; Gal. De Plac. Hipp. et Plat. V 1,4 De Lacy = SVF I 209 and III 461. 23 See esp. Cic. Tusc. III 24–25 = SVF III 385; Cic. Tusc. IV 14 = SVF III 393; Ps.-Andr. De Pass. I, 1–4 p. 223 Glibert–Thirry = SVF III 391. On the propositional structure of pathos, see Frede (1986) 93–110, esp. 103–104; Nussbaum (1994) 366–400; Cooper (1998) 71–111; Graver (2007) 129 and passim. On the bipropositional structure of pathos, see Inwood (1985) 147; Donini (1995) 305– 329.

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insulted, we give our assent to the following two judgements: being insulted is an evil, not an indifferent; hence I am right in being angry. The Stoics consider this twofold propositional structure of passion as necessary to account for both the origin of passion as a psychic event arising within reason and the origin of such phenomena as are produced by passion, i.e. the various behavioural and physiological reactions. The complex logical structure of passion is exploited e.g. by Chrysippus. Based on this structure, he develops a strategy for treating passions that consists in countering first the prescriptive judgement according to which it is right to get angry, and then the value judgement according to which being insulted is a real evil.24 It is plausible from these few general remarks that the standard Stoic way of defining praxis is to consider it as a sort of reaction to a judgement. More specifically, action is the reaction to a representational content, to an image produced by the human logos to which corresponds a linguistic entity, i.e. a judgement which is the object of assent. Hence assent is the act whereby the human logos accepts, by internal language alone, the truth of a thing in the way in which it believes that thing is represented. Yet this theory of the propositional structure of passion still fails to account for the origin of action. I can regard as true and assent to the representation of an insult addressed to me (‘what you said is insulting to me and insult is an evil’). But it is unclear how, from a logical-linguistic act, a physiological and emotional change (an acceleration of my heartbeat, a worsening of my mood) can arise and most notably a certain course of actions (a revenge). This also applies to all other propositions in which a value is stated, for example those by which pleasure or physical health or anything else are qualified as goods, agatha. In other words, the predications ‘this is good’ or ‘this is bad’ do not appear to be able by themselves to provoke an action (or to prevent one from taking an action). The solution to this problem must be sought in the propositional structure of the impulse. For the Stoics human impulse is also an act of assent, but this is practical assent. This means that human logos accepts as true not just a certain representational content, but the desirability or attractivity of the represented object, which appears as something that must be pursued and possessed. In other words, impulse is assent to such a judgement as ‘it is true that this object is a good, and it is also true that it must be possessed by myself’. The notion of hormê has a counterpart: the concept of aphormê, ‘aversion’.25 The logical dynamic underlying aphormê is identical with that of hormê: aversion is assent to a such a || 24 Cic. Tusc. III 76 = SVF III 486. 25 Stob. Ecl. II 86.17 W. = SVF III 169 cit.; Plut. De Stoic. Rep. 11, 1037f = SVF III 175.

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judgement as ‘it is true that this object is an evil and it is also true that it must be rejected and kept away by myself’. Some attention should be paid to the verb must in the second part of the linguistic structure into which an impulse or an aversion can be translated. This verb does not appear as such in the Greek texts, yet it is generally used as an equivalent to the terms the Stoics use for keeping together the assertory aspect of a value judgement and its possible prescriptive force. In other words, the assent of a practical type, i.e. such as to cause an action, expresses a truth judgement about whether the action should be performed. This is what we can infer from two well-known and debated passages in Stobaeus taken from handbooks of Stoic ethics. The first passage is SVF III 171. I quote this text in the English translation by Long and Sedley (LS 33I), with which I partially disagree: The Stoics say that all impulses are acts of assent, and the practical impulses also contain motive power. But acts of assent and impulses actually differ in their objects: propositions are the objects of acts of assent, but impulses are directed toward predicates, which are contained in a sense in the propositions.26

As far as I could see, this interpretation of the Greek text is accepted by all translators.27 But in my view the first sentence may be rendered differently. The expression ‘practical impulses’, in the second half of the first sentence, does not correspond to the original text whose literal meaning is ‘the practical ones contain the principle of movement’. Moreover, the standard translation seems to suggest that there are impulses which are not practical, and some scholars have taken Stoic ethics to subscribe to the existence of non-practical impulses.28 However, it is unclear what a non-practical impulse might be other than an act of assent to a generic normative principle (‘x is just’) which does not yet prompt one to action and

|| 26 Πάσας δὲ τὰς ὁρμὰς συγκαταθέσεις εἶναι, τὰς δὲ πρακτικὰς καὶ τὸ κινητικὸν περιέχειν. Ἤδη δὲ ἄλλο (Wachsmuth, ἄλλων codd. and v. Arnim) μὲν εἶναι συγκαταθέσεις, ἐπ’ ἄλλο δὲ ὁρμάς καὶ συγκαταθέσεις μὲν ἀξιώμασί τισιν, ὁρμὰς δὲ ἐπὶ κατηγορήματα, τὰ περιεχόμενά πως ἐν τοῖς ἀξιώμασιν. 27 See e.g. Inwood (1985) 55 and 287 n. 271; Long/Sedley (1987), vol. 1, 197; Annas (1994) 93–94; Stevens (2000) 144; Radice (2002) 1049; Boeri/Salles (2014) 120 (BS 6.15). But Inwood considers the text as corrupt in that it evokes the idea of a non-practical impulse; precisely, he suspects a lacuna between εἶναι and τὰς δὲ to be filled with συγκαταθέσεις δὲ καὶ ἄλλας εἶναι, which “would distinguish practical assents which cause impulses from theoretical assents”; he admits, however, that there is no sign of a lacuna in the major manuscripts of Stobaeus. See also Long/Sedley (1987), vol. 2, 200. Striker (1996), 111 n. 57, proposes to read πρακτικάς not necessarily as qualifying ὁρμάς, but rather as explicative of it. 28 See Tsekourakis (1974) 77; Long (1976) 80; Stevens (2000) 139–168; Togni (2010) 197–210.

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therefore should not be called hormê. The expression hormê praktikê is indeed attested in Stoic doxography. Even leaving aside SVF III 171, where in my view it does not appear, there are at least three occurrences of this formula. They are Plut. De Stoic. Rep. 47, 1057 b (SVF III 177), Stob. Ecl. II 86.17 W. = SVF III 169, and Stob. Ecl. II 87.14 W. = SVF III 173; in the latter two hormê praktikê is a genus whose species are kinds of inclination of the soul or dianoia.29 All the species of hormê called praktikê in SVF III 169 and 173 (orousis, i.e. ‘inclination of mind’; prothesis, i.e. ‘purpose’; epibolê and paraskeuê, i.e. ‘plan’, ‘design’; prohairesis, i.e. ‘choice’; and boulêsis, i.e. ‘rational or calculative desire’) make it clear that this genus of hormê does not produce a generic inclination of desire or appetite, but a praxis, something only human beings are capable of. That only rational beings are capable of praxis can be inferred e.g. from Alex. Aphr. Fat. 34, p. 205.24 Bruns = p. 86 Sharples (SVF II 1002), where Chrysippus’ argument is reported whereby animals have different sensations and impulses because they correspond to different natures according to fate, and therefore “some living creatures will merely act and others will act rationally…”.30 It is clear from this passage that praxis is a characteristic of logika, as is also the adjective praktikos. Consequently, the expression hormê praktikê appearing in Stoic doxographies does not refer to a specific difference within human hormê, as opposed to a hypothetical ‘theoretical’ hormê, but a difference within animal hormê. Only human beings have a hormê praktikê, i.e. an impulse to perform voluntary and deliberate actions that can be right or wrong, as Alexander’s text points out, and for which they are responsible. The meaning of hormê praktikê in Plutarch’s text can be interpreted along the same lines. Plutarch describes Chrysippus as claiming that god or the sage produce false representations in the fool not in order to have them give their assent in a wrong way, but to prompt them to perform a certain action. Plutarch objects that, were this so, god and the sage would seem to hold that representations can prompt one to act even if they have not been assented to. On the other hand, if god and the sage view assent to representations as a necessary condition for impulse, hence for action, and if they produce in other people false and persuasive representations for a practical aim, they will have to lay the blame for wrong or hasty assent on themselves. The problem of false representations produced by the sage in the fool for a practical aim is relevant to our present topic, as I shall attempt to show later. For now, it will suffice to point out that Chrysippus’ goal is

|| 29 See Boeri/Salles (2014) 553–558. 30 Translation by Sharples (1983), ad loc. The Greek text is: οὐκοῦν κατὰ τὴν εἱμαρμένην καὶ αἰσθήσεται τὰ ζῷα καὶ ὁρμήσει, καὶ τὰ μὲν τῶν ζῴων ἐνεργήσει μόνον τὰ δὲ πράξει τὰ λογικά, καὶ τὰ μὲν ἁμαρτήσεται τὰ δὲ κατορθώσει.

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to clarify how a practical impulse arises in the fool, i.e. people who lack perfect knowledge and perfect mastery of their assent yet are rational beings and therefore can be educated and make progress. In other words, they can be led to perform virtuous actions and, above all, turned away from performing evil ones even through false representations. The whole context of Chrysippus’ argument refers to human behaviour, and hormê is praktikê in that it develops in the human logos, even when the logos is imperfect. In my view, what is meant in SVF III 171 is rather that all impulses are acts of assent, more specifically, they are practical acts of assent in that they contain the kinêtikon, the principle of movement. Hence the adjective ‘practical’ in the second part of the first sentence refers to ‘acts of assent’, synkatatheseis, rather than ‘impulses’. The translation of the first sentence of SVF III 171 would read then: “The Stoics say that all impulses are acts of assent, and the practical acts of assent also contain motive power”. More interesting is what is claimed in the second half of SVF III 171 quoted above. Assent, any kind of assent, has as its object the whole proposition, or axiom, whereas impulse is linked to the predicate of the axiom which has received assent. In Stoic theory of language, an axiom is an utterance of which it can be said whether it is true or false, i.e., an apophantikos logos.31 The predicate is a part of the axiom and is a certain characterization of the subject of the utterance. Assent therefore concerns the truth of the judgement in its entirety, i.e. the relationship between the predicate and that of which it is predicated. What does it mean that impulse is an act of assent concerning not the judgement as a whole, but the predicate? The answer could run as follows. Impulse is a kind of assent which does not consist in accepting the truth of a value proposition such as ‘x is a good’, ‘y is an evil’, but acknowledges that it is necessary or appropriate to act in a certain way as a consequence of assenting to the truth of the value proposition. What I call the ‘necessity or appropriateness to act in a certain way’ is technically expressed not by any, but a particular kind of verbal predicate that is neither an infinitive nor an imperative. It cannot be an infinitive verb,32 because a deliberating subject, in order to see a prescription in the infinitive verb, needs another linguistic element (‘we must do’, χρὴ ποιεῖν). So, we have two verbal predicates (‘must’, ‘do’), and the problem arises which of the two verbal predicates (‘must’ and ‘do’) is the object of impulse. The prescriptive predicate cannot even be an imperative verb33 because, if a prescriptive proposition is

|| 31 Cf. Sext. Emp. Adv. Math. VIII 12 = SVF II 166; and SVF II 186; 188; 200. 32 As claimed by e.g. Annas (1994) 96; Brennan (2005) 87–88; White (2010) 115; Bronowski (2019) 370. 33 As claimed by Inwood (1985) 45–62.

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to preserve its form of an ‘axiom’, that is, of an apophantic judgement of which it can be said that it is either true or false, it cannot be in imperative form. Rather, it must have the form of a predication where the predicate qualifies a subject.

4 The Form of Prescriptive Predicates Stoic testimonia provide us with a pretty rich set of adjectives referring to moral values and possessing at the same time a prescriptive function. I am thinking of verbal predicates ending in -teon which, unlike the other moral qualifying adjectives (including those ending in -ton), convey an idea of duty and a practical indication. Unsurprisingly, these verbal predicates appear frequently in Stoic testimonia.34 They are used in order to build a prescriptive language made up of qualifying predicates which, when assented to, must or should be followed by the action in accord with the proposition of which they are part. This is clear from the doxographical accounts where virtues are defined as epistêmai of what should and should not be done in the different domains of action, as well as from some texts taken from Chrysippus’ work On law. The verbal predicate ending in -teon was used by Chrysippus also in the context of the treatment of passions I mentioned above. This kind of adjective was of course in common usage, but Stoic philosophers probably aimed to combine the prescriptive character of a value judgement with its axiomatic form. In addition, we have evidence for a distinction between predicates ending in -teon and -ton.35 It should be noted that this distinction is not entirely clear and is not described in a coherent way in our source, which is once again Stobaeus. Fragments SVF III 89 and 91 seem to suggest that, generally speaking, predicates ending in -ton refer to some good, something worth choosing, e.g. moral virtue in each of its articulations, wisdom, self-control, etc. Predicates ending in -teon would rather seem to refer to a line of conduct, an action or series of actions performed for the sake of a good which is worth choosing, e.g. acting in a wise or self-controlled way. Moreover, such things as are qualified by verbal predicates of the second type, i.e. those ending in -teon, are not goods in themselves, but ‘useful’ or ‘profitable’ things, goods with respect to something else, mere instruments for achieving the highest good. In SVF III 89 Stobaeus adds that whereas || 34 These predicates are particularly frequent in the definitions of virtues, in the description of the appropriate actions (kathêkonta) and in the therapy of passions, see e.g. SVF II 1003 and 1005; III 89; 90; 91; 255; 256; 262; 263; 265; 275; 280; 283; 286; 295; 314; 323; 475; 620. 35 See SVF III 89; 90; 91.

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the moral goal (e.g. phronêsis) is the good, the object of practical choice is not so much the good, but the particular action ‘connected’ to the good (e.g. phronein). We choose to act wisely because wise acts are essentially connected to the possession of wisdom. Fragment 91 reproduces the same distinction as fragment 89 but makes an important point about language. Qualifying adjectives ending in -teon do not refer to the goods, but to useful things, since they are “predicates (katêgorêmata) connected to the goods”. The use of the word katêgorêma here recalls the definition, in SVF III 171, of practical impulse as assent not just to the truth of a proposition, but more specifically to the predicate that the proposition contains. As SVF III 89 and most notably SVF III 91 show, these predicates are verbal predicates ending in -teon. We can plausibly conclude, therefore, that it is precisely these verbal predicates that make assent practical and turn it into an impulse. The passage in SVF III 91 reports the following general prescriptive propositions: ‘we must choose the things that must be chosen, we must tolerate the things that must be tolerated’ etc. I should like to point out once again that the verbs of obligation used in the translation do not appear in the Greek text, where it is the verbal predicates ending in -teon that express the idea of obligation and perform a prescriptive function. The passage goes on to claim that the choices of human beings, their desires, their acts of volition as well as any leaning of the human soul towards the possession of something and the achievement of a moral goal, all have the predicate as their object, i.e., in my interpretation, only this kind of predicate. And this kind of predicate is the only object of impulse. Finally, prescriptive predicates should probably be connected to kathêkonta, i.e. appropriate actions, rather than katorthômata, correct actions. As we have seen, predicates ending in -teon apply not to such goods as are chosen for themselves, but to behaviour that is instrumental in achieving the moral good, phronein in its specific facets, rather than phronêsis. As a result, correct actions, of which only the sage and virtuous are capable and which represent the perfect realisation of the good and the correctness of reason, can be adequately expressed by non-prescriptive qualifying predicates, including those ending in -ton. In other words, a katorthôma is not a course of actions directed towards a still unachieved goal, but a kind of status acquired by someone who at least in principle does not need any further prescriptions. By contrast, an appropriate action is the specific behaviour ordered by a moral prescription for the gradual improvement of the logos. This is why it is more adequately expressed by a prescriptive predicate ending in -teon. For example, honouring one’s parents, serving one’s country and, more generally, acting in accordance with the rules of virtue, are instances of phronein, dikein, etc. but do not necessarily mean that one has

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attained phronêsis and dikaiosynê. Therefore, they should be regarded as instrumental in attaining virtue. Like all predicates, these predicates are incorporeal. Yet they are key semantic references, since they tell us what we ought to prefer and direct our actions toward. These predicates are the only logical-linguistic entities that seem to meet some essential requirements for promoting action. First, they reflect a normative value and prescribe something to do, like a precept, an obligation, or a peremptory order. Secondly, unlike precepts, orders, etc., these predicates, working as qualifying adjectives such as ‘beautiful’, or ‘noble’ etc., form the assertions of which we can say that they are true or false. And this is not the case with imperative utterances. However, unlike most qualifying adjectives, these verbal predicates have a further semantic function. Thanks to the form of the word, they clearly signal that a certain action is not only beautiful and noble, but also that it must be performed. Hence, they are prescriptive predicates within descriptive and apophantic propositions. There is a precise theoretical reason for the use that the Stoics made of this kind of prescriptive predicates, i.e. their view that every psychic act can be analyzed in its logical elements and that impulse to action is in a way an act of cognition and a judgement. The consequence of impulse, i.e. action, is the immediate reflex of the acceptance of a cognitive and propositional content. Thus, we may regard action as a reaction to a certain understanding of reality. But, as we have seen, not all ways of representing and understanding a value, hence not every linguistic act which can express that value, can arouse an impulse and promote an action. This qualification is particularly significant if viewed in the light of the pedagogical theories of the Stoics, which rest on a careful analysis of language.

5 Impulse (and Aversion) in the Stoic Theory of Education. The Case of the ‘Sage who tells something false’ Impulse and aversion are not only an important part of the Stoic analysis of human nature and action; they also play a decisive role in Stoic theory of education. The sage plays a prescriptive role towards the insipient, which is comparable to that of the nomos, the law. Both, the law and the sage, embody prescriptive reason and are therefore capable of arousing impulses and aversions in the fools, in

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order to direct them towards the good.36 This depends on what I have tried to illustrate so far, that is, on the close connection between the impulse to action and the ability to understand the content of an ‘impulsive representation’, a prescription. Impulse and aversion correspond to linguistic acts that have the same general structure and are configured as assents focused on verbal predicates of a prescriptive type (i.e. ending in -teon). Keeping this in mind, let us now briefly discuss the case study of a Stoic sage who resorts to falsehood in order to have some non-sage do something. In Adversus Mathematicos, VII 42–44, Sextus Empiricus illustrates the Stoic view that truth and the true are distinct. Truth and the true are distinct from multiple points of view. The true is a linguistic entity, i.e. an incorporeal. Truth, as a possession of knowledge, is a part of reason and as such it is corporeal. The true is accessible to anyone: even a fool can formulate a true proposition. Truth is a conceptual structure and the intelligent understanding of the logical relations between true propositions: hence it is accessible to the sage alone. As a result, the (Stoic) sage never errs and never lies, although he can formulate a false proposition. Here is what Sextus says: Hence the person who has this [scil. knowledge – F.A.] is wise (for he has knowledge of things that are true), and he never lies, even if he speaks a falsehood, owing to the fact that it is uttered not from a bad but from a sophisticated disposition. The doctor says something false about the health of the sick person, and promises to give him something but does not give it. He says something false but does not lie; for it is with a view to the health of the person in his care that he takes such a recourse. And the best military leaders often fabricate letters from allied states to cheer up the soldiers under their command; they say something false, but do not lie, because they do not do this with a bad purpose. And the grammarian, in offering, an example of misuse of language, cites a misuse of language but does not misuse language; for it is not by way of ignorance of correct speech that this happens. Just like them, the wise person too – that is, the person who has knowledge of what is true – will sometimes speak a falsehood, but will never lie, because of not having a mind-set that assents to what is false.37

|| 36 This is what can be inferred from Plut. De Stoic. Rep. 11, 1037c–1038a = SVF III 520, 521, and 175, which come from Chrysippus’ treatise On Law. Similar ideas appear in Stob. Ecl. II 104.10– 105.6 W. = SVF III 682. On Plutarch’s text and Chrysippus’ strategy which provides first prohibitions (apagoreumata) and only later positive prescriptions (prostagmata), see Alesse (2013). 37 Sext. Emp. Adv. Math. VII 42–44, translation Bett (2005), ad loc.

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That the sage can mislead the common man by producing false representations is a thesis that Stoics have considered, as we have seen above.38 I should like to draw attention to the examples and their meaning with respect to action. Two cases should be distinguished in Sextus’ account: that of the doctor and the general, and that of the grammarian. The type of error is quite different in the two cases. By uttering a solecism, the grammarian deliberately commits a mistake in his own field of knowledge, i.e. he breaks the rules of the language he has to teach. In the case of the doctor and the general it is surely not so. The doctor and the general, the former by making a promise that is not going to become true, the latter by lying about the imminent arrival of reinforcements, do not break the rules of their respective sciences and truth systems, i.e. medicine and strategy. The doctor does not seem to formulate, for instance, the axiom that an intake of sugar will be good for the patient, but that he will let him eat a small quantity of sugar, although he knows he will not. The general does not utter the axiom that the battle will be won without reinforcements, but that the allies are coming, although he knows they are not. The propositions uttered by the doctor and the general are false with respect to a situation with which the content of the propositions is not in accordance. These propositions are uttered in order to provoke a practical reaction, hence an impulse. By assenting to the false utterances of the doctor and the general, the patient and the soldier will also assent to the true value judgements according to which for the time being they must tolerate, respectively, a diet and the hardships of war (i.e., they assent to prescriptive predicates ending in -teon and qualifying diet and hardships of war as ‘tolerable’ or ‘things that must be tolerated’, ὑπομενετέα). Both the patient and the soldier must develop a hormê for situations that usually arouse aversion based on the misguided view that fasting and resistance are unpleasant efforts that are to be avoided. On the other hand, the grammarian has no other purpose than clearly to point out a mistake vis-à-vis the true. At most, we can say that he arouses an aversion towards error. These three cases are a good example of what the early Stoics took to be the task of prescription, hence of the educator and the lawgiver. The latter aim to direct the actions of their disciples and citizens by changing their views and judgements. A change in one’s views has as its consequence a remarkable progress on the path leading to rectitude of reason and virtuous behaviour, two qualities that cannot be found in fools. To achieve more quickly a change in the fools’ be-

|| 38 Cf. Plut. De Stoic. Rep. 47, 1055f–1056a = SVF II 994; and 1057b–c, cit. = SVF III 177. See also Philo De Cherub. 14 = SVF III 513, reporting examples which are similar to Sextus’, and Stob. Ecl. II 111.10–17 W. = SVF III 554.

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haviour, the Stoics grant the wise educator and lawgiver the right to rely on a sort of noble lie, based on the extremely close relationship between the representational-cognitive act, the linguistic act and the rise of the impulse which is the direct and immediate condition for action. Since action is ultimately a reaction provoked by ad hoc linguistic expressions, it is possible to use particular modalities of language for educational purposes.

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Margaret Graver

Does God Have a Choice? Human and Divine Volition in Stoic Philosophy In Book II of Cicero’s De Natura Deorum the Stoic exponent Quintus Lucilius Balbus gives what he says is the principal Stoic account of the divine nature:1 ipsius vero mundi, qui omnia conplexu suo coercet et continet, natura non artificiosa solum sed plane artifex ab eodem Zenone dicitur, consultrix et provida utilitatum oportunitatumque omnium. atque ut ceterae naturae suis seminibus quaeque gignuntur augescunt continentur, sic natura mundi omnis motus habet voluntarios, conatusque et adpetitiones, quas ὁρμὰς Graeci vocant, et is consentaneas actiones sic adhibet ut nosmet ipsi qui animis movemur et sensibus. But the nature of the world itself, which encloses and contains all things in its embrace, is called by Zeno not just ‘craftsmanlike’ but actually ‘a craftsman’, being such as to consider and provide in advance for all things useful and opportune; and just as other natures are born and grow and are upheld by their seeds, so the nature of the world has all the volitional movements, all the efforts and impulses (which the Greeks call hormai), and deploys actions in accordance with these just as we ourselves do who are moved by minds and senses.2

The intent of the passage is clear. According to Zeno, the first founder of Stoicism, the world-soul – god or Zeus – is a rational agent possessed of all the rational and agencial capacities that humans have. This immanent god, elsewhere called the active principle of the cosmos, or again Universal Cause, Right Reason, and Fate,3 this god who permeates the entire world and imparts to formless

|| 1 Earlier versions of this paper were given at Northwestern University in 2014, at Paris– Sorbonne in 2014 and 2020, at Hebrew University in Jerusalem in 2018, and at the Gesellschaft für Antike Philosophie in Frankfurt in September 2019. I wish to thank the participants in those sessions for their contributions to the project. In addition, I am most grateful to Susanne Bobzien, Dhananjay Jagannathan, Tony Long, and David Riesbeck for written comments on earlier and later drafts. Special thanks also to David Blank, who provided me with a much improved transcription of PHerc. 1577–1579, and David Armstrong and (again) David Blank, who aided me with the translation and interpretation of that text. 2 Cic., Nat. D. II 58, text in Ax (1933). Translations are my own throughout unless otherwise noted. 3 The most important pieces of evidence include, besides De Natura Deorum II, Aetius I 7,33 (LS 46A = SVF II 1027); Diog. Laert. VII 135–136 (LS 46B = SVF I 102). The principal claims of the early Stoics in the realm of theology are treated in Long/Sedley (1987) chapters 46, 52, and 54; https://doi.org/10.1515/9783110735598-016

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matter every attribute that we observe – this god has the very same kinds of mental events as we do when we perform some voluntary action: volitional movements (motus voluntarios), efforts (conatus), and impulses (adpetitiones). In one sense, this claim should not surprise us. We know that some Stoic texts represent god as a person, not anthropomorphic in any bodily sense and yet one who can be meaningfully addressed in prayer. The idea that the divine craftsman acts through volition, as human beings do, accords well with the direct invocations of Zeus that we find in the poetry of Cleanthes and, in the later period, in some passages of Epictetus.4 And as will be seen below, the claim that the Stoic gods are psychologically similar to human beings specifically in that their actions are willed, or voluntary, is also to be found in Seneca’s De Beneficiis, a work that has close ties to the writings of much earlier Stoics. In another sense, though, Balbus’s assertion seems deeply baffling. Given how Stoics describe their primary deity, it seems peculiar and perhaps not even viable to credit him, or it, with a mental faculty like the one that we recognize in ourselves as voluntary action. The problem, as I see it, is one of necessitation. Intuitively, we assume that an action can be volitional only if it is not necessitated; or, putting it differently, we say that a person is not acting voluntarily if it is impossible for them to do anything else. Now, in the human case it is not difficult to show that Stoic thought treats instances of voluntary action as being free of necessitation; for, while it is true that every one of our actions is determined by antecedent causes, the concatenation of causes that determine an action is not such as to render alternative actions impossible. But when it comes to the Stoic Zeus, or any divine being in Stoicism, additional considerations come into play. The characteristics that are posited for the world-soul include traits like foreknowledge, benevolence, and an inability to do harm, and these essential traits should render it impossible for Zeus to do anything other than the very thing he does; namely, create and govern the universe in the best possible way. So, if the world-soul acts out of necessity, but our notion of voluntariness presupposes non-necessitation, then either the Stoic natura mundi does not have volitional movements, or our understanding of volition requires revi-

|| also Dragona–Monachou (1976); Mansfield (1979) and (1999); D. Frede (2002); Sedley (2002); Algra (2003); Meijer (2007); Bénatouïl (2009). Some difficulties with the Stoic view of divine thoughts are explored in Reydams–Schils (2006). 4 For Cleanthes see the hymn to Zeus preserved in Stobaeus (SVF I 537); also the shorter invocation quoted in both Epictetus, Encheiridion 53, and Seneca, Ep. 107,10; SVF I 527. For Epictetus, especially Diss. I 16,20–21.

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sion. Hence at some points in writing this paper I have asked myself, somewhat whimsically, “Does god have a choice?” In what follows, I would like to explore this concern more deeply and to show how it arises from ancient reports of the Stoic position on necessity and the divine nature. Then in addition, I mean to draw attention to a little-studied text in Seneca’s De Beneficiis that makes a strong case in favor of divine volition. In Seneca’s presentation of the issues, the necessity occasioned by the divine nature applies not to the actions of gods but to the divine volition itself. God’s will is necessitated by god’s nature, but god’s actions are not any less volitional for that; indeed, they are all the more volitional. Moreover, the model Seneca offers is one that applies also to the will of the perfected human being, the vir bonus or Stoic sage. Insofar as the sage represents the perfection of the same rational nature as every one of us possesses, Seneca’s remarks offer an interesting way of understanding what it means for any human being to act of her own volition. Not only does Zeus exercise a faculty of choice, but it is only in conceiving of the world-soul as a volitional being that we gain a correct understanding of our own faculty of choice.

1 The Terminology of Choice in De Natura Deorum II 58 Before studying the problem, we must first consider a point of terminology in the Cicero passage. We read there that the Stoic Zeno attributes to the divine craftsman omnis motus … voluntarios, conatusque et adpetitiones, quas ὁρμὰς Graeci vocant: “all the volitional movements, all the efforts and impulses (which the Greeks call hormai)”; that is, all the ones that human beings have. Now, adpetitio is used elsewhere by Cicero as a rendering for the Greek hormê, and conatus and adpetitiones are linked closely by the phrasing here.5 While it is possible that conatus represents some other Greek term (e.g. orexis, in Stoicism a species of hormê), it is perhaps preferable to assume that Cicero means the

|| 5 Cicero makes his choice of adpetitio for ὁρμή explicit in Acad. Pr. 24, Fin. III 23, Off. II 18; and compare Nat. D. II 29 in belua quiddam simile mentis, unde oriantur rerum adpetitus. (See Pease (1958), vol. 2, 615, 686.) Seneca uses conatus in the same way in Ep. 114,23 and 121,13. Conatus is used by Cicero as an equivalent for ἐπιβολή in Tusc. IV 72.

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pair of words to count as a double rendering for hormê.6 But what about motus voluntarios? As motus (“movement”) recalls the Greek kinêsis, which is frequent in psychological contexts, it is worth asking whether the adjective voluntarius might also reflect Cicero’s knowledge of the psychological vocabulary of Stoicism. In particular, I want to consider the possibility that Cicero might have known a Stoic source that used the phrase prohairetikai kinêseis (volitional movements), analogous to pathêtikai kinêseis (emotional movements) in the fragments of Posidonius and tonikê kinêsis (tensional movement) in some reports of Stoic physics.7 The suggestion is perhaps a bold one, for while prohairesis is an important term earlier in Aristotle and later in Epictetus, it is only thinly attested for the early period of Stoicism,8 and some have been inclined to doubt whether that word or indeed any Greek word lies behind the Latin voluntas and voluntarius as they appear in key texts of Cicero and Seneca.9 There is one bit of evidence, however, that seems to me to be quite significant for this point. It is a fragment from the Herculaneum papyri, written from an Epicurean perspective as a critique of the very doctrine Cicero is presenting in De Natura Deorum II 58:10

ἢ τί μᾶλλον ἀνθρώπων χ̣άριν ἢ τῶν [ἀλόγων ζωίων ἔϲτιν ε[ἰπεῖν γεγεννηκέναι _το[ύ]τω[ν τι . . . ]ουτει[ . εμιβα[ . . . . . . . . . . . . καὶ μέγαϲ ἀλλὰ [ . . . . ζ[ωί]ου [ϲυ]μπαθίαϲ ο̣ [ὔκ [ἐϲτι . . . . . . . . . ]ϲ[ . . ]ολω[ . . . . ]ν[ . . . . . . . .[Ἀπολλο

Or why is it possible to say that ... generated the ... for the sake of humans any more than for the sake of some one of these irrational animals? … and large, but .... of living sympatheia it is not... [Apollo]doru[s]..

|| 6 Expressing one Greek term with a pair of Latin equivalents is one of Cicero’s techniques as a translator; see Powell (1995) 287–288. A triple rendering is also a possibility; compare the threefold translation of καθήκει in Tusc. III 61. 7 For παθητικαὶ κινήσεις see Posidonius, fragments 153 and 165 Kidd; for τονικὴ κίνησις, Alexander of Aphrodisias in SVF II 448 and Galen in SVF II 450. 8 For the evidence see Graver (2003) 353–358. Bobzien (1998), 402–406, observes that the word is more common in later philosophical texts that are specifically concerned with the ability to do otherwise. 9 See for instance Dihle (1982) 133, 239 notes 68–69; Inwood (1985) 240–242; Kahn (1988) 251– 255; Dobbin (1991); Inwood (2005) 132–156 (esp. 137 n. 21). 10 PHerc. 1577–1579, fr. 2; text in Minervini (1862–1876), vol. 8, 26–35, here 27; extracts printed in SVF II 639–640.

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δωρο[ . . . . . . . . . κόϲμου κρα[θῆ]να[ι ἀπειρίαϲ εἰ μὴ τ̣ [ὰϲ δυνάμειϲ ἀλλὰ τῶν [ . . _ἀψύχων ἕξει. τοιοῦτοϲ δ’ ὢν οὐκ ἐπαιϲθανόμενοϲ νοηθήϲεται· τὴν γὰρ ἰϲχὺν οὐ τὴν πυρὸϲ οὐδὲ τὴν ἀέροϲ [ἔχει, κόϲ]μου δὲ ἐπὶ ϲυϲτήματι δι’ ἀϊ[δίων τῶι παρὰ τὴν ἐπιϲτήμην τῆϲ ἑαυτοῦ φύϲεωϲ καὶ τοῦ δυνατοῦ γενέϲθαι καὶ μὴ δυνατοῦ πάντα τὸν ἀῒ[διον ἄφοβον καὶ μακά_ριον ἐϲχηκότοϲ. ἀλλὰ δὴ καὶ παρ’ ἡμῖν τῶν μὲν φύϲει τῶν δὲ προαιρ[έϲ]ει γινομένων ἐπιβλέψ̣[αι πρόχειρον ὅτι τῶν [προαιρετικῶν οὐδ[ὲ ἑνὶ προϲέοικεν ὁ κόϲμοϲ ὥϲθ’ ὑπον ο ῆϲαι καὶ οε. . ] δυνατὴν οὖϲαν αὐ-

… of the world to have been mingled of infinitude, except the capacities, but it will have of the inanimate ... And being of this kind it will not be conceived as having senseperception. For it has neither the strength of fire nor that of air … but toward the world’s system, through eternals, by its being contrary to knowledge of its own nature and to knowledge both of what can happen and what cannot, of one who considers every eternal one to be unthreatening and blessed. Moreover, given that in our case some things come about by nature and some by volition, it is easy to observe that the cosmos does not resemble even one of the volitional beings, so that one can conceive also being [im?]possible...

Wilhelm Crönert suggested in 1906 that this unidentified text might have belonged to Book II of Philodemus’ treatise On the Gods, a work that presents numerous other parallels to the De Natura Deorum.11 Whatever the source, though, it is clear that the author is arguing specifically against the claims that the cosmos has been generated for the sake of human beings, that it has capacities like those of animate creatures, and that it has sense-perception. A proper understanding of the world’s nature, such as Epicureans have, shows that it “does not

|| 11 See Crönert (1906) 113 n. 512; similarly Bassi (1910) 328 n. 1. The manner of argumentation is very like that of Velleius in De Natura Deorum I 18–24 and 36–41 and also very like that of Philodemus in Peri Eusebeias and Peri Theôn Books I and III. The latter work is standardly compared to Cicero’s: Hermann Diels laid out the Latin and Greek texts in parallel columns in Diels (1916) and Diels (1917). See Asmis (1990); Dyck (2003); Essler (2011).

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resemble even one of the volitional beings” (prohairetika). There are things that come about by nature, and things that come about by volition, prohair(es)ei, and it is easy to tell the one from the other. The author’s position thus resembles what Epicurus says in Letter to Herodotus 77 and 81 about the heavenly bodies, that they are not animate beings and do not go through their motions deliberately (kata boulêsin). But in the papyrus, the opponent is not popular superstitions about the stars and planets, but philosophical doctrines about the cosmos as a whole, put forward by someone who believes that the world is created for the sake of humans but not of irrational animals, who mentions cosmic sympathy ([su]mpathias in line 8) and who favors the idea of a volitional cosmos. It makes most sense if that philosophical opponent is a Stoic of the first century BCE or earlier, and if that Stoic author has already used the terms prohairesis and prohairetikos in stating his view. This is indirect evidence at best, but it gives us some reason to trust Cicero’s report that the Stoics’ theological physics includes a notion not just of an immanent and rational deity, but of one whose activities count as voluntary actions. To be sure, the main idea about agency is already implicit in the term hormê, so that much of the puzzle we have to explore would be the same if we were to ask simply “what is it for the Stoic god to have rational impulse”? But the Herculaneum text entitles us to put the question in a more pointed way, and ask “what is this divine will that Zeno speaks of?” or again, “does the Stoic god have a choice?”

2 The Preconditions for Human Choice We can now begin to consider the concept of choice itself. I think it is fair to say that for most English speakers today, the terms “choice”, “volition”, and “voluntary” presuppose non-necessitation. That is, we tend to assume that for any agent A and any token action φ, A cannot have chosen to φ or willed to φ, nor can A be held responsible for φ-ing, if the proposition A φ’s is necessarily true; or, equivalently, if the proposition A does not φ cannot be true. It appears that Greek philosophers of the Hellenistic period shared that intuition. In her book Determinism and Freedom in Stoic Ethics, Susanne Bobzien opens her chapter on “Modality, Determinism, and Freedom” by noting that both the ancient Stoics and their opponents treated non-necessitation as a precondition for an action’s depending on us: It seems that Hellenistic philosophers generally agreed that an action or, in general, activity does not depend on us and is not in our power, if it (or a corre-

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sponding proposition) is necessary or impossible; or, put differently, that a prerequisite for something’s depending on us is that it is both possible and non-necessary. This fact is invoked both by the Stoics in defence of their theory and in the criticism of their opponents.12 We will need ultimately to probe this assumption about the preconditions for voluntary action, at least when it comes to the sort of agent Zeno thinks of as divine. In the meantime, though, it seems highly relevant to observe that in Stoic philosophy, the actions of ordinary human agents do meet these modal requirements. It is important to bear in mind what it means in Stoicism to say that an event is either necessary or non-necessary. Bobzien explicates a set of Stoic modal definitions preserved in Diogenes Laertius and Boethius. Traceable to Chrysippus of Soli in the third century B.C.E, these definitions counter those of the Megarian philosopher Diodorus Cronus. Δυνατὸν μέν τὸ ἐπιδεκτικὸν τοῦ ἀληθὲς εἶναι τῶν ἐκτὸς μὴ ἐναντιουμένων εἰς τὸ ἀληθὲς εἶναι … ἀδύνατον δὲ ὃ μή ἐστιν ἐπιδεκτικὸν τοῦ ἀληθὲς εἶναι … ἀναγκαῖον δέ ἐστιν ὅπερ ἀληθὲς ὂν οὐκ ἔστιν ἐπιδεκτικὸν τοῦ ψεῦδος εἶναι ἢ ἐπιδεκτικὸν μέν ἐστι, τὰ δ᾽ ἐκτὸς αὐτῷ ἐναντιοῦται πρὸς τὸ ψεῦδος εἶναι … οὐκ ἀναγκαῖον δέ ἐστιν ὃ καὶ ἀληθές ἐστιν καὶ ψεῦδος οἷόν τε εἶναι, τῶν ἐκτὸς μηδὲν ἐναντιουμένων . A proposition is possible if it is capable of being true, and not hindered from being true by external circumstances…A proposition is impossible if it is not capable of being true, A proposition is necessary if it is not capable of being false, or is capable of being false, but is hindered by external circumstances from being false…A proposition is non-necessary if (even it is true) it is capable of being false, and not hindered by any external circumstances.13

The Stoics here reject the Diodoran account in which everything that will happen is regarded as necessary and only those things are regarded as possible. In the system of modal logic established by Chrysippus, the Stoics assign a more restricted scope to the necessary and a correspondingly larger scope to the possible. In compact form, the Chrysippan definitions state that a proposition is || 12 Bobzien (1998) 97. The relevance of the capacity to act otherwise to Stoic compatibilism is helpfully explicated also in Salles (2005). 13 The text and translation are as presented by Bobzien (1998), 112, following the reconstruction in M. Frede (1974), 107–114, which is based on Diog. Laert. VII 75 and Boethius, Int., 2. ed., 234–235, 393 Meiser. For interpretation and for the attribution to Chrysippus see Bobzien (1998) 112–116, 119–122.

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possible if and only if it is capable of being true and is not hindered from being true by external circumstances; it is necessary if and only if it is not capable of being false or is hindered by external circumstances from being false. The definitions are interrelated in such a way that a proposition is necessary just when its contradictory is impossible, and non-necessary just when its contradictory is possible. An important implication of laying out the system in this way is that even if something is never going to happen, it still might be possible for it to happen. In a determinate cosmos, the causes are already in place that will eventually bring about the future that we are to have, and those causes determine their effects in an entirely regular way: if the same causes are in place, the same effects will always ensue. But they may not ensue of necessity. Many things that will in fact happen turn out to be non-necessary, and many things that will not happen turn out to be possible. Putting it another way, we can say that the undisputed regularity of causation is not such as to eliminate every alternative possibility. A passage in Cicero’s treatise De Fato provides an illustration. Cicero has just explained that according to Diodorus Cronus, future-tense propositions that will not actually come true are thereby impossible. He continues as follows: At hoc, Chrysippe, minime vis, maximeque tibi de hoc ipso cum Diodoro certamen est. Ille enim id solum fieri posse dicit quod aut sit verum aut futurum sit verum, et quidquid futurum sit id dicit fieri necesse esse et quidquid non sit futurum id negat fieri posse. Tu et quae non sint futura posse fieri dicis, ut frangi hanc gemmam etiam si id numquam futurum sit, neque necesse fuisse Cypselum regnare Corinthi quamquam id millesimo ante anno Apollinis oraculo editum esset. But you, Chrysippus, are by no means willing to accept this, and your controversy with Diodorus is on this point in particular. He says that only that which either is or will be true is possible, and that anything that will be happens of necessity, while anything that will not be cannot possibly happen. You say that things which will not be are also possible. For example, it is possible for this jewel to be broken even if that will never happen. And you say that it was not necessary for Cypselus to rule at Corinth, even though that had been predicted by the oracle of Apollo a thousand years earlier.14

Chrysippus holds up a gem and asks his audience to assume that this gem will never be broken. Does it follow that it is impossible for it to be broken? Chrysippus says no: the gem is still a breakable object, even if the possibility of its breaking will never be realized. Conversely, something that definitely is going to happen may not be going to happen of necessity. A thousand years before the

|| 14 Cic., Fat. 13.

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tyrant Cypselus was born, it was true of him that he would someday rule the city of Corinth; and yet the fact that he would do so was never a necessity in the strict sense of the word.15 By the same token, it was always possible that Cypselus would not come to power, just as the gem is always capable of being broken. The future is just full of possibilities that will never be realized. But if these possibilities are not going to be realized, then in what do they consist? The modal definition states two conditions that have to be met for something to be possible: it has to be capable of being true, and it cannot be hindered from being true by external circumstances. For the present discussion, we can concentrate on the first of these. Coming from Chrysippus, “capable of being true” ought to mean that the relevant proposition is internally capable of being true; i.e. that there is no logical difficulty created by linking that subject to that predicate. A proposition like this circle will have four corners is not capable of being true: a circle is in essence and by definition not the sort of thing that can ever have corners. But to posit that this gem will break does not create any such problem. A broken gem is not like square circle, for there is no conflict between what it is to be a gem and what it is for something to break. Borrowing a term from Alexander of Aphrodisias, we can speak of the “suitability of the subject” (epitêdeiotês tou hupokeimenou) to bear that predicate.16 Thinking of it this way, the notion of that which is “capable of being true” can also be expressed as a property that some things have and others do not. In general terms, again, that property is just the suitability of a certain subject, whether a particular thing or a class of things, to bear a certain predicate. In fact, gemstones sometimes do shatter, and so we can say that this particular gemstone – whatever one we happen to have in mind – belongs to a class of things to which the predicate breaks sometimes applies. But the breakability of gems in Stoic thought cannot consist simply in the contingent fact that such breakage has been known to occur. For Chrysippus might want to say that the gem he is holding is breakable even if it happened to be the case that no gemstone in the world would ever break, and likewise even if his stone were the

|| 15 From the modal definition above, the proposition Cypselus will rule would be necessary only if it were incapable of being false or if some external hindrance prevented it from ever being false. 16 Bobzien (1998) 109 n. 29, quoting Alexander of Aphrodisias, An. pr. 184.6–10. As Alexander speaks in reference to the modal logic of Philo the Megarian, which was an important antecedent for that of Chrysippus, it may be that Chrysippus also would have expressed possibility in this way.

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only one in existence.17 Indeed, this is the crux of his dispute with the Diodoran modalities. The possibilities of the gem are not dependent in any sense on what events come to pass: they are inalienable features of the subject. There are many facts that can be noted about Chrysippus’s stone: its location, how he handles it, what sort of box it is kept in, and so forth. But only certain features are part of what it is to be a gem of that kind. If you change the box, it is still the same gem, but not if you change (say) its color or hardness or specific gravity. Chrysippus can say that his gem’s breakability, i.e. its suitability to bear the predicate breaks, is that sort of attribute. As long as the object remains what it is, a gemstone, it must retain that suitability, which is the same as its capacity to break, which is the same as the possibility of its breaking. Let’s now consider how this understanding of possibility and necessity applies to a human agent in the moment of action. My banker gives me a document to sign, and I sign it. Was my act of signing necessitated by the various causal factors that brought it about? In the moments before signing, was it possible for me not to sign, given that I was about to do so? For if it was impossible for me not to sign, then my signing seems no longer to be a voluntary action. As determinists, the Stoics are committed to saying that my action in signing the document is fully determined by antecedent causes. My banker and my financial situation count as auxiliary causes, triggering my action; my own mental character, that bundles within it my ideas about mutual funds, my sense of responsibility, my love of fountain pens, and all my other attitudes and beliefs, constitutes the principal cause. And there are other causes that can be named, including those genetic, environmental, and internal factors that have shaped my character over time. All together that ensemble of causes brings it about that I do in fact sign. But to say that my signing is fully determined is not the same as saying that it is necessitated. Whether Chrysippus’s gem will shatter is likewise determined by antecedent causes. Ex hypothesi, it will not, and yet the possibility of is breaking remains, for it is still the sort of thing that can break. By the same token, I remain capable of not signing the document right up to the moment when I do sign it, just because I am a rational human agent. The capacity to sign or not sign is inherent in the kind of creature that I am, in the same way as the potential to break (or not break) is inherent in the stone.

|| 17 In support of this point we have his statement that it is not necessary that Cypselos rule at Corinth. Possibility and necessity are interrelated in this modal system in such a way that to say Cypselos’s regime was not necessary is also to say that it was always possible for Cypselos, the only Cypselos in the world, not to rule there.

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Similarly, let’s say I have an opportunity to travel to West Africa to combat the most recent outbreak of the Ebola virus. There is no external hindrance to my going; I have the resources I need; and yet I do not go, because I am afraid. Am I a suitable bearer of the predicate travels to West Africa to fight the epidemic? Chrysippus will say yes: there is nothing about the predicate that is incompatible with my essential nature as a human being – witness other people who are doing that very thing. Staying behind is what I will certainly do, timid as I am, but the alternative possibility is there nonetheless, inherent in my nature as a human. It is, as it were, a species-level potentiality: as a human being, I cannot flap my arms and fly, nor can I live forever, but I can go to West Africa if circumstances permit. Accordingly, it makes sense for a Stoic to say that my staying at home, even in a determinate world order, is a matter of my own volition, that it is my choice, and that it is an act for which I can be held responsible.

3 The Puzzle of Divine Volition Up to this point I have tried to show that in Stoicism there is a meaningful sense in which the possibilities there are for a subject relate to the essential nature of that subject. Having alternative possibilities is a basic precondition for voluntary action, for, although there is more to volition than having alternative possibilities (even stones have that much), one would not say that I sign a check voluntarily if it is impossible for me not to sign it, nor, of course, if it is impossible that I sign it. Naturally, there is a great deal more that might be said about the nature of human agency and about the ways that our individual histories impose limitations on our possibilities in any given moment. For present purposes, though, I mean to remain at this very basic level of generic potentialities and to inquire into the possibilities that are open to the Stoic god. For there is a case to be made that the activities of Zeus and of every Stoic deity are necessitated in the sense defined above, just because of the kind of being that the Stoic god has to be. It may be that the definitional characteristics of god simply leave no possibility for Zeus, or the world-soul, to act otherwise than he does. In the doxography of Diogenes Laertius, we read that in Stoicism, god is a rational immortal animal – a perfect counterpart, then, to the human being, who is a rational mortal animal. The passage then goes on to list further characteristics of this immortal being:

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Θεὸν δ᾽ εἶναι ζῷον ἀθάνατον, λογικὸν ἢ νοερόν, τέλειον ἐν εὐδαιμονίᾳ, κακοῦ παντὸς ἀνεπίδεκτον, προνοητικὸν κόσμου τε καὶ τῶν ἐν κόσμῳ. [The Stoics say] that god is an immortal animal who is rational or intelligent, perfect in happiness, incapable of everything that is bad, provident towards the world and everything in it.18

In addition to being rational and intelligent (endowed with nous), the Stoic god is (1) perfect in happiness, (2) incapable of evil, and (3) provident toward the world and whatever is in the world. All three of these characteristics look to be inherent in the nature of god, in the same way as a certain hardness, color, and specific gravity are intrinsic to a jewel. In Stoic doctrine as here reported, a stupid or malevolent being just could not be divine. Clearly, this account of the divine nature places some constraints on the activities a Stoic god will do. Imagine some course of events: the fall of a certain empire, for example. Will god bring it about that the empire should fall? A provident god will always consider whether doing so would be beneficial, on the whole, to the cosmos and its inhabitants, and if so would be sure to bring it about. On the other hand, if that empire’s fall would be worse overall for the world and its inhabitants than its continuing to stand, then god will not bring it about. Everything that the divine craftsman produces and causes to happen is for the best. But perhaps we can go further than this. The passage suggests quite strongly that if an event would be bad for the world overall, god simply cannot bring it about: he is “incapable of everything that is bad.” The language on this point recalls that of the modal definitions above: just as a proposition is impossible when it is not capable (mê … epidektikon) of being true, so god is incapable (anepidekton) of all evil.19 For him to bring about an overall-bad event would be a contradiction in terms. Where evil is concerned, god is not like that unbroken and yet breakable gem, still open to the unrealized possibility. He is more like the circle that by virtue of its own nature must remain forever cornerless. From here, it is not far to the conclusion that everything Zeus does must be necessary in the strong Chrysippan sense. One need only reflect that in Stoic thought, all the world’s events belong to a rationally designed sequence that is

|| 18 Diog. Laert. VII 147 (LS 54A = SVF II 1021); compare LS 54K (Plutarch, De Comm. Not. 1075e (SVF II 1126); also Cicero’s report in Nat. D. II 58 that the world’s nature is “a consulter and provider of all things useful and opportune” (consultrix et provida utilitatum oportunitatumque omnium). On providence in creation see also Wynne (2019) 111–181. 19 I wish to thank Susanne Bobzien for pointing out this connection.

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the best it can possibly be. Hence any deviation from the events that actually occur would belong to a less-than-optimal world order. But god, being incapable of everything bad, surely cannot produce a less-than-optimal world order. Thus for any actual event E, the proposition Zeus causes not-E is incapable of being true: Zeus simply is not a suitable subject for that predicate. And this is equivalent to saying that for all E – that is, for everything god does – god does E of necessity, with no possibility of doing anything else. But now we are at an impasse. For the assertion that overall-harmful activities are downright impossible for god leads to two consequences that seem not to belong in the Stoic system of thought. For one thing, this limitation on god’s capabilities correspondingly limits the possibilities of the cosmos in a way that Chrysippus seems unwilling to do. Keep in mind that the Stoic world-soul is a maximally immanent deity. This is not a god who stands outside the cosmos and only occasionally tinkers with world events; no, he is constantly shaping and creating every element of the cosmos, and all events that happen are, without exception, his activities. This should mean that any act it is impossible for Zeus to perform is also an event that not only will not but cannot happen. But the way the Stoics set up their modal system surely envisions a much wider scope of possibility for events than that. Let’s return once more to Chrysippus’s gemstone. The assumption that it will not shatter implies that the world is better so, since, in a Zeus-governed cosmos, everything that happens is for the best. But if its not breaking belongs to the best possible world order, then its breaking would make for a worse universe than the one we have.20 And that would be a bad thing – and consequently, a thing that Zeus cannot bring about – and consequently, an impossibility. But Chrysippus has gone out of his way to show that the gem can break. The second consequence is equally unwelcome. We’ve seen that the Stoic god is credited in Cicero’s report with volitional movements like those of human beings. Following a standard assumption both for modern English speakers and for Hellenistic philosophers, we have posited that the very idea of volition or choice requires that things done voluntarily or by choice are not done of necessity. If it now turns out that all activities of the world-soul are not only determined by the causal nexus but actually necessitated in the great scheme of

|| 20 Must we think that the breaking or non-breaking of a single stone would make for a worse universe? Perhaps not: one could make a case for multiple possible sequences of events, all of which are equivalent in their overall goodness. (For this possibility see Salles (2005) 23–28.) But the reasoning that applies to the stone applies also to the fall of empires.

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things, then either we misunderstand what voluntariness is, or the Stoic god has no volition and no choice. In the next section, we will explore an important passage in Seneca’s treatise De Beneficiis that offers a clue as to what might have been missed in the above train of thought. Reflecting on this not-often-studied text can give us a more complete understanding of Stoic theology and a better grip on the nature of volition in the human case as well.

4 Seneca’s De Beneficiis and the Immutable Will As we turn to the Senecan material, it is important to keep in mind that the contents of De Beneficiis do not all originate with Seneca himself. Although capable of intellectual independence, Seneca is usually quite content to explicate ideas and concepts of earlier philosophers, drawing on the resources of his excellent library. In the De Beneficiis, an intricate and sophisticated study of the ethics of gift-giving, favors, and reciprocity, he is explicit about having studied treatises on the same subject in Greek by Cleanthes, by Chrysippus, and by the later Hellenistic Stoic Hecaton of Rhodes.21 As the works he consulted do not otherwise survive, we cannot now trace the history of Seneca’s argumentation in any detail; we can safely assume, though, that large portions of it derive from one or another of those earlier Stoics. Throughout De Beneficiis, Seneca returns again and again to issues of agency and volition.22 While his main objective is to give a clear account of what it is for one person to perform a beneficium, i.e. a favor or an act of kindness, toward another person, he cannot achieve that aim without talking about the will (velle or voluntas) or goodwill (benevolentia) that is expressed in the benefit. For benefits are defined psychologically, in terms of the intention of the giver. Benefits

|| 21 Hecaton, a pupil of Posidonius, wrote extensively in ethics; see the edition of the fragments by Veillard (2022). Seneca mentions him frequently not only in Ben. I 3,8–9 and II 18,2 but also in other works: Chaumartin (1985); Griffin (2013) 24–25; Setaioli (1988) 308–315. Seneca quotes Cleanthes three times in De Beneficiis (at V 14,1; VI 11,1; 12,2) and Chrysippus five times (at I 3,9; I 4,4; II 17,3; 25,3; III 22,1). The way Chrysippus is spoken of in Ben. I 3,8–9 suggests direct familiarity with the work Περὶ χαρίτων that is attested by Philodemus (On Piety 14 = SVF II 1081), but it is possible that Seneca knows that work only from what was said about it in Hecaton. 22 For broader discussion of the aims of the treatise see Inwood (2005) 65–94; Griffin (2013). I treat the issues of agency and volition in more depth in Graver (2020).

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conferred on us by divine beings come up quite frequently as parallels to the human case or as models for how human beings ought to behave. In typical Stoic fashion, Seneca also writes extensively about the actions of the perfected human agent, or sage; these, predictably, are closely analogous to those of the gods. The passage that concerns us here is found in Chapters 21–23 of Book VI. The context is a larger discussion of actions that are performed not for any one individual but for an entire populace or for everyone in the world. These do not always count as benefits, but they may, if the intention of the agents is not merely to benefit themselves. The question arises: do the movements of sun and moon count as benefits? Seneca holds that they do, for while the purpose of those movements is to preserve the cosmic order for everyone, we ourselves are included in that purpose. In his view we have every reason to be grateful to the sun and the moon, since their movements are performed deliberately and knowingly for our good, without expectation of reward. But in order to make this case, Seneca must deal with some pressing questions about the volition of these heavenly bodies. Is it really right to say that the sun and moon act of their own volition? For there seems to be no possibility of their doing anything other than move through the sky in perfect circles. Following his usual practice, Seneca expresses this concern as a question voiced by his imagined interlocutor. What follows is worth quoting at length: ‘Sciam,’ inquit, ‘solem ac lunam nobis velle prodesse, si nolle potuerint; illis autem non licet non moveri. ad summam consistant et opus suum intermittant.’ Hoc vide quot modis refellatur. Non ideo minus vult, qui non potest nolle; immo maximum argumentum est firmae voluntatis ne mutari quidem posse. Vir bonus non potest non facere, quod facit; non enim erit bonus, nisi fecerit; ergo nec bonus vir beneficium dat, quia facit, quod debet, non potest autem non facere, quod debet. Praeterea multum interest, utrum dicas: ‘Non potest hoc non facere,’ quia cogitur, an: ‘Non potest nolle.’ Nam si necesse est illi facere, non debeo ipsi beneficium, sed cogenti; si necesse est illi velle ob hoc, quia nihil habet melius, quod velit, ipse se cogit; ita, quod tamquam coacto non deberem, tamquam cogenti debeo. ‘Desinant,’ inquit, ‘velle’. Hoc loco tibi illud occurrat: Quis tam demens est, ut eam neget voluntatem esse, cui non est periculum desinendi vertendique se in contrarium, cum ex diverso nemo aeque videri debeat velle, quam cuius voluntas usque eo certa est, ut aeterna sit? An si is quoque vult, qui potest statim nolle, is non videbitur velle, in cuius naturam non cadit nolle? “I would know that the sun and moon will to help us if they could be unwilling. But they are not allowed not to move. In brief, let’s see them stand still and stop their work.” Consider how many ways there are to refute this. A person who cannot be unwilling is not for that reason any less willing. On the contrary: the greatest proof of a firm volition is that it cannot be altered. The good man cannot but do what he does, for otherwise he will not be good. It follows that not even a good man confers a benefit because he is doing what he

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should; rather, he cannot but do what he should. Besides, it makes a big difference whether you say, “He cannot but do this,” because he is forced, or “He cannot but want to.” For if it is necessary for him to do it, I do not owe the benefit to him but to the one who compels him; but if it is necessary for him to want to do it (because out of everything he could want, this seems to him to be the best), then he compels himself. In that case, what I would not have owed him as one who benefited me under compulsion, I do owe him as one who compels a benefit toward me. “Well, let them (sc. the sun and moon) stop wanting to.” On this point, consider the following argument. Who would be so crazy as to say that a wish that isn’t at risk of stopping or changing to its opposite isn’t really a wish? On the contrary, one ought to think that the most willing person of all is the one whose will is so certain as to be permanent. Given that willingness belongs also to the person who can be unwilling in the next moment, will we not think that the person is willing whose nature doesn’t admit of his being unwilling?23

Like Epicurus in Letter to Herodotus 77, the challenger denies that the heavenly bodies perform their movements voluntarily. His argument is that the sun and moon “are not permitted not to move”: in essence, they are incapable of doing anything else. Seneca’s response is to probe the nature of volition itself, which he designates either velle or voluntas (in my translation also “wish”, “want”, “willingness”). Rather than address the question about whether the sun and moon are capable of behaving differently, he concentrates on whether the very concept of volition requires the capacity to will the opposite. He appeals to basic intuitions about persistence and about moral goodness. The fact that someone persists in wanting a certain thing strikes us as evidence of a firm will, not lack of will; the fact that a good person feels compelled to help those in need, rather than merely feeling obligated to do so, strikes us evidence of genuine willingness and not the reverse. The question thus becomes one of what might be called volitional necessity: whether an action can still be considered voluntary when the will to act in that way was itself necessitated by the character of the agent (non potest nolle … necesse est illi velle … in cuius naturam non cadit nolle). Seneca’s answer is yes. Although ordinarily we do not owe any gratitude to someone who was forced to assist us, we do owe it in this case, where the compulsion was self-imposed. So the objection is answered: the regularity of the movements of the celestial bodies does not prove that those movements are not volitional. To be sure, the above argument merely refutes the objection; it does not in itself show that the celestial bodies act of their own volition. Seneca is not much interested here in combatting the view that makes the heavenly bodies mere globes of fire with no agency whatsoever. For him, their divinity can be as|| 23 Ben. VI 21,1–4, text in Hosius (1914).

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sumed without argument; what matters is the freedom and power of all divine agency. A paragraph lower down, he is ready to generalize from the observed regularities of the heavens to the immutability of all the gods’ purposes, in their governance and in their gifts to humankind: Adice nunc, quod non externa cogunt deos, sed sua illis in lege aeterna voluntas est. Statuerunt, quae non mutarent; itaque non possunt videri facturi aliquid, quamvis nolint, quia, quidquid desinere non possunt, perseverare voluerunt, nec umquam primi consilii deos paenitet. Sine dubio stare illis et desciscere in contrarium non licet, sed non ob aliud, quam quia vis sua illos in proposito tenet; nec inbecillitate permanent, sed quia non libet ab optimis aberrare et sic ire decretum est. Moreover the gods are not compelled by anything external; rather their own will is an enduring law for them. They have made their decisions immutable. Here is why one cannot think that they will ever act against their will: the things they cannot cease doing are things they have willed to continue doing, and as gods they do not ever regret their initial decisions. It is undoubtedly true that they are not permitted to stop their motions and switch to the opposite, but that is for no other reason than that their own strength holds them to their plan. They do not remain with it out of weakness, but because they have no inclination to deviate from what is best, and they have resolved to proceed in this way.24

He does not mind saying that the gods are unable to act otherwise than they do: they “cannot cease” (desinere non possunt). He is emphatic, though, that the sole reason for this limitation on divine capabilities is a decision the gods have already made. Their inability to act otherwise is merely a consequence of their prior choice. A brief statement in the Natural Questions, written around the same time as the De Beneficiis, neatly summarizes the same position. Can god ever change his mind, Seneca asks, or alter the determinations that he made in making the world? He then answers himself: necesse est eadem placere ei cui nisi optima placere non possunt. non ob hoc minus liber est ac potens: ipse enim est necessitas sua. He who cannot but prefer the best necessarily has the same preferences. That does not make him any less free and powerful, for he is his own necessity.25

A necessity that arises from one’s own nature, because one is incapable of wanting to do anything different, does not in any way limit the effectiveness of one’s volition. The Stoic god is still entirely free and powerful, in that he can do what|| 24 Ben. VI 23,1–2. Compare Sen., Prov. 5,8: Ille ipse omnium conditor et rector scripsit quidem fata, sed sequitur; semper paret, semel iussit. 25 Sen., QNat. I, praef. 3.

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ever he wants. It is only that the divine nature is incapable of wishing to do anything that is bad. We see in this text how Seneca, perhaps following an earlier Stoic source, confronts a puzzle very similar to the one outlined earlier. The solution he offers respects our intuition that things done by choice must be non-necessitated, while also preserving the Stoic doctrine that a god is by nature incapable of evil. The key move is the distinction Seneca makes between saying that someone “cannot but do this” (non potest hoc non facere) and that they “cannot but want to” (non potest nolle). In this formulation, it is still the case that god is incapable of everything evil, but that is only because god, in his providential concern for the world, is incapable of wishing to do evil. The necessity of god’s internal nature sets limits on his volition, and as rational action occurs through volition, those are also limits on the things god can do. But a necessity that is mediated entirely through the divine volition still leaves room for the potentialities of things in the world as defined by Chrysippus. It remains true, contrafactually, that god could cause the gem to break or the empire to fall if he wanted to. There is a real difference between things that god cannot choose to do and things that god simply cannot do. Hermann Diels once remarked that god is incapable of making the diagonal of a square commensurable with its side; similarly, Epictetus observes that Zeus is incapable either of removing the restrictions of the human body or of setting restrictions on the human capacity to choose.26 Those are conceptual impossibilities that are inherent in what it is to be a square or a human being. In those cases, even Zeno would presumably want to say that god does not have a choice. In a vast real of other cases, though – the gem, the fall of empires – there is no such conceptual impossibility. Unrealized possibilities remain possible, but subject to the choices of god.

5

Steadiness of Purpose

Before leaving Seneca’s treatise, it is worth our while to reflect briefly on what might have been gained here for our understanding of human volition; since, after all, the Stoic god is supposed to deploy actions in just the way that we do who are moved by minds and senses. The passage we have studied from Book VI has supplied us with a strange and arresting vision of heavenly bodies that traverse the sky day and night as a matter of choice, realizing that their circular

|| 26 Diels is cited by Mansfield (1979) 132 n. 13; for Epictetus, see Diss. I 1,10; 1,23.

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orbits are the best course of action for the world, for themselves, and for us. Does this distinctly unmodern vision of the universe offer any insight into the nature of volition generally? We began with the common assumption that no action can be considered voluntary if it is necessitated by its causes. In the course of the discussion we have seen how that intuition is refined and modified in the writings of Seneca, who is likely to have drawn his ideas from earlier Stoic authors. According to Seneca, the volition that generates an action may itself have been necessitated by some essential characteristic of the agent, in this case the absolute and unchangeable benevolence of god. The action generated in this way is then also necessary, and yet it is still a voluntary action. In fact, Seneca holds that the actions of those who cannot choose otherwise, whether divine or human, have a stronger claim to be called voluntary than those of the ordinary person. Instability, the tendency to change one’s resolve from one moment to the next, is not part of what it is to act voluntarily; on the contrary, “the most willing person of all is the one whose will is so certain as to be permanent.”27 Clearly Seneca has in mind the human as well as the divine case. In speaking of the vir bonus, he has in mind the sage, the model human agent of Stoic ethics who may or may not exist in actuality. But he also means to appeal to our experience of the good person in the everyday sense, for instance the thoroughly kind person who cannot help but relieve suffering. We might want to say that such a person feels compelled to help, but we would not take that to mean that they were unwilling to help. It seems to matter that in this sort of case, the compulsion arises from the person’s own nature. Extrapolating, we can imagine an agent whose understanding of the world is so clear and whose motives are so pure that not wanting to help is actually impossible for them. There, too, the intuition is strong that the action undertaken through internal necessity is still a voluntary action. If anything, it is the inconsistency occasioned by conflicting beliefs and vacillating commitments that seems like an impediment to freedom.

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|| 27 Ben. VI 21,4.

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John Sellars

Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical Action In his Meditations Marcus Aurelius reflects on how he ought to act.1 Although he does not offer any formal account of ethical conduct, a number of core themes emerge. Throughout the book he mentions many of the traditional Stoic virtues, but the one that dominates his thoughts is justice. Marcus offers a number of reasons why just actions and – more broadly – actions that are “for the sake of others” ought to be his (and, by extension, our) primary concern. These include living in harmony with one’s nature as a social being but also involve reconceiving the relationship between individual and community, which is a corollary to Marcus’s wider reflections on what it means to live in harmony with Nature as a whole. Perhaps most striking, however, is his image of perfected ethical action as a form of spontaneous benevolence, akin to a vine producing grapes. In what follows I want to examine this idea of spontaneous ethical action. But first, by way of context, it may be helpful to say something about wider ethical themes in Marcus.

1 Living Consistently with Nature In Book I of the Meditations Marcus thanks his Stoic teacher Sextus for teaching him “the notion of life according to Nature (ennoia tou kata phusin zên)” (I 9).2 This idea of a life according to Nature was one of the core doctrines in Stoic ethics. As we shall see shortly, it was often expressed using the word homologoumenôs, “consistently”, and Marcus uses this term to capture the same idea elsewhere. For instance, in III 4 he reminds himself “to cling not to the opinion of all men, but only of men who live consistently with Nature (homologoumenôs

|| 1 An earlier version of this chapter was read at the Internationalen Kongress der Gesellschaft für Antike Philosophie held in Frankfurt am Main, in September 2019. I thank Friedemann Buddensiek for his kind invitations to present at the conference and to contribute to this volume, as well as the audience for their helpful comments and suggestions. This chapter also appears as ch. 8 in Sellars (2021) and is reprinted from there with permission of the publishers. 2 All references in the main text otherwise unattributed are to book and chapter of the Meditations, for which I have relied on Farquharson (1944) and Dalfen (1987). Translations, sometimes slightly modified, are also by Farquharson unless indicated otherwise. https://doi.org/10.1515/9783110735598-017

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têi phusei)”. But, in general, he prefers to use the shorthand kata phusin. At VII 11 he writes, “for a reasonable creature the same act is according to nature (kata phusin) and according to reason (kata logon)”. This reflects the Stoic view that what following Nature actually involves is following the right reason (orthos logos) pervading all things, which they identify with universal law (koinos nomos) and Zeus.3 At VII 56 he imagines wiping the slate clean of his life up to the present moment and then proposes that he “use the balance remaining to live henceforward according to Nature”. At X 15 he exhorts himself to live as a true human being (alêthinos anthrôpos), which he then defines as one who lives according to Nature (kata phusin). At XII 1 he lists living according to Nature (kata phusin zên) as one of a handful of things to which one ought to aspire. It seems fairly clear, then, that the idea of living in tune with Nature was central to Marcus’s thinking about how he ought to live his life.4 But what precisely did it involve? What did Marcus think it involved? Before we turn to those questions, it might be useful to consider how this idea was formulated by the early Stoics and what they took it to mean. It is fairly common to see the statement that the goal (telos) of human life for the Stoics was to live in agreement with Nature. In fact, we find the early Stoics offering number of different versions of this telos formula. Our principal sources of evidence for the Stoic telos formula are the Stoic doxography appended to the biography of Zeno of Citium in Diogenes Laertius, and the epitome of Stoic ethics attributed to Arius Didymus and preserved in the anthology of Stobaeus.5 Diogenes Laertius reports that Zeno, in his book On the Nature of Man, was the first person to define the telos as “living in agreement with Nature (to homologoumenôs têi phusei zên)”. Diogenes goes on to report that Cleanthes, Posidonius, and Hecato all defined the telos in this way. Chrysippus, he tells us, glossed this by saying that living virtuously (kat’ aretên zên) is equivalent to “living in agreement with experience of the actual course of Nature” (Diog. Laert. VII 87). Diogenes continues with an explication of what he takes the Stoic telos to mean, which probably derives from Chrysippus, before then noting slightly different formulations by Diogenes of Babylon and Archedemus (ibid. VII 88), and then signalling a potential difference between Chrysippus and Cle-

|| 3 See the account in Diog. Laert. VII 88 (SVF III 4, LS 63C). 4 There are numerous other passages throughout the Meditations that allude to the same idea. See e.g. V 3; 9; VII 74; IX 1. On this topic see also Ackeren (2011), vol. 2, 613–626; Gourinat (2012) 421–422. 5 See Diog. Laert. VII 87–89 (LS 63C) and Stob. II 75.11–76.23 = Ar. Did. 6a–b (part LS 63B). The latter is reprinted with a translation and notes in Pomeroy (1999).

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anthes. According to Diogenes, Chrysippus took “Nature” (phusis) in the formula “living in agreement with Nature” to refer to both universal (koinê) Nature and human nature (idiôs tên anthrôpinên), whereas Cleanthes took it to refer to universal (koinê) Nature only (ibid. VII 89). Although there were some later innovations, Diogenes’ account suggests that Zeno, Cleanthes, Chrysippus, and Posidonius all defended the same telos formula as “living in agreement with Nature” (to homologoumenôs têi phusei zên). When we turn to Arius Didymus, we find a broadly similar account, with some minor but significant differences. He reports that Zeno defined the goal as simply “to live in agreement” (to homologoumenôs zên), which he glosses as living according to a single reason (kath’ hena logon) and in harmony (sumphônon).6 Arius then comments: Those after him, adding further detail, expressed it thus: ‘to live in agreement with Nature’, assuming that Zeno’s statement was insufficient as a predicate. So Cleanthes, the first to take over the sect after him, added ‘with nature’ and interpreted it thus: ‘the goal is living in agreement with Nature’. Chrysippus, wanting to make this clearer, expressed it in this way: ‘to live in accord with experience of what happens naturally’. (Stob. II 76.1–8, SVF I 552, III 12; tr. Pomeroy)

The significant difference with the report in Diogenes Laertius is of course the different telos formulation attributed to Zeno. But Arius agrees with Diogenes in suggesting that the three early heads of the Stoa – Zeno, Cleanthes, and Chrysippus – were in broad philosophical agreement about what the Stoic telos was. Where they differed was in how best to express and explicate it. Here we come to a key question: what was the shared telos that they were all trying to express? Was it “to live in agreement” (to homologoumenôs zên) or was it “to live in agreement with Nature” (to homologoumenôs têi phusei zên)? According to Arius, the addition “with Nature” (têi phusei) was added by Cleanthes, who did so because “Zeno’s statement was insufficient as a predicate” (Stob. II 76.2–3). This might be taken to imply that Zeno’s original formulation, as reported by Arius, was thought to be grammatically incomplete and so required revision. As Pomeroy puts it in his notes on this passage, “the predicate ‘in agreement’ (with what?) was therefore expanded by Zeno’s successors to give a more complete definition”.7 This takes us to the grammatical use of the key word in all the different formulations: homologoumenôs. Can this word be used on its own – i.e. is it complete by itself – or is it necessarily incomplete,

|| 6 See Stob. II 75.11–12 (SVF I 179, LS 63B). 7 Pomeroy (1999) 113 n. 75.

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demanding a noun to complete its sense? Pomeroy thinks it is incomplete. In this he is following the statement by Arius, who may himself have been following Cleanthes (it is unclear whether Arius is attributing the expansion of the formula to Cleanthes’ judgement that Zeno’s formulation was incomplete, or whether that is Arius’s (or some intermediate source’s) attempt to explain the reason for the expansion). Grammatical rules are of course simply attempts to codify existing use, so the question effectively becomes whether other authors before or around the time of Zeno used the word homologoumenôs on its own without further specification. Some, including Xenophon and Plato, certainly did.8 The word was used both with the dative and on its own (see LSJ 1226, s.v.). Perhaps the best way to take Arius’s comment that homologoumenôs was “insufficient as a predicate (katêgorêma)”, then, may simply be that Cleanthes thought it was insufficient to convey fully the idea that Zeno had in mind.9 All this bears on how best to understand the Stoic telos and also how to translate it. If Zeno did indeed use homologoumenôs on its own, then we ought to translate it in a way that can work both with and without anything further. In that case, translating the fuller version as “to live according to Nature” won’t do. The slightly more neutral “in agreement with Nature” is also far from ideal. Better would be “to live consistently with Nature”, because the first part, “to live consistently” can work equally well with or without the addition “with Nature”. However, one can also immediately see why it might have been judged too concise and might benefit from further expansion, hence the additions and expansions by Cleanthes and Chrysippus: “to live consistently with Nature”, “to live consistently with universal and human nature”, “to live consistently with the experience of what happens naturally”. These are all glosses on a single idea, rather than innovations in doctrine. The core idea, expressed by Zeno, is to live consistently.10 This account of the Stoic telos involves a number of assumptions. It prioritizes Arius’s version of Zeno’s formulation over Diogenes’. At the same time, it rejects Arius’s claim that the reason for Cleanthes’ expansion of Zeno’s formulation was due to its incompleteness, because it rejects the claim that homologoumenôs is incomplete. While I have tried to justify the second of these, it is || 8 See e.g. Xenophon, Oec. I 11 and, using homologoumenôs in a different sense, Plato, Symp. 186b. 9 It is worth noting that the word katêgorêma was a technical term in Stoicism; see e.g. Diog. Laert. VII 64, with discussion in Gaskin (1997). 10 For further discussion, which also opts for “consistency”, see Rist (1977). The claim that later Stoics were ultimately engaged in glossing and expanding the foundational ideas of Zeno is explored in Sedley (1989).

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difficult to justify the first, especially when Diogenes names one of Zeno’s books where he (or more likely his source) claims to have found the fuller formulation. Yet Arius’s report is clearly no mere slip, given that he explicitly comments on the formulation straight afterwards. A little later in his account he adds that “they”, the Stoics, say that “agreement is the goal (tên homologian legousi telos einai)” (Stob. II 76.18–19), again stressing doctrinal unity despite the various expansions and glosses on the first version. No doubt much could be said about the potential unreliability of both of these doxographical accounts.11 In its defence, however, this interpretation makes sense of the Stoic position, and it makes sense of the various reformulations, understood as clarifications rather than modifications of Zeno’s original statement. While the Stoic telos formula makes reference to Nature in its expanded forms, the core of the idea is to live consistently. When we read that the telos is “to live consistently with Nature”, perhaps the stress ought to be on “consistently” rather than “Nature”. What we have, then, are a number of different formulations all taken to express a single fundamental idea. Each formulation expresses a different aspect of the basic idea. These are (i) internal consistency, (ii) consistency with human nature, and (iii) consistency with external, universal Nature, often understood as an acceptance of what happens. We find all three of these aspects throughout the Meditations. With regard to the first, the desire to avoid inner disturbance is a constant theme throughout the work. With the second, as we shall see in due course, Marcus places considerable emphasis on living in harmony with human nature. For Marcus humans are rational, social animals, and a good life is one in harmony with these characteristics. Reflecting on social virtues, Marcus writes at VII 74 that “to benefit another is to act according to Nature (kata phusin)”. As for the third, reflections on accepting what comes to pass according to Nature are also ubiquitous.

2 The Virtues As well as engaging with the Stoic telos of living consistently with Nature, Marcus also takes up the Stoic account of the virtues. Central to the Stoic account is the claim that virtue or excellence (aretê) is the only good, its opposite, vice, is the only thing inherently bad, and everything else falls into the category of “indifferents” (adiaphora), some of which we naturally pursue and others we pre-

|| 11 On some problems with the text of Arius, see Brennan (2014) .

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fer to avoid.12 Virtue, according to the Stoics, is a consistent disposition, something choice-worthy for its own sake, and something that makes the whole of one’s life consistent (Diog. Laert. VII 89). In general, virtue – or perhaps better “excellence” – is the perfection of something, and as such there can be a whole host of virtues, some intellectual and some non-intellectual. Thus health and strength can be “virtues” of the body. As on many topics, the early Stoics offered different taxonomies of the virtues, with some referring to distinct logical, physical, and ethical virtues (ibid. VII 92). But the standard Stoic view emphasized four primary virtues of wisdom (phronêsis), courage (andreia), moderation (sôphrosunê), and justice (dikaiosunê), with other virtues subordinate to these four.13 These were classified as good because, the Stoics claimed, they are consistently beneficial. There are a number of passages where Marcus refers to the four principal virtues highlighted in the early Stoa. For example, at III 6 he writes “[i]f you can discover in human life anything better than justice (dikaiosunê), truth (alêtheia), moderation (sôphrosunê), and courage (andreia)” (tr. Hard, slightly altered). At VII 63 he lists truth (alêtheia), justice (dikaiosunê), moderation (sôphrosunê), benevolence (eumeneia). At VIII 1 he says, “nothing is good for a human (anthrôpos) except what makes him just (dikaion) and moderate (sôphrona), courageous (andreion) and free (eleutherion)” (tr. Hard, altered).14 In another passage he lists four principal Stoic virtues, stressing that these are the only real goods: You could apprehend the character of what the majority of men fancy to be ‘goods’ like this. If a man were to conceive the existence of real goods, like wisdom (phronêsis), moderation (sôphronsunê), justice (dikaiosunê), courage (andreia), he could not with those in his mind still listen to the popular proverb about ‘goods in every corner’, for it will not fit. (V 12)

|| 12 See the doxographical account in Diog. Laert. VII 102–105 and the discussion in Cicero, Fin. III 16–24. For further discussion see Inwood (1985); Schofield (2003); Jedan (2009); Sellars (2018) 103–108. 13 For definitions of the four principal virtues, see Stob. II 59.4–11 (SVF III 262, LS 61H). I translate sôphrosunê as “moderation”. It is also often translated as “temperance” or “self-control”. In the context of early Stoic ethics, Long and Sedley (1987), 490, translate it as “moderation”; Pomeroy (1999), 157, translates it as “self-restraint”. In Tusc. III 16, Cicero translates it as temperantia (hence “temperance” in English), but also suggests moderatio, modestia, and frugalitas, signalling that in some respects he prefers the last of these options. 14 As well as III 6, VII 63, VIII 1, and V 12 and XII 15 quoted below, note also II 5, IV 18, IX 1, XI 1, and XII 27.

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As we can see, although in V 12 Marcus lists the four principal Stoic virtues, elsewhere his list sometimes includes variations. To give one further example: Does the light of the lamp shine and not lose its radiance until it be put out, and shall truth (alêtheia) and justice (dikaiosunê) and moderation (sôphrosunê) be put out in you before the end? (XII 15)

Here and in a number of the passages noted earlier Marcus prefers to list “truth” (alêtheia) in place of “wisdom” (phronêsis), although that can hardly be taken to be a significant deviation from the early Stoic view. It has been suggested that this substitution might reflect the influence of Plato, and that is certainly possible.15 But ultimately this is mere terminological variation. Although early Stoics such as Chrysippus embraced a variety of virtues, others such as Aristo stressed the unity of virtue.16 All the virtues were, for the Stoics ultimately different names expressing different aspects of the same thing, namely a soul in an excellent state. Thus the virtues are inseparable, “for whoever has one has all, and whoever acts in accordance with one acts in accordance with all. They differ from one another by their own perspectives” (Stob. II 63.8–11, SVF II 280, LS 61D; tr. Pomeroy, altered). It has been suggested that when Marcus lists truth (alêtheia) and justice (dikaiosunê) and moderation (sôphrosunê), together, as we have just seen him do in XII 15, this is not a minor deviation from the standard list of Stoic virtues but instead a conscious development of his own list of virtues, inspired by Epictetus’s list of three topoi, or areas of study.17 In the Discourses Epictetus had proposed that there are three areas (topoi) in which people ought to be trained: The first has to do with desires and aversions, that he may never fail to get what he desires, nor fall into what he avoids; the second with cases of choice and of refusal, and, in

|| 15 Hadot (1998), 234, notes that this substitution in the traditional list of virtues has precedence in Plato’s Republic, 487a. One might add that at VII 35 Marcus quotes a passage from the Republic just a few lines earlier, 486a, which adds weight to the thought that Marcus may well have picked this up from Plato. 16 For Aristo see Plutarch, De Virt. Mor. 440f (SVF I 375, LS 61B). Although Aristo is often presented as heterodox, Plutarch notes that his position did not differ much from Zeno’s. See the same passage (441a, SVF III 255) for Chrysippus as well. For further discussion see Schofield (1984). 17 See Hadot (1998) 232–236, with comment in Gourinat (2012) 429, who endorses Hadot’s interpretation. This is but one expression of his wider claim that “the Meditations as a whole are thus organized in accordance with a threefold structure […] developed, and perhaps invented, by Epictetus” (Hadot (1998) 232).

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general, with duty, that he may act in an orderly fashion, upon good reasons, and not carelessly; the third with the avoidance of error and rashness in judgement, and, in general, about cases of assent. (Diss. III 2,1–2; tr. Oldfather)

Hadot argued that these three areas of study can help to explain Marcus’s references to truth, justice, and moderation, and in support of this claim he focuses on one extended passage, IX 1.18 There Marcus warns against acts of injustice, of lying, and the pursuit of pleasure. In each case Marcus describes these as impious acts against universal Nature. Hadot takes these as expressions of Epictetus’s three areas: desire, duty, and judgement. Thus he argues that injustice correlates with duty, lying with judgement, and the pursuit of pleasure with desire. The three things that Marcus reminds himself to avoid are the three areas in which Epictetus thinks one ought to be trained, in order to cultivate the three virtues that Marcus mentions elsewhere, justice (dikaiosunê), truth (alêtheia), and moderation (sôphrosunê). While those connections can certainly be made, and while Epictetus was no doubt an important influence on Marcus, this account seems to look for a degree of systematicity in the Meditations that may not be there. Although it is true that on occasion Marcus lists together the three virtues of justice, truth, and moderation, as we have already seen elsewhere, he produces a number of other lists too. At III 6 he lists those three along with a fourth, courage (andreia). At VII 63 he swaps courage for benevolence (eumeneia). At VIII 1 he swaps truth for freedom (eleutheria), and, at V 12, he lists the four principal Stoic virtues without any alteration. While Hadot may be correct to discern an echo of Epictetus’s three topoi in IX 1, the further claim that “Marcus makes the virtues correspond to each of the disciplines” does not seem warranted by the texts.19 Indeed, in all the passages just noted we get lists of four virtues, not three. All this seems to count against the claim that Marcus was engaged in a conscious development of a new system of Stoic virtues.20

|| 18 See Hadot (1998) 234–236. 19 Hadot (1998) 232. 20 The passage in Epictetus as it continues relates the three topoi to managing emotions, duties, and attaining certainty. It states (Diss. III 1,5) that the third is only for those already making progress. This suggests that the three topoi might be taken as three stages in a philosophical education: first learn to manage emotions, then understand ethical duties, and finally gain certainty in judgements. Epictetus goes on to criticize philosophers who skip the first and second and go straight to the third (Diss. III 1,6), again suggesting that they ought to be understood as a progressive series of stages in an education.

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3 The Pre-eminence of Justice Putting that issue to one side, the one feature that stands out in Marcus’s many references to the virtues is the pre-eminence of justice, which is mentioned far more often than any of the others.21 This is not merely an unconscious preference to talk about this particular virtue, motivated perhaps by practical issues arising from his role as emperor. At XI 10, he is quite explicit about its preeminence, suggesting that justice is foundational for all the other virtues: “it is from justice that all the other virtues spring”. It is unclear whether he means that justice is the origin of all other virtues, in the sense of being their source, or their origin in the sense that the other virtues exist for the sake of justice. Either way, Marcus is clear that justice is the most important of the virtues. Why does Marcus give this pre-eminence to justice? One suggestion has been that this betrays the influence of Plato, who in the Republic accorded a special status to justice as the virtue that co-ordinates the relationship between the three other virtues that correspond to the three parts of the soul and city.22 Justice, for Plato, involves each part of a thing fulfilling its function (“doing its own business”) and not encroaching into a territory not its own (R. 433b). This leads Plato to state, like Marcus, that justice is the foundation of the other virtues (ibid.). However, there is no evidence to suggest that Marcus adopted that Platonic model of justice, and the reason why Marcus prioritizes justice is fairly plain throughout the Meditations. Fundamentally, it is because it is the virtue that connects most closely with our nature as rational and social beings, and so brings us into accord with Nature as a whole. Throughout the Meditations he insists that this is our defining characteristic: see for example IV 24 (“a creature that is sociable by nature”), VII 55 (“rational beings exist for the sake of one another”), IX 1 (“universal Nature has created rational creatures for the sake of one another”), and IX 42 (“a human being is formed by nature to benefit others”; tr. Hard). Indeed, Marcus presents our social and political instinct as the highest point of development in a human being, and he makes this point within an explicitly Stoic account of the scale of nature.23

|| 21 For examples of Marcus mentioning justice (dikaiosunê) see e.g. III 5; 16; VIII 7; 23; IX 23; X 6; 11; XI 10; 21; XII 3; 24. 22 See Hadot (1998) 233, with Plato, R. 427d–441e. Hadot suggests that the three other virtues straightforwardly correspond to the three parts of the soul and city, although Plato (e.g. 432a) gives a more complex account of moderation (sôphrosunê). 23 See VI 14, with brief discussion in Sellars (2021) 87.

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This is closely connected to his arguments regarding the benefits of acting justly. These benefits come automatically from being part of a larger organic whole, which might be taken as a reference to either the community of all humankind or to Nature as a whole. He writes: No one wearies of receiving benefits, and to benefit another is to act according to Nature. Do not weary then of the benefits you receive by the doing of them. (VII 74)

At first glance the claim that acting to benefit others is in accordance with Nature might not seem immediately obvious. Here we should perhaps take this reference to the telos formula to imply human nature and, in particular, our nature as social animals. To act for the benefit of others is to act in accordance with our social nature. By acting in this way we shall also benefit personally, by avoiding internal dissonance with our own nature. As he puts it: Withdraw into yourself: the governing self (hêgemonikon) is by its nature content with its own just actions and the tranquillity it thus secures. (VII 28)

The mind gains tranquillity or calm (galênê), Marcus writes, by acting justly, precisely because just actions are in accord with our nature as social beings. The anti-social person will never enjoy the contentment and smooth flow of life towards which the Stoics strived because of their fundamental internal disharmony with their own human nature. By contrast, as he puts it elsewhere, “a human being finds his delight in doing what is proper to a human being; and what is proper to him is to show goodwill to his own kind” (VIII 26; tr. Hard). Thus, the agent directly benefits from acting justly in two ways: (i) by being part of the whole, they benefit whenever the whole benefits; (ii) by acting consistently with their own human nature, they avoid internal conflict and take pleasure in fulfilling their proper function. In this way the just agent is living in accord with Nature in all three of the ways outlined earlier. They achieve (i) internal consistency and tranquillity, (ii) consistency with human nature, and (iii) consistency with the larger whole of which they are a part. Marcus’s focus on the virtue of justice, then, enables him to draw out the connections between the Stoic account of the virtues and the Stoic telos of living consistently with Nature in his own distinctive way. Yet the orthodoxy of his position should never be in doubt, as is clear if we compare what we have seen him say with the following statement from Arius’s summary of Stoic ethics:

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As man is a rational mortal animal, political by nature, they [the Stoics] also say that every virtue which is associated with man and the happy life is consistent with and in agreement with Nature. (Stob. II 75.7–10; tr. Pomeroy, altered)

4 Spontaneous Ethical Action In all this there is one passage that stands out among Marcus’s various reflections on ethical action. It is worth quoting at length: It is the way of one person, when he has done someone a good turn, to count as a matter of course on being repaid in kind. Another is not as quick to do so, but all the same, in his own mind, he regards the beneficiary as being in his debt, and he is conscious of what he has done. A third is, in a sense, not even conscious (oude oiden) of what he has done; he is rather like a vine which has produced its grapes, and seeks for no further reward once it has borne its proper fruit, as with a horse when it has run its race, or a dog when it has followed its trail, or a bee when it has made its honey. And so such a person, when he has done a good deed, does not shout about it, but passes straight on to the next one, as the vine yields new clusters of grapes when the season comes around. (V 6; tr. Hard)

Marcus distinguishes between three different types of people: (i) the person who expects a favour in return whenever they act well towards someone; (ii) the person who does not explicitly expect a favour but still thinks that the beneficiary of their action is in some sense in their debt; and (iii) the person who benefits others with absolutely no thought at all of receiving anything in return. The third type of person is, of course, the most admirable and the one to be emulated. Thus Marcus champions almost unconscious ethical action over ethical acts where the agent is fully aware of what they have done and, even if only implicitly, expect some kind of reward or praise for their action. The analogies he draws with vegetative processes and animal behaviour underline that he thinks this kind of spontaneous ethical action is entirely natural. We might call this “almost unconscious” because Marcus carefully qualifies his claim by writing “in a sense” and “in a way” (tropon tina). He does not want to be taken too literally here; it is the broader point that matters. Indeed, the passage continues with an exchange with an imaginary interlocutor who objects that surely a social being will be aware that their actions are appropriate to their nature. Marcus accepts this but objects that it takes his main point too literally. Moreover, once one goes down that path, one easily falls back into one of the other two types that

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Marcus wants to reject. As soon as an agent becomes conscious that they are acting appropriately as a social being, the implicit desire for reward or recognition is likely to creep back in. The way to avoid this, Marcus suggests, is to focus on natural spontaneity in ethical action. Indeed, the naturalness of this sort of spontaneous ethical action is stressed elsewhere in the Meditations too: For when you have done good, what more, oh man, do you wish? Is it not enough that what you did was in agreement with your nature and do you seek a recompense for this? As if the eye asked a return for seeing or the feet for walking; for just as these were made for this which they effect according to their proper constitution, and so get what is theirs, even thus man is made by Nature to be benevolent, and whenever he contributes to the common stock by benevolence or otherwise, he has done what he was constituted for, and gets what is his own. (IX 42) When you have done good and another has been its object, why do you require a third thing besides, like the foolish – to be thought to have done good or to get a return? (VII 73)

At first glance this might appear to be at odds with standard Stoic thinking about ethical action, which is often said to stress the role of intentions. It is the intention standing behind an act that matters most, and it is tempting to assume that this is a conscious intention. Moreover, if intentions are the sorts of things that belong only to rational animals, then it looks as if Marcus’s appeal to the vine that unconsciously produces grapes is somewhat out of step. Seneca, for instance, stresses the importance of (conscious) intentions in ethical action: So what is a benefit? It is a well-intentioned action that confers joy and in so doing derives joy, inclined towards and willingly prepared for doing what it does. And so it matters not what is done or what is given, but with what attitude, since the benefit consists not in what is done or given but rather the intention of the giver or agent. (Ben. I 6,1; tr. Griffin / Inwood)

For Seneca, then, such acts are willingly prepared with a deliberate attitude and intention, nothing like the unconscious act of the vine producing grapes. But here Seneca is addressing someone at an early stage in the process of learning how to develop the appropriate attitude, someone who will need to deliberate carefully. Marcus, by contrast, is describing someone at a far more advanced stage of ethical development who has attained a virtuous character from which virtuous actions flow automatically, without need for further deliberation. (There might, of course, be deliberation about means – about how to do what one is doing – but not about ends – not about what to do.) The genuinely virtu-

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ous person does not need to stop and think before, say, offering assistance to someone in need; they just do it. Although the process of training required to develop the virtues might require quite a lot of thought, the goal is to reach a point where virtuous actions themselves are, in a sense, thoughtless. They are simply a natural expression of a person’s virtuous character. Indeed, elsewhere Seneca comes closer to Marcus’s view, praising the person who forgets what they have given to others, even while they are giving it (Ben. II 6,2). The best person (optimus), he comments, never seeks anything in return for what he gives to others, forgetting what he has given (Ben. II 17,7). The good man (vir bonus) does not act well, he adds, because he has deliberated about how best to act, but rather cannot help but act in the way that he does (Ben. VI 21,2), just as the vine cannot help but produce grapes. On this, then, Marcus is in line with his Roman Stoic predecessor.

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Dagmar Kiesel

„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ Alltäglicher Wahnsinn in Senecas Tragödie Phaedra

1 Pathologischer und alltäglicher Wahnsinn in der Stoa Nach dem Zeugnis bei Alexander von Aphrodisias (Fat. 199.18–20 = LS 61N3) sind in den Augen der Stoiker „alle, die nicht weise [sind], gleichermaßen wahnsinnig […].“1 Diese – mit der These eines unvermittelten, d.h. nicht graduellen Übergangs vom Laster zur Tugend verbundene – Zuschreibung des Irreseins aller Nichtweisen gründet in dem herausragenden epistemischen Status des Weisen: Anders als der gewöhnliche Mensch bildet der Weise keine Meinungen aus, sondern stimmt nur kataleptischen Vorstellungen zu, und ist beständig und sicher in seinen Urteilen sowie im Gebrauch seiner Eindrücke. Seine Weisheit besteht in theoretischer und praktischer Vernunft sowie im „Wissen um Göttliches und Menschliches“ (Aёt. I Prooem. 2 = LS 26A), und die von ihm verwirklichten Tugenden verstehen sich als „Wissenschaften und Künste (epistêmai kai technai)“ (Stob. II 63.6–7 [SVF III 280.1–2] = LS 61D1). Insofern Affekte falsche Meinungen (doxai) bzw. falsche axiologische Urteile (kriseis) sind, die den für das menschliche Glück gleichgültigen Dingen (adiaphora) zusprechen, Güter oder Übel zu sein, entspringt auch die Affektfreiheit des Weisen bzw. die ausschließliche Hinwendung zu guten Gefühlen (eupatheiai) seinem vollendeten Wissen: Gut, so urteilt der Weise, ist allein die Tugend, übel ist allein das Laster. Dagegen gelten die epistemische Unsicherheit und Instabilität des Nichtweisen als Ursache seines Wahnsinns: Er ist verblendet und hinsichtlich seines Welt- und Selbstverständnisses ebenso im Irrtum wie über die Identifizierung des Guten und Schlechten. Ebendeshalb wird er zum Spielball unkontrollierter Leidenschaften, die seinen Geist verwirren – Cicero übersetzt das griechische pathê entsprechend || 1 Vgl. Diog. Laert. VII 124 und Cic. Tusc. III 49–V 11. Das Titelzitat stammt aus Seneca De Ira II [Dial. IV] 35,5. In diesem Beitrag werden, sofern nicht anders vermerkt, für Zitate die folgenden Übersetzungen verwendet (für detaillierte Angaben s. Bibliographie): für Texte mit der Angabe „LS“: Long / Sedley; für Aristoteles Nikomachische Ethik: Wolf; für Euripides Hippolytos: Donner u.a.; für Seneca De Ira: Wildberger; Epistulae: Gunermann u.a.; Hercules Furens und Phaedra: Thomann. https://doi.org/10.1515/9783110735598-018

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mit perturbationes animi2 – und ihm den Habitus eines Irrsinnigen verleihen. Auch die rasende Exzessivität der sich als Handlungsimpulse (hormai) manifestierenden Affekte, die sich darin kundtut, „dass sie auf sie [scil. die adiaphora] mehr losstürmen, als es der Natur entspricht“ (Gal. De Plac. Hipp. et Plat. IV 5,21 = LS 65L1), und dass diese ohne Vorbehalt angestrebt bzw. vermieden werden,3 signalisiert ihren manischen Charakter. Dennoch kennt die stoische Tradition die Differenz zwischen einem pathologischen Wahnsinn und dem oben beschriebenen alltäglichen Irresein. Seneca schreibt in diesem Sinne: Zwischen dem allgemein verbreiteten Wahnsinn (insaniam publicam) und dem, den man der ärztlichen Therapie anvertraut, liegt nur der eine Unterschied, dass der letztere auf einer Krankheit (morbo), der erstere auf falschen Vorstellungen (opinionibus falsis) beruht; die Anfälle des einen haben ihre Ursache im [organischen] Leiden, der andere ist ein gestörter Geisteszustand (animi mala valetudo). […] Die Melancholie (bilis nigra) muss man kurieren und so die Ursachen des Irreseins (causa furoris) beseitigen. Dasselbe hat bei diesem anderen, geistesbedingten Irrsinn (animo furore) zu geschehen: er selbst muss ausgemerzt werden.4 (Ep. 94,17)

Während die Melancholie somatisch bedingt ist und der medizinischen Heilkunst anvertraut wird, ist der alltägliche Wahnsinn des Nichtweisen die Folge falscher Überzeugungen und Werturteile, deren Korrektur die genuine Aufgabe der Philosophie darstellt.5 Mit dieser Differenzierung verbunden ist die Frage der Zurechenbarkeit des Wahns: Im Unterschied zum pathologischen Irresein, das wie andere organisch bedingte Erkrankungen nicht – oder nur bedingt – in der Verantwortung des Leidenden liegt, ist das nicht hinterfragte Innehaben falscher Überzeugungen zurechenbar: Der Mensch ist nach stoischer Auffassung aufgefordert, seine Natur als

|| 2 Vgl. Tusc. III 4,7. 3 Praktische Urteile (‚Der Tod ist ein Übel‘) implizieren Handlungsimpulse (‚Ich vermeide gefährliche Situationen‘). 4 Die Epistula diskutiert die Bedeutung konkreter Vorschriften für spezifische Lebenssituationen (praecepta), die die generellen Grunddogmen der Philosophie (decreta) ergänzen sollen. Das Zitat findet sich im Kontext der Darstellung der Position Aristons, der die Auffassung vertritt, dass die decreta zur sittlichen Lebensführung hinreichend seien und keinerlei praecepta mehr bedürfen. Seneca kritisiert die Auffassung Aristons, jedoch ist davon auszugehen, dass er die Unterscheidung der beiden Formen des Wahnsinns teilt. 5 Diese Differenzierung der Formen mentaler Störung sowie die Kompetenzverteilung zwischen Medizin und Philosophie gilt nicht nur für die Stoiker, sondern war in der Antike weitgehend Konsens, vgl. Ahonen (2014) 1–5.

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Vernunftwesen zu vervollkommnen und sich bei der Feststellung dysfunktionaler, das menschliche Glück verfehlender Überzeugungen um deren Ausmerzung und Substitution durch wahre Überzeugungen zu bemühen. In seinen Tragödien illustriert Seneca beide Formen des Wahnsinns und deren handlungstheoretische Grundlagen. Wie ich an anderer Stelle gezeigt zu haben hoffe,6 präsentiert Seneca die Titelfigur seines Hercules Furens als Opfer wahnhafter Halluzinationen, die ihm in böswilliger Absicht von der Göttin Juno geschickt wurden und unter deren Einfluss er unwissentlich Frau und Kinder tötet. Weil der mit Zorn verbundene Wahnsinn des Herkules eine geistesexterne Ursache hat, ist er vergleichbar mit der Melancholie als somatisch bedingte und folglich nicht zurechenbare Form des Wahnsinns. Im Unterschied zu Juno, die ihren Zorn auf Herkules (als Frucht einer der zahllosen Liebeseskapaden ihres Gatten Jupiter) gezielt herbeiruft und aufstachelt,7 nimmt Herkules seinen erwachenden wahnhaften Zorn zunächst aus der Außenperspektive und mit Erstaunen und Verwirrung zur Kenntnis.8 Seine Ohnmacht ebenso wie seine Passivität bei der Genese des Zorns zeigt sich auch an dessen unvermitteltem und gänzlich unmotiviertem Hervorbrechen nach dem Gebet des Helden um universellen Frieden.9 Herkules’ fehlende Verantwortlichkeit für seine Tat wird darüber hinaus an den beiden aristotelischen Kriterien für nicht zurechenbare Handlungen gegen das eigene Wollen (akôn) deutlich: Unwissenheit in Bezug auf die Handlungsumstände zum Zeitpunkt der Tat10 und das Empfinden von „Unlust und Bedauern (metameleia)“ (EN III 2, 1110b18–19) im Nachhinein. Tatsächlich war Herkules in vielfacher Hinsicht über die Handlungsumstände seiner Tat im Unwissen: So wusste er beispielsweise weder, was er tat (nämlich: seine Familie töten), noch zu welchem Zweck (er war fälschlicherweise der Meinung, zum Schutz Thebens die Söhne des Lycus zu töten). Die Deutung seines Stiefvaters Amphitryon referenziert auf genau diese aristotelischen Überlegungen, wenn er den lebensmüden Stiefsohn erinnert: „Wer hat je einen Irrtum Verbrechen genannt (Quis nomen usquam sceleris errori addidit)?“ (Her. F. 1237) Auch das von Aristoteles genannte zweite Kriterium, das entschiedene Reue einfordert, erfüllt Herkules zur Gänze: Nachdem er seine geistige Klarheit zurückgewonnen hat und ihm || 6 Vgl. Kiesel (2020) 197–210. 7 Vgl. Her. F. 27–28; 75; 109. 8 Vgl. Her. F. 944–946; 982–984. 9 Vgl. Her. F. 939–940. 10 Vgl. EN III 2, 1111a3–6: „[W]er (tis) handelt, was (ti) er tut, in Bezug auf was (peri ti) und in welchem Bereich (en tini) er handelt, manchmal auch womit (tini) er handelt (zum Beispiel: mit welchem Werkzeug), zu welchem Zweck (heneka tinos) (zum Beispiel um der Rettung willen) und wie (pôs) er es tut (zum Beispiel: ob sanft oder heftig)“ (Übers. Wolf).

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seine Wahnsinnstat in ihrer vollen Grausamkeit vor Augen tritt, scheinen ihm die Vernichtung der todbringenden Waffen sowie der Suizid der einzige Ausweg zu sein. Nur das Einschreiten des Amphitryon, der mit Vehemenz auf der Schuld der Juno als Bringerin des halluzinatorischen Wahns und der Unschuld des Herkules beharrt,11 ermutigt ihn zum Weiterleben. Dabei entsprechen die Argumente des Ziehvaters nicht nur den genannten aristotelischen Kriterien für Handlungen gegen das eigene Wollen (und der Auffassung Senecas), sondern ebenso der modernen Psychiatrie: Auch im heutigen Sinne würde der Wahnsinn des Herkules als pathologisch klassifiziert werden, nämlich als akute vorübergehende psychotische Störung (F23), die im Diagnosemanual ICD–10 definiert wird als „[e]ine heterogene Gruppe von Störungen, die durch den akuten Beginn der psychotischen Symptome, wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen und andere Wahrnehmungsstörungen, und durch eine schwere Störung des normalen Verhaltens charakterisiert sind.“12 Für die vorliegende Fragestellung relevant ist ferner der Fakt, dass psychotische Täter gemäß § 20 StGB als schuldunfähig gelten.13 Ganz anders verhält es sich mit der titelgebenden Protagonistin von Senecas Drama Phaedra:14 Wie ich zeigen möchte, zeichnet der Stoiker Phaedra als exemplarische Gestalt des alltäglichen Wahnsinns, den sie durch bewusste und willentliche Hinwendung zu falschen Wertüberzeugungen selbst verantwortet hat und der die typischen Symptome einer kognitiven und axiologischen Instabilität sowie einer dadurch bedingten Wechselhaftigkeit im Habitus und im Handeln mit sich bringt. Dabei sind die Folgen des alltäglichen Wahnsinns unter Umständen nicht minder gravierend als die des pathologischen Irreseins: Wie Herkules in geistiger Umnachtung die Gattin und die beiden Söhne tötet, so führen das fehlgeleitete Denken, Wollen und Agieren Phaedras zum grausamen Tod des Hippolytus und ihrem eigenen Suizid. Dies ist aus der stoischen Perspektive Senecas umso bedenklicher, als Phaedra im Unterschied zum fremdbestimmten Herkules durch ein entschiedenes Bekenntnis zu wahren Wertüberzeugungen den tragischen Ausgang hätte verhindern können.

|| 11 Vgl. Her. F. 1200–1201. 12 Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (2021) F23. Alle drei Punkte treffen auf den senecanischen Herkules zu: Der Beginn seines Wahns ist unvermittelt, er halluziniert und leidet unter akutem Realitätsverlust, und schließlich ist die Tötung der eigenen Familie klarerweise eine schwere Störung des normalen Verhaltens. 13 Bundesamt für Justiz (2021) StGB §20. 14 Auch andere Tragödienfiguren Senecas (z.B. Medea) sind Protagonisten des alltäglichen Irreseins. Weil ich mich dazu bereits geäußert habe (vgl. Kiesel (2019) u. (2020) 202–203; 205), soll hier Phaedra im Blickpunkt stehen.

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In der Forschung wurde mehrfach der Versuch unternommen, die verlorengegangene erste euripideische Fassung des Stoffes, den Hippolytos Kalyptomenos, anhand der Tragödie Senecas zu rekonstruieren. Weil die unter dem Titel Hippolytos Stephanêphoros erhaltene zweite Fassung des griechischen Tragikers in Intention und Struktur der Bearbeitung Senecas erkennbar zuwiderläuft, gab es Versuche, die erste euripideische Fassung anhand der senecanischen Tragödie zu rekonstruieren.15 Christopher Gill hat auf die Gefahren dieser Bemühungen hingewiesen, sofern diese darauf abzielen, die Psychologie des sexuellen Begehrens in Senecas Phaedra auf den ersten Hippolytos zurück zu projizieren: In das römische Drama sind die stoische Affektenlehre und Handlungstheorie eingewoben, die von Euripides nicht geteilt werden.16 Auf Basis dieser Einsicht werde ich einen anderen Weg einschlagen und anstelle der vermuteten Parallelen zwischen dem verlorenen Hippolytos Kalyptomenos und Senecas Tragödie gerade die Differenzen zwischen dem erhaltenen Hippolytos Stephanêphoros und der Phaedra aufzeigen. Dies ist insbesondere deshalb erhellend, weil Euripides hier eine von Aphrodite arglistig mit unauslöschlichem erotischem Verlangen geimpfte (und in diesem Sinne aus stoischer Perspektive wie der Titelheld des Hercules Furens von einem pathologischen und nicht selbstverantworteten Wahn betroffene) Phaidra dramatisiert, während Seneca den alltäglichen Wahnsinn der Titelfigur und dessen Zurechenbarkeit herausarbeitet. Analog dazu hat Seneca, wie ich zeigen möchte, auch in den übrigen Charakteren (Amme, Hippolytus, Theseus) deren inkohärentes Überzeugungssystem und die daraus resultierenden tragischen Konsequenzen dargestellt.17 Im Unterschied zu Euripides, der das Motiv des Irreseins und der Raserei nur mit Phaidra verbindet, sind bei Seneca auch die übrigen Charaktere von einem alltäglichen Wahnsinn betroffen.

|| 15 Vgl. die Referenzen bei Dingel (1970) 44. Als Senecas Quellen zur literarischen Verarbeitung des Stoffes kommen ferner Sophokles’ Phaidra, Lykophrons Hippolytos sowie Ovids Heroides 4 in Frage, vgl. Wessels (2014) 58 u. Heldmann (1968) 88. 16 Vgl. Gill (2005) 166–172. 17 Die euripideische Fassung dagegen betont auch bei Hippolytos und Theseus den Opferstatus. Aus Gründen gebotener Kürze kann dies nicht ausgeführt werden.

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2 Euripides’ Hippolytos Stephanêphoros und Senecas Phaedra: Die (Un-)Zurechenbarkeit des Wahnsinns 2.1 Handlung Die Tragödie des Euripides beginnt mit einem Prolog der Aphrodite, die ihre Absicht bekundet, den in Geisteshaltung und Handeln keusch lebenden und treu der Artemis huldigenden Hippolytos grausam zugrunde zu richten und so die Missachtung ihrer göttlichen Person zu rächen. Zu diesem Zwecke schlägt sie dessen Stiefmutter Phaidra mit einem verzehrenden Liebesverlangen nach dem schönen Jüngling. Als Theseus wegen Mordes ein Jahr in die Verbannung geschickt wird und gemeinsam mit der Gattin nach Troizen zieht, wo Hippolytos unter der Obhut des dortigen Königs Pittheus aufgewachsen ist und dort nach wie vor lebt, steigert sich die Liebe Phaidras zur Raserei. Nachdem die Amme vom Unglück ihrer Herrin erfahren hat, offenbart sie dem Hippolytos deren Liebe. Phaidra, die sich durch das unerwiderte und außereheliche Liebesbekenntnis entehrt fühlt, begeht Selbstmord. Als Theseus die Tote entdeckt, findet er in ihrer Hand ein Schreibtäfelchen vor, auf dem Phaidra den Stiefsohn der Vergewaltigung beschuldigt, und verweist den vermeintlichen Täter des Landes. Zuvor bittet er seinen göttlichen Vater Poseidon, der ihm die Erfüllung dreier Wünsche schuldet, um die Vernichtung des Hippolytos. Der Meeresgott schickt daraufhin aus den Tiefen seines Reichs ein Ungeheuer, das Hippolytos’ Pferde in Panik versetzt, und er verunfallt. Schwerverletzt wird er zu seinem – mittlerweile über den Irrtum aufgeklärten – Vater gebracht, dem er sterbend verzeiht. Seneca konzipiert den Gang der Handlung anders: Er verzichtet auf den Prolog der Liebesgöttin, die dem Rezipienten der euripideischen Tragödie schon zu Beginn und aus dem Munde der Aphrodite selbst die Deutung nahelegt, dass Phaidra in erster Linie nicht Täterin, sondern Opfer ist;18 überhaupt tritt Venus im senecanischen Drama nicht in persona auf. Als der umtriebige Theseus wieder einmal unterwegs ist – er bereist die Unterwelt –, verliebt sich Phaedra unglücklich in ihren misogynen und aus Überzeugung jungfräulichen Stiefsohn Hippolytus. Nach einigem Ringen mit sich selbst und der Amme sowie dem erfolglosen Versuch letzterer, Hippolytus die Freuden des Geschlechtlichen als natürliche || 18 Bezeichnend ist, dass Seneca den Hercules Furens, wo er den pathologischen Wahnsinn dramatisiert, mit einem Prolog der Juno beginnen lässt, in dem sie ihre Rache an Herkules ankündigt.

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Pflicht der Arterhaltung anzudienen, bekennt Phaedra ihm ihre Liebe. Der emotional überforderte Hippolytus fühlt sich durch den Angriff auf seine Keuschheit bedroht und zückt das Schwert, lässt es aber unverrichteter Dinge fallen, nachdem Phaedra den Tod durch des Hippolytus Schwert als Heilung ihrer Raserei und Erfüllung ihrer Liebe begrüßt hat. Um Phaedra vor der Aufdeckung ihrer Schuld durch Hippolytus zu retten, bezichtigt ihn die Amme öffentlich der versuchten Vergewaltigung, woraufhin der Beschuldigte flieht. Wenig später kehrt Theseus nach Athen zurück. Seine treulose Gattin berichtet missverständlich von einer Bedrohung ihres Leibes und zeigt das Schwert des Hippolytus vor. Theseus zieht daraus den Schluss, dass sein Sohn ein Heuchler und Frauenschänder ist, und verflucht ihn unter Anrufung seines Vaters Neptun. Hippolytus findet einen grausamen Tod, als aus den Meereswogen ein monströser Stier entsteigt. Die erschrockenen Pferde scheuen, Hippolytus wird aus dem Gespann geschleudert und sein Leib mehrfach gebrochen und zerstückelt. Als der Bote die Todesnachricht bringt, bekennt Phaedra ihre Schuld und begeht Selbstmord mit dem Schwert des Geliebten.

2.2 Phaidra / Phaedra Einigkeit herrscht in beiden Fassungen des Tragödienstoffes hinsichtlich der Diagnose des Wahnsinns der Phaidra/Phaedra, und zwar sowohl als Selbst- wie auch als Fremdbeschreibung. In beiden Fällen handelt es sich genauer um Liebeswahn. Bei Euripides nimmt der Chor Phaidra wahr als „trunken von Wahnsinn (entheos)“ (Hipp. 141) und geschlagen mit „des Geistes Irrwahn (noson [...] planon phrenôn)“ (Hipp. 283). Artemis spricht von ihrer „Raserei (oistron)“ (Hipp. 1300). Die Amme sorgt sich um ihr „vom Wahnsinn besessenes Wort (manias epochon […] logon)“19 (Hipp. 214) und stellt die Frage, „was für ein Gott dir die Sinne verrückt und in wirrenden Taumel gerissen (hostis se theôn anaseirazei kai parakoptei phrenas)“ habe (Hipp. 237–238). Auch Phaidra selbst erkennt: „Ich raste (emanên)“ (Hipp. 241), und beklagt ihr Schicksal: „Wahnsinn ist schlimm (to de mainomenon kakon)“ (Hipp. 248). Bei Seneca ist die Zahl der Referenzen auf das Motiv des Wahnsinns ungleich größer als bei Euripides, wobei der Begriff furor und seine Derivate dominieren: Merzlak zählt insgesamt 24 Fundstellen.20 Des Weiteren bejammert die Amme den „krankhafte[n] Sinn (mente non sana)“ (Phaedr. 356) der Phaedra und orakelt:

|| 19 Übers. Donner, modifiziert. 20 Vgl. Merzlak (1983) 193.

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„[K]ein Ende wird es geben für die rasenden Liebesflammen (flammis […] insanis)“ (Phaedr. 361). Phaedra selbst seufzt über ihre „wahnsinnige Brust (pectus insanum)“ (Phaedr. 641) und deren „Rasen (saevus)“ (Phaedr. 642). Die Parallelen beider Werke zum Wahnsinn der Kreterin sind jedoch weniger schlagend, als es prima facie scheinen mag: Sowohl die szenische als auch die psychologische Ausgestaltung der beiden Tragödien zeigen, dass die euripideische Phaidra und die senecanische Phaedra von zwei unterschiedlichen Formen des Wahnsinns ergriffen sind. Als Verantwortliche für das Liebesrasen der Protagonistinnen stehen im mannigfaltigen Deutungspotenzial des mythologischen Stoffs drei mögliche Erklärungen im Raum: So könnte die Kränkung der Liebesgöttin im Hintergrund stehen, die sich entweder für ihre Missachtung durch den keuschen Hippolytus an demselben rächt oder – so die zweite Option – für die Aufdeckung ihres Liebesverhältnisses mit dem Kriegsgott durch den Sonnengott dessen Geschlecht Buße üben lässt: Phaedra ist eine Enkelin des Sonnengottes. Als dritter möglicher ätiologischer Faktor kommt die Verantwortung Phaedras selbst für die Ausuferung ihrer Liebe in den Wahnsinn ins Spiel. Im euripideischen Hippolytos wird bereits in dem langen Prolog Aphrodites die Verantwortliche der Tragödie identifiziert: Die Liebesgöttin fühlt sich von Hippolytos und dessen alleiniger Verehrung der Jagdgöttin Artemis missachtet und verfügt mittels Phaidra seinen Untergang: „[W]ie ich’s verhängt, entbrannt ihr Herz in ungestümer Liebesglut.“ (Hipp. 27–28) Bezeichnend für die Integrität und Charakterstärke der euripideischen Phaidra ist ihre grundsätzliche Bereitschaft, Verantwortung für ihr Liebesrasen zu übernehmen. Obwohl sie erkennt, dass sie Opfer einer göttlichen Verwünschung geworden ist („Ich raste, ich fiel durch göttlichen Fluch!“, Hipp. 241), empfindet sie ihr widernatürliches Begehren als Makel: „Rein sind die Hände: Flecken hat die Seele nur“ (Hipp. 317), und vermerkt die doppelte tragische Schuld: „Ein Freund [scil. Hippolytos] verdirbt unschuldig mich Unschuldige.“ (Hipp. 319) Ihren Entschluss zum Suizid, der auf ruhmvolle Weise das Bekenntnis ihrer Liebe zum Stiefsohn unterbinden soll, kommentiert sie selbstkritisch: „Aus böser Quelle schöpf ich erst das Edle mir.“ (Hipp. 331) Auch der Fluch Aphrodites über die Frauen ihres Geschlechts wird bei Euripides als weitere Ursache von Phaidras Liebesrasen benannt. Wenn Phaidra klagt: „Unselige Mutter, welcher Liebe fröntest du!“ (Hipp. 337), so bezieht sie sich auf die Liebe der Pasiphae zu einem prachtvollen Stier. Um ihr Liebesverlangen zu stillen, hatte sich Pasiphae in der von Daidalos erbauten Attrappe eines weiblichen Rindes verborgen und auf diese Weise den Stier zur Vereinigung animiert. Weil der Minotauros als monströse Frucht dieser originellen Paarung die Unsitte hatte, Menschenopfer zu fordern, musste er gefangen und getötet werden – Theseus bot sich für diese Heldentat freundlich an. Die Schwester Phaidras, Ariadne,

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verliebte sich in den Helden und schenkte ihm den berühmten Faden, mithilfe dessen Theseus aus dem Labyrinth, in dem der Minotauros gefangen gehalten wurde, wieder herausfand. Zum Dank dafür ließ er Ariadne liebeskrank auf Naxos zurück, wo sie von Dionysos gerettet wurde. Auch darauf referenziert Phaidra, wenn sie seufzt: „Auch du, o arme Schwester, Dionysos’ Weib!“ (Hipp. 339), und folgert: „Wie elend muss als dritte ich nun untergehen!“ (Hipp. 341) Und obgleich sie erkennt, dass ihr eigener Liebeswahn ebenso dem Hass der Aphrodite geschuldet ist wie der ihrer Mutter und ihrer Schwester („Von dort und nicht von gestern her stammt meine Not“, Hipp. 343), ist sie sich dennoch ihrer Verantwortung bewusst, mit der Erblast des unverschuldeten Liebesrasens in ethisch gebotener Weise umzugehen: „Und nimmer glaub ich, dass aus angeborner Art der Mensch das Schlimmre wähle.“ (Hipp. 377–378) Ebendeshalb scheint ihr der Suizid zur Verhütung der Erfüllung ihres Begehrens der angemessene Weg zu sein. Motiviert wird sie in erster Linie durch ihr schamhaftes Ehrgefühl (aidôs) für sich selbst und ihre Familie: „Nie möchte ich meines Gatten Ehrenschänderin noch meiner Söhn’ erscheinen. Nein, sie sollen frei in hohem Mute blühend, mir die stolze Stadt Athen bewohnen, durch die Mutter nicht beschimpft.“ (Hipp. 420–423) Einzig das Zureden der Amme hält sie davon ab, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die Amme ist es dann auch, die den Gang der Handlung mit fatalen Folgen bestimmt. Anders als Phaidra vertritt sie die Auffassung: „Wer könnte Kypris trotzen, wenn sie mächtig stürmt?“ (Hipp. 443), und ermuntert ihren Schützling wortgewandt zum Ehebruch. Ihre Argumente sind vorwiegend pragmatischer Natur: Aus Furcht vor der Schande stellten sich gehörnte Ehemänner gerne blind (vgl. Hipp. 462–463). Außerdem sei es nicht ziemlich, besser sein zu wollen als die Götter selbst; vielmehr sollte man sich ihrem Beschluss willig fügen (vgl. Hipp. 475–476). Und schließlich gebe es noch Zaubersprüche und Beschwörungen, die den widerspenstigen Hippolytos erweichen könnten (vgl. Hipp. 478). Obwohl Phaidra der Amme das Versprechen abnimmt, ihr Verlangen geheim zu halten, offenbart diese dem Hippolytos eigenmächtig deren Liebe und setzt damit die eigentliche Tragödie in Gang. Hinsichtlich der Zeichnung der Figuren der Phaedra und der Amme ergeben sich nun deutliche Unterschiede in den zwei Tragödien. Die euripideische Phaidra ist authentisch bemüht, einen für alle Beteiligten (sie selbst, Hippolytos, Theseus und ihre Kinder) zuträglichen Umgang mit dem Liebeswahn zu finden, und agiert in diesem Sinne verantwortungsvoll,21 während die Amme nicht nur || 21 Zur „soziale[n] Eingebundenheit der euripideischen Phaidra“ im Unterschied zur „soziale[n] Isolation der senecaischen Phaedra“ vgl. Lefèvre (1987) 208f. Phaidras soziale Orientierung

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(mit Recht) auf den göttlichen Ursprung des Liebeswahns verweist, sondern auch (zu Unrecht) aktive Maßnahmen zur Erfüllung des erotischen Verlangens entschuldet und rechtfertigt. Im senecanischen Drama dagegen ist das Setting spiegelbildlich: Hier ist es Phaedra selbst, die ihre Liebe exkulpiert, während die Amme ihr (zunächst: Das ändert sich im Laufe der Tragödie recht unvermittelt) darlegt, dass sie Verantwortung für ihren Liebeswahn trägt. Wie wir sehen werden, geschieht dies mit eindeutig stoischen Argumenten. Weit davon entfernt, wie die Amme bei Euripides die Unwiderstehlichkeit der Liebesgöttin zu betonen, vertritt sie die gegenteilige Position: „Dass Amor ein Gott sei, hat die schimpfliche und dem Laster ergebene Lust erdichtet […] solche Trugbilder dachte sich ein wahnsinniger Geist (demens animus) aus.“22 (Phaedr. 195–202) Anstatt Phaedra zum Ehebruch zu ermuntern, ermahnt sie diese zur Aufgabe ihrer Liebe. Die Argumente, die sie vorbringt, sind, wie ich meine, nicht zufällig die Antithesen zu denen der euripideischen Amme: So gibt sie zu bedenken, dass erstens der Ehebruch nicht unentdeckt bleiben werde (Phaedr. 151) und dass zweitens die Götter ihren Zorn zeigen würden (Phaedr. 154–158).23 Die senecanische Phaedra betrachtet als Ursache ihres Liebesrasens die Rache der Venus, die die weibliche Nachkommenschaft des Sonnengottes dessen Aufdeckung ihres außerehelichen Techtelmechtels mit Mars sühnen lässt: „Todfeind dem Stamm des verhassten Sol rächt Venus an uns die Ketten ihres Mars und die ihren, sie belastet des Phöbus ganzes Geschlecht mit ruchloser Schmach: Keine Minos-Tochter trug ein leichtes Liebesjoch, ihm verbindet sich immer ein Frevel (nefas).“ (Phaedr. 124–128) Die Erwiderung der Amme ist ein wahrer Fundus stoisch-senecanischer Argumente. So gibt sie gegen die Vorstellung einer nicht zurechenbaren Erbsünde und mit Verweis auf die physische Monstrosität des Minotauros zu bedenken: „Schwerer als Widernatur wiegt Frevel (maius est monstro nefas), denn Widernatur rechne dem Geschick (fato), dem eigenen Wesen (moribus) den Frevel (scelera) an.“ (Phaedr. 143–144) Seneca kann dieser Position nur zustimmen und betont die Zurechenbarkeit menschlicher Laster und Verfehlungen: „Du irrst nämlich, wenn du meinst, unsere Fehler (vitia) würden mit uns geboren.“ (Ep. 94,55) Generell ist die Weigerung der Amme, Phaedra von || erfährt allerdings mit der fälschlichen Bezichtigung des Hippolytos einen schweren Einbruch. Ihre eigene Ehre sowie die ihrer Kinder sind hier vorrangig. 22 Den frühen Stoikern galt Eros noch als Gott, der durch die Stiftung von Freundschaft und Freiheit zum Erhalt der (idealen) Stadt beiträgt, vgl. Ath. XIII, 561c–d (SVF I 263.1–5) = LS 67D. Weil Seneca jedoch, anders als die ältere Stoa, den erôs als schädlichen Affekt betrachtet, hält er dessen Auslöschung für wünschenswert (vgl. Gaca (2000) 209). 23 Im Unterschied zur antiken Volksfrömmigkeit sind für den Stoiker Seneca Gott und Tugend untrennbar verbunden (vgl. De Vita Beata [Dial. VII] 16,1).

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ihrer Verantwortung zu entlasten, ein Echo Senecas. „[W]er immer gleich am Anfang widerstand und eine Liebe vertrieb, der war in Sicherheit und Sieger“ (Phaedra 132–133), stellt sie im Einklang mit dem Philosophen fest, der schreibt: Treffend scheint mir Panaitios auf die Frage eines jungen Mannes, ob sich der Weise verlieben würde (an sapiens amaturus esset), geantwortet zu haben: „Was den Weisen angeht, werden wir später sehen. Du und ich, die wir vom Weisen bis jetzt noch weit entfernt sind, dürfen es nicht dahin kommen lassen (non est committendum), dass wir in eine stürmische, unkontrollierbare (inpotentem), in der Verfügung eines anderen stehende und für uns selbst klägliche Situation geraten.“ (Ep. 116,5)

Dementsprechend gehen sowohl die Amme als auch Seneca davon aus, dass erste Liebesregungen, sofern sie sich noch nicht zu einem Affekt ausgebildet haben, kontrollierbar sind. Gemäß der von Seneca geteilten stoischen Emotionstheorie generieren sich Affekte nicht von selbst bzw. folgen unmittelbar aus einem äußeren Anstoß, „sondern nur mit Billigung der Seele (animo adprobante)“ (De Ira II [Dial. IV] 1,4), und liegen ebendeshalb im Verantwortungsbereich des Menschen. Zwar bedarf es zur Entstehung des Affekts im ersten Schritt einer Vorstellung (gr. phantasia/lat. species): Im vorliegenden Fall macht die physische Schönheit des Hippolytus einen bleibenden Eindruck auf Phaedra. Wie die „Erscheinung von Unrecht“ einen „erste[n] Erschütterungszustand der Seele“ (De Ira II [Dial. IV] 3,5) im Sinne eines Voraffekts (gr. propatheia) hervorruft, die jedoch noch nicht als Wut zu klassifizieren ist, so sind auch die ersten Schmetterlinge im Bauch der Phaedra noch keine Liebe.24 Die Erscheinung des Jünglings evoziert Überlegungen wie ‚Die erfüllte Liebe zu Hippolytus wird mich glücklich machen‘ oder ‚Der Ehebruch ist gerechtfertigt, weil mein Gatte mir seinerseits untreu ist und mich zu häufig an einem mir fremden Ort allein lässt‘. Erst wenn Phaedra diesen – im stoischen Sinne falschen – Vorstellungen ihre Zustimmung (gr. synkatathesis/lat. assensio) gibt, kann sich der Liebesaffekt ausbilden. Die Mahnung der Amme, man könne beginnenden Liebesregungen widerstehen und somit die Liebe vertreiben, verweist darauf, dass Phaedra diese Zustimmung eben nicht geben muss; sie kann sie auch verweigern und somit die Entstehung einer ausufernden Liebesglut verhindern. Die Zustimmung der irrenden Vernunft zu falschen Vorstellungen fasst die Amme ebenso wie Seneca („Was hast du nötig, um sittlich gut (bonus) zu sein? Du musst wollen (velle)“, Ep. 80,4) in den Begriff

|| 24 Der Voraffekt ist nach Seneca ein Seelenimpuls (animi ictum), der noch keine Zustimmung beinhaltet und deshalb auch nicht kontrollierbar ist (vgl. De Ira II [Dial. IV] 4,2). Nach stoischer Lehre ist auch der Weise von Voraffekten betroffen.

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des Wollens: „Das Ehrenhafte zu wollen ist erste Pflicht (Honesta primum est velle) und nicht vom Wege zu gleiten“ (Phaedr. 140). Während die „erste Bewegung (primus motus)“ des Voraffekts „nicht willentlich (non voluntarius) ist“, gilt die Zustimmung gemäß dem Stoiker als „Willensentscheidung (cum voluntate)“ (De Ira II [Dial. IV] 4,1). Phaedra pflichtet der Amme grundsätzlich bei, wendet aber (implizit) ein, dass sie bereits die Stufe des Voraffekts überschritten habe und der Affekt nicht mehr unter ihrer Kontrolle stehe: Was du in Erinnerung rufst, weiß ich, ist wahr, Amme; aber Liebesraserei (furor) zwingt dazu, dem Schlechteren zu folgen. Mein Sinn geht wissentlich in den Abgrund (vadit animus in praeceps sciens) und kehrt vergeblich um (remeatque frustra), vernünftige Entschlüsse erstrebend. […] Was vermöchte die Vernunft? Mein Rasen triumphiert und herrscht (vicit ac regnat furor), und mächtig gebietet über all mein Denken der Gott. (Phaedr. 178–185)

Die Kreterin deutet ihre Situation demnach in Begriffen harter (oder klarsichtiger) Willensschwäche, die von Seneca hier im Einklang mit Chrysipp im Sinne des sogenannten Persistenzmodells verstanden wird:25 Während die Zustimmung zu falschen Vorstellungen und Werturteilen willentlich und kontrollierbar ist, hat die Emotion als „dritte Bewegung schon keine Macht mehr über sich selbst. Sie will […] [etwas, D.K.], nicht falls das richtig ist, sondern unbedingt und hat die Vernunft unter ihre Kontrolle gebracht.“ (De Ira II [Dial. IV] 4,1) Ein Affekt ist ein exzessiver, d.h. über das rechte Maß hinausschießender und nicht der rechten Vernunft (gr. orthos logos/lat. recta ratio) folgender Handlungsimpuls (gr. hormê/lat. impetus; appetitus), der sich eben aufgrund seiner Exzessivität nicht mehr ohne Weiteres korrigieren lässt, auch wenn die Vernunft ihr Urteil korrigiert hat. Auch in der Tragödie legt Seneca der Titelfigur des Dramas ein anschauliches Bild für die Exzessivität der Affekte, in diesem Fall der Liebe, in den Mund: „So bleibt, wenn der Schiffer die schwergeladene Barke gegen die Strömung vorwärtstreibt, seine Mühe eitel, und der Nachen wird überwältigt von der treibenden Flut fortgerissen.“ (Phaedr. 181–183) Auf die Schwierigkeit, einmal in Gang gesetzte Affekte zu bändigen, kommt auch die Amme in sichtlich moralisierendem Duktus zu sprechen: „[W]er mit Schmeicheln ein süßes Laster nährte, weigert sich zu spät, das Joch zu tragen, unter das er getreten ist.“ (Phaedr. 134–135) Zugleich belegt das Zitat, dass die Amme (wie der Autor Seneca) der Auffassung ist, dass der Liebeswahn Phaedra nicht aus heiterem Himmel und ohne eigenes Zutun getroffen hat; vielmehr trägt sie selbst die Verantwortung dafür, dass sie

|| 25 Vgl. Gill (2005) 159 u. Müller (2018) 432.

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das „süße Laster“ der ersten, den Voraffekt konstituierenden Liebesregungen genährt hat, indem sie sie genossen und den mit ihnen verbundenen Vorstellungen und Wertüberzeugungen zugestimmt hat. Die von Seneca gewählte Begrifflichkeit ist ein weiteres Indiz dafür, dass Seneca an dieser Stelle das in De Ira präsentierte Persistenzmodell der Willensschwäche dramatisiert. Es scheint mir kein Zufall zu sein, wenn er Phaedra in den Mund legt, ihr Sinn gehe „wissentlich in den Abgrund (in praeceps)“ (Phaedr. 179), denn die fragliche Terminologie ist dieselbe wie in De Ira: Es gibt Dinge, bei denen der Anfang in unserer Macht liegt, aber alles Weitere uns durch die ihm eigene Dynamik fortreißt und keine Möglichkeit zur Umkehr lässt. […] [W]ie der unwiderrufliche Sprung in die Tiefe (praecipitatio) jegliche Möglichkeit zum […] Bereuen abschneidet […], so ist es auch der Seele nicht erlaubt, ihren Drang zu unterdrücken (reprimere impetum), wenn sie sich in Wut, erotische Liebe (amorem) oder andere Affekte gestürzt hat. (De Ira I [Dial. III] 7,4)

Dass Phaedra zwischen erotischer Liebe (amor) und sittlicher Scham (pudor) schwankt, wurde von Interpreten mehrfach festgestellt und als Pendeln zwischen einem sittlichen und einem widersittlichen Beweggrund gedeutet.26 Tatsächlich jedoch ist die Zuordnung des pudor zur Tugend unter stoischen Prämissen alles andere als selbstverständlich: Prospektive Scham im Sinne der Angst vor Ehrverlust ist eine Unterart des generischen Affekts der Furcht27 und tritt nur bei einer nicht-weisen Persönlichkeitsstruktur auf. Dennoch lässt sich die Standarddeutung plausibilisieren: Beim Referat der zum guten Gefühl der Vorsicht gehörenden Unterarten listet Diogenes Laertius auch die sittliche Scham.28 Obwohl sich dort keine näheren Erläuterungen finden, scheint mir die Differenz zwischen dem Affekt der Scham und dem guten Gefühl der sittlichen Scheu darin zu liegen, dass das dem Schamaffekt zugrundeliegende Werturteil (‚Die gute Meinung anderer über mich ist ein Gut‘ bzw. ‚Die schlechte Meinung anderer über mich ist ein Übel‘) falsch ist, während das dem guten Gefühl der sittlichen Scheu zugrundeliegende Werturteil (‚Die Tugend ist ein Gut‘ bzw. ‚Das Laster ist ein Übel‘) richtig ist. Allerdings spielt in Senecas Phaedra nicht nur der philosophische, sondern wie im euripideischen Hippolytos auch der kulturelle Hintergrund eine Rolle: Die griechische Kultur war eine Schamkultur, die einerseits das || 26 Vgl. Gill (2009) 68 mit Bezug auf Hill (2004), sowie Müller (2018) 433–443. Die Gegenposition vertreten Henry und Walker (1966), 228: „Pudor then is used by Seneca in this play as a quality so ill-defined in essence and so variable in meaning that it cannot be taken as a counterforce to furor.“ 27 Vgl. Stob. II 91.5–6 = LS 65E3. 28 Vgl. Diog. Laert. VII 116.

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gewünschte sozialkonforme Verhalten durch die Furcht vor sozialer Ächtung regulierte, die aber zugleich die Sensibilität für das selbstwertbezogene Ehrgefühl des Einzelnen hochhielt (aidôs) und nicht gerechtfertigte Verletzungen desselben (hybris) ihrerseits sozial sanktionierte.29 Entsprechend zahlreich sind die Verweise auf die Scham der Phaidra als Movens ihres Handelns bei Euripides.30 Aber auch in Rom war das Bewusstsein für Ehre (honor) und Würde (dignitas) mit einem ausgeprägten Schamgefühl verbunden,31 dessen soziale und moralische Bedeutung von Seneca ambivalent, aber mit einer Tendenz zur Wertschätzung rezipiert wird.32 Für seine Position zur Scham ist Epistula 11 einschlägig: Einerseits scheint er sich auf den negativ bestimmten Schamaffekt zu beziehen, wenn er die „Schamesröte (rubor)“ als Ausdruck eines Voraffekts beschreibt, der als „natürliche Schwäche des Körpers oder des Geistes“ (Ep. 11,1) auch den Weisen begleitet.33 Andererseits qualifiziert er die mit der Schamröte verbundene „Schüchternheit (verecundiam)“ als „gutes Zeichen für den jungen Mann“ (Ep. 11,1). Offenbar indiziert diese eine kulturell erwünschte34 und altersgemäß gebotene Zurückhaltung bezüglich der eigenen Wichtigkeit sowie die Achtung vor den bereits in Amt und Profession Fortgeschrittenen. Darüber hinaus ist die Scham im Sinne der Furcht vor dem fremden Blick ein von Seneca geschätztes Mittel für das sittliche Weiterkommen des proficiens.35 Er empfiehlt die Verehrung eines „vortrefflichen Menschen“, den es im Geiste vor Augen zu halten gilt, „um so gleichsam unter seinen Blicken zu leben“ (Ep. 11,8). Insofern der Zeuge des eigenen Denkens, Fühlens und Tuns allerdings nur imaginiert wird, ist der fremde Blick internalisiert und transformiert sukzessive in eine reflexive Innenschau – so verstehe ich Seneca an dieser Stelle. Zudem handelt es sich bei dem verinnerlichten Vorbild um Verkörperungen der Tugend (Seneca empfiehlt Cato und Laelius, vgl. Ep. 11,10), sodass es sich eher um eine (Selbst-)Ermahnung zur Tugend im Medium visualisierter Fremdwahrnehmung handelt. In diesem Sinne hat die Scham

|| 29 Vgl. Dodds (1970) 17–37 und Williams (2000) 91. 30 Vgl. besonders Hipp. 403–430. 31 Vgl. Barton (2001) . 32 Allerdings halte ich das Urteil bei Wray (2015), 200, für stark überzogen: „The forms of pudere and its cognates circulating in his philosophical prose can hardly be taken as describing the eupathic inner life of an ideal agent. In fact, Seneca’s philosophical use of shame terms sounds a lot like ordinary Roman pudor-talk.“ 33 Als Beleg für das Phänomen, dass der Geist auf die Schamröte keinen Einfluss nehmen kann, verweist Seneca auf die Schauspieler, die Schamröte weder hervorbringen noch verhindern können (vgl. Ep. 11,7). 34 Vgl. Barton (2001) 223f. 35 Dagegen: Wray (2015) 202–206.

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weniger den Charakter eines Schamaffekts, der das falsche Urteil ‚Die schlechte Meinung anderer über mich ist ein Übel‘ aktualisiert, sondern vermittels des richtigen Urteils ‚Die schlechte Meinung des Tugendhaften über mich ist ein Übel‘ auch dem korrekten Urteil ‚Das Laster ist ein Übel‘ zustimmt und daher dem guten Gefühl der sittlichen Scheu gleich- oder zumindest nahekommt. Ob es sich beim pudor Phaedras um einen Schamaffekt oder um sittliche Scheu handelt, ist meines Erachtens nicht eindeutig zu bestimmen, ich tendiere jedoch wie die meisten Autoren zu letzterem. Im Falle Phaedras liegen dem als sittliche Scham verstandenen pudor neben der generellen axiologischen Aussage ‚Das Laster ist ein Übel‘ als näher spezifizierte Überzeugungen darüber hinaus Urteile wie ‚Ehebruch ist ein scelus‘ oder ‚Inzest ist ein nefas‘ zugrunde.36 In diesem Sinne bekennt sie: „Nicht ist Scham (pudor) ganz aus dem mir angeborenen Sinn gewichen; ich gehorche, Amme. Eine Liebe (amor), die sich nicht beherrschen will, muss besiegt werden“ (Phaedr. 250–252), und erwägt den Suizid. Dagegen speist sich die Liebe aus der Vorstellung ‚Die Erfüllung erotischer Liebe ist ein Gut und wird mich glücklich machen.‘ Um diese Vorstellung mit ihrer sittlichen Scham vereinbaren zu können, bedarf es einer Reihe von Rationalisierungen. Phaedra entlastet sich von der Schuld ihrer nach Erfüllung strebenden Liebe, indem sie auf die unglücklichen Umstände ihres Lebens verweist: Sie ist mit „einem Feinde vermählt“ (Phaedr. 90) und hat in Athen den bejammernswerten Status eines „Flüchtling[s]“ (Phaedr. 91). Darüber hinaus verweist sie auf die Untreue des Theseus (Phaedr. 92 u. 97– 98) sowie auf ihre Machtlosigkeit gegenüber dem Einfluss der Liebesgöttin (vgl. Phaedr. 120). Außerdem spekuliert sie auf die geringe Wahrscheinlichkeit der Rückkehr ihres Gatten aus der Unterwelt (Phaedr. 219–221). Und selbst wenn: Vielleicht mag er ihr ja den Treuebruch verzeihen (Phaedr. 225). Dass die mit pudor und amor verbundenen Vorstellungen und Wertüberzeugungen einander widersprechen37 und ebendeshalb eine Fülle von Rechtfertigungsbemühungen notwendig sind, ist ein Symptom des alltäglichen Wahn-

|| 36 Würde es sich alternativ um einen bloßen Schamaffekt handeln, wären folgende Überzeugungen mit ihm verbunden: 1) ‚Ehebruch gilt in meiner sozialen Umwelt als scelus‘, 2) ‚Mein Ehebruch würde mich in den Augen anderer herabsetzen‘, und 3) ‚Die schlechte Meinung anderer über mich ist ein Übel‘. 37 Nach der – auf dem hierarchischen Willensmodell bei Harry G. Frankfurt basierenden – Deutung bei Müller (2018), 456, ist der „Konflikt von amor und pudor schon auf der Ebene der grundlegenden Urteile, also der hinter den Volitionen stehenden Wertmaßstäbe angesiedelt […]. Phaedra sieht sich sowohl als waghalsige Liebhaberin wie auch als moralische Person, d.h. sie oszilliert zwischen verschiedenen, miteinander inkompatiblen Überzeugungssystemen, mit denen sie sich dennoch zugleich zu identifizieren versucht.“

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sinns, dessen wichtigstes Kennzeichen eine prinzipielle Instabilität der Ziele, Grundsätze und Projekte darstellt.38 Seneca schreibt: „Wir treiben (fluctuamur) zwischen verschiedenartigen Vorhaben (consilia) hin und her; nichts wollen (volumus) wir uneingeschränkt, nichts unbedingt, nichts für immer.“ (Ep. 52,1) Als Grund für dieses Fluktuieren benennt Seneca die epistemische Unsicherheit des Nichtweisen: „Was ist die Ursache ihres Schwankens? Dass es keine Gewissheit gibt (nihil liquet) für solche […]. Wenn du immer dasselbe (eadem) wollen willst, musst du das Wahre wollen (vera oportet velis).“ (Ep. 95,58) Der Weise ist im Besitz einer umfassenden theoretischen und praktischen Erkenntnis; sein zustimmendes kognitives Erfassen ist sicher und beständig und hat zur Folge, „dass all deine Taten und Worte miteinander übereinstimmen und einander entsprechen und dieselbe Prägung zeigen.“ (Ep. 34,4) Dagegen bildet der Nichtweise nur epistemisch ungesicherte Meinungen aus sowie Affekte, die ebendeshalb als „schwache Zustimmungen“ (Stob. II 88.22–89.3 = LS 65C) gelten, weil sie jederzeit durch andere, auch differierende Vorstellungen ersetzt werden können. Die seelische Gesundheit des Weisen, die Seneca konsequent in den Begriff der tranquillitas fasst (schließlich ist seine Seele keinem ständigen Wechsel von Meinungen und Affekten unterworfen), ist dagegen „eine Gabe der Seelengröße (animi magnitudo) […] sowie des standhaften Festhaltens an einem richtigen Werturteil (constantia bene iudicati tenax) […], wenn man die Wahrheit (veritas) voll und ganz durchschaut hat.“ (Ep. 92,3) Einen letzten Punkt gilt es mit Blick auf den Liebeswahn Phaedras zu analysieren: Die Exzessivität des Liebesaffekts, die diesen zur Raserei mutieren lässt, manifestiert sich nicht nur als akratisches Problem, insofern der Affekt auch bei verändertem Vernunfturteil fortbesteht. Wie wir in De Ira II [Dial. IV] 7,4 gesehen haben, stellt Seneca bei der Erörterung des Persistenzmodells der Willensschwäche zwei Affekte besonders heraus: die Wut und die erotische Liebe.39 Doch damit nicht genug: Nach Seneca teilt der Liebeswahn mit dem Wutaffekt eine besondere Destruktivität, die das zerstörerische Potenzial vieler anderer Affekte deutlich übersteigt. Auch dies gründet in der ausufernden Exzessivität, die beide Affekte noch markanter als andere charakterisiert und in eine Form des alltäglichen Irreseins münden lässt, die dem pathologischen Irresein schon sehr nahe

|| 38 Überzeugende Belege für das sich im Handeln Phaedras manifestierende Schwanken zwischen pudor und amor finden sich bei Gill (2009) 69f. Müller (2018), 430f., zeigt ferner, wie sich der Konflikt in Form von Sprachhemmungen der Protagonistin offenbart. 39 Manche Gemeinsamkeiten von Wut und Liebe lassen sich damit erklären, dass beide nach stoischer Lehre Unterarten des generischen Affekts der Begierde sind (vgl. Stob. II 90.19–91.4 = LS 65E1).

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kommt.40 Die von Seneca festgestellten Parallelen zwischen Wut und erotisch-begehrlicher Liebe sowie die Nähe beider zum Wahnsinn zeigen sich schon am lateinischen Sprachgebrauch: Das OLD nennt als erste Bedeutung des Nomens ‚furor‘: „1 Violent madness“41 und bezieht sich damit auf eine gewaltorientierte Form des Wahnsinns. Die zweite semantische Facette „2b hostile rage, fury, anger“42 notiert Zorn bzw. Wut und Ärger, und „3 Passionate desire, furious longing“43 verweist insbesondere auf das Liebessehnen (OLD referenziert u.a. Phaedr. 540). In den Begriff des ‚furor‘ werden demnach Formen der Wut und der Liebe gefasst, die sich als aggressiv-destruktiver und zügelloser Wahnsinn manifestieren. Die philosophische Sicht Senecas korrespondiert nun in vielfacher Hinsicht mit dem semantischen Befund. So zeigt sich die gewaltorientierte Destruktivität beider Affekte durch ihre leibliche Phänomenologie: Wut und Liebe sind gewissermaßen ‚heiße‘ Affekte, die Geist und Leib erhitzen.44 Beginnende Wut zeigt sich, wenn die „Augen lodern und blitzen, das gesamte Gesicht ist stark gerötet […], und je größer sie ist, desto offenbarer kocht sie empor.“ (De Ira I [Dial. III] 4– 5) Wut ist demnach mit dem Element (stoicheion) Feuer verbunden, das im Unterschied zu Gott als schöpferisches und für die Vollkommenheit der Welt Sorge tragendes kunstverständiges Feuer (pyr technikon)45 auch destruktiv sein kann: Es verbraucht und zerstört seine Nahrung.46 Entsprechend diesem stoischen Gedanken wird die Phänomenologie der Wut durch Seneca mittels des Feuermotivs illustriert: Medea als Symbolfigur der Wut ist die Enkelin des Sonnengottes Sol (vgl. Med. 28–29 u. 32–36), sie identifiziert sich selbst mit dem Feuer (vgl. Med. 166–167) und gebietet über feuerspeiende Stiere und Drachen (vgl. Med. 466 und 472). Das von ihr entfachte Zornesfeuer ist in höchstem Maße zerstörerisch: Das Giftgebräu, mit der sie ihre Rivalin mordet, zeigt eine inflammatorische Wirkung (vgl. Med. 817–821 und 832–839), die Braut wird zur lebenden Fackel und setzt ungewollt den gesamten Palast inklusive ihres königlichen Vaters in Flammen (vgl. Med. 879–880). Für unsere Fragestellung relevant ist nun, dass Seneca

|| 40 Vgl. De Ira I [Dial. III] 1,3–4. 41 OLD (2012), vol. I, furor2 ~ōris, 823. 42 Ebd. 824. 43 Ebd. 44 Zum Verhältnis von Leib und Seele vgl. Smith (2014). Insofern die Stoiker das menschliche Seelenpneuma als eine Mischung aus Luft und Feuer betrachten, lässt sich die ‚heiße‘ Natur von Wut und Liebe als eine Zunahme des feurigen Anteils deuten. Vgl. De Ira II [Dial. IV] 19,1: „Eine feurige Seelennatur (fervidi animi natura) bietet der Jähzornigkeit (iracundiam) die beste Angriffsfläche.“ 45 Vgl. Cic. Nat. D. I 139 u. Aёt. I 7,33 (SVF II 1027.1–3) = LS 46A1. 46 Zur Differenz der beiden Arten des Feuers vgl. Forschner (2018) 113.

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auch den Liebesaffekt in der Phaedra-Tragödie mit dem Feuermotiv assoziiert.47 So mahnt die Amme ihre Herrin, die wie Medea eine Enkeltochter Sols ist: „Unterdrücke einer ruchlosen Liebe Flammen (compesce amoris impii flammas)“ (Phaedra 165), sie spricht von den „sündigen Liebesfeuern (nefandis […] ignibus)“ (Phaedra 173) der Herrin und gibt schließlich, jeder Hoffnung beraubt, kund: „[K]ein Ende wird es geben für die rasenden Liebesflammen (flammis […] insanis). Sie wird versengt durch stumme Glut (aestu tacito).“ (Phaedr. 362) Auch im Äußeren werden die Feuerzeichen des Liebesrasens offenbar: „[E]s bricht aus ihren Augen Feuer (ignis).“ (Phaedr. 364) Phaedra selbst reiht in ihrem Liebesbekenntnis an Hippolytus eine Feuerreferenz an die andere: Die wahnsinnige Brust (pectus insanum) versengt Glut (vapor) und Leidenschaft. Sie verzehrt in ihrem Rasen (saevus) mein innerstes Mark in der Tiefe, und durch die Adern eilt, in meine Eingeweide versenkt, ihr Feuer (ignis) und eine heimliche Liebe, wie die behende Flamme (flamma) die hohen Balken durchläuft. (Phaedr. 641–644)

Und schließlich ist das erste Chorlied eine ambivalent zwischen Ehrfurcht und Furcht schwankende Hymne auf die Flammenkraft Cupidos bzw. Amors, die Tieren jedweder Art, Menschen jeglichen Alters und Geschlechts und sogar den Göttern heißes Verlangen einbrennt.48 Die Frage des Chors, ob es „für ihre [scil. Phaedras] wilden Liebesflammen irgendein Maß (saevis ecquis est flammis modus)“ (Phaedr. 359) gebe, wird von der Amme entschieden verneint (vgl. Phaedr. 360). Dass die maß- und zügellose Exzessivität des glühenden Liebeswahns Phaedras ebenso gewaltbereit ist wie die der feurigen Wut Medeas, veranschaulicht Seneca zunächst im Chorlied. Cupido ist im Besitz von Waffen: Seine „Pfeile[.]“ (Phaedr. 276), die er mit „unfehlbarem Bogen“ (Phaedr. 278) zielt, richten in den Liebenden mit „die Adern verwüstendem Feuer“ (Phaedr. 280) Unheil an. Sie sind selbst die ersten „von ihm Verletzten“ (Phaedr. 330), wobei die „Wunde“ (Phaedr. 281) nicht in der Physis, sondern im Geiste liegt; in der Brunst jedoch wird die Aggression nach außen getragen. Liebestolle Hirsche fordern den Rivalen „zum Kampfe heraus und geben röhrend Zeichen der Raserei (signa furoris)“ (Phaedr. 342–344). Die im Chorlied besungene Gewalt des Liebeswahns wird näher spezifiziert, indem Seneca die schon bei Euripides explizierte Grausamkeit des hippolytischen Sterbens noch überbietet. Bezeichnend ist, dass auch im unmittelbaren Kontext des von Theseus heraufbeschworenen ‚Unfalls‘ die ent-

|| 47 Auch Ov. Her. 4.15, 4.19–20 und 4.52 gebraucht im fiktiven Brief der Phaedra an den Geliebten das Feuermotiv. 48 Vgl. Phaedr. 276; 280; 290–291; 330; 337–338; 355.

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scheidende Rolle des exzessiven Furors betont wird: Das aus dem Meer geborene Ungeheuer versetzt die Pferde des Hippolytus in „angstvolle Raserei (pavidus […] furor)“ (Phaedr. 1070). Kurzfristig gelingt dem Führer des Gespanns49 die Bändigung der panischen Tiere. Als der monströse Bulle das Gespann jedoch weiter bedrängt, „versagen die in ihrem furchtsamen Sinn erregten […] Pferde […] den Gehorsam“ (Phaedr. 1082–1083), bäumen sich auf und stoßen dabei den Lenker vom Wagen. Diese Referenz auf den Furor der Pferde ist metaphorisch und illustriert ebenso das Unvermögen der Vernunft (in Gestalt des Lenkers), den einmal in Gang gesetzten Affekt (den Furor der Pferde) zu bändigen, wie auch die zerstörerische Wirkung desselben. Hauptverantwortlich für den brutalen Tod des Hippolytus sind jedoch der Liebesfuror Phaedras und das Zornesrasen des Theseus. Seneca schont den Rezipienten der Tragödie nicht: Hippolytus stürzt „[k]opfüber aufs Angesicht“ (Phaedr. 1085), „sein zerschmettertes Haupt prallt zurück an den Felsen, Gestrüppe reißen seine Haare weg, hartes Gestein verwüstet das schöne Antlitz“ (Phaedr. 1093–1095). Er wird von einem breiten Ast aufgespießt und schließlich durch die beiden im Geäst hängenbleibenden Pferde entzweigerissen. Nicht einmal den Hunden des Königssohnes und den sie begleitenden Dienern gelingt es, alle über weite Flächen verstreuten Leichenteile zu finden. Die Aussage scheint mir klar zu sein: Affekte, insbesondere Wut und erotische Liebe, haben nicht nur eine mentale Zerrissenheit in Gestalt von axiologischer Inkonsistenz bzw. Wechselhaftigkeit, Willensschwäche und emotionaler Instabilität zur Folge, sie können darüber hinaus eine manifeste physische Zerrissenheit nach sich ziehen und sind in diesem Sinne ebenso potenziell destruktiv wie das ihnen nahestehende Feuerelement.

2.3 Die Amme Die senecanische Zeichnung der Amme ist erklärungsbedürftig. Auf ihre anfänglich stoisch anmutenden Ermahnungen zum Eindämmen des Liebesverlangens folgt eine in Argumenten ebenso wie in Handlungen sich manifestierende Abwendung von den stoischen Maximen, nachdem sie vom Todeswunsch Phaedras erfahren hat. Diese dramaturgisch prima facie ungeschickt, weil unvermittelt erscheinende Zäsur, ist nach meiner Deutung bewusst von Seneca inszeniert: Wie Phaedra und die übrigen Protagonisten gestaltet Seneca nämlich auch die Amme

|| 49 Die Parallele zum platonischen Gleichnis vom Seelentier (vgl. R. IX, 588b–590b) ist wohl nicht zufällig, obwohl Seneca sehr wahrscheinlich den psychologischen Monismus der frühen Stoa geteilt hat.

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als nicht-weise Persönlichkeit, deren instabiles Überzeugungssystem und die daraus folgenden widersprüchlichen Handlungen den Gang der Tragödie auf ein katastrophales Ende hinsteuern. Dass die Amme nahezu unvermittelt und abrupt von der Verlautbarung stoischer Ethik, Handlungstheorie und Psychologie zu einer gänzlich anti-stoischen Denk- und Handlungsweise übergeht, ist gerade der Punkt Senecas: Auch wenn sie sich zu Beginn der Tragödie nicht wie ihre Herrin aktuell im Griff eines exzessiven Affekts befindet, so ist sie doch in dem Sinne Opfer eines alltäglichen Wahnsinns, als sie sowohl in kognitiver wie auch in lebenspraktischer Hinsicht im Widerspruch mit sich selbst steht und jederzeit Gefahr läuft, wie Phaedra in die Gewalt eines ausufernden Affekts zu geraten. Und wie der alltägliche Wahnsinn ihrer Herrin, so ist auch der ihrige zurechenbar und zeitigt ebenso destruktive Folgen. Als Phaedra der Amme ihre Absicht zur Selbsttötung mitteilt, die dem Liebesrasen Einhalt gebieten soll, ist deren erste Reaktion eine ambivalente Mischung aus Affirmation und Abwehr: „[W]ürdig des Lebens halte ich dich darum, weil du vermeinst, du seist des Todes würdig.“ (Phaedr. 256–257) Tatsächlich wäre aus stoischer Perspektive der Suizid im Angesicht eines durch Willensschwäche drohenden, schwerwiegenden sittlichen Vergehens angeraten. Bei der Amme dominiert jedoch die Furcht vor dem Ableben ihrer Herrin. Sie empfiehlt, der „stürmische[n] Raserei (tam protervus […] furor)“ (Phaedr. 268) nachzugeben, und bietet sich an, Fürsprache bei Hippolytus einzulegen. Im Vorfeld richtet sie ein Gebet an die als Hekate erscheinende Diana, damit diese den „starren Sinn des finstern Hippolytus zähme“ (Phaedr. 413). Schon dies ist in Gänze unstoisch: Die stoische Gottheit ist als vollendete Ratio nicht für die Unterstützung des Ehebruchs zu haben. Darüber hinaus steht Hekate als Göttin der Zauberei in den Tragödien Senecas für die (das Böse und das Laster symbolisierende) Unterwelt.50 Anders als bei Euripides entscheidet sich die senecanische Figur nicht aus Gründen der Liebe51 für den Kuppelversuch, sondern aus Furcht vor Theseus’ Zorn: „Ich zittere? Nicht ist es leicht, den aufgetragenen Frevel zu wagen, doch wer die Vergeltungen eines Königs fürchten muss, lege jegliche Ehrbarkeit ab und vertreibe sie aus seinem Herzen: ein schlechter Helfer eines königlichen Befehls ist Scham.“ (Phaedr. 427–430) Wie Phaedra zwischen Scham und Liebe schwankt und der letzteren nachgibt, so ist die Amme zwischen Furcht (timor) und Scham (pudor) hin- und hergerissen, und auch sie stellt die Scham ausdrücklich zurück. Die im Furchtaffekt manifestierte geistige Verwirrung zeigt sich deutlich an Mimik und

|| 50 Vgl. die Anrufung der Göttin durch Medea (Med. 788 und 833). 51 Auch das wäre im stoischen Sinne falsch – wenngleich weniger selbstbezogen – und zeugte von einem irrigen Verständnis der Liebe.

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Physiognomie der Amme: Hippolytus bemerkt ihre „verwirrte Stirn (turpidam frontem)“ (Phaedr. 432).52 In ihrem Bemühen, Hippolytus zu erweichen, lässt sich die Amme zu vielfachen Manipulationsversuchen herab. Sie täuscht Sorge um den in keuschem Selbstverzicht lebenden Königssohn vor, ermuntert ihn zum ruhmreichen Ausleben seiner Freiheit und sieht in der Zeugung von Nachkommen, die im Kampf gefallene Krieger zu ersetzen trachtet, eine moralische Verpflichtung. Überhaupt würden ohne die Verehrung der Venus, die in der menschlichen Natur eingepflanzt sei, Menschen und Tiere aussterben.53 Obwohl sie kurz vorher noch die Herrin von der Naturwidrigkeit ihrer Liebe zu überzeugen versucht hatte (vgl. Phaedr. 173), macht sie nun – in der Absicht, ihn für die Avancen Phaedras empfänglich zu machen – dem Hippolytus zum Vorwurf, er würde seine „wahre Natur“ (Phaedr. 454) abtöten. Dies ist, wie Kugelmeier mit Recht moniert hat,54 geradezu eine Perversion der stoischen Maxime secundum naturam vivere. Doch damit nicht genug: Nachdem Phaedra dem Stiefsohn ihre Liebe bekannt und eine unmissverständliche Abfuhr erhalten hat, ist es die Amme, die den Gedanken aufbringt, Hippolytus „selbst einer ruchlosen Liebe bezichtigen: durch ein Verbrechen soll das Verbrechen verschleiert werden“ (Phaedr. 720–721). Weit davon entfernt, die Vertreterin stoischer Philosophie im Drama zu sein, ist die Amme die Figur, an der die mentale Widersprüchlichkeit am deutlichsten sichtbar ist: Obwohl sie mit der stoischen Lehre theoretisch bestens vertraut ist, entscheidet sie sich im Konfliktfall nicht für die Tugend, sondern opportunistisch für ihre Stellung bei Hofe.

2.4 Hippolytus Die tiefgreifende Misogynie des Amazonensohns wird von Seneca ausdrücklich betont. Mehrfach ist von seinem Hass gegenüber dem Frauengeschlecht die Rede, und zwar sowohl aus dem Mund der Amme (vgl. Phaedr. 230) wie auch als Selbstbekundung: „Ich verachte alle, fürchte, fliehe, verfluche sie […]: Am Hassen (odisse) habe ich Gefallen gefunden.“ (Phaedr. 566–568) Dass Seneca auch die Figur des Hippolytus als von einem alltäglichen Wahnsinn befallen konzipiert, wird deutlich an der von Hippolytus selbst gewählten Begrifflichkeit: Wie || 52 Gemäß den Stoikern, denen die körperliche Seele als mit dem körperlichen Leib eng verbunden gilt, manifestiert sich der mentale Zustand auch in Mimik, Gestik und im allgemeinen Habitus. 53 Auch dieses Argument findet sich bei Musonius 14, p. 92.8–17 (Lutz). 54 Vgl. Kugelmeier (1998) 153.

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Phaedra, die Einsicht in ihren Liebesfuror zeigt, erwägt auch er, seinen Frauenhass als „schreckliche Raserei (dirus furor)“ (Phaedr. 567) zu charakterisieren. Im Unterschied zum guten Gefühl (gr. eupatheia/lat. constantia) der Vorsicht (gr. eulabeia/lat. cautio),55 die um eine Mäßigung des Geschlechtstriebs und des romantischen Sehnens bemüht ist,56 ist der Hass im Verein mit den übrigen Affekten exzessiv, d.h. über das von der Vernunft gesetzte Maß hinausgehend und destruktiv.57 Hippolytus ist zudem in seiner Denk- und Lebenspraxis inkonsistent, auch dies ist ein Symptom seines alltäglichen Wahnsinns: Obwohl er die eigene naturverbundene Lebensart preist,58 weil sie „[n]icht entflammt (non […] inflammat)59 […] die Raserei (furor) eines habsüchtigen Sinnes“ (Phaedr. 486), und sie als Reminiszenz an die Idylle des Goldenen Zeitalters preist, die durch „unfrommes Rasen (impius […] furor) nach Gewinn“ (Phaedr. 540) jäh unterbrochen wurde, stellt er seinen rasenden Frauenhass nicht – wie es rational wäre – in eine Reihe mit den von ihm kritisierten übrigen Formen der Raserei. Irrational ist auch die Generalisierung, die Hippolytus unternimmt. Mit Recht hinterfragt die Amme in diesem Sinne das Argument des Hippolytus, allein die Grausamkeit der Medea mache „die Frauen zu einem furchtbaren Geschlecht“ (Phaedr. 564): „Warum wird das Verbrechen weniger zur Schuld aller?“ (Phaedr. 565) Neben der Übergeneralisierung begeht der senecanische Hippolytus weitere Denkfehler.60 Seine

|| 55 Neben der Vorsicht zählen zu den guten Gefühlen das vernünftige Streben (gr. boulêsis/lat. voluntas) und die Freude (gr. chara/lat. gaudium) sowie deren Unterarten. Gute Gefühle sind naturgemäße und nicht-exzessive Handlungsimpulse. Ob sich die guten Gefühle des Weisen a) auf die adiaphora beziehen, die der Weise mit Vorbehalt erstrebt bzw. meidet, b) auf Tugend und Laster, oder c) auf beides, ist strittig (vgl. Vogt (2004) 77–79). Es ist unklar, inwieweit Seneca mit dem stoischen eupatheia-Konzept vertraut gewesen ist. In jedem Fall teilt er es der Sache nach (vgl. Graver (2014) 273). 56 Vgl. Forschner (2018) 241: Die „Vorsicht […] hat als Arten die sittliche Scheu und Ehrfurcht (aidôs) und die Keuschheit (hagneia) unter sich.“ 57 Der Hass widerspricht nach Seneca der menschlichen Natur (vgl. De Ira III [Dial. V] 5,6), die „durch gegenseitige Liebe […] eng zu einer solidarischen Hilfsgemeinschaft verbunden“ sein sollte (De Ira I [Dial. III] 5,3). 58 Wie oben gezeigt wurde, entspricht die misogyne Lebensweise des Hippolytus nicht der stoischen Maxime secundum naturam vivere (vgl. Sen. Ep. 5,4) und ist in diesem Sinne nicht wirklich „naturverbunden“. 59 Wie bei Wut und Liebeswahn werden auch die Exzessivität und Destruktivität der Gewinnsucht mit dem Feuermotiv illustriert. In Phaedr. 340–342 werden die drei Affekte explizit nebeneinandergestellt: „Rasen nach Gewinn und jäher Zorn und Lüsternheit, welche die Sinne zur Glut entfacht“. 60 Auch in der modernen Kognitiven Verhaltenstherapie gelten (mit ausdrücklichem Bezug auf Epict. Ench. 1, vgl. Davison/Neale (1998) 688) Denkfehler als auslösende bzw. verstärkende Faktoren insbesondere bei affektiven Störungen (vgl. ebd. 259–262).

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Idee, der Hass auf die Frauenwelt biete „Trost für den Verlust der Mutter“ (Phaedra 578), entbehrt jeder Logik, und auch sein Selbstvorwurf („ich habe verdient zu sterben: Ich habe meiner Schwiegermutter gefallen“, Phaedr. 683–684) ist gänzlich unbegründet. Zugleich widerspricht die Selbstbeschuldigung der wenig später vorgenommenen Fremdbeschuldigung, die wiederum in ihren Konsequenzen unvernünftig und ebendeshalb nach stoischem Maßstab exzessiv ist: Hippolytus droht der Stiefmutter mit dem Schwert und kündigt an, ihr Blut am Altar der Artemis zu opfern (vgl. Phaedr. 706–709). Insgesamt fehlen die bei Euripides eingearbeiteten Motive, die ein positiveres Bild des Königssohns zeichnen könnten, in der senecanischen Fassung nahezu vollständig: Weder wird seine Verehrung in Troizen positiv referenziert61 noch erlaubt die Konzeption des letzten Tragödienakts, dass Hippolytus dem Vater vergibt.62 Für den keuschen Jüngling scheint zu sprechen, dass er sich vor der Kenntnis der Ursache ihres Leidens authentisch um Phaedra und ihre Kinder besorgt zeigt. Er nennt sie „Mutter“ (Phaedr. 609) und fordert sie auf, ihren Kummer mit ihm zu teilen. Weil er glaubt, Phaedra verzehre sich in der Sorge um den säumigen Gatten, bietet er an: „[I]ch selbst werde bei dir die Stelle des Vaters versehen.“ (Phaedr. 633) Tatsächlich jedoch stellt diese Szene nur ein weiteres Beispiel für das inkonsistente Überzeugungssystem des Hippolytus dar: Er behauptet, alle Frauen zu hassen, und zeigt doch im konkreten Einzelfall seine Bereitschaft zu liebevoller Zuwendung.

2.5 Theseus Während Euripides nur der Phaidra Raserei zuschreibt, hebt Seneca bei allen zentralen Protagonisten, also auch in der Charakterzeichnung des Theseus, den alltäglichen Wahnsinn hervor. In seinem Fall zeigt sich die Raserei an der Exzessivität seiner sexuellen Begierlichkeit; er ist in diesem Sinne das (gleichfalls maßlose) Gegenstück zu seinem misogynen Sohn. Phaedra beklagt sich entsprechend: „Schändungen und unerlaubte Liebeslager sucht im untersten Acheron des Hippolytus Vater“ (Phaedr. 97–98), und benennt explizit das Moment des Wahnsinns: „[E]r verfolgt seinen Weg als Genosse des Wahnsinns (furoris socius), nicht hält ihn Furcht und Scham (timor pudorque) zurück“ (Phaedr. 96–97). Wie bei seiner Gattin, so ist auch bei ihm die Scham kein ausreichendes

|| 61 Vgl. Hipp. 1423–1430. 62 Vgl. Hipp. 1449–1455.

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Gegengewicht zum Liebesrasen, ebenso wenig die Furcht vor den Schrecken der Unterwelt. Zugleich zeigt die Befürchtung der Amme, Theseus würde nach der Entdeckung von Phaedras Untreue keine Milde zeigen (vgl. Phaedr. 226–227), dass sich auch das zweite, den alltäglichen Wahnsinn bestimmende Merkmal der in Kognition und Verhalten manifesten Inkonsistenz bei Theseus findet. Während er sich selbst nämlich das Recht zum Ehebruch zuspricht – Hippolytus’ Mutter Antiope wurde von seiner Hand getötet, als sie gegen seine Untreue aufbegehrte63 –, gilt dies offensichtlich weder für Phaedra noch für den Sohn:64 Als er – ohne Nachfrage und entsprechende Rückversicherung – die missverständlichen Worte der Gattin so deutet, dass sie Hippolytus der Vergewaltigung bezichtigt, lässt er sich von der Exzessivität seines Zorns hinreißen und zögert nicht, den Fluch Neptuns auf ihn herab zu wünschen. Seine Erklärung für den vermeintlichen Sittenverstoß des Sohnes unterstellt diesem rasenden Irrsinn: „Dies ist sichtlich jene Raserei (furor) des waffentragenden Stammes, der Venus Bündnisse zu hassen und den lange Zeit keuschen Leib Völkern preiszugeben“ (Phaedr. 909–911). Den eigenen Wahn jedoch erkennt und reflektiert er nicht. Wie bei seinem Sohn ist dies auch in seinem Fall ein Zeichen mentaler Inkonsistenz. Auch seine Reaktion auf die Nachricht vom grausamen Tod des Sohnes zeigt Theseus’ mentale Spaltung. Er beklagt die Macht der Natur, die mit „starken Banden des Blutes“ die Eltern gefangen hält, „wenn auch wider Willen (inviti): dass der Schuldige untergehe, habe ich gewollt, den Verlorenen beweine ich.“ (Phaedr. 1115–1117) Der Schmerz über den Verlust des Sohnes wird von Theseus als akratisches Phänomen gedeutet, bei dem die lang geübte Vaterliebe den Sieg über den als gerecht bewerteten Zorn davonträgt. Insofern die Willensschwäche einen Konflikt zwischen zwei Wertüberzeugungen und Vorstellungen darstellt, ist auch sie ein Symptom, das auf die kognitive Selbstwidersprüchlichkeit des von ihm Betroffenen verweist. Entsprechend legt Seneca dem Boten den Vorwurf in den Mund, Theseus sei sich selbst nicht treu geblieben: „Nicht kann einer in guten Treuen beweinen, was er selbst gewollt hat.“ (Phaedr. 1118) Die Parallelstelle im griechischen Drama ist vergleichbar, aber in einem entscheidenden Punkt durchaus verschieden. Wenn der euripideische Theseus nach dem Unglück des Sohnes bekennt: „So freut mich weder dieses Leid noch schmerzt es mich“ (Hipp. 1260), dann aktualisiert er einen Zustand affektiver Neutralität. Dass Seneca diese Stelle gezielt mit dem Fokus auf die innere Konflikthaftigkeit des Theseus modifiziert und ausgearbeitet hat,

|| 63 Vgl. Phaedr. 227 und 927. 64 Der Einwand, im Commonsense der Antike habe männlicher Ehebruch einen anderen Status als weiblicher, trifft nicht die Position Senecas (vgl. Ep. 97).

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scheint mir ein weiteres Indiz für die These zu sein, dass er den alltäglichen Wahnsinn mit all seinen Symptomen den Protagonisten seiner Tragödie auf den Leib geschrieben hat. Der Irrsinn des Königs endet auch nicht mit dem Eingeständnis Phaedras, Hippolytus zu Unrecht belastet zu haben. Zwar zeigt er Einsicht in seine eigene Schuld: „Ich erkenne mein Verbrechen: Ich bin es, der dich umgebracht hat“ (Phaedr. 1249–1250), doch der daraus resultierende Affekt der Gewissenspein schießt über das Ziel hinaus, wenn er einen Suizid erwägt, der in seiner Grausamkeit dem Tod des Sohnes nahekommt (vgl. Phaedr. 1223–1225). Auch hier sind es die Exzessivität des Affekts und die ihm innewohnende Irrationalität (die Selbsttötung würde das geschehene Unrecht nicht sühnen, sondern nur zwei Waisen als weitere Opfer der Tragödie produzieren),65 die Theseus’ alltäglichen Wahnsinn demonstrieren.

3 Fazit Der euripideische Hippolytos endet tragisch, aber versöhnlich: Artemis gewährt allen Beteiligten Vergebung, indem sie auf den absoluten und unhintergehbaren göttlichen Ratschluss der Aphrodite verweist. Der Zuspruch der Jagdgöttin an Theseus: „Du darfst Vergebung hoffen auch für solche Schuld. Denn Aphrodite wollte, dass es so geschah. Um sich zu rächen“ (Hipp. 1326–1328), gilt gleichermaßen für Phaidra und Hippolytos, der in diesem Sinne erkennt: „Kypris vernichtete uns drei, ich seh es nun.“ (Hipp. 1404) Der Königssohn verstirbt erst, nachdem seine Göttin die Tragödie aufgeklärt und er selbst den Vater liebevoll des Mordes freigesprochen hat. Hippolytos als wichtigstes Opfer erfährt für sein Leiden einen Ausgleich durch den ihm gewidmeten Kult der Bräute. Beides, die Versöhnung und Vergebung der Protagonisten ebenso wie die Einführung des Hippolytos-Kults, vermitteln dem Rezipienten des Dramas ein Empfinden wiederhergestellter Gerechtigkeit. Seneca dagegen verweigert dem Zuschauer bzw. Leser ein tröstliches Ende der Tragödie. Seine Phaedra, die nicht durch das böswillige Walten der personifizierten Liebesgöttin, sondern durch den von ihr selbst mittels der Zustimmung zu falschen Wertvorstellungen initiierten Liebesfuror ins Unglück geraten ist, wird erst im Angesicht der zerstückelten Leichenteile des Geliebten in den Selbstmord getrieben. Kirichenko weist mit Recht darauf hin, dass der Anblick des

|| 65 Die Hinterbliebenen und ihr Wohlergehen müssen nach Seneca bei der Entscheidungsfindung über den Suizid berücksichtigt werden (vgl. Ep. 77,7).

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zerfetzten Körpers die Erkenntnis der eigenen Schuld in Gang setzt.66 Allerdings stellt Phaedra sich ihrer Schuld nicht wirklich, sondern entflieht dem exzessiven Schuldaffekt durch einen Akt autoaggressiver Grausamkeit. Der vom Chor ausgesprochene Schlussvers ist vernichtend: „[…] und lastend liege die Scholle auf ihrem unfrommen (impio) Haupte“ (Phaedr. 1280). Vom Rezipienten allerdings erwartet Seneca eine andere Reaktion: Er soll durch die sich in der physischen Zerstückelung manifestierende destruktive Kraft des Liebesaffekts hinreichend erschreckt und zur philosophischen Umkehr motiviert werden. Zugleich verhindert das Wissen des Rezipienten über die Fiktionalität der Geschichte, dass das Erschrecken seinerseits zum exzessiven Affekt mutiert und bedrohlich statt funktional wird. Auch die Tatsache, dass im Unterschied zur euripideischen Fassung weder Hippolytus noch Theseus entlastet werden, ist bezeichnend: Wie Phaedra sind auch sie im Griff exzessiver Affekte (Frauenhass und Zorn). Liebe, Hass, Zorn und Schuld sind nicht nur auf der leiblich-physischen Ebene zerstörerisch. Auch im Geiste des von ihnen Betroffenen richten sie Schaden an, indem sie durch die mit ihnen verbundene kognitive Inkonsistenz und emotionale Instabilität eine abgründige mentale Zerrüttung und Fragmentierung generieren. Für diese geistige Verwirrtheit sind wir, so möchte Seneca anhand seiner Phaedra-Tragödie zeigen, selbst verantwortlich. „Phaedra – das sind mithin wir alle“67, schreibt Kugelmeier, und er hat Recht. Aber, so müssen wir mit Seneca eben auch hinzufügen: „Wahnsinnig – das sind mithin wir alle.“

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|| 66 Vgl. Kirichenko (2013) 43f. mit Verweis auf Phaedr. 1068–1069. 67 Kugelmeier (2015) 258. Allerdings gründet dieses Urteil bei Kugelmeier in seiner Intention, die senecanische Phaedra zu entlasten.

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Raphael Woolf

Cicero on Agency and Integrity I Let me begin by invoking a feature that I believe Cicero regards as crucial to any human agent’s living a good life, one that I shall label ‘integrity’.1 Behind this label lies the idea that each of us has a set of values and commitments that in an important way gives us our sense of identity. Some of these values and commitments may be shared by all, or nearly all, humans; some may be shared by particular groups or traditions – religious, social or cultural; some may be held distinctively, or at any rate in distinct permutations, by individuals. What the phenomenon described seems to indicate as a whole is that the possibility of living a good human life is to a significant extent founded on the possession of values and commitments that a human agent can regard as their own, and that can thereby serve to give their life meaning and structure. Integrity, in turn, I take to be, roughly speaking, the disposition of an agent to live one’s life in such a way that it accords with one’s core values and commitments. Most agents, I take it, would on reflection regard the possession of such a disposition as a necessary ingredient for leading a fulfilled life – which is not, of course, to say that one is always able to live one’s life with integrity. Obstacles of various kinds, both internal and external, may thwart our attempts to do so. Few, I think, would deny, however, that a human life is impoverished if it cannot be lived in that way. I have spoken of living one’s life ‘in accordance with’ one’s values and commitments. But that in turn has a certain vagueness about it. Consider, for example, a society that is militantly atheist, one in which people of religious belief are not tolerated and who are therefore forced to practice their religion, if they are to practice it at all, covertly. Now we can imagine that in such a society it may still be possible for one of religious conviction to live their life, to some extent, with

|| 1 Readers who detect the influence of Bernard Williams in the notion of integrity outlined here are not mistaken. See especially its invocation in Williams (1973), 108–118. Though I cannot discuss them further, there seem to me to be noteworthy affinities between Williams’ relation to the principal ethical theories of his day (Kantianism and Utilitarianism) and Cicero’s relation to those of his (Stoicism and Epicureanism), not least in their respective attacks on ethical systembuilding as unable to capture essential features of lived human experience. https://doi.org/10.1515/9783110735598-019

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integrity. One might, for example, follow certain of the rituals and practices of one’s religion in secret, perhaps with a small group of fellow practitioners. One might, additionally, live in such a way that one’s more public activities and roles are informed to the greatest possible extent by one’s (in this case religious) values and commitments. What one could not do, in this example, at least without serious risk, is to live in such a way that one’s values and commitments are publicly expressible as the basis upon which one lives one’s life. One might still, in such a scenario, find a way to live without wholly compromising one’s values and commitments. But most of us, I think, would regard such a life as nonetheless diminished, in a way that the life of an agent free to proclaim her values and commitments as the basis for her life would not be. Diminished, moreover, not simply because such a life is likely to have various extraneous disadvantages, such as, in the case of those who can only express their core values covertly, the fear of being caught. Rather, we might be inclined to agree that one’s life is diminished just insofar as one is unable to express its basis openly. We are social beings; and to be unable to proclaim our core commitments in social contexts – to live, as one might say, opaquely – is thereby to live a poorer life. Let us label in turn as ‘transparent’ a life whose basis can be so proclaimed. One of the main points I wish to draw attention to in this paper is the ethical importance that Cicero attaches to the notion of transparency and the way he uses this notion in his critique of both Stoic and Epicurean ethical theory. In sections II and III below, I examine this critique, Epicurean and Stoic respectively, which is to be found in Cicero’s main work on ethical theory De Finibus. I then turn, in sections IV and V, to what one might regard as Cicero’s main work of practical ethics, De Officiis, where we will see how his emphasis on transparency, now translated into a broader concern with the value of openness, continues to have a strong presence in his ethical reflections independently of its use as a critical tool. Finally, in section VI, I offer some thoughts on how Cicero’s views on the place of integrity in human life cohere with his professed sceptical outlook.

II First, then, a brief outline of the structure of De Finibus. It is a work in five main sections, or ‘books’. The first pair of books presents, respectively, an exposition and a critique of Epicurean ethics, the second pair does the same with regard to Stoic ethics. In the fifth book – which I shall not discuss here – there is both expo-

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sition and critique of the ethical position of the so-called Old Academy of Antiochus. Cicero is generally regarded as a rather hostile critic of Epicurean ethics. And certainly there are questions to be raised about how fair or accurate his account of Epicurean ethics is, as voiced in De Finibus by his Epicurean spokesman Torquatus. I shall not attempt here to assess in any detail this aspect of Cicero’s presentation. Broadly speaking, he treats the Epicurean goal as being the maximisation of the agent’s own pleasure; and in these broad terms he is not, I think, doing the Epicurean system any great injustice. My main interest, however, is not in Cicero’s historical fairness or accuracy as such. It is in what ethical lessons he supposes we can draw from his critique of Epicurean ethics, in particular concerning the importance of transparency in a good human life. Cicero, it seems to me, raises a problem in his critique for a theory that lays emphasis, as Epicureanism does, on the social nature of human beings (attested most notably by its views on the importance of friendship). The problem he raises is the difficulty of publicly proclaiming one’s (in this case) Epicurean beliefs.2 Cicero’s spokesman Torquatus, as a typically ambitious and well-connected young Roman, is pursuing the higher reaches of public office, and Cicero asks him to consider what effect it would have if he publicly announced that his aim in so doing was the maximisation of his own pleasure, rather than the serving of the public interest.3 Cicero indeed points out that Torquatus does not present himself in public in terms of the Epicurean rationale but speaks instead of duty and fidelity, of what is right and honourable, of risking all, even unto death, for his country.4 The example is couched by Cicero, never forgetful of his Roman readership, in highly Roman terms. Could not an Epicurean reply that all the case shows is that Roman values are so corrupted that an enlightened Epicurean in Rome will have to dissimulate in order to find favour with fellow citizens? This answer, on the face of it, seems exactly on point. Recall that the notion of integrity, as an ethical disposition, calls for us to live our lives in accordance with our core values and beliefs; and assume for the sake of argument that an Epicurean’s core commitment is the maximisation of their own pleasure. That one lives in a society in which this commitment cannot be publicly proclaimed without at least some

|| 2 See here Inwood (1990) 154–155. 3 Fin. II 74: quid merearis igitur ut dicas te in eo magistratu omnia voluptatis causa facturum esse teque nihil fecisse in vita nisi voluptatis causa? 4 Fin. II 76: officium, aequitatem, dignitatem, fidem, recta, honesta … omnia pericula pro re publica, mori pro patria.

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measure of social stigma does not in and of itself, we might think, recommend that one abandon one’s values – any more than societal disapproval of religious belief would necessarily recommend abandonment of one’s religion. On the contrary, if the maintenance of one’s integrity is crucial to the living of a good life, then in cases where the choice is between abandoning one’s core values altogether (assuming this to be even possible), and living, to some extent, in accordance with them, albeit without being able to express them publicly, perhaps the right thing for the agent is to choose the latter rather than the former option. This kind of response, though, I think misses something important about the example that Cicero gives. In suggesting that the proclamation of what he takes to be Epicurean values would sit ill with the traditional values of Roman society, the example does not rest on the idea that Roman values are right or wrong. Rather, it asks us to acknowledge the undesirability of having to live a lie – of presenting oneself to others in a way that misrepresents one’s true motives. Torquatus, in Cicero’s view, could only function on the political stage by representing his values as quite other than, as Torquatus supposes, they actually are. And to do this is already to compromise one’s integrity. For it is difficult to see how can one be said to be living fully in accordance with one’s values and commitments if one is unable even to own up to them in a public context. Perhaps the answer for an Epicurean is simply to confine oneself to one’s own circle – Cicero concedes that at least there one might be able to be honest about one’s motives.5 But can Epicureanism even take it for granted that such a circle exists? Given the corruptibility (as Epicureans see it) of human nature, it seems rash to imagine that one might not be quite isolated in one’s Epicurean views. The choice between isolation or even the company of a small band of fellow initiates, on the one hand, and wider acceptance in one’s society, but at the cost of leading a double life, on the other, seems at first blush a deeply unappealing one. Would an Epicurean necessarily find it so? Epicurus’s school in Athens was famously known as the ‘Garden’ in recognition of its location in (literally) Epicurus’s own backyard. And the paradigm Epicurean community seems to have been that of a relatively small, self-contained group, content for the most part to steer well clear of the cauldron of wider public and political participation. An outlook that is happy to preach a secluded and avowedly apolitical life – Epicurus famously bade his followers to ‘live unnoticed’ – may feel that such a consequence is, so to speak, Torquatus’s problem, not its own.

|| 5 Fin. II 76: eamne rationem igitur sequere qua tecum ipse et cum tuis utare, profiteri et in medium proferre non audeas?

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Cicero is, however, after more than the highlighting of tension between Epicurean theory and Roman convention. It is not, after all, as if we read Cicero’s critique and think: the problem of public proclamation is one peculiar to the culture of ancient Rome. In the political sphere at least, it is hard to imagine any politician in any age being able to assert (however truthfully) that they are acting to promote their own wellbeing rather than the public good, even if, as might turn out, the latter conduces to the former. It is equally hard, in many other vital areas of human association, including that most championed by the Epicureans, namely friendship, to imagine justifying one’s participation to those one is associating with by reference to one’s own pleasure rather than concern for those other participants.6 In this regard it is important that, although he maintains a Roman context, Cicero does not intend his critique of Epicurean ethics to be read as a mere clash with specifically Roman values. At Fin. II 116–117, he cites the epitaph of the Roman general Calatinus that “very many peoples agree” (plurimae consentiunt gentes) that he was the greatest of Rome’s citizens – evidently not, Cicero notes sardonically, for his devotion to pleasure but (implicitly) for his devotion to country, a devotion held in high esteem, we infer, not quirkily by Romans but by most of the nations of the world. Selflessly gallant behaviour is remarked upon in a more domestic context at Fin. II 58: a male friend passes on an inheritance left formally to him, but intended by the deceased for a female relative, since Roman women were legally excluded at the time from being the heirs of most estates. On the basis that he is sure Torquatus would do a similar thing, in contravention (as Cicero sees it) of his Epicureanism, Cicero concludes that it is all the more true that selflessness is “a power of nature” (vis naturae, II 58) – that is, not a specifically Roman value. Indeed, he concedes for these purposes that it is sometimes not even a Roman value at all, mournfully recounting a similar case, except where the male legatee refused to transfer the inheritance to the intended, and was cheered on in this dastardly act by the friends advising him (II 55). Selflessness is, as Cicero would have us acknowledge, a value of near universal reach. It is those (Romans included) who flout it who are, in his view, corrupt. Interestingly, even the ‘bad’ legatee sanctimoniously defends his position to his friends on the grounds of having sworn to uphold the law of inheritance in

|| 6 In fact at Fin. I 69 Torquatus reports that some Epicureans, in response to sceptical critique, thought that friendship would be altogether undermined if it were sought solely for the agent’s pleasure, and consequently made room for the idea of loving one’s friends for their own sakes.

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question (II 55),7 reinforcing the idea that his true selfish motive cannot be fully declared even in a relatively private and sympathetic context, let alone a more public one. Does, then, the apparent impossibility of full transparency for an Epicurean indicate simply that they are contending with a social setup whose values are corrupted? Or does it show, as Cicero urges, that Epicurean ethics is at odds with a value system rooted deeply in human nature? One ought perhaps to conclude that in either case Cicero has raised a serious problem for Epicurean ethical theory, since whichever side is nominally correct, the upshot seems to be that in order to flourish as a social being, an Epicurean is required to present as their own something other than the Epicurean viewpoint. If the Epicurean continues to insist that the difficulty of being transparent is merely a reflection of an unenlightened society, we are entitled to reply that from a practical point of view values that prevail in society through the corruption of our nature can be no less entrenched than those that would, from an Epicurean perspective, express our nature. Perhaps the hope remains for an Epicurean that by patient advocacy of their philosophy it will spread and thereby reform society and enable Epicureans to live more transparently. Cicero frequently notes in De Finibus that Epicureanism in fact already has considerable popularity (II 12; 28; 44; 49) and this may be somewhat more of an embarrassment for him than he cares to admit. Beyond hinting that this popularity was secured by recruiting and misleading the ignorant (II 12; 28), he confesses to not knowing exactly how this success has been achieved – the theory has “somehow or other” (nescio quomodo) managed to garner popular support (II 44). Surprising indeed if faced with a society in which disclosing plainly the Epicurean viewpoint was supposed to be unfeasible. But this in turn perhaps reveals an importance difference between accepting a theory and living it. As Cicero puts it, sometimes one lives in such a way that one’s discourse is refuted by one’s life.8 Torquatus calls himself an Epicurean and is willing, at least in a suitable context, to advocate its doctrines. Presumably he, among many others, finds them genuinely attractive and takes himself to live in accordance with them. What he cannot do, Cicero argues, is live them with transparency, since he cannot unreservedly profess them as the basis for his actions. And now comes a further interesting move on Cicero’s part. Torquatus is advised

|| 7 Contrast this patent insincerity of motive with the role played by a sworn oath in the case of Regulus (see section V below). 8 Fin. II 81: ita enim vivunt quidam ut eorum vita refellatur oratio.

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at II 699 and again at II 11810 to look within himself and decide whether it is really Epicureanism that he is committed to. That such self-reflection is called for implies, in Cicero’s view, a certain opacity (pun intended) on the part of such an agent as to his motives: he thinks they are Epicurean, but they are not. Why might that be? I suggest that part of Cicero’s point is that, as a social being, one cannot regard Epicurean values as truly one’s own, since any goal that expresses one’s nature as a social being – that of friendship, for example, or political participation – requires such values to be inert, at least when it comes to the very basis of a social existence, one that is vividly brought out by Cicero’s reporting of Torquatus’s political discourse: justifying oneself to others. Cicero’s appeal to Torquatus represents, I think, the idea that to live openly is not indeed simply a matter of having values, whatever they may be, that happen to be expressible within one’s society. Rather, there are constraints, which reflection on our nature as social beings will reveal, on the values that could possibly count as our own, and therefore as liveable, in those terms, transparently. It is not the case, then, that Torquatus is in the end faced with a genuine dilemma: either retain his core (supposedly Epicurean) values and commitments at the cost of living (to some extent) covertly, or follow an alien set of values at the cost of his integrity. Instead, to espouse Epicureanism is, in Cicero’s view, already to be alienated from oneself.

III From a theory that Cicero is, in any event, mostly unsympathetic with, I turn now, more briefly, to an aspect of Cicero’s critique of the Stoics (in Book IV of De Finibus), which, precisely because it is targeted at a Hellenistic school whose doctrines Cicero generally presents himself as rather more respectful of, underlines the importance to him of transparency as an ethical ideal. The Stoics, Cicero contends, have a theory which, in the terms they express it, cannot be proclaimed in those contexts that define the sphere of public life for a Roman: the courts, the senate-house and the battlefield (IV 21). Crucial to Cicero’s attack here are various elements of Stoic ethical theory connected with their conception of virtue: in particular, first, the idea that virtue || 9 Fin. II 69: non potes ergo ista tueri, Torquate, mihi crede, si te ipse et tuas cogitationes et studia perspexeris. 10 Fin. II 118: tute introspice in mentem tuam ipse eamque omni cogitatione pertractans percontare ipse te, perpetuisne malis voluptatibus perfruens …

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is the only human good, and vice the only human evil, with all other things normally regarded as goods (health and wealth, for example) or evils (poverty and sickness, for example) being, in reality, to use the Stoic technical terms, ‘preferred indifferents’ and ‘dispreferred indifferents’ respectively; and secondly, the idea that possession of virtue is an all or nothing affair: those who are not perfectly virtuous are not virtuous at all, on the Stoic view. My aim, as before, is not to assess the accuracy of Cicero’s presentation of his opponent’s position, nor indeed the intelligibility of that position, but to draw attention to a certain pattern, revolving round the notion of transparency, in Cicero’s critique of Hellenistic ethical theory. Thus, Cicero observes, a lawyer could not credibly conclude the case for the defence by declaring that the punishments of exile and confiscation were not evils, but merely to be ‘rejected’ (the Stoic technical term, counterpart of ‘chosen’ or ‘selected’, for aversion towards dispreferred indifferents); nor could an orator, he goes on, with Hannibal at the gates, announce that captivity, enslavement and death were no evils (IV 22). Moreover, the senate would not be able to speak of Scipio Africanus’s triumph over the Carthaginians as won by his valour, since he did not meet the standards of perfection required, in Stoic terms, for virtue (IV 22). This sort of objection is perhaps more potentially damaging to the Stoics, who place more emphasis than do the Epicureans on participation in public affairs, than it was for the Epicureans. It looks as if the Stoics cannot, in the public sphere, use their own distinctive manner of expression on the subject of virtue. What they are left with, as Cicero sees it, is hypocrisy: the use of ordinary ways of speaking in the public domain, their own language in their school writings.11 It is clear from Cicero’s examples that for him this is not a matter of the Stoics adjusting for the technical ability of their audience, but of avoiding characteristic expressions which, in unadjusted form and taken at face value, would have no purchase on the practical contexts in which they were to be uttered. As in the Epicurean case, so too in the Stoic, Cicero’s attack here does not revolve around a direct attempt to demonstrate that the theory under consideration is false.12 What he tries to show instead is that it cannot be publicly proclaimed. And for such a theory that is already a major strike against it. || 11 Fin. IV 22: quae est igitur ista philosophia quae communi more in foro loquitur, in libellis suo? 12 At Fin. IV 53 Cicero concedes for the sake of argument his Stoic expositor Cato’s claim at III 74 that the Stoic system is utterly self-consistent; so its basic principles can be shown to be false only insofar as the conclusions that follow from them are false – and false they are, says Cicero at IV 55, insofar as “common sense, the nature of things and truth itself shouted out (clamabat)” that it was not possible to be persuaded of them – a striking notion of these conclusions meeting their fate at the bar of open proclamation.

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IV Let me now trace through this concern with the importance of being able to live openly into Cicero’s work De Officiis, written formally as a guidebook for his son Marcus (and thereby for his readership as a whole) on the correct approach to take for one who wishes to live a good life. Central to the work’s structure is the interplay between the notions of what is honourable and what is advantageous, Cicero’s aim being to show that ultimately there is no tension between the two: all and only what is honourable is thereby advantageous (see e.g. II 9; III 11), his principal arguments to this effect coming in the work’s third and final book. I shall look at two sections of Book III in particular in this regard: the discussion of Gyges’ ring,13 and of the exploits of the Roman general Marcus Regulus. The tale of Gyges, as memorably laid out in Book II of Plato’s Republic, is of particular concern to any advocate of the idea that doing the honourable thing and doing the advantageous thing never come apart, since it seems to present on the face of it a glaring exception to that principle. If you recall, then, the story, in brief, goes that Gyges of Lydia, a humble shepherd, one day discovers a magical ring that makes him invisible. Using its power he is able to kill the king, usurp his throne and rule in his place. Assume for the sake of argument that Gyges’ actions are indeed dishonourable: is there anything to be said, in terms of Gyges’ own advantage, to persuade him that it would have been better to refrain from acting thus? Given the powers of the ring, Gyges can be reasonably assured of not being caught. In more mundane cases of advantage sought dishonourably, while it might be perfectly rational to balance, against a risk of getting caught, the potential rewards of success, the assessed chances of getting caught will nonetheless presumably serve commensurately as a deterrent to the dishonourable action. Gyges, by contrast, given the unusual circumstances of his finding the ring (in a chasm in the earth on a body of immense size), can be confident that it puts him way ahead of the pack: not only does he relinquish the usual risk of getting caught, he has little need to take account of the possibility of others being in a similar situation to his. His reasoning then, from the point of view of his own advantage, seems rather straightforward: I can gainfully do wrong; no one else can challenge me; so I should. Cicero is not satisfied with what looks like one obvious response to the Gyges scenario, namely that it is so unrealistic that we do not need to take it seriously.

|| 13 For some broader reflections on Cicero’s treatment of the Gyges tale, see Woolf (2013).

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He instead imagines an opponent – most likely an Epicurean who would deny that we have reason to pursue justice other than for our own advantage – facing a dilemma. Either they would have to admit that justice is worth pursuing for its own sake, if they agreed, hypothetically, that they would not use the ring unjustly, or, if they say they would use it thus, “they would be confessing that they are wicked” (facinorosos se esse fateantur, III 39). Now this may not seem a very effective piece of argument on Cicero’s part. After all, even if he himself believes that justice should be pursued come what may, his main defence of it in Book III is that it is in fact advantageous to pursue it thus. It seems to me, though, that the wording of his conclusion that one who says that they would use the ring would thereby be “confessing” to wickedness is significant and provides an important clue to his strategy for defending the inseparability of the honourable and the advantageous. He speaks of a wise person who possessed the ring as thinking themselves no more free to do wrong than if they did not possess it – good people, Cicero says, seek what is honourable, not what is hidden.14 Recall, then, that in De Finibus Cicero pressed the point that an ethical outlook is flawed if it cannot be publicly expressed by the agent who holds it, since that will require the agent, in order to live as a social being at all, to do so by presenting a false picture of themselves. A similar point, it seems to me, is at work in De Officiis. No one can ‘confess’ to being wicked and still expect to have a place in society. The good seek what is honourable over what is hidden because being able to live one’s life openly is, given one’s social nature, a better way to live. Cicero thus ingeniously and with some force turns what was supposed to be Gyges’ most effective weapon – his ability to go about his business covertly – against him. It is precisely this aspect that debars Gyges’ way of life from being a good one, and encourages us to prefer a life of openness to one of concealment. Returning to Gyges at III 78, Cicero observes that just as what is shameful cannot be made honourable by being “covered up” (occultetur), so too what is not honourable cannot be made advantageous, “since nature resists and refuses”.15 Indeed Cicero has just mentioned as a characteristic of the good person that they would “not dare to think, let alone do, anything that they would not dare to proclaim”.16 This ideal of transparency was brought out also at III 61 where Cicero suggests that “pretence and concealment be abolished from the whole of our

|| 14 Off. III 38: honesta enim bonis viris non occulta quaeruntur. 15 Off. III 78: adversante et repugnante natura. 16 Off. III 77: itaque talis vir non modo facere, sed ne cogitare quidem quicquam audebit, quod non audeat praedicare.

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life”.17 He is generalising here from the legal concept of fraud and what, in the context of commercial transactions, is required to avoid it. But Cicero is writing philosophy, not legal theory (cf. III 68). And although he spends some time in Book III on the importance of transparency in commercial contexts (see III 50– 67), particularly regarding property, he seems deliberately to emphasise that transparency is a value that we should, ideally, uphold in every aspect of our life, just because a life lived transparently is a better life. Like most ideals, that of transparency seems to function more as a goal to aspire to than a prescription that is achievable in full. But it is evidently one that Cicero regards with great seriousness. Behind his advocacy of it lies the idea that if we cannot interact openly and honestly with others then both the quality of our own lives and, for that matter, the structures of society are undermined. One who is unable to relate transparently to others is to be pitied rather than admired. As part of his strategy in defence of the dishonourable as the enemy of one’s own advantage he attacks the holding of absolute power (of which Gyges is, as it were, an idealised example) as being miserable for the wielder of such power. Those with absolute power can in the end only sustain that power through fear. And as Cicero had put it succinctly at II 24, “those who wish to be feared must themselves be afraid of those by whom they are feared”.18 Another story that Cicero is fond of alluding to (Off. III 45; cf. Fin. II 79; Tusc. V 63) is that of Dionysius, tyrant of Syracuse, begging to be a third in the friendship between Damon and Phintias, after one of that pair had agreed to stand in for the other while the latter, sentenced to death by Dionysius, went off to make his final dispositions, loyally returning despite Dionysius’s scepticism that he would: a story that illustrates both the loneliness of absolute power and the compelling quality of friendship. True friendship in turn is the vehicle by which, as Cicero had put it at Fin. II 85, one shares all one’s secrets – the same word (occulta) that Cicero used at Off. III 38 (which I rendered above as “hidden”) to refer to the things good people wish to avoid. The importance of openness in friendship is a persistent theme of Cicero’s work on friendship De Amicitia (see e.g. 44– 45; 65; 91; 97). But De Officiis goes one step further in treating openness as a value that should ideally permeate all our interactions, and whose absence makes poorer individual and society alike. There is then, I think, force in Cicero’s defence of the idea that being dishonourable is disadvantageous to the agent. It embodies the basically plausible notion that morally shameful behaviour puts one beyond the social pale and this in

|| 17 Off. III 61: ex omni vita simulatio dissimulatioque tollenda est. 18 Off. II 24: etenim qui se metui volent, a quibus metuentur, eosdem metuant ipsi necesse est.

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turn is an intrinsically bad outcome – Cicero’s extra twist, I have argued, being that an agent who tries to avoid this outcome by concealing his behaviour is equally cutting himself off from the possibility of living openly that is an essential element of a good human life. Cicero is able, thus, to argue that nothing dishonourable is advantageous for the agent. But what about the further thesis that what is honourable is advantageous for the agent? The first thesis, after all, entails no more than that only what is honourable could be advantageous, and that falls well short of the stronger thesis that Cicero wishes to establish, that whatever is honourable is (thereby) advantageous. One might see these two theses as corresponding to the two aspects of injustice that Cicero had outlined earlier at Off. I 23, respectively the commission of harm and the failure to prevent harm being done. He has argued thus far that the commission of harm is in effect against the interests of the agent, and that one should therefore refrain from it. Now, it seems, he needs also to show, if he is to prove his stronger thesis, that intervention to uphold the safety and wellbeing of others is advantageous for the agent. One strategy for doing this is simply to apply the point about transparency to the positive case. While the wrongdoer cuts himself off from society, the actively just person is both cherished by society and able to live their life openly, on both counts having a more fulfilled existence than their vicious counterpart. In Book III these two aspects are juxtaposed when Cicero turns from the ‘negative’ precept that no one shall harm another to profit themselves (III 23), to the ‘positive’ example of Hercules who did not simply refrain from doing harm, but rather, instead of choosing to enjoy a comfortable private life, “underwent the greatest toils and troubles for the sake of protecting and assisting all the peoples of the world” (III 25). Hercules’ reward was to earn a reputation for service to the human race that placed him amongst the gods in heaven (III 25). We may, however, think that Hercules’ reward is somewhat double-edged, and that, given some earlier remarks of Cicero about that legendary figure planning his life of virtue in solitude (I 118),19 he remains a problematic paradigm for a human to follow. His reputation seems not to cement him within human society, but to place him beyond it. Indeed the example is problematic in a way that is highly pertinent to the question of whether Cicero can show the advantage to the agent of behaving honourably in the sense of actively serving others rather than

|| 19 Even his (rejected) choice of a life of private comfort is characterised as being lived in solitude (in solitudine, Off. III 25), which, since this is juxtaposed with the supposed enjoyment of ‘the greatest pleasures’ (maximis voluptatibus), insinuates an association between Epicurean life and lack of society.

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simply refraining from harming them. That is because, in many such cases of activism, the honourable behaviour results in the agent removing themselves from society in the most final and literal way possible: by the loss or sacrifice of one’s own life.

V Cicero’s principal example of such behaviour in De Officiis is the tale of Regulus (who also features at Fin. II 65 specifically as a counter-example to Epicureanism),20 consul in the third century BCE, taken as prisoner of war by the Carthaginians, who release him back to Rome to negotiate a prisoner swap involving himself and Carthaginian captives held by Rome. Regulus swears an oath to the Carthaginians that he will return to captivity if he fails to negotiate the exchange successfully. Once at Rome, he urges the senate not to capitulate to the demand for an exchange, returning thence to Carthage and certain death. How does Cicero show that such action – in particular the return – was to Regulus’s own advantage? The case really has two separate components. First is the oath that Regulus swore, to return to Carthage if the prisoner exchange were not agreed. Second is his urging the senate not to assent to the exchange. The latter can, we might agree, be regarded as honourable behaviour independently of any oath that had been taken. For example, even had he remained in captivity, Regulus might have got word to the Roman authorities that they should not assent, dooming himself as in the actual scenario but without the addition of an oath. It is interesting, in regard to this second component, that Cicero can do no more than ask a rhetorical question. He imagines an opponent claiming that Regulus was foolish not only to fail to recommend the exchange but even to argue against it, to which Cicero replies: “Even if he acted in the interests of the state? And can what is disadvantageous for the state be advantageous for any citizen?”.21 One might think that the obvious answer to this latter question is ‘yes’, particularly in Regulus’s case, granting that his actions were indeed in the interests of Rome in terms both of the retention of valuable Carthaginian human assets || 20 When Cicero discusses with Atticus his composing of the De Officiis (Att. XVI 11,4), he cites Regulus as the paradigm example of apparent conflict between the honourable and the beneficial. 21 Off. III 101: etiamne, si rei publicae conducebat? potest autem, quod inutile rei publicae sit, id cuiquam civi utile esse?

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(III 100) and the breaking of Carthaginian morale (cf. III 114). Note that Cicero refrains here from claiming the converse: that what is advantageous for the state must thereby be advantageous for each of its citizens. And I take it that the reason he does so is that it is indeed implausible that Regulus was advantaging himself in arguing against the exchange. Cicero is, however, at least asserting that it would not have been advantageous for Regulus had he failed to serve Rome as he did in arguing against the exchange and then following up on that argument by returning to Carthage. How could that be? This, I think, is where the role of the oath comes into play and it is here that Cicero’s main argument is to be located. Regulus’s disadvantaging of Rome, as he perhaps rightly would have seen it, by staying put there in the absence of an exchange, would have disadvantaged him too, precisely insofar as a refusal to go back to Carthage and accept his fate would have meant breaching his oath to the Carthaginians. Cicero insists that he was indeed bound by that oath, since it was undertaken in accordance with the laws of war (III 107–108). Thus although Cicero tells us that Regulus was indeed to be praised for abiding by his oath, he also says that the praise is really due to his times, not to him as an individual, given the importance that Romans of that era placed on sworn oaths (III 111). What Cicero does, then, is play down the positive heroism of Regulus in favour of the view that to breach the oath would have been terribly wrong, despite the dire consequences for him of upholding it. It is not that returning to Carthage was wonderful for him, but that staying in Rome would, in these circumstances, have been dreadful. Cicero emphasises in this regard the difference between swearing an oath when one is well aware that one has bound oneself thereby – “in accordance with your own mind’s opinion” (ex animi tui sententia) as the Roman legal wording that he cites has it – and doing so when one has no such understanding, for example in dealing with pirates or others who have put themselves beyond the pale (III 107). Regulus, he implies, knew well that he had sworn what would rightfully be taken as a binding oath. To then breach it would be to place himself at odds with his own self, and reveal him as a “cowardly, craven, dejected and broken spirit”,22 whose plight was the result of his having been straight neither with a legitimate foe nor with himself. It is interesting that Cicero, in describing Regulus’s fate had he chosen to stay in Rome instead of returning, says that “he would have remained at home, a captive elder, a perjurer of consular rank”.23 We are, I take it, to imagine someone

|| 22 Off. III 115: timido animo, humili, demisso fractoque. 23 Off. III 100: si domi senex captivus, periurus consularis remansisset.

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unable, because of his status and his breach of the oath, to live at peace with either himself or his society. To this extent Cicero can claim that Regulus was better off returning to Carthage than staying in Rome (III 100), and that his staying could not have been advantageous for him, since it was dishonourable (III 115). It turns out, then, that the purportedly positive case of heroic behaviour is treated not so differently from the negative cases of avoiding wrongdoing. One might think that Cicero has thereby failed to offer a defence, in terms of the agent’s advantage, of positive action in its own right, as opposed to avoidance of the negative (breach of an oath in this case). This thought, it seems to me, is correct, and, as his treatment of Regulus shows, likely to be deliberate on Cicero’s part. It is, he implies, not possible to show how self-sacrificial behaviour such as that of Regulus can, in those terms, be to the agent’s advantage. He can, however, make the case that any behaviour that involves an agent undermining their integrity or living as a pariah as a result is not in the agent’s interest. The Regulus case thus reinforces a message that, I have argued, Cicero has pressed consistently: the good life is the life that can be lived openly. By being true to his oath and speaking his mind before the senate, Regulus guaranteed his own death. But an honourable death is preferable, as Cicero sees it, to a life of bad faith. The example of Regulus is, it seems to me, thrown into relief by reflection on Cicero’s dialectical engagement with Stoic and Epicurean ethical theory in De Finibus which we examined above. Cicero does not try to prove those theories false but to undermine them by inviting us to see their implications for an agent who tries to live in accordance with them. In the end it is we who must decide to agree (or not) that the theories have those implications and that the implications are unacceptable for a life that is to be well-lived. If we do agree, then perhaps we will regard Regulus as having done the best for himself and draw appropriate conclusions for our own agency, even if (as we may hope) we are faced with somewhat less dramatic circumstances in our lives than Regulus was in his.

VI I would like in the final section of this paper to consider the question of how Cicero’s advocacy of an ethics of integrity, centred on transparency, relates to his own philosophical outlook. If I am right, then this advocacy should be part of that outlook. But one might think nonetheless, in ways that I shall spell out below, that it risks creating tension with other elements in his outlook, in particular his

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profession of Academic scepticism.24 That in turn raises further, familiar, questions about interpreting Cicero: we may wonder what exact version of Academic scepticism it is that Cicero espouses, and whether he is consistent on the matter; and we may wonder to which ‘Cicero’ we are to attribute a sceptical outlook, assuming we think it prudent to distinguish, at least in principle, between Cicero the historical figure, Cicero the self-presenting author of philosophical works, and (where applicable) Cicero as a character in those works. I shall not try to settle such large questions here. Instead I shall focus, briefly and without aspiration to comprehensiveness, on the two works examined in this paper – De Finibus and De Officiis – in order to see whether or not what Cicero says therein about his sceptical outlook sits comfortably with the advocacy I have attributed to him of a life lived with integrity. Why, then, might one think that the profession of scepticism would sit ill with such advocacy? First and foremost, one might wonder whether it is so much as intelligible for a sceptic to have the kind of values and commitments that would be a necessary precondition for a life lived with integrity. If Cicero is a sceptic, the objection might run, he cannot profess commitments; if he does make such professions, then he cannot be a sceptic. By way of response, let us note that at Off. II 7–8 Cicero raises, and addresses, a related objection against himself. He speaks at II 7 of “learned and erudite” people – implying that this is an objection raised in a philosophical context – who asks whether he acts consistently in, on the one hand, claiming that nothing can be known (percipi nihil posse), and on the other hand, continually discoursing on various topics and at this particular moment setting forth “rules of duty” (praecepta officii) no less. The force of the objection seems to be that one can consistently set forth moral precepts only if one takes it that knowledge of such precepts is to be had. If Cicero is a sceptic, he cannot hold that it is possible to know such precepts, and so, equally, he cannot with consistency have a commitment to such precepts. It seems that Cicero, on pain of relinquishing his scepticism, may not therefore contemplate a set of commitments as something that can be taken on and professed. Cicero’s response is telling. He asks what sort of mental outlook, or rather, as he adds pointedly, what sort of life would there be if one did away with a method not simply of reasoning but even of living? He reminds the objector that what differentiates sceptic from dogmatist is not that the former simply roams around in a state of vagueness “without anything to follow”.25 Rather, where the dogma-

|| 24 My thanks to Ursula Coope for pressing me on this point. 25 Off. II 7: nec habeat umquam, quid sequatur.

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tist holds that some things are certain, others not, the sceptic holds that some things are plausible (probabilia), others not; and there is nothing to prevent him following what seems to him plausible (II 7–8). Cicero, then, faces clearly the challenge that a sceptic’s life is not liveable without commitments and replies that, insofar as he is permitted, as a sceptic, to follow what he regards as plausible, there is nothing to stop him having commitments. He rejects as mistaken the idea that certainty is required for commitment. And it seems to me he is right about this. I can intelligibly have, for example, a set of religious or political commitments without regarding the beliefs that underpin them as indubitable. Uncertainty and commitment are not mutually exclusive. But Cicero is not content simply to argue that his brand of scepticism is compatible with possession of commitments. He seeks to turn the tables on his opponents and show that their outlook bespeaks an “arrogance of assertion … a recklessness that is far removed from wisdom”.26 Cicero suggests that an attitude which allows that certainty is possible is in fact likely to lead one to becoming convinced by things that do not epistemically merit such conviction. It is not, I think, that the notion of things being (at most) plausible itself has the status of a dogmatic judgement, with inconsistency now threatening the sceptic one level up, as it were. Cicero has no particular interest in asserting that, say, ‘2+2=4’ could be false.27 His stance does not principally concern particular items that might or might not be knowable with certainty. Rather, he is contrasting two sorts of attitude one might have: one which holds that certain knowledge is achievable, the other which remains open to the possibility that, however convinced we might be, things may be different from how they seem. It is with respect to this contrast in attitude that Cicero’s claim about wisdom should be assessed. If the dogmatist is more likely, in virtue of their dogmatism, to be convinced by what does not merit conviction, then the sceptic’s commitments can, to that extent, be regarded as more authentic than the dogmatist’s. In De Finibus, we can see the notion of plausibility put to practical work, especially in Cicero’s opening discussion with Torquatus in Book I.28 Here Cicero emphasises his open-mindedness by telling Torquatus that nothing would prevent him from being an Epicurean if he found plausible (probarem, I 27) Epicu-

|| 26 Off. II 8: affirmandi arrogantiam … temeritatem, quae a sapientia dissidet plurimum. 27 Cf. Tusc. I 40, where Cicero invites us to regard some matters as beyond doubt (num igitur dubitamus) insofar as they have ‘mathematical’ warrant (persuadent enim mathematici). 28 For a more broad-based discussion of Cicero’s sceptical stance in the work, see Brittain (2016).

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rus’s doctrines. Indeed he adds that he will not be “obstinate” (pertinax) but will “gladly” (libenter) assent if Torquatus will make those doctrines plausible for him (I 28). This emphasis on attitude chimes in with the sentiments in De Officiis II that we just examined. Cicero again moralises the debate by implying that the dogmatist, unlike the sceptic, is inclined to stick to their respective schools’ doctrines with a stubbornness that is unwarranted. In similar fashion, at Fin. I 16 Cicero recalls his encounters with the Epicurean teachers Phaedrus and Zeno of Sidon, telling Torquatus that all they had made plausible for him about Epicureanism was their “devotion” (sedulitas) to the system. It is, as he had said in his preface at I 13, the sceptic whose passion is to find the truth. This propensity of the adherents of dogmatic schools to hold fast to their doctrines regardless (Cicero implies) of the epistemic propriety of their doing so reflects his diagnosis in De Officiis II of the consequences of an attitude that takes certainty to be attainable. Notice, then, a prominent feature of Cicero’s attack on the Stoics in De Finibus: he insists that whatever they may say, in substance their apparently radical ethical doctrines do not differ from the more commonsensical position of the Peripatetics.29 Recall, too, how Cicero exhorted Torquatus to examine himself and figure out whether it is really Epicurean doctrine that he subscribes to. The implication is that, for both Stoics and Epicureans, what they say does not reflect their genuine belief. The charge at this point has moved beyond hypocrisy to a failure of self-knowledge. The pleas to Torquatus at II 69 and II 118 that we noted earlier make this especially clear, but with Cato, Cicero’s Stoic opponent, too, Cicero does not accuse him of being insincere in denying, as he does at IV 2, the equivalence of Stoic and Peripatetic ethical doctrine; rather, he tries to persuade Cato that what Cato espouses is not what he thinks it is. Cato refuses to concede the point (III 10; IV 80) and paradox may seem to lurk: how can the stubbornness of an agent’s adherence to a set of doctrines suggest a questioning of the agent’s belief in those very doctrines? The appearance, I think, is deceptive: rigidity and fragility are not incompatible qualities. The dogmatists see themselves as entitled to the possession of commitments; yet those supposed commitments crumble, as we have seen, when faced with the prospect of being tested in the public arena. In that fundamental sphere of human agency, the dogmatists’ claims are found out.

|| 29 Fin. IV 2; 57; 72; cf. III 10; IV 22; 60. On this form of argument more generally in Cicero, see Schofield (2012); Müller (2020).

Cicero on Agency and Integrity | 431

If Cicero is right, it is not the sceptic who thus lacks authenticity of commitment, but his dogmatic opponents, who reveal, in their interaction with their social environment, a hollowness at the heart of their professed dedication to what their system says they must say. If my reading of Cicero has been correct, he has in this regard a robust defence to mount of the thesis that the platform on which a life of integrity can be built belongs not to the dogmatist, but the sceptic.

Bibliography Brittain (2016): Charles Brittain, “Cicero’s Sceptical Methods: the Example of the De Finibus”, in: Julia Annas and Gábor Betegh (eds.), Cicero’s De Finibus: Philosophical Approaches, Cambridge, 2016, 12–40. Inwood (1990): Brad Inwood, “Rhetorica Disputatio: The Strategy of De Finibus II”, in: Apeiron 23, 143–164. Müller (2020): Jörn Müller, “Mere Verbal Dispute or Serious Doctrinal Debate? Cicero on the Relationship between the Stoics, the Peripatetics, and the Old Academy”, in: Gernot Michael Müller and Jörn Müller (eds.), Cicero Ethicus: Die ‘Tusculanae disputationes’ im Vergleich mit ‘De finibus bonorum et malorum’, Heidelberg, 2020, 173–196. Schofield (2012): Malcolm Schofield, “The Neutralizing Argument: Carneades, Antiochus, Cicero”, in: David Sedley (ed.), The Philosophy of Antiochus, Cambridge, 2012, 237–249. Williams (1973): Bernard Williams, “A Critique of Utilitarianism”, in: John Jamieson Carswell Smart and Bernard Williams, Utilitarianism For and Against, Cambridge, 1973, 77–150. Woolf (2013): Raphael Woolf, “Cicero and Gyges”, in: Classical Quarterly 63, 801–812.

Miira Tuominen

Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions 1 Introduction Thinking about action and responsibility often involves reflections on things we do not do. To mention a few examples, we might not vote, fly, eat meat, save a person from drowning, call someone, or water someone’s plants although we promised to do so. To quote Randolph Clarke’s recent book-length study on the subject: (T1) [T]here’s a further interesting facet of our agency: we sometimes omit to do certain things, or refrain from […] doing them. […] Sometimes one doesn’t listen as carefully as one should. I might plan to buy milk on the way home but forget to do so. Occasionally we fast, boycott certain products, or refrain from doing things we’re tempted to do.1

In today’s discussion, things that we do not do are typically called ‘omissions’. If we do not vote, fly, eat meat, or water someone’s plants and so on, we omit doing those things. Sometimes it is also said that we refrain from doing them.2 In Clarke’s view, we also omit to buy some things if we boycott them or omit eating if fasting. One important point about omissions is that one is or can be equally responsible for things one does not do as one is of things one does. This point is not controversial. However, all omissions are not necessarily alike. In this essay, I shall focus on how the notion of omission is related to the notion of abstinence in the context of Porphyry’s argument for the claim that the highest kind or degree of justice requires restraint from harming living creatures. The argument is found in the treatise translated as On Abstinence from Killing Animals by Gillian Clark3 – not to be confused with Randolph Clarke referred to above.

|| 1 Clarke (2014) 1. 2 Some scholars have introduced a distinction between omitting and refraining; see, e.g., Brand (1971), 46, while others simply talk about ‘omissions’ throughout the spectrum of nondoings (e.g., Clarke (2014)). 3 Clark (2000). https://doi.org/10.1515/9783110735598-020

434 | Miira Tuominen

A central question for my topic is whether abstinence is an omission in a sense of simple not-doing, i.e., whether abstaining from causing harm to animate creatures as Porphyry describes it should merely be understood as not causing harm to animate creatures or whether there is something else we should add to the description or definition of abstinence. Another question is whether we should classify omissions more generally on the basis of normative considerations. Some examples of omissions are cases in which a person did not do what they should have done.4 I might have forgotten to water my friend’s plants although I promised to do so, and it can be said that I omitted to do what I should have done. Another, more striking case of not doing what one should have done is a widely-discussed example of a person who does not save a child from drowning.5 By contrast, other cases that are normatively relevant in the moral sense are such in which one refrains from doing what one should not do. For instance, if one follows the maxim “thou shalt not kill”, one is not doing something one should not do. As to the second difference just mentioned, one general intuition is that classifying omissions on the basis of moral grounds (merely as something praiseworthy or blameworthy) is a task of moral theory. From this perspective, action theory is more interested in what is common to omissions across the morally normative spectrum. The general idea that omissions simply are not-doings raises the question of whether every situation (potentially) generates infinitely many omissions. At the moment, for instance, in addition to not killing anyone, for instance, I am not running a marathon, not taming a tiger, not counting to 15 432, not counting to 14 532, or adding the two together, and so on. It seems that some limits to omissions are implied by what I can do, since I can only omit doing something that I can do or could have done. However, as the example of counting shows, this does not prevent the number of omissions from growing infinitely large, since it seems that insofar as I am able to count, do adding and other basic mathematical operations, I am capable of doing an infinite number of them.

|| 4 One way of relating omissions to normative considerations is by using a normative expression to denote the thing one does not do such as ‘evade’ or ‘neglect’. What I mean is rather the distinction between whether one does not do what one should have done or what one should not have done in the moral or ethical sense of ‘should’. 5 The thought experiment can be tweaked by additional conditions (such as added sharks) to test our intuitions about to what extent the person can or cannot save the child, is responsible for not saving the child, and whether or not they could or should have done otherwise. For a recent discussion of the thought experiment and its various modifications, see Clarke (2014) 127– 153.

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It has been suggested that there is a difference between being inactive with respect to something, e.g., sleeping in the bedroom when the phone rings in the living room, and omitting to do something.6 This means that simply being capable of doing something (φ) and not doing φ (at time t) is not sufficient for one to omit to φ (at time t) but that we need some more specific criteria as to what is relevant to one’s course of action at a given moment. Things that I could do but that fall outside the scope of things that are relevant in this way, are not things I omit doing at a given moment. At least some of them are such that I am inactive with respect to them. This suggestion perhaps blocks an infinite series of omissions. However, it is far from obvious how the criteria for relevance to someone’s course of action at a given moment should be defined. It is not my task to discuss such general problems related to omissions here. Instead, I shall focus on the question whether abstinence from harming animate creatures in Porphyry’s treatise can or should be analyzed as an omission and what this implies. At first sight, abstinence seems to fall under the general category of omissions: it is described as not doing something or as refraining from doing something, namely from harming animate creatures or creatures with life, “staying away from the ensouled” as the literal translation of the Greek title of the treatise (peri apochês empsuchôn) would have it. In the following, I shall argue in section 3 that the kind of abstinence Porphyry argues for is not a simple not-doing but rather should be defined with reference to the general ethical framework of striving to live the best possible life for human beings. Although this conclusion is related to Porphyry’s own philosophical framework, it perhaps has some implications to todays’ discussion of such actions as dietary choices and not flying for ethical and/or environmental reasons.

2 On Abstinence 2.1 The Highest Justice Requires Abstinence from Harming Animate Creatures In his treatise On Abstinence from Killing Animals – On abstinence for short – Porphyry argues that philosophers who aim at the highest goal in human life, assimilation to god, to the greatest possible degree must refrain from causing

|| 6 Brand (1971) 46.

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harm to living creatures. The seminal passage for assimilation to god as the goal of human life is found in Plato’s Theaetetus: (T2) The flight consists in the assimilation to god insofar as it is possible. The assimilation, in its turn, [consists in] becoming just and pious with wisdom. (176b1–3; tr. M.T.)

The virtues that are central in this formulation are important in Porphyry’s argument as well. Book II is concerned with piety and book III with justice, while book IV has the following connection with wisdom. Porphyry focuses on a single objection, namely that no peoples and no sages have abstained from eating meat (I 13,5–14,1; IV 1,2). He responds to the objection by listing a number of (alleged) dietary restrictions among various groups of people including priests described as philosophers (IV 17,4 = 256.18 Nauck) or as being wise about gods.7 By reference to his case studies on such groups, their dietary restrictions and way of life, Porphyry claims that wisdom requires abstinence rather than opposes it. With respect to justice, Porphyry says it must be extended to all animate creatures because justice is, as I shall argue, partly constituted by abstinence from causing harm to others. Consider, for instance, the following: (T3) [J]ustice lies in restraint from and avoidance of causing harm to everything that does not harm. This is how the just person is conceived of,8 not that other [i.e., the Stoic] way; so justice, since it lies in avoidance of causing harm, extends as far as animate beings. (III 26,9 = 224.2–6; Clark’s translation slightly modified)

In Porphyry’s argument, animate creatures include not only human beings and non-human animals but also plants. Therefore, although the focus is on abstinence from eating meat, reaching the goal of assimilation to god requires abstinence from injuring animals and harming plants and is thus broader than vegetarianism.9 The emphasis on vegetarianism is due to the fact that, on the one hand, most objections Porphyry lists in book I are objections to vegetarianism.

|| 7 Porphyry coins the term theosophein, cf. theosophia, in IV 17,1 = 256.7–8. 8 Clark (2000), 98, translates “this is how the just man thinks”, which is not quite right. The verb is in medio-passive (noeitai) and a corresponding translation is found in Bouffartigue/Patillon (2003), 188: “C’est comme ceci que se conçoit l’homme juste”. 9 The claim that On abstinence is about vegetarianism is common in scholarly literature; see, e.g., Osborne (now Rowett) (1995); Dombrowski (1987); Edwards (2018).

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On the other hand, the addressee of the treatise, Porphyry’s friend Firmus Castricius, had erred exactly by starting to eat meat again (I 1,1 = 85.2–4). The evidence for the extension of justice to plants is found, for instance, in the second-last chapter of book III: (T4) [T]aking necessities does not harm plants, when we take what they let fall, or crops, when we make use of crops from dead plants. (III 26,12 = 224.17–20).10

The passage assumes that because justice is partly constituted by not harming other living creatures, it requires avoiding harming plants insofar as it is possible. However, since it is not permissible to starve oneself to death either, plants must be used for nourishment. The passage briefly explains how we can avoid causing harm to them when doing so. The claim that plants should be included in the scope of justice also occurs in book II in which Porphyry quotes extensively from Theophrastus’ treatise on piety (Peri eusebeias).11 An important argument to the effect that animals should not be sacrificed is found in chapters 12–13 of book II, and Theophrastus also includes plants in the scope of justice and gives instructions as to how one can use them causing as little harm as possible. I shall not consider the details of Theophrastus’ argument in this essay12 but rather focus on Porphyry’s position. As mentioned, an important aspect of Porphyry’s argument is that the highest degree of justice partly is abstinence from harming others and that such abstinence should be extended not only to human beings and other animals but also to plants (T4 above and T8 below). In general, Porphyry’s argument strategy can be described as turning the tables against the opponents. Porphyry seems to assume that he has managed

|| 10 Much of the material in On abstinence III is quoted or adapted from other sources; see Bouffartigue/Patillon (2003), vol. 2, 138. This makes his argument somewhat complicated to follow. However, chapters 26 and 27 and the extension of justice to plants are from Porphyry’s own pen. They only include short extracts from Plutarch’s Septem Sapientium Convivium 16 in III 26,8–9 and III 27,9–10. 11 Porphyry is our main source for the treatise and we do not have independent evidence for his reliability. Bouffartigue and Patillon (2003), vol. 2, 18–20, take the text to be from Theophrastus. Some scholars are more doubtful about how reliable a source Porphyry is; see, e.g., Ullucci (2008) 370. For an analysis of what exactly is from Theophrastus, see Fortenbaugh (2003) 173–191, and for a translation as a fragment of Theophrastus, see Fortenbaugh and Gutas (eds.) (1992) 404–433 = FHS&G 584A–D. 12 I do so in another article “Just Life: Porphyry’s Ethics of Animate Creatures”, which has not been published yet.

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to show that none of the known objections to abstinence he lists in book I is valid – or at least that he has managed to undermine their credibility to the extent that shifts the burden of proof to the opponent. It is noteworthy that Porphyry also seems to assume that his opponents accept the principle that justice requires not causing harm to others.13 Since he takes himself to have shown that the opponents (especially the Stoics and the Epicureans) do not have sufficient grounds for excluding non-human animals from the scope of justice, they should also extend restraint from causing harm to non-human animals – or offer better arguments for their position.

2.2 Porphyry’s Argument for Extending Justice Traditionally, scholars have understood Porphyry’s argument as being based on what can be called ‘the assumption of desert’. The assumption maintains that we must extend moral concern to non-human animals if and only if they can be shown to share some general feature such as rationality, personhood, sentience, or self-awareness (to mention some examples) with human beings on the basis of which they “deserve” their moral status. The scholarly consensus has been that for Porphyry such a feature is animal rationality.14 The consensus has been challenged basically in two different ways. One suggestion is that rather than animal rationality, Porphyry’s argument is based on animal capacity to feel pain.15 On the basis of the following passage, it certainly looks like Porphyry adopts such a view: (T5) It is the nature of animals to have perceptions, to feel distress, to be afraid, to be hurt, and therefore to be injured. Plants have no perceptions, so nothing is alien or bad to them,

|| 13 For the principle in the Stoics, see Seneca Ep. 95,52 (Reynolds [1965]). Seneca himself relates the principle of justice as restraint from causing harm to abstinence from eating meat in Ep. 108,21. For the principle in other Stoic sources, see Marcus Aurelius IX 1 (Dalfen [1979]); Cicero Off. I 31.7–8 (Winterbottom [1994]) with reference to Panaetius; for the Epicureans, see Kyriai doxai 31 (Arrighetti [1973]). 14 This reading is found, e.g., in Sorabji (1993) 182; Newmyer (2011) 8; Clark (2000) 3; Osborne (now Rowett) (2007) 228. The claim that Porphyry takes animals to be rational is found in, e.g., Barnes (2003) 111; Karamanolis (2006) 268; Brittain (2002) 255–256 and Caluori (2015) 193. 15 Dombrowski (1987) 776–777; (1984) 142. Girgenti (2001), 76, and Sorabji (1993), 184, also refer to Porphyry’s recognition of the animal capacity to feel pain, but they do not see it as the crucial criterion for deciding the moral status of non-human animals. For Sorabji, Porphyry’s argument is based on the observation of general similarities between human beings and other animals, including rationality.

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nothing is harm or injustice: for perception is the origin of all appropriation (oikeiôsis) and aversion (allotriôsis), and the followers of Zeno make appropriation the origin of justice. (III 19,2 = 208.24–209.6; Clark’s translation slightly modified)

However, since plants are also taken to belong to the scope of justice, this capacity cannot be decisive for the moral status of non-human animals. In fact, the passage belongs to a section that is probably quoted or adapted from a lost writing by Plutarch.16 Therefore, the claim that we do not need to extend moral concern to plants is perhaps made by Plutarch, not Porphyry. However, the passage can be explained in the overall argument of On abstinence as a response to the following objection. According to some opponents of vegetarianism, the use of animals for food is justified because we need to eat plants anyway (I 18). The distinction between animals and plants can, from this perspective, be seen to block that objection. Porphyry’s response is that although plants can be used for nutrition without violating justice if certain guidelines are observed, this does not justify the use of animals. For instance, while a part of a plant, say lettuce, can be taken without killing the organism or causing pain to the plant, taking a part of an animal body harms the animal through pain and probably death. This, however, does not entail that plants are not subject to justice for Porphyry. Quite the contrary. In the passages that are from his pen and not quoted from other works, he makes it clear that they are. This also means that sentience cannot be Porphyry’s criterion for delimiting the scope of justice.17 Another argument against the scholarly consensus is that Porphyry himself does not accept the claim that animals are rational and hence rationality cannot be the criterion for the moral status of animals. This point has been made by Fay Edwards who argues that Porphyry does not in On abstinence III contradict his claim made elsewhere that of animals only human beings are rational (Isagoge

|| 16 Plutarch is not clear on whether justice should be extended to plants. Porphyry announces in III 18,3 that he moves to use arguments that Plutarch also used and concludes in III 24,6 = 220.13 that he has explained what Plutarch says “in many books”. In chapter 20 (III 20,7), he begins to quote with modifications from De Sollertia Animalium 2–5. This is taken to indicate that III 18,3–20,6 is from a lost work by Plutarch. 17 It is noteworthy that on plant souls Porphyry disagrees with Plato for whom, in the Timaeus, plants are sentient and even have some kinds of intelligence; see Carpenter (2010). Porphyry rather follows Aristotle and Plotinus (Enn. I 4 [46] 1.21–23) on plant souls. Plants have life functions but not perception let alone rationality.

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or Introduction, e.g., 15.4–6 [Busse])18 or that rationality requires contact with Platonic Forms19 that is only possible for human beings.20 This implies that Porphyry’s argument for extending justice to animals cannot be based on rationality. Edwards’s challenge to the traditional interpretation includes two claims. The first one is that Porphyry himself denies that animals are rational – I shall call this claim ‘the denial of animal rationality’, (DAR) for short.21 The second claim is that Porphyry does not argue for animal justice on the basis of animal rationality, i.e., he denies that animal justice is based on animal rationality – I shall call this claim ‘denying that animal justice depends on animal rationality’, (DAJR) for short.22 Moreover, Edwards takes the second claim (DAJR) to have the implication that animals are not morally relevant for Porphyry at all.23 While I agree with Edwards on the second claim (DAJR), I disagree with her on its ethical implications. As to animal rationality, Edwards maintains that Porphyry himself denies it (DAR) while arguing that on their notion of rationality the Stoics should ascribe it to non-human animals.24 My view on animal rationality in On abstinence III is, to an extent, similar to the one defended by Edwards, but I differ from her reading on the following points. First, rather than understanding Porphyry’s argument to be that the Stoics should, on their notion of rationality, ascribe reason || 18 See also Porphyry on Aristotle’s Categories 95.29–35 (Busse) for rationality as the specific difference of human beings. 19 For the thoroughly Platonic nature of Porphyry’s explanation in the commentary on Ptolemy’s Harmonics (despite some harmonization with Aristotle), see Chase (2010); the Platonic Forms as archetypes occur in 14.22–26 (Düring), see Chase (2010) 400. 20 See also To Gaurus and How Embryos Are Ensouled 14,3 together with Abst. I 29–30, on the point that the perceptual soul cannot generate the rational one, but that it has to be the other way around; Edwards (2016). 21 Edwards (2014). 22 Edwards (2016). 23 Edwards (2018) 44; a similar argument about justice in On abstinence III has been made by Catherine Rowett (previously Osborne) (2007) 227. 24 The most important piece of evidence that seems to speak against Edwards’s position is the introductory section of book III (penned by Porphyry) in which Porphyry says: “[L]et us present the belief that is true and also Pythagorean by demonstrating that every soul is rational in that it shares in perception and memory” (III 1,4 = 187.14–17; tr. Clark). While this certainly looks like a commitment to animal rationality, Edwards (2016) argues that Porphyry merely makes the conditional claim according to which if perception and memory are sufficient for rationality, non-human animals should be taken to be rational. Since, for the Stoics, perception and memory in adult human beings are rational, this would seem to entail that the Stoics should ascribe rationality to non-human animals.

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to non-human animals, my reading takes him to shift the burden of proof to his adversaries. In my view, Porphyry’s point is to argue that his adversaries, mainly the Stoics, do not have sufficient grounds for denying animal rationality and, consequently, no sufficient grounds for excluding animals from the scope of justice. Secondly, although the argument is mainly directed at the Stoics, Porphyry indicates that the same arguments apply to other philosophers who are committed to a similar position, especially the Epicureans.25 As for the Stoics, their position is in book III referred to as follows: (T6) [O]ur opponents say that justice should extend only to beings like us and therefore rule out the irrational animals. (III 1,4 = 187.12–14; tr. Clark).

According to Diogenes Laertius (Lives of Eminent Philosophers VII 129), Chrysippus and Posidonius made a point like this. The most important dissimilarity is taken to be that non-human animals do not have reason. However, Porphyry also undermines the Stoic grounds for denying animal justice by pointing to other similarities between human beings and other animals: similarities in body and soul (III 7–8), both in health and in disease or dysfunction. Therefore, although the debate about animal rationality is central in Porphyry’s argument against the Stoics, it is not his only argument. Rather, his general strategy is, in my view, to undermine the grounds for denying animal justice more generally and to stress that the Stoic claim concerning dissimilarity between human beings and other animals is not well-grounded. The Epicurean objections to abstinence are quoted in book I, and especially the point that animals do not make agreements with human beings is central for them as justice is understood as mutual advantage based on agreement (I 12,5– 6). The objection is that if animals cannot make agreements with human beings, they cannot share mutual advantage with them either but rather threaten human life and communities by attacking people or stealing their food. Against the common objection that animals are or can be dangerous to human beings, Porphyry maintains that justice as restraint from causing harm to other creatures applies to harmless animals (T3 above). Therefore, self-defense and restriction of harmful populations are justified. However, such justification does not carry over to harming domesticated, tame, or otherwise harmless animals or using them for food (III 26,2–3). || 25 Porphyry also seems to think that this point is all the more detrimental to his opponents, since they subscribe to the principle that justice requires restraint from causing harm to others. See note 13 above.

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With respect to agreements, Porphyry seems to assume that the real reason for the Epicureans to exclude animals from the scope of justice is not lack of agreements. In a sense he maintains that animals do make agreements with people26 if they live peacefully with them and take part in common activities such as work (III 13,2) and play or learn human skills (III 15,1–2). By contrast, the crucial reason seems to be the denial of animal rationality. The Epicurean expression quoted in book I is that non-human animals are not “receptive of reason” (I 12,6 = 95.22–23) and the receptive capacity (to acquire human skills, for example) is mentioned in the arguments of book III as well (III 15,1 = 204.2). Therefore, it is not only the Stoics who cannot show conclusively that animals can be excluded from the scope of justice because they are not rational. A similar argument also applies to the Epicureans. There is one expression in book III of On abstinence that could be taken to support Edwards’s point that Porphyry denies animal rationality in the context and sticks to the view expressed in his other works that rationality should be understood in the Platonic sense as requiring contact with the Forms. The expression is the following: “I mean by rationality that which is silently voiced in the soul” (III 3,2 = 188.23–24). Although not quite the same, this could be taken as an allusion to the famous Platonic dictum according to which reasoning is soul’s conversation with herself.27 I am not particularly opposed to the idea that Porphyry himself retains the assumption that reason in its full Platonic sense requires contact with the Forms and that such contact is out of reach of nonhuman animals as well as many human beings too. I shall return to this point soon below. This remark, however, is not sufficient to show that Porphyry operates on a Platonic notion of rationality in the treatise, since, first, the expression is not quite the same. Secondly, the remark occurs in a section that, according to Bouffartigue and Patillon, is quoted or adapted from an Academic writing also used by Sextus Empiricus and Philo of Alexandria.28 Therefore, it is only to be expected that a passage quoted or adapted from a writing produced or used in Plato’s Academy reflects a Platonic notion of reason. Although we do not know whether the short remark is a quotation, it is not safe to conclude that it settles

|| 26 It has been argued that Lucretius took the Epicurean position into this direction; see Massaro (2014). Moreover, the Epicurean analysis of human beings as aggregates of atoms also makes them similar to rather than dissimilar from other animals‚ see ibid. 47. 27 Theaetetus (189e4–7); Sophist (263e3–9); repeated in Alcinous, Handbook of Platonism (4,5 [155].17–19 [Whittaker 1990]). 28 Bouffartigue/Patillon (2003), vol. 2, 138–143.

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the question of how Porphyry himself understands animal rationality in On abstinence III. In addition, Edwards assumes that Porphyry’s denial of animal rationality entails that he downgrades animal cognitive capacities. She claims, for instance, that the example of Chrysippus’ dog has to be read without a reference to any cognitive process resembling reasoning. Chrysippus’ dog is an argument against the Stoics also used by Sextus Empiricus (PH I 69).29 In the argument, a dog arrives at a crossing of three paths. Sniffing two forks of the crossing and not smelling any trace of the prey on them, the dog rushes on the third path without sniffing. Edwards maintains that this should, in On abstinence III, be explained solely by the perceptions the dog makes.30 However, if Porphyry is committed to a Platonic view of rationality, he probably follows Plotinus in assuming that rationality properly speaking is an advanced cognitive achievement that eludes many human beings. According to Plotinus, human children for instance learn to speak thanks to the lower soul alone (Enn. I 1 [53] 11.1–4) and hence without contact with the Forms.31 If Porphyry follows his teacher here, we do not need to conclude that denying rationality in the Platonic sense from non-human animals entails downgrading their cognitive capacities to mere perception of perceptible objects.

2.3 Extending Restraint from Causing Harm as Constitutive of Justice Although my view to an extent differs from that of Edwards on animal rationality in On abstinence III, my most important disagreement with her concerns the ethical implications of DAJR. As mentioned, Edwards holds that Porphyry does not assume that the claim for animal justice depends on animal rationality because animals are not relevant to the kind of justice Porphyry is talking about in On abstinence III. Rather, such justice consists solely in the inner harmony or organization of the philosopher’s soul (on a definition of justice that resembles the one found in Plato’s Republic IV), and harming animals is unjust because it decreases such justice by causing disorder in the soul. || 29 See also Plutarch, De Sollertia Animalium (13, 969a9–b3) and Philo of Alexandria, De Animalibus 45–46; in the Latin translation by Aucher (1822–1826) 147. 30 Edwards (2018) 38–40. 31 For the claim that Plotinus assumes animals to have lower souls, see Caluori (2015) 194 with reference to Enn. I 1 [53] 11.8–15. For a similar view and reflections on what cognitive functions this entails for animals, see Emilsson (2017) 284; Emilsson (2022) 122.

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Although it is undeniable that a description of the essence or being (ousia) of justice resembling the definition in Republic IV occurs in On abstinence III,32 I do not think the inner order of the soul is sufficient to constitute the highest degrees of justice in the context. In brief, my reasons for this are the following. First, abstinence from causing harm to non-human animals and plants is only required from philosophers who strive for assimilation to god to the highest possible degree. Secondly, justice as the inner organization of the soul (reason leading unreason) is already found on a lower level of justice and godlikeness distinguished by Porphyry in On abstinence III 27,2. The crucial difference between justice as the inner organization of the soul alone and justice on the highest levels of assimilation to god is exactly whether restraint from causing harm to others is extended beyond the humankind: (T7) In the same way, the person who is led by reason restrains from causing harm to fellow-citizens too, and further still to strangers and all human beings; he keeps irrationality subjected, and is more rational than those others and thereby also more godlike. (III 27,2 = 225.12–16; tr. Clark, slightly modified)

This formulation shows that justice as the inner organization of the soul is compatible with a form or degree of justice in which restraint from causing harm to others is only extended to human beings. A person having justice in this sense is more rational and more godlike (theioteros) than a person who has been described immediately before T7 (in 225.7–11). Such a person restrains from harming only his children and wife but is contemptuous and greedy towards everyone else. He is not just at all in the sense of Republic IV but is led by desires, “dazzled by mortal things” (tr. Clark) and dominated by the irrational element of the soul. Therefore, abstinence from causing harm to non-human living creatures cannot be for the sake of the inner order of the soul alone because such inner order is compatible with justice that, externally, only extends justice to human beings but not beyond the humankind. A person who is just in that sense is more divine (theioteros 225.15–16) than the person who is not virtuous at all. However, philosophers who strive for maximal godlikeness possible in the material world, need to do better than that. They are required to be assimilated to god (cf. homoios theộ in the following passage) to the greatest possible degree described as follows:

|| 32 “That is why the essence (ousia) of justice is that the rational rules over the irrational, and the irrational follows” (III 26,10 = 224.6–7; tr. Clark).

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(T8) [S]omeone who does not restrict restraint from causing harm33 to human beings, but extends it also to other animals is more like god (mallon homoios theộ); and if the extension to plants is possible, [the person] preserves the likeness (eikôn) even more. (III 27,2 = 225.16–19; tr. Clark, slightly modified)

This passage makes clear that, by contrast to justice as the inner organization and restraint from harming human beings, there are higher levels of assimilation to god. They are achieved when we extend restraint from causing harm beyond the human species, to non-human animals and ultimately to plants. Therefore, the degree of godlikeness increases proportionately to how widely we extend justice as restraint from causing harm. It is possible that Porphyry understands justice as it is defined in Plato’s Republic book IV as a lower form of justice, in accordance with the hierarchy of virtue articulated by Plotinus on Ennead I 234 and rigidly systematized by Porphyry himself in Sentence 32. In fact, in the context of Plato, the virtues of Republic IV seem to be of a lower kind, attainable through practice without philosophical understanding. The virtues of Republic IV are also related to the tripartite, i.e. embodied soul, while the philosophical virtues apply to the immortal rational soul. Porphyry himself probably assumes that justice as the inner organization of the soul is necessary for the extension of justice outside the human species. However, it is not sufficient, as the distinction in III 27,2 just explained shows.35 Another reason why it seems impossible to understand justice in On abstinence III solely in terms of the inner condition or state of a tripartite soul is that Porphyry talks about extending justice (diateinein tên dikaiosunên) outside the

|| 33 Clark translates the Greek to ablabes as “harmlessness” and ablabês as “harmless”, which is misleading. Being harmless means being innocuous, i.e., incapable of causing harm. This is not the relevant meaning here, since the point is that human beings are capable of causing harm to other living beings but should refrain from doing so because of justice. 34 For Plotinus’ hierarchy, see, e.g., O’Meara (2019) 12, 16–18, 78–81. For Plato’s distinction, see, e.g., Vasiliou (2012). For Porphyry’s systematization of Plotinus’ hierarchy, see Sentence 32 (Brisson [(2005]). In fact, the definition of reason’s rule over unreason is, in the Republic, that of moderation (sôphrosunê 430e6–7 Burnet), not justice (which is defined as oikeiopragia, i.e., each part focusing on its own activity in 434c8–9). I shall not address this difference in the present context. 35 At times Porphyry suggests that the inner order of the soul leads to being unharming and to the assimilation to god; see, e.g., III 26,10 = 224.10–13. However, there is no indication that without being unharming to animate creatures, maximal assimilation to god could be achieved.

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humankind (III 26,9 = 224.5).36 Although the claim that one should abstain from causing harm to other human beings is not foreign to the discussion of Plato’s Republic, it does not seem possible to extend the inner organization of one’s soul or reason’s rule outside one’s soul, let alone outside the human species. In particular, it seems impossible to assimilate the soul’s inner organization with abstinence from causing harm to animals and plants. Animals and plants are neither parts of the human soul nor members of a political human community or a city-state that could be understood as structurally isomorphic to a human soul.

3 Abstinence and Omission 3.1 Is Justice Partly Constituted by Omissions? I have now argued that restraint from harming animate creatures is a constitutive element in the highest degrees of justice and assimilation to god in Porphyry’s On abstinence. Now it needs to be asked whether this entails that such justice is partly constituted by not-doings or omissions. I shall not consider the question of whether the term ‘omission’ applies to abstinence as Porphyry describes it. Rather, my question is what kind of a notion of not-doing (or omission if you wish) describes Porphyrian restraint from causing harm to animals and plants. One rather obvious consequence of how Porphyry describes extending justice to other living creatures is that it means refraining from doing something one should not do. Therefore, it is analogous to “thou shalt not kill” – killing of course being one way of harming. In today’s discussion, it thus resembles boycotting, fasting or not flying for ethical and/or environmental reasons. Such cases fall to the opposite end of the normative spectrum of, say, not saving a drowning child just because one does not feel like getting their clothes wet. However, as mentioned at the beginning, it is not sufficient merely to point out that in one case one refrains from doing what one should not do and, in the other one, one does not do what one should have done. What is common to all not-doings that can be called omissions in the general sense perhaps is that

|| 36 Cf. extending restraint from causing harm (parateinas [to ablabes] in III 27,2 = 225.15–16 and 17).

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they simply are not-doings. However, I do not think that Porphyry’s abstinence should be understood in this way. One case in todays’ discussion of omissions that resembles abstinence from harming animate creatures for ethical reasons is Myles Brand’s example of a police officer who refrains from shooting a fleeing youth37 – at least if it is added that the officer is doing so for moral reasons. Brand argues that the police officer’s not-shooting should be described as refraining from shooting the youth rather than a simple not-shooting. As opposed to a mere not-doing, the former should be described with reference to what the officer is doing when refraining from shooting. The officer could for instance be pushing his (in Brand’s example the officer is a he) hand against his side and actively keeping it there to prevent him from taking the gun from his pocket and firing it.38 Therefore, Brand distinguishes refraining from doing something from a simple not-doing by the criterion that, while one can be inactive with respect to a course of action when simply not doing something, refraining requires another action (ψ) which the agent performs while refraining from φing. As Brand puts it (with different symbols), the agent refrains from φing by ψing, e.g., the police officer refrains from shooting the fleeing youth “by keeping his hand by his side”.39 While I find Brand’s distinction useful for discussing Porphyrian abstinence, it is not clear that the relevant additional factor to mere not-doing is something that the agent does to prevent him or herself from harming animate creatures.

3.2 Let the Sleepers Sleep If Porphyrian abstinence is not a simple not-doing, it should at least be distinguished from inactivity with respect to the relevant course of action, such as sleeping in the bedroom when the phone rings. In book I of On abstinence, Porphyry distinguishes between two kinds of people. First, there are those who just want to sleep and for whom it is appropriate to live in dark rooms, to eat heavy food and to consume intoxicating drinks (I 27,2–3). They will remain, as it were, inactive with respect to most things. Secondly, there are the wakeful, who can benefit from well-lit and properly aired rooms and a light diet as well as

|| 37 Brand (1971) 46. 38 Brand (1971) 49. 39 Ibid.

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active and stimulating engagement in theoretical inquiry and contemplation (I 27,4). Obviously, it is the latter group that Porphyry addresses (I 28,1). In order to clarify the difference between abstinence and simple not-doing, let us focus on a sleeper for a moment. Let us also assume that she has a wakeful servant who brings her food and that the food is derived from plants that have been considerately harvested, fruit that trees have dropped, and animal products such as milk and honey that are “earned” by taking care of the animals.40 In such a case, the sleeper’s diet does not cause harm to living creatures and agrees with justice. If omission is understood as a simple not-doing, such a sleeper can be said to omit to harm animate creatures. However, I do not think she abstains in the sense that Porphyry requires on the highest level of virtue. Rather, she is inactive with respect to harming animate creatures. Perhaps someone could respond that the sleeper is not choosing her course of action and that is why she is not omitting to cause harm to living creatures. However, this raises the question of whether something more is required for an omission than simply not doing the thing one omits doing. When Randolph Clarke argues for his claim that omissions are simple not-doings, he takes an example of himself going to an exhibition and omitting to touch the artwork at display.41 Clarke argues that there is nothing in particular he is doing that would constitute his not touching the art. However, we can ask whether Clarke needs to choose not to touch the artwork, even if he is not doing anything in particular such as actively keeping his hands in his pockets. I suppose most of us are so used to not touching the artwork at exhibitions that a separate decision is not needed for every exhibition. It could be argued that the exhibition guests still differ from the sleepers because they once decided not to touch the artwork. This means, however, that the omission is no longer a simple not-doing that is nothing at all except the not-touching; it is the not-touching plus the decision. Clarke himself notes explicitly that the decision is not needed, not at least an active one, although we might have decided inactively42 not to touch the artwork. It is not clear that such an inactive decision is sufficient to distinguish the exhibition guest from the sleeper. Therefore, it is not clear whether an account like Clarke’s can exclude the possibility that the sleeper is inactively choosing not to harm living creatures. However, such an inactive decision not to harm living creatures would hardly be suffi-

|| 40 The instructions for rightful use of plants and animal products are found in II 13,1–3 (quoted from Theophrastus) followed by Porphyry with slight modifications in III 26,12. 41 Clarke (2014) 14. 42 Ibid.

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cient for abstinence as Porphyry conceives it. Therefore, I do not think we should understand Porphyrian abstinence as a simple not-doing such as in Clarke’s analysis. One reason why it is not easy to connect Porphyry’s discussion to today’s philosophy of action is that Porphyry is concerned with general choice of life rather than individual token actions.43 He also seems to agree with the majority of ancient philosophers for whom decisions are crucial for actions. Bodily movements can be disturbed by external factors – and the consequences of actions even more so. In the following, I shall consider what is needed for Porphyrian abstinence in addition to mere not harming animate creatures.

3.3 Actions for the Wakeful As mentioned, Porphyry targets those who are fully awake and engage in active reflection on how to act – and act accordingly (cf. actions (erga) in I 29,6 = 107.17). His argument is not meant for athletes, soldiers, manual workers, sailors, orators, or those engaged in public life (I 27,1). Rather, he is concerned with people who: (T9) …have thought about who they are and whence they have come and where they should try to go, and who have principles about food, and about other proper behaviour, which are different from those in other ways of life. (I 27,1 = 104.22–25; Clark’s translation slightly modified)44

To live such a life, it is not sufficient just to learn a collection of arguments. If it were, one could disregard foods and kinds of actions (I 29,5 = 107.12–15). How-

|| 43 Brand (1971) 47 argues against von Wright (1963) that one cannot perform general actions but only particular ones. We need not assume that Porphyry allows one to perform general actions. However, the crucial choices he talks about are choices of actions or courses of action generally described. He talks about choosing a life (I 29,6–30,1) and assumes that such a choice brings along a selection of actions belonging to that kind of a life and excludes others. Even though the life one should choose is described as being intellectual, this does not mean that it consists of learning a set of arguments (cf. erga, ‘actions’, in I 29,6 = 107.17). 44 Clark translates “he has thought”. The relevant word, however, is anthrôpos, ‘a human being’, not anêr, ‘man’, and we know from Ad Marcellam that Porphyry assumed women to be capable of virtue and philosophy. On abstinence also mentions a female anthrôpos (a pregnant human woman in III 7,3 = 196.1). Therefore, we should not assume that anthrôpos merely refers to men. I have changed the form into plural (although it is singular) to avoid having to use a gendered pronoun.

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ever, “we must be purified by words and actions and change our present life for another” (I 29,6 = 107.15–17). According to Porphyry, the relevant words and actions separate us from what is perceptible and our affections related to it (perceptions, appetites, and feelings), and raise us towards what is intelligible so that we are free from appearances and affections (I 30,1 = 107.18–21).45 Since he also refers to such actions in terms of purification (katharthentas in I 29,6 = 107.16–17), they seem to belong to the higher level in the Plotinian two-fold hierarchy referred to above (Enn. I 2 [19] 3). Purification as a higher virtue for Plotinus includes two aspects: the downward-looking and the upward-looking one. The former is concerned with detachment from bodily concerns and the latter with focusing one’s gaze to what is intelligible,46 and it is exactly in this way that Porphyry describes the actions for the wakeful. The “downward-looking” actions are described in negative terms, i.e., not focusing one’s life on bodily concerns or not being preoccupied with perceptions and affections (or their objects). By contrast, the “upward-looking” aspect means focusing one’s gaze on the intelligible objects that is only possible when one has been sufficiently detached from the affections of the body. This suggests that if there is an action or action type that the agent does to prevent her from causing harm to animate creatures, it should probably be understood as the actions that detach her from the body. This, however, looks concerning for the claim I have made earlier, namely that Porphyry’s abstinence should not be understood as mere not-doing. If it turns out that the additional factor is defined in negative terms as not doing something, this seems to imply that we need to add a not-doing (not being concerned with the body) to the not-doing of abstaining from causing harm to animate creatures. Although Porphyry describes the actions for the wakeful as detachment from bodily concerns, I do not think that the relevant additional factor that defines abstinence is the detachment itself. In the hierarchical conception of reality in late ancient Platonism, the body is inferior to the soul, and the soul is inferior to the intellect. In that framework, what is lower in the hierarchy cannot properly speaking be the cause of what happens on the higher level. Therefore,

|| 45 The Greek for affection is pathos that I have translated more broadly as “affections” when Clark has “passions”. The terms for a life being free from affections and appearances are apathês and aphantastos respectively (I 30,1 = 107.20). 46 Porphyry elaborated on Plotinus’ hierarchy and separated these two aspects into two distinct degrees of virtue: purification and theoretical virtue (Sentence 32.33–62 in Brisson [2005]).

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it would seem that defining the best life including abstinence in terms of detachment from the body would conflict with the order of things. If we consider this from another perspective, life of intellect and virtue requires practice. We human beings are fallen or descended to a bodily life, and our task is to return to our origin, i.e., the intellect.47 Fallen as we are to this life, we are surrounded by material objects and have reactions (perceptions and desires) concerning them. If we have chosen to strive for the highest possible life of philosophy and the highest virtue, we need to do something to prevent ourselves from being occupied by bodily concerns and from being carried away by desires. The actions that detach us from the body can be seen to function in this role. The real nature of the best life, however, is not the detachment. The point can be illustrated by someone who stops smoking. That person can perhaps invent another action, stretching, chewing gum, playing on the cell phone, reciting verses in her mind, and what not to help her not to smoke. At first, when she learns the new habit, she needs those other actions to prevent her from smoking. However, when she gets used to not smoking, she can let go of the substitute activity. Now the question is whether she becomes inactive with respect to smoking. More importantly, does this mean that there is nothing at all she is doing when refraining from smoking in that new situation, and if so, what are the consequences for Porphyry’s abstinent person? The example can seem to suggest that abstinence in fact is a not-doing quite like the person’s non-smoking when she has got used to it. In order to see what follows from these considerations, however, it is important to distinguish between the following actions relevant to the abstinent person. One type of actions is involved when the person is still struggling inside, working and practicing to become detached from the desires and other affections of the body. On that level, the person can be likened to the person who has just stopped smoking or the police officer in the example discussed above. In order not to φ (such as to harm animals and eat meat), the person is doing ψ, whatever it is that enables her to not give in to the desire for the pleasure of eating meat, for instance. By contrast, the person who has already achieved the higher level of virtue and does not need to struggle inside in order to live the kind of life she has chosen, does not need such substitute actions. I do not think, however, that

|| 47 Porphyry’s description of our human condition and our goal as the life of intellect becomes increasingly metaphorical when he proceeds (I 28–45), referring to people who have left their homeland (I 30) and are living in a foreign country (perceptible world), striving to get back and working to not get enchanted (I 28) by the new environment.

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such a person is inactive in a way the person is who is sleeping in another room when the phone rings. In order to see why, let us consider one more example. A person is born to a Buddhist ashram in which the greatest possible abstinence from causing harm to living creatures is observed. Such a person probably then adopts the way of life practiced around him as the way people live their lives. However, it has never even occurred to him that another kind of life could also be chosen if one lived in different circumstances. This person can, in my view, be said to be inactive with respect to causing harm to animate creatures and merely not doing the things Porphyry requires those striving for the greatest possible assimilation to god to refrain from. This is because eating meat and causing harm to animals are not relevant to his course of action. By contrast, even though the person who has acquired higher virtue does not need to struggle inside in order to life the life in accordance with such a virtue, she is not quite like the person born to the ashram. One crucial factor that makes a difference between the two is a choice of life and a choice to live according to the principles that accord with such a life. The person who has acquired higher virtue and does not suffer from inner conflict living in accordance with it has made such a choice. The person born to the ashram has not. Moreover, a person living the life of intellect in accordance with higher virtue also has to eat, at least on most days, and this makes the question of which nourishment to choose relevant to her course of action. She is faced with the choice of what to eat every time when she eats, and similarly with all her actions. In order to live the life of intellect, she needs to choose and act in accordance with virtue, not only according to a habit or in a life copied from others. In fact, Porphyry describes the kind of abstinence he is talking about not just by not eating this or that but by the attitude that if it were possible to not eat at all, one would choose to do so (I 38,1). Moreover, the concept of nourishment changes for the person with higher virtue. Such a person aims at fattening her soul and intellect while giving the body what is sufficient to keep it alive (III 27,11 and IV 20,10–11). While it does not probably cause an inner conflict for a person with higher virtue, she still needs to choose her actions consciously.48 || 48 There is a debate about whether such a conception entails the so-called multiple operation view according to which it is possible to exercise intellectual virtues and the virtues related to the body and the tripartite soul simultaneously, a view that, according to Brittain (2003) 231– 233, Porphyry rejects. I do not think my account necessarily leads to the multiple operation view. Rather the normative focus of attention on the intelligibles as the general orientation of one’s action means that one lives the life of intellect. Although attention in the psychological sense of paying attention to what goes on is moved to the body and the tripartite soul when

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Finally, as opposed to a person who is merely not doing something (φ) and perhaps entirely inactive with respect to φ, there are specific types of actions that the person with the higher virtue is engaged in. In the following passage, Porphyry describes god (the greater in the universe, i.e., the demiurge) as the object of assimilation as follows: (T10) The greater in the universe does not cause any harm, and itself by its power safeguards all (sôstikon pantôn), does good to all (eupoiêtikon pantôn), and lacks nothing (aprosdees pantôn); whereas we are unharming to all through being just, but by being mortal we lack necessities. (III 26,11 = 224.13–17; Clark’s translation modified)

This passage makes clear that although our mortal nature prevents us from being assimilated to god in self-sufficiency – we need things to survive – assimilation is possible with respect to justice, protectiveness, and beneficence. One suggestion could be that the actions that distinguish abstinence from mere not-harming are actions of protectiveness and beneficence. Those are the virtues that are described in positive terms, while justice is seen as the virtue that makes us unharming towards everything, i.e., all animate things in the context (224.5). It seems that while abstinence from causing harm to living creatures is necessary for being protective and beneficent towards them, it is not sufficient. Abstinence can include not killing, not causing pain and not restricting the life of an animate creature, whereas at least beneficence seems to require more, e.g., providing nourishment, care, and other conditions for the kind of life that is in accordance with the nature of the living being in question. What the abstinent person is doing is also described in terms of the general ideal of assimilation to god. For us it might seem strange to say that someone is busy assimilating themselves to god when abstaining from animal food. However, if we substitute the ideal of assimilation with something like ‘striving to live in accordance with one’s ethical principles’, it does not seem so far-fetched any longer. Similarly, it is possible to give a positive account of what the nonsmoker is doing if she, for example, stopped smoking because she chose a healthier life or because she thought that the cigarette industry is not fair towards the workers. In those cases, it is not merely that she is not smoking. Ra-

|| needed, this does not interrupt the life of intellect. Such a life is dependent on the overall choices and actions and the general orientation of the agent, not on entirely uninterrupted psychological attention on the intelligibles. For the distinction between the two kinds of attention, see Wilberding (2008) 390–391.

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ther, she is living another kind of life (a healthier or more socially and politically conscious one) and smoking is not in accordance with such a general choice of life.

4 Conclusion In this essay, I have argued that abstinence as Porphyry conceives it is partly constituted by restraint from causing harm to animate creatures, including plants. In addition, I have argued that such abstinence should not be understood as simple not-doing but requires an additional factor, a choice of life that is the best possible that human beings can live and agrees with the highest ethical principles. Although the description of such a life in terms of assimilation to god probably sounds strange from today’s perspective, I have suggested that the abstinent person’s restraint from causing harm to animate creatures can be likened to a person who consciously lives in accordance with her moral or political principles or has chosen a healthier life. More importantly, I would like to suggest that this analysis perhaps has implications to today’s discussion of such actions as boycotting, fasting, dietary choices or not flying for ethical and/or environmental reasons. When people choose not to fly because of environmental reasons or make dietary choices on ethical grounds, we can perhaps say that they omit flying or, say, eating meat. However, analyzing their actions merely in terms of not-doing (not-flying or noteating something) would not, in my view, give an accurate description. Rather, they do not fly or eat meat because they are following their own principles and those principles exclude flying. Moreover, what they are doing should not merely be described by some substitute activity such as the police officer keeping his hands in his pockets but in terms of a life choice and actions that accord with it. Perhaps someone could respond that this is simply a difference relevant in moral philosophy. While following one’s principles is relevant in moral philosophy, as actions the not-flying or not-eating-meat are entirely like Randolph Clarke’s example of him forgetting to buy milk on his way home. However, an account that takes both actions simply as not-doings and nothing more, does not seem convincing to me. Especially refraining from actions (such as flying, eating meat, or buying certain products) for ethical and/or environmental reasons seems to require more than simple not-doings. One might be too lazy to travel, like a sleeper. In such a case the person’s not-flying seems rather different from the case of principled choice of life in which flying is excluded by the principles that constitute the relevant way of life. Insofar as mere

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bodily movements are concerned, their motions can seem rather similar. However, to exclude choices, decisions and the person’s inner life in such a way from what actions are does not seem plausible. In general, refraining from doing something that is against one’s principles seems more like acting. It requires choice unlike sleeping in the next room when the phone rings.

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Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 457

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Verzeichnis der Abkürzungen Acad. Pr. Academica Priora (Lucullus) Adv. Col. Adversus Colotem Adv. Math. Adversus Mathematicos Aët. Aëtius Alex. Aphr. Alexander von Aphrodisias An. post. Analytica posteriora An. pr. Analytica priora An. pr. In Aristotelis Analyticorum Priorum Librum I Commentarium Ap. Apologia Socratis Ath. pol. Athenaion Politeia Att. Epistulae ad Atticum

Ben. De Beneficiis

Cael. De Caelo CAG In Aristotelem Graeca Commentaria Cat. Categoriae Charm. Charmides Cic. Cicero Clem. Al. Clemens Alexandrinus CPF Corpus dei papiri filosofici greci e latini Crat. Cratylus Crit. Crito

De abst. De Abstinentia ab Esu Animalium (On Abstinence) De an. De anima De An. Pecc. Dign. De Animi cuiuslibet Peccatorum Dignotione et Curatione De Cherub. De Cherubim De Comm. Not. De Communibus Notitiis Adversus Stoicos De Pass. De Passionibus De Plac. Hipp. et Plat. De Placitis Hippocratis et Platonis De Stoic. Rep. De Stoicorum Repugnantiis De Virt. Mor. De Virtute Morali Dial. Dialogoi Diog. Laert. Diogenes Laertios https://doi.org/10.1515/9783110735598-021

Dion. Dionysiaca Diss. Dissertationes DK Diels / Kranz Die Fragmente der Vorsokratiker

Ecl. Eclogae Physicae et Ethicae EE Ethica Eudemia EN Ethica Nicomachea Ench. Encheiridion Enn. Enneades Ep. Epistulae Morales Epict. Epictetus Euseb. Eusebius Euthphr. Euthyphro

Fat. De Fato (Alexander von Aphrodisias) Fat. De Fato (Cicero) Fin. De Finibus Bonorum Et Malorum

Gal. Galenus Gen. an. De generatione animalium Gen. corr. De generatione et corruptione Grg. Gorgias

Hell. Hellenica Her. Heroides Her. F. Hercules Furens Hipp. Hippolytus (Hippolytos Stephanêphoros) Hist. an. Historia animalium

In Arist. Phys. In Aristotelis Physicorum Libros Quattuor Priores Commentaria In Arist. Top. In Aristotelis Topicorum Libros Octo Commentaria In De an. In Libros Aristotelis De anima Commentaria (Simplicius) In De an. In Libros Aristotelis De anima Paraphrasis (Themistius)

460 | Verzeichnis der Abkürzungen

In Eth. Nic. In Ethica Nicomachea Commentaria In Hipp. de Off. Med. Comm. In Hippocratis de Medici Officina Commentarius In Plat. Parm. In Platonis Parmenidem Commentaria Insomn. De insomniis Int., 2. ed. In Librum Aristotelis Peri Hermêneias, Secunda Editio

La. Laches Leg. Leges Leg. Alleg. Legum Allegoriae LS Long / Sedley The Hellenistic Philosophers Ly. Lysis

Med. Medea Med. Meditationes Mem. De memoria et reminiscentia Men. Meno Met. Metaphysica MM Magna Moralia Mot. an. De motu animalium

Nat. D. De Natura Deorum

OCT Oxford Classical Text Oec. Oeconomicus Off. De Officiis Ov. Ovid

Part. an. De partibus animalium PCG Poetae Comici Graeci PH Pyrrhôneiai hypotypôseis Phaedr. Phaedra Phd. Phaedo Phdr. Phaedrus PHerc. Papyri Herculanenses Phlb. Philebus Phys. Physica Plac. De Placitis

Plot. Plotin Plt. Politicus Plut. Plutarch Poet. Poetica Pol. Politica Praep. Evang. Praeparatio Evangelica Procl. Proclus Prov. De Providentia Prt. Protagoras Ps.-Andr. Ps.-Andronicus PSI Pubblicazioni della Società Italiana per la ricerca dei papiri greci e latini in Egitto (Papiri greci e latini)

QNat. Quaestiones Naturales Quod Deus sit immut. Quod Deus sit immutabilis

R. Respublica (Politeia) Rh. Al. Rethorica ad Alexandrum Rhet. Rhetorica Ref. Refutatio Omnium Haeresium

Sen. Seneca Sens. De sensu et sensibilibus Sext. Emp. Sextus Empiricus Simpl. Simplicius Somn. De somno et vigilia Soph. Sophista Stob. Stobaeus Strom. Strômata SVF Stoicorum Veterum Fragmenta Symp. Symposium

Them. Themistius Tht. Theaetetus Thuk. Thukydides Ti. Timaeus Top. Topica Tusc. Tusculanae Disputationes

Xen. Xenophon

Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren Achtenberg, Deborah 223, 224 van Ackeren, Marcel 372 Ackrill, John 222 Adam, James 88 Ahonen, Marke 386 Alessandrelli, Michele 331–33 Alesse, Francesca 84, 85, 343 Algra, Keimpe 350 Allen, James 330 Ampolo, Carmine 318 Annas, Julia 36, 229, 329, 334, 337, 339 Anscombe, Gertrude 173, 192, 198, 199, 206 Asmis, Elizabeth 353 Atherton, Catherine 331, 332 Aubert, Hermann 277 Aucher, Johann 443 Ax, Wilhelm 349

Barnes, Jonathan 107, 113, 118, 124, 136, 438 Barney, Rachel 334 Barton, Carlin 398 Bassi, Domenico 353 Bénatouïl, Thomas 92, 334, 350 Bernstein, Frank 314 Betegh, Gábor 45–47 Bett, Richard 343 Bien, Günther 209 Blackburn, Simon 206 Bobonich, Christopher 76, 143 Bobzien, Susanne 330, 352, 354, 355, 357 Boeri, Marcelo 337, 338 Bonitz, Hermann 247 Börm, Henning 314, 317 Bostock, David 39, 59, 60, 67, 70 Bouffartigue, Jean 436, 437, 442 Boyle, Matthew 109–13, 117 Brand, Myles 433, 435, 447, 449 Brandwood, Leonard 84 Bremer, Jan 240–42 Brennan, Tad 329, 339, 375 Brickhouse, Thomas 76 https://doi.org/10.1515/9783110735598-022

Bringmann, Klaus 307 Brisson, Luc 445, 450 Brittain, Charles 429, 438, 452 Broadie, Sarah 39, 42, 53, 191, 193, 196, 201, 202, 222 Brock, Stephen 191 Bronowski, Ada 332, 339 Brown, Eric 143 Brown, Lesley 219, 222 Bruit Zaidman, Louise 321 Brüllmann, Philipp 212, 220 Buddensiek, Friedemann 229, 230, 264 Burckhardt, Jacob 313 Burkert, Walter 18, 29 Burnet, John 59 Burnyeat, Myles 262, 266, 269, 283, 330 Busse, Adolf 440

Caluori, Damian 438, 443 Cammack, Daniela 298 Campbell, Lewis 91 Carone, Gabriela 76 Carpenter, Amber 439 Chase, Michael 440 Chaumartin, François–Régis 362 Clark, Gillian 433, 436, 438 Clarke, Randolph 433, 434, 448 Coles, Andrew 276–78 Cooper, John 335 Corcilius, Klaus 107, 108, 111, 122, 123, 125, 127–29, 131, 133, 135, 139, 141, 142, 144, 151, 153–55, 159, 182 Crönert, Wilhelm 353 Crowley, Timothy 168 Curzer, Howard 267

Dalfen, Joachim 371 Dancy, Jonathan 214 Daube, David 251 Davidson, Donald 75 Davison, Gerald 406 Denniston, John 22

462 | Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren

Destrée, Pierre 76 Diels, Hermann 17–19, 25, 29, 353, 366 Dihle, Albrecht 352 Dingel, Joachim 389 Dirlmeier, Franz 209, 220, 247 Dixsaut, Monique 91, 96, 101 Dobbin, Robert 352 Dodds, Eric 86, 398 Dombrowski, Daniel 436, 438 Donini, Pierluigi 335 Dössel, Astrid 317 Dover, Kenneth 228 Dragona–Monachou, Myrto 350 Düring, Ingemar 440 Dyck, Andrew 353

Ebert, Theodor 58–61, 63, 67, 186 Ebrey, David 34, 35, 59 Edwards, Gemma Fay 436, 439, 440, 442, 443 El Murr, Dimitri 82, 87, 89–92, 96, 99, 101–103 Emilsson, Eyjólfur 443 Essler, Holger 353

Farquharson, Arthur 371 Ferella, Chiara 22 Fernandez, Patricio 182 Ferro, Antonio 171 Fine, Gail 47, 48, 160 Flaig, Egon 313 Flashar, Hellmut 245, 257 Ford, Anton 188 Forschner, Maximilian 401, 406 Fortenbaugh, William 437 Fossheim, Hallvard 267 Frede, Dorothea 60, 67, 70, 212, 213, 216–21, 225, 262, 350 Frede, Michael 33, 35, 331, 335, 355 Friend, John 324 Fuhrmann, Manfred 245

Gaca, Kathy 394 Gagarin, Michael 248

Gallop, David 35, 39, 48, 50, 59, 67 Ganson, Todd 143 Gaskin, Richard 374 Gauthier, René 257 Geach, Peter 206 Gehrke, Hans–Joachim 313, 314, 324 Gemelli Marciano, M. Laura 18, 22, 25, 27 Gill, Christopher 389, 396, 397, 400 Girgenti, Giuseppe 438 Godley, Alfred 303 Gottlieb, Paula 302 Gourinat, Jean–Baptiste 372, 377 Graeser, Andreas 197 Graver, Margaret 329, 335, 352, 362, 406 Gray, Benjamin 319 Gregoric, Pavel 108, 111 Griffin, Miriam 362, 382 Grote, Oliver 318 Grube, George 59 Gutas, Dmitri 437 Guthrie, William 25

Hackforth, Reginald 48, 50, 59 Hadot, Pierre 377–79 Halbig, Christoph 203, 215 Hansen, Mogens 309, 313 Hard, Robin 376, 379–81 Hardie, William 173, 227 Harsh, Philip 240 Harte, Verity 93, 160 Haßkamp, Dorothee 308 Heldmann, Konrad 389 Henry, Denis 397 Hey, Oskar 240, 242 Hicks, Robert 151 Hill, Timothy 397 Höffe, Otfried 210 Hoffmann, Magdalena 267 Horn, Christoph 60, 67 Hosius, Carl 364 Humphreys, Sarah 290

Inciarte, Fernando 191, 192 Inwood, Brad 247, 329, 335, 337, 339, 352, 362, 376, 415

Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren | 463

Ioppolo, Anna Maria 330 Irwin, Terence 76, 214

Jackson, Henry 244, 250, 251 Jaeger, Werner 209, 220 Jagannathan, Dhananjay 293 Jäger, Gerhard 72, 73 Janko, Richard 20, 24, 26 Jedan, Christoph 376 Joachim, Harold 221, 227 Johansen, Thomas 52, 108, 115, 126, 148, 151, 153–55, 157, 159 Jolif, Jean 256, 257 Jordović, Ivan 317, 320

Kahn, Charles 352 Kamtekar, Rachana 33, 58, 68, 70, 71 Kant, Immanuel 196, 225 Karamanolis, George 438 Karbowski, Joseph 212, 225 Kauffmann, Clemens 61 Kenny, Anthony 250 Kersting, Wolfgang 267 Kiesel, Dagmar 387, 388 Kietzmann, Christian 188 Kingsley, Peter 19, 27 Kirichenko, Alexander 409, 410 Klein, Jacob 334 Kolnai, Aurel 173 Kraut, Richard 224, 228, 284 Kübler, Bernhard 256 Kugelmeier, Christoph 405, 410 Kullmann, Wolfgang 162

Labarrière, Jean–Louis 334 Laks, André 29, 37 Lane, Melissa 90–93, 98, 99 Lee, Henry 247, 248 Lefèvre, Eckard 253, 393 Lehmann, Gustav 307 Lennox, James 36, 39, 49, 126, 162 Lewis, David 312 Lienemann, Béatrice 247 Link, Stefan 320

Lintott, Andrew 313 Lipsius, Justus 228 Lockwood, Thornton 323 Loening, Richard 256 Loening, Thomas 308 Long, Alex 59 Long, Anthony 337,349, 376 Loraux, Nicole 308 Lord, Carnes 324 Lorenz, Hendrik 76, 143, 156, 158 Louden, Robert 220, 228 Lurje, Michael 235, 245, 257

Mackie, John 35 Manetti, Giovanni 334 Mansfield, Jaap 350, 366 Martin, Alain 19, 27, 30 Maschke, Richard 256 Massaro, Alma 442 McDowell, John 109, 110, 262 McGowan Tress, Daryl 272 McNaughton, David 214 Meier, Christian 319 Meijer, Piet 350 Mele, Alfred 173 Menn, Stephen 36, 37, 73 Merzlak, Regina 391 Meyer, Eduard 307 Miller, Fred 295 Millgram, Elijah 173 Morrow, Glenn 83 Moss, Jessica 140, 143, 163, 166, 173 Most, Glenn 29 Müller, Jörn 76, 263, 396, 397, 399, 400, 430 Munn, Mark 307 Murray, Oswyn 311, 320

Neale, John 406 Németh, György 307 Nettleship, Henry 94 Newmyer, Stephen 438 Nielsen, Karen 212, 217, 230 Nietzsche, Friedrich 325 Nussbaum, Martha 173, 335

464 | Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren

O’Brien, Denis 25 O’Meara, Dominic 445 Odzuck, Sebastian 77 Olfert, Christiana 191, 194, 197, 200, 203–205 Osborne, Catherine 27, 436, 438, 440 Osborne, Robin 315 Ostwald, Martin 240, 243 Owens, Joseph 215

Pakaluk, Michael 191 Patillon, Michel 436, 437, 442 Patterson, Richard 50 Pearson, Giles 145, 153, 160, 167 Pease, Arthur 351 Pellegrin, Pierre 322, 323 Penner, Terry 76 Peramatzis, Michail 155 Pomeroy, Arthur 372–74, 376, 377 Powell, Jonathan 352 Price, Anthony 302 Prichard, Harold 209, 210 Primavesi, Oliver 15, 19, 21, 22, 24, 27, 30, 127–29 Prior, Arthur 113

Radice, Roberto 337 Radici Colace, Paola 313 Rapp, Christof 136, 223, 224, 245, 246, 248 Reeve, Charles 76 Reydams–Schils, Gretchen 350 Reynolds, Leighton 438 Rhodes, Peter 312, 315 Rhonheimer, Martin 209 Richardson Lear, Gabriel 196, 202, 217 Ricken, Friedo 209, 216, 222 Riess, Werner 313 Rist, John 374 Rodier, Georges 151 Rogan, Esther 323 Rösler, Wolfgang 237, 245, 255, 256, 257 Ross, William 50, 218, 221, 225, 226, 230, 231, 247

Rowe, Christopher 50, 59, 81, 88, 91, 191, 222 Rufener, Rudolf 59 Russell, Daniel 262

Sakezles, Priscilla 330 Salles, Ricardo 329, 330, 337, 338, 355, 361 Samaras, Thanassis 295 Sandys, John 94 Santas, Gerasimos 173 Sattler, Barbara 35 Schmitt, Arbogast 253 Schmitt Pantel, Pauline 321 Schmitz, Winfried 317 Schofield, Malcolm 251, 376, 377, 430 Schütrumpf, Eckart 322, 323 Scott, Dominic 211, 212 Scott, Robert 73 Sedley, David 22, 35, 36, 45, 46, 49, 51, 59, 86, 337, 349, 350, 374, 376, 386 Sellars, John 371, 376, 379 Sergi, Emilia 313 Setaioli, Aldo 362 Sharma, Ravi 59 Sharples, Robert 331, 338 Shear, Julia 308 Sherman, Nancy 251, 252, 262, 272, 280 Shields, Christopher 143 Skemp, Joseph 95 Smith, Nicolas 76 Smith, R. Scott 401 Sorabji, Richard 251, 257, 262, 272, 438 Spiecker, Ben 268 Steutel, Jan 268 Stevens, John 330, 337 Stewart, John 250, 251 Stone, Isidor 309 Striker, Gisela 337 Stroud, Sarah 77 Summa, Laura 267, 275, 280 Svirsky, Larisa 77

Thomas von Aquin 191, 193, 196 Thür, Gerhard 228

Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren | 465

Tiersch, Claudia 320 Togni, Paolo 337 Tonelli, Angelo 27 Trépanier, Simon 22, 25 Tsekourakis, Damianos 337

Ullucci, Daniel 437 Urmson, James 221

Vasiliou, Iakovos 275, 445 Veillard, Christelle 362 Vigo, Alejandro 202 Vlastos, Gregory 35, 48, 59, 60 Vogt, Katja 406

Waldron, Jeremy 298 Walker, Bessie 397 Walter, Uwe 307, 318, 320 Weber, Simon 310

van Wees, Hans 313 Weidemann, Hermann 330 Wellmann, Tom 21, 26, 28, 30 Welwei, Karl–Wilhelm 307, 320 Wessels, Antje 389 White, Stephen 329, 339 Whiting, Jennifer 139, 153 Whittaker, John 442 Wieland, Wolfgang 215, 224, 228, 229 Wiggins, David 173, 214 Wilberding, James 453 Williams, Bernard 398, 413 Willmann, Otto 272, 279 Wimmer, Franz 277 Winterbottom, Michael 438 Wolf, Ursula 219, 222, 262, 266 Wolpert, Andrew 308 Woods, Michael 247 Woolf, Raphael 247, 421 Wray, David 398 von Wright, Georg 65, 449 Wynne, John 360

Sachregister Absicht 199, 200, 214, 254, 268, s. intention; prohairesis abstinence 433–57, s. omission; refrain; vegetarianism action 371, 380–83, s. Handlung / Handeln – alternative action 350, 355, 359, 365 – and language 331 – for the community 289, 292, 294, 301, 302, 304, 305 – from office 289, 290, 294–98, 300–5 – intelligent human action 54–79 – necessitated action 358, 359, 361, 364–67, s. necessitation – spontaneous ethical action 371, 381, 382 – virtuous action 382, 383 – volitional action 350, 351, s. volition; willentlich – to do what seems best 33, 39, 54 adikia / adikêma s. Gerechtigkeit; justice – causing harm 443 – Unrechtstat 241, 243–49, 252, 253, 257 Affekt 385, 386, 395–406, 409, 410, s. pathos – Voraffekt 395–98 agency 354, 359, 362, 364, 365, 413–31, s. intelligence – political agency 289–304 agnoia s. Schuld – Unbekümmertheit des Verstandes 16– 18, 31, s. intellektuelles Versagen – Unwissenheit 238, 242–46, 249, 250, 253–55 – Wahn, pathologischer vs. alltäglicher 385–410 aitia s. synaition (auxiliary cause) – cause 33–55, 86, 95, 96, 100, 103 – contributory cause 52, 53 – formal cause 33, 35 – Grund 58–62, 66 – material cause 33, 35, 38, 43, 46 – Vorstellung des Besten als Grund der Handlung 61 https://doi.org/10.1515/9783110735598-023

akrasia 76, 396, 397, 400, 403, 404, 408, s. innerseelischer Konflikt; mental conflict – akratische Handlung / akratisches Handeln 76, 253 – Mangel an Selbstkontrolle 140, 141, 165, 169 – Unbeherrschtheit 253, 324 akratês 165 Akteurschaft s. agency ameleia s. Schuld – Fahrlässigkeit 255 – Nachlässigkeit 251, 254, 255 Amnestie 308 Amt s. archê / office animal self-motion 127, 128, 130–32, 135, s. Seelenvermögen zur Ortsbewegung arational / nicht-rational s. Lebewesen / nicht-rationales; non-rational archê s. action from office – office 82, 289, 290, 294–305 – rule 294–97, 300, 304 aretê s. Tugend; virtue Argumentrezeptivität 280, 284, 285; s. Vernunft / Empfänglichkeit des Kindes für Vernunft Aristie-Ideal 316, 317 assent 329, 330, 333–41, 343–46, s. Zustimmung assimilation to god 435, 436, 444–46, 452–54 Assoziation, politische 307–20, s. community; Dissoziation; Gemeinschaft Athen 307–13, 316, 318–21, 324 atychia / atychêma (Unglücksfall) 243, 245, 246, 248, 254 autepitaktikê technê (self-prescriptive art) 90, 94–96 s. epitaktikê technê; prescription aversion (aphormê) 336, 337, 342–44, s. Impuls

468 | Sachregister

Begehren / Begehrensvermögen / Begierde 146, 152, 156–58, 183, s. desire; epithymia; orexis Bewegungsprinzip 266, 267, s. Seelenvermögen zur Ortsbewegung Bewegungsursache – externe / innere Bewegungsursache 250 boulêsis (wish, Wunsch) 128, 132, 133, 149, 150, 163–67, 177, 184, 216, 274, 338, 354, s. voluntas Bürger 307–11, 317–21, 323–25, s. citizen Bürgerstaat s. polis

cause s. aitia character 54, 55, 88, 101, 364, 382, 383, s. Charakter Charakter 214, 237–40, 242, 243, 263, 275, 283, 286, s. character – Charakterformung 283–85, s. Habituation choice 351, 354, 359, 361, 365, 366, s. hairesis, prohairesis citizen / citizenship 294–305, s. Bürger city-state s. polis Clan 311, s. Gemeinschaft commitment 413–16, 419, 428–31 community 289, 292, 294, 296, 297, 299–305, s. action for the community; Assoziation; Gemeinschaft constitution s. politeia craft expertise 43, 44, s. technê craftsman 85–89, 99 – craftsmanship 83, 86, s. political expertise – divine craftsman (Demiurge) 86, 99– 103

dei s. Sollen deliberation / practical reasoning 33, 382, s. praktische Überlegung Demiurge s. craftsman Demokratie 307, 308, 318, 319, 322 dêmos 310, 312, 319, 320

Denken 176–82, 186, s. nous – Zusammendenken 181, 182, 184 depending on us 354, 355, s. responsibility desire 109, 117, 119, 127–33, 135, s. Begehren, epithymia, orexis dianoia s. Denken diaspan (Auseinanderreißen der Seelenteile) 145, 148–52, 154, 162, 163, s. orexis / Einheit des Strebevermögens; parts of the soul; Seelenteile; unity of the soul Dissoziation, politische 307–18, s. Assoziation divine being 350, 363, s. volition / divine – creates and governs the universe in the best possible way 350 – God 349–51, 354, 359–62, 365, 366 – immutable will 362 – Zeus 349–51, 359–61, 366 Doctrine of the Wisdom of the Multitude (DMW) 298 dogmatism vs. scepticism 428–31 – dogmatist vs. sceptic 428–31 doxa 62–66, 70, 77, s. judgement; Wissen Dreißig (Tyrannen) 307–9, 321

education s. paideia Ehre 324, s. honourable Einheit s. Assoziation; diaspan; Gemeinschaft; orexis / Einheit des Strebevermögens; unity; unity of the soul Elemente (Naturphilosophie) 20–24, 29 Eleusis 308 empeiria (Erfahrung) 177, 184 Enthaltsamkeit s. abstinence Entscheidung s. prohairesis Entschluss s. prohairesis Entschuldigung / entschuldbar 236, 239, 243, 255–57 Ephebie 321, 324 epitaktikê technê (prescriptive art) 82, 90, 93–95, 98, 100, s. autepitaktikê technê; prescription

Sachregister | 469

epithymêtikon 146 epithymia 128, 157, 165, 184, 273, 274, s. Begehren; desire; orexis; Streben Erfahrung s. empeiria Erinnerung s. mnêmê Erklärung von Handlung 57, 58, 61, 65– 67, 69, 70, 77, s. Syllogismus / praktischer Erwartung s. paralogos Erziehung 323, 324, s. paideia – moralische Erziehung 216, 261, 268, 269 eudaimonia 196, 217, 218, 296, s. good life; gutes Leben euhexia (gute Haltung) 324 eupraxia 196, 201, 204, 205 eutaxia (gute Haltung) 324 Exil 307, 319 explanation 33–45, 48, 49, 52, 54, s. Erklärung von Handlung

Familie 311, 320, s. Gemeinschaft Fehler 235–57 form 33, 35–37, 47–50, 53 Freundschaft s. philia

Gegenstand des Strebens s. orekton Gemeinschaft 211, 229, 271, 286, 310, 311, 317, 318, 320, 321, 324, s. Assoziation; Clan; community; Familie; genossenschaftlicher Zusammenschluss; Geschlechter; Hetairien; Phratrie; Phyle; Stämme; Symposion; Syssitien; Verwandtschaft Gemeinsinn 178 genossenschaftlicher Zusammenschluss 312, 320, s. Gemeinschaft Gerechtigkeit 317, 321, 322, s. adikia / adikêma; justice Geschlechter 311, s. Gemeinschaft Gesetz 211, 212, s. law; nomos Gesetzgebung 241, s. lawgiver; legislation Gewalt 314, 315

Gewöhnung 310, s. Habituation Gleichheit 321 – proportionale Gleichheit 322 – Ungleichheit 321 Glücksethik 217, 218 goal s. telos good life 296, 375, 413, 416, 427, s. eudaimonia; gutes Leben – lived openly 414, 419, 421–24, 427, s. integrity; transparency Grund s. aitia gut / schlecht 177, 179, 183, 184, 186, s. per se schlechte Handlung – das Gute 177, 182 – Gut 180, 181, 183 gute Haltung s. eutaxia, euhexia gutes Gefühl (eupatheia) 385, 397, 399, 406 gutes Leben 310, 312, s. eudaimonia; good life Gymnasion 324

Habituation 135, 261–63, 266–69, 280, 283–86 hairesis 63, 68, 70, s. choice hamartia s. Fehler Handlung / Handeln 16–18, 28, 31, 57– 72, 75–79, 174, 183, 186, 261–64, 266, 268, 269, 282, 283, 285, s. action; agnoia; Erklärung von Handlung; Fehler; per se schlechte Handlung – akratisch 76, 253 – aus Gründen 57–79 – in Unwissenheit 254, 255 – irrational 57 – mit Vernunft 57–79, s. intelligence – Opferhandlung 16, 17 – plötzlich 255 – rational 57, 58, 66, 68, 69, 71, 72, 78 – schuldhaftes Handeln 15–17, 20, 29, 31, s. Schuld – tugendhafte Handlung 263, 264, 267, 269, 280, 283, 286, s. Tugend Handlungsimpuls s. Impuls Handlungsurheberschaft s. agency

470 | Sachregister

Herstellen 173, 186–88 Hetairien 307, 316, 321, s. Assoziation; Gemeinschaft homeostatic account of self-preservation 129 honourable 415, 421–25, 427, s. Ehre hormê s. Impuls / impulse horos (Handlungsstandard) 221, 222, 228, s. Normativität / Kriterium hypothetisch notwendig 188

Ideologie 319, 320 Impuls / impulse 329, 330, 333, 336–39, 341–45, 349, 350, 354, 386, 396, 406, s. aversion (aphormê) inactive (being inactive) 435, 447, 448, 451–53, s. abstinence innerseelischer Konflikt 140, 165, 168, s. akrasia; mental conflict integrity 413–16, 419, 427, 428, 431, s. good life / lived openly; transparency intellektuelles Versagen 17, s. agnoia intelligence 33, 35–45, 47, 48, 51–55, s. Handlung / Handeln mit Vernunft; logos; nous; Vernunft – divine intelligence 39, 53 – intelligent agency 33, 44, 53 intention / purpose 199, 206, 366, 382, s. Absicht; intentionale Akte; prohairesis intentional 178, s. intention – intentionale Akte 174, 176 – intentionale Objekte 204

judgement 38, 40–42, s. doxa; value judgement; Wissen justice 291, 371, 376–80, 433, 435–46, 448, 453, s. adikia / adikêma; Gerechtigkeit – pre-eminence of justice 379 – understood as mutual advantage based on agreement 441

kairos 98, 100 Kind / Kindheit 260, 261, 274, 277, 278, 285, s. Erziehung; Gewöhnung; Habituation; paideia kinêsis s. Ortsbewegung; volition / volitional movements – Veränderung 174–81 Klientelbeziehung 311 Klugheit 186, 187, s. phronêsis; practical wisdom Konkretisierung von Handlungsnormen 173, 185, 186, 188; s. Spezifikation von Zielen Konsens 313, 320 Korkyra 315, 324

Laster 385, 394, 396, 397, 399, 404, 406, s. Tugend / Charaktertugend; virtue law 89, 90, 291, 292, 294–98, 300, 301, 342, s. Gesetz; nomos – prescriptive 89 – universal 335, 372, s. nature / universal lawgiver 344, 345, s. Gesetzgebung; legislation Lebewesen 174–78, 183 – nicht-rationales Lebewesen 261, 263, 273, s. nonrational / animal; Tier legislation 90, s. Gesetzgebung; lawgiver Liebe 21–24, 26–29, 31 logos 262, 269–75, 278–81, s. intelligence; nous; Vernunft Lust 177, 179, 183, 184, 266, 269, 271, 275, 281–85, s. pleasure

Macht 307, 314, 316 Mangel an Selbstkontrolle s. akrasia Mehrheit 313 – Mehrheitsentscheidung 313 – Mehrheitsregel 313 Meiden 177–78, s. abstinence mental conflict 117, 118, 121, 135, s. akrasia; innerseelischer Konflikt mimêsis (Nachahmung) 261, 267 Mitte 219–24, 226, 227 Mittel 173, 180, 188, s. telos; Ziel

Sachregister | 471

mnêmê (Erinnerung) 177, 184 model s. paradeigma movement (Stoic) s. kinêsis; volition – divine volitional movement 350, 351, 361 – volitional movement 349–52, 361, 364 Mut s. thymos

Nachahmung s. mimêsis Nachbarschaft 317, 320 Nachlässigkeit s. ameleia nature 107, 111, 118–21, 124–26, 128–35, s. physis – human nature 373–75, 380 – living according to nature 371, 372, 374, s. telos – social nature of human beings 371, 379, 380, s. zôon politikon – universal nature 334, 373–75, 379 necessitation 350, 354, s. action / necessitated action; volition / volitional necessity Niederlage 307, 314, 317 nomos 31, s. Gesetz; law non-rational s. teleology – animal 110, 121, s. Lebewesen / nichtrationales – capacity 116, 135, 136 – desire 129, 133, 135 – goals 132 – nature 132, 134 – parts of the soul 117 – states 131 noos 29, 30, s. nous Normativität 192, 194, 197, 199, 200, 203, 205, 206, 210, 212, 213, 217, 218, 220, 222, s. Sollen / dei; value judgement; values – Konkretisierung von Handlungsnormen 173, 185, 186, 188 – Kriterium der Normativität 209, 212, 220–22, 224, s. horos – normative Operationalisierbarkeit 210, 219, 228, s. Spezifikation von Zielen – normativer Gesichtspunkt 222, 224, 225

– Verbotsnorm 226, s. Verbot / Tötungsverbot nous 33, 37, 38, 42, s. intelligence; noos – Vernunft 57, 60, 63, 66–75, 78

Objekt des Denkens 196, 204 Objekt des Strebens 196, 197, 204, s. orekton öffentlicher Raum 311 office s. archê oikos 310 Oligarchie 308, 322 – Oligarchen 307–09, 317, 319, 321, 323 omission 433–35, 446–48, s. abstinence; refrain; Verbot / Tötungsverbot orekton s. Objekt des Strebens – Gegebenheitsweise (des Gegenstands des Strebens) 159, 167–169, 171 – Gegenstand des Strebens 145, 150, 159, 164, 166–71 – kognitiver Zugang (zum Gegenstand des Strebens) 158, 167–70 orexis s. Streben – Einheit des Strebevermögens 145, 160, 163 – Strebevermögen 139, 148–60, 162, 164–66, 168–71 orthos logos 219, 221, 372, 396 Ortsbewegung 174–80, 183, s. Seelenvermögen zur Ortsbewegung – animalische Ortsbewegung 174–80, 183 Ostrakismos 318

paideia s. Erziehung – education 81, 89, 99, 101, 102 pain 40, 41, 54, 119, 129, 131, 133, 134, s. Schmerz – animal capacity to feel pain 438 paradeigma – model 86, 88, 99, 100 – paradigm 87, 88, 92, 93, 95, 96, 99, 100 paradigm s. paradeigma

472 | Sachregister

paralogôs – wider vernünftiges Erwarten 244, 246, 251 – mê paralogôs (nicht gegen vernünftige Erwartung) 252, 254, 256 Parteiungen s. stasis Partikularismus, ethischer 213 parts of the soul 107–21, 132, s. diaspan; Seelenteile; unity of the soul – perceptual part 110, 119, 120, 121, 130, 134 – rational part 109, 116, 119–21, 134 – tripartition 301 pathos (Affekt) 282–85 Peloponnesischer Krieg 307, 314, 315, 318 per se schlechte Handlung 226, 229, 230 perception 109–17, 119, 121, 127–30, s. parts of the soul; Wahrnehmung phantasia 151, 156, 158, 159, 166, 167 philia (Freundschaft) 309, 310, 312, 325 Phratrie 310, 312, 320, s. Gemeinschaft phronêsis 196, 212, 216, 219, 222, 275, 280, 281, 290, 292, 293, 305, 341, 376, 377, s. Klugheit; practical wisdom Phyle 310, 312, 320, s. Gemeinschaft – Phylenreform 318 physis (nature) 371–75, 378–82 pleasure 40, 41, 54, 119, 128–35, s. Lust plötzliche Handlung 255, 256 Pneuma, angeborenes 179 polis 308–14, 316–21, 323–28 – city-state 290, 291, 294–99, 304 – Konflikthaltigkeit der politischen Strukturen in den griechischen Poleis 316 politeia – constitution 297–300 – metabolai tôn politeiôn (Verfassungsänderungen) 307, 321 – Mischverfassung 317 – Verfassung 311, 315, 321 political s. agency; Politik – action 82, 90 – animal 290–92, s. zôon politikon – Demiurgy s. craftsman

– expertise 292, 293 – office s. archê – rule s. archê Politik 310, 311, 319–21, s. political – politische Kommunikation 313, 320 – politische Philosophie 317 – politische Praxis 310, 324 – politischer Raum 311, 314, 319 politikê epistêmê 310, s. Politik; politikê technê politikê technê 85, s. politikê epistêmê – statesmanship 81–83, 88, 90, 91, 94– 102 practical knowledge 91, s. practical wisdom practical wisdom 292, 293, 298, s. Klugheit; phronêsis; practical knowledge praktische Überlegung 64, 195–97, 199– 201, 203, 205, 206, s. deliberation praktische Vernunft 215, s. phronêsis praktische Wahrheit 191–208 – Wahrheitsbedingung 193, 197, 198, 204 – Wahrheitsträger 193, 198, 199, 202, 203, 205, 206 – Wahrmacher 193, 198, 199 praktischer Syllogismus s. Syllogismus Präskription s. prescription; Sollen prescription 81–85, 88–90, 92–100, 103, 333, 334, 339, 341, 343, 344, s. epitaktikê technê; Normativität; prescriptive; Sollen prescriptive s. epitaktikê technê; law; prescription – forms of knowledge 92, 97 – law 89 – logos / predicate / proposition / judgement 330, 335, 336, 339–44 prima facie – Geltung 230 – Regeln 217, 225, 226 prohairesis 264, 352, 354, s. Absicht; choice; hairesis; intention; volitional movements – Entscheidung 312 – Entschluss 244, 246–48, 253, 256 – Vorsatz 195, 197, 200, 201, 204–06

Sachregister | 473

pronoia (Vorbedacht) 245, 247, 248 Prozess gegen Sokrates 308

Rache 307, 314, 315, 317 Rationalität 72, 76, 78, s. rationality – instrumentell 72 – Zweckrationalität 57, 72, 78 rationality 107, 109, 110, 112, 115, 116, 119, 121, 132, 133, 135, 136, s. Handlung / rational; Rationalität – animal rationality 438, 440–43 – rational goal 131–35, s. Ziel – rational human agent 33, 349, 351, 358, 359 – rational nature 132, 134 refrain 433–36, 445–47, 451, 452, 454, 455, s. abstinence; omission Religion / Polisreligion 321 Repräsentation 176–86 responsibility / responsible 33, 354, 359, 433, s. depending on us; Verantwortung Reziprozität (politische) 313, 319 rhetoric 97–99, s. Rhetorik Rhetorik 313, 320, s. rhetoric Ritual 18, 27, 31 rule s. archê

sage (Stoic) 335, 338, 341–44, 351, 363, 367 Satzungen 317 scepticism 423, 428, s. dogmatism – sceptic 427–31 Schließen 183 – theoretisches Schließen 181 Schmerz / Unlust 177, 183, 184, 271, s. pain Schuld 16, s. agnoia; ameleia; Entschuldigung; Fehler; Handlung / schuldhaftes Handeln; Zurechenbarkeit – an falschen Wertüberzeugungen 388 – an Unwissenheit 17, 31, 250, 254, 255, 390 – der Protagonisten der Tragödie 239

Selbstbewegung s. animal self-motion Seele s. parts of the soul; Seelenteile; Seelenvermögen; unity of the soul; Vermögen der Seele Seelenteile / Einteilung der Seele 139– 52, 154–57, 159–64, 169, 170, 272, 279, s. parts of the soul; Vermögen der Seele; Tastsinn – rationaler Seelenteil 272, 273, 279 – strebender Seelenteil 274, 279, s. orexis Seelenvermögen zur Ortsbewegung 139, 140, 143, 153, 154, 158, 159, 168, s. animal self-motion; Ortsbewegung Seelenwanderung s. Transmigration self-motion s. animal self-motion self-prescriptive art s. autepitaktikê technê Sieg 317, 324 Solidarität 311, 317, 319 Sollen 209, 210, 212, 214, 215, 221, 223, 226, 230, 231, s. Normativität; prescription; value judgement; values – dei (was / wann / wem gegenüber / weswegen / wie man soll ) 214, 223, 228, 269 soul s. parts of the soul; Seelenteile; Seelenvermögen; unity of the soul; Vermögen der Seele Sparta 307, 308, 311, 313, 317, 319–21 Spezifikation von Zielen 173, s. Konkretisierung von Handlungsnormen; Normativität / normative Operationalisierbarkeit; telos spontaneous ethical action s. action Stämme 311, 313, s. Gemeinschaft stasis 307, 308, 312–17, 322–24 statesmanship s. epitaktikê technê; politkê technê Streben 177–80, 184, 267, 273–75, 283, 285, s. Begehren; boulêsis; desire; epithymia; orexis; thymos Strebevermögen s. orexis; Streben Streit 21–23, 26, 27, 31 sunaition s. synaition

474 | Sachregister

Syllogismus – deduktiver Syllogismus 173 – praktischer Syllogismus 173, 174, 178, 180, 182, 185, 186, 188, 201–3, 205 – praktisch-spezifizierender Syllogismus 173, 174, 186, 188 – produktiver Syllogismus 173, 174, 186– 88 – theoretischer Syllogismus 181, 182 Symposion 310, 317 synaition s. aitia – auxiliary cause 95, 96, 100, 103 synkatathesis s. assent; Zustimmung Syssitien 321

tanzen 307, 321, 324 Tastsinn 177, 183, 184, s. Seelenteile technê 184, 186, 187, s. craft expertise Teilhabe, politische 307, 317, 318 Teleologie 65–67, 77, 78, s. teleology teleology 124, 130, 131, 133, 135, s. Teleologie – natural teleology 124, 130, 134 – non-natural teleology 132, 134 – non-rational teleology 134 – objective natural teleology 125–31, 134 – rational teleology 134 – subjective natural teleology 126–31, 134 – teleological conception of natural unity of the soul 121 – teleological explanation 121, 122, 124, 127, 130 telos s. Mittel; Spezifikation von Zielen; Teleologie; teleology; Ziel – goal of life 334, 372–75, 380 – living consistently with nature 371, 372, 374, 375 – rational goals 132 thumos s. thymos thymos (Mut) 128, 145, 146, 148–50, 152, 163, 184, 274, 324, s. orexis; Streben Tier s. Lebewesen / nicht-rationales; nonrational / animal – Tier vs. Kind 269 – tierisches Verhalten 174, 178, 181, 183

– Unterschied zwischen Tier und Mensch 134, 269, 278 Transmigration (Seelenwanderung) 15, 16, 18–20, 28 transparency 414, 415, 418–20, 422–24, 427; s. good life / lived openly; integrity Tugend 209–12, 214–25, 229, 385, 394, 397, 405, 406, s. action / virtuous; Handlung / tugendhafte Handlung; Laster; virtue – Charaktertugend / ethische Tugend 186, 187, 196, 215, 219, 221, 263 Tugendethik 217, 219, 220 tyrant 290, 300–1

Unbeherrschtheit s. akrasia Unglücksfall s. atychia / atychêma unity / civic unity 97, 100, 102 unity of the soul 107–9, 114, 115, 118–21, s. diaspan; orexis / Einheit des Strebevermögens; parts of the soul; Seelenteile; virtue – additive account of unity 109–12, 114, 117, 119 – natural 119, 121 – operational separability 110, 112–14, 116, 117, 121 – separability in definition 110–12, 18, 119, 121 – teleological conceptions of natural unity 121 – teleological subordination 119–22, 130–32, 134–36 – teleologically fused 120, 135 – transformative account of unity 109–11, 113–19, 135, 136 Unrechtstat s. adikia / adikêma Unterlassung s. omission Unterricht 309, s. Erziehung Unwissenheit s. agnoia; Schuld

value judgement 101, 335–337, 340, 344, s. Normativität; Sollen / dei; verbal predicate

Sachregister | 475

values 413–19, 428, s. Normativität vegetarianism 436, 439, s. abstinence Veränderung s. kinêsis Verantwortung 250, 254, 386–89, 392– 97, 403, 410, s. responsibility; Zurechenbarkeit Verbalajdektiv s. verbal predicate verbal predicate 340 Verbot s. Normativität / Verbotsnorm – Tötungsverbot 15, 16, 20, 28–30, s. omission Verfassung s. politeia Verfassungsänderung s. politeia / metabolai tôn politeiôn Vermögen der Seele 139–42, 144–60, 166, 169, 273, 274, 281, 285, s. parts of the soul; Seelenteile; Seelenvermögen zur Ortsbewegung – rationales Vermögen 273 – strebendes Vermögen 273 Vernunft 261, 269, 272–81, 283–85, s. intelligence; logos; nous – Empfänglichkeit des Kindes für Vernunft 279–85, s. Argumentrezeptivität – Vernunftfähigkeit 261, 272–75, 277– 80, 285 Verwandtschaft 309, 311, 316, 324, s. Gemeinschaft – Blutsverwandtschaft 311, 320 virtue 371, 375–81, 419, 420, 424, 429, s. Tugend – unity of virtue 377 volition 349–54, 359, 361–67, s. voluntas; will; Wollen – divine 349, 351, 359, 366 – human 349, 366 – volitional movements (prohairetikai kinêseis) 352 – volitional necessity 351, 361, 364–66 Volksbeschluss 312 Volksversammlung 307, 312, 319–21 voluntarius 349–52, 396

voluntary 338, 350, 354, 355, 358, 359, 361, 364, 367, s. willentlich voluntas 352, 362–65, 406, s. boulêsis; volition Vorbedacht s. pronoia Vorsatz s. Absicht; intention; prohairesis

Wahl s. hairesis Wahn s. agnoia Wahrnehmung 176–79, 183, 270, 271, 276, 281, s. perception; Seelenteile; Vermögen der Seele weaving (political) 95, 96, 99, 100, 102 Weben s. weaving wider vernünftiges Erwarten s. paralogos will, immutable 362, s. volition Willensschwäche s. akrasia willentlich 247, 248, 255, 388 s. voluntary – nicht willentlich 396 – unwillentlich 247, 248 Willentlichkeit 236 wish s. boulêsis Wissen 178, 179, 186, s. agnoia; doxa; Fehler – produktives Wissen 187 Wollen 267, 274, s. volition Wunsch s. boulêsis

zerreißen s. diaspan Ziel 173, 177, 180, 181, 185–88, s. Mittel; rationality / rational goal; telos zôon politikon 270, 271, s. political animal Zurechenbarkeit 235, 236, 238, 252, 254, s. responsibility; Verantwortung Zustimmung 395, 396, 399, 400, 409, s. assent Zweckrationalität s. Rationalität

Stellenregister Aëtius (Aët.)

Aristoteles

De Placitis (Plac.) – I Prooem. 2 = LS 26A 385 – I 7,33 = LS 46A = SVF II 1027 349, 401 – IV 8,12 329 – IV 11,1–4 = SVF II 83 329 – V 19,5 = DK 31 A 72 25

Analytica posteriora (An. post.) – I 24, 85b27–35 128 – II 3, 90b34–38 114 – II 11 124 Analytica priora (An. pr.) – I 1, 24b18–20 181 Athenaion Politeia (Ath. pol.) – 34,2 241 Categoriae (Cat.) – 5, 4b8–10 196 – 8, 8b26–29 292 – 12, 14b18–22 197 De anima (De an.) – I 1, 402a7–10 107 – I 1, 402a7–19 112 – I 3, 406b24–25 174 – I 3, 407a32–33 176 – I 3, 407a32–34 181 – I 5, 410b10–15 108 – II 2 107, 112, 144 – II 2, 413a6–7 117 – II 2, 413b21–27 119 – II 2, 413b29–31 148 – ΙΙ 2, 413b33–414a1 115 – II 3 114, 115, 120 – II 3, 414b1–16 145, 151, 156 – II 3, 414b5–6 157 – II 3, 414b22–33 111 – II 3, 414b28–415a2 108 – II 3, 415a12–13 111 – II 4, 415a14–22 145, 149, 160, 169 – II 5–III 8 139, 141 – II 5, 416b33–35 176 – III 3 148 – III 3, 428a3–5 176 – III 3, 428a17–19 167 – III 3, 428b11–12 176 – III 3, 429a7–8 116 – III 4, 430a5–6 134 – III 7, 431a8–11 129 – III 7, 431a8–17 145, 151, 156 – III 7, 431a10–11 157

Alcinous Didaskalikos (Handbook of Platonism) – 4,5 [155].17–19 [Whittaker] 442

Anaximenes Rethorica ad Alexandrum (Rh. Al.) – 4, 1427a30–36 246

Ps.-Andronicus (Ps.-Andr.) De Passionibus (De Pass.) – I 1 p. 223 Glibert–Thirry = SVF III 391 335

Anonymus In Aristotelis Ethica Nicomachea – 238.2–8 CAG XX Heylbut 255

Antiphon Oratio 1 = In Novercam – 5 248 – 27 241

https://doi.org/10.1515/9783110735598-024

478 | Stellenregister

– III 7, 431a12 157 – III 7, 431a14 157 – III 7, 431a14–16 176 – III 7, 431a14–17 157 – III 8, 432a7–14 176 – III 8, 432a13–14 159 – III 9–10 139–72 – III 9–11 127, 139, 140 – III 9, 432a15–22 141, 142, 145–47, 152, 160 – III 9, 432a19 141 – III 9, 432a20 143 – III 9, 432a22–b3 143, 145–48, 149, 152, 154, 160 – III 9, 432a24 147 – III 9, 432a25 146 – III 9, 432a27 147 – III 9, 432b3 148 – III 9, 432b3–7 145, 148–51, 154, 160, 163 – III 9, 432b4–6 163 – III 9, 432b5 132, 150 – III 9, 432b5–6 184, 274 – III 9, 432b5–7 151 – III 9, 432b6 216 – III 9, 432b6–7 149, 163 – III 9, 432b8–433a1 144, 156 – III 9, 432b17–19 153 – III 9, 433a1–6 165 – III 9, 433a3 165 – III 9, 433a6–7 165 – III 9, 433a7 165 – III 9, 433a7–8 117 – III 9, 433a8 165 – III 10, 433a9–26 165 – III 10, 433a17–b1 158 – III 10, 433a21–22 168 – III 10, 433a22–23 164 – III 10, 433a22–26 166, 168 – III 10, 433a23 134, 166 – III 10, 433a24 166 – III 10, 433a25–26 166, 167 – III 10, 433a26–27 167 – III 10, 433a26–30 150, 165 – III 10, 433a26–433b1 165–69, 171 – III 10, 433a27 167 – III 10, 433a31–b1 150

– III 10, 433b1–2 146, 147 – III 10, 433b1–4 152, 155 – III 10, 433b3 152 – III 10, 433b4 146 – III 10, 433b5–10 117 – III 10, 433b5–13 169 – III 10, 433b7–10 169 – III 10, 433b8 169 – III 10, 433b13–27 142, 154 – III 10, 433b14 171 – III 10, 433b16 171 – III 10, 433b17 171 – III 10, 433b17–18 150 – III 10, 433b19–21 142 – III 10, 433b27–30 151, 156, 159, 171 – III 10, 433b28–29 151 – III 11, 433b31–434a5 158 – III 11, 434a12–14 117, 140 – III 12, 434b14–27 129 De Caelo (Cael.) – II 13, 295b10–16 = DK 12 A 26 52 De generatione animalium (Gen. an.) – II 3, 736a35–b8 120 – II 3, 736a37–b1 120 De generatione et corruptione (Gen. corr.) – II 6, 333a35–b1 = DK 31 B 37 22 De insomniis (Insomn.) – 1, 459a21–22 159 De memoria et reminiscentia (Mem.) – 1, 449b30–450a9 176 – 1, 450a12–13 159 De motu animalium (Mot. an.) – 1, 698a1–7 174 – 6, 700b15–16 131 – 6, 700b19–22 176 – 6, 700b32–35 133 – 7, 701a7–8 180 – 7, 701a8–13 181 – 7, 701a13–15 182 – 7, 701a17–22 185 – 7, 701a19–20 183 – 7, 701a22–23 205 – 7, 701a23–25 182 – 7, 701b1–7 175, 176 – 7, 701b16–22 176 – 7, 701b28–32 178 – 11, 703b3 184

Stellenregister | 479

De partibus animalium (Part. an.) – I 1, 639a29–b5 125 – I 1, 641b4–9 133, 134 – I 1, 641b32–b8 119 – I 2, 642b10–14 162 – I 2, 642b16–18 162, 163 – I 2, 642b18 163 – I 2–3 162 – II 10, 656a3–15 276 – III 3, 665a10–13 178 – IV 10, 686a25–686b5 276 – IV 10, 686b8–12 276 – IV 10, 686b21–27 276 De sensu et sensibilibus (Sens.) – 1, 436a1–437a17 112 – 1, 436b15–437a1 129 – 1, 437a11–17 281 De somno et vigilia (Somn.) – 1, 454b24–25 115 – 1, 454b27–455a3 116 – 3, 457a33–b2 117 Ethica Eudemia (EE) – II 1, 1219b32–37 118 – II 3, 1221b17–27 226 – II 7, 1223a26–27 184 – II 8, 1224a2–4 256 – II 8, 1224a20–23 250 – II 8, 1224a25–30 261 – II 8, 1224b7–8 266 – II 8, 1224b29–35 273 – II 9 249, 250 – II 9, 1225b8–16 255 – II 10, 1225b24–25 184 – II 10, 1226a11–13 230 – II 10, 1226a36 241 – II 10, 1226b2–5 256 – II 10, 1226b34–1227a2 247 – II 10, 1226b35 247 – II 10, 1226b37–38 247 – II 10, 1227a8–9 217 – II 11, 1227b23–26 217 – II 11, 1227b28–31 187 – VIII 2, 1247b6–8 251 Ethica Nicomachea (EN) – I 1 [1], 1094a3 204 – I 1 [2], 1094a22–24 217 – I 1 [2], 1094a24 221

– I 1 [3], 1094a26–27 211 – I 1 [3], 1094a26–b11 211 – I 1 [3], 1094b5–6 214, 225 – I 1 [3], 1094b10–23 225 – I 1 [3], 1094b15 211 – I 1 [3], 1095a2 211 – I 1 [3], 1095a5–6 213 – I 1 [3], 1095a9 216 – I 2 [4], 1095a16 211 – I 2 [4], 1095b3–8 225 – I 4 [6], 1096a17–18 114 – I 5 [7], 1097b2–4 218 – I 6 [7], 1098a16–17 218 – I 7 [7], 1098a20 225 – I 7 [7], 1098b1–2 225 – I 10 [9], 1099b32–1100a4 261 – I 12 [12], 1102a1–3 217 – I 12 [12], 1102a2–4 217 – I 13 [13], 1102a5–7 211 – I 13 [13], 1102a9–13 214 – I 13 [13], 1102a12 211 – I 13 [13], 1102a28–32 118 – I 13 [13], 1102b14–25 140 – I 13 [13], 1102b30–1103a1 279 – II 1 [1], 1103a14–18 263 – II 1 [1], 1103a23–26 135 – II 1 [1], 1103a26–1103b2 263 – II 1 [1], 1103b6 241 – II 2 [2], 1103b26–29 213 – II 2 [2], 1103b26–34 215 – II 2 [2], 1103b34–1104a11 214 – II 2 [2], 1104a7–10 225 – II 2 [2], 1104a8–9 223 – II 2 [3], 1104b22–24 224 – II 2 [3], 1104b22–26 223 – II 2 [3], 1104b26 224 – II 3 [4], 1105a17–26 266 – II 3 [4], 1105a27–33 214 – II 3 [4], 1105a30–33 262, 264 – II 3 [4], 1105b5–12 214 – II 3 [4], 1105b11–12 265 – II 4 [5] 292 – II 5 [6], 1106b21–22 223 – II 5 [6], 1106b28–31 226 – II 5 [6], 1106b32 221 – II 6 [6], 1106b36–1107a2 219 – II 6 [6], 1107a1 220

480 | Stellenregister

– II 6 [6], 1107a6–7 223 – II 6 [6], 1107a8–15 217 – II 6 [6], 1107a8–17 226 – II 9 [9], 1109a28 223 – II 9 [9], 1109a29–30 226 – II 9 [9], 1109b15–16 223 – II 9 [9], 1109b20–23 226 – II 9 [9], 1109b22–23 214 – III 1–3 [1] 184 – III 1 [1], 1109b30–34 211 – III 1 [1], 1109b35–1110a4 250 – III 1 [1], 1110a4–7 225 – III 1 [1], 1110a13–14 223, 230 – III 1 [1], 1110a19–29 231 – III 1 [1], 1110a26–27 231 – III 1 [1], 1110a29–30 225 – III 1 [1], 1110b7–9 230 – III 2 [1] 249 – III 2 [1], 1110b18–19 387 – III 2 [1], 1110b28–31 243 – III 2 [1], 1111a3–6 224, 387 – III 4–5 [2–3] 247 – III 4 [2], 1111b4–6 214 – III 4 [2], 1111b5–6 211 – III 4 [2], 1111b6–10 256 – III 4 [2], 1111b8–9 261 – III 4 [2], 1111b10–11 184 – III 4 [2], 1111b19–30 274 – III 4 [2], 1111b26–27 216 – III 4 [2], 1112a5–7 197 – III 4 [2], 1112a15–16 211 – III 5–6 [3–4] 168 – III 5 [3], 1112b11–1113a2 184 – III 5 [3], 1113a10–11 200 – III 6 [4] 216 – III 6 [4], 1113a22–b2 166 – III 7 [5] 250, 263 – III 10 [7], 1115b15–16 223 – III 11 [7–8] 256 – III 11 [8], 1116b31 218 – III 15 [12], 1119b17 223 – IV 2 [1], 1120a25 224 – IV 2 [1], 1120b29 223 – IV 9 [3], 1125a17–20 242 – IV 11 [5], 1126b3–4 226 – V 236, 239, 248 – V 2 [1], 1129a32–b1 291

– V 3 [1], 1129b19–25 217, 227 – V 3 [1], 1129b20–23 225 – V 3 [1], 1129b21–22 228 – V 3 [1], 1129b25–27 291 – V 5 [2], 1131a6 228 – V 7 [4], 1132a3 228 – V 10 [6–8] 235, 236, 250–257 – V 10 [6], 1134a17 230 – V 10 [6], 1134a17–23 253 – V 10 [6], 1134a19–23 230 – V 10 [6], 1134a30 291 – V 10 [6], 1134a35–b2 301 – V 10 [8], 1135a23–28 244 – V 10 [8], 1135b11–25 243, 244 – V 10 [8], 1135b12 244 – V 10 [8], 1135b18 244 – V 10 [8], 1135b23–24 245 – V 10 [8], 1135b25 230 – V 14 [10], 1137b13–24 225 – V 14 [10], 1137b15 241 – V 14 [10], 1137b16 241 – V 14 [10], 1137b17 241 – V 14 [10], 1137b22 241 – V 15 [11], 1138a25–26 228 – V 15 [11], 1138b5–6 291 – VI 1 [1], 1138b18–34 221 – VI 1 [1], 1138b23 221 – VI 1 [1], 1138b34 221 – VI 2 [1], 1139a5–14 178 – VI 2 [1], 1139a7–8 195 – VI 2 [2], 1139a17–18 195 – VI 2 [2], 1139a21–27 195 – VI 2 [2], 1139a26–27 194 – VI 2 [2], 1139a27–31 196 – VI 2 [2], 1139a29 195 – VI 2 [2], 1139a35–36 196 – VI 2 [2], 1139a35–b5 134 – VI 4 [4], 1140a1–6 186 – VI 5 [5], 1140a25–28 216, 219 – VI 5 [5], 1140a28 196 – VI 5 [5], 1140b7 196, 205 – VI 5 [5], 1140b7–11 293 – VI 5 [5], 1140b16–20 217 – VI 7 [7], 1141a22–23 124 – VI 8 [7], 1141b14–15 212 – VI 8 [7], 1141b14–16 219 – VI 8 [8], 1141b23–24 292

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– VI 8 [8], 1141b23–33 212, 216 – VI 8 [8], 1141b24–25 211 – VI 8 [8], 1141b29–31 293 – VI 10 [9], 1142b7–9 243 – VI 10 [9], 1142b10 197 – VI 10 [9], 1142b20–24 243 – VI 10 [9], 1142b24–26 228 – VI 10 [9], 1142b27–28 196 – VI 10 [9], 1142b32–33 216 – VI 13 [12], 1144a7–9 215 – VI 13 [12], 1144a13–22 214 – VI 13 [12], 1144a31–36 217 – VI 13 [12], 1144a34–36 215 – VI 13 [13], 1144b16–17 215 – VI 13 [13], 1144b20–21 215 – VI 13 [13], 1145a4–6 215 – VI 13 [13], 1145a6–11 218 – VII 3 [2] 140 – VII 5 [3], 1147a33–b5 117 – VII 6 [4], 1148a2–4 253 – VII 6 [5], 1148b25–31 262 – VII 7 [5–6], 1149a23–25 184 – VII 8 [7], 1150b19–22 253 – VII 8 [7], 1150b25–28 253 – VII 9 [8], 1151a15–17 217 – VII 9 [8], 1151a18–19 216 – VII 9 [8], 1151a20–25 253 – VII 11 [10], 1152a27–30 262 – VII 15 [14], 1154b21–31 134 – VIII 8 ]7], 1158b11–15 268 – VIII 12 [10], 1160b31 241 – VIII 13 [11], 1161a30–34 300 – VIII 14 [12] 268 – VIII 14 [12], 1161b24–26 268 – VIII 14 [12], 1162a25–27 229 – IX 2 [2] 217, 224 – IX 2 [2], 1164b31–33 225 – IX 2 [2], 1164b31–1165a4 225 – IX 8 [8], 1168b28–1169a6 136 – X 6 [6], 1176b6–9 218 – X 7 [7], 1177b26–29 291 – X 8 [8], 1178a14–22 293 – X 8 [8], 1178a16–19 215 – X 8 [8], 1178a34–b1 214 – X 8 [8], 1178b5–7 218 – X 8 [8], 1178b20–32 133 – X 9 [8], 1179a6–8 290

– X 10 [9], 1179a33‒1181b23 310 – X 10 [9], 1179a35–b4 213 – X 10 [9], 1179b4–18 281, 282 – X 10 [9], 1179b20–34 284 – X 10 [9], 1179b20–35 281 – X 10 [9], 1179b23–28 284 – X 10 [9], 1179b31–1180a5 324 – X 10 [9], 1179b31–1180a14 214 – X 10 [9], 1179b34–35 291 – X 10 [9], 1180a2–4 291 – X 10 [9], 1180a32–35 211 – X 10 [9], 1180b13–28 211 – X 10 [9], 1180b30–31 211 – X 10 [9], 1181a11–12 211 – X 10 [9], 1181a23 211 – X 10 [9], 1181b14–15 212 Historia animalium (Hist. an.) – II 1, 500b26–27 276 – IV 9, 536b3–4 281 – IV 9, 536b5–8 277 – VIII 1, 588a31–b3 277 – VIII 1, 589a8–9 129 Magna Moralia (MM) – I 33, 1195a27–b4 250 Metaphysica (Met.) – IV 7, 1011b26–27 196 – V 5, 1015a20–26 159 – VI 1, 1025b32 227 – VI 1, 1026a18–19 212 – VII 7, 1032b6–10 187 – VII 10, 1035a25–26 227 – VII 12, 1038a25–30 113 – IX 1–6 171 – IX 1, 1046a31–35 278 – IX 5, 1048a2–24 134 – IX 10, 1051b6–9 197 – X 8 115 – X 8, 1057b38–1058a4 114 – XII 7, 1072a28 133 – XII 7, 1072a29–30 204 – XII 7, 1072b24–26 133 Physica (Phys.) – II 5, 197a18–21 251 – II 7, 198b3–9 124 – II 8, 199a33 241 – II 8, 199a33–b7 241 – II 9, 200a15–16 51

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– III 1–3 171 – IV 13, 222b14–15 256 – VII 3, 247b1–248a9 176 – VII 3, 248a2–6 135 – VIII 5 142, 154, 171 Poetica (Poet.) – 4, 1448b5–9 267 – 6, 1449b24–28 237 – 8, 1451a20 241 – 10, 1452a12–18 238 – 11, 1452a22–24 238 – 11, 1452a29–31 238 – 13 237, 239 – 13, 1453a7–12 235 – 13, 1453a10–15 242 – 13, 1453a12–18 237 – 15–16, 1454b17–35 241 – 19, 1456b15 241 – 25, 1460b15 241 – 25, 1460b17 241 – 25, 1460b19 241 – 25, 1460b23 241 – 25, 1460b29 241 – 25, 1460b30 241 – 25, 1461b8 241 Politica (Pol.) – I 2, 1253a1–4 270, 290, 300 – I 2, 1253a1–18 270 – I 2, 1253a7–18 270 – I 2, 1253a27–29 291 – I 12, 1259b8–9 303 – I 12, 1259b9–10 304 – I 13, 1260a12–14 272 – I 13, 1260a13 280 – I 13, 1260a31–33 272 – II 4, 1262a26 250 – II 8, 1269a16 241 – II 9, 1270a9 241 – II 10, 1272b2 241 – II 11, 1273a31 241 – III 1, 1275a22–23 294 – III 1, 1275a32 294 – III 1, 1275a34–38 114 – III 1, 1275b1 241 – III 1, 1275b18 295 – III 3, 1276b1–6 299 – III 3, 1276b1–9 298

– III 4, 1276b16–1277a10 299 – III 4, 1276b29 297 – III 6, 1279a20 241 – III 9, 1280a15–16 297 – III 9, 1280b35‒39 312 – III 10, 1281a19–20 299 – III 11, 1281a42–b10 298 – III 11, 1282a34–37 298 – III 13, 1283b42‒1284a3 311 – III 15, 1286b27–40 296 – III 16, 1287a28–30 296 – III 16, 1287a30–32 301 – III 16, 1287a41–b3 297 – IV 2, 1289b9 241 – IV 8, 1293b25 241 – IV 11, 1295b35‒39 323 – IV 12, 1297a7 241 – V 1, 1301a25–39 322 – V 1, 1301a25–b1 297 – V 1, 1301a36 241 – V 1, 1302a6 241 – V 4, 1303b29–30 241 – V 4, 1304a33–38 301 – V 9, 1310a12–19 324 – V 10, 1310b12–31 300 – VI 1, 1317a37 241 – VI 6, 1320b35 241 – VI 8, 1321b12–18 295 – VI 8, 1321b18–27 295 – VI 8, 1321b27–30 295 – VI 8, 1321b31–33 296 – VI 8, 1321b34–40 296 – VI 8, 1321b40–1322a29 296 – VI 8, 1322a33–b6 296 – VI 8, 1322b7–12 296 – VI 8, 1322b12–17 296 – VII 2, 1324a5–7 302 – VII 2, 1324b39–40 224 – VII 2, 1325a7–10 211 – VII 3, 1325b7–14 295 – VII 13, 1331b26–38 228 – VII 15, 1334b20–25 274 – VII 16, 1335b38–1336a2 228 – VIII 4, 1338b12 241 Rhetorica (Rhet.) – I 10, 1368b6–12 248 – I 10, 1369a1–4 274

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– I 10, 1369a2–4 216 – I 11, 1369b15–18 135 – I 12, 1372b16–18 248 – I 13, 1373b6–17 29 – I 13, 1373b38–1347a9 229 – I 13, 1374a9–17 230 – I 13, 1374b4–9 246 – I 15, 1375b18 241 – I 15, 1376b18 241 – III 2, 1405a31 241 Topica (Top.) – I 11, 105a5–6 229 – IV 5, 126a13 132 – VI 8, 146a36–b9 128 – VI 8, 146b2 133 – VI 8, 146b5–6 133 – VI 8, 146b9–12 128

Alexander von Aphrodisias (Alex. Aphr.) In Aristotelis Analyticorum Priorum Librum I Commentarium (An. pr.) – 184.6–10 CAG II,1 Wallies 357 De Fato (Fat.) – 28, 199.18–20 Suppl. Aristotelicum II,2 Bruns = LS 61N3 385 – 34, 205.24–206.2 Suppl. Aristotelicum II,2 Bruns = SVF II 1002 331, 338 In Aristotelis Topicorum Libros Octo Commentaria (In Arist. Top.) – 301.19–25 CAG II,2 Wallies = SVF II 329 332

Aspasius In Ethica Nicomachea Commentaria (In Eth. Nic.) – 48.12–21 CAG XIX,1 Heylbut 220

Boethius In Librum Aristotelis Peri Hermêneias, Secunda Editio (Int., 2. ed.) – 234–235 Meiser 355 – 393 Meiser 355

Cicero (Cic.) Academica Priora (Acad. Pr.) = Lucullus – 24 351 – 24–25 = SVF II 116 330 – 37–38 = SVF II 115 329 – 108 = SVF II 72–73 329 De Amicitia – 44–45 423 – 65 423 – 91 423 – 97 423 De Fato (Fat.) – 13 356 – 41–42 = SVF II 974 330 De Finibus Bonorum Et Malorum (Fin.) – I 13 430 – I 16 430 – I 27 429 – I 28 430 – I 69 417 – II 12 418 – II 28 418 – II 44 418 – II 49 418 – II 55 417, 418 – II 58 417 – II 65 425 – II 69 419, 430 – II 74 415 – II 76 415, 416 – II 79 423 – II 81 418 – II 85 423 – II 116–117 417 – II 118 419, 430 – III 10 430 – III 16–24 376 – III 23 351

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– III 33 332 – III 74 420 – IV 2 430 – IV 21 419 – IV 22 420, 430 – IV 53 420 – IV 55 420 – IV 57 430 – IV 60 430 – IV 72 430 – IV 80 430 De Natura Deorum (Nat. D.) – I 18–24 353 – I 36–41 353 – I 139 401 – II 29 351 – II 58 349, 351–54, 360 De Officiis (Off.) – I 23 424 – I 31.7–8 438 – I 118 424 – II 430 – II 7 428 – II 7–8 428, 429 – II 8 429 – II 9 421 – II 18 351 – II 24 423 – III 11 421 – III 23 424 – III 25 424 – III 38 422, 423 – III 39 422 – III 45 423 – III 50–67 423 – III 61 422, 423 – III 68 423 – III 77 422 – III 78 422 – III 100 426, 427 – III 101 425 – III 107 426 – III 107–108 426 – III 111 426 – III 114 426 – III 115 426, 427

Epistulae ad Atticum (Att.) – XVI 11,4 425 Tusculanae Disputationes (Tusc.) – I 40 429 – III 4,7 386 – III 16 376 – III 24 = SVF III 385 335 – III 24–25 = SVF III 385 335 – III 49–V 11 385 – III 61 352 – III 76 = SVF III 486 336 – IV 14 = SVF III 393 335 – IV 72 351 – V 63 423

Cleanthes Hymnos eis Dia (Hymn to Zeus) – Stobaei Eclogae I 25.3–27.4 = SVF I 537 350

Clemens Alexandrinus (Clem. Al.) Strômata (Strom.) – II 12, p. 458 Potter = SVF II 992 329 – II 13, p. 460 Potter = SVF III 377 329

Ps.-Demosthenes Oratio 26 = Kat' Aristogeitonos B' (Against Aristogeiton II) – 5 295

Diogenes Laertios (Diog. Laert.) Vitae Philosophorum – VII 46 = SVF II 130 330 – VII 49 = SVF II 52 331 – VII 51 = SVF II 61 331 – VII 52 = SVF II 87 332 – VII 55 = SVF II 140 331

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– VII 63 = SVF II 181 331, 332 – VII 64 374 – VII 75 355 – VII 87 372 – VII 87–89 = LS 63C 372 – VII 88 = SVF III 4, LS 63C 372 – VII 89 373, 376 – VII 92 376 – VII 102–105 376 – VII 111 = SVF III 456 335 – VII 116 397 – VII 124 385 – VII 129 441 – VII 135–136 = LS 46B = SVF I 102 349 – VII 147 = LS 54A = SVF II 1021 360

Empedokles Papyrus (P. Strasb. gr. Inv. 1665–1666) – Strasb. c = DK 31 B 20 25 – Strasb. d/f 1–4 26 – Strasb. d/f 5–6 = DK 31 B 139.1–2 19, 27, 29 – Strasb. d/f 5–7 21 – Strasb. d/f 7 29, 30 – Strasb. d/f 10–14 24 Physika I – I, 232–300 z.T. = DK 31 B 17 20 – I, 252 29 – I, 252–257 28 – I, 256–257 29 – I, 288–290 20, 22, 23 – I, 291–300 21 – I, 293 22 – I, 294–295 22 Testimonia, Fragmenta Diels / Kranz – DK 31 A 72 25 – DK 31 B 2.1 26 – DK 31 B 8.3–4 20 – DK 31 B 17 20 – DK 31 B 20 24, 25 – DK 31 B 35.1–3 23 – DK 31 B 35.16–17 23 – DK 31 B 37 22 – DK 31 B 57 25 – DK 31 B 112.1–4 15

– DK 31 B 115.3 26 – DK 31 B 128.10 26 – DK 31 B 129 18 – DK 31 B 134.1 26 – DK 31 B 135 29 – DK 31 B 136 16 – DK 31 B 136.2 19 – DK 31 B 137 17 – DK 31 B 137.2 18 – DK 31 B 139.1–2 19

Epictetus (Epict.) Dissertationes (Diss.) – I 1,10 366 – I 1,23 366 – I 16,20–21 350 – III 1,5 378 – III 1,6 378 – III 2,1–2 378 Encheiridion (Ench.) – 1 406 – 53 350

Epicurus Epistula ad Herodotum (Letter to Herodotus) – 77 354, 364 – 81 354 Rata Sententiae = Kyriai doxai – 31 438

Euripides Hippolytus = Hippolytos Stephanêphoros (Hipp.) – 27–28 392 – 141 391 – 214 391 – 237–238 391 – 241 391, 392 – 248 391 – 283 391 – 317 392

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– 319 392 – 331 392 – 337 392 – 337–338 393 – 339 393 – 341 393 – 343 393 – 403–430 398 – 420–423 393 – 443 393 – 462–463 393 – 475–476 393 – 478 393 – 1260 408 – 1300 391 – 1326–1328 409 – 1404 409 – 1423–1430 407 – 1449–1455 407

Eusebius (Euseb.) Praeparatio Evangelica (Praep. Evang.) – XV 14,1, 816d–817a = SVF I 98 331

Galenus (Gal.) De Animi cuiuslibet Peccatorum Dignotione et Curatione (De An. Pecc. Dign.) – 1,4, p. 59–60 Kühn V = SVF III 172 330 De Placitis Hippocratis et Platonis (De Plac. Hipp. et Plat.) – IV 5,21 de Lacy = LS 65L1 386 – V 1, 4 de Lacy = SVF I 209, III 461 335 In Hippocratis de Medici Officina Commentarius (In Hipp. de Off. Med. Comm.) – I 3, 8–9, p. 649–650 Kühn XVIIIB = SVF II 135 334

Herodotus Historiae – II 172 303

Hippolytus Refutatio Omnium Haeresium (Ref.) – I 6,3 = DK 12 A 11 52

Marcus Aurelius Meditationes (Med.) – I 9 371 – II 5 376 – III 4 371 – III 5 379 – III 6 376, 378 – III 16 379 – IV 18 376 – IV 24 379 – V 3 372 – V 6 381 – V 9 372 – V 12 376, 378 – VI 14 379 – VII 11 372 – VII 28 380 – VII 35 377 – VII 55 379 – VII 56 372 – VII 63 376, 378 – VII 73 382 – VII 74 372, 375, 380 – VIII 1 376, 378 – VIII 7 379 – VIII 23 379 – VIII 26 380 – IX 1 372, 376, 378, 379, 438 – IX 23 379 – IX 42 379, 382 – X 6 379 – X 11 379 – X 15 372 – XI 1 376 – XI 10 379 – XI 21 379 – XII 1 372 – XII 3 379 – XII 15 376, 377 – XII 24 379

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Long / Sedley (LS)

Origenes

The Hellenistic Philosophers – 26A 385 – 33C 331 – 33D 331 – 33F 331 – 33I 337 – 41H 330 – 46A 349, 401 – 46B 349 – 54A 360 – 54K 360 – 61B 377 – 61D 377, 385 – 61H 376 – 61N 385 – 63B 372, 373 – 63C 372 – 65C 400 – 65E 397, 400 – 65L 386 – 67D 394

Contra Celsum – I 24, p. 74 Koetschau I = SVF II 146 332 – I 64, p. 117 Koetschau I = SVF III 474 333

Menander Fragmenta – fr. 183 Poetae Comici Graeci (PCG) VI 2 = fr. 205 Körte / Thierfelder II 48

Musonius Rufus Reliquiae – 14, p. 92.8–17 (Lutz) 405

Nonnus Dionysiaca (Dion.) – 4.88 30 – 34.237 30 – 47.442 30 – 48.285 30

Ovid (Ov.) Heroides (Her.) – 4.15 402 – 4.19–20 402 – 4.52 402

Papyri Herculanenses (PHerc.) – 1577–1579, fr. 2 = SVF II 639–640 349, 352

Philo Alexandrinus De Animalibus – 45–46 443 De Cherubim (De Cherub.) – 14 = SVF III 513 344 Legum Allegoriae (Leg. Alleg.) – I 93 = SVF III 519 333 Quod Deus sit immutabilis (Quod Deus sit immut.) – 41 = SVF II 458 329

Philodemus De Dis = Peri Theôn (On the Gods) – I 353 – II 353 – III 353 De Pietate = Peri Eusebeias (On Piety) 353 – 14.3–12 = SVF II 1081 362

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Platon Apologia Socratis (Ap.) – 18a 73 – 27e 74 – 27e–28a 74 – 32c 84 – 33c 84 – 36e–37a 71 Charmides (Charm.) – 172a 241 Cratylus (Crat.) – 50a 73 Crito (Crit.) – 44b–c 62 – 46d 73 – 50a–54c 65 – 50b 89 – 51b 75, 89 – 52a 89 Euthydemus – 280c–81b 42 Euthyphro (Euthphr.) – 14d 73 Gorgias (Grg.) – 464c–465a 47 – 464c–465b 59 – 466a–468e 75 – 466e–467a 68, 72 – 500e–501b 86 – 503d–504a 86 – 503e 86 – 521d 85 – 523a–527a 241 Ion – 530c–535a 95 Laches (La.) – 197e 73 Leges (Leg.) – I, 644b–c 54 – I, 644d–645a 54 – I, 645b 54 – II, 671a–672a 54 – IV, 712b 73 – V, 738b 89 – V, 745a 89 – IX, 860e 241

– IX, 863a 241 – X, 891a 89 – X, 906c 241 – XI, 917e 94 – XI, 928d 94 – XII, 941a 94 – XII, 947e 89 – XII, 950d 94 – XII, 958b 94 Lysis (Ly.) – 211a 73 Meno (Men.) – 76a–c 84 Papyrus PSI (Papiri greci e latini) XIV 1393a (Corpus dei papiri filosofici greci e latini 251) = OCT Π5 34 Phaedo (Phd.) – 61a 84 – 66b–c 40 – 79e–80a 42 – 81b 40 – 83c–d 41 – 88a–b 58 – 95a–102a 58 – 95e 59 – 96a 33, 35 – 96a–97b 34, 43 – 96a–99d 59 – 96a–102a 33 – 96b 35 – 96b–97a 33 – 96c–97a 36 – 96e 34, 36 – 97a–b 33, 36 – 97b–c 36 – 97b–d 37, 47 – 97c 60 – 97d–e 37 – 97e–98a 43 – 98b–99b 58 – 98c 38, 68 – 98c–d 61, 67 – 98c–99b 33, 38, 179 – 98e 61, 62, 63, 69, 70 – 98e–99a 62, 65, 69 – 99a 38, 62, 68 – 99a–b 61, 63, 68

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– 99b 35, 42, 52, 61 – 99c–d 45, 47, 48 – 99d–105c 33 – 99e 48 – 100c 50 – 100c–d 50 – 100c–e 48, 50 – 101a–b 36 – 102a 74 – 102d–103e 49 – 104a–b 51 – 104b–c 49, 51 – 105b–c 50, 51 – 105c 50 – 107d–114c 241 – 108d 47 – 108e–109a 37, 46, 51 – 109a 51 – 110b–111c 46 – 112a–b 46 – 113d–114a 46 – 114d 47, 75 Phaedrus (Phdr.) – 276b 74 – 276b–c 74 – 276c 75 Philebus (Phlb.) 164 – 19c 48 – 23c–30e 51 Politicus (Plt.) (Statesman) – 258d–e 91 – 258e–259d 91 – 259e–260b 92 – 260c–d 94 – 260d 95 – 260d–261a 95 – 268d–274e 103 – 273b 103 – 277d–279a 99 – 279a–283b 95 – 283b–284b 98 – 285d 75 – 287b 96 – 287b–311c 95 – 290a–c 95 – 296b 241 – 300c 48

– 303d–305c 97 – 303e 97 – 303e–304a 97 – 304a 97 – 304c–d 97 – 304e 97 – 305a 97 – 305b 97 – 305c 97 – 305c–e 96, 99 – 305d 98 – 305d–e 42 – 306a–308b 101 – 306a–311c 98, 99 – 307c 101 – 307d 101 – 308c–d 102 – 308c–311c 101 – 308d–e 93 – 308e 95, 99 – 310e 98, 100 – 311a 98 – 311b 101 – 311c 103 Protagoras (Prt.) – 313d 94 – 320d 84 – 358c–d 39 Respublica = Politeia (R.) – I, 331b 75 – I, 342c–d 85 – I, 344d 73 – I, 346e–347a 85 – II 421 – II, 358d 75 – II, 376a 73 – II, 379d 241 – IV 140, 143, 158, 443, 445 – IV, 423c 89 – IV, 423d–e 89, 90 – IV, 427d–441e 379 – IV, 430e 445 – IV, 432a 379 – IV, 433b 379 – IV, 434c 445 – IV, 436a–b 143 – IV, 436b 143, 150

490 | Stellenregister

– IV, 436b–c 161, 170 – IV, 436e–437a 170 – IV, 437b 164 – IV, 437c 164 – IV, 437d–439b 170 – IV, 439b 164 – IV, 439c–d 161 – IV, 439d 161 – IV, 439e 161 – IV, 441a–b 272 – IV, 442e–443a 228 – V, 458b–c 89 – V, 463a–c 89 – V, 477c–d 160 – VI, 486a 377 – VI, 487a 377 – VI, 493d 85 – VI, 499d–e 87 – VI, 500b–501c 83 – VI, 500d 83 – VI, 500d–501b 88 – VI, 500e–501c 83 – VI, 501b 101 – VI, 503d–504a 83 – VI, 504b 88 – VII, 521b 82 – VII, 527a 92 – VII, 527b 92 – VII, 539e 81 – VII, 540a 81 – VIII, 553a–c 41 – VIII, 554a–d 41 – IX, 588b–590b 403 – X 143 – X, 601d–e 43 – X, 618b–e 54 Sophista (Soph.) – 223d 94 – 249a 75 – 263e 442 – 264a–b 64 Symposium (Symp.) – 181c 75 – 186b 374 Theaetetus (Tht.) 164 – 149c 84 – 167d 75

– 176b 436 – 189e–190a 64 – 189e 442 – 198b 73 Timaeus (Ti.) 164 – 31b–c 41 – 41b–d 103 – 42e–43b 103 – 43a–44a 41 – 45b–d 53 – 46c–d 53 – 46c–48b 103 – 47a–c 45 – 54a–62e 52 – 68e 52 – 68e–69a 103 – 86a 50 – 86b 41 – 86b–87b 41

Plotin (Plot.) Enneades (Enn.) – I 1 [53] 11.1–4 443 – I 1 [53] 11.8–15 443 – I 2 [19] 445 – I 2 [19] 3 450 – I 4 [46] 1.21–23 439 – II 4 [12] 1 = SVF II 320 331 – VI 1 [42] 28 = SVF II 319 331 – VI 6 [34] 14.16 34

Plutarch (Plut.) Adversus Colotem (Adv. Col.) – 26–27, 1122a–f 330 De Communibus Notitiis Adversus Stoicos (De Comm. Not.) – 30, 1073d–e = SVF II 525 331 – 32, 1075e = LS 54K, SVF II 1126 360 – 45, 1084a = SVF II 848 331 De Sollertia Animalium – 2–5 439 – 13, 969a–b 443

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De Stoicorum Repugnantiis (De Stoic. Rep.) – 11, 1037c = SVF III 520 333 – 11, 1037c–1038a = SVF III 520, 521, 175 343 – 11, 1037e = SVF III 521 333 – 11, 1037f = SVF III 175 336 – 47, 1055f–1056a = SVF II 994 344 – 47, 1057b = SVF III 177 338 – 47, 1057b–c = SVF III 177 344 De Virtute Morali (De Virt. Mor.) – 2, 440f = SVF I 375, LS 61B 377 – 2, 441a = SVF III 255 377 – 3, 441c = SVF III 459 335 – 7, 446f = SVF III 459 335 Septem Sapientium Convivium – 16 437

Ps.-Plutarch Strômata (Strom.) – 2 = DK 12 A 10 52

Porphyrius Ad Gaurum quomodo Animetur Fetus (To Gaurus and How Embryos Are Ensouled) – 14,3 440 De Abstinentia ab Esu Animalium (De abst.) (On Abstinence) ed. Bouffartigue, Patillon, Segonds – I 1,1 = 85.2–4 Nauck 437 – I 12,5–6 441 – I 12,6 = 95.22–23 Nauck 442 – I 13,5–14,1 436 – I 18 439 – I 27,1 = 104.22–25 Nauck 449 – I 27,2–3 447 – I 27,4 448 – I 28 451 – I 28,1 448 – I 28–45 451 – I 29–30 440 – I 29,5 = 107.12–15 Nauck 449

– I 29,6 = 107.15–17 Nauck 450 – I 29,6 = 107.16–17 Nauck 450 – I 29,6 = 107.17 Nauck 449 – I 29,6–30,1 449 – I 30 451 – I 30,1 = 107.18–21 Nauck 450 – I 30,1 = 107.20 Nauck 450 – I 38,1 452 – II 13,1–3 448 – II 31 19 – III 443 – III 1,4 = 187.12–14 Nauck 441 – III 1,4 = 187.14–17 Nauck 440 – III 3,2 = 188.23–24 Nauck 442 – III 7–8 441 – III 13,2 442 – III 15,1 = 204.2 Nauck 442 – III 15,1–2 442 – III 18,3 439 – III 18,3–20,6 439 – III 19,2 = 208.24–209.6 Nauck 439 – III 20,7 439 – III 24,6 = 220.13 Nauck 439 – III 26,2–3 441 – III 26,8–9 437 – III 26,9 = 224.2–6 Nauck 436 – III 26,9 = 224.5 Nauck 446, 453 – III 26,10 = 224.6–7 Nauck 444 – III 26,10 = 224.10–13 Nauck 445 – III 26,11 = 224.13–17 Nauck 453 – III 26,12 448 – III 26,12 = 224.17–20 Nauck 437 – III 27,2 444, 445 – III 27,2 = 225.7–16 Nauck 444 – III 27,2 = 225.15–17 Nauck 446 – III 27,2 = 225.16–19 Nauck 445 – III 27,2–3 447 – III 27,9–10 437 – III 27,11 452 – III 7,3 = 196.1 Nauck 449 – IV 1,2 436 – IV 17,1 = 256.7–8 Nauck 436, 437 – IV 17,4 = 256.18 Nauck 436 – IV 20,10–11 452 In Aristotelis Categorias Commentarium – 95.29–35 CAG IV,1 Busse 440

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In Harmonica Ptolemaei Commentarius (Harmonics) – 14.22–26 Düring 440 Isagogê (Introduction) – 15.4–6 CAG IV,1 Busse 440 Sententiae ad Intelligibilia Ducentes (Sentences) – 32 445 – 32.33–62 Brisson 450

Posidonius Fragmenta – 153 Edelstein / Kidd 352 – 165 Edelstein / Kidd 352

Proclus (Procl.) In Platonis Parmenidem Commentaria (In Plat. Parm.) – IV 841, 2–4 Steel = SVF II 343 331

Seneca (Sen.) De Beneficiis (Ben.) – I 3,8–9 362 – I 3,9 362 – I 4,4 362 – I 6,1 382 – II 6,2 383 – II 17,3 362 – II 17,7 383 – II 18,2 362 – II 25,3 362 – III 22,1 362 – V 14,1 362 – VI 11,1 362 – VI 12,2 362 – VI 21,1–4 364 – VI 21,2 383 – VI 21,4 367 – VI 23,1–2 365 De Ira [Dialogoi (Dial.) I–III] – I 1,3–4 401 – I 4–5 401

– I 5,3 406 – I 7,4 397 – II 1,4 395 – II 3,5 395 – II 4,1 396 – II 4,2 395 – II 7,4 400 – II 19,1 401 – II 35,5 385 – III 5,6 406 De Providentia (Prov.) [Dialogus (Dial.) I] – 5,8 365 De Vita Beata [Dialogus (Dial.) VII] – 16,1 394 Epistulae Morales (Ep.) – 5,4 406 – 11,1 398 – 11,7 398 – 11,8 398 – 11,10 398 – 34,4 400 – 52,1 400 – 77,7 409 – 80,4 395 – 92,3 400 – 94,17 386 – 94,55 394 – 95,52 438 – 95,58 400 – 106,3 = SVF III 84 331 – 107,10 350 – 108,21 438 – 113,18 = SVF III 169 330 – 114,23 351 – 116,5 395 – 121,13 351 Hercules Furens (Her. F.) – 27–28 387 – 75 387 – 109 387 – 939–940 387 – 944–946 387 – 982–984 387 – 1200–1201 388 – 1237 387 Medea (Med.) – 28–29 401

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– 32–36 401 – 166–167 401 – 466 401 – 472 401 – 788 404 – 817–821 401 – 832–839 401 – 833 404 – 879–880 401 Phaedra (Phaedr.) – 90 399 – 91 399 – 92 399 – 96–97 407 – 97–98 399, 407 – 120 399 – 123–133 395 – 124–128 394 – 140 396 – 143–144 394 – 151 394 – 154–158 394 – 165 402 – 173 402, 405 – 178–185 396 – 179 397 – 181–183 396 – 195–202 394 – 219–221 399 – 225 399 – 226–227 408 – 230 405 – 250–252 399 – 256–257 404 – 268 404 – 276 402 – 278 402 – 280 402 – 281 402 – 290–291 402 – 330 402 – 337–338 402 – 340–342 406 – 342–344 402 – 355 402 – 356 391 – 359 402

– 360 402 – 361 392 – 362 402 – 364 402 – 413 404 – 427–430 404 – 432 405 – 454 405 – 486 406 – 540 401, 406 – 564 406 – 565 406 – 566–568 405 – 567 406 – 578 407 – 609 407 – 633 407 – 641–644 402 – 642 392 – 683–684 407 – 706–709 407 – 720–721 405 – 909–911 408 – 1068–1069 410 – 1070 403 – 1082–1083 403 – 1085 403 – 1093–1095 403 – 1115–1117 408 – 1118 408 – 1223–1225 409 – 1249–1250 409 – 1280 410 Quaestiones Naturales (QNat.) – I, praef. 3 365

Sextus Empiricus (Sext. Emp.) Adversus Mathematicos (Adv. Math.) – VII 42–44 343 – VIII 10 = SVF II 195 332 – VIII 11–12 = SVF II 166 332 – VIII 12 = SVF II 166 332, 339 – VIII 70 = SVF II 187 331 – VIII 70–71 = SVF II 187 332

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– VIII 218 = SVF II 331 332 – VIII 275–276 = SVF II 223 334 Pyrrhôneiai hypotypôseis (PH) – I 69 443

Simplicius (Simpl.) In Aristotelis Physicorum Libros Quattuor Priores Commentaria (In Arist. Phys.) – 530.9–14 CAG IX Diels = SVF II 467 331 In Libros Aristotelis De anima Commentaria (In De an.) – 287.25–31 CAG XI Hayduck 144 – 290.41–291,1 CAG XI Hayduck 149 – 291.1–2 CAG XI Hayduck 149 – 291.3 CAG XI Hayduck 149 – 291.4–12 CAG XI Hayduck 149 – 291.5 CAG XI Hayduck 149 – 291.6–7 CAG XI Hayduck 149

Stoicorum Veterum Fragmenta (SVF) I – 98 331 – 102 349 – 179 373 – 179–188 334 – 190–196 334 – 208 335 – 209 335 – 230–232 335 – 263 394 – 375 377 – 527 350 – 537 350 – 552 373 – 552–556 334 – 559–562 334 II – 52 331 – 61 331 – 72– 73 329 – 83 329 – 87 332

– 115 329 – 116 330 – 130 330 – 135 334 – 136–165 332 – 140 331 – 146 332 – 166 332, 339 – 181 331, 332 – 186 339 – 187 331, 332 – 188 339 – 195 332 – 200 339 – 223 334 – 280 377 – 319–320 331 – 329 332 – 331 332 – 343 331 – 448 352 – 450 352 – 458 329 – 467 331 – 525 331 – 639–640 352 – 848 331 – 974 330 – 992 329 – 994 344 – 1002 331, 338 – 1003 340 – 1005 340 – 1021 360 – 1027 349, 401 – 1081 362 – 1126 360 III – 2–19 334 – 4 372 – 12 373 – 29–37 334 – 72–79 334 – 84 331 – 89 340, 341 – 89–91 340 – 91 340, 341

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– 112 330, 332 – 117–123 334 – 169 329, 330, 336, 338 – 171 337, 338, 339, 341 – 172 330 – 173 338 – 175 336, 343 – 177 338, 344 – 255 377 – 255–256 340 – 262 376 – 262–263 340 – 265 340 – 275 340 – 280 340, 385 – 283 340 – 286 340 – 295 340 – 314 340 – 323 340 – 377 329 – 378 335 – 382 335 – 385 335 – 391 335 – 393 335 – 456 335 – 459 335 – 461 335 – 474 333 – 475 340 – 486 336 – 491–499 335 – 500–523 335 – 513 344 – 519 333 – 520–521 333, 343 – 554 344 – 620 340 – 682 343 – 757–768 335

Stobaeus (Stob.) Eclogae Physicae et Ethicae (Ecl.) (Wachsmuth) – I 25.3–27.4 = SVF I 537 350 – II 59.4–11 = SVF III 262, LS 61H 376 – II 63.6–7 = SVF III 280.1–2, LS 61D1 385 – II 63.8–11 = SVF II 280, LS 61D 377 – II 73.19 = SVF III 112 332 – II 73.19–74.3 = SVF III 112 330 – II 75.7–10 381 – II 75.11–12 = SVF I 179, LS 63B 373 – II 75.11–76.23 = LS 63B 372 – II 76.1–8 = SVF I 552, III 12 373 – II 76.2–3 373 – II 76.18–19 = SVF III 3 375 – II 78,7–17 = SVF III 89 340 – II 86.17 = SVF III 169 329, 336, 338 – II 87.14 = SVF III 173 338 – II 88.1–6 = SVF III 171, LS 33I 337 – II 88.8–10 = SVF III 378 335 – II 88.22–89.3 = LS 65C 400 – II 90.19–91.4 = LS 65E1 400 – II 91.5–6 = LS 65E3 397 – II 97,15–98,13 = SVF III 90; 91 340 – II 104.10–105.6 = SVF III 682 343 – II 111.10–17 = SVF III 554 344

Themistius (Them.) In Libros Aristotelis De anima Paraphrasis (In De an.) – 107.17–18 CAG V,3 Heinze = SVF I 208, III 382 335 – 116.31–117.1 CAG V,3 Heinze 144 – 117.17–22 CAG V,3 Heinze 151 – 117.20–22 CAG V,3 Heinze 151

Theophrast De pietate = Peri eusebeias – II 12–13 437

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Thukydides (Thuk.) Historiae – III 81,5 315 – III 82,3‒6 315 – III 83,2‒4 315

Xenophanes Fragmenta – DK 21 B 11 = Sext. Emp. Adv. Math. IX 193 228 – DK 21 B 12 = Sext. Emp. Adv. Math. I 289 228

Xenophon (Xen.) Hellenica (Hell.) – II 4,20–22 309 Oeconomicus (Oec.) – I 11 374