Populäre Musik und Ästhetik: Die historisch-philosophische Rekonstruktion einer Geringschätzung [1. Aufl.] 9783839406755

Ob im Fernsehen oder Radio, im Kaufhaus, in Cafés, Clubs oder zu Hause - Popmusik ist heute allgegenwärtig. Umso auffäll

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Populäre Musik und Ästhetik: Die historisch-philosophische Rekonstruktion einer Geringschätzung [1. Aufl.]
 9783839406755

Table of contents :
INHALT
Einleitung: »Interesseloses Wohlgefallen« an Popmusik?
Begriffsbestimmung
Populäre Musik
Ästhetik
Das dichotomische Konzept der klassischen Ästhetik
Philosophische Grundlagen
Autonomie der Kunst
Der Status der Musik als schöner Kunst
Musikästhetische Paradigmen
Musik und Geist
Das musikalische Kunstwerk
Ausgrenzung der populären Musik
Musik als Nicht-Kunst
Musik als Massenware
Zu einer Ästhetik der populären Musik
Populäre Musik als ›Kunst‹
Aufwertung innerhalb der Dichotomie
Adorno als Drehscheibe
Ontologie des Massenkunstwerks
Kanonbildung in der Popmusik
Populäre Musik als ›Kultur‹
Theoretische Grundlagen für eine neue Ästhetik
Cultural Studies und die Ästhetik des Alltags
Pierre Bourdieus ›Populäre Ästhetik‹
Ästhetik des Körpers
Bezüge zu populärer Musik
Rockmusik
Techno
World Music
Musikwissenschaft als Spannungsfeld
Literatur

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Michael Fuhr Populäre Musik und Ästhetik

texte zur populären musik 3 Herausgegeben von Winfried Pape und Mechthild von Schoenebeck

Michael Fuhr ist Musikwissenschaftler und arbeitet zurzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung »Musikethnologie, Medien-Technik und Berliner Phonogramm-Archiv« des Ethnologischen Museums in Berlin.

Michael Fuhr Populäre Musik und Ästhetik. Die historisch-philosophische Rekonstruktion einer Geringschätzung

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2007 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: © Verena Steinhoff, Bonn, 2006 Lektorat & Satz: Michael Fuhr Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-675-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

INHALT Einleitung: »Interesseloses Wohlgefallen« an Popmusik? Begriffsbestimmung

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Populäre Musik

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Ästhetik

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Das dichotomische Konzept der klassischen Ästhetik

33

Philosophische Grundlagen

36

Autonomie der Kunst

36

Der Status der Musik als schöner Kunst Musikästhetische Paradigmen

41 44

Musik und Geist

44

Das musikalische Kunstwerk

49

Ausgrenzung der populären Musik

52

Musik als Nicht-Kunst

52

Musik als Massenware

57

Zu einer Ästhetik der populären Musik

65

Populäre Musik als ›Kunst‹

70

Aufwertung innerhalb der Dichotomie

70

Adorno als Drehscheibe

77

Ontologie des Massenkunstwerks

84

Kanonbildung in der Popmusik

90

Populäre Musik als ›Kultur‹

95

Theoretische Grundlagen für eine neue Ästhetik

95

Cultural Studies und die Ästhetik des Alltags

95

Pierre Bourdieus ›Populäre Ästhetik‹

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Ästhetik des Körpers

107

Bezüge zu populärer Musik

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Rockmusik

116

Techno

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World Music

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Musikwissenschaft als Spannungsfeld

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Literatur

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»[I]nnerhalb seiner Geschichte entstand überhaupt erst jetzt die ›Unterhaltungsmusik‹ als jene gewisse Art von Musik, zu deren Kennzeichen es gehört, daß sie keine ästhetische Musik ist« (Eggebrecht 1977a: 208). »Popkulturen sind ästhetische Kulturen« (Klein 1999: 123).

E I N L E I T U N G : »I N T E RE SS E L OS ES W O H L G EF A L L E N « A N P O P M US I K ? »Leichte Kunst hat die autonome als Schatten begleitet. Sie ist das gesellschaftlich schlechte Gewissen der ernsten« (Adorno 1996: 143).

Das Bewusstsein für kulturelle Dichotomien, wie sie sich in musikalischen Bereichen durch die Verwendung begrifflicher Unterscheidungen von ›leicht und autonom‹, ›hoch und nieder‹, ›E und U‹, ›anspruchsvoll und trivial‹ oder ›artifiziell und populär‹ charakteristisch niederschlagen, ist zutiefst in der europäischabendländischen Kultur- und Geistesgeschichte verwurzelt und hat bis heute unser Verständnis für kulturelle Güter nachhaltig geprägt. Wenn heutzutage die Grenzen zwischen diesen Kategorien zunehmend verschwimmen und sich in das Stadium allmählicher Auflösung begeben, so ändert dies nichts an der Tatsache, dass unsere Wertvorstellungen sich an Vorlagen orientieren, die über Jahrhunderte hinweg gesellschaftlich tradiert wurden. Das sich im Zuge der europäischen Aufklärung etablierende bürgerliche Kunstverständnis, das auf der klar abgetrennten, unterschiedlichen Schichtung sozialer Klassen beruhte, ist heute durch die zahlreichen Umstrukturierungsprozesse innerhalb der Gesellschaft einem liberalisierten Verständnis von Kunst gewichen, das nunmehr einen demokratischen Umgang mit ihr einschließt. Die im 19. Jahrhundert vorherrschende idealistische Ästhetik hatte durch ihren normativen Gestus die Wertvorstellung und Rezeption musikalischer Kunstwerke maßgeblich bestimmt. Die Trennung zwischen ›hoher‹ und ›niederer‹ Kultur war dabei nicht nur Folge dieser Einstellung, sondern lag ihr bereits zugrunde, waren die theoretischen Auseinandersetzungen mit Kunst doch in einen gesellschaftlichen Zusammenhang eingebunden, der noch aus der feudalistischen Ständeordnung herrührte: Die höfische Adelskultur stand der niederen Kultur des gemeinen Volkes ge-

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

genüber. Gelehrte, Wissenschaftler und Künstler, die seit jeher oberen gesellschaftlichen Schichten angehörten oder diesen zumindest nahe standen, waren die einzigen, denen es vorbehalten war, den ›wahren‹ Diskurs über Kunst und Musik zu führen und dabei festzuschreiben, was als schön zu gelten hat.1 Die Musik, die seit Boethius im fünften Jahrhundert dem Quadrivium der artes liberales angehörte und somit den handwerklichen Künsten der artes mechanicae übergeordnet war, erhielt ihre übergeordnete Stellung aus theoretischen Überlegungen heraus, die, in einen metaphysischen Kosmos eingetaucht, dabei zu einer dogmatischen Ordnung geronnen waren. Die hierarchische Trennung der artes, die einer gesellschaftlichen entsprach, nämlich der von freien Bürgern der römischen Antike und den Dienern und Sklaven, wurde erst durch Säkularisierung und Aufklärungstendenzen im ausgehenden Mittelalter allmählich aufgelöst. Schienen musiktheoretische Reflexionen bis dato den Horizont philosophisch-metaphysischer Bereiche nicht zu überschreiten und vom gesellschaftlichen Gebrauch und alltäglicher Musizierpraxis abgehoben zu sein, so zeigt sich an ihnen dennoch, wie gesellschaftliche Strukturen sich in den philosophischen Überlegungen abbilden und von diesen reproduziert werden. Der oberen Gesellschaftsschicht waren die freien Künste zugeordnet, der unteren die mechanischen. Eine solche hierarchische Anordnung von getrennten kulturellen Sphären, die eher auf der Basis sozialer Konstellationen gründet als naturgegeben oder durch einen Schöpfergott legitimiert zu sein, hat sich im Laufe der Jahrhunderte vielfach ausdifferenziert und zugleich kontinuierlich nivelliert. Die Demokratisierung der Zugangsweisen zu musikalischen Gütern hat in heutiger Zeit eine Situation geschaffen, die es erlaubt, über multimediale Techniken aus einem nahezu unbegrenzten Vorrat musikalischer Daten jederzeit die gewünschten

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Zwei theoretisch ausgerichtete Künstler, wie Leon Battista Alberti oder Leonardo da Vinci, die während der Renaissance die Emanzipation der Malerei und deren Siegeszug über alle anderen Künste vorbereiteten, übten auf diese Weise ebenso großen Einfluss auf die Wertschätzung der einzelnen Künste und Kunstwerke aus, wie es den Theorien über das Schöne und die Kunst seit jeher vorbehalten war, Wahrnehmung und Umgang mit Kunst nicht nur zu erklären, sondern auch zu bestimmen.

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»INTERESSELOSES WOHLGEFALLEN« AN POPMUSIK?

Musikstücke auszuwählen, zu kombinieren und zu rezipieren. Somit ist es ein Leichtes, zum Beispiel über das Internet seine individuelle Auswahl auf einen portablen MP3-Player aufzunehmen und sie jederzeit abzuhören. Eine Mischung, die sowohl eine Beethoven-Sonate mit Bob Dylan-Songs als auch Death MetalStücke mit musikethnologischen Feldaufnahmen der Aborigines kombinieren und dabei Britney Spears, polnischen ProgressivRock, HipHop, John Coltrane und Soukous umfassen würde, ist technisch realisierbar geworden und stellt dabei eine neue Rezeptionssituation her, die keine musikkulturelle Dichotomisierung mehr kennt – analog hierzu gilt dies für den Sampler im Bereich der Musikproduktion. So sehr diese Möglichkeiten im Alltag vorhanden sind und bereits genutzt werden, so sehr wird im traditionellen musikwissenschaftlichen Diskurs noch das Bild von getrennten musikalischen Sphären aufrechterhalten, hatte es sich doch seit Beginn des Faches darin eingeschrieben und ihm als Legitimationsgrundlage gedient. Die wissenschaftliche Betrachtung bezog sich in erster Linie auf die europäisch-abendländische Kunstmusik, die als einzige musiktheoretischen und ästhetischen Reflexionen unterzogen wurde, wobei die systematische Ausschließung anderer Musikkulturen im Hinblick auf europäische Volksmusiktraditionen und außereuropäische Musikkulturen zur Gründung der Vergleichenden Musikwissenschaft, der heutigen Musikethnologie, führte. Populäre Musik war lange Zeit nahezu vollständig aus dem musikwissenschaftlichen Diskurs ausgeschlossen und diente allenfalls als Negativ, von dem die Kunstmusik abgehoben werden konnte. Dass sich daran bis heute nicht sonderlich viel geändert hat, lässt sich durch einen zahlenmäßigen Vergleich illustrieren, der die wachsende Diskrepanz zwischen dem alltagspraktischen und dem akademischen Umgang mit der im Sinne des klassischhumanistischen Bildungsideals verfochtenen so genannten Hochkultur verdeutlicht und dabei, wenngleich auch nicht ganz unproblematisch, zumindest Größenverhältnisse andeutet. So stellt der Kulturwissenschaftler Kaspar Maase in einem Zeitungsartikel die Diagnose: »Gut 90 Prozent der Deutschen leben in einer geistigen Welt, in der Hochkultur irrelevant ist« (Maase 2002). Konträr hierzu verhält sich die quantitative Themenverteilung im akademischen Lehrbetrieb, die keineswegs die gesellschaftliche Situation widerspiegelt, was allzu offensichtlich wird, wenn man

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

einen Blick auf das musikwissenschaftliche Veranstaltungsprogramm an deutschen Hochschulen richtet. Für das Wintersemester 2006/2007 beträgt der Anteil einer expliziten Thematisierung populärer Musik am gesamten inhaltlichen Angebot weniger als dreizehn Prozent.2 Dieses extreme Ungleichgewicht macht deutlich, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit der artifiziellen Musik den größten Raum einnimmt und sich dabei überwiegend einem Kulturbegriff verpflichtet fühlt, der die Konservierung ›geheiligter‹ Bildungsgüter impliziert. Suchte man nach den Gründen für diese auffällige Marginalisierung populärer Musik im akademischen Diskurs, die keineswegs zufällig ist, so würde ein bloßer Verweis auf die individuellen geschmacklichen Präferenzen der Dozenten sowie auf die bewusst vollzogene Würdigung und Konservierung gesellschaftlich marginalisierter Musikphänomene, wie so genannter Alter oder Neuer Musik, zu kurz greifen und den Blick auf die darunter liegenden vielfältigen Strategien und Mechanismen verdecken, die dem musikwissenschaftlichen Diskurs inhärent sind. Dass die Konstitution einer Musiktheorie oder Musikästhetik der populären Musik sich mit dem Selbstverständnis des Faches kaum vereinbaren lässt, liegt an den anhand der artifiziellen Musik entwickelten theoretischen und ästhetischen Prämissen, die, aus einem bürgerlichen Kunstmusikverständnis heraus entstanden, bis heute ihre Gültigkeit bewahren konnten und den Umgang und die Wahrnehmung von Musik auf subtile Weise beeinflussen. Ästhetik als Ideologie stellt eine Annahme dar, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt. Janet Wolff schreibt in ihrem Aufsatz ›The Ideology of Autonomous Art‹: »Art is always ideological, not in the sense that it contains a political message, but in that its meanings are the [...] representation of the extraaesthetic« (Wolff 1987: 8). Die ideologische Komponente in der Musik drückt sich durch ästhetische Kriterien aus, wird durch 2

Diese Zahl bezieht sich auf das in der Zeitschrift Musikforschung (2006: 260-272) abgedruckte Wintersemesterprogramm und berücksichtigt alle musikwissenschaftlichen Veranstaltungen an Universitäten und sonstigen Hochschulen mit Promotionsrecht innerhalb Deutschlands. Es sei darauf hingewiesen, dass, obwohl die Veranstaltungstitel nicht in allen Fällen zuverlässig auf die behandelten Inhalte schließen lassen, eine dezidierte Beschäftigung mit populären Musikformen hierbei als unwahrscheinlich angesehen werden kann.

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»INTERESSELOSES WOHLGEFALLEN« AN POPMUSIK?

außerästhetische jedoch erst zur ideologischen. Der Ausdruck ›außerästhetisch‹ zielt dabei auf die historischen und sozialen Bedingungen ab, deren Analyse den ideologischen Charakter ästhetischer Konzepte aufdecken kann. Musikästhetische Konzepte, auch wenn sie manchmal aufgrund ihres abstrakten Charakters den Anschein von ›Unbrauchbarkeit‹ oder ›Weltfremdheit‹ erwecken, bleiben keineswegs unberührt von musikpraktischen Angelegenheiten; sie durchdringen vielmehr, oftmals unbewusst, den vielschichtigen gesellschaftlichen Diskurs, in dem der Stellenwert von Musik verhandelt wird, sei es in Fragen der Produktion, Rezeption, Kritik oder auch der Kultur- und Gesellschaftspolitik. Musikalische Präferenzen, die auf diese Weise konstituiert werden können, weisen auf den Begriff des Geschmacks hin, der seit dem 18. Jahrhundert eine feste Kategorie in der philosophischen Ästhetik darstellt. Der Geschmack am Populären, vor allem an populärer Musik, hat in der traditionellen Musikwissenschaft keine ernsthafte Reflexion erfahren und wird von ihr als potentieller Gegenstand für eine Musikästhetik kategorisch abgelehnt. Im Zentrum dieser Arbeit steht weniger eine Methodenkritik der traditionellen Musikwissenschaft, als vielmehr die Auseinandersetzung der neueren musikwissenschaftlichen Forschung mit Theorieproblemen über populäre Musik. Die Aufnahme des Ästhetikbegriffes in den musikwissenschaftlichen Diskurs über populäre Musik bringt ein Grundproblem mit sich, das anhand der Literatur erörtert werden soll und am besten durch folgende Frage umrissen werden kann: Wie kann eine Ästhetik, die sich als autonome im Fach Musikwissenschaft verfestigt hat, auf Phänomene populärer Musik übertragen werden? Die Frage suggeriert bereits die Unmöglichkeit des Vorhabens. Dass eine auf musikalische Kunstwerke orientierte Autonomieästhetik dem funktionalen und damit gesellschaftlich relevanten, Charakter populärer Musik nicht gerecht werden kann, ist mittlerweile zum Allgemeinplatz innerhalb der Forschung geworden. Versuche, eine Ästhetik populärer Musik zu konstituieren, lehnen daher den tradierten Ästhetikbegriff ab und gehen von alternativen Ansätzen aus. In diesem Sinne ist auch der programmatische Titel der von Adam Krims herausgegebenen Aufsatzsammlung Music/Ideology. Resisting the Aesthetic (Krims 1998) zu verstehen. In der Einleitung heißt es: »And it is precisely the post-Kantian ideology of disinterested free play to which the phrase ›the aesthetic‹ refers in

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

the title of this book« (Krims 1998: 2). Die Ästhetik Immanuel Kants spielt eine zentrale Rolle für die traditionelle Musikästhetik und wird deshalb von der neueren Forschung bewusst abgelehnt. Die vorliegende Arbeit greift den Kantischen Terminus des ›interesselosen Wohlgefallens‹ als Inbegriff traditioneller Ästhetik auf und verbindet ihn mit dem Begriff ›Popmusik‹ zu einer rhetorischen Frage. Ein interesseloses Wohlgefallen an der Popmusik kann es nach musikwissenschaftlicher Auffassung nicht geben. Diese Arbeit zielt deshalb nicht so sehr auf eine Beantwortung der Frage im eigentlichen Sinne, sondern wählt diese als Leitfaden für die Untersuchung, welche auf die Artikulation einer methodischen Schwierigkeit abhebt: der offensichtlichen Unvereinbarkeit zwischen dem traditionellen Forschungsansatz, dem ›universale‹ ästhetische Kriterien inhärent sind, und einem Ansatz, der die gesellschaftliche Konstitution von Musik hervorhebt und dadurch für die Erforschung populärer Musikkulturen geeigneter ist. In einer Gegenüberstellung zwischen ›traditional‹ und ›popular musicology‹ gehen Susan McClary und Robert Walser auf diese Problematik ein und behaupten: »However, insofar as the traditional agenda of aesthetics is tied to appeals to universal consensus that eliminate the possibility of political struggle over discourse, aesthetic approaches per se are incompatible with studies that treat music as socially constituted« (McClary/Walser 1988: 281).

Trotz dieser Widerstände gibt es innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses über populäre Musik Bemühungen, den Begriff Ästhetik auf den Bereich populärer Musik anzuwenden. Zu fragen wäre hierbei, wie und warum dieser Begriff angewendet wird und welche Bedeutung er annimmt. Gibt es eine inhaltliche Differenz zu ›aesthetic approaches per se‹ und in welchem Verhältnis steht der Begriff zur traditionellen Ästhetik? Die Erörterung dieser Fragen steht im Zentrum dieser Arbeit, in der das erwähnte Methodenproblem in umfassendere theoretische Zusammenhänge eingebettet werden soll. Eine radikale und dezidierte Abwendung von der Kantischen Ästhetik, wie sie in einigen Texten zur ›Popmusikästhetik‹ offen proklamiert wird, die meisten aber als Grundtenor begleitet, nährt als solche die Skepsis an ihrer

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»INTERESSELOSES WOHLGEFALLEN« AN POPMUSIK?

Legitimität, scheint darin doch vielmehr eine strategische als eine argumentative Intention vorrangig zu sein. Daraus soll nun nicht unmittelbar eine Rehabilitierung Kants die Folge sein; es erscheint jedoch sinnvoll, die theoretischen Konzepte, die hinter den beiden unterschiedlichen Ansätzen stehen, genauer zu beleuchten. Die Konstitution und Bedeutung der Autonomieästhetik in der traditionellen Musikwissenschaft geht auf Auseinandersetzungen mit Kant zurück, der als theoretischer ›Vater‹ einer musikästhetischen Entwicklung angesehen werden kann, die durch einseitige Verengung geprägt, ihren adäquaten Gegenstand in der europäischen Tradition artifizieller Musik der letzten dreihundert Jahre gefunden hat. Darin immanent liegt ein Absolutheitsanspruch jener Musik, der ihr als einziger einen Wahrheitsgehalt bescheinigt, ein Merkmal, das aller ›großen‹ Musik zugeordnet wird. In Abgrenzung zu dieser auf geschichtsphilosophischen Merkmalen beruhenden Einstellung der traditionellen Musikwissenschaft konnte sich seit Mitte der 1970er Jahre ein Forschungsbereich für populäre Musik auf internationaler Ebene unter der Bezeichnung Popular Music Research etablieren. Statt eines einheitlichen Theorie- und Wertekanons finden sich darin unterschiedlichste Konzepte und Ansätze zur Theorie populärer Musik zusammen, die alles andere als homogen und abgeschlossen sind und in erster Linie von so genannten empirischen Wissenschaften – vor allem Kultur- und Sozialwissenschaften, Musikpsychologie, Semiotik, Informationstheorie – getragen werden. ›Empirisch‹ bezeichnet hierbei die Anbindung der Theorie an ihre Grundlagen, die durch Beobachtung und Erfahrung geschaffen werden und durch den engen Realitätsbezug für ›jedermann‹ nachprüfbar sind. Die Frage, welche Rolle die Musikwissenschaft innerhalb des Diskurses über populäre Musik – in dem sie bisher keine oder eher eine äußerst marginale Stellung besaß – annehmen kann, hängt in entscheidendem Maße von der Bereitschaft und Fähigkeit ab, ein Methodenbewusstsein für den neuen Gegenstand unter Voraussetzung einer grundlegenden Kritik ihrer eigenen ästhetischen Prinzipien und einer Aufgeschlossenheit gegenüber fachfremden Diskursen zu entwickeln. Es sind vor allem Einflüsse aus der Soziologie, den Cultural Studies und dem Poststrukturalismus, die den Diskurs über populäre Musik in hohem Maße prägen und für die Musikwissenschaft zu einer enormen Herausfor-

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

derung werden. Für den Fachdiskurs in den USA und Kanada konstatiert Henry Klumpenhouwer: »[M]usicology and music theory in North America are just now experiencing a full-blown poststructuralist confrontation of its foundational patterns of thought« (Klumpenhouwer 1998: 289f.). Die grundlegende Auseinandersetzung zwischen den zwei unterschiedlichen Positionen lässt sich in den größeren Zusammenhang einer Text-KontextDiskussion einbetten. Liegt der Schwerpunkt musikalischer Analyse in der Historischen Musikwissenschaft auf dem musikalischen Text, dem autonomen Kunstwerk, so gehen Poststrukturalismus und Cultural Studies von einem umgekehrten Ansatz aus und rücken den Begriff des Kontextes in den Mittelpunkt. Aus letzterer Perspektive ist für den Fall populärer Musik daher nicht die nach kompositionstechnischen Methoden analysierbare Struktur des musikalischen Textes ausschlaggebend, sondern die kulturellen Praktiken und Formen populärer Musik, die kontextuell in historisch spezifische und sozial strukturierte Zusammenhänge eingebunden sind. Da der thematische Ausgangspunkt für die Cultural Studies in der wissenschaftlichen Untersuchung sozialer Alltagspraktiken liegt, ist die Vermutung nahe liegend, dass sie, sofern sie einen Ästhetikbegriff etablieren, diesen eher aus einem Alltagsdiskurs gewinnen als auf ein geschichtsphilosophisches Modell zurückzugreifen, das ihrem Selbstverständnis fremd ist. Die vorliegende Arbeit geht von der Hypothese aus, dass der wissenschaftliche Diskurs über populäre Musik von einem methodischen Bruch gekennzeichnet ist, der sich an der ›ästhetischen‹ Fragestellung orientiert. Jeder Autor, der den Ästhetikbegriff auf die populäre Musik anwendet, setzt seinen eigenen Ansatz im Spannungsfeld zweier entgegengesetzter ästhetischer Paradigmen durch, die sich in der Text-Kontext-Dichotomie abbilden. Ob dieser Bruch zwischen den einzelnen Autoren oder auch innerhalb der einzelnen Texte verläuft, lässt sich nur durch eine detaillierte Analyse feststellen. Da das Text-Paradigma für die Historische Musikwissenschaft zentral ist, legitimiert ihr Ästhetikbegriff, der ausschließlich auf den Gegenstand artifizieller Musik europäisch-abendländischer Provenienz abzielt, zugleich ihre eigenen Methoden und weist dabei auf Aspekte hin, die der philosophischen Ästhetik des 18. Jahrhunderts entnommen sind. Das Kontext-Paradigma lässt sich hingegen in den besonders durch die Arbeiten der Cultural Studies etablierten kulturtheoretischen

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»INTERESSELOSES WOHLGEFALLEN« AN POPMUSIK?

Ansätzen wieder finden, die eine Ästhetik des Alltags konstruieren. Beide Paradigmen treffen in jenem Diskurs aufeinander, der die Frage nach einer Ästhetik populärer Musik thematisiert. Als methodische Leitlinie der in dieser Arbeit gewählten Darstellung lässt sich eine gewisse Nähe zu den von Michel Foucault entfalteten Konzepten der Diskursanalyse (vgl. Foucault 1974, 1992) angeben. Da eine Beschäftigung mit populärer Musik im ›wilden Außen‹ des musikwissenschaftlichen Diskurses platziert erscheint, stellt sich die erforderliche Aufgabe, die Ausschließungsmechanismen und internen Kontrollprozeduren des Diskurses aufzuzeigen und in ihrer geschichtlichen Dynamik zu veranschaulichen. Da diese um die unterschiedlichen Verwendungsweisen des Ästhetikbegriffes organisiert werden, lässt sich die Arbeit durch einen zweifachen Bruch darstellen: Der erste vollzieht sich zwischen der fachimmanenten Unmöglichkeit, eine Ästhetik populärer Musik zu etablieren – also die vollständige Ausgrenzung einer adäquaten Theoriebildung – und den vor allem in anderen Fächern vorbereiteten Versuchen, diese Unmöglichkeit zu überwinden. Der zweite lässt sich innerhalb dieser Versuche zwischen einer unbewussten Tradierung der idealistisch geformten Autonomieästhetik und einer radikalen Ablehnung dieser Prämissen markieren. Beide Brüche sind in erster Linie einer systematischen Darstellungsweise geschuldet, die keineswegs einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern vielmehr Zusammenhänge und Strukturen aufzuzeigen versucht, deren geschichtlicher Wandel zumindest angedeutet werden soll. Das dichotomische Konzept der innerhalb des 18. Jahrhunderts entstehenden wissenschaftlichen Disziplin der Ästhetik wird zunächst vorgestellt und in seiner enormen Tragweite vor dem Hintergrund zentraler musikästhetischer Paradigmen erörtert. Dabei wird zu zeigen sein, wie die musikwissenschaftlichen Ausgrenzungsmechanismen gegenüber populärer Musik organisiert werden und wie sie ihre Legitimation durch die Anbindung an das Autonomiemodell erhalten. Anschließend werden die unterschiedlichen Bemühungen beschrieben, die das zuvor etablierte ästhetische Verdikt zu überwinden versuchen. Dies erfolgt einerseits durch die Übernahme des ästhetischen Autonomiekonzeptes im Kontext eines Kunstparadigmas. Andererseits werden, in Abgrenzung dazu, durch ein Kulturparadigma Möglichkeiten ge-

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

schaffen, theoretische Grundlagen für eine neue Ästhetik zu entwickeln, welche auf Phänomene populärer Musik bezogen werden können. In der abschließenden Zusammenfassung sollen die aufgezeigten Problemzusammenhänge im Hinblick auf das Fach Musikwissenschaft kurz erörtert werden, wobei ihre mögliche Relevanz für zukünftige Forschungsaufgaben in Form eines Ausblicks zur Sprache kommt. Eine Bestimmung der in dieser Einleitung bereits als selbstverständlich verwendeten Begriffe ›populäre Musik‹ und ›Ästhetik‹ ist dem inhaltlichen Teil der Arbeit vorangestellt und soll im Folgenden erläutert werden.

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B E G R I F F S BE S T I M M U N G »›Aber ist ein verschwommener Begriff überhaupt ein Begriff?‹ – Ist eine unscharfe Photographie überhaupt ein Bild eines Menschen? Ja, kann man ein unscharfes Bild immer mit Vorteil durch ein scharfes ersetzen? Ist das unscharfe nicht oft gerade das, was wir brauchen?« (Wittgenstein 1960: 326 [71])

Was Ludwig Wittgenstein in seinen Philosophischen Untersuchungen für die Bestimmungen der Sprache allgemein expliziert, lässt sich ebenso auf die zwei für diese Arbeit zentralen Begriffe ›populäre Musik‹ und ›Ästhetik‹ übertragen. Die Schwierigkeit dieser beiden Termini liegt in ihrer Gemeinsamkeit, ihre je unterschiedlichen Bedeutungen, die zuweilen als scheinbar disparate Gegensätze auftreten können, in einer Weise zu subsumieren, die zur Einbuße begrifflicher Schärfe beiträgt. Dies legt die Vermutung nahe, dass eine jeweils einheitliche Definition beider Termini nicht möglich erscheint. Um dieses Problem zu lösen, führt Wittgenstein den Ausdruck ›Familienähnlichkeit‹ ein, der auf eine Kohärenz unterschiedlicher Verwendungsweisen eines Begriffes hinweist. Dabei lehnt er es ab, von einem einheitlichen Wesen auszugehen, dem sich diese Kohärenz verdanken würde, sondern sieht stattdessen semantische Überschneidungen, die sich durch die unterschiedlichen Verwendungsweisen ergeben. Für den Bereich ›Sprache‹ stellt er fest: »Statt etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Erscheinungen gar nicht Eines gemeinsam, weswegen wir für alle das gleiche Wort verwenden, – sondern sie sind mit einander in vielen verschiedenen Weisen verwandt. Und dieser Verwandtschaft, oder dieser Verwandtschaften wegen nennen wir sie alle ›Sprachen‹« (Wittgenstein 1960: 324 [65]).

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

Diese Verwandtschaften lassen sich ebenfalls bei den beiden in diesem Kapitel diskutierten Begriffen feststellen. Weder gibt es eine einzige verbindliche Bedeutung, noch existiert ein essentielles Element, das allen Bedeutungen angehört. Ihre jeweiligen Verwendungsweisen stellen diskursive Praktiken dar, die schließlich über den Inhalt des Begriffes entscheiden. Im Folgenden werden die Begriffe ›populäre Musik‹ und ›Ästhetik‹ anhand der Definitionsproblematik und ihrer Familienähnlichkeiten erläutert.

Populäre Musik Obgleich der Terminus ›populäre Musik‹ im Alltag eine breite Anwendung findet und dadurch eine klare inhaltliche Bestimmung suggeriert – scheint doch jeder, der ihn verwendet, genau zu wissen, was mit ihm gemeint ist –, hat sich innerhalb der musikwissenschaftlichen Disziplin die Überzeugung durchgesetzt, dass sich eine genaue Definition des Begriffes als äußerst schwierig erweist: »It is, however, one of the most difficult terms to define precisely« (Middleton/Manuel 2001: 128). Das Bedürfnis nach einer nicht nur inhaltlichen Eingrenzung und einheitlichen Festlegung des wissenschaftlichen Gegenstandes, sondern ebenso nach einem gemeinsamen Forum, in dem verschiedene Ansätze, Konzepte und Methoden aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Nationen zusammengeführt werden und zu einem interdisziplinären Austausch führen sollten, führte im Juni 1981 zur Gründung der International Association for the Study of Popular Music (IASPM). Die bekannt gewordene Bemerkung von Charles Hamm zu Beginn der ersten Konferenz in Amsterdam: »[w]e begin this conference under a severe handicap: we're not sure what we're talking about« (Hamm 1982: 3), machte bereits auf den definitorischen Mangel aufmerksam. Galt die erste Konferenz in Amsterdam eher als »first attempt at discovering ›who studies what, where and how‹ in the realm of popular music« (Horn/Tagg 1982: Vorwort), so wurde die zweite Konferenz im Jahre 1983 in erster Linie der Klärung des gemeinsamen Gegenstandes und damit der Frage ›What is Popular Music?‹ (vgl. Cutler; Shepherd; Fiori; Birrer; alle 1985) gewidmet. Die bis dato vorherrschenden Kriterien der Definition populärer Musik, die in

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BEGRIFFSBESTIMMUNG

dieser Debatte systematisch untersucht und kritisch diskutiert wurden, sind schließlich als unzureichend eingestuft worden und führten auf der Suche nach einer einheitlichen Lösung zu der Einsicht, dass der Anspruch auf eine fest umrissene Klassifikation des Gegenstandes nicht nur nicht haltbar sei, sondern sein Scheitern auch nicht als analytische Unzulänglichkeit aufgefasst werden müsse. In diesem Sinne kommt Chris Cutler zu der Einsicht: »Surely the best we can say then, is what popular music is not. Indeed I would argue that the term is only useful so long as it remains vague, commonly ›understood‹, but not defined« (Cutler 1985: 12). Vier Definitionstypen von populärer Musik, die sowohl im alltäglichen als auch im wissenschaftlichen Diskurs vorherrschend sind, lassen sich nach Frans Birrer voneinander unterscheiden: normative, negative, soziologische und technologisch-ökonomische Definitionen (vgl. Birrer 1985: 104; Middleton 1990: 3-7). Normative Definitionen gehen davon aus, dass populäre Musik einen minderwertigen kulturellen Status einnimmt. Ihnen unterliegen meist moralisch-ästhetische Dispositionen, die in einigen Ansätzen zur Geltung kommen, wie später noch zu sehen sein wird. Negative Definitionen sind auf Abgrenzung ausgelegt. Populäre Musik ist demnach die Musik, die weder Volksmusik noch Kunstmusik ist (vgl. Tagg 1979). Die Schwierigkeiten bestehen hierbei in der genauen Festlegung der Grenzen zwischen populärer Musik und Volksmusik sowie zwischen populärer Musik und Kunstmusik. Einer auf Komplementarität fußenden Zuordnung willkürlicher Kriterien auf die einzelnen Bereiche wird damit weiterhin Vorschub geleistet. Dies drückt sich beispielsweise in der Tendenz aus, der Kunstmusik eine gewisse Komplexität, populärer Musik jedoch Einfachheit oder leichte Fassbarkeit zu attestieren. Soziologische Definitionen versuchen eine Verbindung zwischen populärer Musik und einer gesellschaftlichen Gruppe oder Klasse, die als Produzentin oder Rezipientin auftritt, herzustellen. 1 Eine direkte Zuweisung musikalischer Phänomene und 1

Das von Carl Belz Ende der 1960er Jahre geprägte, an den Gedanken einer musica populare, einer Musik des Volkes, angelehnte Diktum einer ›Volksmusik der Gegenwart‹ als Bezeichnung der mittlerweile weit verbreiteten Rockmusik zeugt gleichfalls von einem Verständnis, das eine Musikpraxis auf eine gesellschaftliche Gruppe, hier: das Volk als verklärten Ursprung, reduziert (vgl. Belz

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

Praktiken zu gesellschaftlichen Gruppen ist heute deshalb schon nicht haltbar, da die massenmediale Distribution auf globalisierten Märkten und die durchlässiger gewordenen Grenzen zwischen einzelnen Klassen die klare Zuordnung zu ihren Kategorien geradezu unmöglich gemacht haben. Technologisch-ökonomische Definitionen beziehen populäre Musik auf Aspekte des Marktes und der massenmedialen Verbreitung. Diese Kategorie vernachlässigt sowohl die Tatsache, dass prinzipiell alle Formen der Musik, nicht nur populäre Musik, durch kulturindustrielle Mechanismen Warencharakter erhalten können,2 als auch die Möglichkeit, dass populäre Musik auf andere Weise, fernab der Massenmedien, auf Konzerten beispielsweise, erklingen kann. Alle vier Definitionskategorien sind als alleinige für eine genaue Bestimmung des Gegenstandes unzureichend. Kombinationen davon treten allerdings in unterschiedlichen Ansätzen auf, die Richard Middleton unter »positivist« oder »sociological essentialism« (Middleton 1990: 5) subsumiert. Erstere drücken sich im Konzept der quantitativen Popularität aus, das maßgeblich von Charles Hamm entworfen wurde. In seinen Untersuchungen zum populären Song in Amerika geht er von einer numerisch-quantitativen Bedeutung des Begriffes ›populär‹ aus und entscheidet sich dabei für einen Ansatz, der sich der Aufgabe stellt, »to deal with the pieces which are demonstrably the most popular items of ›popular music‹, with the most widely disseminated items of music disseminated in the mass media« (Hamm 1982: 5; vgl. Hamm 1979: xvii-xxii). Das Merkmal der zahlenmäßig großen Popularität, das auch von einigen Vertretern der Musikethnologie zugrundegelegt wird, um populäre Musik als »music that most people value most« (Blacking 1981: 13) zu bestimmen, zieht eine Reihe von methodischen Schwierigkeiten3 nach sich, die ein Ver-

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1969: 3). Die daran anschließende, von Tibor Kneif entwickelte These der »Rockmusik als industrielle[r] Volksmusik« (1982: 191ff.) geht von einer volksmusikartigen Wesenhaftigkeit der Rockmusik aus, die deren »industrielle Musikproduktion, um die es schließlich geht, zwangsläufig als eine bloß aufgesetzte und parasitäre, mithin wesensfremde Erscheinung qualifiziert« (Wicke 1992: 3). Eine schonungslose Darstellung industrieller Assimilation aller kulturellen Formen und der damit einhergehenden totalitären Mechanismen findet sich bei Adorno/Horkheimer (1996: 128-176). Für eine eingehende Kritik dieses Ansatzes vgl. Keil 1980: 577; Middleton 1990: 6f.; Wicke 1992: 6ff.

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BEGRIFFSBESTIMMUNG

ständnis für die inneren Verhältnisse der Musikpraxis ausklammern. So kommt Middleton zu der Feststellung: »At best, positivist approaches measure not ›popularity‹ but sales« (Middleton 1990: 6). Im Gegensatz zum quantitativen Konzept schreibt er den ›sociological essentialists‹ qualitative Annahmen zu, die ihren Fokus zwar auf die gesellschaftlichen Dimensionen, in denen sich populäre Musik bewegt, lenken, diese jedoch jeweils in eine auf starre Dichotomien aufbauende Theorie zu integrieren versuchen, in der es dann leicht wird, Strukturen der Produktion und Konsumption populärer Musik mit Begriffen wie Manipulation, Standardisierung auf der einen Seite oder Widerstand, Authentizität auf der anderen Seite, zu koppeln.4 Solche auf Binarität beruhenden abstrakten Modelle, in denen implizit ein unveränderliches Wesen der populären Musik angelegt ist, verfehlen dabei die Möglichkeit, konkrete kulturelle Prozesse angemessen zu untersuchen und die ihnen immanenten Widersprüche zu lokalisieren und aufzudecken. Middleton kommt zu einer abschließenden Feststellung: »Whichever terms are used, their contents should not be regarded as absolute. […] ›Popular music‹ […] can only be properly viewed within the context of the whole musical field, within which it is an active tendency; and this field, together with its internal relationships, is never still – it is always in movement« (Middleton 1990: 7).

Der Begriff der ›populären Musik‹, der dem amerikanischen Terminus ›popular music‹ äquivalent ist, wird in seinem transformierenden Bedeutungsgehalt auch von Peter Wicke berücksichtigt, der ihn als ein »diskursives Instrument kultureller Auseinandersetzungsprozesse auf dem durch die kommerzielle Musikproduktion abgesteckten Territorium« (Wicke 1997:Sp.1696) definiert. Sowohl Inhalt als auch Bestimmungskriterien unterliegen einem permanenten Wandel, der durch die unterschiedlichen funktionalen Charaktere der drei ›Hauptakteure des Musikprozesses‹ – Industrie, Musiker, Publikum – gesteuert wird. Innerhalb dieses 4

Die Arbeiten der Frankfurter Schule zur Massenkultur, vor allem Adornos einerseits und die der Birmingham Schule, vor allem von Hall und Fiske andererseits, stehen hierfür exemplarisch. Sie werden im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit noch detaillierter behandelt.

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

Korrelationsdreiecks manifestiert sich der Bedeutungsgehalt populärer Musik, der jedoch immer wieder neu gefunden werden muss. Durch die wachsende Fragmentierung des Musiklebens über die begriffliche Unterscheidung der beiden Sphären ›ernster‹ und ›unterhaltender‹ Musik hinaus, sind »Begriffsbildungen wie ›populäre Musik‹ nichts anderes als ein Ausdruck für kulturelle Grenzverläufe, die sich in der musikalischen Landschaft entlang sozial, kulturell, technologisch und ästhetisch bedingter Unterschiede des Musizierens ausgebildet haben und ausbilden« (Wicke 1997: Sp.1697).

Da der Ausdruck also nicht mit einem »klangliche[n] Substrat« (Wicke 1995: 24) als fester Größe korreliert, sondern in einem spezifischen musikalischen Kontext jeweils aufs Neue gesellschaftlich produziert wird, ist es möglich, darunter so unterschiedliche musikalische Formen und Praktiken wie Marsch- und Tanzmusik, Vaudeville, Jazz, Rockmusik, Filmmusik, Muzak oder die in der Musikethnologie als ›hybrid‹ oder ›synkretistisch‹ bezeichneten Musikformen der so genannten World Music zu subsumieren. Für die vorliegende Arbeit erscheint es sinnvoll, sich an der zuletzt dargelegten Definition eines diskursiv konstruierten Begriffes von populärer Musik zu orientieren, um ein möglichst weites Verständnis des Gegenstandes zugrunde zu legen und somit unterschiedlichste theoretische Auseinandersetzungen über den Gegenstand berücksichtigen zu können. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die einmal gewählte Begrifflichkeit nicht nur über die Bestimmung des Gegenstandes entscheidet, sondern zugleich implizit eine theoretisch-methodische Grundorientierung festlegt, die unmittelbar mit ihr verwoben ist.5 An den innerhalb der Fachliteratur verwendeten Begriffen wie ›Trivialmusik‹, ›leichte Musik‹, ›Unterhaltungsmusik‹, ›Pop- und Rockmusik‹ wird dies deutlich. Eine Analyse ihrer ästhetischen Grundvoraussetzungen wird also vielmehr mit den Termini arbeiten müssen, die in den jeweiligen Texten verwendet werden, als sich durch einen festgelegten einheitlichen Kanon an Begriffen und Messkri5

Die hier vorgestellten Definitionen sind davon nicht ausgeschlossen, zielen diese doch ebenfalls auf bestimmte theoretische Konzepte ab, die sich nicht vom Begriff trennen lassen.

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BEGRIFFSBESTIMMUNG

terien in die Gefahr zu begeben, wichtige Aspekte von vornherein ausgeklammert zu haben. Der Begriff ›populäre Musik‹, der an dieser Stelle noch nicht mit Inhalt gefüllt ist, wird als Folie begriffen, auf der sich die Auseinandersetzungen abbilden. Zum Entstehungshintergrund des deutschsprachigen Ausdrucks ›populäre Musik‹ sei schließlich noch erwähnt, dass er sich als solcher im Umfeld der Radiostationen der 1930er Jahre eingebürgert hatte und durch einen Aufsatz von Ernst Krenek im Jahre 1938 erstmals in den wissenschaftlichen Diskurs aufgenommen wurde (Krenek 1938: 47; vgl. Galden 1982: 108). Der Terminus, der damit direkt aus den kulturellen Praktiken des gesellschaftlichen Zusammenlebens hervorgegangen ist und sich bis heute etabliert hat, scheint daher für die vorliegende Arbeit geeigneter zu sein, als die vor allem in der Musikpädagogik und der Musikethnologie vorherrschende Bezeichnung ›Popularmusik‹, die wohl erstmals von Walter Wiora in seinem Werk Die Vier Weltalter der Musik (Wiora 1961) verwendet wurde. Dort ist eine, durch sozial, politisch und technologisch bedingte Tendenzen der Popularisierung, kategorisierte »Musik für Hörermassen« (Wiora 1961: 139) gemeint, die sich von der Kunstmusik entfernt hat. In diesem Sinne »fällt die Musik für Laien, indem sie von kühneren Geistern der Komposition gänzlich verlassen wird, konservativeren und kommerziellen Kräften anheim« (Wiora 1961: 140). Die in dem von Wiora verwendeten »Sprachungetüm« (Wicke 1992: 1) ›Popularmusik‹ enthaltene negative Konnotation weist bereits auf ästhetische Grundannahmen hin, die einer vorurteilsfreien Begegnung mit populärer Musik im Weg stehen.6

6

Eine regelrechte Aversion drückt sich in Manfred Millers polemischer Bemerkung aus: »Popularmusik: der Begriff schon signalisiert Berührungsangst. Wuchtet nicht den Gegenstand, aber zumindest seinen Betrachter hoch auf jenes Plateau Latinisme, auf dem hierzulande Wissenschaftlichkeit haust« (zit. nach Wicke 1992: 1).

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

Ä s t h et ik Was zunächst für den Begriff ›populäre Musik‹ festgestellt wurde – seine diskursive Verfasstheit und die unterschiedlichen, jedoch miteinander verwandten Verwendungsweisen – lässt sich auch für den Terminus ›Ästhetik‹ nachweisen. Dieser wird ebenfalls von einer semantischen Polyvalenz geprägt, die jegliche Bemühungen, das Wesen des Ästhetischen genau festzulegen und den Begriff einheitlich zu definieren, zum Scheitern verurteilt. Wittgenstein beschreibt die Situation folgendermaßen: »Es stimmt alles; und nichts. – Und in dieser Lage befindet sich z.B. der, der in der Aesthetik [...] nach Definitionen sucht« (Wittgenstein 1960: 329 [77]). Problematisch ist die einheitliche Festlegung des Begriffes nicht erst durch eine in der geschichtlichen Entwicklung bis heute entstandenen Bedeutungsvielfalt, sondern bereits in der Entstehungszeit der Ästhetik als einer wissenschaftlichen Disziplin. Alexander Gottlieb Baumgarten, der als Namensgeber und Begründer der Ästhetik gilt, legt in seinem 1750 bis 1758 entstandenen Werk Aesthetica die Fundamente für eine Lehre von der sinnlichen Erkenntnis, die als Theorie der Wahrnehmung, der Einbildungs- und der Urteilskraft, die traditionelle Logik ergänzen sollte. Der Name rekurriert auf das griechische aisthetos (›sinnlich‹, ›wahrnehmbar‹) oder aisthesis (›Wahrnehmung‹) und wurde von Baumgarten in diesem weit umfassenderen Sinne verwendet, als er heute als eine in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangene Bezeichnung für die Beschäftigung mit der Kunst oder dem Schönen fungiert. Diese begriffliche Verengung verdeckt die ursprüngliche Absicht Baumgartens, Ästhetik als eigenständige Disziplin im System der Philosophie zu etablieren und sie gleichzeitig von Theorien über die Kunst und das Schöne, welche als solche bereits in der Antike existierten, abzuheben. Ihre spezifische Bedeutung erhält sie durch die historische Situation, in der sie entstand. Im Anschluss an die rationalistische Philosophie, in der klares und distinktes Erkennen als Kriterien für das philosophische Wissen7 galten, entwickelte Baumgarten eine 7

Beispielhaft sei hier an Descartes' zweite Meditation erinnert, in der die Erkenntnis der Dinge durch das Denken, nicht durch die Sinne, gewonnen wird: »Und so erkenne ich das, was ich mit meinen Augen zu sehen vermeinte, einzig und allein durch die meinem Geiste innewohnende Fähigkeit zu urteilen« (Descartes 1994: 25

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BEGRIFFSBESTIMMUNG

Theorie, in der das Eigenrecht des Sinnlichen zur Geltung kommen sollte. Als »Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis« – scientia cognitionis sensitivae – (Baumgarten 1983: 2f. [§1]) versucht die Ästhetik sinnliche Empfindung und Wahrnehmung nicht bloß als äußere Reize, als Material für den Verstand, sondern als besondere Art der Erkenntnis ernst zu nehmen. Sinnliches Erkennen, das sich im ästhetischen Urteilen ausdrückt, erhält die Fähigkeit der Wahrheitsvermittlung und verortet sich zwischen dem ›dunklen Grund der Seele‹ und der klaren und deutlichen Erkenntnis des Verstandes (vgl. Baumgarten 1983: 6-9 [§12]). Bereiche der Kunst, des guten Geschmacks oder des »schönen Denkens« (Baumgarten 1983: 16f. [§28]) werden als nicht minder wichtige Aspekte angesprochen; es wäre jedoch verfehlt, die Bedeutung des Begriffes Ästhetik auf nur diese zu reduzieren, erschließt sich ihr Gehalt doch vielmehr aus dem Kontext einer grundlegenden Neuorientierung neuzeitlicher Philosophie, der sich Baumgartens Projekt einfügt und dabei einen epistemologischen Charakter hervorhebt. Das Vordringen des Ästhetischen in die Sphäre von Wissen und Wahrheit bildet das Neue in der Philosophie und markiert das entscheidende Moment der Ästhetik als epistemologischer Disziplin. Wolfgang Welsch, der diesen »aesthetic turn« (Welsch 1996a: 94) ausführlich darstellt, vermutet darin gleichsam den Ausgangspunkt zahlreicher Ästhetisierungsprozesse in der modernen Gesellschaft: »Wahrheit ist dem modernen Verständnis zufolge von ästhetischen Prämissen durchsetzt. Unser Erkennen ist in grundlegenden Zügen ästhetisch konfiguriert« (Welsch 1996a: 95). Als Referenz hierfür lässt sich das philosophische System Immanuel Kants heranziehen, das zugleich der Umstrittenheit des Begriffes ›Ästhetik‹ Rechnung trägt. Für Kant bestand kein Zweifel darin, dass für jedes Wissen ästhetische Grundlagen unentbehrlich sind. In der Kritik der reinen Vernunft entfaltet er unter dem Titel einer ›Transzendentalen Ästhetik‹ eine Lehre der sinnlichen Anschauungsformen – Raum und Zeit –, die den Prinzipien der Erkenntnis a priori gegeben sind. Ästhetik ist hier epistemo

[29]). Oder: »Und somit meine ich bereits als allgemeine Regel aufstellen zu dürfen, daß alles das wahr ist, was ich recht klar und deutlich erfasse« (Descartes 1994: 28 [33]).

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

logisch wirksam geworden. Gegenüber Baumgartens Ästhetikbegriff verhält sich Kant jedoch ablehnend: »Die Deutschen sind die einzigen, welche sich jetzt des Worts Ästhetik bedienen, um dadurch das zu bezeichnen, was andre Kritik des Geschmacks heißen. Es liegt hier eine verfehlte Hoffnung zum Grunde, die der vortreffliche Analyst Baumgarten faßte, die kritische Beurteilung des Schönen unter Vernunftprinzipien zu bringen, und die Regeln derselben zur Wissenschaft zu erheben. Allein diese Bemühung ist vergeblich. [...] Um deswillen ist es ratsam, diese Benennung [...] wiederum eingehen zu lassen, und sie derjenigen aufzubehalten, die wahre Wissenschaft ist« (Kant 1996: 70, §1 [B36]).

Trotz dieser Skepsis, hält Kant schließlich an dem Ausdruck fest, den er einerseits im transzendentalen Sinne gebraucht, andererseits aber auch – und das kommt dem heutigen Verständnis von Ästhetik näher – in seiner Kritik der ästhetischen Urteilskraft als Lehre vom Schönen versteht. Auch bei G.W.F. Hegel ist die begriffliche Problematik zu Beginn seiner Vorlesungen über die Ästhetik erwähnt: »Diese Vorlesungen sind der Ästhetik gewidmet; ihr Gegenstand ist das weite Reich des Schönen, und näher ist die Kunst, und zwar die schöne Kunst ihr Gebiet. Für diesen Gegenstand freilich ist der Name Ästhetik eigentlich nicht ganz passend, denn ›Ästhetik‹ bezeichnet genauer die Wissenschaft des Sinnes, des Empfindens« (Hegel 1997b: 13).

Hegel bestimmt die Ästhetik als ›Philosophie der schönen Kunst‹ und schränkt damit ihren Kompetenzbereich weiter ein (Hervorhebung des Kunstschönen gegenüber dem Naturschönen). Diese zunehmende Verengung des Begriffes weist auf die bereits in der frühen Phase der Ästhetik als philosophische Disziplin vorherrschende Situation hin, die von definitorischen und methodischen Problemen, Missverständnissen und allgemeiner Skepsis geprägt war. Verschiedene Verwendungsweisen schreiben dem Ausdruck ›ästhetisch‹ ein Bündel von unterschiedlichen Bedeutungselementen zu, deren Familienähnlichkeiten Wolfgang Welsch durch eine Systematisierung aufzuzeigen versucht (vgl. Welsch 1996b: 24-39). Die gängigen semantischen Bezugspunkte des Ästheti-

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schen wurden bereits angesprochen und lassen sich vereinfacht durch Schlagwörter kennzeichnen. So meint ›artistisch‹ die kunstbezogene Bedeutung, ›kallistisch‹ die Beziehung auf das Schöne und ›aisthetisch‹ die Bedeutung einer Verbesserung des sinnlichen Erkenntnisvermögens, wie es Baumgarten gefordert hatte. So unterschiedlich diese Bedeutungselemente sind, lassen sie sich jedoch nicht strikt voneinander trennen. Sie sind vielmehr durch Überschneidungen gekennzeichnet, die dafür sprechen, dass ein einheitliches Wesen des Ästhetischen nicht existiert. Das epistemologische Bedeutungselement, das den Konnex der Ästhetik mit der Wahrheit betont, ist nach Welsch herausragendes Merkmal einer zunehmenden Ästhetisierung nicht nur im philosophischen Diskurs, 8 sondern ebenso in Bezug auf gesellschaftliche Phänomene: »›Ästhetisierung‹ bedeutet ja grundsätzlich, daß Nichtästhetisches ästhetisch gemacht oder als ästhetisch begriffen wird. [...] Wirklichkeit nimmt für uns eine Verfassung an, wie wir sie bislang nur von der Kunst her kannten« (Welsch 1996b: 20f.). Diese Ästhetisierungsprozesse, die Welsch heute in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens (Schönheitschirurgie, Stadtverschönerung) erkennt und die er in die Theorie zurückverlegt, wirken sich gleichfalls auf Veränderungen im Umgang mit dem Begriff ›Ästhetik‹ aus: »›Ästhetik‹ bezeichnet im üblichen Sprachgebrauch nicht mehr nur die wissenschaftliche Thematisierung sinnenhafter Phänomene, sondern die Struktur dieser Phänomene selbst« (Welsch 1998: 10). Sowie es dadurch möglich geworden ist, von einer Ästhetik des Tanzes, des Fußballsports oder des Automobils zu sprechen, ohne dabei philosophische Abhandlungen zu vermuten – werden doch die Phänomene als solche thematisiert – so scheint sich durch den veränderten Gebrauch die Möglichkeit eröffnet zu ha-

8

Davon zeugt bereits ›Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus‹ (Hegel 1997a) in einer emphatischen Passage: »Ich bin nun überzeugt, daß der höchste Akt der Vernunft, der, in dem sie alle Ideen umfaßt, ein ästhetischer Akt ist und daß Wahrheit und Güte nur in der Schönheit verschwistert sind. [...] Die Philosophie des Geistes ist eine ästhetische Philosophie« (Hegel 1997a: 235).

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

ben, Ästhetik auf Bereiche zu übertragen, die seit jeher außerhalb der Sphäre der Kunst angesiedelt waren. Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen auch für die Musikästhetik, die immer an philosophische Diskurse angebunden war und damit als historisch zu verstehen ist, wie Carl Dahlhaus herausstellt: »Das System der Ästhetik ist ihre Geschichte: eine Geschichte, in der Gedanken und Erfahrungen heterogenen Ursprungs sich durchdringen« (Dahlhaus 1967: 10). Indem er auf den ursprünglichen Sinn des Wortes zurückgreift erscheint die Musikästhetik zeitlich begrenzt, da sie »um 1900 zu Ende gegangen« (Dahlhaus 1967: 9) ist. Ihre enge Verbundenheit mit der Philosophie wird auch von Adolf Nowak hervorgehoben: »Gegenstand der Musikästhetik ist die Musik im Kontext philosophischer Theorien des Schönen und der Kunst, der sinnlichen Erkenntnis und des geschichtlichen Verstehens; in diesem Kontext wird die Musik nicht als gegebene Wirklichkeit erforscht und beschrieben, sondern auf ihre Prinzipien und Kriterien befragt« (Nowak 1997: 969).

Dass Prinzipien und Kriterien der Musik befragt werden, scheint einleuchtend zu sein, ob die Vernachlässigung ihrer »gegebene[n] Wirklichkeit« als universal-konstitutiv zu betrachten ist, darf angesichts heutiger Ästhetisierungsprozesse bezweifelt werden. Die Phänomene selbst rücken mehr in den Mittelpunkt der Betrachtung, so dass davon ausgegangen werden kann, »daß also die Ästhetik aus einer normativen zu einer beschreibenden Disziplin geworden« (Gieseler 1978: 13) ist. Für den Fall populärer Musik ergeben sich aus dieser Darstellung zwei zentrale Aspekte, die für die nachfolgenden Kapitel relevant werden. Erstens werden beide Begriffe ›populäre Musik‹ und ›Ästhetik‹ als diskursiv konstruiert aufgefasst, das heißt eine einheitliche Bestimmung kann nicht von vornherein festgelegt werden. Eine jeweils spezifische Bedeutung muss durch ihre konkrete Verwendungsweise in der zu untersuchenden Literatur erschlossen werden. Zweitens ist sowohl mit der terminologischen als auch der inhaltlichen Festlegung auf einen Begriff zugleich eine methodische Grundorientierung mitbestimmt, die den Untersuchungsgegenstand aufgrund von Perspektivwechseln zu-

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BEGRIFFSBESTIMMUNG

gleich verändert. Dass populäre Musik unter ästhetischen Prämissen untersucht werden kann, hängt schließlich einerseits von ihrem eigenen Status, als Kunst oder Nichtkunst begriffen zu werden, ab und andererseits vom Verständnis des Ästhetischen, das – entweder an traditionelle Musikästhetik angelehnt oder durch allgemeine Ästhetisierung geprägt – auf sie angewendet wird.

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DAS

D I C H O T O M I S CH E

D E R K L A S S I S C HE N

KONZEPT

ÄSTHETIK

»Wie verteidigt sich eine Kunst gegen den Vorwurf der Nicht-Kunstgemäßheit? Im allgemeinen kann die Dichotomisierung der Musik in einen Kunst- und einen NichtKunst-Bereich als die zentrale Antwort der Musikästhetik angesehen werden« (Sponheuer 1987: 129).

Dass populäre Musik im tradierten musikästhetischen Diskurs nicht einmal eine marginale Stellung, sondern nachgerade einen dezidiert negativen Bezugspunkt im Koordinatensystem musikalischer Formen einnimmt, ist unschwer zu erkennen, wenn eine Bezeichnung wie ›niedere‹ Musik immer auf ihr Pendant einer ›höheren‹ Musik im Rahmen einer topographischen Standortbestimmung bezogen bleibt. Der Grund dafür, dass der ›niederen‹ Musik das Attribut ›ästhetisch‹ verweigert wird (vgl. Eggebrecht 1977a: 208), weist auf einen Sachverhalt hin, der als historisch zu verstehen ist und seine Relevanz aus einer spezifischen raumzeitlichen Phase gesellschaftlicher Konstellationen, nämlich dem Beginn des Bürgertums im Europa des 18. Jahrhunderts, heraus erhält. Dahlhaus schreibt hierzu: »Das ästhetische Verdikt über die U-Musik, die in früheren Epochen mit ehrlicher Rohheit ›niedere‹ Musik hieß, war ursprünglich mit gesellschaftlicher Ächtung verbunden und wurde erst später geschichtsphilosophisch fundiert« (Dahlhaus 1984: 21).

Ästhetik, die, als System verstanden, durch gesicherte historische Distanz zu einer Analyse ihrer selbst einlädt, in der ideologische Strukturen und Ausschließungsmechanismen aufgedeckt werden können, erhält ihre raison d'être durch ihre enge Verbundenheit mit bestimmten gesellschaftlichen Schichten, die sie

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

sowohl abbildet als auch aufrecht erhält. Fungiert ästhetischer Anspruch als Ausdruck des guten Geschmacks in der Gesellschaft, so bildet ihre Liaison mit der Kunstform Musik ein unbestechliches Mittel sozialer Distinktion. Der Soziologe Pierre Bourdieu hat bereits auf die hohe Klassifikationsfähigkeit der Musik in der Gesellschaft hingewiesen: »Die Musik verkörpert die radikalste, die umfassendste Gestalt jener Verleugnung der Welt, zumal der gesellschaftlichen, welche das bürgerliche Ethos allen Kunstformen abverlangt« (Bourdieu 1987: 42). 1 Die hier angesprochene auffällige dialektische Struktur von Kunst und Gesellschaft, von Musik als ›Verleugnung der Welt‹, weist auf einen Problemhorizont hin, der mit dem Begriff ›Autonomie der Kunst‹ angedeutet ist und als ein zentrales Konzept tradierter Ästhetik näher beleuchtet werden muss. Auch Dahlhaus macht auf den sozialen Distinktionsprozess durch Musik aufmerksam und hebt dabei die Rolle der Ästhetik hervor: »Wer die ästhetische Überlegenheit des Streichquartetts oder der Symphonie über die Popmusik behauptet – und es ist unmöglich, sie nicht zu behaupten, ohne die gesamte bisherige Ästhetik preiszugeben –, demonstriert zugleich, ob er will oder nicht, ein durch musikalische Symbole ausgedrücktes Sozialprestige, das er für sich selbst in Anspruch nimmt und anderen verweigert« (Dahlhaus 1984: 16; meine Hervorhebung).

Durchschaut man diesen Zusammenhang musikalischer Symbolhaftigkeit, so wird deutlich, dass dem ungleichgewichtigen ästhetischen Verhältnis der beiden Sparten, die, als ›E- und UMusik‹ apostrophiert, tief ins gesellschaftliche Bewusstsein eingedrungen und bis heute juristisch institutionalisiert 2 worden 1

2

Hierzu auch: »Wenn z.B. nichts eindrucksvoller die eigene ›Klasse‹ in Geltung zu setzen hilft, nichts unfehlbarer auch die eigene ›Klassenzugehörigkeit‹ dokumentiert als der musikalische Geschmack, dann deshalb, weil es auch [...] keine andere Praxis gibt, die annähernd so klassifikationswirksam wäre wie Konzertbesuch oder das Spielen eines ›vornehmen‹ Musikinstruments« (Bourdieu 1987: 41). Hiervon zeugen die gesetzlichen Bestimmungen in Bereichen des Urheberrechts. Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte vollzieht ihre Tarifgestaltung und Tantiemenverteilung anhand dieser Trennung, wobei auch hier ein Ungleichgewicht zugunsten der E-Musik vorhanden ist.

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DAS DICHOTOMISCHE KONZEPT DER KLASSISCHEN ÄSTHETIK

sind, nicht mit einer bloßen Behauptung des Gegenteiligen beizukommen ist, die zu einer formalen Umkehrung des Verhältnisses führen und die Polarisation weiter aufrecht erhalten würde. Vielmehr geht es darum, die internen Strukturen und Zusammenhänge der ›gesamten bisherigen Ästhetik‹ aufzudecken, die den Ausschließungsmechanismus populärer Musik begründen. Um zu verstehen, warum in dieser Hinsicht populäre Musik nicht ästhetisch sein kann, reicht es jedoch nicht aus, das Augenmerk nur auf den musikästhetischen Diskurs zu richten. Er legitimiert zwar die musikalische Dichotomie, weist darin aber zugleich auf einen umfassenderen Theoriekomplex hin, der im philosophischen Diskurs des 18. und 19. Jahrhunderts beheimatet ist. Es gilt, die Tragweite der idealistischen Philosophie zu berücksichtigen, an deren Problemfelder und Wertmaximen die Musikästhetik seit ihren Anfängen zurückgebunden bleibt. Die tief greifende Spaltung des Musikbegriffes bleibt im Begründungszusammenhang eines dualistischen Denkmodells eingebettet, in dem dem idealistisch geprägten Kunstbegriff eine fundamentale Position eingeräumt wird. Da sowohl der eingeschränkte Rahmen als auch die thematische Ausrichtung dieser Arbeit eine nicht annähernd erschöpfende Darstellungsweise dieser Problematik erlaubt, erscheint es sinnvoll, die entscheidenden Momente auf die für die Argumentation wesentlichen zu reduzieren. Das dichotomische Konzept der klassischen3 Ästhetik, das samt seiner impliziten Dynamik im Folgenden skizziert werden soll, erhält einen paradigmatischen Stellenwert im Verhältnis des Ästhetischen zu populären Musikformen. Nach diesem Paradigma kann der Kunstbegriff, somit der ästhetische Status, nicht auf populäre Musik angewendet werden. Die philosophiegeschichtlichen Voraussetzungen liegen hierfür zum einen im Autonomiemodell, zum anderen im niederen Status der Musik als schöner Kunst. Die daraus folgenden musikästhetischen Paradigmen konzentrieren sich auf die beiden 3

Der Ausdruck ›klassisch‹ wird im Sinne der spezifisch epochalen Begrenzung europäischer Kultur- und Geistesgeschichte verwendet (vgl. Helmut Kuhns Titel »Die Vollendung der klassischen deutschen Ästhetik durch Hegel« (Kuhn 1966: 15), der den Zeitraum von Baumgarten bis Hegel berücksichtigt); zugleich ist er geeignet, das Moment des Tradierten, des Typischen als überzeitliches Nonplusultra hervorzuheben.

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

Aspekte ›Geist‹ und ›Kunstwerk‹, die ihre Bedeutung nur aus der dichotomischen Struktur heraus erhalten, also nur in Abgrenzung zum andern, dem ›Nicht-Geistigen‹ und dem ›Nicht-Kunstwerk‹, zu verstehen sind. Die Unmöglichkeit einer positiven Bestimmung ausgegrenzter Musik ist dem Absolutheitsanspruch der ›wahren‹ Musik geschuldet, der Musik nur als geistige akzeptiert. Alle anderen Formen, die diesem Prinzip nicht genügen, werden durch bestimmte Negation vereint, wie der Begriff »Unmusik« (Eggebrecht 1977a: 214) deutlich macht. In diesem Zusammenhang erweist sich der Begriff ›populäre Musik‹ als problematisch, da er als solcher in der Literatur nicht existiert. Ähnliche Begriffe wie ›Trivialmusik‹, ›funktionale‹ oder ›leichte‹ Musik zielen auf je unterschiedliche Schwerpunkte ab, deren konkrete Bedeutung jedoch erst durch ihren dualistischen Gegenpart erfassbar wird. Da sich populäre Musik in diesem geschichtsphilosophisch geprägten Diskurs nicht außerhalb der dualistischen Struktur denken lässt, wird der Begriff ›populäre Musik‹ im Folgenden als virtueller Oberbegriff beibehalten, ohne die real verwendeten Ausdrücke in ihren spezifischen Zusammenhängen zu übergehen (vgl. von Schoenebeck 1987: 9ff).

P h il o s o p h is c h e G r u nd l a g e n Autonomie der Kunst Mit den politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen des 18. Jahrhunderts und dem Heraufkommen eines ökonomisch erstarkten Bürgertums hatte sich ein grundlegender Wandel der Kunst vollzogen.4 Die Befreiung der Kunst von der »unmittelbaren Bindung ans Sakrale« (Bürger 1974: 56) und ihre Konstitution als einer »von der Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens abgelösten Sphäre« (Habermas 1990: 98) bilden zentrale Voraussetzungen für einen Begriff von Kunst, der maßgeblich durch die systematische Ästhetik als neu entstandene philosophische Disziplin bestimmt wird. Goethes vielzitierte Ballonmetapher veranschaulicht diesen Sachverhalt auf prägnante Weise: 4

Zum musikalischen Wandel in Deutschland bietet die von Schleuning (1989) erarbeitete Sozialgeschichte der Kunstmusik einen empfehlenswerten Beitrag.

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DAS DICHOTOMISCHE KONZEPT DER KLASSISCHEN ÄSTHETIK »Die wahre Poesie kündet sich dadurch an, daß sie, als ein weltliches Evangelium, durch innere Heiterkeit, durch äußeres Behagen uns von den irdischen Lasten zu befreien weiß, die auf uns drücken. Wie ein Luftballon hebt sie uns mit dem Ballast, der uns anhängt, in höhere Regionen und lässt die verwirrten Irrgänge der Erde in Vogelperspektive vor uns entwickelt daliegen« (Goethe o.J.: 161).

Zwei ineinander verschränkte Momente sind hier für den klassischen Kunstbegriff entscheidend: die »prinzipielle ästhetische Distanz zu Alltag, Leben, Realität und Praxis« (Heister 1983: 47) und die daraus hervorgehende ästhetische Versöhnungsfunktion. Beide Momente weisen in ihrer wechselseitigen Bedingtheit auf den Kontext der idealistischen Entfremdungskritik hin, »die die faktische Trennung von Kunst und Lebenspraxis als Symptom der ›Entzweiung‹ begreift und im selben Zuge in die Konstitution einer Gegenwelt umdeutet, die eben vermöge ihrer Abkoppelung von den ›Gesetzen des Marktes [...] wie [...] des Staates‹ einen Bereich unverkürzter Humanität eröffnet, der als ›Paradigma einer die antagonistische Struktur der entwickelten bürgerlichen Gesellschaft transzendierenden Freiheit‹ in Anspruch genommen wird« (Sponheuer 1987: 63).5

Als auffälliges Merkmal eines die Destruktion des metaphysischen Weltbildes vorantreibenden Prozesses ist es die alle Bereiche des Lebens durchziehende antagonistische Struktur selbst, die das Zeitalter der Aufklärung auf den Begriff zu bringen fähig geworden ist, und deren Gegensätze »am schärfsten durch die neuere Bildung erst ausgeführt und auf die Spitze des härtesten Widerspruchs hinaufgetrieben sind« (Hegel 1997b: 80). Die vom aufklärerischen Standpunkt aus unwiederbringlich verlorene Einheit der Welt- und Lebenszusammenhänge, die das auf einen Schöpfergott hin orientierte ›vorkritische‹ Denken noch stiftete, ist von

5

Zur Aktualität der engen Verbindung von Kunst und Autonomie siehe auch Adorno: »Die Autonomie, die sie [die Kunst] erlangte, nachdem sie ihre kultische Funktion und deren Nachbilder abschüttelte, zehrte von der Idee der Humanität. Sie wurde zerrüttet, je weniger Gesellschaft zur humanen wurde. In der Kunst verblassten kraft ihres eigenen Bewegungsgesetzes die Konstituentien, die ihr aus dem Ideal der Humanität zugewachsen waren. Wohl bleibt ihre Autonomie irrevokabel« (Adorno 2000b: 9).

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

den vielfältigen Gegensätzen einer arbeitsteilig partikularisierten bürgerlichen Gesellschaft abgelöst worden. Industrialisierung, Trennung der Sphären Alltag, Kunst, Religion und Wissenschaft, verdinglichtes Naturverständnis und analytisch-rationales Vernunftprinzip sind allesamt Symptome eines umfassenderen Zusammenhangs, der im aufkommenden dualistischen Denkmodell seine Reflexion und Begründung findet. Hohe und niedere Musik, Bourgeoisie und Proletariat, Subjekt und Objekt, Geist und Natur sind somit oppositionelle Ausgestaltungen eines grundlegenderen dualistischen Prinzips, das durch die Gegensätze ›Geist‹ und ›Sinnlichkeit‹ (vgl. Sponheuer 1987: 22) treffend erfasst ist. Die Entgegensetzung der »geistigen Allgemeinheit und [der] sinnlichen natürlichen Besonderheit« (Hegel 1997b: 80) markiert nach Hegel den Widerspruch, dem der Mensch ausgesetzt ist. Einerseits bleibt der Mensch dem sinnlichen Dasein des irdischen Lebens verhaftet, »von der Natur bedrängt, in die Materie, sinnlichen Zwecke und deren Genuß verstrickt, von Naturtrieben und Leidenschaften beherrscht und fortgerissen«, andererseits aber »erhebt er sich zu ewigen Ideen, zu einem Reiche des Gedankens und der Freiheit« (Hegel 1997b: 81). Diese zu Bewusstsein gekommene Zwiespältigkeit des Lebens 6 aufzuheben, wird nach Hegel vorrangig Aufgabe der Philosophie. Diese soll zeigen, dass die Wahrheit in der Versöhnung und Vermittlung beider Seiten liegt und dass »die Kunst die Wahrheit in Form der sinnlichen Kunstgestaltung zu enthüllen, jenen versöhnten Gegensatz darzustellen berufen sei« (Hegel 1997b: 82). Die Möglichkeit der Kunst, ein Garant für Wahrheit zu sein, bescherte ihr und der sich mit ihr beschäftigenden Philosophie, der Ästhetik, einen erfolgreichen Aufstieg in die höchsten Gefilde der Wissenschaften.7 Dass die Kunst als »eine der Mitten er6

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»Die geistige Bildung, der moderne Verstand bringt im Menschen diesen Gegensatz hervor, der ihn zur Amphibie macht, indem er nun in zwei Welten zu leben hat, die sich widersprechen« (Hegel 1997: 80f.). Abzulesen ist dies einerseits an der besonderen Stellung der Kunst in den philosophischen Systemen von Kant und Hegel: Bei Kant nimmt die auf sie bezogene Urteilskraft eine Mittelstellung zwischen theoretischer Erkenntnis (Natur) und der praktischen Erkenntnis (Freiheit) ein, Hegel reiht die Kunst neben Religion und Philosophie in die Sphäre des ›absoluten Geistes‹ als höchster Ebene der Erkenntnis ein; andererseits ist eine Zeit erreicht, in der

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kannt worden ist, welche jenen Gegensatz und Widerspruch des in sich abstrakt beruhenden Geistes und der Natur [...] auflösen und zur Einheit zurückführen« (Hegel 1997b: 83), ist den neu entstandenen Ästhetiken jener Zeit zu verdanken. Die Mittelstellung der Kunst als »Ineinsbildung des Vernünftigen und Sinnlichen« (Hegel 1997b: 91) ist bereits bei Kant angelegt, der jedoch nicht das Kunstwerk, sondern das ästhetische Urteil untersucht. In der »Analytik des Schönen« seiner Kritik der Urteilskraft untersucht er das Geschmacksurteil, indem er das Ästhetische von den Bereichen des Sinnlichen und Sittlichen und des Theoretischen abgrenzt, und ihm damit eine autonome Stellung zuweist. Die Rede vom ›interesselosen Wohlgefallen‹ erhält ihre Bedeutung aus diesem Kontext, genauer: aus der Beziehung auf das Begehrungsvermögen, das mit der »Vorstellung der Existenz eines Gegenstandes« (Kant 1994: 116 [§2]) zusammenhängt. Das Angenehme und das Gute lassen sich dahingehend vom Schönen unterscheiden, als ihnen »[n]icht bloß der Gegenstand, sondern auch die Existenz desselben gefällt« (Kant 1994: 122 [§5]). Das Wohlgefallen am Schönen lässt sich andererseits nicht auf Begriffe bringen, da das Geschmacksurteil kein logisches Urteil darstellt (vgl. Kant 1994: 127-131 [§8]). Es ist diesem jedoch in seiner Forderung nach Allgemeingültigkeit ähnlich. Da das Schöne weder in der Empfindung noch in der Reflexion gänzlich aufgeht, befinden sich für Kant die beiden Erkenntniskräfte, Einbildungskraft und Verstand, in einem freien Spiel, wobei die erstere, »für die Zusammensetzung des Mannigfaltigen der Anschauung«, und die letztere, »für die Einheit des Begriffs, der die Vorstellung vereinigt« (Kant 1994: 132 [§9]), in einer Balance übereinkommen. Die Autonomiekonzeption der Kantischen Ästhetik lässt erkennen, dass ihre Struktur dialektisch zu verstehen ist, das heißt ästhetische Versöhnung ist nur auf Kosten von Abgrenzung mög-

Ästhetik zur Modeerscheinung geworden ist, wie Jean Paul in seiner »Vorschule der Ästhetik« konstatiert: »Von nichts wimmelt unsere Zeit so sehr als von Ästhetikern« (Paul 1990: 22). Vergleiche auch Goethes Einschätzung der ästhetischen Tätigkeit, in der sich »reine Sinnlichkeit und Intellektualität« verbinden, »wodurch ganz allein das wahre Kunstwerk hervorgebracht wird« (Goethe 1961: 447).

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lich. Die Autonomiestellung von Kunst, die sich gegenüber anderen Bereichen abgrenzen muss, erhält dadurch erst die Möglichkeit der Versöhnung oder Vermittlung. Durch die Herauslösung aus lebenspraktischen Bereichen wird der Kunst ein privilegierter Status zugewiesen, der sie dazu prädestiniert, das durch vielfältige Dissoziationen geprägte menschliche Leben, zumindest unter geschichtsphilosophischen Prämissen, zu überwinden. Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen zeugen von dem Versuch, das Kantische Autonomiemodell auf gesellschaftspraktische Zusammenhänge zu übertragen. Durch ästhetische Erziehung soll der Mensch seine Fähigkeiten so ausbilden, dass er zu einem »idealischen«, zu einem »wahrhaftige[n]« (Hegel 1997b: 90) Menschen werde. Da weder seine Triebe, Neigungen und Sinnlichkeit noch sein Verstand in der Lage sind, den von Schiller als negativ empfundenen gesellschaftlichen Zustand seiner Zeit zu verändern und die vormals bestehende Einheit der Lebenszusammenhänge zu erreichen, stellt sich die Aufgabe, »diese Totalität [...] durch eine höhere Kunst wieder herzustellen« (Schiller 1962: 328). Gerade in der Befreiung der Kunst von unmittelbaren Zwecken und ihrer Enthobenheit von der Wirklichkeit erhält sie eine zentrale gesellschaftliche Funktion, die unter den Vorzeichen von Utopie und Kritik als gesellschaftliches Korrektiv bestimmt, darüber hinaus an einer übergreifenden teleologisch gefassten Idee von Humanität partizipiert, das heißt: Erst der ästhetisch ausgebildete Mensch kann eine vernünftige Gesellschaft erschaffen. Die Kategorie der Autonomie der Kunst nimmt, wie bisher dargestellt wurde, eine Schlüsselfunktion in der klassischen Ästhetik ein. Dass sie als eine ideologische Kategorie entlarvt werden kann, wird deutlich, wenn man sie als historisch, damit auch als gesellschaftlich bedingt, begreift.8 Peter Bürger macht darauf aufmerksam, dass sich in ihr »ein Moment der Wahrheit (Herausgehobenheit der Kunst aus der Lebenspraxis) und ein Moment der Unwahrheit (Hypostasierung dieses historisch entstandenen Tatbestands zum ›Wesen‹ der Kunst) verbindet« (Bürger 1974: 63). Dass sich der dem Autonomiemodell anhaftende Absolutheitsanspruch der Kunst auch in den musikästhetischen Diskurs einschreibt und sich im musikalischen Dichotomisierungsprozess fest 8

Vgl. S. 102ff. in diesem Band.

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verankert, setzt zwei weitere Aspekte voraus, die aus der geschichtsphilosophischen Situation herrühren und im Folgenden kurz erläutert werden sollen.

Der Status der Musik als schöner Kunst Das zentrale Thema des klassischen Kunstbegriffes wurde mit der versöhnenden Mittelstellung der Kunst und ihrer Kehrseite, der Autonomie als Sicherstellung nach außen hin, bereits aufgezeigt. Zwei die musikästhetische Konzeption präformierende Momente liegen zum einen in dem von Bürger bezeichneten ›Moment der Unwahrheit‹ und zum anderen in dem Status, den Musik in den klassischen Kunstphilosophien einnimmt. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass es sich im Folgenden um eine grob reduktionistische Darstellungsweise handelt, die nicht dazu verleiten sollte, die hervorgehobenen Gesichtspunkte als in sich abgeschlossene statische Modelle zu betrachten, sondern vielmehr versucht, den dynamischen Kontext des philosophischen Diskurses jener Zeit anhand dieser Modelle zu verstehen und Tendenzen offen zu legen, die die Spaltung des Musikbegriffes begünstigen und theoretisch untermauern. Deutlich wird diese Dynamik in den die klassische Kunstphilosophie durchziehenden latenten Widersprüchen, in denen sich die Autonomiekonzeption verfängt. Am Beispiel der von Schiller verfolgten ästhetischen Erziehung macht sich der normative Impetus seines Autonomiemodells in doppelter Weise bemerkbar: Das Schöne werde seinem wahren Wesen nur in der ästhetischen Versöhnung gerecht, die in der Gleichberechtigung von Sinnlichkeit und Verstand ihr Telos in sich selbst findet; dennoch konstruiert Schiller eine auf höhere Ziele abgezweckte Sphäre des Ästhetischen. Im 23. Brief heißt es: »Der Uebergang von dem leidenden Zustande des Empfindens zu dem thätigen des Denkens und Wollens geschieht also nicht anders, als durch einen mittleren Zustand ästhetischer Freyheit [...] es giebt keinen andern Weg, den sinnlichen Menschen vernünftig zu machen, als daß man denselben zuvor ästhetisch macht« (Schiller 1962: 383).

Das Ästhetische fungiert in dieser evolutionistisch angelegten Theorie als Durchgangsstadium des Menschen von »seinem bloß

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physischen Leben« (Schiller 1962: 385) zu einem Stadium reiner Moralität. Die schöne Kunst wird somit zu einem bloßen »Werkzeug« (Schiller 1962: 333) degradiert, das die eigentlich zu erreichende Herrschaft der Vernunft erst ermöglicht. Hierzu bemerkt Sponheuer: »Die reine Balance des Schönen [...] erscheint tendenziell zur schiefen Balance herabgesetzt durch eine zumindest tolerierte oder sogar offen favorisierte Hegemonie des Geistigen (Moralischen, Intellektuellen), die die physische Präsenz des Schönen als bloßen Repräsentanten metaphysischer Instanzen in ihren Dienst nimmt« (Sponheuer 1987: 70).

Das Ungleichgewicht zwischen Geist und Sinnlichkeit tritt an den Stellen der Schillerschen Briefe offen zutage, die ein tiefes Misstrauen der Sinnlichkeit gegenüber bekunden: »Die Selbstthätigkeit der Vernunft« wird demnach »schon auf dem Felde der Sinnlichkeit eröffnet, die Macht der Empfindung schon innerhalb ihrer eigenen Grenzen gebrochen« (Schiller 1962: 384f.). Der »Krieg gegen die Materie«, die als »furchtbare[r] Feind« (Schiller 1962: 388) eingeschätzt wird, umschreibt einen weiteren Topos der idealistischen Philosophie, der das freiheitliche Versprechen der ästhetischen Versöhnung zugleich zurücknimmt. Wirft man einen kurzen Blick auf das philosophische System Hegels, so wird die unmissverständliche Präferenz für den Geist gegenwärtig, stellt doch der strukturelle Aufbau des Systems die einzelnen Stufen des Entwicklungsganges des Geistes dar. Auf der letzten Stufe ist der durch den Begriff sich selbst vollendende absolute Geist in das Reich der Philosophie als oberster Instanz der Wahrheit gelangt. Nicht die Kunst, sondern die Philosophie als Wissenschaft bildet das letzte Ziel. »Der Gedanke und die Reflexion hat die schöne Kunst überflügelt« (Hegel 1997b: 24), und somit den Kampf gegen das Sinnliche für sich entschieden.9 9

Wie es um den Stand der Sinnlichkeit bestellt ist, wird in Hegels Einstufung der Kunst sichtbar: »Aber die schöne Kunst ist nur eine Befreiungsstufe, nicht die höchste Befreiung selbst. – Die wahrhafte Objektivität, welche nur im Elemente des Gedankens ist, dem Elemente, in welchem allein der reine Geist für den Geist, die Befreiung zugleich mit der Ehrfurcht ist, mangelt auch in dem Sinnlich-Schönen des Kunstwerks, noch mehr in jener äußerlichen, unschönen Sinnlichkeit« (Hegel 1970a: 372).

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Neben dieser eigentümlichen Schieflage der klassischen Kunstphilosophie, die – so paradox es klingen mag – kunstfremde Tendenzen aufweist und dabei hinter den eigenen Anspruch einer zur Versöhnung gereichenden freien und autonomen Kunst zurück fällt, ist es vor allem das von der Philosophie attestierte defizitäre Wesen der Musik selbst, das sich ungebrochen in den musikästhetischen Diskurs des 18. und 19. Jahrhunderts hinein verlängert. Als prominentester Ort für die negative Einschätzung der Musik gilt wiederum Kants Kritik der Urteilskraft, in der der Tonkunst »freilich mehr Genuß als Kultur« (Kant 1994: 267 [§53]) zugestanden wird. Musik sei zwar in der Lage, Sinnenreiz und Gemütsbewegung hervorzurufen und damit die Einbildungskraft anzuregen. Kant zielt jedoch auf die mathematischen Proportionen ab, die der Musik unterliegen und für die Affekte verantwortlich sind. Insofern sind diese der »ästhetischen Idee« zuzurechnen, die »diejenige Vorstellung der Einbildungskraft«, meint, »die viel zu denken veranlasst, ohne daß ihr doch irgend ein bestimmter Gedanke, d.i. Begriff adäquat sein kann« (Kant 1994: 249f. [§49]). In diesem Sinne ist es nicht an Kant gelegen, der Musik ein prinzipielles Vorhandensein von ästhetischem Geist abzusprechen; doch erhält die Musik unter den schönen Künsten »den untersten Platz, weil sie bloß mit Empfindungen spielt.« (Kant 1994: 269 [§53]) Ihre größte Schwäche liegt nach Kant darin, dass sie »von transitorischem Eindrucke« (Kant 1994: 269 [§53]) sei. In diesen Einschätzungen der Musik spiegelt Kant nichts weniger als den gesellschaftlichen Status, den Musik zu jener Zeit innehat, wie Franz Brendel konstatiert: »Mehr nur nach der Seite der Unterhaltung wird [...] von ihr Notiz genommen, als geistige Macht ist sie nicht anerkannt« (Brendel 1854: 71). Unter Musikliebhabern haben Kants Erörterungen, neben der geringfügigen Tatsache, dass er in seiner großen ästhetischen Abhandlung den Reflexionen über Musik nur einen vergleichbar winzigen Teil einräumte, zu Ressentiments geführt, die obzwar sie vehemente Reaktionen auf musikästhetischem Gebiet auslösten, die von Kant angesprochene Problematik zumindest teilweise eingestehen mussten. Die entscheidende Frage, die sich stellte, lautete: »Ist die Musik bloß eine angenehme Kunst, nichts weiter als ein vergnüglicher Zeitvertreib, geboren aus dem Interesse der Sinne an

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK sinnlicher Lust und dem Verlangen der Gemüter nach Bewegung, oder hat sie die Form eines selbständigen, schönen Gegenstands, den die Hörer mit interesselosem Wohlgefallen anschauen, die Form also eines Objektes, das Sinn und Verstand zu freiem Spiel anregt?« (Seidel 1988: 73f.)

Es sind die in besonderem Maße an die ›Sinnlichkeit‹ appellierenden Momente der Musik – ihr ekstatisches Potential und ihre rationale Unzugänglichkeit – die in ihrer distanzlosen Wirkungsgewalt den autonomieästhetischen Anspruch von Kunst in Frage stellen und einer umfassenden Nobilitierung der Musik im Wege stehen. 10 Aufgrund dieser von der philosophischen Ästhetik geprägten Deutungen, die die Tonkunst an den Rand der schönen Künste drängen, sieht sich die Musikästhetik einer enormen Herausforderung gegenübergestellt, die ihr eine den ästhetischen Geist der Musik legitimierende Strategie abverlangt. Dass diese nur auf Kosten eines weit angelegten Dichotomisierungsprozesses entwickelt werden konnte, soll im Folgenden gezeigt werden.

M u s i k ä s t he t i s c he P a r a d i g m e n Musik und Geist Der nahezu unüberschaubare, in sich durchaus von vielfältigen Widersprüchen geprägte Diskurs der klassisch idealistischen Systemästhetiken, der hier in äußerst verkürzter Darstellungsweise auf zwei Aspekte hin kanalisiert wurde, umreißt einen für die Legitimation der Musik prekären Problemhorizont – angedeutet durch ihre sinnlichen, das heißt begriffsfernen Momente –, an dem eine dezidiert als Musikästhetik verstehende Wissenschaft sich abzuarbeiten hat. Der bereits in den Kunstphilosophien selbst nicht durchgehaltene Autonomieanspruch der Kunst, der, überlagert durch die konzeptionelle Überhöhung einer Idee des

10 Sponheuer beschreibt drei Problemfelder, die den ›Rätselcharakter‹ der Musik ausmachen: die elementarische Gewalt (Musik als fremde Macht), die Dominanz des sinnlichen Anteils der Musik (ihre moralische Bedenklichkeit) und die Abstraktheit der Musik, die er als ›Fluch der Inhaltsleere‹ bezeichnet (vgl. Sponheuer 1987: 83127).

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›Absoluten‹ oder des ›rein Moralischen‹, eine ambivalente, quasischizophrene Grundhaltung bildet, geht zusammen mit den schwerwiegenden Vorwürfen gegen die Musik eine Liaison ein, die die Ausgangslage der Musikästhetik insofern vorherbestimmt, als diese zu einer Reaktion in Form einer Gegenstrategie genötigt wird, will sie nach den abschätzigen Bemerkungen der Kunstphilosophie ihren Gegenstand nicht vollends der ›Geistlosigkeit‹ überantworten. Die Grundlinien des musikästhetischen Ansatzes sind demnach gekennzeichnet durch die Übernahme des Autonomiekonzepts und durch den Versuch, die gegen die Musik erhobenen Einwände zu widerlegen. Dies geschieht in Form einer »Defensivstrategie« (Sponheuer 1987: 128), die im Rahmen eines Rechtfertigungsprozesses den Kunstanspruch von Musik nachzuweisen sich bemüht und dabei die Abspaltung der negativen Qualitäten der Musik verfolgt.11 Beide Seiten bedingen sich reziprok in einem durch Ein- und Ausgrenzung bestimmter Teilmomente der Musik vollzogenen Verfahren des Dichotomisierungsprozesses. Dieser kann, so Sponheuer, »als eine Verarbeitung der der Musik zugefügten Identitätsverletzung verstanden werden, ein komplexer und konfliktträchtiger Vorgang, der in abstrakt-schematischer Form etwa so vorgestellt werden kann, daß einerseits die als geistlos und unmoralisch inkriminierten Momente von der eigenen Identität abgespalten werden und ineins damit die ›Abwehr‹ gegen die von der Autonomieästhetik verpönte Sinnlichkeit in ›Aggression‹ gegen die abgespaltene niedere Musik umgedeutet, während auf der anderen Seite alle Anstrengungen auf eine komplementäre, kompensatorische Spiritualisierung der Tonkunst konzentriert werden« (Sponheuer 1987: 135, meine Hervorhebung).

›Vergeistigung‹ ist nicht ohne ›Ausgrenzung‹ zu denken und umgekehrt, denn jede Seite bestätigt ihre eigene Identität in Abgrenzung zur jeweils anderen, wodurch eine zirkuläre Struktur aufgebaut wird, welche die einmal in Gang gesetzte Polarisation aufrechterhält und weiterhin verstärkt. Unverkennbar leitet sich

11 Der argumentative Kern an dieser Stelle – die Dichotomisierung der Musik als Reaktion der Musikästhetik auf die klassische Kunstphilosophie – ist der Darstellung von Bernd Sponheuer (1987: 128-147) entnommen.

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der tragende Impuls dieses Vorgangs jedoch von der Idee einer musikalischen Vergeistigung ab, die in allgemein positiver Konnotation verfolgt wird und im emphatischen Kunstwerk ihre adäquate Objektivation findet. Hegels Ausführungen zur Musik machen deutlich, wo die Anknüpfungspunkte einer Musikästhetik zu finden sind, die die aufgedeckten Mängel der Musik überwinden will: »Erst wenn sich in dem sinnlichen Element der Töne und ihrer mannigfaltigen Figuration Geistiges in angemessener Weise ausdrückt, erhebt sich auch die Musik zur wahren Kunst« (Hegel 1970b: 149). Dies gelingt nur dann, wenn der Inhalt der Musik den Geist in der ›Sphäre der subjektiven Innerlichkeit‹ lebendig macht: »Dieses in sich eingehüllte Leben und Weben für sich in Tönen widerklingen zu lassen oder den ausgesprochenen Worten und Vorstellungen hinzuzufügen und die Vorstellungen in dieses Element zu versenken, um sie für die Empfindung und Mitempfindung neu hervorzubringen, ist das der Musik zuzuteilende schwierige Geschäft« (Hegel 1970b: 149).

Die Kategorien ›Inhalt‹ und ›Innerlichkeit‹ markieren den Richtungsweg der zur ›wahren‹ Kunst sich erhebenden Musik und damit die Grundpfeiler einer Musikästhetik, die den Autonomieanspruch der Musik zu begründen und einzulösen versucht. Dass Musik einen eigenen Inhalt, einen Gehalt, aufzuweisen hat, der vom Bewusstsein des Rezipienten aufgenommen wird, ist im Verlauf europäisch-abendländischer Musikgeschichte als neuartig einzustufen, erfolgt die Bestimmung des Musikbegriffes doch erstmals auf der Grundlage von Dichotomien. Die von Hegel gefasste Aufgabe der Musik, die »Innerlichkeit dem Inneren fassbar zu machen« (Hegel 1970b: 149) gründet auf der Polarität von ›Innen‹ und ›Außen‹, genauer: auf der Abspaltung des ›Außen‹. Indem das ›wahre Wesen‹ der Musik durch den Ausdruck ihrer ›Innerlichkeit‹ zur Geltung kommt, werden alle ›äußerlichen‹ Momente aus ihrer Sphäre ausgegrenzt. Begriffe und Konzepte wie ›musikalische Logik‹, ›Struktur‹, ›Zusammenhang‹ und ›Fasslichkeit‹ 12 rekurrieren auf das ›Innere‹ der Musik, das zum Ge12 Zusammenhang und Fasslichkeit sind noch für Anton Webern die obersten Prinzipien für die Darstellung eines ›musikalischen Gedankens‹ und stellen das verbindende Merkmal der ›großen‹ Kom-

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genstand der romantischen Musikästhetik wird. Die Anschauung, die Hegel antithetisch zur ›Innerlichkeit‹ setzt, ist fortan nicht mehr oberste Prämisse, unter der die Musik sich zu entfalten hat. Es geht also weder darum, die Natur nachzuahmen – das heißt auch: bestimmte bereits bekannte Gestalten im Zuhörer zu evozieren –, noch als angenehmes Beiwerk für gesellschaftliche Zwecke zu fungieren. Im Zuge dieses Abstraktionsprozesses verliert die geistige Musik jegliche an die Sinnlichkeit anbindenden Momente und Funktionen, die, als ›äußerliche‹ Momente ihr anhaftend, zu ›außermusikalischen‹ degradiert werden.13 Kirchliche Musik, die seit jeher auf die Innerlichkeit des gläubigen Hörers abzielt, verfehlt als solche den Kern der Argumentation, da ihre Funktionen, die in der Orientierung an den Text und in der Einbindung in liturgische Abläufe bestehen, im Vordergrund stehen.14 Das Programm der Vergeistigung von Musik kann als roter Faden für die gesamte Musikästhetik des 19. Jahrhunderts angesehen werden und als Versuch, so Dahlhaus, »den Rang in der Hierarchie menschlicher Tätigkeiten und Erfahrungen, den man für Musik in Anspruch nahm[,] zu begründen und zu rechtfertigen« (Dahlhaus 1980: 73). Die Notwendigkeit und Bemühungen dieses ponisten, von Bach, Beethoven, Brahms bis zur zweiten Wiener Schule dar (vgl. Webern 1960: 18f.). 13 Sponheuer macht darauf aufmerksam, dass einige der Sinnlichkeit anhaftenden Momente einer positiven Umdeutung unterliegen: »einerseits ihr Ungegenständliches und Nichtbegriffliches, das [...] als Unterpfand ihrer ›höheren‹, über das Empirische und Verständige, den prosaischen Schein der Endlichkeit hinausgreifenden Wahrheit verstanden wird, zum anderen ihre ekstatische Wirkungsweise, der ›Weg von der Außenwelt in die innere‹, den zu beschreiten ebenfalls als ›besondere moralische Leistung‹ und mystische Erhebung über die ›Leiden irdischer Ohnmacht‹ gefeiert wird« (Sponheuer 1987: 150f.). Da diese vormals der Sinnlichkeit zugeschriebenen Momente zu geistigen umgedeutet werden, ist nichts daran geändert, dass der Sinnlichkeit ein Eigenrecht verweigert bleibt und somit der Grundmechanismus der Ausschließung beibehalten wird. 14 Geistige und geistliche Musik dürfen hierbei nicht verwechselt werden. Der Kunstcharakter von Bach-Kantaten beispielsweise, die alle in einem sakralen Umfeld entstanden sind, wird ihnen im historischen Verlauf erst rückwirkend angeheftet. Ausschlaggebend dabei sind jedoch nicht die Funktionen, sondern die internen musikalischen Strukturen im Sinne des musikästhetischen Verständnisses von autonomer Musik.

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Unternehmens lassen sich durch einige Äußerungen der zeitgenössischen Musiktheoretiker veranschaulichen: So versucht sich beispielsweise Christian Friedrich Michaelis an einer Revision des Kantischen Urteils über Musik und verlangt, dass »[d]ie Form, das Geistige, Seelenvolle der Komposition [...] das Mechanische, Materielle, den Stoff der bloßen Töne gleichsam bewältigen, sich selbst unterwerfen und ganz anpassen« (Michaelis 1795: 60) müsse, um an anderer Stelle in direktem Bezug auf Kant pointiert festzustellen: »Aesthetische Ideen machen den Geist der Musik aus« (Michaelis 1795: 10). Hans Georg Nägeli stellt in seinen Vorlesungen über Musik eine entscheidende Forderung an den Tonkünstler, der, »[w]ill er so geistig, so vergeistigend, wie möglich, wirken [...] in einem Minimum von Materie ein Maximum von Geist [...] offenbaren« müsse, denn »er muß die Materie, so zu sagen verdünnern, muß sie läutern zu einer ätherischen Geisteshülle« (Nägeli 1983: 141). Auch bei Eduard Hanslick wird das übergeordnete Prinzip musikalischen Schaffens durch den Geist dargestellt, dessen Träger in der Form liegt, wie es in seinem einflussreichen Werk Vom Musikalisch-Schönen heißt: »Tönend bewegte Formen sind einzig und allein Inhalt und Gegenstand der Musik« (Hanslick 1965: 32). Sie sind »sich von innen heraus gestaltender Geist« (Hanslick 1965: 31), wobei das Komponieren als »Arbeiten des Geistes in geistfähigem Material« (Hanslick 1965: 34) bezeichnet wird. Als konsequenteste Umsetzung des musikalischen Vergeistigungsprogramms, das durch Hanslicks Ästhetik einer radikalen Reduktion auf Form auf die Spitze getrieben wird, kann die als ›absolute Musik‹ bezeichnete Instrumentalmusik angesehen werden, die, so Dahlhaus, »gerade dadurch, daß sie begriffs-, objekt- und zwecklos ist, das Wesen der Musik rein und ungetrübt ausspricht« (Dahlhaus 1978: 13, vgl. Hoffmann 1963: 34). Innerhalb der allgemeinen Dichotomisierung der Musikkultur, die durch die musikästhetische Strategie sowohl begründet als auch forciert wird, erhält nicht nur die Stellung der Instrumentalmusik, als Kulminationspunkt eines zur einseitigen Verengung tendierenden Vergeistigungskonzeptes, eine immense Aufwertung, sondern in enger Verbindung dazu ebenso jene des Musikschaffenden und seines Erzeugnisses, die im Zuge geistiger Hypostasierung zum Genie bzw. zum emphatischen Musikwerk überhöht werden. Die Rolle des musikalischen Kunstwerks soll,

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da sie für den heutigen Diskurs über populäre Musik von Bedeutung ist, kurz im Kontext der klassischen Musikästhetik erläutert werden.

Das musikalische Kunstwerk Als herausragendes Paradigma klassischer Musikästhetik gilt der Begriff des musikalischen Kunstwerks, der sich von den um die Kategorie des Werkes als zentrales Thema kreisenden Auseinandersetzungen der philosophischen Ästhetik herleitet. Die enorme Aufwertung der Kunst umschließt zugleich deren Vergegenständlichung im Kunstwerk. Walter Benjamin schreibt in seinem Trauerspielbuch: »Das höchste Wirkliche der Kunst ist isoliertes, geschlossenes Werk« (Benjamin 1974: 235). Seit die Kunst von der Philosophie in die höchsten Ränge der Erkenntnis emporgehoben wurde, bildet die geschlossene Werkeinheit »den ontologischen Träger für eine wesentlich mit dem Wahrheitsbegriff operierende Kunstdefinition« (Bubner 1989a: 19). Dass die Musikästhetik des 19. Jahrhunderts, deren primäre Aufgabe darin besteht, den philosophischen Gehalt der Musik nachzuweisen, ebenso den Werkbegriff übernimmt und in ihren Theorieapparat einbaut, bildet eine logische Konsequenz ihrer Methode und verdeutlicht einmal mehr die enorme Einflussnahme von Seiten der philosophischen Ästhetik. Dahlhaus beschreibt diese Situation wie folgt: »Man wollte die Musik, statt sie soziologisch-funktional zu erklären, als Erscheinungsform von ›Geist‹ rechtfertigen. [...] Wesentlich war, daß das musikalische Kunstwerk [...] als ›objektivierter Geist‹ begriffen wurde, gleichgültig, ob der ›Geist‹, der sich in Tönen manifestiert, primär der des ›Originalgenies‹, der Nation oder der Epoche ist« (Dahlhaus 1982: 83).

Der musikalische Werkbegriff ist jedoch keineswegs erst in der Klassik oder Romantik entstanden, sondern lässt sich bereits im 15. Jahrhundert nachweisen. Aus dem literarischen Opusbegriff des Mittelalters hervorgegangen, bildet die Opusmusik »die zentrale Begriffsform der neuzeitlichen artifiziellen Musik« (Eggebrecht 1977b: 223). Mit ihr sind bereits eine Vielzahl von Eigenschaften angelegt, die sich im historischen Verlauf weiter ausbilden und im emphatischen Musikwerk des 19. Jahrhunderts zur

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vollen Entfaltung gelangen. Als eine in sich abgeschlossene, zeitlich überdauernde, individuelle Schöpfung eines Autors wird das Musikwerk in seiner Unverwechselbarkeit und Singularität als zentrale Ausdrucksform bürgerlichen Musikverständnisses gefeiert. Die notenschriftliche Fixierung einer generell auf Mehrstimmigkeit eingeschränkten Musik liefert der Komposition die Form einer gegenständlichen, verstehbaren Ganzheit, deren geistiger Gehalt durch die Möglichkeiten von Interpretation oder Analyse nachgewiesen werden kann. Diese ›ontologischen‹15 Kriterien des Musikwerks (vgl. Lissa 1969: 10ff., Eggebrecht 1997b: 222-34) sind unmittelbar mit dem ästhetischen Wert verschränkt, der den Kunststatus von Musik erst konstituiert. Wenn Eggebrecht behauptet: »[d]as Musikwerk hat nicht einen ästhetischen Wert, sondern es ist ein ästhetischer Wert« (Eggebrecht 1977c: 248), abstrahiert er nicht nur den ästhetischen Wert vom Gebrauchswert eines Musikwerks und bedient sich damit des klassischen Autonomiemodells. Er setzt zugleich die Seinsweise des ästhetischen Wertes in das Musikwerk, das heißt jedes Musikwerk ist aufgrund seiner ontologischen Kriterien per se ästhetisch. Die in der Abspaltung der funktionalen Zwecke vollzogene Sicherstellung des Autonom-Ästhetischen korreliert mit den spezifischen Eigenschaften des musikalischen Kunstwerks innerhalb eines dichotomen Musikbegriffes, der den Vorrang des geistig Bedeutsamen impliziert. Im Musikschrifttum des 19. Jahrhunderts wird dieser Zusammenhang offensichtlich. Gilt der romantischen Musikästhetik die Instrumentalmusik als ›absolute‹ Form musikalischer Ideenpräsentation, so ist nicht verwunderlich, dass darunter die Symphonie, als adäquate Explikation eines emanierenden Geistes, die höchste Würde erhält. Als frühes und bekanntes Beispiel einer musikalischen Analyse, die musikästhetische Prämissen am musikalischen Material selbst nachzuweisen versucht, gilt die 1810 von E.T.A. Hoffmann verfasste Rezension zu Beethovens

15 Die ontologische Frage zielt auf die Möglichkeit des musikalischen Kunstwerks ab und entscheidet darüber, »welche daseienden Werk-Phänomene überhaupt in den Geltungsbereich der normativen Disziplinen der Musikwissenschaft fallen« (Hubig 1988: 87). Mit dem Werkbegriff selbst sind heute seine ontologischen Kriterien problematisch geworden; so macht Adorno beispielsweise auf den prozessualen Charakter des Kunstwerks aufmerksam, das »kein Sein sondern ein Werden« (Adorno 2000b: 266) darstellt.

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5. Symphonie. Hier wird die geschlossene Ganzheit des Stückes als musikalischer Text begriffen, der aus sich selbst heraus verstehbar geworden ist und sich durch eine musikalische Logik in einer festen musikalischen Struktur auszeichnet. Die ästhetische Legitimation der Instrumentalmusik erfolgt aus der durch Kontemplation und Reflexion gewonnenen Einsicht in die Musik, oder, wie Hoffmann schreibt: »in dem tiefern, innigeren Erkennen des eigentümlichen Wesens der Musik liegt es, daß geniale Komponisten die Instrumentalmusik zu der jetzigen Höhe erhoben« (Hoffmann 1963: 35). Der Geniekult, der die Stellung des Autors ins Unermessliche steigert, findet hier seinen Anfang, denn »wer sie [die Musik] da mit voller Liebe anschaute und eindrang in ihr innigstes Wesen, ist Beethoven« (Hoffmann 1963: 35). Eine weitere Stelle verdeutlicht das übergeordnete Autonomiekonzept, in das das Musikwerk eingebunden bleibt: »Die Musik schließt dem Menschen ein unbekanntes Reich auf; eine Welt, die nichts gemein hat mit der äußern Sinnenwelt, die ihn umgibt, und in der er alle durch Begriffe bestimmbaren Gefühle zurücklässt, um sich dem Unaussprechlichen hinzugeben« (Hoffmann 1963: 34).

Besonders auffällig ist hier der Anspruch einer uneingeschränkten Autonomie des Ästhetischen im Kantischen Sinne formuliert, welches weder im Sinnlichen noch im Begriff vollends aufgeht, dabei aber im Kontext der Hegemonie des Geistes eine universale Tragfähigkeit erhält: Der ästhetische Wert manifestiert sich in der artifiziellen Musik, an deren Spitze die Instrumentalmusik als Symphonie gestellt ist. Unter der Vorgabe freier Versöhnung verabsolutiert die musikästhetische Strategie die Vorrangstellung des Geistigen und grenzt kurzerhand alle musikalischen Phänomene aus dem ästhetischen Diskurs aus, die den Kriterien des Kunstwerkbegriffes nicht genügen. Der musikästhetisch legitimierte Begründungszusammenhang der musikalischen Dichotomisierung, der im 19. Jahrhundert seine Ausprägung erhält und in weitreichenden Konsequenzen bis heute den Musikbegriff bestimmt hat, ist als normative Wertdisposition in die wissenschaftliche Disziplin der Musikwissenschaft eingegangen und hat deren Forschungsbereich und Methode nachhaltig beeinflusst. In ihrem Selbstverständnis als »moderne

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Kunstwissenschaft«, in der sie »vor Allem die Kunstwerke zur Grundlage der Forschung« (Adler 1885: 6) nimmt, haben sich die Grundlinien der klassischen Musikästhetik konserviert. Obgleich die avantgardistische Musik im 20. Jahrhundert die Grenzen des tradierten Kunstwerks in geradezu programmatischer Weise zu überwinden bzw. aufzuheben versuchte, kann die systematisch verfolgte Dekonstruktion des Werkbegriffes auf die Form der integralen Ganzheit des Musikwerks beschränkt werden. Entscheidend hierbei sind mehrere ineinander verwobene Komponenten – wie Theoriecharakter und geistiger Gehalt der Musik, sowie ihre elitäre Geltung und autoritäre Wirkung –, die in ihrer Gesamtheit nicht in Frage gestellt wurden, aber den unhintergehbaren Zusammenhang des Musikwerkbegriffes bilden. Wurden bisher die Mechanismen der Dichotomisierung und die Gründe der Ausgrenzungsstrategie durch die vorrangige Betrachtung der musikästhetischen Paradigmen aufgezeigt, so soll nun die andere Seite, die ausgegrenzte Musik, in den Blick genommen werden.

A us g r enz u ng d er p o p u l ä r e n M u s ik Musik als Nicht-Kunst Die umfassende Legitimation der Musik als einer autonomieästhetisch sanktionierten Kunst kann als Zentrum musikästhetischer Bemühungen im 19. Jahrhundert aufgefasst werden. Ihr treibendes Motiv bildet das musikalische Vergeistigungsprogramm, das im musikalischen Dichotomisierungsprozess integriert bleibt. Wurden die Präferenz für den Geist und dessen adäquate Erscheinungsweise im Kunstwerk als Paradigmen der klassischen Musikästhetik bezeichnet, so soll damit keineswegs darüber hinwegtäuscht werden, dass die generelle Abspaltung der sinnlichen Bestandteile der Musik diesen Paradigmen als unterdrückte Kehrseite jederzeit immanent bleibt. Innerhalb der Dichotomie bleiben beide Sphären, ob Kunst und Nicht-Kunst oder Geist und Sinnlichkeit, stets aufeinander angewiesen. Die Identität der Musik spaltet sich demnach auf, in einen als Kunst etikettierten Bereich und in einen Bereich, der die sinnlich unbestimmten, irrationalen Züge vereint, gemäß der Hegelschen For-

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derung: »Aus dem Bereich der Kunst sind die dunklen Mächte gerade zu verbannen, denn in ihr ist nichts dunkel, sondern alles klar und durchsichtig« (Hegel 1997b: 314f.). Der Grenzverlauf zwischen den beiden Sphären vollzieht sich dabei jedoch nicht geradlinig entlang unterschiedlicher Gattungen, obwohl dies vordergründig so scheint, sondern manifestiert sich vielmehr durch die spezifischen Verwendungsweisen einzelner Kriterien, die in die musikalische Produktion eingegangen sind. 16 Der musikwissenschaftliche Diskurs, der aus dem Begründungszusammenhang der musikalischen Dichotomie heraus versucht, die ausgegrenzte Musik im Hinblick auf ihren ästhetischen Status zu reflektieren und dabei den Paradigmen der klassischen Musikästhetik verhaftet bleibt, steht vor dem Problem, seinen Gegenstand nur als Negation zur herrschenden Ästhetik zu begreifen. Die begrifflichen Schwierigkeiten machen dies bereits deutlich. Vielfältige Bezeichnungen wie, ›Gebrauchs- und Umgangsmusik‹, ›Unterhaltungsmusik‹, ›Tanzmusik‹, ›Schlager‹, ›populäre Musik‹ oder ›Pop‹ werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausrichtungen unter einen Oberbegriff subsumiert, dessen Bedeutung sich von der der artifiziellen Musik, wenngleich auch negativ, ableitet. Zwei solcher Oberbegriffe, mit denen der Versuch einer begrifflichen Fixierung ausgegrenzter Musik unternommen wurde, und die über musikwissenschaftliche Grenzen hinaus bekannt wurden, sind ›Trivialmusik‹ und ›funktionale Musik‹. An ihnen erhält das Ausgrenzungsprinzip des musikästhetischen Konzepts seinen terminologischen Abdruck. Problematisch an diesen beiden Begriffen ist ihre Abhängigkeit vom dichotomischen Kontext, innerhalb dessen das ästhetische Verdikt über populäre Musik verhängt wird. Dahlhaus, der den Begriff ›populäre Musik‹ aufgrund seiner Betonung des quantitativen Aspekts ablehnt, führt den Begriff ›Trivialmusik‹ als historische Kategorie des 18. und 19. Jahrhunderts ein. An seiner Untersuchung des ästhetischen Urteils über Trivialmusik, das moralisch oder kompositionstechnisch begründet sein kann, ist vor allem entscheidend, dass die grundsätzliche Distanz zur autonomen Musik – der Musik 16 So wird beispielsweise ein symphonisches Stück zur Nicht-Kunst degradiert, wenn es statt der Entfaltung einer eigenen musikalischen Logik auf die Verwendung von Effekten, Virtuosität, Modulationen etc. abzielt (vgl. Dahlhaus 1967b: 13-28; Sponheuer 1987: 9-35).

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mit Kunstcharakter –, vorausgesetzt wird, um die Kriterien für Trivialmusik zu bestimmen. Obgleich seine Ausführungen an der historischen Kategorie der Trivialmusik als stilgeschichtliche Erscheinung des 18. Jahrhunderts orientiert bleiben, entfaltet Dahlhaus ein Bündel von Merkmalen, die innerhalb der tradierten klassischen Musikästhetik für die Phänomenbestimmung von populärer Musik als konstitutiv angesehen werden können: Der ästhetische Faktor der Trivialität, mit der das Banale, Flache und Verschlissene assoziiert wird, drückt sich in der Verletzung des »gesellschaftlichen Taktgefühls« (Dahlhaus 1967c: 9) aus und bewegt sich somit auf einer Ebene, auf der die Musik selbst weniger wichtig ist, als ihr gesellschaftlicher Status. »Daß die Trivialmusik an die Gegenwart gebunden ist, unterscheidet sie [...] von der Volksmusik« (Dahlhaus 1967c: 10), die wie die autonome Musik durch das Merkmal des Überdauerns (vgl. Eggebrecht 1977d: 161) charakterisiert ist.17 Trotz bipolarer Konzeption von autonomer und trivialer Musik sind die Grenzen zwischen den »Klassen oder Schichten der Musik« (Dahlhaus 1967c: 11) keineswegs starr, sondern fließend. Die Annahme eines durch qualitative Unterschiede geprägten hierarchischen Modells von Musik führt zu ihrer wissenschaftlichen Ausdifferenzierung, wie die von Dahlhaus durchgeführte Lokalisierung der zwischen hoher, autonomer und niederer, trivialer Musik angesiedelten »mittleren Musik«18 eindrücklich beweist, und impliziert die Möglichkeit des Aufsteigens und Absinkens von musikalischen Gattungen und Kompositionstechniken. Der Aspekt der Trivialisierung, des Absteigens musikalischer Elemente, wird als inhärentes 17 Der Zeitfaktor identifiziert Trivialmusik als populäre Musik innerhalb der triadischen Einteilung von Musik in Kunst-, Volks- und populäre Musik, wie sie beispielsweise Tagg (1979) favorisiert. 18 Gemeint sind ambivalente Musikformen des 19. Jahrhunderts, wie Salon-, Promenaden- und Caféhausmusik, aber auch darin repräsentierte Gattungen, wie Lied, lyrisches Klavierstück oder symphonische Dichtung, die nicht per se als funktional oder autonom einzustufen sind, sondern in ihrer Bedeutung offen bleiben: »Sie kann, ohne Verstoß gegen ihren Sinn, entweder als Konzertstück gehört oder zum tönenden Hintergrund einer Konversation herabgesetzt werden« (Dahlhaus 1972: 133). Sie ist »wie die Trivialmusik Nicht-Kunst« (Dahlhaus 1972: 132), unterscheidet sich von dieser jedoch durch schriftliche Fixierung und ästhetischen Anspruch. Der Begriff der ›mittleren Musik‹ bleibt durch seinen negativen Bezug auf Kunstmusik problematisch.

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Moment populärer Musik gedeutet: Eggebrechts Definition der Trivialmusik als »trivialisiertes Opus« (Eggebrecht 1977b: 236) weist auf den weit verbreiteten Vorwurf hin, populäre Musik bediene sich ausschließlich aus dem abgestandenen musikalischen Vorrat der artifiziellen Musik, eine Einschätzung, die auch Adorno vehement vertritt. 19 Des Weiteren spielt die Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzende Industrialisierung mit ihren mechanischen Distributionsmethoden, die besonders durch den Notendruck eine hohe Verbreitung der Trivialmusik ermöglichten, eine wichtige Rolle. All diese für Trivialmusik charakteristischen Faktoren erhalten ihren Sinn aus der dualistischen Konzeption von Musik, in der die niedere Musik dadurch bestimmt wird, dass die Kriterien für autonome Musik einfach umgekehrt auf sie angewendet werden. Sind die musikalischen Kunstwerke durch ihre dialektische Vermittlung von Ganzheit und Teilen vor allem ein Ausdruck von Originalität, so wird Trivialmusik dadurch gekennzeichnet, dass sie »das Detail hervorkehrt, ohne originell zu sein« (Dahlhaus 1967b: 13). Schöpferische Individualität und geistig bedeutsamer Gehalt auf der einen Seite lassen Trivialmusik auf der anderen Seite als mechanisierbares »Serienprodukt« (Dahlhaus 1967b: 25) erscheinen, das die »Auflösung des ästhetischen Gegenstandes in ein Ensemble von Reizen« (Dahlhaus 1967b: 20) und damit die Repräsentation des Sinnlichen darstellt. Die Forderung von Dahlhaus, dass ein ästhetisches Urteil am musikalischen Text begründbar sein müsse, führt zur Einsicht, dass das Triviale auch in der artifiziellen Musik vorkommen kann – im Sinne schlecht komponierter Musik durch banale Elemente wie Effekte. Durch diese Ausweitung des Trivialen über Genregrenzen hinaus, aber vor allem durch die negative Konnotation des Begriffes ›Trivialmusik‹, erscheint dieser auch unabhängig von seiner historischen Fixierung als ungeeignet, ein ästhetisches Eigenrecht populärer Musikformen zur Geltung zu bringen. Der Zweifel, den Dahlhaus im Hinblick auf den ästhetischen Status populärer Musik hegt, erscheint aus dieser Perspektive zumindest verständlich: »Doch ist [...] ungewiß, ob man die Qualitäten eines Schlagers, deren Be19 Beispielhaft sei hier eine Stelle aus den Untersuchungen zum Jazz angeführt: »Die ernste Musik seit Brahms hatte alles, was am Jazz etwa auffällt, längst aus sich heraus hervorgebracht, ohne dabei zu verweilen« (Adorno 1955:148).

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stimmung übrigens erstaunlich schwierig ist, zu den ästhetischen zählen soll« (Dahlhaus 1967c: 8). ›Funktionale Musik‹ ist ein Terminus, der ebenso wie ›Trivialmusik‹ versucht, die nicht-autonome Musik zu bezeichnen, indem er jedoch den Aspekt der Funktion hervorhebt. Der Fokus des Begriffes ist zwar verschoben, seine ästhetische Grundorientierung jedoch die gleiche. Die Ansätze der klassischen Autonomieästhetik und das Ausschlussprinzip des Nicht-Geistigen unterliegen dem Begriff der ›funktionalen Musik‹, der von Eggebrecht zwar, ebenfalls wie triviale und autonome Musik auch, als historische Kategorie verstanden wird, der aber zugleich tradiert wird, indem er moderne Phänomene wie Beat, Pop und Werbemusik mit einschließt. Die musikalische Dichotomie wird auch hier vorausgesetzt und verweigert der funktionalen Musik einen ästhetischen Anspruch. Dass der Gegenstand eines interesselosen Wohlgefallens nur in einer von jeglichen Zwecken befreiten Musik bestehen kann, wird von Eggebrecht in unverblümter Weise zur Sprache gebracht: »Ästhetische Musik, das als funktionslos intendierte Gebilde, ist das musikalische Kunstwerk, die Kunstwerke-Musik« (Eggebrecht 1977a: 209). Eggebrecht bleibt der Polarität zwischen Autonomie und Funktion verhaftet und versucht, daraus die Möglichkeiten wissenschaftlicher Beschäftigung mit der funktionalen Musik zu eruieren. Solange populäre Musik als funktionale sich diesem Dualismus einfügt, bleibt sie über ihre Funktionen definiert, die als solche eher soziologisch untersucht werden können. »Ein Indiz der funktionalen Musik ist, daß sie von einer Ästhetik, die am Artifiziellen und künstlerisch Autonomen orientiert ist, und so auch von der an artifizieller Musik orientierten Analyse nur als das erkannt werden kann, was sie musikalisch nicht ist« (Eggebrecht 1977d: 188).

Obwohl Eggebrecht in diesem Punkt die Untauglichkeit der bestehenden Methoden erkennt, funktionale Musik adäquat zu untersuchen und für einen neuen Ansatz plädiert, der die Funktion stärker berücksichtigt – »[d]enn die primäre Eigenschaft funktionaler Musik ist ihre Funktion« (Eggebrecht 1977d: 189) –, relativiert er diese Bemühungen zugleich, indem er für den eigentlichen Aufgabenbereich einer sich als Kunstwissenschaft verste-

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henden Musikwissenschaft und dem ihr weitaus würdigeren Gegenstand plädiert: »Die Beschäftigung mit der artifiziellen und autonomen Musik garantiert nun allerdings – als Beschäftigung mit ›artifizieller Qualität‹ – einen weit geistvolleren Gegenstand als die Beschäftigung mit funktionaler und Zwischenbereichs-Musik« (Eggebrecht 1977d: 192).

Beide Begriffe, ›Trivialmusik‹ und ›funktionale Musik‹, haben gezeigt, dass eine unvoreingenommene Beschäftigung mit populärer Musik, geschweige denn eine auf diese ausgerichtete Ästhetikkonzeption, nicht möglich ist, da die an sie gekoppelte methodische Unzulänglichkeit in der begrifflichen Fixierung selbst bereits angelegt ist und ihren Legitimationszusammenhang aus den normativen Prämissen des klassischen Musikästhetikmodells heraus erhält.

Musik als Massenware Ein weiterer Begriff, der den minderen qualitativen Status populärer Musik aus der Logik der musikästhetischen Dichotomie heraus widerspiegelt und besonders von Adorno verwendet wird, ist der der ›leichten Musik‹. Die synonyme Verwendung von ›leichter Musik‹, ›Schlager‹ und ›popular music‹ (vgl. Adorno 1996: 40) deutet darauf hin, dass Adorno ein grundsätzliches Prinzip hinter den Phänomenen der populären Musik zu erkennen glaubt. Zwei Aspekte, an denen der theoretische Ansatz Adornos deutlich wird, sollen im Folgenden dargestellt werden: Standardisierung und Pseudo-Individualisierung.20 In seinem Kapitel über die ›Kulturindustrie‹ deckt Adorno die unter der universalen Herrschaft technischer Rationalität zur Entfaltung gelangenden Mechanismen kultureller Massenproduktion, -distribution und -konsumption auf, die in ihrer Einheit den Zwang des Systems als den auf dem Tauschprinzip basierenden Regeln eines entfesselten Marktes auf kulturelle Phänomene ausweiten, diese gleichsam absorbieren oder gar hervorbringen. War Kultur in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts mit Kunst, also ›Hochkultur‹, gleichzusetzen, so wird mit fortschreitender Industrialisierung 20 Eine ausführlichere Darstellung und kritische Betrachtung der Theorie Adornos liefert Middleton (1990: 34-63).

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der Warencharakter vorrangiges Merkmal von Kultur. Die vormals bestehende Dichotomie des Kulturbegriffes wird durch die Vorherrschaft des Marktes zu ihrer Auflösung getrieben, welche für Adorno in dieser Form eine nicht erstrebenswerte darstellt, da sie nicht aus sich selbst heraus erreicht werde, sondern – in geradezu undialektischer Manier – durch Manipulation und Preisgabe des Freiheits- und Autonomiegedankens von Kunst erkauft werde. 21 Der Satz »Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit« (Adorno/Horkheimer 1996: 128) impliziert das Ausgeliefertsein der Kunstwerke an den Markt; die Universalisierung des Nutzenaspekts oder des Gebrauchswerts, den jede Ware auszeichnet, geht mit dem Verlust von Freiheits- und Kritikfähigkeit einher: »Der Nutzen nämlich, den die Menschen in der antagonistischen Gesellschaft vom Kunstwerk sich versprechen, ist weithin selber eben das Dasein des Nutzlosen, das doch durch die völlige Subsumtion unter den Nutzen abgeschafft wird. Indem das Kunstwerk ganz dem Bedürfnis sich angleicht, betrügt es die Menschen vorweg um eben die Befreiung vom Prinzip der Nützlichkeit, die es leisten soll« (Adorno/Horkheimer 1996: 167).

Der aus der Konzeption idealistischer Ästhetik entstammende Freiheitsbegriff, an dem Adorno festhält, kann als Triebfeder seiner weiteren kulturtheoretischen Arbeiten gewertet werden, die die kulturelle Dichotomie zwar reflektieren, aber aufrechterhalten.22 Entgegen aller Nivellierungstendenzen der Kulturindustrie insistiert Adorno auf den prinzipiellen Unterschied zwischen ernster und leichter Musik, der auch ein qualitativ-ästhetischer ist und vor allem durch die Weise ihrer Produktion begründet wird. Um den Nachweis darüber zu führen, bedient sich Adorno

21 Hierzu: »Die Autonomie der Kunstwerke [...] wird von der Kulturindustrie tendenziell beseitigt, mit oder ohne den bewussten Willen der Verfügenden« (Adorno 1967: 60). 22 Um dem Einwand einer anachronistischen Darstellung vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass der Aufsatz ›On popular music‹ drei Jahre vor der Dialektik der Aufklärung erschienen ist, somit das dichotomische Modell schon früher von Adorno verfolgt wurde. Es wird in späteren Schriften wieder herangezogen; die 1973 postum erschienene Ästhetische Theorie kann als prätentiöser Versuch gewertet werden, den Freiheitsgedanken der Kunst durch die Anstrengung des Begriffes zu mobilisieren.

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einer immanenten Methode, die davon ausgeht, dass die Bedeutung eines Stückes aus dem musikalischen Text selbst heraus verstehbar wird. Fungiert nach Adorno das autonome Musikwerk zumal als funktionslos intendiertes Gebilde, so schielt populäre Musik auf ihren Verkaufserfolg. Beides ist an der musikalischen Struktur selbst ablesbar. Kulturindustrie und populäre Musik gehen demnach eine vortreffliche Liaison ein, da sie gleiche Strukturen aufweisen: »Einstweilen hat es die Technik der Kulturindustrie bloß zur Standardisierung und Serienproduktion gebracht und geopfert, wodurch die Logik des Werks von der des gesellschaftlichen Systems sich unterschied« (Adorno/Horkheimer 1996: 129).

Standardisierung ist das entscheidende Merkmal der populären Musik, das durch das Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen sichtbar wird. Ist die obere Musik durch deren dialektische Vermittlung geprägt, das heißt das Werkganze stellt sich als eine logische Entfaltung des kleinsten Motivs dar, so stehen in der leichten Musik die Details unvermittelt und austauschbar nebeneinander. Erhalten die einzelnen Teile einer Beethoven-Symphonie ihren musikalischen Sinn ausschließlich durch ihren Bezug auf das Ganze, angesichts dessen musikalische Spannungen erst entstehen können, so sind die nach einem vorgefertigten Schema verwendeten Formteile der Tin Pan Alley-Stücke der 1930er Jahre, wie Strophe, Bridge und Refrain, nichts weiter als eigenständige Teile, die keine Wechselwirkung untereinander oder zur Gesamtheit eingehen, sondern vielmehr »als leere Büchsen, in welche der Stoff hineingepresst wird« (Adorno 1996: 41) benutzt werden. Dem Prinzip der Standardisierung auf der Ebene der Produktion korreliert das der Pseudo-Individualisierung auf der Ebene der Rezeption. Das musikalische Kunstwerk, das die ihm zugrunde liegenden gesellschaftlichen Antagonismen in sich selbst austrägt und dadurch die Mechanismen seiner Produktion zum Vorschein bringt, die somit für den Rezipienten nachvollziehbar sind, kreist um das Prinzip der Individualität, das die Rolle des Künstlers, ihrer eigenen als einzigartiges Artefaktum und schließlich die des Zuhörers maßgeblich bestimmt. Leichte Musik hingegen, die als Ware die Geschichte ihrer Produktion verdeckt, gaukelt dem Rezipienten Individualität nur vor, da sie als stan-

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dardisierte Musik ebensolche standardisierte Wirkungen hervorruft: »Pseudo-individualization, for its part, keeps them [die Kunden] in line by making them forget that what they listen to is already listened to for them, or ›pre-digested‹« (Adorno 2000a: 308). Die ›vorverdaute‹ Musik, die ihrem Hörer weder Spontaneität noch geistige Anstrengung abverlangt, da sie die geringste Abweichung vom festen Schema bereits einkalkuliert hat – so die Improvisationen im Jazz beispielsweise, die nach festen, ebenso standardisierten Mustern ablaufen –, fungiert innerhalb einer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft als Mittel der Entspannung des Hörers und seiner Erholung von der Arbeit, deren dualistischer Gegenpol, die Freizeit, ihr als angemessener Bereich zugeteilt wird. Amusement, Passivität und Affirmation sind in der Massenmusik ineinander verschränkt und befördern im Hörer das Gefühl des Einverstandenseins mit dem herrschenden System, das durch die Kulturindustrie repräsentiert wird. In dem simplen Reiz-Reflex-Modell, das Adorno auf die Wirkungsweise der populären Musik anwendet und das den Hörer als passives und unmündiges Wesen erscheinen lässt, klingt in entfernter Weise die idealistisch verformte Autonomieästhetik mit ihrem Verdammungsurteil über die Sinnlichkeit an: »Manipuliert ist das Hören leichter Musik nicht erst von den Interessenten, die sie herstellen und verbreiten, sondern gleichsam von ihr selbst, ihrer immanenten Beschaffenheit. Sie etabliert in ihrem Opfer ein System bedingter Reflexe« (Adorno 1996: 44).

Adornos negative Einschätzungen der populären Musik, die als ein durch die Interessen des Marktes korrumpiertes Phänomen bestimmt wird und daher nicht in der Lage ist, gesellschaftliche Kräfte zu transzendieren, gründen in einem geschichtsphilosophisch geprägten Verständnis, das die Bedeutung von Musik ausschließlich durch Termini der artifiziellen Musikgeschichtsschreibung zu begreifen versucht. Die Fokussierung auf den musikalischen Text als Kunstwerk, in dem Kategorien wie Individualität, Originalität und Autonomie ineinander greifen, verbindet sich bei Adorno mit einem Materialbegriff, der es ihm erlaubt, ein Kunstwerk als ›fait social‹ und autonom zugleich zu verstehen (vgl. Adorno 2000b: 334-38). Der Doppelcharakter der Kunst drückt sich – wie schon von Schiller gesehen – dadurch aus, dass

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diese als ein gesellschaftlich Gemachtes von gesellschaftlichen Zwängen entbunden ist: »Soweit von Kunstwerken eine gesellschaftliche Funktion sich prädizieren lässt, ist es ihre Funktionslosigkeit« (Adorno 2000b: 336f.). Das musikalische Material wird als »sedimentierter Geist« (Adorno 1997: 39) begriffen, das heißt als Ausdruck gesellschaftlicher Bewegungsgesetze. Der Fortschrittsgedanke in der Musik, der durch die ›Tendenz des Materials‹ selbst vorgegeben ist, ist durch die Kategorie des ›Geistes‹ begründet und wird kompositionstechnisch adäquater von Schönberg als von Strawinsky realisiert. Adornos musikalische Analysen lassen eine ausgeprägte und einseitige Dominanz der Aspekte Melodie und Harmonie erkennen, die für seinen Materialbegriff konstitutiv sind und als alleinige den Fortschrittsgedanken formulieren können. Aus dieser Perspektive wird verständlich, warum Strawinskys ›Sacre du Printemps‹, der Jazz oder andere afro-amerikanisch inspirierte Formen populärer Musik, deren auffällige Merkmale in der Komplexität rhythmischer Strukturen und in der Repetition einzelner Teile liegen, nicht als Progression des Geistes gedeutet werden können, ist das Moment des KörperlichSinnlichen doch allzu präsent: »Die Nähe, in der die leichte Musik ihnen [den Massen] auf den Leib rückt, verletzt mit der ästhetischen Distanz die Menschenwürde« (Adorno 1996: 265). Der als wörtlich zu verstehende ›Leib‹ nimmt an dieser Stelle den Ort der dunklen Triebe ein und verhindert, im Sinne des Ungleichgewichts von ›Sinnlichkeit‹ und ›Verstand‹ innerhalb der klassischen Ästhetik, die Realisierung eines humanistischen Ideals, die nur durch die Entwicklung des Geistes gewährleistet werden kann. Hier wird nochmals deutlich, wie sich die unterschiedlichen Fäden aus der idealistischen Autonomieästhetik in einer musikästhetischen Einstellung verknoten, aus der sich die ästhetische Verurteilung populärer Musik nicht entwirren lässt. Adornos theoretische Schriften über populäre Musik und Massenkultur sind für die Theoriebildung populärer Musik bis heute fundamental geblieben. Sie gehören neben weiteren Arbeiten aus dem Umfeld des Frankfurter Instituts für Sozialforschung zu den ersten wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit populären Phänomenen einer durch Massenproduktion geprägten Alltagskultur der Nachkriegszeit (zum Beispiel Radio, Film, Fernsehen). Diese ersten Bemühungen haben neben Adornos begrifflicher

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Schärfe und vor allem seiner dezidiert ablehnenden Haltung gegenüber populären Musikformen zahlreiche Kulturtheoretiker und Popmusikforscher dazu herausgefordert, seine Ansätze zu kritisieren und zu erweitern. Geht es diesen darum, einen in ästhetischer Hinsicht vorurteilsfreien wissenschaftlichen Zugang zu populärer Musik zu ermöglichen, so bleibt Adornos Theorie den Mechanismen der klassischen Ästhetik verpflichtet, die ihren normativen Impetus insofern geltend macht, als nur die Kunst in ihrer Autonomie den Bereich des Ästhetischen für sich reklamieren kann. Dass populäre Musik als Nicht-Kunst begriffen wird, verdankt sie den Ansätzen und Methoden einer dichotom konzipierten Musikästhetik und Musikwissenschaft, die das Primat des Geistigen mit all seinen Facetten und Konsequenzen, das heißt auch im Sinne der auteur-Theorie Foucaults,23 implizit oder explizit umzusetzen versucht. Die Darstellung des dichotomischen Konzepts der klassischen Ästhetik sollte den ihr inhärenten Ausschließungsmechanismus aufzeigen, der im musikästhetischen Diskurs auf populäre Musik ausgeweitet werden konnte. Die begrifflichen Schwierigkeiten der ex negatio erfolgten Definitionen der ausgeschlossenen Sphäre sind Teil dieses Mechanismus, der eine Anwendung des Ästhetikbegriffes auf diese Sphäre durch die terminologische Fixierung selbst bereits ablehnt. Die in der Hegelschen Ästhetik vollzogene Einengung des Ästhetikbegriffes auf die Kunst hat neben der philosophisch instrumentalisierten Hegemonie des Geistes den Dichotomisierungsprozess innerhalb der Musikästhetik maßgeblich bestimmt und schließlich als Legitimationsgrundlage für die Ausschließung musikalischer Formen und Elemente gedient, die aus unterschiedlichen Gründen dem etablierten Musikbegriff nicht gerecht werden konnten. Der unilinear vollzogenen Engführung in der Begriffsgenese des Ästhetischen entspricht die des Musikalischen, die innerhalb der romantischen Musikästhetik des 19. Jahrhunderts im Paradigma der Instrumentalmusik und, gat23 Foucault fasst den Begriff des ›Autors‹, der in einem engen Verhältnis zum ›Werk‹ steht, als ein grundlegendes Prinzip für die Individualisierungsmechanismen innerhalb der europäischen Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte auf und versucht, die darin angelegten Funktionen zur Festlegung verschiedener Diskursstrategien (Existenz-, Verbreitungs- und Funktionsweise) aufzudecken (vgl. Foucault 1979).

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tungsbezogen, in der Symphonie kulminiert. Obwohl die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts mit ihren unterschiedlichen Strömungen und besonders dem Heraufziehen industriell geprägter Formen populärer Musik bereits den Versuch darstellt, diese ästhetischen Hypostasen zu überwinden, ist bis heute dennoch unverkennbar, dass innerhalb des Diskurses der Historischen Musikwissenschaft sowohl die latente Untermauerung der musikalischen Dichotomie als auch die an der artifiziellen Musik geschulten musikästhetischen Einstellungen und textimmanenten Methoden weiterhin vorherrschend sind. Die inhaltliche Kongruenz der Kategorien Ästhetik, Kunst, Autonomie und Geist, die diesem klassischen Verständnis unterliegt, macht es unmöglich, populäre Musik darin einzubeziehen und diese als ästhetischen Gegenstand oder als Gegenstand ästhetischer Untersuchungen ernst zu nehmen. Die wissenschaftliche Konsequenz kann demnach nur darin liegen, populäre Musik als soziales Phänomen, das heißt nach soziologischen Aspekten, zu untersuchen, wie es Adorno in seiner Einleitung in die Musiksoziologie nahe legt. Alle weiteren Bemühungen, einen positiven theoretischen Zugang zu populärer Musik zu entwickeln und dieser sogar einen ästhetischen Status zu verleihen, lassen sich als strategische Offensive gegen die traditionelle Musikästhetik lesen, deren begriffliches Umfeld zum Ort der Auseinandersetzung wird. Die Art und Weise, in der durch diverse Ansätze versucht wird, diese Strategie umzusetzen, soll im nächsten Kapitel dargestellt werden.

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ZU

E I NE R

Ä S T H E TI K

D E R P OP U L ÄR E N

MUSIK

»Wer den Begriff des Ästhetischen exklusiv an die Provinz Kunst binden und seine Grenze gegenüber dem Alltag und der Lebenswelt partout dichtmachen möchte, betreibt ästhetiktheoretischen Provinzialismus« (Welsch 1996b: 41).

Vor über 30 Jahren stellte Andrew Chester als einer der ersten die explizite Forderung nach einer ›Rock Aesthetic‹ (vgl. Chester 1970a, 1970b). Es ging ihm darum, einen kritischen Ansatz zu entwickeln, um die Bewertungsmaßstäbe der in der Rockmusik vorherrschenden Werte aufzudecken und auf einen von ihm diagnostizierten Missstand innerhalb der englischsprachigen Popmusikliteratur Ende der 1960er Jahre aufmerksam zu machen, der darin bestand, dass Pop oder Rock bis dato ausschließlich als kultureller und nicht als ästhetischer Gegenstand aufgefasst wurde. Die weltweit virulente Faszination Jugendlicher für die Rockmusik prägte besonders in England und Nordamerika, als Heimatort kommerziell erfolgreicher Musikgruppen wie der Beatles, Rolling Stones oder Beach Boys und Byrds, ein kulturelles Klima, dem sich, durch die massenmedial organisierte Omnipräsenz jener Phänomene verstärkt, kaum jemand entziehen konnte, und das es sogar dem akademischen Betrieb nahezu unmöglich machte, eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Musikform gänzlich zu vermeiden. Eine ernsthafte Auseinandersetzung und kritische Aufarbeitung dieser jüngst etablierten Form populärer Musik war erst im Entstehen begriffen und überwiegend darum bemüht, die zahlreichen methodischen Hindernisse und Fallen einer von Tagespresse und ebenfalls neu entstandenem Musikjournalismus vorgegebenen Praxis samt ihrer Eigenheiten (Glorifizierung und Mystifikation, Subjektivismus, Sprachduktus) zu ver-

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meiden.1 Es lassen sich bereits zwei verschiedene Ansätze erkennen, die es jedoch, nach Chester, beide versäumen, Rockmusik als spezifisch musikalisches Genre zu untersuchen. Auf der einen Seite stützt man sich unter soziologischen Prämissen auf ›außermusikalische‹ Kriterien, die eine Beurteilung der Musik als kulturelles Phänomen ermöglichen, jedoch einen notwendigen Zusammenhang zwischen musikalischer Struktur und kultureller Signifikanz nicht ausreichend zu erklären in der Lage sind. Dies lässt sich dadurch verdeutlichen, dass die Bedeutung von Bob Dylans Texten für die Literaturwissenschaft, von Madonna für die feministische Theorie oder der Rolling Stones für eine marxistisch inspirierte Kulturkritik unter dieser Voraussetzung keinerlei relevanten Aussagen über die erklingende Musik selbst enthält. Auf der anderen Seite besteht ein auf musikalische Analyse beruhender Ansatz, der die Methoden und Regeln klassischer Musikwissenschaft unreflektiert auf den Gegenstand populärer Musik anwendet. Er basiert, wie Chester formuliert, »on criteria imported illegitimately from the aesthetics of other musical forms« (Chester 1970a: 83). Als bekanntes Beispiel lässt sich hierfür die Beatles-Monographie von Wilfrid Mellers anführen, die auf der Grundlage musikalischer Analysen zahlreiche Stücke im Sinne der klassisch-romantischen Werkkategorie beurteilt und in geradezu schwärmerisch-pathetischer Manier den direkten Vergleich zu Mozart und Schubert nicht scheut (vgl. Mellers 1976: 57). Beide Ansätze lassen sich aus dem Kontext der klassischen Ästhetik herleiten, deren dichotomische Struktur sich ebenfalls auf die methodische, sich gegenseitig ausschließende Polarität von soziologischer und ästhetischer Betrachtungsweise ausweiten konnte. Adornos Forderung nach einer Musiksoziologie lässt sich 1

Im selben Jahr, in dem Chesters Aufsätze erschienen waren, veröffentlichte Richard Meltzer sein Buch The Aesthetics of Rock (Meltzer 1970), das entgegen der gleichen Programmatik im Titel keinerlei sonstige Gemeinsamkeiten mit Chester aufweist. In einer Art persönlichen Retrospektive der Rockmusik reiht Meltzer in mehr assoziativer als systematischer Weise Songtexte, Titel, Statements von Musikern, eigene Gedanken und bekannte Namen der abendländischen Philosophiegeschichte aneinander, ohne dadurch einen Einblick in tiefere Zusammenhänge zu erhalten. Seine Darstellung bleibt weit hinter Chesters Forderung zurück, da sie den Merkmalen musikjournalistischen Schreibens unterliegt und darüber hinaus die Musik als klangliches Phänomen völlig unberücksichtigt lässt.

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im Hinblick auf populäre Musik nur durch die notwendige Abwesenheit einer auf sie anwendbaren Musikästhetik aufrechterhalten. Ihr entspricht die soziologische Herangehensweise, die besonders von Vertretern der Cultural Studies im Hinblick auf populäre Kulturphänomene weiterentwickelt wurde und den Ausschluss der tradierten Ästhetik durch einfache Umkehrung der Argumentation legitimiert. Während, nach Adorno, populäre Musik aufgrund ihrer mangelnden ›Würde‹ dem Reich der Ästhetik fernbleibt, so stützen die Cultural Studies diesen Sachverhalt aus einem anderen Motiv heraus, nämlich der prinzipiellen Skepsis gegenüber der etablierten Ästhetik, die als Ausdruck von Hegemonie abzulehnen ist: »[A]esthetics is naked cultural hegemony, and popular discrimination properly rejects it« (Fiske 1989: 130). Die Gleichsetzung von Ästhetik und Hegemonie determiniert hier einen Ansatz, der es ebenfalls verhindert, populäre Musik nach ästhetischen Gesichtspunkten zu untersuchen. Im Folgenden wird zu zeigen sein, wie dieses methodische Dilemma durch die Überwindung beider Positionen aufzuheben versucht wird. Chesters Plädoyer für die Konstitution einer Ästhetik der Rockmusik2 wurde zwar hin und wieder von einigen Autoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen bekräftigt, hat aber in der Musikwissenschaft bis heute kaum Resonanz erhalten. Dass Fragen der Ästhetik in Bezug auf populäre Musik ihre Relevanz im Laufe der Zeit keineswegs eingebüßt haben, zeigen die sporadischen, aber fortwährenden Versuche, dem Bedürfnis nach ihrer eigenen Ästhetik Ausdruck zu verleihen. Sie haben ihren Niederschlag in wenigen Aufsätzen gefunden, in denen sie meist über das Stadium der Vorläufigkeit nicht hinausgelangen, da ihre überwiegende Beschäftigung darin besteht, sich von den bestehenden Ansätzen zu distanzieren. Der soziologische Ansatz wird demnach als unzureichend angesehen und muss sich der spezifisch musikalischen Struktur öffnen (vgl. Racic 1981, Frith 1992, Brolinson/Larsen 1990), umgekehrt werden die Methoden der klassischen Musikästhetik ebenso abgelehnt, da diese entscheidende Aspekte populärer Musik (medialer und performativer Charakter, Sound, Rhythmus etc.) außer Acht lassen (vgl. Wicke 1982, Wicke/ Schneider 1986, Kealy 1982, Baugh 1993).

2

Vgl. S. 116ff in diesem Band.

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Die programmatische Hinwendung zu einem grundsätzlich positiven Ästhetikverständnis von populärer Musik führt aufgrund unterschiedlicher Verwendungsweisen des Ästhetikbegriffes zu einer Situation, die sich für den weiteren Verlauf der hier angestrebten Darstellung als schwierig erweist. Alle Versuche, einen Ästhetikbegriff mit populärer Musik zusammenzubringen, weisen auf eine enge Verschränkung von Begriff und Methode hin. Eine ausschließlich auf die terminologische Praxis fixierte Analyse, die den darin verknüpften methodischen Ansatz unberücksichtigt lässt, kann hier als nicht sinnvoll angesehen werden. Die Erkenntnis über den Gebrauch des Ästhetikbegriffes (epistemologisch, kallistisch, artistisch) sagt noch nicht zwangsläufig etwas über die damit verbundene Grundkonzeption der Methode aus. So liegt beispielsweise die Besonderheit von Chesters Ansatz nicht allein in der Verwendung des artistischen Bedeutungselements von Ästhetik, nach der er auf die musikalische Struktur abzielend ebenso dem durch ein Kunstverständnis geprägten Diskurs klassischer Musikästhetik zugerechnet werden könnte, sondern in der methodischen Weiterentwicklung des soziologischen Ansatzes, der die Eigenarten des spezifisch Musikalischen einzubinden versucht. Ein weiteres Problem macht sich darüber hinaus bemerkbar, geht man von der Annahme aus, dass beinahe jeder Untersuchung zu populärer Musik eine bestimmte ästhetische Grundeinstellung des Autors unterliegt, die in den wenigsten Fällen durch die Verwendung eines expliziten Begriffes des Ästhetischen markiert und reflektiert wird. In Mellers Abhandlung über die Kompositionen der Beatles taucht zwar kein einziges Mal der Begriff ›Ästhetik‹ auf, seine Methode lässt sich jedoch als eine dem Paradigma klassischer Musikästhetik verpflichtete bestimmen. Da es in diesem Kapitel darum gehen soll, aufgrund des Ästhetikbegriffes eine zumindest annähernd kohärente Darstellung der methodischen Ansätze und ein allgemeines Verständnis für die Mechanismen dieses Diskurses zu entwickeln, kann der Anspruch einer ausschließlich auf den Begriff der Ästhetik ausgerichteten akribischen Analyse der Fachliteratur nicht durchgängig aufrechterhalten werden. Wichtige Einflüsse und methodische Ansätze innerhalb der Popmusikforschung, die keinen expliziten Ästhetikbegriff gebrauchen, müssen daher ebenso berücksichtigt werden wie Ästhetikkonzeptionen aus anderen Disziplinen. So er-

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scheint beispielsweise eine Erwähnung der Einflüsse Adornos oder der Cultural Studies auf die Popmusikforschung als ebenso notwendig, um ein abgerundetes Bild der theoretischen Zusammenhänge zu erzeugen, wie die der Ästhetikkonzeption Bourdieus, der selbst jedoch nichts über populäre Musik verfasst hat. Der übergeordnete theoretische Rahmen, der dadurch angedeutet werden soll, lässt sich durch den negativen Bezug zur klassisch-idealistischen Autonomiekonzeption kategorisieren und systematisch darstellen. Das Prinzip der Autonomie bildet dabei die Trennlinie zwischen zwei Methodensträngen, die durch Chester bereits angeklungen sind, und im Folgenden durch die Begriffe ›Kunst‹ und ›Kultur‹ voneinander abgehoben werden sollen. Es ist hierbei wichtig, darauf hinzuweisen, dass beide Bezeichnungen weder eine absolute Bedeutung implizieren noch in direkt wörtlichem Sinne aufgefasst werden sollen, sondern vielmehr als Chiffren fungieren, die es erlauben, einerseits die den unterschiedlichen Texten immanente ästhetische Strategie je einem der beiden Bedeutungsfelder, Kunst oder Kultur, zuzuordnen und andererseits die Relationalität zwischen diesen beiden damit eröffneten Diskursen hervorzuheben. »Populäre Musik als ›Kunst‹« bedeutet also keineswegs ausschließlich, dass populäre Musik einen Kunststatus erhält, sondern dass die diesem Diskurs angehörenden Autoren aus dem begrifflichen und methodischen Vorrat geschichtsphilosophisch legitimierter klassischer Musikästhetik schöpfen und diesen für einen positiven Zugang zu populärer Musik fruchtbar zu machen versuchen. Mit anderen Worten: Die unter diesem Gesichtspunkt subsumierten Autoren operieren alle mit einem zumindest impliziten Verständnis von ästhetischer Autonomie, das auf die ein oder andere Weise ebenso die damit verknüpften Vorstellungen von Kunst, Geist, Freiheit etc. mitbetont. Dies muss jedoch nicht notwendigerweise die Verwendung eines Kulturbegriffes ausschließen. Wenn Adornos Rezipienten populäre Musik ebenso als Teilbereich kommerzialisierter Warenkultur werten und keineswegs als Kunstphänomen, sind sie dennoch diesem Diskurs zuzuordnen, basiert ihre theoretische Perspektive doch auch auf den Prämissen klassischer Ästhetik. Als übergreifendes Kriterium der im Kapitel »Populäre Musik als ›Kunst‹« aufgeführten Konzepte ließe sich eine tendenzielle Aufrechterhaltung des dichotomischen Musikbegriffes, besonders mit dessen Polarität von Kunst und Alltag, angeben. Umgekehrt kön-

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nen jene Bemühungen, populäre Musik als ›Kultur‹ zu begreifen, als Versuche eingeschätzt werden, gerade diese ästhetisch begründete Dichotomie zu überwinden. Eine von allen Interessen befreite, rein autonome Sphäre des Ästhetischen wird von einer unter diesem Aspekt dominierenden kulturwissenschaftlichen Betrachtungsweise als ideologisch verfärbt zurückgewiesen. Da die Impulse für eine methodische Neuorientierung ästhetischer Konzepte nicht selten von außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses über populäre Musik herrühren, ist es in diesem Zusammenhang sinnvoll, diese theoretischen Grundlagen ebenso zur Sprache zu bringen wie ihre Übertragung auf populäre Musikformen. Dass Bourdieu beispielsweise mit einem expliziten Kunstbegriff arbeitet, stellt hierbei kein Problem dar, da seine in besonderem Maße auf Kunstwerke ausgerichteten soziologischen Analysen in einen Theoriekomplex eingebettet sind, der es erlaubt, Werke über einen eher kontextuell ansetzenden Zugang zu untersuchen; die Rede von den »kulturellen Werken« (Bourdieu 1998: 53-90) besagt nichts anderes.

P o p ul ä r e M us ik a l s › K u ns t ‹ Aufwertung innerhalb der Dichotomie Die unter dem Eindruck der Jugend- und Studentenrevolten der 1960er Jahre in Deutschland entstandene pädagogisch motivierte Auseinandersetzung mit Phänomenen der populären Musik, besonders der Beat- und Rockmusik, hatte es sich zum Ziel gesetzt, deren gesellschaftliche Relevanz durch eine kritische Betrachtung der Struktur und Funktion dieser hauptsächlich von Jugendlichen gehörten Musik im Hinblick auf eine mögliche Einbindung in den Musikunterricht zu erörtern. Im Gegensatz zu Adornos negativer Sichtweise über populäre Musik bemühten sich die Vertreter dieses neuen Ansatzes darum, einen ästhetisch vorurteilsfreien Zugang zu ihrem Gegenstand zu schaffen und weitgehend auf qualitative Werturteile zu verzichten. Trotz des eigenen Anspruchs, die Wünsche, Vorstellungen und Gefühle Jugendlicher und somit die damit in Verbindung gebrachte Musik ernst zu nehmen und wertneutral zu betrachten, kann trotz einiger daraus hervorgegangener nicht zu unterschätzender Einsichten dar-

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auf hingewiesen werden, dass die meisten Arbeiten ihrem Grundtenor nach den Fängen der geschichtsphilosophisch fundierten dichotomischen Ästhetik nicht zu entrinnen vermögen. Dies wird vordergründig an den zutiefst essentialistisch geprägten Definitionsversuchen von populärer Musik deutlich. Der durch seine Arbeiten zur Beatmusik bekannt gewordene Dieter Baacke fasst in seinem Aufsatz ›Beatkultur – Jugendkultur – Popkultur‹ von 1971 die spezifischen Charakteristika dieser Musik zusammen. Unter anderem heißt es dort: »Der Beat ist ein expressives Symptom für Probleme, die sich dem Jugendlichen bei der Einordnung in die [...] moderne Gesellschaft stellen«. Er dient als »Schutzraum, in dem der Heranwachsende vorübergehend von den Anforderungen in Schule, Arbeit und Beruf und den dort unvermeidlichen Frustrationen befreit ist«; in diesem Sinne besitzt er »pädagogisch eine subsidäre [sic!] Funktion: er vertritt fehlende offizielle, pädagogisch intendierte Maßnahmen im Sozialisierungsprozeß« (Baacke 1971: 128). Mag innerhalb eines zeitlich begrenzten Rahmens einer heute vielmehr als historisch aufzufassenden Gesellschaftsanalyse der hier dargestellte Zusammenhang seine Gültigkeit wohl besessen haben, so verfehlt er zugleich die Möglichkeit einer zureichenden Erklärung der immanenten Struktur des Phänomens. Darüber hinaus ist schon an der Art der Argumentation besonders auffällig, wie die Mittel der klassischen Ästhetik zur pädagogischen Legitimierung der Beatmusik umfunktioniert werden. Der genannte ›Schutzraum‹ fungiert als rhetorischer Umschlagplatz einer ästhetisch ambivalenten Haltung, die einerseits die in einer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft eingerichtete Sphäre der Freizeit meint – nach Adorno der für die ›vorverdaute‹ Musik adäquate Ort –, und andererseits einen im Sinne uneingeschränkter Autonomieästhetik postulierten, von jeglichen Zwängen befreiten Bereich artikuliert. Die unausgesprochene Adelung des Beat zur Kunstform wird im nächsten Zug gleich wieder durch seine pädagogische Funktionalisierung überholt. Tritt der Beat als kompensatorische Kraft innerhalb eines defizitären öffentlichen Bildungswesens auf, so lassen sich im Umkehrschluss durch eine pädagogische Integration des Beat seine als bedrohlich aufgefassten Potentiale und Momente soweit abschwächen, dass sie die etablierten Machtdiskurse einer Gesellschaft nicht mehr in Erschütterung versetzen. Um es überspitzt auszudrücken: Der als gesellschaftlicher Störenfried agie-

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rende jugendliche Hörer kann durch den Beat gezähmt und problemlos in die Gesellschaft eingegliedert werden. Solch eine Argumentation trägt zwar der gesellschaftlichen Bedeutsamkeit populärer Musik Rechnung, verkennt dabei jedoch das ästhetische Eigenrecht der Musik, das den Hörern selbst als eine nicht unwesentliche Komponente erscheinen dürfte. Dadurch, dass Baacke den Beat als gesellschaftlichen Indikator begreift und seine Argumentation auf die Hervorhebung ›therapeutischer‹ Funktionen ausrichtet, offenbart er zugleich eine ästhetische Grundorientierung, die sich im Kern von der Adornos nicht sonderlich unterscheidet. Erscheint sie vordergründig als ästhetische Umkehrung, in der der Beat nunmehr auch als Kunstform verhandelt wird, so macht sich unterschwellig doch eher der Eindruck bemerkbar, Beat sei aufgrund seiner kompensatorischen Funktion eben doch ein schlechter Ersatz für die eigentlich ›wahre‹ Musik, die ihren Geltungsanspruch bekanntlich als funktionslose einlöst. Obgleich Baackes kulturtheoretische Arbeit interessante Zusammenhänge und kritische Impulse liefert – so die Forderung, Kunst weniger von ihrem Werkcharakter als von ihrer Wirkung her zu betrachten (vgl. Baacke 1971: 129) – und ihr nicht zu schmälernder Verdienst darin liegt, populäre Musik als Forschungsgegenstand für eine breite wissenschaftliche Auseinandersetzung in Deutschland interessant gemacht zu haben, muss jedoch festgestellt werden, dass ihr Ansatz der ideologischen Grundstruktur klassischer Musikästhetik verhaftet bleibt. Dies ist ebenso der Fall bei Hermann Rauhe, einem weiteren Vertreter dieses pädagogisch ausgerichteten Ansatzes, der in seinem zusammen mit Reinhard Flender verfassten Buch Popmusik. Geschichte, Funktion, Wirkung, Ästhetik folgende Definition gibt: »Popularmusik ist eine spezifisch eigenständige Musikkultur auf der Grundlage industrieller Produktion und Distribution. Ihre sozialen und psychologischen Funktionen sind bestimmt durch die emotionalen und körperlichen Bedürfnisse, die in verstärktem Maße durch die rationalisierte Lebens- und Arbeitsform in der industrialisierten Gesellschaft erzeugt werden. Ihre Ästhetik wird bestimmt durch die Bedingungen und Möglichkeiten der Massenkommunikationsmittel, ihre Semantik erwächst aus den Topoi moderner Mythologien« (Flender/Rauhe 1989: 17).

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Hier wird zwar populärer Musik eine eigene Form von Ästhetik attestiert, deren Struktur und Mechanismus durch den bloßen Verweis auf die Wirkungsmacht von Massenkommunikationsmitteln jedoch unreflektiert bleiben. Durch die Reduktion der Funktionsweise populärer Musik auf die Kompensation emotionaler und körperlicher Defizite kommt auch hier Adornos Reiz-ReflexModell in umgekehrter Weise zur Anwendung. An einer anderen Stelle wird dies noch deutlicher: »Die Popularmusik steht also in einem doppelt vertauschten Verhältnis zur Wirklichkeit. Einerseits ist sie formal gesehen Spiegel der modernen Industriegesellschaft als Ware mit Fetischcharakter, modischer Konsumartikel, industriell produziertes Lied, andererseits ist sie inhaltlich betrachtet emotionale Ersatzprothese für alle die Werte und Bedürfnisse, die in der modernen Industriegesellschaft unbefriedigt bleiben« (Flender/Rauhe 1989: 68).

Die in bekannter Manier auf Standardisierung und PseudoIndividualisierung abstellende Argumentation kann populäre Musik nur in ihrem Missverhältnis zur Wirklichkeit deuten, statt sie als eine nach eigenen Prinzipien waltende Weise, Realität und Erfahrung zu stiften, anzuerkennen. Einen Versuch, diese Prinzipien für eine wissenschaftliche Betrachtung aufzuschließen, unternimmt Hans Christian Schmidt in seinem Aufsatz über die Progressivität der Rockmusik-Ästhetik der 1970er Jahre. Er kommt darin zu folgender Einsicht: »Ästhetisches Wollen und musikalische Artikulation klaffen weit auseinander; das eine holt eine romantische Perspektive zurück, das andere ist der Retrospektive nicht fähig« (Schmidt 1978: 106). Die Begründung einer solchen Diskrepanz basiert einerseits auf dem Sachverhalt, der sich hinter der Formulierung ›ästhetisches Wollen‹ verbirgt, und andererseits auf der Methode, die Schmidt seiner Untersuchung zugrunde gelegt hat. Letztere erscheint in mehrfacher Hinsicht als problematisch. Er richtet seine Betrachtungen nicht auf reale Erscheinungsformen von Rockmusik, also auf Formen ihrer klanglichen Artikulation aus, sondern ausschließlich auf Selbstaussagen der Musiker – sei es durch Interviews oder durch die programmatischen Titel ihrer Alben –, die zusammen für ihn ein kohärentes »Bild einer ästhetischen Grundanschauung« (Schmidt 1978: 97) ergeben. Die inhaltliche Nähe zu gängigen Topoi, wie

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Weltflucht, Natur, Sehnsucht, Fiktion, Traumerfüllung, veranlasst Schmidt dazu, ein darin aufschimmerndes romantisches ›Wesen‹ zu konstatieren, das entgegen aller Ansprüche auf Modernität und Progressivität »zutiefst restaurativer Natur« (Schmidt 1978: 104) ist. Ein an den Paradigmen der romantischen Ästhetik orientierter ästhetischer Anspruch der Rockmusiker lässt sich nicht auf musikalischer, das heißt auf klanglich-materialer Ebene durchhalten, wie das Missverhältnis von bedeutungsträchtigen Titeln und musikalischer Umsetzung zeigt. Schmidts abschließende Frage, »ob diese Dichotomie von ästhetischer Absicht einerseits und musikalischer Produktion andererseits nicht [...] das Recht aufkündigt, Rockmusik unter die analysierbaren Objekte zu rechnen« (Schmidt 1978: 106), signalisiert zwar eine Reflexion über den methodischen Zugang zur Rockmusik, die aber in ihrer fatalistischen Konsequenz, Rockmusik als nichtanalysierbar, das heißt nicht wissenschaftlich zugänglich, abzustempeln, vielmehr auf die Unfähigkeit seines eigenen Ansatzes verweist als auf die faktische Existenz eines Widerspruches zwischen Ästhetik und musikalischer Umsetzung innerhalb der Rockmusik. Die Fragwürdigkeit der Methode, die Schmidt verfolgt, offenbart sich besonders an zwei Schnittstellen seiner Argumentationslinie: einmal im Vergleich zwischen den Willensbekundungen einiger Rockmusikvertreter und denen der Romantiker (Wackenroder, Hegel, Wagner) und im Vergleich zwischen ästhetischer Einstellung und musikalischer Umsetzung. In beiden Fällen werden die Wertmaßstäbe und Kategorien der Romantik zugrunde gelegt, in deren Bezug sich Rockmusik zu behaupten hat. Neben dem Fehlen einer breiten empirischen Grundlage von Aussagen der Künstler3 ist es die Reduktion von Ästhetik auf einzelne Aussagen oder Songtitel, die als problematisch anzusehen ist. Mögen ikonographische und metaphorische Anleihen aus dem Symbolvorrat romantischer Ästhetik tatsächlich innerhalb der Rockmusik der 1970er Jahre eine Rolle spielen, eine Untersuchung anderer Komponenten, sei es Sound, Technik, Rezeption oder Vermarktung, ergäbe vermutlich eine andere Ästhetik, die nicht zwangsläufig auf einen Widerspruch zwischen Anspruch und 3

Ob die wenigen Zitate im Text, die überwiegend von Vertretern der Rockgruppe Ash Ra Tempel stammen, es rechtfertigen, von einer ›Rockmusik-Ästhetik der 70er Jahre‹ zu reden, mag bezweifelt werden.

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Realisation hinauslaufen würde. Das Argument der Trivialisierung im Eggebrechtschen Sinne bleibt hier latent und bekundet sich durch das Abfallen des musikalischen Materials vom doppelten Standpunkt der romantischen Musikwerke und des ›eigenen‹ ästhetischen Anspruchs aus. Der Eklektizismus-Vorwurf verhindert die Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen einem Titel wie ›A Saucerful of Secrets‹ und den darunter ertönenden Klangexperimenten der britischen Rockgruppe Pink Floyd unter einer anderen Perspektive zu erklären, als es durch den emphatischen Materialbegriff möglich ist. Schmidts Ästhetikbegriff erhält nicht nur die musikästhetische Dichotomie von Kunst und Nicht-Kunst – hier: von Romantik und Rockmusik – aufrecht, sondern verstärkt diese noch dadurch, dass Rockmusik nun zwar eine Ästhetik aufweisen kann, aber nur sofern diese sich über die romantische definiert. Die kategorische Trennung zweier musikalischer Sphären wird auch bei Tibor Kneif, einem äußerst einflussreichen Vertreter der deutschen Popmusikforschung der 1970er Jahre, explizit. Da eine auf körperliche und sinnliche Reize ausgerichtete epistemologisch orientierte, sensualistische Ästhetik von Rockmusik noch nicht entwickelt wurde, konnte seiner Ansicht nach »das Besondere der Rockmusik als einer ästhetischen Gattung« (Kneif 1979: 139) bisher nicht erkannt werden. Kneif siedelt seinen Ästhetikbegriff vorrangig im Bereich der Rezeption an, in dem unterschiedliche Faktoren relevant werden. Für eine ästhetische Beurteilung der Rockmusik sind neben persönlichen Aspekten des Urteilenden wie Alter, Erziehung, Schule etc. ebenso Umgang und Gebrauch der Musik von Bedeutung: »Musikalisches und Außermusikalisches verbinden sich im Urteil miteinander, und solche ästhetische Anarchie [...] bildet keine Entgleisung, sondern ein ganz wesentliches und vermutlich sogar das überragende Merkmal des Konsumverhaltens im Rockbereich« (Kneif 1979: 141, meine Hervorhebung).

Kneif konzipiert den Rockbereich als strategischen Gegenentwurf zur »Bildungsmusik« (vgl. Kneif 1977a: 131), die als Synonym für artifizielle, Kunstwerke-, ernste oder hohe Musik einen dominanten Gegenpol darstellt. In dieser Weise lässt sich das Hörverhalten von Rockmusik grundsätzlich als oppositionell gegenüber den

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etablierten Standards der ›Bildungsmusik‹-Rezeption interpretieren: »Beim Rock wird es sogar möglich, gleichsam vorästhetisch wahrzunehmen und die ästhetische Kontemplation selber als eine bildungsmäßig eingeübte Haltung im Stich zu lassen« (Kneif 1977b: 102). Begriffe wie ›vorästhetisch‹ oder ›ästhetische Anarchie‹ rütteln an der Hegemonie der als übermächtig empfundenen klassischen Ästhetik und ihren Projektionen auf die Musik. Ihren Mechanismen vermag Kneif jedoch nicht zu entkommen, wie der Ansatz schon deutlich macht. Der Dualismus von ›Rockund Bildungsmusik‹ verlängert sich in der von ihm aufgestellten Hörertypologie der Rockmusik, in der er zwei Idealtypen unterscheidet: den an der ›Bildungsmusik‹ orientierten Alternativhörer, der ästhetische Maßstäbe aus der Kunstmusik (Originalität, Komplexität, Fortschritt etc.) auf die Rockmusik überträgt und eher avantgardistische Rockmusik bevorzugt, und den unreflektierten Primärhörer, der, des strukturellen Hörens unfähig, sich besonders der Rhythm & Blues-Richtung und tendenziell amerikanischem Rock verpflichtet fühlt. Dieses sehr statische Konzept weist zwar auf die soziale Distinktionsfähigkeit von Musik hin, da Rockmusik als oppositionelles, das heißt ein auf Unterscheidung abzielendes Instrumentarium genutzt wird, es ist jedoch nicht imstande, dynamische Prozesse zu erklären und Pauschalisierungen sowie grobe Fehleinschätzungen des Autors zu verhindern. So erscheint die Behauptung, dass »Bildungsmusik«, zu der auch die artifizielle Musik der Avantgarde gehört, per se kein oppositionelles Potential besitze, als abwegig. Ebenso verhält es sich mit folgender Aussage, die um den Begriff der ›ästhetischen Anarchie‹ kreist und damit den Bereich der Rockmusik als wertneutrale Zone zu beschreiben versucht: »Normen der Beurteilung gibt es selbst im Ansatz nicht, und angesichts der durchgehenden Toleranz, die den Rockbereich gegenüber dem zu Dogmatismus neigenden Bildungshörern kennzeichnet, erscheint es zweifelhaft, ob sich an dieser Gegebenheit etwas ändern könnte oder sollte« (Kneif 1977b: 103).

Dass es auch zu Dogmatismus neigende Rockmusikhörer gibt, wird hierbei ebenso verkannt, wie gruppenspezifische Normenkonstitutionen. Dahingehend ist umso mehr Kneifs dichotomer Ansatz verwunderlich, der insofern auch als Beitrag zur Normen-

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bildung in der Rockmusik gelesen werden könnte, als die prinzipielle Opposition zur ›Bildungsmusik‹ zur Norm erhoben erscheint. Eine gleichermaßen praktizierte ästhetische Wertschätzung von Haydns Streichquartetten und Chuck Berrys Rock'n'RollStücken bleibt nach diesem Konzept widersinnig. Die Aufwertung populärer Musik innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses kann als zentrales Motiv der hier dargestellten Bemühungen aufgefasst werden. Ähnlich der Nobilitierung der Musik innerhalb der klassischen Ästhetik geht es nun darum, die niedere Stellung der populären Musik, hier der Rockmusik, zu überwinden. Die geschilderten Versuche schwanken zwischen den beiden Positionen, populäre Musik als Kunst oder als dezidierten Gegenpol zur Kunst zu betrachten, und unterliegen im Ansatz bereits den Mechanismen der geschichtsphilosophisch induzierten Musikästhetik. Trotz vordergründig verfolgter ästhetischer Umkehrungen kommen sie in ihrer argumentativen Grundstruktur nicht über die bereits von Adorno vertretenen Positionen hinaus. Da eine fruchtbare wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen populäre Musik sich vorerst an den Thesen Adornos abarbeiten muss, will sie das ästhetische Eigenrecht dieser Musikform wahren, soll im Folgenden auf die Adorno-Rezeption innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses über populäre Musik eingegangen werden.

Adorno als Drehscheibe Die mit außerordentlicher Vehemenz vorgetragene pauschale Ablehnung jedweder Art populärer Musik, die in Adornos Schriften offen zutage tritt, hat vielfach Anlass zu intensiver Revision und Kritik seiner provokativen Thesen gegeben. Die fruchtbare Auseinandersetzung mit Adornos Arbeit, die eine Art Dreh- und Angelpunkt innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses über populäre Musik darstellt, hat viele neue Ansätze hervorgebracht und beeinflusst, sei es kunsttheoretische, ästhetische, semiotische oder kulturwissenschaftliche. An dieser Stelle soll das Augenmerk auf die Adorno-Rezeption gerichtet werden, die sich in kritischer Anlehnung an seine Thesen auf den Produktionsaspekt und den Kunstcharakter von populärer Musik konzentriert.

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Die in der Literatur stets wiederkehrenden Vorwürfe, die gegenüber Adorno erbracht werden, so der Hinweis auf seinen »ethnocentric cultural elitism« (Nye 1988: 70) oder auf das gänzliche Fehlen einer empirischen Grundlage, an der seine Thesen verifiziert werden könnten,4 machen deutlich, dass der Versuch einer Fruchtbarmachung seiner Theorien für die Popmusikforschung nicht auf der Grundlage seiner konkreten Äußerungen zu populärer Musik erfolgen kann. Die Arbeit von Max Paddison setzt daher an der von Adorno entwickelten Methode an und versucht, deren mögliche Anwendung auf populäre Musik zu erörtern. Adornos Darstellung der dialektischen Verfahrensweise basiert, nach Paddison, auf zwei Faktoren: »contradiction and exaggeration« (Paddison 1982: 203). Ausgehend von der Überzeugung, dass gesellschaftliche und kulturelle Tendenzen und Kontradiktionen in der objektivierten Struktur des musikalischen Materials enthalten sind, gilt es Adorno, diese durch Analyse aufzudecken und ihre Bedeutung im Kontext von Gesellschaft und Kultur sichtbar zu machen. Dabei geht es weder darum, der Vielfältigkeit unterschiedlicher Phänomene gerecht zu werden, noch um die Hervorhebung einzelner Werke und Künstler um ihrer selbst Willen. Allein der Bezug auf die gesellschaftlichen Bewegungsgesetze bleibt ausschlaggebend, wobei nur die Extreme zweier entgegengesetzter Pole für eine Analyse Beachtung finden. Da sich an ihnen die Spannungen am deutlichsten abbilden, kann ihre Bedeutung durch Kontradiktionen und stilistische Übertreibung angemessen dargestellt werden (zum Beispiel SchönbergStrawinsky-Gegensatz, vgl. Adorno 1997). Hiervon zeugt ebenso die von Adorno konstruierte strenge Kontradiktion von ernster avantgardistischer und populärer Musik, deren Legitimation keineswegs in einer absolut gedachten Wesenhaftigkeit ihrer beiden Pole liegt, sondern in ihrem Bezug zum bestehenden kapitalisti4

Dass Adornos Argumentation auf einer von konkreten Phänomen abstrahierten Ebene verläuft, wird in seiner Kritik an den Beatles besonders deutlich, an der Peter Kemper erkennt, »daß Adorno die Beatles nur als austauschbarer Beleg für eine geschichtsphilosophische Spekulation über den Fortschritt in der Musik gelten« (Kemper 1991: 891). Er scheint von dem Idealtypus eines populären Stücks auszugehen, wie Middleton schreibt: »In fact, there seems to be a kind of Ur-pop song in Adorno's mind – to which no actual song, however standardized, could totally conform« (Middleton 1990: 54).

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schen System, der als reflektiert und kritisch beziehungsweise als unreflektiert und affirmativ aufgefasst werden kann. Als übergeordnetes Kriterium der Unterscheidung gilt der Wahrheitsgehalt, der in jeder ›authentischen‹ Kunst vorhanden ist. Paddison schreibt dazu: »An ›authentic‹ art [...] has not merely to integrate opposing extremes into a new aesthetic totality; in order to be true it has also to keep the opposites unreconciled, so that alienation and fear are now part of the structure of art itself« (Paddison 1982: 205). Dieser Anspruch, den Adorno ausschließlich in der artifiziellen Musik der modernen Avantgarde adäquat eingelöst sah, ist für Paddison ebenfalls in der avantgardistischen populären Musik – der Rockmusik der 1960er und 70er Jahre und dem zeitgenössischen Jazz – realisiert. Unter Bezugnahme auf die Methode der ›Negativen Dialektik‹ 5 macht Paddison darauf aufmerksam, dass die These, populäre Musik bediene sich des Materials der ernsten, obsolet geworden ist: Frank Zappa, Velvet Underground oder Henry Cow haben gezeigt, dass auch populäre Musik sich der Funktion und Beschaffenheit ihres Materials bewusst werden und dadurch einen kritischen, reflektierten Charakter annehmen kann. Indem sie die Seite innerhalb der Dichotomie wechselt, teilt sie mit der ernsten Musik nicht nur den Kunststatus, sondern auch das gleiche Verhältnis zur Kulturindustrie und begibt sich in ein paradoxes Dilemma: Will populäre Musik ihrem Schicksal als Ware entgehen, muss sie sich, gleich der neuen Musik, ihrer eigenen Entfremdung hingeben, entfremdet von der breiten Öffentlichkeit, der sie ja bereits begrifflich als ›populäre‹ verbunden bleibt. Paddisons argumentative Pointe verrät an dieser Stelle besonders offenkundig, dass sein eigener Ansatz weitgehend selbst von einem Dilemma gekennzeichnet ist. Sein Versuch, die Methode Adornos für eine kritische Theorie populärer Musik zu adaptieren, erscheint im Hinblick auf seine Implikationen fragwürdig. Hier wird nicht nur die reflektierte populäre Musik gegen die affirmative ausgespielt; durch den essentialistischen Gebrauch des Begriffes ›populär‹, dessen 5

In den Minima Moralia zeigt Adorno, wie musikalische Phänomene, die nicht vom herrschenden System historischer Dialektik erfasst werden, in die Theorie miteinbezogen werden können. Die Analysen zu Satie, Mahler und Weill relativieren den Materialbegriff und beweisen einen kreativen kompositorischen Umgang mit ›veraltetem‹ Material (vgl. Paddison 1982: 213f.).

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Bedeutung allein durch den quantitativen Aspekt – die breite Öffentlichkeit, die Masse – bestimmt wird, kann kritische populäre Musik auch nur als eine sich selbst entfremdete aufgefasst werden. Die ästhetische Gleichsetzung von ernster und kritischpopulärer Musik nivelliert auf diese Weise zwar die Differenz zweier so unterschiedlicher Phänomene wie Schönberg und Velvet Underground. Da die dichotomische Struktur von ›wahrer‹ und ›falscher‹ Musik jedoch bestehen bleibt, sieht sich der Großteil der populären Musik von diesem Ansatz desavouiert. Affirmation, Lust und Begeisterung sind in der populären Musik so zentral – sie spielen auch im Oeuvre Zappas eine nicht unerhebliche Rolle –, dass eine Theorie, die diese Aspekte nur als Ausdruck eines Verfalls der Kultur erkennt, nicht in der Lage sein kann, die positive Qualität eines Schlagers zu verstehen. Eine an Adorno ansetzende Theorie, die einen sinnvollen Zugang zu populärer Musik leisten soll, muss somit auch den Begriff der Affirmation diskutieren und weiter entwickeln. Dies unternimmt Roger Behrens, der ebenso wie Paddison den Anspruch einer kritischen ästhetischen Theorie vertritt und in seiner Lesart Adornos den Lustbegriff zu mobilisieren versucht: »Ästhetisch ist mithin das Problem virulent, inwieweit sich musikalischer Gehalt überhaupt durch das Material vermittelt, oder nicht die Musik schlicht eine reine, gleichwohl auch ästhetische Lustorientierung ausdrückt« (Behrens 1997: 87). Die Lust am Hören gibt sich als ästhetischer Hedonismus an jenem Ort zu erkennen, wo Negation in Lust umschlägt – für Adorno ist es der Ort der ernsten Musik. Behrens macht den Hedonismus-Anspruch auch für musikalische Subkulturen geltend, insofern sich eine gegen den kapitalistischen Markt abgrenzende Tendenz dadurch formulieren lässt. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen ›Lifestyle-Hedonismus‹ und dem Lustgewinn durch Negation, den er als ›hedonistisches Ohr‹ bezeichnet: »Das hedonistische Ohr ist keineswegs dem dinghaften Lusttrieb der bereitwillig zur Popmusik Mitgehenden gleichgesetzt; Hedonismus erhält sein Recht, wenn er sich Lust nicht vorschreiben lässt, sondern ihr ein Spontanes bewahrt. Sein Ziel ist nicht unabdingbare Lebensbejahung, Affirmation, weil Menschen auf ›Genuß‹ invarianten Anspruch hätten, sondern geschieht, wie Adorno sagt, im Willen und

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ZU EINER ÄSTHETIK DER POPULÄREN MUSIK Bewusstsein um Gerechtigkeit, der Versagung von Lust« (Behrens 1997: 91).

Die Grenze zwischen E- und U-Musik lässt sich in solch strikter Form, wie es Adorno nahe legt, nicht mehr aufrechterhalten, sie verschiebt sich jedoch unter dem Blickwinkel von spontaner Lust als subversivem Genuss hin zu einer bereits von Paddison favorisierten Dichotomie von kritischer und unkritischer Musik. Behrens' Ansatz kann als prätentiöser Versuch gewertet werden, die Betrachtung sozialer und ästhetischer, das heißt kunstimmanenter Dimensionen der Popmusik mit dem kritischen Impetus der Theorie Adornos zu verfolgen – er spricht von ›musikalischen Subkulturen‹, um dem Charakter des Spannungsgeladenen, des Oppositionellen, schließlich des dynamischen Charakters populärer Musikformen gerecht zu werden. Die Lust bei einem Konzert von Michael Jackson, die Affirmation, die Britney Spears bei ihren Fans auslöst, den Genuss, der durch die massenmediale Verbreitung von Musikvideos entsteht, vermag Behrens auf diese Weise nicht oder nur in Adornoscher Manier, als mehr oder weniger ›pathologischen‹ Ausdruck eines falschen Bewusstseins zu erklären. An einer ganz anderen Stelle der von Adorno verfolgten Argumentation gegen die populäre Musik setzt die Kritik von Bernard Gendron (1986, vgl. Strinati 2000: 69-74) an, die den Begriff der Standardisierung in ihren Mittelpunkt rückt und dabei zwei argumentative Fehler aufdeckt. Zum einen leite sich Adornos Begriff der Standardisierung von der industriellen Standardisierung her und ziele auf die beiden Momente Austauschbarkeit einzelner Teile (›part-interchangeability‹) und Pseudo-Individualisierung ab. Indem Adorno das Fließbandprinzip der industriellen Standardisierung mechanischer Produkte direkt auf populäre Musik überträgt, zeigt sich für Gendron, dass er keinen Unterschied zwischen der Produktion von ›functional artifacts‹ (zum Beispiel Autos) und ›textual artifacts‹ (zum Beispiel Rock'n'Roll-Platten) macht. Den Vorwurf, dass Adornos Einschätzung der Musikindustrie einer undifferenzierten und monolithischen Betrachtungsweise zum Opfer fällt, begründet Gendron am Beispiel einer Schallplatte. Indem er zwischen zwei Produktionsprozessen unterscheidet, dem aufgenommenen Sound als musikalischen Text und der Schallplatte als Tonträger, macht Gendron darauf aufmerk-

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sam, dass beide Bereiche durch unterschiedliche Bedingungen und Kriterien geprägt sind: »A text (whether written or oral) is a universal, whereas a functional artifact is a particular. [...] One simply doesn't mass produce universals« (Gendron 1986: 27). Auf der Ebene der Rezeption erscheinen beide Bereiche als ineinander verschränkt: Die Schallplatte als Warenartikel betont ebenso sehr ihre Gewöhnlichkeit und Austauschbarkeit wie ihre Individualität. Unterschiedliche Bedingungen in der Rezeption kann Adornos Standardisierungsbegriff nicht berücksichtigen, so beispielsweise das Kaufverhalten – »I do not buy records like I buy cans of cleanser« (Gendron 1986: 28) – oder die Tatsache, dass man sich Stücke auf einer Schallplatte mehrmals anhört, aber nicht die gleiche Schallplatte mehrmals kauft. Den ersten Punkt zusammenfassend, konstatiert Gendron: »[I]t is and always will be a mistake to look at the techniques of mass production or the economics of market concentration for an explanation of industrial standardization in the culture industry« (Gendron 1986: 28). Der zweite Fehler, den Adorno begehe, liegt in seiner essentialistischen Konzeption des musikalischen Textes. Das aus der industriellen Massenfabrikation abgeleitete Kern-Peripherie-Modell6 wird von ihm in unreflektierter Weise, wie Gendron zeigt, auf populäre Musik angewendet. Die Behauptung, dass Standardisierung sowohl auf synchroner (innerhalb eines Genres) als auch auf diachroner Ebene (zwischen den Genres) gleichermaßen verläuft, rührt daher, dass Adorno in der populären Musik einen musikalischen Kern annimmt, der durch Invarianz und Austauschbarkeit geprägt ist. Populäre Musik wird demnach als geschichtslose Kategorie gedacht, als statische musikalische Form, die in ihrem Prinzip keinem Wandel unterliegt. Der Funktionsbegriff, der die Unterscheidung zwischen Kern und Peripherie bestimmt, erweist sich hier als sehr problematisch, lässt sich die Funktion eines Konservendosenöffners doch genauer bestimmen als die eines musikalischen Textes. Am Beispiel von Coverversionen eines Popmusik-Titels kann Gendron leicht zeigen, dass die Interpreta6

Zum Kern werden die Bestandteile gezählt, die für ein reibungsloses Funktionieren des Produktes notwendig sind, im Gegensatz zur Peripherie, zu der Design und Ornamentierung gehören. In der Automobilherstellung garantiert der Kern (Motor, Bremsen etc.) die Funktion, das heißt die Fahrbarkeit; die Peripherie (Form der Karosserie, Farbe etc.) hingegen bleibt sekundär und austauschbar.

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tionen stark schwanken, je nachdem, ob man die Komponenten Rhythmus und Timbre als Kern und Harmonie und Melodie als Peripherie auffasst oder umgekehrt. Im ersten Fall ergeben sich zwei sehr unterschiedliche und eigenständige Stücke. Im zweiten erhält man den Eindruck, dass sich beide Stücke kaum voneinander unterscheiden: eine Perspektive, die schließlich Adornos Eklektizismus-Vorwurf begründet. Aus Gendrons Darstellung lassen sich grob drei unterschiedliche Bereiche abstecken, an denen eine weiterführende Popmusikforschung ansetzen kann beziehungsweise schon angesetzt hat: 1. Da Standardisierung nicht per se als negativ aufzufassen ist, sondern ebenfalls in ritualisierten, alltäglichen Praktiken die Grundlage für Lust und Freude darstellt, muss dieser Zusammenhang genauer erforscht werden, um Sinn und Bedeutung von Standardisierung und Repetition im menschlichen Handeln zu erklären. Gendron schreibt hierzu: »Until these practices and pleasures are better understood, we will not be in a position to make any reliable political and aesthetic assessment of musical standardization in either its traditional or contemporary forms« (Gendron 1986: 29f.). 2. Musikalischer Wandel – Veränderungen und Fortschritt – kann nur in Begriffen der eigenen Musikpraxis adäquat erklärt werden. Der prozessuale Charakter innerhalb populärer Musikformen kann unter der Ägide eines historisch-materialistisch geprägten Musikverständnisses nur verkannt werden. Wenn die eigenen Konventionen und Praktiken, die zum Beispiel der Rock'n'Roll etabliert hat (afro-amerikanische Einflüsse, performativer Charakter etc.), berücksichtigt werden, wird sich eine neue Fragestellung ergeben: »The question is no longer why popular music always remains the same, but why it changes as often and as significantly as it does« (Gendron 1986: 32). 3. Die Bedeutung, die eine Rock'n'Roll-Platte besitzt, lässt sich nicht mehr nur durch die Produktionsseite (Interpret, Songwriter, Arrangeur, Produzent, Künstler) bestimmen, sondern auch durch ihren Umgang auf der Rezipientenseite. Die Frage, inwieweit die Musikindustrie die Rezeptionsbedingungen populärer Musik determiniert und welche Rolle sie bei der Konstitution von Bedeutung spielt, wird bei Adorno bereits relevant. Verfehlt er zwar durch seinen Analogieschluss von musi-

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kalischer und industrieller Standardisierung von vornherein die Möglichkeit, die vielfältigen und komplexen Mechanismen der Musikindustrie zu analysieren, so bietet er doch zumindest einen Ansatz, politische Ökonomie mit Semiotik zu verbinden.7 Adornos Vermächtnis für die Popmusikforschung liegt darin, auf die politischen Dimensionen populärer Musik aufmerksam gemacht zu haben. Diesen Zusammenhang gilt es, nach Gendron, weiter zu vertiefen: »To further our understanding of the complex political stances of rock'n'roll, we must now engage Adorno's productivist approach in a constructive dialogue with the more recent and fashionable reception approaches« (Gendron 1986: 36).

Ontologie des Massenkunstwerks Bezüglich der hier dargestellten Adorno-Rezeption ist auf einen eigentümlichen Zusammenhang hinzuweisen, der sich sowohl im Hinblick auf Adornos Theoriekonzept als auch auf die akademischen Diskursmechanismen als aufschlussreich erweist: Die Kritiker, die aus Adornos Theorie einen direkten und positiven Zugang zu populärer Musik abzuleiten versuchen, gelten ihrem Selbstverständnis nach als Philosophen. Dies deutet einerseits auf eine Kompetenzverschiebung innerhalb des Diskurses über populäre Musik hin: Die geschichtsphilosophisch orientierte Musikwissenschaft kann das von Adorno postulierte ästhetische Verdikt über populäre Musik nicht überwinden und hinterlässt eine methodische Lücke, in die zusehends Philosophen mit einem ausgeprägten Interesse an populärer Musik vordrängen. Ihre Kritik an Adorno offenbart ein prinzipielles Merkmal seiner Theoriestruktur. Da seine Ausführungen zu populärer Musik einer grundsätzlich abstrakten und undifferenzierten Sichtweise unterliegen und da-

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Die stetig wachsende Zahl an Publikationen zur Musikindustrie bezeugt zum einen das zunehmende Interesse an diesem Thema innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses über populäre Musik und zum anderen die darin vertretene Meinung, dass die Bedeutung populärer Musik nicht ohne Kenntnisse der musikindustriellen Zusammenhänge aufgedeckt werden könne.

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durch oft als grobe Fehleinschätzungen entlarvt werden, sind es vielmehr methodische Komponenten und Stellen aus seinen philosophischen Schriften, die für einen weiterführenden Ansatz nützlich werden. Insofern sich die neuere Philosophie auch den Phänomenen der populären Kultur zuwendet, gestaltet sich dort besonders die Schnittstelle zwischen philosophischer Ästhetik und populärer Musik als eine große Herausforderung. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass der bisher umfassendste Versuch einer ästhetischen Konzeption zu populärer Musik von einem Philosophen stammt. Die Arbeit des amerikanischen Philosophen Theodore Gracyk beruht auf einem interdisziplinären Ansatz, der ästhetische und musikwissenschaftliche Konzepte mit einem breiten Wissen über populäre Musik auf eine Weise verknüpft, die es ermöglicht, einer systematischen Beurteilung der ästhetischen Dimension populärer Musik gerecht zu werden. Auch Gracyk setzt sich mit den Positionen Adornos auseinander und erkennt, dass dessen Kulturkritik gegenüber Jazz fehlerhaft sei. Da sie oftmals an der konkreten Realität der Jazzpraktiken vorbeiziele – Gracyk führt Armstrong, Parker und Davis als Gegenbeispiele an – könne sie, wie bereits erwähnt, auf mikrokosmischer Ebene leicht widerlegt werden. Gracyks Kritik folgt dem gängigen Muster, nach dem eine ›Rettung‹ Adornos nicht auf lokaler Ebene – »local (criticism generated by specific case)« – sondern nur auf globaler – »global (criticism arising from his general aesthetic theory)« (Gracyk 1992: 527) – möglich erscheint. Seine gegen Adorno erhobenen Argumente reihen sich in den Kanon der innerhalb des Diskurses über populäre Musik verfochtenen Vorwürfe ein: Mangel an empirischer Grundlage, Beurteilung der Musik unter dem Aspekt von Komposition, statischer Begriff von Geschichte – Ahistorizität, Musik wird gemessen an den kompositionstechnischen Entwicklungen der Tonalität, Fokussierung auf Komponist und Partitur, Einstufung des Rezipienten nach diesen Maßstäben (Hörertypologie). Trotz dieser Aspekte gibt es für Gracyk einen möglichen Ausweg: »Ironically, his theory contains features that suggest that jazz is a distinct art, as ›true‹ as the music of the Schoenberg school« (Gracyk 1992: 527). Das Kulturindustrie-Argument ist, nach Gracyk, nicht auf Jazz anwendbar, da der Verweis auf den Warencharakter von Jazz nicht ausreichend ist, um die Bedeutung der um ihn herum aufgebauten sozialen Konventionen

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zu erklären. Zugleich wird der performative Charakter des Jazz unterschätzt, der sowohl Ausdruck von Individualität und Originalität sein kann: »At its best, a jazz performance is a distinct, original, individual exploration of a musical idea, whether a popular song or a simple riff« (Gracyk 1992: 537). Gracyk sieht im Jazz eine Musikform mit eigener musikalischer Tradition, die, obwohl sie die klare Trennung zwischen Werk und Interpretation in Frage stellt, einen Kunstanspruch im Sinne Adornos erhebt. Wird dadurch ein impliziter ästhetischer Autonomieanspruch im Jazz geltend gemacht, so erscheint es nur konsequent, Adornos Kunstwerktheorie darauf anzuwenden: »Although Adorno's Aesthetic Theory proposes that only a combination of sociological insight and philosophical critique can uncover the hidden essence of any artwork, his ignorance about the jazz tradition leaves him unqualified to criticise it« (Gracyk 1992: 538).

Die paradox anmutende Bezeichnung »mass-culture artform« (Gracyk 1992: 526) trägt der Ambivalenz von Kritik und Affirmation im Jazz Rechnung. Als eine eng mit den Techniken und Strategien des Marktes verbundene Musik, ist der Jazz ohne den kulturindustriellen Kontext nicht denkbar. Da er jedoch auch nicht gänzlich darin aufgeht, kann er, nach Gracyk, wie die artifizielle abendländische Musik auch einen autonomen Status im Sinne der klassischen Ästhetik annehmen. Adornos Hörertypologie lässt sich demnach auch auf das Hören von Jazz ausdehnen: »Yet accepting jazz as a distinct musical tradition is compatible with Adorno's premise that there are degrees of awareness in listening to music« (Gracyk 1992: 538). Lassen sich unterschiedliche Muster des Hörverhaltens bereits innerhalb des Jazz ausmachen, so impliziert dies doch zugleich die Möglichkeit des Expertenhörers (vgl. Adorno 1996: 17-19), der den Jazz unter den Prämissen einer auf das Kunstwerk ausgerichteten Ästhetik adäquat erfassen kann. Dass der Kunstwerkbegriff innerhalb der populären Musik keineswegs obsolet geworden ist, zeigt Gracyk auch in seinem Buch Rhythm and Noise, in dem er ein ästhetisches Konzept für Rockmusik entwirft. Im Zentrum seiner Untersuchung steht die auf Tonträgern aufgenommene Musik: »Insofar as there can be a rock aesthetic, a general theory about rock music as an object of

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critical attention, I propose that it must focus on recorded music« (Gracyk 1996: ix, meine Hervorhebung). Der Begriff ›Rock‹ wird dabei nicht als eine Bezeichnung eines einheitlichen Stils oder Genres eingeführt, er operiert vielmehr auf einer abstrakten Ebene, auf der er in schematischer Weise unterschiedliche Ereignisse, Gegenstände und diskursive Praktiken zusammenzufassen versucht. In diesem Sinne lehnt Gracyk sowohl einen essentialistischen Begriff oder eine strenge Definition als auch eine evolutionistische Erklärung von Rock ab.8 Da er ebenso Songtexte unberücksichtigt lässt, gilt seine Aufmerksamkeit ausschließlich dem aufgenommenen Klang. Auf der Grundlage zweier Dichotomien – Rock'n'Roll/Rock und Aufnahme/Aufführung (recording/performance) – und in Anlehnung an philosophische Konzepte von Stephen Davies und Nelson Goodman entfaltet er eine Ontologie des Rock. Mit Goodman wird also nicht die Frage relevant, was Kunst ist, sondern wann Kunst ist. Verschiebt sich dadurch der Fokus von absoluten Wesensmerkmalen auf dynamische Prozesse, so sind für die Konstitution des Kunstwerkcharakters von Rock historisch-kausale Zusammenhänge ausschlaggebend. Anhand einer Fülle an empirischen Daten zeigt Gracyk, dass die Bedingungen und Möglichkeiten der in Studioaufnahmen angewandten Technik unmittelbar in die Konstitution neuer ästhetischer Standards eingeflossen sind. Da Kategorien wie Sound und Lautstärke eine neue, eine ästhetische Dimension erhalten, sieht er das primäre Medium des Rock in der Aufnahme, wohingegen Rock'n'Roll als spezifischer Stil einer Aufführungspraxis gewertet wird. Beispielhaft markieren Elvis Presleys Sun Sessions oder George Martins Arbeit mit den Beatles den Ort, an dem die Aufmerksamkeit von einer überwiegend auf Performanz ausgerichteten Musik nun auf einen Produktionsprozess verlagert wird, der durch die technischen Komponenten des Tonstudios ebenso bestimmt wird wie durch die Beteiligung der Musiker. Die mit dem klassischen Kunstwerkbegriff angelegte formale Integrität, die in der artifiziellen Musik durch die schriftliche Notation gewährleis-

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Die Reduktion auf instrumentale und stilistische Mittel (Gitarren, Synkopen) oder auf soziale Merkmale (Jugendkultur) ist für eine Erklärung ebenso unzureichend wie eine geschichtliche Darstellung, die Rock als eine aus dem Rock'n'Roll entwickelte höhere Stufe auffasst.

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tet ist, wird im Rock durch die Schallplatte gestiftet. Indem Gracyk das Rockalbum als Kunstwerk betrachtet, wirft er zugleich Fragen nach Originalität, Authentizität und Fälschung auf. Die Bindung an eine Partitur gilt ihm nicht als notwendiges Merkmal für die Individualität eines musikalischen Werkes, sondern vielmehr dessen Entstehungsgeschichte, in der in Bezug auf Rock ebenso Kriterien wie Timbre und Artikulation eine wesentliche Rolle spielen: »In the autographic arts, history of production rather than notational determination is the key to individuating the work« (Gracyk 1996: 32). Rock als autographische Kunstform aufzufassen, bedeutet zugleich, dass es sowohl Originale als auch Fälschungen gibt.9 Für Gracyk stellt das von einem Künstler autorisierte und auf den Markt gebrachte Endprodukt ein autographisches musikalisches Werk dar. 10 Gracyks Darstellung lässt sich somit sowohl als Gegenthese als auch als Weiterführung der Kunstwerktheorie Walter Benjamins interpretieren. Es geht weniger um eine ohnehin vergebliche Wiederbelebung der Aura im Rockalbum, das als ein technisch Reproduziertes sein ›Hier und Jetzt‹ für immer eingebüßt hat, als vielmehr um die Neuinterpretation des ›Echtheit‹-Begriffes. Das Argument, dass ein Rockalbum trotz seiner massenhaften Reproduktion einen Originalitäts-Status besitzen kann, impliziert die theoretische Trennung von Aura und Echtheit. Indem Gracyk den Produktionszusammenhang eines Rockalbums in seinen Untersuchungen zugrunde legt, kann er Benjamin beim Wort nehmen: »Die Einzigkeit des Kunstwerks ist identisch mit seinem Eingebettetsein in den Zusammenhang der Tradition« (Benjamin 1963: 16). Anhand zahl-

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Die von Goodman explizierte Unterscheidung von allographisch und autographisch basiert auf der Trennung von Werk und Aufführung. Er zählt die Musik generell zu den allographischen Künsten, da jede Aufführung eines Werkes eine legale Interpretation darstellt, nicht eine Fälschung. In der Malerei, die als autographische Kunst verstanden wird, wird jede Nachahmung eines originalen Werkes als Kopie, als Fälschung bezeichnet. 10 Die CD Born to Run von Bruce Springsteen ist nicht als Fälschung der Schallplatte Born to Run anzusehen, wobei ein kompletter Remix dieser Platte wiederum ein eigenes Werk darstellen würde. Bootlegversionen, Live-Mitschnitte oder unveröffentlichtes Material, die unter dem gleichen Albumtitel mit gleicher Anordnung der Songs auftreten, das heißt die vorgeben, das Original zu sein, gelten als Fälschungen.

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reicher Beispiele verdeutlicht er, dass Rock an das Medium der Aufnahme gekoppelt ist, deren eigene Geschichtlichkeit zum Garanten für Echtheit wird. Da ihre Geschichtlichkeit im Produktionsprozess begründet liegt, gilt es Gracyk, diesen in seinen unterschiedlichen Facetten zu durchleuchten, seine Mechanismen aufzudecken und die darin aufgebauten ästhetischen Standards zu erkennen. Dies gelingt ihm dadurch, dass er an den konkreten Phänomenen innerhalb der Rockgeschichte ansetzt und in einer quasi-deduktiven Methode ihre Eigengesetzlichkeiten und ästhetischen Normen herausfindet. Obwohl der Rockbegriff auf einer sehr abstrakten Ebene ansetzt und durch seine Identifikation mit der Aufnahme die Vermutung nahe legt, einen viel größeren Bereich der populären Musik abzudecken als dies in den meisten Publikationen zu diesem Thema der Fall ist, erhebt seine Ästhetik des Rock keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, das heißt sie ist nicht auf andere Musikstile übertragbar, insofern diese andere Werte und Normen etablieren.11 Gracyks Ansatz offenbart einige Argumente, die in ihrer Begründung unzureichend erscheinen. Warum das primäre Medium des Rock nicht in der Performance, sondern in der Aufnahme liegt, ist nicht in der Sache selbst begründet, sondern scheint sich vielmehr der Auffassung zu verdanken, dass sich die Aufnahme besser als ontologischer Träger des musikalischen Werkes eignet als die Aufführung. Des weiteren macht John Fisher auf eine zirkuläre Definition aufmerksam: »If Gracyk defines rock by its commitment to recordings as primary, then it is no surprise that his central thesis – that the medium of rock is recording – is true« (Fisher 1999: 468). Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das Begründungsmuster, Rock über den Werkcharakter zu bestimmen, nicht doch wieder essentialistische Züge aufweist.

11 Für Gracyk stellt die Bindung an die Aufnahme ein zentrales Merkmal aller populären Musikformen dar. Was Rockmusik von Hip Hop oder Reggae unterscheidet, wird nicht auf dieser Ebene entschieden, sondern hängt von den je eigenen Wertmaßstäben ab, die überwiegend im Aufnahmeprozess etabliert werden. Kategorien wie Sound, Rhythmus, Lautstärke und Geräusch werden von Gracyk als ästhetische Parameter eingeführt und an Phänomenen der etablierten Rockgeschichte nachgewiesen. Ihre direkte Übertragung auf andere Musikstile entspricht nicht der Intention des Autors und erfordert den Nachweis in gesonderten Untersuchungen.

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Trotz dieser Aspekte kann Gracyks Arbeit als gelungener Versuch gewertet werden, die ästhetische Dimension des Rock primär durch ihre klangliche Textur statt über Songtexte oder die Syntax der kompositorischen Struktur zu erfassen. Sie wird dem expressiven Gestus der Rockmusik gerecht, indem sie bisher unberücksichtigte Merkmale (zum Beispiel den verstärkten Sound einer E-Gitarre oder die raue Stimme des Sängers) in den Vordergrund rückt. Da der Rockmusik ein prinzipieller Kunstwerkstatus zugewiesen wird – der artistische Aspekt ist zentral –, verbleibt der theoretische Ansatz Gracyks seinem Tenor nach im Diskurs der klassischen Ästhetik. Obwohl er, wie es für die wissenschaftliche Nobilitierung populärer Musik erforderlich ist, erhebliche theoretische Mühen aufbringt, um die von herrschenden Konzepten in Musikwissenschaft und Philosophie aufgestellten methodischen Hindernisse zu bewältigen, und sich weitestgehend von den Mechanismen einer normativen Ästhetik zu befreien weiß, kreisen seine Ausführungen zumindest implizit dennoch in erster Linie um die bekannten Kriterien eines tradierten Kunstbegriffes, der in idealistisch verkürzter Manier ästhetische Autonomie mit Individualität, Originalität, Werk und schließlich mit Geist verbindet – gilt das Rockalbum doch als Objektivation geistiger Schöpferkraft (wenn auch partikularisiert durch Musiker, Tontechniker, Produzent etc.). Hiervon zeugt ebenso die Fokussierung auf das Rockalbum als ontologische Einheit wie die historisch-materialistische Analyse seiner Produktion.

Kanonbildung in der Popmusik Die Dimension des Werkbegriffes innerhalb des Diskurses über populäre Musik erstreckt sich über Aspekte, die in der Historisierung und Kanonisierung von einzelnen Werken, also von Pop- und Rockalben, liegen und sich in jüngster Zeit besonders in Deutschland einer erhöhten wissenschaftlichen Aufmerksamkeit erfreuen. So sehr die geschichtliche Einordnung und Würdigung sog. ›Klassiker‹ zu den scheinbar selbstverständlichen Aufgaben einer Historischen Musikwissenschaft zu zählen sind, von der sie bisher exklusiv auf den Bereich artifizieller Musik beschränkt wurde, so sehr scheint die Geschichtsbildung populärer Musik seit jeher Bestandteil einer journalistischen und popkulturellen Praxis zu sein. Einschlägige Magazine und Zeitschriften, Lexika, Leser-,

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Hörer- und Zuschauerumfragen sowie die auf Sammler- und Tauschbörsen meist unbewusst praktizierte Kanonisierung – abzulesen an den horrenden Summen, die für Raritäten und so genannte Meisterwerke der Rockgeschichte gezahlt werden – bilden auf je eigene Weise eine wenn auch mehr oder weniger unsystematische Form der Klassifizierung populärer Musikwerke unter dem Gesichtspunkt ihrer historischen Bedeutsamkeit. Die Geschichtlichkeit populärer Musik hat sich für die Musikindustrie längst als ein erfolgreiches Verkaufsprinzip etabliert, wie das fortwährende zyklische Erscheinen von ›Best of‹- und ›Greatest Hits‹-Alben, Samplern und Gesamteditionen beweist. Der Mythos von der Geschichtslosigkeit populärer Musik, der von kulturkritischer Theorie ebenso gespeist wurde wie von Teilen jener kulturellen Praktiken selbst, die als Bedingung ihrer vitalistischen Präsenz den notwendigen Mangel an Geschichtsbewusstsein hervorhoben, wird von unterschiedlichen Historisierungsversuchen untergraben, die einen gemeinsamen Kanon jedoch bislang nicht kenntlich machen konnten. Johannes Ullmaier geht in seinem Buch Pop Shoot Pop den Gründen nach, die für das Scheitern dieser Versuche verantwortlich sind: »[Es] herrschen in der Regel entweder Horizontbeschränkung, subjektivistische Willkür oder aber das Diktat des Marktes; meistens sogar alles gemeinsam« (Ullmaier 1995: 84). Als Bedingung für eine ästhetisch fundierte Kanonbildung plädiert er für eine wissenschaftliche Historisierung, die eine Reflexion über ihre Werturteile miteinschließt und sich auf den ästhetischen Charakter populärer Musik konzentriert: »Die Notwendigkeit ästhetischer Diskussion ist in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Pop bis jetzt auf so absurde Weise unterschätzt bzw. schlicht vergessen worden, daß es fast angebracht erscheinen könnte, zur Abwechslung einmal für einige Dekaden [...] in einen exzessiven Immanentismus der ästhetischen Popbetrachtung zu verfallen, der nicht länger um die soziologische Erklärung der Ränder zielt, sondern endlich einmal explizit auf das ästhetische Verständnis des Kerns zielt« (Ullmaier 1995: 92f.).

Dieses Zitat macht auf mehrere Aspekte aufmerksam: Es erinnert seinem programmatischen Gestus nach an die Forderung von Chester, den ästhetischen Eigenwert der Rockmusik zu berück-

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sichtigen, kann ihr aber aufgrund einer methodischen Fehlhaltung nicht nachkommen. Die Metapher von Rändern und Kern verrät eine theoretische Konzeption, die den ästhetischen Gehalt des Kunstwerks in die Mitte setzt und alle anderen Betrachtungsweisen (soziologische, wirtschaftliche, rezeptive etc.) an den Rand drängt. Erkennt Ullmaier zwar diese vielfältigen Komponenten in der Realität als ineinander verschränkt, so gilt es ihm in der Theorie, die Ebene bloßen ›Soziologisierens‹ über Pop durch eine historisch-hermeneutische Methode abzulösen, die ihrer Struktur nach an die Praxis der Historischen Musikwissenschaft erinnert. Ein erheblicher Unterschied zu dieser besteht in der vorgeblichen Abkehr von einem normativen Wertekanon hin zu einem deskriptiven. Das heißt, eine Analyse der Werte, die in der Beurteilung populärer Musik an einem bestimmten Ort, zu einem bestimmten Zeitpunkt relevant geworden sind, besitzt keine Aussagekraft über andere und zukünftige Wertmaßstäbe. Zu diesem Schluss gelangt ebenso eine empirische Studie aus der Rezeptionsforschung, die nach intersubjektiv geltenden Kriterien in der ästhetischen Beurteilung von Rockalben in 100er-Listen gesucht hat (vgl. von Appen/Doehring 2000). Aus 21 verschiedenen Leser- und Kritikerlisten, die in einschlägigen Musikmagazinen die Bewertung bedeutender Platten über einen größeren Zeitraum hinweg vornahmen, ließen sich teilweise signifikante Übereinstimmungen in der Beurteilung finden, die somit zumindest tendenziell auf einen einheitlichen Kanon hinweisen, der sich entscheidend von dem durch Verkaufslisten erstellten Kanon der Schallplattenfirmen unterscheidet. Michael Jacksons Thriller, das als eines der meistverkauften Alben gilt, erscheint in dieser Studie auf Platz 50, wobei das Sgt. Pepper-Album der Beatles den ersten Platz belegt und somit den größten Konsens unter allen Befragten erzielte. Aufschluss über die solchen Beurteilungen zugrunde liegenden Kriterien konnten dabei nur die Aussagen von Kritikern geben, die ihre Entscheidungen zu begründen versuchten. Der daraus ermittelte Wertekanon umfasst Kategorien wie Originalität, Innovation, Homogenität, Vielseitigkeit der Künstler, emotionaler Ausdruck und Authentizität; die begriffliche Nähe zur romantischen Ästhetik mit ihrer Ausbildung des Gesamtkunstwerk-Konzeptes ist besonders auffällig. Im Hinblick auf das Beatles-Album heißt es:

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ZU EINER ÄSTHETIK DER POPULÄREN MUSIK »Die Kritiker honorieren die Fertigkeiten der an Sgt. Pepper Beteiligten, stellen seinen multidimensionalen innovativen Charakter heraus und heben die in der Vielfalt der Stile erkennbare Ganzheit des Albums hervor. Sgt. Pepper gilt, ohne das erste zu sein, als Prototyp des Konzeptalbums« (von Appen/Doehring 2000: 242).

Die statistische Auswertung und die durch zahlreiche Reduktionen vollzogene Methode in dieser Studie schüren den Zweifel an einer Allgemeingültigkeit und der Berechtigung des konstruierten Kanons. Schrumpft die empirische Basis auf eine Hand voll Aussagen von Kritikern zusammen, so lässt sich zumindest nachweisen, dass die Argumentationsstruktur dieser Experten überwiegend auf einer textimmanenten Betrachtungsweise gründet. Ob diese ausreicht, um die ästhetische Beurteilung der Musik zufrieden stellend zu erklären, das heißt ob eine ausschließlich durch Expertenwissen legitimierte Kanongenese vollzogen werden kann, um überhaupt einen ›gerechten‹ Kanon aufzustellen, bleibt fragwürdig, solange der soziokulturelle Zusammenhang, in dem sowohl das Musikwerk als auch die Befragten eingebettet sind, im Dunkeln bleiben. Da Kanonisierung immer schon einen Werkbegriff impliziert – ist doch seit der Antike immer eine Sammlung bedeutender Werke damit gemeint –, so ist eine wie von Ullmaier geforderte Anwendung auf Popmusik bereits per se unter Ideologieverdacht. Geht man davon aus, dass Geschichtsschreibung und Kanonbildung nichts anderes als Selektion bedeuten, als eine historische Einteilung in Wichtiges und Unwichtiges, die seit jeher durch die Mächtigen in der Gesellschaft bestimmt wurde, so erscheint es nicht gerade einleuchtend, warum eine unter ästhetischen Gesichtspunkten konstruierte Popmusikgeschichte geschrieben werden soll. Martin Büsser, der zusammen mit Johannes Ullmaier und anderen das deutschsprachige Magazin testcard herausgibt, das als eine ›Anthologie zur Popgeschichte- und theorie‹ verstanden wird, sieht in der wissenschaftlichen Historisierung des Pop die Möglichkeit, dissidente und kritisch-subversive Strukturen innerhalb der Popkultur offen zu legen, die bisher durch den ›Wildwuchs‹ (Willkür und Beliebigkeit des Geschmacks, Marktinteressen, Modephänomene) verdeckt wurden (vgl. Büsser 1998). Die Kanonbildung von populärer Musik kann sich eines normativen Charakters nicht gänzlich entledigen. Sie stellt aufgrund ih-

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rer Werkzentriertheit ein umstrittenes Unterfangen dar, da sie zu einer Methode verleitet, die so genannte ›außermusikalische‹ oder ›kontextuelle‹ Komponenten als marginal begreift. Franz Liebl macht auf diesen Punkt aufmerksam: »Die Geschichte der Popmusik nur aufgrund eines musikanalytischen Instrumentariums aufarbeiten zu wollen, heißt letzten Endes verständnislos mit einem komplexen – weil sozialen und ästhetischen und politischen und ökonomischen etc. – Phänomen wie Lebensform bzw. Lebensgefühl umzugehen« (Liebl 1997: 4).

Um dem Phänomen der Lebensform gerecht zu werden sind methodische Ansätze notwendig, die populäre Musik in ihren vielfältigen kulturellen Zusammenhängen zu verstehen versuchen. Sie werden im nachfolgenden Kapitel insofern eine wichtige Rolle spielen, als sie auf ästhetische Fragestellungen abzielen und dabei das klassische Konzept der ästhetischen Autonomie in Frage stellen. Dies geschieht weniger im geschlossenen Kosmos philosophischer Auseinandersetzungen als vielmehr durch die Heterogenität der durch empirische Praxis motivierten Suche nach Alternativkonzepten, die der kategorisierten Trennung von Kunst und Alltag, Autonomie und Funktion oder Geist und Körper ablehnend oder zumindest skeptisch gegenüberstehen. Die damit einhergehende perspektivische Verschiebung von einem Kunstparadigma zu einem Kulturparadigma eröffnet unterschiedliche Möglichkeiten einer grundlegenden Revision des bisher relevanten Ästhetikbegriffes und seiner Neukonstitution durch eine Veränderung des Bedeutungsgehaltes. Obzwar die Versuche, die ästhetische Dimension populärer Musik über einen kulturwissenschaftlichen Zugang zu erfassen, bisher sehr spärlich ausgefallen sind, sollen sie im Folgenden als Explikation und Weiterführung theoretischer Ansätze innerhalb des Ästhetikdiskurses verortet werden und zur Darstellung kommen. Ihnen vorangestellt ist eine Aufführung der theoretischen Grundlagen für eine neue Ästhetik.

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Populäre Musik als ›Kultur‹ Theoretische Grundlagen für eine neue Ästhetik Cultural Studies und die Ästhetik des Alltags Die frühesten wissenschaftlichen Konzepte, die sich einer dezidierten Beschäftigung mit den Phänomenen der Massen- und Alltagskultur verschrieben haben, ohne dabei die ästhetischen Prämissen der geschichtsphilosophisch grundierten Kulturkritik der Frankfurter Schule zu übernehmen, sind aus dem Bereich der Cultural Studies hervorgegangen. Dass trotz einer nunmehr 50jährigen Tradition und einer zahlreichen Wandlungen und Ausdifferenzierungen unterworfenen Theoriegeschichte eine klar umrissene Definition ihres Tätigkeitsfeldes dem Selbstverständnis der Cultural Studies entgegenzustehen scheint, entbehrt jedoch nicht der Einsicht einer grundlegenden strukturellen Differenz zu den Methoden, wie sie in den bisher dargestellten Ansätzen relevant geworden sind. Wie die von Udo Göttlich gegen die hiesige Kulturwissenschaft unternommene Abgrenzung deutlich macht, geht es den Cultural Studies »um die Analyse besonderer historischer Konfigurationen oder Formationen, die die strukturalen Bedingungen sozialer Praxen, Ereignisse oder kultureller Zeugnisse, wie z. B. Texte, hervorbringen, was angesichts globaler Differenzierungsprozesse ein Erkenntnisanspruch ist, den die geisteswissenschaftlich orientierte Kulturwissenschaft mit ihrem Anspruch auf Kanonisierung [...] so nicht einlösen kann« (Göttlich 2001: 33).

Aus einer historisch spezifischen Problemkonstellation heraus sind die Cultural Studies Mitte der 1950er Jahre erwachsen, als sich innerhalb der in England geführten Kulturdebatte eine Neue Linke herausbildete, um gegen den evolutionistisch-elitären Kulturbegriff anzukämpfen, der von einigen Kulturkonservativen vertreten wurde und besonders in den Arbeiten von F. R. Leavis und Denys Thompson zur Geltung kam. Der Rückbezug auf den viktorianischen Humanisten Matthew Arnold, der Kultur als »the best which has been thought and said in the world« (Arnold 1961: 6) begriffen hatte, stand in krassem Gegensatz zu den Bemühungen der Cultural Studies, die auf die Auflösung der Dicho-

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tomie von hoher und niederer Kultur abzielten und schließlich einen demokratisierten Kulturbegriff etablieren konnten. Dieses neu gefasste Kulturverständnis bleibt nicht mehr nur auf bestimmte Produktionen und Objekte, die eine Gesellschaft hervorgebracht hat, oder auf ein akkumuliertes Wissen beschränkt, sondern umfasst vielmehr deren Beziehung zur sozialen Praxis und, mehr noch, den gesamten Bereich gesellschaftlicher Bewegungsabläufe. Kultur nicht mehr nur als Kunst zu verstehen, sondern als eine ganze Lebensweise, in der Kunst nur eine untergeordnete und mit anderen gleichberechtigte Kategorie darstellt, entspricht der von Raymond Williams geforderten anthropologischen Auffassung von Kultur als »a whole way of life« (Williams 1958: xviii). Die Cultural Studies, deren Institutionalisierung im Jahre 1964 durch die Gründung des Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) in Birmingham erfolgte, lieferten mit ihrem kulturanalytischen Ansatz die Möglichkeit, alle in einer Kultur zirkulierenden Gegenstände und Symbole, also auch solche der alltäglichen und populären Kultur, zum Gegenstand der Forschung zu machen und ihre Bedeutungen aus ihren jeweiligen spezifischen Verwendungszusammenhängen heraus zu erschließen. Der strukturalistische Einfluss macht sich hierbei geltend, hat doch de Saussures folgenreiche Trennung von Signifikat und Signifikant eine semiotische Wende herbeigeführt, die von den Cultural Studies auf die Analyse sozial produzierter Materialien übertragen werden konnte. Kulturelle Texte, wie zum Beispiel ein Bild, ein Kinofilm oder ein Song, enthalten keine fixierten Bedeutungen, die sich aus der strukturellen Beschaffenheit ihres Materials ablesen lassen. Sie fungieren nicht als Träger eines absoluten, unveränderlichen Sinngehaltes, der durch eine adäquate Textanalyse herausgearbeitet werden könnte. Vielmehr liegt die Konstitution von Bedeutung auf der Seite der Rezeption, in den vielfältigen Gebrauchs- und Aneignungsprozessen dieser Texte durch Einzelpersonen und unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen und Schichten, deren soziale Praxis im Rahmen sich stets wandelnder Machtkonstellationen vollzogen wird. Theoretische Anleihen bei Gramsci und Foucault machen deutlich, dass es sich bei den kulturellen Praktiken einzelner Personen, Subkulturen oder Klassen um einen niemals endenden Kampf um Bedeutungen handelt, der durch Aufrechterhaltung, Verteidigung, aber auch durch Widerstand und Zurückdrängung einzelner Positionen

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im sozialen Raum schließlich immer auch ein Kampf um Macht ist, der ständig neu ausgetragen wird. Folgt man dieser theoretischen Grundausrichtung der Cultural Studies mit ihrer Einsicht, dass in kulturellen Texten und Praktiken keine einheitliche Bedeutung eingeschrieben ist, die durch textimmanente oder historisch-hermeneutische Methoden offen gelegt werden könnte, sondern dass Bedeutung vielmehr ein Resultat eines aktiven Prozesses innerhalb der Rezeption darstellt, der sich entlang ökonomischer, ideologischer, klassen- und geschlechtsspezifischer sowie weiterer Komponenten gestaltet und als produktiver Akt der ›Artikulation‹ begriffen wird, so wird klar, dass ein adäquates analytisches Instrumentarium auf einer kontextuellen Ebene ansetzen muss, um die Bedeutung eines kulturellen Textes in der historisch spezifischen Singularität einer konkreten sozialen Konstellation aufzuspüren. Die Absicht, die Bedeutungsstrukturen der populären Kultur (popular culture) im Hinblick auf ihre gesellschaftlichen Bedingungen und Ausmaße hin zu erforschen, offenbart eine grundlegende Nähe zu den Verfahren der interpretativen Ethnographie. Clifford Geertz vergleicht diese mit dem Versuch, »ein Manuskript zu lesen (im Sinne von ›eine Lesart entwickeln‹), das fremdwürdig verblaßt, unvollständig, voll von Widersprüchen, fragwürdigen Verbesserungen und tendenziösen Kommentaren ist, aber nicht in konventionellen Lautzeichen, sondern in vergänglichen Beispielen geformten Verhaltens geschrieben ist« (Geertz 1987: 15).

Es wird deutlich, dass durch die maßgeblichen Charakteristika der Cultural Studies – den empirischen Ansatz, den prozessual und holistisch gedachten Kulturbegriff und das »active audience paradigm« (Barker 2000: 46) – eine theoretische Konzeption umrissen wird, die konträr zu den Methoden und Perspektiven Adornos und der Frankfurter Schule steht. Dass Konsum innerhalb der populären Kultur nicht zwangsläufig und ausschließlich durch Passivität, Manipulation oder Betrug am rezipierenden Subjekt gekennzeichnet ist, sondern ebenso Handlungsspielräume eröffnen kann, indem er zugleich Potential für Widerstand, Aktivität, Kreativität, Lust und Freude in sich birgt, haben die Arbeiten von Michel de Certeau, John Fiske u.a. gezeigt.

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Mit dieser neuen Perspektive haben die Cultural Studies einen Weg geebnet, der populäre Musik als Teil einer Jugend- oder Subkultur begreift, ohne deren Analyse eine qualitative Aussage über die Musik und das Verständnis für ihre gesellschaftliche Tragweite unmöglich bliebe. In dem von Stuart Hall und Paddy Whannel verfassten Aufsatz ›The Young Audience‹, der als frühester Beitrag der Cultural Studies zur populären Musik angesehen werden kann, wird noch die Ambivalenz deutlich, die mit der Beurteilung des wissenschaftlichen Gegenstandes einhergeht. Einer vorschnellen ästhetischen Verurteilung populärer Musik versuchen sich die beiden Autoren zu erwehren, indem sie auf einen »lack of vocabulary of criticism« (Hall/Whannel 1994: 74) hinweisen, der ein angemessenes Werturteil über die Musik nicht zulässt. Weiterhin heißt es: »For it is more difficult to judge, keeping one's respect both for the lively qualities embodied and the standards of light entertainment generally, the quality of music which is so entwined with the cult of its own presentation, so mixed in with the mystic rites of the pop singer and his mythology and so shot through with commercialism. It might be said, then, that the pops cannot be judged at all« (Hall/Whannel 1994: 74).

Der wissenschaftliche Respekt und die angebliche Wertneutralität, die der populären Musik entgegengebracht werden, bleiben dennoch von einer grundsätzlichen ästhetischen Fragwürdigkeit überschattet, die sich im letzten Satz des Kapitels offen bekundet: »The worst thing which we would say of pop music is not that it is vulgar, or morally wicked, but, more simply, that much of it is not very good« (Hall/Whannel 1994: 75). Sowohl diese hier angebrachte Skepsis an den vermeintlich ästhetischen Werten der populären Musik, die ja ebenfalls von Vertretern der klassischen Musikwissenschaft geteilt wird, als auch die bloße Zuweisung eines Kunstanspruchs, welche die populäre Musik in die europäisch-abendländische Kunsttradition einzureihen und mit den Mitteln einer tradierten Ästhetik zu begründen versucht, markieren eine Problematik, die die theoretische Konzeption der Cultural Studies spätestens seit den 1970er Jahren endgültig hinter sich gelassen hat. Werturteile über kulturelle Texte oder Praktiken auf der Grundlage einer unzeitgemäß gewordenen Äs-

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thetik werden vermieden, ist man doch zur Einsicht gelangt, dass Ästhetik als Ausdruck von Ideologie fungiert und daher abzulehnen ist. Dass ›Ideologie‹ ein zentrales Konzept der Cultural Studies darstellt, trägt ihrer politischen Dimension Rechnung, haben doch die Bedingungen der Möglichkeiten von Werturteilen sich von einer ästhetischen auf eine politische Ebene verlagert. Die Kritik an einem kulturellen Phänomen richtet sich daher nicht an dessen gestaltspezifische Beschaffenheit als künstlerische Umsetzung eines geistigen Gehalts, sondern widmet sich vielmehr den dahinter liegenden Machtdiskursen mit ihren sozialen und politischen Implikationen. Das Aufdecken der kulturellen Zusammenhänge, in die ein Text eingebettet ist, stellt das primäre Anliegen der Cultural Studies dar: »Cultural Studies have developed evaluative criteria based on political values and ideological analysis (rather than aesthetics) so that the role of criticism becomes the development of a more profound understanding of our cultural and symbolic processes and the way in which they are connected to social, political and economic power« (Barker 2000: 43).

Das komplexe und vielfältig vermittelte Verhältnis zwischen einem kulturellen Text und den ihn umgebenden Gebrauchs- und Verhaltensweisen, die seine Bedeutung erst konstruieren, bildet das zentrale Interesse des Cultural Studies-Ansatzes, dessen Anwendung auf populäre Musikformen Ende der 1970er Jahre in den mittlerweile zu Klassikern avancierten Subkulturstudien von Paul Willis und Dick Hebdige erfolgte. Am Beispiel von MotorradGangs und Hippies untersuchte Willis mit Hilfe des HomologieBegriffes von Claude Lévi-Strauss die symbolische Stimmigkeit zwischen den alltäglichen Lebens- und Verhaltensweisen, Gegenständen, sozialen Beziehungen, Werten, Erfahrungen und den Musikformen, die innerhalb einer Gruppe herrschten. Er erkannte, dass die Bedeutung von Musik keineswegs starr an die klangliche Textur gebunden ist, sondern von der strukturell-homologischen Beziehung zu dem in einer Kultur aufgebauten Verhaltens- und Wertesystem abhängig bleibt. Die darin zirkulierenden Objekte werden von den Mitgliedern der Gruppe in eine für sie kohärente Symbolwelt integriert, in der die Musik nur einen Bestandteil unter anderen (zum Beispiel Kleidung, Tanz, Acces-

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soires) darstellt. Dass auf diese Weise subversive Bedeutungen organisiert werden und schließlich zu kulturellen Veränderungen führen können, zeugt, nach Willis, von der Fähigkeit kultureller Minderheiten, einen eigenen Lebensstil, einen sozialen Code, entwickeln zu können, der nicht gänzlich vom herrschenden System der Medien und des kapitalistischen Warenmarktes absorbiert wird. 12 Subversion bildet jedoch kein absolutes Wesensmerkmal von Subkulturen, sondern bildet allenfalls ein Moment innerhalb eines stets veränderlichen, dynamischen Prozesses, der als »Zyklus von Opposition zu Entschärfung, von Widerstand zu Vereinnahmung« (Hebdige 1998: 392) gedacht werden kann. Hebdige hat in seinem Ansatz den Bereich der in einer Kultur herrschenden Zeichen ausgeweitet und einen Stilbegriff entwickelt, der unter Rekurs auf Umberto Eco allen Objekten, nicht nur den intendierten, eine Zeichenhaftigkeit, somit eine Bedeutung, zugesteht. ›Stil‹ meint somit mehr als nur einen musikalischen Stil, er umfasst ein komplettes Zeichensystem, dessen Bedeutungsstruktur zum Träger sozialer Distinktion wird und die Identität einer jeweiligen Kultur repräsentiert: »Damit steckt hinter den Stilen aller auffälligen Subkulturen der primäre Sinn, einen bedeutungsvollen Unterschied (und parallel dazu eine Gruppenidentität) mitzuteilen« (Hebdige 1998: 394). Hebdige zeigt diesen Sachverhalt an den britischen Punks der 1970er Jahre auf, die in einer kreativen Praxis (›bricolage‹) eine Rekontextualisierung von Gegenständen und Verhaltensformen vollzogen. Die gängige Ordnung eines Zeichensystems wurde aufgebrochen, indem die Objekte aus ihren bestehenden Bedeutungszusammenhängen herausgelöst, entkoppelt und in eine für den sozialen Gebrauch der Punks neu gegliederten Ordnung sinnvoll integriert wurden. Die aus dem häuslichen Zweckzusammenhang befreite 12 Willis macht darauf aufmerksam, dass genau dieser in den Subkulturen der Hippies und Rockers zelebrierte Lebensstil die Möglichkeit eines politischen Machtkampfes zum Scheitern brachte und die Veränderungen sich dadurch nur auf kultureller, nicht auf politischer oder institutioneller Ebene abspielten. In geradezu marxistischer Manier räumt er jedoch ein: »Dennoch lehren uns diese Kulturen, daß es zu einer revolutionären kulturellen Veränderung nur aufgrund einer Reinterpretation, einer Umbildung des Bewusstseins und der Gärung von unten hochkommen wird, von dort, wo es um die trivialsten, alltäglichsten und gewöhnlichsten Dinge geht« (Willis 1981: 24).

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Sicherheitsnadel, die als Gesichts- und Körperornament zum Kultsymbol der Punkbewegung avancierte, bildet neben gefärbten Haaren, zerrissenen Kleidern, unflätigem Benehmen, aggressiver und lauter Musik, skandalösen Konzerten, eigenen Fanzines und anderen ausdrucksstarken Mitteln den besten Beleg für die Neustrukturierung von Bedeutungen innerhalb eines kulturellen Stils. Der Punkrock als eine destruktiv-dilettantisch anmutende Musikform erhält in der symbolischen Ordnung dieses Stils, den er zugleich verkörpert, seine soziale Berechtigung und Relevanz. Es ist in Hebdiges Arbeit auffällig, dass der Zusammenhang zwischen kulturellem und musikalischem Stil weitgehend unterbelichtet bleibt, gelingt es ihr doch nicht, die musikalischen Parameter der im Punkrock auftretenden Klanggestalten aus der Struktur des sozial organisierten Stils heraus zu erklären. Aspekte konkreter klanglicher Phänomene werden genauso ausgeblendet wie Fragen nach der Beschaffenheit des musikalischen Materials. Eine ausreichende Begründung und Erklärung des Problemkomplexes, der sowohl die spezifische Besonderheit der Musik unter den Bedingungen von Produktion, Distribution und Konsumption als auch die ästhetische Qualität der Songs und Platten der Punkmusiker in ihrem Verhältnis zum kulturellen Stil umfasst, bleibt Hebdige seinen Lesern schuldig. Obwohl die Erklärungsansätze von Willis und Hebdige auf einer kulturellen Ebene stehen bleiben und die musikalischen Objekte nicht in ihren klanglichen Eigenarten zu erfassen vermögen, ist doch deutlich geworden, dass ein Konzept, das Musik vornehmlich als kulturelle Praxis definiert, einen anderen Zugang innerhalb der Forschung zu populärer Musik eröffnet als der von den geisteswissenschaftlich dominierten Ansätzen geprägte. Die dichotomische Struktur zwischen Kunst und Alltag oder niederer und hoher Kultur wird durch den Kulturbegriff der Cultural Studies bereits im Ansatz überwunden, was jedoch nicht zur Annahme verleiten sollte, dass dadurch die faktische Existenz dieser Dualismen innerhalb einer Gesellschaft geleugnet würde. Als Ausdruck realer Machtverhältnisse und Ideologien bilden gerade jene Dichotomien das bevorzugte Untersuchungsobjekt der Cultural Studies. Hieraus motiviert sich auch deren prinzipielle Ablehnung der idealistischen Ästhetik, die diese Dichotomien philosophisch erst begründete und festigte.

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Pierre Bourdieus ›Populäre Ästhetik‹ Das von den Cultural Studies verhängte Verdikt über die traditionelle Ästhetik verdankt sich der Einsicht in die ideologischen Strukturen des ästhetischen Universalismus, der sich maßgeblich durch das Konzept der Autonomie der Kunst mit all seinen Implikationen zu erkennen gibt. Als Auslöser einer Tradition, die sich auf Konzepte wie Formalismus, Zentrierung von Werk und Individuum oder Geniekult beruft, sieht sich besonders die Ästhetik Kants in den Mittelpunkt einer Kritik gerückt, der sich auch einige Vertreter innerhalb des Diskurses über populäre Musik angeschlossen haben. Deren Einblick in die Beschaffenheit und Funktionsweise populärer Musik begründet die ablehnende Haltung gegenüber den Regeln einer normativen Ästhetik, deren mögliche Applikation auf das musikalische Phänomen gemeinhin als inadäquat eingestuft wird (vgl. Wicke 1982: 228, Baugh 1993: 24, Nehring 1997: 34-36). Bildet dabei vor allem populäre Musik den Bezugspunkt für eine Kritik an Kant, so lässt sich das darin entfaltete Begründungsmuster in einen übergeordneten theoretischen Zusammenhang stellen, der im Rahmen der Bourdieuschen Analyse der Kritik der Urteilskraft verdeutlicht werden kann. Der von Bourdieu erhobene Haupteinwand gegen die ›reine‹ Ästhetik Kants zielt auf die gesellschaftliche Dimension des interesselosen Wohlgefallens ab. Er versucht aufzuzeigen, dass Kant in seinen transzendentalen Untersuchungen zum Geschmacksurteil einer fundamentalen Verfehlung, einer ›scholastischen Illusion‹ (vgl. Bourdieu 2001a: 94-99) zum Opfer fällt, die darin liegt, die sozialen Bedingungen der Möglichkeit dieses Urteils nicht mitgedacht, sondern verschwiegen zu haben. Die ästhetische Einstellung, die den doppelten Bruch mit der alltäglichen Einstellung zur Welt und damit auch zur Gesellschaft voraussetzt, ist nach Bourdieu nicht naturgegeben, sondern bildet vielmehr das Produkt historisch und gesellschaftlich spezifischer Existenzbedingungen, die sich auf zweifache Weise konstituieren: aufgrund der »langwierigen Herausbildungen eines autonomen Universums, des Feldes der Kunst nämlich« und der »Besetzung von Positionen im sozialen Raum, auf denen sich [...] die ›reine‹ Disposition, die zu [...] rein ästhetischem Vergnügen führt, herausbilden kann« (Bourdieu 2001a: 94). Geschmack stellt für Bourdieu keineswegs eine wertneutrale Kategorie dar, sondern ein soziales Distinktionsmittel, das, als ein »Natur gewordenes, inkorporier-

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tes gesellschaftliches Verhältnis« (Bourdieu 1987: 783) begriffen, ein strategisches Kriterium für denjenigen darstellt, der seine soziale Überlegenheit gegenüber anderen verdeutlicht, sein kulturelles und symbolisches Kapital im Spiel gesellschaftlicher Machtkämpfe meist gezielt (aber oft auch unbewusst) einsetzt und somit seinen privilegierten Status im sozialen Raum zu manifestieren versucht. Für eine hierarchisch aufgebaute kapitalistische Gesellschaft mit ihren komplexen und vielfältig miteinander verwobenen Beziehungsstrukturen, die Bourdieu in seinem Buch Die feinen Unterschiede am Beispiel der modernen französischen Gesellschaft untersucht, bedeutet der reine Geschmack, der sich ja erst durch die Befreiung von ökonomischen Zwängen ausbilden kann, nichts weiter als die Fähigkeit, sich innerhalb des sozialen Raumes nach unten hin abzusichern und zugleich die Gemeinschaft mit denen zu formulieren, die auf gleicher Stufe stehend die Möglichkeit der ästhetischen Einstellung teilen. Bourdieu interpretiert den Geschmack als Ausdruck von ›Klassenkämpfen‹, in denen die subtilen Mechanismen von sozialer Ein- und Ausgrenzung zum Tragen kommen. Geschmack ist demnach sozial produziert und klassenspezifisch differenziert und nicht ahistorisch und universell, wie es die Kantische Ästhetik suggeriert. Obwohl er in seiner empirischen Studie drei zentrale Geschmacksdimensionen (legitimer, mittlerer, populärer) unterscheidet, die mit drei verschiedenen Bildungsniveaus und gesellschaftlichen Klassen übereinstimmen, reduziert Bourdieu den gesellschaftlichen Zusammenhang auf eine prinzipielle dichotome Struktur (Bourgeoisie/Proletariat, hohe Kunst/Massenkultur), die er in die Kantische Theorie zurückverlegt und dort in der Unterscheidung von Reflexions- und Sinnengeschmack wieder findet. Die in dieser Konzeption enthaltenen gesellschaftlichen Implikationen, die einem »ungeheuren Akt der Verdrängung« (Bourdieu 1987: 756) zum Opfer gefallen sind und durch Bourdieu aufgedeckt werden, umfassen mehrere Aspekte, die der etymologischen Bedeutung des Wortes aisthesis als sinnlicher Wahrnehmung näher stehen als der Ästhetik Kants, deren »gesamte Sprache [...] in einer fundamentalen Ablehnung des Leichten befangen ist« (Bourdieu 1987: 757). So sind es die sinnlich-körperlichen, alltäglichen, unmittelbaren Freuden und Empfindungen und die Überordnung der Funktion über die Form, die dem barbarischen Geschmack unterliegen und der Geschmacksdisposition

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der oberen Klasse gegenüberstehen, die darauf mit Widerwillen und Ekel reagiert, um ihren gereinigten und sublimierten Geschmack zu wahren.13 Des weiteren weist Bourdieu auf den imperativen Gestus des Kantischen Unternehmens hin, der angesichts eines humanistischen Ideals moralische Wertvorstellungen impliziert und dabei ein »Monopol auf Menschlichkeit« (Bourdieu 1987: 766) geltend macht, das in seinem Postulat der Gleichheit aller Menschen die de facto herrschenden sozialen Ungleichheiten verleugnet. Das grundlegende Problem, das die Bourdieusche Kritik herausstellt, ist die in der Kantischen Konzeption angelegte Existenz eines »magischen Einschnittes zwischen Empirischem und Transzendentalem« (Bourdieu 1987: 764) – eine methodische Schwierigkeit, die auf die Bourdieusche Kritik selbst zurückfällt. Eine Kritik an der transzendentalanalytischen Studie Kants von einer soziologischen Warte aus sieht sich mit den Regeln und Begrenzungen zweier unterschiedlicher Diskurse konfrontiert, in denen eine Kritik, die nicht immanent verfährt, ihre Legitimationskraft einbüßt. Deutlich wird dies an einer Fußnote bei Kant, die als eine der sehr wenigen Stellen in seiner Arbeit auf die gesellschaftliche Dimension des Geschmackes eingeht: »Ein Urteil über einen Gegenstand des Wohlgefallens kann ganz uninteressiert, aber doch sehr interessant sein, d. i. es gründet sich auf keinem Interesse, aber es bringt ein Interesse hervor; dergleichen sind alle reine moralische Urteile. Aber die Geschmacksurteile begründen an sich auch gar kein Interesse. Nur in der Gesellschaft wird es interessant, Geschmack zu haben« (Kant 1994: 117).

Kants Intention liegt in einer philosophischen Bestimmung des Geschmacksurteils, die auf der Logik des Begriffes und des ›vernünftigen‹ Denkens gründet und gerade in ihrer radikalen Abstraktion von gesellschaftlichen Zuständen ein gesellschaftliches Potential zu eröffnen imstande ist.14 Bourdieus Einwand, der sich 13 Bei Kant heißt es: »Ein Geschmacksurteil, auf welches Reiz und Rührung keinen Einfluß haben [...], welches also bloß die Zweckmäßigkeit der Form zum Bestimmungsgrunde hat, ist ein reines Geschmacksurteil« (Kant 1994: 139 [§13]). 14 Dies wäre zumindest die Argumentation, die sich einer Autonomie des Theoretischen, das immer schon Praxis enthält, und damit eines Selbstverständnisses der Philosophie verpflichtet fühlte.

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gegen den in dieser Dialektik angebundenen Absolutheitsanspruch (Reinheit des Denkens) richtet, erhält hier die Dimension eines Affronts gegen die gesamte neuzeitliche Philosophie, der in diesem Sinne nur als ein von außerhalb des philosophischen Diskurses erfolgender sein kann. 15 Indem er die Theorie des Geschmacks an die Dichotomie von Bourgeoisie und Volk zurückbindet und dadurch sozial zu fundieren versucht, beabsichtigt Bourdieu die Aufhebung der ›magischen‹ Trennung von Philosophie und Empirie, reinem und unreinem Geschmack, Form und Funktion, Kunst und Alltag. Als einer an sozialer Praxis orientierten Theorie des Ästhetischen formuliert er das Konzept der ›populären Ästhetik‹. Hierzu stellt er fest: »Alles spricht dafür, daß ›populäre Ästhetik‹ sich darauf gründet, zwischen Kunst und Leben einen Zusammenhang zu behaupten (was die Unterordnung der Form unter die Funktion einschließt), oder, anders gesagt, auf der Weigerung, jene Verweigerungshaltung mitzuvollziehen, die aller theoretisch entfalteten Ästhetik zugrunde liegt, d. h. die schroffe Trennung zwischen gewöhnlicher Alltagseinstellung und genuin ästhetischer Einstellung« (Bourdieu 1987: 64).

Der Begriff ›populär‹ wird von Bourdieu in doppelter Bedeutung gebraucht und erscheint daher missverständlich. Einerseits wird er in Abgrenzung zur reinen Ästhetik als Bezeichnung für den Geschmack des einfachen Volkes verwendet, andererseits meint er ein ästhetisches Konzept, das die beiden getrennten Sphären miteinander zu versöhnen versucht. Es geht ihm darum, die durch die klassische Ästhetik ausgegrenzten Momente wieder einzugliedern und in einer Theorie sichtbar zu machen, die dem Begriff aisthesis gerecht wird. Das Leichte, Oberflächliche und Körperlich-Sinnliche soll darin ebenso wenig ignoriert werden wie die praktische Funktion. Wurde populäre Musik nach den Regeln der klassischen Musikästhetik als eine Sphäre begriffen, in der sich diese ausgegrenzten Momente verdichteten, und sie deshalb im Zuge eines Ausschließungsprozesses nur über ihre

15 Obwohl er sich dieser Tatsache bewusst ist, wie die doppeldeutige und nicht minder selbstironische Bezeichnung seiner Ausführungen als ›Vulgärkritik‹ (Bourdieu 1987: 756) zeigt, gilt diese ihm zugleich als Versuch, beide Diskurse – den philosophischen und den empirisch-soziologischen – einander anzunähern.

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Funktion definiert bleiben konnte, so erhält sie nun die Möglichkeit einer ästhetischen Rehabilitation. Bourdieus Konzept vollzieht eine Dekonstruktion der klassischen Autonomieästhetik auf der Basis empirischer Sozialstudien. Für die Analyse kultureller Werke ist die Einsicht in die Strukturen des kulturellen Feldes, in dem diese produziert werden, ebenso unerlässlich wie die Kenntnis der Entstehungsgeschichte des Feldes. Ähnlich wie Willis und Hebdige geht Bourdieu von einer grundsätzlichen strukturellen Homologie zwischen Werk und sozialem Umfeld aus, mit dem Unterschied jedoch, dass bei ihm die Struktur der Werke mit der Struktur eines Feldes korrespondiert, einem Kraftfeld, in dem unterschiedliche Akteure beteiligt sind und in ständiger Auseinandersetzung um den Erhalt oder die Veränderung der bestehenden Machtverhältnisse kämpfen. Entscheidend hierbei ist, dass die in einem Feld ausgetragenen Machtkämpfe nie unberührt von externen, außerhalb des Feldes wirkenden Faktoren, bleibt. Am Beispiel des künstlerischen Feldes des L'art pour l'art zeigt Bourdieu, dass der Stand der Autonomie einen hohen Grad erreicht hat, der durch unterschiedliche Kategorien geprägt wurde: Dichotomie von Kunst und Geld, künstlerische Unabhängigkeit vom Markt, Freiheit von ökonomischen Zwängen und Funktionen, ein der ›reinen‹ Ästhetik verpflichtetes Ethos des Künstlers etc. Dass diese Faktoren sich in einem langwierigen Prozess erst geschichtlich herausbilden mussten und durch die Konstellationen und Auseinandersetzungen in anderen Feldern (dem politischen, ökonomischen, wissenschaftlichen etc.) nicht unbeeinflusst geblieben sind, macht das kulturelle Feld prinzipiell zu einem ›relativ autonomen‹ (vgl. Bourdieu 1998: 62-74, 2001b: 449-489). Bourdieus Begriff der ›relativen Autonomie‹ bezieht sich auf die Beschaffenheit eines Feldes, das als ein Ort sozialer Interaktionen konzipiert wurde, und lässt sich daher kaum als ein legitimer Gegenentwurf zu dem auf erkenntnistheoretischen Interessen basierenden Autonomiemodell Kants lesen. Während Bourdieu den gesellschaftlichen Stellenwert von Kunst auf die sozialen und ökonomischen Bedingungen der historischen Genese ihres Produktionsfeldes zurückbezieht, zielt die Kantische Versöhnung von Sinnlichkeit und Verstand auf die Autonomie des Ästhetischen, die in ihrer epistemologischen Tragweite nicht auf eine bloße Kunsttheorie reduziert werden kann.

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Ob Bourdieus harsche Kritik an der ästhetischen Konzeption Kants vollends gerechtfertigt ist, erscheint angesichts seines vorrangigen Interesses an der gesellschaftlichen Dimension von Kunst fragwürdig. Ob er den Gefahren einer selektiven Lektüre der Kritik der Urteilskraft anheim gefallen ist, wie Gracyk vermutet (vgl. Gracyk 1996: 215), und seine Argumentation dabei durch eine strategische Interpretation vielleicht selbst ideologische Momente aufweist, soll an dieser Stelle nicht entschieden werden. Vielmehr bleibt festzuhalten, dass seine Theorie der Felder einen soziologischen Ansatz bildet, der für die Forschung und Theoriebildung der populären Musik fruchtbar gemacht werden kann. Die Bewegungsgesetze und die Geschichte eines Feldes der populären Musik, das durch die unterschiedlichen Interessen der darin involvierten Akteure (Musiker, Produzenten, Industrie, Medien, Kritiker, Rezipienten), aber auch durch externe Einflüsse (zum Beispiel politische Umwälzungen, ökonomische Krisen, technologische Entwicklungen) konstruiert wird, müssten in einem selbstreflexiven Wissen um die relative Autonomie des Feldes einer Analyse unterzogen werden, um die Kohärenz zur Struktur der musikalischen Werke verstehbar zu machen.

Ästhetik des Körpers Die thematische Ausgrenzung der populären Musik aus dem musikästhetischen Diskurs erfolgte, wie bereits gezeigt wurde, auf der theoretischen Grundlage des klassischen Autonomiemodells, das durch die einseitige Präferenz für den ›Geist‹ in einer eigentümlichen Verzerrung des Gleichgewichts von Sinnlichkeit und Verstand mündete. Die erfolgreiche Konstitution eines philosophisch begründeten Paradigmas des ›Geistes‹ konnte nur durch die gleichzeitige Verdrängung des ›Körperlichen‹ vollzogen werden. Die Auffassung, dass populäre Musik durch ihr enges Verhältnis zu Tanz und körperlichen Ausdrucks- und Bewegungsformen eine zentrale Komponente in ihrem Bezug auf das SinnlichLeibliche besitzt, ist weit verbreitet und wird ja auch von jenen geteilt, die genau darin den Grund des ästhetischen Mangels sehen. Es ist nahe liegend, dass eine ästhetische Konzeption, die eine positive Bewertung populärer Musik nicht ausschließt, das Eigenrecht des Sinnlichen zu berücksichtigen versucht und dabei an einer Neubestimmung des Körperbegriffes ansetzen kann. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit und systematische Abge-

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schlossenheit zu erheben, sollen im Folgenden drei sehr unterschiedliche Ansätze aus unterschiedlichen Kontexten erwähnt werden, die, jenseits einer philosophischen Autonomieästhetik, auf je eigene Weise den Begriff des Körpers thematisieren und dadurch für die Theoriebildung populärer Musik interessant werden. Wie bereits angedeutet wurde, bildet der theoretische Ansatz von Pierre Bourdieu einen breit angelegten interdisziplinären Versuch zur Überwindung gängiger Dichotomien, sei es der von hoher und niederer Kultur, reinem und unreinem Geschmack, Soziologie und Philosophie, Subjektivismus und Objektivismus oder Individuum und Gesellschaft. Die Kategorie des Geschmacks, die als ein klassenspezifisches Distinktionsmittel eingeführt wurde, fungiert dabei in besonderer Weise als eine Vermittlungsinstanz zwischen zwei Seiten, der objektiven Struktur kultureller Objekte und den im Umgang mit diesen Objekten vollzogenen subjektiven und individuellen Wahrnehmungs- und Handlungsweisen. Wenn Bourdieu den Geschmack »als Natur gewordene, d. h. inkorporierte Kultur, Körper gewordene Klasse« und den Körper als »die unwiderlegbarste Objektivierung des Klassengeschmacks« (Bourdieu 1987: 307) begreift, koppelt er die soziale Dimension des Geschmacks an die physische Beschaffenheit eines materialen Körpers. Der durch Sozialisation und Bildung erworbene Geschmack schreibt sich in die Struktur des Körpers ein, er wird einverleibt. Sichtbar wird dies an den scheinbar natürlichen Dimensionen und Formen des Körpers (Umfang, Größe, Gewicht, rundlich, steif, gebeugt), aber auch an ihren Derivaten (Physiognomie, Ausstrahlung, Make-up, Accessoires) und an dem Umgang mit dem eigenen Körper (Ernährung, Pflege). Das Verhältnis zum Körper, das jeder Mensch durch seine Körperhaltung, seine Bewegungen, Gesten und Darstellungen ausdrückt, korrespondiert mit der Haltung des Menschen zu sich selbst und zur Welt. In dieser »körperliche[n] Hexis« (Bourdieu 1987: 739) manifestieren sich die durch den eigenen gesellschaftlichen Status bedingten Erlebnisse und Erfahrungen. Der Körper als Ausdrucksträger distinktiver kultureller Zeichen wird, wie auch der Geschmack, als sozial konstruiert angesehen. Indem Bourdieu den Körper als ein Produkt sozialer Praxis bestimmt, durch das eine Erfahrung von Praxis erst möglich wird, liefert er damit die theoretische Voraussetzung für seine Konzeption des Habitus. Der Habitus wirkt

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als ein »Erzeugungsprinzip« (Bourdieu 1987: 277) sozialer Praxisformen und bildet in theoriearchitektonischer Hinsicht das Bindeglied zwischen den in einem Feld wirkenden materiellen und kulturellen Bedingungen und Mechanismen und den individuellen Wahrnehmungs- und Handlungskategorien der einzelnen Akteure innerhalb des sozialen Raumes. Das Zusammentreffen von gesellschaftlichen Strukturen, die durch einen Transformationsprozess im Habitus verinnerlicht werden und als deterministische Komponente den Handlungsspielraum der Akteure festlegen, und den für die sozialen Praktiken jedes Einzelnen relevanten alltäglichen Wahrnehmungsstrukturen, in denen eine gewisse Handlungsfreiheit angelegt ist, findet im Habitus statt, der als ein ›sozialer‹ oder ›sozialisierter‹ Körper zu verstehen ist, als eine Leib gewordene Gesellschaft. 16 Dadurch, dass objektive soziale Strukturen nur durch soziale Praktiken existieren können, die wiederum in die Leiblichkeit der Akteure rückübersetzt werden, ist im Habituskonzept eine epistemologische Dimension angelegt, die sich von rationalistischen Vernunfttheorien und Bewusstseinsphilosophien radikal unterscheidet. Im Gegensatz zur Auffassung, kulturindustriell und massenmedial organisierte populäre Musik als Ausdruck eines falschen Bewusstseins zu interpretieren, bietet die Habitustheorie die Möglichkeit, populäre Musik als eine soziale und leibliche Praxis zu erklären und einen Zugang zu ihr gerade über die auffällige Körperbezogenheit, durch rhythmischmotorische Bewegungsabläufe, Tänze, inszenierte und zelebrierte Körperkulturen zu eröffnen. Einen semiologischen Ansatz, der den Begriff des Körpers mit Erlebnisweisen von Freude, Lust und Genuss verbindet, liefern die poststrukturalistischen Arbeiten von Roland Barthes. In seinem Buch Die Lust am Text geht er den unterschiedlichen Mechanismen nach, die bei der Lektüre eines geschriebenen Textes im Leser ein Gefühl von Lust erzeugen. Er unterscheidet dabei zwischen plaisir (Lust) und jouissance (Wollust), wobei erstere sich aus den sozial produzierten und konventionalisierten Strukturen von Bedeutung ergibt. Sie unterliegt der Kontrolle gesellschaftlicher und ideologischer Strukturen, innerhalb derer sich 16 Theoriegeschichtlich kommt dem Habitus die Funktion zu, den das intellektuelle Klima Frankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg prägenden Gegensatz zwischen voluntaristischer Subjektphilosophie und subjektlosem Strukturalismus zu überwinden.

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die Identität eines Subjekts überhaupt erst konstituieren lässt. Die Wollust hingegen ist unmittelbar an die Materialität des Körpers gebunden und ist von Momenthaftigkeit, Partialität und Erotik geprägt. Die körperlichen Zustände der Glückseligkeit, der Ekstasen und Orgasmen weisen auf den temporären Charakter der Wollust hin, das heißt diese ist immer zeitlich begrenzt innerhalb eines prozessualen Aktes (des Lesens), in dem sie unerwartet auftauchen und wieder verschwinden kann. Sie ist nicht vorhersehbar, lässt sich nicht auf den Begriff bringen und entzieht sich jeglichen analysierbaren Strukturen eines semiotischen Systems. Barthes beschreibt sie als einen Zustand, in dem sich das Subjekt selbst verliert und damit in einen bedeutungsfreien und somit ideologiefreien Raum flüchtet. Es »ist jener Moment«, wie er schreibt, »wo mein Körper seinen eigenen Ideen folgt – denn mein Körper hat nicht dieselben Ideen wie ich« (Barthes 1974: 26). Diese Art eines exzessiven körperlichen Bewusstseins lässt sich nicht an der objektiven Struktur eines Textes ablesen, weil sie dort nicht angelegt ist, sondern entsteht in der erotischen Beziehung zweier Körper, der des Lesers und der des Textes. Sie ist nicht absolut, sondern variabel, lässt sich nicht gleichermaßen wiederholen und entsteht durch den praktischen Vollzug des Lesens. Dass die körperliche Lust auch durch einen musikalischen Text hervorgebracht werden kann, hat Barthes selbst in seinem Aufsatz »Die Rauheit der Stimme« zu zeigen versucht. Indem er die Beziehung zwischen Sprache und Musik, genauer: zwischen Sprache und Stimme, untersucht, zielt er auf eine Veränderung der Wahrnehmungs- und Erkenntnisebene über Musik ab. In Anlehnung an die von Julia Kristeva vollzogene Trennung von Genotext und Phänotext 17 unterscheidet er zwei Arten des Gesanges: einerseits den Geno-Gesang, der die Wollust hervorzubringen imstande ist und durch die Rauheit der Stimme geprägt wird, eine Stimme, die jenseits sozialer Konventionen von Form, Stil, Koloratur besteht und weder auf Kommunikation noch auf Repräsentation oder auf Ausdruck ausgerichtet ist, son17 Der Genotext bildet die Grundlage des Phänotextes, der als eine auf Kommunikation und Subjektkonstitution abzielende Sprache verstanden wird. Der Genotext kann als vorsprachlich aufgefasst werden: »Demnach wäre der Genotext lediglich das Transportmittel für Triebenergien, die einen Raum organisieren, in dem das Subjekt noch keine gespaltene Einheit ist« (Kristeva 1978: 95).

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dern »etwas, was direkt der Körper des Sängers ist und mit einund derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel [...] einem zu Ohren kommt« (Barthes 1990: 301). Andererseits weist er dem PhänoGesang die Tatsache zu, durch adjektivischen Gebrauch der Sprache verbalisiert, damit kategorisiert und ideologisiert, allgemein: einem Bedeutungssystem zugeordnet werden zu können. Eine durch Schule, Kritik und Wissenschaft institutionalisierte Lesart des Phäno-Gesanges befördert den damit verbundenen Mythos des Atems, der, als pneuma glorifiziert, zugleich die Hegemonie der Seele oder des Geistes sicherstellt. Dadurch, dass der Phäno-Gesang zwar expressiv sein, aber niemals zur Wollust verführen kann, »sprengt er niemals den Rahmen der Kultur: die Seele begleitet hier den Gesang, nicht der Körper« (Barthes 1990: 303). Barthes‹ Konzeption, die hier nur in äußerster Kürze angerissen werden konnte, stellt das Hören mit dem Körper in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und fordert eine »‹Ästhetik‹ des musikalischen Genießens« (Barthes 1990: 308), eine Ästhetik, die das Eigenrecht des Körperlich-Sinnlichen stark zu machen versucht. Gemessen an der Kantischen Autonomieästhetik scheint Barthes hier im Gegensatz zur idealistischen Verengung auf das Geistige dem Vorrang des Sinnlichen das Wort zu reden und in solch einfacher Negation das ursprünglich gedachte Konzept der Balance von Sinnlichkeit und Verstand wiederum zu unterlaufen. Für eine praktische Relevanz dieser Theorie im Hinblick auf die Musikwissenschaft, der damit nicht weniger als ein grundlegender Paradigmenwechsel nahe gelegt wird, ergeben sich zwei auffällige Schwierigkeiten: Barthes' Text ist von subjektiver Willkür geprägt, die schließlich jedem zugemutet werden müsste, der die ›Rauheit‹ der Stimme wahrnimmt. Da die Wollust nur als Praxis bestehen kann und als komplett unabhängig von der Struktur des Textes vorgestellt wird, ginge für die Musikwissenschaft, die sich als Textwissenschaft versteht, ihre wesentliche Grundlage, nämlich das analysierbare Material eines musikalischen Textes, verloren. Trotz dieser nicht gerade marginalen Probleme ist der von Barthes verfochtene Ansatz aufgrund seiner Fokussierung auf den Körper für den Diskurs über populäre Musik interessant geworden. Denkt man an die Rezeptionssituationen von Rockmusik, so wird deutlich, dass der Sound, nicht zuletzt durch den hohen

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Lautstärkepegel, direkt vom Körper aufgenommen wird, der zugleich seine Bewegungen durch Tanz, Kopfnicken oder Fußstampfen mit den Rhythmen der Musik synchronisiert. Dass ästhetische Erfahrung weniger über ein reflektierendes Bewusstsein, das sich in Distanz zum ästhetischen Objekt befindet, sondern direkt über den Körper und jenseits semantischer Gehalte der Musik abläuft, zeigt sich am offensichtlichsten in den sozialen Praktiken der Rave- und Technokulturen. Weitere Beispiele für eine wissenschaftliche Zentrierung des Körperbegriffes bilden die dem musikethnologischen Diskurs entstammenden Ansätze zur Erforschung musikalischer Erfahrungen durch Fokussierung auf Groove oder Beat als rhythmische Muster, die zu einer theoriebildenden Basis konzeptualisiert werden (vgl. Keil/Feld 1994). Eine durch Partizipation geprägte Freude an Musik, die sich durch den Groove vermittelt, wird in diesen Ansätzen zum Einheit stiftenden Faktor und Bindeglied zwischen Natur, Sozialität und Schönheit emporgehoben, das seine Grundlage in den physisch-sensorischen Fähigkeiten des menschlichen Körpers findet.18 Steven Feld schreibt hierzu: »›Getting into the groove‹ also describes a feelingful participation, a positive physical and emotional attachment, a move from being ›hip to it‹ to ›getting down‹ and being ›into it‹. A ›groove‹ is a comfortable place to be« (Feld 1988: 75).

Partizipation und aktive Mitgestaltung an musikalischen Prozessen drücken nach Chernoff »den fundamentalen ästhetischen Grundsatz Afrikas aus: Bedeutung gibt es nur für den, der sich beteiligt« (Chernoff 1999: 43). Damit ist zugleich auf die konzeptionelle Beschränkung und die begrenzte Tragweite der klassischen Ästhetik hingewiesen, deren Regeln und spezifische Forderung nach ästhetischer Distanz zum Objekt der Anschauung nicht als universal, das heißt für alle Kulturen gleichermaßen gültig, angesehen werden können (vgl. Merriam 1964: 259-276). In den

18 John Blacking, der sich in mehreren Arbeiten einer eingehenden Beschäftigung mit der Rolle des Körpers widmet, stellt fest: »Many, if not all, of music's essential processes may be found in the constituion of the human body and in patterns of interaction of human bodies in society« (Blacking 1973: x-xi, s. Blacking 1977, 1992, Baily 1995).

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kulturellen Praktiken der Kaluli in Papua-Neuguinea sieht Steven Feld ein ästhetisches Konzept verwirklicht, das sich jenseits der gängigen Dichotomien von Kunst und Alltag, Künstler und Rezipient, Körper und Geist, Gedanke und Gefühl, Natur und Gesellschaft ausgebildet hat und nicht mit einem westlich geprägten Verständnis von Kunst oder Schönheit erfasst werden kann (vgl. Feld 1988, 1994a: 172-180, 1994b: 217-238). In seinem Aufsatz ›Aesthetics as Iconocity of Style‹ beschreibt er die Musik der Kaluli als eine dichte Textur von geschichteten und überlappenden Rhythmus- und Soundstrukturen, die als »in-sync, out of phase« (Feld 1988: 102) eine scheinbare Heterogenität zum Ausdruck bringen, in Wirklichkeit jedoch gerade durch kleinste klangliche und rhythmische Verschiebungen und ›Unsauberkeiten‹, den so genannten »participatory discrepancies« (Keil 1994), die enorme Ausdrucksstärke und soziale Relevanz der Musik verdeutlichen können. In einer konzeptionellen Zusammenführung von ethnographischen Erkenntnissen, von detaillierten Beobachtungen alltagspraktischer Zusammenhänge der Kaluli-Musik und theoretischen Ansätzen aus Semiotik, Ethnologie und Ästhetik zeigt Feld, wie Ikonizität als Träger sozialer Identitätsstiftung funktioniert und zugleich ein System beschreibt, das die Identifikation von sozialer und ökologischer Umwelt zur Grundlage hat. Der KaluliAusdruck dulugu ganalan (›Lift-up-over Sounding‹) bezeichnet nicht nur in onomapoetischer Weise ein musikalisches Prinzip, sondern fungiert als ein ikonisches Zeichen, das gleichsam auf visuell-metaphorischem und klanglichem Wege auf eine übergeordnete Idee, eine generelle Lebensweise hinweist. Feld sieht in ihm eine grundlegende Einstellung zur Welt ausgedrückt, ein alle Bereiche des Lebens durchziehendes Verständnis, das die Art zu reden, zu gehen, zu tanzen oder zu arbeiten und allgemein das Verhältnis zur Natur und zur Gesellschaft maßgeblich bestimmt. Der Begriff ›Groove‹ weist hierbei über seinen musikalischrhythmischen Bedeutungshorizont hinaus auf ein lebensweltliches Konzept, das unterschiedliche Erfahrungen und Handlungsweisen auf eine einheitliche Struktur zurück bezieht. Im Gegensatz zur Objektivierung der Welt, das heißt zur Distanzierung zur Welt – sei es zur Natur, zum Schönen oder zum Mitmenschen –, als notwendige Voraussetzung für Reflexion und Kritik, drückt sich im Groove in umgekehrter Weise ein ganzheitliches Konzept aus, in dem soziale Interaktion, Naturbewusstsein, Gefühl,

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Verstand, Freude, ethische und ästhetische Aspekte zusammenfallen. Dies wird durch musikalische Partizipation im Sinne spontaner Aneignung (›making ours‹) erreicht, wie Steven Feld bemerkt: »That ›making ours‹ is the overwhelming and seemingly spontaneous (whether predictable or not) pleasure that comes from a felt ›naturalness‹ of the whole, as one finds oneself in/through the music and the music in/through oneself« (Feld 1988: 93f.).

Ästhetik als Ikonizität zu begreifen bedeutet für Feld, die unterschiedlichen kulturellen Praktiken der Kaluli als zeichenhafte Repräsentationen einer grundlegenden Idee zu lesen. Musikalische, sprachliche, choreographische, rituelle und alltägliche Praktiken, die in ihrer Ähnlichkeit dem Muster des ›Lift-up-over Sounding‹ folgen, sind für Feld konstitutiv für das ›ästhetische‹ System der Kaluli. Ästhetik kann hier weder auf einen Kunstbegriff, auf das Schöne oder auf Geschmacksurteile, noch auf die strukturelle Beschaffenheit von Objekten, zum Beispiel musikalischen Texten, reduziert werden. Vielmehr verwendet Feld den Begriff einerseits in methodisch-strategischer Intention: Er versucht seine auf empirischen Daten und alltagspraktischen Erfahrungen basierenden Erkenntnisse über die Kaluli mit den Ansätzen westlich geprägter ›hoher‹ Theorien zu verbinden (vgl. Feld 1994a: 178).19 Andererseits beschreibt er damit ein Bedeutungssystem, das durch den kulturellen Diskurs der Kaluli erzeugt wird, wobei nicht deren sprachliche Äußerungen oder Beschreibungen, sondern beobachtbare Muster gelebter Erfahrungen (›pattern-in-experience‹) entscheidend sind. Der Hinweis, dass der Groove als vereinheitlichendes Prinzip dieser Muster nicht auf das ›ästhetische System‹ der Kaluli begrenzt bleibt, sondern ebenso populären Musikformen unterliegt – Feld sieht Parallelen zur Musik von James Brown und Miles Davies –, macht deutlich, 19 Dass die Trennung von ›high- and low-theory‹, von Theorie und Ethnographie, von akademischem und alltäglichem Diskurs überwunden werden soll, macht bereits der vollständige Titel des Aufsatzes deutlich, in dem den Begriffen »Ästhetik«, »Ikonizität« und »Stil« bereits durch ihren sprachlichen Gebrauch eine kontrastierende Funktion zukommt: »Aesthetics as Iconicity of Style (Uptown Title); or, (Downtown Title) ›Lift-up-over Sounding‹: Getting into the Kaluli Groove« (Keil/Feld 1994: 109).

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dass der Begriff ›Ästhetik‹ nicht theoretisch entfaltet und im streng philosophischen Sinne verwendet wird, sondern bloß auf ein System von Handlungs- und Wahrnehmungsmuster verweisen soll, das die über den Körper ablaufende Partizipation an musikalischen Prozessen hervorhebt. In diesem Sinne fungiert der Ausdruck ›Ästhetik‹ als begrifflicher Indikator für die theoretische Aufschließung eines kulturellen Systems. Die hier angesprochenen theoretischen Grundlagen für eine neue Ästhetik lassen sich durch eine prinzipiell ablehnende Haltung und Distanz zum Autonomiemodell der klassischen Ästhetik kategorisieren. Ihre Darstellung entspricht keineswegs einer stringenten Logik oder abgeschlossenen Systematik, sondern sollte vielmehr dazu dienen, ein Gespür für die theoretischen Zusammenhänge zu entwickeln, in denen Ansätze und Diskussionen zur Ästhetik der populären Musik eingebettet sind. Für das folgende Kapitel folgt daraus weniger eine direkte Übernahme methodischer Ansätze auf den Gegenstand populäre Musik, im Sinne einer ›1:1-Anwendung‹ oder einer strengen Deduktion, als vielmehr eine perspektivische Verschiebung des angerissenen Problemhorizontes, vor dem nun ästhetische Fragen zu populärer Musik behandelt werden. Dies geschieht entlang der Gemeinsamkeit zweier ineinander verschränkter Merkmale, dem kulturtheoretischen Paradigma, das eine Annäherung an populäre Musik über einen kontextuellen Zugang erlaubt, und der Intention, kulturelle und ästhetische Dichotomien aufheben zu wollen. Beispielhaft werden Arbeiten zu Rockmusik, Techno und World Music angeführt, um den ästhetischen Fragekomplex darzulegen. Die Einteilung in musikalische Sparten erscheint dabei zwar nicht zwingend notwendig, da die aufgeworfenen Fragen über die Grenzen eines einzelnen Musikstils hinausgehen, ist jedoch sinnvoll, um den Blick auf die spezifischen Besonderheiten zu lenken, von denen die theoretische Auseinandersetzung meist ihre thematische Anbindung und Ausgangssituation erhält.

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Bezüge zu populärer Musik Rockmusik Um die ästhetische Dimension der Rockmusik für eine wissenschaftliche Analyse aufzuschließen, ging es Andrew Chester bereits Ende der 1960er Jahre darum, den musikalischen Gegenstand weder an die Einseitigkeit bloßen ›Soziologisierens‹ preiszugeben oder den journalistischen Praktiken des Mythologisierens auszuliefern noch ihn an die an artifizieller Musik geschulten Analyseverfahren der herrschenden Musikwissenschaft anzubinden. Vielmehr versuchte Chester, der in Rockmusik angelegten Intensität musikalischer Erfahrung, die sich größtenteils der Absorbierung afro-amerikanischer Formen und Praktiken verdankt, konzeptionell gerecht zu werden. In einem ersten Schritt vollzieht er die systematische Trennung von westlich artifizieller Musik und Rock auf der Grundlage unterschiedlicher Formprinzipien, die im ersten Fall durch die ›extensionale‹, im zweiten durch die ›intensionale‹ Form musikalischer Konstruktion charakterisiert wird. Im extensionalen Modus gilt: »Theme and variations, counterpoint, tonality (as used in classical composition) are all devices that build diachronically and synchronically outwards from basic musical atoms. The complex is created by combinations of the simple, which remains discrete and unchanged in the complex unity« (Chester 1970b: 14).

Rockmusik hingegen unterliegt dem intensionalen Modus: »In this mode of construction the basic musical units (played/sung notes) are not combined through space and time as simple elements into complex structures. The simple entity is that constituted by the parameters of melody, harmony and beat, while the complex is built up by modulation of the basic notes, and by inflexion of the basic beat« (Chester 1970b: 14).

Diese Aufrechterhaltung der musikalischen Dichotomie entspringt zwar einer essentialistischen Einstellung, die in ihrer Bestimmung von Wesensmerkmalen an das Zwei-Sphären-Modell von Adorno erinnert, setzt aber der strukturellen Komplexität artifizieller Musik nicht die simple Standardisierung leichter Musik entgegen, sondern eine ebenso komplexe, jedoch auf andere Pa-

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rameter (melodisch-harmonisch-rhythmische Grundeinheiten) aufbauende Struktur afro-amerikanisch beeinflusster Musikformen. Obwohl die konzeptionelle Dichotomisierung von klassischer und populärer Musik fragwürdig erscheint, liefert Chester zumindest ein Instrumentarium für die Aufdeckung qualitativer, somit ästhetischer Merkmale der Rockmusik. Im zweiten Schritt umreißt er die zentralen Fragen, mit denen sich eine künftige Rockkritik befassen müsste: Das Verhältnis der internen strukturellen Koordinaten einer musikalischen Form zu ihrer soziokulturellen Basis ist nicht durch einfache Homologie im Sinne mechanischer Determination sondern durch eine Art Kompatibilität geprägt, die näher untersucht werden muss. Chester weist darauf hin, dass ein musikalisches Werk nicht unabhängig von seinem sozialen Kontext betrachtet werden kann: »Musical practice has a relative autonomy, and to each social group correspond certain acceptable genres« (Chester 1970b: 16). Hier kommt er dem Begriff der relativen Autonomie eines Feldes bei Bourdieu sehr nahe, der die Kompatibilität eines musikalischen zu seinem soziokulturellen Feld durch den Grad der Autonomie zu bestimmen versucht. Weitere Aspekte, die sich in diesem Zusammenhang für eine Untersuchung anbieten, sind die Rolle der Texte und des Tanzes, das Verhältnis von Musik und Ideologie, das heißt die ideologischen und politischen Filter, durch die Wahrnehmung und Umgang mit Kunstwerken gesteuert werden, und die Dominanz der Stimme, die als primärer Bestandteil der Rockmusik aufgefasst werden kann. Peter Wickes Arbeit zur Ästhetik und Soziologie der Rockmusik (1990) kann als Exemplifikation des von Chester und Bourdieu gleichermaßen geforderten kultursoziologischen Ansatzes gelesen werden. Im Mittelpunkt steht die Betrachtung einer sozialen Praxis, die sich mit und um Rockmusik aufgebaut hat und zu einem Bereich geworden ist, in dem Kunsterfahrung und Alltagserfahrung einander durchdringen. Darin eingebettet sind ästhetische Strategien, die die Rockmusik in ihren vielfältigen soziokulturellen Zusammenhängen und im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen im Laufe der Zeit ausgebildet hat. Dass diese nicht mit den autonomieästhetischen Maßstäben des in artifizieller Musik vollzogenen Kunstgenusses erfassbar sind, macht Wicke unmissverständlich deutlich:

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Das kulturelle und politische Potential, das in der Rockmusik angelegt ist, verdankt sich nicht einer autonomen, von Gesellschaft separierten Kunstsphäre, sondern ihrem medialen Charakter, der durch kollektive Erfahrungen, Emotionen und Gedankenbilder zum Ausdruck kommt. Um die komplexen Zusammenhänge aufzuzeigen, in die sich die Rockmusik als Massenmedium hineingestellt sieht, versucht Wicke durch ständige Perspektivverschiebungen unterschiedliche Ebenen der Betrachtung so miteinander zu vermitteln, dass sich für die Erklärung des musikalischen Gebildes ein kohärenter Sinnzusammenhang ergibt. Er beschreibt sowohl die für den Entstehungshintergrund der Rockmusik relevanten politischen und gesellschaftlichen Situationen als auch die daraus entstandenen Alltags- und Freizeitpraktiken und Erfahrungen der Jugendlichen, die Mechanismen der Musikindustrie, die Interessen und Einstellungen der Musiker und versucht alle daraus gewonnenen Einsichten immer auf die Musik selbst zu beziehen. Die vielschichtige Darstellungsgrundlage, die sich hierbei ergibt, scheint den realen Existenzzusammenhängen der Rockmusik gerechter zu werden als ein monokausales Argumentationsmuster. Das Instrumentarium der Ästhetik wird von Wicke nicht als theoretische Kategorie diskutiert, sondern im Dienste der Darstellung verwendet, indem es »die lautstarken Klänge, die pittoresken Gebärden, die oft obskuren Verkleidungen entschlüsseln hilft, den Code aufspürt, nach dem persönliche und kollektive Erfahrungen zu Songs umgeschmolzen werden« (Wicke 1990: 2). Der Ästhetikbegriff zielt auf die strukturelle Beschaffenheit musikalischer und kultureller Ausdrucksformen ab (zum Beispiel Ästhetik des Punk, Ästhetik der Sinnlichkeit) und impliziert zugleich eine strategische Aufwertung der Rockmusik gegenüber artifizieller Musik. Die entscheidende Schnittstelle zwischen subjektiver ästhetischer Erfahrung und den auf sie einwirkenden übergeordneten sozialen Strukturen kann von Wicke nur

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in einer rekonstruktiven, historisierenden Weise beleuchtet und als eine Variable, abhängig von individuellen Erfahrungshorizonten, eingestuft werden. Da populäre Musik als ein »Medium für die Umsetzung sozialer Erfahrungen in ›persönlichem Sinn‹« (Wicke 1992: 16) fungiert, zielt die entscheidende Frage darauf ab, wie diese Umsetzung vollzogen wird. Wickes Darstellung zur Rockmusik gibt einen sehr differenzierten Überblick über dieses Verhältnis, das in Chesters Sinne als unterschiedliche Weisen der Kompatibilität aufgefasst werden kann. Von zentraler Bedeutung hierbei ist die Auffassung, dass die sozio-kulturelle Matrix sich nicht in einzelnen Songs widerspiegelt oder einfach nur abgebildet wird, wie es der von Willis und Hebdige verfolgte Ansatz nahe legt, sondern umgekehrt, dass die unterschiedlichen Erfahrungs- und Verhaltensmuster durch diese erst produziert werden.20 Die Sichtweise, dass populäre Musik ihr eigenes Publikum kreiert, statt dessen Ausdruck zu sein, lenkt die Aufmerksamkeit weg von den ideologisch involvierten Fragen nach Authentizität oder Wahrheit, hin zu der Frage, wie durch populäre Musik Konzepte von Authentizität oder Wahrheit überhaupt erst konstruiert werden. Diese Position wird auch von Simon Frith geteilt, der in seinen Arbeiten (1987, 1996a, 1996b) die Bewertungskriterien in der Popmusik untersucht und der Frage nachgeht, wie diese Musik ihren eigenen ästhetischen Standard definiert. Um zu zeigen, dass populäre Musik, ebenso wie artifizielle Musik, gesellschaftliche Kräfte zu transzendieren imstande ist, sind zwei theoretische Voraussetzungen notwendig, die Frith seiner Konzeption vorschaltet. Erstens begreift er Musik weder als ein ästhetisches Objekt mit Dingcharakter noch als kulturellen Text, der statisch bleibt, sondern vielmehr als eine prozesshafte Darstellung dieses Textes. Performanz wird zum Schlüsselbegriff für ein Musikverständnis, das nicht nur die Musik selbst, deren binäre Trennung in hohe und niedere obsolet wird, sondern auch die durch musikalische Erfahrung sich konstituierende Identität des Hörers als prozessual ansieht. In dieser Prozesshaftigkeit spielt der Körper in seiner materiellen Bezogenheit auf die Musik eine wichtige 20 So besitzt beispielsweise die Musik des Rock'n'Roll oder Hard Rock die Funktion, die Gemeinschaft der Rocker nicht zu reflektieren oder zu artikulieren, sondern umgekehrt diese erst hervorzubringen.

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Rolle. An ihm wird offensichtlich, dass Musik als Bindeglied zwischen individueller und kollektiver Identität fungiert. Frith stellt hierzu fest: »Das Wechselspiel zwischen persönlichem Hineingezogenwerden in die Musik und dem Gefühl dafür, daß sie trotzdem, irgend etwas Äußeres ist, etwas Öffentliches, macht die Musik so wichtig in der kulturellen Positionierung des Individuums im Gesellschaftlichen« (Frith 1992).

Da es nach Frith diese Schnittstelle zwischen Persönlichem und Gemeinschaftlichem genauer zu verstehen gilt, unterwirft er die Musik nicht den Prämissen einer Inhaltsästhetik, um einen vermeintlichen geistigen Gehalt herauszuarbeiten, sondern stellt sie in den funktionalen Bezugszusammenhang einer ganzheitlichen Lebenspraxis: »Making music isn't a way of expressing ideas; it is a way of living in them« (Frith 1996a: 111). Um die Kriterien für die ästhetische Beurteilung von populärer Musik zu bestimmen, setzt er eine soziologische Rekonstruktion ihrer Funktionen voraus. Er unterscheidet dabei vier soziale Funktionen, mit denen der Gebrauch von populärer Musik einhergeht: 1. Sie stiftet Identität innerhalb des gesellschaftlichen Platzierungsprozesses und dient damit in Bourdieuschem Sinne der sozialen Distinktion.21 2. Sie vermittelt zwischen öffentlichem und privatem Gefühlsleben. So dienen beispielsweise Liebeslieder als öffentliche Formen privaten Ausdrucks, das heißt, der Hörer erhält durch die Musik die Möglichkeit, seinen Gefühlen und Wünschen Ausdruck zu verleihen. 3. Sie formt das menschliche Erinnerungsvermögen, indem sie im Hörer bestimmte zeitlich vergangene Lebensabschnitte oder Situationen hervorrufen kann. 4. Sie wird von ihren Hörern in Besitz genommen. Im Kontext der Identitätsstiftung des Hörers ist dessen Inbesitznahme von Musik, des Künstlers oder des Konzertes als wichtiger Aspekt seiner Selbstdefinition zu werten. 21 Für Frith, der Bourdieus Ansatz ausweitet, vollzieht sich die soziale Distinktion durch Musik nicht nur über Klassenunterschiede, sondern ebenso entlang anderer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder ethnische Herkunft (vgl. Frith 1992, 1999: 174).

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Für die entscheidende Frage, welche Faktoren in der populären Musik nun in der Lage sind, diese sozialen Funktionen zu erfüllen, gibt Frith einige Anhaltspunkte. So nennt er den afro-amerikanischen Einfluss auf die populäre Musik des 20. Jahrhunderts, die zentrale Bedeutung der Stimme innerhalb von Songs, die genrespezifische Wahrnehmung von Musik, in der sich ideologische Strukturen zu erkennen geben, und zuletzt die zahlreichen Assoziationen, die in einer stets wechselnden geräuschvollen Klanglandschaft im Alltag entstehen und mit ihrem scheinbar willkürlichen Auftreten die ästhetische Erfahrung prägen können. An dieser sehr schematischen Darstellung von Frith, die im Hinblick auf die Bestimmung von Geschmackskriterien ziemlich vage und abstrakt anmutet, lassen sich jedoch zwei charakteristische Aspekte ablesen. Erstens kann die Bewertung von populärer Musik weder anhand von normativen noch von objektiv anzugebenden Kriterien erfolgen. 22 Frith versucht daher, die individuelle ästhetische Erfahrung durch die Rekonstruktion des soziokulturellen Funktionszusammenhangs der Musik zu erklären und somit prinzipiell als gesellschaftlich determiniert zu betrachten. Zweitens weist er jedoch darauf hin, dass der individuelle Geschmack sich nicht einfach nur von einem gesellschaftlichen Bezugsrahmen – einer sozial produzierten Identität – ableiten lässt, sondern zugleich dazu beiträgt, diesen überhaupt erst herzustellen. Indem Frith die individualisierende Funktion der Musik hervorhebt, löst er sich von den einseitig soziologisierenden Erklärungsversuchen der früheren Cultural Studies und macht auf das Wechselverhältnis zwischen persönlicher und kollektiver Wirkung von Musik aufmerksam.

22 Ralf Hinz hat dies im Hinblick auf Frith' Ansatz treffend erfasst: »Das ästhetische Funktionieren von Popmusik zu einem bestimmten Zeitpunkt lässt sich nur angemessen aus der notwendig interessierten Sicht einer spezifischen Konstellation rekonstruieren, in der eine Vielzahl von Elementen und Dimensionen so miteinander in Beziehung gesetzt werden, daß sich der zwingende Schluß ergibt, in der verhandelten Musik verdichte sich mehr als nur eine mögliche musikalische Kombination« (Hinz 1998: 121).

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Techno Wie das von Frith hervorgehobene Wechselverhältnis zwischen individueller und gesellschaftlicher Identität genauer bestimmt werden kann, zeigt Gabriele Klein am Beispiel von Techno- und Rave-Kulturen auf. Es geht ihr jedoch nicht wie Frith darum, die ästhetischen Faktoren in der Musik aus einer geschmackssoziologischen Perspektive heraus aufzudecken, sondern um eine theoretische Konzeptualisierung von popkulturellen Praktiken. Popkulturen werden dabei als kulturelle Felder vorgestellt, die weder als eine bloße Verlängerung der Kulturindustrie noch als eine Alternative zu ihr aufgefasst werden können. Sie sind zwar aufs Engste mit den Strukturen der Kulturindustrie verwoben, bilden aber sowohl das Resultat als auch die Ausgangsbasis von kultureller Praxis. Sie sind daher weder per se subversiv oder revolutionär noch affirmativ oder reaktionär gegenüber den herrschenden Machtdiskursen (vgl. Klein 1999: 293, Frith 1992). Klein sieht in ihnen vielmehr den Ort, an dem Kulturindustrie und Alltagsleben, kulturelle Produktion und soziale Praxis aufeinander treffen. Sie geht daher in ihrer Arbeit der zentralen Frage nach, wie sich die Prozesse der Produktion und Aneignung von Kultur angemessen beschreiben lassen. Indem sie die methodischen Ansätze und den Kulturbegriff von Bourdieu und den Cultural Studies übernimmt, ist es ihr möglich, Kultur nicht nur als sozialen, sondern auch als leiblichen Prozess zu begreifen: »Kulturelle Alltagspraxis ist physisch, sinnlich – und ästhetisch. Sie muß gelebt und erfahren werden, das heißt, sie ist ein Erfahrungsfeld, das leibliche Präsenz erfordert« (Klein 1999: 297). Da sich dies nirgendwo deutlicher zeigt als an den Tänzen, Choreographien und Körperritualen aller popkulturellen Bewegungen – angefangen vom Rock‹n‹Roll über Punk bis zu Techno –, thematisiert die Autorin den menschlichen Körper als zentrale Kategorie kultureller Praxis. Ihr Ästhetikbegriff, der weder klar definiert noch einheitlich verwendet wird, bezieht sich überwiegend auf die Hervorhebung der sinnlichen Wahrnehmung des Körpers während des Tanzens. Darüber hinaus dient er der Bezeichnung von Gemeinschaften, die sich weniger aus moralischen oder politischen Gründen ausbilden, sondern durch Spaß- und Genussprinzipien geprägt werden. Die Techno-Szene bildet solch eine ästhetische Gemeinschaft, die durch den Tanz einen Akt der Kommunikation vollzieht. Diese erfolgt nicht verbal, sondern durch das Tanzen

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selbst, das die Beziehung des Einzelnen zur Gemeinde der Raver herstellt – der in diesen Kreisen beliebte Ausdruck der ›community‹ besitzt nicht zuletzt darin seine Relevanz. Indem Klein auf die Ähnlichkeiten zwischen den Tanzstilen der Raver und afrikanischen Tänzen aufmerksam macht, zeigt sie, dass der Einzelne nicht beziehungslos zur Gemeinschaft tanzt oder hilflos dem Uniformitätsdruck einer amorphen Masse ausgeliefert ist. Sein Körper dient nicht nur als Ausdruck einer Gemeinschaft, sondern erzeugt ein soziales Ritual, das ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Raver überhaupt erst konstituiert. Da in ihm der Habitus – die internalisierte soziale Struktur – sein Fundament besitzt, bildet der Körper die Vermittlungsinstanz zwischen Individuum und Gesellschaft und steht nur scheinbar im Gegensatz zur ›Entpersonifizierung‹ im Techno. Gemeint ist hierbei der Verzicht auf einen Starkult, der beispielsweise in der Rockmusik um eine Person oder eine Gruppe herum aufgebaut wird, sowie das Fehlen einer Bühne oder die prinzipiell aufgehobene Trennung zwischen Musikern und Publikum. Die Unbedeutsamkeit von Personen, Gesichtern und Namen spielt auch für die visuelle Medialisierung des Techno eine wichtige Rolle, die am grafischen Design von Plakaten und Flyer oder an den computeranimierten Videos ablesbar ist und sich, wie Elisa Rose erklärt, durch eine »nonfigurale, ornamentale ästhetik [sic!] von techno« (Rose 1995: 165) präsentiert. Techno wird hier als eine auf digitalen Datenbanken basierende Kunstform verstanden, deren spezifisches Strukturmerkmal durch das Verschwinden des individuellen menschlichen Körpers charakterisiert wird. Es ist aber gerade dieser menschliche Körper, der sich im Mittelpunkt des kulturellen Prozesses befindet. Durch seine räumliche Präsenz stiftet er nicht nur Identität und Individualität, sondern bildet über das Medium Tanz den Kontakt zu einer sozialen Gruppe. Klein konzipiert ihn als einen Ort der Transformation, an dem er in einem mimetischen Prozess die äußere Realität – zum Beispiel die Bilderwelt der Medien oder die tanzende Gemeinschaft – mit der inneren Realität, den persönlichen Wünschen, Sehnsüchten und Bedürfnissen synchronisiert und somit die Grenzen zwischen Individuum und Gemeinschaft, kultureller Konsumption und Produktion oder Kunst und Alltag aufhebt (vgl. Klein 1999: 263-283). Dies geschieht nicht durch rationale Erwägungen und bewusst getroffene Entscheidungen, sondern primär über sinnenhafte Vorgänge, über die Er-

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fahrung des Leibes, der durch spontane Lust und Genuss gelenkt wird, somit über eine ästhetische Komponente. Ästhetik erhält hier eine epistemologische Orientierung, da sie auf die sinnenhafte Wahrnehmung innerhalb kultureller Prozesse abzielt und zu einem grundlegenden Prinzip erklärt wird, das für das Verstehen einer kulturellen Praxis wie Techno unerlässlich ist. Aus diesem körper- und tanztheoretischen Ansatz erhält Klein einige wertvolle Einsichten in die musikalischen Konstruktionsprinzipien von Techno. Das klangliche Phänomen wird folgendermaßen geschildert: »Da ist zunächst der Rhythmus: Eingängig, monoton, zumeist mit einem 4/4-Takt unterlegt, fördert er stampfende Tanzbewegungen. Und dann die Basslinien: Mit ihren niedrigen Frequenzen zwischen 10 und 160 Hertz liegen sie weit unter dem Bereich des menschlichen Hörvermögens [sic!]23. Derartig tiefe Bässe sind nicht mehr akustisch wahrnehmbar, sondern nur als Vibrationen spürbar. Es ist der Körper, der diese vom Raum ausgehenden Schwingungen unmittelbar absorbiert und im Tanz verstärkt« (Klein 1999: 177).

Die Tatsache, dass die Bezüge zu den klanglichen Strukturelementen von Techno innerhalb der gesamten Darstellung jedoch sehr spärlich ausfallen und in einer sehr vagen und verallgemeinernden Form der musikalischen Bestimmung gehalten sind, ist einerseits der inhaltlichen und strategischen Ausrichtung der Arbeit, der intendierten Konstitution einer Popkulturtheorie, andererseits aber auch der methodischen Orientierung geschuldet. So wird ein differenzierter Blick auf konkrete musikalisch-klangliche Phänomene vernachlässigt. Die Frage, ob und warum die Musik eines DJ's besser als die eines anderen ist, wo die stilistischen Unterschiede zweier Spielarten des Techno wie zum Beispiel Jungle und House liegen, ob und worin qualitative Unterschiede zwischen einzelnen Stücken bestehen, ob nicht die Werkkategorie im Sinne eines abgrenzbaren musikalischen Stückes oder eines Songs aufgehoben ist, kurzum: Wie die auf Leiblichkeit bezogene ästhetische Erfahrung im Techno von den je spezifisch organisierten materialen Eigenschaften der Musik abhängig ist, bleibt innerhalb der Arbeit weitgehend unberücksichtigt. Der von der Autorin gewählte kulturtheoretische Ansatz zeigt jedoch, wie 23 Der menschliche Hörbereich beginnt bei ca. 16 Hertz.

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die komplexen Zusammenhänge einer kulturellen Praxis wie Techno über die theoretische Zentrierung eines Körperbegriffes aufgeschlossen werden können und somit die ästhetischen, das heißt qualitativen Gestaltprinzipien aus jener Praxis heraus verstehbar werden.

World Music Ein weiteres Beispiel für ein Ästhetikverständnis, das über einen kulturtheoretischen Zugang zu populärer Musik erschlossen wird, liefert die von Christopher Waterman vorgelegte musikethnologische Untersuchung zum nigerianischen Jùjú. In seiner Darstellung zur Sozialgeschichte und Ethnographie dieser populären Musikform wird bereits an der Überschrift des sechsten Kapitels ›The Aesthetics and Social Dynamics of Jùjú Performance at the Yoruba Àríyá‹ deutlich, dass die ästhetische Dimension von Jùjú nicht ohne den Einblick in seine sozialen Funktionen aufgedeckt werden kann. In diesem Sinne schreibt Waterman: »In modern Yoruba ceremonial life pragmatics, sensuality, and aesthetics are inextricably intertwined. Jùjú performance is as much a practical as an artistic process. […] I would argue that a hard-andfast analytical distinction between the utilitarian and the aesthetic can only obfuscate the full range of values guiding social and musical performance at modern Yoruba rites of passage« (Waterman 1990: 187).

Die Aufhebung der Dichotomie von Autonomie und Funktion verdankt sich insbesondere der Analyse der sozialen Zusammenhänge, in die der Jùjú bei zeremoniellen Anlässen und Feiern eingebunden ist. Waterman zeigt an ihm die enge Wechselwirkung von sozialer Praxis, Identität und Machtverhältnissen innerhalb der modernen Yoruba-Gesellschaft auf. Familienfeste, Hochzeiten oder Beerdigungen bilden oftmals den zeremoniellen Rahmen für die musikalische Darbietung der eigens für diese Zwecke engagierten Jùjú-Bands, deren zentrale Aufgabe darin besteht, die Aufmerksamkeit des Gastgebers und seiner Gäste durch den geschickten Vortrag von Lob- und Preisliedern zu intensivieren und somit den dramaturgischen Spannungsbogen der Feier über mehrere Stunden hinweg aufrechtzuerhalten. Die soziale Hierarchie des Publikums wird durch die Art und Weise der musikalischen

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Aufführung vermittelt und durch das so genannte »spraying«24 öffentlich bekundet. Es ist nicht ein musikalisches Werk, das zu einer ästhetischen Beurteilung einlädt, sondern die musikalische Performance selbst, die den Kontext für das »spraying« bildet und somit nicht von den sozialen Strategien dieser Macht- und Prestigedemonstration getrennt werden kann. Die ästhetische Bewertung einer gelungenen Performance umfasst daher nicht nur musikalische Kriterien, sondern verbindet den musikalischen Sound mit der poetischen Rhetorik der Sänger, der adäquaten und unterhaltsamen Repräsentation sozialer Macht und den positiven Gefühlen, die diese Gesamtheit der Komponenten in den Zuhörern evoziert. Es sind die in diesen rituellen Zusammenhang integrierten spezifischen Funktionen, die die Musik erfüllen muss, um ästhetisch zu sein. Im Anschluss an die von den Cultural Studies initiierte Debatte um die Widerständigkeit populärer Musikformen gegenüber einer hegemonialen Ordnung zeigt Watermans Arbeit jedoch, dass Jùjú nicht per se als subversiv aufgefasst werden kann, sondern im Gegenteil innerhalb seiner historischen Genese stets in engem Verhältnis zur Ausbildung und Konsolidierung einer elitären Oberschicht stand. Obwohl die Musik offensichtlich als Mittel zur Festigung sozialer Ungleichheiten fungiert, hält Waterman an möglichen Veränderungen fest: »Every expressive tradition discloses the gaps and contradictions that make transformation. […] The contingent nature of jùjú performance patterns, the interpretive open-endedness of jùjú song texts, and the tenacity of values concerning the interdependence of leader and followers preserve, as they conceal, alternative ›readings‹« (Waterman 1990: 228).

Watermans Arbeit lässt sich somit thematisch in die für den aktuellen musikethnologischen Diskurs relevanten Problemzusammenhänge einreihen, die um die zentralen Konzepte von Diffe-

24 Meist sind es die Gastgeber oder prominente Personen aus der durch das Erdölgeschäft neu entstandenen Elite, die sich durch die Musiker huldigen lassen und diese im Gegenzug mit Geldscheinen bestücken, um wiederum die Fortsetzung von Musik und Anpreisungen zu garantieren. Die Band spielt solang, wie Geldscheine gezückt werden (vgl. Waterman 1990: 184-187).

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renz, ›Andersheit‹, Identität, Kultur, Tradition, Translokalität, Globalisierung, Kolonialismus und ›Verwestlichung‹ aufgebaut sind und überwiegend an Phänomenen der so genannten World Music diskutiert werden. Die Vorstellung, dass es sich mit der World Music um mehr als nur eine von der Musikindustrie etikettierte Vermarktungsstrategie handelt, unterliegt den gängigen Darstellungsformen, die in ihr einen ›authentischen‹ Ausdruck alternativer musikalischer Praxen jenseits des westlichen ›Mainstreams‹ sehen – wobei ihr ein generelles Widerstandspotential gegenüber dem herrschenden System eingeräumt wird (vgl. Chambers 1995: 46) – und die in den musikethnologischen Diskurs erstmals durch die Überblicksarbeiten von Peter Manuel (1988) und Deanna Campbell Robinson u.a. (1991) Eingang gefunden haben. Die thematische Einbettung der World Music in übergeordnete kulturelle, politische und ökonomische Zusammenhänge, ihre Bedeutung für die Identitätskonstruktionen sozialer Gemeinschaften sowie die vielfältigen räumlichen und zeitlichen Transformationsprozesse, deren Ausdruck sie ist, sind als Gegenstand für die gegenwärtige musikethnologische Forschung interessant geworden. Die Arbeit von Waterman hat gezeigt, dass die ästhetische Dimension von World Music durch den differenzierten Blick einer ethnographischen und empirisch belegten Analyse aufgeschlossen werden kann. Die ästhetischen Kategorien sind daher weder a priori formuliert noch als objektiv gegeben vorausgesetzt, sondern, ähnlich der von Frith geforderten Rekonstruktion sozialer Funktionen, aus dem sozialen Bezugszusammenhang musikalischer Praxis heraus abgeleitet. Obwohl dieser Ansatz innerhalb der musikethnologischen Forschung zu populärer Musik als weit verbreitet angesehen werden kann, gibt es jedoch ebenso vereinzelte Versuche, eine Ästhetikkonzeption von World Music über einen kunsttheoretischen Zugang zu errichten, auf den hier abschließend hingedeutet werden soll. Es sind vor allem die von Veit Erlmann verfassten Aufsätze zur Ästhetik der World Music (vgl. Erlmann 1993, 1995a, 1995b, 1996, 1998), in denen die strukturelle Beschaffenheit des musikalischen Kunstwerks vor dem Hintergrund postmoderner Theorien erörtert werden. In Anlehnung an die von Frederic Jameson, Jean Baudrillard oder Paul Virilio unternommenen Analysen postmoderner Kunst und Kultur sieht er in der World Music vor-

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nehmlich ein durch die Interessen des Marktes organisiertes Warenprodukt, das sich durch einen erheblichen Verlust von Verweisqualitäten auszeichnet. Die willkürliche Aneinanderreihung und Vermischung unterschiedlicher musikalischer Elemente im Sinne des von Adorno entwickelten Begriffes Pastiche markieren die irreversible Aufhebung gewohnter Bezüge zu Raum und Zeit, somit die Unfähigkeit, »unsere subjektiv erfahrene Zeit mit der historischen Vergangenheit zu verbinden« (Erlmann 1995a: 15). Der damit einhergehende Mangel an historischem Bewusstsein liefert das musikalische Stück der Bedeutungslosigkeit aus. Eine Autonomie der Kunst lässt sich aufgrund des universalen Marktes kaum proklamieren, sieht Erlmann doch die Trennung von Kunst und Leben in der Postmoderne als aufgehoben an. Er schreibt: »Heutzutage liegt das Wesen von Kunst nicht jenseits der Arbeit von Kunst, sozusagen in einer Bedeutung, sondern in der Interaktion, zu der Kunst veranlasst. Eine neue relationale Ästhetik, eine Theorie der ›Schnittstellen‹ hat jene Ästhetik ersetzt, die sich auf die Vorstellung gründete, daß Kunst eine Reihe von Bedeutungen enthält« (Erlmann 1995a: 11).

Trotz einiger erhellender Einblicke in die ideologischen Mechanismen der World Music-Debatte, der herausgearbeiteten Dialektik von Homogenisierung und Diversifizierung oder des Verweises auf das Prinzip der Historizität in der Musik erscheinen die Ausführungen von Erlmann insgesamt als zu pauschalisiert, lässt doch der durchgängige Mangel einer empirischen Verifizierung seine kulturpessimistisch anmutenden Thesen unter einem Dilemma leiden, dem bereits Adornos Arbeiten zur Kulturindustrie nicht entkamen. Dies gilt ebenso für Peter Manuel, der in seinem Aufsatz ›Music as Symbol, Music as Simulacrum‹ (1995) einen differenzierteren Blick auf die World Music-Phänomene richtet und in diesen ebenso ein postmodernes Prinzip, den spielerischen Umgang mit unterschiedlichen Bedeutungen oder mit Bedeutungslosigkeit, vorausgesetzt sieht. Die Analyse dieser Kombinationen unterschiedlicher Elemente, die sich aus postmodernen und traditionellen Diskursen zusammensetzen und vor allem in den musikalischen Werken der World Music ihren Niederschlag finden, sieht er als geeignet an, »to illustrate how subcultures communicate, compete, conflict and contrast with other cultu-

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ZU EINER ÄSTHETIK DER POPULÄREN MUSIK

res in the process of indigenising and resignifying transnational cultural forms« (Manuel 1995: 238). Obwohl das Fehlen einer empirischen Basis25 auch seine ästhetiktheoretischen Ausführungen zu populärer Musik als fragwürdig erscheinen lässt, unternimmt Manuel zumindest den Versuch, von einer auf das Kunstwerk gerichteten Perspektive die Ansätze postmoderner philosophischer Ästhetik mit dem musikethnologischen Diskurs über populäre Musik in Verbindung zu bringen. Die von Erlmann und Manuel vollzogene Abstraktion und Vernachlässigung der sozialen Praktiken, die innerhalb der World Music eine wichtige Rolle für die konkreten und realen Erfahrungen ihrer Akteure, der Musiker und der Hörer, spielen, sind als problematisch anzusehen, da sie ebenso wie das Postulat der Bedeutungslosigkeit an der einseitigen Betrachtung der objektiven Struktur der Musik interessiert sind und zugleich die Aufmerksamkeit von den sozialen Dynamiken weglenken. Dennoch manifestiert sich in diesen beiden zuletzt genannten Beiträgen, die World Music vor dem Hintergrund postmoderner Theorien diskutieren, das Bedürfnis, die aus einer Kunstperspektive analysierten Phänomene der populären Musik an aktuelle philosophieästhetische Debatten anzubinden. Die damit einhergehenden Abstraktionen und analytischen Unzulänglichkeiten sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass populäre Musik in nicht seltenen Fällen sowohl von ihren Produzenten als auch ihren Rezipienten als das angesehen wird, was im kulturwissenschaftlichen Diskurs häufig übersehen wird, nämlich als musikalische Kunstform. Die Diskreditierung des Ästhetikbegriffes hat in der stark durch die Cultural Studies beeinflussten Forschung zu populärer Musik eine thematische Verlagerung auf Fragen nach Kultur, Macht und Identität nach sich gezogen und damit dem allgemeinen Eindruck Vorschub geleistet, Ästhetik sei als Ausdruck von Hegemonie zugleich obsolet geworden. Die hier dargestellten Ansätze haben jedoch gezeigt, wie ästhetische Fragen unter dem Kulturparadigma im Hinblick auf populäre Mu25 Manuel weist selbst auf eine mögliche Weiterführung seines Ansatzes hin: »A further investigation of this subject would attempt to locate articulations of such aesthetics in the worlds of artists and representative consumers themselves« (Manuel 1995: 238).

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POPULÄRE MUSIK UND ÄSTHETIK

sik erörtert werden können. In Abgrenzung zur bürgerlichromantischen Musikästhetik gilt es diesen Ansätzen, die Dichotomie zwischen Kunst und Alltag aufzuheben und populäre Musik als Praxis zu begreifen. Trotz der vielfältigen und unterschiedlichen Verwendungsweisen des in diesen Bemühungen auftretenden Ästhetikbegriffes lässt sich als gemeinsamer und übergreifender Aspekt festhalten, dass mit der sozialen Praxis populärer Musik zugleich mehr gemeint ist und untersucht werden muss als das klangliche Objekt. Die hiermit angesprochenen komplexen soziokulturellen Beziehungen und Strukturen, die beispielsweise in den Studien zur World Music zur thematischen Anbindungen an größere Problemfelder wie Globalisierung, Identität oder Ethnizität geführt haben, münden dadurch in Fragestellungen, »welche ihrerseits eine Reduktion von ›world music‹ auf ein rein musikologisches Phänomen kaum zulassen« (Schumacher 1999: 99). Dies gilt gleichermaßen für die wissenschaftliche Betrachtung populärer Musik im Allgemeinen, für die sich in umgekehrter Weise ebenso die Gefahr bildet, das klangliche Objekt aus den Augen zu verlieren. Für das Fach Musikwissenschaft ergibt sich aus dieser Differenz zwischen musikalischem Text als klanglichem Objekt und dem kontextuellen Zusammenhang der musikalischen Praxis eine grundlegende Spannung, die für den methodischen Zugang zum Untersuchungsgegenstand der populären Musik von zentraler Bedeutung ist und dabei das Selbstverständnis einer überwiegend textorientierten Musikwissenschaft in Frage stellt.

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M U S I K W IS S E NS C H AF T

ALS

S P A N NU N G S F E L D

»A musicologist of popular music [...] [is] drawn to the ›cultivated‹ side by his training, to the ›popular‹ side by his subject-matter. Rather than pulling to one side, […] it will be better to look both ways, living out the tension« (Middleton 1990: 123).

Die in dieser Arbeit vorgestellten Ansätze sollten deutlich gemacht haben, dass die vielfältigen Phänomene und Praxen, die durch populäre Musik zum Ausdruck kommen, nicht auf eine einheitliche Bedeutung reduziert werden können und daher kaum durch ein monokausales Erklärungsmodell in den Griff zu bekommen sind. Da die Ansätze aus verschiedenen Diskursen stammen und ihre Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven vollziehen, ergeben sich Einsichten, die als disparat oder komplementär zueinander auftreten können und insgesamt den Eindruck erhärten, dass sich die wissenschaftliche Betrachtung populärer Musik nur als interdisziplinäres Projekt fruchtbar gestalten lässt. Innerhalb dieses Projektes ist es auffällig, dass die Musikwissenschaft, die aufgrund ihrer fachlichen Zuständigkeit dem Gegenstandsbereich der populären Musik angemessen Rechnung tragen sollte, einen eher bescheidenen Beitrag leistet. Die Gründe hierfür sieht Richard Middleton in den drei ineinander verschränkten Aspekten der Terminologie, Methodologie und Ideologie, die sich innerhalb des geschichtlichen Verlaufs des Faches ausgebildet haben und besonders durch die »notational centricity« (Tagg 1979: 28-32, vgl. Middleton 1990: 104-106) einen Umgang mit Musik etablieren konnten, der die größte Aufmerksamkeit auf den musikalischen Text legt. Es ist vor allem der Aspekt der Ideologie, der als Ausgangspunkt dieser Arbeit gewählt wurde und der als dichotomisches Konzept der klassisch-idealistischen Autonomieästhetik Gestalt angenommen hat. Die musikästhetische Orientierung an ein be-

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sonders durch die Hegelsche Philosophie expliziertes Prinzip des ›Geistes‹ hat mit ihrer Engführung auf das musikalische Kunstwerk hin die Ausgrenzung der populären Musik aus dem ›Reich‹ der Ästhetik legitimiert. Da der darin entfaltete Autonomiebegriff ausschließlich das Kunstschöne als eine Sphäre konstituiert, die frei von gesellschaftlichen Zwecken und Funktionen sowie unabhängig von kulturindustriellen Interessen gedacht ist, kann die populäre Musik innerhalb der dichotomischen Struktur immer nur als das Andere der Kunst, als Negation des Ästhetischen gedacht werden. Der Wandel hin zu einer Ästhetik der populären Musik ist zugleich einer der Ästhetisierung. Dass populäre Musik nunmehr als ästhetisch betrachtet werden kann, verdankt sich in entscheidendem Maße einem Bedeutungswandel, dem beide Begriffe unterliegen. Eine Überwindung des dichotomischen Konzeptes der klassischen Ästhetik erfolgt dabei auf Kosten einer weiteren Dichotomie. Populäre Musik befreit sich aus der Sphäre der bestimmten Negation und wird durch Umkehrung ins Positive in den wissenschaftlichen Diskurs integriert. Einerseits wird sie, indem sie zur Kunst geadelt wird, einem Kunstparadigma unterworfen, das den Autonomiebegriff implizit übernimmt, das heißt, Kunst wird weiterhin als eine vom Alltag abgelöste eigenständige Sphäre begriffen, in die populäre Musik teilweise Eingang findet. Andererseits verändert sich auch der Ästhetikbegriff. Unter dem Kulturparadigma wurden Ansätze aufgezeigt, die sich radikal von der Idee einer Autonomie der Kunst verabschieden und alternative Ästhetikkonzepte fruchtbar zu machen versuchen. Dies geschieht vornehmlich auf der Basis eines Kulturbegriffes, der von den Cultural Studies ausgehend alle sozialen Alltagspraktiken umfasst und somit die Trennung von Kunst und Alltag sowie hoher und niederer Kultur aufhebt. Vor diesem Hintergrund erhalten die dabei entworfenen Ästhetikkonzepte, die keineswegs im fest umgrenzten Rahmen philosophischer Kategorien diskutiert werden, die Form einer Gegenstrategie zur Idee der Kunstautonomie: Der einseitigen Bevorzugung des Geistes wird die explizite Theoretisierung des vernachlässigten Körpers entgegengesetzt. Die konzeptionelle Stärkung des Eigenrechts der sinnlichen Wahrnehmung im wörtlichen Sinne der aisthesis weist jedoch auf philosophische Fragestellungen hin und damit auf einen epistemologischen Wandel, der sich von einer auf Kunst zentrierten Ästhetik hin zu einer Erkenntnis sinnlicher Wahrnehmung vollzieht.

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MUSIKWISSENSCHAFT ALS SPANNUNGSFELD

Da unter diesem Gesichtspunkt eine tendenzielle Rückbesinnung auf das ursprünglich von Baumgarten initiierte Projekt der Ästhetik angesprochen wird, erscheint ebenso die Kantische Autonomieästhetik in einem neuen Licht. Die von Kant intendierte Balance von Geist und Sinnlichkeit, in der sich die Mannigfaltigkeit der Eindrücke nicht auf den Begriff bringen lässt, scheint den kulturtheoretischen Ansätzen zur Ästhetisierung populärer Musik näher zu stehen, als dies vordergründig scheint. So muss vor allem die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Kantische Ästhetik keineswegs einer durchgängig homogenen und schlüssigen Logik folgt, sondern selbst von Widersprüchen gekennzeichnet ist, die sich am eklatantesten im Verhältnis der Analyse des Geschmacksurteils zum kunsttheoretischen Teil offenbaren. Hebt man des weiteren hervor, dass sich das Autonomiemodell Kants auf die transzendental-analytischen Untersuchungen des Geschmacksurteils bezieht und nicht auf spezifische Fragen zur Kunst, wird deutlich, dass sich die musikästhetische Entwicklung in der Nachfolge Kants vom eigentlichen Anspruch des Autonomiemodells entfernt hat. Es lässt sich also festhalten, »daß der von der historischen Musikästhetik – mit weitreichenden Wirkungen bis heute hin – beschrittene Weg der Dichotomisierung gerade das nicht zu begründen vermag, was er zu begründen vorgibt: ihre ästhetische Autonomie« (Sponheuer 1987: 197).

Dieser hier in pointierter Weise zum Ausdruck gebrachte Sachverhalt macht darauf aufmerksam, dass der von Kant formulierte Anspruch der ästhetischen Autonomie weder in den nachfolgenden Konzepten der idealistischen Philosophie noch in denen der klassischen Musikästhetik adäquat eingelöst wurde. Obwohl Kant sogar selbst an manchen Stellen wieder hinter seinen eigenen Anspruch zurück fällt und diesen keineswegs durchgängig aufrechterhalten kann, bleibt doch festzuhalten, dass das Konzept der ästhetischen Autonomie als solches von den strategischen Mechanismen der sie umgebenden Diskurse unterschieden werden kann. Eine detaillierte Kritik an der klassischen Kunstästhetik, wie sie in dieser Arbeit durchzuführen versucht wurde, macht demnach deutlich, dass das programmatische Vergeistigungskonzept nachgerade die ästhetische Autonomie mit ihrer

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Versöhnung von ›Körper‹ und ›Geist‹ untergräbt und als Träger – als Ursache und Wirkung – ideologischer Strukturen angesehen werden muss, der schließlich als Legitimationsinstanz für die Ausgrenzung populärer Musik fungiert. Aus dieser Perspektive kann eine Reduktion der Kantischen Ästhetik auf eine bloße Kunstästhetik nur als unzulässig zurückgewiesen werden. Die radikale und pauschale Ablehnung der Kantischen Ästhetik, die vor allem im Diskurs der Popular Music Research und der New Musicology vollzogen wird, scheint daher allzu leichtfertig praktiziert und im Kern ungerechtfertigt zu sein, sollte die Betonung der von Krims geforderten Zurückweisung der »post-Kantian ideology« (Krims 1998: 2) doch vielmehr auf der Silbe ›post‹ liegen, als der Kantischen Philosophie per se eine voreilige Absage zu erteilen und dabei auf eventuell hilfreiche Erkenntnisse von vornherein zu verzichten. Ein differenzierter Blick ist daher geboten, um einerseits die ideologischen Mechanismen, in die Kants Ästhetik zweifelsohne eingebettet ist, aufzudecken, und andererseits relevante Aspekte für eine vorurteilsfreie Musikästhetik fruchtbar zu machen. An dieser Stelle kann nur angedeutet werden, dass sich die Aktualität der Kantischen Ästhetik beispielsweise durch die Ablehnung der Werkzentriertheit, die Hervorhebung und konzeptionelle Gestaltung der ästhetischen Erfahrung oder durch die Problematik der Ästhetisierung der Lebenswelt (vgl. Bubner 1989a: 34-38, 1989b) zeigt und daher dem musikästhetischen Diskurs über populäre Musik durchaus als Anlass für eine gewinnbringende Auseinandersetzung dienen könnte. Die größte Herausforderung für den wissenschaftlichen Diskurs über populäre Musik besteht in der Überwindung eines grundlegenden methodischen Bruchs, der im Bourdieuschen Sinne durch den ›magischen Einschnitt zwischen Transzendentalem und Empirischem‹ markiert wird, oder allgemeiner: zwischen den beiden Sphären von Geisteswissenschaften und Kultur- und Sozialwissenschaften. Die Musikwissenschaft, die unumstritten einer geisteswissenschaftlichen Tradition zugeordnet werden kann, weist mit ihrer Fokussierung auf den musikalischen Text einen Mangel auf, der für die Analyse populärer Musik folgenschwer ist und von Middleton treffend erfasst wird: »The general problem here is a lack of concern with practice – how all these texts worked as culture« (Middleton 1990: 110). Alan P. Merriam hat bereits 1964 in seinem Buch The Anthropology of Music die Forde-

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MUSIKWISSENSCHAFT ALS SPANNUNGSFELD

rung gestellt, Musik als Ausdruck kulturellen Verhaltens zu bestimmen und daher besonders den kulturellen Zusammenhang, in dem Musik entsteht und organisiert wird, zu berücksichtigen. Da er die Musikethnologie im Spannungsfeld zweier Methoden, nämlich der musikologischen und der ethnologischen, ansiedelt, stellt er fest, »that what the ethnomusicologist seeks to create is his own bridge between the social sciences and the humanities« (Merriam 1964: 25). Seine Bevorzugung der ethnologischen und damit kulturwissenschaftlichen Seite wird jedoch schnell deutlich, wie eine weitere Bemerkung verrät: »He [der Musikethnologe] does not seek the aesthetic experience for himself as a primary goal [...], but rather he seeks to perceive the meaning of the aesthetic experience of others from the standpoint of understanding human behavior« (Merriam 1964: 25).

Entgegen einer Untersuchung der ästhetischen Erfahrung, die in den Geisteswissenschaften, beispielsweise in der Philosophie, aus einer ›Innenperspektive‹ heraus durch die Anstrengung des Begriffes erfolgt, nimmt die empirische Kulturwissenschaft eine ›Außenperspektive‹ ein, aus der die ästhetische Erfahrung des Anderen beobachtet wird. Diese beiden diametral zueinander stehenden Ausgangssituationen markieren den von Merriam beschriebenen spannungsreichen Zustand der Musikethnologie, der sich bis heute keineswegs aufgelöst hat und ebenso auf die Situation der im Hinblick auf populäre Musik problematisierten Forschungsmethoden übertragen werden kann. Dementsprechend lässt sich dieses Spannungsfeld, wie die in dieser Arbeit erörterten Ansätze gezeigt haben, zwischen den beiden Polen eines Kunst- und Kulturparadigmas lokalisieren, die der »cultivated side« und »popular side« (Middleton 1990: 123) einer musikwissenschaftlichen Beschäftigung mit populärer Musik entsprechen. Der zukünftige musikwissenschaftliche Diskurs über populäre Musik sollte daher ebenfalls als Spannungsfeld begriffen werden, das zum einen die Vielfalt bestehender Ansätze und Methoden repräsentiert und stets für neue Impulse aus fachfremden Diskursen offen bleibt und zum anderen die Möglichkeit bietet, die jeweiligen Vorzüge beider Seiten miteinander zu kombinieren und somit die gegensätzlichen Pole aneinander anzunähern. Für die musikwissenschaftliche Praxis bedeutet dies nicht weniger,

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als einen selbstreflexiven Umgang mit der eigenen Terminologie und Methodik zu betreiben, eine grundlegende Kritik an ihren eigenen ästhetischen Prämissen zu vollziehen und einen Paradigmenwechsel durchzusetzen, der die an artifizieller Musik exerzierte radikale Textzentrierung zugunsten eines angemessenen Zugangs zu populärer Musik aufhebt. Dass sich die musikwissenschaftliche Forschung dabei keineswegs auf einen einzigen, geschweige denn endgültigen Umgang mit populärer Musik festlegen sollte, sondern sich vielmehr im Prozess des Suchens nach geeigneten Lösungsansätzen befindet und gerade daraus eine gewisse Stärke und Toleranz bezieht, beweisen beispielsweise die Arbeiten von Richard Middleton. Die Vielfalt der Ansatz- und Darstellungsmöglichkeiten für eine Analyse populärer Musik tritt offen zutage, wenn er im Anschluss an die von Barthes entwickelte Semiologie die ›Rauheit‹ der Stimme an den Gesangsstilen von Elvis Presley oder Mick Jagger exemplifiziert (vgl. Middleton 1990: 262f.), oder eine tanztheoretisch inspirierte Theorie der Gestik als Analyseverfahren für einen Song von Madonna wählt (vgl. Middleton 1993), oder die Genres, Stile und Aufführungspraktiken der populären Musik in einer historischen Überblicksdarstellung vorstellt und die dabei herausgearbeiteten ästhetischen Fragen (Eigenwertigkeit von Klang, Stimme und Gestik, Form, Wiederholung) diskutiert (vgl. Middleton 2001). Wie die populäre Musik selbst sollte ebenso der sich ihr widmende musikwissenschaftliche Diskurs als Schauplatz intensiver Auseinandersetzungen und Spannungen verstanden werden. Für ein Verständnis, das die Fragestellungen der Ästhetik auf populäre Musik innerhalb einer erfolgreichen Vermittlung des geisteswissenschaftlichen und des kulturwissenschaftlichen Standpunktes bezieht, wäre ein großer Schritt getan, »wenn die als experimentelle und empirische Rezeptionsforschung betriebene ›Ästhetik von unten‹ mit dem geschichtsphilosophischen Ansatz einer Ästhetik von oben sich verbinden ließe. Voraussetzung dafür wäre allerdings ein vorurteilsfreies, verständnisvolles Aufeinanderzugehen« (Rösing 1997: 367).

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Popularmusikforschung Michael Fuhr Populäre Musik und Ästhetik Die historisch-philosophische Rekonstruktion einer Geringschätzung

Martin Pfleiderer Rhythmus Psychologische, theoretische und stilanalytische Aspekte populärer Musik

März 2007, 154 Seiten, kart., 17,80 €, ISBN: 978-3-89942-675-5

2006, 390 Seiten, kart., 30,80 €, ISBN: 978-3-89942-515-4

Christian Bielefeldt, Udo Dahmen, Rolf Großmann (Hg.) PopMusicology Perspektiven der Popmusikwissenschaft

Dietrich Helms, Thomas Phleps (Hg.) Cut and paste Schnittmuster populärer Musik der Gegenwart

März 2007, ca. 220 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-603-8

2006, 156 Seiten, kart., 16,80 €, ISBN: 978-3-89942-569-7

Florian Werner Rapocalypse Der Anfang des Rap und das Ende der Welt

Maria Wurm Musik in der Migration Beobachtungen zur kulturellen Artikulation türkischer Jugendlicher in Deutschland

Februar 2007, 282 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-608-3

2006, 248 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-511-6

Annemarie Firme, Ramona Hocker (Hg.) Von Schlachthymnen und Protestsongs Zur Kulturgeschichte des Verhältnisses von Musik und Krieg

Meike Becker-Adden Nahtstellen Strukturelle Analogien der »Kreisleriana« von E.T.A. Hoffmann und Robert Schumann

2006, 302 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN: 978-3-89942-561-1

Werner Heinrichs Der Kulturbetrieb Bildende Kunst – Musik – Literatur – Theater – Film 2006, 294 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-532-1

2006, 288 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN: 978-3-89942-472-0

Dietrich Helms, Thomas Phleps (Hg.) Keiner wird gewinnen Populäre Musik im Wettbewerb 2005, 214 Seiten, kart., 22,80 €, ISBN: 978-3-89942-406-5

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de

Popularmusikforschung Helmut Rösing Das klingt so schön hässlich Gedanken zum Bezugssystem Musik 2005, 232 Seiten, kart., 22,80 €, ISBN: 978-3-89942-257-3

Dietrich Helms, Thomas Phleps (Hg.) 9/11 – The world’s all out of tune Populäre Musik nach dem 11. September 2001 2004, 212 Seiten, kart., 19,80 €, ISBN: 978-3-89942-256-6

Dietrich Helms, Thomas Phleps (Hg.) Clipped Differences Geschlechterrepräsentationen im Musikvideo 2003, 130 Seiten, kart., 14,80 €, ISBN: 978-3-89942-146-0

Thomas Phleps, Ralf von Appen (Hg.) Pop Sounds Klangtexturen in der Pop- und Rockmusik. Basics – Stories – Tracks

Petra Schneidewind, Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Handbuch für Musikschaffende 2003, 310 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-133-0

Christian Bielefeldt Hans Werner Henze und Ingeborg Bachmann: Die gemeinsamen Werke Beobachtungen zur Intermedialität von Musik und Dichtung 2003, 308 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-136-1

Lydia Grün, Frank Wiegand (Hg.) musik netz werke Konturen der neuen Musikkultur 2002, 218 Seiten, kart., inkl. Begleit-CD-ROM, 24,80 €, ISBN: 978-3-933127-98-3

2003, 234 Seiten, kart., 23,80 €, ISBN: 978-3-89942-150-7

Jannis Androutsopoulos (Hg.) HipHop Globale Kultur – lokale Praktiken 2003, 338 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-114-9

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