Politikos - Vom Element des Persönlichen in der Politik: Festschrift für Tilo Schabert zum 65. Geburtstag [1 ed.] 9783428523566, 9783428123568

Professor Dr. Dr. h. c. mult. Tilo Schabert beging im November 2007 seinen 65. Geburtstag. Aus diesem Anlass haben ihm r

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Politikos - Vom Element des Persönlichen in der Politik: Festschrift für Tilo Schabert zum 65. Geburtstag [1 ed.]
 9783428523566, 9783428123568

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Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 149

Politikos – Vom Element des Persönlichen in der Politik Festschrift für Tilo Schabert zum 65. Geburtstag

Herausgegeben von Karl-Heinz Nusser, Matthias Riedl und Theresia Ritter

Duncker & Humblot · Berlin

Festschrift für Tilo Schabert zum 65. Geburtstag

Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 149

Politikos – Vom Element des Persönlichen in der Politik Festschrift für Tilo Schabert zum 65. Geburtstag

Herausgegeben von Karl-Heinz Nusser, Matthias Riedl und Theresia Ritter

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Drucklegung dieses Buches geschah mit teilweiser Unterstützung durch das Dipartimento di Filosofia dell’Università degli Studi di Salerno – Dottorato di ricerca. Questo libro è stato stampato con il parziale contributo del Dipartimento di Filosofia dell’Università degli Studi di Salerno – Dottorato di ricerca.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0421 ISBN 978-3-428-12356-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort der Herausgeber Nichts charakterisiert das Schaffen unseres Jubilars besser als die geistige Bewegung des Aufstiegs und der Rückkehr: ein Aufstieg aus der Höhle und eine Rückkehr zu Alltagsbedingungen des Lebens wie in Platons Höhlengleichnis – oder ein Aufstieg wie in Platons Politikos, um die göttliche Ordnung des Kronos zu betrachten und eine Rückkehr zum Problem der richtigen Einschränkung der Freiheit, wie sie unter der Herrschaft des Zeus notwendig ist. Gerade der Dialog Politikos führt den Menschen die Grenzenlosigkeit ihrer Handlungsmöglichkeiten vor Augen und zeigt, dass sie um der Freiheit und guten Ordnung sinnvoll begrenzt werden müssen. Dieser Dialog Platons ist es, der Tilo Schabert ans Herz gewachsen ist. Sein Schaffen bewegt sich zwischen der Spannbreite unverrückbarer Wahrheiten vom Guten und Gerechten und dem Fließen der Politik, dem man nur im konkreten Beobachten und Urteilen gerecht werden kann. Antike und moderne Einsichten dienen Tilo Schabert gleichermaßen, um das Neue und Schöpferische, in dem das menschliche politische Handeln besteht, wahrzunehmen und theoretisierbar zu machen. So deutet der Titel der Festschrift: Politikos – Das persönliche Element in der Politik den umfassenden Horizont an, den seine Bücher und Aufsätze eröffnen. Er benennt den roten Faden, der sich überall wiederfinden lässt, angefangen von Natur und Revolution (1969), über Gewalt und Humanität (1978), Boston Politics: The Creativity of Power (1989), Modernität und Geschichte (1990), Die Architektur der Welt. Eine kosmologische Lektüre architektonischer Formen (1997) bis zu Wie Weltgeschichte gemacht wird (2002). Alle diese Werke, zu denen neben den Aufsätzen noch eine stattliche Reihe von Büchern zählen, die aus den von ihm geleiteten Eranos Konferenzen hervorgingen, bewahrheiten die zwanglose Haltung Schaberts, antike und moderne Einsichten heranzuziehen, wenn es der Blick auf die Sache erfordert. Und unserem Bild vom Aufstieg und der Rückkehr als der Grundbewegung im Schaffen unseres Jubilars lassen sich leicht seine zentralen Arbeiten zuordnen. Werke wie Gewalt und Humanität und Modernität und Geschichte entsprechen den Aspekten des Aufstiegs, andere wie Boston Politics, Wie Weltgeschichte gemacht wird und Stadtarchitektur – Spiegel der Welt der Rückkehr. Das Vordringen bis zum eigentlichen Grund (arché) und die Rückkehr zur ordnenden Durchdringung des politischen Chaos machen die Grundbewegung des Schaffens unseres Jubilars aus. Im göttlichen Grund zeigt

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Vorwort der Herausgeber

sich der Ursprung aller Ordnungen und Dinge, während der Ablauf der politischen Ereignisse in der Zeit sein erst zu entschlüsselndes Maß in sich enthält. Wie in Boston Politics gezeigt wird, kann dieses nicht durch ein Covering-Law-Denken oder eine konstruktivistische Handlungstheorie erfasst, sondern nur nachträglich beschrieben bzw. erzählt werden. Erzählungen dieser Art sind lehrreich, wenn sie sich auf große Akteure beziehen. Der Jubilar hat bedeutsame Akteure wie den Bostoner Bürgermeister Kevin H. White und den französischen Staatspräsidenten François Mitterrand ausgewählt. An ihrem Regieren und an der von ihnen gestalteten Balance von Macht und Freiheit ist zu sehen, wie sich politische Macht innerhalb legaler Grenzen selbst produziert und um der Freiheit willen begrenzt. Politik ist schöpferisch, wenn sie unter den Bedingungen des „Paradoxes der Freiheit“ das menschliche Handeln um der Freiheit willen begrenzt. Die Macht zivilisiert den Menschen und stellt den Menschen auf die gleiche Ebene mit „seinesgleichen, nach dem Bilde der politischen Natur seiner Existenz“ (Menschen schaffen: Über das Verhältnis von Macht und Anthropologie 1998). Ideologisch fixierte Gegensätze zwischen Tradition und Moderne, kulturelle Gegensatzfixierungen zwischen Europa und transatlantischer Welt oder zwischen westlichen und östlichen Kulturen werden überschritten. Der Jubilar ist für seine unkonventionelle Arbeitsweise und seine singulären Forschungsleistungen mit bedeutenden Preisen und akademischen Ehrentiteln ausgezeichnet worden; jüngst wurde er von Präsident Jacques Chirac zum Ritter der Französischen Ehrenlegion ernannt. Zeugen dieses wahrhaft kosmologischen Denkens Schaberts sind aber auch Kollegen, Schüler und Freunde, die ihm in großer Zahl in dieser Festschrift die Ehre erweisen. Es war das erklärte Ziel der Herausgeber, eine thematische Festschrift vorzulegen, die auf die Forschungsinteressen des Jubilars Bezug nimmt und für die weitere Forschung auf diesen Gebieten von Nutzen sein kann. Dies ist auch gelungen. Nur in ganz seltenen Fällen haben wir Beiträge zu anderen Themen angenommen; dies geschah weil sich die Autoren außerstande sahen, zum Thema beizutragen, aber nicht darauf verzichten wollten, ihre tiefe Verbundenheit und Freundschaft mit Tilo Schabert zum Ausdruck zu bringen. Die Herausgeber danken allen, die bei der Erstellung des Bandes mitgeholfen haben, insbesondere Gábor Kármán, Anna Kukielka, Jocelyne Nicoly, Nicoletta Stradaioli und Katalin Stráner. Dem Verlag Duncker & Humblot, insbesondere Dr. Florian R. Simon, Lars Hartmann und Claudia Blomberg, danken wir für die freundliche und reibungslose Zusammenarbeit sowie für die Aufnahme des Bandes in die Reihe „Beiträge zur Politischen Wissenschaft“. Nicht zuletzt danken wir den Institutionen und

Vorwort der Herausgeber

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Freunden, die durch ihre finanzielle Unterstützung die Veröffentlichung dieser Festschrift möglich gemacht haben, insbesondere dem Dipartimento di Filosofia der Università degli studi di Salerno. München, Budapest und Erlangen im Januar 2008

Karl-Heinz Nusser, Matthias Riedl, Theresia Ritter

Inhaltsverzeichnis I. Tilo Schaberts Politische Wissenschaft Hubert Védrine Un professeur allemand à l’Elysée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Jean Musitelli Dans l’atelier de la politique mondiale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dan Avnon Autocracy: The Schabertian Way . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Joseph Hanimann Gründungshoheit, Deutungshoheit: Städtebau und Politik: Eine Spiegelbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Platonlektüren James M. Rhodes Politikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Mariapaola Fimiani Das Zeitalter des Kronos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Karl-Heinz Nusser Platon über Gott oder Götter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Barbara Zehnpfennig Der platonische Staatsmann und seine Wiederbelebung im amerikanischen Neokonservatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Peter Nitschke Der „nackte Mensch“ – oder – Wie wird man Politiker? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Manfred Henningsen The Dream Worlds of Tyrants: The Teachings of Socrates’ Students . . . . . . . 131 Eiko Hanaoka(-Kawamura) Zen and Politics – Hoping to Arrive at Indra’s Net . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

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Inhaltsverzeichnis

III. Person und Institution Hella Mandt Vom Vorrang der Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Chantal Delsol Le gouvernant démocratique, portrait philosophique . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 David Walsh The Unattainability of what we Live Within: Liberal Democracy . . . . . . . . . . . 189 Giuseppe Acocella Concertazione sociale e rappresentanza del lavoro: L’evoluzione contemporanea dei profili istituzionali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Aaron Powell People and Power: Local Government Reform in England and its Implementation in the London Borough of Redbridge, 2002–2006 . . . . . . . . . . . . . . . 217

IV. Das Politische und das Persönliche – Philosophische Betrachtungen Clementina Cantillo Helden und Ritter: Substantielles und individuelles Handeln bei Hegel . . . . . 237 Elisabetta Barone Il fantasma della politica. Il potere tra desiderio e godimento . . . . . . . . . . . . . . 251 Alain Juranville L’actualité de la philosophie: Inconscient, capitalisme et fin de l’histoire . . . 265 Stephan Sattler Vom Versagen der Heilslehren und ihrer Beständigkeit. Gedankliche Impressionen zu einem paradoxen Vorgang in der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Roberto Racinaro Wissenschaft, Ethik, Politik: unabhängige Sphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Giuseppe Cantillo Eine erweiterte Vernunft: Ernesto De Martino und der Gedanke von der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

Inhaltsverzeichnis

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V. Das Politische und das Persönliche – Studien Matthias Riedl Marcus Atilius Regulus – Die Bürgertugend in Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Jürgen Gebhardt Abraham Lincoln – Civil Theology and the Political Theory of Republican Governance. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Pierre Manent De Gaulle, ou le sens de la responsabilité nationale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Albrecht Zunker Zwei Generale – eine historische Episode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Gernot Sittner Der Reporter und die Kunst der wahren Könige: Anmerkungen zur journalistischen Darstellung des Persönlichen in der Politik. . . . . . . . . . . . . . . . 403 Barry Cooper Recollecting the Personal in Voegelin’s Political Science . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Bernd Henningsen Der politische Henrik Ibsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Hélder Godinho Vergílio Ferreira et la Politique . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 Athanasios Moulakis De Vera Nobilitate: Memory and the Dignity of the Statesman in the Poetry of Constantin Kavafy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Davíd Carrasco Imagining a Place for Aztlan: Chicanismo and the Aztecs in Art and Resistance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463

VI. Anhang Tilo Schabert Bibliographie – Schriftenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Tabula Gratulatoria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497

I. Tilo Schaberts Politische Wissenschaft

Un professeur allemand à l’Elysée Hubert Védrine J’ai fait la connaissance du professeur Tilo Schabert en 1993. J’étais alors Secrétaire Général de l’Elysée. Nous étions deux ans avant la fin du mandat du Président Mitterrand. Sa maladie était connue depuis l’été 1992. Suite aux élections de printemps 1993 et à la victoire parlementaire de la droite, la France se trouvait pour la seconde fois en situation de cohabitation. Edouard Balladur était Premier ministre. Sans recommandation Tilo Schabert avait pris contact avec Jean Musitelli, alors porte-parole de la Présidence, lequel l’avait reçu. Tilo Schabert lui avait fait part de ses souhaits: pouvoir rencontrer à l’Elysée les collaborateurs du Président Mitterrand. Il voulait étudier le fonctionnement du pouvoir et s’intéressait particulièrement à la façon dont il était organisé autour du Président français. Après Jean Musitelli dont la réaction avait été immédiatement favorable, je donnai un accord de principe à cette démarche, promettant à Tilo Schabert la plus large coopération et l’accès aux documents qui l’intéressaient, tout en m’assurant que le Président n’y voyait pas d’inconvénient. Il faut dire que nous étions rentrés depuis l’année 1991 dans la zone des tempêtes. Pas une initiative, pas une position du Président Mitterrand qui n’ait été à partir de cette période violemment controversée ou critiquée, jusqu’à l’absurde. Et cela pour des raisons très diverses de politique intérieure. Dans ce contexte, n’importe quel travail, un tant soit peu sérieux sur François Mitterrand ou sa politique ne pouvait conduire, selon nous, qu’à un jugement plus positif. Surtout si cela émanait de quelqu’un d’étranger aux querelles franco-françaises. Un professeur allemand, qui avait l’air sérieux, méthodique, sans idée préconçue: c’était inespéré! Et nos premières conversations montrèrent un homme très cultivé capable de remettre la politique en perspective, intéressé par l’histoire, sensible au sens profond des choses. Et, par ailleurs, lisant, parlant et comprenant le français avec aisance et finesse. Certes, Tilo Schabert s’intéressait au fonctionnement du pouvoir et, à ce moment là, pas encore spécialement à la politique allemande de François Mitterrand. Mais c’était de toute façon très intéressant pour nous. Nous lui ouvrîmes donc nos portes.

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Hubert Védrine

Voilà comment Tilo Schabert put rencontrer les uns et les autres à l’Elysée, nouer avec eux des relations de confiance et consulter avec notre accord notes, dossiers et archives diverses. Par la suite, Tilo Schabert décida de s’intéresser, grâce à son information de première main, à la politique de la France envers la réunification allemande. Peut être avait-il été frappé par la mauvaise foi et la partialité avec lesquelles elle avait été commentée du côté français. Finalement, il décida d’étudier toute la politique allemande de François Mitterrand de 1981 à 1995. Et il compléta méthodiquement son enquête et recoupa ses sources en vérifiant tout ce qui avait été fait et dit à Bonn, Washington, Londres ou Moscou. Tilo Schabert n’approuve évidemment pas tout ce qui a été fait par François Mitterrand vis-à-vis de l’Allemagne. Ce n’est pas son objet. Mais il réduit en poudre les jugements les plus courants (Mitterrand n’a rien vu, il était contre, il n’a pas fait ce qu’il fallait). Il entre dans la complexité, la densité et la logique de la politique allemande du Président qui apparaît dans toute son ampleur, dès les entretiens avec Helmut Schmidt à l’automne 1981. Il la donne à voir de l’intérieur. Le résultat est impressionnant de sérieux. Je crois que ceux qui ont eu la chance de vivre ces événements auprès de François Mitterrand et qui avaient été constamment stupéfaits et indignés de la façon partiale dont sa politique avait été présentée à l’opinion publique française seront reconnaissants à Tilo Schabert. Non pas pour son soutien ou son engagement. Il ne s’agit pas de cela. C’est un chercheur et un professeur indépendant. Mais pour son honnêteté intellectuelle et son respect des faits, qui font honneur à l’école universitaire allemande et sont un des signes du passage des études sur le président Mitterrand de la politique à l’Histoire.

Dans l’atelier de la politique mondiale Jean Musitelli Les Français ont parfois du mal à lire correctement leur propre histoire, surtout la plus récente. Ainsi ont-ils longtemps cru que François Mitterrand s’était opposé à la réunification de l’Allemagne. C’est la thèse que colportait la plupart de ceux qu’on appelle les « faiseurs d’opinion ». Il a fallu qu’un Allemand leur apprenne à déchiffrer cet épisode décisif de leur passé proche, qu’il ouvre leurs yeux, aveuglés par les passions polémiques ou les vulgates indigentes, sur ce moment crucial de l’histoire de l’Europe où tout pouvait basculer dans le chaos. Et qu’il leur dise, avec une tranquille autorité: « Mais non. Ce n’est pas ainsi que les choses se sont passées. Ecoutez-moi: je vais vous raconter l’histoire vraie de Mitterrand et de la réunification ». Oser une telle entreprise exigeait bien de l’intrépidité intellectuelle, mais aussi le courage de penser à contre-courant et la volonté obstinée « de se conformer à la vérité effective des choses plutôt qu’aux imaginations qu’on s’en fait », pour parler comme Machiavel. Tilo Schabert a relevé le défi, avec une parfaite objectivité, sans une once de complaisance, animé par l’ardeur de comprendre et d’expliquer, habité par le désintéressement suprême de celui qui n’a en vue que la quête du vrai. Avec Mitterrand et la réunification allemande, paru en allemand en 2002 et en français en 2005, il a écrit un livre clé pour la compréhension de ce que fut la nature complexe et intense de la relation franco-allemande à la fin du XXème siècle. Ce livre, j’ai eu la chance d’assister à sa naissance. J’ai rencontré Tilo pour la première fois le 3 décembre 1991. J’étais, à cette époque, porte-parole du président de la République. À l’Elysée, nous préparions d’arrache-pied le Conseil européen de Maastricht qui allait se tenir quelques jours plus tard. Mes fonctions me conduisaient à recevoir de nombreux visiteurs, français et étrangers, journalistes, politologues, historiens qui écrivaient sur François Mitterrand et sur son action politique. Ils venaient tester leurs idées ou compléter leur information. Dès notre premier entretien, je perçus que la démarche de Tilo était d’une autre nature, d’une autre ambition. Qu’elle n’était ni anecdotique, ni conjoncturelle. Qu’il poursuivait un objet qu’il n’avait pas encore pleinement identifié, mais vers quoi le poussait une intuition forte.

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Jean Musitelli

En ce temps-là, Tilo s’intéressait à la mécanique du pouvoir, à l’alchimie de la décision, au fonctionnement du Prince moderne. Son approche m’intéressa immédiatement, car j’ai toujours pensé qu’il y a beaucoup à apprendre, pour le responsable immergé dans le quotidien de l’action, de la façon dont le perçoit un œil extérieur, dès lors que le regard n’est ni malveillant ni complaisant, mais qu’il est rigoureux et pénétrant. Or, le regard de Tilo n’était pas seulement celui d’un observateur informé, ce qui n’est déjà pas si fréquent, il était celui, distancié et perspicace, d’un philosophe qui contemple l’activité politique armée de catégories interprétatives qui font généralement défaut aux commentateurs patentés. Une voix m’avertit que ce visiteur n’était pas banal et, surtout, qu’il était digne de confiance, ce qui, dans ma position, conditionnait tout le reste, notamment la possibilité de lui ouvrir quelques portes utiles. Ainsi débuta l’histoire. De ses premières recherches et de ses entretiens avec François Mitterrand et ses proches, il ramena, entre autres, un portrait grave et sensible du président, publié par le Süddeutsche Zeitung le surlendemain de sa mort, qui s’intitulait « Au cœur du pouvoir règne le calme », ainsi qu’un petit essai fulgurant de pénétration sur « Mitterrand, prince classique » qui attend toujours d’être traduit en français. Mais, surtout, les résultats de son enquête infléchirent progressivement le centre de gravité de ses intérêts et je vis s’esquisser un projet d’une autre portée, d’une actualité plus brûlante, je veux parler de la lancinante question de l’attitude de Mitterrand face à l’unification allemande et de l’incompréhension qu’elle avait suscitée en France. Je ne pus que l’encourager dans cette voie, comme le fit aussi Hubert Védrine. Pour ceux qui l’avaient vu à l’œuvre dans cette période, le procès fait à Mitterrand paraissait à la fois superficiel et injuste. Dans un article publié au début de 1997 dans la revue Commentaire, je me demandais, de façon un peu rhétorique, si le temps n’était pas venu que, sur ce chapitre comme sur d’autres, la fureur polémique ou le zèle apologétique le cèdent enfin à l'investigation historique. La publication, après plusieurs années de labeur acharné, de Wie Weltgeschichte gemacht wird, Frankreich und die Deutsche Einheit, au début de 2002, vint combler toutes mes espérances. L’ouvrage, remarquablement édité par Klett-Cotta, fut traduit en français trois ans plus tard chez Grasset, non sans que Tilo l’ait enrichi et complété. Ce qui faisait le prix de ce livre, ce n’était pas seulement la nouveauté d’une thèse qui prenait le contrepied des clichés les plus ressassés, c’était aussi l’originalité du questionnement auquel il soumettait les faits bruts et la singularité d’une méthode qui, répudiant les schémas classiques d’analyse, forgeait ses propres outils conceptuels d’investigation et d’explication: des outils spécifiquement

Dans l’atelier de la politique mondiale

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adaptés à l’objet de la recherche. Je pense, en particulier, aux notions d’« atelier », de « scénario » et de « légende » qui caractérisent cette méthodologie schabertienne in progress. Le tour de force de l’auteur, en effet, est de faire pénétrer son lecteur dans l’« atelier de la politique mondiale », là où s’est élaborée la réponse à cet évènement inouï que fut la chute du Mur de Berlin et la cascade d’effets qui s’en suivirent. Pourquoi la métaphore de l’atelier est-elle pertinente? Parce qu’elle suggère un travail créatif, collectif, artisanal. Tout le contraire de la solution préfabriquée, de la recette passe-partout, de la production standardisée comme savent en fabriquer les chancelleries et les institutions internationales. C’est du sur mesure. De la haute couture. Or, c’est bien ainsi que les choses se sont passées. Tilo Schabert décrit une poignée de grands couturiers occupés à recoudre le tissu d’un monde déchiré. Ils s’appellent Bush, Gorbatchev, Mme Thatcher, Kohl et Mitterrand. Prend forme sous nos yeux un ouvrage collectif produit par de fortes individualités et affiné jour après jour, à travers un réseau de communications très dense, avec le souci constant de dénouer des apories tenues pour insolubles quelques semaines plus tôt, de concilier l’harmonie du tout avec la précision du détail. C’est ce qu’Hubert Védrine a qualifié de chef-d’œuvre d’intelligence collective. Au décor de l’atelier est liée la notion de « scénario ». Avec la chute non programmée du Mur, le monde prenait l’allure d’une scène où les acteurs étaient comme abandonnés à eux-mêmes, privés des répliques commodes qu’ils avaient répétées mécaniquement pendant quarante ans de Guerre Froide. La bonne vieille langue de bois diplomatique était soudain sans prise sur une réalité insaisissable, pour ne pas dire innommable. Cette situation pirandellienne de personnages en quête de texte n’était pas sans péril. On risquait de passer de l’ordre glacé de Yalta à une déflagration incontrôlable. Face à ce défi, ce que montre excellemment Tilo Schabert, c’est, tout à la fois, l’importance et la relativité du scénario. Le scénario, c’est ce qui permet de juguler le désordre en restituant un sens et une finalité à l’évènement. Dans une première phase, une pluralité de scénarios, allemand, français, russe jaillit et s’entrechoque, avant de se décanter, non sans tensions, de trouver graduellement leur compatibilité. Le livre apporte des lumières inédites sur ce processus et sur la façon dont fut construit le scénario français, avec les phases de son écriture, ses variantes, ses ratures. En mettant bien l’accent sur la permanence, au cœur de la réflexion mitterrandienne, d’une idée force: la question allemande est une question européenne, l’unification allemande est une chance de renforcer l’unité de l’Europe (et non l’inverse), il faut y parvenir sans provoquer une tempête dévastatrice à l’est du continent.

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Jean Musitelli

La mission de l’historien consiste aussi à déconstruire les « légendes ». Selon l’opinion courante, Mitterrand voulait freiner, voire bloquer l’unification allemande. Comment et pourquoi naissent de telles légendes? se demande Tilo Schabert. Elles ne sont jamais innocentes, qu’elles résultent, comme en l’occurrence, de l’hostilité à l’homme plus qu’à sa politique ou de la paresse intellectuelle des éditorialistes, occupés à se copier les uns les autres. Mais une fois la doxa cristallisée, il n’est pas commode de renverser le courant. S’attaquer aux légendes, noires ou dorées, ne va pas sans risque pour le téméraire qui ose démasquer les impostures. Tilo s’en est bien rendu compte quand il a dû subir les piques de quelques faiseurs de légendes dont il dérangeait le confort et les intérêts. Mais toute légende, pour mystificatrice qu’elle soit, renvoie à un fond de vérité que l’auteur débusque avec beaucoup de perspicacité. Si la position de Mitterrand a soulevé tant de tempêtes sur la rive gauche du Rhin, c’est bien que la question allemande était, dans ces années-là, au cœur de toute stratégie française. Jamais les dirigeants français n’envisageaient une initiative sans se demander: que diront les Allemands? Qu’en pense le Chancelier? C’était un temps où il était inconcevable pour la France de se penser en Europe sans associer l’Allemagne à cette réflexion. On en vient presque, aujourd’hui, à évoquer avec mélancolie cette sorte d’âge d’or. Bref, un vrai travail d’historien, reposant sur l’établissement scrupuleux des faits à partir d’une critique minutieuse des sources (j’eus la surprise de découvrir que Tilo s’était livré à une exégèse très savante des notes comparées qu’Hubert Védrine et moi-même avions prises du même entretien auquel nous assistions, lui comme porte-parole, moi comme conseiller diplomatique). Ce livre illustre à quel point le régime de vérité de l’histoire est aussi éloigné de l’illusion des vérités absolues que de l’inconsistance du relativisme. C’est en quoi il est profondément honnête. Si l’objectif de l’historien est de produire des énoncés vrais que tout homme de bonne foi soit tenu de reconnaître pour tels, alors le but est parfaitement atteint. J’ai centré ces quelques lignes sur cet ouvrage parce que c’est autour de sa genèse que s’est forgée notre amitié. Il y aurait infiniment d’autres choses à dire sur Tilo parce que, quelle que soit la qualité de sa production intellectuelle, il y a chez lui une dimension humaine qui la transcende encore. Quand il est à l’autre bout du monde, il n’oublie jamais de vous envoyer une carte postale (un trait qu’il partage avec Mitterrand). C’est un homme exquis qui met au-dessus de tout le commerce des idées. Qui aime à faire partager les siennes, jamais anodines, et prête une oreille attentive à celles qu’on lui confie. Il fait circuler, de part et d’autre du Rhin, un courant d’échange intellectuel qui le constitue en passeur de culture. Mais qu’on ne s’y trompe pas. Sous les abords du professeur paisible, se cache

Dans l’atelier de la politique mondiale

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une nature rétive au conformisme et au prêt-à-penser. Penseur de la fluidité, Tilo aime le mouvement qui déplace les lignes. Il est fasciné par le chaos en quoi il voit la condition même d’existence de l’art de gouverner. Il croit à la créativité du pouvoir politique, en des temps où des esprits approximatifs théorisent sa dissolution. Au moins deux fois par an, depuis quinze ans, nous pétrissons ces idées en regardant tourner la roue de l’histoire, dans son perchoir de la rue Mayet ou dans les restaurants du Palais-Royal. À un journaliste qui lui demandait comment il avait réussi à se promener librement dans les couloirs de l’Elysée et y lire des notes confidentielles, Tilo répondit: « Cela reste un mystère ». Ce n’est un mystère que pour lui. Pour qui le connaît, ce mystère a un nom: la confiance. Tilo est quelqu’un qui inspire confiance et suscite la fidélité. C’est un don rarissime. À ma connaissance, l’expérience qu’il a faite à l’Elysée reste unique. Il n’a eu, dans cet exercice, ni prédécesseur ni successeur. Dans ce monde où, trop souvent, le calcul, l’artifice, la pose tiennent le haut du pavé, ses qualités essentielles de probité intellectuelle, de générosité, de simplicité en font, à mes yeux, un parfait citoyen de la République des Lettres, un champion de la raison face aux délires postmodernes, le continuateur des libres esprits du Siècle des Lumières.

Autocracy: The Schabertian Way1 Dan Avnon I first met Tilo Schabert in the winter of 1996, at Jerusalem’s Mishkenot Sha’ananim, a lovely building located on the boundary between East and West Jerusalem. It hosts international artists, intellectuals and supporters of Israel’s cultural milieu. A “Professor Schabert” was scheduled to deliver a lecture about Plato’s Timeaus. I showed up with no prior acquaintance or introduction. In Tilo’s parlance, my entry point into our relationship was of a “spectator”, primarily interested in hearing a scholar’s take on Plato.2 On the day scheduled for the lecture a terrorist blew himself up, taking with him to their deaths Israeli civilians. At the time we were not habituated to this form of murder, unaware of the fact that it was among the first of what transpired to become as a terribly long and bloody series of attacks. It was a day of shock and grief, and few people ventured from their homes to hear a talk about a Platonic text. Accordingly, the room was quite empty. Tilo, no stranger to Israel and to Jerusalem, handled the moment with grace and sensitivity. He delivered his meticulously prepared talk with appropriate adaptation to the small group that convened to enjoy philosophy. The intimacy of the group enabled dialogue: he and I exchanged views, then met again and very quickly upgraded the acquaintance from spectator and actor to “colleagues” and then to “friends”. In the years that followed, Tilo Schabert was one of few European intellectuals who considered visiting Jerusalem on a regular basis a matter of principle, despite the years of terror and of Intifadah. On the background of a series of political crises in Israel (and in other democracies too), our conversations covered many subjects and themes, including issues related to regimes in periods of ongoing crisis and the related question of conditions conducive to transitions from democracy to despotism. His perspec1 Quadruple thanks to Daphna Avnon-Amit, Keren Boker, Jill Frank and Daphna Saring for comments, queries, suggestions and good friendships. 2 For Schabert’s fascinating appreciation of politics as spectacle, see Schabert, Tilo, The Paradise in Politics: A Chapter in the Story of Negative Cosmology, in: The European Legacy 7:3, p. 317–324. Also, see his presentation of persons mentioned in BP, p. 357, as “The Cast,” his substitution for the standard “index of names.”

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tives and insightful conversation influenced my thinking, and helped me develop a deeper understanding of the dynamics of Israeli regime-formation, and of the responsibility and role of the intellectual during times of political chaos. The relation between thinking and doing – between understanding phenomena from the stillness of a contemplative mind and wanting to impact political phenomena as an active citizen – has been central to our conversations during more than a decade of meetings and correspondence. My choice of theme for inclusion in this volume constitutes a continuation of my dialogue with Tilo. One of the concepts central to his work published in English is “autocrat”. In ordinary language, one would assume that an autocrat and an autocracy apply to non-democratic forms of rule. When a leader is termed “autocratic,” his style of governance is assumed to be in opposition to (or in acute tension with) democratic procedure and ethics. Autocracies are accordingly located on the edges of the developmental pattern of democracy: as legitimate rulers, autocrats are either prior to the transition to a democratic regime or sure signifiers of its Fall. Yet in Schabert’s work autocrats rule within democracies, and they represent the epitome of political creativity within a democratic constitution. The apparent disparity between conventional assumptions that autocracies cannot legitimately exist in democratic constitutions and Schabert’s autocrat as a democratic ruler is the point of entry to this study. Beyond this point, Schabert’s take on autocracy provides an opportunity to reflect upon the conventional uses of the terms in scholarly literature, and then to reflect on Schabert’s reinvention of the meaning of autocrat in relation to convention. Following that, I will focus on the centrality of friendships and the place of ethics in Schabert’s depiction of autocratic regimes. Finally, I will take Schabert out of conventional thinking and out of democracy, and will resituate him where he feels most at home – in the visions of political paradises shared by classical philosophers. As such, this essay mirrors the scope and range of our spoken dialogue, and hopefully will take it further.

I. Autocrat and Autocracy “Autocrat” usually designates concentration of effective political power in the hands of a single person who then manipulates the system subject to this power according to his interests. Review of ordinary language use of the term reveals at least three different meanings:3 3

The Compact Edition of the Oxford English Dictionary, vol. 1, p. 573.

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(a) A monarch of uncontrolled authority. (b) One who rules with undisputed sway. (c) An absolute irresponsible governor. For a student of politics, the variety of definitions is consequential for its potential use as a unit of analysis. The first definition connotes a ruler within a specific regime type, a monarchy. The second definition lacks regime specificity and value judgment. It is primarily descriptive and refers to a form of governance: it registers ability to govern without limits, with “undisputed sway”. The third definition implies a negative value-judgment and is therefore within the field of ethics: a ruler dubbed “autocrat” is an irresponsible ruler. So “an autocrat” may be a monarch (or not), unlimited (or not) in scope of rule, judged as irresponsible (or not). Use of the first definition of autocracy (“a monarch of uncontrolled authority”) is widespread among scholars of comparative politics. For example, in Gordon Tullock’s work autocracy designates a regime type, and seeks to replace notions of despotic kingship – the (negative) term “dictatorship”. This replacement enables analysis of Kingdoms and Empires, of Kings and Emperors, without having to deal with the negative “dictatorial” connotation frequently associated with regimes led by monarchs.4 The logic of his analysis includes the (questionable) assumption that the difference between hereditary rule and dictatorship is insignificant, and that the word autocracy can therefore “encompass both.”5 Implicit in this approach is absence of value judgment in the transition from value neutral “single rule” to value laden “dictator.” By considering autocracy a specific regime type defined by the presence of a single ruler (rather than as a style of rule that can manifest in diverse regimes), Tullock excludes from use of this term forms of rule that include more than one ruler. This typological approach to autocracy is augmented by Tullock’s explicit exclusion of governments that depend on some form of popular participation or (conversely) on a coalition of ruling elites. Where a regime entails inclusion of others in the process of rule, it is beyond the scope of analysis as autocratic: “Governments that depend on voting of some sort or are feudal are not autocracies.”6 For purposes of the study at hand, Tullock’s work illustrates use of autocracy as a concept prevalent in the analysis of regimes, while at the 4 Tullock, Gordon, Autocracy, Dordrecht 1987, p. 1. Pei Huang’s study of Autocracy in China follows a similar understanding of the use of “autocrat” and “autocracy” in the comparative study of politics. See Huang, Pei, Autocracy at Work: A Study of the Yung-cheng Period, 1723–1735, Bloomington 1974. 5 Tullock, Autocracy, p. 1. 6 Ibid., p. 2.

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same time providing evidence that conventional scholarship usually limits it (as regime type) to monarchies and similar forms of hereditary single rule. While on par with the first definition of autocrat, Tullock’s exclusion of autocracy from analysis of democratic regimes is directly at odds with Tilo Schabert’s study of autocracy, which specifically focuses on rulers who govern within the constitutional framework of contemporary democracies. Use of autocracy commensurate with the second definition (“One who rules with undisputed sway”) is prevalent in studies of regimes led by single, strong rulers. In such studies, the focus of analysis is not on regime type but rather on style of governance. These studies ask about power (not about regime) and its application. When designating the scope and style of governance as autocratic, the implication is of a political process that develops when a ruler is not restrained or constrained by “antecedent and enforceable rules of law.”7 We encounter such use of the term in Tim McDaniel’s study of the role of autocratic regimes in advancing modernization of traditional societies: Autocracy means personal power, in theory unlimited and often, though not necessarily, based on a claim to divine selection and guidance . . . [I]t is always in principle uncontrolled by competing powers and unconstrained by fixed law.8

McDaniel emphasizes the fact that autocratic rulers place their trust in individual men or women, at the expense (or by disregard) of formal procedures and institutions. This trait is significant for consideration of the relevance of autocracy as designating a democratic form of rule. Can a democracy be at the same time an autocracy? The second definition of autocracy as exemplified by the work of McDaniel seems to exclude this option: autocratic power is arbitrary whereas democratic government mandates equality before law (rather than chance before ruler); autocracy thrives on unmediated connections between ruler and ruled, whereas democracy upholds mediation of interpersonal relationships through processes, procedures and institutions developed precisely as a check on unmediated connections between ruler and ruled; autocratic politics are inherently unable to generate modern ideologies or organizations for political mobilization of masses, whereas democratic politics mandate articulation in the public sphere of 7

See Friedrich, Karl J./Brzezinski, Zbigniew, Totalitarian Democracy and Autocracy, Cambridge 1965, p. 5., where they write: “[A]n autocracy is any political system in which the rulers are insufficiently, or not at all, subject to antecedent and enforceable rules of law – enforceable, that is, by other authorities who share in the government and who have sufficient power to compel the lawbreaking rulers to submit to the law.” 8 McDaniel, Tim, Autocracy, Modernization, and Revolution in Russia and Iran, Princeton 1991, p. 6.

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ideologies, political priorities and consequent policies.9 From this perspective – of autocracy as designating unlimited personal rule – autocracy registers deviation from democratic norms, and seems to be inapplicable as a concept relevant to analysis of a healthy democratic constitution. While reflecting on the apparent irrelevance of autocracy for the study of contemporary democracies – other than serving as indication of a deviation from democratic culture and practices – one may note that McDaniel’s interesting study of autocratic modernization (the “sultanisms” of Nicholas II of Russia and Muhammad Reza Shah of Iran) focuses on the role of autocrats as initiators of processes leading to modernization.10 In this study autocracies are presented as forms of rule that often precede – perhaps even necessarily precede – processes of modernization that then give rise to democratic transformations. As we advance toward discussion of autocracies as a form of rule that exists within the fold of a democratic constitution, we should note that conventional scholarship considers autocracies as part of a developmental pattern characteristic of societies and cultures accustomed to generations of single-rule. Considering recent attempts to democratize societies accustomed to single-rule or to unmediated relation to absolute rulers, one may benefit from contemplation of autocratic rule as necessary for applying conditions that enable transition to democratic rule. As we shall shortly read, this use of autocracy as a conceptual tool is different from that used by Schabert. Similarly, a relatively recent reappraisal of Chairman Mao’s regime compares his to those of traditional Chinese emperors. In this study Mao’s (and his historical and cultural predecessors’) actual application of political power is termed autocratic: [Autocracy is] a specific form and style of dictatorial rule by the top state ruler, a type of rule that leads to a legacy of reduced mediating influences from bureaucratic and military elites and more personalisitic and violent rule by the paramount leader through followers more solely dependent on him for their authority.11

Here too the use of autocracy as a category delineating a form of rule seems to exclude application as democratic. If the ruler circumvents mediating influences and institutional arrangements, and all decisions flow from and ebb towards the person controlling power, then this surely does not cohere with standard definitions of democracy. We shall see that in contrast to these and similar case studies, Schabert’s case studies examine the ins-and-outs of democratically-elected autocrats, 9

Compare with McDaniel, ibid., p. 6–7. See ibid., p. 88 ff. 11 Andrew, Anita M./Rapp, John A., Autocracy and China’s Rebel founding Emperors: Comparing Chairman Mao and Ming Taizu, Lanham 2000, p. 4. 10

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not of despots, monarchs or emperors. Consequently, in relation to the second definition of autocracy too, Schabert will offer a perspective that challenges scholarly convention. Reflecting on the third definition of autocrat and of autocracy (“an absolute irresponsible governor”), we see that there seems to be consensus in conventional use of language and in scholarly literature regarding the negative (or neutral) connotations of the term. Whether considered a concept designating a regime type (monarchy) or a style of governance (subject solely to the whims and talents of the ruler), the term “autocrat” is widely considered disparaging and reflects negatively on those whose rule is described in these terms. It is considered favorable only where the scholar considers the policies implemented by use of autocratic forms of governance beneficial either to restoring (or maintaining) stability and order in a given historical period, or as enabling a necessary period of transition to a more democratic form of rule. It seems that in all forms of contemporary scholarly use, autocracies are either implicitly or explicitly judged in relation to their incommensurability with democratic forms of regime and styles of rule. With this background in mind, we now turn to Tilo Schabert’s positive rendering of autocrats and autocracy. How can a concept that connotes such apparently non-democratic practices be useful and even considered praiseworthy when appraising the function of regimes and leaders democratically elected?

II. Schabert’s Autocrat While rooted in classical political philosophy (and in the particular literature of the “mirror of princes” tradition), Tilo Schabert’s study of autocracy is based on observation of rulers who exercise executive power within the context of contemporary democratic constitutions. In Schabert’s work, an autocrat is a ruler who uses the legal authority vested in the office to accumulate personal power that serves “his will, his aspirations and his actions.”12 Such rule does not change the formal conditions of his authority (i. e., its foundations in democratic constitutions) but rather applies creative strategies to ensure continual aggregation of power enabled through the processes and institutions of purely formal authority: A position of aggregated power can only be held if the aggregation of power is continuously sustained. Without incessant support the pile of power would quickly crumble and be reduced to the ground level of a purely formal authority. Any ruler who has built a regime emanating from an aggregation of power must, above all, be concerned with the continuing generation of power.13 12

BP, p. 20.

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Schabert assumes that the formal constitution is but the basis of power, not its summation. An effective ruler draws upon the static reservoir of potential power enabled by the democratic constitution in order to create a dynamic process oriented to creation and continual maintenance of a “pile of power.” In his reading of the dynamics enabling aggregation of power, Schabert assumes that the more innovative and creative the ruler is in his ability to create an informal structure of power based on the formal constitution, the more inspiring and impressive is his achievement. In effect, a Schabertian politician becomes a praiseworthy autocrat when he concurrently rules as head of the executive government ratified by the constitution, and as a hub of a “second government” comprised of webs of interpersonal relationships and interests that serve his goal of continual aggregation of personal political power. He thus succeeds in achieving the apparently impossible: to be considered legitimate in terms of democratic constitution, while in practice to wield power in non-democratic ways.14 Schabert admires this feat of governance because the democratic autocrat creatively and effectively overcomes the “paradox of government” immanent in democratic constitutions.15 The paradox stems from the following set of contradictory cravings: on a personal level, humans crave and seek liberty, yet they (we) also crave and seek stability and order. Since stability and order restrain creativity and freedom, there is an inevitable tension between wanting free rein and wanting a predictable and trustworthy restraining authority; on an interpersonal level, the processes and institutions of a democratic constitution uphold individual liberty (protection of rights), yet at the same time the political power embedded in formal institutions and structures restrains individual liberty and consequent full exercise of individual power.16 The paradox is thus multilayered and difficult to overcome in a manner that will enable satisfaction of immanently conflicting needs – individual freedom and collective order. A democratically elected ruler’s ability to retain maximum personal freedom in face of the necessity to restrain freedom in the sphere of the interpersonal is a standard of judgment that underlies the meaning that Schabert 13

Ibid. Prior to reading Schabert’s detailed account of the origins of parallel structures of government in democratic regimes, I considered this issue an essay published in Hebrew. See Avnon, Dan, Meesh’al am be-Idan ha-Mahapecha ha-Meeshtareet (Referendum in the era of regime revolution), Politikah (5), June 2000, p. 27–45. I realize in retrospect the influence of Tilo’s thinking on my analysis at the time, originating in our spoken conversations rather than in my reading of his published words. 15 BP, p. 9–11, 206. 16 This summary is based on BP, particularly p. 9–11. 14

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attributes to the notion of autocrat. He writes that “Society is the condition of freedom. Freedom, however, defies conditions. Human beings then face forever this paradox: to attain the freedom of being themselves, they must restrict the freedom of attaining it. To the degree that they seek the freedom wherein a truly human existence lies, they must keep the bonds within which alone they can have this freedom. The whole political process arises from this paradox. If it did not exist, politics would be unnecessary. And a science of politics would be pointless.”17 On the background of this astute reading of the roots of the political process, Schabert’s reading of autocrats in democratic systems is in effect an evaluation of an individual ruler’s ability to maximize freedom within preexisting bonds. Schabert’s elevation of super-politician to the eminent status of “Autocrat” is a vote of appreciation for the singular individual who manages to creatively expand and empower self while not upsetting the established order. The Schabertian autocrat overcomes the inherently dangerous potential of singular creativity to be socially disruptive and anarchic, by channeling it into practices that on the one hand enable personal expansion yet on the other hand retain the boundaries and limits of democratic social and political order. Accordingly, a Schabertian autocrat is a model of human creativity at its best: Human beings are creative beings, and politics is the principle mode of their creativity . . . It is in the pursuit of politics that human beings perpetually produce, and never produce anything tangible, anything final. Politics is pure creativity: it is pursuit of creativity of which the “product” is the creativity which is pursued . . . Politics has no reality other than the process of politics being pursued; it occurs but through itself: in an act of politics.18

By overcoming the paradox of democratic government through the creation and effective management of parallel structures of power, one visible and legitimate, and the other invisible and not subject to public scrutiny, the politician has exemplified a level of creativity that Schabert considers a fine expression of politics as “the principle mode of their creativity”. It seems that Schabert is focused more on the creative prowess of the politician than on the democratic process of government. This perspective is at the core of the meaning and approval that he accords the politician who transforms his rule into an autocracy. The transformation of person to autocrat is mediated by politics, where the play of forces culminates in a qualitative leap to another dimension of creativity and hence of human existence – the autocratic mode of life. That is how in Schabert’s language game “autocrat” and “autocracy” transform 17 18

BP, p. 9. Ibid., p. 1.

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into a positive form of rule and regime.19 This perspective is summarized succinctly in Schabert’s intricate analysis of Kevin White’s progress to the pinnacle of Boston politics: The accomplished politician enjoys the rarest liberty of all. The progress he has made as politician has made him a politician at the peak of the politician’s progress. He is the creative politician. And he is: the creative politician who is able to create the conditions of his creativeness. He is political leader. And he is: autocrat. He is Mayor. He is Kevin White.20

Schabert’s account of Kevin White, Francois Mitterrand and other democratically elected rulers is subject to (and reflects) his deeper concern: to reveal the potential of politics to express “pure creativity”. Indeed, if creativity is the ultimate mode of human being, and if politics is an activity that enables perpetual creativity (because politics “has no reality other than the process of politics being pursued”), then it logically follows that the Schabertian autocrat epitomizes human creativity. This perspective fits neatly into Schabert’s understanding of the challenge posed by the paradox of government in democratic constitutions. The ruler maximizes personal liberty and creativity by overcoming yet not upsetting the established, restraining order. The actual performance of ruling is definitely autocratic, yet its appearance is definitely democratic. This understanding is the basis of Schabert’s presentation of a successful political biography as one that culminates in an autocracy, characterized by the presence of a single ruler who manages to rule through parallel structures of government. The first structure of government is formal and official, mandated by the democratic constitution. The second structure is invisible, created and sustained by the creative genius of the politician who has mastered the art of Schabertian autocracy. This is the feat of governance that goes by the name of “autocrat”, noticed only by the astute observer who analyzes the layers of government that exist behind the initial façade that meets the naked yet undiscerning eye.

III. Schabert’s Autocrat in Relation to Scholarly Convention In the opening discussion we considered the meaning of “autocrat” and of “autocracies” in the context of conventional uses of the terms in scholarly literature. We noted three principle regions of use: regime type, style 19 The use of language game is Wittgenstein’s, of course. See Wittgenstein, Ludwig, Philosophical Investigations, transl. by G. E. M. Anscombe, Oxford 1998. Although this notion is developed throughout the book, for an introduction to a sense of its meaning see sections 7, 96, 108, 126. 20 BP, p. 220.

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of governance and ethics (autocracy as implying abuse of power). Schabert’s re-invention of autocracy as a positive referent in the analysis of democratically elected rulers calls for a review of his propositions in terms of these three areas of use and implied meaning. 1. Regime Type In this discussion we followed Schabert’s work and focused on democratic regimes. This line of inquiry enabled us to observe that fixed democratic constitutions concentrate a remarkable reservoir of potential political power. Transformation of the reservoir of potential static power into a dynamic political process is one of the accomplishments of a stable and wellfunctioning democratic polity. To create an image of appropriate flow in the formal structure, and parallel to that to establish an invisible flow of actual power a feat that is more remarkable than, say, that of a ruler in a single-rule regime type. This is why the democratic constitution enables a political process that is most hospitable to a politician. Not because it is more susceptible to manipulation, but because it enables greater expression of individual creativity. This is in contract to the accomplishment of a ruler within a non-democratic constitution, where the emergence of an autocratic regime is not that remarkable. Having focused on the singular accomplishment of an “autocrat” (a la Schabert) in a democratic constitution, it is important to note that Schabert’s autocracy is not a regime type in the ordinary sense of a fixed typology. In principle, a Schabertian autocrat may use any form of constitution as the formal basis for his ascendance to second-tier power, the power aggregated on the basis of established constitution.21 For example, a monarchy is headed by a single ruler. Does this imply that a monarch is automatically an autocrat? Following convention, one may simply reply: yes. But Schabert’s analysis rejects automatic classifications and appellations. In his language game, a monarch becomes a Schabertian autocrat when the constitution and the façade of political power seem to follow norm and constitution by delegating power vested in the sovereign monarch to institutions of the kingdom, yet in practice the personal court of the monarch determines how power will be dispensed. Similarly, oligarchies or aristocracies may project a façade of collective rule, and the constitution may formalize that aspect of the regime form. The appearance may be of power concentrated in a circle of rulers. Yet 21 I feel uncomfortable consistently using the male form in relation to rulers. However, all of Schabert’s discussions refer to male rulers, and I am thus faithful to the original texts.

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close analysis reveals that effective power is dependent solely on the single unmoving center, around which the circle revolves. Eliminate the unmoving mover – that single, central, point of reference – and the circle vanishes. Appearances notwithstanding, actual and effective power emanates from the invisible centers of power established in order to circumvent the formal procedures of the ruling elite and that adheres exclusively to the autocrat’s will and rule.22 Accordingly, Schabertian autocracy is not about a regime type, but rather about creative accumulation of power by an individual who finds the way to retain a constitutional façade of whatever formal regime type is determined by the constitution. His achievement is in creating a parallel process of effective accumulation and (consequently) dispense of political power. The achievement is particularly remarkable in established constitutional democracies, which in modern times were established as institutional checks on precisely this kind of bypass. 2. Style of Governance Schabert’s most significant contribution to conventional research about styles of governance is in his exemplifying how to study regimes on the basis of astute observation of practice. One may summarize this aspect of his work as a response to the simple questions: what is the actual source of the flow of relationships that constitute political power? Once set into motion, what determines the direction (or directions) of the flow? What is the relation between the sources of effective power and the constitutional order of power? Are they inextricably linked, or does dynamic power (emerging from the source) flow in certain directions, while the constitutional order remains 22 Schabert uses the simile of “court” when analyzing the actual functioning of Boston’s flow of power. The choice of metaphor is intentional, as it points to the discrepancy between the democratic form and the actual practice. Yet it also harkens back to the regime type that preceded democracy in Western societies, Kingship. Read, for example, the following passage: “The field of political creativity is a phenomenon to be seen by the second government that is formed by the Court. Or, to put it differently, the Court is the locus of creativity in the process of politics. The Court defines the area of political reality where the representative acts are preformed through which a multitude of people becomes the one people acting as a body politic. The Court is the crucible of politics . . . The area of political activity to which the symbol refers is still largely unexplored.” BP, 54–55. Schabert’s sensitivity to language as creating symbolic universes and mediating between historical periods is probably indebted to Eric Voegelin. In the context of the use of a symbol – Court – to convey multiple, parallel layers of political thought, see Voegelin, Eric: The New Science of Politics: An Introduction, with a new introduction by Dante Germino, Chicago 1987, p. 52–75.

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static and disconnected from the flow? In respect of these guiding questions, Boston Politics is a treasure of insight for researchers in the field of politics. The core of a Schabertian autocrat’s success inheres in his ability to transform friendships and associations that evolved in a variety of non-political contexts into interpersonal bonds supportive of his rise to political power. The autocrat’s “Court” develops, expands and contracts according to the ability of the ruler to manipulate webs of interpersonal association in the service of his continual accumulation of power. Translating this simple yet profound insight into discussion of the political party in democratic constitutions, Schabert contemplates the power of parties in terms of their origins in friendships. He refers to such parties, the basis of a potential autocrat’s power, “party of friends.”23 The observation is simple and astute: if one lacks friends, one cannot surmount institutional obstacles on the path to the kind of creative power that Schabert considers essential for the success of a ruler who makes an impact beyond mundane maintenance of political order. The autocrats that Schabert studies are all twentieth century rulers: Kevin White, Francois Mitterrand, F. D. Roosevelt. Common to their rise is their unusual ability to accumulate friendships and to translate these personal relationships into structures of political power that function parallel to the formal organs of government. The layers of personal relationships accumulated prior to the autocrat’s ascendance to political power ensure reliable bonds of trust and loyalty, embedded in common experiences. These deep layers of human association transcend the vicissitudes of political association.24 The significance of friendship is in its being prior to politics. “Prior” in terms of chronology, but more significantly, “prior” in terms of loyalty. Their loyalty is to the autocrat, and only then to the constitution and its formal order. In this respect, contemporary autocrats who function within democratic constitutions manifest characteristics of classical formations. The absence of layers of friendships or of bonds of significant relationships seem to Schabert to be an explanation for the inability of talented rulers to realize through the political process their inherent intelligence or wisdom.25 Reflecting on the role of parties in enabling creative and outstanding rule Schabert compares the social basis of the autocrat’s party to patrician families under the Republic in ancient Rome. Voting there was an act of 23

BP, p. 103. Ibid., p. 109. 25 See the example of President Jimmy Carter as a contrast to this pattern. Schabert presents him as a leader as equally intelligent as the successful autocrat Francois Mitterrand, yet (unlike Mitterrand) fatally deficient in the skill of aggregating and maintaining friendships. FM, p. 16. 24

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friendship, expressing the patron(age) of the head of this patrician family. Similarly, in the first half of eighteenth-century England, “below the surface of England’s atomistic society private connections became the carrier of politics . . . The story of politics in England at that time is, to a considerable extent, the story of these connections.”26 The primacy of persons and of parties as aggregating webs of friendship and well-grounded relationships is for Schabert a significant development in the rise of a democratic politician to the ranks of Schabertian autocrat. We noted that historical precedent serves as background for Schabert’s suggestion that we reconsider the logic and function of political parties in contemporary democracies. Having located the kernel of a politically effective party, Schabert comments that the intricacy of the interpersonal is lost in much of contemporary analysis of political parties. Schabert claims that modern studies of politics are prejudiced against the human factor in the shaping of a society’s political life.27 The crux of the issue lies in the fact that the contemporary “science” of politics was “planned to be ‘natural’ science of politics”. As such, it presupposes a political reality whose loci are its own artifacts [i. e. – the institutional and constitutional frameworks and the formal mediating processes. D. A.] rather than the persons who pursue the activity called “politics” . . . The science of artifacts cannot really recognize these human conditions of politics; they contradict what it teaches: the seizure of politics by rationalization. Since they cannot be ignored, the modern rationalist theory of politics responded by a tacit prejudice: relegating the human conditions of politics to a grey zone of ‘informal’ dealings or repelling them outright as ‘aberrations’.28

This critique is grounded in Schabert’s deep understanding that relationships (not formal constitutions) constitute the sphere of human development. This perspective is succinctly summarized in his discussion of platonic friendship “[W]e may well conclude that human beings need a political science of such a kind that it is a science of tending them unto community, unto a life in friendship with themselves, with their fellow beings, and with the cosmos.”29 26 BP, p. 115. One may add that Schabert’s return to friendship as primary basis for political relationships, including those forged into factions and parties, merits additional discussion which is beyond the scope of this essay. For a good introduction to the significance of this theme in contemplating the rise of Athenian democracy see Frank, Jill: A Democracy of Distinction: Aristotle and the Work of Politics, Chicago 2005, p. 147–163. In this section Frank refers to “political friendship” as a sub category of Aristotle’s classical discussion friendship. I find this concept useful for consideration of the relations between friendship, politics, and the emergence of political associations in democratic polities. 27 BP, p. 123–124. 28 Ibid., p. 124.

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Schabert rises to the challenge that he sets before students of the science of politics, and speaks the “truth” about parties: “the legitimacy of parties as personal relationships, as party of friends.”30 He does this directly, and in a manner commensurate with his unapologetic use of autocrat as the title of the ruler who aggregates and wields power creatively and effectively. For Schabert, the loci of politics will be found not in a “system” of institutions (called “government”) but in the relationships of the people who move within the web of institutional knots which, by their movements, they are constantly reweaving. “After a certain period of careful observation, the personal relationships that are at the loci of politics will be clearly discerned: as distinctive aggregations of people, as a party of friends”.31 Corresponding with the inherent definition of autocracies as lacking fixed ideology (because the positioning of an idea as the basis of mobilization is counter to the logic of personal association as the basis of loyalty and identification)32, Schabert’s studies suggest that contemporary parties should be reconfigured in terms of their serving their real purpose – to bring to power a person whose leadership epitomizes his web of relationships and interpersonal associations. Hence his insight is that the ability to create the webs of relationships that constitute the “second government” of a regime stems from the autocrat’s ability to forge deep and long-lasting friendships. Reflecting on the rule of Mitterrand, he writes that the logic of creativity in politics induces princes to create a party of friends and from there thereafter establish the para-governmental configurations of a “second government.”33 Whether contemplating the fate of a Francois Mitterrand or of a Kevin White, it is clear that Schabert’s analysis is more useful for study of presidential democracies, where the electoral process (including political parties) is geared to the direct election of an individual leader. In contradistinction, in parliamentary politics parties are conventionally considered as existing prior to, and independent of, the leaders periodically elected to (or removed from) position of leadership. Yet when reflecting upon the actual evolution of party politics in democracies – for sure relevant to the study of Israeli democracy! – it is clear the parties are increasingly more candidate-selection mechanisms, and proportionately less ideology – generating forms of 29 Schabert, Tilo, Prophecy in Politics: The Voice of Plato, in: Propheten und Prophezeiungen/Prophets and Prophecies, ed. by Matthias Riedl and Tilo Schabert, Würzburg 2005, p. 43. 30 BP, ibid., p. 24. 31 Ibid., p. 124–125. 32 This essay, above, p. 4. 33 FM, p. 18.

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association. Accordingly, if we put aside romantic memories of parties as they used to be in parliamentary democracies, the focus on friendship and webs of relationships centered on actual interests and ties forged in the actual sphere of relationships reveals the effective source of personal power. 3. Ethics Why is the notion of autocratic ruler so repugnant to democratic ears? The self-evident reasons have been mentioned in the course of the discussion: he is intentionally and consciously deceptive; the effective power that he aggregates eludes public scrutiny; the goal of his rule is his personal power without apparent consideration of the general will of the people. When we think of the autocrat in our historical context, he is actually quite frightening. Perhaps he will turn into a totalitarian leader? The notion of a single autocrat rings bells of alarm in democratic ears, signaling danger of taking an authoritarian or totalitarian turn. Schabert is sensitive to this automatic association. He alludes to this when distinguishing between accumulation of power and adulation of Ego. In Schabert’s words, in contrast to his autocrat, totalitarian rule is when the quest for power focuses solely and exclusively on the individual’s need to feed his ego and his insatiable need for immortality: If Mayor White had followed the example of the rulers who really drove their people to the abyss of their Ego, he would have striven to make himself the principle of life (as totalitarian leadership this century tried to do).34

Is this a sufficient response to the alarm heard in our sensitive ears? I think not. Without entering the interesting discussion of what one may mean when signifying “Ego,” the fact that Schabert does not accord to the art of ruling any goal other than aggregation of power for the benefit of the ruler’s creative needs leaves the reader wondering what stands in the way between passion for creativity and a tragic turn to destruction. Discussion of Schabert’s autocrat in terms of his potential to become a totalitarian ruler is included here in a discussion of ethics because a totalitarian ruler has no qualms in regards to inflicting intentional injury on whoever stands in his way to the pinnacle of power. In defense of Schabert’s presentation, one may suggest that extreme abuse of power is counter to the logic of the Schabertian autocrat’s way. Schabert’s logic and perspective assume a ruler’s ability to create a process that seems one thing, yet at the same time is also another. His point of departure assumes a ruler who adheres to the democratic constitution; aggregation of power occurs within 34

BP, p. 253.

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the legitimate rules of the democratic process. That is, he not only rises to power through the mechanisms of the democratic constitution, but retains power within that framework. This is a perspective that excludes – by definition – a totalitarian turn. Yet let us consider the uneasiness with which the issue of unrestrained single rule evokes in us. The absence of a clear ethical dimension guiding the autocrat seems to stem from Schabert’s focus on creative aggregation of power within the democratic constitution while deliberately disregarding the political goals of the autocrat’s progress. Schabert does not distinguish between politics right or left, conservative or liberal, this or that. The policies are considered only in terms of their demonstrating the ruler’s aptitude in inventing ways to keep his power aggregated and expanding. Similar to Niccolo Machiavelli, Schabert approaches accumulation of political power in an amoral or anormative manner. He does not evaluate the normative effects of the political process thus described, but rather evaluates the extent or degree of its efficacy and consequent success as these relate to the single ruler. So is Schabert a modern Machiavelli? Is he advising a prince how to effectively gain power? The similarities are clear: both are committed to appearances; seeming to be one thing and being in effect another is something both consider necessary for effective rule. Similarly, both attend to the process of politics with similar intensity, considering the outcome (of the apparent goal of the process) as secondary to the continual accumulation of power. I think that there is a decisive difference of emphasis between Schabert and Machiavelli: the former relates to power in terms of its enabling creativity to flourish, whereas the latter relates to creativity in terms of its serving power. Schabert’s fascination with power is secondary to his concern with creativity. Stated otherwise, Schabert’s consideration of interpersonal relationships as the sphere of an autocrat’s creative activity emphasizes the process rather than its outcome (accumulation of power). In contradistinction, Machiavelli places more emphasis than Schabert on the results. Indeed, for Schabert all of life is initiative and creativity, whereas for Machiavelli life is only fifty percent creativity and initiative. The other fifty percent are in the hands of Fortuna.35 It may be that in some cases the results of Schabert’s autocrat and of Machiavelli’s prince may seem identical (a ruler with all effective power flowing and ebbing in relation to his ability to control the process), but analysis of the process and its implications are distinctly dissimilar. In terms of the ethical stance, Schabert’s autocrat lacks a com35 See Machiavelli, Niccolò, The Prince, chapter 25. I find it curious that Schabert mentions Machiavelli only in passing in BP.

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mitment to preconceived norms or ideologies. It is inherently counter to his way of conceiving creativity. Yet while lacking an ethical position from which he judges and evaluates the creative process which is the focus of his enquiry, it is clear that Schabert harbors tremendous respect for a person whose rule is based on longstanding relationships, and whose continual quest for power reflects a certain love for humanity and for qualities of friendship and loyalty that are the “right stuff” from which politicians transform into autocrats. His discussion of “party of friends” is not only a discussion of an expedient way to rule. It is also a reflection of a deep understanding of the power of trust that is an effect of a friendship that has weathered many trials and tribulations. In this respect Schabert is close to Aristotle’s appreciation of friendship. The highest form of friendship “requires time and familiarity; as the proverb says, men cannot know each other till they have ‘eaten salt together’; nor can they admit each other to friendship or be friends till each has been found loveable and trusted by each.”36 Aristotle adds that where there is friendship there is no need for justice, as friendship is prior to justice: Friendship seems to hold states together, and lawgivers to care more for it than for justice; for unanimity seems to be something like friendship, and this they aim at most of all, and expel faction as their worst enemy; and when men are friends they have no need of justice, while they are just they need friendship as well, and the truest form of justice is thought to be a friendly quality.37

Schabert’s understanding of friendship seems to be within the Aristotelian tradition, and as such is indeed well within the classical studies of politics, with their source in works such as Aristotle’s Ethics. So, we do have here an ethical dimension, albeit in terms of relationship as process rather than in terms of ethics as preordained commandments. Contemplating the logic underlying Schabert’s analysis leads us to conclude that if friendships are the loci of politics, then the decline of an autocracy will occur parallel to the decline of friendship. This logic is brought to bear when we turn to Schabert’s discussion of the end of one autocrat’s regime. When Mayor White, the focus of Boston Politics, lost his love of people, and when – in a parallel development – the notion of friends and friendship lost their force of generation and creativity, the autocrat and his regime came to an end (as autocracy). With the loss of this energizing force, the autocracy began contracting back into the dimensions of ordinary persons. The “pile of power”38 fell back into the empty spaces left by the 36 Aristotle, Nichomachean Ethics, 1156b25–27, in: Introduction to Aristotle, edited by Richard McKeon, trans. by W. D. Ross, New York 1947. 37 Ibid., 1155a22–27.

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withdrawal of the energia created by the love and attention that are generated by positive relationships. In Schabert’s words, with the notion of friendship virtually meaningless, “The soul of the regime had gone”. This being the case, concludes Schabert, “The Mayor no longer liked people . . . It was time to get out of politics.”39 Schabert draws attention to the withdrawal from friendship as the beginning of the descent from autocracy. I would like to surmise that this process was not only an effect of his weariness from people in general and from friendships in particular. It seems to me that the decline from political power of this creative and dynamic sort is also an effect of weariness from deceit and conniving. There is a sensation of relief experienced when an individual lets go of the façade and reveals his soul and actions as they are. The tension necessary for creating an image of existence that is in opposition to the reality of existence dissipates, and the person becomes at peace with himself. The political process returns to its routine and institutional flow. The soul thus bared turns to tend to itself, rejoicing in the lessons learned from leading other human beings in a manner that caused no harm, perhaps did some good, and surely expanded the range of its immanent creativity. From this perspective, the Schabertian autocrat is a soul that ascended to power, experimented with complexity and multiplicity, with duplicity and honesty, with aggregation of power and then its release, only to quietly leave the stage for others to experiment.40 The descent from one form of friendship becomes the ascent into another realm of the creative being who was autocrat.

IV. Schabert’s Autocrat: Concluding Observations Tilo Schabert uses the notions of autocrat and of autocracy to resensitize students of politics to the importance of studying what is prior to categorizing what is. His unapologetic use of autocrat and autocracy to analyze a democratic constitution is a way of elevating a level of perplexity and attention in relation to the process of research and scholarly enquiry. Schabert’s use of autocrat as connoting a positive form of rule is fascinating in terms of its opening insight into the dynamics of the “second government” and the logic of its maintenance and existence. At the same time, his study 38

BP, p. 20. Ibid., p. 209–210. 40 The real story, forever complex and multi-faceted, is behind the scenes of what the story wants us to believe. The creator – author, story teller, God, politician – moves between the apparent and the hidden, between guise and disguise. It is beyond the scope of this essay to elaborate on this typically Schabertian theme. See, for example, BP, p. 196, PP, entire. 39

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is troubling due to the absence of any goal that is external to the process itself. One cannot determine whether a policy adopted or a maneuver successfully implemented has positive or negative effects in terms external to the issue of the autocrat’s flow of creativity within and through politics. This is something to worry about, especially in an age of bewilderment in terms of assessing the effects of aloof leaders on “ordinary” people. However, one should not leave the study of the autocrat without mentioning Schabert’s ultimate concern, creativity and the role of the theorist in keeping conditions for creative beings to expand even as they are called to order. As I wonder about Schabert’s personal telos, I turn to a later essay, “The Paradise in Politics”. There I encounter a theoretical and theatrical reading of the tales we tell ourselves about the limits and possibilities of life in an earthly body that contains and restrains cosmic energy. Schabert suggests that the ability to discern multiple understandings of existence (“spiritual elevation”) is a first and perhaps necessary condition for those who wish to wander in peace between a finite world of bodily disintegration and an infinite world of contemplation.41 Ordinary vision sees contradiction; spiritual vision sees the multiplicity that at once expands and contracts, enables freedom and limits it. Schabert writes that Usually, men view creation as it is, in all its diversity and multiplicity. They think of themselves as being individuals among individuals . . . And no man ever could go on spiritual voyages . . . nor ever make the experience of a cosmogonic journey, if there were not a particular talent of the human mind enabling men to be free to imagine something quite other than what there is here and now. This is phantasy, the talent of the mind rendering man entirely ‘free’ for something that is ‘other’.42

Schabert’s attraction to creativity, and hence his creation of an autocrat out of a democrat, is a feat of imagination that is commensurate with his understanding of life as a spiritual journey. This journey – a process of the soul – can expand freely only if one enables fantasy and imagination to guide the stories we tell ourselves about the significance of relationships and of aggregations of political power in the development of our mode of being. “This work” says Schabert in reference to Plato, “is decidedly political.”43 So is his.

41 It is beyond the scope of this essay to discuss the significance of “the body” for Schabert’s excursions in the fields of politics, paradise and prophecy. See, for example, PP (entire), and Schabert, Prophecy in Politics. 42 PP, p. 300. 43 Schabert, Prophecy in Politics, note 39, 42.

Gründungshoheit, Deutungshoheit: Städtebau und Politik: Eine Spiegelbetrachtung Joseph Hanimann Politische Machtausübung vollzieht sich in der Doppelausdehnung eines Herrschafts- und Deutungsraums, deren Ränder einander wie Abbild und Realität auf einer Spiegelfläche berühren. Der Souverän erlässt Gesetze und setzt Symbole – ohne dieses Zusammenspiel kommt kein Staatswesen aus. Ist die Machtausübung aber persönlich geprägt, trägt der Herrscher ein Moment von Verblendung oder Verfinsterung in diesen Raum, das jene Entsprechung von Zeichen- und Dingwelt mitunter plötzlich aufhebt: nicht die eine Seite durch die andere, sondern beide zusammen, denn es ist unmöglich, dass vor dem Spiegel Tag und im Spiegel Nacht werde. So eine Situation der Blendung entsteht, wenn die normale Herrscherfunktion vorübergehend aussetzt, wenn etwa der Herrscher schläft oder schlaflos wacht – beides läuft aufs selbe heraus. Zu Beginn des dritten Akts von Schillers „Don Karlos“ bläst der wachende König – er hat gerade von der vermeintlichen Untreue seiner Frau und seines Sohns, des Infanten, erfahren – die Lichter auf dem Nachttisch aus und öffnet den Vorhang: „Jetzt bin ich wach, und Tag soll sein“, bestimmt er. Auf die Mahnung des Leibwachenchefs, er brauche Schlaf, das Volk würde die Spuren durchwachter Nacht im Auge des Königs mit Befremden aufnehmen, antwortet Philipp II.: „Schlaf? Schlaf find ich im Escurial. – So lange der König schläft, ist er um seine Krone, der Mann um seines Weibes Herz“. Diese bitter berauschende Herrscherutopie eines immer wachenden, nie sich schließenden Auges hat in der Geschichte und in der Literatur zu unterschiedlichen Modellen der Machtausübung geführt. Neben dem klassischen Modell tyrannischer Totalüberwachung erfand das vorrevolutionäre Zeitalter Schillers eine originelle Variante. „Jetzt gib mir einen Menschen, gute Vorsicht“, sagt Philipp II. in derselben Nacht, sobald er wieder allein ist: „Ich bitte dich um einen Freund, denn ich bin nicht wie du allwissend“. Und er beginnt, auf den Namenslisten seiner Gefolgschaft nach einem solchen möglichen Freund zu suchen: nicht im Sinne eines Oberspions, der in den hintersten Winkeln des Reichs die geheimen Verschwörer aufspüren soll, sondern im Sinn eines Gewährsmanns von der Art einer rousseauistischen Transparenz, die keine Verstellung und Lüge mehr kennt, eines Bes-

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ten aller Besten, der ohne Falschheit mit sämtlichen Bürgern, einschließlich dem König, nur im Element der Wahrheit verkehrt. Dass dieser Mann, der Marquis von Posa, in der Folge von Philipp selbst ermordet wird, zeigt an, wie wenig Schiller selbst dieser Utopie vertraute. Was aber als „freundschaftliche“ Transparenz im Bereich der effektiven Machtausübung unwahrscheinlich ist, überlebt im Bereich der herrschaftlichen Repräsentanz: klar sichtbar in Regimen des offenen Personenkults, wo an allen öffentlichen Orten des Staatsgebiets das Bild des Herrschers hängt, Schutz verheißend und zugleich mahnend. Indirekt, subtiler überlebt diese Utopie überall dort, wo die persönliche Macht sich symbolisch darstellt, beispielsweise in der Bautätigkeit. Wie geht aber unter den Bedingungen der zeitgenössischen Demokratie, wo Bilder- und Zeichenfluss alltäglich, persönliche Machtausübung suspekt ist, der politische Machtraum im symbolischen Bedeutungsraum auf? In dieser Frage gibt die wissenschaftliche und philosophische Arbeit Tilo Schaberts wertvolle Aufschlüsse. Sie hilft, den Gestus persönlich geprägter Bautätigkeit im öffentlichen Raum des Staats, den etwa der „présidents bâtisseurs“ in der Fünften französischen Republik, nicht einfach als leere Machtdemonstration aufzufassen, sondern in ihrem tieferen Wesen zu begreifen. Ein bei Schabert in diesem Zusammenhang wiederkehrendes Motiv ist das des Spiegels. In ihren Welterlösungsphantasien habe die moderne Stadtarchitektur eine reine Spiegelwelt im Reich der Abstraktion geschaffen, ohne Bezug zu den real gestaltlos aus sich heraus wuchernden Städten – schrieb Tilo Schabert in einem Aufsatz 1988,1 einem seiner ersten Texte, wo das Thema der Stadtarchitektur auftauchte. In allen folgenden Studien zu diesem Thema bestätigte und präzisierte der Autor diesen Aspekt: Während die abendländischen Städte des 19. und auch noch 20. Jahrhunderts in ihrer Entwicklung unverstehbar wurden mit abrupt endenden Straßen, scheinbar beliebig hingestellten Kirchen oder sonstigen Repräsentativbauten, über- oder unterproportionierten Kreuzungen, auslaufenden Bebauungsrändern, hinter denen plötzlich neue Zentren begannen, blickten die Architekten mit ihren Visionen weiter in den Spiegel ihrer eigenen Gestaltungsfreiheit. Es handelt sich, so Schabert, um einen zerborstenen Spiegel: selbstbezüglich, weltlos, getrübt. Chaotisch auf dem Stadtgelände sich entwickelnder Wildwuchs und reinlich aus dem Kopf entworfene Projekte fanden auf keiner Spiegelfläche mehr zur gegenseitigen Entsprechung zusammen. Dies bedeutet, dass Weltzusammenhänge in der Architektur stumm blieben, Architektur gegenüber dem Weltganzen taub wurde. Wie kam es dazu? 1 Schabert, Tilo, Die Rivalen des Schöpfers. Über die Pläne moderner Architektur zur Erlösung der Welt, in: FAZ, 9. April 1988.

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Alle Studien Tilo Schaberts zu diesem Thema erzählen diese Geschichte. Nach einem in der Antike und auch im gotischen Mittelalter kosmologisch nach natürlicher bzw. göttlicher Ordnung, in der Renaissance dann nach den menschlichen Körpermaßen geprägten Stadtmuster habe, in verzögerter Reaktion auf die wissenschaftliche und philosophische Entwicklung der Neuzeit, im 19. Jahrhundert eine Babylonisierung der Stadt eingesetzt, schreibt Schabert im Buch Stadtarchitektur – Spiegel der Welt.2 Mit Newton sei das Universum grenzenlos geworden, ohne Mittelpunkt, ohne Oben und Unten, Fontenelle habe eine Vielzahl von Welten behauptet und von der uns bekannten sei, wie Hume lehrte, nicht einmal sicher, ob sie auch morgen noch existiere. Im Übrigen sei sie, so Voltaire, im Wesentlichen leer.3 Im zerborstenen Weltspiegel, der kein äußeres Maß mehr vorgab, sei die architektonische Phantasie der Moderne dann mit der leeren Wahrheit ihrer eigenen grenzenlosen Freiheit konfrontiert worden, schreibt Schabert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts habe sie dieser Situation mit der Lösung der systematischen Stadtplanung – Ildefonso Cerdà, Camillo Sitte, Raymond Unwin – zu entkommen gesucht, sei aber mit den substantiell zu kurz greifenden Erlösungsprogrammen eines Le Corbusier, F. L. Wright, Walter Gropius der Welt weiter davongelaufen. Erst mit der Umkehr zu einer Zivilisation des Erinnerns, dank der das Programm der Moderne sich seiner Befangenheit in seinen eigenen Prinzipien gewahr wurde, sei eine neue Welthaltigkeit von Stadtarchitektur wieder absehbar geworden. Entscheidend an dem hier sehr schematisch resümierten Thesenbogen ist für uns die ihm zugrunde liegende philosophische Voraussetzung: Stadt impliziert Welthaltigkeit, in ihrer heutigen nicht weniger als in ihren historischen Konfigurationen seit der chinesischen Mandala-Architektur. In urbe mundus: In der Stadt wird Welt geschaut – heißt eine bei Schabert wiederkehrende Kapitelüberschrift: „Der Plan der Stadt ist die Welt, die Stadt ist die Epiphanie der Welt, in der Stadt erscheint Welt“.4 Leben in einer Welt, die nicht mehr spricht, wäre schwer erträglich, denn „die Menschen sind deutende Wesen, Menschen in einer Welt, die ‚Welt‘ nur dadurch ist, dass sie gedeutet wird“.5 Diese klar bezogene Position macht es dem Autor möglich, die moderne Stadtentwicklung und deren Theorien nicht bloß von ihren historisch konkreten Ausformungen, sondern von ihrem Grundsatz her zu hinterfragen. Das schlimmste Vergehen der modernen Phantasie sei es, schreibt Schabert, daß sie uns das Zutrauen zur Welt, die Sicherheit unserer Welterfahrung genommen habe.6 Damit geht es aber laut Ansicht Tilo Scha2 3 4 5

Schabert, Tilo, Stadtarchitektur – Spiegel der Welt, Zürich 1990. Ibid., S. 46. Schabert, Tilo, Die Architektur der Welt, München 1997, S. 66. Ibid., S. 122.

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berts zu einem Ende. Aus dem im modernen Stadtgefüge stumm gewordenen, nur noch aus Einzelnischen zusammenhanglos raunenden Bedeutungsraum, der alle Schöpfungserzählung von Welt durch Weltschöpfungsmodelle ex nihilo ausgelöscht habe, kehrten wir zurück in den Horizont des Erzählens. Den philosophischen Hintergrund dieser Entwicklung hat der Autor schon in seinem Buch Modernität und Geschichte vorgezeichnet.7 Diese Feststellung scheint indessen der zeitgenössischen Stadtbauentwicklung, wie sie heute in den Planungsbüros entworfen und in den urbanistischen Debatten reflektiert wird, zuwider zu laufen. Bei aller denkmalorientierten Rückbesinnung der historischen Stadtkerne und restaurationswürdigen Quartiere auf alte Stadtbilder scheint die reale Stadtentwicklung heute nichts so sehr zu meiden wie jene Spiegelfläche, auf der Welterfahrung bildhaft sich zu einem Ganzen fügen soll. Von Lewis Mumfords Begriff der „unsichtbaren Stadt“,8 über Thomas Sieverts Theorie von der „Zwischenstadt“,9 bis zum Programmkatalog S, M, L, XL – OMA von Rem Koolhaas,10 der die zeitgenössische Stadtrealität in ein monumentalen Panorama aus Manifesten, Collagen, Thesen, Impressionen, Anekdoten auffächert, demonstriert die maßgebende Urbanistik seit über einem halben Jahrhundert beharrlich die Weigerung der Stadt, je wieder weltreflektierender oder gar kosmologischer Bedeutungsträger zu werden. Gerät damit die kosmologische Dimension endgültig außer Reichweite der immer präziser werdenden kosmographischen und kosmogonischen Perspektive, wie Rémy Brague in einer detaillierten Studie nahelegt11 in dem Sinne, daß wir – auch in unserer Stadterfahrung – „eigentlich keine Kosmologie mehr haben“,12 das heißt kein horizonterschließendes gemeinsames In-der-Welt-Sein? Wenn Tilo Schabert das Ende der „Denkzeit“ der Moderne und die Rückkehr des Erzählens von Welt konstatiert,13 kann das nicht bedeuten, dass die große Einheitserzählung eines Gründungsmythos wiederkehrt. Der „Chaosmos“,14 die städtische Mischung aus Ordnung und Durcheinander, die in der Antike noch im Bild des Labyrinths mythisiert wurde, lässt sich in keiner 6

Ibid., S. 118. Schabert, Tilo, Modernität und Geschichte. Das Experiment der modernen Zivilisation, Würzburg 1990, S. 63 ff. 8 Mumford, Lewis, Die Stadt. Geschichte und Ausblick, Köln 1963, S. 658 ff. 9 Sieverts, Thomas, Zwischenstadt. Zwischen Ort und Welt, Raum und Zeit, Stadt und Land, Braunschweig/Wiesbaden 1997. 10 Koolhaas, Rem, S, M, L, XL – OMA, New York 1998. 11 Brague, Rémy, Die Weisheit der Welt. Kosmos und Welterfahrung im westlichen Denken, München 2006. 12 Ibid., S. 276. 13 Schabert, Die Architektur der Welt, S. 138. 14 Ibid., S. 136. 7

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geschlossenen Stadtgestalt mehr abbilden. Die Leere des abstrakten Universalraums der Moderne – laut Schabert nichts als eine trickhafte Umformulierung jenes Nichts, in das die Metropolis als Stadt verschwand:15 ein Phänomen, das Marc Augé als „Nicht-Orte“ thematisierte16 – füllt sich mit neuer Welterzählung, doch ist diese Erzählung vielfältig, unabschließbar, relativ, wie das Flimmern zwischen Einzelschicksal, Gruppeninteresse, Massenreaktion im Leben der polis. Darüber, wie auch unter diesen Bedingungen der Relativität der politische Machthaber als Vertreter des Souveräns (des Volks) im öffentlichen Raum weiterhin verbindliche Zeichen zu setzen vermag, wie die Deutungshoheit mit der um den Gründungsmythos gekommenen Herrschaftshoheit zusammengeht, bieten die Arbeiten Tilo Schaberts besonders wertvolle Aufschlüsse. Städte seien „die räumliche Präsenz von Politik“, schreibt Schabert.17 Die Worte der polis verhallen, der Raum der Stadt und die Bürgerschaft in diesem Raum seien hingegen dauerhaft, solange man sich an diesen Ort als den ihrigen erinnert.18 Erinnerung nicht als natürliche Selbstlegitimation aus den Ursprüngen im Sinne eines ab urbe condita, auch nicht als moralischer Imperativ des Gedenkens an bestimmte Ereignisse im Sinn eines memento, sondern als eine in der Person des (gewählten) Machtinhabers sich äußernde Kollektivanstrengung immer neuer Zeichensetzung von Geschichte im Werden. Die drei allgemeinen Momente, die Schabert in anderem Zusammenhang in der „Werkstatt der Weltpolitik“ ausgemacht hat: Ordnen, Deuten, Strukturieren,19 sind auch im Grenzgebiet von Architektur und Politik wirksam. Ordnen eines ständig die Koordinaten ändernden Raums, Umdeuten der in ihrem Sinn fluktuierenden Symbole, Strukturierung von faktischer und symbolischer Realität gemäß einer persönlichen Handschrift. Besonders anschaulich lässt diese Gesetzmäßigkeit sich im architektonischen Vermächtnis der französischen Präsidenten seit 1958 nachweisen, die das auf persönliche Machtausübung zugeschnittene Regime der Fünften Republik bestens zu nutzen verstanden. Als Beispiel sei hier nur kurz der Museumsbau angeführt. Hatte Georges Pompidou von seinem Vorgänger Charles de Gaulle, über die Vermittlung von dessen Kulturminister André Malraux, das Projekt eines neuen Museums für zeitgenössische Kunst übernommen und nach verschiedenen Projekt- und Standortvarianten im Pariser 15

Ibid., S. 141. Augé, Marc, Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit, Frankfurt am Main 1994. 17 Schabert, Die Architektur der Welt, S. 150. 18 Ibid., S. 151. 19 Schabert, Tilo, Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, Stuttgart 2002. S. 63 ff. 16

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Beaubourg-Viertel schließlich jenes Centre errichten lassen, das heute seinen Namen trägt, so folgte in der Epochenwende zwischen siebziger und achtziger Jahren als Erbe Valéry Giscard d’Estaings das Museum des 19. Jahrhunderts im dafür umgebauten Orsay-Bahnhof. François Mitterrand wiederum rückte mit dem Louvre-Ausbau und der symbolträchtigen Glaspyramide die Bestände der klassischen Sammlung in den Mittelpunkt. Diese chronologisch rückläufige Vorwärtsentwicklung vom resolut zeitgenössischen Centre Pompidou, über das „postmoderne“ Musée d’Orsay, zur „transmodernen“ Gestalt des Louvre-Ausbaus von Ieoh Ming Pei nimmt nicht einfach passiv die wechselnden Zeittendenzen auf wie in einem Spiegel, sondern reflektiert und prägt diese im Fokus einer besonderen französischen Geschichtsvision. Kontinuität über alle augenscheinlichen Epochenrisse und Stilbrüche hinweg ist eines von ihren Merkmalen, das einprägsamer nicht dargestellt werden könnte als in der vom Louvre ausgehenden West-Achse, der unter der Präsidentschaft Mitterrands ein neues Element hinzugefügt wurde. Die hundertfünf Meter Seitenlänge der quadratischen Cour carrée aus dem 17. Jahrhundert im Louvre findet sich auf dieser Achse, die durch den Tuileriengarten, über den Obelisken der Place de la Concorde, die ChampsÉlysées, den napoleonischen Arc de Triomphe an der Place de l’Étoile bis zur Trabantenstadt La Défense führt, in aufgerichteter Form wieder im Hohlwürfel der 1989 eingeweihten Grande Arche. Wie durch ein offenes Fenster verlängert dieses neue Bauwerk die Monumentalachse der Stadt, leicht abgewinkelt nach Süden, um auch den 1889 eingeweihten Eiffelturm mit einzubeziehen und zugleich, wie in einer gebauten clinamen-Abweichung im Sinne von Lukrez, auch auf das gegenüber der Louvre-Achse leicht verschobene Standbild von Ludwig XIV. vor dem Pyramideneingang Bezug zu nehmen. Durch die so in Szene gesetzten Abweichungen gegenüber der reinen Geometrie barocker Perspektivenarchitektur unterscheidet sich diese Architektur vom Macht- und Bedeutungsabsolutismus des Ancien Régime. Der Gestus transzendentaler Sinnhaftigkeit ist beibehalten, deren Modus ist aber gebrochen. Totalitäre Transparenz und modernistische Trübung im Spiegel der Machtausübung sind verschwunden, Bilder sind wieder erkennbar, die Zukunft wird von keinem Programm mehr konfisziert. Der Machthaber kann ein Auge schließen oder sehenden Auges sein Amt an den Nachfolger weitergehen, mit guter Aussicht, dass dank diesem Vorsprung des Deutens gegenüber dem Herrschen die Welt erkennbar und einsehbar bleibt.

II. Platonlektüren

Politikos James M. Rhodes What was Plato’s intention in writing his Politikos (Statesman)? What lessons can we take from it? Some seem to suggest that the dialogue cluster Theaetetus-Sophist-Statesman is Plato’s most serious work, in the sense that its culminating piece perhaps “comes closest to putting in writing what Plato chose not to put in writing”. Ostensibly, their argument is that, in the first of these dialogues, Socrates’ futile, lifelong struggle to advance from philosophy to science ends in his failure to learn what knowledge is and in his infection of Theaetetus with his sorry confusion. Plato then uses the other two plays to transcend Socrates. He entrusts the guarded treatment of truths about cosmology and statesmanship to a stranger from Elea whose qualified Parmenidean instruction makes progress with Theaetetus where Socrates had made a mess. Given that the stranger promises to analyze the philosopher as well as the sophist and the statesman, and that Plato wrote no dialogue Philosopher, we may infer that “by understanding both sophistry (. . .) and statesmanship, one will understand what philosophy is” – and thus, presumably, what a philosopher king would know and do. One can master the highest political art by studying the stranger’s deeds, for “the Statesman’s argument is its action.”1 This view is plausible. As the Statesman opens, Socrates thanks Theodorus for introducing him to Theaetetus and the stranger, possibly implying that he appreciates the stranger’s exhibition of reasoning more successful than his own.2 Further, the Socratic dialogues and Laws are rife with professions of ignorance and bafflement but the Sophist closes with the stranger’s affirmation that his deductions appear “most true” (268d4) and the Statesman concludes with young Socrates’ praise of the stranger’s results as “most beautiful” (311c9).3 These unsocratic endings could be Plato’s signals that, with his turn to Eleatic philosophy, he finally has gotten some1 I say “ostensibly” because there is an esoteric message in this construction that I do not have space to elucidate. See Benardete, Seth, The Being of the Beautiful: Plato’s Theaetetus, Sophist, and Statesman, Chicago/London, 1984, pp. III.104, xvi (where Leo Strauss is speaking), III.137. 2 Cf. Benardete, p. I.182.

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where. However, misgivings about this exegesis soon arise. The stranger’s method of taxonomical division, his quirky choices of logical premises, and his substitutions of particular illustrations for general proofs seem gratuitous and arbitrary rather than rigorous. One suspects that, far from educating Theaetetus, the stranger has persuaded him to imagine that he knows what he does not know. Indeed, at the most critical juncture of the Sophist, the boy blurts out that he has been convinced not by argument but by the stranger’s demeanor (265d): this hardly looks like science. Hence, the Sophist and Statesman might offer not Plato’s advances beyond Socrates but a caricature of the Eleatics in which Socrates silently beholds their folly and is grateful to be released from the grip that Parmenides had on him. Alas, this reading is not wholly satisfactory either. Parmenides was not guilty of the stranger’s offenses. Plato would not have believed that he could best the great man by satirizing arguments that were no part of his philosophy. If he is ridiculing Eleatics, they must be contemporaries of Socrates who somehow have ceased to be Parmenideans. The Eleatic dialogues also express opinions with which Socrates agrees elsewhere. Thus, the Theaetetus-Sophist-Statesman trilogy is not self-evidently either Plato’s pro- or anti-Eleatic manifesto. Its purpose is more complex and must be pursued with a meticulous inquiry. I cannot undertake that investigation here but I can sketch my hypothesis about how it should go, skimming lightly over surfaces that ought to be plumbed in depth.

I. The Action of the Plays Good exegesis of Plato’s dialogues must begin with analysis of their dramas. The Theaetetus-Sophist-Statesman cluster is embedded in a larger series centered on the death of Socrates. In the prologue of the Theaetetus, Euclides describes its larger portion as his transcription of Socrates’ report of his uplifting talk with Theaetetus and Theodorus. The transcribed dialogue is set in the hours just before Socrates goes to his arraignment and its companion plays pick up with the next dawn (210d2–4). Euclides must have recorded the account that we have in the Theaetetus while visiting the condemned Socrates in jail. One should assume, at least provisionally, that these facts are keys to understanding the action and argument of the trilogy. It also should be seen as symbolically significant that Euclides agrees to a reading of his manuscript on the occasion of the fatal wounding of Theaetetus circa 390 B. C. in the Corinthian War (142a–b). This was the war in which a resurgent Athens allied with other ambitious cities to challenge the 3 Plato’s dialogues are cited by Stephanus numbers, as found in Burnet, Ioannes (ed.), Platonis Opera, five vols, Oxford 1907.

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post-404 hegemony of Sparta. It was the first of several conflicts that foreseeably would tear Greece apart and render it vulnerable to foreign conquest (cf. Republic 469b8–471b). Evidently, in Plato’s fiction, Hellas begins its protracted decline into death on the day that Theaetetus, one of Socrates’ hopes for the future of philosophy (142c–d, 143c–144b), slowly expires from his wounds and this coincidence allows us to witness Socrates’ encounter with Theaetetus on the day that he starts his own lingering descent into death. With these hints in mind, one should pass on to a close examination of the action of the plays. As the curtain rises on the Theaetetus, Socrates is located in the school of Theodorus. He asks the geometer whether he has any Athenian students who are likely to prove virtuously able. Socrates has been seeking such youths throughout his career but he has extra incentive now. He knows that there are never enough philosophers and that any boy he can recruit today probably will be his last. Theodorus praises Theaetetus. He denies that he is sexually attracted to the lad, whom he thinks as ugly as Socrates, and he attributes qualities to him that Socrates would view as indications of philosophic aptitude. Socrates obtains permission to try the boy. It is necessary to be aware of Socrates’ procedure with interlocutors, especially because he takes pains to explain it to Theaetetus. Metaphorically, Socrates is a midwife. Just as midwives are not pregnant but deliver the babies of other women, then deciding whether the infants should be reared or exposed, Socrates’ soul is not pregnant but he delivers other souls of their progeny, then determining whether they have given birth to images and lies or fruitful and true offspring. That is to say, Socrates has no wisdom and teaches nothing but elicits and tests the opinions of others (148e– 150d). Interpreters of Plato frequently ignore this declaration. They construe Socrates’ speeches as statements of Plato’s positions, even though Plato warns in his Seventh Letter that no writing of his discloses that about which he is serious (341c1–6). In our drama, Theodorus makes the mistake of regarding Socrates’ suggestions as his standpoints and Socrates has to remind him that all of the arguments in his conversations come from his interlocutors, not from himself (161a–b). This implies that, even when Socrates proposes conclusions and raises objections, he is merely reflecting on the directions and difficulties of his interlocutors’ thoughts better than they themselves could do. Failure to heed Socrates’ admonition has been the downfall of many a reading of Plato. So, Socrates will try Theaetetus by examining his opinions. Socrates knows that this effort will be complicated by the fact that Theaetetus is a boy (perhaps as young as ten) in the school of the mathematical genius

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Theodorus. Although the lad is precocious and is forming views of his own, his opinions surely must be largely identical with those of his teacher. Therefore, to understand what Socrates will do, one should glance first at Theodorus. As a geometer, Theodorus thinks on the third level of the divided line (Republic 510b–511d). This means that he reasons down to conclusions from unproved hypotheses about mathematical realities, using things in the visible world as images of these objects. His work is noble. However, Theodorus does not like higher philosophic inquiry. Early in life, he turned away from “bare speeches” to geometry (165a2). Like many scientists of our era, he probably perceives debates about being, the good, the just, and the beautiful as blather and prefers to focus on truths that can be precisely determined. He especially detests the philosopher Heraclites because he does not want mathematical realities to be fluid (179e–180a). Having avoided higher thought, he has to beg off when he is invited to participate in dialectic, pleading that he is too old and unaccustomed to such conversation (146b). He also admits that he fears being disgraced if his assertions are gainsaid (165a8–b1). When he is dragged into the discussion against his will, he is annoyed and accuses Socrates of behaving like the robber Sciron, who forced his victims to wrestle with him (146a–b). He finds being challenged unpleasant (177c). His stance is self-contradictory in a way. Although he always wanted to avoid speculative discourse, he was a friend of the sophist Protagoras (162a4). He probably has given Protagoras’s Truth to Theaetetus, who has read the book often (152a). Although he refused to take part in the conversation, he cannot refrain from barging into it emotionally when Socrates acts as though he means to oppose Protagoras; he is shocked that someone might think Protagoras wrong (161a). He promptly drops out again when Protagoras’s doctrines are attacked, saying that he will not be party to the refutation of his friend (162a), but he returns when Socrates shames him for letting a mere boy defend Protagoras (168d). He protests that Socrates denigrates his comrade too much when the sophist’s teachings are threatened (171c). One should inquire how a geometer who loathes “bare speeches” became so attached to Protagoras. This question can be put another way: How could an exact discipline like geometry be hospitable to sophistry? To try Theaetetus, Socrates poses the problem “What is knowledge?” This is an appropriate question to put to mathematicians who assume that the only knowledge worth seeking, and perhaps the only knowledge worthy of its name, is their own. It is a stiff test for a boy but Socrates is forced to take shortcuts today. Theaetetus misunderstands what Socrates wants. He replies by enumerating sciences. When advised that his task is not to do that but to state what knowledge (science) is in itself, Theaetetus attempts

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to cope by making a geometric maneuver. He says that Theodorus once was proving with drawings the linear incommensurability of the number one with numbers possessing surd roots. To find a common nature of the unit, surds, the squares of surds, and the squares of rational roots, he and his friend young Socrates assigned images to the numbers by mapping them onto the sides of squares, replacing their incommensurability with the commensurability of their plane images. He suggests that perhaps Socrates wants something like this to get at a common essence of the sciences (although it is doubtful that one grasps the natures of numbers by looking at their square images). Socrates praises the friends’ solution of the problem of the shared essence of numbers as the best human beings can do. (Might gods do better?) It probably is best on the third level of the line, in the realm of mathematical things that men must give visible images. Socrates hopes to ascertain whether Theaetetus can soar higher so he asks him if he can solve the problem of the common nature of the sciences in the same way (147c–148b). Here, it would be wrong to take Socrates’ query for his position. Socrates is not advocating Theaetetus’s envisaged solution. It may be impossible to explicate the essence of knowledge with an image. One should consider the likelihood that, by posing his question, Socrates consciously and deliberately has set the dialogue on the road to aporia. When Theaetetus responds by suggesting that knowledge is perception, Socrates immediately takes the offensive against Theodorus’s influence. He says that Protagoras used to give the same definition, except that the sophist couched it in the formula: “Man is the measure of all things, of those that are, that they are, of those that are not, that they are not” (152a). Theaetetus agrees that his reply depends on Protagoras’s dictum. Then Socrates helps Theaetetus clarify his Protagorean reasoning, scolding him along the way for trying to please his questioner instead of giving his own view (157c–d). Next Socrates upsets Theodorus by moving to refute the Protagorean argument. He compels Theaetetus to judge it incoherent three times. However, he props Protagoras back up each time by disparaging his own critiques, helping Theaetetus see through cheap rhetorical tricks. In doing so, he irritates Theodorus again by tying Protagoras’s doctrine to Heraclites’s idea of being as flux (157c). Eventually he goads Theodorus into action by embarrassing him. To help the geometer argue, he restates Protagoras’s teaching as fairly as he can. As if in passing, he brings up Protagoras’s political science. He mentions Protagoras’s belief that justice, piety, and beauty are for each polis what each supposes they are (172a). Then he digresses, deploring the trials of philosophers in courts that are informed by relativism. Philosophers bumble at law because they normally conduct their inquiries at leisure, not under time pressure, and because they aim at truth rather than cunning persuasion. They also are disadvantaged in

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court because they gaze upward, not down at the petty affairs of powerhungry men whose alleged felicity they scorn. However, they are free, not slaves of their passions and the need to curry favor with deceitful flattery. Clearly, Socrates is thinking of his coming ordeal. He probably is speaking over the head of Theodorus to Theaetetus, encouraging him to become philosophic despite what is about to occur. This done, Socrates prods Theodorus into a refutation of the Protagoras who has been associated with Heraclites. He frustrates Theodorus again by refusing to criticize Parmenides too, saying that he reveres and probably never understood Parmenides, thus leaving Theodorus to worry that being might be at rest, one, uncountable, and therefore not amenable to change with the differing perceptions of different individuals. Then he finishes refuting Theaetetus’s definition of knowledge and offers more hypotheses about its nature, causing them all to founder on an inability to explain falsehood that arises from Parmenides’ dictum on the impossibility of speaking about nonbeing. While doing this, he praises Theaetetus for grasping that souls, not the senses, discern being, telling the lad that his insight makes him beautiful, not ugly as Theodorus had said (185d–e). He twice warns Theaetetus not to think that he knows what he does not know (187b–c, 210c). He and the boy end with an acknowledgment of their ignorance. Theaetetus concedes that his soul had been pregnant with mere wind-eggs (thus, images and lies). One must assume that Socrates is pleased with the progress that he has made with Theaetetus. The lad has proved intelligent, eager to learn, and modestly willing to admit that he does not know. This is the first step on the path to wisdom. The excited Socrates asks to meet Theaetetus and Theodorus on the following day, undoubtedly to consolidate his gains. However, the dramatic evidence also indicates that Theodorus feels illused. He has been shamed by Socrates’ exposure of the inconsistency of his thought. He has been infuriated by the abuse of his friend. His opinion that Theaetetus is ugly has been betrayed. His prize pupil also has been made to appear ignorant. There is a grave danger that Theaetetus will be turned from geometry to Socrates’ “bare” pursuits. This being so, one should postulate next that Theodorus’s humiliation explains why he comes on the morrow with a stranger in tow. The geometer, like many who have been stung by Socrates, probably thinks that he has been victimized by a sophist whom he cannot defeat in eristic. He therefore has sought help from a man whom he believes capable of standing up to a slick intellectual swindler. He has briefed the stranger on Socrates’ evil reasoning. He and the stranger have been conversing with Theaetetus on their way to the meeting, discussing sophists, statesmen, and philosophers (Soph-

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ist 217a–b). It is easy to imagine that Theodorus has been working Theaetetus over and imploring the stranger for arguments that will convince the boy that the man who confused him was a cheat, that Protagoras’s science of politics and justice is not contemptible but sensible, and that real philosophers stick to geometry and Protagoras. Now the men intend to win Theaetetus by putting Socrates on trial for sophistry at their meeting, lodging essentially the same charge that Aristophanes dramatized and that Meletus implicitly has brought in court. The accused will be obligated to remain silent while the plaintiffs rehearse their indictment. Theodorus has appointed the stranger prosecutor because the foreigner styles himself a friend of the Parmenides-Zeno circle and a student of Parmenides, thus subtly claiming the pedigree and understanding required to criticize Parmenides in a way that rehabilitates Protagoras. Socrates spots all this instantly. He quotes Homer to indicate his awareness that he stands accused of crimes as odious as those of Polyphemus and Antinous. He suggests ironically that the stranger is a deity who goes about punishing the outrages of worthless speakers by refuting them. Theodorus replies that this is not the stranger’s way, thereby confessing inadvertently that his guest is no stranger to him. He denies that the foreigner is a god but proclaims him divine insofar as he is a philosopher. He denies that the guest is devoted to eristic but he does not deny that the stranger has come to punish Socrates by righting his wrongs. Socrates again addresses Theaetetus through Theodorus. He asserts that real philosophers are as hard to distinguish as gods. To ignorant mankind, they often seem to be looking down on the lives of men from on high (this being an obvious allusion to Aristophanes’ portrait of Socrates in the Clouds as a prig suspended above Athens in a basket; it should be recalled that Socrates had told Theaetetus that philosophers look up). Also thanks to general ignorance, a philosopher sometimes appears disguised as a sophist and sometimes as a politikos (the words here having the pejorative senses intended when we say “wise guy” and “politician” with disdain). Socrates is warning Theaetetus that the stranger will identify some as philosophers falsely and dress a genuine philosopher up as a sophist and a political con artist, thus committing the mistake into which the many (and Theodorus) invariably fall. He is urging Theaetetus to differentiate the reality from the images. The situation in the dialogue is the same as it will be in court, Theaetetus being a jury of one whom Socrates is entreating to see through contrived illusions that will fool the majority of dikasts some days hence. Thinking, perhaps, that he might as well get this trial over with, Socrates says that he would like to hear whether Eleatic circles count sophist, politikos, and philosopher as one, two, or three types. The stranger agrees to reply. A good Protagorean interested in a joint exploration of views would

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give the three terms positive connotations (“wise man”, “statesman”, “lover of wisdom”) and answer that they all refer to one person. Protagoras himself would be an example of the single type, for he was intellectually accomplished and was asked by Pericles to write the constitution of Thurii. However, if the stranger means to prosecute Socrates, he must make “sophist”, at least, a dirty word. The stranger declares that the terms connote three types which require long explication, so Socrates is confirmed in his view of the lay of the land. Socrates inquires whether the guest prefers to make his explanations by means of question and answer, like Parmenides, or with long speeches. The stranger opts for dialectic if the interlocutor is docile; otherwise he prefers to lecture (217c–d). It is not good news for Socrates that the stranger has spoken with Theaetetus and finds him an acceptable (thus docile) interlocutor. The stranger begins his presentation with an example of how he wants to argue, showing Theaetetus how the angler can be defined by the method of taxonomic division. Then he proceeds to the indictment. The first count includes the charge that the sophist demands pay (233a). This would seem to torpedo the thesis that the stranger is indicting Socrates, who does not ask for compensation. However, Socrates’ indifference to pay did not stop Aristophanes from accusing him of sophistry and did not prevent Athenians from believing the slander.4 It might not be common knowledge, and Theaetetus might not be aware, that Socrates goes unpaid. Also, wage-earning turns out to be irrelevant because the stranger ultimately leaves it out of account. Both when he pinpoints what is essential to sophistry and when he submits his “truest” final summation he omits any mention of it (232b, 268c–d). To return to the indictment, the first count states that the sophist is a hunter of rich young men whom he claims to educate privately to virtue.5 This is a fine description of Protagoras. However, if one dismisses Socrates’ explanation of his maieutic art as irony, the sketch becomes an image of Socrates, who is known to hunt wealthy young men and to concern himself with their virtue. The second count asserts that the sophist practices a disputative art that produces contradictions by means of questions and answers that chop speeches into little bits (225a–c). This plainly acquits people who make long speeches of sophistry and labels dialecticians sophists, thus neatly transferring the opprobrious term from Protagoras to Socrates. Probably only an inexperienced boy like Theaetetus or an accused 4

Neither did it keep one of the greatest political philosophers of the twentieth century from concluding that the comic playwright’s accusation was “just” and that Socrates was “the first and foremost sophist.” See Strauss, Leo, Socrates and Aristophanes, New York 1966, p. 8. 5 Here, I am condensing several of the stranger’s counts into four for the sake of brevity.

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standing silenced in the dock like Socrates could let the stranger get away with this switch. Anticipating a counterclaim by the defense, the stranger adds that it would do too much honor to the sophist to say that his art of producing contradictions purifies souls by showing people that they do not know what they think they know. The sophist merely resembles those who practice refutative purification in honest ways (226d–231a). Starting his presentation over from the beginning, the stranger also says that the crucial point about the sophist is that he is a contradictor (232b). This introduces the third count of his indictment: the sophist affects to be knowledgeable about everything and to be able to contradict everyone about everything – about all divine things, all things of earth and sky, all political things, and all the things of craftsmen. He overwhelms the young with his seemingly all-embracing wisdom. No one really could be omniscient, so the sophist’s affectation is an obvious lie (232b–233c). One is reminded of Hippias (cf. the greater Hippias). However, the stranger again has made his picture an image of Socrates, who already has been accused publicly of introducing new gods and inquiring into everything above and below the earth, who often initiates exchanges on political topics, who faces the charge of corrupting youth, and who is known to plague everybody, including poor craftsmen, with conundrums that induce them to contradict themselves. The assertion that the sophist’s pretended omniscience is fraudulent brings up the stranger’s last count: The sophist has an art of verbal imagemaking that lends credence to his lying claims to know everything. But how, in the face of Parmenides’ warnings, can we say that a sophist speaks what is not? If we cannot establish that there is an art of image-making that employs words falsely, the sophist will escape by hiding, impiously or criminally (panoŸrgwò, 239c6), behind the impossibility of saying what is not. With this, the stranger has openly called Socrates a criminal. The stranger proceeds next to an exceedingly long refutation of Parmenides, begging Theaetetus at the outset not to accuse him of patricide for killing his philosophic father. His argument wends it way through a statement of the paradox that falsehood requires nonbeing to be; an ontology that proves that being cannot be one, as Parmenides had thought, because we see the multiplicity and countability of things; definitions of a real being as anything that has the power to effect change and of philosophers as people who focus on such beings; a rejection of Heraclites that dissociates him from Protagoras; a pious bow to a divinity who must have ordered the whole (a god whose existence Socrates is said to have denied), and a conclusion that to speak of nonbeing is to refer not literally to nonbeing but to difference. Now Socrates supposedly has been proved a sophist and refuted too. Theaetetus’s Protagorean concept of knowledge implicitly has been reinstated. The jury of one votes without hearing from Socrates; it is a kangaroo court.

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Theaetetus accepts the stranger’s reasoning. Socrates is convicted. This is a death sentence for his posthumous work through the boy. Theaetetus remains a geometer, never becomes philosophic (Euclides not replacing Socrates as his midwife), and dies in the service of the misguided statesmanship that destroys Hellas. It should be noted that the stranger’s method of handling Theaetetus has been the direct opposite of that of Socrates. Where Socrates scolds the lad for trying to please his examiner, the stranger praises him for taking cues (265d). Where Socrates disparages his own reasoning, helping Theaetetus escape rhetorical traps, the stranger purveys fallacies and pushes the boy into them. Where Socrates acts as a midwife, the stranger sews seeds of ideas. Socrates rids Theaetetus of flawed beliefs, hoping that this will free him to find the truth for himself. The stranger plants a false verbal image of Socrates in Theaetetus’s mind, trying to control his judgments. When Socrates finishes with Theaetetus, the boy concedes that he is ignorant. When the stranger draws to a close, Theaetetus supposes, wrongly, that he knows something. Thus, our playwright, Plato, has displayed the nature of sophistry ad oculum by having the stranger do what his definition of sophistry says a sophist does. The action of the Sophist certainly is its argument. This brings us to the Statesman. Socrates is allowed to speak briefly. He thanks Theodorus for introducing him to Theaetetus and the stranger. In the light of what has happened, this cannot mean that he appreciates the revelation of long-elusive ontological truths. He probably is grateful for having been taught why he cannot escape his fate and, possibly, why his philosophy cannot escape mortality either. Theodorus answers that Socrates will be thrice indebted when the stranger has elaborated not only the sophist but also the statesman and philosopher. Socrates rebukes Theodorus for thinking that the philosopher can be captured in an arithmetic proportion. Theodorus takes Socrates to mean that he has made a mistake in calculation, thus missing Socrates’ point: he appears incapable of breaking out of the mathematical mold. He also expresses more resentment of Socrates and urges the stranger to resume his presentation. The stranger complies. Theaetetus being tired, the stranger takes young Socrates as his interlocutor. He must be happy to do so, for the boy is the most pliable individual in all of the Platonic dialogues. Socrates also wishes to examine his namesake but his wish is never granted. The stranger’s analysis of the statesman has been necessitated by Socrates’ earlier censure of Protagoras’s political science. The stranger envisages three tasks: he wants to discredit Socrates’ critique, explain and justify Protagoras’s general and political science, and put Socrates on trial again, this time for a capital political crime.

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The stranger accomplishes his first task with his initial questions to the young Socrates. To see how this is so, one need only notice that Socrates said in the Theaetetus, in effect, that he knows nothing (149b–151d) and also that he has stayed so far away from Athenian politics that he cannot find his way to the assembly or the courts (173c–175b). The stranger asks young Socrates whether the politikos should be counted as one of the knowers, or scientists. The lad says yes (Statesman 258b). With this, the know-nothing Socrates has already been judged incompetent to comment on politics. (Socrates claims at Gorgias 521d that he is and always has been the only real statesman in the polis. He obviously thinks that statesmanship is not a science but he does not get an opportunity to make his case.) The stranger then poses what seems at first sight to be an odd question: If a person in private life is able to advise a king, should we not say that he also has the ruler’s royal science? This query fits the dramatic situation because it silently draws an invidious comparison between Protagoras and Socrates: Protagoras advised Pericles, the king of Athens in all but name, on the founding of a colony but Socrates has never been solicited for counsel by any leader, nor should he have been asked if he cannot even find his own political district. The second task consumes large portions of the dialogue. Here, I can only outline the stranger’s explanation and defense of Protagorean science. The stranger distinguishes gnostic, or cognitive, science from practically productive science. He puts statesmanship in the former category and assigns it two functions. He cites logistics, a mathematical art that differs from pure arithmetic in that it “examines the odd and even with regard to their multitude, how they (. . .) are in relation to themselves and one another”.6 In other words, logistics discriminates kinds of numbers and observes their relationships. Many sciences are logistic, he says, statesmanship included. A statesman discriminates kinds and marks their relationships (259d–260b). This is why the stranger insists, in his maddening way, on his method of taxonomic division and also on collecting individuals into genera (see 285a–c). The statesman’s other job is to issue orders that bring fitting relationships into being (260a–b). All this is to maintain that statesmanship does exactly what mathematical logistics does, except that it does it with regard not to numbers, but to people, and applies its insights to governance. We begin to see why Theodorus is enamored of Protagorean sophistry: for Protagoras and the stranger, geometric logistics is the model of all science and its power to yield certainty can be extended to both the understanding and regulation of human affairs. The stranger’s efforts to adhere to his model produce some 6 This account of logistics is a translation of a line in the Gorgias by Benardete, in: The Being of the Beautiful, note 9, p. III.151.

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absurdities and jokes, as when he urges young Socrates to divide non-numerical, animal types just as one would divide even numbers (264e) and to examine animal natures by observing “the diameter and again the diameter of the diameter” (266a), thus working out the difference between two- and four-legged species. Nevertheless, young Socrates is carried along. The manner in which mathematical logistics guides Protagorean political science is important. One always must measure excess and defect, the stranger argues. However, excess and defect exist both in relations of things to each other and in relations of things to the mean. “We must believe” that in all the arts “greater and less are measured relative not only to one another but also the becoming of the mean” (284d5–6). One looks to the mean when producing beautiful things. In politics, the mean at which the statesman aims when giving orders is “the fitting, the opportune, the needful” (285e6–7).7 However, for Protagoras and the stranger, the mean is always “becoming”. The fitting, the opportune, and the needful are floating, not fixed. The reason for this, presumably, is that different means arise with every different set of numbers. There is no single, eternal, numerical mean. Human beings and their affairs being analogues of numbers and their relations, the statesman’s discriminations of political means must vary. So, the stranger believes that he has scientifically vindicated Protagoras’s doctrine that the just is whatever every city perceives it to be. The stranger’s definition of the politikos prepares the discharge of his third task. Using his mathematical logistic method, he “deduces” that the statesman is the gnostic, command-giving tender of a herd of two-footed animals who resemble the pig in their love of ease (266a–267c). He is dissatisfied with this result because statesmanship is not the only art that claims to care for the herd. Therefore, he adduces his famous myth of the cyclically oscillating cosmos. In the first half of a cycle, a god directs the universe. In that age, heavenly bodies go in directions opposite to their present ones. There are no houses or clothes because climates are mild. Food grows spontaneously. Human beings spring from the earth fully aged, get younger and smaller with time, and finally vanish. There are no polities, families, wars, wild animals, or carnivores. People and beasts converse. These eras end owing to the natural defects of matter. The god is forced to relinquish his absolute dominance of all things. Then, with great cataclysms, the whole swings around to its present motions. The cosmos, which is a living animal, initially remembers how it was ordered by the god but it forgets more and more as time passes. Disorder mounts. At last, when the universe is on the verge of collapse, the god takes the helm again and a new cycle begins. The moral of this story is that the true statesman is the 7

Benardete’s translations.

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god of the first half cycle, not the man of our half cycle. However, the stranger seems to think that there could be godlike men (275c6–7) who care for all human needs, not just for food, health, physical training, or whatever. The statesman of our dispensation thus is a godlike, gnostic, order-giving tender of human herds who works for the whole of their welfare. (The politikos now appears to look down on the dealings of men from on high, as Socrates was accused of doing.) This established, the stranger turns his attention to the problem of how the politikos rules, namely, according to the dictates of science, aiming at the mean. As long as he does this, his governance either can be forced on his subjects or voluntarily accepted and he ought not to be hemmed in by law. He can employ helpers such as generals, judges, and rhetoricians but these auxiliaries are not to be confused with statesmen. He strikes the mean by weaving disparate elements of his population together, particularly the moderate and the courageous, and by excising the worthless. Moving to his third task, the stranger declares it needful to distinguish statesmen from men who are the greatest enchanters among the sophists and who resemble satyrs, among other creatures. With a view to this end, one must consider that there are seven varieties of government: that of the politikos, monarchy, aristocracy, democracy that is accepted voluntarily, democracy forcibly imposed, oligarchy, and tyranny. The first in this series is the only right regime because it is the only one ruled by a knower. The non-knowers who advocate the others are the greatest sophists. They are not statesmen but seditionists (302c). Socrates, the unscientific champion of philosopher kingship, clearly falls into this category. He has just been accused of treason. When young Socrates calls the stranger’s summation beautiful, Socrates is convicted again. The Statesman’s action has been its argument too, for young Socrates has been herded like a tame animal. I think that, on the basis of the exegesis I have proposed, readers of Plato should arrive at the following conclusion: The dramatic evidence in the Sophist and Statesman suggests that these dialogues are neither pro- nor anti-Eleatic tracts, and not the guarded revelation of Plato’s ultimate truths, but, rather, sophist manifestoes, probably composed by Plato as exercises for his students in the Academy.8 Plato would have challenged his students to disentangle the reality of the philosopher from the images of the sophist and the political con man that can be attached to him owing to the ignor8 Eric Voegelin once made a similar observation about the Parmenides. See The Drama of Humanity and Other Miscellaneous Papers, 1939–1985, Columbia, Missouri 2005, p. 372. My thanks to Zdravko Planinc for the reference. I also owe some inspiration for my analysis in this paper to the treatment of the Timaeus and Critias in: Planinc, Zdravko, Plato through Homer: Poetry and Philosophy in the Cosmological Dialogues, Columbia, Missouri, 2003.

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ance of mankind, and to determine as well why the sophist who masquerades as the true philosopher is not that.

II. The Arguments The reasoning in the dialogues Theaetetus, Sophist, and Statesman requires line-by-line, book-length treatment. Here, I must be content with a few remarks on what the arguments do and why they do it. In the Theaetetus, Socrates is confronted with mathematicians who contend that logistic geometry is the essence and model of all science. As in geometry, one studies the natures of things by looking at images of them. Theaetetus conjectures that knowledge is perception because his science trades in the mental reception of sensory images. Socrates grants Theaetetus this premise to test it. He and the boy say nothing in the dialogue that does not presuppose and follow from this starting point. Socrates compels Theaetetus to endorse Protagoras’s dictum that man is the measure of what is and is not, and to accept a Protagoras-Heraclites nexus, because the axiom logically entails the being of everything perceived and the flux of being with shifting perceptions. Socrates shows in several ways that this combination of opinions is incoherent but his first objections are rhetorical, not decisive. Finally he causes the mathematical conception of knowledge to demolish itself on the rock of false predication: if knowledge is perception, there could not be falsehood. Socrates proposes two ways of overcoming this difficulty, imitating geometric method by permitting knowledge to be represented by the images of the wax and the aviary, but he is forced to close these avenues off, leaving Theaetetus in aporia. It should be observed that the problem of falsehood would not arise if knowledge were not equated with perception. Socrates hopes that Theaetetus will realize this, give up the effort to get at the natures of realities by gazing at their images, and open himself to being pulled up to the fourth level of the divided line, or to being dragged out of the cave. Plato is always concerned to give his opponents a fair hearing. In the Sophist and Statesman, he constructs the most powerful arguments that he can devise for the logistic-mathematical view. To accomplish this, he accepts the rules of the geometric game. He causes the stranger to argue in a uniformly geometric manner, in three senses. First, like every Hellenic geometer, the stranger starts with unexamined axioms and reasons down to conclusions. For example, he announces arbitrarily that the sophist is a hunter and that the politikos is a scientist and proceeds from there. Second, just as Theaetetus wanted to ascertain the natures of numbers by looking at their square images, the stranger invariably strives to find useful images of

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the sophist and the statesman, e. g., as hunter and as herd tender. Third, he employs the logistic method of discrimination of kinds by division and collection into genera. Therefore, his arguments are precisely what one would expect to encounter if a geometer transferred his habitual reckoning out of the medium of numbers and into that of living human beings. This is why his premises seem so capricious and why he appears to believe that examples can be substituted for general proofs. It also is the reason why he makes such fallacious cuts in his categories: people and their affairs are not analogues of even numbers. When one forces human beings into that mold, any number of strange results can be obtained. By silencing Socrates, Plato leaves it to the reader to judge whether the stranger’s arguments work. I think that they do not. Everything turns on whether essences can be understood through images and the three dialogues have pointed to significant obstacles to that operation. The stranger’s solution of the problem of false predication, often touted as a great Platonic achievement, is especially ineffectual. The stranger does not escape the fact that, if knowledge is perception, there can be no falsehood because Protagoras’s dictum holds: whatever one perceives must be. The stranger wins his case only by doing what Socrates had predicted in the Gorgias would be done (figuratively) when he was prosecuted: the stranger conducts Socrates’ trial before a jury of children.

III. Protagorean and Socratic Statesmanship It may be objected that my exegesis of the Theaetetus-Sophist-Statesman trilogy cannot be correct because Theodorus and the stranger agree with Socrates about so many issues. While refraining from the blasphemy of deifying a human being, Theodorus calls philosophers divine men. In the Statesman, the stranger wants an ÷lhqinüò basilÍŸò (259b1), a “king in conformity with truth.” He demands that sophistical pretenders to royalty be distinguished ÷p˛ toª ðronûmou basilÍwò (292d6), “from the wise king”. He insists that the king should act in accord with “justice” (293d9) and make the polis “better” (293d9–10) in point of virtue. He claims that only the politikos under discussion can foster “true opinion” about “the beautiful, just, and good” (3095–6). He argues that the rule of the envisaged politikos is the best form of government and that the many are incapable of becoming true statesmen (291d–293d). He laments that cities these days do not produce true kings (302d–e). In many places, Socrates uses the very same words in his descriptions of the philosopher, his calls for a philosopher king, and his assessments of the potentialities of the many and the present plight of cities. So how can Theodorus and the stranger be deadly enemies of Socrates?

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I reply that this objection arises out of the confusion of image and reality that is analyzed and dramatized in the trilogy. Sophists such as Protagoras and philosophers such as Socrates and Plato all preferred the truthful, just, rule of the wise and decried the ignorant, unjust rule of the many, so they appeared to be advocating and deploring the same things. However, they meant different things by the words “truth,” “philosophy,” “wisdom,” “justice,” and “virtue.” The stranger, by using the same terms as Socrates but applying them to different referents, created word images that made the sophist king look like a philosopher king. I think that Plato’s purpose in writing the Sophist and Statesman was to give his students practice in distinguishing the sophistical image of the statesman from the reality of the true politikos. The friend to whom this essay is dedicated has made this task a substantial portion of his life’s work.

Das Zeitalter des Kronos Mariapaola Fimiani

I. Am Ende der siebziger Jahre las Foucault, im Kontext der Analysen zu den Formen der politischen Rationalität, den Politikos von Platon wieder. Mit dieser Relektüre verfolgte er das Ziel, in der antiken Welt eine klare Unterscheidung zwischen der Figur des Hirten und der des Staatsmannes aufzuzeigen. Anhand dieser Unterscheidung sollten die Arten, die verschiedenen Bündnisse und die Strategien der modernen mikrophysischen Macht neu definiert werden: Die Führung der Stadt, und allgemeiner, das politische Handeln können nicht – sagte er mit dem platonischen Zeugnis – mit den Formen der pastoralen Aufsicht verglichen werden. Die griechische Tradition hatte die Kunst des Staatsmannes mit der Gewandtheit ein solides Netz für die Stadt zu spinnen verbunden und damit eine starke Diskontinuität mit dem orientalischen und hebräischen Begriff des König-Hirten als Führer der Menschheit aufgezeigt. Will man die Komplexität und die Verwicklungen der foucaultschen Interpretation des Politikos und des platonischen Mythos über den zweifachen kosmischen Kreislauf verstehen, nämlich den der Umkehrung des kosmischen Drehsinns im Übergang vom Zeitalter des Kronos zum Zeitalter des Zeus, ist es vielleicht von Nutzen, möglichst alle Probleme in Betracht zu ziehen, die mit der Idee einer Genealogie des Subjekts verbunden sind. Das Problem der epochalen Polarität von Kronos und Zeus und die Zweideutigkeit der Hirtenfigur, die sich während der zwei verschiedenen Weltperioden abzeichnet, können somit, über die Machtanalysen hinaus, einer allgemeinen Reflexion über die Auslegung des Platonismus nützen, der den aktuellen Perspektiven eines post-metaphysischen Humanismus nahesteht. Auch Foucault scheint sich von diesem Platonismus inspirieren zu lassen. Die Rückkehr zu den Griechen, die von der Ethik nahegelegt wird, die Foucault in den achtziger Jahren erarbeitet, bedeutet auch eine Rückkehr zu Kant. Zeitgleich mit den Thesen über die Ästhetik der Existenz ist der Kommentar zur kantischen Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung,1 die 1 Foucault, Michel, What is Enligthenment?, in: Paul Rabinow (Hrsg.), The Foucault Reader, New York 1984; Qu’est-ce que les Lumières?, in: Magazine littéraire,

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bekanntlich die Ontologie der Aktualität und die Frage darüber einleitet, wer wir sind, was uns zu dem macht, was wir sind, und was wir werden wollen. Dieser Kommentar überträgt, für einen jeden von uns, die politische Herausforderung der Ausübung eines logos, das ethos wird, und somit der Praktik eines philosophischen Lebens. Die Themen der Ethik des „souci de soi“ diskutieren die klassische Welt, die sokratische epimeleia, die asketischen Praktiken des Hellenismus und des späten Reiches finden jedoch auch einen Ort der vorweggenommenen Erarbeitung in der Introduction à l’anthropologie de Kant von 1961, in einem Text, der nie veröffentlicht wurde und bei Kant eine besondere Lebenskunst bezeichnet, eine Kunst, zwischen Geschicklichkeit und Erfindung, die die Synthese des Ich-denke in den „synthèses insulaires“ und in einem tatsächlichen „effondrement sur soi“ vollzieht.2 Die erste Begegnung mit Kant lässt also Foucault verstehen, dass sich die Frage über den Menschen nur in der Eröffnung eines „déracinement de l’Anthropologie“ wieder ergeben kann. Das sind die Thesen, die auch die Anmerkungen zur Analytik der Endlichkeit in Les mots et les choses leiten. Diese Thesen nähren auch im Folgenden die Kritik an jeder Philosophie des Subjekts oder an jedem metaphysischen Humanismus, die im Kartesianismus wurzelt und die Stütze der permanenten Anthropologie bleibt, in die sich im Wesentlichen die pastorale Macht der Modernität verwandeln wird. Der post-metaphysische Humanismus denunziert vor allem einen Verrat an der kantischen Tradition. Denn wenn mit dem Beginn der Wissenschaften vom Menschen, das Ereignis seines Auftritts auf der Bühne des Wissens seine zweideutige Position von Objekt und Subjekt bezeichnet, aus ihm einen „souverain soumis“, einen „spectateur regardé“, ein Vorstellungsvermögen macht, das immer in ein „creux ménagé“ eingebettet ist, dann ist das kantische Gebot unüberwindbar, die Trennung zwischen Empirischem und Transzendentalem aufrechtzuerhalten, das heißt eine Trennung, die zum Garant der Endlichkeit und der Instabilität des Menschlichen wird. Die unverrückbare Vorzeitigkeit, in die sich das Denken des Menschen einbettet, zeigt einen Unterschied zwischen dem Gegebenen und dem Wissen, den der anthropologische Humanismus vergessen und verraten hat. Mit der modernen Anthropologie erschöpft sich die tatsächliche empirisch-transzendentale Duplikation und verschwindet, weil das, was in der Erfahrung gegeben ist, und das, was die Erfahrung möglich macht, sich entspricht, sich identifiziert, sich das eine in das andere verwandelt und wieder eine vor-kritische Wahl Nr. 207, 1984; jetzt beide in: Foucault, Michel, Dits et écrits, hrsg. von Daniel Defert und François Ewald, Paris 1994, IV, S. 562–578; 679–688. 2 Foucault, Michel, Introduction à l’anthropologie de Kant, thèse complémentaire pour le doctorat, Directeur d’études: M. J. Hyppolite, 1961, unveröffentlichtes Typoskript, Paris, IMEC, D 60 (1 und 2).

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vorschlägt: In diesem „Pli“ ist die Philosophie in einen neuen Schlaf gesunken, nicht mehr in den des Dogmatismus, sondern in den der Anthropologie. Deshalb kann sich die Frage über den Menschen nur in der Leere seines Verschwindens wieder ergeben, in einer Leere, die keinen Mangel bedeutet; die keine Lücke füllen will, sondern die die Öffnung eines Raumes ist, in dem es endlich wieder möglich ist zu denken.3 Das Denken wieder in diese Öffnung einzubetten, bedeutet eine Rückkehr zu Kant und mit ihm zur Kritik der Vernunft und zur radikalen Befragung über das Sein. Die „énigme kantienne“ setzt eine zweifache Nostalgie frei, einerseits die für die Griechen, die sich über unsere Beziehung zum Sein befragen, und andererseits die für das 18. Jahrhundert, von dem wir verlangen, dass es die Formen und die Grenzen unseres Wissens in Frage stellt.4 Der post-metaphysische Humanismus stimmt mit der Botschaft jenes Kantianismus überein, der das Unüberwindliche vorschreibt und die Förderung der Frage über den Menschen auf dem ganzen kritischen Weg nahelegt,5 einer Frage, die die Endlichkeit der Existenz immer dem überträgt, was sie, über sie selbst hinaus, festhält und sie freisetzt. So definierte Heidegger die moderne Anthropologie (die eigentliche Philosophie der Epoche der vollendeten Metaphysik ist die Anthropologie) als metaphysisch und übertrug der Besinnung die Aufgabe, dem Menschen seine „Nichtigkeit“ zurückzugeben, „die Veranlassung zum Verständnis dessen, dass eigentliches Wirken nur da ist, wo Widerstand ist, und dass die Philosophie die Aufgabe hat, gewissermaßen den Menschen zurückzuwerfen in die Härte seines Schicksals“.6 Nur wenn der Mensch wieder „in das Ganze des Seienden überhaupt“ hineingestellt wird, hat die Idee einer anthropologischen Philosophie Sinn. Die Anthropologie, die den Menschen als gegebenes Objekt empirisch untersuchen oder ein bestimmtes anthropologisches Projekt entwerfen möchte, müsste somit nur konsequent sein Überschreiten akzeptieren, da sie sich ja als „jene Deutung des Menschen, die im Grunde schon weiß, was der Mensch ist, und daher nie fragen kann, wer er sei“, erweisen würde.7 Die Existenz kann nicht „als eine spezifische Art unter anderen Arten von Lebewesen gedacht werden, gesetzt dass es dem Menschen geschickt ist, das Wesen seines Seins zu denken und nicht 3

Foucault, Michel, Les mots et les choses, Paris 1966, S. 323, 351–354. Foucault, Michel, Une histoire restée muette, in: La Quinzaine littéraire, Nr. 8, 1966, jetzt in: Dits et écrits, I, S. 548. 5 Vgl. Renaut, Alain, La place de l’Anthroplogie dans la théorie kantienne du sujet, in: Jean Ferrari (Hrsg.), L’année 1798. Kant et la naissance de l’anthropologie au siècle des Lumières, Paris 1997, S. 51. 6 Heidegger, Martin, Kant und das Problem der Metaphysik, Frankfurt am Main 1973, S. 291. 7 Heidegger, Martin, Holzwege, Frankfurt am Main 1950, S. 111. 4

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nur Natur- und Geschichtshistorien über seine Beschaffenheit und seinen Umtrieb zu berichten“.8 Widerspräche man dem Humanismus der anthropologistischen Metaphysik, so würde das also bedeuten, die „eigentliche Würde“9 des Menschen zu erfahren und ihn wieder zur Hütung der „Wahrheit des Seins“, zur Sorge um das „Element“ des Denkens, das Sein, aufzurufen, das dessen „stille Kraft“ ist.10 Das Denken des Seins bewahrt den zweifachen Sinn des Genitivs: Das Denken „ist des Seins, insofern das Denken, vom Sein ereignet, dem Sein gehört“, und als das hörend dem Sein Gehörende ist das Denken, was es nach seiner Wesensherkunft ist“.11 Darin besteht die Aufgabe einer „ursprünglichen Ethik“.12 In diesem Kontext wird bekanntlich die Hirtenfigur zur Wirkursache einer entscheidenden Erosion. Die pastorale Erscheinung ist hier das Anzeichen einer Zergliederung aller anthropologischen Konstanten, sie ist das Auftauchen, das im 20. Jahrhundert den entscheidenden Punkt des Differenzierungsprozesses signalisiert: Die „Nichtigkeit“ des Menschlichen – Seiendes unter den Seienden, das nicht mehr fundamentum inconcussum veritatis des Systems der Seienden ist, sondern von den Seienden betrachtet wird und das sich der Weite dieses Blickes anvertraut – zeigt die Verschiebung von den kategorialen Gliederungen, von den Unterschieden in Art und Gattung, zur äußersten Spitze der Singularität, zur zerstreuenden und unzusammenstellbaren Vereinzelung der späten Modernität. Es ist also die einzelne Existenz, die die Sorge des Hirten zurückruft. Nur der Mensch, der „mehr“ als die anthropologische Neubildung des animal rationale ist, aber der deshalb auch „weniger“ als das subjectum ist, das dem Wesen die Herrschaft aufzwingt, gelangt zur „wesenhaften Armut des Hirten“, „vom Sein selbst in die Wahrnis seiner Wahrheit gerufen“.13 Die pastorale Sorge um das Sein ist, in der Zeit der geflohenen Götter, für Heidegger die Sorge um das Ungewöhnliche und die Sorge um ihren Verlust,14 sie ist die Bedingung, die das Zwischen oder den Raum des Dinges erhält, das das Geviert besetzt, 8 Heidegger, Martin, Über den Humanismus, in: ders., Wegmarken, Frankfurt am Main 1976, S. 324. 9 Ebd., S. 330. 10 Ebd., S. 316. 11 Ebd., S. 316. 12 Ebd., S. 356. 13 Ebd., S. 342. 14 Heidegger, Martin, Hölderlins Hymne „Andenken“, Frankfurt a. M. 1982, S. 65. Zum Thema der „Sorge“ bei Foucault und Heidegger vgl. Forst, Rainer, Die Sorge um das Selbst bei Heidegger und Foucault, in: Eva Erdmann/Rainer Forst/Axel Honneth (Hrsg.), Ethos der Moderne. Foucaults Kritik der Aufklärung, Frankfurt/ New York 1990, S. 146–186. Vgl. allgemein zum Begriff der Existenz vgl. Beaulieu, Alain, Les sources heideggeriennes de la notion d’existence chez le dernier Foucault, in: Revue philosophique de Louvain, Nr. 4, 2003, S. 640–657.

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sie ist der ungelöste Übergang zwischen Erde und Himmel, Menschlichem und Göttlichem.15 Und es ist der Hirte, der für die Verbindung zwischen den Kindern der Erde und der Öffnung des Heiligen sorgt und das „Werk“, seine Singularität dazu aufruft, in der Selbstverbergung der Erde16 und im unentscheidbaren Raum der Chôra emporzutauchen.17 Foucault scheint in den Texten, die die Kritik an der Macht ergänzen und die Frage der „subjectivation“ oder des Subjekt-Werdens einleiten, mit dem Verweis auf den platonischen Politikos die Kritik von Kant und Heidegger am Anthropologismus wieder aufzuwerfen. Mit dieser Kritik teilt er die Wirkung eines „effondrement“ des Menschlichen in die vereinzelnde Zersplitterung des Lebens.18 Aus der Sicht dieser Tradition wäre Foucaults Interpretation der Hirtenfigur des platonischen Mythos nicht nur darauf ausgerichtet, die den Formen der modernen Macht zugewiesenen Disziplinierungsmöglichkeiten zu erklären, sondern sie würde auch dabei helfen, im Platonismus die Elemente eines postmetaphysischen Humanismus zu erkennen, die dem komplexen Werk der Ausarbeitung der neuen Ethik vorausgehen.

II. Dass der Politikos auf seine Art und Weise eine Theorie der Entkräftung des Anthropozentrismus ausdrückt, ist eine von der Kritik weitgehend geteilte These. Der Mythos von der umgekehrten Welt erzählt von einem katastrophalen Bruch, vom Ende des Goldenen Zeitalters, des Überflusses, der glücklichen Unwissenheit, der bloßen Erhaltung des Einzelnen und der pastoralen Sorge um das Leben im Zeitalter des Kronos und er berichtet, was das Zeitalter des Zeus betrifft, von der Entstehung der Erinnerung, des Wissens, der Künste, der Liebe, der Beziehung, der Philosophie in der Härte der Natur und der Konflikte unter den Menschen. Aber der Übergang vom Weltalter des Kronos zu dem des Zeus beschreibt weder eine zeitliche Abfolge noch legt er eine Utopie oder Sehnsucht nach einem verlorenem Glück nahe. Der Mythos von den beiden Zeitaltern stellt in Wirklichkeit die Metapher einer kosmischen Dimension des menschlichen Lebens dar, das in einer Bewegung, von der es beherrscht wird, gefasst wird.19 In ihrer 15

Heidegger, Martin, Vorträge und Aufsätze, Pfullingen 1954, S. 114, 172. Heidegger, Holzwege, S. 42. 17 Derrida, Jacques, Chôra, Paris 1993, S. 23–47. 18 Ich habe kürzlich diskutiert, inwiefern es die Perspektive Foucaults ermöglicht, die Kritik an der Anthropologie zu verfolgen, die Kant, Nietzsche und Heidegger verbindet, in: Fimiani, Mariapaola, Antropologia filosofica, Roma 2005. 19 Das ist im Wesentlichen der Sinn der Interpretation von Voegelin (Voegelin, Eric, Plato, Baton Rouge 1966), der in der Einleitung zur italienischen Ausgabe von 16

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radikalen Endlichkeit wird die menschliche Existenz einer verdoppelten Welt anvertraut, die ihre ständige und gegensätzliche Spannung bestimmt sowie auch die ungelöste und zweideutige Beziehung zwischen Natur und Kunst, zwischen Leben und politischer Existenz, zwischen dem Leben, das der Einzelne lebt, und dem, das zum Leben in der Gemeinschaft wird,20 zwischen Sich-am-Leben-Erhalten und philosophischem Leben-Werden.21 Die Wiederaufnahme des Politikos-Mythos eröffnet bei Foucault das Spiel der gegensätzlichen Beziehung auf einer doppelten Achse: die Achse der Unterscheidung zwischen dem Hirten und dem Staatsmann und die Achse des Gegensatzes zwischen Unterwerfungs- und Befreiungsprozessen, was die Macht der Sorge und die Formen der Subjektivierung betrifft. Die erste Achse der Diskontinuität, die in Foucaults Kommentar auftritt, geht vom Kern des Problems des platonischen Dialogs aus: Kann, fragt man sich, der Gott-Hirte oder der Hirte Gottes der Führer einer Stadt sein? Kann die Sorge um die menschliche Herde mit dem politischen Handeln gleich sein? Die Metapher des Hirten, die auch in einigen homerischen Stellen auftaucht, ist der pythagoreischen Tradition nicht fremd: Die Fragmente Archytas verzeichnen, nach dem deutschen Herausgeber Gruppe, einen hebräischen Einfluss auf die griechische Literatur.22 Die Thesen des platonischen Politikos nehmen laut Foucault zweifellos wahr, wie die politische Literatur der Griechen die Möglichkeit ausschließt, dass die Figur des Hirten mit dem Führer der Stadt oder mit dem Staatsmann verglichen werden kann.23 Das Nicola Matteucci stark hervorgehoben wird (vgl. Voegelin, Eric, Ordine e storia. La filosofia politica di Platone, Bologna 1986, S. 11–27). In dieser Richtung sind auch die Bemerkungen von Vidal-Naquet zu lesen, die das Interesse von Foucault während der Vorlesungen von ’77–’78 direkter beeinflusst haben könnten (Vidal-Naquet, Pierre, Le chasseur noir. Formes de pensée et formes de société dans le monde grec, Paris 1981; das Kapitel 3 des vierten Teils, das dem Politikos gewidmet ist, ist ein Text, dessen erste Version veröffentlicht wurde in Kristeva, Julia (Hrsg.), Langue, dicours, société. Pour Emile Benveniste, Paris 1975. In Italien ist die neue Arbeit von Giovanni Giorgini zu nennen: Einleitung und Herausgabe: Platone: Politico, Milano 2005. 20 Rosen, Stanley, Plato’s Myth of the Reversed Cosmos, in: Review of Metaphysics, 1979: Sept., S. 59–85. 21 McCabe, Mary Margaret, Chaos and Control: Reading Plato’s Politicus, in: Phronesis. A Journal for Ancient Philosophy, XLII, 1997, S. 94–117. 22 Foucault, Michel, Omnes et singulatim. Towards a Criticism of „Political Reason“, in: „The Tanner Lectures on Human Values“, Delivered at Stanford University, October 10 and 16, 1979; jetzt in: Dits et écrits, IV, S. 140. Vgl. auch Foucault, Michel: Sécurité, territoire, population. Cours au Collège de France. 1977–1978, Paris 2004, S. 140–141. 23 Foucault, Sécurité, territoire, population, S. 144–151; Omnes et singulatim, S. 141–143.

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ist der unmittelbare Sinn des Mythos von der umgekehrten Welt. Deshalb ist die Weltzeit des Kronos nicht die Weltzeit des Zeus. Von den beiden Phasen des Universums, der sich in zwei aufeinanderfolgende gegensätzliche Richtungen drehenden Sphäre, erzählt der Mythos, dass am Anfang, in einer Zeit, die unserer Zeit vorausgeht, nämlich zur Zeit des Kronos, die Menschen von der Erde geboren und von ihr wieder geboren wurden, ohne Erinnerung, ohne Wechselbeziehung zu ihresgleichen, von denen sie auch nicht gezeugt wurden. Für die Kinder der Erde24 war die direkte Führung durch einen Gott, Dämonen oder göttlichen Hirten vorgesehen. Ihnen war ein grenzenloses und irrendes Nomadenleben, in einer großzügigen Natur bestimmt, sowie die Gewissheit über ihre Selbsterhaltung dank der Führung zum Weideland und der göttlichen Versicherung darüber, dass allen und jedem eine spontane Befriedigung der Bedürfnisse, eine direkte und unmittelbare Öffnung gegenüber der Macht Gottes geboten werde. Die pastorale Sorge stellte für das Leben des Einzelnen eine sichere Nahrung dar. Aber unter Zeus begann sich die Erde in die entgegengesetzte Richtung zu drehen, die Götter waren geflohen und mit ihnen die Hirten. Die Menschen wurden ihren eigenen, ungewissen und bedrohten Ressourcen überlassen, sie wurden der bösen Natur und der zerstörerischen Gefahr ausgesetzt und der wohlwollenden Hütung des Dämonenhirten beraubt. „Der Kunst der Herdenwartung“, eine Regierung, die zum Gott-Hirten passt, folgt „die Kunst der Besorgung der menschlichen Gemeinschaft“, die für die Menschen und das Staatsoberhaupt typisch ist. Will man unsere Zeit nicht mit dem Goldenen Zeitalter des Kronos verwechseln, ist es unvermeidlich, schließt der Dialog zwischen Sokrates und dem Fremden, die Figur des „göttlichen Hüters“ von der des „menschlichen Vorsorgers“ zu trennen.25 Die Rolle des Staatsmannes ist die, ein solides Netz für die Stadt zu spinnen und an der schwierigen Beziehung zwischen dem Einen und den Vielen, zwischen der Identität und dem Unterschied, zu arbeiten. Und es ist im Wesentlichen eine andere Art, diese Beziehung aufzufassen, eine andere Praktik der Verbindung zwischen der Einheit und der Vielfalt, die die pastorale Sorge von der Regierung der Stadt trennt. Der griechische Staatsmann hat den Aufbau der Stadt und die Aufstellung von Regeln für das Zusammenleben zum Ziel, er hat mit einem begrenzten Bereich von unbeständigen und vorläufigen Koalitionen zu tun, mit den Artikulationen, den Konflikten und den Strukturen innerhalb eines gegebenen Raumes, welcher den Arbeitstechniken der Mitglieder eines Kollektivs übergeben und anvertraut wird. Die pastorale Macht, die im Orient und in der hebräischen Tradition verwurzelt ist, führt eine verstreute Menge von Einzelnen zurück zur direk24 25

Platon, Politikos, XV, 271c. Platon, Politikos, XVIII, 276d.

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ten, beständigen und ernährenden Handlung eines Einzelnen – der GottHirte oder der Hirte Gottes –, indem sie den substantiven Wechsel von Identischem und Anderem unterstützt, das heißt eine mystische Vereinigung des Vielfältigen oder einen Herdengeist, der von der wohlwollenden Singularität des Hirten gefördert und bewahrt wird. Der gute griechische Führer hält als geschickter Steuermann die Gefahren fern und rettet die Stadt, die er mit Gesetzen ausgestattet zurücklässt, er bietet einen festen und fruchtbaren Boden, der eine reiche Ernte sichert. Der Gott-Hirte hat zu seiner Herde, zu den verstreuten Individuen, die allein mit dem Klang seiner Stimme zusammen getrieben werden, eine ursprüngliche und grundlegende, unmittelbare und ständige Beziehung ohne festen Aufenthaltsort, ohne Regeln und ohne Erinnerung. Es ist das Zuhören, das die Lebenden einzeln anhäuft. Es ist die Gegenwart des Hirten, die sie am Leben erhält. Der Hirte der Menschheit beschränkt sich nicht darauf, alle bei Annähern einer Gefahr zu retten, sondern er sichert jedem gutes Weideland, Nahrung und Unterhalt zu, er stillt täglich den Hunger und den Durst, er begibt sich auf die Suche nach einem verlorenen Schaf, wie ein rabbinischer Kommentar zu Moses sagt. Der Hirte wacht ständig über diejenigen, die er ernährt und die schlafen: Alle schlafen, er ist wach. Er muss seine Herde in ihrem Ganzen und im Einzelnen, omnes et singulatim, kennen.26 Der Hirte übt eine Tätigkeit, eine Gewalt aus; er ist eine Quelle, die die Gesamtheit und die Einzelnen zusammenhält: Er führt auf sich, wie auf das einzige Prinzip des Lebendigen, einen Vereinzelungsprozess zurück, den er selbst in gewisser Weise hervorgebracht hat. Die Metapher des Hirten, die der griechisch-römischen Tradition des politischen Führers fremd ist, trägt somit dazu bei, den zuweilen zweideutigen und paradoxen Vereinzelungsprozess des Lebens zu denken. Die Figur des Hirten bringt, wie bei Heidegger, auch in den Texten Foucaults zunächst die Zugangsmacht zum Geviert und zur Verteidigung des Ungewöhnlichen, zur Fürsorge und Sorge um das Menschliche, das dem „Element des Seins“ zurückgegeben wird, wieder ins Spiel. Die radikale Zersplitterung der Existenz – omnes et singulatim – wird dem Hirten übertragen, der zum Hüter des schwierigen Vereinzelungsprozesses wird. So scheint die erste Achse der Diskontinuität, die die orientalische und hebräische Tradition von der griechischen Tradition, den Hirten vom Staatsmann trennt, die Pole des kosmischen Übergangs nicht so sehr zu verschärfen, als vielmehr auf die Gefahr ihrer totalen Trennung hinzuweisen. Der Hirte und der Staatsmann scheinen in Foucaults Abschnitt über Platon nicht auf die Praxis der Macht beziehungsweise auf die Praxis der Frei26

Foucault, Sécurité, territoire, population, S. 132; Omnes et singulatim, S. 145.

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heit zurückzuführen, auch wenn auf den beiden entgegengesetzten Kontexten der Welt der Götter, das heißt der Welt des Kronos, und der Welt der Menschen, nämlich der Welt des Zeus, bestanden wird. In Wirklichkeit kommt in der Erzählung von den beiden kosmischen Phasen, wie gesagt wurde, nicht ein unlösbarer Gegensatz, sondern eine polare Spannung zum Ausdruck: Der Dynamismus des Verhältnisses zwischen den Welten, den Platon mit seinem Mythos nahezulegen scheint, warnt uns vor der Möglichkeit der Katastrophe, das heißt er hilft uns, die Gefahr eines unheilbaren Bruchs zwischen dem Hirten und dem Staatsmann zu verstehen, wie auch zwischen dem Prozess der Vereinzelung und dem der zivilen Ordnung, zwischen dem Fließen des differenzierten Seins und dem soliden Rahmen der Gesetze der Stadt, zwischen den Ereignissen und dem System. Die Menschen, die die politische Macht ausüben – schließt der Kommentar zum Politikos – sind also keine Hirten. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, Einzelne am Leben zu erhalten, sondern darin, die Einheit der Stadt zu bilden und zu gewährleisten: Das politische Problem ist das der Beziehung zwischen dem Einen und der Menge im von der Stadt und ihren Bürgern gebildeten Rahmen. Das pastorale Problem betrifft das Leben der Individuen. All das scheint nicht fernliegend, fügt Foucault hinzu, weil es auch eine Reihe von Problemen unserer zeitgenössischen Gesellschaft betrifft. Es betrifft die Beziehungen zwischen dem Staat, der als juridisches Bild der Einheit verstanden wird, und einer sozusagen pastoralen Macht, die die Aufgabe hat, das Leben aller und jedes Einzelnen zu erhalten und zu verbessern.27 Der Vergleich des Hirten der Bibel mit dem Weber Platons, des hebräischen Hirten mit dem griechischen Richter, bedeutete nur, dass das griechische Denken das Modell des Hirten nicht eingehend angewandt hatte, um die politische Macht zu analysieren.28 Im Laufe des Kommentars zum Politikos sagt Foucault deutlich, dass die pastorale Macht als solche nicht der Ort der Vereinzelung und gleichzeitig der Ort ihrer Tätigkeit und Zerstörung ist. Man muss vielmehr die Entwicklung der pastoralen Figur im Lauf der Geschichte des Abendlandes verfolgen, um dem Hirten die Kraft der Umkehrung der Produktion des Einzelnen in seine Unterwerfung zu verleihen. Erst mit dem Christentum vollzieht sich ein wahrer Bruch mit der orientalischen und hebräischen Tradition: Das christliche Pastorat ist vor allem vom 3. Jahrhundert an keine bloße und einfache Wiederaufnahme, keine Umsetzung oder Fortführung des hebräischen oder orientalischen Pastorats, es unterscheidet sich vollkommen, grundlegend und wesentlich vom pastoralen Thema, das im Mythos über Kronos beschrieben wird.29 Dort stimmte das pastorale Thema ganz und gar nicht mit der Idee 27 28

Foucault, Omnes et singulatim, S. 143–144. Foucault, Sécurité, territoire, population, S. 167–168.

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überein, dass ein Individuum in das Leben eines anderen eingreift mit dem Ziel, es zu beobachten, zu kennen und es in einem ununterbrochenen Gehorsamsverhältnis während seiner ganzen Existenz zu führen. Das Thema der pastoralen Macht schließt nicht die durchdringende und bedrückende „technique de direction“ ein, die später vom Christentum entwickelt wird.30 Nach dem Hinweis des platonischen Mythos besteht das Problem Foucaults darin, die komplexe Neudefinition der Sorge einerseits um das einzelne Leben und andererseits der Dimension des politischen Handelns anzugehen, sowie die Erarbeitung des Zusammenhangs zwischen dem einzelnen Leben und dem politischen Leben. Und hier reift die Diskussion über eine zweite Achse der Diskontinuität, die die griechisch-hebräische Tradition der Sorge um sich von der christlichen Tradition der pastoralen Aufsicht trennt. Diese Achse zeigt die komplexe Zweideutigkeit der Geschichte der Subjektivierung auf, die geteilt ist zwischen der Selbstbeherrschung, der griechischen enkrateia, Erbe der sokratischen Fürsorge, und der Versklavung des Einzelnen, die von der monastischen Pastorale und von der Aufnahme der Diskussion des menschlichen Lebens in die permanente Anthropologie des Wissens und der modernen Wahrheitssysteme vollzogen wird.31 Es gibt eine Zäsur, die die abendländische Geschichte der Sorge um die Existenz begleitet und die, wie Foucault sagt, den Übergang von der Kunst des Lebens zur Kunst des Todes, von der epimeleia heautou zur melete thanatou definiert, von der Erfahrung einer Wahrheit, die in der Mnemonik und in Rhetorik konzentriert ist, das heißt von einer Wahrheit, die der Handlung Kraft zu verleihen und sich in eine aktive Lebensart des Einzelnen umzusetzen vermag, zu einem Willen, alle Bewegungen, die minimalen Nuancen des Körpers, der Leidenschaften und der Gedanken Schritt für Schritt einzeln und eindringlich zu verfolgen. Diese Zäsur verwandelt das Erkenne-dich-selbst in ein explizites Geständnis, wo „le dire vrai“ nicht mehr, wie noch in den hellenistischen Schulen, nur bedeutet, eine Bilanz der Abhängigkeiten ziehen zu können und das Wissen in eine siegreiche und unbezwingbare Kraft umwandeln zu können, sondern auch Kontrolle, Auswahl, Zensur, Spaltung des Sich, Befreiung von unserem Anderen, Zugang zum Licht und totaler Gehorsam als permanente Ausschließung des eigenen Willens ist. Hier wird die Hermeneutik des Selbst, auch in den zweideutigen Verknüpfungen mit der spätkaiserlichen Kultur, zur Entschlüs29

Ebd., S. 168. Foucault, Michel, Du gouvernement des vivants. Cours au Collège de France. 1979–1980, Leçon du 19 mars 1980, unveröffentlichtes Tondokument, IMEC, C 62 (1 et 2). 31 Die Idee der Kontinuität zwischen der christlichen Pastorale und dem modernen Wissen vom Menschen ist eine These, die schon 1976 in La volonté du savoir diskutiert wurde. 30

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selung des Selbst als Selbstenthüllung und gleichzeitig als Selbstzerstörung, die für die Tradition der christlichen Pastorale typisch ist. Die Interpretation ist Singularisierung aufgrund ihrer Einführung in den Diskurs als mit der Strömung der Gedanken gleichzeitige permanente Tätigkeit.32 Diese Zäsur fördert in der abendländischen Geschichte einerseits gewiss eine kritische Analyse, aber andererseits auch die Vertiefung der Bedingungen einer effektiven ethischen Produktion der einzelnen Existenz und vor allem die Idee der Politik als ethische Differenzierung.

III. Es besteht kein Zweifel darüber, dass sich das christliche vom griechischromanischen Pastorat und auch von dem, was in der hebräischen Thematik dargestellt wird, grundlegend unterscheidet.33 Nach der Ausarbeitung der christlichen Literatur der ersten Jahrhunderte erweisen sich die hebräischen Themen des Pastorats als grundlegend verändert. Das christliche Pastorat organisiert die Instanz eines reinen Gehorsams, einer vollständigen Abhängigkeit, in Form der persönlichen Unterwerfung eines Individuums gegenüber einem anderen Individuum. Diese Abhängigkeit ist im Klosterleben, in der Beziehung der Novizen mit dem Abt, dem Oberen oder dem Meister institutionalisiert34 und fordert ab dem 4. Jahrhundert ein Leben, das vollkommen von jemandem vorgeschrieben wird, wobei der Beweis eines guten Gehorsams einhergeht mit der Unüberlegtheit und der Unmittelbarkeit,35 mit der endgültigen Aufgabe jeglichen eigenen Willens.36 Die apatheia, die in der griechischen Philosophie auf die selbständige Kontrolle der Leidenschaften, die Mäßigung der Kraft, die Stilisierung und die Selbstbeherrschung bezogen ist, ist in der christlichen Pastorale der Staat, der uns von der Hartnäckigkeit jenes pathos befreit, der den auf sich selbst und für sich selbst ausgeübten Willen ausdrückt: Die christliche apatheia ist der Wille, der stets auf sich selbst verzichtet.37 Von der griechisch-hellenistischen Sorge übernimmt die pastorale Führung die Praktiken der „direction de conscience“ und des „examen de conscience“,38 nicht, um die Handlung zu lenken und die Selbstständigkeit des Einzelnen zu verstärken, wie es Seneca 32 Foucault, Michel, About the Beginning of the Hermeneutics of the Self. Two Lectures at Dartmouth, nov. 1980, in: Political Theory, 21, Nr. 2, may 1993, S. 198–227; ders., Truth and Subjectivity. Howison Lecture, Berkeley, oct. 1980, unveröffentlichte maschinenschriftliche Konferenz, Paris, IMEC, D2.1. 33 Foucault, Sécurité, territoire, population, S. 186. 34 Ebd., S. 177–179. 35 Ebd., S. 177–179. 36 Ebd., S. 181. 37 Ebd., S. 182; Foucault, Omnis et singulatim, S. 146.

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und Mark Aurel wollten, sondern um die vollständige Knechtschaft zu erlangen, welche die Erkundung der geheimen Wahrheit der Seele fordert. Mit dem christlichen Pastorat wohnen wir der Entstehung einer vollkommen neuen Machtform bei, wo sich die „identification analytique“, die „individualisation par assujettissement“, die „subiectivation“ als „production d’une vérité intérieure, secrète et cachée“ erfüllen: „un sujet qui est assojetti dans des réseaux continus d’obéissance“ und „un sujet qui est subjectivé par l’extraction de vérité qu’on lui impose“39. Es wird also eine Verbindung zwischen der vollständigen Unterwerfung, der Selbsterkenntnis und dem Geständnis an einen Anderen hergestellt.40 In der christlichen Führung haben wir ein Dispositiv, wiederholt Foucault, das drei Elemente zusammenhält: das Prinzip des grenzenlosen Gehorsams, das Prinzip der ununterbrochenen Prüfung und das Prinzip des exhaustiven Geständnisses. Gewissensführung, Gewissensprüfung und Geständnis fügen sich in einem Dreieck zusammen, über das nachzudenken ist: dem Anderen zuhören, sich selbst betrachten, zum von uns Anderen sprechen.41 Somit gelangt die „individualisation par assujettissement“ durch die Darlegung der Sünde und die Selbstanzeige, die Übertragung des Selbst auf Andere und das Geständnis der Wahrheit über Sich – eine besondere Form der alèthurgie42 – zu ihrer eigenen Subjektivierung und gleichzeitig zu ihrer eigenen Zerstörung. Die Verbalisierung des Selbst ist hier die Aufgabe des Selbst, die Darlegung der Wahrheit ist das eigene Opfer, im permanenten Geständnis der einzelnen Gedanken, die die Griechen exagoreusis nannten: Ein „vrai dire“, das weit von der sokratischen parresia entfernt ist, vertieft die Bedeutung der Reue, der exemologesis, einer dramatischen und theatralischen öffentlichen Enthüllung des Selbst, das nicht verbaler, sondern somatischer und symbolischer Ausdruck der Selbstzerstörung ist.43 Wir können somit sagen, dass das christliche Pastorat ein seltsames Spiel begonnen hat, das sich weder die Griechen noch die Hebräer vorstellen 38 Foucault, Omnes et singulatim, S. 146; zur Distanz vom hellenistischen Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler vgl. Foucault, About the beginning of the Hermeneutics of the Self, S. 205–210. 39 Foucault, Sécurité, territoire, population, S. 188; meine Hervorh. 40 Foucault, Omnes et singulatim, S. 147. 41 Foucault, Du gouvernement des vivants, Leçon du 26 mars 1980. 42 Zu den Formen der „aleturgia“, oder des Erscheinungs- und Produktionsritual der Wahrheit verweisen wir auf Foucault, Michel, Le courage de la vérité, Cours au Collège de France. 1983–1984, Leçon du 1 février 1984, unveröffentlichtes Tondokument, Paris, IMEC, C 69 (01–02). 43 Foucault, About the Beginning of the Hermeneutics of the Self, S. 214–222.

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konnten und dessen Elemente das Leben, der Tod, der Gehorsam, die Individuen und die Identität sind; ein Spiel, das nichts mit dem der Stadt zu tun haben scheint, die durch das Opfer ihrer Bürger überlebt. Unseren Gesellschaften und den modernen Staaten ist es gelungen, diese beiden Spiele miteinander zu verbinden,44 und deshalb sind unsere, von allen Gesellschaften der Geschichte, „les plus agressives et les plus conquérantes“.45 Die christliche pastorale Führung vertiefte im Laufe der Jahrhunderte im Abendland den Regierungsbegriff, der vom 16. Jahrhundert an eine politische und staatliche Bedeutung annahm, als der Begriff „regieren“ nicht mehr „befehlen“ oder „Gesetze vorschreiben“ bedeutete, sondern in seiner tatsächlichen Bedeutung „ernähren“ oder „für den Lebensunterhalt“ sorgen und in seiner moralischen Bedeutung „jemanden führen, ihn zur eigenen Verfügung haben“ aufgefasst wurde.46 Der Staat als juridisches Bild der Einheit verzeichnet somit eine Evolution, die die Entwicklung von peripheren Machttechniken nicht zentralisiert, sondern fördert. Diese Techniken wenden sich, mit kontinuierlichen und beständigen Methoden, immer mehr der Unterstützung, der Führung und dem Disziplinieren von einzelnen Leben zu, von den ersten Techniken der Polizeiwissenschaft bis zur Biopolitik. Eines der großen Probleme der abendländischen Kultur im Laufe dieser Evolution bestand darin, die Hermeneutik des Selbst, eine Technik, die auf das Opfer des Selbst ausgerichtet ist, wie es das frühe Christentum wollte, in die effektive Produktion eines positiven, theoretischen und praktischen Auftauchens des Selbst, in die Bildung der Wurzel eines positiven Selbst umzuwandeln, das wir heute den permanenten Anthropologismus des abendländischen Denkens nennen könnten.47 Die positive Aufgabe der modernen Regierungskunst besteht darin, konstitutive Elemente des Lebens der Individuen derart zu entwickeln, dass ihre Entwicklung auch die Staatsmacht stärkt.48 Die zwei Pole des Hirten und des Staatsmannes, die vom platonischen Mythos heraufbeschwört werden, scheinen also in der modernen Geschichte zu erstarren, sich voneinander zu trennen und sich von einem in den anderen substantivisch zu ergießen, das heißt sie assimilieren sich in einem einzigen kohärenten Prozess, wo der Staat individualisierend und zugleich totalisierend ist.49 Die Erzählung vom doppelten Weltumlauf des Politikos 44

Foucault, Omnes et singulatim, S. 147. Ebd., S. 139. 46 Foucault, Sécurité, territoire, population, S. 125. 47 Foucault, About the Beginning of the Hermeneutics of the Self, S. 222; meine Hervorh. 48 Foucault, Omnes et singulatim, S. 159. 49 Ebd., S. 161. 45

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entkräftet, von dieser Perspektive aus, die dynamische Spannung zwischen der Vereinzelung des Lebens und seiner Politisierung, um nur vom Zusammenfall der Gegensätze, der Identität des Staates und der Durchdrungenheit seiner vielfältigen und äußerst beweglichen peripheren Kontrolldispositive zu berichten. Aber wenn das Problem des Selbst im Laufe der Modernität zu dem geworden ist, ein positives Selbst oder eine positive Begründung des Selbst zu entdecken, hatte dies vielleicht auch die Entdeckung bedeutet, dass das Selbst die geschichtliche Wechselbeziehung der Technologie ist, die es geschichtlich betrachtet hervorgebracht hat. Das Problem wird also das sein, diese Technologien zu verändern. In diesem Fall wäre heutzutage, im engen Sinn des Wortes, die Politik von uns selbst eines der politischen Hauptprobleme.50 Unter der politischen Dimension einer geschichtlichen und theoretischen Analyse ist das zu verstehen, was mit dem zu tun hat, was wir akzeptieren, ablehnen und an uns und unseren Lebensbedingungen ändern wollen. Somit ist das politische Leben an eine kritische Arbeit geknüpft, die die kantische Tradition des „déracinement de l’Anthropologie“ und der Frage nach den Wahrheitsformen und unserer Öffnung dem Sein gegenüber wieder aufnimmt, das heißt eine Kritik, die sich nicht über die Bedingungen und die Grenzen der möglichen Erkenntnis des Gegenstandes befragt, sondern über die Bedingungen und die unendlichen Möglichkeiten, das Subjekt und sich selbst umzuwandeln.51 Es wird deutlich, was die Achse der Diskontinuität in Bezug auf die pastorale Figur und den Sinn der Vereinzelung zu sein scheint, und was, in Zusammenhang mit dem Thema der Sorge, die disziplinierenden Praktiken der monastischen Pastorale von den befreienden Praktiken der griechischen epimeleia trennt. An diese letzte, an die griechisch-hellenistische Welt, lehnt sich die Hypothese der neuen Ethik als „souci de soi“ und „esthétique de l’existence“ an. Eine Achse der Diskontinuität zwischen dem „souci de soi“ und der christlichen pastoralen Aufsicht, die die dynamische Spannung zwischen dem Hirten und dem Staatsmann, zwischen dem Leben des Einzelnen und dem Leben in Gemeinschaft, zwischen der Zeit des Kronos und der Zeit des Zeus zu öffnen weiß, das heißt die angestrebte Mitzugehörigkeit der Vereinzelung des Lebens und des Zusammenlebens, die das platonische Rätsel zu suggerieren schien. Welche sind also die Bedingungen, scheint sich Foucault zu fragen, aufgrund derer sich die Produktion des Einzelnen, aus der Zeit des Kronos, mit der Dimension des politischen Lebens der Stadt, aus der Zeit des Zeus, 50 Foucault, About the Beginning of the Hermeneutics of the Self, S. 222–223; meine Hervorh. 51 Foucault, Truth and Subjectivity, S. 6.

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neu artikulieren kann? In welcher Weise erlaubt die politische Praktik des Verbindens, des Webens, des Mitwirkens, in Eintracht und Freundschaft, an der Produktion der „Falten“ des „prunkvollsten“ und „des besten aller Stoffe“ die Sorge um den Einzelnen und die Valorisierung der Existenz des Einzelnen?52 Mit anderen Worten, was bedeutet es, sich nicht auf Einzelnes-Leben-sein zu beschränken, sondern auf politisches Leben werden? Die kantischen Themen der Lebenskunst und der Befragung über die Aktualität der Welt versuchen, in den letzten Schriften, auf diese Frage zu antworten. Die Rückkehr zu den Griechen ist der explizite Bezug für die Ausarbeitung der neuen Ethik, jener techne tou biou, die zum Vorwort der Lobrede auf das Symposion am Schluss von Usage des plaisir wird. Dort ist die Figur des Sokrates die Erfüllung der philosophischen Erotik, das Erscheinen des Dämons, der Verdoppelung der Liebenden und Bedingung der mehrfachen Öffnung gegenüber der Wahrheit.53 So geben die Kinder der Erde, wie im platonischen Mythos nach Aristophanes, der Zeugung durch Liebe nach und die antike Sorge um das Selbst wird zur Synthese von eros und polis. Die Hervorhebung des Einzelnen wird gefaltete Widerstandskraft und Erfahrung einer persönlichen und unübertragbaren Reflexivität, die der Darlegung eines Außen, aber auch der Kritik der Wahrheitssysteme und der Machtdispositive gegenüber offen ist. Die antike Sorge – die nicht mit der christlichen Pastorale und den modernen Anthropologien gleichgestellt werden kann – macht aus dem Einzelnen ein ethisches, politisches und philosophisches Leben. Die Krise der athenischen Demokratie findet so ihre Überwindung in einem politischen Feld, das durch die Indifferenz der sprechenden Subjekte oder durch ihre reale Gleichheit neu definiert wird. Eine Gleichheit, die mit der Vollkommenheit und der ethischen Differenzierung erarbeitet und erobert wird und die allein zur Gewähr einer guten Regierung werden kann.54 Die Foucault’sche Neubearbeitung der Sorge und der polis, der einzelnen Existenz und des Lebens in Gemeinschaft hat vielleicht den Vorzug, den platonischen Mythos der zwei Welten wieder ins Spiel zu bringen und für jeden die ungelöste Öffnung der Welt unter Kronos und der Welt unter Zeus auf sich zu nehmen und damit auch die schwierige ethisch-politische Dimension des Vereinzelungsprozesses. 52

Foucault, Omnes et singulatim, S. 143. Zum Thema der Erotik als Duplikation der Liebenden und der Liebesdimension der ethisch-politischen Gemeinschaft sei es mir erlaubt, auf Fimiani, Mariapaola zu verweisen: Le véritable amour et le souce commun du monde, in: Frédéric Gros (Hrsg.), Foucault. Le courage de la vérité, Paris 2002, S. 87–127. 54 Zum Urteil über die Krise der athenischen Demokratie und die Zentralität der „ethischen Differenzierung“ in der Neudefinition der Politik verweisen wir auf Foucault, Le courage de la vérité, Leçon du 8 février 1984. 53

Platon über Gott oder Götter1 Karl-Heinz Nusser Erfindet Platon die Ideenlehre, um den Wünschen und Sehnsüchten, die der religiösen Praxis der Griechen zugrunde lagen, zu entsprechen, oder liefert er den Entwurf eines richtigen Gottesbildes, mit dem falsche Vorstellungen von den Göttern korrigiert werden können? Nun, die zweite Hälfte der Alternative ist richtig, Platon entwickelt einen Maßstab, mit dem richtige von falschen Gottesbildern unterschieden werden können. Seine Philosophie ist Aufklärung, aber sie hat zu ihrem Gegenstand, zur Religion, ein freundschaftliches Verhältnis. Es lässt sich zeigen, genau an welchem Punkt Platon den griechischen Polytheismus kritisiert und für das ethischverantwortliche Leben des Menschen den Monotheismus voraussetzt. Dies hindert Platon jedoch nicht, einen ethisch bereinigten Polytheismus als Polisreligion mit einer entsprechenden Sanktionierung der Atheisten verpflichtend zu machen. Der moderne strenge Gegensatz von abrahamitisch und christlich verstandenem Monotheismus und landläufigem antikem Polytheismus ist für Platon nicht gültig. Platon verteidigt die griechische Polisreligion mit ihren vielen Göttern, um das Eindringen fremder Kulte abzuwehren. Die falschen Geschichten, die Hesiod und Homer von den Göttern erzählen, lehnt er jedoch ab. Platons Theorie der Ideen und des Guten, seine Thematisierung der geistigen Welt einschließlich der menschlichen Seele nimmt ihren Ausgangspunkt von der sokratischen Frage nach dem guten und gerechten Leben: Wie müssen wir unser Zusammenleben und unser eigenes Leben einrichten? Platons These ist es, dass ein geordnetes Zusammenleben in gerechten Institutionen im ureigensten Interesse des Menschen 1 Hilfreich zum Thema: Verdenius, W. J., Platons Gottesbegriff, in: Rose, Herbert J. (Hrsg.), La Notion du Divin depuis Homère jusqu’a Platon, Vandoeuvres-Genève 1952, S. 241–293. Pépin, Jean, Mythe et Allegorie, Les origines grecques et les contestations judeochrétiennes, Paris 1976. Mueller, Gustav E., Plato and the Gods, in: The philosophical review Nr. 45, 1936, S. 457–472. Solmsen, Friedrich, Plato’s Theology, Ithaca, N. Y. 1942. Jaeger, Werner, Die Theologie der frühen griechischen Denker, Stuttgart 1953. Burkert, Walter, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 1977.

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liegt. Seine Ideenlehre, die die Grundlage für seinen Gottesbegriff ist, fußt auf der Einsicht, dass die Welt kein diffuses Agglomerat völlig auseinanderstrebender Prozesse ist, sondern unseren Sinnbedürfnissen entgegenkommt. (1) Im ersten Abschnitt zeige ich, wie Platon durch die Ausarbeitung der Ideenlehre zu einem philosophischen Gottesbegriff gelangt. Darüber hinaus wird der Nous als unabhängig, in sich existierend und als Ursache der zeitlichen geordneten Bewegung der Welt gedacht. (2) Die Wirkung gerechten und guten Handelns ist nach Platon die Einheit und das Freundsein des Menschen mit sich, das Zusammenleben der Menschen in Frieden. Durch den moralischen Selbstbezug des Menschen wird ein Gottesbezug wirksam, die Verähnlichung des Menschen mit Gott. Vom platonischen praktisch-ethischen Begriff der Verähnlichung ist der neuplatonische (Plotin, Proklos) zu unterscheiden, der auf die theoretische Reflexionsform von Einheit und Vielheit zurückgeht und als Vergöttlichung des Menschen durch dessen Denken leicht missverstanden werden kann. (3) Von Platons philosophischem Gottesbegriff sind die Wirkungen Gottes, zu denen die griechischen Götter und Dämonen gehören, zu unterscheiden. Da die Götter und Dämonen auf ein göttliches Wirken zurückgehen, sind sie nicht, wie später bei Xenokrates, Verursacher des Unheils und des Schlechten für die Menschen. (4) Platons philosophische Polisreligion hat ihr Zentrum in der Vereinbarkeit von Frömmigkeit und Gerechtigkeit. Die Fürsorge der Gottheit für die Menschen und den Kosmos wird durch die platonischen Mythen, besonders in der Politeia und in den Nomoi, bekräftigt.

I. Das Fromme und das Gottgeliebte Im Dialog Eutyphron ist Sokrates auf dem Weg zum Gericht und trifft dabei den Priester Eutyphron, der ebenfalls auf dem Weg dorthin ist. Der Priester ist am Überlegen, ob der Gerechtigkeit oder der Pietät der Vorzug gebühre. Durch die Unachtsamkeit seines Vaters ist ein Tagelöhner zu Tode gekommen, sodass er meint, ihn anklagen zu müssen. Dem steht jedoch die Haltung der Pietät der traditionellen Frömmigkeit gegenüber, aus der heraus man den eigenen Vater nicht anklagen wird. Im Gespräch mit Eutyphron versucht Sokrates zu klären, ob das Fromme und das Gerechte im Widerspruch zueinander stehen können. Ist etwas nur deshalb gerecht, weil es die Götter wollen, sodass diese auch ebenso Ungerechtes wollen können? Und ebenso beim Frommen: Ist es nur deshalb fromm, weil es die Götter wollen, oder wollen es die Götter, weil es fromm ist. Eutyphron, der

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Vertreter der traditionellen polytheistischen Religion, kann diese Frage nicht lösen, wohl aber Sokrates, für den Gerechtigkeit und Frömmigkeit nicht im Gegensatz zueinander stehen können. Sokrates führt das Gespräch nicht unter der abrahamitischen und christlichen Fragestellung eines strengen Gegensatzes zwischen Polytheismus und Monotheismus: Für ihn ist klar, dass das Fromme und Gerechte nicht auf eine Mehrheitsentscheidung der Götter zurückgehen kann, weil es durch sich selbst fromm und gerecht ist (Euth. 9e). Aus der Einsicht der Ideenlehre folgt, dass das Göttliche nicht in sich vieldeutig sein kann. Eutyphron dagegen kann auf der Basis des traditionellen Götterglaubens nicht entscheiden, ob alle Götter über das Fromme und Unfromme gleicher Meinung sind (Euth. 15d5). Er erhält somit gerade aufgrund seines polytheistischen Götterglaubens keine Auskunft auf die ihn quälende Frage, ob er seinen Vater anklagen dürfe. Für den platonischen Sokrates ist es klar, dass das Fromme, das Gerechte durch sich selbst jeweils das sind, was sie sind, und dass das Göttliche dazu nicht in Widerspruch stehen kann. Das Fromme (t˛ Õsion) ist das Gottgeliebte (t˛ toÀò qeoÀò ðûlon) (Euth. 15c). Dies hindert ihn jedoch nicht, angefangen vom Frühdialog Euthyphron bis zum Spätwerk, den „Gesetzen“, an der griechischen Götterwelt festzuhalten, um den Einfluss fremder Kulte auszuschließen. Durch alle Dialoge hindurch zieht sich die auf der Ideenlehre beruhende Einsicht, dass das Gerechte und Gute durch sich selbst gut ist und dass das Göttliche, weil es selbst in höchstem Maße gut ist, nie ungerecht sein kann. Im Theaitet heißt es: „Gott ist nie und nimmer ungerecht, sondern so gerecht wie nur irgend möglich“ (Theait. 176b10–c1), und im Timaios ist der weltschaffende Demiurg voller Güte, „weshalb es niemals und nirgends einen Grund zum Neid“ gebe (Tim. 29e1). Das freundschaftliche platonische Verhältnis zur Religion begründet sich jedoch nicht aus dem spezifischen Kontext des Kultus,2 sondern aus dem Bereich des Alltags und der Lebensführung des Menschen. Jeder weiß aus Erfahrung, was ein gutes Produkt ist, z. B. ein Paar Schuhe, und ebenso kann ein jeder aus der Erfahrung wissen, was ein gutes bzw. schlechtes und verbrecherisches Handeln ist. Die Einführung erkenntnis- und handlungsermöglichender Strukturen, die mit der Ideenlehre geschieht, erfasst das menschliche In-der-Welt-sein. Das naturhafte Selbsterhaltungsstreben des Menschen, in dem wir uns spontan vorfinden, ist immer schon überlagert von einem Wissen um das Richtige und Gute, das sich nicht mit dem deckt, was wir spontan wollen. Falls der Mensch nach dem Guten, nach der Arete strebt und sich um das Wichtigste in seinem Leben, um seine Seele sorgt, 2 Anders dagegen mit empiristischer Verkennung der Ideenlehre, Morgan, Michael, Platonic Piety. Philosophy and ritual in fourth-century Athens, New Haven/ London 1990; ferner: ders., Plato and Greek religion, in: Richard Crowd (Hrsg.), The Cambridge Companion to Plato, Cambridge 1992, S. 227–247.

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zeigt sich ihm das Gute als etwas Erfüllendes, als etwas Letztes, das nicht allein naturhaft ist. Durch die Erkenntnis der dem Menschen möglichen moralischen Erfahrungen, mit denen er nicht ausschließlich den spontanen Impulsen der Natur unterworfen ist, können auch die über den Menschen stehenden Götter nicht mehr als reine, wenn auch gewaltige Naturkräfte gedacht werden. Die bisherigen Theorien, dass die Götter Naturkräfte sind, wie bei Thales und Hesiod, und die ganze Welt voll von Göttern ist, oder dass die Götter von Interessengegensätzen geleitet werden, von denen Homers Ilias spricht, werden von Platon einer Kritik unterzogen (Pol. 377d4–379b1). Anders als der Sophist Protagoras hält es Platon für unabdingbar, nach den Göttern zu fragen, um zu wissen, was sie sind. Nur wenn wir wissen, was die Götter sind, können wir auch etwas über die Möglichkeiten und Grenzen des Menschen sagen. Um seine eigene Philosophie anschaulich zu machen, greift Platon z. B. im Dialog Politikos zur Gestaltung seines eigenen logoshaften Mythos auf die Abstammungsmythen der Götter von Hesiod zurück, kritisiert jedoch grundsätzlich, z. B. in der Politeia und in den Nomoi, dass Gott bzw. den Göttern ein unmoralisches Verhalten unterstellt werde. Vor allem korrigiert Platon die ionischen Naturphilosophen, bei denen die Welt nur aus verschiedenartigen Aggregationszuständen der einen zugrunde liegenden Materie, sei diese nun Wasser, Luft oder das Unbegrenzte, bestand. Nach Platon ist die Welt dagegen nicht nur durch akzidentelle Veränderungen eines zugrunde liegenden Substrats zu verstehen.3 In der ganzen Natur herrscht Vernunft (nous), Schönheit (kosmos) und Ordnung (taxis), die nur als gerichtete Bewegung zu verstehen sind. Die Richtung der Bewegung geht auf die den Dingen zugrunde liegenden Ideen zurück, deren Ursprung das Gute oder Gott ist. Die Bewegtheit der Ideen indes hängt mit dem göttlichen Werkmeister – dem Gott des Timaios – zusammen. Dieser blickt auf die Ideen und bewegt sie im materiellen Anderssein. In den olympischen Göttern der Griechen spiegelt sich die Auffassung des ionischen Naturbegriffs, so wenn der Blitz als Wirkung des Zeus oder der Sturm als Wirkung des Poseidon interpretiert wird. Platon sieht, dass die Wirkungen der Natur gerichtete Bewegungen sind und deshalb das Sein und das Gute als Grund und Ziel der Bewegung voraussetzen. Eben dies ist für Platon das Eine, der Nous, oder der Gott.4 Gott als Prinzip ist der Inbegriff vollkommenen Seins, vollkommener Güte und vollkommenen Wirkens. In abgeleiteter Weise nennt Platon die vom göttlichen weltschaffenden 3 Vgl. dazu Spaemann, Robert/Löw, Reinhard, Die Frage Wozu?, Stuttgart 1981, S. 27–49. 4 Hierzu die klärende Interpretation von Hackforth, Reginald, Plato’s Theism (1936), in: R. E. Allen (Hrsg.), Studies in Plato’s Metaphysics, London/New York 1963, S. 439–447.

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Wirken eingesetzten Mittel, nämlich die „Weltseele“ und die „Gestirnseelen“, „Götter und Dämonen“. Sie sind als Mitkämpfer des Menschen zu verstehen, der sich seinerseits an der Besonnenheit und dem Verstand der beseelten Fähigkeiten dieser Götter orientieren kann (Nomoi 906a7–b5). Von einer Gottheit in einem abgeleiteten Sinne sprechen die Nomoi von der Seele (Nomoi 898a9). Die Seele als Grund der Bewegung von den Gestirnen und dem Mond ist der Anlass, in einem abgeleiteten Sinne von „Göttern“ zu sprechen (Nomoi 899b6), oder davon, dass die Welt „voll von Göttern“ ist (Nomoi 899b7f). In noch weiter abgeleiteter Weise werden bestimmte Handlungsweisen oder Erkenntnisse des Menschen göttlich genannt, so z. B. wenn sich die beiden Brüder Platons, Glaukon und Adeimantos, im Dialog Politeia nicht durch den Reiz einer konsistenten Theorie der Ungerechtigkeit verführen lassen, sondern aus Scham darauf verzichten. Sokrates nennt ihre Gesinnung göttlich (Politeia 368a5–64). Während die griechischen Göttinnen und Götter alle Namen haben, entspricht es der Einzigkeit Gottes, dass er keinen hat, weil es keinen zweiten neben ihm gibt, von dem er zu unterscheiden wäre. Dieser Einzigkeit Gottes entspricht seine völlige Unzugänglichkeit. In der Politeia erklärt Platon, dass man das Gute selbst nicht inhaltlich thematisieren könne. Im Sonnengleichnis geht es deshalb um den „Sprössling“ desselben (Politeia 508c12). In den Nomoi wird uns gesagt, dass wir die Vernunft niemals mit sterblichen Augen sehen und hinreichend erkennen können. Wir blicken nur auf ein Bild des Erfragten (Nomoi 897 d8). Gott als Struktur ist der Inbegriff vollkommenen Seins, er ist der Ursprung für das dem Menschen mögliche Gute und die Ordnung des Universums. Dies soll mit einigen Stellen aus den Dialogen Gorgias, Politeia, Timaios und Nomoi belegt werden. Im Sonnengleichnis und im Höhlengleichnis der Politeia führt Platon die Formen (Eide) auf die einzige Idee des Guten (Politeia 507b5–7) zurück. Die Wahrheit des Erkannten und des Erkennenden ist die Idee des Guten (Politeia 508e1–3). Das Erkannte verdankt dem Guten auch sein Dasein und sein Wesen (Politeia 509b5–7). Das Gute ist als Prinzip zu denken, durch das jedes Ding seine spezifische Struktur hat, innerhalb deren es zum Guten strebt (Gorgias 506d), und durch das es seinen angemessenen Platz im Ganzen der Welt hat (Phaidon 99c). Innerhalb der kosmischen Ordnung werden, wie es im Gorgias heißt: „Himmel und Erde, Götter und Menschen durch die Gemeinschaft und die Freundschaft, durch Ordnung, Besonnenheit und Gerechtigkeit zusammengehalten“ (Gorgias 508a). Die Erkenntnis des Gerechten ist ein Beispiel, durch das uns klar werden kann, dass wir uns beim Erkennen in einen absoluten Horizont hineinbewegen. Wenn wir das Handeln des Sokrates als gerecht erkannt haben, kann

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uns kein menschlicher Gerichtshof, keine noch so große abweichende Mehrheit vom Gegenteil überzeugen. Das Gerechte als Idee „gleicht dem Licht“, wie Rüdiger Bittner formuliert, „in das wir die Dinge halten“, um sie auf recht und unrecht zu überprüfen, und es mit „Gottes Blick auf sie identifizieren“.5 Die Ideen (Eide) sind Strukturen, die die Dinge besitzen müssen, damit sie Objekt des Wissens werden können, weil eine völlig diffuse, ständig verfließende Materie keine Erkenntnis ermöglichen würde. Damit die Strukturen dynamisch auf die Verwirklichung ihres Wesens hinstreben, bedarf es des Prinzips des Guten und der Beseelung, wie es im Sophistes heißt: Das vollkommen Seiende (pantel`áò o˙n) muss Bewegung, Leben, Seele und Vernunft haben (Soph. 248e–249b). Diese Grundkraft des Alls geht auf den göttlichen Werkmeister zurück, wie gleich anhand des Timaios gezeigt wird. Neben dem Guten, dem alle Dinge ihre eigene Struktur und Wesenheit verdanken, spricht Platon jedoch auch von der Ursächlichkeit Gottes in Bezug auf die Strukturen, auf die Eide. Das Gute als der Grund der Eide, der trotzdem von ihnen verschieden ist, entspricht demselben Ursachenverhältnis, das Gott gegenüber den Ideen hat, von dem Platon im X. Buch der Politeia spricht. Dort entwickelt Platon eine Rangfolge des Herstellens, bei der Gott als oberste Ursache jedes Eidos gesetzt wird (Politeia 597b5), die das Maß für das menschliche Machen ist. Die Idee des Stuhles wird von Gott verursacht. Sie ist das Maß für die Arbeit des Schreiners (Politeia 597a). Der Schreiner kann nur ein Abbild des Stuhles schaffen. In noch größerer Entfernung zum Eidos des Stuhles befindet sich der Maler, der ihn malt (596e, 597a). Er macht etwas, das dem Seienden nur gleicht, es aber nicht ist. Das Eidos des Stuhles ist in sich einfach und schlechthin vollkommen. Ein zweites Eidos Stuhl ist nicht möglich, weil das Eidos Stuhl es selbst ist (vgl. Politeia 597c7). Die Vollkommenheit und Gutheit des Stuhles weist auf Gott als den Hersteller der Idee des Stuhles zurück. Das Beispiel des Stuhles steht sowohl für jedes Produkt der Techne als auch für alle seienden Eide. Sie alle weisen auf Gott als letzte Quelle ihrer Gutheit zurück. Es wäre recht sonderbar, wie Karl Bärthlein hervorhebt, wenn Platon unbedeutende abgeleitete Ideen von Gott erzeugt sein ließe, nicht aber den Zusammenhang aller Ideen bzw. die Idee schlechthin.6 Die 5 Bittner, Rüdiger, Pathos der Gerechtigkeit. Beobachtungen zu „The Book of Daniel“ von E. L. Doctorow, in: Susanne Kaul/Rüdiger Bittner (Hrsg.), Fiktionen der Gerechtigkeit, Baden-Baden 2005, S. 79. 6 Bärthlein, Karl, Der Analogiebegriff bei den griechischen Mathematikern und bei Platon, Würzburg 1996, S. 152.

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Aussagen der Dialoge Politeia und Timaios, die Idee als zielgerichtete Struktur und als zeitlich ablaufende Bewegung, werden im Spätdialog Sophistes einander zugeordnet; dort heißt es, dass Bewegung und Ruhe „beide und jedes für sich in gleicher Weise Sein haben“ (Soph. 249a). Ruhe steht für die Idee als Struktur und Bewegung für die bewegte Struktur, wie wir sie aus dem Schaffen des göttlichen Werkmeisters im Dialog Timaios kennen.7 Der Baumeister und Bildner des Weltalls greift bei seinem Werk auf das Muster des Unwandelbaren und ewig Gleichen zurück (Tim. 29a3). Das Weltall ist schön geraten und von einem guten Werkmeister gebildet (Tim 29a2–3). Indem der göttliche Werkmeister beim Schaffen auf das Ewige blickt, schaut er auf die Eide, die unter formalem Gesichtspunkt ebenfalls von ihm hervorgebracht werden, wie wir im X. Buch der Politeia gesehen haben. Im Gegensatz zur Politeia werden andere Göttergeschichten der griechischen Tradition nicht schroff abgelehnt. Platon räumt seiner Darstellung dieselbe Wahrscheinlichkeit ein, wie sie andere bereits vorhandene Deutungen haben (Tim 29b7–d2). Diese Offenheit gegenüber der griechischen Tradition ist wohl auch geboten, wenn man sich nicht wie Sokrates den Vorwurf zuziehen will, man erfinde falsche Götter. Der schroffe Gegensatz zu Hesiod kehrt jedoch wieder, wenn Platon darlegt, dass der Werkmeister „voller Güte“ war, weshalb es niemals und nirgends einen Grund zum Neid gebe (Tim 29e1). Der Werkmeister Platons unterscheidet sich vom christlichen Begriff des Schöpfergottes darin, dass dieser aus dem Nichts schafft, während Platons Gott die Materie voraussetzen muss.

II. Die Folgen des göttlichen Gutseins für den Menschen Das Fundament des philosophischen Zugangs zur Religion liegt in der dem Menschen durch das gute Handeln möglichen Erfahrung, dass das Fromme das Gottgeliebte ist. Nach Platon gibt es zwei Zugangsweisen zur Haltung Gottes gegenüber dem Menschen. (1) Durch das ethische Handeln nähert sich der Mensch Gott an. (2) Die Lebenswahl des Menschen (kratûsth aÔresiò, Politeia 618e). (1) Im Unterschied zum späteren Neuplatonismus muss die Annäherung an Gott nach Platons Auffassung ausschließlich durch tugendhaftes Handeln erreicht werden. Am deutlichsten wird der Angelpunkt der Moral in der Politeia ausgedrückt: „Mag also der gerechte Mann in Armut leben oder in Krankheit [. . .] so müssen wir dennoch annehmen, dass ihm das zum Guten 7 Eine Weiterentwicklung der Idee als Struktur und Bewegung erfährt Platons Lehre durch die Wahrheitstheorie von Augustinus und dessen Trinitätslehre.

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ausschlägt, im Leben oder auch nach dem Tode. Denn niemals werden die Götter den im Stich lassen, der sich bemühen will gerecht zu sein und in der Ausübung der Tüchtigkeit gottähnlich zu werden (þmoiouμsqai qe`á) soweit das einem Menschen möglich ist“ (Polit. 613a4–b1). Das Gottesverhältnis wird bei Platon primär über das moralische Handeln erreicht. Im Theaitet heißt es: „Die Flucht [ins wahrhafte Leben der Götter und seligen Menschen, K.-H. N.] besteht darin, Gott möglichst ähnlich zu werden“ (þmoûwsiò qe`á) heißt, in einsichtiger Weise gerecht und fromm zu werden (Theait. 176b1–2). Etwas später sagt der platonische Sokrates: „Gott ist nie und nimmermehr ungerecht, sondern so gerecht wie nur irgend möglich, und keiner wird ihm ähnlicher als wer von uns möglichst gerecht wird“ (Theait. 197b9–c3). Platons Zugang zu Gott erinnert an die Aufforderung Jesu: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Matth. 5,48). (2) Durch die Lebenswahl des Menschen, von Platon auch als höchste Wahl bezeichnet (kratûsth aÔresiò, Pol 618e), ist der Mensch in der Lage, seinen Platz in der von Menschen unabhängigen Gerechtigkeitsordnung selbst zu bestimmen. Dass die Freiheit zum Guten der Wurzelgrund des Menschen ist, wird von Platon im Mythos von der vorgeburtlichen Existenz der Seele (Politeia 614b–621e) vorgestellt. Vor ihrer Wiederverkörperung erhalten die Seelen die Möglichkeit, ihr zukünftiges Leben durch die Wahl eines Lebensumrisses vorherzubestimmen. Tiere und Menschen der verschiedensten Art treten maskenhaft verschleiert auf. Dabei haben Existenzen, die sich später als schlecht herausstellen werden, einen besonders verführerischen Schein. Unter den glänzenden Larven, die gewählt werden können, verbergen sich bedeutende Menschen mit großer Herkunft, unscheinbare Privatleute, aber auch Gesunde und Kranke, Begabte und Unbegabte in allen erdenklichen Kombinationen. Eine Seele, die durch ihr vorausgehendes Leben nicht genügend geläutert ist, gerät in Gefahr, auf den äußeren Glanz einer Erscheinung hereinzufallen, und wählt infolgedessen in unbedachtsamer Weise das Leben eines grässlichen Tyrannen. Die Wahl des Lebens mit allen damit zusammenhängenden guten oder schlechten Folgen hängt einzig und allein vom Wählenden ab: „Die Tüchtigkeit [arete] ist keinem Herrn eigen; je nachdem ein jeder sie ehrt oder gering achtet erhält er mehr oder weniger von ihr. Schuld hat, wer gewählt hat; Gott ist schuldlos“ (qeo½ò ÷naûtioò) (Politeia 617e3–5).8 Mit der Annahme der Gleichheit der moralischen Lebenschancen unter den Menschen schließt Platon kontingente Faktoren wie den Einfluss Un8 Zur anthropologischen Bedeutung des platonischen Mythos vgl. Kuhn, Helmut, Plato über den Menschen, in: Heinrich Rombach (Hrsg.), Die Frage nach dem Menschen, Freiburg 1966, S. 284–310.

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heil bringender Dämonen auf die Selbstbestimmung des Menschen aus. Der Entstehungsmythos des Menschen liefert eine letzte Bestätigung dafür, dass die Götter den Menschen wohlwollen und jedem die Chancen eröffnen, sich ihnen über das moralische Handeln zu nähern. Dass Platon im Mythos der höchsten Wahl den traditionellen griechischen Göttern keine zentralen Aufgaben des Richtens überträgt, bedeutet, dass er die Aufklärung über das von Gott Verfügte nicht mit traditionellen Bildern verunklaren will.

III. Platons politische Religion Bei Platon ist die durch das ethische Gutsein vollzogene Annäherung an Gott der eigentliche Unterschied zur aristotelischen Theoria und zur neuplatonischen Einheitsreflexion. Es liegt auf dieser Linie bei Platon, dass die Götter in seinen Mythen als Hirten der Menschen auftreten (Politikos 271e, Kritias 109b), die sich um das Kleine (die Menschen) und das Große (das Weltall) sorgen (Nomoi 900). Dazu bedienen sie sich verschiedener Hilfsmittel. Der göttliche Werkmeister stößt die Strukturen und Ideen nicht nur von außen an, er pflanzt ihnen auch eine Seele ein, die die Ursache von allem heißt (Nomoi 875cd) und „alles im Himmel und auf Erden leitet“ (Nomoi 896d–7b). Diese wird auch „das Ursprünglichste und Göttlichste von allem“ genannt, das „das ewig fließende Sein“ hervorbrachte (Nomoi 966e). Die Gestirnseele ist eine gerichtete Bewegung, ein aktives Prinzip, das auf das Eine und Gute geht. Durch die Eigenständigkeit der Ethik bei Aristoteles wird der philosophische Gottesbezug in seiner Ethik theoretisch. Das Schöne und Göttliche soll in der Theoria rein theoretisch, losgelöst vom Praktischen erkannt werden. Die Erkenntnis des „Göttlichsten in uns“ (ýu êmiμn qeiütaton) ist die vollendete Glückseligkeit (ê teleûa eždaimonûa) (EN 1177a17–19). Der Geist (noÎò), der bei Platon als Phronesis wesentlich mit der Erfassung des Guten zu tun hat, wird bei Aristoteles zum „Besten in uns“ (þ noÎò tán ýn êmiμn) (EN 1177a21). Da die Theoria als vorzüglichste Tätigkeit theoretisch ist, verbleibt die Mahnung an uns, nicht nur Sterbliches zu denken, sondern uns zu bemühen, unsterblich zu sein (÷qanatûzein) (EN 1177b34) im Bereich der Reflexion. Diese aristotelische Verkürzung der platonischen Ethik finden wir auch bei Plotin und Proklos wieder. Das Göttlichwerden des Menschen ist bei Proklos „der abstrahierende Rückgang des Denkens in sich selbst“.9 Der Teilhabecharakter des mensch-

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Vgl. dazu: Baierwaltes, Werner, Proklos, Frankfurt 1979, S. 297.

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lichen Erkennens am Licht und am Einen ermöglicht durch Steigerung ein Übergehen des Menschen in das Göttliche.10 Im Unterschied zur Lichtmetaphorik bei Proklos vermag das Gute als Grund und Ziel des Handelns bei Platon die Transzendenz Gottes unmissverständlich auszudrücken. Der endliche, von Übeln allzeit bedrohte Mensch bedarf der Hilfe der Götter in seinem Leben ebenso wie auch die Polis deren Hilfe bedarf. Moralisches Handeln beruht auf der in Gott begründeten Vereinbarkeit von Frömmigkeit und Gerechtigkeit. Frömmigkeit aber war nur im Rahmen der griechischen Polis-Religion möglich. So führte die philosophische Einsicht in die Vereinbarkeit von Frömmigkeit und Gerechtigkeit bei Platon im Spätwerk zum Entwurf einer gerechten Verfassung für die Polis und zur Behauptung der Heiligkeit der Gesetze. Bereits der relativ frühe Dialog Gorgias hatte mit einer Verteidigung des richtig verstandenen Nomos und dem Gehorsam gegen die religiösen Traditionen der Polis geendet. Das partikulare Recht des Individuums, das sich in den Argumenten des Sophisten Kallikles zu einem absoluten steigert, ist nicht widerspruchsfrei als „Recht des Stärkeren“ begründbar. Platon hat das Verhältnis von Gott und Göttern nur so weit reflektiert, wie es als Voraussetzung des guten Handelns des Menschen nötig war. Die vielen Mythen und Allegorien kann der platonische Sokrates ohne weiteres für wahr halten, weil es nicht darauf ankommt zu wissen, ob z. B. Pharmakeia von dem Gott Boreas geraubt worden sei und wie es sich mit den Hippokentauren verhalte. Viel mehr als um solche Sagen müsse sich Sokrates mühen, gemäß der Inschrift von Delphi sich selbst zu erkennen (Phaidros 229c–230a). Zentral für die philosophische Polis-Religion Platons ist die Zurückweisung der Behauptung des unmoralischen Verhaltens der Götter bei Homer und Hesiod. Da das Wohl des ganzen Kosmos der Maßstab allen Werdens ist (Nomoi 903c3) und die Gottheit „am weisesten ist und den Willen und das Vermögen zur Fürsorge“ für den Menschen und den Kosmos hat (Nomoi 902e8–903a1), ist der Vorwurf Einzelner, ihnen geschehe durch Menschen oder Götter Unrecht, letzten Endes ein perspektivisch bedingter Irrtum, weil niemand den ganzen Ablauf einschließlich der Wiederverkörperung zu überblicken in der Lage sei. Sowohl der Mythos am Ende der Politeia als auch der Mythos im 10. Buch der Nomoi zeigen, dass die gute oder schlechte Wahl des Lebens ganz auf den Einzelnen zurückgeht und dass das Unheil nicht die Schuld der Götter ist.11

10 Beierwaltes verweist auf die Selbsterkenntnis des noflò in der menschlichen Seele: „Diesen Akt (des einfachen Hinblickens, K.-H. N.) vermag die Seele durch ständige Einübung in das Selbstdenken und Selbsterkennen des noflò zu vollziehen, der das Intelligible nicht nur erblickt, sondern es selbst ist.“ Ebd., S. 305.

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Nur der Gott hat den Gesamtverlauf der Seelen im Blick und nicht der einzelne Mensch, der endlich ist und infolgedessen eine begrenzte Perspektive hat. Gleichwohl bleibt die bereits oben erwähnte Spannung im platonischen Gottesbegriff bestehen. Das aus dem Dialog Sophistes bekannte logische Verhältnis von Ruhe und Bewegung, mit dem oben der Gott der Ideen und göttliche Werkmeister aufeinander bezogen wurden, hat seine Grenze in der Materie, die der göttliche Werkmeister für sich voraussetzen muss. Der Gott als Grund der Ideen und des Guten und der göttliche Werkmeister sind letzten Endes zwei Wirkprinzipien bzw. Personen. Diese immanente Spannung ist Platon nicht aufgefallen. Seine Hauptsorge gilt der Erneuerung und Erhaltung der griechischen Polis. Diesem Ziel diente eine von ihren Hauptwidersprüchen gereinigte griechische Polis-Religion, in der Frömmigkeit und Gerechtigkeit vereinbar waren und eine unbefangene religiöse Praxis ermöglichten. Durch die platonische Religionskritik wird klar, dass eine moralische Einsicht, die in sich absolute Geltung hat, z. B. die Treue gegenüber der geliebten Frau einzuhalten, auch für die Götter gilt. Das für den Priester im Euthyphron existierende Gegensatz-Verhältnis von Gerechtigkeit und Frömmigkeit lässt sich auflösen, weil die Gerechtigkeit auch für Gott selbst die Regel darstellt. Gott steht nicht außerhalb der Gerechtigkeit, weil er als das den Kosmos und den Menschen Ordnende selbst das Gerechte ist. Wenn der Gott das Gerechte ist, können auch die traditionellen griechischen Götter nur in diesem Licht verehrt werden, dass sie das Gerechte und Gute unter verschiedenen Bildern darstellen. Die oben angesprochene Differenz zwischen dem Gott der Ideen und dem göttlichen Werkmeister bleibt latent. Im Vordergrund steht der gereinigte Polytheismus als richtige Meinung für den Kult der Bürger. Der über die Vereinbarkeit von Gerechtigkeit und Frömmigkeit aufgefundene Gottesbegriff erfüllt gleichzeitig die Aufgabe, den sophistischen Agnostizismus zu widerlegen.

11 Ausführlich dazu: Pietsch, Christian, Mythos als konkretisierter Logos. Platons Verwendung des Mythos am Beispiel von Nomoi X, in: Markus Janka/Christian Schäfer, Platon als Mythologe, Darmstadt 2002, S. 99–114.

Der platonische Staatsmann und seine Wiederbelebung im amerikanischen Neokonservatismus Barbara Zehnpfennig

I. Ein aktuelles Dilemma Das Personale in der Politik hat gegenwärtig keine Konjunktur; jedenfalls lehrt das ein Blick in die Wissenschaft von der Politik. Systemtheorie, pluralistische Demokratietheorie, Neoinstitutionalismus und vieles andere mehr sind Konzeptionen, die das politische Geschehen institutionell oder prozedural erklären, ohne dabei dem einzelnen, dem politisch Entscheidenden, eine herausgehobene Bedeutung zuzubilligen. Selbst ein Ansatz, der sich „akteurszentrierter Institutionalismus“1 nennt, hat keineswegs das personale Element im Blick, wenn er das Wirken der politischen Akteure analysiert. Das, was den Menschen antreibt, seine leitenden Maximen, Intentionen, Ideale, ist nur insofern von Interesse, als es sich spieltheoretisch oder auf ähnliche Weise fassen läßt. Im allgemeinen ist es die Nutzenmaximierung, welche als Urgrund des Handelns angenommen wird, und so reduziert sich Individualität auf das Kalkül, den je eigenen Nutzen zu optimieren. Zu diesem Bild des politisch Handelnden in der Politikwissenschaft liefert das von den Medien vermittelte einen merkwürdigen Kontrast. Hier scheint nun alles auf die Person anzukommen: Biographische Eigenheiten, individuelle Parteisozialisation, prägende Erfahrungen innerhalb und außerhalb der Politik werden aufgeboten, um das Verhalten der politisch entscheidenden Menschen verstehbar zu machen. Sachzwänge, Rahmenbedingungen, systemische Zusammenhänge spielen in dieser Form der Erklärung nur eine geringe Rolle, und so scheint das, was in der Politikwissenschaft vernachlässigt wird, durch Überbetonung in den Medien auch überkompensiert zu werden. Vereinseitigung liegt offenbar in beiden Fällen vor, verständlich aufgrund der jeweiligen Bedingungen des Arbeitens: Die Wissenschaft, der es doch um das Allgemeine gehen muß, tut sich schwer mit dem Individuellen. Der Journalismus, der ganz von dem Aktuellen, Besonderen, Unvergleichlichen lebt, tut sich schwer mit dem Allgemeinen. 1 s. das Buch: Scharpf, Fritz, Interaktionsformen. Akteurszentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, Opladen 2000.

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Daß das Wahre das Ganze ist, sich die jeweiligen Defizite also einfach durch eine Kombination der Stärken beider Seiten beheben ließen, ist allerdings äußerst unwahrscheinlich. Das vom Journalismus aufbereitete Menschlich-Allzumenschliche kann dem an einem ernsthaften Verständnis des Politischen Interessierten nicht genügen. Auf der anderen Seite ist die von der Wissenschaft analysierte, aber nicht auf ihre menschlichen Grundlagen hin befragte Funktionslogik des Politischen bereits in sich problematisch und somit nicht durch einfache Ergänzung ihrer Schwierigkeiten zu entheben. In politischer Analyse und medialer Berichterstattung scheinen Mängel auf, die sich offenbar nicht einfach beseitigen lassen, die als Mängel aber kaum zu leugnen sind. Denn Politikwissenschaft und Medien lassen die eine Welt der Politik als zwei Welten erscheinen, die kaum etwas miteinander zu tun haben. Wie konnte es zu einer solchen Entpersonalisierung der Politik in der Wissenschaft und Individualisierung der Politik im Journalismus kommen? Möglicherweise handelt es sich hier um Phänomene, die, obwohl gegenläufig, doch Folgen einer Entwicklung sind, nämlich der zunehmenden Etablierung des demokratischen Bewußtseins und Lebensstils. Die Demokratie, das wurde seit der Antike so gesehen,2 war aber auch der Moderne bewußt,3 ist eine Regierungsform, in der Gleichheit und Freiheit die entscheidenden, wenn auch nicht unbedingt miteinander versöhnten Werte darstellen. In einer Gesellschaft der Gleichen ist es nur konsequent, daß das personale Element an Bedeutung verliert. Schließlich ist es demokratisches Credo, daß potentiell jedem der Weg zu den Schaltstellen der Macht offenstehen müsse; die Risiken einer nicht mehr ständisch strukturierten und somit insgesamt sehr volatilen Gesellschaft sowie des damit verbundenen Wechsels der politischen Eliten werden durch institutionelle Vorkehrungen gemindert. Die Rolle der Person übernimmt zunehmend die Institution. Diese Situation spiegelt die Politikwissenschaft wider. Der zweite demokratische Grundwert, die Freiheit, führt zu einer beständigen Aufwertung der Ergebnisse freier Selbstentfaltung, nämlich der Ausbildung individueller Eigenheiten und Verhaltensweisen. Diese lassen sich in ihrer Besonderheit kaum mehr wissenschaftlich fassen – man müßte hier auf Typologien zurückgreifen, die das je einzelne doch wieder in irgendeiner Weise einem Allgemeinen subsumierte. Als je einzelnes steht es nur für sich, und so wird es in den Medien auch reproduziert. Das Bunte, Abwechslungsreiche, auf das die Medien sich eingeschworen haben, liegt gerade in dem nie Gleichen individueller Selbstrepräsentation. Auf diese 2

Vgl. Platon, Politeia, 555b–562a; Aristoteles, Politik, 1280a. Man denke z. B. an Tocquevilles Analyse der amerikanischen Demokratie (Tocqueville, Alexis de, Über die Demokratie in Amerika, Zürich o. J.). 3

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Weise wird sogar die Politik Teil der Unterhaltungsindustrie – graduell natürlich verschieden je nach Niveau des Mediums, doch tendenziell auf alle Medien übergreifend, die sich auf dem Markt behaupten wollen. In zwei Welten zerrissen stellt sich das Politische in der Gegenwart also dar, und wenn die Ursache, wie vermutet, in den miteinander konfligierenden demokratischen Prinzipien der Freiheit und Gleichheit liegt, handelt es sich um eine systemisch bedingte Problematik. Die herausragende politische Persönlichkeit muß dem auf Egalität bedachten demokratischen Bewußtsein suspekt sein; andererseits ist eine auf freier Entfaltung beruhende Individualität, die nichts weiter repräsentiert als sich selbst, etwas Beliebiges und politisch deshalb kaum brauchbar. Eine andere Ausformung der Freiheit als eine in ihrer Besonderheit beliebige ist aber mit dem Gleichheitsgedanken schwer vereinbar. Denn wenn die Betätigung der Freiheit substantielle Unterschiede zwischen den Menschen zutage förderte, so müßten diese sich hierarchisch auswirken, und zwar in einer Hierarchie, die nicht wie in der Demokratie nur eine auf Zeit und somit stets unter Vorbehalt stehende wäre. Das Dilemma ist auf dieser Ebene kaum lösbar, und es handelt sich ganz offensichtlich um ein Dilemma, das nicht nur die – wissenschaftliche und mediale – Widerspiegelung der Realität betrifft, sondern die Realität selbst. Die Erwartung, institutionelle Vorkehrungen könnten personale Verantwortung ersetzen, erscheint trügerisch, denn Institutionen werden nur durch Menschen mit Leben erfüllt. Deren Einstellungen entscheiden darüber, ob und in welcher Weise eine Institution funktioniert. Zudem tendieren Institutionen dazu – das hat die Systemtheorie gezeigt –4, in ihren eigenen Strukturen zu erstarren oder sich zunehmend mit selbsterzeugten Problemen zu befassen. Wenn, wie gegenwärtig in Deutschland, große Reformen nötig sind – wer setzt sie, unter Einsatz des Gewichts seiner Person und in Überwindung der erstarrten Strukturen, mit Entschlossenheit in Gang? Das NurIndividuelle, welches Ergebnis einer bloß durch äußere Schranken definierten Freiheit ist, reicht hier nicht aus. Der Politiker, der sich im Blick auf das Not-Tuende und mit der Bereitschaft, alle Konsequenzen zu tragen, dem Zeitgeist widersetzt, muß Person im eigentlichen Sinne sein: ein Mensch, der auf individuelle Weise das Allgemeine verwirklicht. Das ist der „Politikos“, der „Staatsmann“, und es ist zu fragen, ob es sich bei dieser Figur aufgrund ihrer antiken Herkunft5 um ein vormodernes, insofern für die Gegenwart nicht mehr relevantes Ideal handelt oder ob auch eine Regierungsform wie die Demokratie im Grunde eines Politikertypus 4

Vgl. Luhmann, Niklas, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a. M. 1984. 5 Das Urbild des „Politikos“ findet sich in Platons gleichnamigem Dialog, der im folgenden kurz dargestellt werden soll.

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bedürfte, der diesem Ideal zumindest nahekommt. Wohlgelitten ist eine solche Vorstellung sicher nicht, denn die Sehnsucht nach der „großen Persönlichkeit“ in der Politik steht unter Ideologieverdacht und ist weder mit liberalem noch mit linkem Gedankengut vereinbar. Am ehesten ließe es sich noch mit konservativem Denken verbinden, und hier führt die Suche, schon in Ermangelung eines theoretisch ernst zu nehmenden Konservativismus in Deutschland, zu den amerikanischen Neokonservativen. „Statesmanship“ ist ein Thema im neokonservativen Lager der USA, ein Thema, das sicherlich aufgrund der Präsidialdemokratie in den Vereinigten Staaten näherliegt als in Deutschland. Doch das dürfte nicht der einzige Grund sein, zumal der Gedanke der „Leadership“ in der sehr stark auf Egalität pochenden amerikanischen Gesellschaft sein Gegengewicht findet. Ein weiterer, nicht unwesentlicher Grund dürfte der theoretische Hintergrund des amerikanischen Neokonservativismus sein: der – in welcher Verdünnung oder gar Verkehrung auch immer wirksame –6 Einfluß von Leo Strauss, jenem deutschen Emigranten, dessen Modernitätskritik Maß an der Antike nahm und auf diese Weise auch dem platonischen „Politikos“, dem Staatsmann, Zugang zur neuen Welt verschaffte. Freilich war es ein bereits vom Strauss’schen Denken überformter „Politikos“, der die Bühne amerikanischen Geisteslebens und später auch der amerikanischen Politik betrat.7 Will man also der Frage nachgehen, ob es den amerikanischen Neokonservativen gelungen ist, antikes Ideal und moderne Demokratie miteinander zu versöhnen und zu einer Behebung des zuvor aufgezeigten Dilemmas beizutragen, sollte zunächst der platonische „Politikos“ jenseits der Strauss’schen Rezeption zur Darstellung gelangen. In einem weiteren Schritt ist dann zu prüfen, welche Modifikation das antike Ideal in seiner modernen Adaption erfuhr, um schließlich zu einer Gesamteinschätzung zu gelangen, ob es – mit oder ohne Hilfe der amerikanischen Neokonservativen – einen Ort für den Staatsmann in der modernen Demokratie geben kann und soll.

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Wie weit dieser Einfluß tatsächlich reicht, ist sehr umstritten, vgl. dazu z. B. Bluhm, Harald, Die Ordnung der Ordnung. Das politische Philosophieren von Leo Strauss, Berlin 2002, S. 326–333. Aber selbst, wenn es sich nur um Rudimente des Strauss’schen Denkens handelt, welche im Neokonservativismus erhalten geblieben sind – die Strauss’sche Attitüde wurde allemal übernommen: ein elitärer Anspruch und ein Demokratieverständnis, das mit dem der Mehrheit wohl kaum kompatibel ist. 7 Nicht weniger umstritten als die Frage, inwieweit Leo Strauss die Neokonservativen beeinflußte, ist die Frage, inwieweit die Neokonservativen wiederum Einfluß auf die amerikanische Politik ausübten und üben. (Vgl. dazu z. B. Deutsch, Kenneth/Murley, John (Hrsg.), Leo Strauss, the Straussians and the American Regime, Lanham u. a. 1999)

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II. Der platonische Politikos In seinem Dialog Politikos8 überläßt Platon die Wesensbestimmung des „Staatsmanns“ einem namentlich nicht genannten Fremden; Sokrates hört, offenbar wohlwollend, zu, führt die Untersuchung aber nicht selbst. Diese Konstellation könnte bedeuten, daß hier ein Modell entwickelt wird, das auch ohne philosophische Letztbegründung, wie sie von Sokrates in der Politeia vorgestellt wurde,9 realisierbar ist. Der Staatsmann muß nicht unbedingt jener Ausnahmemensch aus der Politeia sein, in dem sich Philosoph und Politiker zur Personalunion verbanden. Daß dennoch einiges von ihm verlangt wird, steht dem nicht entgegen. Nichtsdestotrotz wird hier wohl ein Schritt von der Staatsutopie zur Realpolitik getan. Was ist das Wesen und damit auch die Aufgabe des echten Staatsmannes? Ein großer Teil des Textes besteht darin, auszuschließen, was nicht seine Aufgabe ist; die Bestimmung erfolgt zunächst rein negativ, entlastend, denn die gängige Vorstellung – darauf ist gleich zurückzukommen – erwartet offensichtlich zu viel vom Politiker. Eine positive Bestimmung wird allerdings gleich zu Beginn getroffen, und sie fundiert alles weitere: Der Staatsmann, der wahre Politiker, ist jemand, der über eine Erkenntnis verfügt (258b). Politik, soviel ist damit schon angedeutet, ist nicht die Sache von jedermann, sondern die des Kundigen. Es gibt ein spezifisches Wissen des Politischen, und so ist der Politikos ebenso Fachmann wie z. B. der Schuster oder der Arzt. Dem korrespondiert eine spätere Stelle im Text, an der es heißt, die Kunst des Politischen, also die Erkenntnis, die sich auf die „Herrschaft über Menschen“ bezieht, sei „nahezu die schwerste und die größte“ (292d), die man erwerben könne und daher nur bei sehr wenigen, wenn überhaupt bei jemandem zu finden. Politik ist eine Profession, um nicht zu sagen eine Berufung, und keineswegs etwas, dessen potentiell jeder mächtig wäre. Von dieser grundlegenden Feststellung her ist nun schon absehbar, daß es sich bei dem Wissen, das der Politiker haben muß, nicht um das übliche Machtwissen handelt. Denn dieses steht in der Tat vielen offen, nämlich all jenen, die sich in den Rankünen, Eitelkeiten und Egoismen ihrer Mitmenschen bestens auskennen und sie zu instrumentalisieren wissen. Machiavellis „Fürst“ wäre nur die Karikatur des platonischen Staatsmannes – der Exponent eines ziemlich wohlfeilen Herrschaftswissens, auch wenn Machiavelli seine Schrift mit dem Gestus desjenigen präsentiert, der die tiefsten und unbekanntesten arcana imperii offenbart. 8

Dieser wird im folgenden nach der gängigen Stephanus-Paginierung und in eigener Übersetzung zitiert. 9 Diese Letztbegründung liegt in der Erkenntnis des Guten, vgl. dazu die drei Gleichnisse in Politeia 504a–521b.

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Der erste Anlauf, den Staatsmann in Analogie zum Hirten zu deuten, der für Aufzucht, Erhaltung und Sicherheit der Herde sorgt, hält näherer Prüfung nicht stand. Zu viele andere Professionen nämlich, vom Kaufmann bis zum Arzt, würden in bezug auf diese Aufgaben mit dem Politikos konkurrieren. Der zugrunde liegende Denkfehler wird anhand eines Mythos erläutert (268d– 274e): Zur Zeit, als Kronos die Welt regierte, stand alles Lebendige unter göttlicher Fürsorge – ein Leben in Vollkommenheit und Überfluß, das keine eigene Anstrengung der Menschen erforderte. Als der Gott die Welt jedoch los- und damit sich selbst überließ, kehrten Unvollkommenheit und Mangel ein. Der Mensch mußte nun für sich selbst sorgen, sein Zusammenleben organisieren, mit der Bosheit seiner Mitmenschen und wohl auch seiner eigenen zurechtkommen. Kurz: Nach dem Rückzug Gottes aus der Welt pendelte sie sich in dem uns bekannten Zustand ein, welcher Selbstsorge und Politik nötig machte. Politik, so die Konsequenz aus dieser mythischen Erzählung, kann nicht in der Nachahmung des göttlichen Allesversorgers bestehen, da das Politische seine Entstehung und seine Notwendigkeit gerade der Mangelsituation verdankt, die daraus entstand, daß die Menschen sich selbst überlassen sind. Menschliche Herrschaft ist nicht göttliche Herrschaft, sie kann nicht von der Mühsal des Lebens befreien und das Paradies auf Erden schaffen. In die Moderne übersetzt, liegt in dieser Feststellung die Abweisung jedes ideologischen Politikverständnisses. Politik muß sich mit der conditio humana auseinandersetzen, es ist ihr aber nicht möglich, diese zu überwinden. Wahrscheinlich wäre das auch gar nicht wünschenswert, würde es den Politikos doch in die Position eines Gottes erheben – so wie es die Führer der großen ideologisch motivierten Bewegungen des 20. Jahrhunderts zumindest anstrebten. Wenn der Staatsmann also nicht dazu da ist, den Menschen die Sorge für sich selbst abzunehmen, wie definiert sich seine Aufgabe dann? Auch im folgenden wird wieder mit der Methode des Ausschlusses gearbeitet; alle Professionen, die nur instrumentellen Charakter in bezug auf die menschliche Gemeinschaft haben, werden ausgeschieden. Das betrifft sämtliche ökonomischen und kulturellen Betätigungen; der Ökonomie wird hier also ganz klar eine dienende Rolle im Gemeinwesen zugewiesen. Es steht ihr nicht zu, der Politik die Maßstäbe vorzugeben. Nicht-politisch ist ebenfalls das Amt des Priesters. Politik und Religion müssen voneinander getrennt werden, eine Theokratie lehnt der Fremde offenbar ab. Eine explizite Begründung dafür findet sich nicht, sie kann aber aus dem früher Ausgeführten erschlossen werden: Die Politik hat es mit dem genuin Menschlichen zu tun, und eine Vermischung der politischen und religiösen Funktionen könnte den Politikos doch wieder in die Nähe des göttlichen Allesversorgers rükken, der er nicht sein sollte und sein kann.

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Die Abgrenzung des Politikos von dem nächsten Konkurrenten ist sehr umfangreich (291a–303e) und etwas verwirrend, da in ihr sowohl die Staatsformenlehre als auch das Verhältnis von Politik und Recht abgehandelt werden. Erst nach genauerer Lektüre erschließt sich, wer hier aus dem Feld geschlagen werden soll: der normale Politiker. Der Staatsmann wird als Regent präsentiert, der im Grunde über den gängigen Staatsformen steht und damit auch die in ihnen wirkenden Politiker hinter sich läßt. Die gängigen Staatsformen lassen sich nach quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten kategorisieren. Regiert einer, eine Minderheit oder die Mehrheit? Das sind die Möglichkeiten in quantitativer Hinsicht. Ein qualitatives Plus oder Minus ergibt sich daraus, ob auf freiwilliger Basis oder mit Zwang, in Wohlstand oder in Armut, mit oder ohne Gesetz regiert wird. Aus der Kombination des qualitativen mit dem quantitativen Merkmal läßt sich das bekannte Sechser-Schema ableiten, demgemäß die gute Herrschaft des Einen die Monarchie ist, die schlechte aber die Tyrannis, die gute Minderheitenherrschaft die Aristokratie, die schlechte die Oligarchie und gute wie schlechte Mehrheitsherrschaft die Demokratie darstellen. Anders als Aristoteles, der die gute Form der Demokratie „Politie“ nennt, differenziert Platon, hierin wohl der politischen Praxis folgend, bei der Demokratie begrifflich nicht. Ansonsten ist das Schema dasselbe.10 Damit sind alle real vorfindlichen Staatsformen angeführt, doch entgegen der Erwartung des Lesers wird der gesuchte Staatsmann nicht einfach auf der Seite der mit positiver Kennzeichnung versehenen Staatsformen lokalisiert. Vielmehr wird nochmals daran erinnert, daß sich der Politikos durch Erkenntnis auszeichnet, eine Erkenntnis, die schwierig und selten ist. Insofern kann sie nicht bei der Menge zu finden sein – beide Formen der Demokratie scheiden somit als Aspiranten für die Regentschaft des Staatsmannes aus (292e). Das bedeutet aber nicht, daß damit die Monarchie, als die gute Herrschaft des einzelnen Regenten, die dem Politikos adäquate Staatsform sei. Vielmehr wird nun der bisher verwandte qualitative Maßstab relativiert. Wer tatsächlich über die politische Erkenntnis verfügt, der kann die Menschen „auf freiwilliger Basis oder gegen ihren Willen, gemäß der Satzung oder ohne sie und als Reicher oder Armer regieren“ (293a) – er wird unabhängig von diesen doch als so entscheidend angesehenen Maßstäben das Richtige tun. Das ist eine Behauptung, die dem Leser zunächst den Atem verschlägt, und auch der Gesprächspartner im Dialog ist erkennbar irritiert. Vor allem die Regentschaft ohne festgeschriebene Satzung, also ohne Gesetz, erscheint 10 Das also von Platon stammt und nicht von Aristoteles, was meistens übersehen wird. Allerdings hat auch Platon es möglicherweise nicht „erfunden“, sondern es könnte Gemeingut der damaligen Zeit gewesen sein.

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ihm suspekt. Bevor der Fremde auf dieses Thema und damit auf das Verhältnis von Politik und Recht eingeht, versucht er die Provokation durch einen Vergleich zu mildern. Auch beim Arzt nimmt man aufgenötigte, möglicherweise nicht ganz dem geltenden Reglement entsprechende, schmerzhafte Eingriffe hin, sofern sie Ausdruck seiner ärztlichen Kunst sind und aufgrund dessen zum Besten des Patienten geschehen. Damit wird darauf verwiesen, daß auch freie Zustimmung der Betroffenen, Vorschriftsmäßigkeit und der – im Fall des Beispiels nicht so relevante – ökonomische Status des jeweiligen Fachmanns sekundär sind gegenüber der Einsicht, gemäß der er handelt. In ihr muß es, sofern sie wirklich Einsicht ist, immer schon um das Wohl der Betroffenen gehen;11 insofern kann sie sich dann zu den Werten, anhand derer ansonsten das Wohlergehen gemessen wird, instrumentell verhalten. Der wahre Staatsmann darf um des Gemeinwohls willen Zwang ausüben und ohne präzise gesetzliche Grundlage handeln. Das setzt allerdings eines voraus: daß es eben ein solches politisches Wissen gibt, welches dem des Fachmanns auf anderen Gebieten, z. B. der Medizin, vergleichbar ist. Genau das aber ist das Problem. Die Tatsache, daß der Fremde betont, die Menschen glaubten nicht daran, daß es so einen Fachmann des Politischen geben könne, der, „mit Tugend und Erkenntnis regierend“ (301e, d), die ihm verliehene Macht eben nicht mißbraucht, zeigt, daß das entwickelte Modell dem antiken Leser nicht weniger fremd war als es dem modernen ist. Warum soll nun der wahre Staatsmann auch ohne gesetzliche Grundlage agieren dürfen? Die folgenden Überlegungen machen deutlich, daß die Regentschaft ohne Gesetz, welche ohnehin nur in bestimmten Fällen in Frage kommt, keineswegs gleichbedeutend ist mit der Herrschaft ohne Recht. Im Gegenteil: Das Recht, die Gerechtigkeit ist der Maßstab des Handelns, und nur wenn das Gesetz von letzterem abweicht, ist es in begrenztem Umfang zu suspendieren. Eine rechtspositivistische Position ist damit ganz klar ausgeschlossen. Das Recht entsteht nicht etwa erst aufgrund der Gesetzgebung, vielmehr ist legitimerweise nur das Gesetz, was Ausdruck von Gerechtigkeit ist. Für die mögliche Abweichung vom Gesetz werden im wesentlichen zwei Gründe geltend gemacht: Erstens ist das Gesetz – im Gegensatz zur Lebenswirklichkeit – starr; eine ein für allemal fixierte Vorschrift kann den 11 Diesem Gedanken liegt das Techne-Modell zugrunde: Der Technit, der Fachmann, fügt bei sachgerechter Ausübung seiner Kunst immer dem Objekt etwas Gutes zu und nicht sich selbst. Der sachgerecht arbeitende Schuster z. B. verwendet alle Sorgfalt auf den Schuh und nicht auf den Gelderwerb, da die Schuhmacherkunst als solche auf die Vollendung des Objektes zielt und nicht auf den Nutzen des Schuhmachers.

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steten Wandel, dem das Leben unterliegt, nicht reflektieren. Zweitens erlaubt das Gesetz keine Einzelfallgerechtigkeit. Auf den Durchschnitt der Fälle zugeschnitten, erfaßt es oft nicht das, was jenseits des normalen Maßes liegt. Hier also ist die lebendige Vernunft des Politikos, des politischen Fachmanns, überlegen. Ihn in den genannten Fällen dem Gesetz zu unterwerfen, hieße, die geronnene Vernunft des Gesetzes der lebendigen, situativ anpassungsfähigen des Menschen überzuordnen. Doch natürlich kann das nur in Ausnahmefällen gelten. Kein Staatsmann wäre z. B. in der Lage, ständig jeden Einzelfall auch einzeln zu behandeln (295a, b). Abgesehen davon sedimentiert sich im Gesetz die Erfahrung von Generationen, und es ist Ausdruck des Allgemeinen, damit gleichbedeutend mit dem Ausschluß individueller Willkür. Insgesamt läßt sich das Verhältnis des Politikos zum Gesetz also folgendermaßen fassen: Als Fachmann des Politischen ist er prädestiniert, Gesetze zu geben, weil seine ihm spezifische Erkenntnis auf die Verwirklichung des Gemeinwohls, der Gerechtigkeit zielt. Die Gesetze sind aber immer qualitativ weniger als die Vernunft, die sie schuf, und deshalb können sie dann, wenn sie Gerechtigkeit verhindern, von eben jener Vernunft auch – begrenzt – wieder suspendiert werden. Das gilt jedoch alleine für den Politikos, der in keiner der gängigen Staatsformen beheimatet ist. Für die Politiker und Bürger aller anderen Staatsformen gilt hingegen das strikte Gebot der Gesetzestreue (297e), denn ihre Abweichung vom Gesetz wäre mit Sicherheit der Verfolgung von Partikularinteressen zuzuschreiben. Überhaupt läßt sich jetzt, nach den genannten Vorüberlegungen, das Verhältnis des Politikos zu den übrigen Regierungsformen und auch ihr Binnenverhältnis präziser fassen. Als tatsächlich qualitatives Unterscheidungsmerkmal zwischen den Staatsformen zeigt sich nun der Grad, in dem sie mit ihrer Gesetzgebung dem Vorbild des Staatsmannes folgen, in dem sie, mit anderen Worten, so wie er versuchen, „den im Staat Lebenden gemäß Vernunft und fachlichem Können immer das Gerechteste zuzuteilen, sie zu erhalten und nach Kräften von Schlechteren zu Besseren zu machen“ (297b). Mit letzterem ist auf die erzieherische Wirkung der Gesetze angespielt, die allerdings nur dann greift, wenn sich in den Gesetzen jenes Allgemeine niederschlägt, dessen reinster Ausdruck das Wirken des politischen Fachmanns, des Politikos, darstellt. Es bleibt das Problem des fehlenden Glaubens, daß es einen solchen politischen Fachmann überhaupt geben könnte. Gelten aber für die Politik gänzlich andere Regeln als für alle anderen Bereiche des Lebens? Was geschähe bspw., wenn man in der Medizin ähnlich verfahren würde wie in der Politik, wenn man nämlich aus einem Generalverdacht gegen den Amtsinhaber heraus den Arzt nur zeitlich begrenzt arbeiten lassen würde, ihn Reglements unterstellte, die per Mehrheitsvotum zustande gekommen sind, eine freie

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Forschung, da nicht dem geltenden Reglement entsprechend, unterbinden würde und seine Arbeit generell von Nicht-Fachleuten beurteilen ließe? Jeden anderen menschlichen Wirkungsbereich würde man so zugrunde richten. Gibt es tatsächlich ein Wissen des Politischen in Analogie zu den anderen Wissenschaften, dann müßte für es gelten, was auch für sie gilt. Weil aber der normale Politiker, ebenso wie die von ihm Regierten, nicht an ein solches Wissen glaubt, agiert er als Parteigänger, als Repräsentant der im Staat durchsetzungsstärksten Gruppe, und nicht als gemeinwohlorientierter Staatsmann. Deshalb wird jetzt auch der Politiker vom Staatsmann geschieden, obwohl er ihm scheinbar am nächsten steht. Bevor dann endlich positiv bestimmt wird, wie sich die zentrale Aufgabe des Staatsmannes gestaltet, werden noch drei weitere Professionen als nichtpolitische deklariert und auf diese Weise aus dem Aufgabengebiet des Politikos ausgegliedert: die des Rhetors, des Feldherrn und des Richters. Bei allen drei Ämtern ist es letztlich eine Begründung, weshalb sie als dem Politikos untergeordnete zu betrachten sind: Sie entscheiden nicht selbst über die Maßstäbe ihres Tuns. Der Redner vermittelt die politischen Entscheidungen nur; der Feldherr darf nicht selbst Krieg oder Frieden erklären; der Richter ist Hermeneut der nicht von ihm gegebenen Gesetze. Auch diese Professionen sind also letztlich instrumentell im Hinblick auf die Politik. Damit ist klar: Die staatsmännische Kunst „soll nicht selbst etwas verrichten, sondern über die herrschen, die etwas zu verrichten vermögen“ (305d). Die Weise, dies zu tun, ist überraschend. Es geht nämlich darum, gegenstrebige Kräfte im Staat miteinander zu versöhnen und zusammenzubinden. Gemeint ist die Harmonisierung von Besonnenheit und Tapferkeit. Besonnenheit ist im allgemeinen mit Reflexivität, Bedächtigkeit, möglicherweise aber auch Inaktivität verbunden. Tapferkeit erfordert Einsatzbereitschaft, schnelle und entschlossene Reaktion, kann aber auch zum Draufgängertum führen. Politisch gewendet, können die genannten Verhaltenstypen in Pazifismus auf der einen, Bellizismus auf der anderen Seite münden – beides Vereinseitigungen, die einen Staat in die Knechtschaft stürzen können. Der Staatsmann muß also zusammenführen, was, sich selbst überlassen, sich und das Gemeinwesen zerstören könnte. Dazu bedarf es als des vermittelnden Dritten der Gerechtigkeit, die auch das Wissen um das Angemessene, das rechte Maß umfaßt. Die Art der Vermittlung ist Bildung – Bildung durch die erzieherische Wirkung der Gesetze, aber auch durch die Erziehung selbst, wobei die Spannung zwischen den Kräften erhalten bleiben muß. Denn Besonnenheit und Tapferkeit sind Tugenden, ohne die das Gemeinwesen nicht bestehen kann (311b). So zeigt sich als die eigentliche Aufgabe des Staatsmanns die der geistigen Führung. Er muß durch Gerechtigkeit dafür sorgen, daß auch die anderen Tugenden im Staat ihren Ort er-

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halten und die Freiheit dadurch bewahrt wird, daß es weder den allzu Friedfertigen gelingt, die gemeinsamen Prinzipien aus Gründen der Konfliktvermeidung preiszugeben, noch den allzu Konfliktbereiten, sie durch ständige Kampfbereitschaft sinnlos zu gefährden.

III. Eine neokonservative Renaissance der Antike? Die Einwände, die das moderne Bewußtsein gegen ein solches Politikverständnis wie das vorgestellte erheben könnte, liegen auf der Hand. Es ist antidemokratisch, nämlich elitär; das geforderte politische Wissen ist eine Fiktion und verlagert eine unzulässige Machtfülle in eine Person, statt den Risiken der Machtkonzentration gewaltenteilig zu begegnen; als Staatsziel „Tugend“ anzugeben, ist weltfremd, da staatliches Überleben eine Frage der Macht und keine der Tugend ist, abgesehen davon, daß es keine Gerechtigkeit „an sich“ gibt, sondern jeder Staat das seiner Selbsterhaltung dienliche Gerechtigkeits- und Rechtsverständnis generiert, und so weiter. Vom Boden der pluralistischen, gewaltenteiligen, dezidiert individualistischen Demokratie aus gesehen erscheint das platonische Modell schlicht als ein Unding, was nicht weiter erstaunlich ist, da Platon selbst die Inkompatibilität des Politikos mit dem demokratischen Mehrheitsprinzip festgestellt hatte. Allerdings waren auch die anderen Staatsformen nicht positiver bewertet worden. Angesichts der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Prinzipien muß der Versuch von Leo Strauss, sein Bekenntnis zur Demokratie mit dem zu Platon zu vereinbaren, ungewöhnlich erscheinen. Schon wenn er, allerdings nicht direkt in bezug auf die Politik, sondern in bezug auf die politische Philosophie davon spricht, Ziel sei, „die Meinung über die Natur der politischen Dinge durch das Wissen über die Natur der politischen Dinge zu ersetzen“12, ist der platonische Anspruch wieder ganz präsent. Die politische Philosophie verfällt aber nicht zufällig auf dieses Ziel. Vielmehr ist es der politischen Praxis inhärent, von einer grundsätzlichen, freilich nicht philosophisch reflektierten Meinung darüber auszugehen, was für die Gemeinschaft gut ist.13 Diese Meinung in Wissen zu überführen, ist Aufgabe philosophischen Nachdenkens, eine Aufgabe, die Strauss für offenbar unverändert aktuell hält. Denn „das politische Leben ist von Konflikten zwischen Menschen gekennzeichnet, die einander entgegengesetzte Ansprüche geltend machen“. Und diese Ansprüche werden „in praktisch allen Fällen . . . 12

Strauss, Leo, What is Political Philosophy?, in: ders., An Introduction to Political Philosophy, Detroit 1989, S. 5 (dies und die folgenden Zitate in eigener Übersetzung, B. Z.). 13 Strauss, What is Political Philosophy?, S. 3.

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im Namen der Gerechtigkeit erhoben“.14 Die Frage der Gerechtigkeit ist demzufolge nach wie vor die zentrale politische Frage. Ist die Herausforderung so im Grunde dieselbe wie die, vor die sich der Politikos gestellt sah – er sollte ja auch zwischen den gegensätzlichen Kräften in der Gesellschaft vermitteln –, so haben sich die Bedingungen, unter denen sie angenommen werden könnte, für Strauss doch gravierend verändert. Historismus und Positivismus haben ihr Zerstörungswerk getan; die Historisierung aller Hervorbringungen des Geisteslebens hat einen generellen Relativismus befördert, die szientifische Verengung der Forschung auf das positiv Gegebene hat Werte und Normen in den Bereich des Unwissenschaftlichen abgedrängt.15 Das Ideal des Weisen ist der Moderne gänzlich fremd geworden16 und damit natürlich auch die Vorstellung, es könnte sich in einem Menschen jenes politische Wissen finden, welches die gesicherte Basis für die gute Ordnung des Gemeinwesens bildet. Das hindert Strauss jedoch nicht, das antike Ideal hochzuhalten, denn jene die Moderne beherrschenden Denkweisen sind für ihn nichts anderes als Ideologien, die, auf sich selbst angewendet, auch nur im Selbstwiderspruch enden können. Es ist ein falscher Fortschrittsglaube, der von einer strikten Parallelität des intellektuellen und des gesellschaftlichen Fortschritts ausgeht17 und somit auch bei den Grundfragen des Menschen eine Überlegenheit der Moderne voraussetzt. Kann damit der platonische Politikos der modernen Politik ungeachtet der historischen Distanz wieder zum Vorbild dienen? Eine eindeutige Antwort erhält man dazu von Strauss nicht, dessen Beschäftigung mit der esoterischen Weise des Schreibens18 erkennbar den eigenen Schreibstil geprägt hat, so daß der Leser gerade an entscheidenden Stellen im Dunkel des Ungesagten belassen wird. Auffallend ist aber, daß Strauss den Politikos vom Philosophen zu trennen scheint; ist die politische Aufgabe, Gesetze zu geben, auch von allen die höchstwertige, so steht der Philosoph, der als Lehrer der Gesetzgeber tätig wird, offenbar doch noch über diesen.19 Damit gibt Strauss dem platonischen Text eine eigentümliche Wendung. Wie schon in seiner Politeia-Interpretation sieht er auch im Politikos das entwickelte Ideal in politisch nicht realisierbarer Ferne.20 So müssen Den14

Strauss, Leo, On Classical Political Philosophy, in: ders., Introduction, S. 62. Vgl. Strauss, Leo, Natural Right and the Historical Approach, in: ders., Introduction, S. 99–124. 16 Strauss, Leo, On Classical Political Philosophy, S. 75. 17 Strauss, Leo, Progress or Return? The Contemporary Crisis in Western Civilization, in: ders., Introduction, S. 259 ff. 18 Vgl. Strauss, Leo, Persecution and the Art of Writing, Glencoe, Il. 1952. 19 Strauss, Leo, On classical Political Philosophy, S. 65 f. 20 Strauss, Leo, Plato, in: ders., Introduction, S. 167–245. 15

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ken und Tun auseinandertreten, der Philosoph ist der eigentlich Wissende, der Staatsmann der möglicherweise von ihm, z. B. in der Gesetzgebung, Angeleitete. In diese Konstellation fügt sich stringent der Strauss’sche Elitegedanke. Die platonische Philosophie zielt allerdings keineswegs auf die Bildung einer Elite, vielmehr ist die Beschränkung der entscheidenden politischen Erkenntnis auf einige wenige bloß das Ergebnis der Schwierigkeit, zu ihr zu gelangen. Bei Strauss hingegen entsteht der Eindruck, jenes postulierte Wissen sei geradezu ein Mittel der Elitebildung, so als läge in dieser selbst das Heil. Ganz grundlos erscheint es nicht, daß die Neokonservativen in der Nachfolge von Leo Strauss den Elitegedanken zu einem Nukleus ihres Ansatzes machten. Auch das Strauss’sche Demokratieverständnis weist in diese Richtung. Das zeigt sich an seinen Ausführungen zur liberalen, d.h. freiheitlichen Erziehung.21 Demokratie wurde ursprünglich als Herrschaft der Tugend verstanden und damit als die Herrschaft derer, die ein Höchstmaß an Vernunft entwickelt haben. „Demokratie ist mit anderen Worten gleichbedeutend mit einer Aristokratie, die sich zu einer universellen Aristokratie erweitert hat.“22 Mit einer solchen Kennzeichnung hat die moderne Demokratie nichts mehr gemein. Diese ruht vielmehr auf einer anspruchslosen Massenkultur, und die Massen sind wiederum beherrscht von visionslosen (technokratischen) Eliten. Da nun aber auch die moderne Demokratie auf Qualitäten wie „Hingabe, Konzentration, Breite und Tiefe“ angewiesen ist, bedarf sie als „Gegengift“ einer freiheitlichen, auf die großen Texte der Geistesgeschichte zurückgreifenden Erziehung. Diese Erziehung wird so zu der „Leiter, mittels derer wir versuchen, von der Massendemokratie zur Demokratie in ihrer ursprünglichen Bedeutung emporzusteigen.“23 Und als Erzieher kommen vor allem oder ausschließlich die in Frage, die es verstehen, mit den großen Geistern der politischen Philosophie durch ihre Bücher hindurch in den Dialog zu treten – die Aufgabe, der sich Strauss zeitlebens gewidmet hat. Daß es in der Politik um Einsicht und nicht bloß um funktionierende Institutionen, um Tugend und nicht bloß um Macht geht, ist für Strauss also ganz fraglos. Doch seine Versöhnung von Platon mit der Demokratie scheint nur aufgrund einer Umdeutung beider möglich: Der Politiker kann nicht Philosoph sein und vice versa; das entscheidende Wissen erscheint transpolitisch-philosophisch. Und die Demokratie wiederum bedarf, um überhaupt bestehen zu können, einer Re-Transformierung zu ihrer eigentlichen Natur: nämlich Aristokratie zu sein – Vernunft-Aristokratie. 21 Strauss, Leo, What is Liberal Education?, in: ders., Introduction, S. 311–319, und: Liberal Education and Responsibility, in: ebd., S. 321–345. 22 Strauss, Leo, What is Liberal Education?, S. 312. 23 Strauss, Leo, What is Liberal Education?, S. 314.

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Eine Modifikation erhält diese Sicht durch einen der wenigen authentischen Strauss-Adepten unter den Vertretern der neokonservativen Bewegung – durch Irving Kristol, der theoretisch wohl interessanteste und substantiellste der „Neo-Cons“. Bei ihm ist der Politikos in Gestalt des aufgrund politischer Einsicht handelnden Staatsmanns offenbar nicht bloß fiktiv, sondern historisch real. In den „Founding Fathers“ der amerikanischen Republik, Männern wie Washington, Jefferson und den Verfassern der „Federalist Papers“, findet Kristol Qualitäten, welche stark an die vom platonischen Politikos geforderten erinnern.24 Die Gründerväter waren, obwohl Männer der Praxis, von einer beispiellosen und auch später nicht wieder erreichten Reflexionstiefe. Es gelang ihnen, die amerikanische Revolution so zu lenken, daß sich die revolutionären Leidenschaften „ernsthaftem und nuanciertem Nachdenken über fundamentale Probleme der politischen Philosophie“ unterordneten. Sie wußten, daß republikanische Selbstregierung nicht ohne Tugend wie z. B. „Selbstkontrolle, Selbstvertrauen und eine interesselose Sorge um das Gemeinwohl“25 möglich ist. Ihr revolutionärer Impetus speiste sich nicht aus dem Drang, die menschliche Natur verändern zu wollen, ein Ziel, das die Französische Revolution per Bluttaufe zu realisieren trachtete. Die neue politische Ordnung in Amerika wurde auf philosophischer Grundlage und in Akzeptanz der menschlichen Mängelnatur, deshalb auch ohne Blutvergießen errichtet. Und obwohl die Schaffung der neuen Ordnung in gewisser Weise kurzfristig einen Zustand jenseits des Gesetzes hervorbrachte, war den Gründervätern doch klar, daß sie von den Bürgern „Achtung vor ihren Gesetzen“ fordern mußten, weil die in den Gesetzen „inkarnierte kollektive Weisheit“26 ein tieferes Verständnis des Volkes in sich birgt, als es je einer der Zeitgenossen zu erreichen hoffen durfte. Für Kristol manifestiert sich also in den entscheidenden Männern der Gründungsphase vieles, was Platon dem Politikos zusprach: philosophischer Tiefgang und praktische Klugheit, Achtung vor dem Gesetz und ein verantwortlicher Umgang mit der außergesetzlichen Lage, das Wissen um die politische Bedeutung der Tugenden und der Verzicht auf eine Umschaffung des Menschen, welche seine Mängelnatur zu überwinden beansprucht. Dies alles zeichnete die Gründerväter aus, ist aber in der aktuellen Demokratie nicht mehr präsent. Denn weil das System sich als so erfolgreich erwies, schien sich die politische Philosophie, die ihm zugrunde lag, selbst überflüssig zu machen bzw. keiner ständig neuen Thematisierung und Reflexion 24 Kristol, Irving, The American Revolution as a Successful Revolution, in: Neoconservatism. The Autobiography of an Idea, New York u. a. 1995, S. 235–252. 25 Kristol, Iriving, The American Revolution, S. 238. 26 Kristol, Iriving, The American Revolution, S. 236.

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zu bedürfen. Die Maschine läuft von allein – unter diesem Eindruck, im Vertrauen auf die institutionelle Selbstregulierung, wandten sich die nachdenklichen Männer von der Politik ab. Wie schätzt demzufolge Kristol die Chancen für eine Wiederbelebung des Politikos in der Demokratie ein? Da er sich ihn, anders als Strauss, als philosophisch orientierten Praktiker denken kann, sieht er offenbar in den großen Persönlichkeiten der Gründungszeit durchaus Beispiele staatsmännischen Wirkens – zu dem Preis allerdings, daß das geforderte politische Wissen viel pragmatischer verstanden wird als es bei Strauss der Fall ist. Die Vermittlung von Philosophie und Politik gelingt leichter, wenn der philosophische Anspruch sich nicht mehr in den lichten Höhen Strauss’scher Esoterik bewegt. Andererseits läßt auch Kristol Zweifel hinsichtlich jener Chancen erkennen, zumindest, was die Gegenwart angeht. Die Gründerväter hatten eine Mischung aus Republik und Demokratie geschaffen, ein System also, das nicht nur den „Willen des Volkes“ (= Demokratie), sondern vor allem auch den „vernünftigen Konsens“27 des Volkes (= Republik) zum Maßstab machte. Doch die Demokratie, so scheint es, hat inzwischen die Oberhand gewonnen, die Gleichheit ist wichtiger geworden als die Freiheit. Insofern ist das Erbe in Gefahr und der Staatsmann nicht in Sicht. Auch Kristol verlangt im Grunde eine Transformation der Demokratie, um sie (wieder?) Staatsmann-kompatibel zu machen. Noch ein weiterer Neokonservativer soll abschließend kurz zu Wort kommen, ein Neokonservativer, dessen Verbindung zu Leo Strauss äußerst lose ist, der aber als politischer Praktiker eine interessante Scharnierstellung zwischen Theorie und Praxis einnimmt: Paul Wolfowitz.28 Seine Überlegungen zur „statesmanship“ finden sich bezeichnenderweise innerhalb einer Darstellung der neuen außenpolitischen Herausforderungen für die USA nach dem Ende des Kalten Krieges.29 Durch den Zusammenbruch des Ostblocks hat sich die Weltordnung grundlegend verändert. Die Globalisierung hat zu einem unipolaren System der internationalen Beziehungen beigetragen, d.h. zu einer Präponderanz amerikanischer Ökonomie, Technologie und Massenkultur. Das bedeutet nicht automatisch mehr Sicherheit, denn es entstehen, gerade auch durch 27

Kristol, Iriving, The American Revolution, S. 250. Wolfowitz war politischer Berater von George W. Bush und stellvertretender Verteidigungsminister der USA unter Donald Rumsfeld. Er hat klargestellt, daß er entgegen anderslautender Vermutung kein Schüler von Leo Strauss ist, sondern nur eine Vorlesung bei ihm gehört hat. 29 Wolfowitz, Paul, Statesmanship in the New Century, in: Robert Kagan/William Kristol (Hrsg.), Present Dangers. Crisis and Opportunity in American Foreign and Defense Policy, San Francisco 2000, S. 307–336. 28

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Technologietransfer und den Export des amerikanischen Erfolgsmodells, neue Mächte und damit möglicherweise auch neue Bedrohungslagen.30 Da der Rückzug auf eine isolationistische Position in dieser Situation nicht mehr denkbar ist, plädiert Wolfowitz für eine entschlossen wahrgenommene Führungsrolle der USA, inklusive einer aktiv betriebenen Menschenrechts- und Demokratisierungspolitik. Insgesamt gilt: Politik, auch Sicherheitspolitik, muß prinzipienorientiert betrieben werden, und zwar orientiert an Prinzipien, die „zugleich von praktischer und von moralischer Natur“31 sind. Hier ist in Wolfowitz’ Augen der Staatsmann gefragt. Denn allgemeine Prinzipien können nicht einfach rigide angewandt, sie müssen der konkreten Lage angepaßt werden. Stets geht es darum, konkurrierende Interessen und Zielsetzungen gegeneinander abzuwägen. Dem Staatsmann obliegt es, moralischen Anspruch und die harte Realität miteinander in Einklang zu bringen, Prinzipien unter nüchterner Einschätzung der Lage in Entscheidungen umzugießen. Wolfowitz läßt keinen Zweifel daran, daß ihm dabei weitgehend freie Hand zu lassen ist, denn „außenpolitische Entscheidungen können nicht Gegenstand jener ‚Herrschaft der Gesetze‘ [rule of law] sein, die wir für unseren politischen Prozeß im Inneren haben möchten.“32 Das Ergebnis zählt; der Kant’sche bloße gute Wille reicht hier nicht aus. Wolfowitz’ Dispens, was die Gesetzestreue angeht, ist letztlich gleichbedeutend mit einer Ermächtigung des Staatsmanns, entschlossen amerikanische Interessen durchzusetzen. Die demokratischen Strukturen erscheinen dabei bisweilen eher hinderlich. Denn der öffentlichen Meinung sind die Grenzen der „rule of law“ oft schwer zu vermitteln; die auf Kurzfristigkeit geeichte öffentliche Wahrnehmung erschwert die Entwicklung langfristiger Strategien. Aktuelle Bedrohungslagen können die Perspektive allerdings verändern, so wie die nukleare Bedrohung im Kalten Krieg eine Politik möglich machte, die sich nicht nur an kurzfristigen Wählerinteressen orientierte. Was ist bei Wolfowitz aus dem Staatsmann geworden? Seine gegenüber Strauss’ und Kristols Ansatz deutlich stärkere Integration des Staatsmanns in das aktuelle politische Geschehen hat einen hohen Preis: Die Standards sind gesunken. Das Gemeinwohl wird zur amerikanischen Interessenpolitik, 30 Der Aufsatz wurde vor dem 11. September 2001 geschrieben und bezieht die Gefahr durch den islamischen Terrorismus daher noch nicht in die Überlegungen mit ein. 31 Wolfowitz, Paul, Statesmanship, S. 334. Als Beispiele für derartige Prinzipien nennt Wolfowitz z. B. Stärkung des liberaldemokratischen Konsenses in bezug auf die freie Marktwirtschaft, Stärkung der Bündnisstrukturen, effektives Vorgehen gegen Schurkenstaaten etc. 32 Wolfowitz, Paul, Statesmanship, S. 334.

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der übergesetzliche Standort legitimiert einen Bruch mit der „rule of law“, sofern es sich um die Feinde Amerikas handelt, die moralischen Prinzipien reduzieren sich auf den Anspruch, den westlichen Denk- und Lebensstil zu verbreiten, und die Tugenden des Staatsmanns bestehen vor allem in Entschlossenheit und Nüchternheit; von Vernunft und Gerechtigkeit ist nicht mehr die Rede. Die Demokratie, bei Strauss noch Objekt geistiger Erziehung, bei Kristol zumindest als republikanisch geprägte für staatsmännisches Wirken empfänglich, wird bei Wolfowitz fast zu einem Hemmnis bei der Durchsetzung der vom Staatsmann verfolgten Ziele. Dem „CNN effect“33 schreibt Wolfowitz es zu, daß es für den Staatsmann immer schwerer wird, sein Amt ungestört auszuüben. Ist es da noch verwunderlich, daß man zu der Überzeugung gelangen kann, der Bereich der „arcana imperii“ müsse ausgeweitet, das Volk von der Wahrheit verschont werden? Die Informationspolitik zu Beginn des Irakkrieges fügt sich in das Schema. Hier wird die neokonservative Offenheit für die Figur des Politikos in der Demokratie zur Legitimation unkontrollierter und unkontrollierbarer Führerschaft des zumindest außenpolitisch nach dem Freund-Feind-Schema agierenden starken Mannes.

IV. Eine Bilanz Der Eindruck, den dieser kurze Blick auf die neokonservative Wiederbelebung des Politikos erzeugt, ist: Je stärker der Staatsmann der Demokratie angenähert wird, um so mehr gerät er in den Sog der in ihr herrschenden Kräfte und Kalküle. Das platonische Urbild des Politikos war aber jenseits solcher systemischen Bedingtheiten angesiedelt; es sollte für die gängigen Regierungsformen Maß sein und nicht an ihnen Maß nehmen. Das bedeutet andererseits, daß das, was der Staatsmann verkörpert, allen Regierungsformen not täte, eben auch der Demokratie. Läßt sich das verifizieren? Was ist der Kerngehalt des platonischen Modells des Staatsmanns? Der Politikos verfügt über die entscheidende politische Kompetenz, nämlich die Fähigkeit zur Bestimmung vernünftiger, gemeinwohlfördernder Ziele. Seine Aufgabe ist Zielreflexion und, darauf aufbauend, der richtige Einsatz der Mittel, d.h. die sinnvolle Ordnung aller Lebensbereiche unterhalb der Ebene des Politischen. Hier gibt es eine klare Hierarchie: Alles, was der bloßen Existenzsicherung dient, ist subpolitisch und nicht etwa suprapolitisch; die Ökonomie ist dienende, nicht herrschende Kraft. Zwischen den gesellschaftlichen Kräften muß der Politikos vermitteln, einen Ausgleich suchen. Das, was letztlich ausgleichend wirkt, ist die Gerechtigkeit, die damit deutlich 33

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mehr ist als die Resultante im Parallelogramm der Kräfte – das wäre ein bloßer Interessenausgleich. Es geht aber um mehr als Interessen, nämlich um das tatsächlich jedem Angemessene. Der Versuch, all dies in den Gesetzen abzubilden, ist der Versuch, personale Vernunft in institutionelle Vernunft umzusetzen – was die neuerliche Zielreflexion nicht ersetzt und deshalb nie absolut bindend sein kann. Das Letzte, Entscheidende ist immer die gelebte Vernunft, das stets wieder vor neuen Herausforderungen stehende Nachdenken über die richtigen Ziele und die personale Verantwortung dafür, wie die Ziele bestimmt werden. Kann die Demokratie ernsthaft auf das, was hier im Ideal gezeichnet wurde, verzichten? Eine Gesellschaft, die sich ihre Ziele allein vom Kampf der Interessengruppen vorgeben läßt, liefert sich den Zufälligkeiten gerade bestehender Machtkonstellationen aus. Versucht sie dies durch institutionelle Schranken zu verhindern, muß die Zielbestimmung bereits in die Institutionen eingegangen sein, um die Kräfte entsprechend lenken und beschränken zu können. Doch Institutionen übernehmen keine Verantwortung, sie reflektieren nicht ihre eigenen Grundlagen, ja, sie sind nicht einmal zur Selbsterhaltung fähig, wenn sich ein Geist in ihnen breit macht, der ihrem ursprünglichen Sinn nicht mehr entspricht. Vernunft und Gerechtigkeit sind keine Eigenschaften sich selbst regulierender Systeme, es sind menschliche Eigenschaften. Menschen können sie in Systemen zu verankern versuchen, doch die Systeme generieren sie weder selbst noch können sie sie auf Dauer ohne menschliche Intervention aufrechterhalten. Vernunft und Gerechtigkeit als Aufgaben politischen Handelns für unzeitgemäß zu erklären, dürfte jedoch schwerfallen. Insofern muß auch das Modell des platonischen Staatsmanns nicht als antiquiert und irrelevant abgetan werden. Es weist darauf hin, daß die entscheidende politische Fähigkeit darin besteht, dem Menschen gemäße Ziele für die Gesellschaft festzulegen, die einmal festgelegten Regeln immer wieder vor den Richterstuhl der Vernunft zu stellen und sowohl Revisionsbereitschaft zu zeigen als auch persönliche Verantwortung zu übernehmen. Als Ideal kann das auch eine Demokratie adaptieren, selbst wenn sie – wie alle anderen Staatsformen – nicht vom Politikos, sondern nur vom Politiker regiert wird.

Der „nackte Mensch“ – oder – Wie wird man Politiker? Peter Nitschke

I. Platons Politische Philosophie Platons Politische Philosophie wird im Allgemeinen von ihrem Zentrum, der Politeia, aus gelesen und interpretiert. Mitunter wird noch auf die Bedeutung des Spätwerks, der Nomoi, verwiesen – und das ist es oft auch schon: Höhlengleichnis, Philosophenherrschaft, die Frage der Gerechtigkeit, Staatsaufbau der besten Polis und die Qualität der Institutionen und ihrer Gesetze, das sind die Themen, unter denen die Politische Philosophie Platons üblicherweise abgehandelt wird. Der Politikos erscheint hierbei oft als ein zu vernachlässigendes Stück, das von der Politeia zu den Nomoi führt und nur einen antiken Fürstenspiegel beinhaltet.1 In Interpretationen dieser Art, die nicht zufällig oft aus einer aristotelisch motivierten Lesart der Politischen Philosophie und Ideengeschichte stammen, ist Platons Konzept entweder nur statisch,2 weil herrschaftsbewahrend, oder revolutionär,3 weil doch die epistemologische Kraft der Argumentationssuche nach Gerechtigkeit den sophistischen Lordsiegelbewahrern der historischen Verhältnisse die political correctness austreibt und sie buchstäblich in ihrer zeitbedingten Angepasstheit von Regimen entkleidet. Beiden gängigen Interpretationsrichtungen entgeht hierbei das grundsätzliche Motiv der platonischen Dialoge ab der Politeia, das sich in immer deutlicher ausstrukturierten Aspekten der erkenntnistheoretischen Begründung der Frage Was ist der Mensch – in dieser Welt? widmet. Die theoretische Suche Platons ist zugleich eine methodologische.4 Selbst vor einer kritischen Bestandsaufnahme der eigenen Ideenlehre scheut der 1 Typisch hier die Behandlung bei Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie. Antike und Mittelalter, Tübingen 2002, S. 76 ff. – Sehr viel differenzierter neuerdings Seubert, Harald, Polis und Nomos. Untersuchungen zu Platons Rechtslehre, Berlin 2005, S. 443 ff. 2 Vgl. Saage, Richard, Demokratietheorien. Historischer Prozess – theoretische Entwicklung – soziotechnische Bedingungen. Eine Einführung, Wiesbaden 2005, S. 58 ff. 3 Vgl. Ottmann, Henning, Platon, Aristoteles und die neoklassische politische Philosophie der Gegenwart, Baden-Baden 2005. 4 Vgl. hier auch Böhme, Gernot, Platons theoretische Philosophie, Stuttgart/Weimar 2000.

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Autor nicht zurück. Egal ob im Phaidros, Parmenides, Theaitetos, Sophistes oder im Philebos, stets werden epistemologische Fragen als systematische Fragen behandelt. Nie geht es nur um die Sache, immer auch um die Methode des richtigen Erkennen-Könnens. Der Politikos wirkt neben dem Timaios in diesem Kontext zunächst etwas sperrig, weil konterkarierend zur reinen Erkenntnistheorie. Doch ist die traditionelle Lesart, die in dieser Schrift lediglich den Übergang von der edlen Ideenwelt der Politeia in den empirisch-strukturellen Normativismus und Funktionalismus der Nomoi sieht, alles andere als zutreffend. Platon behandelt hier nicht weniger systematisch die epistemologischen Grundlagen wie in der kosmologischen Ausrichtung des Timaios. In methodologischer Hinsicht kann (und muss) der Politikos sogar als Zwillingsstück zum Sophistes gesehen werden. Staatsmann und Philosoph stehen sich als ideale Repräsentanten der Erkenntnis des Lebens komplementär gegenüber. Systematisch betrachtet lässt Platon hier eine Kernforderung der Politeia, nämlich die der Philosophenherrschaft, argumentativ auf ihre jeweiligen Basisfaktoren hin durchleuchten. Somit ist der Politikos wesentlich mehr als nur ein Zwischenglied in der Argumentationskette von der Politeia zu den Nomoi: Er ist in systematischer Hinsicht vielmehr der Mittelpunkt selbst. Im Gefolge der Politeia wird hier die Staatsformenlehre abgehandelt als Eigenschaftsmerkmale dessen, was jeweils von den handelnden Akteuren gekonnt werden müsste, aber eben so nicht ist.5 Heraus kommt zwar noch das Plädoyer für den weisen und gerechten Staatsmann, aber schon die abschließende Behandlung der Gesetzesfrage verweist auf die systematischen Betrachtungen im Spätwerk.6 Doch im spezifischen, hier epistemologischen Sinn ist gar nicht die inhaltliche Thematisierung des gerechten Herrschers das Entscheidende für die politische Lehre Platons, sondern seine heuristischen Zugänge bzw. seine hierbei formulierten Ausblicke. Die folgenden Überlegungen widmen sich daher dem methodologischen Beweisverfahren und haben alsdann die erkenntnistheoretische Rückführung an die Politeia zum Ziel.

II. Das dihairetische Verfahren Das methodologische Verfahren, mit dem Platon seine Ideenlehre selbstkritisch absichert bzw. neu organisiert, liegt im Konzept der Dihairesis begründet.7 Hierbei wird ein Begriff, um den im jeweiligen Dialog gerungen wird, 5 Vgl. Platon, Politikos, in: ders., Sämtliche Werke Bd. VI., bearb. v. Peter Staudacher, hrsg. von Gunther Eigler, Darmstadt 1990, S. 403–579, hier: 291d ff. 6 Vgl. ebd. 297c ff. 7 Vgl. hierzu u. a. Nitschke, Peter, Staatsräson kontra Utopie? Von Thomas Müntzer bis zu Friedrich II von Preußen, Stuttgart/Weimar 1995, S. 24 ff. – Böhme, Platons theoretische Philosophie, S. 109 ff.

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auf seine Einzelteile hin durchleuchtet und zerlegt. Streng genommen ist es eine Suche nach Basissätzen, wenn man die moderne wissenschaftstheoretische Terminologie anlegt. Ein jeder Ober- oder Zentralbegriff wird in zwei Begriffseinheiten gespalten, die wiederum für sich jeweils eine weitere Zweiteilung ergeben. Diese Reduktion der Begrifflichkeit in Form fortwährender Abspaltungen führt zu satzlogischen Aussagen a) in Bezug auf den zentralen Eingangsbegriff, b) in Bezug auf die jeweilige Aussageebene, die in den Zweiteilungen gefunden wird. Platon untersucht in den Dialogen nicht sämtliche Abspaltungen, sondern er konzentriert die Dialogpartner jeweils auf eine bestimmte Seite der Zweiteilungen. Wichtig ist hierbei, dass die Teilungen nicht einfach irgendwelche Teilmengen des Begriffs beinhalten, sondern spezifische, d.h. auf ihre Weise weiterhin zentrale Aspekte des Oberbegriffs anzeigen. Auch müssen die jeweils gefundenen Unterbegriffe adäquat sein, d.h. auf ihrer Bedeutungsebene eine symmetrische Korrelation darstellen können, gerade auch, wenn sie etwas Verschiedenes anzeigen. Die Erkenntnis im Dialog ist schließlich immer dann fortschreitend, wenn die Unterbegriffe bei den Abspaltungen ein heuristisches Gegensatzpaar anzeigen können. Der Vorteil dieser Methode besteht in zwei außerordentlich subtilen Effekten: Einerseits ist es den Dialogpartnern (und damit auch dem Leser) möglich, ihr jeweiliges begriffliches Verständnis messtechnisch zu kontrollieren. Konträre Assoziationen und Definitionen müssen hierbei so lange erörtert werden, bis ihre Unhaltbarkeit evident geworden ist – oder aber zu einer neuen Abspaltung im Begriff führen. Damit ist das dihairetische Verfahren zugleich eine systematische Anleitung zum selbstkritischen Umgang mit den Begriffen, die auf dem Gebiet des Politischen zumal allzu schnell von gängigen Vorurteilen, pauschalen Zuordnungen und besonders von ideologischen Verzerrungen geprägt werden. Die Dihairesis erlaubt den platonischen Gesprächspartnern kritisch und gegenkritisch zugleich zu sein. Sie beinhaltet eine präzise Anleitung zur Selbstreflexion, wobei – und das ist hermeneutisch das Entscheidende – keiner der Dialogpartner von vornherein weiß, was am Ende dabei herauskommen wird. Das sokratische Fragen und Nicht-Wissen wird hier also ergänzt durch eine Methodik der Selbstreflexivität auf genau jenem Gebiet, das für Menschen (in der Politik) entscheidend ist – nämlich in der Anleitung zum richtigen Sprechen über die Natur der Dinge. Da das Zweiteilungsverfahren im Prinzip ad infinitum geführt werden könnte, handelt es sich hierbei letztlich um eine ontologische Mission. Epistemologisch werden Satzpaare konträrer Art gebildet, die ihre Entsprechungen in der Wirklichkeit haben müssen. Was nur dem Anschein nach ist, kann (und wird) auch im dihairetischen Verfahren nicht bestehen. Im Gegensatz zur reinen Ideenlehre vollzieht also die Dihairesis bei Platon den Rückgriff auf die empirische Vorfindbarkeit der Dinge in der Natur. Empirie und Ontologie bilden hier keinen Gegensatz. Was empirisch

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richtig ist, muss sich auch in einem ihm angemessenen Begriff wiederfinden können. Der Begriff selbst ist aber, und das ist das Problem, nicht einfach abhängig von der empirischen Vorfindbarkeit der Dinge, sondern von seiner satzlogischen, durch die Struktur der Sprache präformierten Bedeutung. Diese ist aber nie eindeutig, da es wiederum um die Wahrnehmbarkeit der formulierten Sätze geht, die ganz unterschiedlich von den Adressaten empfunden werden können. Messtechnisch erlaubt daher das dihairetische Verfahren eine Selbstkontrolle im Dialog: Dieser führt nicht irgendwohin, ist also kein simples Plaudern oder gar Gerede um des Sprechens willen, sondern ein kontrollierter Vorgang. Wenn die Gesprächspartner sich in den Zweiteilungen verrennen, werden sie dies auch merken. Platon lässt Sokrates mit seinen Kontrahenten mitunter in ideologische Fallen hineintapsen, wobei sie dies erst im Nachhinein, d.h. auf einer späteren Ebene des Dialogs tatsächlich bemerken. Was z. B. noch im ersten Buch der Politeia beim Streit mit dem Sophisten Thrasymachos wie ein Irrläufer in der Sache aussieht, ist faktisch eine kontrollierte Protokollführung zur Aporie. Im Sophistes und im Politikos hat Platon dies systematisch auf die Spitze getrieben: Wenn man sich in der Zweiteilung des Begriffs verrennt, merkt man dies schon bei der nächsten Unterstufe in der Terminologie. Dann gilt es zur vorherigen satzlogischen Bestimmung zurückzukehren, um eine erneute, bessere Zweiteilung hier vorzunehmen. Im Politikos wird dieses Verfahren bezeichnenderweise an jener Stelle paradigmatisch durchexerziert, an der es im Dialog um die Qualität der richtigen Führungskunst des Politikers geht. Man tut gut daran, die inhaltlich z. T. belustigenden Aussagen in ihrer epistemologischen Bedeutung ernst zu nehmen, weil sie in Bezug auf das Führungsproblem des Philosophenherrschers mehrere heuristische Grundsätze offenbaren.

III. Die Baukunst des Politikers Bei der Suche nach den Kriterien für einen Politiker, der spezifische Qualitäten im Sinne von Könnens-Eigenschaften haben muss, gelangen die Dialogpartner im Politikos u. a. auf das analoge Funktionsfeld der Baukunst. Wie bei der Webkunst, die im Anschluss hieran ebenfalls dihairetisch erörtert wird, handelt es sich hierbei um ein Arbeitsgebiet, daß in seiner heuristischen Bearbeitung empirisch als gesichert betrachtet werden kann, da es Funktions- und Arbeitsabläufe beinhaltet, die man aus der Normalität des Alltags rekonstruieren kann. Die Gesprächspartner reden also über etwas, was sie sehen können, d.h. der Gegenstand ihrer satzlogischen Betrachtungen ist erfahrbar, weil er im Alltag der Anschauungsmöglichkeiten real

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praktiziert wird. Nun könnte man hier einwenden, dass die Analogisierung der Baukunst mit den Tätigkeiten des Politikers das Problem der Realität im Sinne einer ontologischen Wahrhaftigkeit der Dinge nicht löst, denn zweifellos könnte auch die als wahr genommene Realität des Baumeisters eine falsche Zuschreibung beinhalten. Platon geht aber offenbar davon aus, dass dieser sichtbare (und erfahrbare) Teil des menschlichen Könnens, das Bauen als praktisches Handwerk, in seinem empirischen Gehalt unstrittig ist. Dass die Baukunst eine soziale Funktion hat, ergibt sich unmittelbar aus der Bedeutung des Oikos selbst: Sie ist technisch, indem sie Fähigkeiten des Menschen verbindet mit Produktionsergebnissen, die im Wesentlichen etwas anderes darstellen als nur die Funktionserfüllung des Baumeisters selbst. Und hier liegt schon der tiefere Sinn für das analoge Verfahren der dihairetischen Zuschreibungen: Bevor noch der Begriff selbst zerlegt wird, ist durch die jeweils (im Konsens der Gesprächspartner) gewählte analoge Zuordnung mit dem Vergleichsbegriff eine paradigmatische Aussage verbunden: So, wie der Baumeister, trotz Befehlen und Ordnen, in der Regel nicht für sich selbst tätig wird, sondern für andere, ist der Politiker als Herrscher, nicht aufgrund seines Selbstinteresses, gefragt. Geht man die Einteilung der Erkenntnis-Positionen im Politikos hierzu durch, dann ergibt sich eine Zehnerreihe an Bedeutungsebenen im dihairetischen Verfahren:8 1. Zunächst wird festgestellt, dass der Politiker als Herrscher (wie der Baumeister) anordnen und beurteilen muss. Auf dieser ersten Zuschreibungsebene entscheidet sich Platon nun für die Seite des Anordnen-Könnens. Die Zweiteilungsmöglichkeiten des Beurteilen-Könnens werden hier nicht weiter verfolgt. 2. Das Anordnen-Können wird in ein Eigengebot und in ein Fremdgebot aufgeteilt. Das Fremdgebot wird nicht weiter verfolgt, die Qualität des eigenverantwortlichen Handelns interessiert hierfür umso mehr. 3. Eigenverantwortlich handeln Wesen, die entweder beseelt oder unbeseelt sind, lautet die dritte Zweiteilung, die Platon hier vornimmt. Es liegt in der Natur der Sache, d.h. der leitenden Fragestellung, dass die unbeseelten Wesen hier nicht weiter verfolgt werden. Damit hat der Dialog an dieser Stelle schon eine ontologische Differenzierung zu Lebewesen vorgenommen, die etwa (wie Bienen und Ameisen) Ordnungsstrukturen vorweisen, denen dabei aber keine Seelenhaftigkeit zugeschrieben wird. 4. Die beseelten Wesen werden nun aufgeteilt zugunsten einer Existenz in Herdenzucht bzw. in Einzelzucht. Die Erörterung der Einzelzucht fällt 8

Vgl. Platon, Politikos, 259d–267a.

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weg. Die aristotelische Definition des zoon politikon findet also hier schon ihre paradigmatische Vorwegnahme. Der Mensch ist ein beseeltes, in Herdenzucht lebendes Wesen. 5. a) In der Mitte dieser Zehnerreihe wird nun nicht zufällig eine Aufteilung gewählt, die scheinbar schon alles beantwortet, sich aber dann als das eigentliche Problem darstellt. In der Herdenzucht wird zwischen Mensch und Tier aufgeteilt. Das macht in Bezug auf den Ameisen- und Bienenstaat sehr viel Sinn, stellt jedoch eine gattungsspezifische Zuordnung dar, die bisher in der Dihairesis von den Gesprächspartnern eben so gerade nicht verfolgt wurde. Bisher sind lediglich Eigenschaften im Sinne von Prädikationen der Substantive erörtert worden und nicht Substantive selbst. Die Vermengung eines prädikativen Teils mit der Art des Ganzen führt heuristisch zu einem falschen Bild. 6. a) Der heuristische Fehler zeigt sich beim nächsten Aufteilungsfeld ganz deutlich: Ausgehend vom Menschen schlagen die Diskussionspartner hier eine Unterteilung zwischen Griechen und Barbaren vor. Diese Zergliederung ist eine reine Festlegung auf die Art, beinhaltet keinerlei prädikative Bindung und ergibt von daher keinen rechten kognitiven Wert für die Baukunst als Herrschaftskunst. Griechen und Barbaren bilden zwar einen Gegensatz, aber nur einen typologischen und eben keinen qualitativ-ontologischen in dem Sinne, dass hier etwas unterschiedlich ist in seinen Eigenschaften des menschlichen Könnens. Die Diskussionspartner erkennen, dass sie zu früh in der Begriffsdichotomisierung assoziativ auf eine ontologische Differenz von Mensch und Tier gesetzt haben. Sie gehen zurück auf die Unterscheidungsebene (4.) und nehmen ausgehend von der Herdenzucht eine neue Begriffsaufteilung vor. 5. b) Die neue Aufteilung sieht eine Differenzierung in Zahmes und Wildes vor. Damit ist die Frage der Herdenzucht aus der Erkenntnisebene (4.) adäquat wiedergegeben und auch eine Verwechslung von Teil und Art ausgeschlossen. Das Wilde in der Herdenzucht wird nicht weiter verfolgt, dafür umso mehr die Frage des Zahmen. 6. b) Die nunmehr neu zu bestimmende Erkenntnisebene (6.) bezieht sich auf eine Unterscheidung zwischen der Zucht von Landgängern und der Zucht von Schwimmtieren. Man merkt an dieser humoristisch anmutenden Differenzierung, worin für Platon das ontologische Problem in der Herrschaftsfrage des Menschen als Gattungsfrage besteht – nämlich in der formallogischen Abgrenzung zum Tierreich. Die weitere Erörterung einer Zucht von Schwimmtieren scheidet für den Menschen natürlicherweise aus, da das Schwimmen nicht zu seinen spezifischen Eigenschaften als Herdenwesen gehört.

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7. Die Zucht von Landgängern wird nunmehr unterteilt in die Klassifikation Fußgänger und Geflügeltes. Das Geflügelte wird weggelassen, denn augenscheinlich gehört der Mensch zu den Landgängern. 8. Als Fußgänger gibt es ungehörnte und gehörnte Wesen. 9. Ungehörnte Wesen haben zwei Füße oder vier Füße. Spätestens hier wird die Baukunst immanent nur noch dem Menschen zuzuschreiben sein. 10. Als letzte Unterscheidung offeriert Platon im Dialog für die Qualität der Zweifüßler die Aufspaltung in nackt und gefedert. Damit ergibt sich eine zunächst eigenwillig anmutende Aussage auf die Eingangsfrage, was die Baukunst als Herrschaftskunst beinhaltet. Der letzte Basissatz in dieser Zehnerreihe lautet scheinbar banal: Der Mensch ist nackt.9 In der formallogischen Gesamtaufstellung des dihairetischen Verfahrens für die hier gewählte Sachfrage wird auch in der Übersicht deutlich, wie sehr die Diskussionspartner den Analysegegenstand sprachlich in der Logik der Satzaussagen kontrollieren können. Der Gedankenfehler im Mittelfeld der Zehnerreihe (5. a)–6. a)) durch eine Verwechslung von „Teil und Art“ wird erkannt und zurückgenommen,10 indem man die falschen Analogien durch neue ersetzt (vgl. Satzschaubild). Satzschaubild der dihairetischen Methode im Politikos: 1. 2. 3. 4. 5. a) 6. a) 5. b) 6. b) 7. 8. 9. 10.

Anordnen Eigengebot Beseelt Herdenzucht Mensch Griechen Zahmes Zucht von Landgängern Fußgänger Ungehörnt Zwei Füße Nackt

– – – – – – – – – – – –

Beurteilen Fremdgebot Unbeseelt Einzelzucht Tier Barbaren Wildes Zucht von Schwimmtieren Geflügeltes Gehörnt Vier Füße Gefedert

9 Nackt = yœlüò. Hiermit ist aber nicht nur die Nacktheit als etwas Kahles, Glattes und Unbekleidetes gemeint, sondern der Begriff assoziiert auch den Zustand des Ungeschützten und Unbewaffneten! – Im Verbum yœlüw geht es zudem auch um die Beraubungsfunktion. 10 Ebd. 263a.

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Der Sinn des methodologischen Verfahrens ist auf den ersten Blick nicht richtig zu erschließen, denn die am Ende getroffene Satzaussage von der Nacktheit des Menschen erscheint vordergründig und banal. Doch muss man eigentlich nur den Eingangssatz hierzu in Korrelation stellen. Die Eingangsfrage war, was die Baukunst als Herrschaftskunst ausmacht – und was dies für die qualitative Bestimmung des Politikers bedeutet. – Die Antwort lautet nun im Rahmen der Bedeutungsrelationen der dihairetischen Zehnerreihe: Der Politikos ist ein Herrscher, der wie ein Baumeister arbeitet, indem er anordnet, Eigengebote macht (etc.), weil der Mensch nackt ist!

IV. Der nackte Mensch und die politische Herrschaft Was hat die Nacktheit des Menschen mit der Frage nach der politischen Führungskunst zu tun? – Offensichtlich versteckt Platon hier in seinem symbolischen Hinweis auf die ontologische Qualität der menschlichen Existenz eine naturrechtliche Begründung, die ihrerseits schwerwiegende Konsequenzen für den Politik-Begriff und damit auch für das handelnde politische Personal hat. In der sprichwörtlichen Nacktheit seiner physischen Existenz kann der Mensch (an sich) nicht überleben. Für all das, was ihn zum Menschen macht, bedarf es einer Sozialität, die nicht zufällig von Platons Meisterschüler zum bekannten Bild des zoon politikon ausgebaut worden ist. Die Nacktheit wird kompensiert durch die Herdenstruktur, in der es zu Ausgleichshandlungen unter den (an sich) Nackten kommt. Das betrifft Funktionsabläufe in der Organisation von Arbeitsleistungen, aber eben auch normative Anerkennungsprozesse unter den Beteiligten. Doch die Sozialität ist in der platonischen Lesart nur bedingt eine freiwillige. Hier fehlt der Gestus der Aufklärungsphilosophie, der in einem individuell-freiwilligen Anerkennungsprozess der Vernunft nach die Ausrichtung auf die soziale Struktur findet. Statt dessen wird hier daran erinnert, dass der Mensch ein Herdenwesen ist, daß sich in der Herde ein- und unterordnet – nicht einfach weil man so nett ist, sondern weil man gezähmt worden ist bzw. immer auch gezähmt werden muss.11 Die Herdenzucht der dihairetischen Erkenntnisebene (4.) liefert somit systematisch die Bestätigung für die Anordnungsund Gebotsseite des Herrschers. In der Herde bleibt man nur, weil es um die Zucht und Züchtigung geht. Normative, ideale Momente treffen sich hier mit funktionalen. Politische Führung, so lernen wir hier, ist deshalb notwendig, weil es um die Zucht der Herde Mensch geht. Nicht irgendwie, sondern in bestimmter Weise und zu einem bestimmten Zweck. Die Zwecke muss der Politiker als Herrscher wie bei der Webkunst aus verschiedenen 11

Der Gegenbegriff in der Erkenntnisebene 5. b) ist nicht zufällig das Wilde!

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Webstoffen zusammensetzen können. Politik, so lautet die Definition bei Platon, beinhaltet „die Sorge für eine gewisse Herde“, ist im spezifischen „die Wissenschaft der Gemeindezucht der Menschen“.12 Die Nacktheit ist in dieser Hinsicht ontologische Metapher für die anthropologische Bedürftigkeit des Menschen. Ohne Herdenstruktur, ohne politische Führung, kommt der Mensch nicht aus. Es würde ansonsten das drohen, was in der zunächst falschen Begriffszuordnung der Erkenntnisebene 6. a) angedeutet wird: eine barbarische Existenz, die alles andere als zahm wäre. Der Politikbegriff entzündet sich demnach für Platon an der Kunst des Anordnens und des Zähmens der Bedarfshaltungen der Menschen. Ohne diese Ordnungsbestimmung würden die Menschen sprichwörtlich nackt bleiben. Politik hat somit die Funktion einer Bekleidung, was im Bild der Zivilisierung der Aufklärungsphilosophie des 17. und 18. Jahrhunderts angesichts des Stereotypus vom Natürlichen Wilden ebenfalls so empfunden worden ist – mit dem Unterschied allerdings, dass es hier die Vernunft sei, demzufolge Zivilität erreicht werden kann, während es bei Platon eine unausgesprochene, doch deutlich zu verstehende hierarchische Intention gibt.13 Wenn man nur nackt bliebe, wäre man letztlich unpolitisch. Politik führt zum Ankleiden des Menschen. Erst von hierher ergibt sich der interne systemische Sinnzusammenhang für die Begründung der sozialen Existenz. Diese kann ohne Herrschaft nicht auskommen, sonst ist sie alles andere als sozial: Zucht und Pflege, die Prinzipien der Gewaltsamkeit und der Freiwilligkeit, die gottgleiche Funktion des menschlichen Vorsorgers, all dies wird im weiteren Verlauf des Politikos von den Diskussionspartnern ebenfalls im dihairetischen Verfahren erörtert.14 Entscheidend ist hierbei stets die epistemologische Funktion des zu erreichenden Gesprächsniveaus, die in ihrer Kernaussage das Leitbild des einen wahren und gerechten Philosophenherrschers aus der Politeia bestätigt. Doch genau hier ergibt sich das Problem, dem sich Platon auch selbst stellt – ohne es tatsächlich lösen zu können. Denn im heuristischen Sinne kann der Philosophenherrscher niemals zur Macht gelangen, weil die Menschen ihre Herdenstruktur falsch einschätzen, 12

Platon, Politikos, 267d. Eine mögliche Herrschaftsfreiheit, wie sie etwa in der anarchistischen Utopie bei Gabriel de Foigny (1676) mit dem Prinzip der Nackheit offeriert wird, ist bei Platon undenkbar. Vgl. hier Saage, Richard, Utopische Profile. Bd. II – Aufklärung und Absolutismus, Münster u. a. 2002, S. 41. – Vgl. auch Kohl, Karl-Heinz, Der Gute Wilde der Intellektuellen. Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte einer ethnologischen Utopie, in: Monika Neugebauer-Wölk/Richard Saage (Hrsg.), Die Politisierung des Utopischen im 18. Jahrhundert. Vom utopischen Systementwurf zum Zeitalter der Revolution, Tübingen 1996, S. 70–86. 14 Vgl. Platon, Politikos, 275d ff. 13

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da sie den Sinn der Nacktheit ontologisch missverstehen. Dies lässt sich mit dem Ausblick, quasi den Arbeitsergebnissen des Politikos, deutlicher anzeigen. Als Mittel der Politik werden hier zugunsten der richtigen Herrschaft festgemacht:15 (a) die Rhetorik, (b) die Gewalt und (c) die Rechtsetzung. Doch sind dies nur Mittel zum Zweck. Das eigentlich zentrale Medium für Politik bleibt nach wie vor das richtige Erkennen-Können des Politikers. Genau hierin besteht die wesentliche Qualität: das Richtige erkennen und zusammenbringen, was zusammenpasst – bzw. ontologisch gesehen: was zusammengehört! Für die königliche Webkunst existiert jedoch ein kognitives Problem in der Vermittlung ihrer Inhalte. „Gibt es also eine königliche Kunst“, formuliert Platon,16 „so kann der Haufe der Reichen und das Volk insgesamt diese Staatswissenschaft doch niemals besitzen“. Die politische Kunst des Zusammenführens von scheinbar unterschiedlichen Dingen und Ansprüchen ist nur für eine expertokratische Kaste möglich. Wissen, was politisch sinnvoll ist und was das Gebot der Stunde heißt, ist nur wenigen (auf)gegeben. Das ist die Stunde der Wächter aus der Politeia. Sie müssen Soldat und Philosoph gleichermaßen sein.17 Auch wenn Platon die Gewaltmittel nicht bevorzugt, sind die Ordnungsleistungen der Wächter so lange an Zwang gebunden, wie beim normalen Volk die Einsicht in die Notwendigkeit der Dinge fehlt. Genau hier liegt das epistemologische Problem im Paradigma der Philosophenherrschaft: Die Masse kann nicht Philosoph sein! – Philosoph ist immer nur der Einzelne. Selbst bei den Wächtern kann man hier eine Depotenzierung der Erkenntnisgrade in der Anerkennung des Guten konstatieren. Auch die Dialektik, als wahre Kunst des Erkennens, kann man nicht jedermann überlassen. Nur die Besten sind hier geeignet, dieser Erkenntnismethode nachzugehen.18 Von daher ergibt sich ein grundsätzliches Dilemma für das Praktischwerden der platonischen Philosophie. Ein Staat ist sicherlich funktional möglich, der so, wie er in der Politeia beschrieben ist, organisiert wird. Doch wie soll man dahin kommen? 15

Vgl. ebd. 303e–305e. Ebd. 300e. 17 Ich folge hier der neuesten Übersetzung des 7. Buches der Politeia meines Kollegen Rehn, Rudolf (Hrsg.), Platons Höhlengleichnis. Das Siebte Buch der Politeia. Griechisch-deutsch, übersetzt, erläutert v. R. Rehn, mit einer Einleitung v. Burkhard Mojsisch, Mainz 2005. Im Folgenden zitiert nach Platon, Höhlengleichnis, hier: 525b. 18 Vgl. ebd. 539d. 16

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Hier liegt das tiefere epistemologische Problem, was sich mit dem Anspruch auf die Philosophenherrschaft verknüpft. Wenn der Mensch (in der Masse) nackt ist und meint, ohne richtige Politik auskommen zu können, wird es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich mit der Institutionalisierung der Herrschaft des philosophischen Politikers. Um dies zu verdeutlichen, bedarf es einer rückführenden Perspektive auf die Konstellation im Höhlengleichnis.

V. Die epistemologischen Voraussetzungen in der Höhle Die Situation in der Höhle wird bekanntlich als Gleichnis für den Aufklärungsanspruch des Menschen gelesen. Zugleich ist damit ein Bildungs- und Erziehungsanspruch verbunden. Die Gefesselten in der Höhle sind „Gefangene aber, die uns gleichen“.19 Die Gefangenschaft besteht aus einer strukturierten Unmündigkeit zur wahren Selbstreflexion. Selbst die Menschen jenseits der Mauer am Feuer, für die schon eine Herrschaftssituation kennzeichnend ist, machen sich etwas vor, wenn sie das Feuer als wahre und einzige Quelle des Lichts – und damit der Erkenntnis – annehmen. Insofern sind in der Höhle alle Gefangene, nicht nur die Gefesselten vor der Wand, sondern auch die politici, die sich jenseits der Mauer aufhalten und den übrigen mit ihren Schattenproduktionen Dinge vorgaukeln, die in Wirklichkeit anders aussehen. Man kann hier durchaus von einem doppelten Gefangenendilemma sprechen, weil die Situation systemisch alle in die trughafte Annahme mit einbindet, dass die Höhle schon der wahre Ort des Lebens sei. Selbst das Bewusstsein dafür, dass die Höhle nur eine Höhle ist, existiert hier an keiner Stelle für die Beteiligten. Sie sind ontologisch voll und ganz auf den Höhlenzustand verwiesen. Aus dieser Gefangenschaft als strukturelles Moment einer kognitiven Unmündigkeit führt nur der Philosoph heraus, der an sich selbst zunächst die notwendige Erkenntnis des wahren Seienden durchexerzieren muss. Denn nur wer die Welt betrachten kann, „wie sie (wirklich) ist“,20 wird in der Lage sein, das richtige von dem falschen Tun zu trennen. Der aufklärerische Erkenntnisvorgang des Höhlengleichnisses liegt also im Bereich der Handlungsethik selbst. Nur wer hierin solide die Umsetzung von der Theorie in die Praxis vollziehen kann, um es in die moderne Epistemologie zu übersetzen, der wird in der Lage sein, zu sagen, was denn „im öffentlichen Interesse“ liegt und was nicht.21 19 20 21

Ebd. 515a. Ebd. 516b. Ebd. 517c.

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Zunächst gilt hier: Aufgrund der seelischen Existenz kann (im Prinzip) jeder lernen, einzusehen.22 Faktisch stößt dieses Aufklärungsgebot aber an die natürlichen Grenzen in Form der Lernpotentiale der Menschen. In der Summe, d.h. in der Masse, wird der Erkenntnisgewinn immer nur gering bleiben – gemessen an den Möglichkeiten des einzelnen (Philosophen). Die Periagoge, der Aufstieg, ist daher für den Philosophen zugleich auch verbunden mit der sozialen (und politischen) Verpflichtung, wieder hinabzusteigen in die Höhle.23 Die Herrschaftsfunktion, die Platon hierbei den Philosophen zukommen lässt, ist die einer Erkenntnisgewinnung, bei der letztlich der Einzelne als Bürger zu einer systematischen Selbstaufklärung angeleitet werden soll: Das Gesetz, das hierzu erlassen werden muss, führt „die Bürger durch Überredung und durch Zwang zusammen“ und bewegt sie dazu, „sich wechselseitig an dem Nutzen teilhaben zu lassen, den jeder Einzelne dem allgemeinen Wohl zu leisten vermag“.24 Kant wie auch die Autoren der Federalist Papers haben hier auf je unterschiedliche Weise ihre unmittelbaren Anleihen machen können: Es ist „das Gesetz selbst“,25 was die Herrschaft des Schönen, Gerechten und Guten diktiert.26 Jede Abweichung von dieser Zielperspektive gleicht einer Herrschaft im Traum. Etwas anderes wird hier auch gleich mitdiskreditiert: Indem Platon die Agonalität als Prinzip des Politischen zurückweist und auf eine harmonische Ordnungsstruktur setzt, entbindet er das Verständnis des Politischen von der nutzvollen Dynamik der Interessenkonflikte. Bezeichnenderweise sind ihm denn auch gerade hierin die Autoren der Federalist Papers nicht gefolgt. Wenn Rousseau in der volonté général den größtmöglichen Konsens zugunsten des Volkes einfordert, ist dies ein aufklärerischer Nachklang zur platonischen Metaphysik, was aber zugleich auch deren Dilemma aufzeigt. Der Philosoph ist für Platon der einzige Ausweg: Er muss die Differenzierungslogik zwischen dem (jeweils) Einen und dem Nicht-Einen beherrschen, nur dann kann es gerechte Entscheidungen geben. Dabei muss der Philosoph auch kämpferisch sein können. Er ist Polemikos und Philosoph in Einem.27 Wie bei Hobbes beinhaltetet das richtige Denken „Quadrieren, Konstruieren, Addieren“ und Ähnliches.28 Dies alles sind jedoch nur Hilfstechniken zur Erkenntnis des wahren Einen. Denn es geht „bei dieser Wissenschaft [der Geometrie] um die Erkenntnis des immer Seienden“, „nicht aber um die Erkenntnis dessen, was bald entsteht und bald vergeht“.29 Die 22 23 24 25 26 27 28

Vgl. ebd. 518c. Vgl. ebd. 519d. Ebd. 519e–520a. Ebd. 520a. Vgl. ebd. 520c. Vgl. ebd. 525b. Ebd. 527a.

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Favorisierung der geometrischen Methode und der geometrischen Anlagen in den prämodernen Utopien ist folglich auch Ausdruck für dieses übergeordnete Verständnis in der Enttarnung von Welt. Die Welt ist nicht so, wie sie ist, sie wird erst durch die geometrischen Verknüpfungen zu dem, was den Menschen wirklich zum Mensch-Sein befähigt. Auch wenn dies nur ein metaphysischer Symbolismus ist, so sollte man seine epistemologische Funktion nicht unterschätzen. Diese Funktion wird durch die Dialektik noch unterstrichen, im spezifischen Sinne sogar erhöht, weil erst durch das dialektische Verfahren die substantiellen Erkenntnisakte einsetzen können: „Also geht allein die dialektische Methode, indem sie die Voraussetzungen aufhebt, auf den Anfang, um ihn abzusichern, und sie zieht das wahrhaftig in irgendeinem barbarischen Schlamm vergrabene Auge der Seele sanft hervor und führt es nach oben.“30 Die Geometrie vermittelt hierfür, wenn man so will, die angemessenen Proportionen. Der Philosoph, in seiner Eigenschaft als Wissenschaftler und Politiker, muss ein „gutes Gedächtnis“ besitzen, „belastbar“ sein „und in jeder Hinsicht Freude an der Arbeit“ haben.31 Gerade weil diese Eigenschaften nur einigen wenigen zukommen, ist die dialektische Erkenntnis auch nicht für jedermann zugänglich.32 Interessant ist, dass Platon für seine Politiker und Philosophen neben der Tapferkeit und Vernunft auch die Schönheit einfordert: Nach Möglichkeit sollen es auch die sein, „die am besten aussehen“.33 Warum dieses? – Entspricht die Hässlichkeit oder ein weniger vorteilhaftes Äußeres der inneren, unvollkommenen Struktur der Seele? Das kann wohl kaum der Fall sein. Oder meint Platon, dass hübsche Menschen leichter ihre Mitmenschen überzeugen können, um sie aus der Höhle zu führen? Wenn das der Grund wäre, dann sind die Wächter auch so etwas wie 29

Ebd. 527b. Ebd. 533c/d. Im Rahmen der Philosophie, die von Platon als „Wissenschaft des Wissens“ verstanden wird (Mojsisch, Burkhard: Einleitung, in: Rehn (Hrsg.), Platons Höhlengleichnis, S. 12), kommt der Dialektik die höchste (und letztlich) einzig wirklich befriedigende Steuerungsmöglichkeit zu, mit deren Hilfe man das Wissen als ein Selbstwissen in Erfahrung bringen kann. Eben deshalb ist das dihairetische Verfahren das methodologische Kernprinzip in der platonischen Dialektik. Praxis, und insbesondere die des Politischen, ist hierbei nur dann wirklich erfahrbar, wenn sie mit einer Theorie deutbar geworden ist. Gleich den Menschen an der Schattenwand der Höhle bleiben wir so lange in unserem eigenen Tun und Denken uns selbst unerkannt, wie wir nicht zu einer wirklichen Interpretation und Selbstkontrolle im Wissen gelangen. Das geht nur mittels Theorie. Insofern ist es nicht einfach nur theoria cum praxi, wie Leibniz euphemistisch meinte, tatsächlich geht die Theorie der Praxis normativ wie teleologisch voran. Was theoretisch richtig ist, kann praktisch nicht falsch sein! Zumindest darin ist Kant kongenial platonisch. 31 Platon, Höhlengleichnis, 535c. 32 Vgl. ebd. 539d. 33 Ebd. 535b. 30

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schöne Verführer. Vielleicht aber ist diese Formulierung nur auf den Idealtypus des Schönen, Guten und Gerechten zu verorten, der im Rahmen einer geometrischen Harmonie auch hierin ein Höchstmaß an Auszeichnung verdient. Immerhin aber ist nicht zu leugnen, dass gerade diese Forderung im Zeitalter medientechnischer Verführungen für den Arbeitsbereich von Politikern eine attraktive wie auch problematische Gestaltungszone aufweist. Die Ambivalenz von Schein und Wirklichkeit, die in der Höhle systemisch eine Verdoppelung durch die Gruppe vor und hinter der Mauer erfährt, manifestiert sich aus platonischer Sicht auch in den Erkenntnispositionen der Sophisten. Sie, die die Dinge plappernd mit falschen Begriffen belegen und dann noch dazu Schatten produzieren, die ihrerseits vom Volk der Gefesselten nicht richtig zugeordnet werden können, wenden eine falsche Form der Dialektik an. Aus Platons Sicht sind die Sophisten „rücksichtslose Dialektiker“,34 Rechtsverdreher und sich sachkundig gebende Schwätzer, die ein schwächeres Argument zum stärkeren machen wollen – und zwar um jeden Preis. Die Sophisten sind die Alles-Könner, die zwar auch die ersten sind, die Wissen zu systematisieren suchen, jedoch nur mit dem funktionalen Ziel der Machtdurchsetzung (ihrer selbst). Gleichwohl hat Platon trotz aller grundsätzlichen Kritik an ihren Methoden auch eine Reihe von Übereinstimmungen mit ihnen. Darunter zählt nicht zuletzt die wichtige Überzeugung, dass Erziehung und Bildung nicht eine Frage der Abstammung sind (oder sein dürfen), sondern eigentlich nur eine der spezifischen Begabung.35 Damit ist die allgemein übliche Auffassung, das platonische politische System sei statisch,36 völlig irreleitend. Gerade weil bei Platon epistemologische Gewinne immer nur durch ein dialektisches Verfahren zu erzielen sind, ist die Dynamik auch für die gesellschaftliche Entwicklung strukturell vorgegeben. Statisch wird die Angelegenheit erst dann und dort, wo der Philosoph in seinem (königlichen) Unternehmen scheitert. Dann bleibt die Höhle tatsächlich im bittersten Sinn der Ironie statisch. Im eigentlichen Sinne also tragisch.

VI. Die Höhle als sicherer Lebensort Doch ist die Situation in der Höhle, auch wenn sie für alle Beteiligten in epistemologischer Hinsicht tragisch ist, weil jede Gruppe sich auf ihrer 34 Rehn, Rudolf, Anhang – Platon und die Sophistik, in: ders. (Hrsg.), Platons Höhlengleichnis, S. 198. 35 Vgl. auch ebd. 205. 36 Dies geht grundsätzlich auf Popper zurück, vgl. daher Popper, Karl R., Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Bd. 1 – Der Zauber Platons, 7. Aufl., Tübingen 1992.

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Ebene des Seienden etwas vormacht, vom Sinn des Daseins her zunächst gar nicht etwas Schlechtes. Die Höhle liefert schließlich auch Sicherheit in der Existenz. Sie ist ein geschützter Ort. Sie bewahrt den Menschen vor den Unbilden der Natur an der Oberfläche, wo die natürlichen Witterungsbedingungen nicht nur die Wärme der Sonne, sondern auch Sturm, Regen, Hagel und Blitz zulassen. Nicht zufällig zieht sich der Philosoph in einer Vorwegnahme des Höhlengleichnisses in der Politeia zunächst in eine Mauernische zurück, während die Karawane der Menschen im Regen weiterläuft und damit unter ihren Erkenntnismöglichkeiten bleibt, sich vor den Zumutungen der Natur zu schützen.37 Folgt man diesem symbolischen Hinweis, den Platon unmittelbar vor dem Höhlengleichnis gibt, ist die naturalistische Dimension im Gleichnis selbst auch kritisch zu sehen. Die Nacht über der Erde entpuppt sich als das wahre Dunkel gegenüber der Höhle! Auch die Schattenwelt versagt sich somit vor der alles entscheidenden Frage, wo denn das Nichts beginnt. Nur in der völligen Dunkelheit der Nacht, wenn keine Sterne und kein Mond am Firmament stehen, vermag der Mensch zu spüren, dass es etwas geben kann, was er nicht durchdringt. Die natürliche Dunkelheit der Nacht ist somit das epistemologische Äquivalent zur Helligkeit der Sonne. Beide Phänomene ergeben kognitiv einen blinden Fleck – der Nichtsichtbarkeit der Dinge in ihrer absolut wahren Dimension. Das bedeutet für die Antwort, die bei der baumeisterlichen Kunst des Philosophenherrschers im Politikos gefunden wird, eine Umkehrung in der Gleichnisstruktur. Der Sinn des Höhlengleichnisses bleibt zwar die Paideia – und damit wird auch die Funktion des politischen Philosophen durch den Politikos bestätigt, gleichwohl aber, was seine Realisierbarkeit angeht, selbstkritisch zurückgenommen. Denn anthropologisch nackt ist der Mensch an der Erdoberfläche, auch und gerade, wenn er doch dort alles hat. Bekleidet im sozialen Sinn, versehen mit technischen Hilfsmitteln wie dem Feuer, der Mauer und den selbstgeschaffenen Gegenständen, ist er (nur) in der Höhle. Die Höhle ist der spezifische Ort seiner Selbstillumination. Hier hat 37 Die symbolische Stelle im 6. Buch der Politeia lautet (496d/e): „wie einer im Winter, wenn der Wind, Staub und Schlagregen herumtreibt, hinter einer Mauer untertritt, froh sein [kann], wenn er die Andern voll Frevel sieht, nur selbst frei von Ungerechtigkeit und unheiligen Werken dieses Lebens zuzubringen“. Die Unbilden der Natur werden hier gleichgesetzt mit den sozial deformierten Strukturen, auf die sich die Menschen ohne philosophische Herrschaft eingelassen haben und stets einlassen werden. Wichtig ist jedoch an dieser Metapher, dass die Natur selbst nicht einfach nur gut ist. Der Schutz vor den Witterungsbedingungen kommt durch die (von Menschen gemachte) Mauer zustande! – Doch weiß in dieser Situation nur der Philosoph, wo er sich unterstellt. – Platon, Politeia. Sämtliche Werke V, griechisch/ deutsch, nach der Übersetzung Friedrich Schleiermachers, Frankfurt a. M./Leipzig 1991.

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man das Feuer gefunden und unterhält die Sozialstruktur. Hier ist man vor dem Wetter geschützt und offenbar verfügt man hier auch über die lebensnotwendigen Ressourcen. In der Höhle hat der Mensch (scheinbar) alles, was er braucht. Auch wenn die wahre Erkenntnis (der Natur) fehlt – vielleicht braucht er in der Regel gar nicht mehr als das, was er konkret in der jeweiligen Höhle zur jeweiligen Zeit vorfindet. Die Höhle ist der ontologische Ort der selbstdefinierten Existenz. Warum in den Himmel schauen, wenn der Mensch sowieso nicht fliegen kann? – Die Sonne wärmt, aber das Feuer tut es auch. Die Nacht draußen an der Oberfläche ist ja nicht wirklich beruhigend, erst recht nicht, wenn ein Unwetter tobt. Der Höhlenraum strukturiert sich durch den Menschen selbst, ist künstliche Natur in der vorfindbaren Natur, deren wahre Dimension ohnehin nur der Philosoph begreift. Aus Nacktheit an sich macht der Mensch in seiner Höhle ein Bekleidet-Sein – durch selbstgewählte Herrschaft! – Der Kern dieser Herrschaft ist Wissen. Auch wenn das Wissen um die Bedingtheit in der Höhlenexistenz nur rudimentär ist, vielleicht reicht es den meisten Menschen schon, um nach ihrer Selbstwahrnehmung angemessen existieren zu können. Wozu sich mit den Abgründen der Natur beschäftigen, wenn die Höhle als limitierter Ort des Seienden die Seelen der meisten zufrieden stellt? – Irgendeine Höhle, in die man hineingeboren wird, ist schließlich immer schon da: ihr kann man nicht ausweichen! Streng genommen geht es also nicht um die Abschaffung der Höhlenexistenz im Gleichnis, sondern um die Relativierung ihrer Hinnahme als einer absoluten Existenz des Seienden. Für den Menschen gibt es immer irgendeine Höhle. Die Frage ist nur: Welche? – Und vor allem: Ist es die richtige? Auch die Suche nach dem Licht hilft hier nur bedingt weiter. Platon bleibt letztlich skeptisch, was die wahre Erleuchtung angeht. Selbst die Sonne bringt Schmerzen: Und wenn der Philosoph „schließlich zum Licht käme, wären seine Augen nicht mit Helligkeit angefüllt und könnte er nichts von dem erkennen, was jetzt wahr genannt wird“?38 – So sind die allmählichen kognitiven Lerneffekte des Menschen an der Erdoberfläche „müheloser in der Nacht“ als bei Tage, wenn die Sonne grell ihr Licht entfaltet, zu erbringen.39 Die halbdunkle Welt der Höhle ist insofern auch ein natürlicher Schutz vor den Zumutungen der mediterranen Sonne und ihrer Hitze. Im Hinblick auf die symbolische Nacktheit des Menschen kann man nun sogar formulieren, dass ohne eine wirklich gelungene Herrschaftskunst die Menschen nur in ihren Höhlen überleben können. So unvollständig ihre Herrschaftstechnik dort ist und – eben weit von Gerechtigkeit entfernt – sie 38 39

Platon, Höhlengleichnis, Politeia 516a. Ebd.

Der „nackte Mensch“ – oder – Wie wird man Politiker?

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wie in einem Gefängnis hausen, ist dies allemal besser, als wenn die Herde sogleich ans wahre Licht der Sonne gebracht wird, wenn die Bildungs- und Erziehungsstruktur noch nicht gefestigt ist. Um zu den wahren Ordnungsstrukturen zu kommen, bedarf es einer kognitiven Revolution in der Politik der Höhlenwelt: „Dann sollen also nicht jene die Herrschaft erlangen, die Liebhaber der Macht sind, da sie sonst mit ihren Rivalen (um die Macht) kämpfen.“40 Doch werden die Machiavellisten, all diese Thrasymachosmenschen bereitwillig und kampflos das Feld räumen für einen Dahergelaufenen, der behauptet, an irgendeiner höheren Ebene gewesen zu sein, die kein Mensch je zuvor gesehen hat, der als einzigen Beweis für seine merkwürdigen Argumente nichts weiter anbringen kann als die Erinnerung an das zuvor Gesehene? – Ganz offenkundig ist der platonische Philosoph, der sich um die Wahrnehmung des Öffentlichen und seiner Reform bemüht in einer epistemologisch fast tragisch anmutenden Situation: Beweisen kann er in der Höhle gar nichts, nur behaupten. Wenn man ihm noch nicht einmal zum Höhlenausgang folgt, bleibt selbst die grundlegende Erkenntnis, dass es nur eine Höhle ist, schon als Basissatz nicht glaubhaft.41

VII. Der wahre Politiker Der Anspruch auf die (Selbst-)Findung des Philosophen als Herrscher bleibt somit in einem aporetischen Dilemma: Da die Masse nicht Philosoph sein kann, ist der Zugang über die philosophische Erkenntnis hier nur bedingt möglich, im spezifischen Sinne sogar eigentlich unmöglich. Die Menge wird immer die Höhle als den ihr angemessen Ort empfinden. Die Kaste der jeweils agierenden Politiker wird es nicht erlauben, dass da einer kommt und das Feuer als Selbstilluminierung entlarvt – geschweige denn die Mauer niederreißt. Auch wenn philosophisch gesehen das Höhlengleichnis den Erkenntnisgewinn steigert, indem es zu einer Optimierung des Wissens stimuliert, bedeutet dies für die politische Seite noch keine systematische Verbesserung der Ausgangssituation. Herrschaft über die Herde wird bleiben. Die Frage ist nur, in welcher Qualität. Die idealtypische Konstruktion des einen, wahren Philosphen erweist sich hinsichtlich ihrer Praktikabilität als heillose Überforderung der ontologi40

Ebd. 521b. Es ist insofern folgerichtig, dass jemand wie Morus den epistemologischen Gegensatz zwischen Philosophie und Herrschaft für nicht aufhebbar gehalten hat. Der Philosoph als Staatsmann wird das herkömmliche Spiel der Machiavellisten nicht mitspielen können und notwendigerweise gerade deshalb scheitern! – Vgl. Morus, Thomas, Utopia, in: Klaus J. Heinisch (Hrsg.), Der utopische Staat, übersetzt u. mit einem Essay zum Verständnis der Werke, Bibliographie und Kommentar, Reinbek b. H. 1960, S. 43 f. 41

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schen Dimension von Macht und Herrschaft. Während in der Natur der Bienen die wahre Königin festgesetzt wird, weil sich ihre Existenz „gleich nach Leib und Seele einzig unterscheidet“,42 so gilt dies für die Menschenwelt so eben nicht. Hier besteht durchaus eine anthropologische Gleichheit in Form einer kontextbezogenen Unwissenheit über die Struktur der Dinge. D.h., der wahre König muss hier erst (noch) gefunden werden in Form einer Ausbildung. Er ist nicht einfach ontologisch vorhanden. Da aber die meisten politischen Ordnungen zur Herrschaftskunst keinerlei Profile in der Ausbildung entwickeln, gehen sie „auch unter wie leck gewordene Schiffe und sind untergegangen und werden noch untergehen wegen des Steuermanns und der Schiffsleute Schlechtigkeit, die in den größten Dingen die größte Unwissenheit besitzen, und ohnerachtet sie in Staatssachen von gar nichts etwas verstehen, doch meinen, in allen Stücken unter allen Wissenschaften diese gerade am sichersten innezuhaben“.43

42 43

Platon, Politikos, 301e. Ebd. 302a/b.

The Dream Worlds of Tyrants1: The Teachings of Socrates’ Students Manfred Henningsen In Plato’s Republic, Socrates introduces the tyrant as the counter figure to the mode of being that he represents, the questioning philosopher. Though it was not a tyrant that terminated his life in Athens in 399 B. C. but a jury of the democratic polis, the tyrannical mentality was on display in the resentful persecution of the historical Socrates as well. The symbolically resurrected Socrates connects the “individual of tyrannical character” with the “democratic man” (571a).2 He suggests that all humans are born with some “unnecessary pleasures and desires which are lawless and violent”. Still, “they are disciplined by law and a combination of reason and the better desires [. . .]” (571b). In response to a question about the sort of these desires, he presents an interpretation that 2200 years later becomes one of the core tenets of Sigmund Freud’s psychoanalysis. He says: “The sort that wake while we sleep, when the reasonable and humane part of us is asleep and its control relaxed, and our fierce bestial nature, full of food and drink, rouses itself and has its fling and tries to secure its own kind of satisfaction. As you know, there’s nothing too bad for it and it’s completely lost to all sense and shame. It doesn’t shrink from attempting intercourse (as it supposes) with a mother or anyone else, man, beast or god, or from murder or eating forbidden food. There is, in fact, no folly nor shamelessness it will not commit” (571c–d). After getting sidetracked about the appropriate management of desires, he returns to the tyrannical disposition in all humans and says: “[. . .] that even in the outwardly most respectable of us there is a terribly bestial and immoral type of desire, which manifests itself particularly in dreams” (572b). What comes under attack in dreams may happen to a young man in life who was brought up under a democratic constitution. He becomes seduced by a “master passion”, and Socrates describes the consequences: “The other desires buzz round it, 1 I want to thank Peter Manicas for his elaborate critical comments and Thomas Maretzki for his detailed editorial advice. Both are not responsible for my arguments. 2 The quotations are from Plato, The Republic, translated with an introduction by Desmond Lee, London 22003.

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loading it with incense and perfume, flowers and wine, and all the pleasures of a dissolute life, on which they feed and fatten it until at last they produce in it the sting of mania. Then the master passion runs wild and takes madness into its service; any opinions or desires with a decent reputation and any feelings of shame still left are killed or thrown out, until all discipline is swept away, and madness usurps its place” (573a–b). Desires of sexual lust and states of intoxication come together and the “mad man whose mind is unhinged imagines he can control gods and men and is quite ready to try”. The “tyrannical man is one who either by birth or habit or both, combines the characteristics of drunkenness, lust, and madness” (573c). The transformation of the young man who was raised in a democratic environment takes a criminal turn when he has exhausted the inherited resources from his parents and needs new means to fund his pleasures. The traditional codes of conduct and behavior become replaced. “When he was still democratically minded and under the influence of the laws and his father”, Socrates tells his young friends, “they only appeared in his dreams; but under the tyranny of the master passion he becomes in his waking life what he was once only occasionally in his dreams, and there’s nothing, no taboo, no murder, however terrible, from which he will shrink. His passion tyrannizes over him, a despot without restraint or law, and drives him (as a tyrant drives a state) into any venture that will profit itself and its gang, a gang collected partly from the evil company he keeps and partly from impulses within himself which these same evil practices have freed from restraint” (574d–575a). Plato’s portrayal of the tyrannical man in his Republic competes with the image of the tyrant in Xenophon’s Hiero or Tyrannicus which Leo Strauss published immediately after World War II as a reminder that earlier generations had intellectually confronted with the experience of tyranny. Strauss wrote in 1948: “Tyranny is a danger coeval with political life. The analysis of tyranny is therefore as old as political science itself. The analysis of tyranny that was made by the first political scientists was so clear, so comprehensive, and so unforgettably expressed that it was remembered and understood by generations which did not have any direct experiences of actual tyranny. On the other hand, when we were brought face to face with tyranny – with a kind of tyranny that surpassed the boldest imagination of the most powerful thinkers of the past – our political science failed to recognize it”.3 Xenophon’s Hiero is a tyrant who is willing to respond to the 3 Strauss, Leo, On Tyranny, revised and expanded edition, including the StraussKojève correspondence, V. Gourevitch/M. S. Roth (eds.), Chicago/London 2000, pp. 22.

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questions of the poet Simonides about the positive and negative impact tyranny has had on his life since he became a ruler. For Hiero everything that the poet considers to be beneficial is negative. He cannot trust anyone, not even those he loves: “To the private man it is immediately a sign that the beloved grants favor from love when he renders some service, because the private man knows his beloved serves under no compulsion. But it is never possible for the tyrant to trust that he is loved. For we know as a matter of course that those who serve through fear try by every means in their power to make themselves appear to be like friends by the services of friends. And what is more, plots against tyrants spring from none more than from those who prefer to love them most”.4 Instead of having true friends around, he is surrounded by slaves. He lives in constant fear of being ambushed but also of becoming attacked by those who protect him.5 Why Strauss considered Xenophon’s dialogue helpful in the understanding of modern totalitarian regimes doesn’t become clear. Unlike Plato’s tyrannical character, Xenophon’s Hiero never connects with the madness of the totalitarian vision of tyrants in the 20th century. Strauss’ On Tyranny became reissued in 1963 with the review by Alexandre Kojève and Strauss’ response to Kojève and a review by Eric Voegelin of the original text by Strauss who both disagreed with his analytical conclusions about the timeless and universal application of Xenophon’s reflections. This volume has become a contemporary classic. Strauss suggests in his hermeneutic reading of Xenophon’s dialogue that this work on the mindset of tyrants covers the whole range of tyranny from antiquity to modernity. Strauss may certainly be right with regard to the range of tyrannical regimes in ancient Greece. James F. McGlew, for example, summarizes in his overview of tyrannical tendencies in Greek political culture the pathology as follows: “The fifth-and fourth-century laws exhibit the fear of a tyranny that emerges not only from the extraordinary acts of extraordinary individuals; instead tyranny is seen as a potential danger that may lurk undetected in seemingly innocent citizens and everyday political actions”.6 However, contrary to Strauss and his many followers, I claim that Plato’s reflections in The Republic do what Xenophon fails to accomplish. Both were students of Socrates, yet only Plato succeeds in making us see that tyrants become consumed by their dreams because they begin to inhabit them and, in addition, force their subjects to live in them too. 4

Ibid., p. 7 f. Ibid., p. 13. 6 McGlew, James F., Tyranny and Political Culture in Ancient Greece, Ithaca/ London 1993, p. 187. 5

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I. The Legacy of Ancient Tyrants Was Aristotle’s most famous student, Alexander, the paradigmatic candidate for Plato’s notion of the mad tyrant “whose mind is unhinged” and who “imagines he can control gods and men and is quite ready to try”? According to his biographer, Peter Green, Alexander fits that profile because, as a result of the education by his “ethnocentric” teacher Aristotle who considered the enslavement of non-Greeks natural, he engaged in a “policy of racial fusion”. Both Aristotle and Alexander are seen by Green as anticipating Hitler’s race-based extermination policies and his vision of empire.7 In Green’s hostile and ideological characterization of Greek political philosophy and its impact on Alexander there is no place for any distinction. The libidinous dimension of Alexander’s reach for ecumenic hegemony and his hedonistic inclinations are undeniable. Having read Green’s reductionist approach, the comments of the Marxist philosopher Alexandre Kojève come as intellectual relief when he writes in his review of Strauss’ On Tyranny about Alexander as a “student of Aristotle, who had been a student of Plato, a student of Socrates”.8 This student of Greek philosophy envisioned that all “men can become citizens of one and the same State (= Empire) because they have the same ‘essence’. And in the last analysis this single ‘essence’ common to all men is ‘Logos’[. . .], that is to say what nowadays we call [. . .] ‘civilization’ or ‘culture’. The Empire Alexander had projected is not the political expression of a people or a caste. It is the material actualization of a ‘logical’ entity, universal and one, just as the Logos itself is universal and one”.9 Kojève’s understanding of Alexander’s imperial project may be overly indebted to his reading of Hegel’s Phänomenologie des Geistes and the role of the exceptional world historical personalities as agents of the meaning of world history.10 Yet he makes clear that there is a difference between the realization of a vision of unifying meaning and the indulgence of desires and the pursuit of a reductionist idée fixe. The contrast will become obvious when discussing the careers of modern tyrants. But even in ancient times there is no doubt about the difference when contrasting the history of Alexander’s life with that of Roman emperors, for example, Nero. Nero may actually be the best ancient illustration of Plato’s image of the tyrant with an unhinged mind. 7 Green, Peter, Alexander of Macedon, 336–323 B. C. A Historical Biography, Berkeley 1991, p. 59. 8 Strauss, On Tyranny, p. 59. 9 Ibid., p. 171. 10 Kojève, Alexandre, Introduction a la lecture de Hegel, Paris 1947.

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A modern historian of classical Rome describes the life style of Nero as going beyond the boundaries of acceptable entertainment. Fuhrmann writes in his counterpointal biography of Nero and Seneca: “Nero found delight in strolling with sufficient company through the streets of Rome at night, visiting bordellos and inns and entering on the way in rude confrontations; a senator who fought back had to pay with his life for his reaction”.11 The Roman historian Suetonius who was born in the year of the four emperors, 69 A. D., gives an even more vivid account of Nero, which is based on primary information he gathered from contemporaries. Suetonius makes us see Nero as a person who lives his dream and forces people to join him in that dream world: “As soon as night fell he would snatch a cap or a wig and make a round of the taverns, or prowl the streets in search of mischief – and not always innocent mischief either, because one of his games was to attack men on their way home from dinner, stab them if they offered resistance, and then drop their bodies down in the sewer. He would break into shops and rob them and afterwards opening a market at the Palace with the stolen goods [. . .]”. His feasts lasted all day. “Whenever he floated down the Tiber to Ostia, or cruised past the Gulf of Baiae, he had a row of temporary brothels erected along the shore, where married women, pretending to be inn-keepers, solicited him to come ashore”.12 His sexual appetites were indiscriminate and confirmed Plato’s dream imagery almost literally: “Not satisfied with seducing free-born boys and married women, Nero raped the Vestal Virgin Rubria [. . .] Having tried to turn the boy Sporus into a girl by castration, he went through a wedding ceremony with him – dowry, bridal veil and all – took him to his palace with a great crowd in attendance and treated him as a wife”.13 Nero’s dream world didn’t end there but moved always into new territory: “Nero practiced every kind of obscenity, and after defiling almost every part of his body, finally invented a novel game: he was released from a cage dressed in the skins of wild animals and attacked the private parts of men and women who stood bound to stakes”.14 Nero’s criminal activities went beyond the satisfaction of his physical desires. He engaged, as Suetonius writes, in “a wholesale massacre of the nobility” when informed by his court astrologer about the coming of a comet and the need for “directing the wrath of heaven elsewhere”.15 11 Fuhrmann, Manfred, Seneca und Kaiser Nero. Eine Biographie, Berlin 1997, p. 182. 12 Suetonius, The Twelve Caesars, translated by Robert Graves, Harmondsworth 1979, p. 227. 13 Ibid., p. 228. 14 Ibid. 15 Ibid., p. 234.

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Nero’s physical desires became transfigured in the staging of tragedies in which, as Fuhrmann writes, “the poetic world of the gods and the ongoing at the court were moving towards each other and melting into one”.16 Seneca who had written some of the tragedies was without illusions, though he provided the emperor with the plays he asked for. His Stoic comment about the affairs of the empire was: “Life is as in the barracks of gladiators [. . .] an association of beasts”.17 One of the main themes in Seneca’s tragedies was the self righteous tyrant and the counter figure of the moderate king. “The tyrant is”, as Fuhrmann sums up Seneca’s position, “the prisoner of his action, he cannot go back; he has to protect his crimes with crimes”.18 Nero’s theatrical inclinations were not satisfied with ordering people like Seneca to write them. He insisted on playing leading roles himself.19 The culminating experience of Nero’s imperial dream life was certainly the great fire of Rome in July 64 A.D. when desire, imagination and destruction formed a unity. Whether he actually set the fire was irrelevant for his contemporaries who believed that he was capable of everything.20 For Suetonius the evidence was clear. He demonstrates how the imaginary became reality through Nero’s actions: “Once, in the course of a general conversation, someone quoted the line: When I am dead, may fire consume the earth, but Nero said that the first part of the line should read: ‘While I yet live’, and soon converted his fancy into fact. Pretending to be disgusted by the drab old buildings and narrow, winding streets of Rome, he brazenly set fire to the city; and though a group of ex-consuls caught his attendants, armed with tow and blazing torches, trespassing on their property, they dared not to interfere [. . .] This terror lasted for six days and seven nights, causing many people to take shelter in monuments and tombs”.21 He captures the unhinged mind of the emperor in a memorable way: “Nero watched the conflagration from the Tower of Maecenas, enraptured by what he called ‘the beauty of the flames’ then put on the his tragedian’s costume and sang The Sack of Ilium from beginning to end. He offered to remove corpses and rubble free of charge, but allowed nobody to search among the ruins even on his own mansion; he wanted to collect as much loot and spoils as possible himself”. In order to deflect the rumors of hav16 17 18 19 20 21

Fuhrmann, Seneca, p. 208. Ibid., p. 209. Ibid., p. 212. Ibid., p. 308. Ibid., p. 312. Suetonius, Twelve Caesars, p. 235.

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ing set the fire, he opened, as Suetonius remarks, a relief fund, “which bled the provincials white and practically beggared all private citizens”22 More importantly, he used the Christian community in Rome as scapegoats. “They were”, as Fuhrmann reports, “sewn into animal hides and torn apart by dogs or nailed to the cross and lit as torches after sunset”.23 He rightly suggests that both Peter and Paul who were prisoners at that time in Rome could have been among these fire scapegoats.24 The Stoic philosopher Seneca remained a silent witness throughout the violence, orgies and massacres. Fuhrmann writes: “He remained silent out of principle; he considered it meaningless to deal with the misery of the time”. In the end, he became implicated in a conspiracy against Nero and was forced to commit suicide.25

II. Modern Eros and Power Is Nero’s life comparable to the lives of modern tyrants, tyrants like Stalin, Hitler, Mao or Pol Pot or should he be seen as a kind of ancient anticipation of the Marquis de Sade? De Sade has gained extraordinary attention over the last 50 years. His public notoriety has a lot to do with the availability of his writings and the sympathetic literature about him as the most extravagant libertine philosopher of the enlightenment era. Plato’s analysis of the tyrannical character as the unhinged mind of a maniacal person reveals features that Nero exemplified as a ruler. In addition to sordid affairs in his private life, de Sade imagined reality primarily as a writer of fiction. Do de Sade’s writings indicate that the unhinged mind is beginning to take over and is defining a new moral code of conduct? De Sade’s biographer, Laurence Bongie, cannot completely make up his mind whether the “fictional monsters” his subject has created remain literature or point into the frightening future of the 20th century when monsters of this kind began to run societies. Bongie speaks about de Sade’s fiction when he remarks: “This absence of boundaries, impediments and limits of any kind becomes in fact the defining attribute of the Sadean novel whose monster characters are entirely creatures of action and physical excess, who can do everything to their victims that can be conceived. It is the equation of real-life conceiving and fictional doing that forms the nexus of Sadean life and literature”.26 This fictional landscape “without boundaries, impediments and limits of 22

Ibid., p. 236. Fuhrmann, Seneca, p. 312. 24 Ibid., p. 314. 25 Ibid., p. 318. 26 Bongie, Laurence L., Sade. A Biographical Essay, Chicago/London 1998, p. VIII. 23

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any kind” is exactly the world that the tyrants of the 20th century created in order to execute their ideological dreams that became the nightmares of terror for their victims. De Sade himself made a symbolic excursion into revolutionary politics when he inserted in his La Philosophie dans le boudoir (1795) the pamphlet, “Frenchmen! A further effort is needed if you would become republicans!” His excursion was not very successful because the revolutionaries which had freed him from the Bastille in 1789 (where he had been imprisoned in somewhat aristocratic luxury since 1784) arrested and imprisoned him again a few times until he became committed under Napoleon’s reign to the mental asylum at Charenton where he died in 1814. Obviously, there were still some boundaries, impediments and limits of some kind left at that time. Among the many recommendations, he endorsed in his pamphlet and which troubled his contemporaries, was the decriminalization of murder because “[. . .] death is hence no more than a change of form, an imperceptible passage from one existence to another [. . .]”27 Albert Camus knew all about the consequences when he wrote his indictment of modern philosophy, L’homme revolté (1952), and said about de Sade: “License to destroy supposes that you yourself can be destroyed. Therefore you must struggle and dominate. The law of this world is nothing but the law of force; its driving force, the will to power”.28 The libido dominandi Camus is talking about manifests itself on the left and right of the ideological spectrum. These manifestations cover the whole range of Plato’s political dream analysis as it became confirmed in antiquity by the life of Nero. Stalin, Mao and Pol Pot demonstrated in their lives that sex was part of their lust for power. Hitler’s disconnection from his sexuality – whatever the clinical physical or psychological reasons may have been – does not change the perimeters Plato established in The Republic very much. The dream life of the tyrants was not dependent on sexuality but went beyond it. Nero’s life may have presented the full picture of the madness of power. Hitler’s life lacked in this regard (and, in addition, he was a vegetarian teetotaler). But whatever these features may mean in terms of his unhinged mind, in comparison to Stalin, Mao or Pol Pot he did not become less of a monster but was their equal and may actually be considered the epitome of a monstrous tyrant. Hitler’s desire abstinence may help us to restore Plato’s perspective on tyranny. After all, Plato did not reduce tyranny to drunkenness and sexual prowess. They enhanced and contributed to the state of madness that makes tyrants believe they can, in his words, “control gods and men”, meaning that they can remake the world. 27

The Marquis de Sade, The Complete Justine, Philosophy of the Bedroom, and other Writings, compiled and translated by R. Seaver/A. Wainhouse, New York 1965, p. 331. 28 Camus, Albert, The Rebel, New York 1958, p. 41.

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None of the modern tyrants showed sexual tendencies that were on the level of Nero’s performance. In recent biographies of Stalin, Mao and Pol Pot, to name the three most prominent cases, the sex life of the tyrants receives thorough scrutiny. The biographical findings, which are based on letters, journals, interviews and personal accounts, suggest that the tyrants with the exception of Mao, do not have greater sexual desires than some American and French presidents or members of European royal families in the same time period. One of the most extravagant stories in the biographical literature on Stalin, Mao and Pol Pot one finds in Philip Short’s biography of Pol Pot. Short describes visits the young boy made to the royal Cambodian palace to see his sister who belonged to the harem of the elderly and sickly king. Sar, Pol Pot’s original name, was at fifteen still regarded, as Short describes Pol Pot’s delicate erotic awakening, a child, young enough to be allowed into the women’s quarters. Two retired palace women told Philip Short in Paris how he “used to come to visit them wearing his school uniform, a loose, white shirt with baggy trousers and wooden shoes. The young women would gather around, teasing him, they remembered. Then they would loosen his waistband and fondle his genitals, masturbating him to a climax. He was never allowed to have intercourse with them”.29 As fond as Pol Pot’s memories were of his palatial visits according to Short, they did little to humanize him or turn him into a sexual predator when in power. And he didn’t seem to have emulated the sexual behavior of traditional Cambodian kings either. His later marriages were as ordinary as they could be. Like Hitler Pol Pot did not display the sexual habits of Nero. The record changes somewhat when looking at the relationships of Stalin and Mao with women. In the case of Stalin, we don’t find any erotic flamboyance that would have titillated the curiosity of de Sade. In both cases, we find men who were once attached to very intelligent, emotional and attractive women and married them. Stalin had a close relationship with Nadezhda Alliluyeva who is described by most contemporaries as an attractive and intelligent, though orthodox communist, woman who shot herself in November 1932 leaving Stalin and their three young children behind. Unlike Nero who had ordered the murder of close relatives and was delighted, according to Suetonius, in seeing their bodies, Stalin was in shock. According to his biographer Simon Sebag Montefiore, Stalin “[. . .] asked his sister-in-law Zhenya Alliyueva ‘what was missing in him’. The family were (sic) shocked when he threatened suicide [. . .] He grieved in his room for days [. . .] He could not understand why it had happened, raging what did it mean?”30 Stalin’s melodramatic response to the suicide couldn’t hide the 29

Short, Philip, Pol Pot. Anatomy of a Nightmare, New York 2004, p. 27.

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fact that his wife had known or suspected him of having affairs. Montefiore writes: “His body guard Vlasik confirmed to his daughter that Stalin was so besieged with offers that he could not resist everyone: ‘he was a man after all’, behaving with the seigneurial sensuality of a traditional Georgian husband.”31 Nothing changed in this regard after her death. Mao had been forced by his father into an arranged marriage when he was fourteen and his wife was eighteen. She died a year after the wedding. His second wife found out that her husband was a serial womanizer and accepted it.32 He never changed his sexual behavior. Mao’s position of power attracted young women, and he used his power position for sexual purposes until the end of his life. His personal physician, Li Zhisui, describes the selection process for Mao’s transient harem: “To be brought into the service of Mao was, for the young women who were chosen, an incomparable honor, beyond their most extravagant dreams. Many women refused his advances, but they were usually older and relatively well educated [. . .] Those who agreed were elated by the opportunity. Everyone who worked for Mao was carefully screened, and the young women were no exception. Careful screening guaranteed that the young women would be filled with awe, admiration, and wonder for the Chairman. All were the offspring of impoverished peasants, from families who owed their lives to the Communist party, for whom Mao was their messiah and savior”.33 The exploitative relationship between Mao and the young women is recognized by the doctor: “They never loved Mao in the conventional sense. They loved him rather as their great leader [. . .] They were all very young when they began serving Mao in their late teens or early twenties – and usually unmarried. When Mao tired of them and the honor was over, they married young, uneducated men with peasant pasts”. If some married without his permission before he had terminated the relationship, they were called back to continue their sexual service.34 Dr. Li Zhisui adds some intriguing comments about Mao’s sexual prowess and ancient sex-enhancing techniques that de Sade probably would have included in his novels: “At sixty-seven, Mao was past his original projection for the age at which sexual activity stops but, curiously, only then did his complaints of impotence cease altogether. It was then that he be30 Montefiore, Simon Sebag, Stalin. The Court of the Red Tsar, New York 2004, p. 105. 31 Ibid., p. 16. 32 Chang, Jung/Halliday, John, Mao. The Unknown Story, New York 2005, p. 24. 33 Zhisui, Li, The Private Life of Chairman Mao, New York 1994, p. 356. 34 Ibid., p. 357.

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came an adherent of Daoist sexual practices, which gave him an excuse to pursue sex not only for pleasure but to extend life. He was happiest and most satisfied with several young women simultaneously sharing his bed. He encouraged his sexual partners to introduce him to others for shared orgies, allegedly in the interest of his longevity and strength”.35 It seems that Mao’s appetite became bisexual and wasn’t limited to women anymore. The observing physician writes: “The young males who served as attendants were invariably handsome and strong, and one of their responsibilities was to administer a nightly massage as an additional aid so sleep”. He frequently observed Mao’s active behavior: “Later, in 1964, I witnessed a similar incident on Mao’s train. As his guard was preparing him for sleep, Mao grabbed the young man and began fondling him, trying to pull the man into bed with him. For a while I took such behavior as evidence of a homosexual strain, but later I concluded that it was simply an insatiable appetite for any form of sex.”36 Considering Plato’s notion of the unhinged mind of the tyrannical person in light of the sexual details in the biographies of Stalin, Hitler, Mao and Pol Pot, they do neither explain the nature nor the extent of the terror these tyrants perpetrated on their respective societies. However one may read the ‘Sadistic’ quality in some of these relations and add to them the exploitative and predatory environment of the power circles in Russia, Germany, China and Cambodia. As Ian Kershaw comments on the impact of Hitler’s response to Geli Raubal’s suicide in September 1931, it may be characteristic for all four cases. Kershaw describes Hitler’s reaction to the suicide of his niece who had been the only woman he had been emotionally attached to when he writes: “Hitler appears to have been near-hysterical, then fallen into an intense depression. Those close to him had never seen him in such a state. He seemed to be on the verge of a nervous breakdown.”37 Kershaw concludes his summary of the affair this way: “In a personal sense, Geli was indeed irreplaceable (though Hitler soon enough had Eva Braun in tow). But it was a purely selfish dependency on Hitler’s part. Geli had been allowed to no existence of her own [. . .] In human terms, it was a self-destructive relationship. Politically, apart from the short-lived scandal, it was of no significance. It is difficult to imagine Geli turning Hitler away from his deeper, less personal obsession with power. Nor was his embittered thirst for vengeance and destruction altered by her death. History would have been no different had Geli Raubal survived.”38 35 36 37 38

Ibid., p. 358. Ibid., p. 359. Kershaw, Ian, Hitler. 1889–1936: Hubris, New York 1999, p. 354. Ibid., p. 355.

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III. The Control of Gods and Men The tyrannical regimes of terror that Stalin, Hitler, Mao and Pol Pot created in the 20th century were dependent on the leaders but did not exhaust themselves in a de Sade-like satisfaction of desires. This satisfaction of desires was the banal dimension of tyrannical evil and reproduces itself in all kinds of other violent regimes in many parts of the contemporary world. What distinguishes the major characters from the minor figures in the theater of tyranny in the modern world is exactly the centrality of vision and the relative indifference toward personal interests. If the madness of Nero’s world was identical with the vicious satisfaction of his own desires, then the tyrannical dream worlds of modernity go always beyond the desires of the tyrants. The indifference towards suffering that the four major modern tyrants displayed confirms this point. Nero got immense satisfaction from the violence he personally practiced against people. Whether Stalin, Hitler, Mao or Pol Pot enjoyed the killing of others in the same way is possible, yet not at the center of their terror. They didn’t hesitate to have close associates and/or their wives killed as the biographers document again and again. Montefiore quotes Krushchev on Stalin by saying that “he became interested in other men’s wives for the unnatural reason that they were possible spies rather than mistresses”.39 Yet the indifference towards suffering was a direct consequence of the most important feature of their tyrannical make-up, namely that they were in charge of remaking the world or, as Plato defined the core of the tyrant’s madness, “he can control gods and men and is quite ready to try”. All four of them qualify for this Platonic job description and it is irrelevant to establish a ranking order of them based on the number of victims they and their respective regimes succeeded in eliminating. Montefiore, for example, summarizes Stalin’s role: “Stalin was the mastermind but he was far from alone. Indeed, it is neither accurate nor helpful to blame the terror on one man because systematic murder started soon after Lenin took power in 1917 and never stopped until Stalin’s death [. . .] The Terror was not just a consequence of Stalin’s monstrosity but it was certainly formed, expanded and accelerated by his uniquely overpowering character, reflecting his malice and vindictiveness. ‘The greatest delight’, he told Kamenev, ‘is to mark one’s enemy, prepare everything, avenge oneself thoroughly, and then go to sleep’. It would not have happened without Stalin.”40 Mao expressed the core of the Platonic description best when he answered, as a twenty four year old the revolutionary question “How do we 39 40

Montefiore, Stalin, p. 316. Ibid., p. 230.

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change China?” His answer was clear: “[. . .] the country must be destroyed and re-formed”. He did not limit the creative destruction to his native China: “This applies to the country, to the nation, and to mankind [. . .] The destruction of the universe is the same [. . .] People like me long for destruction, because when the old universe is destroyed, a new universe will be formed”.41 Mao meant this concretely. In March 1927 he indulged in almost Neronic excitement when he wrote in a report about a visit to Hunan that he felt “ ‘a kind of ecstasy never experienced before’. His description of the brutality oozed excitement [. . .]” Chang and Halliday write: “Mao was told that people had been beaten to death. When asked what to do [. . .] he said: ‘One or two beaten to death, no big deal.”42 This casual attitude toward death extended to millions of people who had to pay with their lives for the policies Mao imposed after the revolution in 1949 on China. Mao’s revolutionary self-understanding also had a Sinic dimension. He compared himself and the revolutionary transformation of China with the founding of the first empire by the Ch’in emperor in 221 B.C. At the VIII Congress of the Communist Party of China in May 1958 he declared: “What does the first emperor of Ch’in mean anyway? He buried only 460 Confucian sages alive, we have buried 46.000. Have we not, during the ‘Repression of Reaction’, made some counterrevolutionary intellectuals a head shorter? [. . .] We have surpassed the first emperor of Ch’in hundred times. If you insult us as first emperor of Ch’in, as dictator, we completely admit it but you haven’t emphasized that enough”.43 This grandstanding took place eight years before the Cultural Revolution was launched by Mao leading in the first year (1966) to the suicide of an officially estimated 100.000 intellectuals. The dream worlds of Stalin and Mao were driven by class-centered ideological projects, which justified the killing of millions of people by execution, mass starvation and, mostly, the incarceration in labor camps under terminal working and living conditions. They certainly controlled the reshaping of major parts of Europe and Asia and had no regrets. Both Stalin and Mao lived in a world that the Russian novelists in the 19th century had depicted as a space in which a new revolutionary species could act without being bound by traditional codes of conduct and behavior. Stalin admired Dostoevsky’s Crime and Punishment, whose characters, as Richard Overy sums it up in his comparison of Stalin and Hitler in his book The Dictators: “[. . .] explored the idea that world historical figures could act as they 41

Chang/Halliday, Mao, p. 15. Ibid., p. 42. 43 Martin, Helmut, Mao Intern. Unveröffentlichte Reden und Gespräche Mao Tse-tungs, 1949–1976, München 1973, p. 235. 42

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pleased, regardless of the prevailing moral or ideological restraints. Stalin is remembered for the very un-theoretical remark, ‘the people need a tsar’ [. . .]”44 The British playwright Tom Stoppard may have grasped the ideological core of the mind of the tyrants much more convincingly in his dramatic trilogy, The Coast of Utopia (2002) where he shows how their superhuman self-identity was crafted by German philosophers in the early 19th century. Stoppard updates in a way Camus’ analysis from 1952 with a specific focus on German philosophers in the education of the supermen. He lets one of his Russian protagonists say, in the presence of Bakunin: “Idealism – the self – the autonomous will – is the mark of God’s faith in his creation. Well, who’d have thought that God’s chosen people would turn out to be German?”45 This mega maniacal superhuman self is present at the creation of Pol Pot’s and Hitler’s dream worlds as well. The class-centered remaking of the world that the Russian and Chinese revolutionaries executed became broadened by Pol Pot and the Khmer Rouge through ethnic cleansing projects against the Cham, the Chinese, the Vietnamese and all other people who did not meet the racial qualifications for inclusion in the new Angkor body politic. Ben Kiernan has clearly outlined the ethno-fascist dimension of the Cambodian killing regime stating in his book, “[. . .] the dangers of not only an unbridled lust for power, but also the threat of racism, to those allegedly being protected by racialist ideology as well as to foreigners and ethnic minorities”.46 This conclusion runs counter to the reductionist argument that Philip Short introduces in the prologue to his otherwise informative biography of the Khmer leader and wants to extend to all the killing regimes in the 20th century: “The explanation does not lie in some chromosomal abnormality, some genetic pre-disposition to violence, a neuropathic ‘Bell curve’ on the part of the nations concerned. Cambodians, or for that matter Rwandans, are not biologically more prone to cruelty than Americans or West Europeans. The causes are rooted in history – which creates the conditions for nations to seek extreme remedies to perceived ills; in geography – which generates the pressures that seem to justify them (lebensraum, (sic) said Hitler; ‘national survival’, said Pol Pot); in culture – which erects or fails to erect moral and intellectual prohibitions against them; and in the political and social system – which affords or denies the individual right, to act according to his own lights”.47 Short admits “in Old 44 Overy, Richard, The Dictators. Hitler’s Germany and Stalin’s Russia, New York/London 2004, p. 102. 45 Stoppard, Tom, The Coast of Utopia. Part I: Voyage, London 2002, p. 18. 46 Kiernan, Ben, The Pol Pot Regime. Race, Power and Genocide in Cambodia under the Khmer Rouge, 1975–1979, New Haven/London 1996, p. 465. 47 Short, Pol Pot, p. 13.

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Testament terms, man alone is evil. When we contemplate what happened in Cambodia, we are looking not at some exotic horror story but into darkness, into the foul places of our own soul”.48 Yet I do not think that the regimes of terror emerged from the “foul places of our own soul”. They were imaginary political projects and not rooted in history, culture or geography. These regimes that have disgraced the 20th century were created by figures that Plato called tyrants, and Hitler was one of the most contemptuous representatives of this sub-species of humanity. In his reconstruction of the origins of the ‘final solution’, Christopher Browning grants Hitler a prominent role in the execution of the Holocaust. He writes: “As the ultimate embodiment of Nazi ideology as well as the constant inciter and mobilizer of the party faithful, Hitler certainly legitimized and prodded the ongoing search for final solutions. His obsession with the Jewish question ensured that the Nazi commitment would not slacken; that the search for a solution one way or another to this self-imposed problem would not fade away into obscurity or be indefinitely postponed. No leading Nazi could prosper who did not appear to take the Jewish question as seriously as Hitler did himself. Thus Hitler, simply by his existence, exerted a continuing pressure on the political system, which induced competition among the faithful and ambitious to advance ever more radical proposals to carry out Jewish policy in an ever more brutal and comprehensive manner”.49 Browning’s language is revealing in one important respect. Even though he emphasizes the importance of Hitler, he can not bring himself to admit that without Hitler there would have been no Third Reich and therefore no Final Solution. He has difficulties accepting him as the master architect. Browning is not obsessed with Goldhagen’s assertion about a deeply anti-Semitic German culture that made all Germans willing executioners of Nazi policies against Jews. Yet he cannot live with the notion of the tyrant as creator of a dream world based on destruction either. Browning’s difficulties with Hitler as the mega-maniacal tyrant are shared by Kershaw, the author of the most recent Hitler biography. At the end of the life story of his subject, he describes the dictate on April 29, 1945, of his “Political” and “Private Testament” to his personal secretary Traudl Junge. The description of the dictation resurfaced in 2003 when Junge gave a long TV interview and, shortly before her death, published the impressions she had noted down in 1947. Her memoirs became the basis for Bernd Eichinger’s movie Der Untergang (Downfall, 2004), which 48

Ibid., p. 14. Browning, Christopher, The Origins of the Final Solution. The Evolution of Nazi Jewish Policy, September 1939 – March 1942, Lincoln/Jerusalem 2004, p. 424. 49

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presents the life in the Führer-Bunker during the last 10 days of Hitler’s life. Kershaw who did not have access to Junge’s book when he was writing his Hitler biography, quotes recorded statements by her. He did have access to both the “Political” and the “Private Testament” that Hitler dictated to Junge immediately after the bunker ceremony following the wedding with Eva Braun. The “Political Testament” is important because it illustrates the “unhinged mind” of Hitler on the last day of his life. Eichinger’s movie reconstructs the underground atmosphere while the Red Army is zeroing in on the center of Nazi power above ground. Hitler’s Reich becomes conquered and destroyed by the enemy, while he continues the denial of reality until the end. The dream world of the tyrant succumbs to the legalization of his affair with Eva Braun as civil marriage, yet he refuses to recognize what is coming to an end above ground. In his “Political Testament” he engages in his usual self-aggrandizement and accusations against traitors like Göring and Himmler. Still, the major ideological narrative of his life has not changed. The last sentence of his “Political Testament” affirms the consistency of the dream he had lived for most of his adult life: “I especially commit the leadership of the nation and their followers to a strict enforcement of the race laws and a reckless resistance against the global poisoner of all people, the international Jewry”.50 Hitler never left the dream world he created for himself after World War I. The experiences of primary reality had no impact on him. When his world began to fall apart, his response was to leave it by committing suicide. The movie Downfall reconstructs the atmosphere of disconnection between the collapse of the dream world above the ground and the descent of the world below the ground into drunken stupor.

50 Domarus, Max, Hitler. Reden und Proklamationen 1932–1945. Vol. II: Untergang, Halbbd. 2., München 1965, p. 2236–2239.

Zen and Politics – Hoping to Arrive at Indra’s Net Eiko Hanaoka(-Kawamura) The separation of politics and religion is becoming a fundamental principle of the constitution in modern states, since the principle of separation of politics and religion was clearly written in the constitution of the United States of America in the year 1789. The principle of separation of politics and religion was adopted also in Belgium after America, in France (1905), in England and then in Germany (1919). Japan also adopted this principle after World War II. According to the principle of separation of politics and religion the state must guarantee freedom of faith for all religions and any religion shall conversely not interfere in the political sphere of the country. In this paper Zen and politics are naturally separated. However, the self, who lives as individual, the self as a member of a nation or a state and the self who lives in the level of the world, are the same self. Only the place, where a self lives, is different. The individual, who participates in politics, will live in the field in the level of species like society, state, race or a racial religion, to which the individual belongs. On the other hand, the individual self, who lives in a world religion (or a universal religion), will try to live in the field of the genus, where the individual self and all human beings can equally live. In other words, the individual who tries to live in a world religion (Christianity, Islamism or Buddhism) will seek the field where each individual and simultaneously all religions can live together. However, a world appropriate to the 21st century, is neither the world where the individual and the level of the species like nation, race, state etc., are able to be live together, nor the world where the individual and all human beings in the level of the genus are able to live in a united whole, but the world where each of the levels of the individual, the species and the genus is able to consist in the independent way of being realized and simultaneously in the way of being transparently in oneness. We must therefore seek the field, where the level of the individual, species and genus can be mutually independent and at the same time in oneness by taking the separation of politics and religion into consideration and without regard to the absolutism of any single world religion, because each of the three world religions and any non-world religion shall have the equal naturalness of

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being realized in the world i. e. in each level of the religiosity in the human being since the death of Christian-Platonic God and Platonic ideas in the age of Nietzsche. After Nietzsche, Christian-Platonic God and Platonic ideas shall result, in my view, in God as the absolute nothingness, which means the absolute negation of the substantial ideas and viewpoints as in Kitaro Nishida (1870–1945), who was the first original philosopher in Japan and have stood face to face with Christianity and European substantial philosophy from Plato to Heidegger. The philosophy in which the lives in the level of the individual, the species and the genus can live in a transparent oneness, cannot be a philosophy of the being, but a philosophy of the field, which means the absolute negation of the substantial way of thinking and simultaneously the absolute infinite openness, where each of all things are mirrored in each other like in Indra’s Net, which is stated in note (16) in this treatise.

I. ‘A Philosopher-statesman’ in Platonic Idealism As most people know, Socrates, who extended his knowledge of nonknowledge (= docta ignorantia) to the young people, was killed by the stupid masses and politicians of his day. It is also well known that Plato, who was a disciple of Socrates, advocated ‘philosopher-politics’, that a philosopher shall simultaneously become a politician or a politician shall simultaneously become a philosopher. However, the ‘Philosopher politics’ in Plato seems to be grounded with Platonic idealism. Because the enforcement of the good in the politics is grounded not with an idea among various ideas, but with the idea of the good in itself as the source of all kinds of idea, in that the idea of the good in itself is partially had by each being in the world or casts its shadow on each being on the world. In other words, what makes the good being as good being, is the idea of the good in itself as the source of all ideas. The source of values in each being, that partially has various ideas, seems therefore to be the idea of the good in itself. As a result of this fact, the good in each being in the soul free from the body in Plato goes in the direction of knowledge and thinking, and of sense, satisfaction and pleasure on the ground of knowledge and thinking, but not on the ground of the body. Thereupon, the essence or the basis of beings who try to live in the good, consists in the idea of the good in itself. The essence as the good in the being of the beings can therefore be in the idea of the good in itself. Now, we can understand that the idea of the good in itself in Plato is eternal, universal and unchangeable, because it is the source of all ideas. The essence as the being of beings, who partially have the eternal, universal and unchangeable idea of the good in itself, can also be understood as eter-

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nal, universal and unchangeable. From this fact we can understand that the being is supported by the absolute being, which is the eternal, universal and unchangeable, that is to say, the unborn and simultaneously immortal essence of the being. European traditional main philosophy as metaphysics since Plato in ancient Greece to Hegel had two pillars, namely Platonic Philosophy and Christianity. Platonic idealism continued as the European traditional main philosophy as metaphysics until Hegel. What ground had Christianity as another pillar of European civilization? In Christianity it is thought, that God had created all things from nothingness (creatio ex nihilo) as it is written in the Old Testament. How can God be understood, who created all things in the world from nothingness? In the Old Testament God answers to Moses, “I AM WHO I AM”, when God was asked his name by Moses1. The Hebrew verb ‘hayah’, which corresponds to the English ‘to be’, in the answer by Moses ‘I am who I am’, means the dynamic action, which acts as becoming and event in oneness with becoming and event, as T. Boman (1894–1978) says.2 God, “I am who I am”, therefore means God as dynamic action. However, the Hebrew verb ‘hayah’ was translated in the bible ‘Septuaginta’, it was translated into Greek as ‘einai’ which corresponds to the English “to be”. However, Greek ‘einai’ means the static being of beings or their essence and basis. As the result of this Greek meaning of ‘einai’ God as dynamic action, who acts in oneness with becoming and event in Old Testament was changed into God as the static being of beings. In other words God as action in the Old Testament, was changed into God as the absolute being that is so to speak eternal, universal and unchangeable ideas. This change of the concept of God in translation from the Hebrew Old Testament to the Greek Septuaginta on the one hand realized the harmony of Christianity with Platonic philosophy and guided European traditional philosophy as metaphysics to the onto-theological philosophy, as M. Heidegger characterised. On the other hand, God as dynamic action in the oneness with becoming and event in the Hebrew Old Testament continues in Judaism even now. Such God as dynamic action moreover underlies ‘the nothingness in Zen’ and ‘God as the absolute nothingness’ in Nishida’s Philosophy on the ground of Mahayana Buddhism. Now, ‘Zen’ in this treatise is not understood as a sect of Mahayana-Buddhism, but as ‘the absolute infinite openness’, which underlies, not only Mahayana Buddhism, but also all religions. The absolute infinite openness means the paradigm as the field and the basis of the framework of thinking. 1

Ex. 3, 14. Boman, Thorleif, Das hebräische Denken im Vergleich mit dem griechischen, Goettingen 1952, p. 18–37. 2

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As the paradigms as the basis of thinking in the 21st century, in which the East and the West are clearly distinguished neither politically, nor economically, nor culturally, nor scientifically from each other, there are five paradigms as being discussed later in this treatise, i. e. relative being, relative nothingness, absolute being, nihil and absolute nothingness. I must here explain the contents of each paradigm, which underlies all philosophies, religions, thinking and cultures in the East and the West and which is able to form a connection with all of them in the world as a whole, although the paradigm ‘the absolute nothingness’ first came to light in the philosophy of Nishida. Firstly, in the field where the paradigm ‘relative being’ can apply, the basis is all beings in this phenomenal world. In this field the openness of the field is not yet completely opened. Because the thinking in this field is grounded only on the basis of subject-object-scheme. The relative beings rot away in time. When the relative beings are absolutized, then the result is materialism. Secondly, when the paradigm ‘relative nothingness’ can apply, the non-being (Greek me on) or the death, that is the inside of the phenomenal world as the outside of one thing, comes out. This ‘relative nothingness’ can be understood as, so to speak, “the nothingness of the anxiety” in S. Kierkegaard (1813–1855). Thirdly, when the paradigm ‘absolute being’ can apply, this paradigm is absolutized like in Platonic ideas or in Hegel’s idealism. However, European main philosophy as metaphysics on the ground of paradigm ‘absolute being’ from Plato to Hegel could not but fall into nihilism as Nietzsche predicted and as we now live in the midst of nihilism after World War II and after all the terrorism subsequent to the terrorist attacks of September 11, 2001 in New York. Since the Renaissance that began in Italy in the 13th century, three facts of philosophical thinking, i. e. nature, human beings and the transcendental dimension (or God) were separated through the emancipation of humanity, and according to religious reformation and scientific development, each fact of philosophical thinking, namely nature, human beings and the transcendental dimension had mutually absolutized its own standpoint. This occurrence resulted in the loss and the destruction of rich humanity through the pursuit of efficiency only ignoring the dignity of personality, and Christians began to become aware of an error, that they absolutize only their own Christianity dominating other world religions, national religions and primitive religions. Especially after the terrorism at the World Trade Center in New York in 2001 thoughtful people around the world will have a deepened self-awareness of these errors that make only Christianity absolute. When man lives in nihil like Nietzsche without finding an aim, meaning and value to live, then man can overcome nihil only thoroughly to live nihil. In nihil all of the substantial and the idealistic are denied. In nihil the ego in the paradigm of relative being, the essence as mere reason in the

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paradigm of absolute being, the existence in the paradigm of relative nothingness and the life in the paradigm of nihil, where man only lives without a purpose, are denied. When man is thoroughly denied without aims, meanings and values live and is denied to the death and the ego dies out, the individual self of each person becomes aware of the true self, which underlies all things. Such a denial of the ego of each person can be realized, when the individual can be emancipated from the closed static paradigm of absolute being as substantial way of thinking or can be absorbed in literature, the art of flower arrangement, the tea ceremony, sports like an archery and swordsmanship and religious discipline. Now, going back to the original subject of ‘absolute infinite openness’, the absolute infinite openness is not the openness on the ground of limited paradigms, namely on the ground of paradigms of absolute being, relative nothingness, absolute being and nihil, but the openness as absolute negativity of the substantial way of thinking. The absolute infinite openness can subsume all other fields of not completely opened openness on the ground of paradigms of four paradigms excluding the paradigm of absolute nothingness. This completely opened openness in the paradigm of ‘the absolute nothingness’ may be closed, when each of us ignores the efforts to be always aware of the true self in the discipline as a daily life. The absolute infinite openness is opened in all world religions. Such openness can be called ‘Zen’. Moreover, Zen as absolute infinite openness on the basis of the paradigm ‘absolute nothingness’ can let each field on the ground of the other four paradigms live supporting with love and compassion. Next to the absolute infinite openness, ‘God of absolute nothingness’ can be understood as ‘the field of absolute nothingness’ as the core of Nishida’s philosophy. Because the field in Nishida can be understood as ‘openness’ and ‘absolute nothingness’, which Nishida for the first time advocated, means the standpointless standpoint, in which all substantial way of thinking is denied. In the above mentioned discussion, the differences between Platonic ontological philosophy and philosophy on the ground of Zen (especially in Nishida’s philosophy) were shown through the differences of paradigms as the field and framework of thinking.

II. Politics in the Absolute Infinite Openness in Zen ‘The absolute infinite openness’ as the core of Zen is called ‘the field of absolute nothingness’ in Nishida’s philosophy. Nishida advocated, as mentioned above, the logic of ‘the field of absolute nothingness’, in that he trains himself in Za-Zen (= sitting in meditation) as religious discipline.

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This logic of the field of absolute nothingness in short means, that, although the one and the many, the universal and the individual, the world and the self etc., i. e. the duality or polarity in the spiritual level, objectively seen, are contradictory and opposed, they can be lived originally in the oneness or identity in spite of their contradiction and opposition in the level of subject-object scheme, when each of us denies himself or herself and can be let live by love and compassion, which gush out from the absolute negation of the substantial by absolute nothingness. Nishida called this coincidence of opposed duality in the field of absolute nothingness ‘absolute contradictory self-identity’. The logic of absolute contradictory self-identity in Nishida can be understood as the contemporary expression or interpretation of ‘the logic of emptiness’ in Nagarjuna (in Japanese Ryuju) (ca. 150–250) from Indian, who is a writer of ‘Mulamadhyamaka-sastra’.3 The Japanese logician Tokuryu Yamauchi (1890–1982) says, that Western culture consists in the system of logos and Eastern culture consists in ‘lemma’,4 which can be realized only on the logic of emptiness in Nagarjuna. However, in the 21st century each of us in the East and West shall understand not only the logic of ‘logos’, since Aristotelian in Ancient Greek but also the logic of ‘tettara lemma’. Because three principles of thinking since Parmenides and Aristotle and the logic of logos in general in European meaning can be brought to life through the absolute negation of ‘the absolute nothingness’ as ‘the absolute infinite openness’, namely through the love as agape and compassion of ‘absolute nothingness’. Moreover, because firstly through ‘tettara lemma’, world peace can be realized in this world in the future. It seems to me, that the Platonic ‘philosopherpolitics’ on the ground of the paradigm ‘absolute being’ can firstly be realised on the ground of the paradigm ‘absolute nothingness’, that can subsume all other paradigms since ancient Greece through the absolute negation of itself as love and compassion. Tettara lemma as ‘the logic of emptiness’ by Nagarjuna consists in the following four propositions. 1. ‘A is B’. This is an affirmative proposition. As an example according to the intention of Nagarjuna, it will be appropriate that ‘all is empty’. 2. ‘A is not B’. This is a negative proposition. As an example, according to the first example, it will be appropriate, that ‘all is not empty’. 3. ‘A is B and simultaneously A is not B’. 3 Cf. Chuganron translated by Mitsuyoshi Saigusa, Regulus Library, no. 158– 160, Daisanbunmeisha 1984. 4 Cf. Yamauchi, Tokuryu, Logos and Lemma, Iwanami 1974, p. vii.

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This is a proposition, which affirms the above mentioned first and second propositions. As an example, according to the above mentioned two examples, it will be appropriate that ‘all is empty and simultaneously all is not empty’. 4. ‘A is neither B and simultaneously A is nor not B’. This is a proposition, which denies the above mentioned first and second propositions. As an example, in the above mentioned three examples, it will be appropriate that ‘all is neither empty, nor not empty.5 What ‘tettara lemma’ as ‘the logic of emptiness’ informs each of us, is the fact that what each thing is, can not completely be expressed, even if the above mentioned propositions are increased from four to ten or to hundred propositions. However, the above mentioned A and B can be understood as self-identical through the action of agape and compassion which spurt out from the absolute negative action of the absolute nothingness even if A and B are absolutely contradictory and opposite in the not completely opened openness. Because in the absolute infinite openness the relative being, the relative nothingness, absolute being and nihil, as far as the absolute negation of the ‘absolute nothingness’ as ‘absolute infinite openness’ vividly acts as love and compassion. Nishida calls this fact, as stated above, ‘absolute contradictory self-identity’. ‘The logic of the field of absolute nothingness’ in Nishida can be therefore understood to be founded on tettara lemma as ‘the logic of emptiness’. Now, we would like to discuss politics in Zen, in that we inquire, how politics is considered in the ‘logic of the field of absolute nothingness’. The ‘logic of the field of absolute nothingness’ in Nishida is inquired with selfawareness, which consists in the self-awareness of the self and of the world. The self-awareness of the self in Nishida means that the self sees the self in the self, and that of the world means that the world sees the world in the world in each true self. The self-awareness of the self and that of the world are self-identical through the action of love as agape and compassion spouting from the self-negation of the field of the absolute nothingness in spite of their absolute contradictory opposition in the fields, where the substantial way of thinking dominates. The concept ‘self-identical’ in Nishida means that the identity of each thing including human beings with it consists not only in it, but also in each of all things including the opposite of each thing. The self-awareness of the self and that of the world in Nishida are self-identical, in that both are in oneness in the field of absolute nothingness. 5 Cf. Hanaoka(-Kawamura), Eiko, Das Problem von Chaos und Kosmos in ZenBuddhism, in: Struktur des Chaos, ed. by Erik Horrnung and Tilo Schabert, München 1994, p. 111.

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Now, the self-awareness of the self in Nishida continues to be deepened to the oneness with the self-awareness of the world through the absolute infinite negation of the ego through its intuition and reflection. On the contrary the self-awareness of the world continues to be deepened to the oneness with the self-awareness of the self through the absolute infinite negation of ‘the field of absolute nothingness’ until arriving at the oneness with the self-awareness of the self. This fact becomes self-aware in the selfawareness in the self of each human being. The world of politics in Nishida on the ground of self-awareness of the self and the world mentioned above is the matter of ‘the self awareness of the world, in the world-historical time of the historical self-awareness of the world’,6 and it is not looked upon as the matter in the time of the selfawareness of the nation and of the classes in society like the French Revolution and the Russian Revolution.7 Nishida says in the above mentioned treatise (‘The Problem of the state-ground’, 1941), that the state shall throw away the imperial idea centering around a national state, shall overcome the idea of a mere opposite state and shall realize the politics proper to ‘the self-awareness of the historical world’ as ‘the idea of a new world constitution’.8 Such politics are looked upon ‘neither as the self-awareness of the longitudinal world nor as that of the lateral world, but as the politics in the time, in which each national society asks for the awareness historically and worldly’9 and ‘as the politics, in which the longitudinal problem and the lateral problem are able to be solved as a problem world-historically’.10 In other words Nishida advocates the politics from the standpoint of ‘that blood is not noble, but the blood, which bears culture, is noble,11 namely from the standpoint of ‘the self-awareness of the world’ beyond nations and states. It seems to me that the time of the world history in the self-awareness of the historical world begins with the terrorism that occurred in New York on September 11, 2001. It is, in my view, surely in the absolute infinite openness, namely in the field of absolute nothingness, that each national society in such a contemporary world continues to succeed its proper tradition of culture flexibly, critically and developmentally and such a succession can be realized in oneness with the self-awareness of the historical world. The first reason is that the absolute infinite openness consists in the paradigm 6

Nishida Kitaro’s Complete Works, Vol. 10, Tokyo 1965, p. 336 f. Cf. Ibid., p. 336. 8 Cf. Ibid., p. 337. 9 Ibid. 10 Ibid. 11 Ibid. 7

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‘absolute nothingness’, of which framework and field of thinking means the absolute negation of all the substantial. The second reason is that the absolute infinite openness, which Nishida called ‘the field of absolute nothingness’ and one of his disciples Keiji Nishitani called ‘stanpointless standpoint’ or suchness (in Japanese ‘jitai, in Sanskrit ‘thatata’), can subsume all other four paradigms (relative being, relative nothingness, absolute being and nihil) and let the standpoint in those paradigms live and act through agape and compassion. In Europe people were not clearly aware of the absolute nothingness as the framework and the field of thinking until the 20th century. However, the paradigm ‘absolute nothingness’ is realized without clear self-awareness, for example in Judaism in the time of the Old Testament, in the mystic like Meister Eckhart (ca. 1260–1328) in European medieval times, in Paul’s mysticism12 and in the idea of ‘kenosis’ (= self-emptifying).13 Moreover, the love as agape and compassion spurting from the absolute negation of the absolute nothingness and of the individual self are contained in every religion. Because, ‘religions’ means not only already existing religions, but also the self-awareness of heart and mind (in Japanese ‘kokoro’). During World War II, the influence of ‘absolute nothingness’ in Nishida and that of ‘suchness’ (in Sanskrit ‘tathata’) were regrettably not extended all over the world because of the immaturity of each individual and of each nation concerning self-awareness. However, in the 21st century ‘absolute nothingness’ and ‘suchness’ will have to extend all over the world. Otherwise politics in each country will be absolutized and each country will be destroyed by various wars.

III. Philosopher – Politics and Indra’s Net It is in the music, pictures, poetry, mountain climbing, sports, religious discipline and so on, that each of us is able to be free from attachment to the ego, existence, life of the individual as nihil and to live in composure.14 Of course for such a life the self-awareness consisting of the self-awareness of the self and of the world must be sharpened in the discipline of daily life of each person. In the following discussion it will be shown how each standpoint of four paradigms, namely relative being, relative nothingness, absolute being and nihil through agape and compassion of the absolute negation of ‘absolute nothingness’ can be regenerated. 12

Cf. Gal. 2, 20. Philp. 2, 7. Paul uses the Greek verb ‘kenoô’ in Philp. 2, 7, to show ‘emptify the self’. 14 Nishida calls this way of living in composure, in which the self-awareness of the self and that of the world are in oneness, ‘the pure experience as the unity of the consciousness’ and this experience is the starting point of his philosophy. 13

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Firstly, concerning Platonic ideas and the standpoint of the ego, the former is grounded on the paradigm of the absolute being as the essence of being and the latter is grounded on the relative being as the phenomena in this world including the ego of each person and on the paradigm of the absolute being, which transcends the relative being. This standpoint is available in the sphere of the species like sciences, nations, states and so on. However, this standpoint will become unsuitable for the culture in this 21st century, in which synthetic, international and interdisciplinary characters are requested. Nevertheless, this standpoint of species can be reborn through love as agape and compassion, if the attachment to this standpoint is abandoned. In other words, struggles and wars for power, natural resources, riches, fame etc., research into nuclear weapons and bio-weapons of war to kill human beings, trials to make human beings perennial young and live longer lives by producing ES-cells or human cloning etc., to sit down on the throne of God can be changed into world peace, prevention against various diseases and environmental destruction, maintenance of natural resources, climate, food on the earth and so on through the power of agape and compassion from the power of ‘absolute nothingness’ as absolute infinite openness. Secondly, in the paradigm ‘relative nothingness’, which is the framework and field of the thinking of existence represented by Sören Kierkegaard (1813–1855), existential literature will be written, when only the paradigm of ‘relative paradigm’ is looked upon as important by each person. However, in this only existential way of thinking, heart and mind (in Japanese ‘kokoro’) to sympathize with other people will not be easily found. It is true that in this only existential way of thinking the oneness between individual standpoint and mankind can be born, but the human relationship within a family, a nation, a state etc. will be in strife because of existential egoism on the ground of the paradigm ‘relative nothingness’. However, when the individual overcomes the way of thinking and life changes from a paradigm ‘relative nothingness’ to a paradigm ‘absolute nothingness’, the nothingness of the anxiety in the mere existential stage of life can be reborn to the restriction of the standpoint of ‘relative nothingness’, but not to the destruction, through agape and compassion of the power of the paradigm ‘absolute nothingness’. On the contrary, when the individual on the ground of existential standpoint rushes into the stage of nihilistic life on the ground of the paradigm ‘nihil’, he/she falls into the demoniac as negation of the spiritual and the self-awareness of the world, in that he/she absolutizes nihil as his/her own stronghold to protect him/herself. Because, while the spiritual can be born from the transparent oneness of nature, human beings and the transcendental dimension, in the limited field on the ground of the paradigm ‘nihil’ nature and the transcendental dimension are denied.

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However, when the paradigm ‘relative nothingness’ is broken down and the absolute infinite field of the absolute nothingness is opened the creative activity like literature, arts, sports and philosophy etc. on the ground of the existential standpoint can be reborn in the absolute infinite openness as ‘the field of the absolute nothingness’, which can subsume the openness in the stage of the species and the genus by the power of agape and compassion spurting from the absolute negation of ‘the field of absolute nothingness’. Moreover, the politics on the ground of the paradigm ‘relative being’ must ultimately become materialistic, and the politics on the ground of the paradigm ‘absolute being’ must ultimately become imperialistic. Thirdly, when the individual attaches the paradigm ‘nihil’, the demoniac will ultimately be born. However, when the standpoints on the ground of the paradigm ‘nihil’ are absolutely denied and can be reborn with agape and compassion spouting from ‘the absolute nothingness’, the self-awareness living in uncertainty and nihil of the individual can be in oneness with the awareness of the world. Only in this oneness can the politics, in which the individual, the species like nation and state and the genus as mankind in transparent oneness, be truly political. The politics on the ground of nihil will become either despotic, dictatorial or anarchic. Finally, we must discuss the politics on the ground of the paradigm ‘absolute nothingness’ and the politics in Zen. Yet we have already understood that such politics in Zen can be seen in the politics in ‘the field of absolute nothingness’ in Nishida, namely in the politics, where the self-awareness of the self and that of the world are in oneness, i. e. in the self-awareness of the world on the ground of the culture proper to the new idea of the world construction of the self-awareness of the historical world. Such world of the politics is, according to my consideration, the world of ‘Indra’s Net’ of Kegon sect (Hua-yen-tsung). However, it is not possible, that there is the politics on the ground of the paradigm ‘absolute nothingness’, which can be absolutized and substantialized, because ‘absolute nothingness’ means the absolute negation of all substantial. In the politics consisting of the paradigm of the ‘absolute nothingness’, we can newly consider each way of thinking in the other paradigms from the standpoint of agape and compassion of ‘absolute nothingness’. This consideration in the field of absolute nothingness can be called ‘thinking of non-thinking’, which can be expressed as ‘thinking beyond thinking and non-thinking like in Dogen (1200–1253),15 when this consideration is expressed from the standpointless standpoint of ‘absolute nothing15 Cf. Dogen, Shobogenzo, Vol. 1, translated by Yuho Yokoi, Tokyo 1986, p. 133.

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ness’, that can subsume all four other paradigms in the dimension of human reason or of ‘logos’. In the thinking of non-thinking ‘the philosopher-politics’ in Platonic idealism can be understood as the politics in Indra’s Net,16 in which Platonic idealism died to the non-substantial politics and was reborn to act with agape and compassion. In conclusion Japan, where Japanese philosopher K. Nishida advocated the logic of the field of absolute nothingness, should show the possibility of the politics mentioned above. The ‘politics’, which Japan can give as an example to a world that looks towards Indra’s net, is the Japanese Constitution, which America wrote at the end of World War II, and specifically the war-renouncing Article 9. There will be counterarguments, that each country needs its own constitution, enacted independently from other countries. However, the only possible way for Japan, which is independent from America and moreover now has cordial relations with many countries in Southeast Asia with which in the past it had extremely hostile relations, is to keep adhering to the war-renouncing Article 9 of its Constitution. This is the only way Japan can truly and entirely be rebom by the love as agape and compassion, which gush out from the action of the absolute negation of the absolute nothingness.

16 Indra’s net is a metaphor in Kegon sect (Hua-yen-tsung) in India to explain the relationship between all things in the cosmos. In Indra’s net each individual lives only interdependently on the one hand, although each individual in it is on the other hand independent: namely both sides are in oneness. In this net the whole net is one and innumerable jewels in each stitch of the net are the many. Moreover the one and the many are in oneness. And in each jewel each image of all other jewels is reflected.

III. Person und Institution

Vom Vorrang der Institutionen Hella Mandt Am Anfang seiner um 1720 begonnenen regelmäßigen Aufzeichnungen – lange vor der Ausarbeitung der Werke, die ihn selbst zu einem Klassiker des politischen Denkens machten – setzte sich Montesquieu entschieden von einem Begründer der Politikwissenschaft ab: „Wir haben . . . vergeblich die Sprache des Aristoteles übernommen, und ich wüsste nicht, dass wir je irgendeinen Vorteil davon gehabt hätten.“1 Im Gegenteil, „die Denkweise des Aristoteles“2 sei mit der Gefahr gravierender Fehleinschätzungen der politischen Wirklichkeit verbunden, wenn er z. B. monarchische Staaten „par des choses d’accident commes les vertus ou les vices du prince“ unterscheide und nicht nach der Form der Verfassung.3 Montesquieus Abkehr von Aristoteles sollte nicht beschwiegen oder beschönigt werden, um ihn für „die europäischen Traditionen“ zu retten.4 Warum aber bricht er mit der Tradition der „praktischen Philosophie“? Montesquieu war überzeugt, dass die Welt sich so gründlich gewandelt habe, dass sich der Rückgriff auf diese Tradition von selbst verbiete: „Die Welt ist neu.“5 Um den Bedingungen friedlichen Zusammenlebens der Menschen 1 Montesquieu, Meine Gedanken. Auswahl, Übersetzung und Nachwort von Henning Ritter, München 2001, Nr. 21, S. 11. 2 Montesquieu, Esprit des Lois, Paris 1951, XI, 9. 3 Ebd. 4 Z. B. Schalk, Fritz, Montesquieu und die europäischen Traditionen, in: Ders., Studien zur französischen Aufklärung. München 1964, S. 107: „Durch drei Bücher, die im Ancien Régime erschienen sind, ist die politische Theorie in Frankreich in klassischen Beispielen verkörpert worden: durch Bodins République (1576), Montesquieus Esprit des lois (1748) und Rousseaus Contrat social (1762) . . . die drei genannten Werke schlagen . . . die Brücke über die Jahrhunderte hinweg, sie greifen über die Gegenwart in die Vergangenheit, suchen die direkte Berührung mit der antiken Gedankenwelt und enthalten zugleich ein Prinzip der Wirkung, das die Zukunft erkennen oder ahnen lässt. In einer neuartigen Verwobenheit erscheinen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: sie werden zum Sprechen gebracht, und es ist, als ob aus der engen Verbindung zwischen der eigenen Zeit und der Tradition eine neue Form entspringen müsste . . . Die Politik . . . hat die Funktion, eine glückliche und freie . . . Lebensführung ermöglichen zu helfen. In diesem Sinne ist die vertu ihr zentraler Begriff. Dies verweist darauf, dass Politik – wie man im 18. Jahrhundert sagte – als eine ‚Tugendlehre‘ verstanden werden soll . . ..“

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in dieser neuen Welt auf die Spur zu kommen, müssen „Männer von Geist“ „verborgene, neue Wege . . . gehen, wo noch niemand gewesen ist.“6 Sich von Aristoteles abzuwenden, bedeutet im Denken Montesquieus, sich den politischen Institutionen zuzuwenden, sie aufzuwerten. Diese Entwicklung soll hier zunächst in ihrem ideengeschichtlichen Kontext – am Beispiel von James Harrington – skizziert werden. Diese Aufwertung geht zu Lasten von personengebundenen Tugenden und Sitten in einem Teil der neuzeitlichen politischen Wissenschaft. Für sie ist die Marginalisierung der Sitten charakteristisch. Diesen Entwicklungen im liberalen politischen Denken im vorrevolutionären Europa gilt die Kritik Tocquevilles, die abschließend erörtert wird. I. „now . . . all we can do is but to make a virtue of necessity“7

Für den Vorrang politischer Institutionen hat zur Zeit der englischen Bürgerkriege der Republikaner James Harrington plädiert, dessen Absichten und Ambitionen erst erkennbar werden, wenn man in der Marginalisierung politischer Tugenden sich der Kehrseite seiner besonderen Wertschätzung von Institutionen bewusst wird. Unabdingbare Voraussetzung der Lektüre von „Oceana“ ist es, der Empfehlung von John Toland zu folgen, des Herausgebers der Werke von Harrington, „. . . that the External and Internal Doctrine, are as much now in use as ever. . .“.8 Wo die Empfehlung von 5

Montesquieu, Gedanken, Nr. 807; Esprit des Lois, XXI, 21; vgl. Shklar, J., Montesquieu and the new republicanism, in: Bock, G. Skinner, Qu., and Viroli, M. (eds.), Machiavelli and republicanism. Cambridge 1993, S. 261–279: „In the Spirit of Laws we are reminded that with the discovery of the compass, the symbolic significance of which did not escape him, Europe was so transformed that it had become wholly unlike anything that ever existed in the past . . . new wealth and above all new power, had made it completely unlike the earlier world.“, S. 267. 6 Montesquieu, Gedanken, Nr. 807. J. Shklar hebt hervor, dass ein nostalgischer Blick zurück der politischen Orientierung in der „neuen Welt“ Europas nicht dienlich gewesen wäre: „At no time did Montesquieu present (ancient republics) in such a way as to make them appear as anything but irretrievable memories of the past, objects of historical understanding. They acted as contrasts, not examples to be copied. And there was no nostalgia at all here. Let us recall that the celebrated Eleventh Book of the Spirit of the Laws is not merely about England, but a comparison between England and Rome, and that Rome is presented as less self-correcting and less just than England.“ S. 268 f. 7 Harrington, James, The Commonwealth of Oceana, in: The Political Works of J. Harrington. Edited with an introduction by J. G. A. Pocock. Cambridge 1977, S. 241 „. . . in those ancient and heroical ages . . . men thought that to be necessary which was virtuous . . . But now . . . all we can do is but to make a virtue of necessity . . .“

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Toland (oder anderen) unbeachtet bleibt, sind Fehldeutungen des politischen Oeuvres von Harrington die Folge. Dies gilt ohne Ausnahme auch für diejenigen, die – wie J. G. A. Pocock – schulbildend gewirkt haben.9 Wie seinem Landsmann und Zeitgenossen Thomas Hobbes ging es ihm darum, das summum malum der Bürgerkriege zu beenden. Durch die Beanspruchung eines privilegierten Zugangs zur Wahrheit durch selbsternannte „Heilige“ hatte es eine neue, Konflikte verschärfende und verstetigende Dimension gewonnen. Ein Ausweg aus „chaos and confusion“ ließ sich durch Orientierung an der Denkungsart jener „heroischen Zeiten“ nicht gewinnen, „when men thought that to be necessary which was virtuous.“10 Dieses Zäsurbewusstsein Harringtons teilte David Hume, der „parties from principle“ im Gegensatz zu „factions from interest“ als ein Novum und Spezifikum der Neuzeit ansah: „perhaps, the most extraordinary and unaccountable phenomenon that has yet appeared in human affairs.“11 Obwohl die politischen Probleme der Zeit groß und so neu waren, war Harrington zuversichtlich, dass man sich „chaos and confusion“ nicht auf unabsehbare Zeit ausliefern müsse – im Gegenteil: Er war fest davon überzeugt, dass es im Bereich des Menschenmöglichen liege, sich ein für alle Mal aus dieser Lage zu befreien.12 Die Gründung einer „vollkommenen und unsterblichen Republik“ sollte Bürgerkriegen definitiv ein Ende setzen. Harringtons „außergewöhnliche 8

Toland, John, Clidophorus, or Of the Exoteric and Exoteric Philosophy, Tetradymus, London 1720, S. 61–100, bes. 63–68, 94. – Zu der Unterscheidung von „exoterischer“ und „esoterischer“ Lehre vgl. Strauss, Leo, Persecution and the Art of Writing, 1. Aufl. 1941; 2. Aufl., Glencoe/Ill. 1952, sowie ders., On a Forgotten Kind of Writing, zuerst in: Chicago Review, Winter – Spring 1954; Nachdruck in: Strauss, Leo, What is Political Philosophy?, Glencoe/Ill., 1959, S. 221–232. Zuletzt hat Paul A. Rahe in seinem Prolog zum 2. Band von „Republics Ancient and Modern. New Modes and Orders in Early Modern Political Thought“ (Chapel Hill and London 1994, Prologue, S. 3–18) auf diese Unterscheidung und ihre Bedeutung für die Lektüre und Interpretation klassischer Texte der europäischen Ideengeschichte aufmerksam gemacht. Vgl. auch Zagorin, Perez, Ways of Lying: Dissimulation, Persecution, and Conformity in Early Modern Europe, Cambridge/Mass. 1990. 9 Vgl. Sewing, W., John G. A. Pocock und die Wiederentdeckung der republikanischen Tradition. In: Pocock, John G. A., Die andere Bürgergesellschaft. Zur Dialektik von Tugend und Korruption. Frankfurt/New York 1993, S. 7–32. 10 Harrington, Oceana, S. 241. 11 Hume, David, Of Parties in General, in: D. Hume’s Political Essays, ed. with an introduction by Ch. W. Hendel. New York, 1953, S. 81. 12 Harrington, Oceana (The Corollary), a. a. O., S. 341: „. . . For in the art of man, being the imitation of nature which is the art of God, there is nothing so like the first call of beautiful order out of chaos and confusion as the architecture of a wellordered commonwealth . . . so far forth as is in human providence, unalterable and immortal.“

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Ambition“13 erwuchs aus der Gewissheit, die politische Welt sei beherrschbar. Sie hatte die Abkehr von dem „Könnensbewusstsein“ (Chr. Meier) zur Voraussetzung, das mit dem Kreislauf der Verfassungen und der Unbesiegbarkeit von „fortuna“ rechnete.14 Den „Alten“ – Machiavelli nicht ausgenommen – wusste sich Harrington überlegen.15 Einzig Thomas Hobbes galt – bei aller Kritik im Detail – sein überschwängliches Lob: „I have opposed the politics of Mr. Hobbes, to show him what he taught me . . . Nevertheless . . . I firmly believe that Mr. Hobbes is, and will in future ages be accounted, the best writer at this day in the world; and for his treatises of human nature, and of liberty and necessity, they are the greatest of new lights, and those which I have followed and shall follow.“16 In der politischen Zielsetzung wie in den Vorstellungen ihrer Durchsetzbarkeit war Hobbes der politische Lehrer von James Harrington: die Bürgerkriege zu beenden mit Mitteln und auf Wegen, die von denen der „Alten“ sich unterschieden. In seiner Abhandlung „The Art of Lawgiving“ (Ende 1659, zwei Jahrzehnte vor Hobbes’ Tod) betont Harrington, dass es für die Sicherheit des englischen Volkes nicht genüge, „that there are honest men addicted unto all the good ends of a commonwealth“. Unabdingbare Voraussetzung der Sicherheit sei vielmehr „no less than the highest skill or art that is in political architecture“ – „whereof the many are incapable“.17 Von „skill of making and maintaining Commonwealths“ handelt Hobbes am Ende des 20. Kapitels des Leviathan unter Hervorhebung der Tatsache, dass „skill“ in bestimmten Regeln bestehe, „. . . which Rules neither poor men have the leisure, nor men that have had the leisure, have hitherto had the curiosity to find out.“18 Dieser Feststellung geht eine die eigene Meisterschaft im Vergleich zu den „Alten“ unterstreichende Behauptung vorauf: „For though in all places of the world, man should lay the foundation of their houses on the sand, it could not thence be inferred, that so it ought to be.“ 13 Scott, J., England’s troubles. 17th century English political instability in European context. Cambridge 2000, S. 339. 14 Meier, Christian, Ein antikes Äquivalent des Fortschrittsgedankens: Das „Könnens-Bewußtsein“ des 5. Jahrhunderts v. Chr, in: Meier, Chr., Die Entstehung des Politischen bei den Griechen. Frankfurt/M. 1983, S. 469 ff. 15 Vgl. Sullivan, V. B., The Distinctive Modern Republicanism of James Harrington, in: dies., Machiavelli, Hobbes, and the Formation of a Liberal Republicanism in England, New York 2004, S. 144–173; S. 149: „(Harrington) explicitly diverges from Aristotle’s teaching and initiates his own voyage away from the ancients. Harrington, then, while proclaiming his apprenticeship to the ancients, simultaneously and contradictorily announces his own mastership.“ Vgl. ibid. S. 153, 156, 165. 16 Harrington, J., Prerogative of Popular Government (1658), in: Works, a. a. O., S. 423. Hervorhebungen H. M. 17 Harrington, Works, S. 609. 18 Leviathan, London (Everyman’s Library) 1959, Ch. XX, S. 110.

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Harringtons „außergewöhnliche Ambition“, eine „vollkommene Republik“ zu gründen, war – bedingt durch die Orientierung an Hobbes – wenig geeignet, aus ihm einen „klassischen Republikaner“ zu machen. Das Gegenteil ist der Fall: 1. Unabdingbare Voraussetzung der Republik Harringtons, ihrer Vollkommenheit und Unsterblichkeit ist der Verzicht auf öffentliche Diskussion. Unter Verweis auf verschiedene historische Beispiele, die im Einzelnen nicht erläutert werden, gibt Harrington seiner Überzeugung Ausdruck, dass es nichts Gefährlicheres gebe als „debate in a crowd, where there is nothing but jostling, treading upon one another and stirring of blood“.19 Im Interesse der erfolgreichen Gründung und Erhaltung einer „vollkommenen Republik“ wird der „natürlichen Aristokratie“ das Privileg nicht-öffentlicher Debatten über politische Angelegenheiten verliehen. Das Parlament hat das Recht, über die Empfehlungen des aus Aristokraten gebildeten Senats zu entscheiden. Bei ihrer Wahl haben sich die Parlamentsmitglieder durch Eid verpflichtet, keine Debatten einzuführen. Schon den Versuch wertet Harrington als Verletzung seiner republikanischen Ordnung, die sie in ihren Grundfesten trifft. Personen, die sich an einem solchen Versuch beteiligen, sind – mit Hilfe und Unterstützung der Abgeordneten, die sich an ihren Eid halten – zu ergreifen und dem Kriegsrat zu überstellen. Dieser kann als Höchststrafe das Todesurteil empfehlen.20 2. Harringtons Republik ist – nicht anders als eine Stabilität und Regierbarkeit verbürgende Monarchie – auf ungeteilte, souveräne Macht angewiesen, nicht jedoch auf deren Begrenzung: „Where the sovereign power is not as entire and absolute as in a monarchy itself, there can be no government at all. It is not the limitation of sovereign power that is the cause of a commonwealth, but a libration or poise of orders.“21 Der Verzicht auf Begrenzung der Souveränität hat zur Folge, dass Parteienkonkurrenz ebenso wenig zur Verfassungswirklichkeit einer „vollkommenen Republik“ gehört wie Zwischengewalten, die auf politische Willens19

Harrington, Oceana, 20. Ordnung, vorl. Absatz, S. 266. Ebd., 21. Ordnung, S. 267; 19. Ordnung, S. 251. 21 Vgl. Kluxen, K., Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des englischen Parlamentarismus, in: Kluxen, K., Parlamentarismus, Köln/Berlin 1967, S. 105: „Ohne eine deduktiv gewonnene Staatslehre zu geben oder eine letzte Definition des Staatszwecks zu versuchen, begnügte (Harrington) sich mit praktischen Schemata für ein Optimum an freiheitlicher Staatsgestaltung. Vollkommen war ihm der Staat, dessen Souveränität nicht begrenzt, sondern ausgewogen (librated) sei und ein ‚equal system‘ darstelle wie Venedig . . . Dieser Auswiegung der Gegensätze durch Verteilung der Funktionen diente sein Gedanke der Zweiteilung der Regierung in eine debattierende und eine beschließende Volksversammlung, einer Teilung von ‚wisdom‘ and ‚interest‘“. 20

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bildung Einfluss zu nehmen suchen: „In der für die Bekanntmachung eines Gesetzes vorgesehenen Zeit . . . sollen keine Gruppenbildungen, Geheimtreffen oder Beeinflussungsversuche stattfinden, um auf diese Weise für oder gegen etwas Stimmung zu machen . . .“.22 Wenngleich Harrington die Möglichkeit in Erwägung zieht, dass „die souveräne Gewalt ein zwar notwendiges, aber schreckliches Ding sein“ könne23, „nicht unähnlich dem (Schieß-)Pulver, das im selben Maße Schutz verheißt wie Gefahr“, wird den Bürgern der Republik – im Gegensatz zum „klassischen Republikanismus“ – nicht das Recht auf Widerstand konzediert. Es bringe die Gefahr der Anarchie mit sich. Die vollkommene Republik habe nur Bestand, wenn ihre politische Elite die ihr übertragene souveräne Gewalt „festhalte (und) sie auf immerdar mit (ihren) glänzenden Waffen umklammert“.24 3. Bedenkt man die drakonische Strafe, die diejenigen zu erwarten haben, die im Parlament eine öffentliche Debatte einführen wollen, im Zusammenhang mit Harringtons Insistieren auf ungeteilter, souveräner Macht in Verbindung mit der Absage an das Recht auf Widerstand bei missbräuchlicher Ausübung von Herrschaftsbefugnissen, so ist unmittelbar einleuchtend, dass im Gegensatz zum „klassischen Republikanismus“ die Leitidee der Bürgergesellschaft im Denken Harringtons kein Gewicht hat. Dies wird deutlich, wenn derjenige Verfassungsrahmen als mangelhaft charakterisiert wird, der nicht jedermann veranlasst, seine Funktion mit Notwendigkeit wahrzunehmen. Er vergleicht das „commonwealth“ einem Käfig, den er einmal in Rom gesehen hat: „. . . at Rome I saw (a cage) which represented a kitchen . . . the cooks were all cats and kitlings, set in such frames, so tied and ordered, that the poor creatures could make no motion to get loose, but the same caused one to turn the spit, another to bake the meat, a third to skim the pot and a fourth to make green sauce. If the frame of your commonwealth be not such as causeth eyeryone to perform his certain function as necessarily as this . . . it is not right.“25 4. Die Vollkommenheit der „unsterblichen Republik“ erwächst aus der Perfektion institutioneller Arrangements: „The perfection of government lieth upon such a libration in the frame of it, that no man or men, in or under it, can have the interest or, having the interest, can have the power to disturb it with sedition.“26 Institutionen sind geeignet, die stets vorhandenen „grenzenlosen Leidenschaften in einer Menge“ zu kanalisieren und ihnen 22 23 24 25 26

Harrington, Oceana, 23. Ordnung, dt. Übers., Leipzig 1991, S. 230. Ebd., 12. Ordnung, S. 134. Ebd., S. 135. Harrington, Works, S. 744. Ebd., S. 179; vgl. S. 337.

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ihr politisch destruktives Potential zu nehmen.27 Harrington lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er die Grundprämisse des „klassischen Republikanismus“ nicht teilt, dass Menschen zu Bürgertugenden erzogen werden können. Vielmehr sind und bleiben sie fehlbar und „nicht ohne Sünde“. Umso mehr komme es darauf an, jeden davon zu überzeugen, „sich manierlich an der öffentlichen Tafel zu benehmen“.28 Es ist Aufgabe der „natürlichen Aristokratie“, diese Überzeugungsarbeit zu leisten: erst durch sie kann die Republik vollkommen werden, obwohl die Bürger sündig sind.29 Insofern eine „natürliche Aristokratie“ unabdingbare Voraussetzung des Gelingens einer „vollkommenen und unsterblichen Republik“ ist, wird man nicht sagen können, dass Institutionen – auch wenn ihnen ein Vorrang vor Personen und ihren besonderen Qualifikationen attestiert wird – allein imstande sind, ein „vollkommenes Commonwealth“ zu begründen. II. Bei allem einschneidenden historischen Wandel, der Montesquieu veranlasste, von einer „neuen Welt“ zu sprechen, blieb die Gefährdung Europas durch das politische summum malum des Despotismus ebenso konstant wie die durch die Stärke menschlicher Leidenschaften bei gleichzeitiger Schwäche der menschlichen Vernunft. „Einzigartige Sache: Fast nie ist es die Vernunft, die Vernünftiges bewirkt und fast nie kommt der Mensch aus Vernunft zur Vernunft.“30 Im Gegenteil: „Les hommes agissent [. . .] presque toujours, par caprice ou par passion, ou agissent simplement pour agir & pour qu’on ne dise point qu’il n’agissent pas.“31 Wenig Aussicht also auf politische Fortschritte, auf die andere hofften und mit denen wieder andere fest rechneten – und dennoch bleibt die Welt für Montesquieu in Grenzen politisch gestaltbar. Es kommt darauf an, sich diese Tatsache bewusst zu machen. Denn es gilt der kategorische Imperativ: 27

Ebd., S. 744. Ebd., S. 320; S. 172: „to persuade every man in a popular government not to carve himself of that which he desires most, but to be mannerly at the public table.“ Vgl. Remer, G., James Harrington’s new deliberative rhetoric: reflection of an unclassical republicanism, in: History of Political Thought. Vol XVI, No. 4. Winter 1995, S. 532–557; bes. S. 554 f. 29 „. . . for as a man is sinful, but yet the world is perfect, so may the citizen be sinful and yet the commonwealth be perfect.“ Harrington, Works, S. 320 – Ob daraus geschlossen werden kann, dass Harringtons „Menschenbild weniger pessimistisch war als das rabenschwarze von Hobbes“, wie A. Riklin (Die Republik von J. Harrington, Wien 1999, S. 107) annimmt, erscheint mir fraglich. 30 Meine Gedanken, Nr. 1951. 31 Montesquieu, De la politique (1725), in: Œuvres Complètes, Bd. 1, S. 119. 28

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Angesichts der Fragilität menschlicher Ordnungen „den Stein des Sysiphus zu keinem Zeitpunkt sich selbst (zu) überlassen“.32 (So am Ende seiner moralphilosophischen Vorlesung 1779 A. Ferguson). Um der Gestaltbarkeit der Welt willen kommt es vielmehr darauf an, weiter zu sehen als andere (vor uns): „ausgetretene Pfade“ zu verlassen; „einen Spielraum für die Staatskunst wiederzugewinnen“.33 Schon ein knappes Vierteljahrhundert vor der Drucklegung des Esprit des Lois hatte Montesquieu Kritikern der Politik, die beredt deren Nichtübereinstimmung mit Moral, Vernunft und Gerechtigkeit beklagten, entgegengehalten: „Ces sortes des discours persuadent tout le monde et ne touchent personne [. . .]. Je crois qu’il vaut mieux prendre une voie détournée.“ Mit dem Zusatz: „Ce n’est pas les moyens qui doivent être brillants; c’est la fin. La vraie politique est d’y parvenir par des routes obscures.“34 Bei der Wahl von Umwegen oder obskurer Wege hat Montesquieu sich von dem damals in London lebenden Verfasser der Bienenfabel, Bernard Mandeville, inspirieren lassen. Auf ihn verweist er sowohl im Esprit des Lois (zwei Mal), als auch in den Pensées – jeweils ohne (mit Rücksicht auf die Zensur) den Untertitel der Bienenfabel anzugeben: Private Laster, öffentliche Vorteile. Wie einige seiner Zeitgenossen und französische Moralisten des 17. Jahrhunderts (die Mandeville außerordentlich schätzte) war er der Auffassung, dass am Beginn allen Nachdenkens über die (politische) Gestaltbarkeit der Welt die Erforschung der menschlichen Natur stehen müsse – „so wie sie wirklich ist, nicht wie sie sein sollte.“35 Montesquieu notierte sich: „Ich eigne mir gern die Gedanken des Erfinders der Bienenfabel an und fordere dazu auf, mir in einem beliebigen Land ernsthafte Bürger zu zeigen, die ebenso viel Gutes tun wie in den Handelsnationen die Stutzer.“36 32 Adam Ferguson: „The stone of Sysiphus must not be left to itself at any point on the declivity of human affairs.“ Motto zur Einleitung von Hans Medick zu seiner Übersetzung von Ferguson, Adam, Versuch über die Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft (An Essay on the History of Civil Society, 1767), Frankfurt/M. 1986, S. 7. 33 Leo Strauss wertet Montesquieus Abkehr vom thomistischen Naturrecht als den Versuch, „einen Spielraum für die Staatskunst wiederzugewinnen, der durch die thomistische Lehre beträchtlich eingeschränkt worden war. Was Montesquieus private Ansichten waren, darüber wird man sich immer wieder streiten können.“ Strauss, Leo, Naturrecht und Geschichte (Natural Right and History, 1953), Stuttgart 1956, S. 170. 34 Montesquieu, De la politique, S. 112, 119. Diese Feststellung zeugt von dem Einfluss, den Machiavelli auf Montesquieu seit 1716 hatte. Vgl. dazu S. 14. 35 Mandeville, Bernard, Die Bienenfabel oder Private Laster, öffentliche Vorteile, Frankfurt/M. 1980, S. 93, 207. 36 Montesquieu, Meine Gedanken, Nr. 1553.

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Zwar ist es nicht ihr Ziel, den öffentlichen Nutzen zu mehren, sondern unbeabsichtigte Nebenfolge ihres von Leidenschaften (Eitelkeit) und Interessen bestimmten Verhaltens: Auf eben diesen Effekt (der Mehrung des öffentlichen Vorteils) aber kommt es an. Allerdings: Dieser Effekt ergibt sich für Mandeville keineswegs von selbst – gelenkt von einer „unsichtbaren Hand“. Im Gegenteil: Sichtbares und stetiges Wirken von Politikern, die ihr Handwerk verstehen, ist conditio sine qua non einer möglichen Umwandlung privater Laster (die ungeachtet ihres öffentlichen Nutzens Laster bleiben) in öffentliche Vorteile. Mandeville lässt in diesem Punkt kein Missverständnis aufkommen: „skilful management“ „of dextrous politicians“, „die die menschliche Natur, vor allem die Leidenschaften genau kennen“, ist unabdingbar; sie allein „können die privaten Laster in öffentliche Vorteile“ umwandeln.37 „Alle gute Politik und die ganze Regierungskunst beruht völlig auf der Kenntnis der menschlichen Natur.“ Sie verstehen zu lernen, verlange Zeit: „Es ist das Werk von Jahrhunderten, den richtigen Gebrauch der Leidenschaften zu entdecken.“ Und auch „das Regelwerk einer Gesellschaft“ sei „das gemeinsame Werk mehrerer Jahrhunderte und nicht die geniale Erfindung eines vereinzelten Gesetzgebers.“38 Unfähige Politiker, die sich nicht darauf verstehen, durch das „Zügeln, Zurückdrängen und Entmutigen der ungeregelten Leidenschaften und der schädlichen Schwächen des Menschen [. . .] zur Stärke des Gesamtkörpers“ beizutragen, können ein Volk zugrunde richten. „Von all den herrlichen Ländern und Reichen, von denen die Geschichte bis jetzt zu berichten weiß, kam keines je zu Fall, an dessen Untergang nicht hauptsächlich die politische Unfähigkeit, Nachlässigkeit oder Misswirtschaft der Regierenden schuld war.“39 Kein vergleichbares Plädoyer für das sichtbare Wirken qualifizierter Berufspolitiker findet sich im Esprit des Lois. Persönliche Qualifikationen sind „choses d’accident“ – auf die Verfassungsform und die Institutionen kommt es an.40 Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden: Wo private Laster (die auch bei Montesquieu Laster bleiben) sich (unabsichtlich) in „öffentliche 37

Mandeville, Bienenfabel, S. 400. Ebd., S. 221 f. 39 Ebd., S. 160. 40 Montesquieu, Esprit des Lois, XI, 9. Vgl. David W. Carrithers: „He relied on institutional restraints such as checks and balances and an independent judiciary – not on virtue – to check the human appetite for power“. Carrithers, David W., Introduction. Montesquieu and the spirit of modernity, in: Carrithers, David W., Coleman, P. (Hrsg.), Montesquieu and the spirit of modernity, Oxford 2002, S. 1–33, hier S. 7. 38

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Vorteile“ verwandeln (sollen), dort sind „Sitten“ nicht länger unabdingbare Voraussetzungen freiheitlicher politischer Systeme. Sie sind nicht mehr von zentraler, sondern nur mehr von marginaler Bedeutung. Zur Veränderung der Bedeutung von Sitten im politischen Denken Montesquieus ist zum besseren Verständnis festzuhalten, dass es unter Vertretern der europäischen Aufklärung nichts Ungewöhnliches war, statt auf Sitten und Tugenden im überlieferten Sinn auf ein „ménage à trois“ aus Leidenschaft, Interessen und Verstand zu setzen. Albert Hirschman hat das im Einzelnen in seinem Essay Leidenschaften und Interessen gezeigt.41 Nicht zufällig dient ihm als Motto eine Passage aus dem Esprit des Lois: „Es ist ein Glück für die Menschen, sich in einer Lage zu befinden, wo sie gegenüber den Einflüsterungen ihrer Leidenschaften, böse zu sein, doch ein Interesse daran haben, es nicht zu sein.“42 Bedenkt man den von Hirschman dargelegten Traditionsstrang im europäischen politischen Denken der Neuzeit, so wird man nicht umhin können, den Originalitätsanspruch von Montesquieu zu relativieren. Gewiss ist er nicht gegangen, „wo noch niemand gewesen ist“: Er selbst macht ja durch seine Verweise auf Mandeville gar kein Geheimnis daraus.43 Ein anderer Aspekt der Marginalisierung von „Sitten“ durch Montesquieu folgt aus der Tatsache, dass nur in Demokratien (nicht in anderen Staatsformen) „gute Sitten“ (als Folge von „Patriotismus“) Vorbedingung für deren Bestand sind: derjenigen Staatsform also, der (im Gegensatz zur Monarchie) nicht die Zukunft, sondern eine große Vergangenheit gehört.44 Dabei ist festzuhalten, dass gleichzeitig der Begriffsumfang und -gehalt von Sitten drastisch verändert wird. „Gute Sitten“ haben weder etwas mit intellektuellen noch mit moralischen Dispositionen zu tun. Maßstab „guter Sitten“ ist ausschließlich der Intensitätsgrad eines Gefühls, das jeder – ohne Ansehen der Person – haben kann. Dieses Gefühl ist die Vaterlandsliebe und die Liebe zur Gleichheit: „un sentiment, et non une suite de connoissances; le dernier homme de l’état peut avoir ce sentiment comme le premier.“45 Die41

Hirschman, Albert Otto, Leidenschaften und Interessen, Frankfurt/M. 1980. Montesquieu, Esprit des Lois, XXI, 20. 43 Umso verwunderlicher ist es, dass erst seit wenigen Jahren Montesquieus Wertschätzung der Bienenfabel systematisch zur Interpretation seines Liberalismus herangezogen wird. Vgl. Spector, Céline, Vices privés, vertus publiques: de la Fable des abeilles à De l’Esprit des Lois“, in: Carrithers/Coleman, Montesquieu and the spirit of modernity, S. 127–157. Die Verfasserin sieht in der Beziehung von Montesquieu zu Mandeville einen Eckstein des Esprit des Lois und den Schlüssel für die Interpretation von Montesquieus Liberalismus, S. 129. 44 „The model for Europe now was a commercial, extensive, non-military ‚democracy disguised as a monarchy‘, England, ruled by legislation, not mores.“ Shklar, Montesquieu and the new republicanism, S. 269. 42

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ses Gefühl, politische Tugend genannt, führt dann zu „guten Sitten“, wenn es frei von „Lauheit“ ist: „tiédeur détruit cette vertu.“ Es ist Aufgabe von Zensoren, aufkommender „Lauheit“ durch Warnungen und Mahnungen entgegenzuwirken.46 Zur Aufrechterhaltung „guter Sitten“ – verstanden als stetige Bereitschaft zum Verzicht auf sich selbst und zur fraglosen, beständigen Bevorzugung des öffentlichen Interesses vor dem eigenen – ist im Übrigen nichts geeigneter als die strikte Unterordnung (extrême subordination) der jungen Leute unter die alten (V, 7).47 Mit anderen Worten: Ein glühender, unreflektierter, gleichsam reflexhafter Patriotismus – das gerade Gegenteil von „Verfassungspatriotismus“ (D. Sternberger) – gilt Montesquieu als „politische Tugend“ und als Königsweg zu „guten Sitten“. Die hier skizzierte Marginalisierung von „Sitten“ in Verbindung mit der Veränderung des Begriffsgehaltes hat zur Folge – was hier nur am Rande vermerkt werden kann – , dass die Feststellung, „[d]ie Völker Europas werden [. . .] von den Sitten beherrscht“, in ihrem spezifischen Gewicht gegen Null tendiert. Denn der veränderte Begriffsgehalt von ‚Sitten‘ ist ungeeignet, eine Besonderheit Europas zur Sprache zu bringen, aus der ein Vorrang gegenüber anderen Erdteilen abgeleitet werden könnte. Von Sitten werden auch Länder in anderen Teilen der Welt beherrscht: nämlich von anderen Sitten, die sich im Gegensatz zum „esprit de l’Europe“ befinden. Die Gegensätze werden klar benannt.48 Dennoch verzichtet Montesquieu darauf, die europäischen Sitten „gut“ und vorbildlich zu nennen und demgegenüber die außereuropäischen als „schlecht“ zu bezeichnen. Denn er schließt nicht aus, dass Europa, „dieser schöne Erdteil“, „zum Mindesten eine Zeitlang“ „dieselbe Schmach erdulden [müsste], die man [der Menschheit] in den drei anderen Erdteilen zufügt“: „Sollte hier infolge langen Missbrauchs der Macht oder einer großen Eroberung sich einmal der Despotismus durchsetzen können, so würden ihn weder die Sitten noch das Klima aufhalten können.“49 Kehrseite der Marginalisierung von Sitten ist eine besondere Wertschätzung von politischen Institutionen. Jenseits des Liberalismus sind sie (im 18. Jahrhundert durch Rousseau) nur mehr als „Krücken“ verstanden worden, derer Greise bedürfen, um sich – in dieser Weise „entlastet“ – auf der Bahn des Lebens überhaupt fortbewegen zu können: ohne Aussicht auf ei45 46 47 48 49

Montesquieu, Esprit des Lois, V, 2. Ebd., V, 2; V 19. Ebd., IV, 5; V, 7. Ebd., XVII, 5. Ebd., III, 8.

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nen „aufrechten Gang“ (E. Bloch). Eine solche Aussicht ist jedoch konstitutiv für einen neuzeitlichen Institutionen-Optimismus.50 Angesichts des summum malum, dem sich Montesquieu konfrontiert sah, dem „Despotismus“ – in Europa „un crime contre le genre humain“51 – setzte er, Harrington folgend, auf ein wohl bedachtes Arrangement von Institutionen: ohne einem moralischen laissez-faire das Wort zu reden. Allerdings: Kompetentes „constitutional engineering“ vorausgesetzt, erübrigt sich die Aufgabe, die sich später Tocqueville stellte – im Interesse der Erhaltung demokratischer Institutionen die „Sitten zu läutern“.52 Zivile Umgangsformen, wie sie in Handel treibenden Nationen üblich sind, genügen dagegen Montesquieu als funktionale Voraussetzung politischer Systeme, die „negative“ Freiheit verbürgen wollen.53 Mit Blick auf Frankreich, dessen „Charakter im allgemeinen gut“ ist, heißt es bei Montesquieu, seien „ein paar Fehler, die sich darin finden“, tolerierbar: „[. . .] il ne faut pas tout corriger. Qu’on nous laisse comme nous sommes [. . .]. La nature répare tout.“54 Die Marginalisierung der Sitten im politischen Denken von Harrington wie von Montesquieu ist in der Folgezeit m. W. nicht Gegenstand gelehrter Kommentare geworden. Vielmehr scheint die Häufigkeit der Verwendung der Vokabel „Sitten“ im Esprit des Lois viele Interpreten zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert auf eine falsche Spur gelockt zu haben – und dies mag mit Rücksicht auf die Zensur durchaus in der Absicht von Montesquieu gelegen haben. Dazu zwei Beispiele. Einer der belesensten der amerikanischen Gründerväter, John Adams, hatte etwa seit seinem 19. Lebensjahr politische Schriften bekannter europäischer Moralphilosophen gelesen und sich – „oft recht gewaltsam“55 – intellektuell nutzbar zu machen versucht. Zwischen Juni 1753 und April 1754, danach zwischen September 1758 und Januar 1759, hat er Francis Hutcheson gelesen. Dieser hatte 1725 zuerst die „Mehrung des größten Glücks der größten Zahl“ zum politischen Postulat erhoben – und zwar im Sinne der aristotelischen Lehre von der eudaimonia, 50

Vgl. Mandt, Hella, Politisch-sozialer Wandel und Veränderungen des Institutionenverständnisses in der Neuzeit, in: dies., Politik in der Demokratie. Aufsätze zu ihrer Theorie und Ideengeschichte, Baden-Baden 1998, S. 134–142. 51 Montesquieu, Esprit des Lois, Index, S. 1634; 1647. Vgl. Mandt, Hella, „Die Freiheit Europas und die Knechtschaft Asiens“ – Europabewußtsein und Kritik des Eurozentrismus im politischen Denken Montesquieus. In: P.-L. Weinacht (Hrsg.), Montesquieu – 250 Jahre „Geist der Gesetze“. Baden-Baden 1999, S. 99–106. 52 Tocqueville, Alexis de, Über die Demokratie in Amerika (Hrsg. J. P. Mayer, Th. Eschenburg und H. Zbinden), München 1984, S. 9. 53 Montesquieu, Esprit des Lois, XI, 6. 54 Ebd., XIX, 5 und 6. – Meine Hervorhebung. H. M. 55 Gebhardt, Jürgen, Die Krise des Amerikanismus. Revolutionäre Ordnung und gesellschaftliches Selbstverständnis in der amerikanischen Republik, Stuttgart 1976, S. 90.

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die Glück an die Kategorie der Tugend bindet.56 Die Hutcheson-Lektüre hat in Adams die Überzeugung genährt, dass „the divine science of politics is the science of [human] happiness“. Er las sodann „Harrington, Sidney, Hobbes [. . .] and Locke“, schließlich ab 1760 zum ersten Mal den Esprit des Lois. Es entging ihm nicht, dass im Esprit des Lois „Tugend“ eine Leidenschaft ist. Gleichwohl glaubt Adams eine „Skala moralischer Exzellenz“ im Esprit des Lois erkennen zu können – in der der Ehre (truly sacred) „a lower rank [. . .] than virtue“ zukommt. Es folgt eine Art intellektueller Fehlzündung: Tugend eröffne den Weg zu menschlichem Glück: „As Politics is the Science of human Happiness, and human Happiness is clearly best promoted by Virtue, what thorough Politician can hesitate who has a new Government to build whether to prefer a Commonwealth or a Monarchy?“57 Zwölf Jahre später, nach erfolgter Republikgründung in Nordamerika, korrigiert sich Adams in seinem 1788 erschienenen dreibändigen Hauptwerk A Defence of the Constitutions of Government of the U.S. of America. Keine Rede mehr von „moralischer Exzellenz“! Ernüchtert hält Adams fest, was Montesquieus vertu nicht ist: „It is not the classical virtue [. . .] which the ancient philosophers summed up in four words, – prudence, justice, temperance and fortitude. It is not Christian virtue so much more sublime [. . .].“ Was ist vertu dann? „[. . .] merely a negative quality; the absence only of ambition and avarice.“58 Die intellektuelle Redlichkeit des praktischen Politikers, der kein hauptberuflicher Ideenhistoriker war, verdient Respekt. Dies umso mehr, als man mit Befremden Freiheiten in der Interpretation von Montesquieu zur Kenntnis nimmt, die sich angesehene Experten teils im 20. Jahrhundert nahmen: z. B. Robert Shackleton. „In spite of all that has been written to the contrary by Montesquieu as well as by his commentators [. . .]. Virtue for Montesquieu means moral goodness: L’amour de la patrie conduit à la bonté des mœurs, et la bonté des mœurs conduit à l’amour de la patrie.“59 56 Leidhold, Wolfgang, Liebe, Moralsinn, Glück und Civil Government. Anmerkungen zu einigen Zentralbegriffen bei F. Hutcheson (Einleitung), in: Hutcheson, Francis, Über den Ursprung unserer Ideen von Schönheit und Tugend. Über moralisch Gutes und Schlechtes (Hrsg. Wolfgang Leidhold), Hamburg 1986, S. VII ff. 57 Adams, John, Thoughts on government (Januar 1776), in: ders., The Political Writings (Representative Selections) (Hrsg. George A. Peek, Jr.), New York 1954, S. 84–85. 58 Zitiert nach Stourzh, Gerald, Die tugendhafte Republik. Montesquieus Begriff der vertu und die Anfänge der Vereinigten Staaten von Amerika, in: Österreich und Europa. Festgabe für Hugo Hantsch, Graz/Wien/Köln 1965, S. 247–267, hier S. 248–249. 59 Shackleton, Robert, Montesquieu. A Critical Biography, London 1961, S. 273. Vgl. die Kritik von Stourzh an Shackleton, der weder dem „Avertissement“ Beachtung schenke noch Kap. V, 2.

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Im Ergebnis ist festzuhalten: Der Vorrang der Institutionen vor den Sitten und Personen begünstigt die Entstehung einer libertären bürgerlichen Gesellschaft, deren Mitglieder Montesquieu prägnant charakterisiert als „plutôt des confédérés que des concitoyens“.60 Sie steht von ihrer Zielsetzung her im Widerspruch zur liberalen Bürgergesellschaft, die durch einen moralischen Konsens (durch Sitten) innerlich verbunden ist. Deren Verfechter im 19. Jahrhundert, insbesondere Alexis de Tocqueville, bleiben im Rahmen der Aristoteles-Tradition. Eine vergleichbare Nähe zu ihr gibt es im Liberalismus Montesquieus nicht. Das Gegenteil ist der Fall, wie die eingangs zitierte Notiz aus Meine Gedanken belegt. Diese klare Distanzierung von Aristoteles stützt auf ihre Weise die hier vertretene Sicht Montesquieus als eines politischen Denkers, dessen Modernität in der Marginalisierung von Sitten Ausdruck findet. Auch eine andere Gewichtung seiner Einschätzung von Aristoteles könnte die Bedeutung Montesquieus als eines Mitbegründers einer „neuen politischen Wissenschaft“ (J. Shklar) nicht entkräften, denn die Absage an die Tradition geht einher mit der Zuwendung zu dem Nicolo Machiavelli der Discorsi.61 Ihn nannte er einen „grand homme“62: Er hatte als erster „ohne Rücksicht [. . .] einen Weg einzuschlagen beschlossen, der noch unbegangen“ war.63 Für das Verständnis des politischen Denkens von Montesquieu ist es geraten, beides – die Abkehr von einer europäischen Tradition und die Zuwendung zu einer neueren – zusammen zu sehen.

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Montesquieu, Esprit des Lois, XIX, 27 – Meine Hervorhebung. H. M. Die Zuwendung zu Machiavelli ist gut dokumentiert; vgl. zuletzt: Carrese, Paul O., The Machiavellian Spirit of Montesquieu’s Liberal Republic“, in: Rahe, Paul A. (Hrsg.), Machiavelli’s Liberal Republican Legacy, Cambridge (etc.) 2006, S. 121–142. 62 Montesquieu, Esprit des Lois, VI, 5. – Vgl. die Kritik des Machiavellismus als politisch unklug und kontraproduktiv: „On a commencé à se guérir du machiavélisme, et on s’en guérira tous les jours [. . .]. Ce qu’on appeloit autrefois des coups d’États, ne seroit aujourd’hui, indépendemment de l’horreur, que des imprudences.“ Ebd., XXI, 20. 63 Machiavelli: „Das Auffinden neuer Einrichtungen war bei der neidischen Menschennatur stets ebenso gefährlich wie das Entdecken unbekannter Meere und Länder, denn die Menschen neigen mehr zum Tadeln als zum Loben. Da es mir aber angeboren ist, stets ohne Rücksicht alles zu tun, was nach meiner Ansicht dem Gemeinwohl nutzt, habe ich einen Weg einzuschlagen beschlossen, der noch unbegangen ist und der mich gewiss Mühe und Beschwerden kosten wird, aber auch Lohn eintragen kann, falls man meine Bestrebungen mit Nachsicht beurteilt.“ Machiavelli, Niccolò, Politische Betrachtungen über die alte und die italienische Geschichte (Hrsg. Erwin Faul), Köln, Opladen 1965, S. 3. 61

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III. Im nachrevolutionären Frankreich war es Alexis de Tocqueville, der die Sitten als „Schranken gegen die Tyrannei“64 in den Mittelpunkt seines politischen Denkens rückte. Im Januar 1833 kündigte er ein Buch an, für das der Titel „Les institutions et les moeurs en Amérique“ vorgesehen war.65 Es erschien 1835 und 1840 in zwei Bänden als „Demokratie in Amerika“. Mehrfach und mit eindringlichen, ja, beschwörenden Worten macht Tocqueville auf die Bedeutung aufmerksam, die er den Sitten für die Erhaltung demokratischer Institutionen beimisst: „Die Wichtigkeit der Sitten ist eine allgemein geltende, von Forschung und Erfahrung immer wieder bestätigte Wahrheit. Mir scheint, sie bildet in meinem Geist den Mittelpunkt; ich sehe sie als Abschluss aller meiner Gedanken . . . Sollte es mir nicht gelungen sein, im Laufe dieser Arbeit die Bedeutung fühlen zu lassen, die ich . . . Sitten . . . zuschreibe, so habe ich das Hauptziel verfehlt, das ich mir bei ihrer Abfassung vornahm.“66 Ein Verweis auf „die Alten“ genügte Tocqueville, um den Begriffsumfang und den normativen Kern von „Sitten“ zu umreißen: „Ich nehme hier den Ausdruck Sitten in dem Sinne, den die Alten dem Wort mores geben; ich wende ihn nicht nur auf die eigentlichen Sitten an, die man Gewohnheiten des Herzens nennen könnte, sondern auf die Gesamtheit der Ideen, aus denen die geistigen Gewohnheiten sich bilden. Ich verstehe also unter diesem Wort den ganzen sittlichen und intellektuellen Zustand eines Volkes.“67 Nur wenige Abschnitte später erinnert Tocqueville in einer Fußnote an den Begriffsgehalt von „moeurs“: „Je rapelle ici au lecteurs le sens général dans lequel je prends le mot moeurs; j’entends par ce mot l’ensemble des dispositions intellectuelles et morales que les hommes apportent dans l’état de société.“68 Die Anknüpfung an die überlieferte Unterscheidung zwischen – lehrbaren – geistigen Fähigkeiten und durch Einübung erwerbbaren Tugenden am Ende des 6. Buches der Nikomachischen Ethik erscheint evident. Wie Tocqueville zählt auch dessen bedeutendster englischsprachiger „Student“ J. St. Mill „sittliche und intellektuelle Eigenschaften“ eines Vol64

de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, S. 11. So im Druck angekündigt auf dem Einband der im Januar 1833 erschienenen 1. Auflage der Schrift „Über das Gefängnissystem in den USA“; vgl. Jardin, A., Alexis de Tocqueville. Leben und Werk, Frankfurt/New York 1991, S. 168. 66 de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, S. 357 (Erster Band, II. Teil, 9. Kap.). 67 Ebd., S. 332. 68 Tocqueville, Alexis de, De la Démocratie en Amérique (Ed. François Furet), Paris 1981, Tome I, Deuxième Partie, chap. IX, p. 413, n.8. 65

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kes zu den Grundbedingungen freiheitlicher politischer Systeme: Beide zusammen entscheiden darüber, ob es „freiheitsfähig“ ist – „fit for liberty“.69 Ohne hier ins Detail gehen zu können, sei daran erinnert, dass beide Klassiker des politischen Liberalismus die Politikwissenschaft explizit den sciences morales zurechneten: „Sitte“ ist mithin kein wertneutraler Terminus. Und dies erst erlaubt die Unterscheidung von „guten“ und „schlechten“ Sitten wie die kritische Auseinandersetzung mit alten und neuen, eigenen und fremden Sitten.70 Tocqueville, der den Verfasser des „Esprit des Lois“ wie wenige andere schätzte, hat dennoch nicht mit Kritik an Montesquieu gespart. Diese Kritik betrifft kein Randproblem. Vielmehr gilt sie der politikwissenschaftlichen Grundfrage nach dem Verhältnis von Institutionen und Personen. In dieser Frage trennt beide Klassiker ein tiefer Dissens, der die Entstehung konkurrierender Traditionen des Liberalismus in Europa gefördert hat. Tocquevilles Kritik an Montesquieu verzichtet auf die Erwähnung seines Namens – in der Sache besteht gleichwohl kein Zweifel daran, dass Tocquevilles Kritik dem Verfasser des Esprit des Lois gilt: „Man überschätzt in Europa den Einfluss der geographischen Lage des Landes auf das Bestehen demokratischer Institutionen. Man schreibt . . . den Sitten zu wenig Bedeutung zu.“ Im gleichen Abschnitt des I. Bandes spitzt Tocqueville seine Kritik auf die Behauptung zu: „Die meisten Europäer“ kennen nur eine von drei Ursachen, die zur Erhaltung demokratischer Institutionen beitragen, und „sie schreiben ihr ein Übergewicht zu, das ihr nicht zukommt.“71 Im II. Band der „Demokratie in Amerika“ wird an prominenter Stelle – nämlich in den beiden vorletzten Absätzen dieses Bandes, also am Schluss 69 Mill, J. St., Autobiography, London/Oxford 1971, S. 115. – Ders., Representative Government, Chapter II, in: ders., Utilitarianism – Liberty – Representative Government, London 1961 S. 193; chapter I, S. 178. 70 Vgl. die Rede Tocquevilles „Über Politik als Wissenschaft“, die er als Präsident der „Académie des sciences morales et politiques“ gehalten hat; abgedruckt in: de Tocqueville, Alexis, Autorität und Freiheit. Schriften, Reden und Briefe, ausgew. u. eingel. von A. Salomon, Zürich 1935, S. 138–152. – Mill, J. St., On the Logic of the Moral Sciences (1834), Buch VI von A System of Logic, Rationative and Inductive. Being a Connected View of the Principles of Evidence and the Methods of Scientific Investigation, Collected Works of J. St. Mill (ed. John M. Robson), Bd. VIII Toronto 1974. – A. Ryan weist darauf hin, dass die deutsche Übersetzung von ‚moral sciences‘ mit Geisteswissenschaften in England von vielen Autoren „für eigentümlich deutsch und un-angelsächsisch“ gehalten wird. Vgl. Ryan, A., J. St. Mill und M. Weber über Geschichte, Freiheit und Vernunft, in: Mommsen, W. und Schwentker, W. (Hrsg.), M. Weber und seine Zeitgenossen, Göttingen 1988, S. 259. 71 de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, S. 356, 353.

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der gesamten Abhandlung – die Marginalisierung von Sitten im politischen Denken einiger „Zeitgenossen“ (wie es jetzt heißt) erneut thematisiert: „Ich verkenne nicht, dass mehrere meiner Zeitgenossen der Ansicht huldigen, die Völker seien auf Erden nie ihre eigenen Herren und notwendig gehorchten sie irgendeiner unüberwindbaren und vernunftlosen Kraft, die den früheren Geschehnissen, der Rasse, dem Boden oder dem Klima entspringt. Das sind falsche und feige Lehren . . . Die Vorsehung hat das Menschengeschlecht weder ganz unabhängig noch völlig sklavisch geschaffen. Freilich zieht sie um jeden Menschen einen Schicksalskreis, dem er nicht entrinnen kann; aber innerhalb dieser weiten Grenzen ist der Mensch mächtig und frei; so auch die Völker.“72

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Ebd., S. 830.

Le gouvernant démocratique, portrait philosophique Chantal Delsol J’ai rencontré Tilo dans un colloque, il y a déjà longtemps. Jusque là je n’avais jamais eu d’ami allemand – c’est curieux comme nos deux pays restent parfois plus éloignés qu’ils ne devraient. J’ai trouvé aussitôt chez lui l’atmosphère de la philosophie allemande telle que je l’avais fréquentée dans les livres: si lourde de sens qu’elle nous paraît presqu’entraînée par le fond, roulant ses concepts avec une majesté tranquille, tandis que nous autres Français sommes, à côté, des butineurs, tentés de traiter la philosophie en littéraires, afin qu’elle ne paraisse pas trop sérieuse, alors que c’est la chose la plus sérieuse du monde. Mais Tilo n’est pas un rationaliste: au contraire, un esprit toujours à son aise dans l’irrationnel, de ceux qui pourraient dire avec Braque que « les preuves fatiguent la vérité ». Il cherche aussi l’universel humain au-delà du concept, parce qu’il attache toute son importance à la vie des hommes déployée dans sa fantaisie et dans ses facéties. C’est là que nous nous rencontrons d’abord. Lorsque Tilo a voulu étudier le gouvernant, il est allé voir vivre François Mitterrand, un homme incarné avec ses passions et ses peurs. Une philosophie qui ne passe pas d’abord par la vie, ne saurait offrir que des concepts creux. C’est pourquoi mon hommage est un portrait, en signe de complicité.

L’homme que je tenterai de décrire ici n’est pas un type extrême: le politique absolument dénué de convictions et assez cynique pour les mimer devant ses électeurs, ou bien le sage égaré dans la politique, personnage utopique de Platon. Non, je m’intéresse au politique ordinaire, non pas médiocre, mais normal. Par ailleurs, je ne décris pas ici un personnage singulier dont le nom serait dissimulé, mais un prototype extrait de nombreux hommes singuliers, engagés dans la politique, que les circonstances de la vie m’ont laissé connaître de près. Il est naturel que tous ces personnages manifestent des caractéristiques communes, en raison de leur situation, de leur fonction et de leur existence particulière. Nul doute qu’on pourrait de la même manière, à condition d’avoir vécu dans tel ou tel de ces milieux, brosser le portrait du médecin, du capitaine d’industrie ou de l’enseignant. Chaque situation sociale, avec ses exigences et ses raisons d’être propres, façonne des comportements et un habitus mental reconnaissables.

I. Une existence tronquée Max Weber avait bien montré que l’activité politique relève d’une passion, ce qui paraît à la fois normal et légitime, étant donné la grandeur de sa

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finalité propre: la concrétisation du bien commun. Ignace de Loyola disait que la vertu de politique arrivait tout juste derrière la vertu de religion: après le service de Dieu, quelle cause vaudrait qu’on s’y attache sinon le service de tous? On peut juger ironiquement celui qui se passionne, au point de tout sacrifier, pour une collection de papillons. Mais on peut comprendre la force exclusive de la passion quand il s’agit du gouvernement des sociétés, œuvre belle et nécessaire. Parce que la démocratie implique un combat pour des convictions, autrement dit, la quête d’une société meilleure, il est bien légitime que la politique démocratique soit portée par la passion, au sens positif d’une adhésion exigeante, insatiable, et dévorante. Outre la finalité même de la politique, la mise en œuvre de la politique démocratique réclame des caractères passionnés. La captation du pouvoir relève toujours du défi, sous tous les régimes, que le pouvoir s’obtienne par le meurtre, par la conspiration ou la ruse. Ici, il se conquiert par des procédures légales et en principe transparentes, mais la réalité est toujours la même: enviable, le pouvoir est un enjeu majuscule, et l’objet d’une lutte sans merci, en raison du grand nombre des appelés et du très petit nombre d’élus, comme le dit l’adage. Il ment toujours, celui qui en démocratie prétend détenir un pouvoir offert. Le pouvoir ne se ramasse pas dans le ruisseau, il s’arrache toujours de haute lutte. Pour ces raisons, le politique ne saurait être que fervent, épris de l’objet qu’il convoite, et prêt à lui sacrifier des pans entiers d’existence. Il peut, et les exemples existent, mimer la désinvolture et prétendre qu’il préfèrerait cultiver son jardin: attitude de représentation, qui dissimule toujours une ardeur violente. Il ne s’agit pas de s’interroger sur le bien-fondé de cette passion: elle est à la politique ce que l’habileté est à la menuiserie. On peut seulement en examiner les contours et les conséquences. L’extrême concurrence, la compétition sans limite à laquelle il doit se livrer, davantage sans doute que dans tout autre « métier », l’engagent dans une existence qui ressemble à celle d’un guerrier en temps de perpétuel combat, sinon que le sang ne coule pas, et qu’il n’engage pas sa vie, mais son existence entièrement vouée à sa tâche. Nul moment de paix, et pour reprendre les termes de Péguy, toujours des époques et jamais des périodes. Il y a toujours une élection à préparer, un poste à convoiter, un bastion à conquérir, un adversaire à repousser. Une victoire n’apporte pas le repos, mais aussitôt l’espoir de grimper la marche suivante, avec toutes les entreprises que cela suppose. Un directeur de cabinet raconte l’histoire de ce ministre tout fraîchement nommé qui, gravissant l’escalier de son palais pour la première fois, se retourne vers son subordonné pour lui dire: maintenant il faudra devenir premier ministre . . . Dès lors le souci ne connaît aucun répit, et le temps tout entier est accaparé par la passion.

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Les règles du jeu de la démocratie sont si strictes et si contraignantes qu’elles engagent celui qui s’y adonne dans une existence très typique. Comme il arrive dans d’autres métiers où le risque, la passion et la concurrence jouent un rôle majeur, il ne peut choisir de faire les choses à moitié; et ici plus encore qu’ailleurs, parce que le pouvoir est un enjeu plus séduisant que n’importe quel autre. Il n’a guère de latitude pour décider de son genre de vie: il se plie, ou il abandonne. A quoi doit-il donc se plier? Il lui faut renoncer à une existence complète. Chaque homme cherche à faire cohabiter, dans le temps qui lui est imparti, tous les différents soucis dévolus à la vie proprement humaine. L’homme a besoin de la reconnaissance d’autrui qu’il acquiert par les œuvres de son travail, il a un corps et des émotions, des sentiments, il est environné par des proches qui attendent de lui la sollicitude, la communauté des œuvres et parfois la compassion, il est fait pour l’amitié et la connivence, il s’accomplit dans les œuvres de la paternité et de l’amour. Aussi une existence complète entretient-elle les soucis concrets de ces multiples vies qui, dans le meilleur des cas, se structurent ensemble sans s’opposer ni se détruire réciproquement. Un parfait équilibre entre ces différents aspects n’est, bien sûr, pas de ce monde, et d’ailleurs l’extrême de la modération laisserait dans la bouche un goût de cendre et d’ennui, comme le suggérait ironiquement Chestov à propos d’Aristote. Chacun d’entre nous honore davantage, par tendance ou par nécessité, l’un ou l’autre de ces aspects vitaux, et parfois même sans restriction, qu’il s’agisse de l’artiste passionné ou des parents dévoués au soin exclusif de leur enfant handicapé. Pourtant, plus une existence se spécialise au service d’une unique activité, plus elle appauvrit celui qui la mène, paradoxalement: il a le sentiment d’atteindre à une perfection dans le seul stade où il concourt, mais stérilise tout le reste par inattention. On peut trouver dans tous les domaines des spécialistes en ce sens. L’homme politique représente l’un des spécimens les plus caractéristiques, en raison de la nature de sa passion. L’existence du politique se trouve entraînée, par la force des choses, au plus loin de ce que nous pouvons appeler une existence complète, qui consiste à faire la part de toutes les exigences diverses dont la vie est tissée. La plus simple sagesse réclame de ne pas se donner, par ambition, une tâche trop élevée pour ses propres capacités. Celui qui doit sépuiser pour réussir au point de se tenir toujours au bord de la noyade, ne gagne que des médailles amères. Réussir au prix du goût de l’existence, est une singulière finalité. Pour pouvoir réussir et vivre en même temps, il faut veiller à demeurer soi-même plus puissant et plus large que la tâche mise en œuvre. Il ne faut pas ahaner derrière la tâche. Il faut la dépasser.

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Le politique ne peut jamais se plier à ce type de prudence, si naturelle qu’on la trouvera dans l’esprit de n’importe quel individu sensé, qui n’aura pas eu besoin de la lire chez Balthazar Gracian, mais l’aura trouvé tout seul. Le politique a besoin, et nécessairement, de l’ensemble de ses forces, de son entière capacité d’attention, pour servir sa tâche, par définition sans limite. Il ne peut se permettre de veiller à l’équilibre. Parce que son activité même ne se déploie que dans l’ubris – elle veut tout, ou n’est rien –, il se trouve contraint d’abandonner les autres exigences de la simple vie, en société comme avec lui-même. S’il n’a pas pris conscience de cette particularité dangereuse, il peut alors manquer de distance au-delà des limites du raisonnable: fasciné par son œuvre au point de croire qu’elle peut tout déclasser; asservissant son entourage à sa carrière, et jugeant naturel que tous ceux qui le touchent, deviennent les artisans zélés de sa gloire. Mais dans presque tous les cas, il en vient à se nier soi-même au profit de sa tâche. Lui confisquant tout le temps et le souci disponible, si bien qu’à conquérir, il n’a plus le loisir de vivre. S’épuisant dans les affres de l’espoir et de l’attente, au point de ne plus jouir de l’instant. Investissant tout et ne dépensant rien: le combat permanent ignore le loisir, considéré comme une gâterie infantile. La vie du politique est austère, tendue, et grave. Il arrive bien souvent que sa vie conjugale reflète cet enfermement extraordinaire dans l’unique sillon qui le résume. Sa première épouse l’a accompagné dans les pas titubants et incertains de ses débuts et elle a pu contribuer à sa réussite. Sa proximité avec le grand homme fait qu’elle le voit toujours en bonnet de nuit, et il supporte mal de n’être pas autant admiré chez lui qu’il l’est constamment chez les autres; pendant qu’elle se fatigue de la gloire qu’elle n’a pas voulue pour elle-même, et dont elle aperçoit les impostures et les vanités. La deuxième épouse est grisée par des lambris qu’elle n’a pas mérités, et dont elle n’a pas deviné les misères et fascinée par le grand homme, parce qu’elle ne l’a jamais connu petit, elle ne remarque que ses exploits, ce qui est de nature à le rassurer. Ainsi même l’intimité de sa vie se trouve-t-elle, au fil du temps, au service de l’écrasante tâche. Seule une existence complète peut abriter ce quelque chose qu’on appelle bonheur. Mais justement, ce n’est pas cela qu’il cherche. Madame de Pompadour disait que la gloire est le deuil éclatant du bonheur. Sans doute fautil, pour faire de la politique, préférer l’éclat au bonheur.

II. Ses « amis » Les anciens Grecs, qui s’y connaissaient en terme de tyrannie, avaient remarqué que le tyran n’a pas d’amis. En effet le tyran, étant devenu l’ennemi de son peuple, craint la mort à chaque rencontre, à ce point que Denys de Syracuse, disait-on, n’osait se laisser raser que par ses filles . . .

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C’est en un autre sens que le politique n’a guère d’amis, et comme une conséquence de cette existence incomplète dont j’ai parlé plus haut. L’élu démocratique est largement entouré, et par des gens qui lui sourient toujours. Ses carnets d’adresses sont pleins. Il envoie chaque année des milliers de cartes de vœux. Mais ses relations avec les autres sont d’une nature particulière. Il fréquente d’abord, assidûment, ceux que l’on peut nommer ses défenseurs ou ses militants: ceux qui aiment son combat, ou sa cause et acceptent de donner une partie de leur temps pour le faire élire et réélire. Aucun gouvernant démocratique ne saurait se passer d’un nombre important, et parfois considérable, de supporters. Ceux-ci aident à l’organisation de ses campagnes électorales, et servent efficacement de relais d’opinion. Il existe quelques gouvernants qui n’ont jamais bénéficié de ce soutien, mais ils sont rares, soit qu’ils aient par chance été élus dans des circonscriptions ou des régions d’emblée favorables à leur courant de pensée, soit qu’ils bénéficient du statut de fils de famille – car on trouve en démocratie des dynasties d’élus. Mais d’une manière générale, un politique incapable de former autour de lui cette garde prétorienne, peut déjà abandonner toute visée de pouvoir. C’est pourquoi le politique soigne ses militants, et à bon droit. Il établit avec eux, au fil du temps, des liens amicaux tissés à travers l’ambiance martiale et enthousiasmante des campagnes électorales, les repas conviviaux, les rencontres multiples où l’enjeu de la victoire espérée, la proximité de l’adversaire, engagent des camaraderies fortes, analogues aux fraternités de guerre. Les militants ne marchandent pas leur peine, évidemment bénévole, et les chances d’un candidat se mesurent souvent à la quantité de ses soutiens volontaires. On a vu des candidats se faire applaudir par des séides rémunérés, ou bien des candidats aux présidentielles se faire suivre de ville en ville par des bandes de jeunes gens dûment appointés que la presse finissait par reconnaître partout et le ridicule de ces situations repousse immanquablement ces imposteurs dans des ténèbres d’où ils n’auraient jamais du sortir. Que gagnent donc dans l’affaire ces militants pour lesquels parfois la politique devient un second travail, dévoreur de temps? D’abord, naturellement, la participation à une aventure à laquelle leur existence souvent terne, engluée dans la quotidienneté, n’aurait sinon jamais pu prétendre. A ce point que l’aventure politique leur fournit une nouvelle identité, même s’ils demeurent toujours dans l’ombre de celui qu’ils ont porté au pouvoir. Par ailleurs, et ce n’est pas négligeable, ils peuvent compter sur l’appui indéfectible de leur héros, à condition évidemment que celui-ci soit vainqueur, et le reste. C’est lui qui règlera leurs épineux problèmes de relations avec l’administration, glissera leur dossier au sommet d’une pile, trouvera le nom d’un médecin rare ou un emploi inespéré pour leur fils en perdition. A cet égard,

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le politique agit en protecteur, et partage ses relations avec ses fidèles, analogue au « patron » romain, et l’on peut parler d’une forme de clientélisme, car il y a échange de services au sens de l’ancienne féodalité: « je te sers, tu me protèges ». Je crois que l’on ne peut raisonnablement récuser le clientélisme dans une démocratie, au point de vouloir le faire disparaître. Même s’il faut évidemment lutter contre ses excès : on cite toujours l’histoire de cet élu fortuné qui distribuait les billets de banque par la fenêtre de sa voiture au ralenti. . . Le clientélisme est considéré comme une forme malsaine de contrat, parce qu’il met en jeu des puissants et des faibles, et pour cela une démocratie moderne et rationnelle le honnit. Pourtant, si nous voulions interdire toutes les relations sociales de ce type, la solitude de l’individu s’en accroîtrait d’autant. Il reste que le patron et le client, ou le couple du politique élu et du militant envisagé sous cet aspect, peut difficilement engendrer une relation d’amitié. Il n’y a pas d’amitié sans égalité, écrivait Aristote dans un texte insurpassable: la relation dont nous parlons reste marquée par l’inégalité, sauf exception. Le militant admire le politique qu’il soutient, le considère comme son héros personnel, au point que c’est pour lui un titre de gloire de le connaître intimement. Le politique peut nourrir, et c’est très souvent le cas, une estime et même une affection réelles pour chacun de ceux qui le soutiennent. Cependant, par le fait même qu’il est un seul et qu’ils sont si nombreux, par la différence éclatante entre son statut et le leur, il est bien difficile de prétendre que la relation entre lui et chacun d’entre eux serait d’égalité. Cependant, l’élu choisira toujours de passer une soirée avec ses militants plutôt qu’avec des amis de longue date. Les exigences terribles de la carrière politique font que la moindre parcelle de temps volée au dessein final, passe pour du temps perdu. Si l’on regarde les choses en termes d’utilité, les rencontres avec les amis sont inutiles. Par ailleurs, dans son milieu politique, l’élu fréquente ses égaux et l’on pourrait penser qu’il trouvera là sa vie amicale, de même que les médecins s’agrègent souvent entre eux, comme les chefs d’entreprise ou les universitaires. Cependant le monde politique diffère des autres sur ce point capital: même si le jeu de l’ambition consiste à monter le plus haut possible, comme partout, ici il n’existe qu’une pyramide et un seul sommet. Aussi tous se trouvent-ils en situation de concurrence acharnée, et celle-ci finit par rompre les amitiés qui se nouent naturellement autour des convictions et des similitudes de situation. Pour toutes ces raisons, il apparaît que le politique n’a pas d’ami, même s’il se targue d’en avoir des milliers – ce qui est déjà assez suspect. Car un ami est un égal pour lequel on accepte de perdre ce à quoi l’on tient le plus. Cette situation a un nom: la solitude du pouvoir. Elle tient au fait qu’on ne parvient pas au pouvoir, sauf exception, sans tout lui sacrifier.

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III. La brume de la gloire La complexité de l’existence du politique tient dans le caractère in-ordinaire de sa vie quotidienne – que je me garderai de qualifier d’extra-ordinaire, réservant ce mot pour la race des héros. Le politique, comme d’ailleurs chacun d’entre nous, n’est que rarement tissé dans l’étoffe des héros, et pourtant on le regarde comme tel. La question relève bien de la difficulté, pour cet homme ordinaire, de mener une vie in-ordinaire. Le voilà élu, et aussitôt il sort de l’anonymat qui caractérise précisément l’homme ordinaire. Il entre dans une salle pleine de monde, et à son arrivée un silence étrange s’établit, habité de chuchotements, comme si un esprit avait passé la porte. Il marche dans la rue, cent yeux le regardent et des mains se tendent, le chauffeur de taxi le dévisage dans le rétroviseur avec une mine de reproche ou d’admiration, selon les cas. Mais il ne rencontre plus de visages neutres ni indifférents, comme le citoyen moyen que nous sommes. Il ne connaît pas ceux qu’il croise. Mais eux le reconnaissent. Et le fait même de le croiser en chair et en os, de pouvoir lui parler ou lui serrer la main, leur procure une satisfaction excitante, comme lorsque l’enfant rentre à la maison le visage enchanté, disant: tu sais Maman j’ai vu Tom Cruise qui buvait une bière à la terrasse du Café, si, c’était bien lui, je l’ai presque touché en passant. Le politique prétend s’agacer de cette situation qui l’empêche de marcher anonymement dans la vie, et sans doute est-il pénible de ne pouvoir sortir avec une femme interdite ou simplement se fâcher avec son boulanger, sans que la ville entière soit au courant. Pourtant, incohérence bien humaine, il s’agace aussi quand par hasard il n’est pas reconnu, et si on lui demande comme à tout le monde sa pièce d’identité pour entrer dans un casino, il s’écrie: Vous ne savez donc pas qui je suis? La sortie de l’anonymat engendre, chez un individu normalement constitué, une sorte de griserie compréhensible. Il confond, c’est habituel, le connu et le reconnu, et s’imagine que si l’on connaît son visage, c’est bien qu’on reconnaît ses qualités. Plus encore, il confond l’admiration pour son statut avec une admiration pour ses talents. Ici commence l’éloignement de la réalité. Les qualités réelles dont il a du faire preuve pour se faire élire – la volonté, le discernement, la persévérance – ne sont pas d’un autre ordre ni plus profondes que celles nécessaires à la création d’une entreprise ou à la réussite de n’importe quelle œuvre humaine. Pourtant, lui, en retire une réputation de héros, parce que la société contemporaine admire les individus pour leur médiatisation davantage que pour leurs mérites, et la médiatisation n’entretient que peu de rapport avec le mérite, elle choisit ses cibles sur d’autres critères.

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L’éloignement de la réalité se trouve encore augmenté par la nature de l’activité politique. Il s’agit, au niveau élevé tout au moins, d’une action publique, qui concerne donc la société entière et peut marquer son avenir. Ainsi, dans le temps comme dans l’espace, l’action du politique déborde le champ du particulier. Ce qu’il fait, ne s’oublie pas. Il a le sentiment, non pas de vivre l’existence ordinaire aux gestes anonymes, mais de vivre l’histoire même. Aussi l’existence ordinaire qui se déroule tout autour, et dans son entourage proche, lui paraît-elle négligeable, car enfin, la raison de l’Etat surpasse tout le reste. Il s’avance dans une atmosphère de grandeur vécue et d’excitation qui laisse loin derrière les choses simples et quotidiennes, fussent-elles essentielles. Mais cette interminable griserie saisit son entourage encore davantage que lui. Habitué à un pouvoir qu’il maîtrise, il est souvent capable d’une certaine distance. Mais ses conseillers, presque jamais. Investis pour un temps précaire d’une mission qui les projette dans un univers éblouissant, devenus pour leur propre famille des héros vivant sous les lambris et détenteurs de savoirs secrets, ce sont eux bien souvent qui ont la tête tournée. Et le sentiment qu’ils ont de leur propre importance peut atteindre des sommets. Ils forment autour du politique une troupe surexcitée, sans égard pour rien d’autre que leur action historique, et prêts pour la servir à détruire tout autour le moindre écueil qui pourrait l’ébrécher. Naturellement, cette imposture par laquelle un homme ordinaire se voit constamment traité en héros, ne saurait être comprise et assumée que par des êtres d’exception. Autrement dit, le politique devrait être un héros pour avoir la lucidité de savoir qu’il n’en est pas un, quoiqu’en disent les regard braqués sur lui. Et le cas est rare, s’il existe. D’une manière générale, le politique gâte son caractère dans cette situation si peu appropriée à l’humain ordinaire: il croit vite que tout lui est dû, exige qu’on le serve à tout moment, et traite les autres avec une indifférence réservée autrefois aux valets. Peu d’éducations soignées résistent à cette sollicitude permanente et imméritée, et un homme sans éducation ressort de cette épreuve aussi malappris qu’un sauvage. Parler de vie in-ordinaire signifie qu’en raison de sa situation, le politique vit la plupart de ses jours dans des circonstances exceptionnelles. Dès qu’il arrive quelque part, on lui offre la proedia, la place d’honneur, et tout est fait pour qu’il passe avant les autres, pour qu’il n’attende jamais personne pendant que tous l’attendent. S’il est invité dans son pays, c’est toujours la fête, en raison même de sa présence, et la rareté de son temps libre contribue encore à transformer sa présence en cadeau. Il honore ceux qu’il visite, lesquels lui offrent ce qu’ils possèdent de plus beau, et vont raconter longtemps qu’il s’est assis un jour là, à cette place dans leur humble salon. Tout se passe comme si c’était chaque jour son anniversaire.

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On imagine facilement la griserie que peut engendrer chez lui cette permanence de l’exception. Parce qu’il éclipse tout par sa seule présence, parce que tous l’écoutent et parce que beaucoup lui prodiguent une sotte admiration, il est naturellement vulnérable aux défauts engendrés par cette complaisance: il ressemble à cet enfant trop admiré qui rapidement fait le paon, prétend tout savoir, et n’écoute personne. Enfin, il finit par ignorer la vie quotidienne, où le repas est mal cuit, les rendez-vous manqués, et où la voiture ne démarre pas. Il sait, intellectuellement, que cette vie simple et imparfaite représente pour presque tous l’ordinaire des jours. Mais la représentation concrète finit par lui échapper, car il faut vivre pour comprendre, et il ne suffit pas de penser. Ainsi les rois doivent-ils manquer la réalité. Lui, cependant, sait aussi qu’il doit cette existence à une fonction temporaire. Et c’est là que le bât blesse. N’ignorant pas que la démocratie consiste justement dans la circulation des gouvernants, que le vote propulse dans la lumière et plus loin rejette dans l’ombre, et défendant avec conviction ce système démocratique de pouvoir, il fait tout cependant pour échapper à ses exigences. Il craint en permanence de perdre la place d’honneur, avec tout ce qu’elle suppose d’artifice, il ne pense qu’à sa réélection, ou se trouve souvent prêt à toutes sortes de bassesses pour retrouver une place de ministre. Autrement dit, tout se passe comme s’il se croyait propriétaire d’une fonction dont il sait pertinemment qu’on n’est jamais que locataire. Et quand il finit par la perdre – ce qui arrive presque toujours, car les places sont enviables et les concurrents zélés et intrigants –, il se trouve désemparé dans l’existence quotidienne qui lui paraît pauvre et dénuée de sens. La politique est une drogue dure. Moins sans doute en raison de ses grandeurs (les palais où elle loge, l’exaltation de faire l’histoire), moins en raison de l’activité effrénée, que pour ce permanent espoir de nouveaux risques et de nouvelles conquêtes. Le politique apparaît entouré d’une atmosphère de voyage, il ne conduit que des aventures, et jamais la sournoise habitude du quotidien ne le rattrape. Cet enivrement épique agit comme une drogue puissante, qui éloigne des misères et des ennuis de la simple vie, et emmène vers des mondes non pas plus faciles, mais dévorants et toujours nouveaux. Il est bien dur de se déshabituer de l’épopée, et le sevrage du politique privé de sa passion ressemble à la longue convalescence du drogué dépendant. Il ne s’en sortira indemne que grâce à un caractère exceptionnel. Il lui fallait une grande vertu pour assumer la gloire et ses excès. Il lui en faudrait une aussi grande pour assumer la perte de la gloire. Autant dire que la vie politique exige davantage de vertu que n’importe quelle existence ordinaire. Et cependant, ce n’est pas sur le critère de la vertu que l’on désigne le politique, heureusement d’ailleurs, car cela ne suffirait pas à gouverner.

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Aussi, quand la société admire son éclat, elle devrait aussi connaître sa misère: homme frêle chargé d’un trop lourd fardeau, en raison de la trop longue distance entre ce qu’il est et ce qu’il a à accomplir. Non pas certes, en terme de compétences: car dans la plupart des cas il se trouve tout à fait capable de prendre les décisions, de gouverner et d’administrer. Mais en termes de sagesse: la situation lui réclame, sur ce point, beaucoup plus qu’il ne saurait donner. Nous le savons depuis longtemps: le pouvoir est trop lourd pour un mortel.

The Unattainability of what we Live Within: Liberal Democracy David Walsh The mastery we routinely exercise over the world of objects is inclined to lead us to overlook the momentous difference when the mastery concerns ourselves. Our language is dominated by the subject-object model of relationship. In the realm of ethics the model has no relevance since there is no subject other than the subject who undertakes the temporal exercise of responsibility. The fixities of philosophical language that have been developed to grapple, albeit inadequately, with this situation have yet to complete the transition to a language of paradox that incorporates the selflimitation of language as such. All that we have are the abbreviations or intuitions that glimpse what is already known as what remains to be known in the unfolding of time. The mystery of the person can neither be contained nor exhausted. That is the bedrock from which our thinking begins as it is indeed the very possibility of thinking. Our problem is to secure it within a world of finitude and immanence. The challenge is both intellectual and political and on both fronts progress has been made although confusion remains, especially when we seek to explain ourselves to ourselves. Within a world of instrumental rationality, in which the efficient coordination of means and ends is the highest necessity, it is difficult to explain why human beings should alone escape cost benefit analysis. How can there be ends-in-themselves when every end is subsumable as a means to a further end? What is it about the operators that releases them from the logic of the machine? Warnings about the “iron cage” of rationality and about the catastrophes of the sorcerer’s apprentice, or forebodings of the Frankenstein monster and of all that menaces as the crisis of technology, are familiar extrapolations of the condition in which we find ourselves. Their very ubiquity testifies to the degree to which we have overstepped the limits that threaten to engulf us. They are raised only because we cannot be held within the boundaries of a system and have erected a political order that, as far as possible, definitively places every single person beyond the calculation of utility. Besides the growth of impersonal rationality there is also the increasing awareness of the inviolability of the person.

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The person is at the core of the political paradox within which we live. Everything about the liberal democratic ordering we take as authoritative escapes the giving of reasons we might attempt. Perhaps this has something to do with the wreckage of liberal theorizing with which its history is strewn. Already in the famous “contract” theorists we discern the modulations away from the term toward “covenant”, “compact”, and anything that might avoid the implication of a contract rooted in self-interest. Eventually “contract” is rehabilitated as a moral or eternal contract before simply being dropped altogether.1 It is not clear that liberal theorizing has ever adequately recovered from the demise of its first conceptualizations. Instead it has drifted through ever more incoherent evocations of its own foundations to finally reach the point at which it has turned its back on the project as such. The only thing that is clear is that liberal democracy, for all its inadequacies, works far better in practice than it does in theory. More than a hint of suspicion is cast upon the enterprise of justification as precisely what tends to call into question what is more safely secured by convictions that rest beyond question. Only one step remains to this line of reflection, namely to recognize why the effort of rationalization must fail. The giving of reasons presupposes that the reasons adduced stand at a more fundamental level than what is being justified. But what can have a higher claim in priority than the respect that is owed to each person? Is there an ordering or summation of benefits that might finally conclude the measuring? Or is it not the case that the impresciptibilty of persons has a claim on us that stands outside of both benefits and costs? That we are committed to it most of all when the costs outweigh the benefits? Granted that many positive consequences flow from a society of mutual respect, but they would hardly follow if the respect were conditional on the consequences. We have no recourse but to admit that the most central conviction of our lives together cannot be explained further. Everything else can be referred to it but the absolute priority of the person cannot lead beyond itself. Historically the language of theology, of the imago Dei, has been available as a marker for what we cannot understand and much has been made of its withdrawal from the public square. Often overlooked is that there were good reasons for that withdrawal which is therefore not to be excessively lamented. It is not the demands of pluralism that foreclosed the possibility of theological translation, but the realization that even theological justification detracted from the utter primordiality of the person. Respect for the person is diminished if it is seen merely as a means toward any extraneous 1 The convenience of the term “contract” leads us to overlook Hobbes’s insistence on “covenant”, Locke’s preference for “compact”, Rousseau’s conception of a moral contract, and Burke’s adoption of “eternal contract”.

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other, even when that third party is God. To put it most bluntly, persons command our unalloyed respect even if it were to entail the violation of a divine command. Nothing stands higher since unconditional valuation of the person is the condition of all valuation. A God who would command such disvaluation is not worthy of acknowledgment as God. Of course that is not a plausible theology but it does suggest an opening for the curious phenomenon of the revolt against God that arises in the name of God. An important strand of modern atheism reads itself in this light as the surrender of God for the sake of God. These are simply dynamics of the shift in which theology too must become existential, taking its direction from the mystery within which it finds itself rather than from pre-existing conceptual certainties. Liberal democratic forms are not so much anti-theological as theological in their own right. Rather than depending on a theology outside of themselves, the understanding of man as imago Dei, they can more properly be seen as the route by which the meaning of the imago Dei is regained from within the encounter with the other. In prioritizing the other we glimpse God’s prioritizing of all others.2 Nothing is thereby explained, rather we have entered more deeply into the mystery in which we live. Surely this is the real meaning of explanation and of the ever unsuccessful search for foundations. Theological or philosophical glibness would only deflect the quest for what cannot be found rather than answer it. Thinking, it has long been recognized, is not the attainment of a result. It is the movement or the activity toward it, as the very name of philosophy suggests. But this realization has often been mistaken for the ultimate result, the one by which the movement of the arrival could be eclipsed. The temptation is one with which philosophy has itself struggled from the Platonic Ideas to the Hegelian System, for it has never been easy to accept the implication of Socratic ignorance that is entailed in the activity of thought. Thinking can never really know itself for it can never encompass that from which it derives. “The more we know the less we know” has been a dearly bought concession that is one of the principal achievements of modern philosophy. Acceptance of it depends, as Kierkegaard above all saw, on the reversal of the negative to the positive connotations. The failure of thought to think itself does not finally emerge as a net loss but as an inestimable gain, one that ensures that the possibility of thinking is not foreclosed within some finite realm before us. We are saved from answers and liberated to questioning for questioning is the only mode of answer available to us. It is the very meaning of existence that we exist from what we do not know and that our existence is guarded by the non2 Levinas, Emmanuel, Of God Who Comes to Mind, trans. Bettina Bergo, Stanford 1998; John Paul II, Splendor Veritatis (1993).

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knowledge of its source. The unattainability of the centrality of the person within liberal democracy is not simply an instance of this existential ignorance. It is a heightening of it. This has been the secret of the liberal democratic success. For it is not just a political form that “works” as confirmed by its widespread durability or appeal but one that lives within the very principles it espouses. That has entailed the deepening of the mystery by which it is sustained, drawing ever closer to what it cannot comprehend but in that failure realizing it more intensely. This is what explains the capacity of liberal democracy to deepen its inspiration without clarifying the source of that movement. The secret of its success, in other words, is that the secret cannot be penetrated or perhaps that there is no secret other than the living of it. At any rate the living serves only to intensify the mystery by which it is constituted. Even the meaning of liberal democracy proves to be a moving target for definitional purposes, a source of dissatisfaction to categorizers who would prefer that it exhibit greater constancy of meaning. The pattern is well known as those who are revolutionary in one era become liberal in another, or liberal in one and conservative in another. Burke is, for example, a classic case of such shifting appellations but one could hardly accuse him of inconsistency any more than the alterations in context are unrelated to a constancy of direction. The inviolable liberty of the person remains at the center, ready to be evoked anew in light of the challenges that confront it while never being comprehended outside of the struggle to attain it. As a result the definition of liberal democracy changes while its inspiration escapes all definition. Even the term “liberal” is a relatively late emergence and indicates a new awareness of the liberty of the person that must lie at the core of any genuine political liberty. The pattern is well illustrated in the major shift in the meaning of the term “liberal” itself. With its center of gravity located in the right of property as the primary means by which the property of one’s person was protected, the implication of an absolute right to private property was quickly drawn. Locke’s location of the right within the application of labor, by which objects in the state of nature are appropriated for individual use, seemed a plausible account. But it could not survive the full scale development of an industrial-capitalist economy in the nineteenth century. Then the social consequences of private property and especially their impact on the concrete exercise of individual liberty became apparent. Political liberty, it was realized, could not endure unaccountable concentrations of economic power, and individual liberty would be set at naught without protection from the worst vulnerabilities to which it was exposed. The result was an extensive readjustment of modern liberal democracies that recognized the imperative of controlling private liberty in order to preserve it. Partial so-

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cialization, as well as the emergence of the regulatory and welfare state, were all part of the trial and error quest for a balance between the public and the private that aimed at the preservation of the liberty of each of them. No great theory exists to define or defend the outcome and it is arguable that the search for a balance has not by any means been concluded. Adjustments and readjustments continue apace. But what is not at issue is that the state has a role in mitigating the worst excesses of a system of private liberty. That concession followed, as much as the political and economic shifts in which it was reflected, from the priority that had already been given to individual liberty. In order to preserve it we were prepared to limit it. Liberty could not extend to the annihilation of liberty that the commodification of human beings would entail. Freedom of contract required the acknowledgment of the limits of contractual freedom. The question today is whether a similar resolve will emerge in response to the next great crisis that seems to endanger liberty. At the moment even the perception that we are in a crisis has not crystallized within public consciousness. Our politics is still looking in the rearview mirror at the battles of the past or, at best, scouring the horizon for their contemporary manifestations. Globalization and its attendant anxieties is a case in point, although it is not a case in principle. The issue that raises a crisis in principle for liberal democracy is the expanding possibility of biotechnological control over human beings. Again the issue is presumptively framed within the rights of private liberty but the implications raise unsettling questions as to the very meaning of liberty. Does it extend to the exercise of control over the genetic endowments of other human beings? In the name of whose liberty are such interventions undertaken? Can there be a right to procure a clone of oneself? If not, on what basis is such a choice prohibited? And what about the permissibility of therapeutic cloning intended to promote the health of the fully present human being? Such are the questions that loom before us and their resolution is crucially dependent on the recognition of their convergence on the inviolability of the person enshrined at the heart of our constitutional tradition. To the extent that they are viewed in isolation the response will simply reflect popular or market forces, or the familiar vacillations of policy in response to pragmatic assessments of costs and benefits. In reality what is at stake is the viability of liberal democracy as such. Just as in the slavery crisis Lincoln understood that the ownership of one human being by another was radically incompatible with the very idea of democratic self-government. Is the design of one human being by another any more reconcilable? What then of the instrumentalization of the embryonic gestation of human beings? Are there any limits to the manipulation of the biological processes on which human life depends? Does respect for persons entail respect for their non-personal constituents? Ad-

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vancing scientific understanding is a necessary ingredient in reaching such decisions but it is not sufficient to resolve questions that science itself has generated. Their only resolution must be political, that is, existential.3 We are compelled to descend deeper into the convictions within which we live, conscious that the answers we retrieve implicate us to the very core. Information cannot settle the responsibility we alone can exercise.

I. Founding as Re-Founding No generation is spared the burden of founding, least of all one that lives during a moment when the crisis of foundations looms. It is at such a time that the inescapability of founding becomes apparent. All founding is a refounding that is necessitated by the impossibility of founding. Just as there are no ready made answers so there is no already made founding. The burden cannot be shifted to our predecessors for the life we are called to live. Surrogate living is not an option, especially when it is the very meaning of living that is at issue. It may readily be acknowledged that every individual is required to live his or her own life but the implication, that every life exceeds the meaning of it, is less frequently adduced. There can be no guidance, however authoritative, that takes the place of the singular movement of self-realization. A blueprint to living would deprive living of its life, because living is precisely the capacity to follow more than a blueprint. This is the distinction between a mechanism and an organism. Teleology is merely a convenient way of conceiving the ordering process at work but, from within, the movement is characterized by the supersession of all strictly teleological limits. Even the simplest organisms seem to delay rather than accelerate the movement toward their goal of using themselves up in the propagation of the species. Teleology then really means the avoidance of a telos. Kierkegaard thought deeply about the way in which the individual, the religious, exceeds the universal, the ethical. In analyzing the story of Abraham’s readiness to sacrifice Isaac he spoke of a “teleological suspension of the ethical.”4 The intuition that the individual is immediately related to the infinite arises from this insight. What has yet to emerge is the realization that it is this uncontainability of the individual that constitutes the very possibility of living. No matter how comprehensive the founding the individual always stands outside of it, not as a defection from it, but as its super-eminent realization. 3 See Habermas, Jürgen, The Future of Human Nature, Cambridge 2003 for a good example of such reflection on the biotechnology questions. A very different but convergent approach is developed in Kass, Leon: Life, Liberty and the Defense of Dignity: The Challenge for Bioethics, San Francisco 2002. 4 Kierkegaard, Søren, Fear and Trembling, Princeton 1983.

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The founding can therefore mean nothing apart from the persons whose founding it is. Nothing is founded as a product or result that exists outside of them. It is the founding that supports and sustains their being as what cannot be contained within it. Founding is always in the mode of nonfounding. Neither the burden of living nor the exercise of responsibility are lifted by the articulation of principles achieved. This is not just because principles must be implemented if they are to be taken seriously, but because over and above all realizations is the superabundance of the person who transcends and sustains them. Persons are contained and they are not contained in the formulations they adduce, for the very meaning of their existence is the giving of what they cannot give, namely, themselves. We are all equal as persons but this is not an abstract equality; it is the concreteness of our existence. Superiority or inferiority, founders or followers, are categories that have no place when we meet as persons or, at best, their place is strictly ancillary. Differences are quickly superseded as we recognize the mutuality of exchange that must take place. None can give only a part and none can be received only as a part. They are all wholes open to all other wholes and thus constituting a community of wholes. Not even the community as a whole outweighs such parts that, as Maritain expressed it, are themselves wholes.5 Calling each one an infinite center of meaning and value in the universe is simply an attempt to evoke what cannot be said directly, but which can be approximated existentially. That is, to recognize that the founding is the work of every one of them, not because they are equally equipped to achieve it, but because it is equally present within them as the very essence of their being. The work of founding is the work of persons who can found because the possibility of self-donation is the foundation of a community of persons. Theorists have expended a good deal of effort in trying to understand the process of community formation. Political leaders engaged in nation building are naturally more than a little intrigued by the topic. Social science studies have identified an array of factors that enter into such an emergence, and much is to be learned from the fruit of such labors. Yet it is difficult not to feel that the essential has been missed. Having mastered all the incidentals that go into the growth of community we have overlooked its core. The reason for this neglect, a notorious failing of social science, is not hard to discover. We are inclined to avoid what we cannot understand. Social science is in search of explanations, that is, the discovery that social processes are reducible to other more palpable processes. But the founding of community is not of that type. It cannot be understood in terms of any5 Maritain, Jacques, The Person and the Common Good, trans. John J. Fitzgerald, Notre Dame 1946.

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thing other than itself. None of the explanations are ultimately sufficient, for it is a mystery that we live within. We cannot even reach, let alone reach beyond, the boundaries of our own existence. Founding can only be understood from within the struggle of founding, an act of such utter simplicity that it is available to every human being. We can understand the more elaborate and elaborately celebrated foundings of history only because that more elementary reality is readily available to us.6 We know that the founding occurs whenever the miracle of generosity breaks through. The willingness to suffer for another, to put one’s own existence at risk, is the unanticipated event that invites the formation of community between human beings. Nothing can predict it and nothing can explain it, for it is the basis of all predictability and explanation. A community of trust arises from the gift of vulnerability exceeding all expectation. The founder is in this sense not the one who first signs the document but the one who lives it most deeply, a sentiment that is the secret of the Gettysburg Address. Lincoln had an uncanny affinity with this realization but it is at the core of all authentic political rhetoric. Yet the appeal is not simply rhetorical. Reminders of the founding struggles are effective only if they are more than reminders; they must become invitations to outdo the founding in existential generosity. Without that inexplicable self-giving no amount of genius can effect a founding. The question naturally is how such a spirit can be induced. Here it is very important not to diverge from the already intuited, for there is no way of communicating a spirit of generosity except through the spirit of generosity. Nothing extraneous can substitute. The mystery of the founding is thus inseparable from the mystery of the founding. It depends less on the attainments of the most visible participants than on the more numerous invisible participants whose unheralded generosity can neither be commanded nor anticipated. Conventionally we are inclined to applaud the notion that “everyone does their part” or that “every little counts”. But here we are referring to much more. The little is indeed the all. Contributions are neither large nor small; they are all of irreplaceable value because they are nothing less than the persons who make them. Measurement is not on the scale of the finite or the temporal but on the infinite and the eternal. We are not producing a product. The community we are founding is nothing less than a community of selves, constituted by the free gift of ourselves to one another. Such a community does not exist within its external trappings, nor is it to be identified with the most substantial professions of its presence, for the externalities are really the furthest from its essence. Community exists, we might say, most of all in the virtually inarticulate promptings of the heart by which it is concretely built 6

Hannah Arendt grappled with this in On Revolution, New York 1963.

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up between human beings. Matryona, the woman who in Solzhenitsyn’s story was universally overlooked in her insignificance, is the one who preserves the secret of community most faithfully with an inward purity of heart. She is the one just person without whom the city cannot stand.7 The power of the powerless turns out to be the only power that creates. This is not to suggest that the power of the “powerful” is a negligible factor in founding community; there is an ineliminable role for the power that removes the obstacles to the formation of community. Arresting the lawbreakers is indispensable to the reality of law, for it is not a wholly interior order but one that is reciprocally constituted through action. Only if law is reliable can it be relied upon. Without the hand of law everyone must take the law into their own hands. This is the state of mutual mistrust that Hobbes called the state of nature, a state that he understood could not be overcome simply by force. Whatever force was called upon to resist violence could not be the source of itself; the sovereign acquired power through consent and remained powerful only so long as trust in his power persisted. Even the Leviathan could not penetrate the mystery of his own genesis in an uncoerced act of freedom.8 His power too arose from the power of the powerless and therefore must acknowledge its own dependent reality. The spectacle of dictators whose power melts away as soon as the first brittle periphery is breached confirms this. But it does not shed light on the positive formation of power, a process to which only those willing to risk their own vulnerability have any access. Democratic power has long been recognized as an awesome sight, for a community united in free selfsacrifice cannot easily be defeated. But how it emerges is a mystery even to those in whom it occurs. This is why we cannot readily export democracy. One human being cannot transfer the exercise of his freedom to another. All that we can do is suffer on behalf of another thereby becoming a suffering witness. Short-cuts are anathema to the truth of the witness because they directly contradict it. A short-sighted pragmatism turns out to be the least pragmatic policy because it undermines the very possibility of what is aimed at. By placing the means ahead of the end expediency demonstrates that the former is taken more seriously than the latter. Impatience with results, the pressure for accomplishments, negate the very struggle it seeks to consummate. Disappointment at the futility of our efforts to promote democracy arises because we have not fully counted the cost; it is a course we have embarked on without realizing that it may demand our all. Can we be in 7 Solzhenitsyn, Alexander, Matryona’s House, in: Alexander Solzhenitsyn, Stories and Prose Poems, trans. Michael Glenny, Harmondsworth 1973. 8 Walsh, David, The Growth of the Liberal Soul, Columbia 1997, Ch. 4.

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favor of democracy only if it does not demand too much of us? Or if it results in regimes we regard as acceptable? Or it is a success? There is nothing unreasonable about such questions for they are implicated in the value of democracy itself. After all there is something horrible about a democratic revolution that devolves into brutality, oppression, and chaos. In politics the best is the enemy of the good, for the achievement of tangible human gains is far preferable to the obstinacy that must have all or nothing. The problem is that such reasonable judgments apply when we have placed a reasonable distance between ourselves and our existence. From within the perspective of existence no such detachment is possible because detachment is tantamount to the deferral of existence. Depth of conviction impinges directly on the unfolding of the reality in which we find ourselves. The emergence of democracy is utterly dependent on the unconditionality of our dedication to it. Anything less than a total commitment condemns its unseriousness from the start. Unconditional respect for the inviolable freedom of the other cannot be simultaneously conditional. Love is not love if it is within reason. Such complete self-giving is of course no guarantee of reciprocation, although it is the only possibility of evoking a response that is more than reciprocation.

II. Democracy as Eschatology No one can determine the outcome, for it would be the height of madness to presume that our actions can determine the historical reality in which they take place. There will always be a role for the pragmatic humility that is willing to make adjustments along the way, but always without doing the slightest thing that might compromise the principles that lie at the core of democratic respect. A willingness to accept less perfect democracy in reality rather than an insistence on an unrealizable ideal is a fully consistent attitude. Indeed it flows from the deepest commitment to the democratic reality. An acceptance of limits has historically been the route of the most democratic polities that, while never fully incarnating the principles that lie behind them, have never ceased to approach them in their concrete unfolding. What has sustained that movement, however, is neither an expectation of inevitable success nor a commitment to succeed at any cost. It is rather the realization that success is irrelevant for it has already been achieved. What remains to be accomplished in time has already been accomplished in the eternity of its beginning. “Democracy to come” is eschatologically now.9 External success, while not unimportant, is strictly sec9 Derrida has sought to articulate this notion of “democracy to come”, beginning with Specters of Marx, trans. Peggy Kamuf, New York 1994, then On Cosmopoli-

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ondary to the inner reality from which it derives. Democracy does not exist within institutions and places, but within the hearts and minds of the human beings who occupy them. Whether the number of adherents is many or few, so long as the democratic impulse lives within a single individual it has achieved its reality. Plato struggled to articulate this insight in regard to the best constitution in the Republic and arrived at a roughly similar conclusion. Even for the man of preeminent goodness the conviction of the best constitution is not simply an idea he carries within. He experiences it rather as the idea that carries him forward, one that would not have sustained him if it did not already exist before him. It is that insight into the priority of democracy over history that is the faith that underpins its historical emergence. To the extent that we wish to be missionaries of the democratic idea then we must be upheld by the faith that assures us of the attainment of the goal we seek. Not only is this the faith that alone can sustain the vicissitudes of the struggle, but it is the only faith that can preserve us from the temptation to sacrifice principle for the sake of short term success. Expediency cannot deflect us from commitment to a goal that is already reached. How would it be possible to turn our backs on the reality we now know more thoroughly than any confirmation can provide? To betray it would indeed be the suicide of the spirit that only the spirit itself can commit. The mere non-emergence of a response, the historical failure of the democratic experiment in generosity, can work no such damage. When the end has already been reached in the first step then the ill-fortune of time, its trials and tribulations, can hardly reverse the direction. Democracy is already achieved once the readiness to suffer the consequences of freedom has been embraced. In recognizing the other as an inviolable center of the universe the democratic ethos has dawned.10 The mystery of that emergence, which cannot be penetrated further, is that, as an unconditional openness to the other, it is not conditioned on the response. A response would indeed be welcome but it is not dependent upon it. Democracy will not emerge historically in its absence, but the invitation to it has already exceeded even the necessity of a response. This is the meaning of the only generosity that is appropriate toward the infinity of the person. Nothing can be predetermined in advance. Imposition of conditions would simply demonstrate that we did not believe what we said, that we were finally not unconditional in our conviction of the unconditional respect owed to each human being. tanism and Forgiveness, trans. Mark Dooley/Michael Hughes, New York 2001, and most recently in Rogues, trans. Pascale-Anne Brault/Michael Naas, Stanford 2005. 10 The position of Christ in “The Legend of the Grand Inquisitor” has long been sensed as just such an ultimate affirmation of liberty but it is only now we begin to understand why. Dostoevsky, The Brothers Karamazov.

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When we ask again how such faith can be sustained, how the foundation of democracy can be secured, we realize that the question has been misdirected. It is not we who sustain the faith, it is the faith that sustains us. We cannot comprehend it because it is what comprehends us. To say that we have through faith reached the goal toward which we strive is not quite correct, because it is more properly the case that the goal has reached us. Even the Kierkegaardian language of a leap, a term that is not quite so widely used by him as is often assumed, fails to capture the pre-leap toward us that is entailed. When we arrive at the democratic infinity of the other it is not as the result of a rationcinative movement on our part. Nor is it simply a leap in the sense of a raw decision, a will to believe. Instead it is the encounter with what has been present before we even began to search, what we have known from the start, and what we could not have known if we had not always known it. Modern philosophers since Kant have grappled with this conception that our decisions are not made in time but somehow in eternity, that it is the eternal rather than the temporal that constitutes the real boundary of our existence.11 What might be meant by such a notion is perhaps best seen in the faith that sustains the democratic openness. We would not have been able to reach the opening if we had not already reached it, so that its actual discovery within the time of our existence carries the implication of arriving too late. The recognition entailed could not have taken place unless we knew without knowing it before. It is the realization that we are already within a state of community with all other human beings that provides the possibility of the formation of particular communities. While living in time we know that we do not live in time because we can become contemporaneous in understanding with every single person past, present and future. Yet we cannot explain this possibility to ourselves. It remains the unsurpassable horizon of our existence. No one is in a better position to explain to anyone else what the formation of community is, otherwise we would not be equally positioned to bring it about within our own lives. Every one must begin anew to form the community in which they live. All talk of schemes of perfection, or of historical crisis, merely defers the moment when that beginning must occur. Of all the political forms liberal democracy is the one that most fully recognizes this existential imperative. It is not just a reflection of the liberal democratic reality that we must each day “improvise a government”12, but that this is explicitly acknowledged as the principle within which we live. Crisis would then be the ordinary form 11 A still insufficiently absorbed resource in this regard is the powerfully compressed metaphysics of freedom in Schelling’s last published work, Philosophical Inquiries into the Nature of Human Freedom (1809), trans. James Gutman, La Salle 1936.

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of liberal democracy. Jefferson’s conception of every generation undertaking its own revolution may be taken as a rhetorical nod toward this eternal unachievable ever-achievable revolution. The dignity of the individual within liberal democracy is directly related to this realization of the unique irreplaceable responsibility of each member. It is a political form that not only values the individual but one that is constituted by its valuation of the individual. To say that rights are indivisible is not to posit some mystical bond by which human beings are united. It is to recognize the very core of the democratic idea. Individuals found an order that acknowledges the dependence of its founding on individuals. This is why there is no founding before there is a founding, for it would be to place something before the inviolable respect that is owed. Consent has long been recognized as its hallmark. But this is always more than a mere factual event. Within the requirement of consent is encapsulated a whole understanding of the irreducibility of the personal inwardness it entails. The movement of consent can be exercised in no other way than through the non-transferable authorization that the individual alone can make. To the extent that everything depends on the singular decision of each individual, it cannot be penetrated further than it is available to every one who makes it.

III. From Democracy as Concept to Democracy as Existence No one can ultimately tell us why we must respond to the call of the other. We simply know we must. To explain it further would be to step outside of the exercise of responsibility. Most men, Aristotle remarked, prefer to talk about ethics rather than to act for the talking becomes a way of deferring what must be done. When we must move forward in action the talking is left behind as a hindrance to where we have to go. All that is left is the inexorability of the imperative within which we find ourselves. Even the talking draws its luminosity from that imperative, although it runs the risk of deluding itself that it has escaped the imperative at the same time. Theorists have been grappling for some time now with the conundrum of why democracy works so much better in practice than it does in theory. It may well be that we are finally gaining an insight into the priority of life over reflection on it, especially through the recognition of the extent to which democracy is premised on that realization. A person is just what cannot be explained, not even to him- or herself. Infinitely eluding the movement of self-disclosure, a person is an unending movement of self-disclosure. Whatever identity is formulated or reached there is always more for, 12 The phrase is John Stuart Mill’s characterization of the American approach to government, On Liberty, Indianapolis 1956, p. 137.

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without the ever-going-beyond what he or she is, the person would scarcely exist. A person is in that sense what cannot actually exist as a fixed quantity. It is thus in the person that the very meaning of existence, of the movement by which it is constituted, is glimpsed. Existence is personal because the personal is existing. “Democracy” is both a term that names this process from the outside and the reality that is constituted by it from within. The ambivalence is pervasive throughout our political language and the failure to grasp the distinction is the source of many of the confusions that afflict us. Once we keep the distinction in mind it is striking how many of the fractures that seem to define our democratic societies are resolved, or point the way toward a resolution that has yet to be reached. Most notably in the great crisis thrown up by the expansion of biotechnological control over human beings, it often appears as if our traditional language of individual rights has abandoned us. The right to have a baby of a particular kind seems to be merely an exercise of parental prerogatives over their own reproductive capacities. Yet the prospect of designer babies gives us pause, especially because it collides with the very notion of the absolute worth of each individual. Do the rights of the parents trump the rights of the child? Can any rights be secure if they are variable across generations? The further we proceed the more bewildering the outcome. It is no wonder that many have despaired of the coherence of the language of rights or of its capacity to respond to the novel challenges posed within it. Yet we are not simply in a position to invent a newly authoritative language. It begs credibility to suggest that we simply jettison the only viable moral language that constitutes the world in which we live. The impasse, however, can be resolved if we recognize that it has arisen because of a failure to distinguish between the conceptual and the existential meanings of our prevailing terminology. Rights are indeed prerogatives we can assert so long as we regard them as possessions whose objectivity must be acknowledged by all around us. Ownership of rights is an unfortunate implication of an “ownership society.” The situation is quite different if we shift to the existential mode and recognize that rights own us. We are the possessed, not the possessors. Our rights cannot extend to the design of another human being because our very rights depend on the incapacity of anyone to determine the existence of another. We may be pro-creative but we are not creative. Our very humanity depends on the preservation of that limit. Once that line is crossed an abyss opens before us, for the other is then no longer a person, an inviolable source of selfdisclosure in the universe. We would have destroyed the very principle from which we ourselves embark on the adventure of self-disclosure. The possibility of that misstep is of course always present within the exercise of liberty protected by a regime of rights. An expansionist pressure

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on the boundaries of liberty is almost a given, for the boundaries receive their definition from that agonistic struggle. The pattern only becomes problematic when it contemplates the abolition of the boundaries as such, that is, when the balancing of rights permits one party to become the holder of the balance in relation to the other. No one can explain why this must not be permitted. We simply know that it cannot, for to be able to explain why would be to claim to have reached a viewpoint higher than the mutual inviolability of persons. Since there is nothing higher in the universe, such an explanation could only take the form of a descent below the level of the personal. The exercise of our liberty always implicates us in relation to the self-understanding of liberty. But when the application includes the very conditions from which liberty itself arises, then the prospect of dehumanization is intrinsic to the action as well as intrinsic to its consequences. The bright line that demarcates the limits of genetic intervention in the life of an other must always be the imperative of the good of the other uncontaminated by any further consideration. The liberty of parents and doctors must thus be wholly subordinated to the liberty of the child. To do anything less would be, not only to rob the child of the independence from subordination to which he or she has a right to expect, it would be to rob the parents as well of the possibility of a relationship with their child that is unconditionally affirmed. Love can only love that which is utterly beyond our sphere of calculation and control, for it is only then that we can meet as equals in the equality of response to one another. To place any other factor ahead of the inviolability of the other is to lose the very possibility of love that loves the other beyond all reasons. Resistance to the nightmare of instrumentalization that threatens to overwhelm our democratic liberties is the great struggle of the day. Resources may at times appear slender but that is only from the perspective of an external assessment. From within, the growth of the liberal democratic soul, as Tocqueville suggested, remains a possibility. To those who wish to bring it about, it is incumbent on them to trust in the principles they espouse to defend. A detached bemoaning of the problems must be exchanged for an inner immersion within them. Then the possibility of a founding opens up, as a gleam of light. But it is not the light we shine on the issues that counts but the light that flashes back toward us. We find ourselves held fast by that which we dare not let go. The language of human rights turns out, as it did for the dissidents of the totalitarian regimes, to have more staying power than anyone had suspected. Not only is there the possibility of holding the line against some of the worst abuses of the biotechnological machine but the very struggle yields an unexpected result. There is now the possibility of reaching a clarification of the language of rights that had hitherto escaped the most astute theorists of the tradition. When the rights

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of one so totally threaten to envelop the rights of another then we have no recourse but to bring forth the intimations that have led us to insist on the inviolability of the rights of all. It is a result that will have been reached, not by way of a philosophical meditation, but by virtue of the lived necessity within which we find ourselves. Principles will have been clarified by way of a new founding, one that now recognizes the origin of principles within the founding event. It is for this reason that the fragility that impels our efforts can be understood more profoundly, not as sheer fragility, but as the indispensable invitation to go beyond it. Fragility is strength when it prompts the founding in which we discover that we have found again what was never lost.

Concertazione sociale e rappresentanza del lavoro: L’evoluzione contemporanea dei profili istituzionali Giuseppe Acocella

I. La rappresentanza del lavoro nella concezione corporativa: il dibattito sulla „concertazione istituzionale“ tra XIX e XX secolo I pochi spunti che intendo proporre sul tema sono limitati ad una circoscritta interpretazione del problema della rappresentanza del lavoro, ed al ruolo riconoscibile all’azione esercitata dalla rappresentanza degli interessi nelle democrazie contemporanee. Sarebbe superfluo ricordare che una tale rappresentanza da un lato esige una tutela di interessi dichiaratamente „parziali“ – dunque non mediabili all’interno dei circuiti della delega politicoelettorale – e dall’altro può realizzare questa tutela degli interessi articolati che è chiamata a rappresentare solo ridefinendone continuamente contenuti e confini in relazione agli interessi generali. L’organizzazione sindacale, in particolare, si pone così al tempo stesso come movimento rappresentativo delle ragioni complessive di „parzialità“ da un lato, e come parte del sistema istituzionale nel momento del confronto con la società politica che esige la decisione sulla totalità degli interessi, dall’altro. Le soluzioni offerte a questo dilemma dalle diverse culture politiche – manifestatesi nella presenza e nelle interpretazioni differenti dei cattolici sociali, dei socialisti „tradeunionisti“, o del „sindacato di classe“ – costituiscono un aspetto fondamentale del problema della realizzazione di una democrazia non meramente formale. Non si dimentichi l’opzione per la soluzione corporativistica largamente diffusa in alcune correnti del movimento sociale ottocentesco, o la preferenza accordata al „sindacato di diritto pubblico“ ancora nel Novecento dal sindacalismo cattolico (fino alle testimonianze che giungono al dibattito svoltosi nel secondo dopoguerra in Italia intorno ai temi costituzionali). Se la tendenza corporativa segnò le prime fasi del movimento sociale cattolico – sarà sufficiente ricordare René La Tour du Pin in Francia o Karl von Vogelsang in Austria – già sulla fine dell’Ottocento la pratica sindacale sviluppatasi nel movimento cattolico svincolava dalle ambiguità conservatrici la concezione che l’aveva accompagnato dalle origini.

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A cavallo tra due secoli, nel 1900, Luigi Sturzo – ancor più che l’economista Giuseppe Toniolo – forniva indicazioni che raccoglievano la sintesi di quel dibattito, apertamente rinviando ad una vera concezione organica della società nella sua normale e naturale esplicazione, contro la concezione individualistica egualitaria dei principi dell’89, che tutto ha invaso l’ordinamento sociale presente, livellando le forze diverse e disgregando i naturali organismi sociali, esponendo quindi il debole indifeso all’oppressione del forte, il lavoro alla mercè del capitalismo, il diritto in balia del numero, per poi, assommando aritmeticamente gli interessi individuali, senza dar loro alcun valore specifico, accentrare tutto nelle mani dello stato onnipotente,1

cosicché volendo e dovendo i cattolici riorganizzare le classi professionali popolari, devono ben guardare la natura specifica e le naturali funzioni, e regolarne i rapporti relativamente alle condizioni e alle esigenze mutate dei tempi; e se per ora la legislazione non riconosce i diritti civili, giuridici e politici della classe, occorre darvi ampio sviluppo morale ed economico, sino al giusto e legale riconoscimento di quest’organismo sociale e dei suoi imprescindibili diritti. E quantunque il concetto di classe non si restringa solamente alle classi operaie, ma comprenda tutte le classi sociali, onde alla organica ricostituzione di tutte le classi si deve tendere, pure oggi, nella disgregazione universale, quelli che economicamente, moralmente e giuridicamente hanno sentito tutto il pernicioso effetto del livellamento e quindi della sopraffazione sociale sono gli operai; ad essi bisogna rivolgere principalmente i nostri sforzi per ricostituirli in classi, dalle quali e per le quali (come si dirà appresso) emanerà la intiera riorganizzazione politico-sociale, che riporterà alla loro naturale e gerarchica funzione tutte le classi sociali.2

Il confronto tra liberalismo, cattolicesimo sociale e socialismo – alla ricerca peraltro di un punto di fusione che ancora risultava difficile persino tra cattolico-liberali e cattolici sociali, che si produrrà solo con il popolarismo3 – segnava il dibattito europeo sulla rappresentanza del lavoro che coinvolgeva direttamente i sindacati che si ispiravano alle posizioni dei cattolici, dei socialisti e dei liberali. In Austria, dove il socialismo dell’austromarxismo ed il liberalismo della scuola economica avevano trovato terreno fervido, la tradizione concertativa aveva avuto un precoce sviluppo nel pensiero di Vogelsang, giacché, prima ancora della enciclica di Leone XIII Rerum Novarum, Carl von Vogelsang, pur senza usarne il termine, formulò i principi di un’ideologia impostata sulla Sozialpartnerschaft. Il fulcro della linea programmatica dei cristiano-sociali, 1

Sturzo, Luigi, L’organizzazione di classe e le unioni professionali, Roma 1900. Sturzo, L’organizzazione di classe e le unioni professionali. 3 Cf. Acocella, Giuseppe, Il cattolicesimo politico e la lezione di Luigi Sturzo: la „svolta del 1934“, in: Sociologia, n. s. XXV, 1991. 2

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espressa poi anche nell’enciclica di Leone XIII, stava proprio nel tentativo di costruire un modello di società che non fosse né liberale né socialista.4

Appariva già allora evidente che una impostazione non meramente conflittuale e classista della contrapposizione tra capitale e lavoro comportasse che la questione della rappresentanza delle esigenze del lavoro e della sua tutela travalicasse i confini ancora angusti del fragile sindacalismo delle origini, per porre in discussione principi e posizioni direttamente inerenti le opzioni politiche e le scelte degli assetti istituzionali in materia economicosociale e del lavoro. Ad esempio nel pensiero del francese René La Tour du Pin, Alcide De Gasperi – nelle incisive pagine a lui dedicate nel volume I tempi e gli uomini che prepararono la „Rerum Novarum“5 – riconosceva l’originalità di una concezione democratica del corporativismo, che si mostrava inconciliabile tanto con la teoria quanto con la pratica della corporazione fascista.6 Di questa inconciliabilità irriducibile Sturzo si sarebbe mostrato fermo assertore negli anni della dittatura, ma già nel testo del 1900 aveva sostenuto che nell’epoca presente il disquilibrio sociale non solo esiste, ma è congenito e si estende ai rapporti essenziali della società; e l’elemento del divenire è il popolo, che perciò è causa del progresso umano. È chiaro pertanto che, si chiami pure straordinaria, è questa la funzione storica del proletariato moderno; cioè progredire per togliere il disquilibrio sociale per il progresso indefinito della società. . . . Così io intendo che la rappresentanza politica professionale sia frutto dell’organizzazione delle classi lavoratrici. Ma ho detto anche rivendicazione sua propria.7

La posizione che Sturzo esprimeva – in un momento storico nel quale, nel passaggio tra i due secoli, il sindacalismo faticosamente si consolidava con differenti fortune nei paesi europei – fissava alcuni capisaldi essenziali della rappresentanza del lavoro, sottolineando tanto il ruolo di diretto protagonista dell’azione sociale da parte della classe lavoratrice quanto la necessità di salvaguardare l’autonomia associativa delle sue organizzazioni ri4

Così Anton Pelinka, in un suo volume del 1981, Modellfall Österreich?, tr. it. Modello Austria, Roma 1983, introduceva la ricostruzione delle Premesse e sviluppo della concertazione sociale in Austria. 5 Pubblicato nel 1928 presso l’editrice Vita e pensiero, sotto lo pseudonimo di Mario Zavatta. 6 Su Alcide De Gasperi e la tradizione corporativa nel pensiero cristiano-sociale cf. Acocella, Giuseppe, Cattolicesimo italiano e orizzonte europeo a partire dagli anni ’40: gli influssi reciproci in ordine alla solidarietà, in: Annali della Fondazione Giulio Pastore, XXIV–XXV, 1995–1996, pp. 49–82, in specie il par. 1, pp. 49–59. 7 Sulla inconciliabilità tra la concezione cattolico-sociale e le esperienze corporative negli Stati totalitari si veda la posizione di Luigi Sturzo in Acocella, Giuseppe, Sturzo e il sindacato, Roma 1980, Cap. III, Le dottrine corporativistiche, pp. 83– 125.

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vendicative quale presupposto irrinunciabile per l’esercizio delle funzioni di tutela. Del resto la prima delle grandi costituzioni del secolo XX, quella promulgata negli anni della Repubblica di Weimar, durante i quali rivestirono un ruolo significativo i partiti popolari socialisti ed il partito cattolico Zentrum, la Costituzione, promulgata l’11 agosto 1919, introduceva nel Capo V (La vita economica) il Consiglio economico del Reich. L’art. 165 della Costituzione sanciva che i progetti di legge in materia sociale ed economica di più rilevante importanza devono essere, prima della loro presentazione, a cura del governo del Reich, sottoposti al parere del Consiglio economico del Reich. Il Consiglio economico ha il diritto di formulare proposte di legge nella materia stessa, ed il governo del Reich è obbligato a presentarle al Reichstag, anche se non consenta ad esse. Il Consiglio economico può incaricare uno dei suoi membri di sostenere innanzi al Reichstag il progetto da esso proposto.

Il testo costituzionale, nel capoverso precedente, precisava che i consigli economici di distretto e il Consiglio economico del Reich, formati dai consigli operai di azienda, di distretto e del Reich, „insieme ai rappresentanti degli imprenditori e con gli altri ceti interessati“, „devono essere organizzati in modo che vi siano rappresentati i gruppi di mestiere importanti ed in misura proporzionale al loro rilievo economico e sociale“. La Costituzione di Weimar – modello per le future costituzioni democratiche europee – fu travolta dalla crisi della Repubblica culminata nell’avvento in Germania del nazismo. Negli anni tra le due guerre, poi, nel periodo di maggiore affermazione dei regimi di carattere autoritario, immediatamente successivo alla promulgazione della enciclica Quadragesimo anno, su El Matì Sturzo si esprimeva nel 1935 senza ambiguità: Il problema della corporazione moderna dal gabinetto di studio e delle affermazioni dei partiti della scuola cristiano-sociale, è già passato al dominio dell’opinione pubblica e ai tentativi di realizzazione. È necessaria una distinzione preliminare: la corporazione in uno stato libero non può essere identica alla corporazione in uno stato totalitario. Nel primo caso la corporazione avrà un’esistenza propria, con una certa autonomia; nel secondo caso non avrà alcuna autonomia e sarà un organo dello stato.

Le parole di Sturzo trovavano ragioni nella lacerazione profonda che avrebbe segnato il cattolicesimo europeo in ordine al giudizio storico e morale, oltre che etico-politico, sui regimi totalitari e sui tentativi di corporativismo da essi promossi. In Austria l’idea corporativa adottata dal movimento cattolico-sociale di quel paese aveva poi trovato nel cancelliere Engelbert Dollfuss un sostenitore strenuo anche nell’occasione del suo governo autoritario, quando

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questa componente corporativa e concertativa del bagaglio storico-ideale del partito cristiano-sociale si concretizzò, in una forma per certi versi distorta, nella proclamazione (nel 1934) dello Stato corporativo autoritario. Privo di quella legittimazione democratica cui aspiravano von Vogelsang e i cristiano-sociali, lo „Stato corporativo austrofascista“ tentò di instaurare una sorta di collaborazione tra le parti sociali attraverso l’imposizione dall’alto.8

Nei medesimi anni l’acuirsi dello scontro sindacale e politico provocò in diversi Parlamenti europei proposte di riforma costituzionale in Francia, o discussioni in materia di riconoscimento giuridico dei sindacati nella Camera belga, le une e le altre alimentate dalle istanze del movimento cattolico-sociale di trasferire sul piano istituzionale il riconoscimento delle aspirazioni concertative e conciliative dello scontro tra capitale e lavoro che l’esperienza politica bruscamente metteva in discussione.

II. Il riconoscimento della rappresentanza del lavoro tra regimi totalitari e parlamenti democratici Nell’estate del 1934 il Parti démocrate populaire, „confiant dans les destinées de la République e de la démocratie“ dichiarava la propria preferenza per una „économie organiste“, avversa tanto al liberismo economico quanto al socialismo collettivista, muovendosi sulla scia della enciclica Quadragesimo anno, tanto che nella primavera del 1935 si avviò alla Camera francese il dibattito sulla legge relativa alle intese professionali, e all’inizio del 1938 veniva discusso il progetto di legge governativo sull’arbitrato, che riprendeva la proposta avanzata dapprima dai sindacati – incoraggiati dall’apprezzamento che negli anni precedenti era stato esplicitamente avanzato anche nella sede istituzionale del Parlamento da tutte le parti politiche – di introdurre la rappresentanza proporzionale dei sindacati nelle commissioni locali e nazionali di conciliazione nei conflitti di lavoro. Cogliendo la crisi del liberalismo, ma rifuggendo dalle soluzioni statalistiche e quindi autoritarie contenute nella proposta austriaca e italiana di istituzione dello Stato corporativo, in specie i cattolici francesi auspicavano organismi che fossero libere espressioni delle categorie e delle professioni, rappresentativi degli interessi e delle esigenze di tutela, e fossero riconosciuti come istituzionalmente capaci di produrre, attraverso intese concertate, la regolazione normativa delle attività in ciascun ambito economico interessato. Nello stesso periodo in Belgio, sempre all’inizio del 1935, la Camera discuteva di una proposta, nata negli ambienti della Federazione dei lavora8 Cf. Pelinka, Anton, Stand oder Klasse? Die Christliche Arbeiterbewegung Österreichs 1933–1938, Wien 1972.

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tori cristiani, sul riconoscimento giuridico dei sindacati, che assicurasse valore di legge ai contratti nazionali collettivi, costituendo delle commissioni paritetiche permanenti con le rappresentanze dei lavoratori indicate dai sindacati e nominate con decreto reale. Va notato che il disegno di legge mirava all’istituzione di una Commissione nazionale della produzione con poteri regolamentari e conciliativi per ordinare le professioni e comporre contrasti anche attraverso l’emanazione di regolamenti professionali che acquisissero valore normativo grazie alla sanzione data dai poteri istituzionali. Il corporativismo democratico qui ipotizzato – in contrasto con quello autoritario avanzato nelle esperienze del fascismo europeo – rivela forti legami con la posizione assunta nel 1934 da Luigi Sturzo, e nello stesso 1935 da De Gasperi, il quale commentava l’iniziativa belga scrivendo sulla Illustrazione vaticana che non sfuggirà ad alcuno che si tratta di applicare il programma corporativo per risolvere le vertenze del lavoro. Le commissioni paritetiche agiscono come corporazioni: la loro funzione è eminentemente sociale (componimento delle differenze tra operai e padroni) ed in parte economica (regolamenti corporativi). Manca invece del tutto la funzione politica. Il sindacato è libero, la corporazione invece è unica, sotto la direzione dello Stato, in base al vecchio principio dei cristiano-sociali francesi: „Le syndicat libre dans la profession organisée“.

Non è quindi sorprendente se la posizione cattolico-sociale alla fine della guerra – dopo il crollo dei regimi totalitari e nella fase di edificazione degli impianti costituzionali delle nazioni europee uscite dal conflitto ed anelanti alla democrazia – fosse fortemente segnata da questo travagliato problema della rappresentanza del lavoro, e direttamente influenzata dalle posizioni espresse nel Codice di Malines del 1927, e – per la situazione italiana – dai contributi fortemente innovativi del Codice di Camaldoli. In specie l’idea delle associazioni libere „nel sindacato organizzato“ appariva la formula che meglio rispondeva al bisogno di ottenere il riconoscimento giuridico per l’organizzazione e per l’attività sindacale, che salvaguardasse al tempo stesso l’autonomia dal basso delle organizzazioni di rappresentanza e la libertà dell’adesione dei lavoratori, affinché fosse garantita al meglio la funzione di rappresentanza esercitata dal movimento del lavoro. Ancora nel Codice di Camaldoli, pubblicato nel 1945, si afferma la „unicità e pluralità delle associazioni professionali“, vincolandosi la libertà e l’autonomia delle associazioni sindacali – che nel secondo dopoguerra riprendevano vigore dopo le repressioni subite nell’età dei totalitarismi – all’organizzazione pubblica della rappresentanza del lavoro. L’associazione professionale, alla quale andava assicurata la possibilità della necessaria autorità ed autonomia, e di un appropriato ordinamento che ne faccia genuina espressione della volontà degli interessati e delle aspirazioni e degli appartenenti alla categoria, può assurgere – tra le collettività intermedie che deb-

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bono trovar posto tra l’individuo e lo Stato – ad elemento di primaria importanza, con riconosciuto carattere pubblicistico.9

Anzi, più specificamente trattando delle associazioni sindacali, il Codice raccomandava che esse „potranno inoltre essere rappresentate negli organi legislativi e amministrativi“, dal momento che gli aggruppamenti professionali debbono considerarsi espressione autonoma di libere forze sociali e di naturale solidarietà fra i loro membri, e sono perciò dotate di autorità nei limiti riconosciuti dall’ordinamento giuridico.10

Approfondite analisi hanno messo in luce come le posizioni dei sindacalisti presenti nel 1946 nell’Assemblea costituente italiana abbiano contribuito incisivamente al dibattito costituzionale su questi temi, segnando di fatto l’abbandono di ogni ipotesi neo-corporativa, benché siano sempre riconoscibili – anche nella comparazione con le altre culture sociali che concorsero alla delineazione del testo costituzionale – le tesi che miravano a confermare la necessità di assicurare il riconoscimento istituzionale delle rappresentanze sindacali e degli interessi, in nome della vitalità delle forze sociali e dei corpi intermedi non esauribili nella società politica. I numerosi ed autorevoli studi dedicati al periodo di incubazione della democrazia in Italia, a partire dalle Idee ricostruttive degasperiane e dal dibattito intorno ai temi sindacali nei primi anni Quaranta, hanno documentato questo difficile passaggio alla nuova fase del pensiero democratico-sociale della grandi correnti popolari in materia. I lavori preparatori dell’Assemblea Costituente in Italia mettono in luce alcuni aspetti di questa incidenza nell’elaborazione costituzionale. La terza sottocommissione, riconoscendo la piena libertà dell’organizzazione sindacale, precisò che si dovessero comprendere nella dizione usata nell’art. 39 anche le associazioni professionali, e la dizione del terzo comma – „i sindacati registrati hanno personalità giuridica“ – intendeva trovare un punto di equilibrio nel dibattito apertosi tra proposte di sindacato unico o sindacato plurimo, giacché nella prima stesura si affermava che i sindacati „sono riconosciuti enti di interesse collettivo“, dizione poi evitata per escludere ogni tentazione di interferenza da parte dello Stato. Un costituente del valore di Costantino Mortati osservò che quando si esige la registrazione questa non può avvenire automaticamente, presupponendo l’accertamento di quelle che sono le forme organizzative dell’associazione sindacale . . .. la vera garanzia dell’autonomia dell’organizzazione sta nella scelta dell’organo che deve procedere a questo accertamento,

e Mortati riteneva che questo non potesse che essere l’istituendo Consiglio Nazionale dell’Economia e del Lavoro. È noto quanto questo problema 9 10

Principi per l’ordinamento sociale, § 69. Ibid., § 67.

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delle forme di riconoscimento legale della rappresentanza per garantire validità erga omnes ai contratti stipulati abbia attraversato con forti tensioni il dibattito sindacale e parlamentare negli anni Cinquanta per l’intero decennio, dal progetto di legge „Rubinacci“ dell’inizio degli anni Cinquanta alla legge cosiddetta „erga omnes“ della fine dello stesso decennio. Lo stesso Mortati a tal proposito intendeva completare la sua idea di conciliare pluralità e libertà sindacale con l’assetto istituzionale attraverso la istituzione – come propose in sottocommissione in occasione della istituzione del CNEL tra gli organi ausiliari dello Stato (poi previsto nell’art. 99) – di un Consiglio economico nazionale come collegio arbitrale per le controversie economiche e sindacali, attribuendo all’organo così identificato anche la potestà di ratificare i contratti collettivi di lavoro e l’obbligo di audizione, per gli organi governativi e parlamentari, nel caso di progetti riguardanti l’attività produttiva.11

III. La rappresentanza del lavoro nei sistemi democratico-costituzionali tra movimento ed istituzioni La preoccupazione – viva in tutti i Costituenti dopo l’esperienza del regime fascista e dei suoi tentativi di dar vita ad un regime corporativo di stampo autoritario, dalla Carta del lavoro in poi – fu espressa anche in sede di assemblea dal relatore Gustavo Ghidini (che presiedeva la terza Sottocommissione) il quale chiarì che la cauta formulazione usata nel secondo comma ai sindacati non può essere imposto altro obbligo se non la loro registrazione presso uffici locali o centrali, secondo le norme stabilite dalla legge

fu adottata „in forma negativa perché si vuole che il sindacato sia completamente immune da qualsiasi influenza statale“. Si riprendeva dunque un dibattito che già in altri paesi europei si era svolto tra le due guerre, come ricordarono i deputati La Rocca e Ravagnan, che respinsero la proposta di Mortati ritenendo preferibile una soluzione come quella adottata in Francia un quarto di secolo prima con la istituzione di un Consiglio economico dotato di funzioni eminentemente consultive, e respingendo per un organo siffatto tanto la potestà arbitrale quanto la competenza in materia di ratifica dei contratti collettivi di lavoro. 11 Sulla esperienza di un Consiglio superiore del lavoro dotato di competenze istituzionali, promossa in Italia nei primi decenni del XX secolo, e sul ruolo svolto in esso dai cattolici cf. Saba, Vincenzo, Le organizzazioni di resistenza nel Consiglio superiore del lavoro, in: Sindacalismo, n. 1, 1966, 4, pp. 3–34; Abrate, Mario, Il Consiglio superiore del lavoro, i sindacati cattolici, la Confindustria, in: Bollettino dell’Archivio per la storia del movimento sociale cattolico in Italia, n. 10, 1975, 1, pp. 46–63.

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In Francia il Decreto del 16 gennaio 1925 aveva istituito il Conseil national économique, modificato in seguito con legge del 19 marzo 1936 e con decreto legge del 14 giugno 1938, cui erano state attribuite competenze di consulenza del potere legislativo, ma anche un esteso potere arbitrale in caso di controversie economiche. Dopo la fine della guerra, dapprima la Costituzione della IV Repubblica, e poi le successive modificazioni intervenute, fino alla definitiva legge del 1958, hanno dotato il Consiglio Economico e Sociale di uno Statuto costituzionale e di significative competenze, che rendono il Consiglio francese soggetto decisivo dell’equilibrio repubblicano in materia economico-sociale. In Belgio, nel 1952 – sulla scia di una tradizione di organi di rappresentanza del lavoro istituiti fin dalla fine dell’Ottocento (la Commission du Travail è del 1886) – veniva costituito le Conseil National du Travail con funzioni rilevanti come quella di proporre al Governo e al Parlamento pareri e proposte in materia sociale. Ma è ancora in Austria che la „concertazione istituzionale“ ha consentito sin dall’immediato secondo dopoguerra che la rappresentanza del lavoro conseguisse i suoi risultati più duraturi, benché il Beirat für Wirtschaft und Sozialfragen (Comitato per le questioni economiche e sociali) sia stato istituito solo nel 1963. Ha scritto Anton Pelinka che „solo a partire dal 1945 si può quindi parlare di una ripresa della pratica della concertazione“ fino al completamento del sistema tra il 1957 (Commissione paritetica dei prezzi e dei salari) ed il 1963, allorché si definì il nucleo stesso della Sozialpartnerschaft, nella misura in cui in questa sede si compie l’integrazione tra le sue forme istituzionalizzate e le pratiche negoziali autonome. (. . .) In Austria la Sozialpartnerschaft opera in due sfere strutturalmente distinte: da un lato quella autonoma (dove le organizzazioni in prima persona e senza collegamenti con gli organi decisionali dello Stato, quali Parlamento e Governo, si incontrano e trattano) che viene definita concertazione non istituzionalizzata e dall’altro la sfera non autonoma, cioè istituzionalizzata, dove la presenza delle organizzazioni è inserita in organismi statali, in particolare quelli governativi.12

La discussione accesasi negli ultimi anni sul „modello sociale europeo“ rende oltremodo interessante valutare il significato attribuito dalla rappresentanza del lavoro nelle esperienze di „concertazione sociale“ del secondo dopoguerra. In Italia un simile compito – essenziale al conseguimento di obiettivi democratici, e non esaurito dalla rappresentanza politico-parlamentare – è stato assegnato al Consiglio Nazionale dell’Economia e del Lavoro, dotato del potere di iniziativa legislativa, delle funzioni di organo di consulenza del Governo e del Parlamento, nonché del ruolo di sostegno e preparazione alla elaborazione legislativa economica e sociale. È stato scritto che 12

Cit. Pelinka, Modello Austria.

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la composizione del CNEL fu, nell’intento del costituente, dovuta ad una scelta di compromesso tra due opposte tesi, l’una tendente alla creazione di un organo che, pur essendo in rappresentanza di organismi portatori di interessi, avrebbe potuto anche compiere valutazioni politiche di argomenti tecnici, l’altra che dava prevalenza a quel rigoroso criterio di tecnicismo che deve presiedere alla vita di organi con funzioni consultive.13 Una osservazione a questo punto rilevante è che il modello nato dalla elaborazione costituzionale, nella quale si fondono elementi della tradizione sociale cattolica, socialista e liberale, differenziatosi da una impostazione originariamente influenzata dalla ispirazione corporativa, ha saputo – attraverso contrapposizioni significative che ne hanno definito la sostanza e le idee-base – fornire motivi e considerazioni dimostratesi feconde per la definizione democratica dello Stato costituzionale,14 in vista di un efficace sviluppo di una rappresentanza libera del lavoro. Propugnando una attività sindacale libera all’interno della professione organizzata, in specie le posizioni dei sindacati hanno contribuito a far maturare – al di fuori della sfera anglosassone e della tradizione schiettamente tradeunionista – l’idea di una rappresentanza del lavoro non vincolata e rinchiusa nella dimensione dell’appartenenza accentuatamente o addirittura esclusivamente ideologicopolitica o politico-religiosa. L’identità attribuita all’organizzazione sindacale dall’appartenenza di segno religioso o ideologico, infatti, inevitabilmente avrebbe finito per imporre restrizioni all’adesione sindacale e per ostacolare alla radice le possibilità di rappresentare unitariamente gli interessi del lavoro, in quanto divisi non sulla specifica manifestazione dei bisogni, ma condizionati da elementi operanti sul piano politico o religioso. L’insistenza sulla rappresentanza organizzata della classe professionale, invece, ha favorito una formulazione più radicale dell’autonomia del sindacato – in nome della sola qualità della forza lavoro – come agente contrattuale e di politica economica e sociale. Lo stesso dibattito accesosi nel secondo dopoguerra in Europa – e riproposto in questi anni anche in Italia sulla necessità di una „legge sindacale“ – cioè di un sostegno legislativo in grado di stabilire gradi e livelli di rappresentatività del sindacato, ai fini della stessa validità dei contratti, con strumenti capaci di conciliare unicità della rappresentanza e pluralità associativa 13

Nacci, Paolo Giocoli, Il CNEL secondo la Costituzione, Milano 2002, p. 34. Cf. Acocella, Giuseppe, Il problema dello Stato dal corporativismo al costituzionalismo nel pensiero di Giuseppe Capograssi, in: Sviluppo economico. Atti del convegno „Economisti giuristi meridionalisti dallo Stato corporativo all’Assemblea Costituente“ (Salerno, 4–5 ottobre 2001), vol. 6, nn. 1–2, gennaio–agosto 2002, pp. 95–111; ora in: Giuseppe Acocella, Per una filosofia politica dell’Italia civile, Soveria Mannelli 2004, pp. 375 ss. 14

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– presenta aspetti prima facie sorprendenti. Infatti è l’area sociale nella cui storia è confluita anche la tradizione del sindacalismo cattolico e della dottrina sociale cristiana a opporsi decisamente, mentre a incoraggiare scelte in questo senso è l’altra importante area sindacale maturata dall’ispirazione del sindacato classista e di matrice marxista. La prima obietta che ogni intervento legislativo, che miri a prescrivere legislativamente limiti e consistenza della rappresentanza sindacale, sarebbe inevitabilmente riduttivo della sovranità ed autonomia del sindacato come delle espressioni della società civile, mentre la seconda insiste sulla bontà di una soluzione che imponga diritti e obblighi a tutte le rappresentanze sindacali, rispettandone il pluralismo ma obbligandone la convergenza in vista di soluzioni accertabili. Si intendono facilmente i differenti esiti delle diverse culture sociali, tra quelle che confermano una decisa adesione al primato della politica (parlamentare), cui viene affidata l’ultima mediazione in materia, e le esperienze che si richiamano a una tradizione schiettamente sociale che intende mantenere la rappresentanza sociale in una condizione di libertà – al di fuori di ogni subalternità o fiancheggiamento – rispetto alle formazioni di partito presenti nello scenario politico. Il problema si manifesta acutamente quanto più gli interessi da rappresentare si presentino non omogenei, o quantomeno solo faticosamente riducibili ad una omogeneità suscettibile di poter essere rappresentata, una volta che si sia storicamente attenuata – come nel nostro tempo ed in specie nell’ultimo quarto di secolo, dopo il 1989 – l’identità, reale o simbolica, dei soggetti e dei loro valori generali di riferimento.

IV. Considerazioni conclusive Nei sistemi parlamentari si verifica stabilmente che gli schieramenti contrapposti tendano a cercare una mediazione anche sui temi del lavoro all’interno del confronto parlamentare e politico che si istituisce tra le formazioni politiche, specie nelle contrapposizioni dirette proprie dei sistemi bipolari, riducendo al minimo – fino a farlo sparire – il margine di possibile mediazione con le organizzazioni economiche e del lavoro. Questo comporta che l’azione sindacale che rifiuti – insieme ad ogni interferenza o subalternità – l’intervento di una „legge di regolazione sindacale“, sarà indotta ad elaborare una propria strategia politica ed istituzionale che le consenta di conseguire risultati duraturi. È storicamente necessario, quindi, ricondurre all’interno dell’assetto costituzionale il problema della identificazione dei soggetti – attraverso organismi pluralistici nei quali l’associazionismo trovi una composizione unitaria ma non obbligata dalla legge – chiamati primariamente a garantire le

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rappresentanze dell’economia e del lavoro. Sedi anche istituzionalizzate di concertazione – come in differenti versioni e contesti l’esperienza francese o belga, ed ancor più quella austriaca della Sozialpartnerschaft, o quella italiana degli anni Novanta hanno mostrato – possono consentire di gettare un ponte tra la irrinunciabile libertà dell’associazionismo professionale e sindacale da un lato e la necessaria unitarietà delle scelte politiche finali, in materia economico-sociale, dall’altro. Costituire sedi istituzionali di contemperamento degli interessi costituisce un passaggio decisivo nel conseguimento di una compiuta democrazia, alla cui realizzazione la concertazione sociale e la legittimazione delle rappresentanze del lavoro sono assolutamente indispensabili.

People and Power: Local Government Reform in England and its Implementation in the London Borough of Redbridge, 2002–2006 Aaron Powell

I. Introduction In his 1989 volume, Boston Politics, Professor Schabert presents his extensive research into the creativity of power through an examination of the administration of Mayor Kevin H. White, Mayor of Boston from 1968 to 1983.1 Until recently, the office of elected mayor did not exist within the local government sphere in England – local councils were governed according to a committee structure, with all councillors serving on one or more committees. Whilst membership of the committees was decided in proportion to the number of members a political party had elected to the council, thus ensuring a majority on each committee for the majority party, all councillors were potentially involved in all decision making. Following the election of the Labour government in 1997, a major programme of local government reform was launched, aimed at ‘modernising’2 both the political structures, and the role of councillors. This modernisation introduced for the first time the possibility of a local authority area choosing an elected mayor although, as will be seen, the office proposed was very different to that found in Boston and few councils have included an elected mayor in their chosen structure. 1

Schabert, Tilo, Boston Politics: The Creativity of Power, Berlin/New York 1989. 2 The word ‘modernisation’ should be considered carefully throughout this paper. Although it is the term most often used by the government to explain its programme, it generally assumes a negative view of what has gone before, whether justified or not. As Andrew Coulson writes: “The word ‘modern’ has no clear meaning other than a promotion of what is fashionable, or perceived to be better – but in these contexts it carries an overtone that the person using the language knows what is good for you, and an implied threat that if you do not take notice your support will be cut in some way.” Coulson, Andrew, Local Politics, Central Power: The Future of Representative Local Government in England, in: Local Government Studies, Vol. 30, No. 4, 2004, pp. 471–472.

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This paper examines the impact of local government modernisation through the story of a particular council, that of the London Borough of Redbridge, on which the author served from May 2002 until May 2006. Having identified the rationale behind the Government’s modernisation agenda, this paper presents the story of Redbridge Council, as a means of identifying potential problems with the implementation of this agenda. It will then explore the alternative models offered – particularly that of a directly-elected mayor and consider the extent to which the elected mayor model proposed for England offers scope for political creativity, the ‘divine’ creativity through which human beings exist.3 It will identify how the office of elected mayor differs from that in the USA (with especial consideration of Mayor White of Boston) and from elected mayors in parts of Europe. The paper will conclude by suggesting that local government in England is at a crossroads – that the current structures are unlikely to be fit for purpose in the future and that further reform is inevitable. It should be clear that, in using the story of Redbridge Council, there is no suggestion that this experience is paradigmatic or even the common experience of local authorities through the modernisation programme in England. However, the author is certainly aware of anecdotal evidence which suggests that it is not particularly uncommon. The use of this particular story, known from extensive personal experience, illustrates what can happen and assist us in identifying the pitfalls into which local government modernisation as currently experienced in England might fall.

II. The Legislative Background: Local Government Act 2000 Prior to 2001, local government in England functioned according to a committee structure. Under this structure, decision-making was vested in the Council as a whole or delegated to a series of Executive Committees. Each of these committees comprised Councillors from all political parties, proportionate to their representation on the Council as a whole. Thus, while the largest party held a majority on each committee, all Councillors were, at least on the face of it, involved in making real decisions that would affect the residents of their area. Furthermore, while each political group had a leader, who appointed members to the committees and decided the general thrust of policy, the leader was usually not a member of all committees and thus not directly involved in many of the decisions of the Council. Clearly, the chairman of each committee, usually drawn from the majority party, would discuss with the leader important decisions coming before the 3

Schabert, Boston Politics, p. 1.

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committee; the leader’s role was as much about managing the political group as about making decisions. This structure was widely criticized and, following their General Election win in 1997, the Labour government set out to radically reform it under the guise of ‘modernisation’. As explained by John Fenwick and Howard Elcock, “the committee system was seen by its critics as slow, overly bureaucratic, inward-looking and, in terms of public involvement, singularly uninviting”.4 A particular criticism was that, despite decisions appearing to be taken in public at executive committees, they were actually taken behind closed doors (often caricatured as being ‘in smoke-filled rooms’), by those of the committee who were members of the majority party on the Council. Despite the ‘charade’ of the public committee, no real decisions were taken and this bureaucratic structure was said to be partly to blame for the low turnout in local government elections, leading to questions over the legitimacy of local government as a whole.5 In order to resolve these criticisms, the newly-elected Labour government initiated a reform programme which began with the 1998 white paper, Modern Local Government: In Touch with the People, and culminated in the Local Government Act 2000. The aim of that programme was set out clearly in the white paper:6 [. . .] modern councils fit for the 21st century – are built on a culture of openness and ready accountability. They have clear and effective political leadership, to catch and retain local people’s interest and ensure local accountability. Public participation in debate and decision making is valued, with strategies in place to inform and engage local opinion [. . .] more frequent local elections will strengthen direct accountability to local people by ensuring that voters in every area have greater opportunity to pass judgement on their local representatives.

In practice, this resulted in new executive arrangements designed to produce greater clarity and accountability, along with a remuneration scheme to attract new talent to local government; a new community leadership role for councillors, along with checks on their behaviour through the introduction of a Standards Board; and greater public engagement through the provision of local committees and the possibility of local referenda to determine the political structure of the council. 4 Fenwick, John/Elcock, Howard, The New Political Management in Local Government: Public Engagement or Public Indifference?, in: Local Government Studies, Vol. 30, No. 4, 2004, p. 520. 5 See, for example, the white papers DETR, Modern Local Government: In Touch with the People. London 1998 and DETR, Local Leadership, Local Choice. London 1999. For a more detailed discussion of turnout, see Coulson, Local Politics, Central Power, pp. 474–476. 6 DETR, Modern Local Government, para. 1.2.

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Under the new executive arrangements created in the Local Government Act 2000, councils could choose one of three political structures – a leader and cabinet structure, an elected mayor and cabinet structure, or an elected mayor and council manager structure. A fourth option was offered to some smaller councils, allowing them to keep a modified version of the existing committee structure. Under the leader and cabinet option, the leader of the majority political group would effectively become the leader of the council. He would then appoint a cabinet of a small number of members, each of whom would have a defined responsibility and would make the executive decisions for that area of responsibility either individually (if delegated), or by presenting proposals to a committee of the cabinet. All other members of the council would be ‘backbenchers’, although they could serve on one of a number of ‘scrutiny committees’ which the council was required to establish to scrutinise the decisions of the cabinet and its members. Although these scrutiny committees could make recommendations and refer the decision back to cabinet or to the whole council, they could not directly overturn the decisions of the cabinet. Under the elected mayor and cabinet option, the mayor would be directly elected by the residents of the council area and was then free to appoint a cabinet from among the members of the council. In principle, the mayor could appoint cabinet members from any of the political groups on the council. In practice, though, a political mayor would appoint from within his own political group. Scrutiny committees were again required and would become the primary committees for most councillors. The third option, of elected mayor and council manager, gave the least role to the majority of councillors. Under this option, the mayor was directly elected and took on a policy-setting and advisory role – advising the appointed council manager, a professional who had day-to-day responsibility for all council decisions and operations. Other members of the council would become scrutineers of the decisions taken, although they would have the final say over the council’s policy framework, the framework within which all decisions had to be taken. Alongside these changes to the decision-making structures, the legislation proposed a new remuneration scheme for councillors. In the past, councillors had received an attendance allowance for each meeting attended. It was proposed that councils appoint an independent review body to establish a ‘salary’ for councillors, along with special responsibility allowances for those taking on extra work, such as the leader, the cabinet members, and the chairmen of the scrutiny committees.

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III. The Redbridge Story The Council of the London Borough of Redbridge chose to implement the leader and cabinet model and, between 2000 and 2002, there was first a Conservative cabinet and then a Labour cabinet, there being no party with an overall majority on the council. In May 2002, the Conservatives took control of the Council, winning 33 of the 63 seats in the elections of that year.7 The Leader of the Council was Cllr Keith Axon, who had led the Conservative group through most of the past eight years when the Council had no group in overall control. He had therefore established a significant position within the group and, with just under a third of the group consisting of new members, his position as Leader was secure. Cllr Axon appointed a cabinet of nine members, as per the Council’s constitution. He also proposed chairmen for each of the scrutiny committees from among the Conservative group, a proposal which the group was able to see through the Council by majority vote. In 2001, the independent review panel on councillors allowances, set up by the Association for London Government, recommended a basic allowance for all councillors in London of £ 8500 per annum, on the basis that Councillors would put in approximately 60 hours work per month, 20 of which would be voluntary.8 In addition, payment of special responsibility allowances was proposed in five bands, dependent upon the level of responsibility. Band 1, for opposition spokespersons on scrutiny committees and leaders of minority parties was proposed at between £ 1900 and £ 7100 (in addition to the £ 8500 basic allowance). Band 2, for chairman of scrutiny committees and the leader of the major opposition party was proposed at between £ 12,300 and £ 22,700. Band 3, for Cabinet Members, was proposed at between £ 27900 and £ 33100 as it was assumed that these would become near full-time positions. It was proposed that the Leader should be paid the same as a Member of Parliament, at £ 52000 per annum in 2001, including the basic allowance. Finally, it was suggested that a directly-elected mayor should receive 25% more than a Council leader, at £ 65000 per annum.9 Although the Government had created provision for such payments within the legislation, the grant to local authorities was not increased in order to enable them to pay them and any extra costs would have to be met 7 This majority increased by 1 in 2003 following a by-election in the Valentines Ward which the Conservatives took from Labour. 8 Expenses for mileage and subsistence were to be paid in addition to this allowance. 9 All figures are per annum and are taken from ALG: Making Allowances. London 2001.

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from increased local taxation. Redbridge, like most authorities in London, therefore took the view that the amounts proposed by the ALG panel were too high and initially awarded councillors a basic allowance of £ 6000, with special responsibility allowances of £ 3500 for chairman of scrutiny committees, £ 5000 for cabinet members and £ 10000 for the leader of the Council.10 In 2002, the new Conservative administration in Redbridge increased the basic allowance to £ 8400 and special responsibility allowances to £ 7200, £ 14400, and £ 30,000 respectively. For the 2006/7 municipal year, the basic allowance had reached £ 9656.7111 and the special responsibility allowances £ 8116, £ 16231 and £ 33814 respectively. From 2002, there was for the first time a significant financial incentive in seeking promotion within the group, especially for those councillors who were either retired or had not previously held high-paying jobs. In the autumn of 2002, Cllr Axon fell ill and was soon diagnosed as having a brain tumour. He died early in 2003, sparking a leadership election within the Conservative group. That leadership election was won by Cllr Allan Burgess, formerly Group Secretary and a member of the Council since 1990. Cllr Burgess made relatively few changes to the cabinet at that time, appointing only two new members to fill his own former post and one other vacancy, his opponent in the leadership election choosing not to serve in the new cabinet.12 One year on, however, the situation would change radically. Under the rules of the Conservative group, a leadership election may be held each year at the annual group meeting in March (or May, in an election year). In March 2004, veteran councillor Alan Hughes challenged Cllr Burgess for the leadership and the resulting ballot was tied, 17 votes each. With neither candidate prepared to withdraw their nomination, the ballot was taken again with the same result. Eventually, the matter was decided on the toss of a coin and Cllr Burgess remained as leader of the group.13 With the group split down the middle, however, the status quo did not last long. Following an initial challenge to the legitimacy of the decision by the Report of the Council Meeting of the London Borough of Redbridge, 18th May 2000. 11 Following a decision of the Council in 2003, mileage and subsistence expenses were bundled together with the basic allowance, and not claimed separately except for exceptional expenditure. 12 Details of the appointment of the Cabinet are found in the Minutes of the Meeting of the Council held on 15th May 2003 of the London Borough of Redbridge. The desire of the new Leader’s opponent in the leadership election not wishing to serve in the new cabinet is the recollection of the author who was one of the two new appointees to the cabinet. 13 Wanstead and Woodford Guardian (hereafter WWG), 18th March 2004. 10

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toss of a coin, rumours began to circulate that members who had supported Cllr Hughes were being dismissed from their positions.14 At the Council meeting on 20th May 2005, when appointments to the Cabinet and Committees were due to be made, a number of supporters of Cllr Hughes failed to attend the meeting and the Conservative administration was unable to gain a majority vote. That situation was repeated when the meeting resumed on May 25th, following an adjournment. A Labour-Liberal Democrat coalition was formed, which took over leadership of the Council and Cabinet.15 What followed was a period of paralysis, with the new administration unable to make any firm decisions and Cllr Burgess initially insisting that he would remain leader of the Conservative group.16 Eventually, following continued threats of a vote of no confidence, Cllr Burgess stepped aside. Cllr Laurence Davies, widely seen as a supporter of Cllr Hughes but present at both the meetings of the 20th and 25th May was then elected leader. At the Council meeting on July 15th, 2004, the Conservative group ‘reunited’, taking back the administration and appointing Cllr Davies and a new cabinet. Four former supporters of Cllr Burgess who had previously been cabinet members were not reappointed. In the meantime, on July 8th, Cllr Hughes had been late for a meeting of the Conservative group and had hit three cars belonging to members of the public in the Council car park. Cllr Hughes subsequently had a brain scan which showed evidence of a transient stroke. He was later convicted of driving without due care and attention and, having pleaded guilty, received a fine and a five penalty points on his driving license.17 In January 2005, Cllr Hughes was anonymously referred to the Standards Board for England, the body set up by the Government to ensure that Councillors adhered to the standards expected of community leaders, for bringing his office into disrepute. The Standards Board found that no action needed to be taken.18 A similar report to the Standards Board about another councillor who had supported Cllr Hughes in 2004, Cllr Lorraine Sladden, resulted in a similar verdict. Throughout the remaining two years of the four year term of office that councillors are elected to serve the unity of the Conservative group was fraWWG, 13th May 2004. WWG, 27th May 2004. 16 Ilford Recorder (Hereafter IR), 3rd June 2004; 24th June 2004. 17 WWG, 28th October 2004. Although most driving offences are technically ‘criminal’ offences under English law, driving without due care and attention is not considered a particularly serious offence, being lesser in degree than dangerous driving, for example. 18 Standards Board for England, Case No. SBE9585.05. 14 15

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gile at best. Having selected the new cabinet, Cllr Davies needed to maintain the support of a majority of the group on every issue, in order to prevent it from being referred back to the Council by a scrutiny committee and potentially overturned. Only the most creative of politicians could have successfully led the council and made a significant difference. Although the group just about held itself together, Conservative Central Office, the party’s national headquarters, was finally persuaded to step in and forcibly deselect Cllr Hughes shortly before the 2006 election, preventing him from standing for re-election.19

IV. What Went Wrong? As has already been stated, the story of Redbridge Council between 2002 and 2006 is just one example of the implementation of local government modernisation. It is fair to say that local government modernisation was not the only factor in the story – the characters involved, their politics and their backgrounds would all be relevant in a consideration of why events took the path they did. Nonetheless, local government modernisation, and the particular flavour that it took in Redbridge was a significant factor in the story – and many of the events could not have happened without the Government’s modernisation programme. Furthermore, although not paradigmatic, there are elements of the Redbridge story which were repeated in other authorities around this time.20 The decision as to which of the model political structures should be implemented in each area was left to the local authorities themselves which resulted in 83% of councils choosing the ‘Leader and Cabinet’ option.21 Arguably, this was the option that involved the least amount of change and retained the outward appearance of the old committee structure – all councillors could be involved in committees and still feel as if they had a meaningful role, even if they were no longer involved in making executive decisions. As Vivien Lowndes and Steve Leach have argued, changing the ‘rules in form’ of an organisation does not necessarily change the ‘rules in use’. Their research suggests that while the Labour Government’s modernisation programme dictated a change in local government political structures, unWWG, 23rd March 2006. The neighbouring borough of Havering, for example, had significant difficulties with a split group and the leader being nicknamed ‘The Axeman’. See Romford Recorder 3rd June 2004. 21 Lowndes, Vivien/Leach, Steve, Understanding Local Political Leadership: Constitutions, Contexts, Capabilities, in: Local Government Studies, Vol. 30, No. 4, 2004, p. 558. 19 20

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derlying local factors dictated the way in which that new structure was interpreted.22 Rather than fulfilling the vision of a streamlined decision-making executive, therefore, the implementation of the new structure led to a more embittered version of the old committee system in practice. These ‘rules in use’ may also be responsible for the relative lack of ‘effective’ scrutiny by the scrutiny committees. Hampered as they are by the lack of a power of veto, scrutiny committees have largely failed to understand their role as distinguishable from the old executive committees. They are now reviewing policy after it has been made, rather than before.23 Furthermore, the success of scrutiny depends largely on the degree of freedom granted to members to consider, discuss, and occasionally criticise their colleagues in cabinet, even when they are of the same political party. In a highly-charged environment such as occurred in Redbridge, this freedom is unlikely to be granted. As Steve Leach and Colin Copus write, “The key determinant of the effectiveness of scrutiny in local government will be the attitudes and behaviour of the party groups”.24 That this behaviour between groups is unlikely to improve in the highlypoliticised world of local government in England can be demonstrated by looking at the record of the Standards Board. Set up in an effort to ensure that councillors lived up to the standards expected of those in public life, the Standards Board for England received over 3800 complaints against councillors each year in 2004/5 and 2005/6. Less than a quarter of these complaints were referred for further investigation and just 13% and 22% of those were identified as requiring some form of action.25 Over 95% of complaints to the Standards Board were therefore not upheld or did not require action. In effect, the Standards Board became a vehicle by which one group might seek to gain advantage over another by referring an opposing member to the Board, even if that advantage was only the short-term local media coverage that referral would generate. The examples of Cllr Hughes and Cllr Sladden in Redbridge demonstrate how that desire for political advantage has stretched as far as factions within groups, as well as between the different political parties. 22

Lowndes/Leach, Understanding Local Political Leadership, p. 567. Brooks, Josie, Labour’s Modernization of Local Government, in: Public Administration, Vol. 78, No. 3, 2000, p. 603. 24 Leach, Steve/Copus, Colin, Scrutiny and the Political Party Group in UK Local Government: New Models of Behaviour, in: Public Administration, Vol. 82, No. 2, 2004, p. 337. 25 Statistical data available from the Standards Board for England website. www.standardsboard.co.uk. 23

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The payment of allowances to councillors may also be seen as having a negative effect. Despite the recommendations of the ALG panel, the absence of Government funding led most authorities, like Redbridge, to set lower allowances. Nonetheless, by 2002, the financial impact of being promoted to the cabinet was substantial – doubling the special responsibility allowance and resulting in cabinet members being paid approximately three times the total paid to backbench councillors. For the first time in English local government, there were significant financial incentives to being on the good side of the leader, and significant reasons to seek to change the leader if one’s position in the cabinet was under threat. On the other hand, unlike the proposals put forward by the ALG panel, the allowances put in place were probably not substantial enough to attract professional people to the council, particularly on a semi full-time basis in London. A particularly expensive city to live in, wages in London are understandably high too, and professional people in London earn significant salaries. Part of the rationale for local government reform put forward by the Government was the need to attract more professional people into local councils. Unfortunately, the outcome of that modernisation, in Redbridge at least, has been to add a financial imperative to potential discord amongst the same general group of members as before.26 That the pool of talent from which councillors are drawn is problematic has long been recognised, as Josie Brooks identified in her 2000 paper:27 However, an assortment of factors has emerged in recent years which suggests that all political parties face special difficulties recruiting high-quality and wellqualified candidates. The social status of being a councillor has little to no attraction. Social change, such as the decline of local elites, with high levels of commitment to their civic responsibilities has interlocked with increased career and employment pressures. Public duty as a local councillor now actively competes with other opportunities, particularly non-elected bodies, where often the reimbursement is better and there is no requirement to submit to endorsement by political party nor selection by the electoral process.

As has been seen, the issue of remuneration has been partially and arguably unsuccessfully addressed. If anything, however, the modernisation that has taken place since Brooks’ paper has increased the perception that those who might become councillors will find greater opportunities for public service elsewhere and that existing councillors, particularly backbenchers, will chose to exercise their public spiritedness away from the modern council.28 26 In 2002, four councillors under the age of 30 were elected to Redbridge Council. Only one of those stood for re-election in 2006. 27 Brooks, Labour’s Modernization of Local Government, p. 607.

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One of the intended outcomes of modernisation is that backbench councillors, rather than feeling disempowered, would find that they spent less time in meetings and would therefore have more time to exercise their community leadership role.29 Arguably, however, this has not proven to be the case. Somewhat disenfranchised by the existence of a cabinet making decisions, yet with control over their own agenda, some scrutiny committees have chosen to undertake wide-ranging investigations into the provision of council services, often by forming working groups. In Redbridge, the proliferation of working groups and sub-committees has led some to complain about non-attendance of members at these meetings. Finally, there is little evidence that the modernisation of Redbridge Council, or even its widely reported problems, has had any impact on the level of public engagement. Turnout in the 2006 election was 38,4%, higher than the 34,26% turnout of the 2002 election, but not a significant improvement on the 1998 election when turnout was 36%. Overall, one might say that turnout has remained relatively stable despite the reforms. An aspect of local government modernisation that was designed to be particularly involving of the public was the introduction of area committees, local committees to decide some local matters, with their own designated budget. An analysis of attendance figures for these committees in Redbridge shows that an average of 266 people attended each cycle of meetings (seven area committees) – just over 0,1% of the Borough’s population.30 In terms of its aims of increasing public engagement with local government, streamlining decision-making, and attracting a more diverse range of professional people to become councillors, the modernisation programme has failed in Redbridge. At the same time, a number of features of that modernisation programme – the disempowerment of ‘backbench’ councillors through the widespread adoption of the ‘Leader and Cabinet’ model, the payment of modest allowances to councillors with substantial incentives to higher office, and the introduction of the Standards Board with little check on how referrals might be made – have, when combined with the character of the politician, had a significantly negative effect. In cases such as Redbridge, the results have damaged the reputation of local government as a whole. 28 This is supported in the interviews with councillors conducted by Fenwick and Elcock. See Fenwick/Elcock, The New Political Management in Local Government, p. 530. 29 Rao, Nirmala, Options for Change: Mayors, Cabinets or the Status Quo?, in: Local Government Studies, Vol. 29, No. 1, 2003, p. 10. 30 Attendance figures taken from the Minutes of Area Committees between May 2005 and April 2006, London Borough of Redbridge. The population is 234,100 according to the Council’s publication Redbridge – a place where people choose to live, London, 2005.

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V. What of Directly-Elected Mayors? To what extent are these criticisms valid only for the ‘Leader and Cabinet’ model of local government modernisation? As has already been outlined, the Local Government Act 2000 provided three options for new political structures- the ‘Leader and Cabinet’, the ‘Directly-Elected Mayor and Cabinet’ and the ‘Directly-Elected Mayor and Council Manager’. A fourth option, a revised form of the existing committee structure, was offered late in the legislative process for smaller councils. There is little doubt that, at least early in the reform programme, there was a great deal of enthusiasm in Government for the directly-elected mayor options.31 Are the problems so far identified thus due to the relative conservatism of local authorities themselves who have resisted that enthusiasm and chosen a model closer to the status quo? Put simply, it is hard to see how this could be true. The disempowerment of backbench councillors is a feature not just of the ‘leader and cabinet’ model, but also of both of the mayoral options. The ‘mayor and cabinet’ option implies a cabinet just as the leader and cabinet model does, except that it is more likely to be drawn from across the political parties. Nonetheless, there is a similar disempowerment of backbenchers, a similar allowance structure for those awarded cabinet posts and the position of the Standards Board is not affected. It could be argued that the ‘mayor and council manager’ option is the most disempowering of all the options available to local authorities. Under this option, the directly-elected mayor advises a council manager. It is the council manager who implements the policy of the council on a day to day basis. In true managerial style, councillors have no responsibility for dayto-day operations and are merely able to set the overall policy framework and monitor its implementation. Theirs is an entirely non-executive function. Rather, one might argue that the Government’s own legislation did not go far enough if a widespread change in local government was intended. By allowing councillors to choose their own future, and providing an option which appeared to have similarities with what had gone before, the Government perhaps invited local authorities to chose a non-mayoral model. Going further, one might say that even the mayoral models that were offered were not sufficiently robust to result in the ‘strong mayors’ envisaged. Remembering Professor Schabert, we might say that they failed to open enough 31 See, for example, Orr, Kevin, If Mayors are the Answer then What was the Question?, in: Local Government Studies, Vol. 30, No. 3, 2004, pp. 331–344.

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space for ‘political creativity’ and, therefore, failed to generate the renaissance of local government envisaged.32 1. Take-up of the Mayoral Options33 The 2000 Act required local councils to consult their local communities on the new political arrangements.34 The form of this consultation was not specified. Should an authority favour either of the directly-elected mayor options, however, it was required to hold a local referendum.35 A referendum could also be triggered by a petition signed by five percent of the local electors in a particular district or borough, although only one referendum is permitted every five years. In practice, only thirty authorities have chosen to hold referenda, with only eleven resulting in a ‘Yes’ vote. Ninety-eight percent of English local authorities have therefore opted for either the ‘leader and cabinet’ or the ‘fourth option’ (committees).36 Of the eleven authorities that chose a model including a directly-elected mayor, just one (Stoke-On-Trent) chose to implement the mayor and council manager model. Despite Government attempts to improve turnout by experimenting with new forms of voting (allpostal ballots, for example), the turnout in mayoral referenda has rarely been greater than forty percent and in some cases was less than ten per32

That such a renaissance would be possible even with strong directly-elected mayors is questionable. Although beyond the scope of this paper, a number of authors have argued that the real problem with English local government is the degree of centralisation that has occurred since the early 1980’s such that local councils become mere agents of central government. See, for example, Wollmann, Hellmut, Local Government Reforms in Great Britain, Sweden, Germany and France: Between Multi-Function and Single-Purpose Organisations, in: Local Government Studies, Vol. 30, No. 4, 2004, pp. 639–665. It might also be argued that this centralisation is the root cause of the difficulties in attracting talented people to become councillors. 33 Reference to directly-elected mayors throughout this paper is to those elected under the Local Government Act, 2000. Provision for the election of a Mayor of London was made in separate legislation in 1998 and the role of the Mayor of London differs, in that he is not at the head of a particular council. Rather, the Mayor of London sets a strategy for the whole of the city and overseas a number of agencies which are responsible for implementing that strategy, particularly in regard to transport and policing. The 33 London Borough Councils (including Redbridge) maintain responsibility for most day-to-day local government affairs. 34 Orr, If Mayors are the Answer, p. 335. 35 Leach, Steve/Wilson, David, Urban Elites in England: New Models of Executive Governance, in: International Journal of Urban and Regional Research, Vol. 28.1, 2004, p. 136. 36 Leach/Wilson, Urban Elites in England, pp. 136, 148.

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cent.37 There is clearly little public enthusiasm for directly-elected mayors in England. A relative innovation accomplished by the novelty of the mayoralty has been the success of independent candidates. In five of the eleven mayoral elections in 2002, independent candidates were successful in authorities which, with one exception, did not have a majority of independent councillors.38 As Colin Copus writes, “Whilst the election results may be monumentally inconvenient for political parties, they are empowering for the electorate and indicate that local politics need not entirely be the real of the party. Local politics, in some areas, has become more uncertain and exciting, local democracy has become more encompassing and inclusive.”39 2. The Role of the Directly-Elected Mayor in English Local Government A directly-elected English mayor is, however, somewhat different from the examples of directly-elected mayors one might find elsewhere, particularly in the USA. In his book, Boston Politics, Professor Schabert makes reference to the autocratic style of Mayor Kevin White – and to his continual creation of uncertainty and fluidity as a means of maintaining control, and ultimately, power. A senior associate of the Mayor is quoted as saying in an interview, “Everything is unstructured. Decisions are made totally without any decision-making structure. Everything changes all the time. It’s very chaotic.”40 In one telling paragraph, Professor Schabert identifies how staff responsible for the different agencies of the city were constantly kept on their toes. He writes:41 [. . .] his shifting people continually from one place in the government to another gave the autocrat a considerable control over the heads of the government’s agencies. A department head could not for a moment be certain that some members of the department had not again been recruited by the Mayor for tasks which he had determined – and that he would bother to inform their official boss. While the autocrat took the liberty of consulting about everything with whomever he pleased, while he took the liberty of inviting whomever he wanted to join one of these configurations by which he constantly reshaped his government, the heads of the government agencies were not really in control: the people whom they 37

Leach/Wilson, Urban Elites in England, p. 136. Rao, Options for Change, p. 3. 39 Copus, Colin, Directly Elected Mayors: A Tonic for Local Governance or Old Wine in New Bottles?, in: Local Government Studies, Vol. 30, No. 4, 2004, p. 583. 40 Schabert, Boston Politics, p. 33 (footnote 46). 41 Ibid., p. 32. 38

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would have wished to command had been shifted before they were ready to command. The autocrat’s capricious rule confined them to a condition of administrative uneasiness and political uncertainty.

It is hard to imagine any English mayor acting in such a way. In fact, it would be largely impossible. Despite talk of ‘strong mayors’ versus ‘weak mayors’ at the time when the office of elected mayor was introduced, the reality is that this kind of autocracy is simply not permitted under UK local government legislation. The mayor may not appoint and move staff. This is the preserve of the Council Chief Executive in most authorities, the Head of the Paid Service. The best the Mayor can hope to achieve is in the appointment of the Cabinet, for whom he may be able to set specific responsibilities.42 In his comparative study of local government in England, France, Germany and Sweden, Hellmut Wollmann has noted how the move towards directly-elected mayors and modernisation in England has gone hand-in-hand with the implementation of New Public Management (NPM) ideas; one variant of which includes the injunction that politicians should stay out of the day-to-day administration of services and focus on strategy.43 Combined with increased centralisation, accomplished through changing structures of reviews and assessments, the administrators efforts are directed by Government towards the achievement of specific outcomes, largely independent of local circumstances. The mayor in this environment, strong or otherwise, does not have the space for political creativity provided in the example above. In Germany, by contrast, the Länder nationally have enacted legislation, already in existence in the southern German Länder of Baden-Württemberg and Bavaria since the Second World War, to create a directly-elected ‘Chief Executive Mayor’, combining the political leadership of the local council with the administrative chief executive function.44 This bringing together of the political and administrative is striking and, combined with the German constitutional guarantee of responsibility for local affairs being sighted with the local authority, creates a position of real authority and power. If we accept Professor Schabert’s definition of politics as the ‘principle mode of human creativity [. . .] the human configuration of creatio conti42 Even this, however, will vary from council to council. Returning to the example of Redbridge, briefly, the Leader of the Council notionally ‘appoints’ a Cabinet, but the formal appointment is made by Council, who must also agree roles and responsibilities. Whether the Mayor may appoint and change responsibilities will depend on the Constitution adopted by each individual council. 43 Wollmann, Local Government Reforms, p. 642. 44 Wollmann, Local Government Reforms, pp. 652–653.

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nua: the creative difference between form and confusion, duration and discontinuance, design and decomposition’45 then an English directly-elected mayor has little scope for true politics at all. In an environment of central government control, with a prescribed separation of political and administrative functions, there is little ‘creative space’ in which the mayor may manoeuvre. To quote Kevin Orr:46 Unless space is created for powerful mayors there are limits on how much space mayors can unilaterally create. Can there be strong local mayors without there being strong local government? A key selling point of the concept of mayors centred on their capacity to act, but in the absence of wider barriers to action being removed this capacity may continue to be qualified by the sorts of systematic factors within the UK system of governance that even the most charismatic mayors may be unable to network their way out of.

VI. Conclusion Local government in England is therefore at a crossroads. ‘Modernisation’ so far has resulted in disenchantment, fractiousness and a view amongst many that there are greater opportunities for public service outside of the elected arena than within it. Far from improving democratic accountability and community engagement, centralised modernisation has arguably weakened it further. It is likely that further reform is inevitable. One solution to the problem may lie with directly elected mayors if a model can be found which combines the political and administrative roles and creates space for true political creativity. However, as Colin Copus writes, “It will be the individual holder of mayoral office and how he or she interprets political representation and governance, rather than the office alone, which will ensure whether or not elected mayors can facilitate a more inclusive local politics and one less dominated by party politics than has hitherto been the case.”47 Whilst a renewed political structure may be necessary in creating a renaissance of local government in England, it is unlikely to be effective without changes to the range of powers exercised by local authorities. After more than two decades of centralisation there is a pressing need for local government to find a voice and for a renewed creativity in local politics. Professor Schabert writes that “without politics, humans beings would not exist”.48 With a crisis of creativity in English local government one might 45 46 47 48

Schabert, Boston Politics, p. 1. Orr, If Mayors are the Answer, p. 342. Copus, Directly Elected Mayors, p. 587. Schabert, Boston Politics, p. 1.

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extend that somewhat and say, ‘Without local politics, local communities would not exist’. For the sake of the communities, future reform should be centred on creating space for local politics and local politicians to discover their own creativity, the creativity of power.

IV. Das Politische und das Persönliche – Philosophische Betrachtungen

Helden und Ritter: Substantielles und individuelles Handeln bei Hegel Clementina Cantillo

I. Persönliches Handeln und persönliche Freiheit kann es für Hegel nur dann auf authentische Weise geben, wenn ein wesentlicher Bruch, das heißt ein Riss im einheitlichen und in sich geschlossenen Gewebe der idealisierten Weltvorstellung der Antike eintritt, demgegenüber der Einzelne sich in der Moderne abhebt, indem er sich in seiner Individualität behauptet. Das für die polis erstellte feste „Gewebe“ wird also durch die wirkende Einzelheit zerrissen, die aus dem kompakten und sicheren Netzwerk des gemeinschaftlichen Lebens herausgetreten ist und in sich selbst jene „Flucht des einzig Einen zum einzig Einen“1 begeht, die es ihr erlaubt, sich authentisch als freier und einzelner Wille zu behaupten. Bekanntlich stellte Hegel bereits in seinen Jugendjahren, bei der Merkmalsbestimmung der durch Einheit und Harmonie gekennzeichneten antiken Welt und der durch Atomisierung und Trennung des öffentlichen vom privaten Leben charakterisierten modernen Welt, aristotelisch die Totalität des Staates als organische Einheit in den Mittelpunkt des Politikbegriffs. In Bezug auf diese Einheit ist das Individuum, das vom Ganzen, dessen Teil es ist, getrennt ist, in sich und für sich nichts.2 Das Ideal des politeuein bildete für es den höchsten Zweck, der das Handeln der Einzelnen leitete und lenkte. Angesichts dieses Handelns, in dem das einzelne Dasein nur in seinem Leben in der polis, mit der polis und für die polis Sinn und Bedeutung erlangte, „schwand seine Individualität dahin“, um zu einer höheren Ordnung zu gelangen, in die es einbegriffen wurde.3 „Aristoteles – schreibt Hegel in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie – macht nicht den Einzelnen und dessen Rechte 1

Plotino, Enneadi, VI 9. 11, 49/50. Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, II, Stuttgart/Cannstatt 1965, S. 398–399. 3 Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Theologische Jugendschriften, Tübingen 1907, S. 222. Dazu vgl. Racinaro, Roberto, Ritorno al ‚classico‘ come critica della modernità? Aristotele e Hegel, in: Roberto Racinaro (Hrsg.): Ordine e storia in Eric Voegelin, Napoli 1988, S. 76 ff. 2

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zum Ersten, sondern erkennt den Staat für das, was seinem Wesen nach höher ist als der Einzelne und die Familie und deren Substantialität ausmacht“.4 Auch wenn das Ideal der schönen und vollkommenen Sittlichkeit der Antike, das im kulturellen Klima jener Epoche intensiv erfahren und geteilt wird, die Reflexion Hegels auf fruchtbare Weise nährt, bleibt es dennoch weder bei einer bloßen und nostalgischen Sehnsucht, noch bei einem einfachen und abstrakten Wiedervorschlag eines von der Geschichte mittlerweile überwundenen Modells stehen. Schon im oben zitierten Kontext der Jugendschriften erschien das Problem des wesentlichen Zusammenhangs zwischen der individuellen Freiheit und dem Leben der Stadt im modernen und vornehmlich kantischen Sinn einer unabhängigen und bewussten Wahl, wodurch der Bürger sich in den Gesetzen der polis erkennt, da er diese sich selbst frei gegeben hat.5 In Verbindung mit dem tiefen Geschichtssinn, der das Hegelsche Denken durchläuft, ergibt sich nun die Frage nach der Bedeutung und der Möglichkeit, die der Bezug auf das Ideal der Antike im Lichte der veränderten geschichtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen der Moderne hat. Diese neuen Bedingungen bewirkten gegenüber jener Welt eine substantielle Veränderung, indem sie ihr eine neue und wesentlich andere Gestalt verliehen haben, in der sich auch die Vorstellung selbst von Individualität und Handlung radikal gewandelt hat. Das Handeln des antiken Menschen kann genau gesehen nicht tatsächlich als solches betrachtet werden. Es ist Ausdruck einer höheren Notwendigkeit, der die besonderen Willen, auch wenn sie von einem sehr erhabenen und legitimen Ideal getragen werden, schicksalshaft unterliegen und in Bezug auf welche es keine wahrhaftige Entfaltung der individuellen Handlung gibt. Im unvermeidbaren Konflikt zwischen dem allgemeinen Inhalt und dem konkreten individuellen Dasein des tragischen Zweckes und Charakters, „übt die ewige Gerechtigkeit sich an den Zwecken und den Individuen in der Weise aus, daß sie die sittliche Substanz und Einheit mit dem Untergange der ihre Ruhe störenden Individualität herstellt“.6 In diesem tragischen Ausgang vollzieht sich so das Opfer der Individualität, ihre eigene Vernichtung, die dennoch die Tiefe des authentischen Schmerzes, die Einsamkeit der Verzweiflung und des Lei4

Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, S. 398–399. Vgl. dazu Cantillo, Giuseppe, „Privatleben“ e senso dello Stato negli scritti giovanili di Hegel, in: Giuseppe Cantillo: Le forme dell’umano. Studi su Hegel, Napoli 1996, S. 3–59, und Racinaro, Ritorno al ‚classico‘ come critica della modernità? Aristotele e Hegel, S. 76 ff. 6 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Vorlesungen über die Ästhetik, in: Werke in zwanzig Bänden, auf der Grundlage der Werke von 1832–1845, neu editierte Ausgabe, Redaktion v. Eva Moldenhauer und Karl M. Michel, Frankfurt am Main, 1970, 15, III, S. 524. 5

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dens nicht kennt. Im Tragischen, das Hegel bekanntlich in der Schrift über das Naturrecht als Vorbild des Schicksals des Individuums in der polis betrachtet, fügen sich die Niederlage des einzelnen Willens und der Schmerz um seinen Verlust wieder in der Restauration der Einheit der Totalität zusammen, in die sie einbegriffen werden und die ihnen somit eine höhere Bedeutung als das einfache unmittelbare Dasein verleiht. Der Geist weist keine „Narben“ auf, und nicht zufällig nehmen für Hegel die Taten, in denen sich der Charakter und das Schicksal des tragischen Helden abzeichnen, die gleichen ruhigen und reglosen Formen des plastischen Bildes an, die von denselben, wie gesehen, gestört wurden.7 Erst in der Moderne, in die das christliche Prinzip der Menschwerdung, das heißt die „Ineinssetzung der absoluten Wesenhaftigkeit und der einzelnen menschlichen Subjektivität“8 fruchtbar eingedrungen ist, kann man im eigentlichen Sinn von individuellem Handeln und individueller Freiheit sprechen. Diese bedeutende Errungenschaft bringt jedoch gleichzeitig den Verlust der schönen und harmonischen Sittlichkeit der Antike mit sich, aus der, wie schon beobachtet wurde, das Individuum als solches herausgeht. „Das Recht der Besonderheit des Subjekts, sich befriedigt zu finden, oder, was dasselbe ist, das Recht der subjektiven Freiheit macht den Wende- und Mittelpunkt in dem Unterschiede des Altertums und der modernen Zeit. Dies Recht in seiner Unendlichkeit ist im Christentum ausgesprochen und zum allgemeinen wichtigen Prinzip einer neuen Form der Welt gemacht worden.“9 In der notwendigen „Flucht“ des Einzelnen vor der Totalität erfährt es also die Unendlichkeit seiner Freiheit und den Wert seiner Einzelheit, aber auch die Einsamkeit seines endlichen Willens gegenüber der sich zersplitternden Gewissheit um die Einheit des Sinns, welche die antike Welt und ihre Idee vom Staat kennzeichnete. Die Folge eines solchen unvermeidbaren geschichtlichen Prozesses ist für Hegel sowohl eine Idee der Subjektivität, die von dem mit der Gefahr ihrer einseitigen Verabsolutierung verbundenen Moment und von den entsprechenden Ergebnissen ihres Handelns in sich gezeichnet wird, als auch die Behauptung einer Idee der Politik, die in der Dimension der Zersplitterung und der Atomisierung der besonderen Willen nach dem Verlust der ursprünglichen Verwurzelung in der Universalität des sittlichen Lebens unfruchtbar wird. Diese Dimension bestimmt die Hegelsche Interpretation der Moderne in einigen wichtigen Aspekten. Es zeigt sich also die ganze Problematik und scheinbare Widersprüchlichkeit in einer Idee des Handelns, die als Überzeugung, individuelle 7 Zu diesen Themen vgl. Bonito Oliva, Rossella, La passione dell’eroe antico e la volontà dell’individuo moderno, in: Studi filosofici, XXIII, 2000, S. 209–229. 8 Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, II, S. 147–148. 9 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 124.

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Verantwortung und Freiheit auftreten muss, um sich in ihrer Wirklichkeit zu realisieren, und die sich in einer in der Welt wirkenden Subjektivität konkret verkörpert. Damit diese Subjektivität sich als solche in der eigenen Allgemeinheit wieder erkennen kann, muss sie über sich selbst hinausgehen und – nun auf einer höheren Stufe, und zwar in sich selbst und durch sich selbst, und nicht mehr durch ein beherrschendes Schicksal – wieder das „Opfer“ der eigenen Individualität, die Vernichtung der eigenen Besonderheit vollbringen. Hegels Ziel – bemerkt Bloch in Subjekt-Objekt, wo er die „lange, lange Reise historisch-dialektischer Vermittlungen“ zurückverfolgt, die die Phänomenologie des Geistes ist – besteht darin, ein „neues Athen, das sich zugleich auf Innigkeit versteht“, entstehen zu lassen, in dem „das Subjekt nun (. . .) wirklich Substanz geworden ist“.10 Im Lichte dieses theoretischen Ziels ist nun der authentische Sinn des Begriffs des Handelns zu definieren, auf Grund dessen es notwendig ist, dass der Zweck, der von der Individualität durch ihr Wirken in der Welt frei und verantwortungsbewusst verfolgt wird, die Einseitigkeit eines Subjekts aufhebt, das sich als Zweck an sich darstellen will, um damit Allgemeinheit, substantieller Zweck zu werden. Betrachtet man dagegen die Individualität unter dem Aspekt, der sich darauf beschränkt, ihre Absolutheit abstrakt zu behaupten, bleibt sie unvermeidbar Opfer ihrer selbst, verurteilt zu den dramatischen Ausgängen der Einsamkeit und der Sehnsucht, der Machtlosigkeit und des Wahnsinns, die die Formen-Gestalten der Moderne, die Hegel in verschiedenen Momenten seines Denkens entwirft, auf unterschiedlichen Ebenen charakterisieren.

II. In der Phänomenologie, wo – nach dem paradoxen Ergebnis der Perspektive einer äußerlich beobachtenden Vernunft, wonach „der Geist ein Knochen ist“ – die Vernunft Gewissheit darüber erlangt, jede Wirklichkeit zu sein, und sich anschickt, sich als solche in die Konkretheit der Welt zu vertiefen, um daraus ihre Wahrheit zu machen, zeigt Hegel in eindrucksvoller Weise die ganze Unzulänglichkeit und Einseitigkeit des Anspruchs auf, aus der eigenen Einzelheit das Maß des Allgemeinen zu machen. Im nicht zufälligen Bezug auf die Literatur zeichnen die Gestalten des faustisch gesinnten Individuums, des Abenteurers und des romantischen Ritters die Züge eines Handelns, für das „die Meinung oder die Einzelheit Gesetz ist“11 und das unvermeidlich dazu bestimmt ist, eine Niederlage zu erleiden. Von der Lebensgier, die sich vielmehr in die Ergreifung des Todes verkehrt, indem 10 Bloch, Ernst, Subjekt-Objekt. Erläuterungen zu Hegel, Frankfurt am Main 1962, S. 74–75.

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sie eine strenge Notwendigkeit behauptet, die die Einzelheit „zerstäubt“12, geht das Handeln des individuellen Selbstbewusstseins, wie bei Rousseau, dazu über, in jedem Herzen den Zustand des Glückseligseins herbeizuführen, wobei es von dem Gefühl ausgeht, das die Schläge des eigenen Herzens belebt. So entsteht die Gestalt des romantischen Abenteurers, in der man die Taten von Schillers Karl Moor gesehen hat, der dazu bestimmt ist, den unheilbaren Widerspruch zwischen der Richtigkeit der Neigung seines Herzens und der Gewalt einer Weltordnung an sich selbst zu erfahren, der er sich ebenso gewaltsam widersetzt, da sie ihm fremd und ablehnend erscheint. Und dennoch entdeckt er in dieser Weltordnung, dass dort nichts anderes als „das wesenslose Spiel der Festsetzung der Einzelheiten und ihrer Auflösung“13 stattfindet. Das Wirken dieser neuen Gestalt verwandelt sich also in eine blinde Wut und eine abstrakte Tobsucht, die nur zum Wahnsinn, zu einem verheerenden Delirium führen kann, das gegen jegliche Form von äußerer Ordnung und letzten Endes gegen sie selbst gerichtet ist. Wieder einmal muss also im Angesicht des Handelns, das sich mit dem vernichtenden Ausbruch des Wahnsinns identifiziert, die Individualität geopfert werden, was Hegel in der Verkehrung des Egoismus des Besonderen in die Allgemeinheit der Tugend vollzieht, in der jede einzelne Neigung in der Reinheit und in der Strenge des moralischen Gesetzes verschwindet. Auch dieses moralische Gesetz, das jedoch von der Ablösung des inneren Befehls gegenüber dem unvermeidlichen und in Bezug auf ihn gleichgültigen Fortschreiten des Weltlaufs in sich gezeichnet ist, kann nur ebenso erhabene und edle wie leere und sinnlose Worte hervorbringen. Die Form des Handelns, die sich damit ergibt, ähnelt für Hegel der des grotesken Kampfes eines „Ritters der Tugend“, der in ein donquichotteskes Gefecht verwickelt wird, das „er nicht für Ernst nehmen kann“.14 Das Schauspiel, das Hegel auf eindrucksvolle Weise in der Phänomenologie aufführt – mit großen Gegnern, Waffen und Angriffsstrategien, in denen „die ausgerüstete Tugend“ während des Kampfes mit dem Weltlauf „dem Feinde in den Rücken fallen“15 muss, um ihn zu überraschen und zu besiegen –, stellt somit ein sinnloses Ritterturnier dar, wo es trotz dem scheinbaren Glanz von Lanzen und Geschirr keinen Sieger gibt, da auch keine wirkliche Auseinandersetzung stattfindet. Damit, bemerkt Bloch, offenbart „der Hegel der individualitätslosen Sachlichkeit“ ihr gegenüber seine ganze „unverkennbare Abnei11 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Phänomenologie des Geistes, neu hrsg. von Hans-Friedrich Wessels und Heinrich Clairmont, mit einer Einleitung v. Wolfgang Bonsiepen, Hamburg 1988, S. 251. 12 Ebd., S. 243. 13 Ebd., S. 251. 14 Vgl. ebd., S. 254–255. 15 Vgl. ebd., S. 251–259.

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gung eines historisch und in Ganzheit Denkenden“, auch wenn die „Abneigung“, mit welcher er die drei Gestalten des Individuellen betrachtet, nicht deren Bedeutung dementiert, da „alle drei schließlich die wahr gewordene Vernunft, das Reich der Sittlichkeit vorbereiten“.16 Indem Hegel die Abstraktheit des Formalismus der Tugend und die Gefahren einer nur privaten Moralität betont, zeigt er also, dass ein rein individualistisches Handeln, auch wenn es vom vornehmsten der Ideale genährt wird, nur zu Einsamkeit und Wahnsinn, wie vernichtend oder harmlos auch immer, führen kann. Denn diesem Handeln fehlt die Fähigkeit, sich mit der konkreten und wirklichen Realität, das heißt mit dem Ausdruck eines authentisch Allgemeinen zu konfrontieren, angesichts dessen die Individualität, die einseitig sich selbst behauptet, „zerschmettert“ und zu einem unnützen und sinnlosen Gefasel verurteilt ist. Ihr Gerede, das sich durch seine „leere Aufgeblasenheit“ auszeichnet, ist – wie sich Hegel auf ein Bild aus der Jugendzeit verweisend ausdrückt – „die Nichtigkeit jener Rednerei“ und jener Ausdrücke, aus denen „alles Interesse verschwunden ist“, und die daher „nur Langeweile machen“, da ihnen ein wirklicher Inhalt fehlt, der tatsächlich Wirklichkeit zu produzieren vermag.17 Zweck – liest man in den Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte – bedeutet In-sein, Mitsein. „Daran, daß ich etwas zur Tat und zum Sein bringe, ist mir viel gelegen; ich muß dabei sein, ich will durch die Vollführung befriedigt werden. Ein Zweck, für welchen ich tätig sein soll, muß auf irgendeine Weise auch mein Zweck sein“.18 Gesetze und Prinzipien haben „Leben und Wert“ nicht in sich selbst. Das, was sie zur Existenz kommen und sie konkrete und wirksame Wirklichkeit werden lässt, ist nur die Handlung des Einzelnen, der in diesen offenbar nicht die willkürliche Auferlegung eines Befehls von außen sieht, sondern den Ausdruck des eigenen inneren Willens erkennt. Genau das stellt den wesentlichen Aspekt der Freiheit dar, nämlich „das unendliche Recht des Subjekts“, in der eigenen Tätigkeit und Arbeit Befriedigung zu finden. Dazu muss sich das Wollen in Handeln umsetzen und die Kraft der Prinzipien und der Ideale sich mit der unabdingbaren Kraft des Herzens, der Neigungen und der Leidenschaften verbinden, die zusammen mit der „Idee selbst“, „den Zettel und den Einschlag des großen Teppichs der vor uns ausgebreiteten Weltgeschichte bilden“.19 Der subjektive Wille ist frei, da er die Bestimmungen des Wollens, die in der Handlung tatsächlich verwirklicht werden, als seine eigenen, ihm zuschreibbaren und zure16

Bloch, Subjekt-Objekt, S. 73, 87. Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 243, 258. 18 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, in: Werke in zwanzig Bänden, 15, XII, S. 36. 19 Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, S. 38. 17

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chenbaren erkennt, sodass sie ihm, besonders was die Sphäre der sittlichen und religiösen Bestimmungen angeht, nicht nur als „äußerliche Gesetze und Vorschriften einer Autorität“ erscheinen, sondern auch „in seinem Herzen Gesinnung, Gewissen, Einsicht usf. ihre Zustimmung, Anerkennung oder selbst Begründung“20 haben. Das Herz kann also nicht umhin, zu schlagen: Es stellt den Ort dar, in dem der Reichtum eines geistigen Inhalts tatsächlich empfunden wird, da er in diesem Herz und in diesem Subjekt ist. Aber damit sich das Schlagen des Herzens nicht in das vernichtende Wüten derer verwandelt, die Hegel in den Vorlesungen über die Geschichte, wo er die Figur der Phänomenologie wieder aufnimmt, als „Abenteurer“ jeder Art21 definiert, muss der eigene Trieb zum Handeln in ein Gesetz einmünden, das sich nicht in eine Subjektivität einwurzelt, die sich abstrakt als Zweck an sich in der Einseitigkeit der eigenen besonderen Meinungen behauptet, sondern das sich als allgemeiner Zweck, als substantieller Inhalt erkennt. Und eine solche Fähigkeit, das Allgemeine im Individuellen auszudrücken und dessen Träger zu werden, wobei er das Gewicht des Allgemeinen bis hin zur Opferung der eigenen Besonderheit aushält, unterscheidet für Hegel das Handeln des Helden wesentlich von dem der romantischen Ritter und Abenteurer, die mehr oder weniger vornehm nur ihre Ziele oder begrenzten Idealitäten verfolgen und deren Taten, denen es an Allgemeinheit fehlt, weder wirkliche Realität werden, noch authentisches Interesse hervorrufen können. Hegel exemplifiziert dieses in ihnen wirkende moderne Prinzip im zweiten Teil der Vorlesungen über die Ästhetik, das die Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen beschreibt und die individuellen Besonderheiten behandelt. Das Ganze, das die in sich reflektierte individuelle Geistigkeit bildet, bezieht sich aufgrund dieses Prinzips auf die weltliche und äußerliche Wirklichkeit nicht als etwas Eigenes, sondern als etwas Fremdes, Getrenntes, das in seiner Zufälligkeit und Veränderlichkeit dahingeht. Die handelnde Individualität verbindet sich nicht mit dieser abstrakten Willkür, sondern verfolgt vielmehr die eigenen besonderen Zwecke gegen sie, indem sie ein ebenso willkürliches Handeln ins Leben ruft. „Diese Relativität der Zwecke in einer relativen Umgebung, deren Bestimmtheit und Verwicklung nicht im Subjekt liegt, sondern sich äußerlich und zufällig bestimmt und ebenso zufällige Kollisionen als seltsam durcheinandergeschlungene Verzweigungen herbeiführt, macht das Abenteuerliche aus, das für die Form der Begebnisse und Handlungen den Grundtypus des Romantischen abgibt“.22 Auch in den Grundlinien der Philoso20 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, § 503. 21 Vgl. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, S. 45–46. 22 Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, S. 212.

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phie des Rechts, wo Hegel das substantielle Verhältnis beschreibt, das den Staat eng mit dem Individuum in seiner Amtsausübung verbindet, unterscheidet er dieses Verhältnis von der Art des Handelns der „fahrenden Ritter“, die nur „willkürliche, beliebige Leistungen“ liefern, die „sich die Vollführung der Leistungen nach subjektiven Ansichten ebenso wie die beliebige Nichtleistung und die Ausführung subjektiver Zwecke vorbehalten“.23 Dieses ritterliche Handeln wird an einer späteren Stelle sogar mit dem der Tiere oder der Räuber gleichgestellt, die beide unfähig sind, über die reduktive Dimension einer rein individualistischen Anschauung, die partiell und unüberwindlich ist, hinauszugehen.24 Erst wenn die „Reihe seiner Handlungen“, was „das Subjekt ist“, das Substantielle des Sittlichen verkörpert, dann wird sie und der sie bestimmende innere Wille wirklich frei und authentisch imstande sein, im eigenen Handeln auch ihre tatsächliche Befriedigung zu finden. Nur dieses Verhältnis erlaubt es, den Zusammenhang zwischen den bedeutenden geschichtlich-politischen Ereignissen und den einzelnen Individuen zu verstehen, sodass sich die vorübergehende Freude des Augenblicks in die dauerhafte Befriedigung verwandeln kann, die nur der substantielle Zweck zu bieten vermag. Bleibt man bei der intellektualistischen Anschauung stehen, die das Besondere als einzigen Zweck betrachtet, so bedeutet das, den Hauptzweck zu übersehen und – sagt Hegel, indem er sich auf die Phänomenologie beruft – in der beschränkten Ansicht der „psychologischen Kammerdiener“ befangen zu sein, „für welche es keine Helden gibt, nicht weil diese keine Helden, sondern weil jene nur die Kammerdiener sind“.25 Das, was die Natur des Helden kennzeichnet und seine Taten gleichzeitig als ewig wirksam und als Frucht eines authentischen Interesses erscheinen lässt, ist die Aufhebung der beschränkten und einseitigen Dimension der individuellen Einzelheit (die sowohl als subjektive Meinungen und Willkür als auch im Sinn des besonderen Schicksals des einzelnen Daseins verstanden wird) und damit die Fähigkeit, im Handeln die Allgemeinheit des Zwecks mit der Einzelheit des Willens zu verbinden. So wird im Individuum das Allgemeine als sein Eigenes, vielmehr als sein Eigenstes zum Wirklichen, indem es sich in der Kraft seines Wollens und Handelns – das aus „Bedürfnis, Trieb, Leidenschaft, Meinung, Überzeugung“26 gemacht ist – verkörpert. Damit „tritt“ nur die Ruhe des Substan23

Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 294. Ebd., § 327 (Z): „Der Militärstand ist der Stand der Allgemeinheit, dem die Verteidigung des Staates zukommt und der die Pflicht hat, die Idealität an sich selbst zur Existenz zu bringen, das heißt sich aufzuopfern. Die Tapferkeit ist freilich verschieden. Der Mut des Tieres, des Räubers, die Tapferkeit für die Ehre, die ritterliche Tapferkeit sind noch nicht die wahre Aufopferung im Dienste des Staates, so dass das Individuum nur eines unter vielen ausmacht. Nicht der persönliche Mut, sondern die Einordnung in das Allgemeine ist hier das Wichtige.“ 25 Ebd., § 124. 24

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tiellen tatsächlich „ins Dasein“.27 „Die heroische Individualität – liest man in den Vorlesungen über die Ästhetik – genügt sich nicht in sich in der formellen Freiheit und Unendlichkeit, sondern mit allem Substantiellen der geistigen Verhältnisse, welche sie zu lebendiger Wirklichkeit bringt, in steter unmittelbarer Identität zusammengeschlossen bleibt. Das Substantielle ist in ihr unmittelbar individuell und das Individuum dadurch in sich selber substantiell“.28

III. Das Bild der Ritter und der Helden wiederholt sich in Bezug auf ihr unterschiedliches Handeln, das sie ausdrücken, auch in der Einleitung zu den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, wo Hegel den authentischen Begriff der Geschichte der Philosophie erklärt, der sich von der einfachen Erzählung der einzelnen, besonderen Philosophien unterscheidet. Die „Taten der denkenden Vernunft“, die die Weltgeschichte gestalten, sind nicht – wie Hegel sagt – die langweilige romanhafte und romantische Erzählung der „Abenteuer“, in der die „Ritter“ zu Hauptfiguren werden, die sich „nutzlos (. . .) dafür abmühen und aufopfern“, was nur zufällig und unwesentlich ist, womit nun auch ihr noch so reges Handeln sinnlos und unwirklich und folglich die Erzählung darüber zwecklos und langweilig wird.29 Vielmehr erscheint die Geschichte der Philosophie, da sie das „Schauspiel“ der Handlungen der Vernunft „aufführt“, die sich dem Verstehen ihrer selbst zuwendet, als etwas Lebendiges, Ergreifendes und authentisch Interessantes. Die Geschichte der Philosophie zeigt sich in der Einheit ihres Sinns in einem „notwendigen“ und „wesentlichen“ Zusammenhang, der von einem ebenso notwendigen und wesentlichen Handeln bestimmt wird, dessen Autoren diejenigen werden, die Hegel wiederholt als die „Helden der denkenden Vernunft“30 definiert. In der Einleitung zum Kolleg von 26

Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, S. 37. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, I, S. 235. 28 Ebd., I, S. 248. 29 Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Einleitung. Orientalische Philosophie, auf dem Text der kritischen Ausgabe Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte, Bd. 6, hrsg. v. Pierre Garniron und Walter Jaeschke, neu herausgegeben v. W. Jaeschke, Hamburg 1993, S. 16 (Ms. 1860) und 144 (Kolleg 1823/24). 30 Vgl. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, S. 5 (Synopsis Ms. 1820 und Ms. 1823), 27 (Ms. 1820), 122 (Kolleg 1819), 144 (Kolleg 1823/24), 287 (Kolleg 1827/28), 351 (Kolleg 1831). Zum Gebrauch und zur Bedeutung der Figur des Heroen in der Hegelschen Ausarbeitung des Begriffs der Geschichte der Philosophie verweise ich auf das Buch Cantillo, Clementina, Concetto e metafora. Saggio sulla storia della filosofia in Hegel, Napoli 2005. 27

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1829/30, wo die ruhmreichen Taten der Helden und die unwirkliche Verflüchtigung der sinnlosen Abenteuer, die im Gegensatz zueinander stehen, wiederkehren, liest man: In der Geschichte der Philosophie „haben wir den Fortgang der denkenden Vernunft vor uns. Sie überlässt sich nicht Abenteuern und Zufälligkeiten. Die Individuen, die wir in der Geschichte der Philosophie hervortreten sehen, haben zwar den Schein von Partikularität. Die Individuen sind aber – wie in der Weltgeschichte überhaupt – Träger nur eines an und für sich Notwendigen“, und darin liegt ihre ewige „Größe“.31 So wie also der verborgene Geist, der durch das Handeln des geschichtlichen Helden seine Gestalt annimmt, an die Tür der Gegenwart klopft, die nunmehr eine leere „Schale“ ist“,32 so können die Philosophen-Helden die Gesamtheit einer Wirklichkeit zur Angemessenheit und zur Einheit des Denkens erheben, die sonst zu ihrer sinnlosen Zersplitterung verurteilt wäre. Der beschränkten Perspektive der Ritter und der Abenteurer der Moderne fehlt also die Wirklichkeit und die Konkretheit einer Welt, in der ihre Taten authentisch lebendig und wirksam werden und der sie das Aussehen verleihen können, das sie als ihr eigenes erkennen. Die Formen, in denen sich ihr Handeln in der Weltlichkeit gestaltet – Gegenstand der Abhandlung Hegels in den Vorlesungen über die Ästhetik in Zusammenhang mit der romantischen Kunst und im Besonderen mit der Sphäre des Rittertums –, können nicht als sittliche Eigenschaften, Tugenden im eigentlichen Sinn definiert werden, da sie im engen Kreis der subjektiven Zwecke und Interessen verwurzelt bleiben. Die Ehre kann nicht mit dem Heroismus verglichen werden, der ihr in seiner Bestimmung als Wollen und Handeln für die Gemeinschaft weitaus überlegen ist, so wie Treue und Liebe nicht die Gemeinschaft zu ihrem Gegenstand haben, da sie ihren persönlichen Egoismus nur gegen und für einen ebenso besonderen und persönlichen Willen aufgeben.33 Gegenüber einem Weltlauf, der sich in seiner Zersplitterung und Aufteilung als fremd und feindselig erweist, ist das moderne Individuum keines vereinenden Handelns mehr fähig. So wendet es seinen Blick verächtlich von der Wirklichkeit ab, vertieft sich in sich selbst und richtet seinen Blick auf ein ideales Modell von Einheit und Harmonie, das Gegenstand einer Leere und nostalgischen Sehnsucht wird. Aber eine solche Idealität – bemerkt Hegel – ist eine „kranke Idealität“, Ausdruck einer ebenso von der „Krankheit der Sehnsucht und der Eitelkeit“ gezeichneten Freiheit. Der Mensch ist dagegen eine „subjektive Totalität“ und sein Handeln kann 31 Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, S. 323 (Kolleg 1829/30). 32 Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, S. 46. 33 Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, S. 191.

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nicht von einer negativen Beziehung gegenüber der Weltlichkeit bestimmt werden. Das Subjekt muss sich in den verschiedenen Aspekten, die es in seinem Zum-Dasein-kommen konstituieren und kennzeichnen, als Ganzes behaupten und es muss gleichzeitig, wie die Charaktere der homerischen Helden, die Fähigkeit beweisen, „ein Ganzes, eine Welt zu sein“.34 Das Individuum muss sich also dem Aufbau einer Welt, der eigenen Welt, zuwenden, die weder die des subjektiven Deliriums, noch die eines machtlosen Traums sein kann. „Der Mensch – fährt Hegel fort – muß zu hause in der Welt sein, frei in ihr haushalten, heimisch sich finden. Dies gehört zur Idealität, daß der Mensch heimisch sei in dieser Welt, in ihr sich frei bewege“35, dass er sie in ihrer Fähigkeit, Neigungen, Interessen und subjektive Idealitäten mit der Allgemeinheit, die er selbst in sich authentisch ist, von neuem zu verknüpfen, als seine eigene Welt erkenne. Aber wenn die „Flamme der Subjektivität“36, die auch die epochale Fähigkeit hatte, mit ihrer Kraft die besonderen Götter zu zerstören, sich jetzt nicht auszudehnen vermag, wird sie, da sie nur sich selbst unfruchtbar nährt, erlöschen oder nur das nutzlose „Bemühen“ und „Aufopfern“ der romantischen „Ritter“ und „Abenteurer“ erleuchten, deren Taten, im Vergleich zu denen der Helden, in die Gleichgültigkeit und Langeweile einer beschränkten und partiellen Perspektive abfließen.

IV. Angesichts einer Debatte, die sich im 20. Jahrhundert von der klassischen Philosophie genährt hatte, um die auf modernen Spezialismus reduzierte Politik und die Trennung der politischen von der praktischen Sphäre zu überwinden, scheint es angebracht, weiter über die Positionen Hegels zur Antike und zum Sinn des individuellen Handelns nachzudenken.37 Die Menschen existieren als handelnde Wesen, Subjekte von Handlungen, die den Sinn ihrer Existenz im Existieren gegenüber der Unmittelbarkeit des einfachen natürlichen Daseins annehmen, um sich der äußeren Welt und der Beziehung zu anderen Menschen zuzuwenden. Die Taten, in denen sich ihr Handeln konkretisiert, bilden das Gewebe, in dem sich die Wirklichkeit ihrer Existenz darstellt und kennzeichnet. Diesem verleihen sie Form und geben somit auch ihrem besonderen schöpferischen Vermögen Raum.38 Aber wenn das Zur-Existenz-Kommen des Ich in der Konkretheit seiner Ta34

Ebd., S. 103 Ebd., S. 104–105. 36 Ebd., S. 180. 37 Vgl. Racinaro, Ritorno al classico’ come critica della modernità? Aristotele e Hegel, S. 69–93. 35

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ten seine authentische Existenz, seine tatsächliche Öffnung gegenüber der Welt der Beziehungen und der Verhältnisse ist, ist also jedes Handeln auch notwendigerweise ein Aufeinander-einwirken, und jede Existenz auch in sich selbst „Politik“. „Die Menschen – schreibt Schabert – sind nur, da sie Schöpfung sind, schon in sich selbst politisch. Als vielfältige Existierende in der Vielfältigkeit, aber wirklich solche nur in Bezug auf eine Einheit und für eine Einheit, sind sie Menschen als Menschen in der Form der Gesellschaft – in dem Einen (die Form einer Gesellschaft), das in den Vielen (eine Gesellschaft) seine Einheit in der Vielfältigkeit ist.“39 Im Lichte dieses entscheidenden Verhältnisses zwischen Einheit und Vielfältigkeit, zwischen der Allgemeinheit des einheitlichen Sinns, den der Staat aufgrund seiner Natur übermitteln muss, und der Einzelheit der Willen, die sich in diesem als solche ausdrücken und erkennen können, kann uns der theoretische Kontext, der sich in der Diskussion der Positionen Hegels abzeichnet, nützliche und interessante Anregungen geben. Selbst wenn sie den unverzichtbaren Wert der modernen Errungenschaft des Prinzips der Freiheit als Selbstbestimmung erkennen, zeigen diese Positionen – indem sie in einigen Aspekten auch ihre Aktualität beweisen – dennoch die mit der Verabsolutierung des einzelnen Wollens und mit dem persönlichen Handeln verbundenen Gefahren auf. Dieses persönliche Handeln, das von der eigenen privaten Idealität genährt wird, verlangt, Allgemeines zu werden, wobei es seine Ordnung in der Welt durchsetzt, oder sich zurückzieht und dabei nur eine private Tugend unwirklich verfolgt. In einer Gesellschaft, wie der zeitgenössischen, in der die unabdingbare Erkenntnis des Relativismus und des Polytheismus der Werte (der auch, gemäß Weber, den Konflikt unter ihnen mit sich bringt) sich auf dramatische Weise in den intoleranten Kampf der verschiedenen Parteien, die ein hypertrophischer Ausdruck der Singularität sind, zu verkehren droht, um ihre Idealitäten zu behaupten, ist es notwendig, den Blick auf Hegelsche Art wieder auf den substantiellen Zweck des Gemeinschaftsleben zu wenden, in der die Menschen in ihrem freien und bewussten einzelnen Handeln und gewiss über jede „List der denkenden Vernunft“ hinaus auf allen Ebenen des 38 Im Zusammenhang mit dem schöpferischen Vermögen des Handelns vgl. Schabert, Tilo, Creare uomini. Sul rapporto tra potere e antropogonia, in: Diritto e cultura, VI (1996) 2, S. 117–149. 39 Schabert, Creare uomini, S. 136. Vgl. auch die späteren Betrachtungen, in denen Schabert auf aristotelische Art schreibt: „Jeder Mensch ist, sozusagen, schon für sich im Einzelnen ‚Gesellschaft‘, weil sein Denken die Geselligkeit ist, die er für sich in seinem Denken fühlt. Im Denken ist er nicht wirklich ‚allein‘, sondern vielmehr schon immer in Gesellschaft, auch wenn sich dieses Denken offensichtlich auf einsame Weise bildet“ (S. 136). Zu diesen Themen vgl. auch Schabert, Tilo, Chaos und Eros. On the Order of Human Existence, in: Diogenes, Nr. 165, Vol. 42/1, 1994, S. 111–132.

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Daseins – von der Sorge um das Alltägliche bis zu der des ehrgeizigsten Projekts – imstande sind, „Helden“ und nicht skrupellose „Abenteurer“ oder einsame „Ritter“ zu werden. Nur auf diese Weise kann, um zum klassischen Ideal der polis zurückzukehren, vielleicht die stets in einer Gemeinschaft bestehende Gefahr gebannt werden, dass das vertraute Wesen des „Hundes“, der über die Ruhe und die Solidität des Familienlebens (der Stadt) zu wachen hat, sich plötzlich aus dem Inneren heraus in das Wesen eines verschlingenden Wolfes,40 in jenes „wilde Tier“ verwandelt, das wie der Gott auch – so Aristoteles – nicht in ihr wohnen darf.41

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Vgl. Platon, Politeia, VIII, 565d, e–566a. Vgl. Aristoteles, Politica, I, 2, 1253a. Zu diesen Themen vgl. Carillo, Gennaro, Kathechein. Uno studio sulla democrazia antica, Napoli 2004. 41

Il fantasma della politica. Il potere tra desiderio e godimento Elisabetta Barone Quando ho cominciato a riflettere sul tema di questo saggio, pur consapevole del peso che esso ha nella letteratura filosofica da Platone e Aristotele, passando attraverso la mediazione del cristianesimo e, in particolare di Agostino, fino alla riflessione moderna e contemporanea, ho pensato ad una meditazione molto libera sul tema del potere quale nodo problematico intorno al quale si intrecciano e si coagulano una serie di questioni interpretative che riguardano la vita, i suoi possibili sensi e il suo ethos. Tale riflessione ha comportato innanzitutto una critica del potere e della rappresentazione simbolica che esso istituisce, resa necessaria dall’apparente datità e ovvietà dei fenomeni del potere. Questi appaiono strettamente collegati all’ambito del desiderare e continuamente oscillanti tra due coppie antagoniste: appagamento/godimento da un lato e dominio/utilizzazione dall’altro. Una critica del fenomeno del potere non può, pertanto, fare a meno di indagare i fenomeni correlati dell’appagatività e del godimento nella loro relazione con quelli del dominio e dell’utilizzazione, le quali sono due modalità rilevanti della manifestazione del potere. Condurrò questa analisi attraverso l’osservazione del processo per mezzo del quale si costituisce il potere, mostrando in che modo la ritualizzazione simbolica e l’immaginazione fantasmatica diano vita alla costituzione spettrale di ciò che Slavoj Žižek, ispirandosi ad Hegel e Lacan, definisce il Grande Altro. In secondo luogo, analizzerò il modo in cui la politica, quale attività di simbolizzazione attraverso cui si manifesta l’ordine strutturale della comunità sociale, tenda ad irrigidire l’ordito vivente delle comunità delle quali pure essa è espressione simbolica e in questo modo cerchi di cancellare la distanza incolmabile tra la comunità sociale e la sua possibilità di espressione politica. Tale analisi implica una critica della relazione simbolica tra politica e comunità sociale di riferimento attraverso la quale individuare strategie di riconoscimento della frattura ineliminabile tra l’elemento simbolico ed il residuo non simbolizzabile dell’esperienza socialmente condivisa che la politica ritiene di poter esprimere.

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Cercherò, poi, di mostrare, in che modo la relazione dialettica tra l’organizzazione simbolica del potere e l’apparizione fantasmatica della sua realtà consenta di reinterpretare la relazione tra potere e vita, quale relazione tra la fiction del potere e l’apparizione spettrale del dominio tecnico del bios. Infine, cercherò di indicare in che senso una critica del potere che voglia essere efficace debba porsi quale trasgressione intrinseca, capace di creare un cortocircuito nella struttura fantasmatica del potere e nella simbolica della politica per pervenire alla costituzione di una fantasmatica del marginale capace di attivare forme di resistenza consapevole nei confronti di quel potere che si manifesta, in una logica di dominio e di asservimento, come organizzazione e gestione dell’esistente e del suo essere possibile.

I. Il processo di costituzione del potere attraverso la rappresentazione del Grande Altro Quando parliamo del potere pensiamo innanzitutto ad una relazione. Infatti, non c’è potere che possa manifestarsi se non in presenza di qualcuno o di qualcosa nei confronti del quale esso si esprima come tale. Potremmo dire che non c’è potere in sé che non sia già sempre potere verso altri/o e, contemporaneamente, non c’è costituzione del potere senza che altri lo riconosca. Altri non è necessariamente chi subisce il dominio, ma anche chi lo condivide.1 Il potere, esercitato o condiviso, consiste propriamente nel poter ricondurre l’altro al proprio orizzonte, nel poterne determinare la posizione (disegnando così propriamente una topografia politica), e nel poterne prevedere l’azione e il risultato – per es. tutto il potere tecnico e tecnologico è basato su questa possibilità di previsione e di addomesticamento di quell’alterità particolare costituita dalla contingenza. Questa riduzione dell’altro al dominio dell’identico, come ha ampiamente mostrato e discusso la riflessione novecentesca, (per citare solo alcuni, da Heidegger a Lévinas, a Blumenberg e Todorov), caratterizza la radice egologica della parabola della modernità. Nella modernità, infatti, l’apologetica del logos razionale è funzionale ai nuovi rapporti di dominio sulla natura e sulle altre culture, entrambe obiettivate e reificate da quel soggetto che assume il logos quale 1 Ed anzi, come ha scritto recentemente un noto politico italiano, in un interessante pamphlet, „L’idolatria del potere è la stessa, che lo si subisca o che lo si eserciti. Chi ambisce al potere lo vezzeggia anche quando non lo possiede, anche quando deve patirne i rigori della sottomissione, accettarne i capricci, le regole o le più bizzarre tra le consuetudini. Anche nei momenti più oscuri ne riconosce il valore: lo sa apprezzare, adorare, ammirare e servire“, Occhetto, Achille, Potere e antipotere, Roma 2006, p. 11.

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fondamento e legittimazione del proprio potere sul mondo. In questo orizzonte, la comprensione del senso del reale consiste nella possibilità di possederlo e di disporne secondo la propria volontà. Come scrive Lèvinas, „è qui che comincia ogni potenza. La resa delle cose esteriori alla libertà umana mediante la loro generalità non significa solo innocentemente comprenderle, ma anche utilizzarle, addomesticarle e possederle. Soltanto nel possesso l’io porta a compimento l’assolutizzazione del diverso. Certamente il possesso conserva la realtà dell’altro che non è posseduto, ma sospendendone appunto l’indipendenza. In una civiltà che si riflette nella filosofia dell’Identico, la libertà si realizza nella ricchezza. La ragione che riduce l’altro è appropriazione e potere“.2 Una lettura attenta delle modalità di costituzione della ragione moderna, orientata al dominio dell’ente – inteso nell’orizzonte di utilizzabilità della sua rappresentazione3 – rende evidente come la relazione con l’altro si sia consumata nel segno della sua assimilazione, chiarendo così il senso del potere come appropriazione e dominio dell’alterità.4 Da questo punto di vista, il termine potere non allude primariamente alla sua manifestazione politica, ma ad ogni fenomeno in cui si mostri una relazione asimmetrica tra dominante e dominato. Ed anzi, come hanno ampiamente mostrato gli studi lacaniani, il potere è innanzitutto legato al sapere e al discorso.5 In questo senso, la ragione, quale orizzonte di senso assoluto, si presenta come uno dei fenomeni del potere che ne chiarisce la dinamica strutturale visto che essa si presenta come quel sapere assoluto che può realizzare il pieno godimento del desiderio. Per questo è bene orientare l’indagine in direzione di un’analisi della costituzione dei fenomeni del potere per cercare di comprenderne innanzitutto la radice affettiva e immaginativa e, con questa, la relazione che essi descrivono. Un’analisi fenomenologica della simbolica del potere chiarisce come il potere sia innanzitutto un’espressione simbolica il cui fondamento non è una realtà fattuale, bensì una realtà fantasmatica che sostiene contemporaneamente sia un certo tipo di relazione sia la configurazione simbolica alla quale questa relazione rinvia, dal momento che il potere, in quanto ‚forma‘ del dominio, è sempre correlato ad una visione del mondo e alla sua rap2 Lévinas, Emmanuel, La filosofia e l’idea di infinito, in: Revue de Métaphysique et de Morale, 1957, pp. 241–253, tr. it., p. 9. 3 Per queste riflessioni cf. anche Heidegger, Martin, L’epoca dell’immagine del mondo, in: Sentieri interrotti, Firenze 1968. 4 Per un’analisi attenta di queste questioni rinvio al mio, Eccessi del logos, Napoli 2003. 5 Su questi temi Lacan, Jacques, De la plus-value au plus-de-jouir. Première leçon inédite du Séminaire D’un Autre à l’autre, du 13 novembre 1968, in: Cités, n. 16, 2003, pp. 129–144 e l’intero numero di Cités dedicato a Jacques Lacan. Psychanalyse et politique.

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presentazione cosmico-simbolica. Le manifestazioni del potere, quale che sia l’ambito in cui esso si esercita, sono, infatti, sempre sostenute dalle immagini fantasmatiche entro cui si coagulano sia i desideri degli individui, dei gruppi e delle comunità, sia la percezione della propria collocazione in uno spazio (familiare, cittadino, cosmico). L’osservazione delle diverse manifestazioni del potere consente di comprendere come esse siano modalità di espressione simbolica di un legame all’interno del quale sono facilmente individuabili i segni del comando e del dominio così come quelli della debolezza e della subordinazione. Basti pensare, ad esempio, al capriccio del bambino che è una manifestazione di forza dentro la quale si gioca una relazione di potere con la madre e viceversa all’urlo o allo sculaccione attraverso il quale la madre manifesta il suo potere di dominare la situazione, oppure a tutta la simbolica del voto e del registro che l’insegnante usa per manifestare il controllo dei suoi allievi e all’esercizio di fenomeni di insubordinazione ritualizzati (dall’assenza di massa alle esperienze di autogestione), o, ancora al rito accademico-politico dei seminari e dei convegni in cui la disposizione dei relatori e degli ascoltatori disegna plasticamente le relazioni di potere tra i presenti. Questi brevi esempi mostrano come il potere – quale pratica di un dominio e quale riconoscimento del potere di dominare6 – si fonda sul riconoscimento di rituali dell’esercizio del potere che anche quando sembrano trasgredirlo (come nel caso del capriccio del bambino o dei fenomeni di bullismo e di sfida dell’autorità costituita) non fanno altro che rafforzarlo. Tutte le manifestazioni di aperta opposizione al potere costituito sono in realtà rituali che non solo non mettono mai in gioco il potere, ma nell’opporvisi lo rafforzano, restituendogli identità e consistenza. Ciò è ancora più evidente in tutte le istituzioni in cui il potere si manifesta nella struttura fortemente gerarchizzata (pensate ad esempio ad un’istituzione scolastica, ad una grande azienda, ad un partito, ma anche ad una diocesi o ad un ordine religioso) dove chi ricopre un ruolo subordinato assume spesso rituali di potere (i diritti del più anziano, la possibilità da parte del più esperto di umiliare il più giovane e inesperto) che sono, spesso, solo una caricatura delle istituzioni legali e un rovesciamento del potere pubblico (basti pensare, ad esempio, a tutti i fenomeni di nonnismo nelle caserme in cui il giovane militare deve contemporaneamente obbedire al colonnello, portavoce delle norme costituite, e contemporaneamente al suo pari grado più anziano, portavoce delle leggi non scritte). Nonostante, queste norme non scritte si presentino come una manifesta trasgressione della norma scritta, l’esercizio rituale di questa trasgres6 Come scrive Arendt, Hannah, „la volontà di potere e la volontà di sottomissione sono interconnesse“, On violence, New York 1969, tr. it. Sulla violenza, Parma 1996, p. 35.

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sione finisce per rinforzare ciò che trasgredisce e fornisce, pertanto, un ambiguo supplemento ai rapporti pubblico-legali: „Essi agiscono – scrive Žižek – come il loro oscuro doppio, apparentemente sovvertendoli e trasgredendoli, in realtà servendo loro da supporto concreto“.7 Questo vuol dire che coloro che si riconoscono in un determinato potere (sostenendolo palesemente attraverso la subordinazione o indirettamente attraverso la trasgressione) trovano, in qualche modo, godimento nel fantasma che sostiene il potere effettivamente esercitato attraverso i simboli che lo manifestano. D’altro canto, il potere, rinviando continuamente a coloro dei quali si presenta come l’espressione, vive solo attraverso l’oscena complicità di quanti, pur essendo subordinati al potere, sono fantasmaticamente coimplicati nell’esercizio del medesimo potere – come nel caso di colui che è complice del suo aguzzino. Questo dispositivo, per cui il potere è espresso, da parte di chi lo esercita consapevolmente, in maniera tale da richiedere la complicità e il consenso dei subordinati, i quali lo riconoscono e lo rinforzano perché in questa esperienza realizzano un godimento, è ciò che Žižek chiama il sintomo del potere. Il sintomo è dato dall’eccesso grottesco di una situazione in cui atteggiamenti opposti e reciprocamente escludentesi rivelano una strana complicità. Ciò accade ad esempio quando colui il quale detiene la ledearship assume uno dei membri del gruppo quale bersaglio di lazzi e/o gesti osceni che non sono mai esperiti isolatamente, ma condivisi con gli altri (è il caso di tutte le storie di violenza consumate in branco).8 Commentando la storia di un soldato costretto da un tenente medico a masturbarsi davanti ad un gruppo di commilitoni, mentre l’ufficiale lanciava occhiate di complicità e risatine agli altri soldati, Žižek scrive: uno strano miscuglio di godimento imposto e di umiliante esercizio del potere, il rappresentante del potere che urla ordini severi, ma simultaneamente condivide con i suoi subordinati risate oscene a testimonianza di una profonda solidarietà.9

Il sintomo del potere è dato dal fatto che chi esercita il potere, perché gliene è stato dato mandato, cerca la complicità dei subordinati attraverso gesti di complicità che comunicano che i suoi ordini non vanno presi troppo sul serio, ma proprio in questo modo egli consolida il suo potere. Il dato rilevante di questi esempi sta nel fatto che essi rendono evidente come il nucleo del potere non sia nascosto da simboli che lo contraffanno (come, ad esempio, nel paradigma marxiano, la sovrastruttura che copre la struttura) bensì esso si esprime attraverso sintomi pubblici che ci dicono che 7

Žižek, Slavoj, Il Grande Altro, Milano 1999, p. 17. Come scrive Frantz Fanon, „la pratica della violenza lega gli uomini in un tutto, dato che ogni individuo costituisce un anello violento della grande catena, una parte del grande organismo di violenza che sale verso l’alto“, The Wretched of the Earth, St Mary – Texas 1961, p. 93. 9 Žižek, Il Grande Altro, p. 11. 8

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siamo in una fase di costituzione e gestione del potere in cui non è necessario che il potere sia occulto per poter continuare a funzionare.10 Esso può tranquillamente esibirsi, ed anzi, è tanto più pubblicamente esibito quanto più cerca l’oscena complicità di coloro che sono chiamati, attraverso questa implicazione, a dare forza e sostegno al potere. Come e perché si realizza questa oscena complicità? Perché i soggetti che vi sono coinvolti vi trovano un’incarnazione del loro fantasma del potere. È come se all’improvviso la fiction – la trama che definisce i ruoli – divenisse reale e la sua realtà, costitutivamente inconsistente, potesse camuffare, in questo modo, la propria inconsistenza. Nonostante il potere cerchi la complicità dei subordinati, favorendo la ritualizzazione di rapporti di potere, coloro che sono subordinati rimangono, di fatto, in una situazione di debolezza permanente mascherata da una duplice fiction: da un lato dall’apparente parità tra coloro che detengono il potere e coloro che vi sono subordinati; dall’altro dall’atteggiamento apparentemente paterno di chi gestisce il potere. Dietro questa trama apparentemente contraddittoria, c’è la realtà del monopolio del potere da parte di chi lo gestisce. Paradossalmente, proprio perché la trama che definisce i ruoli tra i membri di una società democratica mostra un’apparente parità dei suoi membri e un atteggiamento paternamente e benevolmente preoccupato del bene comune, la violenza che vi si riscontra è indirizzata innanzitutto contro coloro che sono in grado di emanciparsi nei confronti del potere costituito. È infatti contro coloro che vivono la condizione di consapevole marginalità che si indirizza la violenza di coloro che nella comunità, pur ricoprendo ruoli subalterni, riconoscono al potere il suo ruolo strutturale. Chi si sottrae consapevolmente all’ordine strutturale e rinuncia ad esercitare il potere che gli è dato nel suo ruolo non riconosce i rapporti di subordinazione che il potere istituisce gerarchicamente e rappresenta, pertanto, una minaccia per la comunità che alimenta in sé il fantasma del potere. Non a caso, la violenza è esercitata soprattutto da coloro che, nella struttura gerarchica, occupano gli spazi più bassi poiché la scelta di collocarsi consapevolmente ai margini impedisce l’esercizio rituale del potere che, come si è detto, rafforza il potere pur nell’apparenza della trasgressione.11 10

Sul tema di un nascondimento del potere reale da parte di chi lo esercita attraverso un mascheramento simbolico che delocalizza fittiziamente il potere, restano di notevole acume le osservazioni che Tilo Schabert vi dedica in Boston Politics: The creativity of Power, Berlin/New York 1989; tr. It. Il Principe del Caosmo, Napoli 2002. 11 Pur ritenendo che il potere e la violenza non siano mai sullo stesso piano poiché la violenza, per il suo carattere strumentale, sembra non essere consustanziale al potere del governo, Hannah Arendt scrive che la violenza è „l’ultima risorsa del potere“, la quale mostra tutta la debolezza di un potere che non riesce più ad ottenere il consenso, Arendt, Sulla violenza, p. 46.

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Se il rituale apertamente trasgressivo si presenta come un esercizio di rinforzamento del potere, quest’ultimo per essere davvero tale non deve apparire nel suo volto cinico e violento. Il vero potere non è quello che si manifesta nei simboli della forza e della violenza, bensì quello che si presenta al di là dei suoi simboli come il Grande Altro, ovvero quell’immagine spettrale entro la quale si annuncia l’impossibilità di portare a trasparenza simbolica la dinamica del reale (esso stesso simbolicamente strutturato). Il Grande Altro è così il nome dello spettro del potere attraverso cui balena la frattura tra il desiderio di vedere realizzate le proprie aspettative e la simbolica del potere che non riesce ad esprimere mai pienamente la radice immaginativo-desiderativa da cui esso nasce. Ciò vuol dire che l’attività di simbolizzazione attraverso cui si costituiscono le immagini di desiderio non riesce a portare ad emergenza ciò di cui vuole essere espressione e che, pertanto, rimane uno scarto non colmabile tra il desiderio e la sua possibilità di espressione simbolica. In questo senso, il potere non si esaurisce nelle sue manifestazioni, ma comprende un resto non visibile e tale non perché non si sia ancora manifestato o perché vi sia un’azione di occultamento deliberata, ma perché strutturalmente destinato a rimanere nell’ombra e ad emergere nell’apparizione spettrale che dà corpo a ciò che schiva la realtà simbolicamente strutturata.

II. Il potere tra organizzazione simbolica e apparizione spettrale Se il potere si manifesta nella doppia veste della organizzazione simbolica, la quale definisce il ruolo delle parti, e dell’apparizione spettrale, nella quale si annunciano gli indicibili desideri dei singoli, ciò vuol dire che esso è un prodotto doppiamente inconsistente: è tale sia perché prodotto dalla finzione simbolica sia perché espressione della fantasia spettrale. Ciò vuol dire che il potere è fondato sempre sulla fiction del potere, ovvero su quella trama che definisce i ruoli basata sul fantasma del potere che è in noi. Mi rendo conto della problematicità dell’affermazione, poiché è più semplice pensare il potere o la comunità nel suo essere assoluto, come qualcosa di dato che, nonostante nasca dalla nostra libertà, poi acquisisce una sua autonomia e indipendenza; è più semplice pensare che esista un’enorme cospirazione, che esistano poteri occulti non identificabili a sostenere il potere manifesto, piuttosto che accettare che ciò che regge il potere è la fiction del potere (ovvero la trama che struttura le relazioni simboliche) dialetticamente sostenuta dall’apparizione spettrale della sua realtà (ovvero di ciò che permanentemente lo eccede). Il potere, infatti, per poter costituire la sua identità simbolica ha sempre bisogno di opporre a se stesso l’immagine fantasmatica, e in questo senso spettrale, del suo Altro, del nemico che ne minaccia la stabilità e nei confronti del quale esso costituisce la propria unità.

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Il potere, infatti, da un lato si presenta, secondo la ben nota affermazione aristotelica, come l’espressione della giusta taxis di una comunità e dall’altro, per poter stabilire quest’ordine legalmente costituito, ha bisogno di definire i limiti di inclusione dello spazio politico. Nell’organizzazione simbolica dello spazio sociale e politico, appare improvvisamente, in forma di spettro ciò che costitutivamente lo eccede: lo straniero. Nell’immagine dello straniero improvvisamente si materializza l’inconsistente realtà che sostiene ogni potere: la paura d’Altri (che poi si concretizza nelle più diverse forme di xenofobia, antisemitismo, razzismo, ecc.). Altri – l’ebreo, lo straniero, il diverso – non esiste se non nell’immagine fantasmatica che dà corpo e voce alla paura di essere detronizzati, di essere destabilizzati nel proprio potere (che questo sia esercitato o subito). E nello stesso tempo, Altri è ciò che consente di definire sia lo spazio di inclusione ed esclusione sociale della comunità di cui il potere è espressione, sia l’identità organica di quella stessa comunità. È, infatti, in riferimento ad Altri che la comunità definisce organicamente se stessa rispetto a un genere, una specie, un’etnia, un’etica, un linguaggio, ecc. Di qui anche la necessità di marcare questa diversità con un segno che la contraddistingui (valga come esempio la stella ebraica). È in questa dialettica che si costituiscono i simboli della comunità e del potere, i quali, proprio perché fondati nel reciproco rinvio non possono mai giungere ad una reciproca trasparenza. Infatti, da un lato l’insieme dei simboli culturali che esprimono l’identità sociale e politica sono sostenuti da immagini che hanno a che vedere con l’aspetto desiderativo/immaginativo – e perciò fantasmatico – del legame sociale, dall’altro le immagini fantasmatiche non solo non riescono a cancellare lo scarto incolmabile che persiste tra l’esperienza del reale (ovvero di quella parte di realtà che rimane non simbolizzabile) e la sua possibilità di espressione simbolica, ma anzi ne costituiscono in qualche modo esse stesse un’apparizione spettrale. I simboli della società – come quelli del potere – sono apparizioni spettrali perché, come scrive Žižek la realtà non è mai direttamente „se stessa“, essa si presenta solo attraverso la sua incompleta-fallita simbolizzazione, e le apparizioni spettrali emergono in questa spaccatura che separa sempre la realtà dal Reale, e in base a cui la realtà ha il carattere di una fiction (simbolica): lo spettro dà corpo a ciò che schiva la realtà (simbolicamente strutturata).12

Dalla dinamica degli affetti e delle passioni si costituisce, pertanto, una struttura di rinvio che, passando attraverso il fantasma del legame sociale che le dà espressione, si contrae significativamente nella sua espressione simbolica, alla quale si affianca l’apparizione spettrale dell’indicibile eccesso di quella realtà sociale che in essa si esprime. 12

Žižek, Il Grande Altro, p. 26.

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Ora, così come non esistono simboli della politica che non siano supportati dall’immagine fantasmatica del potere, analogamente non esistono simboli della comunità che non facciano riferimento al legame fantasmatico che ci rende appartenenti ad una comunità originaria (etnicamente costituita e perciò organicamente fondata). Come i simboli politici, anche quelli sociali sono simboli culturali sostenuti da fantasmi prodotti nella sfera desiderativo/affettiva. E come il potere, dando corpo e voce alla possibilità di realizzazione delle aspettative di desiderio del soggetto, è il fantasma che sostiene l’espressione simbolica della politica, così la comunità organica è il fantasma che sostiene l’espressione simbolica dei rapporti sociali. Ciò implica che la comunità che si esprime simbolicamente in un determinato potere trova godimento nel fantasma che sostiene il potere effettivamente esercitato attraverso i simboli che lo manifestano. Questo rinvio fantasmatico chiarisce che la struttura simbolica che organizza la relazione di reciproco differimento tra comunità e potere, società e politica è costitutivamente inconsistente, essendo riferita non alla realtà sociale o politica cui si riferisce, ma alle immagini di desiderio che essa rappresenta. Per questo, quando si voglia rovesciare il potere (sociale, politico, istituzionale, educativo, ecc.) è necessario innanzitutto smascherare la fiction su cui è fondato il legame che lo sostiene. Come scrive Žižek, „se vogliamo rovesciare il potere sociale „reale, dobbiamo prima spezzare il suo fantasma che sta in noi“.13 Questo smascheramento implica la difficoltà di accettare noi stessi come soggetti che vivono originariamente nella menzogna e la cui produzione simbolica è originariamente legata a questa menzogna. Smascherare il fantasma del potere che è in noi comporta la scoperta di un „nucleo profondo della nostra personalità“ che è costitutivamente falso poiché cerca, attraverso la costruzione fantasmatica „di nascondere l’inconsistenza dell’ordine simbolico in cui dimoriamo“.14 Per smascherare la fiction che sostiene il potere è allora necessario indagare nell’immaginario fantasmatico che dà forma e presenza ai nostri più oscuri e segreti desideri, aspettative, ambizioni, ecc. Questo smascheramento è difficile perché ci obbliga a confrontarci con il dato doloroso della nostra inconsistenza e della nostra debolezza, col fatto che noi siamo in quanto Altri abitano in noi, sottraendoci così per sempre all’immagine di un’originaria purezza e di una ancor più mitica e originaria identità.

13 Žižek, Slavoj, La violenza politica tra fiction e fantasy, in: idem, Il Grande Altro, p. 15. 14 Žižek, Slavoj, Cinismo e oscenità, in: idem, Il Grande Altro, p. 9.

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III. La fiction del potere e lo spettro della contingenza Altri diviene così l’apparizione spettrale in cui si annuncia l’imperfezione di una vita esposta alla casualità e alla contingenza. Il senso di indisponibilità della vita allude, infatti, ad un’alterità che si mostra come evento, e perciò come possibilità di senso offerto nella manifestazione assolutamente gratuita di un ente non disponibile nell’orizzonte delle possibilità date. Rispetto a questa apparizione, il potere si configura come l’ordito all’interno del quale la vita è consegnata alla sua sacralità. Sacro, infatti, è ciò che è delimitato come tale ed, essendo circoscritto, è anche sempre, almeno simbolicamente, disponibile. Tutto ciò che è sacro è puro, buono e perciò va salvato. Diversamente, ciò che cade fuori dello spazio sacro è indeterminato, indisponibile, fonte di pericolo e perciò impuro e malvagio. Non a caso tutti i riti di purificazione dello spazio sacro, e tale è propriamente lo spazio politico, prevedono l’espulsione di ciò che può essere fonte di contaminazione e quindi di degenerazione di ciò che va assolutamente preservato. Se applichiamo la logica della sacralizzazione non a singoli momenti della vita, ma alla vita nel suo insieme fissando il suo principio e la sua fine, non facciamo altro che tracciare un cerchio intorno ad essa, stabilendo che ciò che è dentro il limite è appunto sacro, inviolabile e perciò soggetto di diritto, e ciò che è fuori è impuro, imperfetto, inutile e finanche dannoso per la sussistenza di ciò che abbiamo considerato come bene. Da questa angolatura, il potere è ciò che consente di stabilire il limite e, con esso, la sacralità di una vita buona e tale perché pienamente realizzata. Oggi, questo limite è definito dal potere delle biotecnologie e degli scienziati che le utilizzano. Pertanto è possibile sostenere che le biotecnologie definiscono lo spazio sacro della vita e del suo senso erigendosi così come quel potere che non solo stabilisce ciò che è vita e ciò che non lo è, ma ne decide anche il principio, la fine e la qualità. Il sapere biotecnologico si presenta così come il luogo proprio dell’attuale mediazione politica, la quale è chiamata a definire il limite e, con esso, l’orizzonte di disponibilità delle scelte. Ma questo significa che l’orizzonte della decisione è disegnato dall’esito di una contrattazione che vede misurarsi soltanto i soggetti che hanno il potere di aprire la discussione e di dettarne le regole: gli scienziati. In questa lotta per il riconoscimento del potere di decidere delle possibilità e dei limiti del proprio godimento, l’orizzonte entro cui si definisce il limite e il potere delle scelte è, infatti, quello disegnato dalle biotecnologie. Il potere delle biotecnologie è relativo alla possibilità di costituzione di una vita ibridata dall’inorganico, quello che Donna Haraway chiama provocatoriamente il cyborg,15 il quale si presenta come l’apparizione fantasmatica di un orga15 Haraway, Donna, Manifesto cyborg. Donne tecnologie e biopolitiche del corpo, Milano 1995.

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nismo vivente, simbolicamente allusivo di un’identità meticcia e impura contaminata dal non umano e in costante metamorfosi. L’organismo cyborg appare come assolutamente perfetto, eterno, clonabile. Diversamente da una vita esposta all’incompiutezza, indisponibile nel suo incipit come nella sua fine, la vita del cyborg si configura come una vita affrancata dalla contingenza e dalla fattualità, assolutamente calcolata e disponibile. Nel discorso che le biotecnologie tessono intorno alle possibilità di ibridazione della vita organica in ordine al suo miglioramento e al godimento ad essa connesso si annuncia un nuovo fantasma del potere: sembra davvero che l’ingegneria genetica si presenti come la via sacra di un annuncio di salvezza relativo alla possibilità di affrancarsi dal limite, dall’imperfezione, in una parola dalla finitezza. Il paradosso di questo affrancamento sta nel fatto che il potere biotecnologico, nel mentre costruisce un’immagine della vita libera dal dolore, dalla sofferenza, dal limite, contemporaneamente, disegna un orizzonte di esclusione dell’alterità. Il processo politico messo in campo da questa esclusione è un processo di immunizzazione – come è stato definito da Roberto Esposito16 – e di omogeneizzazione delle differenze. Sembra davvero che non vi sia più spazio per l’elaborazione di una simbolica della differenza. Se tutto è possibile nell’orizzonte dell’infinita creazione e trasformabilità del dato non vi sono più resti, non vi è più alcun residuo che possa esser fatto valere simbolicamente come alterità soggettiva e perciò istitutrice di un senso altro. In questa trasformazione che non lascia resti, ciò che l’uomo perde è la capacità di percepire la paura dei pericoli connessi al dispiegarsi di una politica di immunizzazione all’interno della quale l’alterità è avvertita come manifestazione patologica e per questo manifestazione da eliminare tecnicamente. Ma, perché, ci si può chiedere, una politica immunizzante fa problema? Perché nel processo di immunizzazione della comunità, la questione del conflitto tra poteri affermati da soggettività altre non trova più spazio di espressione simbolica ed il conflitto non più agito simbolicamente diviene inevitabilmente guerra di razza e di sangue, oltre che di etnia e di religione.

IV. La trasgressione intrinseca e il fantasma del marginale Se il potere vive del suo fantasma, la sua messa in questione non si realizza né nella semplice trasgressione che contribuisce a rafforzare il potere né in una cinica presa di distanza che sostiene egualmente il potere poiché 16 Esposito, Roberto, Immunitas, Torino 2002, ma dello stesso autore anche recente Il dono della vita tra „communitas“ e „immunitas“, in AA. VV., Umano, postumano. Potere sapere etica nell’età globale, Roma 2004, pp. 63–77 e il testo Bíos. Biopolitica e filosofia, Torino 2004.

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quest’ultimo ha bisogno di qualcuno che sappia leggere tra le righe, che sappia prendere le distanze dal potere senza però mai metterlo in discussione. L’unica messa in questione possibile del potere è quella che Žižek chiama la trasgressione intrinseca. Essa consiste semplicemente nella presa alla lettera del mandato simbolico del potere: unico cortocircuito possibile. Riconoscere le fantasie che agitano i nostri sogni di potenza, riconoscere il fantasma del potere che è in noi, identificarsi consapevolmente con il sintomo del potere, ovvero godere paradossalmente dell’esercizio del potere realizzato da altri attraverso la nostra complicità, identificarsi con la singolarità patologica, è una trasgressione intrinseca perché rende evidente ciò che siamo: nient’altro che sintomi. Essere sintomi vuol dire che il nostro essere si struttura a partire dal godimento paradossale della nostra impotenza condivisa, proiettata nella fantasia di un potere esercitato attraverso un altro. Riconoscere di essere sintomi vuol dire allora riconoscere la propria inconsistente e impotente radice che continuamente cerca di essere qualcosa attraverso altro, come il fantasma che cerca di essere qualcosa attraverso l’immagine. Riconoscersi come realtà sintomatiche, ovvero come identità che esistono solo nella mediazione fantasmatica operata da un altro, crea un cortocircuito sia rispetto all’immagine di un’identità personale sia rispetto a quella collettiva. Nel cortocircuito operato dall’identificazione sintomatica appare possibile far emergere una frattura tra ciò che è dato e il suo essere possibile, poiché nel sintomo il desiderio si realizza solo in maniera paradossale così come il simbolo non riesce a ricondurre mai a totale trasparenza la dinamica desiderativa che lo ha generato. Nella frattura tra il desiderio e i suoi sintomi sembra affacciarsi la possibilità di riflettere sulla possibilità di portare ad emergenza la stessa frattura tra il desiderio e le immagini che fantasmaticamente lo soddisfano. Una riflessione di questo tipo può essere, forse, sostenuta dal fantasma del margine. Se il fantasma del potere è l’immagine del possibile soddisfacimento del nostro desiderio di potere; il fantasma del margine è l’apparizione spettrale del nostro desiderio di possibile. Il possibile, qui fantasmaticamente immaginato, non è il meramente potenziale equivalente al tecnicamente possibile, ma l’evento assolutamente gratuito e non garantito dell’inedito. Nel fantasma del margine si esprime sintomaticamente il desiderio di disfarsi del dato e di renderlo disponibile alla sua eventuale trasformazione. Il fantasma del margine allude perciò alla manifestazione del tutto accidentale e assolutamente non garantita di legami sociali aperti – e questi ultimi, intesi in senso sintomatico, sono simili ad una ferita la quale rimane esposta sia alla sua possibile riparazione che alla sua possibile cancrena. Coltivare

Il fantasma della politica

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il fantasma del margine è allora aderire ai sintomi del margine che sono i sintomi del rischio e del pericolo, ma proprio per questo anche dell’inedito e dell’inatteso. Nel margine, infatti, siamo sempre esposti all’aperto del nostro essere possibile e non garantito. Lo spettro del margine rende possibile pensare un’etica dell’ospitalità e, con essa, una politica dell’amicizia capace di immaginare lo spazio della vita come il luogo di un abitare condiviso, aperto all’infinita formulazione del senso, ovvero alla possibilità di essere ripensati dall’altro che ci abita e che, abitando in noi, non può che essere estraneo e, in quanto tale, ingombrante ed invasivo. Come accade per i figli che portiamo in grembo, i quali sia che siano casualmente concepiti sia che siano tecnicamente riprodotti esistono e vengono al mondo in virtù della loro eterogeneità. Come sottolinea Roberto Esposito, „il nato, colui che entra per la prima volta nel mondo, è l’espressione, infinitamente ripetuta per quante sono le nascite, del fatto che non soltanto l’estraneo e lo straniero, ma il potenziale nemico, almeno una volta, la prima volta, è stato ospitato non nonostante, ma in ragione, della sua stessa eterogeneità“.17 Una politica sostenuta dal fantasma del marginale si presenta così non come esercizio di forza e di potere, bensì come esperienza di relazioni gratuite, capaci di ospitalità e condivisione. Una politica del marginale non solo non ha bisogno della seduzione dell’esercizio del potere ma è fondamentalmente antigerarchica e antiautoritaria. Non si fonda sul fantasma del desiderio di vivere sotto i riflettori dell’opinione pubblica – sulla scena degli affari di stato, nei telegiornali quotidiani – né percepisce questo tipo di esistenza pubblica come la massima soddisfazione possibile del bisogno di riconoscimento sociale. Una politica del marginale è invece esercizio di accoglienza ospitale della differenza, adialettica perché rifugge da ogni sintesi. Essa assume, piuttosto come modello il pensiero paratattico nel riconoscimento dell’irriducibile differenza dell’altro che noi stessi siamo e che resta tale al di là di ogni possibile mediazione. Tale politica non rinvia all’armonia prestabilita di una Christianopolis realizzata, ma si presenta come la costituzione sempre mobile di un ordine delle differenze che preveda la disarmonia, la contrarietà e il conflitto non come elementi patologici, bensì quali elementi fondanti una comunità politica in cui l’esercizio del diritto non è astrattamente affidato alla forma della norma, ma al godimento – da parte dei singoli individui, come delle diverse comunità – dei diversi bisogni di ciascuno. Certo, la questione del godimento dell’altro è di per sé destabilizzante, poiché implica un ripensamento radicale della distribuzione della ricchezza, della possibilità di ac17

Esposito, Il dono della vita tra „communitas“ e „immunitas“, p. 76.

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cesso ai beni e al sapere necessario a produrli e della convivenza tra le genti, ma è proprio tale questione a sollecitare l’elaborazione di una politica del marginale capace di farsi carico della vulnerabilità dell’altro e del suo continuo differire. Una tale politica non ha come obiettivo la globalizzazione della democrazia, ma opera per una democratizzazione della globalizzazione!

L’actualité de la philosophie: Inconscient, capitalisme et fin de l’histoire Alain Juranville En hommage à mon cher ami Tilo Schabert, architecte du monde

« Hegel demeure en toute occasion, dit Carl Schmitt, un esprit politique au sens le plus élevé. Même ceux de ses écrits qui ont trait à l’actualité de son temps [die aktuelle Angelegenheiten seiner Zeit betreffend], et principalement l’œuvre géniale de sa jeunesse, La constitution de l’Allemagne, n’ont d’autre objet que de fournir des preuves évidentes à l’appui de cette vérité philosophique que tout esprit est esprit actuel et présent [daß aller Geist gegenwärtiger Geist ist, präsent] ».1 Mais Hegel, appartenant à son époque, n’a pas pu, dirai-je, en rester à l’idée qu’il avait eue spontanément, en tant que philosophe, de l’intervention de la philosophie dans l’histoire. Il n’a pu que ramener l’« actualité de la philosophie » qu’il avait pressentie, et l’actualité en général, à la dualité métaphysique traditionnelle, issue d’Aristote, de la dŸnamiò et de l’ýnergÍia, devenue en latin médiéval celle de la potentia et de l’actus, où l’acte n’est ordinairement que la réalisation de ce qui était anticipé dans la puissance, et au mieux, pour le divin, un « acte pur » intemporel. Il n’a pu que rejeter toute idée d’une intervention imprévisible dans l’histoire, toute idée d’une actualité véritable, qui fait rupture, a fortiori pour la philosophie. Et il en est venu finalement à affirmer, contre toute « prétention d’enseigner comment doit être le monde », que « la philosophie vient toujours trop tard » et que la chouette de Minerve ne prend son vol qu’au crépuscule. Ce que je veux dire quant à moi, c’est, d’une part, que l’inconscient permet de penser ce que Hegel avait voulu mais n’avait pas pu penser, l’actualité de la philosophie au sens de son intervention imprévisible dans l’histoire – et que c’est même à cause de cela que l’inconscient est aujourd’hui si volontiers rejeté. D’autre part, que l’intervention de la philosophie se 1 Schmitt, Carl, Le concept du politique, trad. fr. (sous le titre: La notion de politique) Marie-Louise Steinhauser, Paris 1992, p. 105.

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fait, à partir de l’inconscient, en instituant le capitalisme. Et enfin, que cette institution du capitalisme marque la fin de l’histoire, l’accomplissement de l’acte de la philosophie – au point que notre époque peut être légitimement appelée l’« époque actuelle ». Dans une première partie, je présenterai l’acte politique de la philosophie tel qu’il parvient aujourd’hui à son accomplissement, par l’institution du capitalisme. Dans une deuxième partie, j’essaierai de montrer comment l’acte politique de la philosophie a pu, dans l’histoire, parvenir peu à peu à son accomplissement.

I. L’acte politique de la philosophie tel qu’il parvient aujourd’hui à son accomplissement, par l’institution du capitalisme 1. L’acte politique de la philosophie est, en lui-même, rupture a) L’idée d’une telle rupture résulte de l’affirmation de l’existence et, a fortiori, de celle de l’inconscient Affirmer l’existence, c’est d’abord en effet s’opposer à la conception ordinaire de l’existence, conception selon laquelle, disons-le grossièrement et abstraitement, une identité déjà là sortirait d’elle-même pour ex-sister, pour apparaître à son Autre, sans faire plus, par cet Autre, que prendre conscience de soi. Et affirmer l’existence, c’est alors poser que de l’Autre qui surgit viendra imprévisiblement l’identité vraie, comme identité se constituant et reconstituant dans la relation. Mais affirmer l’existence, c’est ensuite reconnaître que l’homme comme existant toujours d’abord refuse son ex-sistence vers l’Autre duquel viendrait une identité nouvelle et que toujours d’abord il s’enferme dans une identité anticipative et fausse. Ce refus de l’existence, je l’appelle finitude radicale – c’est la finitude comme non voulue, éprouvée douloureusement et qui se fuit. Il se retrouve chez Freud comme pulsion de mort. Il correspond chez Kierkegaard au désespoir.2 Et affirmer l’existence, c’est enfin affirmer que par l’Autre, et même par un Autre absolu au-delà de l’humain (Dieu de Kierkegaard, Etre ou Er2 Cf. Kierkegaard, Søren, La maladie à la mort, trad. fr. Paul-Henri Tisseau/ Else-Marie Jacquet-Tisseau, in: œuvres complètes, t. XVI, Paris 1971, p. 176: « Le désespoir est la maladie à la mort, cette torturante contradiction, cette maladie du moi qui consiste à mourir sans cesse, à mourir sans mourir, à mourir la mort. Le mourir du désespoir se transforme constamment en vivre ».

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eignis de Heidegger, Grand Autre de Lacan, Infini de Lévinas . . .), l’existant pourra, imprévisiblement, en venir à accepter l’existence, et avant tout la finitude radicale qui la caractérise. C’est une telle acceptation qui est rupture. Ce que Kierkegaard le premier a dégagé,3 et que Benjamin, mais aussi Carl Schmitt,4 et bien d’autres ont repris. b) Mais il faut bien voir ce avec quoi rompt alors la vraie rupture: c’est le système sacrificiel – ou paganisme Car le mode le plus radical selon lequel l’existant refuse l’existence et s’en protège consiste à se fabriquer, à la place de l’Autre absolu vrai (avec lequel il ne laisse, malgré qu’il en ait, d’être en relation), un Autre absolu faux ou idole, lieu par excellence de l’identité anticipative et fausse, Autre qui n’a pas d’Autre et pour lequel l’homme, l’existant n’est qu’un déchet, éventuellement un jouet, au mieux un moyen. Une telle idole est pour la psychanalyse le Surmoi, dont Lacan dit qu’il est « à la fois la loi et sa destruction » et, plus nettement encore, « haine de Dieu, reproche à Dieu d’avoir si mal fait les choses ».5 Et, dans le monde social où il rencontre l’autre homme, l’existant n’a plus qu’à vouer cet autre, au cas où celui-ci voudrait mettre en question la loi de l’Autre absolu faux, à la menace d’une violence collective exercée contre lui au nom de cette loi – la même violence que subissent les victimes des sacrifices offerts à l’idole. Toutes choses qu’a bien montrées Bataille dans La part maudite et Théorie de la religion, mais qu’avaient déjà notées Nietzsche, Wittgenstein et même Carl Schmitt.6 3 Cf. Kierkegaard, Søren, Miettes philosophiques, trad. fr. Paul Petit, Paris 1947, p. 62: « Ainsi la rupture s’est produite, et l’homme ne peut revenir en arrière et il ne trouve plus sa joie à se ressouvenir de ce que sa mémoire lui présente ». 4 Cf. Schmitt, Carl, Théologie politique, trad. fr. Jean-Louis Schlegel, Paris 1988, p. 46: « La situation exceptionnelle a pour la jurisprudence la même signification que le miracle pour la théologie. C’est seulement en prenant conscience de cette position analogue qu’on peut percevoir l’évolution qu’ont connue les idées concernant la philosophie de l’Etat aux derniers siècles. Car l’idée de l’Etat de droit moderne s’impose avec le déisme, avec une théologie et avec une métaphysique qui rejettent le miracle hors du monde et récusent la rupture des lois de la nature, rupture contenue dans la notion de miracle et impliquant une exception due à une intervention divine, exactement comme elles récusent l’intervention directe du souverain dans l’ordre juridique existant ». 5 Lacan, Jacques, Le séminaire, liv. I: Les écrits techniques de Freud, Paris 1975, p. 119 et Le séminaire, liv. VII: L’éthique de la psychanalyse, Paris 1986, p. 355. 6 Cf. Schmitt, Carl, Le Léviathan dans la doctrine de l’Etat de Thomas Hobbes, trad. fr. Dennis Trierweiler, Paris 2002, p. 105, où l’auteur évoque à ce propos la fable de La Fontaine « Les animaux malades de la peste ».

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De là le déploiement du monde social en tant que totalité païenne, qui a illusoirement rompu avec le vrai Dieu. Et plus précisément, selon la structure quaternaire de l’existence et de l’inconscient, en tant que système sacrificiel: à la position du peuple qui reconnaît comme bonne la loi, répondent la position du maître qui incarne la loi et appelle à s’y soumettre comme lui-même l’a fait, la position du clerc qui la justifie et l’interprète – et la position enfin de l’individu qui fuit son individualité vraie et se soumet à cette loi. c) Et la rupture ne peut donc s’accomplir que dans l’acte politique par excellence qu’est la révolution Certes la rupture doit d’abord venir de l’Autre absolu, qui montre qu’il n’est pas le Surmoi, l’idole, et qui bien plutôt se révèle – dans sa relation d’amour à l’humain. Toute la pensée contemporaine, qu’elle le dise ou le taise, donne cette portée fondamentale à la révélation, à la religion comme religion révélée. Ainsi Benjamin qui dit du « concept de révélation » qu’il « n’a jamais cessé de se hausser de lui-même au centre de la philosophie du langage » et qu’il « a constitué le lien le plus intime de cette philosophie avec celle de la religion ».7 Mais la rupture doit être accomplie par l’homme, par l’existant devenant, comme le veut la révélation, individu. L’individu pur, hors modèles sociaux, proclamé par Kierkegaard (« Etre un individu est la seule vraie et la plus haute signification d’un homme »8). Ou encore l’individu qui surgit comme une exception, ainsi que l’ont repris tant Carl Schmitt que Benjamin. L’individu porté, en cela, par la grâce de l’Autre absolu vrai et que visait aussi Weber quand il parlait du charisme. Et la rupture s’accomplit alors dans l’œuvre politique qu’est la révolution. Car l’individu qui rompt avec le système sacrificiel doit, pour cela, communiquer sa grâce (qui, sinon, se fausserait). Et il le fait dans son œuvre qui, en tant qu’elle rompt avec le monde sacrificiel, est révolution. Là est la rupture suprême. Ainsi pour Marx: « La révolution communiste est, dit-il, la rupture la plus radicale avec le mode de propriété traditionnel ».9 Et de même pour Benjamin.10

7 Benjamin, Walter, Sur le langage en général, et sur le langage humain, in: œuvres, I, trad. fr. Maurice de Gandillac, rev. Rainer Rochlitz, Paris 2000, p. 150–151. 8 Kierkegaard, Søren, Post-Scriptum, trad. fr. F. Prior/M.-H. Guignot, Paris 1949, p. 98. 9 Marx, Karl, Le manifeste communiste, trad. fr. Maximilien Rubel/Lionel Evrard, in: œuvres, Economie, I, Paris 1965, p. 181.

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2. L’acte politique de la philosophie, qui est en lui-même rupture, doit s’accomplir, quant à lui, comme histoire, où prend place la révolution a) L’idée de l’histoire résulte de l’affirmation de l’existence et de l’inconscient Le savoir en effet est ce dans quoi s’effectue l’appropriation la plus absolue de l’existence. Exister, c’est laisser venir l’Autre en soi et accueillir la nouvelle identité dont il donne toutes les conditions (d’abord la grâce). Et exister absolument, c’est s’établir dans cette nouvelle identité et, comme Autre, donner à tout Autre à venir toutes les conditions pour accéder à cette même identité. Or savoir, c’est poser qu’on peut constituer à partir de soi ce qui se produit en tout ce qui est. Mais le savoir, en tant qu’il vient de l’existence et s’y rapporte, se heurte au refus primordial. Et il n’est autre alors que ce qu’on appelle depuis les Grecs philosophie. Car que propose Socrate, sinon, d’une part, l’affirmation d’un savoir vrai qu’il faut atteindre et, d’autre part, l’acceptation de la contradiction la plus radicale, de l’objection venue de tout Autre ? D’une part le savoir, d’autre part l’existence – et un savoir qui, du fait de l’acceptation pure de l’objection, est raison. Et le savoir, le savoir vrai, en tant qu’il fait rupture avec le savoir ordinairement reconnu, et qu’il est donc avant tout savoir de la rupture, est histoire. Car qu’est-ce, très sommairement dit, que l’histoire, sinon que, d’une part, la rupture s’y produit (histoire racontée) et que, d’autre part, ladite rupture n’atteint à son terme que quand elle peut être posée, dans le savoir (histoire racontante), comme ce que chacun peut et doit effectuer soi – monde juste de la fin de l’histoire. b) Certes la pensée philosophique qui affirme l’existence commence par rejeter l’histoire (le savoir, la philosophie) – ce en quoi elle est rejointe par le discours psychanalytique C’est ce que fait d’emblée la pensée philosophique qui affirme l’existence – et cela parce que, pour elle, poser le savoir, la philosophie, l’histoire, proclamer une « volonté de savoir », ce serait contredire la relation à l’Autre absolu (vrai) et la finitude radicale, se donner en fait comme le 10 Cf. Benjamin, Walter, Sur le concept d’histoire, trad. fr. Maurice de Gandillac, rev. Pierre Rusch, in: œuvres, III, Paris 2000, p. 440: « Les classes révolutionnaires, au moment de l’action, ont conscience de faire éclater le continuum de l’histoire ».

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maître selon le monde sacrificiel et retomber dans le paganisme. Ainsi pour Kierkegaard qui ne se réclame que du message chrétien, mais également pour Heidegger, reparti, lui, pourtant, de la philosophie. Et c’est ce que fait aussi la pensée philosophique qui affirme l’existence, quand elle a reconnu que rejeter la philosophie, la raison philosophique, c’est bien plus résolument retomber dans le paganisme. Pour une telle pensée, l’Autre absolu vrai doit être rencontré dans le visage de l’autre homme, auquel on doit »rendre raison ». Et cependant cette pensée exclut toute position de la raison comme effective: ce serait contredire l’altérité de l’autre homme. Ainsi pour Lévinas. Quant au discours psychanalytique (ce que Lacan a dégagé à partir de la psychanalyse, et en montrant que l’inconscient freudien est dans le prolongement de l’existence), il n’envisage pas que l’autre homme doive être posé infiniment comme Autre vrai et il affirme au contraire la finitude en tout homme comme sexualité. Mais il considère qu’il est seul, dans le système des quatre discours fondamentaux, à être savoir effectif – et cela parce qu’il ne se pose pas comme tel et parce qu’il est tenu de la place du déchet. Lacan rejette ainsi tout discours philosophique. c) Et pourtant la pensée philosophique qui affirme l’existence peut, si elle envisage, de son point de vue à elle, le discours psychanalytique, proclamer l’histoire (et le savoir, et la philosophie). Ce que je propose Car ce que la pensée philosophique qui affirme l’existence voit dans le discours psychanalytique, c’est un savoir vrai (de l’existence, de l’inconscient) qui est reconnu par son Autre (ce que ce discours lui-même ne peut pas dire comme tel). Et reconnu parce que l’analyste reconnaît sa finitude, tait son savoir et sa raison (il s’efface comme Idéal du Moi, qui fût devenu Surmoi), et parce qu’en même temps il fait de l’autre homme, de son Autre, le lieu de la loi. Ce qui, aux yeux de Lacan lui-même, caractérise la grâce.11 La pensée philosophique qui affirme l’existence n’a plus dès lors qu’à retrouver en elle (qui est discours où le savoir se pose) une semblable grâce. Une grâce qu’elle dispense, non plus au sujet individuel, mais au 11 Cf. Lacan, Jacques, Le séminaire, liv. VI, Le désir et son interprétation, séance du 22 janv. 1959: « La mesure dans laquelle le christianisme nous intéresse, j’entends au niveau de la théorie, se résume au rôle donné à la grâce. Qui ne voit que la grâce a le plus étroit rapport avec ce que je désigne comme le désir de l’Autre? ».

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sujet social, à l’existant en tant qu’égaillé dans les divers discours, et qu’elle lui dispense en reconnaissant sa propre finitude à elle, de pouvoir, et en posant la vérité de tous les autres discours fondamentaux. Le discours philosophique est bien savoir de l’existence – et de l’inconscient. Et la pensée philosophique qui affirme l’existence, quand elle se rapporte ainsi au discours psychanalytique, parvient à ce qu’elle voulait, à la fin de l’histoire. Car ce discours est celui qui par excellence était rejeté, comme vrai discours de l’individu, par le système sacrificiel, et il est sans cesse menacé d’un tel rejet (pour Lacan, même « le psychanalyste a horreur de son acte »). Garantir socialement, par son savoir, un tel discours, c’est donc bien, pour le discours philosophique, atteindre au monde juste. 3. L’histoire proclamée par la philosophie ne peut d’abord qu’être conçue faussement, comme abolissant toute institution, et comme rejetant a fortiori toute institution du capitalisme. Et l’on est dès lors conduit inévitablement à la catastrophe a) L’idée d’une histoire abolissant toute institution, et rejetant notamment, par la révolution, l’institution du capitalisme, s’impose d’abord En effet l’institution suppose l’aliénation. Et, comme l’histoire doit rompre avec le système sacrificiel et l’aliénation qui le caractérise (à l’Autre absolu faux), il semble d’abord qu’elle doive abolir toute institution. C’est la position générale de ce qu’on a appelé la gnose.12 La gnose, à partir de la révélation, et de ce que celle-ci a révélé de finitude radicale (péché), mais aussi d’autonomie nouvelle, a prétendu montrer comment l’homme pouvait s’arracher à la finitude du monde ordinaire et s’établir dans l’autonomie de la connaissance. Mais la gnose ne dit pas que la finitude est à nouveau perdue si elle n’est pas assumée et qu’une autonomie qui ne l’assume pas retombe dans l’illusion païenne. On peut dès lors, dans le mouvement de cette gnose, considérer qu’il faut, pour abolir l’institution, se méfier de la révolution, parce que la révolution risque d’introduire des institutions nouvelles, et ne se fier qu’à la révolte. C’est la position de Stirner. « La révolution, dit-il par exemple, avait pour but une nouvelle organisation. La révolte amène à ne plus nous laisser organiser, mais à nous organiser nous-mêmes et à ne plus mettre son espérance dans les institutions ».13 12 Cf., à ce propos, Jonas, Hans, La religion gnostique, trad. fr. Lionel Evrard, Paris 1978 et Voegelin, Eric, La nouvelle science du politique, trad. fr. Sylvie Courtine-Denamy, Paris 2000.

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Mais on peut, plus légitimement, considérer qu’il faut, pour abolir l’institution, vouloir la révolution, et précisément la révolution contre le capitalisme, parce que le capitalisme est, dans le monde historique, l’aliénation par excellence, et le fond de toute institution. C’est la conception de Marx, sensible, pourtant, à l’argument stirnérien. « Que, dans le passé, dit-il ainsi, limitées par la division du travail, les révolutions aient produit nécessairement de nouvelles institutions, nos remarques critiques à propos de Feuerbach l’ont bien montré; il en résulte également que la révolution communiste, qui abolit la division du travail, élimine finalement les institutions politiques ».14 b) Certes, dirai-je avec Marx, le capitalisme est le prolongement, dans le monde ouvert par l’exigence d’histoire, du système sacrificiel Car, d’une part, le capitalisme suppose l’Autre absolu faux, l’idole – c’est l’argent, la monnaie, le Veau d’Or. Il suppose en effet que toutes choses soient devenues marchandises, qu’au-delà de leur valeur d’usage elles aient reçu sur le marché une valeur d’échange et, bien plus, que l’échange se soit généralisé. Et la monnaie est alors ce dans quoi toutes choses sont évaluées, et qui semble au principe de toute valeur, la valeur suprême, et qui n’est en fait que l’expression ultime du « fétichisme de la marchandise », quand on a « oublié » le travail humain qui l’a produite. Et, d’autre part, le capitalisme se caractérise par une menace de violence sacrificielle. Il ne commence en effet que quand la valeur d’échange, la monnaie permet d’obtenir sur le marché plus de valeur d’échange, plus de monnaie.15 Mais cela n’est possible que si la valeur d’échange, la monnaie trouve sur le marché une marchandise qui, dans sa valeur d’usage, produise plus de valeur d’échange qu’elle n’en coûte. Et cela caractérise le travail humain, réduit à son coût le plus bas, sous la menace d’une « vie impossible ». De là, à partir du contrat de travail, le déploiement du système capitaliste tout à fait semblable au système sacrificiel. Avec les positions du peuple et du maître (le travailleur salarié et le patron capitaliste). Mais aussi celle du 13 Stirner, Max, L’unique et sa propriété, trad. fr. Henri Lasvignes, Paris 2000, p. 337. 14 Marx, Karl, L’idéologie allemande, trad. fr. Lionel Evrard, in: œuvres, Philosophie, Paris 1982, p. 1276. 15 Cf. Marx, Karl, Le capital, liv. I, trad. fr. Joseph Roy, rev. Maximilien Rubel, in: œuvres, Economie, I, op. cit., p. 701: « La valeur devient valeur progressive, argent toujours bourgeonnant, poussant et, comme tel, capital ».

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clerc (le juriste qui s’occupe du contrat comme tel, ou l’idéologue). Et celle enfin de l’individu (l’exclu du marché du travail, le déchet social, le membre de cette « armée de réserve industrielle » qui résulte inéluctablement du développement du capitalisme). c) Mais, dirai-je contre Marx, vouloir abolir toute institution, et précisément vouloir abolir, par la révolution, le capitalisme, ne peut mener qu’à la catastrophe Car la visée d’abolir toute institution, et précisément, par la révolution, le capitalisme, conduit en général à une répétition, en aggravé (du fait des progrès techniques), du système sacrificiel. Où les capitalistes et, à partir de là, d’autres, deviendront les méchants, par l’élimination desquels on serait libéré de tout mal. C’est toujours le rejet païen de la finitude. Présent en toute position gnostique. Et auquel cédait déjà le jeune Marx quand il dénonçait la dualité hégélienne de la société civile et de l’Etat. Or ce ne peut plus être la philosophie qui inspire une telle visée, c’est, à la place de la philosophie, l’idéologie. Laquelle se fait aussitôt diversité d’idéologies. Toutes, discours justificateurs d’un état du monde social obtenu ou désiré. Toutes suscitant parmi les foules la même exaltation. Mais chacune ayant un mythe fondamental différent au nom duquel elle rejette dans les ténèbres extérieures celui qui la mettrait en question. Chacune s’opposant donc aux autres. Toutes en tout cas suscitant la même violence totalitaire. Et ce qui est l’ennemi par excellence, à éliminer sacrificiellement, pour toute idéologie, mais qui devient avant tout celui de l’idéologie nazie, c’est le peuple qui, parmi les peuples, porte en lui l’exigence pure (élection, au-delà de la grâce) de rompre avec le paganisme: le peuple juif. D’où la terreur absolue de l’holocauste, dont Lacan dit: « Je tiens qu’aucun sens de l’histoire, fondé sur les prémisses hégéliano-marxistes, n’est capable de rendre compte de cette résurgence, par quoi il s’avère que l’offrande à des dieux obscurs d’un objet de sacrifice est quelque chose à quoi peu de sujets peuvent ne pas succomber, dans une monstrueuse capture ».16

16 Lacan, Jacques, Le séminaire, liv. XI, Les quatre concepts fondamentaux de la psychanalyse, Paris 1973, p. 246–247.

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4. L’histoire ne peut en venir qu’ensuite à être conçue en vérité, comme laissant toute sa place à l’institution, et ultimement à celle du capitalisme a) L’idée d’une histoire donnant sa place à l’institution, et ultimement à celle du capitalisme, s’impose alors Car l’aliénation est inéliminable, notamment celle qui se marque dans le capitalisme; et ce n’est donc pas parce que l’institution suppose l’aliénation qu’il faudrait abolir toute institution. Que l’aliénation soit inéliminable, c’est ce que souligne toute pensée qui affirme l’existence et l’inconscient. De là la critique à faire, dans le prolongement de Stirner, de la présentation, par Marx, de la plus-value: la plus-value ne résulte pas d’un vrai travail créateur, et ne fait que prolonger la valeur déjà produite. De là aussi l’affirmation de Lacan que la plus-value, qu’il désigne comme le plus-de-jouir (l’objet « a »), le travailleur la doit au maître.17 Mais, inéliminable, l’aliénation est néanmoins dépassable, on peut l’assumer – et c’est ce que permet justement l’institution qui, par définition, fixe la rupture comme ce que chacun peut et doit accomplir. Car, dans l’institution, l’Autre qu’est l’institution donne à l’existant toutes les conditions pour accomplir à son tour la rupture. Et sans ces conditions venues de l’Autre, aucune autonomie réelle, aucune appropriation effective ne serait possible. Cela dit notamment contre Stirner et son « appropriation sans limites », déjà critiquée par Marx. Et, inéliminable, l’aliénation (dont celle qu’implique le capitalisme) est effectivement dépassée dans le cadre de cette institution qu’est le discours psychanalytique – lequel, comme on l’a dit, doit être voulu dans toute vraie révolution. C’est ainsi que si, pour Lacan, l’aliénation est la première des deux « opérations de la réalisation du sujet » dans sa « dépendance signifiante du lieu de l’Autre »,18 la séparation est la seconde. La séparation se produit quand on accepte, comme l’analyste, par grâce, l’a déjà fait, de s’identifier à l’objet-déchet de l’Autre, c’est-à-dire quand on assume la finitude radicale.

17 Cf. Lacan, Jacques, Le séminaire, liv. XVII, L’envers de la psychanalyse, Paris 1991, p. 123. 18 Lacan, Le séminaire, XI, op. cit., p. 188.

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b) Certes, comme je l’ai dit avec Marx, le capitalisme est le prolongement du système sacrificiel, mais, ajouté-je maintenant au-delà de Marx, comme aliénation qui peut être dépassée, et cela dans le cadre du droit, où s’effectue l’institution du capitalisme Car, d’une part, le capitalisme suppose l’Autre absolu faux de la monnaie, mais dans le cadre de l’Etat et de sa loi juste, voulus par l’Autre absolu vrai. Marx et Weber le soulignent, chacun à leur manière. Marx par exemple montre « le droit s’accordant avec la propriété privée libre »; or, pour lui, « le capital moderne est la propriété privée à l’état pur ».19 Quant à Weber, il insiste sur la pacification, au moins formelle, par l’Etat, que le capitalisme suppose: « Nous appelons action économique capitaliste celle qui repose sur l’espoir d’un profit par l’exploitation des possibilités d’échange, donc sur des chances (formellement) pacifiques de profit ».20 Et, d’autre part, le capitalisme demeure, dans ce cadre même, violence d’espèce sacrificielle, mais comme violence que le droit permet de limiter et de dépasser. Marx dénonce certes sans cesse le caractère simplement formel, en fait violent, de l’Etat et du droit. Mais nous qui affirmons comme effectif le savoir philosophique, nous soulignons que le droit, si proche de la philosophie, le droit comme savoir, non plus de l’existence, mais de la finitude, détermine et dispense effectivement les conditions que tout être existant et fini doit recevoir pour ne pas rester entièrement pris dans cette violence capitaliste. De là le système juridico-politique dans le cadre duquel le système capitaliste est à la fois assumé et dépassé, c’est-à-dire institué. Avec le discours du clerc qui – élection – détermine le droit et appelle chacun à participer à cette détermination. Le discours du maître qui – don – fait valoir ce droit dans la société. Le discours du peuple qui – foi – accueille ce droit et lui fait confiance. Et enfin le discours de l’individu (psychanalytico-individuel) qui – grâce – fait que l’homme puisse jouir effectivement du droit qu’il a. c) Et l’institution du capitalisme est donc bien ce sur quoi débouche la vraie révolution, ce que doit effectuer aujourd’hui la philosophie, et ce qui marque la fin de l’histoire qu’elle a voulue Car l’institution du capitalisme montre et veut celui-ci comme la forme minimale du paganisme, quand le paganisme n’occupe plus la totalité de la 19

Marx, L’idéologie allemande, op. cit., p. 1100. Weber, Max, « Avant-Propos » au Recueil d’études de sociologie des religions, publié avec L’éthique protestante et l’esprit du capitalisme, trad. fr. Eric de Dampierre, Paris 1994, p. 12. 20

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vie des hommes, mais qu’il laisse place à la possibilité, pour chacun, d’accéder à son être d’individu. C’est le paganisme de l’aliénation inéliminable, de la consommation effrénée, de la jouissance idiote. Ce que vise Benjamin quand il dit: « On reconnaît plus facilement une religion dans le capitalisme, si l’on se rappelle que le paganisme originaire a tout d’abord conçu la religion, non comme un intérêt « supérieur », « moral », mais comme l’intérêt le plus immédiatement pratique ».21 Et l’institution du capitalisme voulue par la philosophie jette certes alors l’homme dans la dépression, là où les manœuvres de l’idéologie l’entraînaient dans l’exaltation. Dépression inessentielle, d’un côté, de ne pas être à la hauteur de ce que demande le capitalisme – ce que désigne Benjamin sous le nom de culpabilité: « Le capitalisme est peut-être le premier exemple d’un culte qui n’est pas expiatoire mais culpabilisant ». Dépression essentielle, d’un autre côté, de ne pas avoir voulu effectivement la possibilité ouverte de dépasser l’aliénation, et de devenir individu et moi véritables. Mais l’institution du capitalisme ouvre et réouvre sans cesse néanmoins l’espace de cette individualité et égoïté vraie où, dans l’épreuve, non pas de la dépression, inévitable mais vaine, mais de la mélancolie, on va vers son œuvre propre. Et où l’on se prépare ainsi pour le jugement absolu, quand viendra ou reviendra le Messie. « Seul le Messie achève tout devenir historique », dit Benjamin. Et il conclut: « Messianique est la nature de par sa totale évanescence. Rechercher cette évanescence, même pour les niveaux de l’homme qui sont nature, telle est la tâche de la politique mondiale, dont la méthode se doit appeler nihilisme ».22 5. Ainsi s’accomplit aujourd’hui, par l’institution du capitalisme, l’acte politique voulu par la philosophie depuis son avènement en Grèce a) L’idée de l’acte politique est impliquée d’emblée par la philosophie Car, pour la philosophie, la justice est non seulement l’idée par laquelle elle est menée (c’est l’idée du bien de la République, l’epekeina thò ousiaò). Non seulement l’objet par excellence qu’elle doit déterminer. Mais bien plus ce qu’elle-même doit réaliser, puisqu’elle est accueil de toute objection, exigence que chacun puisse reconstituer, soi, la loi à laquelle il est soumis. Ce qui n’est autre que la justice. D’où l’affirmation de Platon: « A 21

Benjamin, Walter, Fragments, trad. fr. Christophe Jouanlanne/Jean-François Poirier, Paris 2001, p. 113. 22 Benjamin, Walter, Fragment théologico-politique, in: œuvres, I, op. cit., p. 263–265.

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moins que les philosophes ne deviennent rois dans les Etats, ou que ceux qu’on appelle à présent rois et souverains ne deviennent de vrais et sérieux philosophes, il n’y aura pas de relâche aux maux qui désolent les Etats ».23 Certes la philosophie sait qu’une telle proclamation et visée ne peut que susciter le rejet dédaigneux et ironique, et résonner comme un paradoxe – l’opinion ne voyant pas en quoi ceux qui s’adonnent à la philosophie peuvent réaliser la justice, ni en quoi ils peuvent avoir la moindre action. Ce que souligne Platon lui-même, Socrate précisant à Glaucon, juste après sa proclamation sur les philosophes-rois: « Voilà ce que depuis longtemps j’hésitais à déclarer, parce que je prévoyais combien cela choquerait l’opinion [para docau rhqhsetai] ». Mais la philosophie soutient ce paradoxe et tend, en cela, à récuser la démocratie. C’est ce que fait Platon au livre VIII de La République, la démocratie, avec son absence de contraintes, ses discours imposteurs et son indulgence pour les crimes, étant l’avant-dernier degré dans la dégénérescence de la cité juste. Ce qu’on a pu dénoncer chez Platon – notamment Cornélius Castoriadis qui lui reproche d’« avoir réussi l’opération historique, au-delà de la destruction de fait de la démocratie, d’une déchéance de droit ».24 Et ce qui semblerait justifier Carl Schmitt dans sa glorification du souverain qui « décide de l’état d’exception ».25 b) Certes la philosophie doit bien vite reconnaître la réalité du refus primordial auquel elle se heurte dans sa visée d’acte politique – et elle l’a fait là aussi dès la Grèce Car la philosophie doit s’avouer que le savoir rationnel pur dont elle se réclame se confond en fait, aux yeux du peuple, avec le mythe contre lequel elle prétend s’élever, et qu’elle ne peut donc aborder l’espace politique avec la seule idée du souverain. C’est l’aveu que fait Platon dans Le Politique, où la première définition proposée, de l’homme politique et royal comme pasteur, est renvoyée au mythe, au temps de Cronos (âge d’or, de jouissance): « Quand on nous demandait le roi et le politique du cycle actuel, aller chercher, dans la période opposée, le pasteur, divin, qui régissait le troupeau humain de ce temps-là, c’était une grande erreur ».26 La philosophie bien plutôt doit partir de la finitude de l’homme. Et souligner que l’homme, fini, a toujours d’abord besoin de loi. Et même qu’il 23 24 25 26

Platon, La République, 473 c et d. Castoriadis, Cornélius, Sur « Le Politique » de Platon, Paris 1999, p. 18. Schmitt, Théologie politique, op. cit., p. 15. Platon, Le Politique, 274 e.

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n’est pleinement lui-même que par la loi – ce que montre le judaïsme, contre tout leurre gnostique. Et c’est ainsi que Platon, qui tend certes toujours à critiquer la loi, trop universelle, au nom du savoir, attaché au singulier, en vient pourtant à proclamer la loi: « Enfreindre des lois qui résultent d’une longue expérience, celui qui osera le faire anéantira toute activité plus sûrement encore que ne le faisait la lettre écrite ».27 Et ce n’est que dans le cadre de ces lois que la philosophie peut intervenir avec son savoir. Et suprêmement, toutes les constitutions étant déréglées, dans le cadre de lois qu’a posées une constitution démocratique (la meilleure, la moins risquée pour l’homme fini). De là le système démocratique, avec, même chez Platon, ses quatre discours fondamentaux: « Telles sont la science militaire [discours du maître], la science judiciaire [discours du peuple], et toute cette rhétorique [discours psychanalytico-individuel], alliée de la science royale [discours philosophico-clérical] et qui, de concert avec elle, gouverne toute activité à l’intérieur des cités ».28 c) Mais la philosophie ne peut accomplir son acte qu’aujourd’hui Car la philosophie ne peut reconnaître par elle-même la radicalité du refus primordial auquel elle se heurte. Et ce refus ne peut être dégagé dans sa radicalité et levé que par l’Autre absolu intervenant dans l’histoire des hommes, et y intervenant comme médiateur, messie, cinquième terme, audelà du quaternaire de l’œuvre qu’est le monde social, œuvre d’abord faussée. Ce médiateur – mais alors impuissant et ne faisant que confirmer le système sacrificiel – est, pour les sociétés étudiées par Lévi-Strauss, le trickster ou tricheur. Il sera, dans l’histoire universelle, le Christ dont le sacrifice vrai rend acceptable le monde juste – nous allons y venir. La philosophie doit alors répéter son acte autant de fois qu’il le faudra. Car l’intervention du Christ dans l’histoire ne peut que rendre acceptable le monde juste, elle ne le fait pas réellement accepter, et n’a pas à le faire. Cela doit être obtenu par la philosophie, selon les époques nécessaires de l’histoire. Ces époques sont cinq, les quatre de la structure de l’existence, plus celle qui marque l’échec inévitable de l’acte philosophique. Ce sont celles que Heidegger, sans en justifier les cinq temps, a énoncées: les époques grecque, chrétienne, moderne, planétaire et « hespériale »29 – et que nous allons retrouver sous d’autres noms. 27

Ibid., 300 b. Ibid., 303e–304a. 29 Cf. Heidegger, Martin, La parole d’Anaximandre, trad. fr. Wolfgang Brokmeier, in: Chemins qui ne mènent nulle part, Paris 1962, p. 274. 28

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Et ce n’est qu’à la fin de cette histoire, quand le capitalisme peut être institué par la philosophie, que le système démocratique, vers lequel toujours elle doit aller, reçoit toute sa vérité, et peut éviter ce que Platon avait si bien dénoncé, et annoncé, comme chute dans la tyrannie. Car quand, dans un Etat, les hommes individuellement veulent que « personne ne soit pour eux un maître » et s’opiniâtrent sur leur liberté abstraite, inévitablement, comme peuple, ils se mettent à avoir, face au désordre, « besoin d’un chef ».30 Sauf si la finitude radicale qui, seule, rend la liberté concrète, est fixée socialement. Ce qu’assure le capitalisme.

II. Comment l’acte politique de la philosophie a pu, dans l’histoire, parvenir peu à peu à cet accomplissement 1. L’époque antique a) La rupture s’effectue alors par l’avènement de la philosophie L’avènement de la philosophie, que préparent et les premiers penseurs grecs, qui posent l’Un comme ce qu’il y a à connaître par la raison, et les sophistes qui, au nom de l’homme, récusent cet Un comme illusoire, est le fait de Socrate. Socrate, d’une part, parce qu’il pose son propre non-savoir là où on le prenait pour maître, et parce qu’il affirme le savoir déjà là, par l’idée, en chacun (ainsi pour le petit esclave du Ménon), donne sa grâce à son interlocuteur. Et, d’autre part, parce qu’il le confirme dans la visée de reconstituer, soi, le savoir, il lui donne aussi son élection. En cela il rompt avec le système sacrificiel. Cette rupture débouche dans le savoir. C’est ce qui apparaît chez Platon et Aristote. Platon déploie la théorie socratique des idées. Il montre les contradictions à quoi elle conduit, de par la participation du sensible à l’intelligible (l’idée). Et il propose sa solution, par le non-être comme Autre – le sensible (non-être) ayant de l’être par sa participation à l’idée de l’Autre. Aristote récuse cette solution platonicienne. Il avance une nouvelle analyse du langage, l’être se disant en plusieurs sens selon les catégories. Et, affirmant la présence de l’idée ou forme dans le sensible, il ne garde la transcendance que pour l’Intellect agent, le divin. Et la vérité qu’il s’agit dès lors, pour chacun, de s’approprier dans le savoir, est celle, précisément, de l’objectivité. Car le divin (prwton kinoun ÷kûuhton, premier moteur non mû) meut, en tant qu’objet du désir, tout ce qui est. Mais, parmi l’étant non divin qui, désirant, va vers une idée ou forme plus accomplie, seul l’homme, comme zˆwon lügon ýxon, peut accé_

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30

Platon, La République, 563 d.

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der, et simplement de façon passagère, au divin, à la pensée pure – c’est-àdire devenir œuvre (ýnÍrgeia), atteindre au tÍloò absolu (ýntelÍxÍia), s’objectiver absolument. b) Une telle rupture, par l’avènement de la philosophie, est fixée socialement dans l’institution de l’Etat Que l’institution de l’Etat résulte de l’avènement de la philosophie, cela se comprend dès lors que l’idée se distingue, en tant qu’universel, du sensible comme particulier. Or l’Etat s’oppose à l’individu, comme l’universel au particulier. C’est ce que fixe l’institution de l’Etat athénien par Solon et Clisthène – avec la place notamment des tragédies comme culte public, le peuple qui y assiste voyant ce que le héros doit endurer pour laisser venir, dans sa particularité, l’universel. Et c’est ce que prolonge, à Rome, la République, puis l’Empire. L’institution de l’Etat a certes des conséquences dans le monde social. Précisément par le développement du droit, comme on le voit à Rome. Le droit protège l’individu particulier qui est membre du peuple. Il le protège contre tout ce qui, dans l’Etat, serait développement non conforme à la fin de l’Etat, au bien public. Il le protège également contre tout ce qui, dans ses affaires privées, pourrait le faire tomber dans la dépendance sacrificielle (esclavage), du fait des crimes et délits, mais aussi des contrats, et notamment des contrats de prêt – car le capital financier ou usuraire, le premier à apparaître comme tel, a déjà la plus grande place. Mais l’institution de l’Etat n’a guère de conséquences sur le plan de l’univers. Parce que l’universel qui est présent dans l’Etat ne s’y pose pas comme tel – et cela malgré l’existence des écoles de philosophie qui maintiennent l’enseignement de Platon et d’Aristote. C’est ce que Carl Schmitt appelle une « vision préglobale du monde ».31 Dans l’Empire romain il y a certes un universel venant de la philosophie (à la différence d’autres empires, dont la Chine), et cet universel s’étend par conquêtes (diffusion du nomen latinum, du « droit de cité romain »), mais il n’est pas posé comme valant pour tous – et les empires ont très peu de contacts entre eux. c) Une telle rupture, ainsi fixée institutionnellement, ne conduit néanmoins pas à la fin de l’histoire Car le monde social reste un monde sacrificiel, grâce et élection ayant bien été dispensées, par Socrate, au sujet individuel, mais non pas au sujet 31 Schmitt, Carl: Le Nomos de la terre, trad. fr. Lilyane Deroche-Gursel, Paris 2001, p. 56.

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social – qui condamnera à mort Socrate, celui-ci refusant, en l’honneur de l’Etat, d’échapper à sa condamnation (« Les Athéniens ayant jugé qu’il valait mieux me condamner, moi, pour cette raison, j’ai jugé qu’il était plus juste de me soumettre à la peine qu’ils auraient édictée »32). L’esclavage reste, malgré les affranchissements, une donnée évidente – il est assuré par les guerres à l’extérieur (parmi les tribus « barbares »). Et la tragédie a disparu comme culte public au profit des jeux du cirque. Certes la philosophie, si elle demeure, avec son exigence de justice et d’universalité (notamment dans le stoïcisme), ne peut agir sur ce monde et a perdu par rapport à lui sa visée primordiale qui est politique (visée critique menée au nom de l’universel). Et les écoles de philosophie ne sont en fait que des écoles de morale (pour apprendre à ne pas pâtir du pouvoir politique, ainsi les stoïciens, ou tenter de pactiser avec lui, ainsi Philon d’Alexandrie). Si la philosophie est présente, tout comme le judaïsme (hors l’espace duquel elle n’eût pas pu apparaître), elle est en fait, comme lui, présente en tant que non reconnue. Mais ce monde s’effondre par lui-même, parce que sa relation à l’extérieur comme vivier d’esclaves contredit l’universel qui est en lui. Les empires de ce temps s’entourent d’« ouvrages défensifs, tels des remparts frontaliers, une Grande Muraille, un limes ».33 Et cependant le limes ne suffit pas pour Rome, à la différence de la Grande Muraille pour la Chine. De là les invasions barbares, et notamment le sac de Rome par Alaric et les Vandales en 410. C’est la fin du monde païen – mais la philosophie n’était pas ellemême, quoi qu’on ait pu en dire par la suite, quelque chose de païen dans ce monde. 2. L’époque médiévale a) La rupture s’effectue alors par le Sacrifice du Christ Le Sacrifice du Christ, de Dieu comme Fils incarné (et il fallait, du point de vue de la psychanalyse et de l’inconscient, que ce fût le Fils absolu, l’exclu absolu de la « scène primitive »), rompt radicalement avec le monde sacrificiel. Dieu lui-même, qui s’est mis à la place de la victime, dénonce le système sacrificiel comme haine du vrai Dieu et déplacement de cette haine sur la victime (dénonciation auprès du sujet social, toujours religieux). Et il dénonce ce système de la manière la plus efficace, puisqu’il dirige, par la Résurrection au-delà de la Passion, vers le triomphe du vrai sens sur le faux (ce que le héros tragique ne pouvait pas assurer). 32 33

Platon, Phédon, 98 e. Schmitt, op. cit., p. 57.

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Cette rupture, elle aussi, elle décisivement, conduit vers le savoir. Car le Christ, s’il dénonce le système sacrificiel comme péché, pardonne aux hommes ce péché. Pour autant certes – pouvons-nous ajouter explicitement aujourd’hui, ce qui n’était pas possible à l’époque – que ceux-ci, constitutivement pécheurs, limitent leur péché à ses formes minimales (individuellement la sexualité, socialement le capitalisme). C’est la grâce du Christ, laquelle rend acceptable au sujet social, avec le monde juste, le savoir vrai. Et la vérité qu’il s’agit dès lors, pour chacun, de s’approprier dans le savoir reste apparemment la même que dans l’Antiquité, l’objectivité (au point qu’il semblerait qu’il n’y en eût pas d’autre), mais marquée maintenant de la finitude radicale (péché). L’objectivité socialement reconnue est, par l’objet absolu – qui est primordialement, pour les hommes, le Christ –, montrée comme toujours d’abord fausse, l’objet absolu acceptant par amour cette falsification, et pouvant seul diriger au-delà. b) Une telle rupture, par le Sacrifice du Christ, est fixée socialement dans l’institution de l’Eglise Que l’institution de l’Eglise résulte du Sacrifice du Christ, cela se comprend aisément. Au-delà de l’universel de l’Etat, marqué de particularité parce que l’Etat « exécute » les décisions, et parce qu’il y a plusieurs Etats, l’universel de l’Eglise se pose comme tel et concerne tous les hommes – comme le dit saint Paul: « Il n’y a ni juif, ni grec, il n’y a ni esclave, ni homme libre, il n’y a ni homme, ni femme. Vous êtes tous en Christ Jésus ».34 C’est, chez Rosenzweig, l’Eglise de Pierre, « catholique », celle de l’amour. Et l’Eglise, épouse du Christ, ouvre, au-delà de l’Etat, l’espace de l’individualité et de l’intériorité. L’institution de l’Eglise a certes des conséquences dans le monde social. Au-dessus de l’Etat et même des Etats, au-dessus de l’Empire qui rassemble des Etats, il y a l’Eglise, la Papauté. Au-dessus de la potestas, l’auctoritas. C’est ce que Carl Schmitt, qui parle de « deux hiérarchies différentes au sein d’une même unité globale »,35 désigne comme la Respublica Christiana. Dans le cadre de laquelle l’Eglise contrôle et limite les guerres, même justes. Et dans le cadre de laquelle les hommes, mais aussi les biens, peuvent circuler – une nouvelle forme du capitalisme, le capitalisme commercial, reçoit alors une place déterminante. Et l’institution de l’Eglise a aussi des conséquences sur le plan de l’univers. Car elle est l’universel qui se pose comme tel, mais aussi qui se dé34 35

Galates, 3, 28–29. Schmitt, op. cit., p. 65.

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ploie – « catholique », mais aussi « apostolique » (missionnaire). Et cela à partir du centre hérité de l’Empire romain, à partir de Rome – elle est donc, de plus, « romaine ». De là un ordre qu’on peut déjà dire « global » (même si Schmitt hésite sur ce point), le christianisme tendant, par la grâce, à se diffuser auprès des nations, les peuples non chrétiens devenant, pour les peuples chrétiens, espace de mission, avec un jus commercii qui, avant que d’être matériel, est d’abord spirituel. c) Une telle rupture, là non plus, ne conduit néanmoins pas à la fin de l’histoire Car le monde médiéval reste en fait un monde sacrificiel. Et cela parce que la grâce du Christ se fausse. D’une part, l’élection dans laquelle cette grâce eût dû s’accomplir n’est pas posée en tant que telle (et elle devait ne pas l’être, pour que le Christ n’apparût pas comme un maître engageant à l’imiter, ce qui eût fait perdre la grâce !). Et, d’autre part, l’homme transforme toujours d’abord la grâce qu’il reçoit en grâce qui fait disparaître le péché: c’est l’interprétation païenne, gnostique, du christianisme (un seul sauve par sa souffrance à la place des autres), l’universalisme chrétien devenant illusoire. D’où un monde social avec féodalité et servage. Mais la philosophie si, là encore, comme dans le monde antique, elle demeure, avec son exigence d’universalité, peut cette fois-ci agir dans le monde, parce qu’elle se sent légitimement dans la suite du Sacrifice du Christ (grâce s’accomplissant en élection). Elle est certes combattue: c’est ce que Rosenzweig appelle la « double vérité », le conflit de la foi et de la raison, lié multiplement à celui de l’Eglise et de l’Empire. Et cependant elle suscite progrès technico-scientifiques, fondation des universités et grandes découvertes (avec limites certes à la colonisation – c’est la Respublica christiana, manifestée dans la controverse de Valladolid36). Et ce monde médiéval ne peut finalement que s’effondrer. Du fait de la philosophie qui en fait apparaître les contradictions (l’Eglise dans sa pompe, comme objectivité absolue fausse). Mais aussi du fait que, face à la falsification du christianisme en paganisme, une nouvelle religion est fondée par Mahomet, l’islam ou islamisme qui, tenant le plus grand compte du paganisme fondamental de l’homme et de son refus de toute rupture explicite, se diffuse rapidement. Contre quoi le monde catholique réagit de façon partiellement efficace (croisades, reconquête de l’Espagne), mais le monde chrétien oriental échoue – c’est la prise de Constantinople en 1453. 36

Cf. ibid., p. 103.

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3. L’époque moderne a) La rupture s’effectue alors par la réapparition, en propre, de la philosophie Si la philosophie rompt, c’est tout simplement parce qu’elle se décide enfin à occuper tout l’espace ouvert par le Sacrifice du Christ et à accueillir véritablement sa grâce. C’est ce que propose Descartes avec son entreprise du doute absolu: l’objectivité est marquée de finitude radicale, cependant que l’absolu n’est plus, provisoirement certes, que celui de l’homme qui doute. Dans ce doute, pour autant qu’il est absolu (ce que Descartes n’atteint que dans les Méditations, par l’hypothèse du Malin Génie), réside une certitude. Si bien que l’homme n’est plus victime fascinée du sacrifice, et qu’il pourra déployer une nouvelle évidence. Cette rupture dirige vers le savoir. Un savoir non plus seulement rendu acceptable pour le sujet social, mais déployé par le sujet individuel et réeffectuable par chacun, et donc, en quelque manière, effectivement accepté par le sujet social. Et cela parce que l’espace du doute absolu s’accomplit en élection, et que l’homme, du fait qu’il porte en lui l’idée de Dieu, l’idée de l’infini – c’est la « marque de l’ouvrier sur son ouvrage », le signe d’élection – est mené par le désir à déployer le savoir. Ce que souligne partout Descartes: la finitude de l’homme n’empêche en rien le savoir, par lequel seul est justifiée, comme elle doit l’être, l’œuvre de Dieu. Et la vérité qu’il s’agit maintenant, pour chacun, de s’approprier dans le savoir n’est plus l’objectivité, mais avant tout la subjectivité – qui n’est autre que le mouvement par lequel l’objectivité va vers elle-même et s’accomplit. Subjectivité découverte en l’homme par Descartes; placée en Dieu et, à partir de là, sans contradiction, en l’homme, par Spinoza; montrée et en Dieu et, de là, par grâce, en l’homme par Leibniz; interrogée, comme subjectivité humaine, sur ce qu’elle peut savoir, par Kant; et présentée par Hegel comme subjectivité humaine s’identifiant effectivement, dans l’épreuve du négatif, à la subjectivité divine – jusqu’au savoir absolu. b) Une telle rupture, par la réapparition en propre de la philosophie, est fixée socialement dans l’institution de la science Que l’institution de la science résulte de la réapparition, en propre, de la philosophie après le Sacrifice du Christ, cela se comprend ainsi. L’Eglise s’était voulue attachée à l’intérieur, au-delà de l’extériorité de l’Etat; l’universel posé comme tel, au-delà de l’universel brut. Elle s’est en fait réduite elle-même à l’extériorité et à l’universel brut. Contre l’ancienne Eglise, une

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nouvelle s’est élevée, elle-même diverse: c’est, selon Rosenzweig, l’Eglise de Paul ou protestantisme – le christianisme penché sur ses origines juives et attaché à l’élection. Et avec cette Eglise, au-delà de toute Eglise, la science, c’est-à-dire l’universel en tant que chacun peut le reconstituer à partir de soi, dans son intériorité à soi, a surgi comme institution, sous le nom des Lumières. L’institution de la science a certes des conséquences dans le monde social. Les Etats deviennent des Etats modernes, à l’administration rationalisée et indépendants des autorités religieuses dont les conflits s’apaisent. C’est, après les guerres de religion, le triomphe du cujus regio ejus religio. Et aussi, dans ce cadre apaisé, l’avènement en propre du capitalisme, comme cette fois-ci capitalisme, non plus simplement financier ou commercial, mais industriel. Ce que Weber a relié à l’éthique protestante: il fallait au croyant prouver son élection par le travail acharné dans un monde enfin expressément désenchanté. Et l’institution de la science a aussi des conséquences sur le plan de l’univers. Car elle est l’universel posable comme tel par chacun. Elle vaut donc pour l’univers entier. Mais elle ne se développe que dans les Etats du monde chrétien avec ses Eglises en conflit. Et elle leur donne, par les progrès techniques, la puissance sur l’univers entier. De là l’ordre global dont parle Schmitt sous le nom de Jus publicum europeanum, avec d’une part l’espace européen où les guerres sont limitées (l’ennemi, comme justus hostis, n’est pas un criminel), et d’autre part l’espace colonial que se disputent et se partagent les Etats européens. c) Mais cette rupture, fixée dans l’institution de la science, et qui se veut elle-même comme telle, ne conduit toujours pas à la vraie fin de l’histoire Car si le monde juste est voulu et visé, c’est avec l’idée que sa réalisation se produira inéluctablement (croyance au « progrès ») et que, par exemple, le capitalisme sera finalement utile pour tous (« main invisible » d’Adam Smith). En fait, la finitude radicale révélée par le Sacrifice du Christ reste dissimulée, et la grâce et l’élection sont faussées. De là la dénonciation qui sera faite, plus tard, de la croyance au progrès, et des Lumières en général (« La raison se retourne en mythe et devient folie »37 diront Horkheimer et Adorno). Et de là, surtout, les violences effectives qui se produisent au nom des Lumières, notamment dans les colonies. 37 Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W., La dialectique de la raison, trad. fr. Eliane Kaufholz, Paris 1974, p. 18 et 212.

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Et la philosophie va intervenir dans le monde social, afin de réaliser ce qui est pour elle le monde juste. Non pas certes comme métaphysique, puisqu’elle ne peut, comme telle, rejoindre le réel social, marqué de finitude radicale – là la philosophie reste abstraite. Mais comme pensée politique. Ainsi Hobbes donne la base de toute théorie de l’Etat moderne – avec le Léviathan comme fiction qui assume le paganisme fondamental, mais qu’on reveut librement et rationnellement, hors toute soumission aux Eglises. Locke, en affirmant le droit de résistance, dégage l’individualisme contractuel en fait présent chez Hobbes. Et Rousseau, en montrant la volonté générale surgissant dans la rupture qui fait passer de l’état de nature à l’état civil, et en dirigeant à partir de là vers la révolution, rétablit la visée philosophique de justice et d’universel. Et le monde social moderne, qu’on pensait devoir déboucher sur une société juste reconnue par tous, accomplit bien sa révolution et rompt avec l’Ancien Régime (« Le bonheur est une idée neuve en Europe », proclame Saint-Just). Mais d’une rupture qui n’obtient pas l’accord de tous, qui se déploie en Terreur et Contre-Terreur, et qui, malgré la Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen et malgré, en général, les progrès du droit, laisse en place les pouvoirs anciens. C’est ce qu’on peut appeler, provisoirement sans doute, l’« échec » de la Révolution Française, comme celui, pour la métaphysique, du savoir absolu de Hegel. 4. L’époque contemporaine a) La rupture s’effectue par la philosophie à nouveau, pour autant qu’elle fixe la finitude radicale, mais, ce faisant, elle ne peut alors que se retourner contre elle-même La philosophie rompt avec le monde moderne (et avec la tradition métaphysique de Platon à Hegel) et, contre l’illusion finaliste du progrès inéluctable, elle fixe la finitude radicale, pour autant qu’elle affirme l’existence. Et donc qu’elle pose, outre la finitude radicale, la relation, avant tout certes avec l’Autre absolu, mais avec l’Autre comme tel en général, duquel vient l’identité vraie, l’autonomie réelle et créatrice. Une place est ainsi laissée effectivement pour la grâce et pour l’élection. Et le Sacrifice du Christ est reconnu, au moins implicitement, dans sa portée historique, en tant qu’il introduit la rupture la plus radicale. Cette rupture par la philosophie, en réponse au Sacrifice du Christ, dirige certes vers le savoir. Mais vers un savoir dont on exclut qu’il puisse être posé comme tel – parce que vouloir le poser ainsi (et de même l’identité et l’autonomie), ce serait contredire la finitude radicale et l’existence qu’on voulait

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affirmer. Ainsi pour Kierkegaard qui rejette tout point de départ dans la philosophie et se réclame du seul message chrétien. Pour Heidegger qui repart, lui, de la philosophie, mais finit par la dénoncer. Et pour Lévinas qui affirme à nouveau la philosophie, mais exclut d’en poser le savoir comme effectif. Et la vérité qu’il s’agit alors, pour chacun, de s’approprier dans le savoir est, non plus l’objectivité, ni même la subjectivité (c’est-à-dire le mouvement selon lequel l’objectivité va vers elle-même et s’accomplit), mais l’altérité, le fait que la vérité est d’abord en l’Autre, à l’extérieur, au-delà de toute identité anticipative, et qu’il y a à devenir sujet de cet Autre, à partir de quoi seulement peut se déployer l’objectivité. Vérité en l’autre homme sans doute, mais, en lui, d’abord de l’Autre absolument absolu, de l’Infini – même si celui-ci, comme le dit très justement Lévinas, ne veut être rencontré que dans le visage de l’autre homme. b) Une telle rupture, par la philosophie à nouveau, mais pour autant que, fixant la finitude radicale, elle se retourne contre elle-même, est fixée socialement dans l’institution de la démocratie Que l’institution de la démocratie résulte du retournement de la philosophie contre elle-même, cela se comprend en ceci: la démocratie n’est pas décisivement l’affirmation de l’autonomie de l’humain, mais l’affirmation que la vérité est d’abord en l’Autre et que c’est comme élu de l’Autre qu’on peut y accéder; au-delà de l’universel de la science que chacun peut reconstituer soi, universel en fait particularisé (sciences positives), l’universel de la démocratie est l’universel d’abord en l’Autre. C’est, chez Rosenzweig, la venue au premier plan de l’Eglise de Jean ou orthodoxie, avec, disons, l’évidence de la finitude radicale en soi et de la vérité en l’Autre, comme maître ou communauté – le christianisme en tant qu’il se tourne vers son prolongement dans l’islamisme. L’institution de la démocratie a certes des conséquences dans le monde social (que souligne notamment Tocqueville, dans De la démocratie en Amérique): développement des techniques à partir des sciences positives; perte du pouvoir politique des Eglises (laïcisation); organisation du pouvoir à partir d’élections (partis, presse. . .). Tout cela correspondant au déchaînement du capitalisme libéré des contraintes de l’Ancien Régime. Du capitalisme que, au-delà de sa justification par le libéralisme, on dénonce dans sa violence intrinsèque, et contre lequel s’élève le mouvement socialiste. Et l’institution de la démocratie a des conséquences non moins importantes pour ce qui est de l’univers. Car la démocratie est l’universel en tant que posé comme d’abord en l’Autre, et pareil universel excède inévitablement toutes les limites. D’où, au-delà des illusions de restauration du Jus publicum europeanum avec le Congrès de Vienne de 1814-1815, l’effondre-

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ment de cet ordre et l’avènement d’un nouveau droit international « indistinctement universel »38: éclosion des nationalités en Europe, décolonisation, émergence de nouvelles puissances mondiales (Etats-Unis d’Amérique, Japon, Chine, Inde. . .). c) Mais cette rupture, fixée dans l’institution de la démocratie, ne conduit pas à la fin de l’histoire – et bien plutôt à la catastrophe la plus absolue Car si le monde contemporain a fixé en quelque manière la finitude radicale, il n’a pas fixé, avec cette finitude, l’autonomie réelle sans laquelle elle ne peut être assumée. Or la finitude, toujours plus évidente dans ce monde (montée du nihilisme sous toutes ses formes), suscitera des questions auxquelles la philosophie la plus radicale de ce temps, celle qui affirme l’existence et qui ne fait que supposer l’autonomie, ne pourra pas répondre – en quoi elle est vouée politiquement à l’impuissance ou à la complaisance. Mais la philosophie en général s’engagera inévitablement dans cette réponse, ce qui conduira à une falsification de l’autonomie. Et de fait la philosophie en général, toujours là avec sa « volonté de savoir », affirmera l’autonomie créatrice de l’existence, mais sans pouvoir poser aussi la finitude radicale et la relation à l’Autre absolu, certes l’une et l’autre pourtant supposées. Ainsi Marx qui, affirmant la révolution contre l’aliénation, suppose la grâce. Nietzsche qui, affirmant la rédemption contre l’esprit de vengeance, suppose l’élection. Et Husserl qui, affirmant la conscience constituante contre l’attitude naturelle, suppose la foi. Mais toutes ces visées d’accomplir, par rupture, l’histoire réelle amènent en fait de nouveaux idéalismes, révolutionnaire, nationaliste et scientiste. Et le monde contemporain, pris entre l’évidence sociale de la finitude radicale et l’exaltation d’une autonomie et créativité abstraite, ne peut aller qu’à la catastrophe. A travers les guerres devenues mondiales. Mais précisément de par la guerre devenue totale, la disparition du justus hostis au profit du criminel et la falsification de la philosophie en idéologie. « Le partisan moderne, dit Schmitt, s’est détourné de l’hostilité conventionnelle de la guerre domptée et limitée pour se transporter sur le plan d’une hostilité différente qui est l’hostilité réelle, dont l’escalade, de terrorisme en contreterrorisme, va jusqu’à l’extermination ».39 Les « totalitarismes » divers, portés par la démocratie devenue folle, débouchant sur l’holocauste comme forme ultime de la haine contre Dieu. 38

Schmitt, Le Nomos de la terre, op. cit., p. 225. Schmitt, Carl, Théorie du partisan, trad. fr. Marie-Louise Steinhauser, publié avec Le concept du politique, op. cit., p. 213. 39

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5. L’époque actuelle a) La rupture s’effectue encore une fois par la philosophie, mais cette fois-ci parce qu’elle pose, avec la finitude radicale, l’autonomie réelle, et parce qu’elle passe outre à son retournement contre elle-même La philosophie rompt alors parce qu’elle passe outre à l’argument selon lequel on ne pourrait pas vouloir poser l’autonomie de l’existence sans contredire la finitude radicale et la relation à l’Autre; parce qu’elle voit cette autonomie posée dans la psychanalyse comme l’inconscient; et parce qu’elle a l’idée qu’elle pourra la poser à son tour. L’inconscient est, aux yeux de la philosophie, l’Autre absolu que la conscience ordinaire a, autant qu’elle le peut et dans l’épreuve, certes, de la finitude radicale, à s’approprier pour devenir conscience vraie; il est, en cela, l’identité originelle, ou encore l’autonomie, de l’existence. Et l’affirmation de l’inconscient ne passe à l’autre homme sans se fausser que pour autant que l’analyste dispense sa grâce, et notamment pose sa propre finitude radicale à soi d’humain, comme sexualité. N’en disons pas plus. Notons que la philosophie a alors l’idée pour elle-même d’une semblable grâce. Cette rupture par la philosophie s’accomplit en effet dans le savoir, dans le savoir posé comme tel, celui dont elle-même se réclame et qui est maintenant savoir de l’existence et de l’inconscient. Et la philosophie peut l’affirmer comme savoir véritable, reconnu de tous, pour autant qu’elle dispense sa propre grâce. Aux autres discours. Mais, plus décisivement, aux grandes religions qui, en dernier ressort, font valoir auprès de l’homme radicalement fini le savoir présent dans tous les discours. D’une part aux religions qui font l’histoire (judaïsme et christianisme). D’autre part aux religions hors histoire (islamisme et bouddhisme – et, de là, aux autres grandes religions de l’Asie). Et la vérité qu’il s’agit, pour chacun, de s’approprier dans le savoir est alors, non plus l’objectivité, ni la subjectivité comme ce par quoi l’objectivité va vers elle-même, ni l’altérité comme surgissement de la vérité d’abord en l’Autre, mais l’identité, l’identité vraie, d’abord en cet Autre. Identité qu’on recrée à partir de l’Autre et à partir de laquelle on recrée l’Autre, dans sa différence même, structuralement déterminée – cette différence qui, certes, surgit toujours imprévisiblement. Ainsi est atteinte l’þmünüia, la concorde visée politiquement, l’identité des hommes entre eux, et des hommes avec Dieu, autant qu’il est en eux.

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b) Une telle rupture est fixée socialement dans l’institution du capitalisme Que l’institution du capitalisme résulte de la renonciation, par la philosophie, à son retournement contre elle-même et de son affirmation de soi comme savoir de l’existence, cela se comprend ainsi: au-delà de l’universel de la démocratie – universel d’abord en l’Autre et qui ne vient dans l’existant que de cet Autre, mais universel qui peut se fausser –, il faut, pour qu’advienne l’universalité vraie, celle de l’Autre absolu vrai, ouvert à son Autre, que soit fixée socialement l’universalité fausse, païenne, celle de l’Autre absolu faux et de l’homme radicalement fini qui la veut. Ce qui se fait par l’institution du capitalisme, le capitalisme étant l’équivalent, sur le plan social, de la sexualité sur le plan individual. L’institution du capitalisme a certes des conséquences dans le monde social, puisqu’elle dénonce l’universalisme abstrait, et le particularisme ordinaire de ce qui se prétendait l’universel véritable: par rapport à la démocratie, elle ouvre, contre toute propagande, à la liberté de communication sous toutes ses formes; par rapport à la science, elle ouvre, contre toute folie des applications techniques, à la mise en question éthique; par rapport à l’Eglise, elle ouvre, contre tout fanatisme, à l’exigence de dialogue entre les confessions; par rapport à l’Etat enfin, elle ouvre, contre tout exercice arbitraire de la puissance, au droit d’ingérence et, en général, à un droit international véritable. Et l’institution du capitalisme a certes aussi des conséquences dans l’univers tout entier, qui devient lui-même réellement « monde ». C’est la « mondialisation ». Qui se caractérise par deux choses. D’une part la disparition des guerres, des guerres véritables, entre Etats ou entre factions dans l’Etat (la « guerre économique » n’est pas une guerre). D’autre part la place qu’occupe dans le nouvel ordre global Jérusalem. De cette ville se réclament les trois religions révélées et, en cela, elle est commune à toutes. Mais elle relève primordialement du judaïsme. Et, la fondation de l’Etat d’Israël étant décisive pour l’histoire, puisqu’elle marque, après l’holocauste, la reconnaissance implicite, par le peuple juif, de la divinité du Christ, il est légitime que cet Etat la revendique comme capitale. Et cependant il est tout aussi décisif de montrer que la fondation de cet Etat peut et doit être acceptée et voulue par tous (le conflit israëlo-palestinien n’est pas une guerre).

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c) Et cette rupture, fixée socialement par l’institution du capitalisme, conduit à la fin de l’histoire. Accomplissement de l’acte philosophique Car le monde social auquel on parvient alors est enfin le monde juste dans lequel l’élection, primordialement juive, l’élection par laquelle on s’engage à reconstituer la loi, est reconnue de tous, au moins implicitement. C’est en tout cas ce que doit montrer la philosophie, et qu’elle doit montrer dans toutes les figures possibles du monde social, toutes également vraies. Que ce soit le monde historique, voulu par le judaïsme et le christianisme, et où l’élection a à être reconnue explicitement par tous. Que ce soit le monde de la culture, au-delà de l’histoire (monde des religions asiatiques), où les œuvres posées comme telles (culture) supposent l’élection de leur créateur. Que ce soit le monde traditionnel, en-deçà de l’histoire, monde que fonde religieusement l’islam ou islamisme, et où Mahomet est l’élu humain par excellence. Et la philosophie proclame certes cette fin de l’histoire comme justice, mais bien plus comme amitié. Amitié qu’elle-même noue toujours davantage, puisqu’elle ne se contente pas d’être élection supposée et implicitement reconnue, mais qu’elle est élection proclamée et explicitement reconnue, et puisque l’autre homme avec lequel on entre en dialogue est, dans sa différence même, posé comme à même de recréer la loi. C’est ainsi qu’à Aristote, pour lequel « L’amitié semble constituer le lien des cités, et les législateurs paraissent y attacher un plus grand prix qu’à la justice même »,40 répond Derrida disant: « L’amitié comme philosophie, la philosophie en tant qu’amitié aura toujours été en Occident un concept en luimême indissociable ».41 L’un et l’autre reliant amitié et démocratie. Mais ce n’est pas parce qu’on est entré ainsi dans l’époque de la fin de l’histoire, que la finitude radicale a disparu, et qu’elle ne risque pas sans cesse de se manifester dans toute sa négativité. C’est ce qu’elle fait de manière extrême dans le terrorisme (« justifié » par le conflit israëlo-palestinien), mais aussi, plus discrètement, dans toutes les formes de refus (gnostique) du capitalisme. Et contre quoi il s’agit toujours de mener une lutte politique, une lutte dans laquelle joue toujours la distinction, soulignée par Schmitt, de l’ami et de l’ennemi.42 Car la démocratie n’a d’autre garantie que l’institution du capitalisme. Ou encore, la pulsion de mort est toujours là et ne sera vaincue que dans les temps messianiques.

40 41 42

Aristotle, Ethique à Nicomaque, 1155 a. Derrida, Jacques, Politiques de l’amitié, Paris 1994, p. 168. Schmitt, Le concept du politique, op. cit., p. 64.

Vom Versagen der Heilslehren und ihrer Beständigkeit Gedankliche Impressionen zu einem paradoxen Vorgang in der Moderne Stephan Sattler Dass Heilslehren versagen, ist ein Gerücht, das sich auf viele historische Beispiele stützen kann. Der Titel der Veranstaltung1 „Vom Versagen der Heilslehren“ folgt diesem Gerücht, stellt aber zumindest für Gläubige dieser oder jener Heilslehre eine Provokation dar. Auf diese zu antworten, erfordert – aus der Perspektive des Anhängers einer Heilslehre – eine über die historischen Beispiele hinausgehende Apologie. Wenn man jedoch zunächst fragt, stimmt das Gerücht überhaupt, versagen denn die Heilslehren wirklich und, da es mehrere gibt, versagen vielleicht nur einige von ihnen, dann verlässt man die Perspektive des Apologeten und begibt sich in das Feld historisch-kritischer Untersuchung. Hier spricht man dann über die Heilslehren, ihre Erfolge oder Misserfolge, ihren Verlauf in der Geschichte. Man spricht „von außen“, im Gegensatz zum Apologeten, der aus seinem Glauben an die Heilslehre heraus spricht, also „von innen“ heraus Erfahrungen und Überzeugungen, Lehren oder Argumente vorbringt. Innen- und Außenperspektive zu einem Gesichtspunkt zu integrieren, gehört zur Ambition interdisziplinärer Diskursrunden. Orthodoxie, die ihre Heilslehre verteidigt, und historisch-kritische Einstellung, die Heilslehren zum Gegenstand psychologischer, soziologischer oder geschichtswissenschaftlicher Untersuchungen macht, stehen aber zueinander im Verhältnis einer scheinbar nicht zu schlichtenden Kontroverse. Für den einen bedeutet Heil die Erlösung aus erlebter Lebensnot, die Überwindung hinfälliger Existenz, die ihm widerfährt, die sein In-der-Welt-Sein umwandelt. Für den anderen benennt „Heil“ die Vision eines Menschen oder einer Menschengruppe. In ihr wird ein erfülltes, ein glückseliges Le1 Es handelt sich bei diesem Text um die überarbeitete Fassung eines Vortrags, den ich am 17. September 2006 in Bochum während der Ruhr-Triennale im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung mit dem Titel „Vom Versagen der Heilslehren“ gehalten habe. Teilnehmer waren unter anderem: der Zeit-Herausgeber Michael Naumann, der Schriftsteller Navid Kermani, die Publizistin Carolin Emcke und der Politikwissenschaftler und Philosoph Otto Kallscheuer.

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ben in die Zukunft projiziert. Die Vision lässt sich unter ganz verschiedenen historischen und sozialen Modifikationen untersuchen. Ihre Motivation, ihre sprachliche oder sonstige Symbolisierung weisen historisch erhebliche Verschiedenheiten auf, die sich identifizieren, verallgemeinern oder typisieren lassen. Ob so etwas wie Heil eintritt, gehört zu den Fragen, die der Historiker oder Sozialwissenschaftler innerhalb seiner methodischen Vorgaben nicht thematisieren kann. Herkömmlicherweise spricht man von subjektiver Überzeugung und wissenschaftlicher Objektivität. Diese Differenz zu betonen, ist nun wiederum die Präokkupation des Philosophen. Die stillschweigende Voraussetzung, Theologen und Gläubige, Ideologen und Atheisten, Geisteswissenschaftler aller couleurs sowie Hirnund Genforscher könnten über ein und dasselbe Thema sprechen, könnten sich – auf freier, interdisziplinärer Bahn – auf einen gemeinsamen Gegenstand einigen und nicht aneinander vorbeireden, erscheint ihm als diskursethische Utopie, die nur scheitern kann. Denn die Kluft der unterschiedlichen Perspektiven lässt sich für ihn nicht überbrücken. Sie sollte vielmehr in der Reflexion bewusst gemacht werden, d. h. Eigenständigkeit und Legitimation der Innen- wie der Außenperspektive müssen für ihn anerkannt bleiben. Wer nicht orthodox sein kann, wird versuchen, sich der historisch-kritischen Perspektive zu befleißigen. Wenn er dann dem Gerücht vom Versagen der Heilslehren nachgeht, stellt sich ihm sogleich die Frage: Warum gibt es sie überhaupt, wenn sie versagen? Warum sind sie nicht schon längst vergangen? Ja, es drängt sich ihm ein neues Gerücht auf: Heilslehren mögen versagen, vergehen tun sie deshalb noch lange nicht. Ihr Versagen ist anscheinend keine notwendige Bedingung für ihre Auflösung, ihr Absterben. Geisteswissenschaftler verübeln Philosophen gerne ihre Selbstbezüglichkeit, wie sie es nennen. Sie meinen damit das Geschäft der Reflexion. Anstatt der soliden, arbeitsteiligen Quellenforschung, dem Material der Untersuchung, zu vertrauen und auf Ergebnisse loszusteuern, die sich in übersichtliche Erkenntnisse ausformulieren lassen, neigt der Philosoph zunächst einmal dazu, Fragen zu stellen. Im vorliegenden Fall würde er sich fragen, was wir eigentlich meinen, wenn wir vom Versagen sprechen. In dieser heterogenen Rederunde ist es vielleicht nicht falsch, erst einmal sich über den Gebrauch der Begriffe, die im Titel unserer Veranstaltung verwendet werden, Rechenschaft abzulegen, sich also ein wenig philosophisch zu verhalten. Wenn jemand versagt, so suggeriert es unsere Umgangssprache, dann bleibt er hinter seinen Möglichkeiten zurück, kann seinen Anspruch oder sein Versprechen nicht einlösen, erreicht also das Gegenteil von dem, was er eigentlich beabsichtigt hatte. Wer versagt, scheitert nicht einfach. Scheitern kann man an Bedingungen, die man selbst nicht zu verantworten hat.

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Versagen tut man jedoch immer selbst, hat es also selbst zu verantworten, muss es sich selbst zurechnen lassen. So viel zum Versagen, wie ich es im Folgenden verstehe. Was wäre nun unter Heilslehren zu verstehen? Hier will ich es kurz machen: Mit Heilslehren meine ich die Religionen und Ideologien. Die einen stammen aus der Zeit des 7. Jahrhunderts vor Chr. bis zum 7. Jahrhundert nach Chr., dem oikumenischen Zeitalter, wie der Geschichtsphilosoph Eric Voegelin es genannt hat (2.). Die anderen treten nach 1750 in artikulierter Form auf. Gemeinsam ist beiden, dass sie vorgeben, die Probleme des menschlichen Lebens zu lösen, ihren Projekten das Siegel der Wahrheit aufprägen, also der Geltung oder, was dasselbe ist, des Unbedingten. Die Religionen berufen sich auf spirituelle Offenbarung und überweltliche Autorität, die Ideologien dagegen auf rationale Wissenschaft und weltliche oder geschichtliche Evidenz. Beiden geht es um Leben und Tod, also ums Ganze. Die Ideologien gehen aus den Religionen hervor – trotz inhaltlich schroffer Abkehr – wie die Neuzeit oder Moderne aus der christlichen Welt Europas. Beginnen wir mit den ehrwürdigeren, weil mit Anciennität ausgestatteten. Ihr Nicht-vergehen-Wollen oder -Können währt schon recht lange Zeit.2 2 In diesem Zusammenhang verweise ich auf ein Werk Eric Voegelins, wohl die interessanteste geschichtsphilosophische Arbeit im zweiten Teil des 20. Jahrhunderts, das als Band IV seines magnum opus „Order and History“ 1974 in der Louisiana State University Press erschien. Die deutsche Übersetzung folgte 2004 als Band VIII und IX von „Ordnung und Geschichte“ in der Periagoge-Reihe des Wilhelm Fink Verlages. Der Terminus Religion wird zwar erst nach den Religionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts in Europa üblich und soll die spiritualia, im Gegensatz zu den temporalia, den weltlichen Dingen – um die ursprüngliche christliche Terminologie zu verwenden –, erfassen als irrationalen, empirisch nicht verifizierbaren, wissenschaftsfremden Bereich. Im 19. Jahrhundert bilden sich dann die Religionsphilosophie, die Religionsgeschichte, die Religionssoziologie und im 20. Jahrhundert schließlich die „integrale“ Religionswissenschaft, die im „Numinosum“ (Rudolph Otto) ihren allgemeinen Gegenstand meint gefunden zu haben. Siehe hierzu den lehrreichen Artikel von Gebhardt, Jürgen, Religion und Christentum in der humanistischen Politik der frühen Neuzeit, in: ders., Politik, Hermeneutik, Humanität, Berlin 2004. Religionen im hier verwendeten Sinn von Heilslehren reichen zurück zu den Phänomenen der mediterranen Oikumene. Darum übergehe ich auch die so genannten Religionen Asiens oder der mythischen, vor-oikumenischen Welt. Religionen als Heilslehren richten sich zunächst gegen die Welteroberungszüge oikumenischer Reiche wie dem der Achaimeniden, der Makedonier und Römer, um sich später – im Christentum und im Islam – mit dem Kaisertum zu orthodoxen Reichen, so Voegelin, zu verbinden. Über die Datierung der Entstehung des Judentums siehe die epochale Arbeit von Israel Finkelstein/Neil A. Silberman, Keine Posaunen vor Jericho, München 2003.

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Das aus den israelitischen und judäischen spirituellen Bewegungen hervorgehende Judentum, das daran anknüpfende, aber auch griechisch-philosophische Elemente aufnehmende Christentum sowie der sich diesen beiden synkretistisch anverwandelnde und aber auch neu-erfinderische Islam haben ihre Verheißungen bislang nicht eingelöst, nachdem sie die Kulte und Göttergeschichten der so genannten Heiden in der mediterranen und vorderasiatischen Oikumene sukzessive zum Verschwinden gebracht haben. Eine Verheißung, ein Versprechen nicht einzulösen, entspricht dem, was oben unter Versagen gemeint ist. Die drei konventionell so genannten Religionen verschränkt eine besondere Konstellation. Christentum wie Islam leiten ihre Herkunft aus dem Judentum, genauer der von ihm geschaffenen Bibel her, wollen es aber beide überbieten. Alle drei stehen oder fallen mit der Wahrheit ihrer Prophetie, der Autorität ihrer Propheten. Statt im verkündeten „Reich Gottes“ leben Juden, Christen und Muslime in unserem Zeitalter, das sich Moderne oder schon Postmoderne nennt, in einer Zeit, die Übermenschliches, Allzumenschliches und Unmenschliches in bisher unvorstellbarem Ausmaß hervorbringt und allem ähnelt, nur nicht dem ersehnten Heil. Das Versagen führt zwar zu Revolten, zu Austritten, zur Verweltlichung und Modernisierung erheblicher Anhängerscharen, wird aber immer noch von so vielen Menschen hingenommen, dass von einem Absterben der Religionen – dem Traum von Ideologen wie Auguste Comte oder Karl Marx – auch im 21. Jahrhundert nicht die Rede sein kann. Allein das enorme Bevölkerungswachstum seit der industriellen Revolution lässt alle Niedergangsprognosen der Religionen obsolet werden. Der Islam etwa erlebt gerade eine unvermutete Renaissance, was aufgeklärte, sich mittlerweile zu einem milden Atheismus bequemt habende Europäer in Erklärungsnot bringt. „Why do they hate us?“, fragte die Londoner Presse, nachdem in England aufgewachsene Muslime festgenommen wurden, die Attentate durchgeführt hatten. Religion, gerade weil die Areligiösen nicht verstehen, dass sie sich nach ihrem Versagen nicht auflöst, ist zum TopThema von Talkshows und Feuilletons aufgestiegen. Zum selbst verschuldeten Versagen der Religionen lassen sich einige Phänomene aufführen. Für alle drei gilt: Das Warten auf Gott will nicht aufhören. Seine glühend ersehnte Intervention in der Geschichte, sie will nicht eintreten. Er hat zwar die Welt erschaffen, die Juden oder die Christen oder die Muslime auserkoren, nur deren Erlösung lässt immer länger auf sich warten. Wann kommt der Messias? Warum muss Christus, der seine Gemeinde durch seinen Kreuzestod und durch die Taufe doch bereits in eine Erlösungsgemeinschaft verwandelte, zum zweiten Mal erscheinen?

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Warum sind nicht schon alle Menschen zum Haus des Islam bekehrt? Warum schwelgen die Ungläubigen in ihrem unreinen Leben? Kurz, wann wird die in Wehen liegende Schöpfung neu geboren und beglückt die Frommen, die Gläubigen und Gerechten? Wie kann man das Phänomen der Religionen überhaupt verstehen? Historisch-kritisch geht man gewöhnlich so vor, dass man das, was man zu verstehen versucht, aus seinen Entstehungsbedingungen heraus ableitet. Wenn also Religionen Institutionen und Traditionen ausbilden, sucht man nach deren Anfängen. Dabei hält man sich an die Selbstzeugnisse, die Religionen über ihre eigenen Entstehungsbedingungen erzählen. Alle drei nun verweisen in ihren autoritativen Texten auf eine Symbolfigur – Moses, Christus, Mohammed –, der ein besonderes Verhältnis zu Gott eigen ist, der seinerseits keine partikuläre Gottheit darstellt, sondern als Schöpfer von Himmel und Erde, von allen Lebewesen und Dingen, die denkbar universalste Instanz repräsentiert und als „Der Eine“, „Der Einzige“ oder „Der, der da ist“ benannt wird. Nur weil er universaler Schöpfer ist, kann er auch universaler Retter oder Heiler werden. Heilslehren, welche die Welt erlösen wollen, sind im mythischen Denken kein Thema. Die Symbolfiguren mögen aus weit zurückgreifenden Erinnerungen und lange Zeit gepflegten Überlieferungen heraus entwickelt worden sein, jedenfalls haben sie Funktionen und Aufgaben der Gesellschaften zu erfüllen, die sich auf sie als ihre Gründer und Stifter berufen. Vor allem gelten sie als Vorbilder in der Deutung der Welt und der Orientierung in ihr. Wegen ihrer paradigmatischen Funktion spielt ihre historisch datierbare Existenz in den autoritativen Schriften keine Rolle. In ihnen geht es vor allem darum, Kulte, Gesetze und Lebensordnungen zu evozieren, welche die sich nach ihnen ausrichtenden Gesellschaften strukturieren. Das herausragende Beispiel dafür sind die fünf Bücher des Moses, die Thora. Was sich nicht finden lässt, was aber heutigen Menschen so wichtig ist, das sind die authentischen Erfahrungen, die von historisch bestimmbaren Menschen durch sprachliche oder sonstige Symbole unmittelbar – wie aus erster Hand – zum Ausdruck gebracht werden. Es ließe sich, so die moderne Vermutung, erst dann wirklich nachvollziehen, was die antiken Autoren meinen, wenn sie von Gott sprechen. Philon von Alexandrien (etwa 13 vor Chr. bis 45/50 nach Chr.) für das Judentum, Augustinus (354 bis 430 nach Chr.) für das Christentum sprechen – relativ spät in der Geschichte ihrer Religionen – in ihren Texten als erste in der ersten Person über ihre persönlichen Erfahrungen Gottes. Dadurch werden sie für die später auftretenden Mystiker in den drei Religionen zu Vorbildern. Philon wie Augustinus sprechen aus der Innenperspektive heraus. Doch bei genauer Lektüre fällt auf, dass sie sich dabei an den

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Narrativen gott-menschlicher Begegnungen orientieren, die etwa den Propheten Jeremias oder Jesaja in den nach ihnen benannten Schriften zugeschrieben werden, jedoch von anonymen Autoren, Redaktoren, Kompilatoren verfasst wurden. Was die drei Religionen aus der antiken mediterranen Oikumene betrifft, so hat sich der romantische Traum nicht erfüllt, durch modernste, durchreflektierteste Mittel der Forschung gelange man an die unverfälschten, nicht durch Überlieferungsschichten überlagerten Quellen unmittelbarer, authentischer Gotteserfahrung. Vielmehr wird in den authoritativen Texten der drei Religionen über Gott und seinen Gesandten in gegenständlich distanzierender Form berichtet, also aus der Außenperspektive heraus. In dritter Person werden sie zu Subjekten von Aussagen, Inhalten von Lehren. Die Rede ist davon, was einem besonderen, einem erwählten Menschen widerfuhr – aus der Sicht des Berichterstatters, des Erzählers. Offenbarung und Erfahrung, Epiphanien und Theophanien werden nicht als unmittelbare Ereignisse, als Erlebnisse einer definitiven Person präsentiert, sondern, durch die Instanz des anonymen Autors, in Narrativen vermittelt. Dabei passt er sich der Rezeptionsfähigkeit seiner Adressaten, der Gläubigen und Anhänger an. Diese scheinen gar nicht an unmittelbaren Erfahrungen ihrer Propheten, ihrer für sie maßgebenden Autoritäten interessiert zu sein, folgt man der Intuition der heiligen Schriften. Hier scheint das moderne Motto „Nur unmittelbare Erfahrung kann nicht täuschen“ wenig zu bedeuten. Die Adressaten von damals haben sich wohl mit der Darstellung aus zweiter Hand, dem Glaubensakt aus zweiter Hand zufriedengegeben. Die Anerkennung der Autoritäten, der Glaube an ermächtigte Autoren, Erzähler, „Schriftgelehrte“ scheint ihnen zu genügen. Jedenfalls wird ein Bedürfnis nach Unmittelbarkeit, nach Gotteserfahrung in den kanonisierten Schriften nicht ins Spiel gebracht. Den Autoritäten liegt nun noch an einer zweiten Form der Vermittlung, den Auslegungen und Kommentaren der Schriften. Die Heilslehre im eigentlich Sinn von Lehre, von doctrina, wird geschaffen und als Feld theologischer Argumentation erschlossen. Die dabei vorherrschende, objektivierende und verallgemeinernde Rede über Gott und Mensch etabliert – on the long run – ein Medium von Argument und Gegenargument. Klaffen nun Geist und Buchstabe zu weit auseinander, um an eine Unterscheidung des Paulus anzuknüpfen, rückt die autoritativ verbürgte Erfahrung gott-menschlicher Kommunikation ins Unbewusste, regen sich Zweifel und Unglaube. Die Gottesleugnung erhält auf einmal eine zuvor nicht denkbare Aufwertung. Allein im Medium der Argumente gilt sie so viel wie der Gottesglaube. Ein trockenes Versichern gilt so viel wie ein anderes, bemerkte Hegel. Im Christentum etwa bildet sich die doctrina, eine nach stoischem und platonistischem Vorbild entfaltete Argumentationsform aus. Damit soll die

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Wahrheit des Evangeliums in einer multikulturellen Oikumene mit vielen rivalisierenden Bewegungen und häufigen politischen Katastrophen in ihrer Identität geschützt und eingehegt werden. Jeder, der Verstandes genug ist, soll der Plausibilität dieses Verfahrens Glauben schenken. Im Judentum und im Islam liegt die Emphase mehr auf rechtlicher oder gesetzlicher Fixierung, der die ganze Autorität zufällt. Gesetz, Doktrin und die jeweiligen Exegese-Formen der überlieferten Schriften unterliegen wie alles Menschliche aber der Vergänglichkeit, müssen also immer wieder neu tradiert und gedeutet werden, was dem ganzen Unternehmen eher schadet, weil es an die Vergeblichkeit der Bemühungen erinnert. Die Religionen haben aber nicht nur versagt durch den Mangel des unmittelbaren Zugangs zu Erfahrungen Gottes oder des Göttlichen, einem an sich Unaussprechlichen, wie stets betont wird, auch nicht durch Authentizitätsverluste, wie viele moderne Kritiker vermuten. Nein, sie gerieten historisch darüber hinaus in Situationen, in denen sie sich selbst verraten haben. Die Eroberungszüge der Getreuen Mohammeds, die Kreuzzüge der Christen, die Guerillataktiken der Zeloten im Jüdischen Krieg – das waren Gewaltexzesse, die an dem Erlösungswerk Zweifel aufkommen ließen, Abkehr ehemaliger Gläubiger provozierten und später zur Spaltung in sich gegenseitig ausschließende oder gar verfolgende Strömungen führten, was schließlich in Europa die Gegenbewegung der religionsneutralen politischen Regime nach sich zog. Diese Geschichte der Heilslehren vor allem hat ihrer Überzeugungskraft geschadet. Die Fixierung auf Gesetz und Doktrin war zudem stets neuen geschichtlichen Situationen und Ereignissen ausgesetzt. Der Kirchenvater Augustinus behauptete etwa mit der ganzen Autorität seiner Bibellektüre, das Zeitalter, in dem er lebe, das sechste, sei das saeculum senescens, das alternde und das letzte vor dem tausendjährigen Reich und den dann einsetzenden eschatologischen Ereignissen. In sechzehn Jahrhunderten erlebte die Erde jedoch in Schüben eine Explosion technischer Errungenschaften, wissenschaftlicher Forschung und im letzten Jahrhundert eine Vermehrung der Erdbevölkerung, von der sich ein Mensch um 400 nach Christus keine Vorstellungen machen konnte. Christentum und Neuzeit sind unter den harmonietechnischen Voraussetzungen einer Heilslehre kaum zu versöhnen. Augustinus’ Zeitalterspekulation mutet heute absurd an – dennoch: Die Spekulation mit Zeitaltern, mit einem Anfang der Geschichte, die unilinear bis zur Gegenwart des Autors verläuft, ist eine feste Form geblieben, die wie die Gestalt der Lehre oder Doktrin von den modernen Ideologien übernommen wurde. Zu nennen wäre Auguste Comtes Dreizeitalterlehre vom Mythos, der Metaphysik und der Wissenschaft. Warum aber vergehen die Religionen nicht?

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Weil ihre Traditionen, ihre Doktrinen und Gesetzesauslegungen immer noch viele Menschen an sich binden. Religionen versprechen das ewige Heil, sie relativieren den Tod und sie erfassen aus jahrhundertelanger Erfahrung das Gemüt ihrer Anhänger. Aber es ist nicht nur Sentimentalität im Spiel. Ideologien, die versuchten, an die Stelle der Religionen zu treten, sie zu ersetzen, haben sie bisher nicht verschwinden lassen, weil sie letztlich machtlos sind, wenn über Sinn und Unsinn des Todes nachgedacht wird. Die vage Aussicht, durch avancierte Medizin den Tod abschaffen zu wollen, tröstet die Menschen in ihrer momentanen Angst vor dem Tod keineswegs. Ewiges irdisches Leben erschreckt übrigens ebenso. Kommen wir also zu den Ideologien. Hier kann ich mich kurz fassen, weil sie als Phänomen bekannter, weil sie moderner sind und nicht so weit in die Vergangenheit zurückreichen. Bei aufgeklärten Agnostikern und Hedonisten unserer Gegenwart lösen sie keine Gefühle des Befremdet-Seins oder des Unverständnisses aus. Progressivismus, Nationalismus, Liberalismus, Konservativismus, Sozialismus, die eher politischen Ideologien, daneben Positivismus, Szientismus, Marxismus und so weiter haben Auf- und Abschwünge erlebt. Nichts von ihren Visionen und Utopien hat sich realisiert. Philosophisch und wissenschaftlich sind sie längst erledigt, weil sie stets Wahrheiten behaupteten, die kritischer Überprüfung oder dem Realitätstest nicht standhielten. Sie haben immer mehr zu wissen behauptet, als sie überhaupt wissen konnten. In ihrem Namen wurden aufgrund der technischen Möglichkeiten Massenverbrechen begangen, die alles übertreffen, was Dante sich an Höllenvisionen ausmalen konnte. Dennoch: Trotz des offensichtlichen Versagens des sowjetischen Kommunismus und des deutschen Nationalsozialismus – beides, bekennende Kommunisten und Nationalsozialisten gibt es heute noch immer. Ihre einstige Machtposition haben sie räumen müssen, aber es glauben noch immer viel zu viele Zeitgenossen an den Rassen- oder Klassenkampf, an arische Weltherrschaft oder kommunistische Gesellschaft. Ich sagte, Religionen und Ideologien versagen, aber vergehen nicht. Warum meine ich das? Hier in Bochum lehrte einmal der Philosoph Hans Blumenberg, der in seinem Buch „Die Legitimität der Neuzeit“ guten Mutes das Argument stark zu machen versuchte, Ideologien werden längerfristig einem vernünftigen, moderaten Umgang des modernen Menschen mit seinen Wissens- und Handlungsmöglichkeiten Platz machen. Daniel Bell, der amerikanische Soziologe, meinte schon 1959, so etwas wie das Ende der Ideologien voraussehen zu können. Francis Fukuyama sah dann schon das Ende der Geschichte in einer globalen Ausbreitung liberaler Demokratie nahen. All die-

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sen gut gemeinten Visionen möchte ich die Beständigkeit der Religionen und Ideologien entgegenhalten – ob man das nun als Skandalon empfindet oder nicht. Gewiss, einige erleben zwischendurch Einbrüche. War nicht dem sunnitischen Islam mit dem Ende des Kaliphats 1924 die Endrunde angesagt worden? Wie vital aber ist sein Comeback! Wie schnell wachsen seine radikalen Bewegungen! Hat nicht Marx gemeint, das Opium fürs Volk, die Religionen befänden sich im Absterben? Heute wissen wir, dass die Procreationsrate der Frommen der drei oben genannten Religionen die der aufgeklärten Bildungsschichten im Westen – und wo sie noch verstreut leben mögen – längst übertreffen. Zurück zu den Ideologien: Tony Judt, ein New Yorker Trüffelschwein des Zeitgeistes, nennt kürzlich einen Artikel „Marx the Making of a Comeback“ (The New York Review of Books, September 2006). Ist nicht die EU in Frage gestellt, weil die Mitgliedsstaaten – wahrscheinlich übertreibe ich jetzt – Europa längst als Kampfplatz entdeckt haben, um ihre nationalen Interessen gegen andere durchzusetzen? Klingen nicht Appelle an den europäischen Gemeinsinn immer hohler angesichts der neuen Nationalismen? Ist nicht die Rede von der postnationalen Konstellation längst durch patriotische Selbstwohlgefühle überlagert? Der Nationalismus ist die Religion der „secular people“, der Areligiösen. Was bliebe ihnen übrig, woran sie glauben könnten, nähme man ihnen die Nation, das kollektive Wesen weg, in dem ihre Einzelexistenz ihren Halt, ihren Daseinsgrund finden soll? Nationalismus ist sicher die vitalste moderne Ideologie. Dagegen erfüllen Konservatismus und Liberalismus kaum noch die Funktion einer Ideologie, nämlich ein die Welt insgesamt deutendes System mit absolutem Anspruch durchzusetzen. Sie dienen heute vor allem als Korrektive innerhalb größerer politischer Bewegungen, sei es als Bremser zu heftiger Modernisierungen, sei es als Antreiber zur Reform erstarrter gesellschaftlicher Zustände. Konservatismus und Liberalismus ziehen schnell den Verdacht auf sich, hinter der Beschwörung des Staates oder des Marktes, also eines allgemeinen Prinzips, partikuläre Interessen zu verfolgen. Dennoch: Beide überleben, wenn auch in Schrumpfformen, als sich gegenseitig Konkurrenz machende Pragmatismen. Die Ideologie des Szientismus, der Wissenschaftsglaube, die Einstellung, dass die Naturwissenschaft alles Wissen gepachtet hätte und die Moderne ausmacht, auch die Mischung aus Evolutionstheorie und Gehirnforschung, wie sie der bekennende Darwinist Daniel C. Dennett in auflagenstarken Büchern propagiert, feiert heute Triumphe in den Zeitschriften „Nature“ und „Scientific American“ wie in den Wissenschaftsteilen deutscher Zeitungen. Ernst Haeckels Monismus redivivus – möchte man meinen. Welches Inte-

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resse steht hinter diesen Strategien, die etwa alle mentalen auf neuronale Prozesse zurückführen wollen? Warum dieser Reduktionismus? Weil er dem Bedürfnis nach einem geschlossenen physikalischen Wirkungszusammenhang nachkommt, der alles enthält und alles erklären kann, was „es gibt“. Die Geschlossenheit dieses Zusammenhangs ist natürlich kein Resultat der Forschung, sondern ein Postulat, und zwar nicht eines Wissenschaftlers, sondern eines Anhängers der wissenschaftlichen Weltanschauung. Letzterer will das Interesse an kontinuierlicher Ausweitung unserer Naturbeherrschung, unserer Zugriffsmöglichkeiten – für die Religionen ein Anathema – für genauso notwendig wie realisierbar konstatieren. Die Entdeckung der Abhängigkeit seelischer Zustände, zum Beispiel Schmerzen, von physischen Prozessen eröffnet uns die Möglichkeiten der Manipulation dieser Zustände. Alle so genannten anthropozentrischen Weltbilder werden im Unterschied zu den theozentrischen, die auf die Intervention Gottes setzen, von einer libido dominandi angetrieben, einem Trieb nach Naturbeherrschung. Naturbeherrschung führt jedoch immer auch zur Menschenbeherrschung. Der Mensch als „Herrscher und Besitzer der Natur“, wie Descartes sagte, dieses Postulat kann immer auch als Aufforderung zum Verbrechen verstanden werden. Die den Szientismus als Heilslehre wirklich diskreditierenden Untaten stehen uns, so fürchten nicht wenige, eher noch bevor. Meine Schlussthese: Heilslehren vergehen nicht, weil Menschen ihrer bedürfen, weil die Form ihrer Präsentation durch Doktrin, Gesetz, Kult, Wissenschaftssysteme, kurz Wahrheitsdrogen, derart ausdifferenziert worden ist und alle Ausbildungs- und Bildungsinstitutionen wie die Medien erfasst hat, dass ihnen so gut wir gar nicht zu entkommen ist. Trotz der Dogmatomachien, der Religions- und Ideologiekriege, die Heilslehren scheinen nicht kaputtzugehen. Gegen ihren Wahrheitsfuror mutet Skepsis im sokratischen Sinne wie ein hoffnungsloser Fall an. Weil die Menschen nicht geheilt, nicht im Besitz der Wahrheit und nicht erlöst sind, weil sie Mächten, Kräften und Prozessen ausgesetzt sind, die ihr Leben stets in Frage stellen, suchen sie Halt in der Verkündigung des Heils. Das besorgen die Verkünder religiöser und ideologischer Wahrheit, die Manager der Heilslehren, die vom Kuchen der Offenbarung oder der Wissenschaft essen, aber stets darauf achten, dass er ihrer Kontrolle nicht entrissen wird. Das macht ihre Geschichtsmächtigkeit aus. Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat über seine Wissenschaft der Logik verkündet: „Dieses Reich ist die Wahrheit wie sie ohne Hülle an und für sich selbst ist. Man kann sich deswegen ausdrücken, dass dieser Inhalt die Darstellung Gottes ist, wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist.“ Das ist der Gipfel alles menschlichen Wissens! Dieser Spiritualismus muss bei seinen Anhängern ein Ge-

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fühl der Überlegenheit über alle Realität auslösen, die sich dessen Anspruch nicht fügen will. Die moderne ideologische Konstruktion eines Systems will die endgültige Wahrheit enthalten und der widerstrebenden Wirklichkeit aufgezwungen werden. Wie viele Vollstrecker dieser modernen Heilslehren, trunken von den Bildern einer transfigurierten Welt der Freiheit, der Glückseligkeit, des unvergänglichen Heils haben die Welt, die sich sträubte, mit Gewaltakten, KZs und Massenmorden in Ordnung bringen wollen? Alle Heilslehren hatten bislang jedoch ein Problem: Man sollte das Heil erst nach dem Tod oder in weiter Zukunft erlangen, also eine Grenze überschreiten, wovon noch keiner bisher unter die Lebenden zurückkehrte. Der eindeutige Beweis für die Wahrheit der jeweiligen Heilslehre konnte bislang nicht erbracht werden. Nicht überzeugender ist jedoch, was moderne Ideologen unternehmen: Sie blenden den Tod, den eigenen wie den Tod überhaupt, aus oder erklären ihn als Nebensächlichkeit, die das Erlösungsprojekt nicht aufhalten kann, wenn sie nicht überhaupt die Frage nach dem Tod für sinnlos erklären. Leider bleibt auch für den aufgeklärten, modernen Menschen der Tod stets der Motor der Angst, der die Heilslehren herbeizuzwingen scheint. Das Bewusstsein des Todes bleibt der Grund, warum Heilslehren nicht vergehen. Sie mögen historisch versagt haben; aber wer bringt es fertig, ohne Religion, ohne Ideologie zu leben, ohne allgemein geltende Deutungen der Welt, ohne Orientierung in ihr. Eine Alternative dazu wäre der Mystiker, der Athlet der unmittelbaren Gotteserfahrung, den nicht einmal das Wissen vom Tode schreckt. Wir beschwören ihn gerne als Heroen, weil wir uns nicht zutrauen, einer wie er zu werden. Vielleicht will man auch nicht als Hanswurst der Mystik erscheinen. Wollen wir uns wirklich darauf einlassen, die Außenperspektive zu verlassen? Oft bringen wir die Furcht vor dem Irrtum als kluge Ausrede vor, wenn wir uns schonen wollen vor dem Bewusstwerden unserer Innenperspektive. Wir müssten sie in mühsamen Meditationen gedanklich erproben. Das aber ist weitaus komplizierter, als in der Außenperspektive zu verharren, wie es jede am Wirklichkeitsmodell der Gegenständlichkeit orientierte Wissenschaft, aber auch jede Doktrin und jede Erzählung tut. Es garantiert allemal mehr Zustimmung bei anderen Menschen, wenn man über etwas spricht, sich über etwas unterhält, sich über etwas bewusst wird oder von etwas erzählt. Über das gegenständlich Distanzierte lässt sich – durch gemeinsam verabredete Methoden, gemeinsam anerkannte Argumente, Beweise oder Analogien – unter den Mitmenschen sehr viel leichter Verständigung erzielen, als wenn man das Medium des Gemeinsamen verlassend von sich selbst, von den eigenen Erfahrungen, davon, was das Selbstsein ausmacht, spricht und sei es zuvor noch so gründlich durchdacht worden. Gegenstandsbezug ist konsensträchtiger als Selbstbezug.

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Was wir durch die Wahrnehmungen unseres Innenlebens artikulieren, konstituiert uns aber als Person. Personen sind immer auch Menschen. Doch was uns als Personen ausmacht, ist uns unmittelbar gegeben. Niemand kann uns darin vertreten, ja wir können nicht einmal planen, so zu sein, wie wir sind. Das Einzigartige unseres Person-Seins ist jedoch zugleich ein Hindernis für die Kommunikation. Wer sich auf seine Erfahrung beruft und damit seine Wahrhaftigkeit betont, darf sich nicht wundern, wenn sein Gegenüber sich seinerseits auf die Authentizität seiner Erfahrung bezieht. Das Berufen auf Erfahrung, die bewusste Thematisierung der Innenperspektive garantiert keineswegs Einhelligkeit. Im Gegenteil: Aufgrund der Eigenheit der jeweils betreffenden Person wird Uneinigkeit vorauszusetzen sein. Die daraus sich ergebende Aporie – die sich der Wahrhaftigkeit ihrer Erfahrung gewisse Person stößt auf die Ungewissheit, ob andere Personen ihr überhaupt zustimmen, ihre Erfahrung teilen und deren Wahrhaftigkeit bestätigen können – lenkt einen wieder in die Richtung derjenigen Verständigungsweisen, wie sie üblich sind, wenn wir uns in der Außenperspektive zur Erörterung von Themen oder Gegenständen bereitfinden: den propositionalen Einstellungen. Von der Unmittelbarkeit geraten wir wieder zur Vermittlung. Dass beides, Innenperspektive und Außenperspektive, gar nicht reinlich voneinander getrennt werden kann, war die Einsicht Hegels. Beides ist zu unterscheiden, aber nicht gegeneinander auszuspielen. Beides unterliegt dem Prozess der Dialektik. Von Hegel stammt auch die Feststellung: Die Furcht vor dem Irrtum ist schon der Irrtum selbst. Aber damit gerate ich in eine neue Verlegenheit, die hier nicht weiter behandelt werden kann.

Wissenschaft, Ethik, Politik: unabhängige Sphären Roberto Racinaro Die Beziehung zwischen Philosophie (Wissenschaft), Ethik und Politik ist nicht immer gleich und bleibt auch den Zeiten und der Geschichte gegenüber nicht gleichgültig. Man betrachte die antike polis: eine exemplarische Welt, da in ihr Teilungen und Spaltungen ausbleiben. Bezeichnend ist die Art, in der der Bürger der polis, auch malerisch, dargestellt wurde: Mit einer Hand hält er den Pflug, mit der anderen das Schwert. Er ist der Bürger einer ungeteilten Welt. Die Philosophie ist erste Philosophie. Sie erforscht das Sein als Sein: quod quid erat esse. Sie dient zu nichts: sie ist ein Zweck an sich. Die Politik ist zusammen mit der Ökonomie und der Ethik Teil eines einheitlichen Organismus: Sie fällt in den Bereich, den Aristoteles als das Geflecht der praktischen Philosophie definiert. Heute ist es nicht mehr so. Man neigt dazu, die Philosophie sowie die Ökonomie, die Ethik und die Politik als Wissenschaften/Fachpraktiken zu interpretieren, die damit jeweils in ein Fachgebiet fallen. Die Wissenschaft ist ein Beruf mit den Tugenden und Fehlern, die Max Weber schon in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts angedeutet hatte. Die Philosophie, als erste (und letzte) Wissenschaft – um noch einmal kurz auf Aristoteles zurückzukommen – bezeichnet die höchste Tätigkeit, die es geben kann. Alles, was Mittel ist, ist einem Zweck untergeordnet. Die Philosophie ist Mittel für nichts. Sie dient zu nichts, wie es manchmal sehr grob ausgedrückt wird. Das heißt: Sie ist ein Zweck an sich. Das ihr gewidmete Leben – das glückselige Leben,1 das die Philosophie an die Theologie heranrückt – ist die höchste Lebensform, die es gibt. In der modernen Welt ist es nicht mehr so. Die moderne Welt ist die Welt der Teilungen. Wer das Schwert trägt, hält nicht mehr den Pflug, und umgekehrt. Wer für sich arbeitet, befasst sich nicht mehr mit dem Ganzen (der polis), dem Staat. Das öffentliche Leben ist vom privaten getrennt. Das eine ist der citoyen, das andere der bourgeois, erklärt Rousseau.2 1

Vgl. Ritter, Joachim, Metaphysik und Politik, Frankfurt a. M. 1969, S. 57 ff., S. 106 ff. 2 Was den Ausdruck Cité betrifft, sagt Rousseau: Die Mehrheit der Menschen prennent une ville pour une Cité et un bourgeois pour un Citoyen: Rousseau, Jean

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Aber einige Veränderungen sind schon vor dem 18. Jahrhundert sichtbar. Aristoteles, wie schon zuvor angedeutet wurde, führt die Idee und das Konzept der praktischen Philosophie ein. Sie hält sich, auch nach dem Tod von Aristoteles, über viele Jahrhunderte hinweg: in der deutschen Kultur bis zum 18. Jahrhundert, ganz zu schweigen von den revival des 20. Jahrhunderts, die wahrscheinlich von der Hermeneutik Gadamers3 angeregt wurden. Hier lässt die „Begriffsgeschichte“ viele Interpretationsmöglickeiten zu.4 Man denke an den Begriff der Revolution. Der Begriff der Revolution existiert schon in der antiken Welt. Man betrachte den aristotelischen Begriff der Stasis, dessen doppelter Sinn5 schon für sich bezeichnend ist. „Revolution“ bedeutete jahrhundertelang Revolutio im astronomischen Sinn von Umlauf. Der Übergang von der Monarchie zu einer aristokratischen Regierungsform und, von dieser, zu einem demokratischen Modell, bringt keine „Revolution“ im modernen Sinn mit sich. Er bringt tatsächlich nur Unterschiede in der Anzahl, also quantitative Unterschiede mit sich und keine Unterschiede in der Qualität, keine revolutionären Sprünge.6 Er ist ein einfacher Umlauf. Der Begriff der Revolution nimmt die Bedeutung des politischen Umsturzes, den er für uns weiterhin hat, erst nach Kant7 an. Oder, man denke noch einmal über den Begriff der bürgerlichen Gesellschaft nach, der erst nach Hegel – Leser von Adam Ferguson und Adam Smith – die prägnante Bedeutung annimmt, die er dank seines Bezugs zur Welt der (geteilten, parzellierten und daher „abstrakten“) Arbeit, der Produktion und des Austausches hat.8

Jacques, œuvres complètes, t. III, Du contrat social – Écrits politiques, Paris 1964, S. 361. 3 Dazu vgl. verschiedene Beiträge in Riedel, Manfred (Hrsg.), Rehabilitierung der praktischen Philosophie, Freiburg 1974. 4 Koselleck, Reinhardt, Vergangene Zukunft, Frankfurt a. M. 1979; dazu vgl. Auciello, Giuseppe Nicola (Hrsg.), Storia dei concetti e semantica storica, Napoli 1990; Chignola, Sandro/Duso, Giuseppe (Hrsg.), Storia dei concetti: Storia del pensiero politico, Napoli 2006. 5 Schmitt, Carl, Politische Theologie II, Berlin 1984. 6 „Die alte Einteilung der Verfassungen in Monarchie, Aristokratie und Demokratie hat die noch ungetrennte substantielle Einheit zu ihrer Grundlage [. . .] für jenen Standpunkt der alten Welt ist daher diese Einteilung die wahre und richtige; denn der Unterschied als an jener noch substantiellen nicht zur absoluten Entfaltung in sich gediehenen Einheit ist wesentlich ein äußerlicher und erscheint zunächst als Unterschied der Anzahl [. . .] derjenigen, in welchen jene substantielle Einheit immanent sein soll“ (Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 273). 7 Racinaro, Roberto, Rivoluzione come riforma. Filosofia classica tedesca e rivoluzione francese, Milano 1995.

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Die Modernität entsteht – lange vor dem 18. Jahrhundert – unter dem Zeichen zweier Denker: Machiavelli und Hobbes. Sie entsteht unter dem Zeichen der Trennung von Politik und Moral. Machiavelli wird oft als Stammvater des politischen Realismus betrachtet. Eine Klassifikation, der man zustimmen kann, aber unter der Bedingung, dass man bereit ist, auch willkommene Überraschungen zu akzeptieren. Unter dem gleichen Stichwort finden sich Denker, die gewöhnlich als Idealisten gelten: von Hegel bis Croce. Indessen ist es gewiss kein willkürlicher Akt, Machiavelli in die Kategorie des politischen Realismus einzuordnen. Für Machiavelli bezeichnet die Politik einen komplexen, mehrteiligen Organismus, in dem gute Gesetze allein nicht genügen, sondern ebenso gute Waffen (fügt Machiavelli hinzu) unerlässlich sind. Diese Erklärung kann vieles bedeuten. Zum Beispiel, dass das Gesetz – auch wenn man anerkennt, dass sich Machiavelli hier auf moralische und nicht auf juridische Gesetze bezieht – der Wirklichkeit bedarf. Das Gesetz verwirklicht sich nicht von allein. Oder, es kann noch allgemeiner bedeuten, dass sich die Welt des Seins von der des Sollens unterscheidet, wenn nicht sogar vollkommen trennt (Kant). Und die Politik sollte man nicht mit den Fragen verwirren, die zur Sphäre der Moral gehören; man sollte sie nicht in die verführerischen, aber für sie tödlichen Windungen des Sollens verwickeln. Alle erinnern sich an die „verrufenen“ Argumentationen des Kap. XVIII des Principe. Dort, wo Machiavelli erklärt, dass es zwei Arten zu kämpfen gibt: die eine, die sich die Gesetze zunutze macht, und die andere, die sich der Gewalt bedient. Die erste Art ist dem Menschen eigen; die zweite eher dem Unmenschen, der etwas Tierisches in sich hat: weil jedoch die erste Art oft nicht ausreicht, ist es nötig, auf die zweite zurückzugreifen“. Der Fürst muss beide Kampfarten kennen. Das haben auch die alten Autoren anerkannt, als sie sagten, dass die Fürsten der antiken Welt für ihre Erziehung – beginnend bei Achilles, der vom Zentaur Cheiron erzogen wurde – Lehrern anvertraut wurden, die halb Mensch und halb Tier waren: „Einen Lehrer zu haben, der halb Mensch und halb Tier ist, will nichts anderes bedeuten, als dass ein Fürst die eine und die andere Natur zu gebrauchen weiß: und die eine ist ohne die andere nicht von Dauer.“ Der Gebrauch der Metaphern – in diesem Fall die wohlbekannte Metapher des Zentaur – beginnt gewiss nicht mit Machiavelli. Schon in der anti8 Vgl. Racinaro, Roberto, Rivoluzione e società civile in Hegel, Napoli 1972; ders., „Staatsökonomie“ e dimensione della politica in Hegel, in: Salvatore Veca (Hrsg.), Hegel e l’economia politica, Milano 1975, S. 79–126.

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ken Philosophie wurden sie zahlreich verwendet. Man denke an die platonische Idee des Herrschers als Steuermann, als kybernetes. Aber kommen wir nun zurück zur Moderne, zu Hobbes und seinen Symbolen, seinen großen Metaphern: Leviathan und Behemoth, das Landungeheuer und das Seeungeheuer. Das erste: „der sterbliche Gott, dem wir, unter dem unsterblichen Gott, unseren Frieden und unsere Verteidigung verdanken“ (Leviathan, XVII): Das ist das außergewöhnliche Hobbes’sche Theorem, das in seinem extremen Realismus die entropische Tendenz der Politik offenbart, ihren selbstauflösenden Hang in ihrer exhaustiven Auflösung in Macht. Und andererseits das Ungeheuer Behemoth, das im Buch Hiob zitiert wird und die Unordnung verkörpert, die das Gegenstück zum Leviathan ist. Es entsteht, um dem Ersten ein Ende zu setzen und um den Bürgern (gegen Gehorsam) die Lebenssicherheit zu garantieren. Die Unordnung – in Form von Revolte, Revolution, Religionskrieg oder Bürgerkrieg – quält Hobbes’ Reflexion schrecklich. Und der Titel seines Werkes, das dem Seeungeheuer gewidmet ist, wird im 20. Jahrhundert wieder zurückkehren, wenn ein großer Jurist und Politologe seine Reflexionen dem Nazistaat widmen wird.9 Das Endergebnis der Institution des sterblichen Gottes ist dennoch nicht die Schöpfung eines machroanthropos, eines großen Menschen, sondern die einer „großen Maschine“, eines Staates–der–Gesetze, der genau deshalb ein Maschine-Staat ist. Es ist im Übrigen kein Zufall, dass das zweite Prinzip, laut dem „auctoritas, non veritas facit legem“,10 auf Hobbes zurückgeht: ein, im Wesentlichen, liberales Prinzip (abgesehen von der Hobbes’schen Überzeugung von der Vorherrschaft des Königs über das Parlament); das also zumindest am Anfang dazu bestimmt war, die Freiheit zu fördern. Das Gesetz wird nicht nach dem Modell der Wahrheit, der Moralität, der Schönheit, der Gerechtigkeit usw. erarbeitet; es wird, viel bescheidener, von Menschen gedacht und bestimmt, die, wenn sie die „Kompetenz“ (die auctoritas, da sie zum Beispiel in einem demokratisch-parlamentarischen Staat als Parlamentarier regelmäßig von den Bürgern gewählt werden) haben, daraus ein Gesetz machen. Der Unterschied ist nicht von geringer Bedeutung. Im Gegenteil, er ist, er kann umwälzend sein. Wenn das Gesetz etwas ganz Menschliches ist, 9 Neumann, Franz, Behemoth. The Structure and Practice of National Socialism, New York 1942. 10 Hobbes, Thomas, Leviathan, Kap. XXVI. Das Thema taucht immer wieder in Hobbes auf, vom jungen bis zum reifen Hobbes, im Aufsatz A Dialogue between a Philosopher and a Student of the Common Law of England betitelt.

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dann ist derjenige, der es verletzt, ein Verbrecher, ein Übeltäter, dessen Verbrechen bestraft wird. Mit einer bestimmten Strafe, die dem Schaden, den die Gesellschaft erlitten hat, angemessen ist. Wenn das Gesetz nach dem Gesetz Gottes gemacht wird, ist derjenige, der es verletzt, schlechter als ein Verbrecher, er ist ein „Sünder“, der etwas ganz Anderes als die Ordnung der Menschen erschüttert hat. Welche Strafe kann man über einen Sünder verhängen? Welche Strafe ist einem solchen Verbrechen angemessen? Die Säkularisierung des Rechts zeigt sich, in ihren Folgen, am deutlichsten im Bereich des Strafrechts. Beccaria erlangt die Bedeutung, die er in der modernen Welt hat, gerade weil er mit großer Klarheit das Universum des Strafrechts von dem der Theologie und der Moral trennt,11 wie seine von der Inquisition mehr oder weniger beeinflussten Gegner, beginnend bei Ferdinando Facchinei,12 sofort durchschauen. Es gibt viele Profile, unter denen der historische Prozess, auf den hier angespielt wird, von außerordentlicher Bedeutung ist. Hier wollen wir eines von ihnen hervorheben: der Aspekt der Trennung des Wissens – das Recht, das von der Moral getrennt ist, und diese wiederum von der Ökonomie (wir lassen gerade die Epoche hinter uns, in der der Begründer der klassischen politischen Ökonomie, der Autor der Ricchezza delle nazioni ein Professor der Moralphilosophie sein kann).13 Ab dem 20. Jahrhundert erschöpft sich der liberale Impuls, der mit der Trennung der ethischen/moralischen Ebene von der politischen Ebene (diese beiden Ebene sind in der aristotelischen praktischen Philosophie verschmolzen) verbunden ist. Die Trennung von Politik und Moral ist fadenscheinig. Man sieht ihre Grenzen. Max Weber14 bemerkt seit den Jahren des Ersten Weltkrieges die gefährliche – und gefährlich autoreferenzielle – Tendenz, die von der Politik „als Beruf“ angenommen wird: wenn 11 Venturi, Franco, Utopia e riforma nell’Illuminismo, Torino 1970; Racinaro, Roberto, Colonne infami. Presente e passato della questione giustizia, Venezia 2000. 12 Vgl. Beccaria, Cesare, Dei delitti e delle pene, hrsg. von Franco Venturi, Torino 1965, S. 164. 13 Der Lehrstuhl „Staatsökonomie“ wurde an der Universität Neapel im Jahre 1754 eingeführt. Der Lehrstuhl wurde vom Philosophen Antonio Genovesi angenommen. Gleichnamiger Lehrstuhl wurde wenig später an den „Scuole Palatine“ (Mailand) eingeführt und von Cesare Beccaria angenommen. Die Problemstellung, wovon die Rede ist, betrifft offenbar den Entstehungsprozess der Fachwissenschaften. Vgl. Demarco, Domenico (Hrsg.), Studi in onore di Antonio Genovesi nel bicentenario della istituzione della cattedra di Economia, Napoli 1956, und insbesondere: Genovesi, Antonio, Scritti economici (zwei Bände), hrsg. von Maria Luisa Perna, Napoli 1984. 14 Vgl. die Auseinandersetzung Max Webers mit der bürokratischen Macht in seinem Buch Parlament und Regierung (1918) wie auch in seinen Münchener Vorträgen Wissenschaft als Beruf (1919) und Politik als Beruf (1919).

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die Parteiapparate von Bossen beherrscht werden, von Funktionären, die die Apparat-Partei, oder wenn man es vorzieht, den Partei-Apparat ins Leben rufen. Auch wenn er zur gleichen Zeit mit vorzeitigem Scharfsinn den Unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik skizziert.15 Über die Zwecke kann man diskutieren und argumentieren. Aber man darf sich keine Illusionen machen: Es gibt keinen Übergang von der Erkenntnis zur Wertbestimmung. Der Erwerb einer wissenschaftlichen Überzeugung führt keinesfalls zu einer Wahl zu ihrem Vorteil. Als Ökonomist, sagte Weber, kann ich von der Tatsache überzeugt sein, dass die Weltwirtschaft auf eine Planwirtschaft zugeht, das heißt auf den Kommunismus; aber da ich ein Liberaler bin, führt mich meine wissenschaftliche Überzeugung nicht dazu, meine politische Gesinnung zu ändern; im Gegenteil, ich werde mit noch größerer Kraft gegen den Kommunismus kämpfen. Und genau hierin liegt die Niederlage des (vermeintlich wissenschaftlichen) Sozialismus.16 Die Zwecke, die Werte sind ohne die Berufung auf ihre wissenschaftliche Begründung zu bestimmen. So beschwerlich es auch sein mag, es ist doch die letzte Freiheit, die in dieser Welt der Stahlkäfige übrig bleibt. Man kann sich dafür entscheiden, die nicht-evaluative Wissenschaft zu betreiben, aber es gibt keine der nicht-evaluativen Wissenschaft zugrunde liegende Argumentation, die uns dazu zwingt, die nicht-evaluative Wissenschaft zu betreiben.17 Ist man bei der Wahl, bei der Entscheidung über den Endzweck – über den zu wählenden Wert – angelangt, zählt nur ein sic volo, sic iubeo. Unter den Werten wird es nie Frieden geben: Die Epoche des Polytheismus der Werte ist auch die des ewigen Konfliktes unter ihnen. Max Scheler sagte einmal in den zwanziger Jahren in seiner Kritik an Max Weber, dass Webers Haltung zwischen zwei extremen Gegensätzen schwankt: einerseits der bescheidene Wissenschaftler, der asketische Spezialist, der über die Fakten gebeugt ist, die er untersucht, und der bereit ist, sich davon leiten zu lassen, was ihm seine rationale Untersuchung diktiert; andererseits ein „tanzender Derwisch“18, ein Enthusiast, wenn nicht gar ein Besessener, der nur dem sic volo, sic iubeo gehorcht. 15 Vgl. Max Webers Ausführungen ebenso in seinen Aufsätzen zur Wissenschaftslehre (Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hrsg. von Johannes Winckelmann, Tübingen 1973) wie auch in den letzten Seiten von Politik als Beruf. 16 Vgl. den Vortrag Der Sozialismus (1918) in: Weber, Max, Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, hrsg. von Marianne Weber, Tübingen 1924. 17 Vgl. ebd. 18 Scheler, Max, Max Webers Ausschaltung der Philosophie, in: ders, Gesammelte Werke, Bd. 8, hrsg. von Maria Scheler, S. 430–438.

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Ist das richtig? Ich wüsste es nicht. Sicher, zumindest wird das vermieden, was Nicolai Hartmann und nach ihm Carl Schmitt „Tyrannei der Werte“ nennen.19 Das absolut asymptotische Schwanken Max Webers wurde auch nicht von seinem Kritiker Scheler auf überzeugende Weise überwunden. Es erlaubt aber zumindest, das wenige an Freiheit zu bewahren, das in der Epoche der Stahlkäfige, in der Epoche der Spezialismen möglich ist. Ein Marxist – vielmehr der erste italienische Marxist: Antonio Labriola – sagte, indem er das Problem vorwegnahm, das in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zentral wird, dass der Spezialist derjenige ist, der alles über sein Fachgebiet weiß, aber nicht weiß, ob es angebracht ist (oder nicht), es zur Anwendung zu bringen. Deshalb hält er es für notwendig, die folgenden beiden entgegengesetzten Instanzen aneinander anzugleichen: „Einerseits die (formale und kritische) Tendenz zum Monismus, andererseits die Virtuosität, sich in einem Feld der spezialisierten Forschung im Gleichgewicht zu halten“.20 Ohne den Spezialismus kommt man nicht aus. Aber der Spezialismus ist Erkenntnis der Mittel: Wenn, sagen wir mit den Worten Max Webers, ein Zweck gegeben ist, kann die spezialisierte Rationalität die ökonomischsten Mittel angeben, um ihn zu erreichen. Aber wer garantiert uns, dass es völlig richtig ist, diesen Zweck zu verfolgen? Woher kommt der Zweck? Eben deshalb hielt Labriola die „formale und kritische Tendenz zum Monismus“ für notwendig bzw. eine spontane Erkenntnis gegenüber der spezialisierten. Dreißig Jahre nach ihm wirft Husserl in seinem Werk über Die Krisis der Europäischen Wissenschaften das Problem des verlorenen telos der zeitgenössischen Rationalität auf; und die Frankfurter Schule stellt die Forderung nach einer kritischen Theorie in Alternative zur traditionellen Theorie; und Antonio Gramsci denkt in den Quaderni del carcere über das Problem des „Spezialismus + Politik“ nach. Welches wird wohl das Wissen – der Spezialismus – sein, der uns auf dem Weg des Monismus führen wird? Welcher wird der Spezialismus sein, der die Lücken der fachspezifischen Erkenntnis zu füllen vermag? Die Wissenschaft gibt uns keine Werte. Zum Glück, vielleicht. Über die Werte kann man diskutieren, argumentieren, aber sie können nicht in einer für uns verbindlichen Weise bewiesen werden. Ist eine Form des Wissens und der praktischen Tätigkeit möglich, die zumindest nicht die Notwendigkeit beweist, eher einen Wert als einen anderen zu wählen, sondern die zumindest, ich wiederhole, zu einer Einigung über den zu wählenden Wert führt? Gibt es, in diesem Sinne, eine Wissenschaft der Zwecke, über die man sich einigen kann? 19

Schmitt, Carl, Die Tyrannei der Werte, in Säkularisation und Utopie. Ebracher Studien. Festschrift für Ernst Forsthoff, Stuttgart 1967, S. 37 ff. 20 Labriola, Antonio, Discorrendo di socialismo e di filosofia, in ders., La concezione materialistica della storia, hrsg. von Eugenio Garin, Bari 1965, S. 233.

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Bei dieser Frage sollten wir stehen bleiben. Der Autor, den wir zuletzt und auf eindringliche Weise erwähnten, Max Weber, drängt uns, den Gedankengang hier abzuschließen. Die Unterscheidung zwischen Erkenntnis und Bewertung schließt nicht die zwischen Politik und Wissenschaft ein. Weber sagte: Politik gehört nicht in den Hörsaal. Und vielleicht passt sie auch nicht in eine wissenschaftliche Veröffentlichung. Die Versuchung einer Reflexion über die Politik als Wissenschaft der Zwecke bleibt jedoch vielleicht.

Eine erweiterte Vernunft: Ernesto De Martino und der Gedanke von der Krise Giuseppe Cantillo Ernesto De Martino gehört sicherlich zu den bedeutendsten und faszinierendsten Denkerfiguren in Italien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, auch aufgrund seiner Fähigkeit, eine intensive und interdisziplinäre wissenschaftliche Tätigkeit mit leidenschaftlichem politischem Engagement zu verbinden.1 Ausgehend von Benedetto Croces2 Historizismus hat De Martino in der italienischen Kultur eine Reihe von Untersuchungen, Interessen und beängstigenden Fragestellungen eingeführt, die nicht allein den Bereich der Kulturanthropologie, der Ethnographie, der Religionsgeschichte angehen, sondern ebenso sehr den der historisch-politischen Überlegungen, mit besonderem Augenmerk auf die Fragestellung des „Meridione“, des Südens Italiens. Gerade deshalb hat er zahlreiche Polemiken hervorgerufen, Missverständ1 Ernesto De Martino, 1908 in Neapel geboren, war an der Universität von Neapel Schüler von Adolfo Omodeo, bei dem er sein Studium mit einer Arbeit über Religionsgeschichte im Jahr 1932 abschloss. Durch Omodeo trat De Martino in den Kreis um Benedetto Croce ein. Ab 1934 begann er eine Zusammenarbeit mit der von Raffaele Pettazzoni geleiteten Zeitschrift „Studi e materiali di storia delle religioni“ und seine Studien bewegten sich immer mehr in Richtung der Religionsethnologie und der Religionsgeschichte. Ab 1945 war er Mitglied und Funktionär zunächst der Sozialistischen Partei und schloss sich dann, ab 1950, der Kommunistischen Partei an. Durch den Kontakt mit den dramatischen Problemen der Bauern und allgemeiner der süditalienischen Gesellschaft sah er sich dazu veranlasst, mit seinen Forschungen vor Ort unter einem soziologischen und anthropologischen Gesichtspunkt die süditalienische Kultur zu vertiefen. Ebenso wichtig war sein theoretischer und methodologischer Beitrag zum Zusammenwirken von Psychologie und Religionsethnologie, von Kulturanthropologie, Psychiatrie und Philosophie. Er starb 1965 in Rom. Vgl. Lanternari, Vittorio, Ernesto De Martino, in: Dizionario Biografico degli Italiani, ed. Enciclopedia Treccani, Rom 1990, Bd. XXXVIII, S. 584–588. 2 Diese Behauptung kann sicherlich, was die Ausarbeitung des Programms einer historizistischen Ethnologie anbetrifft, Geltung beanspruchen, im Übrigen beabsichtigt sie jedoch nicht, die Ergebnisse der jüngsten Untersuchung über das Vorhandensein von anderen Beiträgen zur Bildung von De Martino zu vernachlässigen, d.h. über die von Croce und Omodeo. Siehe dazu die analytische Rekonstruktion seiner „Anfänge“ in der wichtigen De Martino gewidmeten Monographie von Sasso, Gennaro, Ernesto De Martino. Fra religione e filosofia, Napoli 2001, Kap. I–III.

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nisse verursacht und provozierende, nicht immer gerechtfertigte Reaktionen bewirkt. Clara Gallini bemerkt zu Recht in ihrer Einleitung zu dem posthumen Band mit dem Titel La fine del mondo – ein Band, der Aufzeichnungen, Arbeitsprogramme und unveröffentlichte Handschriften De Martinos enthält und von außerordentlicher Bedeutung für die Rekonstruktion seines kulturellen Werkes ist, welches von der Psychologie bis zur Psychoanalyse reicht, zur Existenzphilosophie, zum Marxismus und zum Strukturalismus –, dass De Martino zugleich ein Denker der Vernunft und ein Denker der Krise ist.3 Meines Erachtens kann dieser Hinweis als ein Schlüssel zu De Martinos intellektuellem Wegegang dienen, nicht allein seiner Denkerfahrung, sondern auch seiner Forschung vor Ort, indem er das beide charakterisierende Problembewusstsein unterstreicht. Leitmotiv unseres Diskurses an dieser Stelle könnte also durchaus das Thema „Vernunft-Unvernunft“ (oder auch die „Krise der Vernunft“) sein, worin, wie leicht verständlich ist, auch die Thematik des Eurozentrismus und seiner Kritik beinhaltet ist, oder allgemeiner, die Thematik der Alterität. In Naturalismo e storicismo nell’etnologia, dem ersten, 1941 veröffentlichten Buch De Martinos, veröffentlicht er vier Aufsätze: über den Prälogismus von Lévy-Bruhl, als einem „Perspektivpunkt, um in Einem Evolutionismus, Soziologismus, mystisch-romantischen Philologismus und zuletzt das Problem der primitiven Mentalität zu bewerten“; über „das Problem der ersten Form der Religion in der Religionsethnologie“; über die „historischkulturelle Schule“ und über die „ethnologische Methodologie“.4 „Naturalismus“ und „Historizismus“ waren die beiden sich in der europäischen Kultur gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gegenüberstehenden Weltanschauungen und sie entsprachen zwei grundsätzlichen methodologischen Haltungen: Von diesem Gesichtspunkt aus waren es zwei kämpfende Parteien in jener Debatte über Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft, die mit Wilhelm Diltheys Einführung in die Geisteswissenschaften aus dem Jahre 1883 erstmals ausdrücklich eröffnet worden war und dann, im engeren Sinne methodologisch, vom Südwestdeutschen Neukantianismus, von Windelband und vor allem von Rickert, weiter entwickelt worden ist. Der „Naturalismus“ kann als eine methodologische Haltung (oft, aber nicht notwendigerweise, verbunden mit einer entsprechenden Weltanschau3 Vgl. Gallini, Clara, Introduzione, in: De Martino, Ernesto, La fine del mondo. Contributo all’analisi delle apocalissi culturali, Torino 1977, S. XLII–LIV. Wörtlich spricht Clara Gallini von dem „Philosoph der Krise und der Vernunft“. 4 De Martino, Ernesto, Naturalismo e storicismo nell’etnologia, Bari/Roma 1941; siehe S. 15–16.

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ung) verstanden werden, die dazu neigt, auch im Bereich der Erkenntnis der menschlichen und historischen Welt die Methode der Naturwissenschaften anzuwenden: jene Methode der verallgemeinernden Erkenntnis, für die all das, was nicht auf allgemeingültige Gesetze, auf allgemeine Beziehungen zurückführbar ist, als unerkennbar, vom Gesichtspunkt der wissenschaftlichen Vernunft undurchdringbar gilt. Gegenüber dieser Vorstellung behauptet der Historizismus hingegen, dass, während im Bereich der Naturphänomene die Erkenntnis darauf abzielt, Gesetze zu konstruieren und allgemeine Kausalerklärungen abzugeben, im Bereich der historischen Phänomene sie auf das Individuelle, Unwiederholbare hinausgeht, und sich dabei auf eine nicht generell explikative Methode gründet, sondern vielmehr individuell deskriptiv und somit komparativ, typologisch und „verstehend“ ist. Von daher die epistemologische (und auch ethische, könnte man sagen) Voraussetzung des individualisierenden Verstehens einer jeden Kultur, eines jeden Volkes, die eben in ihrem Spezifischen, Eigenen und Unterschiedlichen erkannt werden müssen. Auf methodologischer Ebene bedeutet das des weiteren die Verwendung gewiss auch von quantitativen und statistischen Verfahren und Methoden, aber dann schließlich die Transfiguration des gesammelten Materials in einem Akt des Wiedererlebens, der Einfühlung, der sympathetischen Transposition im Anderen. Dieser Ansatz führt zwei weitere Voraussetzungen mit sich: die der „Geistesverwandtschaft“ und „Artverwandtschaft“ der menschlichen Natur (Dilthey), auf denen zuletzt das hermeneutische Verfahren beruht, die Möglichkeit des „Verstehens“; die der „Gleichzeitigkeit“ (von Droysen bis Croce), auf der das Interesse der historischen Untersuchung beruht. Die Debatte um Historiographie und Geisteswissenschaften wird von De Martino im Rahmen der Ethnographie angegangen, die sehr häufig zu den Naturwissenschaften gezählt wird oder zumindest nach der positivistischen Methode der Erklärung durch allgemeine Gesetze und Kausalbeziehungen fortschreitet. Die historizistische Perspektive, auf die De Martino sich bezieht, ist jedoch die von Croces absolutem Historizismus und nimmt Abstand nicht allein von der positivistischen und naturalistischen, sondern auch von der historischen Ethnographie, die die Geschichte „mit einem geistlosen Philologismus verwechselt, ohne jede Gedankenhefe“ und die ohne „jede Bremse für die historische Vernunft“ „abenteuerlich und willkürlich“ wird, „bereit, sogar den Wahrheiten des Glaubens Kredit zu gewähren oder sie gar zu bestätigen“.5 De Martino nimmt also Abstand von den verschiedenen Strömungen der Ethnographie, die nicht auf die authentische Philosophie, auf das Denken Kants und Hegels, Bergsons und Croces ge5

Ebd., S. 8.

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schaut haben, sondern die sich an die „professorale und akademische Philosophie oder bestenfalls an die Philosophie der Epigonen (man denke an Vaihinger, Husserl, Dilthey usw.)“ hielten.6 Mit seiner Aufsatzsammlung möchte De Martino der „radikalen Reform des ethnographischen Wissens, der Befreiung dieses kulturellen toten Arms und seiner Wiederaufnahme in den lebendigen Fluss eines nicht müßigen Wissens“7 den Anfang bereiten, mit anderen Worten innerhalb der authentischen Historiographie. In Croces Perspektive, die De Martino zu seiner eigenen macht, entsteht die Erkenntnis der Vergangenheit immer aus einer Fragestellung der Gegenwart und wendet sich an das, was vom Vergangenen noch möglich ist, erfasst zu werden, sei es auch mittelbar, vom Horizont des Gegenwärtigen aus. Ausgehend vom Grundsatz, dass jeder Lebensakt sozusagen im Horizont der Gegenwärtigkeit umschlossen ist und dass sowohl Vergangenheit als auch Zukunft Veränderungen der Gegenwart sind, entwickelt sich die These, nach der das Studium der Ethnographie im Grunde nur eine unsere Kultur, unsere Wirklichkeit und unsere Gegenwart erfassende Untersuchung ist. Ebenso entsteht das Verständnis des Anderen immer aus einem Bedürfnis der Vertiefung unseres Selbstverständnisses, des Verstehens unserer Identität, was auch unsere historische Realität, unser Geworden-Sein, unsere Gegenwart bedeutet. De Martino arbeitet so die tiefe Verbindung heraus, die zwischen Ethnographie und Reflexion über die eigene Geschichte und Kultur besteht, und unterstreicht sie. Im historischen Erkennen, allgemeiner im hermeneutischen Erkennen, ist das Subjekt der Untersuchung immer direkt mit dem Objekt involviert. Wenn wir uns an die Erkenntnis anderer Kulturen wenden, sei es auch die Kulturen der so genannten primitiven Völker, wenden wir uns in Wirklichkeit an diese Alteritäten, um besser und in der Unterscheidung die Spezifizität unserer Kultur verstehen zu können, aber auch, um Grade, Aspekte und Momente unserer Vergangenheit zu finden, in denen unsere Kultur entstanden ist und sich entwickelt hat. Dieses bedeutende Prinzip des gesamten Werks von De Martino, das wir auch in seinem La fine del mondo ausdrücklich bekräftig finden, und zwar als theoretische Unterstützung dessen, was er ethnographischen und ethnologischen Humanismus nennt, wird bereits auf den letzten Seiten seines ersten Buches dargestellt, wo, sicherlich mit übertriebener Polemik und gar zu peremtorischem Charakter, ein „historizistischer Kodex der Ethnologie“8 artikuliert wird. 6 7 8

Ebd., S. 9. Ebd. Ebd., S. 201–210.

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In Il mondo magico aus dem Jahr 19489, das davon die erste und bedeutendste Anwendung darstellt, wird dieses Motiv der Ethnologie als Funktion des Selbstverständnisses, d.h. des Verständnisses der europäischen Kultur, wiederaufgenommen. Und damit berühren wir einen weiteren Punkt von De Martinos Denken: die Treue gegenüber der Tradition der europäischen Kultur. Ein Aspekt, der mit dem vorherigen des historizistischen Ansatzes eng verbunden ist. Die Historizität der Existenz impliziert die Bindung zu den eigenen Ursprüngen, den eigenen Wurzeln, dem eigenen Schicksal; d.h. die Schwierigkeit der Beziehung zum Anderen, aber auch die Transvalutation dieser Schwierigkeit in einer wissenschaftlichen und zugleich ethisch-politischen Aufgabe. Die „magische Welt“ ist ein „anderes“ Territorium gegenüber der Rationalität, der Wissenschaft, der europäischen und besonders der modernen Kultur – ein Territorium nicht auf rationale Kategorien reduzierbarer Erfahrung, aber auch eine nicht auf die Kategorien der Epoche der technischen Rationalität reduzierbare historische Epoche; es handelt sich um die Epoche des Emporsteigens der europäischen Menschheit, jener Menschheit, die seit ihren Anfängen im griechischen Denken sich als von der Vernunft geleitet weiß, jener Menschheit, die unter dem Zeichen der Unterscheidung, unter dem Zeichen des Apollo steht. Es ist die Epoche der Loslösung des Dionysos von Apollo. Es ist die historische Epoche, in der in einer ständigen Schwankung, sozusagen einer Gratwanderung, die Individualität gegenüber dem unmittelbaren gemeinschaftlichen Hintergrund und dem unmittelbaren Leben des Ganzen Fuß fasst, in der, so De Martino, die „Präsenz“, das Bewusstsein, die Trennung von Subjektivem und Objektivem, des Ichs und der Welt, sich durchsetzt. Aber in der Epoche der magischen Kultur, der magischen Welt, befindet sich das Bewusstsein, das Dasein der Präsenz noch in einer prekären Wirklichkeit und ist ständig in Schwierigkeit. Ständig unter Schach stehend braucht sie eine Reihe von Techniken der Versicherung, der Justierung, damit sie nicht untergeht. Ausgangspunkt von De Martinos Phänomenologie ist bei genauerer Betrachtung eine Vorbedingung der magischen Welt, die primitive Bedingung einer „Labilität der Präsenz“, in der das Dasein, oder man könnte auch sagen das Subjekt, sobald es von einem außergewöhnlichen Ereignis betroffen wird (wie beispielsweise ein Sturm) oder sich in einer Situation befindet, die bei ihm Verwirrung hervorruft (wie die Dunkelheit in der Nacht, die Einsamkeit), so weit geht, die Präsenz zu verlieren, jegliche Unterscheidung zwischen dem Selbst und der Welt zu verlieren oder sich auch vollkommen 9 De Martino, Ernesto, Il mondo magico. Prolegomeni a una storia del magismo (Torino 1948), Torino 1973.

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in das Selbst zurückzuziehen und dabei die Welt aus den Augen zu verlieren. Der Eingeborene beispielsweise, in dem von Clifford beschriebenen Zustand „Latah“, verliert nach einer Emotion oder nach einem überraschenden oder Angst einflößenden Ereignis die eigene Identität, die Kontrolle über die eigenen Akte, und ahmt die Bewegung der vom Wind bewegten Zweige nach, in der Nachahmung der Gesten einer anderen Person. Das Gleiche geschieht in dem von Shirokogoroff und von Priklonski beschriebenen Zustand „Olon“. „Die Präsenz“ – bemerkt De Martino, – „neigt dazu, in einem gewissen Inhalt polarisiert zu bleiben, es gelingt ihr nicht, über ihn hinauszugehen und sie verschwindet deshalb und tritt als Präsenz ab. Die Unterscheidung zwischen Präsenz und präsent werdender Welt bricht zusammen: Das Subjekt, anstatt des Hörens oder Sehens des Wehens der Blätter, wird zu einem Baum, dessen Blätter vom Wind bewegt werden, anstatt die Worte zu hören, wird es zum Wort, das riecht usw.“10 Oder die eigene Seele wird von einem Anderen ergriffen oder die Person wird bis vor den Eingang der Geister, der Dämonen, gezerrt, die Besitz von ihr ergreifen. Aber es gibt da auch solche, die an der Grenze der dramatischen Erfahrung der Krisis der Präsenz Widerstand leisten, von einer tiefen Angst ergriffen werden, die „den Willen zum Dasein“ ausdrückt und den Willen, sich dem „Risiko“ des Zusammenbruchs der Präsenz, dem Abrutschen in das Nicht-Dasein, entgegenzustellen. „Die Labilität wird so zu einem Problem und stimuliert die Verteidigung und die Freilösung.“11 Gerade hier, in dieser Verteidigung gegenüber der Krise der Präsenz, zeigt De Martino die Wurzel der magischen Verfahren auf, der Ritualität und des Vollzugs von einer ganzen Reihe von Techniken zur Rettung der Präsenz vor ihrer Auflösung: Dies ist „die erste Skizze jenes Dramas, das die Welt der Magie erschuf, in der Mannigfaltigkeit ihrer kulturellen Themen“12: eine Welt oder eine Epoche der Geschichte zwischen dem Zustand, in dem der Zusammenbruch der Präsenz „ohne Entlohnung“ vorherrscht (wo „die magische Welt noch nicht aufgegangen ist“), und dem Zustand, in dem die „freigelöste und gefestigte“ Präsenz nicht mehr das „Problem ihrer Labilität wahrnimmt“ (wo „die magische Welt schon verschwunden ist“).13 Wenn es einer Person inmitten der Krisis der Präsenz schrittweise gelingt, ein Minimum an Unterscheidung zwischen dem Selbst und der Welt wiederherzustellen oder zwischen dem Selbst und dem Anderen, zwischen dem Selbst und dem Dämon, der von ihr Besitz ergriffen hat, ihn in einer zweiten Präsenz zu vergegenständlichen, in einem anderen Selbst, mit dem 10 11 12 13

De Martino, Ernesto, Il mondo magico, S. 93. Ebd., S. 93–95. Ebd., S. 95. Ebd.

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sie in Beziehung tritt, bis dahin, ihn zu kontrollieren und zu beherrschen, dann „konstituiert sich an Stelle der angedrohten Auflösung der einheitlichen Präsenz eine doppelte Existenz“, eine jedoch „von einer einzigen einheitlichen Präsenz kontrollierte“14 Duplizität. Hier entsteht die Figur des Schamanen, dieses „heroischen“ Ausnahmesubjekts, das sich dem Verlust der Präsenz ohne Entgelt entzogen und eine Fähigkeit entwickelt hat, die Geister, Dämonen und feindlichen Kräfte der Welt, der Natur, zu beherrschen – eine Fähigkeit, die von der genialen Initiative des Individuums Schamane sich in der Tradition festigt und zu Kultur wird. Der Schamane beherrscht die Geister nicht nur für sich, sondern auch für die Anderen, er stellt der Kollektivität seine Macht zur Verfügung, das Verfahren, durch das es ihm gelingt, das Risiko des Verlustes der Präsenz mit der Befreiung von der Auflösung, der Wiederherstellung der Präsenz, zu vereinen: „Das Risiko und die Freilösung des Hexers [des Schamanen, des Magiers] stellen kein rein individuelles Drama dar. Durch die Figur des Hexers [des Schamanen, des Magiers], durch sein existenzielles Drama, ist es die Gemeinschaft im Ganzen, oder wenigsten eines oder mehrere Mitglieder derselben, die sich der Angelegenheit des Daseins gegenüber öffnet, die sich in Verwirrung verliert und schließlich wieder findet […]. Der Schamane beherrscht die Geister und befreit die Mitglieder der Gemeinschaft von ihrer Alterität.“15 Der Schamane führt sogar die anderen, die drauf und dran sind, die Präsenz zu verlieren, bis zur äußersten Grenze der Verwirrung, bis dahin, in Trance zu fallen, um sie sodann auf den Weg der Freilösung zu führen: Dazu verwendet er die „Techniken zur Förderung der Labilität der Präsenz, so wie auch die Trance und ähnliche Zustände“, die gerade „dieses Dasein ausdrücken, das sich auflöst, um sich wiederherzustellen und das zu seinem Da- zurück und hinunter schreitet, um sich in einer dramatisch gestützten und versicherten Präsenz neu zu besitzen“.16 Die Funktion des Schamanen oder Hexers oder Magiers besteht darin, für die gesamte Gemeinschaft zu vermitteln zwischen der bedrohlichen Möglichkeit des Verlusts der Präsenz, der Annullierung des Daseins, und dem Willen, die Präsenz zu verteidigen, das Dasein zu bewahren, es von der Gefahr seiner Auflösung zu befreien: In diesem Sinne erscheint er „als ein regelrechter magischer Christus“17, dessen Funktion nicht allein die Rettung vor der Gefahr des Verlustes der Präsenz angeht, die von der äußeren Welt oder von übernatürlichen Mächten ausgeht, sondern auch der Bedrohung, die vorsätzlich von anderen Personen ausgeht, durch das Werk anderer Hexer, Magier oder Schamanen, durch Hexerei und 14 15 16 17

Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,

S. S. S. S.

117. 118. 121–122. 122.

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Zauberei. Im Gegenteil, durch diesen zweiten Typus von Bedrohung der Präsenz des Daseins definiert sich genauer die der Welt der Magie zustehende genealogische Funktion in Bezug auf die historische Welt des abendländischen Rationalismus: „Durch die Hexerei und ihre Gegenmittel erhält die Gefahr des Daseinsverlustes und die entsprechende Freilösung eine weitere Vermenschlichung und Intensivierung“18, von dem Moment an, da dem Menschen nicht nur die Lösung des Problems der Gefahr des Verlustes des Daseins zusteht, sondern auch die Herstellung desselben. Die Beziehung zwischen einem individuellen Selbst, das als Bewusstsein konstituiert und gefestigt ist, als Präsenz bei sich selbst und bei einer gegebenen Realität, und einer objektiven Welt, die als fester Bezugspunkt des Bewusstseins erscheint, ist in der Welt der Magie noch eine Beziehung zwischen fluktuierenden Termini, eine Beziehung, die noch dabei ist, entschieden zu werden. Aufgabe und Resultat der Welt der Magie ist, nach der These von De Martino, eben die „Erstehung und Verfestigung des elementaren Daseins oder Präsenz der Person“.19 Die Welt der Magie als historische Epoche erfasst zu haben, im Gegenteil, als die historische Epoche, in der sich die Geschichte vorbereitet – die Geschichte der europäischen Menschheit –, das ist eine tiefe Intuition von De Martino gewesen, auch wenn er selbst sie dann wieder verworfen hat, wahrscheinlich unter dem Einfluss von Croces Polemik, wie es gerade in dem ein Jahrzehnt später erschienen Buch Morte e pianto rituale nel mondo antico scheint.20 Diese Intuition bedeutete in der Tat die Behauptung, die Anerkennung einer effektiven „Geschichtlichkeit“ der Vernunft und ihre Bindung an das Territorium der Welt der Magie. Meines Erachtens bleibt das zweite Kapitel von Il mondo magico wesentlich im Denken von De Martino, obwohl Morte e pianto rituale unzweifelhaft eine Reihe wichtiger theoretischer Klärungen mit sich bringt: der Begriff der Präsenz, das Ethos der Transzendierung usw. Mit Il mondo magico hat De Martino eine tatsächliche Neuheit in das Denken eingeführt, die neue Aufmerksamkeit gegenüber einem Gebiet der menschlichen Erfahrung, das immer mit den Gläsern des rationalen Blicks betrachtet worden war, immer im Ausgang von einem aufklärerischen Vorurteil: Die Magie ist keine anfängliche, niedrigere Form der Logik oder der Wissenschaft, sondern hat ihre eigene spezifische Konstitution. Und gerade wenn man der Welt der Magie, wie der Welt der Vernunft, den 18

Ebd., S. 134. Ebd., S. 193. 20 De Martino, Ernesto, Morte e pianto rituale nel mondo antico: dal lamento pagano al pianto di Maria (Torino 1958)/ Morte e pianto rituale. Dal lamento funebre antico al pianto di Maria, Torino 1975. 19

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Charakter der Geschichtlichkeit zuerkennt, so ist niemals die eine gegenüber der anderen verschlossen, sodass die Welt der Magie innerhalb und in Kontakt mit der Welt der Vernunft weiterlebt und eine nicht vollkommen untergegangene historische Epoche ist. Damit findet sich auch die Verschiebung des Gegenstandes von De Martinos Ethnologie vorbereitet, von so genannten primitiven Kulturen, von den außereuropäischen Völkern, zu dem Überleben der magischen Welt im Mittelmeerraum, was schließlich das Thema von Morte e pianto rituale, von Sud e magia und La terra del rimorso ist.21 Was historisch ist, ist wesentlich „möglich“ – niemals notwendig: auch nicht, wenn es sich schon ereignet hat (wie zuerst Kierkegaard lehrte) –, aber gerade deshalb ist es nie vollkommen untergegangen, überwunden, ausgelöscht. Von daher das Bewusstsein von der Dialektik Magie-Kultur, Vernunft-Unvernunft: eine Dialektik, die nicht nur einmal gegeben ist, sondern weiter besteht und sich fortpflanzen kann. Wenn es so wahr ist, dass die Welt der Magie einmal jener Oszillationspunkt gewesen ist, durch den die rationale Menschheit, wie sie in der europäischen Kultur erscheint, sich konstituierte, so ist es ebenfalls wahr, dass diese genealogische Bewegung niemals ganz vollkommen ist, sondern sich ständig reproduziert bzw. sich reproduzieren kann innerhalb der Kultur, sodass das ethnologische Denken auf der einen Seite die Relikte einer vergangenen historischen Epoche angeht, die folkloristischen Relikte, auf der anderen Seite jedoch auch die neuen Formen betrifft, in denen die magische Haltung auftritt oder auftreten kann. Ist die Vernunft historisch, so ist ihre Existenz problematisch: De Martino ist nicht allein der Denker, der Vertrauen in die Vernunft hat, sondern auch der Denker der Krise der Vernunft, und zwar genauer gesagt des Bewusstseins der Möglichkeit der Krise der Vernunft, da die Krise, das Problemhafte, das Undefinierte, zum Leben selbst gehört. Die Ethnologie hilft der Vernunft, nicht einzuschlafen und ihre Herkunft vom Leben, von der Lebenswelt nicht zu vergessen, mit der die Welt der Magie sicherlich mehr in Kontakt ist. Die Ethnologie ist keine reine Gelehrtenwissenschaft mehr, oder, schlimmer noch, in den Diensten des Imperialismus, des Kolonialismus, sondern sie ist eine Wissenschaft, die etwas betrifft, was uns von nahem angeht, unsere eigene Kultur und Zivilisation; das Interesse für die Welt der Magie im Mittelmeerraum, im Süden Italiens, auf Sardinien, offenbart ein Interesse, das sich nicht allein auf die Welt der 21 De Martino, Ernesto, Sud e magia, Milano (1959, 1966) 1971; De Martino, Ernesto, La terra del rimorso. Contributo a una storia religiosa del Sud, Milano 1961, 1996.

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Volkstraditionen richtet, die zu erhalten, zu erfassen und wie im Museum zu katalogisieren sind, sondern auf eine Welt, die der Quellort selbst unserer Rationalität, unserer Mentalität, unserer Gefühle, unserer Haltung gegenüber der Welt ist – es handelt sich um ein Interesse an unserer Geschichte, ein ständiges sich auf uns selbst Beziehen, auf die Wurzeln unserer historischen Existenz. Gerade in Bezug auf diesen letzten Punkt muss auf die originelle Konvergenz im Denken von De Martino zur Geschichtlichkeit von historizistischen, existenzialistischen und marxistischen Motiven hingewiesen werden. Die für das Leben konstitutive Geschichtlichkeit ist ebenso das Verdichten, im Moment der Präsenz, der gesamten Vergangenheit, von der die Existenz herstammt und in der sie ihre Wurzeln ihres Daseins hat, als auch die Bewegung des Transzendierens, die Negation des schon Gegebenen, die Einrichtung des Novums. Es geht nicht allein darum, die Situation anzunehmen, das eigene Schicksal zu akzeptieren, der eigenen Geschichte treu zu sein; sondern gerade weil der Mensch wesentlich Negativität ist – Verneinung des Ummittelbaren, Öffnung und Projekt, Antizipierung der Realität des Möglichen –, vereinen sich das Bewusstsein für das Schicksal und die Treue gegenüber der Tradition, in einer nie eingeschlummerten Dialektik, mit dem Ethos der Transzendierung, mit der transformativen Praxis, die neue Bedeutungen und Werte schafft. In dieser Perspektive ist die Alterität nicht anders zu denken möglich als im Ausgang vom Horizont der eigenen historischen Welt und daher von einem auf den Anderen zu gehen, was immer auch ein in die eigenen Wurzeln Hinabgehen bedeutet, ein Erfassen der Grenzen des eigenen Selbst-Bewusstseins, und zusammen das Stimulieren einer neuen Bewegung der Transzendierung gegenüber der Welt, die bisher hergestellt und gebaut worden ist, unter Rettung des Bewusstseins all des „Möglichen“, das nicht verwirklicht worden ist, all dessen, an das nicht erinnert worden ist, was verloren ging, und in Verwirrung endete – verworfene Volkstraditionen, Kulturen der subalternen Klassen, geschlagene Kulturen, aber auch radikal „andere“ Kulturen, d.h. die gegenüber den in der Geschichte der europäischen Kultur verwirklichten andere menschliche Möglichkeiten entwickelt haben. Die ethno-historische Erkenntnis wird so zu einem mächtigen Instrument der Befreiung und der Erweiterung der Erfahrung, eine außerordentliche Öffnung gegenüber einem umfassenderen Menschheitsideal, das sich durch die Fähigkeit auszeichnet, so gut wie möglich verschiedene menschliche Erfahrungen zusammenzubringen, und in der Lage ist, durch das Verständnis der Anderen die eigene Weltsicht zu erweitern und auch die eigene Handlungsbreite in der Welt zu vergrößern, gegenüber der ständigen Gefahr des

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Falls und der Vernichtung die Bewegung der Transzendierung des Lebens in der intersubjektiven Aufwertung, der Konstruktion einer authentischen Gemeinschaft von Subjekten, in der das spezifisch menschliche Ethos sich vergegenständlicht. Auf politischer Ebene entspricht dem die Konstruktion einer sozialistischen Demokratie, die, wenn auch in ihrer Problemhaftigkeit, den Leitstern von De Martinos Geschichtsphilosophie darstellt: „Worauf es ankommt“ – schreibt De Martino in La fine del mondo, – „ist die Bezeugung der gemeinschaftlichen Arbeit. Die Menschen fragt man nicht, was sie zu tun glauben, sondern was sie tatsächlich tun. Und wenn sie in den entscheidenden Momenten gute Kämpfe für den Anbruch der sozialistischen Demokratie in der Welt bestreiten, ist es von relativer Bedeutung, ob sie dies im Namen von Buddha oder Christus oder Marx tun.“22 Und obwohl diese Gewissheit noch problematischer geworden ist, als sie das schon für De Martino war, der sich der Widersprüche des Realsozialismus durchaus bewusst war, wenn es denn noch Werte und Hoffnungen gibt, die wir kultivieren können, so gehen diese sicherlich in Richtung des ebengleichen Telos und derselben Praxis der Emanzipation und Verwirklichung der menschlichen Potenziale. Auch in diesem Sinne kann die Mahnung vor der Krise der europäischen Vernunft, der auf der „Präsenz“ gegründeten Kultur, nicht umkippen in einen „untreuen“ Abtritt, in ein Sichgehenlassen an das einfache Wiederaufleben in der Welt der Magie, sondern man muss immer das Lehrstück De Martinos vor Augen haben, wie es beispielhaft in der Einleitung zu Magia e civiltà23 zum Ausdruck kommt, auf die ich hier zum Schluss verweisen möchte: „Jede Zivilisation wählt eine eigene ‚Treue‘ und die unsrige hat die Treue gegenüber der Vernunft und der Geschichte gewählt: aufgrund dieser Wahl, wenn die Vernunft in unserem Besitz sich als zu eng erweist gegenüber den neuen Problemen des Lebens und der Geschichte, dann sind wir gehalten, bewusst eine erweitertere und menschlichere Vernunft zu wählen, aber niemals die Art der Treue zu verwerfen, in die wir kulturell und historisch eingeführt sind. Unsere Zivilisation hat die Treue gegenüber der Vernunft und der Geschichte gewählt: nicht im dogmatischen Sinne einer ein für alle mal in einer gegebenen Epoche gefällten Entscheidung, sondern im Sinne einer immer wieder von neuem in Frage gestellten, wieder und wieder versuchten, veränderten und korrigierten oder sogar unter anderem Lichte neu interpretierten Entscheidung, wie die besonderen geschichtlichen Situationen sich nach und nach verändern. Die Magie der nicht europäi22 23

De Martino, Ernesto, La fine del mondo, S. 684. De Martino, Ernesto, Magia e civiltà, Milano 1962.

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schen Zivilisationen stellt eine exzellente Gelegenheit für dieses Wagnis dar, um so mehr in einer Epoche wie der unsrigen, in der die Aufmerksamkeit sich auf die Enge der traditionellen Vernunft zuspitzt, und die Versuchung neu erweckt wird, die Vernunft selbst zu liquidieren, anstatt sie zu erweitern, menschlicher und das Leben umfassender zu gestalten. Die Wahrheit ist, dass es für die kulturellen Traditionen keine gepanzerten Tresore gibt in Banken, die nicht Bankrott gehen können: und was die abendländische Tradition angeht, so besteht immer die Gefahr, dass auf die eine oder andere Weise ihre gegen die Magie gerichtete Polemik sich abschwächt und man das Gedächtnis ihrer verliert, bis dahin, dass in der Vergessenheit dieselbe abendländliche Zivilisation für immer das eigene Telos verliert.“ (Übersetzt von Steffen Wagner)

V. Das Politische und das Persönliche – Studien

Marcus Atilius Regulus – Die Bürgertugend in Person Matthias Riedl Einleitung „Es wäre eine zu schändliche Philosophie, bei der man durch tugendhafte Handlungen in Verlegenheit geriete; bei der man sich nicht anders zu helfen wüsste, als dass man ihnen niedrige Absichten und unmoralische Beweggründe unterschöbe; bei der man gezwungen wäre, Sokrates zu beschmutzen und Regulus zu verleumden.“1 So steht es im Émile. Wer aber ist jener Regulus, den Jean-Jacques Rousseau hier, im „Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars“, in einem Atemzug mit Sokrates nennt?2 Verleumdet wird er heute wohl nicht mehr, man hat ihn schlicht vergessen. Noch fast zwei Jahrtausende nach dem Tod des Regulus konnte Gian Battista Vico davon ausgehen, die Heldentaten des römischen Konsuls seien exempla quae omnes norunt.3 Und im Jahre 1878 schrieb Oskar Jäger, Direktor des königlichen Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums zu Köln, in einer Beilage zum Osterprogramm seiner Schule, die Regulus-Erzählung sei so bekannt, „dass wir kaum nöthig haben, an ihre Einzelheiten zu erinnern“.4 Ein gutes Jahrhundert später kann davon keine Rede mehr sein, wenn selbst Wikipedia, das Zentralgedächtnis der vernetzten Menschheit, dem Konsul kaum mehr als ein paar uninspirierte Zeilen widmet.5 Dieses Vergessen allein aber ist schon eine interessante Tatsache. Denn über viele Jahrhunderte hinweg wurde der Name Regulus im kollektiven 1 Rousseau, Jean-Jacques, Emil oder Über die Erziehung, Paderborn u. a., 6. Aufl. 1983, S. 304. 2 Vor Rousseau hatte schon Seneca eine Parallele zwischen Sokrates und Regulus hergestellt. Seneca, De providentia 3,4; 3,9–13 (s. u. im Kapitel über Augustinus); ebenso Arnobius, Adversus Nationes I,40. 3 Vico, Gian Battista, De nostri temporis studiorum ratione, ed. Walter F. Otto, Godesberg 1947, S. 116. 4 Jäger, Oskar, M. Atilius Regulus. Ein Beitrag zur Geschichte des Völkerrechts, Köln 1878, S. 3. 5 http://en.wikipedia.org/wiki/Marcus_Atilius_Regulus, zuletzt eingesehen im September 2007.

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Gedächtnis bewahrt und sein Schicksal in weihevollen Worten der Jugend erzählt. Rousseau lässt keinen Zweifel daran, dass auch sein Émile von ihm hörte. Hat man sich jedoch den Namen einmal eingeprägt, begegnet er einem auf Schritt und Tritt in den Klassikern der historischen, lyrischen, philosophischen, theologischen und politiktheoretischen Literatur des Abendlandes, bei Cicero, Horaz, Seneca, Augustinus, Petrarca, Machiavelli, Vico und Rousseau, um nur einige zu nennen. Selbst William Turner hat ihm ein Ölgemälde gewidmet, das man heute in der Londoner Tate Gallery bewundern kann.6 Die pädagogische Absicht hinter einer beeindruckenden, gleichwohl nicht bruchlosen Überlieferungsgeschichte, die in ihren letzten Ausläufern bis fast in unsere Gegenwart hereinreicht, scheint sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen zu lassen: Konsul Marcus Atilius Regulus personifiziert spätestens seit den Tagen Ciceros die heroische Dimension republikanischer Bürgertugend. Theodor Mommsen schrieb einst in offensichtlichem Bezug auf den verhassten Cicero, die Stilisierung des Regulus zu einem Schulbeispiel des republikanischen Helden sei das Resultat „obligat erfundener Anekdoten“, „widerwärtige[r] Flitter, die übel kontrastieren mit der ernsten und schlichten Geschichte.“7 Nun, was immer der „historische“ Regulus geleistet oder nicht geleistet haben mag, sein Fortleben als personifizierte Bürgertugend ist unzweifelhaft selbst ein historisches Faktum. In diesem Beitrag geht es nicht darum den „historischen“ Regulus von moralischem Beiwerk zu reinigen, sondern im Gegenteil gerade darum den politisch-ethischen Sinn der Regulus-Erzählung herauszuarbeiten. Denn so lässt sich exemplarisch zeigen, dass es Komponenten gesellschaftlicher Selbstauslegung gibt, die als langfristige Sinnlinien Zivilisationen durchziehen und die in ihrer Substanz selbst von revolutionären Umbrüchen unberührt bleiben. Im Speziellen belegt der Fall, dass die abendländische Zivilisation zu verschiedenen Zeiten das Ideal der römischen Republik erneuert hat, ein Ideal, das nicht abstrakt gelehrt werden kann, sondern des persönlichen Beispiels bedarf. I. Polybius Dabei ist es erstaunlich, dass der älteste Bericht von den res gestae des Regulus, der die Zeiten überdauert hat, für den Konsul keineswegs schmeichelhaft ausfällt. Der Regulus des Polybius freilich ist jener Regulus, an den man sich in der Folge nur ungern erinnert hat. Erst als man im An6

http://www.j-m-w-turner.co.uk/artist/turner-regulus.htm, zuletzt eingesehen im September 2007. 7 Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Berlin 131923, Bd. 1, Buch 3, Kap. 2, S. 525, Anm. 7.

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schluss an Leopold Ranke versuchte, den „historischen Kern“ der RegulusErzählung zu identifizieren, wurde Polybius wieder zur wichtigsten Quelle.8 In seinen Historien meinte man – vielleicht mit gutem Recht – am ehesten zu erfahren, „wie es wirklich gewesen“. Polybius freilich ging es um anderes, so sehr er auf „Tatsachen“ bestand, Unparteilichkeit beanspruchte und Quellenkritik betrieb. Er wollte zeigen, wie die bisher unverbundenen Ereignisse der verschiedenen regionalen Historien mit dem Aufstieg Roms seit dem ersten Punischen Krieg in eine einzige Weltgeschichte mündeten. Aber seine Geschichtsschreibung sollte auch pragmatisch sein; am konkreten Fall sollte der Leser seine politische und militärische Urteilskraft schärfen. Insofern gewinnt das Beispiel des Regulus auch bei ihm paradigmatische Bedeutung. Polybius erzählt also folgendes: Nachdem sich im Jahr 263 v. Chr. das griechische Syrakus unter Hieron den Römern ergeben hatte, wurde der Kampf um die Vorherrschaft auf Sizilien zum Duell zwischen Rom und Karthago. Es wurde deutlich, dass die sizilianischen Küstenstädte Karthago die Treue halten würden, solange dessen Vorherrschaft auf See nicht in Gefahr war. Wollte Rom also Sizilien beherrschen, musste es sich aufs Meer begeben. Eine Flotte wurde gebaut; und dank der neuen Technik der Enterbrücken konnten sich die Römer ihre Überlegenheit im Zweikampf auch auf dem Meer zunutze machen. Bei Mylae gelang der erste Seesieg der römischen Geschichte; was später als Erster Punischer Krieg in die Annalen einging, war bereits im Gange.9 Die neu gewonnene Selbstsicherheit veranlasste Rom, eine Landung in Afrika zu versuchen, um Karthago im eigenen Land eine vernichtende Niederlage beizubringen. Mit der Führung des Unternehmens wurden die beiden Konsuln dieses Jahres, Lucius Manlius Vulso und Marcus Atilius Regulus, beauftragt. Letzterer war bereits 267 Konsul gewesen und hatte sich in siegreichen Schlachten gegen die aufständischen Sallentiner ausgezeichnet. Das Landungsvorhaben war zunächst von Erfolg gekrönt. Im Jahr 256 wurde die Blockade der Punier in der Seeschlacht von Ecnomus durchbrochen und beide Konsuln zeichneten sich in den heftigen Kämpfen durch Tapferkeit und strategische Überlegenheit aus. Auf dem afrikanischen Festland setzen sich die Erfolge fort; Aspis wurde eingenommen und befestigt. Die römischen Truppen unternahmen lukrative Plünderungszüge durch die wehrlosen Siedlungen in der Nachbarschaft. Der Siegeszug schien unaufhaltsam, daher entschied der Senat einen der Konsuln, L. Manlius Vulso, nach Rom zurückzubeordern und Regulus das alleinige Oberkommando in Afrika zu erteilen.10 Regulus besiegte die karthagischen Truppen, die sich 8 9

Jäger, Regulus, S. 5 f. Polybius, Hist. I,15–25.

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ihm in den Weg stellen, setze die Plünderungen fort und nahm schließlich Tunis ein.11 Der Fall Karthagos schien nur noch eine Frage der Zeit, und die Stadt bereitete sich auf die Belagerung vor. Doch von da an begann sich das Schicksal zu wenden. Regulus befiel die Angst, sein Konsulat könnte vor der Einnahme der Stadt zu Ende gehen, und sein Nachfolger würde allen Ruhm ernten. Er beschloss, Karthago Verhandlungen anzubieten, ein Angebot, das in dieser Situation nur allzu gern angenommen wurde. Regulus jedoch spielte sich schon als Herr Karthagos auf und stellte Forderungen, die einer völligen Unterwerfung und Erniedrigung der stolzen Republik gleichkamen und daher unannehmbar waren. Obwohl es aussichtslos erschien, beschlossen die Karthager den Kampf fortzusetzen. Die unerwartete Rettung brachte schließlich ein Söldner aus Sparta namens Xanthippus, dessen Klugheit und Urteilsvermögen Polybius der Hybris des Regulus gegenüberstellt. Xanthippus gelang die Reorganisation der desolaten Truppen und ebenso die Wiedererweckung des punischen Kampfgeistes. Mit strategischer Überlegenheit und dank der Selbstüberschätzung des Regulus konnte er den römischen Truppen eine desaströse Niederlage beibringen. Nur wenige römische Soldaten überlebten, Regulus selbst geriet in Gefangenschaft.12 Polybius präsentiert diese Episode als das erste Beispiel in seinen Historien, das dem Leser den Nutzen seiner Geschichtsschreibung verdeutlichen soll. Man solle sich nicht auf die temporären Begünstigungen des Schicksals (tyche) verlassen, sonst ergehe es einem wie dem Regulus. Gerade noch glaubte er seinen Feinden jede Gnade verweigern zu können, schon befand er sich selbst in aussichtloser Lage.13 Das Schicksal wandte sich gegen Rom, wenn auch nicht ohne Zutun seiner militärischen Führer. Die römische Flotte, die in Afrika die Überlebenden des Feldzugs an Bord genommen hatte, wurde auf der Heimfahrt ohne Kampfhandlungen durch einen Sturm fast völlig vernichtet. Karthago war wieder im Spiel. Der kluge Held Xanthippus kehrte dagegen in seine lakedämonische Heimat zurück, weil er wusste, dass jeder Erfolg Neid und Hass nach sich zieht, gerade gegenüber einem Fremden. Wie aber konnte aus Regulus, dem Musterbeispiel selbstzerstörerischer Hybris, ein Musterbeispiel republikanischer Tugend werden? Der Grieche Polybius hat über Regulus nichts weiter zu sagen, doch für die römischen Schriftsteller beginnt der interessante Teil der Geschichte erst mit der Gefangenschaft des Konsuls. 10 Nach anderer Überlieferung wurde die Entscheidung unter den Konsuln ausgelost. Orosius, Historiarum adversum paganos libri septem, IV,8,10. 11 Polybius, Hist. I,26–30. 12 Polybius, Hist. I,31–34. 13 Polybius, Hist. I,35.

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II. Cicero und Horaz Der erste uns überlieferte Bericht über das weitere Schicksal des Regulus findet sich in einem Fragment des Gaius Sempronius Tuditanus, Konsul im Jahre 129 v. Chr., das sich bei Gellius erhalten hat.14 Auch wenn Polybius davon nichts weiter berichtet, gibt es keinen Grund am historischen Gehalt des stilistisch nüchternen Tuditanus-Fragments zu zweifeln.15 Demnach kam Regulus nach langer Gefangenschaft im Jahr 249 mit einer karthagischen Gesandtschaft nach Rom, wo er dem Senat einen Gefangenenaustausch vorschlagen sollte. Im Senat sprach er sich jedoch gegen den Austausch aus, der ihm selbst die Freiheit gebracht hätte. Was seine Tat allerdings als weniger heroisch erscheinen lässt, ist der Verweis darauf, dass die Karthager ihm ein langsam wirkendes Gift gegeben hätten, das ohnehin seinen baldigen Tod bewirkt hätte. Allerdings berichtet schon Tuditanus davon, dass die Karthager Regulus aufgrund seines Verhaltens durch Schlafentzug zu Tode gefoltert hätten. Um der Familie des Regulus die Rache zu ermöglichen, lieferte ihr der Senat höherstehende karthagische Gefangene aus, die das gleiche Ende erlitten wie der Konsul.16 Ganz anders stellt sich das Regulus-Drama in Ciceros republikanischer Tugendlehre De officiis dar. Hier ist nicht mehr von der Hybris des Konsuls die Rede, nein durch einen Hinterhalt der Karthager (ex insidiis) sei er in Gefangenschaft geraten. Ob Cicero eigene narrative Elemente erfunden hat, um die Erzählung besser der Zielsetzung seines Werkes unterzuordnen, lässt sich schwer sagen. Über seine Quellen ist wenig bekannt. Jedenfalls aber verzichtet Cicero auf alles, was dem lehrhaften Charakter der Episode hätte schaden können, wie etwa der Vergeltungsakt an den karthagischen Geiseln. Da es jenes heroische Regulus-Bild ist, das geschichtlich wirksam geworden ist, sei die Stelle vollständig wiedergegeben: „Als M. Atilius Regulus, zum zweiten Male Konsul, durch einen Hinterhalt gefangen genommen wurde unter Führung des Lakedaimoniers Xanthippos (. . .), wurde er zum Senat geschickt unter der eidlichen Versicherung, dass er selbst, falls nicht einige vornehme, in Gefangenschaft geratene Karthager den Puniern zurückgegeben würden, nach Karthago zurückkehre. Als dieser nach Rom gekommen war, hatte er das Bild des Vorteils (species utilitatis) vor Augen, beurteilte es aber, wie das Geschehen erhellt, als trügerisch. Es sah so aus: in der Heimat zu 14 Gellius, Noctes Atticae VII,4,1.4; vgl. Mix, Erwing, Marcus Atilius Regulus – Exemplum historicum, Den Haag und Paris 1970, S. 14. 15 Tenney, Frank, Two Themes in Roman Literature, in: Classical Philology 21/4 (1926), S. 311–316, hier: S. 312. 16 Dieselbe Erzählung ist auch in einem Fragment aus Diodor überliefert und dort noch mit weiteren Details angereichert. Diodor Siculus, Bibliotheke XXIV, fragm. 19; vgl. Jäger, Regulus, S. 6 f.

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bleiben, zu Hause zu sein bei Frau und Kindern, das im Krieg erlittene Unglück als unvermeidlich bei der Laune des Kriegsglücks zu beurteilen und den Rang konsularischer Würde innezuhaben. Wer wollte leugnen, dass das vorteilhaft ist? Wer, meinst du? Seelengröße (magnitudo animi) und Tapferkeit leugnen das. Suchst du etwa überzeugendere Ratgeber? Denn diesen Tugenden ist es eigen, vor nichts zurückzuschrecken, auf alle Güter der Welt herabzuschauen (omnia humana despicere), nichts, was einen Menschen treffen könnte für unerträglich zu halten. Was tat er deshalb? Er trat vor den Senat, legte seine Aufträge dar, weigerte sich, seine Stimme abzugeben. Solange er durch einen Eid gegenüber den Feinden verpflichtet sei, sei er nicht Senator. Und das auch leugnete er – ein Dummkopf, könnte einer sagen, einer der sich gegen seinen eigenen Nutzen (utilitas sua) sträubt! –, dass die Rückgabe der Gefangenen vorteilhaft sei; denn jene seien junge und gute Offiziere, er schon vom Alter gebeugt. Da sein Rat sich durchsetzte, wurden die Gefangenen zurückgehalten, er selbst kehrte nach Karthago zurück, und es hielt ihn weder die Liebe zur Vaterstadt noch zu den Seinen zurück. Dabei wusste er wohl, dass er aufbräche zum grausamsten Feind und zu den ausgeklügeltsten Foltern aber er glaubte seinen Eid halten zu müssen. Deshalb war er damals, als er durch den Entzug des Schlafes zu Tode gebracht wurde, in einer besseren Lage, als wenn er zu Hause geblieben wäre, ein kriegsgefangener Greis, ein meineidiger Konsular.“17

Die Stelle ist zunächst in ihrem unmittelbaren historischen Kontext zu sehen. De officiis war Ciceros letztes Hauptwerk und wurde im Jahr 44 verfasst, also kurz nach der Ermordung Gaius Julius Cäsars im März des gleichen Jahres. Cicero hatte die Tat aus unerschütterbarer republikanischer Gesinnung und tiefem Hass gegen Cäsar heraus begrüßt, wenngleich die weitere politische Entwicklung seinen Hoffnungen zuwiderlief und alsbald zu seiner eigenen Ermordung führte. Einst war Cicero überzeugt, dass es Cäsars Mission war, die Republik zu retten; aber dieser hatte sich dazu entschieden gegen göttliches und menschliches Recht das eigene Interesse über das Gemeininteresse zu stellen.18 Der selbstlose Regulus wird von Cicero als Gegenbild aufgebaut. Er verfügt über die einzigartige Seelengröße, bis zur letzten Konsequenz das Nützliche (utile) dem Ehrenhaften (honestum) unterzuordnen. Durch diese paradigmatische Funktion des Regulus, der das Ergebnis der vorangegangenen moralphilosophischen Untersuchungen durch sein persönliches Beispiel bestätigt, wird die Episode über den historischen Kontext, die Agonie der Republik und Cäsars Streben nach Alleinherrschaft, hinausgehoben. 17 Cicero, De off. III,26,99–27,100; Zitate aus De officiis werden hier wie im Folgenden wiedergegeben nach Cicero, Marcus Tullius, De officiis/Vom pflichtgemäßen Handeln, Lateinisch und Deutsch, übersetzt, kommentiert und herausgegeben von Heinz Gunermann, Stuttgart 1992. 18 Cicero, De off. I,8,28; zum „Cäsar-Erlebnis“ als Hintergrund von De officiis: Fuhrmann, Manfred, Cicero und die römische Republik. Eine Biographie, München und Zürich 21992, S. 261 ff.

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Sodann lässt sich die „Moral“ der Regulus-Episode folgendermaßen zusammenfassen: Der Begriff des Nützlichen ist ein bedeutungsloser Name – ein leerer Signifikant würde man heute sagen –, wenn er sich nicht auf ein höheres Ziel bezieht.19 Dieses Ziel identifiziert Cicero schon auf den ersten Seiten seines Buches als das honestum, – so seine lateinische Übersetzung des platonisch-stoischen kalon. Es ist nichts nützlich, was nicht ehrenvoll ist, so lautet das Mantra vor allem des dritten Buches von De officiis.20 Ciceros honestum aber ist nur im Rahmen seiner philosophischen Anthropologie zu verstehen, die in ihrer eigenständigen Logik nur erkennbar wird, wenn man über seine vielen Verweise auf die griechischen Philosophenschulen und seine nicht immer glücklichen Systematisierungsversuche hinwegsieht. Cicero erkennt den Menschen als vernunftbegabtes und, davon abgeleitet, als historisch-kausal denkendes, soziales und nach Wahrheit strebendes Wesen.21 In all seinen Seinsdimensionen, im Bereich des Körperlichen, Geistigen und Sozialen, ist der Mensch das eine Wesen, das rechte Ordnung (ordo) und rechtes Maß (modus) erfährt.22 Daraus folgt, dass das honestum nach Maßgabe von Weißheit und Klugheit (sapientia et prudentia) in allen drei Dimensionen zu suchen ist, in der Gemeinschaft (societas), in der inneren Gesinnung (animus) sowie im äußerem Handeln und Sprechen (in omnium quae fiunt quaeque dicuntur).23 Nur wenn alle drei Dimensionen harmonisch zusammenklingen, wenn innere wie äußere Haltung auch auf die Gemeinschaft ausgerichtet sind, manifestiert sich die höchste aller männlichen Tugenden, die Gerechtigkeit (iustitia).24 Da aber die res publica als engste Form menschlicher Gemeinschaft vor allen Manifestationen des Sozialen, einschließlich der Familie, den Vorrang hat, ist der gerechte Mann jener, der im Sinne der res publica denkt und handelt. Welcher Mann, so fragt Cicero, würde zögern, in den Tod zu gehen, wenn er damit der res publica nützen könnte?25 Wer also wie Cäsar gegen die Republik handelt, folgt einem Trugbild des Nutzens, handelt aber letztlich gegen seine eigene Menschennatur.26 Das Paradigma des tugendhaften und ehrenwerten Mannes ist daher nicht der Philosoph,27 sondern der Politiker, der Ämter erstrebt.28 Dieses Paradigma muss aber nicht phi19

Cicero, Cicero, et passim. 21 Cicero, 22 Cicero, 23 Cicero, 24 Cicero, 25 Cicero, 26 Cicero, 27 Cicero, 20

De off. III,28,101. De off. III,7,34; III, 8,35f.; III,21,85; III,26,97; III,28,101; III,30,110; De De De De De De De

off. off. off. off. off. off. off.

I,4,11–13. I,4,14. I,5,15. I,7,20. I,17,57. III,25,96. I,9,28.

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losophisch ersonnen, sondern in der römischen Geschichte, im Beispiel der maiores gesucht werden. Dabei gehören Kriegshelden und Politiker in die gleiche Kategorie, denn beide müssen wissen, wie man Rückschläge und Niederlagen einsteckt, ohne das Standvermögen zu verlieren. Man kann die Leistung des Politikers sogar höher einschätzen; denn der große Sieg, wie jener des Themistokles bei Salamis, nützt der res publica in einer bestimmten Situation, die Einrichtungen dagegen, die ein Politiker vom Format eines Solon hinterlässt, sind der res publica dauerhaft von Nutzen.29 In De re publica ist es Scipio, der den Sinn republikanischer Existenz beispielhaft verkörpert, wenn er die procuratio et administratio rei publicae als die von den Vorfahren ererbte Lebensaufgabe benennt.30 In De officiis ist es Regulus, dessen Beispiel vor allen mythischen und fremdländischen Beispielen den Vorzug verdient hat, weil es sich um eine „Tatsache unserer Geschichte (res facta nostra)“ handelt.31 Cicero geht an einer Stelle sogar soweit zu sagen, dass Regulus vor allem deshalb Lob verdiene, weil er sich gegen den Gefangenenaustausch aussprach, den er als schädlich für das Gemeinwesen erkannte. Dass er seinem Eid gemäß nach Karthago zurückkehrte, wo ihn Gefangenschaft und Folter erwarteten, sei hingegen „nicht die rühmliche Tat eines Mannes, sondern der Zeit“. Denn in den guten Tagen der Republik sei es selbstverständlich gewesen, dass man sich dem Willen der Vorfahren gemäß an seine Versprechen hielt – auch gegenüber Feinden.32 Es ist erstaunlich, dass bei Cicero kaum von Ruhm die Rede ist, aber es liegt in der Logik der Argumentation. Denn hätte Regulus für den Ruhm gelitten, hätte er wiederum das utile den persönlichen Interessen unterstellt. Nein er starb, weil er nicht anders konnte, hatte er einmal den Sinn republikanischer Existenz begriffen. Hätte er körperliches Wohl und Familienglück über den Nutzen des Gemeinwesens gestellt, hätte er sich an seinem Dasein als römischer Bürger und als Mensch versündigt.33 So mag Regulus unter den Schmerzen der Folter gestorben sein, doch im Bewusstsein seiner Tugendhaftigkeit starb er zugleich in Glück und Lust;34 – soweit Cicero. Spätere Historiker meinten, das von Cicero gezeichnete Bild noch verstärken zu müssen, indem sie die Folterqualen, die Regulus erleiden musste, in aller Breite schilderten. Aus den bei Johannes Damaszenus und Zorona28 29 30 31 32 33 34

Cicero, Cicero, Cicero, Cicero, Cicero, Cicero, Cicero,

De De De De De De De

off. I,21,70–73. off. I,22,74–76. re publ. I,22,36. off. III,26,99. off. III,31,111. off. III,29,105; vgl. Cicero, Paradoxa Stoicorum II,16. finibus II,20,65.

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ras erhaltenen Fragmenten aus Cassius Dio erfährt man, Regulus seien die Augenlider abgeschnitten worden, dann habe man ihn mit dem Gesicht zur Sonne in ein mit Nägeln gespicktes Fass gestellt. Weil er weder die Augen schließen, noch sich anlehnen oder zur Ruhe niederlegen konnte, sei er schließlich an Schlafentzug gestorben.35 Auch weitere Heldentaten kommen hinzu, mögen sie aus heutiger Sicht auch etwas unwahrscheinlich erscheinen. So erzählt Cassius Dio, während der Belagerung von Karthago habe Regulus eine Riesenschlange von 120 Fuß Länge besiegt, die seine Truppen dezimierte.36 Allerdings räumt ihm Dio, anders als Cicero, wieder eine Teilschuld an Niederlage und Gefangenschaft ein. Seine Siege über Karthager und Ungeheuer hätten ihm den Nimbus der Unbesiegbarkeit eingebracht, auf den der Senat ebenso wie er selbst schließlich hereingefallen seien.37 Am Heldencharakter des Regulus aber tut das keinen Abbruch. Dio berichtet sogar den Wortlaut der wahrhaft patriotischen Rede, die Regulus vor den Senatoren gehalten habe. Die Einzelheiten sind hier nicht von Belang, lediglich der zentrale Satz sei vermerkt: Durch seinen Eid gehöre sein Leib nunmehr den Karthagern, sein Geist aber sei durch und durch römisch, und keine Macht der Welt könne daran etwas ändern. Daher sehe er sich, ohne Rücksicht auf seine Person, dazu gezwungen, von einer Annahme des karthagischen Angebots abzuraten.38 Da Orosius sowohl die Folter- als auch die Schlangenszene bestätigt, kann man davon ausgehen, dass beide schon in vorchristlicher Zeit der Regulus-Erzählung hinzugefügt worden sein müssen. Denn Orosius bezieht seine Kenntnisse wahrscheinlich aus dem 18. Buch von Livius’ Ab urbe condita, das uns leider nicht erhalten ist.39 Aber man darf wohl annehmen, dass die republikanische Moral der Erzählung schon zur Zeit des Livius verloren gegangen war. Sicherlich aber ist bei Dio nichts mehr davon bewahrt; Regulus ist nunmehr Märtyrer im patriotischen Geiste. Aus augusteischer Zeit stammt auch die so genannte Regulus-Ode des Horaz.40 Einerseits wird Regulus dort als Held aus vergangener Zeit präsentiert, dessen Selbstaufgabe in Horaz’ eigener Zeit sinnlos erscheint.41 Inso35 Sh. die Fragmente zu Buch XI in: Dio’s Roman History, ed. Earnest Cary, Cambridge und London 1970, S. 449. 36 Ebd., S. 425 ff. 37 Ebd., S. 429. 38 Ebd., S. 446; vgl. Eutropius, Breviarium ab urbe condita II,25. 39 Orosius, Hist. IV,8,10–15 und IV,10,1; vgl. den Kommentar zu dieser Stelle in Orosius, Paulus, Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht, Buch I–IV, übersetzt und der erläutert von Adolf Lippold, Zürich und München 1985, S. 290. Bei Orosius ist der Bericht durch eine kuriose Abhandlung über die Anatomie und Ethologie von Schlangen unterbrochen. 40 Horaz, Carmina III,5.

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fern mag man ein wenig republikanische Nostalgie heraushören, schließlich hatte Horaz bei Philippi an der Seite des Brutus gekämpft – und verloren. Gleichwohl kann alle Nostalgie nicht die epikureische Lebensklugheit und den stoisch-gemäßigten Hedonismus gefährden, die nach dem Tode der Republik das Engagement für das Gemeinwesen ersetzen müssen. In den letzten Versen der Ode heißt es, Regulus habe sein märtyrergleiches Hinscheiden mit der gleichen Heiterkeit erlebt, mit der sich heute ein Patron zu seinen Landgütern und Weinbergen begebe. Man kann darin einen brutalen Sarkasmus sehen, man muss es aber nicht. Denn andererseits spricht aus der Tat des Regulus ein Sehergeist (provida mens) und erteilt dem Augustus einen außenpolitischen Rat: So wie sich Regulus gegen die Rettung der römischen Gefangenen ausgesprochen habe, so sei jetzt auf eine militärische Operation zum Entsatz jener Truppen zu verzichten, die unter Crassus in die Gewalt der Parther geraten seien; – zumal letztere wenig von ihrer römischen Würde bewahrt hätten. Die Botschaft des Regulus lautet nun: Patriotismus und Imperialismus fallen nicht in eins. Sollte sich Augustus einst die Deifizierung verdienen, dann nicht durch die territoriale Erweiterung des Reiches.42 III. Augustinus Es ist zumindest auf den ersten Blick erstaunlich, dass es der Kirchenvater Augustinus war, der sich wieder auf den republikanischen Regulus besann. Freilich war schon den lateinischen Apologeten die Parallele zwischen Regulus und den christlichen Märtyrern nicht entgangen, hatte doch bereits Cicero betont, wie sehr der Konsul die weltlichen Dinge verachtete.43 Seneca führt weiter aus, dass Fortuna nur die Tapfersten und Aufrechtesten auswählt, um sie eine Prüfung zu unterziehen; Regulus, Sokrates und Cato zählen zu ihnen.44 Gequält von den Nägeln, die in seine Haut drangen und den Tod vor Augen, bereute Regulus doch nie seine Tat, schreibt Seneca, weiter; denn je größer die Qual, umso größer der Ruhm (quanto plus tormenti tanto plus erit gloriae). Der Stoiker führt sogar eine Art Jenseitsperspektive ein, wenn er schreibt, Regulus würde sich wieder 41

Zur Interpretation sh. Arieti, James, Horatian Philosophy and the Regulus Ode, in: Transactions of the American Philological Association 120 (1990), S. 209–220. Zur Vielschichtigkeit der so genannten Römer-Oden (Carm. III,1–6) vgl. Ottmann, Henning, Geschichte des politischen Denkens, Bd. 2/1: Die Römer, S. 175–181. 42 „(. . .) Regulus is no fit symbol for a conquering hero deified, like Alexander, for his stunning victories. Whatever divinity Regulus possesses is internal, not external.“ Arieti, Horatian Philosophy, S. 211. 43 Tertullian, Apol. 50; Ad mart. 4; Minucius Felix, Octavius 37. 44 Seneca, De providentia 3,4; vgl. Epistulae morales 67,17; 98,12.

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genauso entscheiden, würde man ihn wieder zum Leben erwecken.45 Von dort war es in der Tat nicht mehr weit zur Logik christlicher Märtyrerberichte, zumal Seneca an einer Stelle sogar anmerkt, Regulus sei am Kreuz gemartert worden.46 Mit großem Lob sprechen daher die Apologeten über den Konsul, fast als sei er einer der ihren. Auch wenn Tertullian – er wäre nicht er selbst – ihm an einer Stelle eitles Streben nach Ruhm unterstellt, einem Gut also, das er nach seinem Tode gar nicht genießen könne,47 so wurde doch allgemein gesehen, dass Regulus in Unkenntnis der christlichen Erlösungsbotschaft das Höchste gesucht hatte, was aus seiner Perspektive erstrebenswert schien.48 Eine theoretische Durchdringung der Materie aber gelang erst Augustinus in dessen Hauptwerk De civitate Dei contra paganos. Bekanntermaßen reagierte Augustinus mit seinem Opus Magnum auf die Unsicherheit der Christen nach dem Fall Roms im Jahre 410. Zum letzten Mal bäumte sich die alte Senatsaristokratie auf und machte die christliche Verachtung des zivilreligiösen Pantheons für die Katastrophe verantwortlich. Das größere Problem war jedoch, dass sich für die Christen selbst die Theodizeefrage stellte, zumal der reichstheologische Gedanke, wonach das Römische Reich von Gott zur Verbreitung des Christentums eingesetzt worden war, auch im Westen nicht ohne Resonanz geblieben war. Augustinus leistete daher die umfassendste Radikalkritik an der Glorifizierung der römischen Geschichte, ausgehend von der Ursünde des Brudermordes durch den Gründer Romulus.49 Er nahm der Reichsgeschichte jeglichen providentiellen Charakter, der ihm nicht nur von konstantinischen Theologen wie Eusebius, sondern auch von heidnischen Autoren – allen voran Vergil – zugeschrieben worden war. Zugleich zeigte der Kirchenvater, dass es auch in der vorchristlichen Geschichte Roms zu zahlreichen Katastrophen gekommen war und dass die alten Götter damals keineswegs Abhilfe schaffen konnten. Orosius schrieb im Anschluss an Augustinus die gesamte Weltgeschichte neu. Sein nüchterner, an Flauberts Salammbô erinnernder Stil lässt die Grausamkeiten des Ersten Punischen Krieges ungemildert auf den Leser einwirken. Die Beschreibung der Folter des Regulus dient – neben 45

Seneca, De providentia 3,9. Seneca, Epistulae morales 98,12; vgl. Carlson, Mary Louise, Pagan Examples of Fortitude in the Latin Christian Apologists, in: Classical Philology 43/2 (1948), S. 93–104, hier: S. 102. 47 Tertullian, De testimonio animae 4. 48 „Of all the pagan examples cited by the apologists, Regulus evoked from them the greatest measure of unqualified admiration.“ Carlson, Pagan Examples, S. 102. 49 Vgl. Riedl, Matthias, Natur und Sünde. Augustinus über den Anfang der Politik, in: Schabert, Tilo und Riedl, Matthias (Hrsg.), Die Menschen im Krieg, im Frieden mit der Natur, Eranos – Neue Folge Bd. 13, S. 115–130, hier: S. 118 ff. 46

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vielen anderen Beispielen – einerseits dem Zweck, die Nutzlosigkeit der alten Götter zu erweisen,50 die die größten Helden im Stich lassen, und andererseits dazu, den Fall Roms zu relativieren. Im Anschluss an die RegulusEpisode resümiert er: „Wer, bitte ich, könnte durch Erzählen darlegen, wie viele Könige der Karthager, wieviel Konsuln der Römer, wieviel Heerscharen, welche Zahl von Schiffen in diesem einen von zwei Staaten 23 Jahre lang geführten Krieg zusammengebracht, niedergeschlagen und vernichtet wurden? Erst dann, wenn man jenes Geschehen in seiner Gesamtheit genau überdacht hat, möge man über das Gegenwärtige urteilen.“51

Augustinus dagegen, der doch am Ende selbst ein Römer war, stellt fairerweise die Frage, warum Gott diesem Reich überhaupt so große Ausdehnung und Beständigkeit verliehen hatte. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Römer ihr Reich durchaus verdient hätten, insofern sie von allen irdischen Gütern immerhin das höchste erstrebt hätten, den Ruhm (gloria). Daher seien sie unter den Bedingungen von menschlicher Sündhaftigkeit und Unkenntnis der christlichen Botschaft ein relativ tugendhaftes Volk gewesen.52 Diese Tugendhaftigkeit aber muss ein Christ noch überbieten: „So ward durch die weite Ausdehnung, die lange Dauer und den hohen Ruhm jenes Reiches, den es dank der Tüchtigkeit seiner großen Männer erlangte, einerseits jenen Männern der Lohn, den sie erstrebten, zuteil, andrerseits aber wurden uns hier Vorbilder zu nötiger Ermahnung vor Augen gestellt. Nun ist es klar: Wenn nicht auch wir um des ruhmreichen Gottesstaates willen an den Tugenden festhielten, wie sie in ähnlicher Weise von jenen um des Ruhmes ihres irdischen Staates willen geübt wurden, müssten wir von Scham vergehen. (. . .) Doch irdischen und zeitlichen Ruhm zu erlangen, hat, so mag man urteilen, die Lebensführung jener Männer vollauf verdient.“53

So erscheint bei ihm auch die Regulus-Episode wieder in einem positiveren Licht als bei Orosius. Zunächst einmal stellt er den Konsul als ein Beispiel für die Christen hin, deren jenseitige Heimat doch ein höheres Gut sei und wenigstens das gleiche Engagement verdiene. Die republikanische Tugend der fides wird in eine christliche umgedeutet, ohne dass die ursprüngliche Bedeutung ganz verloren ginge: 50

Ähnlich schreibt auch Augustinus, De civ. III,18: „Wenn dieses Mannes [i. e. Regulus; M. R.] unvermutete Gefangennahme und unwürdige Knechtschaft, dieses Mannes treu gehaltener Eid und grausamer Tod die Götter nicht zum Erröten bringt, sind sie wahrlich aus Erz und haben kein Blut in den Adern.“ Vgl. De civ. I,15; II,23; III,20. Zitate aus De civitate Dei werden hier wie im Folgenden wiedergegeben nach: Augustinus, Aurelius, Vom Gottesstaat, übers. Wilhelm Thimme, eingel. und komm. Carl Andresen, München 31991. An einigen Stellen habe ich die Übersetzung nach dem lateinischen Originaltext verändert. 51 Orosius, Hist. IV,11,4; zit. Orosius, Antike Weltgeschichte, Bd. 1, S. 225 f. 52 Augustinus, De civ. V,13; V,19. 53 Augustinus, De civ. V,18.

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„Wenn M. Regulus (. . .) es auf sich nahm, dass ihn die Karthager, gegen die er im römischen Senat aufgetreten war, zu Tode marterten, welche Qualen sollte man da nicht bereitwilligst erdulden, um jenem Vaterlande (patria) treu zu sein, zu dessen Seligkeit (beatitudo) diese Treue (fides) uns geleitet? Oder wie könnte man sich einreden, ‚dem Herrn alle Wohltat zu vergelten, die er an uns tut [Ps. 116,12]‘, wenn man um der Treue willen, die man ihm schuldet, doch nur das erleidet, was Regulus um der Treue willen litt, die er seinen blutrünstigen Feinden schuldete?“54

Die republikanische Dimension des augustinischen Regulus-Bildes wird aber erst deutlich, wenn man den politiktheoretischen Rahmen berücksichtigt. Im 21. Kapitel des zweiten Buches von De civitate Dei betreibt der Kirchenvater eine radikale Kritik an Cicero. Letzterer hatte in De re publica die Republik als Volksache definiert (res publica res populi). Das Volk wiederum sei „nicht jede irgendwie zusammengescharte Ansammlung von Menschen, sondern die Ansammlung einer Menge, die in der Anerkennung des Rechtes und der Gemeinsamkeit des Nutzens vereint ist (coetus multitudinis iuris consensu et utilitatis communione sociatus)“.55 Wenn im Volk der Rechtskonsens gegenüber gemeinsamen Nützlichkeitserwägungen überwiegt, dann heißt ein solches Volk Bürgerschaft (civitas). Wie Augustinus weiter feststellt, leitet Cicero „aus den erwähnten Begriffsbestimmungen ab, nur dann könne von einer Republik, das ist einer Volkssache, die Rede sein, wenn sie gut und gerecht, sei es vom Könige, sei es von einigen wenigen Machthabern, sei es vom ganzen Volke, regiert werde.“56 Die Republik bestimmt sich also nicht durch eine spezifische Regierungsform, sondern dadurch, dass die Regierung gerecht und im Sinne des ganzen Volkes ausgeübt wird. Dies hat nach Cicero zur Folge, dass die verschiedenen Stände harmonisch zusammenklingen. Allerdings ist eine solche Regierung nur dann möglich, wenn es Männer gibt, die nicht ihre privaten oder Standesinteressen in den Vordergrund stellen, sondern dem Volk als Ganzes dienen wollen. Darin besteht im Wesentlichen die Tugend der Vorfahren, und nur wenn sie bewahrt wird, kann die Republik erhalten werden.57 Der Verlust an Tugend ist es dann auch, der Cicero zufolge die Republik in die Krise stürzte: „Durch unsere Fehler nämlich, nicht durch irgendein Unglück halten wir das Gemeinwesen (res publica) zwar dem Wort nach fest, haben es in Wirklichkeit aber längst verloren.“58 Augustinus aber ist wesentlich radikaler, wenn er mit Verweis auf Sallust bemerkt, dass es diese Republik niemals gegeben habe, schon weil es nie54 55 56 57 58

Augustinus, De civ. V,18. Cicero, De re publ. I,25,39; Augustinus, De civ. II,21. Augustinus, De civ. II,21. Cicero, De re publ. V,1,1; Augustinus, De civ. II,21. Cicero, De re publ. V,1,2; Augustinus, De civ. II,21.

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mals ein Volk im Sinne von Ciceros Definition gegeben habe.59 Denn wann seien die Stände Roms jemals in Rechtsgleichheit und Gemeinsamkeit des Nutzens vereint gewesen? Niemals! Es habe daher niemals eine Republik gegeben, weil es niemals wahre Gerechtigkeit gegeben habe (numquam fuisse rem publicam, quia numquam in ea fuerit vera iustitia). Es kann in diesem Zusammenhang nicht auf die augustinische Sündentheologie eingegangen werden, die die unaufhebbare Korrumpiertheit des Menschengeschlechts postuliert und daher wahre Gerechtigkeit auf Erden für unmöglich erklärt. Die Pointe aber ist folgende: „[. . .] wahre Gerechtigkeit gibt es nur in der Republik, deren Gründer und Herrscher Christus ist, wenn man es denn eine Republik nennen will, da es ja unfraglich Volkssache ist.“60 Augustinus und Cicero stimmen überein, dass Gerechtigkeit darin besteht, dass jedem das Seine gewährt wird; aus christlicher Sicht heißt dies aber, dass zuerst Gott die Ehre zukommen muss, die ihm als Schöpfer und Herrn der Gnade gebührt.61 Mit anderen Worten, einzig das Volk Gottes ist definitionsgemäß ein wahres Volk und allein die mystische Gemeinschaft der civitas Dei ist eine Republik im Sinne Ciceros. Die christlichen Apostel und Märtyrer, die Augustinus den römischen Helden gegenüberstellt, waren daher republikanische Märtyrer. Denn es ging ihnen nicht um den Eigennutzen, sondern um das ganze Volk, in dem sie die Gottesliebe und Gottesverehrung stärken wollten, also jene gemeinsamen Interessen und Rechtsauffassungen, die nach Cicero ein wahres Volk ausmachen: „Und wenn ihnen, die göttlich handelten und redeten und göttlich lebten, nach gelungener Niederkämpfung – um es so zu nennen – der harten Herzen und Begründung des Friedens der Gerechtigkeit in der Kirche gewaltiger Ruhm folgte, ruhten sie nicht in ihm aus, als wäre er das Ziel ihres Tugendstrebens, sondern ordneten auch ihn der Ehre Gottes unter, durch dessen Gnade sie solche Männer waren, und entflammten durch diesen Zunder die ihrer Sorge Anvertrauten zur Liebe dessen, der auch sie zu solchen Männern machen sollte.“62

Der republikanische Held Regulus kann daher als Beispiel für christliche Bürgertugend gelten, weil er im Sinne der Gesamtheit des Volkes handelte. Das christliche Volk aber ist – ebenso wie idealerweise auch das römische – kein Volk im Sinne des modernen Nationalismus, eine durch Sprache, Ethnizität oder gar Rasse geschaffene Kollektiveinheit. Es handelt sich um ein republikanisches Volk, eine civitas, eine im Rechtskonsens verbundene Vielheit von freien Einzelmenschen, die nunmehr Bürger heißen. Die Tat des Regulus ist also kein Opfer für das Kollektiv, nicht Unterordnung des persönlichen Glücks unter den Kollektivnutzen, sondern Ausdruck der Ein59 60 61 62

Vgl. Augustinus, De civ. III,18. Augustinus, De civ. II,21. Augustinus, De civ. XIX,21. Augustinus, De civ. V,14.

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sicht, dass das Glück des Einzelnen und das Glück der Bürgerschaft in eins fallen. „Wenn man aber sagt, M. Regulus habe auch in seiner Gefangenschaft und seinen leiblichen Qualen durch Tugend des Geistes glücklich sein können, nun, so trachte man vor allem nach der wahren Tugend, damit durch sie auch die Bürgerschaft (civitas) glücklich werde. Denn nichts anderes kann die Bürgerschaft glücklich machen, als was auch den Menschen glücklich macht, da die Bürgerschaft nichts anderes ist als eine zur Eintracht verbundene Vielheit von Menschen.“63

So lässt sich abschließend sagen: Regulus irrte nicht darin, dass er am Prinzip der fides bis zum Äußersten festhielt und damit zum leuchtenden Beispiel für seine Mitbürger wurde, sondern darin, dass er den falschen Göttern die Treue hielt. Er und die anderen großen römischen Helden haben „zugunsten des Gemeinguts (res communis), also der Republik und ihres Haushalts willen, ihre privaten Güter gering geschätzt, der Habgier sich verschlossen, dem Vaterlande mit freimütigem Rat gedient, den Gesetzen gehorsam Vergehen und Leidenschaften gemieden.“64 Mit all diesen Mitteln haben sie die Glücksgüter Ruhm, Herrschaft und Ehre gesucht, aber dabei immer gewusst, dass dieses Glück nur im Einklang mit den Wohl der Bürgerschaft erreicht werden kann. Der wahre Gott wusste durchaus anzuerkennen, dass sie solchermaßen den rechten Weg (via vera) beschritten.65 Den Zutritt zum Himmelreich konnte er ihnen nicht gewähren, aber er hat ihnen den irdischen Lohn nicht versagt. Denn sie „sind noch heute dank der literarischen Überlieferung bei fast allen Völkern hochberühmt. Sie können sich nicht über die Ungerechtigkeit des höchsten und wahren Gottes beklagen.“66 IV. Machiavelli und eine Bombe namens Regulus Durch die große Bedeutung, die das Beispiel des Regulus beim Kirchenvater Augustinus einnimmt, war sein Fortleben in der abendländischen Christenheit gesichert. Mir ist kein Text aus dem lateinischen Mittelalter bekannt geworden, in dem der augustinischen Deutung Wesentliches hinzugefügt wurde. Dies ändert sich jedoch als sich die Humanisten der Renaissance wieder auf den vorchristlichen Republikanismus besinnen. Eine interessante Frage, der in diesem Rahmen nicht nachgegangen werden kann, wäre, ob es nicht gerade Augustinus war, der den Grundgedanken des römischen Republikanismus in seiner ciceronischen Formulierung präsent gehalten hat, – zumal ja wesentliche Fragmente von De re publica nur durch Au63

Augustinus, De civ. I,15. Augustinus, De civ. V,15. 65 Vgl. Heyking, John von, Augustine and Politics as Longing in the World, Columbia und London, 2001, p. 167. 66 Augustinus, De civ. V,15. 64

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gustinus überliefert sind. Wie dem auch sei, es ist kaum mehr erstaunlich, wenn die Humanisten sich auch wieder für Regulus interessierten. Das wahrscheinlich beeindruckendste Beispiel findet sich am Beginn des dritten Buches von Machiavellis Discorsi. Der Florentiner behandelt dort das Thema der Reform jeglicher Art von Körperschaften (corpori misti), von Republiken wie von Religionsgemeinschaften (sètte). Hier wie auch sonst in Machiavellis politischen Schriften gelten seine Reflexionen zuerst dem Problem der Stabilität, dem mantenere lo stato.67 Wie er nun schreibt, gereichen nur jene reformierenden Veränderungen (alterazioni) zum Heil, die die Körperschaften „zu ihren Anfängen zurückführen“.68 Gemeinschaften, die sich in diesem Sinne häufig erneuern (rinnovare), sind von größter Dauer.69 „(. . .) denn in ihren Anfängen müssen ja alle Religionsgemeinschaften Republiken und Königreiche notwendig etwas Gutes (qualche bontà) gehabt haben, dem sie ihr ursprüngliches Ansehen und ihre ursprüngliche Durchschlagskraft zu danken hatten. Da aber dieses Gute im Lauf der Zeit verdirbt, so muss der betroffene Körper notwendigerweise absterben, wenn nichts eintritt, das das ursprünglich Gute wiederherstellt. (. . .) Diese Besinnung auf den Ursprung erfolgt bei den Republiken durch ein von außen kommendes Ereignis oder aus inneren Impulsen.“70

Bei den „von außen kommenden Ereignissen“ denkt Machiavelli in erster Linie an die Bedrohung durch einen äußeren Feind, wie bei der Erstürmung Roms durch die Gallier im Jahr 387 v. Chr. Wichtiger aber ist die innere Erneuerungskraft eines Gemeinwesens. Diese besteht entweder in der institutionellen Ordnung, insbesondere den Gesetzen, die die Mitglieder der Gemeinschaft „immer wieder unter Kontrolle hält“, oder „durch einen wirklich tüchtigen Mann (uomo buono), der aus ihrer Mitte hervorgegangen ist und durch sein Beispiel und sein treffliches Wirken die gleiche Wirkung hervorbringt wie das Gesetz“.71 Die römische Republik verfügte über die geeigneten Gesetze, den Ehrgeiz und die Übergriffe der Bürger zu kontrollieren. „Diese Gesetze aber müssen mit Leben erfüllt werden (fatti vivi)“;72 vor allem dann, wenn sich das Gemeinwesen in einer Krise befindet, die institutionellen Strafen in Vergessenheit geraten und die Menschen beginnen, 67

Machiavelli, Il Principe, Kap. 18. Machiavelli, Discorsi III,1,3. Zitate aus den Discorsi werden hier wie im Folgenden wiedergegeben nach: Machiavelli, Discorsi. Gedanken über Politik und Staatsführung, Stuttgart 21977. An einigen Stellen habe ich die Übersetzung nach dem italienischen Originaltext verändert. Die Satzzählung folgt der Ausgabe: Machiavelli, Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio, Mailand 1984. 69 Machiavelli, Discorsi III,1,4. 70 Machiavelli, Discorsi III,1,7–10. 71 Machiavelli, Discorsi III,1,18. 72 Machiavelli, Discorsi III,1,21. 68

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die bestehende Ordnung zu verachten. Wenn also die institutionelle Ordnung so sehr an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat, dass sie in ihrer Existenz gefährdet ist, dann kann sie nur noch durch die einfache Tüchtigkeit (semplice virtù d’un uomo) eines Mannes und sein exemplarisches Handeln auf ihren Ursprung, ihre Gründungsprinzipien, zurückgeführt werden (ritirare verso i suoi principii).73 Solche Männer waren Horatius Cocles, Mucius Scaevola, Fabricius, die beiden Decius und Marcus Atilius Regulus. Weil aber nach Regulus kein herausragender Mann mehr folgte, war der Niedergang der Republik unaufhaltsam; die beiden Cato kamen zu spät und standen so allein, dass aus ihrem Beispiel nicht mehr genug Kraft für den Bestand der Republik erwachsen konnte.74 Es folgt aber noch eine erstaunliche Pointe; denn wie gesehen macht Machiavelli keinen prinzipiellen Unterschied zwischen einer Republik und der Kirche. Was nun die Religionsgemeinschaften angeht, so findet Regulus dort eine Parallele in den Ordensgründern Franziskus und Dominikus. Durch ihr persönliches Handeln brachten sie das Gründungsprinzip der Kirche, die Armut und das Leben in der Nachfolge Christi, wieder in Erinnerung. Die auf ihr Beispiel gegründeten Orden „sind so einflussreich, dass allein dank ihrer Wirkung das lasterhafte Leben der Prälaten und Kirchenfürsten die Religion nicht zugrunde richtet“.75 An einer späteren Stelle kommt Machiavelli noch einmal auf Regulus zurück. Dort macht er deutlich, dass sich die virtù des uomo buono keineswegs in einem spektakulären Märtyrertod äußern muss. Die wesentlichen, der römischen Gründung zugrunde liegenden Tugenden sind vielmehr Bescheidenheit und Zufriedenheit. Sie äußern sich darin, dass man sich nicht bereichert, und – aus Sicht von Machiavellis Anthropologie erscheint dies als fast unmöglich –, dass man bereit ist, einmal errungene Macht wieder zurückzugeben. Regulus hat dementsprechend seine privaten Güter vernachlässigt, um in Afrika für das Gemeinwesen Krieg zu führen. Dann richtete er eine Petition an den Senat, um zu seinen Gütern zurückkehren zu können, die von seinen Arbeitern heruntergewirtschaftet worden waren. Dies war ihm freilich nicht mehr vergönnt. Aber das Beispiel zeigt die Seelengröße (generosità dell’animo) des paradigmatischen Republikaners.76 Unerschrocken kämpften Helden wie Cincinnatus und Regulus an der Spitze des Heeres gegen die Feinde. „Und danach kehrten sie wieder ins Privatleben zurück, wurden sparsam und bescheiden, verwalteten ihr kleines Vermögen, gehorchten den Behörden und zeigten Ehrerbietung gegen ihre Vorgesetz73 74 75 76

Machiavelli, Machiavelli, Machiavelli, Machiavelli,

Discorsi Discorsi Discorsi Discorsi

III,1,26f. III,1,28–30. III,1,32f. III,25,11–14.

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ten. Fast unmöglich erscheint es, dass eines Menschen Seele solchen Wechsel ertragen kann.“77 Denkt man nun daran, wo in der Neuzeit das Ideal der römischen Republik noch einmal zum Leben erweckt wurde, fallen einem neben dem revolutionären Frankreich zunächst die Vereinigten Staaten ein. Die Gründerväter lasen mit Begeisterung Cicero und Machiavelli, und so lässt sich annehmen, dass in den USA auch die klassischen Helden des Republikanismus wiederentdeckt wurden. In der Tat: Nach Cincinnatus hat man in Staate Ohio eine Großstadt benannt. Aber auch Regulus blieb nicht völlig unbeachtet. Das amerikanische Militär benannte bekanntermaßen die im Kalten Krieg bedeutendsten Systeme atomarer Kurz- und Mittelstreckenraketen nach dem berühmten amerikanischen Militärführer im Ersten Weltkrieg, General John J. Pershing. Ein früheres System von Marschflugkörpern aber, das schon seit 1943 aus der V1 des einstigen Kriegsgegners entwickelt wurde und mit dem man die ersten amerikanischen Atom-U-Boote bestückte, erhielt den Namen SSM-N-8A Regulus.78 Wenngleich sich über den Prozess der Namensgebung nichts Näheres herausfinden ließ, so besteht doch kaum ein Zweifel an der intendierten Symbolik: Die Namen Pershing und Regulus stehen für die Verteidigung einer freien und humanen Ordnung und den Kampf gegen Autokratie, Diktatur und Unfreiheit. V. Heinrich Joseph von Collin Wie schon gesehen, wandelte sich das Regulus-Bild in der frühen römischen Kaiserzeit. Aus dem republikanischen Helden Ciceros wurde ein Patriot, der schlicht für Rom stirbt, ohne Ansehen der spezifischen politischen Ordnung. Diese Wandlung wiederholt sich in der deutschsprachigen Regulus-Rezeption ab dem frühen 19. Jahrhundert. Der österreichische Dichter Heinrich Joseph von Collin (1771–1811) ist heute ebenso vergessen wie Regulus, von dem seine bekannteste Tragödie aus dem Jahre 1802 handelt. Dabei wurde er zu Lebzeiten hoch gehandelt. Der Germanist Christian Grawe, der die Werke Collins neu veröffentlicht hat, zählt die Ehrentitel auf, die ihm seinerzeit verliehen wurden: „Österreichischer Corneille“, „Nachfolger Schillers“, „Euripides der Deutschen“ usw.79 Aber wie es scheint, traf sein Werk nur den Nerv der Zeitgenossen, nicht den der Nach77

Machiavelli, Discorsi III,25,14. http://www.globalsecurity.org/wmd/systems/regulus1.htm, zuletzt eingesehen im September 2007. 79 Grawe, Christian, Einführung, in: Collin, Heinrich Joseph von, Dramen Teil 1: Regulus (1802) – Coriolan (1804) – Polyxena (1804). Faksimiledruck nach den Erstausgaben. Herausgegeben und mit einer Einführung von Christian Grawe, Bern u. a. 1990, S. 5–62, hier: S. 6 f. 78

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welt. Schon die Weimarer Klassiker urteilten eher abfällig über einen, der ihnen nach vielfachem Urteil ebenbürtig sein sollte: „Schiller sprach Regulus jeden poetischen Gehalt ab und nahm sich laut Brief an Goethe vom 17. März 1802 sogar die Freiheit, Herzog August von Weimar sein positives Urteil über Regulus auszureden. Goethe veröffentlichte in der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung am 14. Februar 1805 seine vernichtende Rezension der Erstausgabe von Regulus, in der er dem Verfasser empfahl, ‚aus dem zweiten und fünften Akt ein Stück in einem Akte‘ zu komponieren.“80

Wie Grawe weiter schreibt, wurde Collins nie im eigentlichen Sinne populär, sondern vor allem in den höheren Gesellschaftsschichten Wiens gefeiert, „in denen er Freunde, Gönner und Förderer hatte, die die staatstreue Gesinnung seiner Stücke, die adlige und heroische Haltung seiner Handlung gouttierten“.81 Collin machte Karriere in der kaiserlichen Bürokratie und scheint sich jederzeit als loyaler Untertan und Patriot verstanden zu haben. 1805, drei Jahre nach der Veröffentlichung des Regulus, während der Demütigung seines Vaterlandes durch Napoleon, hatte er sogar Gelegenheit seinem Helden nachzueifern. „Er kam bei der Überbringung einer geheimen Nachricht an den Kaiser in Brünn in Lebensgefahr, als er von den Franzosen verhaftet und bei Verhören misshandelt wurde. Sein beharrliches Schweigen führte zu einer Haft, nach der er sich eine Zeitlang versteckt halten musste. Der patriotische Heroismus der Helden und die zerstörerische Gewalt der Tyrannen in seinen Dramen sind nicht nur abstrakte Schöpfung einer idealen Welt; sie beruhen auch auf den Erfahrungen eines unter dem Schicksal seines Vaterlandes tief leidenden Zeitgenossen.“82

Collin war von staatstreuer Gesinnung, daran besteht kein Zweifel; aber er genoss auch eine christlich-katholische und klassisch-humanistische Erziehung. Daher ist sein Stück keineswegs so eindimensional, wie es nach allem bisher Gesagten erscheinen mag. Im dritten Akt seiner Tragödie findet sich ein Dialog, der den Widerspruch zwischen christlich-stoischem Kosmopolitismus und Patriotismus behandelt, – ein Dialog, der durchaus einen Widerstreit im Inneren des Dichters widerspiegeln mag. Die Szene spielt in der Wohnung des karthagischen Gesandten Bodostor, nachdem Regulus sich im Senat gegen den Gefangenenaustausch und damit gegen seine Freiheit ausgesprochen hat. Ein Ausschnitt sei hier wiedergegeben. „Bodostor. Was hast du nun von deinen Thaten? – Nichts. Regulus. O sieh, wie falsch! Fürwahr, du dauerst mich. Wie? wär’s dir nie gelungen, fremdes Glück Durch Rath, durch That, durch hohe Selbstverläugnung, 80 81 82

Ebd., S. 16. Ebd., S. 15. Ebd., S. 33.

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Mit ganzer Kraft der aufgeregten Seele, Zu schaffen, und als Schöpfer dich zu freun? Das fremde Wohl, durch dich gewirkt, wird dein, Und nun – von tausend, tausend Wegen strömt Genuß dir zu; nun kettet an die Spanne Des Lebens sich der Nachwelt heitres Reich. Ha, wie die Aussicht labt! Wenn eine Welt Um mich durch mich sich glücklich preist, o wie Erweitert, wie erhöht sich mein Gefühl! Da leb’ ich Jahre hin in einer Stunde. – Du bist sehr arm, wenn du mich nicht verstehst! Bodostor. Nur eitler Ruhm ist deiner Wünsche Ziel. Von Ehrbegier im Land der Phantasie Rastlos herumgetrieben und gequält, Verträumest du des Lebens flücht’ge Stunden. Du denkest nicht, daß sich der stolze Träumer Um seines Lebens Glück und Freuden bringt; Für eine Zukunft, die er nicht mehr fühlt, Für einen Plan, der oft am Zufall scheitert, Sich um den wirklichen, den einzigen Genuß der Gegenwart betrügt. Du denkest – – Regulus (unwillig einfallend). Ich denke nichts, als meine Pflicht zu thun. Bodostor. Sich in den Tod zu stürzen, wäre Pflicht? Regulus. Der Tod wird Pflicht, wenn er dem Staate frommt. Bodostor. Verdienstlich rühmt ihn wohl die Welt; doch Pflicht? Wer hat uns je noch diese Pflicht bewiesen! Regulus. Wie schlimm für euch, wenn Ihr Beweise sucht. Der Römer fühlet diese Pflicht; bedarf, Sie zu besehen, eurer Lampe nicht.“83

Man sieht, dass das patriotische Pathos dem Skeptizismus des Afrikaners argumentativ unterlegen ist. Dramaturgisch unterliegen darf es freilich nicht. Regulus fährt fort von seinem durch Erziehung geformten Vaterlandsideal zu schwärmen, bis ihm Bodostor das Ideal der Menschenliebe entgegenhält, dass jeglicher patriotischer Parteinahme zuwiderläuft. „Bodostor. Und doch soll eingeschrumpft mein enges Herz Nur für den nahen Bruder zärtlich schlagen; Für jenen nicht, den des Geschickes Wurf So weit von meinem Vaterhaus entfernte. (. . .) Er ist mein Bruder, ich umarme ihn! Und auch sein Wohl ist meiner Sorge nah.

83

Collin, Regulus III,i.

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Regulus. Du hast mit großer Sorge dich beschwert. Bodostor. O spotte nur! – ihr seht mit Hohn und Stolz Auf fremde Völker hin, und klein seyd Ihr! Denn euer Ich umfasset euer Seyn. Ihr wisst nur Römerwerth, nicht Menschenwerth, Den höhern, größern, einzigen, zu schätzen. Ihr haßt den fremden Bruder, achtet nicht In ihm der Menschheit Recht – Unwürdige!“84

Bis zu dieser Stelle ist die Tragödie völlig offen. Collin hätte sie in jede Richtung lenken können. Der heutige Leser erwartet fast, dass Bodostor den patriotischen Kleingeist des Römers entlarvt. Regulus hat bereits das Glück seiner Familie dem Heroismus geopfert, der nicht selten, wie im obigen Dialog, als egoistische Ruhmsucht erscheint. Selbst den eigenen Sohn hat er verflucht, nur weil der des Vaters Leben retten wollte. Doch es kommt anders. Am Ende wird der Karthager als Feigling und Schwächling entlarvt; als einer der der Menschheit dienen will, wo man doch höchstens dem eigenen Volke nützlich sein kann. Es geht nicht um die Menschheit, es geht um die Selbstbehauptung, den Stolz und die Würde des eigenen Volkes. Das patriotische Gefühl wird der Vernunft vorangestellt. Wer sein Gefühl verrät, verrät sich selbst. „Mit Schulgeschwätz betäubt man Männer nicht,“ endet Regulus.85 So darf er am Ende, nach langem Kampf gegen Familie und Volk, gegen alle, die ihn lieben, den Märtyrertod sterben, unsterblichen Ruhm ernten und somit „der Nachwelt heitres Reich“ seiner natürlichen Lebensdauer hinzufügen. Seine Abfahrt aus Rom wird als Apotheose geschildert. Er scheidet als Gott. Die Liebe des Volkes und der Familie wandelt sich in Rachsucht gegen den Feind Karthago. So wie des Regulus Gattin in ihrem Leid daniederliegt, „so mögen einst Karthagos Mütter liegen“.86 Da der Leser um den historischen Sieger der Punischen Kriege weiß, mag er sich an dieser Stelle fragen, worin nun eigentlich die Tragik liegt. Am Ende bekommt ja jeder, was er will, Regulus den Heldentod und die Atilier ihre Rache. Man mag freilich das Tragische im Sieg eines menschenverachtenden Patriotismus erkennen, doch ist es mehr als fraglich, ob der Dichter einem beistimmen würde.

84 85 86

Ebd. Ebd. Collin, Regulus V,vii.

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VI. Kuno Graf von Dürckheim Der Abgrund ist erst eineinhalb Jahrhunderte später erreicht. Im Jahr 1941 erscheint der historische Roman Marcus Regulus des Grafen Kuno von Dürckheim.87 Das literarische Niveau des Werkes ist bodenlos. Besieht man sich aber die reichen Antiquariatsbestände im Internet, muss das Buch einmal eine gewisse Verbreitung gefunden haben. Die Widmung lautet: „Dem großen Erneuerer des Römischen Imperiums, Benito Mussolini – Ein Deutscher.“ Der Grund dafür, dass der Autor sein Werk nicht dem Führer des eigenen Volkes widmete, mag daran liegen, dass er ein standesbewusster Funktionär des deutschen Adels war und daher Hitlers anti-aristokratischer Haltung nicht Folge leisten konnte. Gleichwohl ist ihm zu Hitler einiges eingefallen. Von Dürckheim war eine der treibenden Kräfte hinter der Hinwendung des deutschen Adels zum Nationalsozialismus. Sein politisches Programm wurde von Stephan Malinowski folgendermaßen beschrieben: „In Bayern forderte Kuno Graf v. Dürckheim den Adel 1935 auf, den ‚edlen Fehdehandschuh‘ der SS aufzunehmen und mit dieser in einen Wettstreit um die Zusammenstellung der künftigen Elite zu treten. ‚Wie bei einer Tierzucht‘ sollten die Ehefrauen ‚geprüft‘ werden, die ‚blutreinen‘ Männer hatten sich in ‚harten‘ Berufen zu bewähren. (. . .) Mit Hinweis auf die SS, die zwar eine Führungsschicht bilden konnte, als reiner Männerbund fortpflanzungstechnisch jedoch an gewisse Grenzen stieß, sah die DAG [die Deutsche Adelsgenossenschaft; M. R.] 1938 die Aufgabe des Adels darin, ‚in Gemeinschaften mit den erbgesunden wertvollen nicht adligen Familien den Born zu bilden, aus dem Staat und Partei ihre besten Kräfte schöpfen‘.“88

Regulus mutiert nun zum Agenten des römischen „Jungvolkes“, das im sozialdarwinistischen Daseinskampf um seine Selbstbehauptung ringt. Im „Schicksalskampf“ mit Karthago um die Vorherrschaft auf Sizilien wird den Römern ihre künftige Rolle als Weltbeherrscher bewusst: „Unvermittelt hatte das starke Volk der Römer in seiner unverdorbenen Kriegslust selbst sein Geschick in die Hand genommen. Regulus befand sich bei seiner Hundertschaft. Nach Kräften hämmerte er mit seinem Speer gegen den Schild. Einen derartigen Ausbruch des Volkswillens hatte er nicht erwartet. Er schwelgte in Glück und Freude. Seine Augen füllten sich mit Tränen.“89

In endlosen Schlachtszenen wird immer wieder Nietzsches Lebensphilosophie mit einer Glorifizierung des Blutrausches verbunden.90 „Welcher 87 Dürckheim, Kuno Graf von, Markus Regulus. Geschichte eines Römers im Ersten Punischen Krieg, Nürnberg 1941. 88 Malinowski, Stephan, Vom König zum Führer. Deutscher Adel und Nationalsozialismus, Frankfurt/Main 22004, S. 530. 89 Dürckheim, Regulus, S. 37 f. 90 Ebd., S. 60–81.

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Genuss es ist, frisch spritzendes Blut zu sehen!“91 Das junge Volk, das sich seines Willens zur Macht bewusst wird, muss bis zum Endsieg rücksichtslos alles Schwache ausmerzen oder unterwerfen, so lautet die Botschaft.92 Um die Niederlage des Regulus in Afrika zu erklären, entwirft Dürckheim seine ganz eigene Dolchstoßlegende. Der Senat, der als eine Art antiker Quasselbude beschrieben wird, als „Mangel in der Verfassung“,93 entzieht dem Helden aus Kostengründen die Hälfte seiner Truppen. „Sie waren die wirklich Schuldigen.“94 Regulus erwägt kurz die Machtergreifung mit Hilfe der ihm ergebenen Truppen und des Volks, verhält sich aber letztlich loyal. Später bereut er dies. Immer wieder muss er dem zaudernden Senat die Welt erklären, gleich zu Beginn des Buches tut er dies in den Worten Adolf Hitlers: „Römer, seid ihr feige und eurer Väter unwürdig geworden, dass ihr zögert? Feige Völker gehen unter. Jupiter warnt uns. Dem Starken gehört die Welt. Nur wer um sie kämpft, wird sie besitzen.“95 Da Regulus schon etwa in der Mitte des Romans stirbt, dient der Rest des Buches dazu, seine Witwe Lucretia als ideale nationalsozialistische Mutter aufzubauen. Sie schickt ihre Söhne bereits im zarten Alter in den Krieg und treibt Propaganda für ein Flottennotopfer. Als sie die Nachricht erhält, dass ihr Jüngster im Krieg gefallen ist, reagiert sie gelassen. Sie erklärt den Töchtern, dass es keinen Grund zur Trauer gebe, da er fürs Vaterland gestorben sei. „Entschlossen wandte sie sich anderem zu.“96 Die karthagischen Geiseln, die ihr überlassen wurden, foltert sie grausam, bis einer der Männer stirbt. Aber auch dies tut sie im patriotischen Geiste. „Mochte Lucretia auch die Grausamkeit gegen die Punier zu weit getrieben haben, man empfand, dass vornehmlich glühende Vaterlandsliebe und der Erfolg der römischen Sache ihre und ihres Geschlechtes Handlungen bestimmten.“ So ungefähr mag sich Graf von Dürckheim die nationalsozialistische Aristokratin vorgestellt haben, die er züchten wollte. Dass die Atilier Plebejer waren, lässt er konsequenterweise unter den Tisch fallen. 91

Ebd., S. 249. „Das Staatswohl ist mir oberstes Gesetz. Dieses verlangt, dass der Kampf bis zum völligen Sieg ausgetragen wird“, spricht Regulus. Ebd., S. 226. 93 Ebd., S. 175. 94 Ebd., S. 266. 95 Ebd., S. 29. Vgl. Hitler, Adolf, Mein Kampf, Bd. 1, München 1925, S. 105: „Unterliegt aber ein Volk in seinem Kampf um die Rechte des Menschen, dann wurde es eben auf der Schicksalswaage zu leicht befunden für das Glück der Forterhaltung auf der irdischen Welt. Denn wer nicht bereit oder fähig ist, für sein Dasein zu streiten, dem hat die ewig gerechte Vorsehung schon das Ende bestimmt. Die Welt ist nicht da für feige Völker.“ Die Parallele ist nicht zufällig, denn der Satz „Die Welt ist nicht da für feige Völker“ ist auch als Motto des siebten Kapitels gewählt und dort als Hitler-Zitat ausgewiesen. 96 Dürckheim, Regulus, S. 433. 92

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VII. Schluss Man mag nun abschließend fragen, ob denn für den heutigen Rezipienten ein relevanter Unterschied besteht zwischen dem Regulus des Grafen von Dürckheim und dem Regulus des Cicero. Handelt es sich nicht in beiden Fällen um eine Glorifizierung des Selbstopfers, die im modernen westeuropäischen Verfassungsstaat längst nicht mehr zeitgemäß ist? Es gibt einen relevanten Unterschied, so lautet die Antwort, und dieser ist gewaltig. Zunächst einmal scheint Machiavelli einen wichtigen Punkt getroffen zu haben. In Krisenzeiten mag es manchmal nicht mehr ausreichend sein, auf das Funktionieren der Institutionen zu bauen. Die Republik muss auch beispielhaft gelebt werden, um das Ansehen der Institutionen zu wahren. Damit ist bereits ein wesentlicher Unterschied zur nationalsozialistischen Selbstbehauptungsideologie markiert: Es geht um die Verteidigung einer rechtlichen Ordnung und nicht des Vaterlandes im bloß patriotischen oder gar nationalistischen Sinn. Cicero aber geht darüber hinaus, denn für ihn ist die rechtliche Ordnung der Republik nicht nur die historisch gewachsene Verfassung Roms, sondern zugleich ein Paradigma der menschlichen Gemeinschaft überhaupt. Nur die Republik würdigt an ihren Bürgern ein Handeln, das das Höchste im Menschen zur Geltung bringt, seine Würde. Wenngleich die dignitas aus begriffsgeschichtlicher Sicht zuerst als Lebensideal der römischen Nobilität begegnet, so zeigt Cicero dennoch, dass sie aus philosophischer Sicht ein Merkmal der menschlichen Natur ist.97 Der Mensch, der das Nützliche dem Ehrenhaften unterstellt und dabei auf das Eigeninteresse verzichtet, erweist sich als freies und nicht von Instinkten und Lustgefühlen bestimmtes Wesen. Er wird der im menschlichen Wesen angelegten Würde gerecht. Daher ist das Selbstopfer, in dem sogar der Lebensinstinkt überwunden wird, eine außerordentliche Manifestation der Menschenwürde. Und in der Außerordentlichkeit liegt der pädagogische Wert des Beispiels. Der Regulus des Grafen von Dürckheim stirbt für die Selbstbehauptung seines Volkes und verachtet die Schwachen. Der Regulus des Cicero stirbt zwar nicht wie Christus für die Menschheit, aber er stirbt im Namen der Humanität. In diesem Sinn darf man ruhig wieder an ihn erinnern.

97 Cicero, De off. I,30,105 f.; De finibus III,1,1; vgl. Forschner, Maximilian, Über das Handeln im Einklang mit der Natur. Grundlagen ethischer Verständigung, Darmstadt 1998, S. 96 ff.

Abraham Lincoln – Civil Theology and the Political Theory of Republican Governance Jürgen Gebhardt

I. Who is the Real Lincoln? “Upon the almost endless prairie expanse of Lincolniana, perhaps no single section or mile has seen more intensive controversy than Lincoln’s religion”.1 While American historiography never disputed Lincoln’s statesmanship, in the view of many a Lincoln scholar his religiosity remains an enigma. The quest for Lincoln’s ‘religion’ is not a purely academic phenomenon but is bound up with the discourse on American self-interpretation that ponders the meaning of American political existence and identity. Even today, when all empirical findings point to the fact that the most modernized society of the West is at the same time the most conservative in religious terms,2 the meaning of American existence blends the religious with the political. “The United States has managed to modernize without casting off religion in the process; religious change has not meant that religious concerns have disappeared from the public agenda. In some instances, secularization has enhanced the relevance of religion to political life.”3 Therefore, it is inevitable that a recurring interest in ‘religion’ characterizes historical discourse as well as contemporary political and social thought, since, as Sydney E. Ahlstrom has stated: “(f)ew cultures are so intractable to purely secular categories of historical interpretation.”4 This holds true in particular for any analysis of American political culture. The political life of Abraham Lincoln, American statesman, is a case in point. The prolific literature devoted to understanding Lincoln reveals an ongoing hermeneutical exercise in American self-reflection. In some ways it mirrors the shifting self-images of American political and social life and 1 Winger, Stewart, Lincoln, Religion, and Romantic Cultural Politics. Dekalb 2000, p. 1. 2 Marty, Martin E., Religion and Republic. Boston 1989, p. 11. and passim. 3 Wald, Kenneth D., Religion and Politics in the United States. Washington D. C. 1997, p. 16. 4 Ahlstrom, Sydney E., A Religious History of the American People. New Haven 1979, p. 350.

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its religious underpinnings. There is first and foremost the post-civil-war ‘Redeemer President’5 of northern eulogy; the apotheosis of the “martyred President” elevated Lincoln to the Christ-like status of having fulfilled Washington’s promise to the “almost chosen people”. “The Lincoln legend has come to have a hold on the American imagination that defies comparison with anything else in political mythology. Here is a drama in which a great man shoulders the torment and moral burdens of a blundering and sinful people’, suffers for them, and redeems them with hallowed Christian virtues . . . and is destroyed at the pitch of his success.”6 Hofstadter admits Lincoln’s “private religious intensity”, but emphasizes the tragic incompatibility of the demands of Christianity and the success myth of the self-made man of Lincoln the politician. In this ‘secular’ view Lincoln’s life was “fully absorbed into his political being.”7 In Hofstadter’s reading Lincoln’s high principled politics are clearly dissociated from any religious implications, let alone any religio-political intentions on Lincoln’s part. The Lincoln of Louis Hartz is under the spell of Lockean liberalism, a Jeffersonian who “Americanizes Whiggery” and “democratizes an elitist liberalism in the process of abolishing a ‘feudal reaction’” that had its last stronghold in southern political thinking. This Lincoln paved the way “for the triumph of a theory of democratic capitalism implicit from the outset in the American liberal world.”8 In a similar vein Vernon L. Parrington in the 20es had portrayed Lincoln in strictly secular terms as a Jeffersonian ‘idealist’ and ‘humanitarian’ democrat. This “kindly, liberal soul of our native democracy” has “suffered at the hands of the myth makers” Parrington complained.9 This political hermeneutics only accepted a ‘religious’ reading of Lincoln’s statesmanship in terms of a national mythology and folklore that catered to the irrational drives and emotions of the masses. It denied that the ‘real Lincoln’ had an authentic religio-political agenda of his own, derived from a vision of order that, transcending the political realm, constituted a spiritual dimension to the world of politics. Consensus-historians like Hofstadter and Hartz agreed with Padover’s judgement that Lincoln “is the spiritual fountainhead of the philosophy of American democracy and the symbol of freedom”10. But, like Padover, they avoided probing the nature of this spirituality. In this they were joined by those self-styled conservative interpreters who denied Lincoln any greatness as a statesman and denounced him as a 5

Guelzo, Allen C., Abraham Lincoln. Redeemer President. Grand Rapids 1999. Hofstadter, Richard, The American Political Tradition. New York 1961, p. 93. 7 Ibid., p. 95. 8 Hartz, Louis, The Liberal Tradition in America. New York 1955, p. 198–199. 9 Parrington, Vernon L., The Romantic Revolt in America 1800–1860. New York 1954, p. 152. 10 Padover, Saul. K., The Genius of America. New York 1960, p. 156. 6

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caesarean subverter of the constitution. His spiritual status was disputed or denounced as a dangerous political enthusiasm with totalitarian undertones.11 This ‘real Lincoln’ is turned into a “white supremacist” and warmonger who was even deprived of his political standing12 Whatever truth concerning the ‘real Lincoln’ these ‘political’ interpretations may contain, in their implicit, but unspoken, manifestation of differing symbolic modes of American self-interpretation, they demonstrate that they are fighting battles that had already begun in Lincoln’s lifetime. But, whether positively or negatively argued, the focus on Lincoln the ‘politician’ methodically neglects Lincoln’s self-understanding as the political symbolist of the American predicament; a view preeminently documented in Lincoln’s oratory. On the basis of a close reading of his speeches and writings an extensive scholarship has confirmed the ‘religious’ moment in Lincoln’s political rhetoric and action – however this moment may be defined in the last analysis. “The puzzles of Lincoln’s religion” (Noll) are still the subject of controversial debates: his personal faith, his Christianity, and, last but not least, his religio-political vision of order still challenge scholarly imagination.13 Earlier biographical studies were especially interested in the personal religiosity of the man. They tried to place him within the denominational cosmos and inquired into his Christianity and into his thought about revelation, as many of his contemporaries had also inquired. The self-proclaimed unchurched Lincoln was an enigma to a thoroughly churched society and still is – in particular because the term ‘religion’ is bound up with the notion of denominational congregations. To locate Lincoln theologically is even more difficult in a religious culture that – observed from a European vantage point – does not know a divide between orthodoxy and heterodoxy since it is committed to no more than a nuanced Biblicism. So Lincoln was labeled a “biblical Christian” – even a “biblical prophet” –, a “Christian without a creed”, and a “practical mystic”.14 But, as William Barton once claimed, there is evidence for a “private” creed that this author believed he had reconstructed from Lincoln’s public and private utterances, without, however, qualifying it theologically.15 But it is less the theology of Lincoln’s private faith that is at stake than the public role of his theology: “In this sense Lincoln is one of the greatest theologians of America” as Wolf indicated, “not 11

Kendall, Willmore, The Conservative Affirmation. Chicago 1963, p. 252.. DiLorenzo, Thomas J., The Real Lincoln. A New Look at Abraham Lincoln, His Agenda, and an Unnecessary War. Roseville 2002, p. 204. 13 See the respective bibliographical references in Wolf, William J., Lincoln’s Religion. Philadelphia 1970, p. 197–200; and Morel, Lucas E., Lincoln’s Sacred Effort. Landsham 2000, p. 12–17. 14 Wolf, Lincoln’s Religion, p. 192–194. 15 Ibid., p. 195–196. 12

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in the technical meaning of producing a system of doctrines, certainly not as the defender of some one denomination, but in the sense of seeing the hand of God intimately in the affairs of the nations. . . . Lincoln stands among God’s latter-day prophets.”16 The first section of this statement is descriptive, the second is theologically loaded. In his seminal work America’s God Mark A. Noll recently argued that Lincoln became a great theologian in his own right in the course of the great crisis of the Republic. Analyzing Lincoln’s presidential addresses within the context of American theological discourse Noll states: “The contrast between the learned religious thinkers and Lincoln as how they interpreted the war poses the great theological puzzle of the Civil War. Abraham Lincoln, a layman with no standing in a church and no formal training as a theologian, propounded a thick, complex view of God’s rule over the world and a morally nuanced picture of America’s destiny. The country’s best theologians, by contrast, presented a thin, simple view of God’s providence and a morally juvenile view of the nation and its fate.”17 None of America’s respected religious leaders “mustered the theological power so economically expressed in Lincoln’s Second Inaugural” that “has placed it among the small handful of semi-sacred texts by which Americans conceived their place in the world”.18 Noll’s Lincoln figures prominently in his social history of American theology – albeit as a thinker who – like a few other sensitive souls – “may have been pushed by the successes of ‘American Christianity’ into post-Protestant, even post-Christian, theism. The tragedy of these individuals was that to be faithful to the God they found in their own hearts – or in the Bible, or in the sweep of events – they had to hold themselves aloof from the organized Christianity of the United States and from its preaching about the message of Jesus Christ.”19 This might be theologically correct as far as Lincoln’s personal piety is concerned, but it begs the question of whether even a highly contextualized ‘theological history’ can provide the appropriate key to an understanding of Lincoln’s religio-political symbolism, since, as Noll himself points out, Lincoln does not fit into the theological discourse that attempts to define the central dogmas of Christian faith within the confines of American experience. This is not to deny the obvious fact that Lincoln’s speeches and writings articulate ‘theological’ ideas but “(m)uch of the confusion surrounding Lincoln’s religion stems from the fact that commentators have tried to determine whether he belonged to the religion of the churches, neglecting the possibility that his speeches were political, not religious; or were religious 16

Ibid., p. 24. Noll, Mark A., America’s God. From Jonathan Edwards to Abraham Lincoln. Oxford 2002, p. 434. 18 Ibid., p. 420. 19 Ibid., p. 438. 17

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because they were political. Lincoln leads us, not to religion, but to political religion. We do not look to Lincoln to find personal piety, but to find a carefully-thought-out understanding of political religion of America.”20 Thurow takes his cue from Lincoln’s famous reference to “political religion” in his Lyceum speech and presents a detailed analysis of Lincoln’s religio-political semantics. The overall meaning of “American political religion”, however, remains in the dark, last but not least, because Thurow still adheres – albeit critically – to the dichotomy of ‘politics’ and ‘religion’ as it is embodied in the ‘liberal’ idea of the ‘wall of separation of state and church’. Therefore Thurow does not address the question of whether Lincoln’s political religion in particular and American political religion in general represent a symbolic form sui generis that articulates the self-understanding of society and illuminates the social order with an ultimate meaning in which the various elements of mundane existence are integrated into a transcendental frame of reference. In respect to this symbolic form of American life Robert N. Bellah states “that the separation of church and state has not denied the political realm a religious dimension. . . . This public religious dimension is expressed in a set of beliefs, symbols, and rituals that I am calling American civil religion.”21 Bellah’s controversial civil religion proposal was based on the general assumption that all societies have to cope with what he called the ‘religio-political problem’: The tensional polarity in which faith and power “must always, however uneasily, take a stance toward one another”.22 According to Bellah, the public symbolism of American self-interpretation presents itself as the prototypical case of “civil religion” because “we have . . . from the earliest years of the republic . . . a collection of beliefs, symbols, and rituals with respect to sacred things and institutionalized in a collectivity.”23 From this point of view Thurow’s unspecified notion of ‘American political religion’ makes sense if understood in terms of the pre-existent symbolic universe of civil religion. Placed in this context Lincoln is indeed the “central figure” of American civil religion24, but not just a theologian, as many an author has claimed: he embodies civil religion. He is, as Bellah indicates, “our greatest, perhaps our only, civil theologian”,25 or is, as Marty calls him, a “public theologian“26. 20 Thurow, Glen E., Abraham Lincoln and American Political Religion. Albany 1976, p. 14. 21 Bellah, Robert N., Civil Religion in America, in: Daedalus, Vol. 96, Winter 1967, p. 1–22, here: p. 3–4. 22 Bellah, Robert N., Introduction, in: Robert N. Bellah/Philipp H. Hammond (eds.), Varieties of Civil Religion. San Francisco 1980, p. VII. 23 Bellah, Civil Religion in America, p. 8. 24 Thurow, Lincoln and American Political Religion, p. 10. 25 Bellah, Religion and the Legitimation of the American Republic, in: Bellah/ Hammond (eds.), Varieties of Civil Religion, p. 15.

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The exact meaning of these terms remains unexplained. What is the significance of a ‘civil theologian’ in contrast to a conventional theologian? This question pertains to the concept of ‘civil religion’ itself. Bellah’s conceptualization of this specific form of societal self-interpretation in terms of “civil religion” has been the subject of a sustained debate among scholars of American society and is still in need of theoretical clarification – a subject to be pursued below. Here, let it suffice to say that indeed there is an American civil religion. “At the core of the rich and subtle concept of civil religion is the idea that a nation tries to understand its historical experience and national purpose in religious terms, . . . A civil religion reflects an attempt by citizens to imbue their nation with a transcendent value. . . . British author G. K. Chesterton recognized this tendency in the United States, which he referred to as ‘a nation with the soul of a church’”.27 Phrased in analytical terms public order and religious culture are interconnected, and the pivot of this interconnection is the symbolic form of societal self-understanding that provides public order with its spirit and power. American civil religion is a case in point in that it typifies this religio-political mode of societal self-symbolization, but generally speaking, it is a manifestation of the ‘religio-political problem’ (Bellah), the ‘symbolic appresentation of society’ (Schuetz) and as such it is an omnipresent social phenomenon: “The self-illumination of society through symbols is an integral part of social reality, and one may even say its essential part, for through such symbolization the members of a society experience it as more than an accident or a convenience; they experience it as of their human essence.”28 In this sense Eric Voegelin defines a political society as a cosmion illuminated with meaning from within.29 The American Republic evolved into such a cosmion by the evocative power of the founders’ community-creating agency that came to fruition in a symbolic ensemble articulating the meaning of American political existence. In its essential traits it mirrored the crucial elements of the founders’ idea of political order in terms of an amalgamation of Christian Biblicism and neo-classical republicanism. The centrepiece was the principle of civic self-government based on civil and religious liberty. Self-government in turn required a modicum of morality among the citizens in order to maintain public order and constitutional government. This “moral calculus of republicanism . . . held that religion could and should contribute to the morality that was necessary for the virtuous citizen, without which a repub26

Marty, Martin E., Religion and Republic. Boston 1987, p. 96 et passim. Wald, Kenneth D., Religion and Politics in the United States. Washington D. C. 1997, p. 59–60. See Mead, Sydney E., The Nation with a Soul of a Church, in: Church History, Vol. 36, Nr. 1, 1967, p. 262–283. 28 Voegelin, Eric, The New Science of Politics. Chicago 1952, p. 27. 29 Ibid., p. 31. 27

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lic could not survive.”30 If the founders believed that the Bible offered the best guidelines in this respect, they still resisted the blurring of the borderline between the ‘revealed religion’ of Christian denominationalism, the ‘saving faith’ of sectarian creeds, and the ‘natural religion’ of a non-denominational universal God who was considered to be the guardian of public morality and societal well-being. Indeed – to quote from Jefferson’s first inaugural address – this indispensable ‘ordering faith’ of the republic was to be the hallmark of the ‘creed of our political faith’. The theologically sceptical revolutionary fathers shared – more or less – the biblically inspired vision of the revolutionary founding as the divinely preordained work of the Lord whose invisible hand guided the Americans into a new era of human history. This symbolic reference to political theism permeates the Declaration of Independence and the inaugural addresses of the first presidents from Washington onward. It is further documented in the institution of public days of prayer, repentance and thanksgiving in times of crisis: Washington in 1789 and 1790, Adams in 1798 and 1799, Madison in 1812 – a practice that Lincoln consciously reactivated. Voegelin called this type of public creed ‘civil theology’. It sustains the citizen’s consciousness of order and safeguards the existence of the cosmion in space and time. Voegelin’s notion of ‘civil theology’ and Bellah’s idea of ‘civil religion’ bring to the fore the ‘charismatic’ or ‘numinous’ dimension of societal self-interpretation that is its claim to the trans-historical and transpersonal truth of societal existence. It makes sense to work with both concepts since, as the case of Lincoln demonstrates, they complement each other. ‘Civil religion’ is the more comprehensive term, denoting the symbolic form of the national cosmion in its entirety. It embraces both non-verbal symbolisms, such as rituals, icons, and the arts, as well as the prescriptive textual articulations of the symbolic order in normative discourse which may appropriately be termed ‘civil theology.’ American civil theology proclaimed the metaphysical nexus between the founding and the social order by ontologically linking the legitimacy of public order to the truth of the act of foundation. Insofar it was in permanent need of being interpreted, revised, reformulated and reactivated. It depended on an ongoing hermeneutical discourse that would take into account the exigencies of a shifting social and political life based on a civil-theological discourse that enunciated the principles of societal existence. The crisis of the republic that emerged from the unresolved question of slavery challenged the verities of national self-understanding and engendered the quest for the true meaning of the founding. Lincoln responded to this challenge in terms of his own vision of “biblical republicanism.”31 30

Noll, America’s God, p. 203.

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In words and deeds the beginning and the end of Lincoln’s statesmanship were predicated on the truth of the national cosmion. This is expressed by the pointed remark of Andrew Delbanco describing Lincoln as “a man whose scripture was the Declaration of Independence, and the Union his church.”32 Indeed, Lincoln, the skeptical and therefore unchurched albeit bible-trusting Christian, was born and grew up under the sacred canopy spread by the myth of the revolution and of the founding fathers whose establishment of republican order involved the creation of a national corpus mysticum. In so far Lincoln did not “call . . . for a civil or political religion”:33 his generation had been born into a civil-religious symbolic universe that had emerged as the only binding force of a nation ridden with sectional, sectarian, socio-economic, and political conflicts. This sheltering function became manifest in the Jubilee of 1826, the fiftieth anniversary of the Declaration of Independence, that was marked by the passing away of the last founding fathers, Adams and Jefferson. The ‘Era of Good Feeling’ was crumbling and the contested election of president John Quincy Adams resulted in bitter political infighting that brought to the fore the deep cleavages that existed in American society. In this situation the nation, vacillating between fear and hope, uncertainty and confidence, was fiercely receptive to the good news that God had by no means forgotten it and its benefactors. “The passing of Jefferson and Adams was a dramatic moment in the growth of American self-consciousness. The imagination, working upon the event, made it a fable of the republic. The fable explained the miraculous, brought men into community of loyalty and belief. . . . It was the creation of a pervasive national faith reaching for justification and here finding it. Providence, Union, Heritage: that were three of the emotion-laden ideas composing the patriotic faith.”34 The eulogists of the day “sought to make the event a monument to the idea of the Union; and not just in the restricted federal sense, but in the sense of a uniform republican faith that transcended the antagonisms of men, parties, and theories.”35 In an official proclamation President John Quincy Adams summed up the idee directrice of the Republic: “In this most singular coincidence, the finger of Providence is plainly visible! It hallows the Declaration of Independence as the 31

Fornieri, Joseph R., Lincoln’s Political Faith. Dekalb 2003, p. 6. Delbanco, Andew, The Death of Satan. How Americans Have Lost the Sense of Evil. New York 1995, p. 132. 33 Zuckert, Michael P., Lincoln and the Problem of Civil Religion, in: Kenneth L. Deutsch/Joseph R. Fornieri (eds.), Lincolns American Dream. Washington D. C. 2005, p. 350. 34 Peterson, Merril D., The Jeffersonian Image in the American Mind. New York 1962, p. 5. 35 Ibid., p. 6. 32

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Word of God, and is the bow to Heavens, that promises its principles shall be eternal, and their dissemination universal over the Earth.”36 Adams’ statement is not an example chosen at random; it stands for a civil-religious hermeneutics of the legacy of the founding fathers that Lincoln was committed to. Moreover, Adams confirmed a vision of the ‘paradigmatic republic’ that centred on the principles of the Declaration and ascribed to human beings “a common humanity and brotherhood on a plane of equality in the possession of an immortal soul.”37 John Quincy Adams, a founder’s son and representative of a foremost Eastern based political culture, reaffirmed the idee directrice of the republic that was contingent upon the perpetuation of the political institutions as designed by the fathers. Their demise posed a hazard to the future of the American project itself in that the living spirit of the founding seemed to lose its ordering power in society. What was at stake was the very idea of the founding as articulated by the founders themselves. From the very beginning of his political life Lincoln devoted himself to “a legacy bequeathed us, by a once hardy, brave, and patriotic, but now lamented and departed race of ancestors”, in order to transmit it “to the latest generation that fate shall permit the world to know. This task of gratitude to our fathers, justice to ourselves, duty to posterity, and love for our species in general, all imperatively require us faithfully to perform.”38 Lincoln recurred to the spiritual and symbolic truth of the founders because this truth alone guaranteed the perpetuation of the republic. But the founders’ truth that Lincoln absorbed had already developed into a symbolic complex featuring an American Creed that centred on an identity – forming and authoritative yet flexible symbolism of order: It imagined the nation in terms of a community of belief and functioned as its civil religion. Abraham Lincoln believed religiously in this community and was convinced that it was divinely grounded in the truth of the ancestors, and he acted as its interpreter, playing the role of a civil theologian par excellence. But he also went beyond the doctrines of a patriotic orthodoxy that preserved the precarious consensus in an otherwise deeply split society. In fact he creatively reinterpreted the traditional creed. Lincoln committed his life and his politics not to the word but to the spirit of the founder’s ordering faith in order to revitalise its normative standing in a morally reordered republic that returned to the ‘central idea’ of the father’s republican paradigm: the divinely ordained common humanity of all human beings. This was the core message of Lincoln’s civil theology and his statesmanship asserted its princi36

Quoted from ibid., p. 6. Lipsky, George A., John Quincy Adams – His Theory and Ideas. New York 1950, p. 124. 38 Lincoln, Abraham, Collected Works, ed. by Roy P. Basler. New Brunswick 1953, I, p. 108. 37

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ples against those forces that held them in contempt. In the long run Lincoln fundamentally reshaped the self-interpretation of the Republic. He became “the centre of American public faith”, as Marty remarked, “and its greatest theologian”.39 Whatever the accomplishments of Abraham Lincoln were as a shrewd politician, far-sighted statesman, and political visionary: taken together they document the ordering agency of an extraordinary personality and point to the historical greatness of the man who salvaged the republic from breaking apart, recreated its moral constitution, and redirected the nation’s destiny for the century to come. Lincoln’s historical achievement in word and deed manifested itself only in retrospect – that is in the course that American history took in the 20th century. But the many Lincolns that went into the collective memory of Americans complicate the judgement as to what his most essential impact upon American consciousness was. “The distinction between twentieth century situation illuminated by Lincoln and twentieth century values reflected in him was largely a matter of which aspect of the man one wished at a given moment to emphasize.” The various images of Lincoln meet in the country’s moral imagination as Barry Schwartz indicates. “Lincoln’s determination to save the union, his hatred of slavery, and his belief in equal opportunity for all white men, regardless of their birth, affected posterity. Generalizations of this effect were often unwarranted in their breadth, but they were based on facts and sustained the moral values that made those facts worth remembering. Lincoln endures as a lamp for American consciousness, then, because his accomplishments adapt him to it.” In his study Abraham Lincoln and the Forge of National Memory Schwartz writes on the sociology of commemorating Lincoln; he covers mainly the period from 1865 to 1922 and focuses on the two Lincolns symbolizing America: “the man of the people and the man above the people, the folk hero and the epic hero”40. In this respect the book probes the how and why of Lincoln’s presence in the American mind; Merril D. Peterson’s Lincoln in American Memory, on the other hand, is a history of the commemoration that goes all the way from 1865 to 1993 and “asked the what of Lincoln’s reputation”, as Schwartz puts it. However, what was said about Peterson holds true for Schwartz as well: Neither offers “an explicit answer to the big question: why does Lincoln’s image loom so large over our cultural landscape?”41 Peterson and Schwartz – each from his specific point of view – dwell extensively on the symbolic function of Lincoln within Amer39

Marty, Religion and Republic, p. 147. Schwartz, Barry, Abraham Lincoln and the Forge of National Memory. Chicago 2000, p. 308–309. 41 Ibid., p. 8; see Peterson, Merril D., Lincoln in American Memory. Oxford 1994. 40

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ican civil religious self-understanding, but they beg the more fundamental question of whether this self-understanding itself did not undergo an irreversible change due to the civil religious authority of Lincoln. This is the salient point of Garry Wills’ Lincoln at Gettysburg: “The Gettysburg Address has become an authoritative expression of the American spirit – as authoritative as the Declaration itself, and perhaps even more influential, since it determines how to read the Declaration. For most people now, the Declaration means what Lincoln told us it means, as a way of correcting the Constitution itself without overthrowing it. It is this correction of the spirit, this intellectual revolution that makes attempts to go back beyond Lincoln to some earlier version so feckless. . . . By accepting the Gettysburg Address, its concept of a single people dedicated to a proposition, we have been changed, we live in a different America.”42 Wills goes right to the heart of the matter. Lincoln recreated the vision of order of the American republic in order to restore the authentic truth and meaning of the founding as articulated by the political faith of the founding fathers “that this nation, under God, shall have a new birth of freedom – and that the government of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth.” In the course of this re-enactment of the founding Lincoln reshaped the public symbolism and the attendant constitutional frame of public order that brought forth a novel version of American civil theology that was to become effective only in the century to come. This is reflected by Justice Douglas, speaking for the court in 1963, when he cited as his authority “the conception of political equality from the Declaration of Independence, to Lincoln’s Gettysburg Address, to the fifteenth, Seventeenth, and Nineteenth Amendments”. A similar line is taken by Thurgood Marshal in his thoughts on the occasion of the bicentennial of the Constitution: “While the Union survived the Civil War, the Constitution did not. In its place arose a new, more promising basis for justice and equality, the fourteenth amendment, ensuring protection of the life, liberty, and property of all persons against deprivations without due process and guaranteeing equal protection.”43 This extension of justice refers to the irrevocable transformation of the constitutional order that once and for all grounded the constitutional norms on the dual authority of the Declaration as it was interpreted by Lincoln: It embodies the truth of the fathers as well as the universal truth of divine law and as such establishes the absolute normative standard of the constitutional order. “Lincoln’s conception of liberty and union combined a moral obligation of the Declaration with a legal obligation to the Constitution. Under the established rule of law, the moral ends promulgated by the Declaration 42

Wills, Garry, Lincoln at Gettysburg. New York 1992, p. 146–147. Quoted in Pelican, Jaroslav, Interpreting the Bible and the Constitution. New Haven 2004, p. 19, 21. 43

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must be legally determined within the institutional framework provided by the constitution. Lincoln saw these two documents as complementary charters of American republicanism.”44 Joseph R. Fornieri’s well documented and subtly nuanced exposition of Lincoln’s political faith offers an empirically grounded and theory-centred analysis of Lincoln’s civil theology, and reaffirms Marty’s and Noll’s assessment of Lincoln’s symbolic renewal of the founding act of the paradigmatic republic in terms of a national reformation that asked the Americans to atone for the lapse from God’s grace and to return to the providentially ordained course of action revealed in the founding period.45 This reformatory intent cumulated in the invitation to the people to the United States “to . . . render homage due to the Divine Majesty, for the wonderful things he has done in the Nation’s behalf and invoke the influence of His Holy Spirit . . . to lead the whole nation, through the paths of repentance and submission to the Divine Will, back to the perfect enjoyment of Union and fraternal peace.”46 But, of necessity, Lincoln’s statesmanship fell short of his hope of a spiritual and political awakening of the nation. However, beyond this failure of a national revival there are, as stated above, those central principles that changed the American political culture in the long term and impact on the domestic and even foreign policy of contemporary America. Understanding these long term effects requires that we disentangle the core ideas of Lincoln’s civil theology from its specific symbolic and historical context and abstract them from the symbolic images of Lincoln in the Americans’ collective memory. In the last analysis, this conceptual approach suggests that the civil theology, while receiving its due, will have to be distinguished from its theoretical content. Its purpose is to separate the essential from the historically contingent and bring into view Lincoln’s contribution to a theoretical understanding of the fundamentals of constitutional democracy.

II. A House Devided Against Itself The obvious starting point for this inquiry is the issue of slavery because it raised the question of the logic of republican order and, more generally, of the anthropological grounding of constitutional democracy in the idea that the basis of citizenship is the one, common, humanity inhering in all human beings. In other words at stake is the concept of human nature itself. The domestic consolidation of the national republic, combined with territorial expansion, involved a shift in the balance of power between the 44 45 46

Fornieri, Abraham Lincoln’s Political Faith, p. 21. See Gebhardt, Juergen, Americanism. Baton Rouge 1993, p. 174–199. Lincoln, Collected Works, vol. VI, p. 332.

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member-states, in particular between the North and the South, and their diverging political cultures. This enhanced the power of the national government and aggravated the politically never resolved conflict of whether the national government, based on the Federal Constitution, symbolized the unified American people and took precedence over the individual states, or – as the Southern states claimed – the union was a compact of sovereign states and federal law subject to nullification by the people of the respective member-states. This southern reading of the constitution pitted the supremacy of the national Constitution against the sovereignty of the single state and implied – in the last analysis – the right of secession. The imperatives of national unity forced the founding elites to tolerate slavery in the Southern colonies. They eliminated the national institution that had existed in the colonies before 1776 and reduced slavery to the “peculiar institution” of one region. As such it was legitimized in the Federal Constitution in terms that glossed over the clash of principles involved. As a man the slave was a person; but in his social existence he was property. This determination was inserted in the Constitution (Article I, Section 2 and Section 9; Article IV, Section 2) without explicit mention of the institution of slavery. The political leaders – including southerners like Washington and Jefferson – supposed that slavery would soon die out everywhere. But in the course of the rise of the republic to continental empire these hopes were not fulfilled. The more the free society of the north and the slave society of the South spread westward, the more slavery took hold; as a result, far from keeping slavery out of the new territories, national policy struggled to maintain a balance between free states and slave states through a series of constitutional compromises. From the Missouri Compromise of 1820 to the Clay-Webster compromise of 1850, confirmed by the Fugitive Slave Law of 1850 and the Kansas-Nebraska Act of 1854, the quest for the preservation of national unity by constitutional pragmatism took precedence over a principled debate on the authentic ethos and the moral truth of the republican founding. But the ongoing political damage control could not prevent the turning of a regional conflict into a clash over the fundamental principles of order between the New England led North and the slaveholding South. The congressional debates on the Missouri Compromise ignited a controversy intimating things to come. “It produced the first extended consideration of Congress of the meaning of the Declaration of Independence and the Constitution. The Northern position was straight forward: the doctrines of the Declaration were basic commitments, providing substance for the ‘republican form‘ of government guaranteed to every state by Article IV, Section 4 of the Constitution.” The framers of the Constitution were forced to up hold the slavery entrenched in the Southern states at the expense of repub-

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lican principle, “but in legislating for the territories, where social patterns were not yet set, Congress should consider itself bound by the standards of republicanism, by which slavery could not be justified.”47 The Compromise of 1820 struck a certain balance between free states and slave states that continued until its de facto repeal in 1854 signaled the breakdown of the constitutional consensus. And it took a few more decades before the complicated and multifaceted story of Ante-bellum politics reached the point where it became obvious that the meaning of American identity itself was at stake in the conflicting visions of the American order, the conflicting readings of the legacy of the founding fathers, and the conflicting interpretations of the founding period’s sacred documents. In the last analysis two contradictory types of political order came to be pitted against one another. The conflict originated in the growing self-assertiveness of the Southern elites, on political, constitutional, legal, economic, and ultimately, religious grounds, that led to a revision of the once generally agreed upon articles of political faith. Underneath this self-assertiveness lay the deep seated fear that, in the long run, the slave holding South would lose out against the anti-slavery North. First and foremost, the Southern leadership as a whole, and its intellectual entourage, gave up the once commonly held conviction that slavery was a necessary evil and a moral wrong. “We have often been taunted for our sensitiveness in regard to the discussion of slavery. Do not suppose it is because we have any doubts of our rights, or scruples asserting them. . . . (B)efore the commencement of the abolition agitation here, it was a common sentiment that it was desirable to get rid of slavery. . . . When this agitation arose, we were driven to a close examination of the subject in all its bearings, and the result has been an universal conviction that in holding slaves we violate no law of God – inflict no injustice on any of his creatures –, while the terrible consequences of emancipation to all parties and the world at large, clearly revealed to us, make us shudder at the bare thought of it.”48. This position entailed more than the traditional recourse to constitutional legality, property rights, and the prosperity engendered by the Southern economy, but directly attacked the existing republican order. It endorsed without reserve the argument that “slavery is the cornerstone of our republican edifice”, and repudiated “as ridiculously absurd that much lauded but nowhere accredited dogma of Mr. Jefferson, that ‘all men are born equal’”. There is no society “without a natural variety of classes”: the rich and the poor, the educated and the ignorant. The poor and 47 Robinson, Donald L., Slavery in the Structure of American Politics. New York 1971, p. 409. 48 Elliott, E. N. (ed.), Cotton Is King and Pro-Slavery Arguments. Augusta 1860, p. 684. This collection of essays represents a comprehensive view of the revisionist concept of social order.

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the ignorant are unfit for the proper discharge of public duties and, therefore “in all countries save ours. . . . [are] by law expressly excluded from all participation in the management of public affairs. In a Republican government that can not be done. Universal suffrage . . . seems to be in fact appendage to a republican system.” Universal suffrage delivers governmental power to numerical majorities, and even if poverty is not in itself to be considered a crime, it is still connected with ignorance and it must be admitted “that it is a wretched and insecure government which is administered by its most ignorant citizens and those who have the least at stake under it.” “Intelligence and wealth” are still influential and able to check “reckless and unenlightened numbers, yet it is evident to close observers, if not to all, that these are rapidly usurping all power in the non-slaveholding States, and threaten a fearful crisis in republican institutions there at no remote period. In the slaveholding States, however, nearly one-half of the whole population, and those the poorest and most ignorant, have no political influence whatever, because they are slaves”. The majority of the other half is educated and independent in its circumstance, and even the less fortunate are far above the mass and “more deeply interested in preserving a stable and well-ordered government, than the same class in any other country. Hence, slavery is truly the ‘cornerstone’ and foundation of every welldesigned and durable ‘republican edifice’ ”.49 This reasoning is derived from a doctrine of domination that claims to express a natural and as such providentially preordained order of things: In all ages “man is born to subjection . . . , it is the very bias of his nature, that the strong and the wise should control the weak and the ignorant. . . . The existence of some form of slavery in all ages is proof enough of this”. . . . “The proclivity of natural man is to domineer or to be subservient.” Civil liberty depends on the mature exercise of virtue and knowledge and is the result of artificial institution – “a noble result, indeed, but in the attaining of which, as in the instances of knowledge and virtue, the Creator, for his own purposes, has set a limit beyond which we can not go.”50 This theological reference did not stand by itself but evolved from the pro-slavery reading of the Bible that was the national book par excellence in the early years of the United States. The literalist hermeneutic, prevalent among protestant theologians and congregations, easily lent itself to a pro-slavery exegesis; and, as a consequence, further lent itself to the moral justification of a public order based on the servitude of man. Thus it was maintained “that the emancipation of hereditary slaves by a State is not commanded, or in any way required by the Bible. The Old Testament and the New sanction slavery, but under no circumstances enjoin its abolition, even among saints. . . . If pure religion, 49 50

Ibid., p. 637 f. Ibid., p 555–556.

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therefore, does not require abolition under the law of Moses, nor in the Church of Christ – we may safely infer that our political, moral, and social relations do not require it in a State; unless a State requires higher moral, social, and religious qualities in its subjects, than a gospel church.”51 Proslavery theology – in tune with the hermeneutics of orthodoxy – could conclude from scriptural evidence that “American slavery is not only not a sin, but especially commanded by God through Moses, and approved by Christ through his apostles.”52 From this point of view the abolitionists were contemptuous of revelation if not out right infidel. The symbolic cosmos of American self-interpretation was so strongly marked by Christianity that the political and moral discourse on slavery by necessity unleashed a struggle over competing interpretations of Christianity and the Bible.53 The main thrust of the South’s defense of its social order was directed against the Declaration of Independence considered as a foundational norm of the republican order, and as it was expounded by Northern anti-slavery forces in general and abolitionists in particular. The meaning of this document and its constitutional status were subjected to a sophisticated examination in order to disparage its anthropological creed and ontological commitment to a humanity that included all human beings. The ‘self-evident truths’ of human equality and God-given inalienable rights were denounced as false, sophistical, meaningless, and certainly not applicable to the real social world. Of course this critical view was also shared by Northern conservatives who put national unity first – despite their anti-slavery stance. The New England Whig politician Rufus Choate spoke of the “sounding and glittering generalities of the Declaration of Independence”54, and Pennsylvania Democrat John Pettit called the notion “that men were ‘physically, mentally, or morally’ equal a ‘self-evident lie’”.55 Southern leaders could play on this skepticism because they confronted their opponents with the real issue that lay at the basis of the discourse on slavery: the question of race. The common thread found in all defenses of slavery was the assertion “of innate black inferiority.”56 Founding Father Jefferson himself who castigated slavery as morally wrong had advanced the suspicion that, considered as subjects of natural history, “the blacks, whether originally a distinct race or made distinct by times, are inferior to the whites in the endowment both of body and mind.” His attitude toward the enslavement of human beings 51

Ibid., 520. Ibid., 636. 53 Noll, America’s God, p. 378–400. 54 Quoted in Becker, Carl L., The Declaration of Independence. New York 1962, p. 244. 55 Quoted in Smith, Roger M., Civic Ideals. New Haven 1997, p. 204. 56 Ibid., p. 205. 52

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was highly ambivalent. He trembled for his country at the thought of divine justice in the face of the violation of the God-given liberties of the nation and hoped for total emancipation under the auspices of Heaven. But emancipation and incorporation of the blacks into the state here and now was out of the question for political, moral and physical reasons: “When freed, he (the slave) is to be removed beyond the reach of mixture.”57 What Jefferson “suspected” emerged as scientific “truth” in the 1840s and 1850s in the writings of the ‘American school of ethnography’ that drew heavily on European ethnological, medical, and biological studies.58 The scientific proof of the natural superiority of the white (now called Caucasian) and the innate inferiority of the non-while races blended well with the social, political and theological arguments. But its particular impact was that it seemed to confirm the widespread fear of the consequences of integration: miscegenation. Southern propaganda exploited these fears: “If the Negro race . . . be inferior to our own in mind and character . . . then ours would suffer deterioration from such intermixture. . . . It is not only in defence of ourselves, of our country, and of our own generation, that we refuse to emancipate our slaves, but to defend our posterity and our race from degeneracy and degradation.”59 According to the notion of racial hierarchy any political implementation of the principle of equality to non-whites which, in the last analysis, means granting civil and political rights, would have a destructive effect on the social order. In this respect the foes of emancipation took the Declaration and the anti-slavery Northerners at their word and confronted the nation with horror visions of black masses overthrowing the republican regime. Those arguments met with nationwide trends in the age of Jackson to define America as “the white man’s country” and to assume that only “the white man is an American citizen” – as the Supreme Court of Connecticut decided in 1834 as it denied the privilege of suffrage “to the coloured race generally.”60 It is this idea of American ‘whiteness’ that lurked behind the constitutional compromises of the 1850s. The Jacksonians expanded the political inclusion of whites while “denying the vote to free blacks, mulattoes, and often Native Americans.” The new western states disenfranchised free non-white and many old states followed suit. By the time of the civil war, blacks had some form of franchise in only six states61, all of them in 57 Jefferson, Thomas, Notes on the State of Virginia. Chapel Hill 1955, p. 138, 168, 143. 58 See the chapter on Slavery in the Light of Ethnology in: Elliott (ed.), Cotton is King, p. 691–728.; Smith, Civic Ideals, p. 203–205. 59 Elliott (ed.), Cotton is King, p. 621–622. 60 Crandal v. State, in: Philip B. Kurland/Ralph Lerner (eds.), The Founder’s Constitution IV. Chicago 1987, p. 513.

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New England, and all holding strong anti-slavery convictions and expressly subscribing to the moral and religious notion of human equality. The pattern of disfranchising native free blacks and Indians was a symptom, but also a cause, of the racially articulated views of American identity that American public law increasingly expressed and legitimated during this period.”62 It was confirmed in 1857 by the majority of the Supreme Court in Dred Scott v Sandford. Chief justice Taney stated the question at stake. “The only matter in issue before the court, therefore, is whether the descendents of such slaves, when they shall be emancipated, or are born of parents who had become free before their birth, are citizens of a state, in the sense in which the word ‘citizen’ is used in the Constitution of the United States.” The answer was negative. Members of the African race are neither part of the sovereign people nor constituent members of that sovereignty. “We think they are not included, and were not intended to be included, under the word ‘citizens’ in the constitution, and can, therefore, claim none of the rights and privileges which that instrument provides for and secures for citizens of the United States.” The court divested the Declaration of Independence of its universal meaning in stating “that neither the class of persons who had been imported as slaves, nor their descendants, whether they had become free or not, were then acknowledged as a part of the people, nor intended to be included in the general words used in this memorable instrument.” While the words “seem to embrace the whole human family” it is beyond dispute that the “enslaved African race was not part of the people who framed and adopted this Declaration.”63 Abraham Lincoln, the rising spokesman of the anti-slavery forces, rebutted this interpretation of the founders’ intentions. “In those days, our Declaration of Independence was held sacred by all, and thought to include all; but now, to aid in making the bondage of the negro universal and eternal, it is assailed, and sneered at, and construed, and hawked at, and torn, till, if its framers could rise from their graves, they could not at all recognize it.”64 To Lincoln the denial of the anthropological creed of the Declaration signaled a fundamental crisis of the republican order and he responded to this challenge.

61

Smith, Civic Ideals, p. 215. Ibid., p. 215. 63 Dred Scott v. Sandford, in: Paul A. Freund et al. (eds.), Constitutional Law. Boston 1961. 64 Lincoln, Collected Works, II, p. 404. 62

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III. Lincoln and the Crisis: The Search for the Moral Foundations of Republican Government “By repealing the Missouri Compromise’s ban on slavery, the KansasNebraska Act polarized sectional conflict with increasing vigor.”65 Politically, economically, and socially the cultures of north and South were moving apart. But it seems that it took some time until the majority of the common people began dimly to understand that the sectional schism had crystallized into two antagonistic visions of order. At first it was the minority of white anti-slavery forces that built a coalition of white and black reformers on the basis of a blend of “the more egalitarian and libertarian strains in Christianity, enlightenment rights doctrines, and republicanism”. They meshed their assertions of universal human rights with their particular cultural commitments and public policies, even if tempered beliefs in racial differences and the superiority of Christianity and Anglo-Saxon civilization and male dominance still had force for them.”66 This spiritual realignment of a moral minority became effective in the aftermath of the Kansas-Nebraska Act and precipitated the political realignment that brought forth the Republican Party and led to the emergence of Lincoln in national politics. The Kansas-Nebraska Act “marked an important turning point in Lincoln’s life. . . . After 1854 Lincoln would direct his energies to resisting the concrete thread of slavery’s extension and nationalization. From this time onward, he would consistently invoke the Declaration as the nation’s moral covenant.”67 Without question Lincoln’s political thought matured in the course of his political rise to the presidency, certain aspects of it were marked by the mental and political climate of his time and, therefore, plagued by inconsistencies. After all, the majority of the white population seemed to have been quite comfortable with the Dred Scott decision, and Lincoln received only 40% of the vote in the presidential elections of 1860. Without further considering the more peripheral issues let us turn to Lincoln’s core ideas, as mentioned above. In 1858 he clarified the nature of the crisis of the Republic. “A house divided against itself can not stand”. A societal order can be based on but one fundamental principle.” (T)his government cannot endure permanently half slave and half free. It will become all one thing or all the other. Either the opponents of slavery will arrest the spread of it, and place it where the 65 66 67

Fornieri, Lincoln’s Political Faith, p. 104. Smith, Civic Ideals, p. 246. Fornieri, Lincoln’s Political Faith, p. 104.

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public mind shall rest in the belief that it is in the course of ultimate extinction, or its advocates will push it forward till it shall become alike lawful in all the states, old as well as new, North as well as South.”68 Referring to the authority of the Federalist Papers he stated: “Our government rests in public opinion”. That is the consensual basis of the constitutional regime. Who ever can change public opinion is able to change the nature of the regime. “Public opinion . . . always has a ‘central idea’ from which all its minor thought radiate.” Lincoln understood that there is an idée directrice that, to the extent that this lead idea is realized by human agency, forms the institutional complex of public order, and thus is at work in the society. “That ‘central idea’ in our political public opinion, at the beginning was, and until recently has continued to be, ‘the equality of men’”. The subject matter of the present struggle is “to discard this central idea, and to substitute for it the opposite idea that slavery is right, in the abstract, the workings of which, as a central idea, may be the perpetuity of human slavery.”69 This raises the question of the meaning of the order embodied in the central idea and realized in the constitutional form of the regime. Materialiter the central idea entails principles by which the essence of the human being is translated into norms in order to be realized in society. True to his deeply ingrained civil-theological faith in the metaphysical nexus of the founding and the social order Lincoln – as indicated above – invoked the ‘ancient faith’ of the fathers against what he called the ‘new faith’. The ‘ancient’ or ‘old faith’ is expressed in the prologue to the Declaration – divinely preordained equality of all human beings and their endowment with inalienable rights, and the idea of self-government derived from this anthropological creed. The contradistinction of the ‘new faith’ aims at the denial of these principles – natural inequality, social construction of rights, and the despotic rule of the master over his fellow human being. To Lincoln the Declaration spells out the truth of human nature and the indisputable ethical obligation to bring this truth to fruition in an appropriate political order. With the denial of the Declaration America denies the founding. The Fathers “meant to set up a standard maxim for free society, which could be familiar to all, and revered by all; constantly looked to, constantly labored for, and even though never perfectly attained, constantly approximated, and thereby constantly spreading and deepening its influence, and augmenting the happiness . . . to all people of all colors everywhere. . . . Its authors meant it to be, thank God it is now proving itself, a stumbling block to those who in after times might seek to turn a free people back into the hateful paths of despotism.”70 From a theoretical point of view two aspects 68 69 70

Lincoln, Collected Works, II, p. 513–514. Ibid., p. 385. Ibid., p. 404.

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are remarkable: Lincoln took the anthropological creed not for a propositional dogma but for a regulative paradigm to be acted upon And he proclaimed it an universally valid standard for any society that claims to be free. It serves as the criterion that distinguishes a free society from a despotic one. The continuing reference to the ‘ancient faith’ entailed, however, a hermeneutical shift in the interpretation of this “immortal emblem of Humanity” that was the Declaration. It articulated Lincoln’s biblical religiosity that informed his civil theology as well as his theoretical understanding of politics. Lincoln interpreted the political metaphysics of the founder’s republicanism in terms of his biblical republicanism. The Declaration was the fathers “majestic interpretation of the economy of the Universe. This was their lofty, and wise, and noble understanding of the justice of the Creator to His Creatures. . . . In their enlightened belief, nothing stamped with the Divine image and likeness was sent into the world to be trodden on, and degraded, and imbruted by its fellows.”71 Here as in his great presidential addresses he emphasized that the supreme deity of the founder’s political monotheism was the biblical God, and that therefore, the essence of the human being was contingent upon its likeness to God. From the vantage point of the history of Western political theory Lincoln reasserted the core idea of the Western conception of order, namely the theomorphy of the human being. Joseph R. Forieri rightly coined the term biblical republicanism. Lincoln maintained that “the ‘good old maxims’ of the Bible are applicable and truly applicable to human affairs”72 and this was for Lincoln more than a figure of speech; it came from the depth of his heart. Thoroughly convinced of the divine intervention in American history he interpreted the course of events as the story of the fall and spiritual regeneration of the American people, the civil war being not only God’s punishing affliction but also the wondrous proof of God’s grace. The proclamations of days of fasting in 1861 and 1863, of thanksgiving in 1863, and the second inaugural address of 1865 did not distinguish between North and South but called upon the whole American people to join in the great work of reformation.73 The Declaration was the pivot of Lincoln’s civil theology but beyond that it was also of critical importance to his theoretical understanding of a constitutional regime. The constitution represents the supreme law of the nation, but this supreme law is committed to the anthropological principle of the Declaration and, as a consequence, the Constitution is also so com71

Ibid., p. 546. Lincoln, Collected Works, III, p. 462. 73 Gebhardt, Americanism, p. 194–196; Fornieri, Lincoln’s Political Faith, p. 39–40. 72

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mitted. Without the Constitution and Union, Lincoln asserted, America’s prosperity could not have been attained. But they are not the primary source of this prosperity, “there is something back of these, entwining itself more closely about the human heart. That something is the principle of ‘Liberty to all’ – the principle that clears the path for all – gives hope to all – and by consequence, enterprise and industry to all . . . The assertion of this principle was the word . . . which has proved an ‘apple of gold’ to us. The Union and the Constitution are the picture of silver, subsequently framed around it. The picture was made, not to conceal, or destroy the apple; but to adorn, and preserve it. The picture was made for the apple, not the apple for the picture.”74 “Hence, the Declaration’s liberty was primary, and the law came second.”75 The authority of the Constitution as an instrument of government as well as a symbol of national unity hinges on the authority of the transcendent truth of the anthropological creed. From this follows a reassessment of core principles of constitutional government: popular sovereignty, government by consent, and self-government that anticipates the controversial debates that were to take place when constitutional democracy spread over the Western world. This reassessment was, of course, first of all tied to the question of slavery. Neither popular sovereignty nor the right to self-government can justify the attempt of a community to do away with the rights of other human beings. In their right ‘to life, liberty, and the pursuit of happiness’, as proclaimed in the Declaration, the black people “are our equals”.76 This entails natural and legal equality under the constitution, But then the political logic of the concept of self-government comes into play: “The just application of the doctrine of self-government depends on whether a negro is not or is a man . . . if the negro is a man, is it not to this extent, a total destruction of self-government, to say that he too shall not govern himself? When the white man governs himself that is self-government; but when he governs himself, and also governs another man, that is more than self-government – that is despotism. . . . (n)o man is good enough to govern another man, without that other’s consent . . . this is the leading principle – the sheet anchor of American republicanism.” And Lincoln is forced to state: “Allow ALL the governed an equal voice in the government, and that, and that only is self-government.” But then he retreats from this conclusion. He denies that he contends “for the establishment of political and social equality between whites and blacks.”77 Although, in the last analysis, Lincoln be74 75 76 77

Lincoln, Collected Works, IV, p. 168–169. Farber, Daniel: Lincoln’s Constitution. Chicago 2003, p. 180. Lincoln, Collected Works, III, p. 222. Lincoln, Collected Works, II, p. 265–266.

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lieved that the granting of citizenship was constitutional and as such commanded by the imperative of the Declaration’s vision of government by consent, he insisted – not just for political reasons – that he has “never been in favor of making voters or jurors of negroes, nor of qualifying them to hold office, nor to intermarry with white people.” The differences between the races prevent in his opinion “living together on terms of social and political equality.”78 This attitude fed on the racial prejudice of the country’s white majority. But also at stake was the more general issue of political inclusion and exclusion that had been put on the agenda of modern political discourse by the democratic revolution. The conception of selfgovernment rests on the revolutionary principle that the people are the origin of all just power and authority, a point expressed by the symbol of popular sovereignty. From the claim that the people are the constituent power and, therefore, retain ultimate authority over the public order, follows the principle of democratic participation in government. The democratic principle is the linchpin of modern democracy and the right of suffrage its logical result because it determines who is included in the partnership of political agency; in other words the people is the definiens of republican citizenship. The struggle for political rights, foremost the franchise, is the struggle for the implementation of the democratic principle. In the last analysis, by invoking the normative claim of the Declaration, Lincoln and the Republican Party were compelled to face the logic of the democratic principle. The Supreme Court under the leadership of Chief Justice Taney had dealt with this issue directly in the Dred Scott case and deliberated on the theory of democratic constitutionalism. The decision accepted the Declaration of Independence as the founding document of the sovereign American people and the normative commitment of the Constitution to its principles. But then it undercut the universalism of the anthropological creed and changed it into a proclamation of white supremacy. This argument in the Scott case reasserted in effect Lincoln’s doctrine of the constitutional binding force of the Declaration, and went even further by substantiating the political right of governmental participation. It is interesting to note that Lincoln did not dwell on this point in his rebuttals of the court’s opinion. Taney’s ruling was intended to deny the civic status to Afro-Americans but the dissenting opinion of judge McLean pointed to the status of free-born white women and minors whose legal situation was comparable to that of free blacks – a problem that had already vexed the founding generation. Taney recurred to the reasoning of the early republic and declared white women and minors to be citizens because they are part of the political family of those who constitute sovereignty and who act as their political guardians. Taney could 78

Lincoln, Collected Works, III, p. 145–146.

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not avoid accepting the democratic imperative of the Declaration but he tried to divest it of the claim to metaphysical truth that Lincoln’s civil theology reasserted and which he successfully injected into what originally had been a regional conflict and constitutional controversy. But Lincoln precariously kept the precise meaning of the constitutional preamble ‘We the People’ in suspense. After he had issued the Emancipation Proclamation (that originally only extended to areas still in rebellion against the national government) he retreated from colonization plans. Lincoln’s reconstruction plan of December 1863 cited the constitutional clause guaranteeing a ‘Republican Form of Government’ but it did not provide details of what constituted civic responsibility. Lincoln’s proposal for an antislavery amendment, which later became the Thirteenth Amendment to the Constitution, did not clarify the issue of citizenship and voting rights for the freedmen. But it might be surmised that during his presidency Lincoln’s previous attitude toward full fledged black citizenship changed in principle, if not in practice. In March 1864, in a private communication to the first free-state governor of Louisiana, Lincoln addressed the definition of “elective franchise” in the prospective constitution: “I barely suggest for your private consideration, whether some of the colored people may not be let in – as, for instance, the very intelligent, and especially those who have fought gallantly in our ranks. . . . But this is only a suggestion, not to the public, but to you alone,” – and nothing came come of it, at least for the time being.79 However in his last public address (April 11, 1865) Lincoln stood by this position of selectively conferring the franchise on freedmen.80 The historiographical and civil theological debate on the ‘true Lincoln’ is still marked by controversies over Lincoln’s civil right record; and rather skeptical conclusions are drawn.81 Personal sentiments and political calculation separated Lincoln from radical abolitionism. But all of his life his profound biblical religiosity carried him beyond personal feelings and pragmatic political reasoning. If the spirit of the Constitution depends on the moral and political precepts of the Declaration and, therefore, takes precedence over the letter, the acceptance of colored people into the nation under God must be part of the design of a God who governs human affairs. The logic of Lincoln’s civil theology more than the political logic of republicanism suggests that on the symbolic level the ‘sovereign people’ of republican discourse merged into God’s “almost chosen people”82. The Gettysburg Address recalled the founding fathers’ creation of a new nation “conceived in liberty, and dedi79

Lincoln, Collected Works, VII, p. 243. Lincoln, Collected Works, VIII, p. 403. 81 Peterson, Lincoln in American Memory, p. 351; Schwartz, Abraham Lincoln, p. 4–5. 82 Lincoln, Collected Works IV, p. 236. 80

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cated to the proposition that all men are created equal”. It concluded with the high resolve “that this nation, under God, shall have a new birth of freedom – and that government of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth“.83 This grand rhetoric invoked the memory of Wycliffe’s revolutionary joining of the Bible to the political:” this Bible is for the government of the people, by the people, and for the people”. Eric Voegelin noted that “the symbol ‘people’ in this formula” signifies the epochal historical configuration in which “the membership of the society has become politically articulate down to the last individual, and, correspondingly, the society becomes the representative of itself.” “The unsurpassable fusion of democratic symbolism with theoretical content in this formula is the secret of its effectiveness.”84 What ever the intentions of Lincoln were, his symbolic formula spelled out the universal claim of the democratic principle. But what Voegelin calls the secret of the effectiveness of Lincoln’s formula was not only due to its political content but even more to its civil-theological charge of transcendental meaning. It makes the American order the representative of a sacred truth symbolized by the Fathers and ordained by divine will. The extraordinary circumstances of secession and war enabled Lincoln and the Republicans “to work more far-sweeping transformations than would otherwise have been imaginable. They produced a long-lasting, agonizingly intense military emergency in which drastic executive and legislative measures seemed necessary.”85 This, of course raised, then as it does now, the problem of the constitutional legitimacy of the actions of a president who uses his emergency powers in extenso. His unilateral response to secession, suspension of habeas corpus, use of martial law, and the Emancipation Proclamation were constitutionally problematic and led his adversaries to accuse him of subverting the Constitution. Recent scholarship holds that most of these actions “were constitutionally defensible.”86 But the crucial point is that Lincoln’s goal was to restore the spirit and the truth of the Constitution that had been lost. Lincoln and the Republicans had their prosaic economic and political concerns, but beyond those they acted on a “vision of national identity expressive of higher, divinely favored purposes.”87 After Lincoln’s death this vision developed a dynamic of its own. “To forge a new Union without slavery the Republicans emancipated and empowered blacks, first with arms, then with citizenship and civil rights, 83 84 85 86 87

Lincoln, Collected Works VII, p. 23. Voegelin, The New Science of Politics, p. 40. Smith, Civic Ideals, p. 272–273. Farber, Lincoln’s Constitution, p. 176. Smith, Civic Ideals, p. 273.

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and finally with the franchise.” Three constitutional amendments and six major federal statutes rebuilt the constitutional order. “The laws did not prevent the building of new systems of racial injustice in the United States, but they did establish a new framework of civic arguments that could not easily be ignored.”88 But Lincoln’s own appeal to moral and spiritual reformation was silenced and political reconstruction failed for another century. The grand formula of the government of the people, by the people, for the people conjoined the symbolic logic of civil theology and the political logic of popular sovereignty in a vision of an all-inclusive People committed to self-government beyond the limits of gender and race. Lincoln may fade from historical memory, but he bequeathed the standards by which Americans set their political course and judge their performance; this is true both for the present as well as when Americans consider their past.

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Ibid., p. 286.

De Gaulle, ou le sens de la responsabilité nationale Pierre Manent Pour honorer un collègue et un ami qui a tant contribué à nous faire mieux connaître François Mitterrand, je voudrais proposer quelques réflexions sur l’homme d’Etat contre lequel François Mitterrand s’est défini et construit, à savoir Charles de Gaulle. S’interroger sur l’homme de la « France libre », c’est s’interroger sur la France, plus généralement sur cette forme politique qui est propre à l’Europe et à ses prolongements atlantiques, à savoir la nation. Aucune action politique ne fut plus « personnelle » que celle du Général; aucun homme d’Etat ne s’est confondu davantage avec la chose publique que lui. De Gaulle a beaucoup écrit. Fait plus remarquable, il a décrit le contenu et l’esprit, le style de son action dès les années 30, avant que les circonstances ne lui donnent l’occasion de conduire cette action. Plus précisément qu’aucun autre, il a annoncé ce qu’il voulait et allait faire. Ainsi, ses œuvres sur « l’homme de caractère », sur la France et son armée, font déjà partie de son action politique. Elles sont de part en part gouvernées par une intention politique. A nos yeux, elles manquent de spontanéité: elles ne nous livrent pas ce que de Gaulle pensait de la chose politique en ellemême, indépendamment de son rôle propre. Par bonne fortune, un ouvrage de De Gaulle échappe à cette servitude. Il s’agit de son premier livre, publié en 1924. De Gaulle avait déjà 34 ans. Cette première expression de son talent est animée et éclairée par un humour, une légèreté de touche et une rapidité de mouvement qui tendront à disparaître dans les œuvres ultérieures, lorsque le sentiment de sa mission aura commencé à peser sur ses épaules et sur sa plume, et qu’il gravera ses pensées plus qu’il ne les écrira. Le titre de cette première œuvre est: La discorde chez l’ennemi. C’est une réflexion sur l’Allemagne dans la Grande Guerre. Il en avait rassemblé la documentation à loisir tandis que, prisonnier à la forteresse d’Ingolstadt, il lisait les journaux et périodiques allemands. L’ouvrage est composé de cinq essais, chacun narrant un épisode décisif. Chaque épisode enseigne la même leçon. De tous les écrits de De Gaulle, cette réflexion sur la guerre et la politique est celui qui ressemble le plus à un texte de philosophie politique.

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La thèse générale est plutôt surprenante sous la plume d’un officier français ardemment patriote: l’Allemagne aurait dû gagner la guerre. Du moins aurait-elle pu aisément obtenir des conditions de paix avantageuses en 1917. Si ce ne fut pas le cas, c’est que d’énormes fautes furent commises. Ces fautes ne résultent ni de la faillibilité humaine en général, ni de quelque défaut inhérent à l’âme allemande. Elles trouvent leur cause dans un certain nombre de traits qui vinrent caractériser le régime politique de l’Allemagne à partir de la guerre franco-prussienne et lui donnèrent pour ainsi dire son code génétique. Ces fautes sont résumées par le mot principal dans le titre du livre: la discorde. Il y avait dans le régime impérial une source spécifique de discorde. Cette thèse paraît aller à l’encontre de la conviction universellement répandue que les Allemands avaient une capacité extraordinaire d’organisation, une aptitude exceptionnelle à agir comme une unité. De Gaulle ne conteste pas cette capacité. Tout au contraire, il la compare avantageusement à la propension française à la désunion. Ce qu’il a dans l’esprit appartient spécifiquement à l’ordre politique. Ouvrons le livre. Le premier chapitre est consacré à « la désobéissance du général von Kluck ». Parce qu’il ne se tint pas au plan que l’état-major du second Moltke avait soigneusement élaboré, von Kluck exposa l’armée allemande à la contre-attaque qui restera dans la mémoire française comme « le miracle de la Marne ». Le second chapitre sur « la déclaration de guerre sousmarine renforcée » traite de la rivalité entre l’amiral Tirpitz et le Chancelier Bethmann-Hollweg. Imposée par Ludendorff, après la démission de Tirpitz, contre l’avis de Bethmann, cette décision en faveur d’une guerre maritime totale aliéna définitivement les Etats-Unis au moment où le Président Wilson était prêt à proposer une médiation entre les belligérants, et alors que la France était profondément troublée par l’échec des offensives successives et que la Révolution russe allait bientôt abolir toute menace sur le front de l’est. Après un troisième chapitre narrant les désaccords entre les commandements allemand et autrichien, le quatrième considère la chute de Bethmann-Hollweg, qui résulta des manœuvres combinées d’un partisan de la paix immédiate, Matthias Erzberger, et du spiritus rector de l’armée allemande, partisan de la guerre à outrance et jusqu’au bout, le quartier-maître Ludendorff. A partir de ce moment, l’Allemagne ne fut plus gouvernée par son gouvernement, par ses chefs politiques, mais par son armée. Ce dernier fait donna son caractère à la défaite allemande que de Gaulle commente dans le dernier chapitre, intitulé La déroute du peuple allemand. Il souligne l’ampleur et la soudaineté de l’effondrement moral allemand à partir de juillet 1918: Cette stupeur, comme par suite d’un fatal coup de baguette magique, annihila d’un seul coup les qualités de guerre du peuple allemand [. . .], les chefs mili-

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taires avaient ôté au gouvernement l’autorité et le crédit. L’Allemagne constatait avec terreur qu’on avait faussé le jeu logique et nécessaire des pouvoirs dans l’Etat. Le colosse, chancelant dans la nuit, cherchait en vain l’appui qui lui eût permis de se redresser. Faute de le trouver, un peuple vaillant désespérait soudain de sa force.1

Ainsi, dans les termes les plus généraux, la défaite allemande résulta du fait que l’autorité politique devint incapable de faire face à sa responsabilité politique. Celle-ci revint donc à l’armée qui était nécessairement incapable de l’assumer. A preuve la conduite de Ludendorff qui, après avoir précipitamment réclamé l’armistice, quitta son poste, et allait bientôt dénoncer furieusement ceux qui avaient pris sur eux de faire la paix. Nous savons aujourd’hui – ce que de Gaulle ignorait en 1924 – que ce vice du régime impérial eut des conséquences durables et plus terribles encore que la défaite de 1918, puisqu’il causa la faiblesse originelle du régime de Weimar, qui ne pourrait être surmontée. L’expérience de l’Allemagne en 1918 et dans les années suivantes contribua à persuader de Gaulle de la nécessité pour un corps politique d’être gouverné par une personne clairement définie et désignée, et « responsable de l’essentiel » devant les citoyens. Il n’oublierait pas la leçon en élaborant la Constitution de la Cinquième République. Dans le livre que nous lisons, de Gaulle ne se borne pas à décrire les ratés d’un dispositif politique. Il affirme que la plupart des chefs militaires allemands montraient alors une disposition particulière du cœur et de l’esprit, une disposition largement formée par l’influence de la philosophie de Nietzsche. Il décrit ainsi « les défauts communs à ces hommes éminents: le goût caractéristique des entreprises démesurées, la passion d’étendre, coûte que coûte, leur puissance personnelle, le mépris des limites tracées par l’expérience humaine, le bon sens et la loi. »2 L’influence de la philosophie de Nietzsche sur les échelons supérieurs de l’armée allemande fut-elle aussi grande que de Gaulle ici le suggère? Il est permis d’en douter. On sait d’ailleurs que Nietzsche avait très sévèrement critiqué les dispositions nouvelles introduites dans l’esprit allemand par la victoire sur la France en 1870 et par la fondation subséquente de l’empire allemand. Ce qui est important dans notre contexte, c’est que de Gaulle détecte un principe d’anarchie dans la discipline allemande. Je le formulerais ainsi: dès que la volonté collective est considérée comme la seule source du bien commun, c’est la volonté comme telle qui est affirmée; chaque volonté individuelle est alors pour ainsi dire tentée et excitée; et, en particulier, chaque chef est entraîné à agir selon son impulsion personnelle. 1 « La discorde chez l’ennemi », in: Charles de Gaulle, Le fil de l’épée et autres écrits, Paris, 1990, p. 126. 2 Ibid. p. 12.

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Ce premier livre nous permet de saisir l’esprit qui ne cesserait d’inspirer la politique gaullienne. On voit combien est mal fondé le reproche souvent adressé à de Gaulle d’être au fond un « nietzschéen » animé par le « culte de la volonté ». Si la défaite allemande eut pour lui une portée morale, c’est parce qu’elle lui apparut comme la punition d’une ambition désordonnée, d’un mépris constitué pour l’ordre naturel de la vie humaine.3 Mais, dira-t-on, n’est-il pas trop facile de célébrer l’ordre juste de la vie humaine lorsqu’il vient d’être restauré par la défaite de l’ennemi? Peut-être de Gaulle fut-il moins ami de la modération lorsque cette vertu était exigée de la France! En réalité, dans ses livres ultérieurs, tous consacrés à la France et à son armée, il maintint strictement la même perspective. Il célèbre assurément la gloire des armes, mais il souligne que les armes pour la France relèvent d’abord de la nécessité. A cause des défauts du tempérament politique français, de l’importance et de la situation exposée de la capitale, et parce que l’essentiel de ses mines et de son industrie se trouve dans la région du nord et du nord-est, le destin de la France, plus que celui d’une autre nation, dépend de la fortune de guerre: L’épée n’est pas seulement l’ultime raison de ses querelles, mais l’appoint de sa faiblesse. Tout ce qu’il y a de fâcheux dans le territoire, d’absurde dans la politique, d’infirme dans le caractère, elle n’a, pour le compenser en dernier ressort, que l’art guerrier, l’habileté des troupes, la douleur des soldats. Et cela lui est spécifique. La puissance des Etats-Unis peut croître hors de proportion avec leur valeur militaire, des guerres perdues ne compromettent pas l’avenir de la Russie, l’Italie s’est faite à mesure de revers nombreux, pour nous notre grandeur ou notre abaissement dépendent directement de la fortune des combats.4

Contrairement à ce qui est souvent dit, y compris en France, s’il admire le génie militaire de celui que Clausewitz appela « le dieu de la guerre » – quel soldat ne l’admire pas? –, de Gaulle éprouve de l’éloignement devant l’ambition illimitée de Napoléon. S’il y eut dans l’histoire de France une période pour laquelle il montre une discrète préférence, c’est celle du règne de Louis XIV tel qu’il le comprend. Pour lui, ce que nous appelons notre « période classique » concrétise le juste équilibre, ou la bonne proportion, entre l’affirmation de soi et la modération. Sur ce point du moins, il est d’accord avec Nietzsche, sinon avec les habitants du Palatinat. Durant toute cette époque, l’instrument militaire fut employé presque sans interruption, mais précisément comme un instrument, c’est-à-dire au service et sous la direction de l’intelligence politique. Le dessein politique du Grand Roi, à la différence de l’ambition napoléonienne, resta limité: l’expansion de la 3 4

Ibid., p. 112. « Vers l’année de métier» (1934), op. cit., p. 245–246.

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France certes, sa prépondérance si l’on veut, mais dans les limites de l’équilibre européen des puissances.5 L’estime de De Gaulle pour le caractère « concret » de la politique de l’Ancien Régime ne le conduit pas à condamner le régime fondé par la Révolution française, ni la Révolution elle-même, même si l’on trouve aisément dans ses écrits des allusions critiques à l’« abstraction » et à l’amateurisme des débuts de celle-ci. Plutôt que les ruptures idéologiques, de Gaulle préfère souligner la continuité des problèmes et la ressemblance des bonnes solutions. Plus profondément, il présuppose toujours, pour ainsi dire sous ou avant le régime politique, une chose grande et mystérieuse appelée France, et les mesures politiques et militaires qu’il recommande ne sont que des moyens pour cette fin jamais quittée des yeux: la préservation et le renforcement de la France. Par cette absolutisation de la France par-delà les changements de ses régimes politiques, de Gaulle se distingue aussi bien des patriotes de droite, aux yeux de qui « la France » résidait dans l’alliance de la monarchie et du catholicisme, que des patriotes de gauche, pour qui elle se confondait avec la République révolutionnaire. Ainsi, cet homme d’Etat, qui a été un grand législateur, le fondateur d’un nouveau régime, puisqu’il a conçu et institué la première constitution vraiment acceptée par la généralité des citoyens dans l’histoire moderne de la France, montrait une sorte d’indifférence pour le régime politique. Quel est le sens de cette apparente indifférence? Quel est le sens de cette affirmation de la France indépendamment du régime? Pour aller droit à l’essentiel: il s’agit moins d’une indifférence au régime que d’un souci constant de retenir la France sur la pente où l’entraînent les régimes successifs de la Troisième et de la Quatrième République. On a remarqué que de Gaulle employait très rarement le terme le plus courant du langage politique moderne, celui de « société ». C’est qu’il voulait empêcher, en tout cas ralentir la transformation de la nation française en « société française », changement auquel la France était plus portée peut-être que toute autre nation européenne, en raison même de ses talents séculaires pour la vie sociale et la « civilisation des mœurs ». Jouir de sa civilisation sans mémoire du passé ni souci de l’avenir, telle est la tentation spécifiquement française. D’où la double tâche que se fixa de Gaulle. Il s’agit d’une part de préserver, ou de restaurer, la place relative de la France parmi les nations d’Europe, et dans le monde en général. Dans ses propres termes, qui le firent souvent moquer, il s’agit de replacer la France à son « rang » et de faire revivre sa « grandeur ». Il s’agit d’autre part de 5

« La France et son année », op. cit., p. 359–375.

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ranimer le sens de l’intérêt général, ou du bien commun, chaque Français redevenant capable d’aimer quelque chose de plus grand que lui, la France précisément, et rompant ainsi avec les égoïsmes individuels, familiaux, corporatifs ou locaux. Pour de Gaulle, le second objectif ne peut être atteint indépendamment du premier. Ici réside précisément le contenu et le défi du « gaullisme ». Dans le contexte européen d’aujourd’hui, alors que toute forme d’affirmation nationale est traitée avec hostilité, en tout cas par le ridicule ou le mépris, parce qu’elle semble mettre en danger les institutions et les mœurs de la société libérale, et aussi pécher contre cette « religion de l’humanité » qui nous charme, il faut faire effort pour traiter avec justice le diagnostic et le projet gaulliens. Je noterai seulement ici que le souci de De Gaulle rejoignait l’anxiété de Tocqueville, le philosophe politique qui représente le libéralisme le plus vigilant et le plus impartial. On sait que pour Tocqueville, le mouvement démocratique, avec tous ses bienfaits, conduit à l’isolement croissant de chaque membre de la société, jusqu’à ce que celui-ci s’enferme « dans la solitude de son propre cœur ». On sait aussi que, pour enrayer les effets délétères de l’individualisme démocratique, Tocqueville recommande ce qu’il appelle « l’art démocratique », en particulier l’art de l’association, si développé en Amérique et si apathique en France. Mais on oublie le plus souvent qu’il recommande aussi les grandes entreprises qui ouvrent une carrière aux ambitions de la nation. C’est dans cet esprit précisément que Tocqueville fut un ardent partisan de la colonisation de l’Algérie. Dans ce contexte, je voudrais rappeler la fameuse dispute qui l’opposa à son ami John Stuart Mill, et dans laquelle il prit une position que l’on peut qualifier de « gaullienne ».6 Dans une lettre datée du 8 mars 1841, Tocqueville expliquait à un John Stuart Mill abasourdi pourquoi lui, Tocqueville, n’était pas du « parti de la paix », le parti favorable à un accommodement rapide avec l’Angleterre dans la crise relative à la Question d’Orient: Je ne pouvais approuver le langage révolutionnaire et propagandiste de la plupart des partisans de la guerre, mais abonder dans le sens de ceux qui demandaient à grands cris et à tout prix la paix, était plus périlleux encore. Ce n’est pas à vous, mon cher Mill, que j’ai besoin de dire que la plus grande maladie qui menace un peuple organisé comme le nôtre, c’est l’amollissement graduel des mœurs, l’abaissement de l’esprit, la médiocrité des goûts; c’est de ce côté que sont les grands dangers de l’avenir. Ce n’est pas à une nation démocratiquement constituée comme la nôtre et chez laquelle les vices naturels de la race ont une malheureuse coïncidence avec les vices naturels de l’état social, ce n’est pas à cette na6 Ce point est très bien étudié dans le livre remarquable de Daniel J. Mahoney, De Gaulle. Statesmanship, Grandeur and Modern Democracy, Praeger, Westport, 1996.

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tion qu’on peut laisser prendre aisément l’habitude de sacrifier ce qu’elle croit sa grandeur à son repos, les grandes affaires aux petites; ce n’est pas à une pareille nation qu’il est sain de laisser croire que sa place dans le monde est plus petite, qu’elle est déchue du rang où l’avaient mise ses pères, mais qu’il faut s’en consoler en faisant des chemins de fer et en faisant prospérer au sein de la paix, à quelque condition que cette paix soit obtenue, le bien-être de chaque particulier. Il faut que ceux qui marchent à la tête d’une pareille nation y gardent toujours une attitude fière s’ils ne veulent laisser tomber très bas le niveau des mœurs nationales.7

On objectera sans doute que ce rapprochement entre de Gaulle et Tocqueville, formellement correct peut-être, échoue à prendre en compte la différence des circonstances. Laissant même de côté la question des mérites intrinsèques d’une pensée qui envisage la guerre, ou au moins le risque de guerre, comme un moyen indispensable pour préserver ce que Hegel appelait la « santé éthique » des peuples, on dira qu’à l’époque de Tocqueville, la France occupait du moins une telle place en Europe et partant dans le monde que l’appel à la « grandeur » et le souci du « rang » avaient un caractère concret et donc un sens politique qui ne seraient plus présents un siècle plus tard. La critique la plus répandue contre le gaullisme porte sur un discours de la « grandeur » et du « rang » qui semble divorcé de la réalité: il relève donc du mythe ou, plus simplement, du mensonge. A quoi rime pour une puissance tout au plus moyenne de prétendre par ses paroles à un rôle qu’elle n’a plus depuis longtemps les moyens de tenir? Mon propos ici n’est pas de défendre ou de justifier la politique gaullienne, mais seulement de considérer certains aspects du phénomène politique aujourd’hui presque universellement négligés en Europe et sur lesquels au contraire la démarche du Général s’orientait. Soit l’acte fondateur du gaullisme, celui qui le résume et contient tout le développement ultérieur: le refus de l’armistice en juin 40. De Gaulle jugea qu’en signant l’armistice, le gouvernement du Maréchal Pétain avait commis une faute capitale. Il savait assurément qu’à ce moment là, la bataille sur le sol de France était irrémédiablement perdue. Une forme quelconque de trêve, ou même de capitulation, était nécessairement à l’ordre du jour. A ses yeux, le gouvernement aurait pu légitimement donner l’ordre aux chefs militaires de signer une telle trêve ou capitulation « locale ». Mais, au même moment, il aurait dû se rendre à Alger, « emportant le trésor de la souveraineté française, qui, depuis quatorze siècles, n’avait jamais été livré. »8 On répondra aussitôt que, de quelque façon que l’on définisse la souveraineté, la France, en juin 40, l’avait perdue, et qu’il n’était au pou7 8

Voir Tocqueville: Lettres choisies. Souvenirs, Paris, Gallimard, 2003, p. 472. De Gaulle, Mémoires de guerre, Paris, 1959, t. III, p. 249.

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voir d’aucun Français de la lui rendre. Je n’entrerai pas dans la question de savoir si la translation de la souveraineté à Alger était praticable. Je voudrais plutôt me demander ce que cela veut dire de « reconnaître la réalité politique » – dans le cas qui nous occupe, de « reconnaître la défaite ». La question, plus précisément formulée, est la suivante: dans quel espace-temps, dans quel « tout » vivons-nous et agissons-nous? Il n’est pas si aisé de déterminer le mode d’existence d’un corps politique vieux de quatorze siècles. Par exemple, il semble qu’il y ait une disproportion qui permet l’espoir entre un grand corps politique et une défaite quelle qu’elle soit et aussi complète qu’on l’imagine. Où est la « réalité » entre ces quatorze siècles de souveraineté continuée et ce moment de juin 40 où la défaite est irrémédiable? D’ailleurs, les « réalistes », ceux qui « reconnaissent la réalité de la défaite », vont se contredire immédiatement. Le gouvernement de Vichy entendait « protéger les Français des conséquences de la défaite ». Et le vieux Maréchal, imposant et émouvant fantôme d’une victoire gaspillée, était censé s’interposer entre les Français et la réalité. Parce qu’ils avaient abandonné le combat, y compris ou d’abord au sens moral du terme, les supposés réalistes de Vichy ne pouvaient plus reconnaître ce fait central de la réalité, que la guerre continuait et que donc elle n’était pas perdue. De fait la guerre durait depuis longtemps. Cette défaite, aussi humiliante qu’elle fût, devait être replacée dans son véritable contexte, celui de la longue guerre. Ainsi que de Gaulle ne cesse de le souligner, la période à considérer ne se limite pas à quelques semaines désastreuses de l’année 40, ni même aux quelques années précédentes. Le cadre pertinent, c’est celui de la « guerre de Trente Ans » dans le cours de laquelle l’Allemagne, par deux fois, risqua tout pour assurer sa domination. En tout cas, on est obligé d’admettre qu’entre 1914 et 1918, la France supporta le plus fort de la guerre entre l’Allemagne et les Alliés. Cette contribution sans égale à la victoire commune lui laissait un compte largement positif. C’était maintenant aux Anglo-Saxons, pensait de Gaulle, de jouer le rôle principal dans la nouvelle guerre, avec toute l’aide que les Français Libres pourraient leur apporter, et qui ne pouvait être que modeste. Ainsi la France serait-elle dans son bon droit lorsqu’elle entendrait se trouver, à la fin de la guerre, non seulement dans le camp des vainqueurs mais au même « rang » que les alliés anglo-américains et bien sûr russes. C’est ainsi du moins que je résumerais la pensée qui a sous-tendu l’action du Général pendant et après la guerre, et qui est explicitée avec beaucoup de force et d’ampleur dans les Mémoires de guerre. Nous sommes alors incités à nous interroger sur le « degré de réalité » d’un corps politique, « degré de réalité » que nous risquons de sous-estimer dangereusement si nous sommes obsédés par le « rapport des forces »

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considéré à un moment donné – si nous regardons la réalité dans un esprit exagérément « réaliste ». Ainsi, beaucoup de bons citoyens de l’ouest ont longtemps évalué la force et la vitalité du communisme en proportion de sa puissance militaire et de son génie policier. A la fin des années 80, ils durent reconnaître son inhumaine vacuité, et la vitalité continuée des nations européennes qu’il avait subjuguées. Il y a une profondeur de réalité dans nos vieilles nations européennes, y compris d’ailleurs la Russie, que l’on perdit aisément de vue à « l’âge des empires », pour reprendre l’expression de Raymond Aron. Moins cruellement, mais non moins dramatiquement, nous risquons de la méconnaître à l’âge de la « mondialisation » et de la « construction de l’Europe ». Telle est la conviction sur laquelle de Gaulle a fondé toute son action: quel que soit le rapport momentané des forces, lorsque la vague des empires se retire, la nation resurgit, toujours vivante, sinon intacte. Qui dira avec assurance que c’est là un mythe ou un mensonge? La perspective gaullienne nous invite aussi à ne pas confondre la nation, ou le corps politique, avec le régime démocratique, cet ensemble d’institutions, de mécanismes et de mœurs qui, aussi nécessaire et même précieux soit-il, n’exprime qu’une fraction de la substance de la nation, de la « quantité spirituelle » qu’elle constitue. C’est cette substance, cette quantité spirituelle que de Gaulle, rassemblant en sa personne l’ancien et le nouveau régime, entendait prendre en charge et représenter sur la scène mondiale. Ainsi, si, d’une part, il respecta scrupuleusement les principes de la démocratie politique, si même on peut considérer que les institutions de la Cinquième République ont représenté un progrès de la démocratie en France grâce à l’élection du Président de la République au suffrage universel, si enfin, en abandonnant le pouvoir sans y être constitutionnellement obligé, mais parce qu’il sentait que le lien entre les Français et lui était fatalement distendu, il a montré pour ses compatriotes un respect dont ils sont privés aujourd’hui, de Gaulle a d’autre part certainement considéré que sa légitimité personnelle avait une autre source que le vote des Français. Il n’imposa jamais sa volonté par la force contre la volonté des Français, mais en même temps il ne douta jamais d’avoir avec eux un « pacte » essentiellement indépendant de leur vote. Cette idée peut être rejetée comme excentrique, ridicule, ou, pire, mystique. Paradoxalement, elle attire notre attention sur le fait qu’un corps politique, une nation, est une réalité objective, qui ne se réduit pas à nos changeantes volontés électorales. Si l’homme est un animal politique, alors sa vie morale et intellectuelle dépend étroitement du corps politique dans lequel il actualise sa nature. Il subit cette dépendance et s’en nourrit, même si les institutions politiques sont ainsi conçues qu’il s’éprouve comme « libre » et même « souverain ». Il est ce qu’il doit être dans la mesure où il est vraiment un citoyen, un mem-

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bre actif de la nation. Dès lors, la fierté et l’ambition nationales, le souci du « rang » et de la « grandeur », ne sont pas des passions vicieuses, contraires à l’humilité chrétienne ou à l’égalité démocratique, mais des ressources et des ressorts indispensables pour entrer en contact avec le monde réel: c’est dans l’émulation des nations que nous nous découvrons nous-mêmes en découvrant les autres hommes. Un exemple suffira. Les Français connaissaient bien l’Allemagne, et d’abord la langue allemande, quand ils considéraient la grande nation de l’autre côté du Rhin comme leur ennemi principal. Ce savoir s’est dissipé à mesure que les deux pays se rapprochaient pour devenir alliés, partenaires et amis. Je ne regrette pas les temps cruels, ni ne veux suggérer que seule la guerre, en tout cas l’hostilité, rend la vie intéressante. Je veux dire plutôt ceci: prendre au sérieux sa tâche humaine, c’est accepter sa responsabilité pour le corps politique dont on est membre, pour cette nation singulière qui ne se confond pas avec la nation voisine ni bien sûr avec « l’humanité ». Tel est, selon moi, l’enseignement que la geste gaullienne tient en réserve pour chaque nation européenne.

Zwei Generale – eine historische Episode Albrecht Zunker „. . . die Behauptung ‚So war das damals!‘ ist jederzeit eine sehr kühne Behauptung. Jedes Ding auf der Welt hat viele Facetten. Jede Lage auf der Welt hat viele Aspekte. Immerhin – versuchen wir es!“1

Die hier versuchte Nachzeichnung einer historischen Episode in den deutsch-französischen Beziehungen versetzt den Leser in die späten 50er und frühen 60er Jahre. Sie ist in ihrer Grundlinie und ihrem Ergebnis in der Literatur durchaus bekannt: General Charles de Gaulle, seit Juni 1958 erneut Ministerpräsident der moribunden IV. Republik und ab Januar 1959 Staatspräsident der V. Republik, wusste natürlich nicht zuletzt durch den mit Bekanntgabe der Nominierung verbundenen Pressewirbel2 schon vor seiner Amtsübernahme, dass ab April 1957, also noch bevor überhaupt ein deutscher Verband der NATO assigniert war,3 im NATO-Hauptquartier in Fon1 Bamm, Peter, Tränen in Woronzowka, in: Max Horst (Hrsg.), Soldatentum und Kultur, Festschrift zum siebzigsten Geburtstag von Hans Speidel, Berlin 1967, S. 81. 2 Nachweise in: Möller, Hans, Hildebrand, Klaus (Hrsg.), Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich: Dokumente 1949–1963, Bd. 3: Parteien, Öffentlichkeit, Kultur (bearbeitet von Herbert Elzer) München 1997, S. 970, Anm. 6; dort auch der Auszug aus einem Artikel in „L’Express“, 1.3.1957, unter dem Titel „Speidel, général fantôme“ (Dok. Nr. 364). Speidel selbst schreibt in seinen Erinnerungen „Aus unserer Zeit“ (Berlin, Frankfurt/M., Wien 1977): „Nach der Bekanntgabe meiner Ernennung . . . setzte eine von der Sowjetunion und der Ostzone gesteuerte Pressekampagne gegen mich ein. Vor allem die kommunistische Presse war voll von Beschimpfungen und Fälschungen. An Mauern Fontainebleaus war zu lesen: ‚Speidel à la laterne!‘“ (S. 359). Ulrich Lappenküper scheint sich nur auf die Regierungsebene zu beziehen, wenn er schreibt: „Im Januar 1957, als dessen Ernennung bekannt gegeben worden war, hatte sie in Frankreich zu keinerlei Beanstandungen geführt, was in Bonn als Beweis für die bemerkenswerte Entwicklung des beiderseitigen Verhältnisses gewertet wurde“ (Die deutsch-französischen Beziehungen 1949–1963. Von der „Erbfeindschaft“ zur „Entente élémentaire“, Bd. II: 1958–1963, München 2001, S. 1221). In Großbritannien „could there be heard the suppressed sound of tight-throat swallowing“, ob der Ernennung Speidels (A German in Command, Time, 4.2.1957). 3 Die ersten drei deutschen Heeresdivisionen wurden am 1. Juli 1957 der NATO unterstellt.

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tainebleau der deutsche Wehrmachts- und nun Bundeswehrgeneral Dr. Hans Speidel als Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa (COMLANDCENT) residiert. Kaum im Amt des Ministerpräsidenten und schon bei seiner ersten Begegnung mit Bundeskanzler Adenauer, erhob de Gaulle Einwendungen gegen den deutschen General und versuchte dann beständig, seine Abberufung zu erreichen. Letztlich – im Sommer 1963 – mit Erfolg: General Speidel, dem als erstem Deutschen nach dem begonnenen Aufbau der Bundeswehr ein hohes NATO-Kommando übertragen worden war, musste dieses durchaus erfolgreich geführte Amt sieben Monate vor seiner für Ende März 1964 vorgesehenen Pensionierung am 1. September 19634 aufgeben. Der Speidel seit seiner Kommandierung von 1933 bis 1935 zum deutschen Militärattaché in Paris bekannte und befreundete, inzwischen zum französischen Luftwaffengeneral avancierte Paul Stehlin schreibt in seinem Beitrag zur Festschrift zum siebzigsten Geburtstag von Hans Speidel, er habe die Gründe der Ablehnung/Zurückweisung de Gaulles gegenüber Speidel nie wirklich verstanden.5 Und der englische Premier Harold Macmillan, der de Gaulle bereits aus dem Zweiten Weltkrieg gut kannte, stellt in seinen Erinnerungen fest – nachdem er dessen „exquisite Manieren“ und „die bemerkenswerte Macht seines Charmes“ gerühmt hat: „De Gaulle gehörte zu jenen Menschen, die niemals aus Versehen verletzen.“6 Dass ein Versehen auszuschließen ist, ist sicher. Aber worin war die Zurückweisung Speidels durch de Gaulle begründet? Hans Rothfels sieht den entscheidenden Grund darin, dass Speidel ganz im Gegensatz zu de Gaulle „einer der vornehmlichsten Befürworter der Integration“ gewesen sei. Er lässt aber – dunkel bleibend – offen: „Was noch an anderen Unterströmungen und Erinnerungen mitgewirkt haben mag . . .“.7 War es wirklich Speidels Eintreten für die militärische Integration und eine neue Strategie der 4 Speidel gab das Kommando am 1. September 1963 ab, nicht, wie häufiger in der Literatur vermerkt, am 30. September. Daran schloss sich allerdings ein vierwöchiger „Auslandsaufenthalt“ an, der es Speidel erlaubte, protokollarischen Verpflichtungen und Abschiedsbesuchen bei den Mitgliedsstaaten nachzukommen (Mitteilg. aus dem Bundesarchiv/Militärarchiv v. 30.8.2007 an den Verf.). 5 Stehlin, Paul, Témoignage pour l’histoire, in: Horst, Max (Hrsg.), Anm. 1, S. 51. Speidel begegnete ihm 1955 bei einem Besuch der Standing Group der NATO in Washington wieder; dort lernte er auch seinen späteren Vorgesetzten General Jean-Etienne Valluy kennen. – Stehlin war nach seiner Militärzeit (1963) bis 1974 Vizepräsident der Franz. Nationalversammlung. Er musste zurücktreten, als er erklärte, die Mirage sei den amerikan. Konkurrenten unterlegen. Es stellte sich dann heraus (Juni 1975), dass er Zuwendungen des amerikan. Flugzeugbauers Northrop erhalten hatte; s. Grosser, Alfred, Das Bündnis. Die westeuropäischen Länder und die USA seit dem Krieg, München/Wien 1978, S. 403 f. 6 Macmillan, Harold, Erinnerungen, Frankfurt/M., Berlin 1972, S. 417.

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„Vorwärtsverteidigung“ der NATO? Oder war es vielmehr – wie Hans-Peter Schwarz meint8 – de Gaulle ein „zuviel an Kontinuität“, „dass nur dreizehn Jahre nach der Befreiung Frankreichs der ehemalige Stabschef der Heeresgruppe B (Rommel – A. Z.) auf französischem Boden kommandiert und groß Hof hält“? Dieser Auffassung – er spricht von „pompösem Auftreten“, oft begleitet von „Eskorte, Fahnen, Ehrenzügen und Musikkapellen“,9 gleichzeitig Teil seines Erfolges – neigt auch Gerd Schmückle zu. Den damaligen Verteidigungsminister Strauß zitierend, fügt er an, dass Speidel verdränge, dass er – gleich nach dem Einmarsch deutscher Truppen – Hitler Paris gezeigt habe: „So etwas vergessen Franzosen nie!“10 Darüber hinaus hege de Gaulle möglicherweise den auf völlig unbewiesener Behauptung einer Verwandten beruhenden Verdacht, Speidel sei Mitwisser, möglicherweise Mittäter von Verschleppungen französischer Juden gewesen.11 Hatte ihn seine Vergangenheit als Chef des Militärstabs beim Militärbefehlshaber in Frankreich, eine Position, die er bis zum Frühjahr 1942 innehatte, eingeholt? Wilhelm Grewe, seinerzeit deutscher NATO-Botschafter, dagegen war überzeugt, Stein des Anstoßes sei Speidels Buch, ein Bestseller, aus dem Jahre 1949 „Invasion 1944. Rommel und des Reiches Schicksal“.12 Lässt sich das Feld der Vermutungen eingrenzen oder kam alles zusammen? I. Der Weg: Vom Hotel Majestic zum Schloss von Fontainebleau In einem Schreiben vom 16. Juli 1962 an Staatssekretär Carstens im Auswärtigen Amt13 hebt Speidel hervor: „Die französische Regierung hat im Herbst 1951 nach eingehender Prüfung ihr agreement zu meiner Ernennung als militärischer Chefdelegierter bei den Verhandlungen zur Bildung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft gegeben.“14 Es ist sehr verständ7 Rothfels, Hans, Der Lebensweg eines deutschen Generals, in: Bereitbleiben zur Tat. Zum siebzigsten Geburtstag von General a. D. Dr. Hans Speidel, Köln 1967, S. 19. 8 Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann: 1952–1967, Stuttgart 1991, S. 244. 9 Schmückle, Gerd, Ohne Pauken und Trompeten. Erinnerungen an Krieg und Frieden, Stuttgart 1982, S. 251, 133. 10 ebd., S. 175. 11 ebd., S. 251. 12 Grewe, Wilhelm G., Rückblenden: 1976–1951, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1979, S. 590. So auch Tönsgerlemann, Markus, General Prof. Dr. Hans Speidel (28.10.1897–28.11.1984), In: Mars – Jahrbuch für Wehrpolitik und Militärwesen, Jg. 1, 1995, S. 93. 13 Prof. Dr. Karl Carstens war von Ende Juli 1960 bis Ende 1966 Staatssekretär im bzw. des Auswärtigen Amts.

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lich, dass die französische Regierung zögerte, den Generalleutnant a. D. als Verhandler zu akzeptieren. Schließlich war Speidel an der Besetzung Frankreichs, die im Mai 1940 begann, beteiligt, wurde bald und bis Mitte März 1942 Chef des Stabes beim Militärbefehlshaber Frankreich, dessen Dienststelle recht feudal im Hotel Majestic in Paris untergebracht war. Speidel wurde dann für zwei Jahre an die Ostfront kommandiert, um Mitte April 1944 als Chef des Generalstabs der Heeresgruppe B mit Gefechtsstand im Schloss von La Roche-Guyon zurückzukehren. Bis zu seiner schweren Verletzung am 17. Juli stand die Heeresgruppe unter dem Befehl des Feldmarschalls Rommel. Nur sieben Wochen nach der Rückkehr Speidels, am 6. Juni 1944, begann die Rückeroberung Frankreichs durch die Alliierten. Als Speidel, der zweifellos von der Verschwörung des 20. Juli wusste und Verbindungen knüpfend beteiligt war, aber nicht zum inneren Kreis gehörte,15 am 7. September in der Folge der Ereignisse des 20. Juli verhaftet wurde, war Paris nach der Durchbrechung des deutschen Sperrgürtels schon seit dem 25. August nahezu kampflos, da zur offenen Stadt erklärt, von deutschen Truppen geräumt und die Alliierten hatten fast die Mosel erreicht und standen im Norden östlich von Brüssel.16 14 Nachlass Karl Carstens, BArch N 1337/588. – Carstens notiert handschriftlich neben diesem Satz „Deportation“ und setzt am Ende der ersten Seite hinzu: „Hat B.(otschafter – A. Z.) Blankenhorn etwas unternommen?“ Er verfügt Vorlage des Briefes an Außenminister Schröder, der ihn am 30.7. abzeichnet, und Wiedervorlage am 4. September. – 1951 war der Sozialist Vincent Auriol franz. Staatspräsident, „eine der Schlüsselfiguren des antideutschen Lagers in Paris“, Ministerpräsident René Pleven. Unter Leitung Theodor Blanks hatte Speidel zusammen mit General Heusinger und Oberst Graf von Kielmansegg vom Januar bis Juni 1951 die Petersberg-Verhandlungen über einen deutschen Verteidigungsbeitrag geführt. Die PlevenPlan-Verhandlungen – beginnend im Februar 1951 –, die dann in die Verhandlungen zu einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) übergingen, bei denen Speidel ab Oktober 1951 als militärischer Chefdelegierter fungierte, dauerten bis Ende September 1954. Die Ratifizierung des EVG-Vertrags scheiterte im August 1954 in der franz. Nationalversammlung. Von Oktober 1954 bis Ende Juli 1955 war Speidel mil. Vertreter bei den Verhandlungen über den deutschen Beitritt in die Atlantikpaktorganisation und ab Mai 1955 deutscher Vertreter bei den hohen Kommandobehörden der NATO. Im November 1955 wurde er in die Bundeswehr übernommen und leitete bis zu seiner Übernahme des NATO-Kommandos die Abteilung „Gesamtverteidigung“ im Bundesverteidigungsministerium. 15 Vgl. u. a. Krautkrämer, Elmar, Generalleutnant Dr. phil. Hans Speidel, in: Ueberschär, Gerd R. (Hrsg.), Hitlers militärische Elite, Bd. 2: Vom Kriegsbeginn bis zum Weltkriegsende, Darmstadt 1998, S. 250. – Bei Gerd Schmückle, Ohne Pauken und Trompeten, S. 175, der Speidel aus dem Ostkrieg kannte, heißt es: „Hitler hat er verachtet. Er lehnte ihn ab, mehr als die meisten Wehrmachtsgenerale. Ich habe es selbst (im Krieg – A. Z.) erlebt.“ 16 Eine minutiöse Nachzeichnung bei Ludewig, Joachim, Der deutsche Rückzug aus Frankreich 1944, Freiburg 1994 (Einzelschriften zur Militärgeschichte Bd. 39, hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt).

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Dass nur sieben Jahre später die französische Regierung eine „eingehende Prüfung“ vornahm, ob wegen Speidels Wirken als hoher Militär in Frankreich seiner Delegationsbeteiligung zu widersprechen war, ist nicht verwunderlich.17 Dass diese Prüfung letztlich für Speidel positiv ausging, war dem Druck Bonns zu danken: Entweder Paris akzeptiere die Benennung Speidels oder es gäbe keine deutsche Delegation.18 Weitere vier Jahre später, im Oktober 1954, die deutsche NATO-Mitgliedschaft und ein Jahr später der Beginn des Aufbaus der Bundeswehr mit den Generalleutnanten Heusinger und Speidel an der Spitze. In Speidels Brief an Staatssekretär Carstens heißt es: „Sodann hat die französische Regierung im Winter 1956/57 meine Berufung zum Oberbefehlshaber der verbündeten Landstreitkräfte Europa-Mitte gewünscht, als diese Stelle einem Deutschen übertragen werden sollte.“19 Das mag so gewesen sein. Vielleicht hat sie auch nur nicht widersprochen. Jedenfalls war diese Position zuvor zweimal mit einem französischen General20 besetzt gewesen. Aber Frankreich stellte ja bereits den CINCENT (Commander in Chief Allied Forces Central Europe), musste zuvor der NATO unterstellte bzw. assig17 Armand Bérard, 1949 bis 1953 stv. Hochkommissar in Bonn, erklärte am 26.2.1951 gegenüber Staatssekretär Lenz, Bundeskanzleramt: „Von Speidel sprach er sehr anerkennend, er erklärte aber, es sei unmöglich, ihn offiziell nach Paris als Mitglied der deutschen Delegation kommen zu lassen“ (Lenz, Otto, Im Zentrum der Macht: Das Tagebuch von Staatssekretär Lenz 1951–1953, hrsg. von Klaus Gotto, Hans-Otto Kleinmann und Reinhard Schreiner, Düsseldorf 1989, S. 44). Wenige Tage später, unter dem 1.3.1951, notiert Lenz als Gegenstand einer Besprechung zum Stand der EVG-Verhandlungen bei Bundeskanzler Adenauer mit den Generalen Heusinger und Speidel: „ Es wurde vor allem die Frage behandelt, dass die Franzosen zu verhindern suchten, einen militärischen Vertreter Deutschlands in dem europäischen Generalstab zuzulassen. Es wurden Wege besprochen, auf denen das erreicht werden könne“ (S. 49 f.). 18 Bonn rief den seit Februar 1951 an den Verhandlungen teilnehmenden Verbindungsstab um Ulrich de Maizière zurück, verschob die auf den 12. September vorgesehene Abreise der deutschen EVG-Delegation unter Leitung von Theodor Blank nach Paris, zu der Speidel als militärischer Chefdelegierter gehören sollte, auf den 1. Oktober, nachdem die am Verhandlungserfolg sehr interessierte französische Regierung nachgegeben hatte und Speidel akzeptierte. Vgl. Baring, Arnulf, Im Anfang war Adenauer. Die Entstehung der Kanzlerdemokratie, 3. Aufl., München 1984, S. 189 f. Nach Wettig, Gerhard, Entmilitarisierung und Wiederbewaffnung in Deutschland 1943–1955, München 1967, S. 450, bezog sich der franz. Einwand auf alle deutschen Offiziere, da sie „die aktuellen militärischen Erfordernisse nicht beurteilen könnten.“ Dagegen spricht u. a., dass es gegen die deutschen Offiziere im Verbindungsstab keinen Einwand gegeben hatte. Zutreffend die Feststellung Barings: „in Wahrheit (ging es) nur um die Person Speidels.“ (S. 190, Anm. 35). 19 Brief Speidel an Carstens, S. 2 (Hervorhebung A. Z.). Dass die sozialistische franz. Regierung unter Guy Mollet mit der Berufung eines Deutschen einverstanden war, steht fest. Nicht nachweisbar ist aber, dass sie ausdrücklich die Berufung Speidels wünschte.

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nierte Verbände für den Einsatz in Nordafrika abziehen und konnte so den Anspruch, auch den COMLANDCENT zu stellen, nicht länger aufrechterhalten. Ob die französische Regierung wünschte oder nur nicht widersprach: Es waren jedenfalls zwei NATO-Generäle, der Stabschef des Alliierten Oberbefehlshabers Europa und der französische CINCENT, General Valluy, die den deutschen Verteidigungsminister Strauß aufsuchten und ihn – ohne durch die NATO-Regularien dazu berechtigt zu sein – bedrängten, nicht General Heusinger, sondern Speidel zu ernennen. Valluy erklärte: „Entweder General Speidel erhält den Posten oder überhaupt kein Deutscher!“ Da Strauß einem Streit um die erste Besetzung einer Befehlshaberposition mit einem Deutschen ausweichen wollte, gab er nach.21 Im Protokoll der 168. Sitzung des Bundeskabinetts am 23. Januar 1957 heißt es: „Der Bundesminister der Verteidigung berichtet, dass der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa, General Norstad, der Bundesregierung angeboten habe, schon jetzt einen qualifizierten General zur baldigen Verwendung als Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte im Europakommando der alliierten Streitkräfte Europa Mitte zu benennen. Nach eingehender Erörterung beschließt das Kabinett, Generalleutnant Dr. Speidel für diese Aufgabe namhaft zu machen.“22 Ob bei der eingehenden Erörterung die Frage der „Zumutbarkeit“ Speidels insbesondere für die französischen Verbündeten eine Rolle gespielt hat, lässt sich nicht belegen, nur vermuten. Bekannt ist, dass sich Strauß zunächst für Heusinger ausgesprochen hat, der während des Zweiten Weltkrieges ja nie an der Westfront eingesetzt war.23 Andererseits sprachen für Speidel sein mit Intelligenz und Repräsentationsfreude verbundenes politisch-diplomatisches Geschick und das von ihm gepflegte Beziehungsnetz insbesondere nach Frankreich und zur NATO-Generalität. Wenige Tage nach der Kabinettssitzung ließ die Bundesregierung General Norstad wissen, dass sie Generallt. Speidel – bald Vier-Sterne-General – benenne, was wenige Tage nach der Kabinettssitzung im „Bulletin“, dann vom Supreme Headquarter Allied Powers Europe (SHAPE) am 6. Februar 20

Der erste Amtsinhaber war der Brite Bernard Montgomery, ihm folgten die Generale de Lattre de Tassigny, dann Carpentier. – Hans Rothfels (S. 18) irrt: Das Kommando wurde nicht neu geschaffen. 21 Schmückle, Ohne Pauken und Trompeten, S. 141. 22 Kabinettsprotokolle unter: www.bundesarchiv.de/Kabinettsprotokolle/web/index/ jsp. 23 „Er befürchtete, Speidels Kriegstätigkeit in Frankreich könnte Spuren hinterlassen haben, die besser verwischt blieben. Nicht dass er glaubte, Speidel habe gefehlt. Wohl aber konnten geschickte Drahtzieher ihm Handllungen unterschieben, die nicht er, sondern andere veranlaßt hatten.“ So Schmückle, Ohne Pauken und Trompeten, S. 140.

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öffentlich gemacht wird. Daraufhin folgte die erwähnte, bald wieder abflauende Pressekampagne24, insbesondere von Seiten der KPF, von Gaullisten und Verbänden der Résistance. II. „Invasion 1944“: Unvergessene Unverschämtheit? Speidel trat sein neues Amt im Schloss von Fontainebleau, privat im ehemaligen Jagdhaus der Familie Murat residierend, am 3. April an – also zu einer Zeit, da Frankreich in den Algerien-Krieg verwickelt war und die Vierte Republik auf ihr Ende zusteuerte. Hinter Speidel aber drohte, „überlebensgroß, ein Schatten: General de Gaulle wartete nur noch auf die Macht, um Speidels habhaft werden zu können“25. Vierzehn Monate später, am 1. Juni 1958, wird er erneut Ministerpräsident, dann – nach der zur V. Republik führenden Verfassungsänderung – Staatspräsident. Schon zwei Monate vor der ersten von Adenauer mit Zögern und Sorge entgegengesehenen Begegnung mit de Gaulle wusste der Bundeskanzler, dass der Präsident gegen den deutschen NATO-General Einwendungen vorzubringen hatte. Er hatte am 17. Juli den Präfekten Maurice Picard, einen Vertrauten de Gaulles, empfangen. Am nachfolgenden Tag äußerte er in kleinem Kreis – nach Tagebuch des NATO-Botschafters Blankenhorn – : „Was ihm besondere Sorge mache, seien gewisse Mitteilungen Picards hinsichtlich General Speidels. Die Sprache sei auf Speidel gekommen, und er, der Bundeskanzler, habe Picard von den Mitteilungen Speidels an mich (Blankenhorn) in Kenntnis gesetzt.“26 Diese Mitteilungen dürften sich vermutlich auf die gegenüber Speidels Vorgesetztem, General Valluy, geäußerte Kritik de Gaulles an Speidels Buch bezogen haben, worüber Speidel offenbar Blankenhorn berichtet hat. Picard aber führte einen anderen, noch 24 Der deutsche Botschafter von Maltzan berichtet am 5.3.1958 – also 11 Monate nach Dienstantritt Speidels in Fontainebleau – nach Bonn, „daß es der kommunistischen Partei Frankreichs und Kreisen der ehemaligen Résistance nicht gelungen ist, aus der Affaire Speidel wirklich ein die französische Öffentlichkeit bewegendes Politikum zu machen, so daß den Drahtziehern schließlich der Atem ausging und die ganze Angelegenheit heute praktisch im Sande verlaufen ist.“ (Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich: Dokumente 1949–1963, hrsg. von Horst Möller und Klaus Hildebrand, Bd. 1: Außenpolitik und Diplomatie, bearb. von Ulrich Lappenküper, Dok. Nr. 172, S. 570); vgl. auch Béthouart, General A., Der Beginn einer neuen Ära, in: Bereithalten zur Tat. Zum siebzigsten Geburtstag von General a. D. Dr. Hans Speidel, Köln 1967, S. 47 ff., und Speidel, Aus unserer Zeit, S. 359–361. 25 Schmückle, Ohne Pauken und Trompeten, S. 143. 26 Botschafter Blankenhorn, Tagebuchaufzeichnung, 18.7.1958 (Auszug), in: Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich: Dokumente 1949–1963, hrsg. von Horst Möller und Klaus Hildebrand, Band 1: Außenpolitik und Diplomatie, bearb. von Ulrich Lappenküper, Nr. 226, S. 708.

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anzuführenden Grund an. Jedenfalls: Bei der ersten Begegnung Adenauers mit de Gaulle, am 14./15. September 1958 in Colombey-les-deux-Eglises, erhebt der Präsident Einwände gegen Speidel. Nicht gegen seine Amtsführung. Er begründet sie mit seiner Kritik an Speidels 1949 erschienenem, mehrfach aufgelegtem und übersetztem Buch „Invasion 1944 – Ein Beitrag zu Rommels und des Reiches Schicksal“. Dem bereits zitierten Brief Speidels an Staatssekretär Carstens vom Juli 1962 ist ein von ihm nicht datierter Vermerk von knapp drei Seiten beigefügt: „Einwände des Generals de Gaulle gegen mein Buch. . .“. Er beginnt mit dem Satz: „Bundeskanzler Dr. Adenauer und Général d’Armée J. E. Valluy27 übermittelten – im Wesentlichen übereinstimmend – nachstehende Punkte, die General de Gaulle 1958 ihnen gegenüber vorgebracht hatte.“ Nach der dort zitierten Feststellung de Gaulles, schon der Titel sei eine „Unverschämtheit“: nur Deutsche machten Invasionen,28 aber nicht die Alliierten, folgen sechs weitere Punkte. Zunächst moniert de Gaulle, dass Speidel die alliierte Forderung nach bedingungsloser Kapitulation als „ein gerade für Soldaten psychologisch schwer zu bewertendes Hindernis“29 wertet und – einer der Hauptkritikpunkte – die von Speidel als quantité négligable behandelte Résistance30, der de Gaulle selbst in seinen Memoiren31 einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenbruch der deutschen Streitkräfte zuschrieb. Dann fehlt de Gaulle die Erwähnung der Leistung der nach Speidel nicht entscheidenden Beteiligung der 2. Panzerdivision LECLERC nach dem alliierten Durchbruch von Avranches32 und von Speidel sei „der Ruhm der Eroberung von Paris durch diese Division und die 27 General Jean-Étienne Valluy war als Commander in Chief Allied Forces Central Europe (CINCENT) Speidels Vorgesetzter und trat wie dieser für das strategisch-operative Konzept der Vorwärtsverteidigung ein. Im Mai 1960 wurde er von General Maurice Challe abgelöst, der nach einem Jahr ausschied, um aktiv für „l’Algerie française“ und gegen de Gaulle zu kämpfen. Der Putsch scheiterte. Ihm folgte als CINCENT General Jaquot. 28 Ob auch Hans Rothfels (Der Lebensweg eines deutschen Generals, S. 13) den Begriff, den er bei der ersten Nennung in Anführungszeichen setzt, nicht treffend fand, muss offenbleiben: „Die Heeresgruppe . . . Rommel. Ihre Aufgabe war die Abwehr der „Invasion“ . . .“. 29 Invasion 1944, S. 31: „Diese Entscheidung (Gehorsamsverweigerung und die Vorbereitung eines Staatsstreiches) wäre unseren besten Männern leichter gefallen, wenn nicht die in Casablanca beschlossene Forderung der bedingungslosen Kapitulation, des unconditional surrender ein gerade für Soldaten psychologisch schwer zu bewertendes Hindernis aufgestellt hätte.“ 30 Ebd, S. 37: „Diese Widerstandsbewegung, deren Aktivität seit dem Winter 1943/44 zugenommen hatte, spielte in Frankreich nördlich der Loire nur eine geringe Rolle. Sabotageakte größeren Umfanges hatten bis Frühjahr 1944 nirgends stattgefunden.“ 31 Bd. 3: 1942–1946, Düsseldorf 1961.

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Résistance zu wenig hervorgehoben“33. Schließlich erwähne Speidel in seiner das Buch abschließenden „Betrachtung zur Schlacht in der Normandie“ de Gaulle in seiner Bedeutung für die Schlacht und die Kriegsentscheidung nicht. Dem offenbar von Adenauer übermittelten Verlangen de Gaulles, den Text entsprechend zu korrigieren, weigert sich Speidel zu folgen. III. Demonstrative Kampfansagen Während Speidel gegenüber Carstens hervorhebt: „Präsident Coty hat mich wiederholt empfangen und mit meiner Frau eingeladen“34, ist ihm eine solche Ehrung durch de Gaulle nie widerfahren. Ganz im Gegenteil: Bei den wenigen Begegnungen schnitt der französische General den deutschen. Beim Begrüßungszeremoniell anlässlich des Staatsbesuchs von Bundespräsident Lübke (20./23.6.1961) in Frankreich, begrüßte der Staatspräsident den deutschen General immerhin noch mit Handschlag, aber „mit steinernem Gesicht“ und „wortlos“.35 Bei den weiteren Begegnungen, wie bei dem glanzvollen Staatsbesuch Adenauers in Frankreich Anfang Juli 1962, entfiel bei der Begrüßung, zu der der Staatspräsident samt Kabinett nach Orly geeilt war, nun auch noch der Handschlag.36 Dies wiederholte sich beim Abschiedsempfang des Präsidenten für die deutsche Delegation im Beisein französischer Honoratioren nach Unterzeichnung des Elysée-Vertrags (22. Jan. 1963). Wilhelm Grewe, seinerzeit deutscher NATO-Botschafter, schildert die Situation: „Die deutschen Gäste, aufgereiht in einem Glied, wurden einzeln dem vorbeischreitenden Präsidenten vorgestellt. Als er zu Speidel kam, würdigte er ihn keines Blickes, verlor kein Wort, gab er ihm nicht die Hand und ging weiter zum Nächsten. Mir stockte das Blut in den Adern angesichts dieses Benehmens gegenüber einem immerhin geladenen Gast.“37 Adenauer, von Speidel um eine Erklärung gebeten, wich aus.38 Der 32 Invasion 1944, S. 151; Speidel nennt hier nur die Armee Patton, aber nicht die ihr zugeordnete Division Leclerc. 33 Die Division LECLERC marschierte in die „offene Stadt“ Paris ein. Der Führerbefehl zur Verteidigung und Zerstörung von Paris wurde nicht befolgt. 34 Réne Coty war in der IV. Republik von 1954 bis zu ihrem Ende Staatspräsident. 35 Speidel, Aus unserer Zeit, S. 395. 36 Lappenküper, Die deutsch-französischen Beziehungen 1949–1963, Bd. II, S. 1726 f.; Schmückle, Ohne Pauken und Trompeten, S. 251 f.: „Die Brüskierung war für Speidel verheerend. . . . In die Inszenierung dieser feierlichen Begrüßung fügte sich der Zwischenfall vorzüglich ein. Die Dramaturgie: dem ehemaligen Besatzungsgeneral eine kantige Abfuhr erteilen, dem Kanzler des neuen Deutschland den Freundesgruß Frankreichs entbieten.“ 37 Grewe, Wilhelm G., Rückblenden: 1976–1951, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1979, S. 590.

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für diese zweimalige Steigerung nach dem Lübke-Besuch 1961 zum Eklat zu vermutende Grund: Zur Verärgerung de Gaulles hatte die Bundesregierung die Dienstzeit Speidels um weitere zwei Jahre bis zum 31. März 1964 verlängert.39 Und nun drängte er „kaltentschlossen“40 immer erneut auf eine Abberufung Speidels. Und das wegen eines vor zwölf Jahren erschienenen Buches? Das ist Grewes Erklärung: „Was sich hier entlud, war . . . ein tiefes Ressentiment“ de Gaulles gegen Speidel, der den „französischen Anteil an der Befreiung Frankreichs in seinem Buche über die Invasion . . . wohl nicht hinreichend gewürdigt hatte.“41 Einen „Anti-NATO-Affekt“ schließt Grewe aus: Der Präsident habe ihn selbst – von dem er wusste, dass er sich in seiner Washingtoner Zeit „mit Kennedy angelegt und in der Berlin-Frage eine harte Haltung vertreten hatte“ – bei diesem Abschiedsempfang zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. „Der französische Botschafter Sedoux war sprachlos: Ein NATO-Botschafter beim Präsidenten – das hatte es noch nie gegeben.“ Das Gespräch kam allerdings nicht zustande.42 IV. NATO-Strategie: Gegenspieler Speidel selbst gewichtet das anders: Der wichtigere Grund liege in der entschiedenen Ablehnung de Gaulles der militärischen Integration der NATO und der von Speidel und General Valluy – und an anderem Ort General Heusinger – nachdrücklich vertretenen Position einer Veränderung der NATO-Strategie zur „Vorwärtsverteidigung“ an der Westgrenze des Warschauer Pakts. Darin wurde de Gaulle „zum größten Widersacher“. „Speidel fühlte sich durch die geradezu feindliche Haltung de Gaulles persönlich getroffen, aber noch mehr sah er seine Aufgabe gefährdet.“43 So viel ist richtig: Ging es um die militärische Integration im Rahmen der NATO, unter38

Speidel, Aus unserer Zeit, S. 403. – Er fährt fort: „Nur von Staatssekretär Dr. Carstens hörte ich, daß de Gaulle Einwände gegen mein Buch „Invasion“ erhoben habe, Einwände, die er vor Jahren auch schon General Valluy gegenüber geäußert hatte.“ – Diese 15 Jahre später geschriebene Darstellung weicht in zwei Punkten von Speidels Brief an Carstens aus 1962 ab: Danach hat de Gaulle bereits 1958 auch gegenüber Adenauer seine Kritik an Speidels Buch geäußert und Carstens hatte als weiteren Vorwurf de Gaulles die Deportationen während der deutschen Besetzung Frankreichs genannt. 39 Speidel hatte im Oktober 1962 sein 65. Lebensjahr vollendet. Heusinger war ihm darin bereits im August 1962 vorangegangen. 40 Schwarz, Adenauer, S. 244. 41 Ebd. 42 Ebd., S. 590 f. 43 Gablik, Axel F., Strategische Planungen in der Bundesrepublik Deutschland 1955–1967: Politische Kontrolle oder militärische Notwendigkeit? (Internationale Politik und Sicherheit, Bd.30/5) Baden-Baden 1996, S. 156, 157.

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schied de Gaulle nicht zwischen Person und Amt. Sein Regimentskamerad aus dem Ersten Weltkrieg, der Vorgesetzte Speidels, General Jean-Etienne Valluy, Europäer und NATO-Befürworter44, wurde zu einem Vortrag beim Präsidenten ohne Handschlag begrüßt und, ohne vom Schreibtisch aufzustehen, mit den Worten: „Vous nêtes plus un général français – allez y“45 verabschiedet und während seines NATO-Amtes nie wieder zum Präsidenten gebeten. De Gaulle sorgte nach seiner Amtsübernahme auch dafür, dass die NATO-Generalität zu dem nach den Paraden am 14. Juli üblichen Empfang nicht mehr eingeladen wurde.46 Bei der Adenauers Staatsbesuch im Juli 1962 abschließenden deutsch-französischen Parade in Mourmelon wird, um den General nicht zu provozieren, keine NATO-Flagge aufgezogen und auch kein einziger NATO-Befehlshaber eingeladen. Dass französische Truppen dem Befehl eines deutschen Generals – ausgerechnet Speidel – unterstellt waren, scheint de Gaulle von Beginn der Amtsführung des deutschen Generals als unerträgliche Zumutung empfunden zu haben. Dieses ist auch – nach dem Bericht Blankenhorns – der Adenauer vom Präfekten Picard im Juli 1958 genannte Grund: „Picard habe . . . erklärt, dass es völlig falsch sei, anzunehmen, dass General de Gaulle lediglich (sic!) auf eine Entfernung General Speidels aus seiner gegenwärtigen Position Wert lege. Es sei vielmehr so, dass de Gaulle der Auffassung sei, eine Unterstellung französischer Truppen unter deutschen Oberbefehl komme einfach nicht in Frage. Er, der Kanzler, habe Herrn Picard gesagt, dass er für diese Auffassung – 13 Jahre nach Kriegsende – keinerlei Verständnis habe. Er sehe hierin eine ernste Gefährdung nicht nur der atlantischen Allianz, sondern auch des deutsch-französischen Verhältnisses; denn nach so langer Zeit müsse es doch möglich sein, zu einer engen militärischen Zusammenarbeit zu kommen, da man sonst Gefahr laufe, alles in Europa bisher Erreichte wieder in Frage zu stellen.“47 44 Valluy machte keinen Hehl aus seiner Kritik an der desintegrativen NATOPolitik de Gaulles, worauf dieser Ministerpräsident Debre aufforderte, Maßnahmen zu ergreifen, „pour sanctionner cette attitude“; s. Lappenküper, Die deutsch-französischen Beziehungen 1949–1963, Bd. II, S. 1639 f. „Valluy ist einer jener französischen Generale, die in der NATO die beste und modernste Organisationsform zur Verteidigung Frankreichs erkennen. Eben deshalb hasst ihn de Gaulle.“ (Schwarz, Adenauer, S. 581) Als 18 Monate nach seiner Versetzung aus der NATO Valluy mit dem Großkreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet wurde, lehnte de Gaulle die Teilnahme der drei NATO-Befehlshaber (Land-, Luft-, Marinestreitkräfte Europa Mitte) ab: „. . . wir hätten bei einer nationalen Zeremonie nichts zu suchen“; s. Speidel, Aus unserer Zeit, S. 397. 45 Zit. nach Speidel, Aus unserer Zeit, S. 373. 46 Zuletzt 1958, ebd., S. 379. Dieser Empfang war die einzige Gelegenheit, bei der die Mitglieder des NATO-Rats, vertreten durch ihre Botschafter, aber nicht die NATO-Generalität eingeladen wurden; Grewe, Rückblenden, S. 592.

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V. Doch im Zentrum: Wider den Besatzungsgeneral? Die Dienstzeitverlängerung Speidels im Frühjahr 1962 um zwei Jahre wertete der Präsident sicher als eine Provokation, die er nicht hinzunehmen bereit war. Offenbar drang er beim Staatsbesuch Adenauers zwischen dem 2. und 8. Juli 1962 noch unnachgiebiger wie schon in den Jahren zuvor auf den Bundeskanzler ein, Speidel abzuberufen. Das gab Staatssekretär Carstens am 12. Juli, wenige Tage nach Ende des Staatsbesuchs, Anlass, sich im Gespräch mit Speidel in Fontainebleau kundig zu machen, was denn hinter de Gaulles Forderung stecke: Speidels Buch oder der Vorwurf der Beteiligung der Wehrmacht an Deportationen während der Besetzung Frankreichs? Daraufhin schreibt Speidel vier Tage später den bereits zitierten Brief an Carstens. Zu de Gaulles Kritik an seinem Buch, die ihm ja seit 1958 bekannt war und die durch Korrekturen zu berücksichtigen er sich geweigert hatte, fügt er den erwähnten dreiseitigen Vermerk bei. Zur Frage der Deportationen stellt er knapp fest: „Meines Wissens haben Dienststellen der Wehrmacht in Frankreich Deportationen nicht angeordnet.“ Ähnliche Vorwürfe seien früher von kommunistischer Seite erhoben worden, hätten aber in dem von Speidel in London angestrengten und gewonnenen Prozess, „der alle Verdächtigungen in sich zusammenfallen ließ“, nur eine „völlig untergeordnete Rolle“ gespielt. Gegenstand dieses Prozesses war ein mit zum Teil nachweisbar gefälschten Dokumenten und Photos 1957/58 produzierter DDR-Propagandafilm „Unternehmen Teutonenschwert“, in dem Speidel eine Beteiligung an zwei 1934 in Marseille verübten Morden, an Kriegsverbrechen an der Ostfront ebenso unterstellt wurden, wie nach dem 20. Juli des Verrats an Rommel schuldig zu sein. Für diesen Film hatte eine englische Firma die Vertriebsrechte für das westliche Ausland erworben. Aufgrund der nachweisbaren Fälschungen verbot das Gericht die Verbreitung.48 Dieser dem Satz: „Meines Wissens haben Dienstellen der Wehrmacht . . . Deportationen nicht angeordnet“ folgende Hinweis auf den Londoner Prozess scheint Carstens nicht von dieser Aussage überzeugt zu haben. Er 47 Blankenhorn, Herbert, Tagebuchaufzeichnung, 18.7.1958, S. 708 (vgl. Anm. 26), vgl. auch Speidel, Aus unserer Zeit, S. 372 f., S. 403 ff., Gerd Schmückle, Pauken, S. 250 ff., S. 281 f. – Speidel wusste von diesem Einwand schon sehr früh: „Kaum hatte General Charles de Gaulle am 1. Juni die (Minister-)Präsidentschaft angetreten, sprach er mit Norstad über Speidel, wie ihm der amerikanische General James K. Polk . . . vertraulich mitteilte. Der französische Präsident habe in diesem Gespräch unmissverständlich erklärt, dass kein deutscher General auf französischem Boden oder über französische Truppen kommandieren dürfe.“ Gablik, Strategische Planungen, S. 156. 48 Brief Speidels an Carstens (16.7.1962), S. 1, und Speidel, Aus unserer Zeit, S. 360 f.

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schreibt mit großer Schrift an den Rand: „Deportationen“! Speidel wurde im Juli 1940 Chef des Generalstabs des Militärbefehlshabers von Paris, im August des Militärbefehlshabers von Frankreich, General Otto von Stülpnagel. Von den nach dem Frühsommer 1941 einsetzenden „Massenerschießungen von Geiseln als ‚Sühnemaßnahme‘ nach Attentaten (auf Wehrmachtsangehörige – A. Z.) und die Verschärfung der deutschen Judenpolitik von der Diskriminierung zur Deportation“49 hat Speidel nicht nur gewusst. Vielmehr betraute er selbst den Hauptmann Ernst Jünger „mit der Aufgabe, den unterirdischen Kampf zwischen Partei und Wehrmacht zu untersuchen. Er sollte den Ein- und Übergriffen der Parteidienststellen, besonders der Geiselfrage und ihren Auswirkungen auf das politische Geschehen nachgehen. Schon damals im Frühjahr 1941 erschien es uns notwendig, die schweren menschlichen und sachlichen Differenzen zwischen der politischen Führung und den militärischen Befehlshabern, vor allem deren zunehmende Entmachtung, für die Geschichte festzulegen.“50 Folgt man den auf eingehenden Aktenrecherchen beruhenden Feststellungen Ulrich Herberts, dann gab es in der Tat „ein makabres Feilschen um Menschenleben“51 zwischen Speidels Vorgesetztem, dem Militärbefehlshaber Otto von Stülpnagel, und der Führung in Berlin, Hitler und Keitel. Stülpnagel erklärte gegenüber dem Oberkommando des Heeres Mitte Januar 1942, dass er Massenerschießungen von Geiseln – bis dahin waren 264 Geiseln erschossen worden – nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne. Als Vergeltungsmaßnahme könne nur der „fallweise Abtransport einer gewissen Anzahl der bereits internierten Kommunisten und Juden nach Deutschland oder dem Osten“ in Frage kommen. Hitler und Keitel verlangten jedoch beides, Erschießungen und zusätzlich Deportationen. Daraufhin erklärte von Stülpnagel, der sich in seiner Auseinandersetzung mit Berlin mit seinem Stab – ohne Zweifel auch Speidel – einig sah, seinen Rücktritt.52 Das ist hier nicht zu vertiefen, sondern lässt nur festhalten, dass der 49 Herbert, Ulrich, Deutsche Militärverwaltung in Paris und die Deportation der französischen Juden, in: Ulrich Herbert (Hrsg.), Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939–1945. Neue Forschungen und Kontroversen, Frankfurt/M. 1998, S. 183. Der Aufsatz stützt sich neben vorliegender Lit. insbes. auf die im Bundesarchiv/Militärarchiv vorhandenen Akten. Mit Berufung auf U. Herbert schreibt Bald, Detlef, Die Bundeswehr. Eine kritische Geschichte 1955–2005, München 2005, S. 50: „Speidel war vermutlich bis 1942 in Paris an Geiselerschießungen und an der Vorbereitung der Deportation von Juden nach Auschwitz beteiligt gewesen“. s. a. Krautkrämer, Generalleutnant Dr. phil. Hans Speidel, S. 246 f. 50 Speidel, Aus unserer Zeit, S. 110. 51 Herbert, Die deutsche Militärverwaltung, S. 190. 52 Ebd., S. 191. – Nachfolger Otto von Stülpnagels wurde sein Vetter Karl Heinrich von Stülpnagel, der sich aktiv an den Vorbereitungen zum 20. Juli 1944 beteiligte. Das gilt für den von Speidel nach Kriegsende als Widerständler glorifizierten

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eine Satz Speidels zur Frage der Deportationen in seinem Brief an Carstens nicht als zureichend gelten konnte, um den von Carstens an Speidel berichteten Vorhalt de Gaulles auszuräumen. VI. Vom Kanzler der deutsch-französischen Freundschaft geopfert Durch das Gespräch mit Staatssekretär Carstens wusste Speidel vom erneuten Vorstoß de Gaulles Anfang Juli 1962 bei Adenauer. Offenbar hat Adenauer dem Präsidenten bei dieser Gelegenheit zugesagt, eine Abberufung Speidels binnen eines Jahres – also im Zeitraum bis zum Sommer 1963 – vorzusehen. Und de Gaulle lässt nicht locker: Der von ihm produzierte Eklat bei der Begrüßung im Juli 1962 und bei der Verabschiedung im Zusammenhang der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags im Januar 1963 blieb vom Bundeskanzler – Speidel sprach ihn erfolglos darauf an – und seiner Begleitung natürlich nicht unbemerkt und vielleicht gab es bei nachfolgenden Treffen auch eine den Bundeskanzler an seine Zusage erinnernde Bemerkung des Generals. Im April 1963 wird der französische Botschafter in Bonn, de Margerie, in dieser Sache bei Staatssekretär Globke vorstellig: „Der Botschafter überbringt mit dem Ausdruck des Bedauerns die Mitteilung, wenn Speidel nicht binnen weniger Wochen abgelöst sei, werde er zur persona ingrata erklärt.“53 Schließlich wird er von de Gaulle zum Bundeskanzler geschickt, um ihn unter anderem „auf die Frage des Generals Speidel“ anzusprechen. „Der Herr Bundeskanzler bemerkte, er habe Speidel (am 10. Juni 1963 – A. Z.) zu sich gebeten und mit ihm gesprochen. . . . Speidel sei in diesem Gespräch sehr betroffen gewesen, die Sache sei ihm offensichtlich sehr nahe gegangen. Höchstwahrscheinlich werde aber Speidel bereit sein, um seine Abberufung zu bitten. Der Herr Bundeskanzler fragte dann, ob de Gaulle absolut auf dem Datum des 1. Juli bestehe. . . . Da de Gaulle am 4. und 5. Juli hierher komme, könnte sehr leicht der Eindruck entstehen, als ob de Gaulle sein Kommen von der Abberufung Speidels abhängig gemacht habe. Er (der Herr Bundeskanzler) würde es daher vorziehen, wenn die Sache um ein paar Wochen verschoben werden könnte.“ Adenauer hebt dann noch hervor, dass zu seinem Bedauern der ehemalige Bundesverteidigungsminister Strauß weder Speidel etwas gesagt habe, noch seinen Nachfolger, von Hassel, unterrichtet habe.54 Feldmarschall Rommel nicht. Joachim Fest kommt in seiner Nachzeichnung des 20. Juli zu dem Schluss: „. . . strenggenommen ist der Feldmarschall erst durch seinen erzwungenen Tod in die Nähe zum Widerstand geraten“ (Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli, Berlin 1994, S. 250, Anm. 11). 53 Schwarz, Adenauer, S. 758. 54 Franz Josef Strauß amtierte vom 18.10.1956 bis 11.12.1962 als Verteidigungsminister; ihm folgte ab 9.1.1963 Kai-Uwe von Hassel. – Strauß hebt in seinen Erin-

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Zu dem Datum fragt der Botschafter nach: An welches Datum Adenauer denke? Die Antwort: „. . . etwa zwei bis drei Wochen nach dem Besuch de Gaulles, also etwa den 1. August“, mit anderen Worten: weder unmittelbar vor noch unmittelbar nach dem Treffen mit de Gaulle. Der Botschafter fügt noch hinzu, dass General de Gaulle Bericht darüber erwarte, „ob er mit dem Herrn Bundeskanzler auch auftragsgemäß ganz präzise über die Sache gesprochen habe.“ Er werde hinsichtlich des Zeitpunkts im Sinne Adenauers berichten.55 In seiner Gegenwehr gegen die Aufforderung Adenauers, zurückzutreten, die der Bundeskanzler – wie häufiger in Fällen gewünschter Personalwechsel – mit seinem Eindruck der Erholungsbedürftigkeit des Generals einleitet, hebt Speidel ganz auf die Gegnerschaft de Gaulles zur militärischen Integration und dessen nicht im deutschen Interesse liegende Europavision ab, ohne Adenauer damit zu überzeugen. Adenauer lässt Speidel im Übrigen wissen, „de Gaulle (sei) nicht mehr auf die früheren Beschuldigungen zurückgekommen, er habe nur von einer ‚harten Behandlung‘ von ihm nahestehenden Persönlichkeiten während der Besatzungszeit gesprochen.“56 Bundespräsident Lübke, der von der Speidel abgeforderten Amtsaufgabe erfährt, bittet den französischen Botschafter, ihm Unterlagen, die de Gaulles Forderung begründen, vorzulegen – und bekommt nichts.57 Als Speidel zweieinhalb Wochen nach dem Gespräch mit Adenauer, am 28. Juni, den aus dem NATO-Oberbefehl Europa abberufenen General Norstad zum Bundespräsidenten begleitet, zeichnet der Bundespräsident Speidel mit der höchsten Stufe des Bundesverdienstkreuzes aus, eine ostentative Anerkennung der Verdienste Speidels – wenige Tage vor dem Bonn-Besuch de Gaulles58. Und Lübke versucht, bei seinem Treffen mit dem Präsidenten am Rande des ersten Arbeitstreffens der französischen mit der deutschen Regierung nach Ratifizierung des Elysée-Vertrages am 4. und 5. Juli zu nerungen seine hohe Wertschätzung für Speidel hervor, erwähnt aber weder den Vorfall beim Staatsbesuch Adenauers noch die Rückberufung Speidels (Die Erinnerungen, Berlin 1989, S. 281). 55 Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. im Auftrag des Auswärtigen Amts vom Institut für Zeitgeschichte, Hauptherausgeber HansPeter Schwarz, Mithrsg. Helga Haftendorn, Klaus Hildebrand, Werner Link und Rudolf Morsey, München 1994, Bd. II, 1. Juni bis 30. Sept. 1963, Dok. Nr. 192: Gespräch des Bundeskanzlers Adenauer mit dem französischen Botschafter de Margerie am 11. Juni 1963, hier S. 627 f. 56 Speidel, Aus unserer Zeit, S. 413. 57 So Speidel, Aus unserer Zeit, S. 413. 58 Ebd. – Es handelte sich nicht um eine dem Bundespräsidenten mögliche Initiativverleihung, sondern sie erfolgte auf Vorschlag des Bundesverteidigungsministers Kai-Uwe von Hassel (Mitteilg. des Bundespräsidialamtes/Ordenskanzlei an den Verf. v. 3.9.2007).

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Gunsten Speidels auf den General einzuwirken. Ohne Erfolg: Der General „sei starr, kalt und abweisend gewesen“ – so die Wiedergabe des Gesprächs durch Speidel – und habe nur darauf verwiesen, dass Speidel durch seine Befehlsgebung zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit im besetzten Frankreich die Untergrundbewegung in Bedrängnis gebracht habe. Gleichzeitig gestand er dem Bundespräsidenten zu, dass dies Teil der Aufgabe Speidels gewesen sei.59 Vielleicht ein Erfolg dieser Intervention: Der Termin des Rücktritts Speidels rutschte auf den 1. September 1963. VII. Tröstung: Neue Ämter Um zu den Fragen des Anfangs nach der Gewichtung der Gründe für die Abberufung Speidels zurückzukehren, muss man wohl doch die „anderen Unterströmungen und Erinnerungen“ (Hans Rothfels) weit vor die Abneigung de Gaulles gegen die militärische Integration rücken. Dafür spricht auch, dass Speidels Nachfolger im NATO-Amt, General Graf von Kielmansegg, nicht auf mit seiner Nationalität begründete oder seinem Eintreten für die Vorwärtsverteidigung, dann die Strategie der flexible response, auf französische Vorbehalte stieß.60 Er wurde zum ersten deutschen Offizier dem seit den Zeiten Napoleons 1966 das Großkreuz der Ehrenlegion verliehen wurde. Das große Ansehen, das Speidel in der Bundeswehr und in NATO-Kreisen genoss, ließ es aus Sicht der Bonner Politik nicht zu, Speidel vor Heusinger in den Ruhestand zu schicken. Also erfand man für Speidel die Position eines „Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Fragen der atlantischen Verteidigung“. Doch vergaß man dabei, sie auf den Zeitpunkt der gemeinsamen Pensionierung Heusingers und Speidels am 31.3.1964 zu befristen. Das führte dazu, dass Speidel – nun Zivilist – dieses Amt weiterführte. Wenn man – so die Erwägung im nun schon einige Monate von Ludwig Erhard geführten Bundeskanzleramt – Speidel diese Position nehmen wolle, dann müsse man ihm etwas anderes anbieten: Am 3. November 1964 wurde er auf Vorschlag der Bundesregierung zum ersten Präsidenten des Stiftungsrats der privaten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gewählt. Doch diese Nominierung, seine Wahl und Amtsführung ist eine andere, an anderem Ort berichtete Geschichte.61

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Ebd., S. 414. Mit dem Ausscheiden Frankreichs aus der militärischen Integration der NATO avancierte Graf Kielmansegg zum CINCENT. 61 Zunker, Albrecht, Stiftung Wissenschaft und Politik. Entwicklungsgeschichte einer Institution politikbezogener Forschung, Berlin 2007, S. 76 ff. 60

Der Reporter und die Kunst der wahren Könige: Anmerkungen zur journalistischen Darstellung des Persönlichen in der Politik Gernot Sittner Politikwissenschaftler und Journalist – irgendwie fühlen sie sich verwandt und sind einander doch ziemlich fremd. So sehr sie die Politik als ihr Gegenstand auch verbinden mag, in der Art, wie sie damit umgehen, scheinen sie doch in verschiedenen Welten zu agieren. Beim Journalisten liegt der Respekt vor wissenschaftlicher Gründlichkeit, vor dem theoretischen, methodischen Unterbau, auf dem die Wissenschaft von der Politik ihre Forschung betreibt, im Widerstreit mit dem Gefühl, eigentlich doch die effektivere, attraktivere Art des Umgangs mit dem gemeinsamen Thema gewählt zu haben: als Beobachter der Politik in statu nascendi, als Vermittler des aktuellen politischen Geschehens an das Publikum, die Leser, die Wähler und natürlich auch die Politiker, als deren ständiger kritischer Widerpart er sich auch versteht. Von Nachschlagewerken abgesehen, gehört politikwissenschaftliche Sekundärliteratur nicht gerade zur Grundausstattung von Redaktionsbüros, also auch keine Untersuchung des Verhältnisses von Politikwissenschaft und Journalismus. Andererseits: Diese zwei Welten existieren nicht, jede für sich, in einer splendid isolation, die jeglichen Kontakt untereinander ausschließen würde. Der Politikwissenschaftler Tilo Schabert verkörpert sogar auf zweifache Weise den Typus des Grenzgängers: zum einen, indem er auch vom passiven Wahlrecht Gebrauch macht und als Mitglied eines Gemeinderats Kommunalpolitik mitgestaltet (was sich dann auch in den Berichten der Lokalzeitungen widerspiegelt), zum anderen, indem er, frei von Berührungsängsten, auch in Tageszeitungen publiziert. Dabei beschränkt er sich nicht darauf, Ergebnisse seiner politikwissenschaftlichen Forschung einem Laienpublikum zu vermitteln, sondern schaltet sich auch in die Diskussion über aktuelle politische Themen ein – zum Beispiel, wie jüngst geschehen, in Form einer ebenso fundierten wie leidenschaftlichen Polemik gegen die Darstellung der Rolle, die Helmut Kohl in seinen „Erinnerungen“ dem früheren französischen Staatspräsidenten François Mitterrand beim Prozess der deutschen Wiedervereinigung zugeschrieben hat.

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Für einen Journalisten, der nicht in den Geruch der Hochstapelei geraten will, verbietet es sich im Allgemeinen, als Grenzgänger in die Gegenrichtung aufzubrechen und, zum Beispiel, in dieser Festschrift mit einem Beitrag vertreten zu sein, der wissenschaftlichen Anspruch erhebt, aber nicht die wissenschaftlichen Kriterien erfüllt, für die auch der Politikwissenschaftler Tilo Schabert steht. Dieser Verzicht fällt insofern leicht, als das Generalthema dieser Publikation auch einen eher journalistischen Beitrag zulässt: Wenn das Element des Persönlichen in der Politik zu untersuchen ist, kann der Journalist zumindest einschlägige Beobachtungen und Erfahrungen referieren – der Politikwissenschaft zur kritischen Prüfung und allfälligen Verwendung. Bevor er dieses Angebot unterbreitet, maßt er sich, aus dramaturgischen Gründen, eingangs die Rolle des Wissenschaftlers an, indem er diese These einführt: Das Element des Persönlichen ist im politischen Tagesgeschäft, aber auch auf die lange Sicht gesehen, das heißt, wenn es um die Wertung nicht nur der Lebensleistung eines Politikers, sondern auch um politische Prozesse an sich geht, etwa um Reformen oder überhaupt darum, politische Ziele zu verfolgen und zu erreichen, nicht nur ein bestimmendes, prägendes Element neben anderen. Es ist vielmehr das dominierende, das ausschlaggebende. Es bestimmt die Politik weit mehr als, zum Beispiel, Parteiprogramme, in denen die Person des Politikers, der das Programm umzusetzen hat, in der Regel kaum eine Rolle spielt. (Zu den wenigen Ausnahmen zählt das zurzeit verbindliche Grundsatzprogramm der CDU aus dem Jahr 1994, das sich ausdrücklich auf prominente Vertreter der Gründergeneration beruft: „Konrad Adenauer und Ludwig Erhard, Jakob Kaiser und Helene Weber, Andreas Hermes und Gebhard Müller, Hermann Ehlers, Eugen Gerstenmaier und Karl Arnold, Elisabeth Schwarzkopf und Heinrich von Brentano haben gemeinsam mit vielen anderen die CDU geprägt und eine christlich-demokratische Tradition in Deutschland begründet.“)1 Tilo Schabert mag die These von der herausragenden Bedeutung des persönlichen Elements in der Politik für abseitig oder überraschend oder einfach nur für einen Gemeinplatz halten: Mit seiner scharfen Kritik an Helmut Kohls Darstellung von François Mitterrands Rolle bei der deutschen Wiedervereinigung hat er nicht nur das Podium des akademischen, wissenschaftlichen Diskurses verlassen und sich ins Getümmel der aktuellen Publizistik begeben, sondern im Grunde die These von der herausragenden Bedeutung des persönlichen Elements in der Politik bestätigt. Er stützt sich bei seiner Polemik auf gründliche Recherchen, die er dazu nicht erst nach Erscheinen von Helmut Kohls „Erinnerungen“, sondern für 1

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sein Buch „Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit“2 unternahm und deren Ergebnis, was speziell Mitterrands Rolle beim Einigungsprozess betrifft, in deutlichem Widerspruch zu Kohls Darstellung steht. Bei seiner Polemik geht es ihm nicht in erster Linie darum, das Bild, das Helmut Kohl von sich selbst entwirft, zu korrigieren, sondern einer Geschichtsklitterung vorzubeugen, indem er Kohls Darstellung mit Belegen konterkariert: Die Mitterrand-Zitate, die Schabert anführt, legen den Schluss nahe: Kohls Mitterrand-Bild entspricht, zumindest was die Deutschlandpolitik angeht, nicht der historischen Wirklichkeit. Es ist andererseits nicht so, dass das Kohl-Bild, das sich aus Schaberts Kohl-Kritik ergibt, in eklatantem Widerspruch stünde zu dem Persönlichkeitsbild, wie es viele Journalisten wieder und wieder aufgrund ihrer Beobachtungen, Erfahrungen, Begegnungen mit dem Altkanzler entworfen haben. Dieses Bild in den Medien mag jeweils frischer, farbiger, lebendiger ausfallen; das des Wissenschaftlers erscheint fundierter, distanzierter, kann den Anspruch erheben, nicht so leicht in Gefahr zu geraten, vor allem momentanen Eindrücken verhaftet zu sein. Der Fall mag als Beispiel dienen: Beide, Wissenschaftler und Journalist, können voneinander in ihrer jeweiligen Arbeit profitieren. Für den Politikwissenschaftler ist die Personenbeschreibung eines Politikers durch die Medien ein Dokument, ein Zeugnis unter vielen, das er in seine Forschungsarbeit einbeziehen, mit als Grundlage für seine Analyse heranziehen kann. Für den Journalisten mag sich Schaberts abschließendes Urteil über Kohls Darstellung der Rolle Mitterrands bei der Wiedervereinigung als eine weitere Facette in das Bild der Persönlichkeit Helmut Kohl einfügen: „Der Kanzler a. D. macht den französischen Präsidenten (. . .) zu einem Politiker der Ranküne, indem er von ihm sagt, er habe zusammen mit Thatcher darauf ‚gesetzt‘, dass Gorbatschow niemals ein vereinigtes Deutschland in der Nato akzeptiere. Kohl kann François Mitterrand nicht wirklich gekannt haben. Sonst wüsste er, dass dieser ein anderes Format hatte.“3 Indem er Kohls Mitterrand-Bild korrigiert, macht Schabert auch auf einen Wesenszug des deutschen Altkanzlers aufmerksam – auf ein wesentliches Element des Persönlichen bei Helmut Kohl und seiner Art, die eigene Rolle in der Politik darzustellen. Wissenschaft von der Politik und Journalismus befassen sich mit demselben Gegenstand, mit der Politik und den Politikern, die diese ausführen. Die Politikwissenschaft hat einen anderen Zugang zur Politik, bedient sich 2

Schabert, Tilo, Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, Stuttgart 2002. 3 Schabert, Tilo, Die Irrtümer des Helmut Kohl, in: Süddeutsche Zeitung vom 23. November 2005, S. 2.

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anderer Arbeitsmethoden, verfolgt andere Ziele als der Journalismus. Was die Politikwissenschaft vom Journalismus unterscheidet: Sie will keine Momentaufnahmen des politischen Geschehens vermitteln, sondern geht, auch zeitlich, eher auf Distanz. Sie begibt sich nicht an die „politische Front“, liefert keine aktuellen Zustandsberichte, die morgen schon überholt sein können. Der Politikwissenschaftler muss weder unbedingt den Wahlkampf eines Politikers noch einen Parteitag unmittelbar erleben und verfolgen noch ihn aktuell analysieren. Die wissenschaftliche Literatur zu seinem Thema, Dokumente aus Archiven etwa, sind für ihn, was für den Journalisten der Augenschein, die aktuelle Szene, das gesprochene Wort, der unmittelbare Eindruck, das Interview. Für den Wissenschaftler hat das Element des Persönlichen in der Darstellung ein anderes Gewicht, einen anderen Stellenwert als für den Journalisten. Das Element des Persönlichen kommt eher auf indirekte Weise zur Darstellung – nicht so unmittelbar wie in der Reportage. Es liegt in der Natur der Sache, dass er sein Bild stärker absichert als es dem Journalisten in der Regel möglich ist. Auch wenn der die Gebote der Fairness, der Objektivität, Sachlichkeit und Unvoreingenommenheit besten Wissens und Gewissens beachtet: Das Politiker-Bild, das er zeichnet, ist anfechtbarer als das des Wissenschaftlers, der in der Regel weniger der Versuchung ausgesetzt ist, Partei zu ergreifen, und möglichst frei bleibt von Gefühlen wie Sympathie oder Antipathie, sich fern hält vom politischen Tagesgetümmel. Wie sehr das Element des Persönlichen die Politik dominiert, lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass Wahlkampagnen stärker denn je auf Spitzenkandidaten abgestellt werden: der Politiker kraft seiner Person als Garant dafür, dass ein Sachprogramm umgesetzt wird. Weshalb die Frage nahe liegt: Lässt sich dann überhaupt das Element des Persönlichen so sauber freilegen, dass es von der Politik an sich, den Programmen und sogenannten Sachfragen, zu trennen ist? Bis zu einem gewissen Grade scheint es durchaus möglich zu sein. In der Familienpolitik zum Beispiel vertraten die beiden Parteien der großen Koalition zu Beginn der Wahlperiode im Herbst und Winter 2005/2006 durchaus unterschiedliche Positionen. Diese darzustellen, zu beurteilen, ist Sache des journalistischen Experten und geschieht in der Form der Analyse, des Leitartikels, des Kommentars. Das Element des Persönlichen rückt in dieser Phase zunächst in den Hintergrund. Aber wenn es um die Umsetzung und die dabei aufbrechenden Konflikte geht, kommt das Element des Persönlichen mehr und mehr ins Spiel – bis es am Ende Sieger, Verlierer und Vermittler gibt. Dieses „Spiel“ und die dabei handelnden Personen zu beschreiben, ist Sache des Reporters; seine Form ist die Reportage, das Feature.

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Gerade das Element des Persönlichen in der Politik lässt sich besonders anschaulich am Beispiel der Reportage darstellen. Denn die Reportage schildert politische Figuren, beschreibt deren Handeln und die Wirkung ihres Handelns auf andere; sie entfaltet eine innere Dramaturgie. So gesehen bedeutet das persönliche Element in der Politik für den Reporter nicht einen Aspekt unter anderen, sondern macht die Natur der Politik aus. Unter den deutschen Journalisten der Nachkriegszeit hat keiner das Handwerk des Reporters und die Kunst der Reportage, des politischen Porträts so souverän beherrscht wie Hans Ulrich Kempski, der ein halbes Jahrhundert lang als Chefreporter und Chefkorrespondent für die Süddeutsche Zeitung berichtete. Er war darin nicht nur ein Meister, sondern hat diese journalistische Form überhaupt in die Printmedien der Bundesrepublik Deutschland eingeführt und sie etabliert. Hans Ulrich Kempski verkörpert auf besondere Weise den Typus des unvoreingenommenen Reporters. In einem Interview, das er im Jahr 2002 zu seinem 80. Geburtstag drei jüngeren SZ-Kollegen gab, sagte er über seine Arbeitsweise: „Ich habe mich allen gegenüber mit absoluter Unvoreingenommenheit und mit Respekt genähert. Ich bin um Fairness bemüht gewesen. Ich konnte besser Distanz wahren, weil ich mich mit niemandem gleich gemacht, mit niemand geduzt habe, weil ich immer beachtet habe: Wer beobachten will, darf nicht mitspielen.“4 Er hielt stets Distanz zu den Politikern, die er zu beschreiben hatte, einer, der sich nie gemein machte mit den handelnden Personen, der seine Beschreibungen aber auch nie allein auf Augenblickseindrücken aufbaute, sondern sich stets gut vorbereitete, sich gründlich über die Personen und die Sache informierte, über die er zu berichten hatte. Das hat mit den Jahren zu einem Verhältnis gegenseitigen Respekts und Vertrauens geführt, ihm einen Zugang zu Politikern ermöglicht und erleichtert, um den ihn manche Kollegen beneideten. Hans Ulrich Kempskis Reportagen leben auf geradezu exemplarische Weise vom Element des Persönlichen in der Politik. Er hat alle Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, von Konrad Adenauer bis zu Gerhard Schröder, aus nächster Nähe und über viele Jahre beobachtet und beschrieben, ihren Aufstieg, ihre Triumphe, ihre Sternstunden, ihre Niederlagen und ihr Scheitern.5 Er hat große Figuren der Weltpolitik unmittelbar, als Akteure oder bei Interviews, erlebt, war bei allen Gipfelkonferenzen der Supermächte USA und Sowjetunion dabei, beobachtete viele Ereignisse, die die Welt veränderten. 4

Es gibt nichts Schöneres, als ein Zeitalter zu beschreiben, Interview mit Hans Ulrich Kempski, Süddeutsche Zeitung vom 3. August 2002, S. 7. 5 Kempski, Hans Ulrich, Um die Macht. Sternstunden und sonstige Abenteuer mit den Bonner Bundeskanzlern 1949 bis 1999, Berlin 1999.

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Als Altmeister der politischen Reportage gibt Hans Ulrich Kempski deshalb einen besonders glaubwürdigen Zeugen ab, wenn es um die These geht, dass das Element des Persönlichen in der Politik eine dominierende, herausragende Rolle spielt. Er selbst gestand in dem bereits erwähnten Interview, zu Beginn seiner Reporterkarriere habe ihn das an sich so vorbildliche angelsächsische Modell der strikten Trennung von Nachricht und Meinung doch mehr und mehr bedrückt, weil es „die Darstellung der ganzen Wahrheit verhindert. Das ganze Grünzeug am Rande einer geplatzten Chaos-Konferenz – darüber hatte ich ja kein Wort erzählen können. Da habe ich ein Modell entwickelt, dessen tragendes Strukturprinzip wohl die Personalisierung war.“6 Und im Rückblick auf seine fünfzig Reporterjahre, in denen er kreuz und quer auf dem Globus unterwegs war, resümiert er als seine wichtigste Erfahrung „die Tatsache, dass es in der Regel außergewöhnliche Menschen sind, nicht aber Ideologien, Programme oder strategische Konzepte, die den Verlauf politischer Vorgänge bestimmen und damit den Gang der Geschichte“.7 Im Rückblick nannte er beispielhaft vier Männer, die in wirren Zeiten unter außergewöhnlichen Umständen alle politischen Widerstände überwanden, weil sie Führungsfiguren mit der besonderen Magie großer Menschenfänger waren, die sich bei wichtigen Entscheidungen über dominierende Meinungen und Parteiprogramme hinwegsetzten. Wenn im Folgenden das Element des Persönlichen in der Politik am Beispiel dieser vier Politiker dargestellt wird, so erweist der Autor dieses Beitrags damit nicht nur dem Wissenschaftler Tilo Schabert seine Reverenz, sondern auch dem – am 30. Dezember 2007 im 86. Lebensjahr verstorbenen – Reporter Hans Ulrich Kempski, mit dem er fast zwei Jahrzehnte in der Reportage-Redaktion der Süddeutschen Zeitung, der Seite Drei, zusammenarbeitete und auf dessen persönlichen, spontanen Rückblick er sich im Folgenden vor allem stützt. Diese Porträtskizzen erheben nicht den Anspruch auf eine wissenschaftliche Gründlichkeit, die dem Leben und dem Werk dieser vier Politiker in allen Aspekten und Facetten gerecht würde; sie sollen lediglich aus der Sicht eines langjährigen Beobachters der internationalen wie der nationalen Szene ein Schlaglicht werfen auf das Element des Persönlichen in der Politik.

I. Zhou En-lai – der moderne Konfuzius Wenn Hans Ulrich Kempski Zhou En-lai als einen „Mann außerhalb jeder Regel“ beschreibt, dann erinnert er gerne an ein verblüffendes Erlebnis, das aus dem Jahr 1972 datiert, als er im Gefolge einer Delegation, die diplomati6 7

Interview mit Hans Ulrich Kempski, SZ vom 3. August 2002. Ebd.

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sche Beziehungen zwischen Bonn und Peking vorbereiten sollte, nach Peking kam. Es war nicht seine erste Reise in die Volksrepublik. Die hatte er bereits im Jahr 1957 unternommen. Damals, am Ende von fünf Wochen China, empfing ihn der als Ministerpräsident amtierende Zhou En-lai zu einem Gespräch, das sich über vier Stunden hinzog. Am Ende, als er seinen deutschen Gast hinausbegleitete, wollte Zhou von ihm wissen, ob er eine Kamera bei sich habe. Kempski bedauerte. „Schade“, sagte Zhou, „sonst hätte einer der Minister ein Bild von uns machen können.“ Beim Wiedersehen – nicht weniger als 15 Jahre waren inzwischen vergangen – fragte ihn Zhou bei der Begrüßung in der Großen Halle des Volkes: „Wissen Sie noch, wie das bei Ihrem letzten Besuch war? Diesmal werden wir ein Foto haben.“ Weit mehr als durch diese kleine Anekdote hatte sich Zhou schon bei der ersten Begegnung im Jahr 1957 als ein „Mann außerhalb jeder Regel“ gezeigt – in dem Interview, an dessen Ende zwar kein Foto zustande kam, dessen Inhalt aber international Beachtung fand. In der Volksrepublik ging damals gerade eine für chinesische Verhältnisse eher liberale Phase zu Ende. Ein militärischer Angriff auf Taiwan, das damals noch Formosa hieß, schien bevorzustehen. Kaum eine Woche verging ohne Meldungen über „ernsthafte Warnungen“, über Drohungen Pekings an die Führung in Taipeh. Doch allem kriegerischen Getöse des Regimes in Peking zum Trotz versicherte Zhou im Interview, dass die Volksrepublik gegenüber niemandem aggressive Absichten hege: „Schon ein altes Wort unseres Propheten lehrt: ,Wenn wir andere Völker angreifen, gibt es Elend und Not allein für uns selbst‘.“ Peking werde das Ziel der Wiedervereinigung nur mit nichtmilitärischen Mitteln anstreben. Das war Zhous „persönliche“ Linie – gegen die lärmende offizielle Propaganda des Regimes. Zhou En-lai war zwar Mitkämpfer Maos bei der Parteigründung, nahm von Anfang an wichtige Positionen im System der Volksrepublik ein, war stellvertretender Parteivorsitzender, dann Außenminister und schließlich Ministerpräsident. Und über all die Jahre mit ihren für ausländische Beobachter oft so unverständlichen, widersprüchlichen, chaotischen bürgerkriegsähnlichen Entwicklungen vom Großen Sprung über die Kulturrevolution, die Umtriebe der sogenannten Viererbande bis zur Sterbephase des längst nicht mehr normalen Mao, über all diese Zeit hinweg, in der es in China nicht nur Hunderttausende, sondern Millionen Tote gab, ist es Zhou letztlich nicht mit militärischer Macht, sondern kraft seiner magischen Kunst der Menschenführung gelungen, die entscheidenden Gruppen hinter sich zu bringen, den Untergang des Landes zu verhindern und schließlich den Aufstieg möglich zu machen. Vor Maos Tod brachte er den schon fast totgesagten Deng Xiao-peng nach Peking zurück und sorgte dafür, dass der das China von heute formen konnte.

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Parteiprogramme waren für Zhou nie die verbindliche Richtschnur. Die wurden ja meist von Mao diktiert, waren oft sehr spontan ausgegebene Parolen. Die jungen Leute nahmen damals, vor allem zur Zeit der Kulturrevolution, das, was im ominösen roten Büchlein zu lesen stand, sehr ernst und mit wahnsinniger Besessenheit auf. Zhou kümmerte sich überhaupt nicht darum. Er wirkte durch die Magie seiner Sprache, durch die Kraft seiner Gedanken. Zhou war letzten Endes ein moderner Konfuzius, der in einem Land, dessen Menschen von Hause aus zum Extremismus neigen, immer wieder den goldenen Mittelweg fand. Was war er für ein Typ? Viele, die ihn kennenlernten, vor allem auch Amerikaner, sind, wenn sie danach gefragt wurden, geradezu ins Schwärmen geraten, auch ein Richard Nixon, auch ein Henry Kissinger, weil Zhou eben ganz anders war, als man sich Chinesen im allgemeinen vorstellte: eine vornehme, geistreiche, weltgewandte Persönlichkeit, schlank, adrett, höflich, sehr gepflegt, auch in Zeiten, als man in China nicht so gepflegt war. Er hatte eine ganz starke Außenwirkung – so stark, dass sich viele Legenden bildeten, woher das komme, ob er womöglich aus einer aristokratischen Familie stamme. Zhou war ein außergewöhnlicher Mann, wird als solcher auch bis heute in China gefeiert. Mao war der Erfinder der großen kommunistischen chinesischen Idee – keine Frage. Zhou war der Bewahrer und Retter dieser Idee. Er hat es – dank seiner Persönlichkeit – vollbracht, sein von revolutionären Exzessen gepeinigtes Land aus dem Chaos herauszuführen.

II. Makarios III. – die Glückseligkeit der Macht Zypern im Jahr 1955: Seit 80 Jahren hatte es Aufstandsbewegungen gegeben mit dem Ziel, diese Insel mit einer 4000-jährigen Geschichte von britischer Kolonialherrschaft zu befreien und sie mit Griechenland zu vereinigen. Viele Kirchenfürsten Zyperns waren dabei umgekommen. Makarios nahm den Kampf um Enosis, die Vereinigung mit Griechenland, auf zu einer Zeit, als in der ganzen Welt die Befreiungskriege im Gange waren. Zypern war die letzte „weiße“ Kolonie. Es war der richtige Zeitpunkt. Im Jahr 1955, als die Unruhen begannen, flog Hans Ulrich Kempski nach Zypern, und nur Stunden, nachdem er im Hotel seinen Koffer ausgepackt hatte, saß er dem Erzbischof in seiner Residenz gegenüber: Seine Glückseligkeit Makarios III. war der Sohn eines bitterarmen Schafhirten, aber er wurde, wie das die Kirche so kann, früh als große, starke Begabung erkannt und gefördert, wurde Novize in einem der vielen Klöster der Insel, Lieblingsschüler des Abtes, studierte in Athen und Amerika. Mit 37 Jahren war er Erzbischof: der jüngste Kirchenfürst der jüngeren Kirchengeschichte aller

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Religionen. Nicht nur Erzbischof, sondern damit traditionsgemäß auf Zypern auch der Volkstumsführer, also der Mann, der das entscheidende politische Wort führt. Er sprach fließend Englisch, aber er weigerte sich, diese Sprache zu gebrauchen. Beim Interview stellte Kempski seine Fragen auf Englisch; Makarios leugnete nicht, dass er das verstand, antwortete aber Griechisch. Überaus beeindruckend an ihm, dass er auf eine ganz andere Art als andere große Männer auch eine magische Wirkung ausübte. So sprach er zum Beispiel immer sehr langsam und leise und sagte noch auf die sanfteste Art die fürchterlichsten, kriegerischsten Dinge. Er trug schlichte, edle Gewänder, den hohen Bischofshut und die goldene Krone, herrliche Manschettenknöpfe in Schwarz mit goldenen Ecken, war immer umlagert von jungen, schönen bärtigen Priestern. „Sie werden unser Ziel, die Enosis, die Vereinigung mit Griechenland, besser verstehen, denn Sie sind in einer ähnlichen Lage in Deutschland: misshandelt und besetzt von feindlichen Kräften“, sagte er und hatte damit seinen Gast durchaus gewonnen, zumal der bald darauf vom Presseoffizier des britischen Feldmarschalls Sir John Harding, der den Aufstand auf der Insel niederfegen sollte, bestätigt bekam, wie schwierig die Lage sei: „Als Deutscher werden Sie verstehen, was uns hier fehlt: ein Bataillon Waffen-SS.“ Feldmarschall Harding scheiterte mit seinem Auftrag. Die britischen Kolonialherren hatten zwar die Macht, den geistlichen Führer und Ethnarchen Makarios zu verbannen, und taten das ein Jahr später auch: Sie schickten ihn auf eine indonesische Insel; drei Jahre war er weg. Aber in dieser Zeit ging der Kampf gegen die Briten nicht nur weiter; es wurde nun ein richtiger Aufstand, angeführt von dem aus Athen entsandten griechischen Untergrundkämpfer Oberst Georgios Grivas, einem kleinen drahtigen Burschen, auf den das damals höchste Kopfgeld, nämlich 100 000 Mark, ausgesetzt wurde – vergebens, obwohl die Briten 40 000 Mann aufboten, um den Partisanenführer zu fangen. Nach drei Jahren konnte Makarios zurückkehren, weil seine Verbannung keine Erleichterung brachte. Doch nun wollten die USA diesen Konflikt nicht mehr länger ertragen. Dwight D. Eisenhower war damals Präsident, der Russe noch der große Feind, Griechenland und die Türkei waren wichtige Nato-Partner. Unter dem Druck der Amerikaner erklärten sich die Regierungen in Athen und Istanbul schließlich zu Verhandlungen mit Makarios und den Briten bereit, die im Jahr 1959 zu einem Vertrag führten, wonach Großbritannien die Kronkolonie aufgab, aber zwei Stützpunkte mit etwa 6000 Soldaten und Flugzeugen behalten durfte. Makarios wurde Staatschef der ganzen Insel. Dafür gab er seinerseits das Ziel auf, für das man auf Zypern – zuletzt eben auch unter seiner Führung – 80 Jahre ge-

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kämpft hatte: Enosis, die Vereinigung mit Griechenland. Letztlich ging es Seiner Glückseligkeit viel mehr um die ganz persönliche Macht, um den Glanz als um das alte Ziel, für das so viele gestorben waren. Als die Enosis nicht zu haben war, ließ er sie sehr schnell fallen und verkündete ein neues Ziel, das bei der griechischstämmigen Bevölkerung durchaus populär war: Wir werden als Perle des Mittelmeers der sichere Ort für das Kapital der reichen Leute des Mittleren Ostens; wir werden eine Brücke für die feindlichen Nachbarn in Ost und West. Bei den Verhandlungen waren die Engländer fast wahnsinnig geworden angesichts der Zähigkeit, mit der Makarios operierte. Er zog alles in die Länge. Es wurde – das ist kein Märchen – zum Beispiel drei Monate darüber verhandelt, ob die auf der Insel verbleibenden britischen Soldaten am Tag zehn oder zwölf Zigaretten zollfrei erhalten sollten. Und genauso lange wurde darum gefeilscht, ob sie einen Füllfederhalter oder zwei besitzen dürfen. Die Verhandlungen über Kugelschreiber wurden zeitweise unterbrochen, weil sie so mühsam waren. Pfingsten 1959 kamen 260 Burschen in britischen Uniformen aus dem Gebirge, wo sie sich versteckt hatten, zurück – durch ein Blumenmeer, unter dem Jubel der ganzen griechischen Insel, dem Läuten aller Glocken. Auf den ausländischen Beobachter wirkten die Szenen hinreißend und rührend. Grivas flog zurück nach Athen und sagte: „Macht hier einen guten Job, sonst komm ich wieder und sorge für Ordnung!“ Eine Insel des Friedens wurde Zypern trotzdem nicht. Das lag nicht mehr in der Macht des Erzbischofs. Denn nun brach der Konflikt zwischen InselTürken und Insel-Griechen offen aus. Die Türken waren mit einem Mal aufgrund des Vertrags viel stärker politisch vertreten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entsprach. Sie stellten 40 Prozent der Armee, 30 Prozent der Polizei. Die Briten hatten, obwohl nicht mehr die Machthaber, nach der Devise „Teile und herrsche“ die Türken gegen die Griechen aufgebracht und umgekehrt, und daraus entbrannte plötzlich ein ganz furchtbarer Krieg. Es begann die Teilung der Insel. Die Lage wurde immer schlimmer. Der amerikanische Präsident Lyndon Johnson schickte den früheren Außenminister Cyrus Vance auf die Insel, damit er Frieden stifte. Aber auch der wurde mit Makarios nicht fertig. Makarios sagte ihm schließlich: „Wenn Sie noch lange verhandeln, wird auch Ihnen noch ein Bart wachsen.“ Im Jahr 1974 schließlich wurde durch die Türkei die Spaltung der Insel militärisch exekutiert, als ihre Fallschirmspringer auf Zypern landeten. Erzbischof Makarios, erst Vorkämpfer für die Vereinigung mit Griechenland, dann Staatschef eines unabhängigen Zypern, ein Ethnarch, der nie nach dem Willen des Volkes gefragt hatte, über das er herrschte, verlor all seine Macht, musste fliehen. In den ersten Stunden der türkischen Invasion er-

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klärten ihn Gerüchte schon für tot. „Wie waren die Nachrufe?“, fragte er bei der Ankunft in London, nachdem ihn die alten Feinde von einem britischen Stützpunkt auf der Insel ausgeflogen hatten.

III. Ludwig Erhard – der Überzeugungstäter Ludwig Erhard setzte nach Kriegsende als unbeirrbarer Reformer gegen den Widerstand der vereinigten Anhänger von Planwirtschaft und Staatsdirigismus die soziale Marktwirtschaft durch und machte die Bundesrepublik zum Wirtschaftswunderland. Nichts von den großen Erfindungen der politischen Welt geht zwar auf nur ein Gehirn zurück. Aber der Schöpfer der sozialen Marktwirtschaft – das war Ludwig Erhard absolut, auch wenn er einige Berater hatte, sehr bedeutende sogar, die auch an seinen Büchern mitgeschrieben haben. Schon in den letzten Kriegsmonaten entwarf er sein Konzept der sozialen Marktwirtschaft, und er empfahl nach Kriegsende den Amerikanern für den deutschen Wiederaufbau eine ausschließlich auf Leistungswettbewerb beruhende Marktwirtschaft, deren soziale Selbstregulierungseffekte er fortan unbeirrbar beschwor. Erhard wurde 1949 Wirtschaftsminister; er war damals parteilos, als Bundespartei gab es die CDU noch gar nicht, das wurde erst im Jahr 1950 in Goslar vollzogen. Es waren die Jahre nach Kriegsende, als fast alle, die sich mit Wirtschaftspolitik beschäftigten, ob das nun Leute aus der Industrie waren oder Gewerkschaftler oder Mittelständler, nur in den Kategorien dachten, die die ganze Nazizeit und die Kriegsjahre hindurch gegolten hatten: Planwirtschaft, Staatsdirigismus. Das hatte in all den schweren Jahren ja auch funktioniert; in den Nachkriegsjahren 1945 bis 1948 musste das Volk zwar darben, aber letztlich ist keiner verhungert oder erfroren. Und nun trat plötzlich ein Mann auf und sagte: Das Land kommt nur auf die Beine, wenn wir das alles vergessen, wenn wir eine radikale Wirtschaftsreform machen. Da war er wirklich der einzige, der das dachte und auch verkündete. Und sein Programm – er war da sehr beredt und auch sehr beharrlich – lautete: Umstellung auf eine nur auf Leistungswettbewerb begründete Marktwirtschaft. Da hatte er lange Zeit alle gegen sich, die vereinigte Front der Planwirtschaftler und Staatsdirigisten, das heißt die gesamte SPD, alle Gewerkschaften, die damals sehr stark waren, sehr viele Zweifler in den eigenen Reihen und nicht zuletzt hässlich lautstark werdende Wirtschaftskapitäne. Aber er hat unbeirrbar für dieses Ziel gekämpft, hat geredet und geredet, hat mehr und mehr Gefolgschaft bekommen, hat das auch im Bundestag gesetzgeberisch durchsetzen können, bis schließlich Deutschland dastand als das von der ganzen Welt bestaunte und beneidete

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Wirtschaftswunderland. Und er stand da – Kempski: „Ich sehe ihn noch wie heute“ – mit erhobenen Händen: „Ich habe die Weichen gestellt von totalem Zwang zu totaler Freiheit.“ Erhard war kein Berufspolitiker, wollte es im Grunde seines Herzens auch nicht sein. Er war kein Machtmensch, sondern ein Überzeugungstäter, der für das Taktieren und Finassieren, wie es zum politischen Alltagsgeschäft gehört, nur tiefe Verachtung übrig hatte. Als er endlich Konrad Adenauer abgelöst hatte, verstand er seine Rolle als die eines über den Parteien und deren Gezänk stehenden „Volkskanzlers“. „Ich will nichts weiter sein als ein ehrlicher Makler“, sagte er einmal – und legte damit letzten Endes ein Geständnis ab: Es mangelte ihm an Führungskraft. Deshalb ging seine Kanzlerschaft auch schon nach drei Jahren zu Ende.

IV. Herbert Wehner – der heimliche Herrscher Herbert Wehner, der starke Mann der SPD, reformierte eine verstaubte Funktionärspartei fast im Alleingang zu einer modernen Volkspartei, die auch in Bonn regierungsfähig wurde. Herbert Wehner, der peu à peu an Macht und Einfluss in der Partei gewann, war der Wort- und Schriftführer eines reformerischen Wurfes, der unter dem Namen Godesberger Programm in die Geschichte der SPD eingegangen ist. Die damals immer noch sehr marxistisch geprägte Funktionärspartei wurde so zur zweiten deutschen Volkspartei. „Onkel Herbert“ wurde er wider alle Vernunft genannt, auch von Leuten, die ihn fürchteten fast wie einen Terroristen. Das Godesberger Programm war natürlich kein Programm-Kunstwerk, sondern ein fast revolutionäres Dokument, das die SPD einfach zu einer anderen Partei machte. Es ging eigentlich nicht um ein Programm; es war ein strategisches Papier. Funktionäre wie Erich Ollenhauer waren damit abgemeldet; Herbert Wehner übernahm die Macht. Im Jahr 1960 saß Hans Ulrich Kempski zufällig bei dem damals in Berlin regierenden Bürgermeister Willy Brandt, als das Telefon läutete. Kempski: „Soll ich rausgehen?“ Willy Brandt nur: „Pst! Onkel Herbert!“ Dann zum Anrufer: „Danke! Danke ja! Gewiss!“ Und zu Kempski am Ende des Gesprächs: „Er hat mich gefragt, ob ich Kanzlerkandidat werden will.“ Das lief nach dem Motto: Ich, der Herrscher, kröne diesen jungen Mann. Das Godesberger Programm war Wehners erste große Tat. Das bürgerliche Lager, alle, für die die Sozis bis dahin noch etwas schrecklich Rotes gewesen waren, haben dieses Programm „gefressen“. Der Deutsche liebt ja

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Programme, noch dazu, wenn es so ein umwerfend neues Stück Papier ist. Da wurde die SPD in den Augen vieler sogenannter bürgerlicher Leute vielleicht regierungsfähig. Aber an die Regierung kam sie trotzdem nicht. Da hat Wehner gesagt: So schaffen wir das nie. Die Partei hat nicht genügend Dampf im Arsch. Auf Kempskis Frage, warum die Sozialdemokraten so seltsam zufrieden damit seien, die Opposition sozusagen in Erbpacht genommen zu haben, warum die Partei ohne erkennbaren Willen zur Macht sei, antwortete Wehner im Dezember 1962 in einem Interview: „Haben Sie ne Ahnung vom Komfort der zweiten Geige.“8 Als einzigen Hebel sah Herbert Wehner eine große Koalition. Er hat angefangen darauf hinzuarbeiten im Jahr 1962 durch Geheimgespräche mit dem CSU-Bundestagsabgeordneten Baron Karl-Theodor von Guttenberg hinter dem Rücken der eigenen Partei und auch hinter dem Rücken Konrad Adenauers. Er ging dabei eigenmächtig, ohne ein einziges Okay der Partei, so weit zu sagen: Wenn wir das machen, die große Koalition, garantiere ich, dass Adenauer bis zum Jahre X Kanzler bleiben darf. Herbert Wehner war der Mann, der die Partei geformt hat, der sie wieder und wieder gefordert und geformt hat. Und als sich endlich 1966 die Möglichkeit einer großen Koalition abzeichnete, war die SPD dazu bereit; sie war völlig Herbert Wehners Kommando unterworfen. Gewollt hat die Große Koalition kaum einer von den Sozialdemokraten, aber sie haben das geschluckt. Anderthalb Jahre später fand dann ein regulärer SPD-Bundesparteitag statt, auf dem der Parteivorstand einen Antrag auf Billigung der Großen Koalition einbrachte. Da war zum ersten Mal ein solches Aufbegehren in der Partei: Die Genossen wollten zwar nicht, dass die Große Koalition wieder abgeschafft wird, aber sie wollten es Onkel Herbert endlich mal zeigen. Da kam es zu drei Abstimmungen, das ging bis spät in die Nacht. Es hat dann endlich eine knappe Mehrheit für den Vorstand gegeben. Aber möglicherweise wurde auch dabei noch getrickst. Parteivorsitzender wäre Herbert Wehner nie geworden, er hat das deswegen auch nie angestrebt. Er war natürlich der Typ des heimlichen Königs, aber mehr als eine Graue Eminenz. Er war der Führer der Legionen, aber nicht der König, auch nicht der Kronprinz. Die Bundestagsfraktion war für ihn die Sturmtruppe der Partei. Im Kabinett hat sich sowieso keine Rolle für ihn angeboten; er war vor der Großen Koalition Vorsitzender des Gesamtdeutschen Ausschusses, das war damals ein politisch wichtiges Amt, und in der Großen Koalition war er Gesamtdeutscher Minister. Aber wenn es in dieser Zeit ums Machen ging, um Vorschläge, um Forderungen, ums 8

Kempski, Um die Macht, S. 126.

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Durchsetzen, dann erledigte Herbert Wehner das abseits von Ministersesseln und auch von Parteibüros in seinem Reihenhäuschen auf einem Hügel über Bonn. In Platons – von Tilo Schabert besonders geschätztem – Dialog „Politikos“ findet sich eingangs eine Passage, die sich auch auf Herbert Wehner beziehen ließe. Als heimlicher Herrscher hat er, wie geschildert, Willy Brandt zum Kanzlerkandidaten ausgerufen; er hat seine Partei regierungsfähig gemacht durch die Große Koalition und war damit ein Wegbereiter für den ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler; er war aber auch maßgeblich am Sturz Willy Brandts („Der Kanzler badet gerne lau – in einem Schaumbad“) beteiligt. Er verfügte nie über die Insignien der Macht, aber er war zumindest zeitweise mächtiger als ein Politiker, der diese Insignien trägt – eine Konstellation, die in Platons „Politikos“ erörtert wird: „Fremder: (. . .) Wer den Beherrscher eines Landes zurechtzuweisen versteht, werden wir nicht sagen, dass der, wenngleich er nur für sich lebt, die Erkenntnis hat, die der Regierende selbst besitzen sollte? Sokrates der Jüngere: Das werden wir sagen. Fremder: Aber die Erkenntnis und Kunst des wahren Königs ist doch die königliche? Sokrates der Jüngere: Ja. Fremder: Und wer diese besitzt, wird der nicht, er mag nun ein Herrscher sein oder nicht, doch seiner Kunst nach mit Recht ein Herrscher genannt werden? Sokrates der Jüngere: Billig wäre es wohl.“9

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Platon, Sämtliche Werke, Band 3, Reinbek 2004, S. 343 f.

Recollecting the Personal in Voegelin’s Political Science Barry Cooper In a letter to his friend Robert Heilman, dated 19 June, 1966, Eric Voegelin wrote from Munich to explain his most recent publication, Anamnesis.1 No one in Germany had read his books in English, Voegelin said with some irony, and because, as professor of political science and director of a political science institute, “I had to publish a book in German sometime as a sort of public obligation”, he produced Anamnesis. He also indicated he had to work through a number of problems before he could complete Order and History – the fourth volume of which would not appear for another eight years – and “most important, I wanted to experiment with a new literary form in philosophy” that, Voegelin explained, would be appropriate to express his philosophy of consciousness. Voegelin’s initial reference was to Heraclitus, “the first thinker to identify philosophy as an exploration of the psyche” or of consciousness. That exploratory mode of exegesis, which is personal without being arbitrarily subjective or idiosyncratic, remained central to philosophy ever since, though it has been “overlaid” by a secondary and derivative mode, namely “communicating the results” of the exploration.2 The results, Voegelin said, tended towards the literary form of dogmatic summary, which then may be made systematic and thus given discursive exposition in light of “given” (and thus unexamined) premises. In contrast, “original exegesis of consciousness” demands direct observation and a meditative and personal, “tracing of the structure of the psyche”. In turn, the structure of the psyche is not a given to be described by means of propositions, but a process of the psyche itself that has to find its language symbols as it proceeds. And finally, the 1

Voegelin, Eric, Anamnesis: Zur Theorie der Geschichte und Politik, München 1966. The letter is reproduced in: Embry, Charles R. (ed.), Robert B. Heilman and Eric Voegelin: A Friendship in Letters, 1944–1984, with a Foreword by Champlin B. Heilman, Columbia 2004, pp. 240–244. Subsequent quotation in the text is from this source. 2 Michael Polanyi’s Personal Knowledge: Towards a Post-Critical Philosophy, New York 1964 provides the most thorough analysis of the distinction between personal knowledge and subjective opinion.

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self-interpretation of consciousness cannot be done once for all, but is a process in the life-time of a human being. From these peculiarities stem the literary problems.

Voegelin went on to describe how various philosophers solved the “literary problems” and how his own approach was complicated by the “debris of opaque symbols” that got in the way of recovering or recollecting “the human condition revealing itself in consciousness.” The task of recovery, thus, was historical in the sense that the actual configuration of “debris” would be contingent upon the accidental contents of the “opaque symbols” and dogmas. But it would not merely be historical because any concrete recovery could not simply reappropriate, for instance, Heraclitian aphorisms, without thereby becoming abstracted from the actual or “direct” exploration of consciousness. Voegelin went on to explain that the structure of the book consisted in two meditative explorations, one at the beginning, dating from 1943, and the second, at the end, from 1965. In between were eight historical studies of political order that lead to, or culminate in, the closing meditative exploration. “Hence”, he concluded, the whole book is held together by a double movement of empiricism: (1) the movement that runs from the historical phenomena of order to the structure of consciousness in which they originate; and (2) the movement that runs from the analysis of consciousness to the phenomena of order inasmuch as the structure of consciousness is the instrument of interpretation for the historical phenomena.

The concluding section on “The Order of Consciousness” consists of a long paper the original version of which was presented in 1965 as a lecture to the German Political Science Association with the title, “Was ist Politische Realität?” What is of initial concern in the present chapter, however, is the first meditative exploration, called “Recollections”. Voegelin characterized the three chapters that followed his “In Memoriam. Alfred Schütz” as a “meditative unity”.3 The central text in terms of chronology was “Anamnesis”, twenty recollections by Voegelin that, he said, amount to an intellectual autobiography to age ten. As he wrote to the editor of the Sewanee Review in 1946 in response to a request that he publish something in that journal, The crazy thing originated in a correspondence with a friend [i. e., Alfred Schütz] on the question whether the Cartesian type of meditation is a legitimate approach to a philosophy of the mind. I denied the legitimacy on the ground that the life of spirit and intellect is historical in the strict sense, and that the determinants of mature philosophical speculation have to be sought in the mythical formation of the mind in experiences of early youth. In order to prove my point, I made anam3

Voegelin, Anamnesis, p. 17.

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netic experiments on myself and collected twenty-odd such early experiences which determined my later metaphysical attitudes. The thing is of objective importance; the autobiographical element is of little relevance. There is, however, one hitch to it. The myths of childhood are fragile, and I used for the description the only language instrument which I master myself and that is German. I would not dare to translate these pieces into English myself. But if you have somebody at hand who knows a little German and a lot of English, you can have it for translation and publication.4

In the event, first of all, Palmer did not publish the anamnetic collection, which thus did not see the light of day until Anamnesis appeared twenty years later. The meditative unity about which Voegelin wrote concerned above all the persistence of the fragile myths of childhood into the mature philosophical explorations of consciousness. This is why the strictly autobiographical elements were accidental as compared to Voegelin’s concerns at the time, namely the structure of consciousness. The balance, however, between what is relevant and what is trivial in terms of “objective importance” depends at least in part on the analyst’s concern. We know what Voegelin’s concern was and thus we know why he placed or found importance in the analysis of the structure of consciousness as illustrated by the autobiographical elements. If one’s concern is with, precisely, those elements, which necessarily would be biographical rather than autobiographical, the relative weight of the constituents might change. The way Voegelin appeared to people who were no longer children (and so not particularly enchanted by the fragile myths of childhood) though not perhaps fully mature philosophers (at least if Voegelin embodied the measure of a spoudaios, a mature person) may therefore have its own significance. That, at least, was a hypothesis that grew into a project largely on the basis of a conversation with the distinguished scholar who is honoured in this volume. In July, 1997 the University of Manchester hosted a conference on Voegelin’s work.5 At the conclusion of the conference participants were treated to an elegant reception in the English country garden of Professor and Mrs. Michael Gibbons. Several people began exchanging stories of Voegelin as a teacher both in Germany and in America. Other recollections of his life followed and Tilo Schabert said: “it would be good to have these things written down”, and indicated that I should see to it. Thanks to the resources of 4 Hoover Institution, Voegelin Papers 36/8. Voegelin to J. E. Palmer, 5 November, 1946. 5 Several of the papers were published in Hughes, Glenn/McKnight, Stephen A./ Price, Geoffrey L. (eds.), Politics. Order and History: Essays on the Work of Eric Voegelin, Sheffield 2001.

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the Earhart Foundation it was possible to collect interviews on tape and to transcribe them into a form suitable for publication. Before discussing Schabert’s contribution it may be helpful to indicate the tentativeness of the exercise of bringing the project, entitled “Voegelin Recollected”, together. The subject-matter is in some respects broad, because it includes a wide range of people with memories of Voegelin. The number of such people, however, is manageable and the focus of their recollections is upon their personal encounters with him. Once people who knew him were dead, the data would be gone irretrievably, which introduced an element of urgency because several of them were of advanced years. Moreover, the result may turn out not to be very interesting or important, which also made the enterprise something of an experiment. For example, in terms of philosophy and even of its history, it does not matter at all that Hegel had great disdain for chicory in his coffee, but it does say something about his personality. I mentioned the matter of Hegel and chicory to Paul Caringella, Voegelin’s last assistant during his time in Palo Alto, in California.6 Paul Caringella: I have this picture of Eric with a Christmas goose and a smile on his face. And that is the nearest equivalent, I think, of Hegel’s chicory. Or that he and Lissy liked to put sugar on top of their ice cream. He really had a sweet tooth. Every year Lissy would cook the goose, but he would carve it. He would go into the kitchen and bring it out, hold it up and display it to the guests with a big smile on his face. I have a technical question about the carving of the goose. There are several methods of carving a goose. One would be the standard American way of carving off the first slice of the breast, which has a great deal of skin on it so that later slices have less. Or the alternative is to slice it down the backbone and remove the whole breast and then cut it across the grain. Can you recall how he did it? I had the impression that he found a more Platonic method. I think it was described in the Phaedrus. So I think actually he cut it into smaller pieces first at the joints. I have always followed that one myself. People could go on for hours with such stories and speculations about Eric. Such questions are endless; you said you have pages of them. Well, I have lists of topics. Wow. How many topics? 6 Italics are the author’s contributions to the conversation. The other speakers are identified by name.

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I don’t know. Thousands. Read them really fast so that I can get a good stream of consciousness going. Stock market. Religious experiences. His relationship to Hegel. His view of scriptures in history and revelation. What about Plato and Aristotle? I could go on . . . The next day I spoke with Lissy Voegelin, Eric’s widow. L. Voegelin: Why are you interviewing people? Caringella: Yes, why are you doing this Barry? L. Voegelin: I thought I knew that. It is because you are writing a book. But why would one want to write a book? That was the question, and the answer . . . is not easy to give. But I will try. There are several different answers. Some of them are, I think, more significant than others. The most significant reason is to see how Voegelin thought and reflected and transmitted that to people who knew him. Everyone can read what he wrote: that’s not a problem. What is a problem is that the people who knew him directly have something to say that is not unimportant. Some of it may be trivial, like Hegel’s chicory, but that may be important too. It’s not as important as his work, but it is important because of the concreteness of specific occasions when you have an insight into something, and you get excited about it. For instance the chapter on Vico in The History of Political Ideas, was one of the turning points in his study. That was important for Voegelin. You could tell because he wrote about Vico in a way that was not just about Vico’s text, The New Science. It was not just about Vico’s words. To me, it was much warmer. It was as if it was Eric who had absorbed Vico and now was saying, “this is my experience; this is the way I see him.” And that, I think, apart from the more trivial things about his daily life, is important for science, for scholarship. But Voegelin indicated he thought otherwise. Caringella: He did. A few months before he died, and we didn’t know that he was going to die, but only that something was wrong with him, he said, “When I am going to die, here are the files, all the research and things. Put them all here in the fireplace. Burn them and throw them away. They are of no interest to anybody. What is interesting about me, if there ever was anything interesting, is in my works”. And not in his letters – that’s what he meant. Why do you think he said that? I don’t know. That was Eric.

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Because it’s startling. I also spoke to Helen Trimpi, a poet and critic and friend of Voegelin’s at Stanford. Something has come up a couple of times in conversation with people who knew Voegelin: his devotion to philosophy or science. Someone said that he saw himself under divine judgement every time he put pen to paper, and he had to get it right. That would make life interesting. In contrast, it’s very hard to know what this project, “Voegelin Recollected,” will produce. What do you want to report of someone who, on the surface, looks like a great professor, a towering thinker. I don’t think that’s it, I don’t think that’s it at all. I think it’s his spirit, his spirituality, which was so diffuse that it was present in his waking consciousness all the time. Because it was always present, anecdotal events are illustrative. Helen Trimpi: He was such a great presence as a person. It wasn’t just the page. The page leads you into wanting to know him. Then after you knew him, the page was still there. Everything he wrote was there, but he was also a great presence as a person. He could not open his mouth without being interesting; he just was. And you know, I never saw him anything less than completely there. Relatively early in the project I spoke with Ellis Sandoz, whom Voegelin supervised in Munich and who established the Eric Voegelin Institute at Louisiana Sate University. I asked him: Voegelin’s relative silence with respect to his own formation is puzzling. There are the Autobiographical Reflections, but they’re more a narrative by you than a meditation by him, and the twenty short “anamnetic experiments”, as Voegelin called them deal only with childhood. Yet in order just to read, let alone write essays such as “Wisdom and the Magic of the Extreme”, a certain amount of spiritual stamina is needed. He relied on a kind of experience that he doesn’t describe outside his commentary on the texts, but always his personality was engaged. Ellis Sandoz: He thought the truth he was serving would not be served unless he responded. There was this responsiveness that he talks about in revelation and he sees it also in the philosophers, as being a responding to truth. But this is also autobiographical, to a degree. The only consciousness we have, as he tells us, is our own. So we have to work with it. In the course of the interrogations I spoke as well with Schabert, whom I have known since the 1970 meeting of the American Political Science Association at the Palmer House, Chicago. Schabert has provided a considered account of Voegelin’s “intellectual studio” and of his own admission to it;

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our conversation, however, remained more personal.7 I asked him, first, how he came to hear of Eric Voegelin. Schabert: In Munich, in ’63, I consulted the list of lectures in political science being given. And there were only two professors – Voegelin and Hans Meyer. I had been told about Voegelin, and so I went to the lecture course. I was immediately attracted [. . .] I dropped Meyer’s lecture course in philosophy on Hegel, Marx and Rousseau. Voegelin kept my whole attention. First of all, I think it was a religion I shared with other students at the time in Munich, because of his very strange ritual of someone talking in a very serious way, being serious, being earnest on the one hand, but on the other hand, someone full of irony and amusement and mockery. You had the experience of someone sharing the wealth of his thoughts. Voegelin had, of course, spent considerable time in America, first as a young man in the 1920s and then as a refugee from National Socialism. This was reflected, Schabert observed, in his style of teaching and lecturing. He walked around, and that is un-German, a good German would speak behind his podium; I mean, there’s a famous picture of Hegel sticking his head from behind it, and even today people would do it, that kind of way. And Voegelin, particularly when he walked around to get his point across, had a fascinating body language. He was attractive as a person. And he would put his hand in his suit, up here, and in a very gracious way, like a dancer. Then he would make these nasty and ironic remarks, you know. It was a performance. And he would walk up and down aisles. He would see things and address the people. Particularly when he had some ironic, sharp point to make, he would turn around – like a dancer – and he would make a kind of pause, in order to enhance the effect, and then he would throw the bomb. It was a performance, really a performance. I think it was very American. So he was the kind of “great professor” I was thinking about it. He appealed to my sense of youth, to my sense of irony, to my sense of entertainment, of performance. That was a very attractive feature of Voegelin. Even in the performance of a lecture Voegelin illustrated the perennial tension, which on occasion could escalate into a conflict, between the city and its conventions, and the philosopher. On several occasions Voegelin discussed with Schabert his situation as an outsider or, as Voegelin’s friend Schütz described it, as a stranger.8 7

Schabert, Tilo, “Eric Voegelin’s Workshop”, paper presented at the 2004 meeting of the American Political Science Association and available in Spanish as El Taller de Eric Voegelin, Revista de Estudios Polítikos, 131 March, 2006, pp. 5–21. 8 See Schütz, Alfred, The Stranger: An Essay in Social Psychology, in: Alfred Schütz, Collected Papers, vol. II, Studies in Social Theory, ed. Arvid Brodersen, The Hague 1964, pp. 91–105.

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Schabert: In one of our conversations, he talked about the cultural and political milieu, and he exchanged names and information and so on. And, at one point during this conversation, he told me, “I never penetrated this milieu, really. I never really penetrated this. I never got so far into it that I became an insider.” It was also clear that Voegelin was highly ambivalent about “the milieu”. Schabert: On the one side, after living in America, he was profoundly American. But, deep in his soul, there was also the idea of the great Continental professor, you know, corresponding to the great professors in Vienna – with public influence, and great standing, something you don’t have in the United States, someone always with this high status, and some kind of demi-god, which doesn’t exist in the United States. Whereas, in a German chair at the university, at least in the old universities, you were a demi-god. And Voegelin, to some extent, wanted to be a demi-god. Up to the end of his time in Munich he was divided and had to reconcile in his life between two Voegelins: Voegelin, the ordinary American professor, LSU, giving undergraduate classes, and so on. And on the other hand, the demi-god. That is very hard to reconcile all the time. The complication that Voegelin quickly realized was that he wasn’t really a demi-god. He was a demi-god for the students, but not for the milieu. Because they very quickly realized that he was not part of the social body. He had great chances: he was “in”, he was accepted, he had all kinds of support, but he also felt very early that he would never be part of it. Voegelin was not especially distressed by his ambivalent position. No philosopher is. Along Maximillianstrasse in central Munich several statues have been erected. Schabert: Once we advanced to the statue of Schelling. This is an intellectual anecdote, which explains a great deal, I think. There is this picture in my mind of seriousness and irony. So. There are these statues and on the base of the one of Schelling it says “Schelling der Große Philosophe”. Voegelin found this very amusing. Obviously one must be great, otherwise there would be no statue for you, right? So, why der Große? On the other hand, the fact that the people had put der Große Philosophe, of course, reveals the ordinary person didn’t have a clue who Schelling was. Of course, in order to admire, you just can write “Schelling”. But you must write “der Große Philosophe” if you are an ignoramus so then you can know whom you are admiring. With the Schelling statue you had to underline that he was famous, otherwise people didn’t know that he was famous. Then, Voegelin would stand there and look and grin and say, “well [. . .]” I was struck by a kind of amazement about his innocence at the extent of popular ignorance, which was also ironic. He reserved the possibility of being aston-

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ished. But, like a youngster, as someone with a slightly mischievous attitude. Or maybe not so slight. The ambivalence of being a demi-god, who was also ordinary, of being a stranger who was celebrated, was in the end balanced by Voegelin’s homecoming to America, which was not the home of his birth, and of his leaving both Germany, which was the home of his birth, and his pupils behind.9 Schabert: He left in 1969. I remember very well the experience at the airport. It was a cold, cold, grey winter day, after weeks of grey, drizzling, cold, depressing rain. It was late February. His wife had already left, and all, or most, of his more devoted students met together in the airport to say goodbye. We wanted to say something meaningful, but there was just small talk, but with a few meaningful reminders. I remember very well that he shook hands with everyone, but he was very serious with Hedda Herwig, and very emotional, which surprised me very much. It’s probably why I can remember it so well. And I think we got the very distinct feeling that he was departing bodily, but not spiritually, that he would stay with us. But bodily, he didn’t stay with us, and he left very quickly. My overwhelming feeling after I took the bus home, when I was alone, was that I had been abandoned; it was a deep feeling of abandonment. As it turned out, of course, that the politics and the power in the University and in the Institute had shifted, but we were still there. So all the jealously, even the hate, that Voegelin had accumulated over the years was now unburdened not on him, but on the students he had left. He was also of two minds: on the one hand, he was proud of his students, his school, this group of young people, some brilliant people. But on the other hand, of course, he also had his need to develop his own work. Perhaps when he came to Munich he thought he could come back to Vienna, so to speak. But if so, that was a mistake. He didn’t come back to Vienna. So he went back to America, and felt that he was back home. He felt liberated to be back home, and also liberated from these nasty, bureaucratic conflicts in Munich. Voegelin’s return to America was also a return to political science, to philosophy. Chronologically, these were Voegelin’s twilight years; intellectually they were years of great productivity and of new projects – most notably “Volume Zero”, as his students in Munich playfully referred to his awakened interest in prehistoric and Paleolithic monuments and symbols. “Volume Zero”, the never-written prelude to Order and History, as with the recollections of childhood, would have dealt with experiences and realities even more fragile than those of childhood. As Aristotle, the model of every 9

See Schütz, The Homecomer, in: Schütz, Collected Papers, II, pp. 106–119.

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subsequent spoudaios, is reported to have said of his own old age, the philosophos grew increasingly to be a philomythos. So too with Voegelin: the recollections of “Volume Zero”, which Schabert first brought to my attention, would be necessarily a fragile, personal meditative exploration and discursive philosophy.

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I. Vorbemerkung: Erinnern – Wiederholen – Durcharbeiten vor Freud Im Jahr 2006 feierten wir nicht nur den 150. Geburtstag des österreichischen Juden Sigmund Freud (1856–1939) aus dem mährischen Freiberg, dessen Wissenschaft, wie viele meinen, nur in Wien entstehen konnte, der im Londoner Exil mit einem deutschen Pass starb und dessen Weltmission ganz wesentlich in Deutschland ihren Ausgang hatte. Wir feierten 2006 auch den 100. Todestag des norwegischen Dichters Henrik Ibsen (1828–1906), der wie einer seiner Helden – Peer Gynt – der soziokulturellen Enge seiner Heimat entfloh und 27 Jahre seines Lebens im Ausland verbrachte, in München, Dresden, Gossensass, in Sorent und Rom, gleichwohl ohne seinen norwegischen Hintergrund nicht interpretierbar ist. Die norwegische Hauptstadt hat ihn dadurch gestraft, dass eine Debatte über die Benennung einer Straße nach diesem Weltautor erst aufkam, als sein hundertster Todestag sich zu jähren begann – seit Oslo am Ende des vorigen Jahrhunderts zur Boomtown wurde, war es allein ein Parkhaus, das nach ihm benannt worden war. Ibsen ist, wie immer wieder festgehalten wird, nach Shakespeare der weltweit am meisten gespielte Dramatiker; Alfred Kerr nennt ihn den „wahrscheinlich exakteste(n) Dramentechniker, den die Litteratur aller Zeiten hervorgebracht.“2 Er ist sicherlich der Dramatiker, der uns am deutlichsten vor Freud die prägende Bedeutung von „Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten“3 vorgeführt hat. Wer hat eindrücklicher die Präsenz der 1 Dieser Beitrag geht zurück und ist eine erheblich erweiterte Überarbeitung zweier früherer Aufsätze: Henrik Ibsen und seine Zeit, in: Stadttheater Aachen, Programmheft zu Gespenster, 1986, S. 17–21; sowie Hedda Gabler und die Wiedergänger der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, in: Ortrud Gutjahr (Hrsg.): Nora und Hedda Gabler, Würzburg 2005, S. 81–93. 2 Kerr, Alfred, Ibsen, in: Die Nation. Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Litteratur. 1898:15 (S. 368–370), S. 368. 3 Freud, Sigmund, Erinnern, wiederholen und durcharbeiten (1914), in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 10, Frankfurt/M. 61973, S. 126–136.

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Vergangenheit in der Gegenwart analysiert als Ibsen? Mit anderen Worten: Wer war politischer als Henrik Ibsen? Peter Szondi hat ihn dafür gerügt und ihn als Repräsentanten für die „Krise des modernen Dramas“ genommen; Ibsens Technik wäre eine epische, keine dramatische.4 Das letzte Stück des Norwegers – danach war er abgearbeitet –, hat den bezeichnenden Titel „Wenn wir Toten erwachen“. Mit seiner geradezu freudschen Antwort auf diesen Titel umschrieb er in etwa sein Lebensmotto: „Wir sehen, dass wir niemals gelebt haben“.5 Zur Vollständigkeit wäre aber noch ein weiterer Skandinavier zu nennen, wenn es um die Aufarbeitung der Vergangenheit in der Gegenwart, um die Präsenz gesellschaftlicher und kultureller Fragen in den existentiellen gehen soll – mithin um politische Fragen. Der ohne ein klassisches Bildungsgut aufgewachsene Ibsen hat es immer in Abrede gestellt, wer sich aber eingehender mit seinem Werk beschäftigt – und hier insbesondere mit seinem dramatischen Gedicht „Brand“ von 1866 –, dem wird die Abhängigkeit des norwegischen Dramatikers von dem dänischen Philosophen Søren Kierkegaard (1813–55) ins Auge springen.6 Kierkegaards Erinnerungsarbeit geht weit über die Dimensionen Ibsens hinaus, sie umfasst die ganze Menschheit, wo Ibsen das Individuum und seine gesellschaftliche Einbettung zum Gegenstand hatte. Kierkegaard und Freud verbindet nicht nur der Beruf der Väter, die beide Wollwarenhändler waren und es zu einem gewissen Wohlstand brachten – im Falle Kierkegaards sogar zu einem beträchtlichen: der Sohn konnte davon noch sehr anständig leben. Beiden Vätern widerfährt eine von den Söhnen intensiv nachempfundene Bagatelle, die sich für diese zu einem traumatisierenden Eindruck verdichtete. Ich meine zum einen jene Szene, in der Freuds Vater auf offener Straße der Hut vom Kopf geschlagen wird und dieser sich danach demütig in den mährischen Schlamm bücken 4 Szondi, Peter, Theorie des modernen Dramas. 1880–1950, Frankfurt/M. 1963, S. 22–31. 5 Ibsen, Henrik, Wenn wir Toten erwachen, in: ders., Sämtliche Werke in deutscher Sprache, hrsg. von Georg Brandes, Julius Elias, Paul Schlenther, 10 Bde. Berlin 1898–1904, Bd. 9, S. 237. 6 Ob Ibsen von Kierkegaard oder von Hegel beeinflusst ist, ob er in des einen oder des anderen Licht zu interpretieren ist, hat Rezeptionsfolgen: Die Ibsenforschung der DDR konnte mit Kierkegaard nichts anfangen, war dann aber auch genötigt festzustellen, dass „sich in Ibsens Werk subjektive Sicht objektiver Widersprüchlichkeit durchgesetzt hatte“, er habe sich nicht „zum Sprecher der Arbeiterklasse gemacht“. Der Westen entschied sich für Kierkegaard, der Osten für Hegel. Bernhardt, Rüdiger, Henrik Ibsen und die Deutschen. Berlin 1989, S. 14 f. – Zwei umfangreiche Studien stellen eine Ausnahme dar: Christensen, Erik M., Henrik Ibsens realisme: Illusion, katastrofe, anarki, 2 Bde, Kopenhagen 1985 und ders., Henrik Ibsens anarkisme: De samlede værker, 2 Bde, Kopenhagen 1989.

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musste,7 zum anderen die kierkegaardsche Entdeckung der sexuellen Verfehlung seines Vaters: der Sohn musste feststellen, dass der Vater nach dem Tod seiner Ehefrau noch im Jahr der Trauer mit einer anderen, einem Dienstmädchen, Verkehr gehabt hatte, ihr erstes Kind wurde fünf Monate nach der Hochzeit geboren.8 Diese biografischen Übereinstimmungen sind sicherlich banal, wenn dahinter nicht ein geistiger Kosmos sich ausweiten würde, der auf die Kongruenz der beiden verweist. Psychoanalytisches Denken zieht sich durch die abendländische Ideen- und Geistesgeschichte hindurch. Vor Freud war aber niemand so umfassend und klar analytisch geprägt wie Kierkegaard, vielleicht nach ihm Ibsen, der es immerhin zu dem Beinamen „Freud des Nordens“ gebracht hat;9 Alfred Kerr erfindet für ihn den Beinamen „Seelenbergmann“10. Dass wir den Psychoanalytiker Freud feierten und nicht den Psychoanalytiker Kierkegaard liegt, jenseits der „kleinen“ dänischen Sprache, die ihm zur Verfügung stand, daran, dass ihm das Differenz-Vokabular fehlte. Kierkegaard bediente sich der tradierten (theologisch-philosophischen) Wissenschaftssprache. Immerhin, er schrieb den kleinen Roman „Die Wiederholung“ 1842 in Berlin, „Erinnern“ heißt bei ihm Schuldbekennen, natürlich christlich-theologisch konnotiert, und am „Durcharbeiten“ ist er schließlich zugrunde gegangen – nach einem Zusammenbruch auf offener Straße ist er wenig später, nur 42jährig, gestorben. Freud hingegen erfand neue Begriffe zu seelischen Problemen, konnte sie also benennen und ihnen damit Wirklichkeit verleihen. Von Søren Kierkegaard stammt die weitest reichende Kritik an der hegelschen Systemphilosophie – eben weil er sich dem Leben verschrieben hatte, der Persönlichkeitsphilosophie. Für Kierkegaard zählte der Einzelne – „hiin Enkelte“.11 Diese Tradition gab es in Skandinavien bereits vor Kierkegaard, nach ihm wurde sie zur bestimmenden Denkrichtung, die unsere Nachbarn davor bewahrte, den großen Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts zu verfallen. Die angelsächsischen und die skandinavischen Länder zeichnen aus, dass sie – im Gegensatz zum kontinentalen Europa – den ideologischen Mas7 Gay, Peter, Freud. Eine Biographie für unsere Zeit, Frankfurt/M. (1989) 2006, S. 20f. 8 Vgl. Garff, Joakim, SAK. Søren Aaby Kierkegaard. En biografi, Kopenhagen 2000, S. 4ff. 9 Kott, Jan, Über Ibsen. Der Freud des Nordens, in: Schauspiel Köln, Programmheft zu Gespenster, 1984, S. 7–45 (Nachdruck aus: Theater heute Nr. 12, 1979). Vgl. auch Kesting, Hanjo, Am Anfang der Moderne. Henrik Ibsen nach hundert Jahren, in: Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte Nr. 5, 2006, S. 68–71. 10 Kerr, Ibsen, S. 368. 11 Kierkegaard, Søren, Samlede Værker, Bd. 8, Kopenhagen (1847) 1926.

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senbewegungen des 20. Jahrhunderts gegenüber immun blieben.12 Hier hat man frühzeitig gewusst, in welche Irrungen das deutsche systematische Denken der Kants, Hegels, Schellings, letztlich der Marx’ führen wird. In diesem Sinne ist Søren Kierkegaard ein paradigmatischer Homo Politicus Scandinavicus. Der Dramatiker Ibsen war es nicht minder – seine Gesellschaftsdramen, seine Briefe, seine Reden zeigen ihn als einen Zeitgenossen, der vor allem eines besaß: Common Sense im angelsächsischen, also politischen Sinne. Ihn in diesen Zusammenhang zu setzen, ist Absicht der folgenden Seiten. Sehen wir uns das Material näher an, zunächst das norwegische.

II. Von der Herrschaft I: Die Pastoren Ibsens „Politik“ ist zeitgenössisch, sie ist europäisch.13 Seine Erfahrungsgrundlage ist gleichwohl norwegisch. Welches sind deren Strukturen und Bestimmungsfaktoren, die Ibsen selbst durchlebt und durchlitten hatte? Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war nicht daran zu zweifeln, dass die Kirche das geistige Zentrum des Landes war, eines Landes, dessen Bevölkerung so gut wie ausschließlich protestantischen Glaubens war; „Freidenker“, Juden, Quäker, Mormonen, Katholiken gab es nur in geringer Zahl. Erst ab 1845 mit den „Dissentergesetzen“ und ab 1851 mit einer Verfassungsänderung erhielten diese Minderheiten mehr Rechte (bzw. diese erst überhaupt).14 Stand die Kirche in der geistigen Mitte, so war der Pastor das personifizierte Zentrum; er unterrichtete in der Schule, er gab den Konfirmandenunterricht, war zuständig für die Rituale und Symbolhandlungen in der Gemeinde, er war der Verkünder des wahren – evangelischen – Glaubens. Er war aber vor allem auch deshalb Respektsperson, weil er häufig der einzige Beamte war, mit dem das gemeine Volk Kontakt und zu tun hatte: Der Pastor war der Standesbeamte, das Einwohnermeldeamt, ja er hatte beispielsweise die verordnete Pockenimpfung der Kinder zu überwachen. Mit dem Pastor vereinen sich also geistliche und weltliche Autorität, und diese Autoritäten waren nicht zu trennen; Respektspersonen in dieser dop12 Vgl. Henningsen, Bernd, Die Politik des Einzelnen. Studien zur Genese der skandinavischen Ziviltheologie, Göttingen 1977. 13 Mit Toril Mois Studie „Ibsens modernisme“ (Oslo 2006) liegt zum ersten Mal eine umfangreiche Analyse vor, mit der Ibsen in den geistes- und sozialgeschichtlichen europäischen Kontext gestellt wird. 14 Zum Folgenden siehe u. a. Semmingsen, Ingrid u. a. (Hrsg.), Norges Kulturhistorie, 8 Bde, Oslo 1979–81, Bd. 5. Oslo 1980, S. 195–218. – Rothholz, Walter, Die politische Kultur Norwegens. Zur Entwicklung einer wohlfahrtsstaatlichen Demokratie, Baden-Baden 1986 (= Nordeuropäische Studien Bd.1).

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pelten Weise musste es sein Interesse sein, hieran auch nichts zu ändern. Die Staatskirche, bei der das Oberhaupt des Staates (also der König) auch Oberhaupt der Kirche war (und noch heute ist), setzte sich somit bis in die entlegendsten Winkel des weiten, unzulänglichen Landes fort – einen „weltlichen“ Beamten gab es nicht überall, einen Pastor schon. Nicht nur auf dem Lande (aber dort natürlich besonders) standen die Pastoren in der sozialen Hierarchie weit über ihren Schafen. Aufgrund ihrer einmaligen, herausragenden Stellung war es selbstverständlich – Schriftgelehrte in geistlichen und weltlichen Dingen, die sie waren – dass die Pastoren auch Aufgaben erfüllten, die am Rande ihres Berufsfeldes lagen, von denen gleichwohl Macht, Einfluss und Ansehen auf sie übergingen: die organisatorische und juristische Betreuung von Kinderheimen und Armenhäusern etwa. Auch wenn ihnen kaum jemand ernsthaft ihre Rolle und Position streitig machen konnte und wollte, so fürchteten die Pastoren über die Maßen jede Regung von „Laien“, die sich in ihre Glaubensverkündung einmischten. Diese Bewegungen „von unten“ gab es in der Tat: Für Norwegen sind sie eindrucksvoll mit dem Namen Hans Nielsen Hauge (1771–1824) verbunden, der binnen weniger Jahre und über seine Lebensdaten hinaus eine erweckte Massenbewegung aktivierte. Seit Hauge hatten im 19. Jahrhundert pietistische Erweckungsbewegungen Konjunktur (etwa die „Herrenhuter“), die – innerkirchlich! – gegen Rationalismus, gegen orthodoxes Luthertum angingen und die Individualität des einzelnen Gläubigen in den Mittelpunkt ihrer Verkündigungen stellten. Auf ihren Versammlungen wurde gebetet, gesungen, gelesen, ja diskutiert – letzteres ist die unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren einer freiheitlichen Demokratie. Und so haben die Erweckungsbewegungen ihre enorme politische und soziale Bedeutung darin, dass sie am Vorabend der Demokratie den unteren Schichten (Bauern, Landarbeitern, Häuslern, Gesinde) das Lesen und das Debattieren beibrachten. Nicht umsonst wurden die Schriften der Erweckten von der Obrigkeit und den Pastoren gefürchtet: sie propagierten die Individualität, die Eigenverantwortlichkeit des einzelnen. Es gab in der norwegischen Gesellschaft also durchaus einen traditionell individualistischen Humus, auf dem Ibsen seine Gesellschaftskritik gründen konnte.

III. Die Doppelmoral der Epoche: Osvald Das ausgehende 19. Jahrhundert ist als Epoche des „Viktorianismus“ in die skandinavische Kulturgeschichte15 eingegangen: Gemeint ist die vom 15 Zum Folgenden siehe: Semmingsen u. a. (Hrsg.), Norges Kulturhistorie, Bd. 5, S. 117–138.

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Bürgertum und, insbesondere im norwegischen Falle, vom Beamtentum gepflegte Doppelmoral gerade in sexueller Hinsicht. Hatte für Frauen die Unberührtheit bis zur und die Treue in der Ehe ganz fraglos zu gelten, so betraf dies die Männer nur theoretisch. Es war gesellschaftlich durchaus geduldet, dass die jungen Herren sich ihre sexuellen Erfahrungen kauften oder aber mit den Dienst- oder Kindermädchen (erste) sexuelle Kontakte hatten. Vor diesem Hintergrund darf es nicht verwundern, dass – hinter vorgehaltener Hand selbstverständlich – der Gang ins Bordell für die verheirateten Bürger so verwerflich nicht war: Der Skandal musste allerdings unterhalb der Schwelle des Öffentlichen bleiben, die Nacht der Herren im Boudoir und ihre Folgen in „Hedda Gabler“ machen dies überdeutlich. Übrigens wurde in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Skandinavien eine erbitterte literarische Schlacht um die Sexualmoral geführt, an der alle Intellektuelle, die auch heute noch über die skandinavischen Grenzen hinweg bekannt sind, teilgenommen hatten und sich schwere Verwundungen zufügten, an der Freundschaften auf ewig zerbrachen. Es ging um die Unberührtheit der Frau und des Mannes vor der Ehe, um die Treue in der Ehe.16 Das seinerzeit viel gespielte (und gelesene) Schlüsseldrama, dessen Titel zum Synonym für die Doppelmoral wurde, Bjørnstjerne Bjørnsons „Ein Handschuh“, ist heute außerhalb Skandinaviens vergessen, es wartet auf eine aktuelle Wiederentdeckung. Zu Beginn der neunziger Jahre nahm ein Arzt an, dass drei von vier Männern in Christiania, wie Oslo damals hieß, sich früher oder später die Gonorrhö erwarben. Um 1850 gab es in der Stadt 15 bis 20 Bordelle; bis in die siebziger Jahre sank die Zahl auf etwa zehn „Hurenhäuser“, stattdessen hatten sich „öffentlich private Prostituierte“ und „heimlich private Prostituierte“ vermehrt; erstere waren der Polizei bekannt und registriert. Wir können „Hedda Gabler“ entnehmen, dass Ibsen diese gesellschaftliche Realität sehr wohl bewusst war. Der Polizeiarzt schätzte 1879 auf rund 550 heimliche Prostituierte, die sich ganz oder teilweise von ihrem Gewerbe ernährten; rechnet man die „öffentlichen“ hinzu, so gab es 750 bis 1.000 Huren in Christiania – diese gegenüber 610 Pastoren für das ganze Land und bei einer Population Christianias von ca. 35.000 Männern im Alter von 16 bis 60 Jahren und etwa 40.000 Frauen, eine je nachdem verblüffend oder erschreckend hohe Relation. In der Altersgruppe 31 bis 40 war jede dritte Frau unverheiratet und etwa jeder vierte Mann. 25 Prozent der „heimlichen“ Prostituierten waren unter 18 Jahren, nur wenige über 25. Sie verdienten bis zu 100 Kronen in der Woche, eine Bordellprostituierte 20 bis 30 Kronen 16 Bredsdorff, Elias, Den store nordiske krig om seksualmoralen. En dokumentarisk fremstilling af sædelighedsdebatten i nordisk litteratur i 1880’erne, København 1973.

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(Umsatz); demgegenüber betrug der Wochenlohn einer Spinnereiarbeiterin acht bis zehn Kronen, eine Haushaltshilfe hatte 75 bis 100 Kronen jährlich (ohne Kost und Logis).

IV. Von der Herrschaft II: Der Kammerherr Bis 1814 war Norwegen, was in Kopenhagen nicht gerne gehört wurde (und wird), eine Kolonie Dänemarks – auf jeden Fall wurde das Land seit 1397 von Kopenhagen aus regiert. Wer etwas werden wollte, musste in die Hauptstadt des Reiches, erst 1811 wird in Christiania die norwegische Universität gegründet und eingerichtet. 1814, im Frieden von Kiel nach den napoleonischen Kriegen, wurde die Doppelherrschaft aufgehoben, Norwegen in Personalunion mit Schweden vereint, diese erst 1905 friedlich aufgelöst. Bei dieser, von norwegischer Seite nur widerwillig eingehaltenen Vereinbarung wurden Außen- und Kriegspolitik in Stockholm gemacht; innenpolitisch genossen die Norweger relativ große Freiheiten, die ihnen ein eigenes Parlament und ab 1884 auch den Parlamentarismus gestatteten. Das ganze 19. Jahrhundert hindurch sind das politische, das gesellschaftliche und das kulturelle Leben Norwegens vom Drang zur Unabhängigkeit von Stockholm geprägt17 – mir ist jedoch kein Drama Ibsens bekannt, in dem diese Auseinandersetzungen markant in die Handlung und ihre Hintergründe hineinreichen. Diese politischen Konflikte erspart er uns. Im Gegensatz zu Bjørnstjerne Bjørnson (1832–1910) mischt er sich auch in die aktuelle Tagespolitik nicht ein, seine Politik ist hintersinniger. Mit dieser Geschichte fremder Herrschaft über das Land entwickelte sich in Norwegen kein eigener Adel, seine dänischen Überreste werden mit ihren Privilegien 1821 vom Parlament abgeschafft,18 ihn gibt es bis heute nicht. Norwegen ist eine Monarchie ohne Adel. Die herrschende Schicht ist nicht der Adel, die Mandarine des Landes sind die Beamten. Sie verwalten das Land aber nicht nur, sie regieren es: Sie hatten Vertrauenspositionen inne, sie saßen im Parlament (im 19. Jahrhundert stellten sie fast die Hälfte der Abgeordneten), auf regionaler und lokaler Ebene waren sie die entscheidenden Personen. Die Beamten (und die Juristen) waren der gesellschaftliche und kulturelle Kitt, der das Land zusammenhielt: 1845 waren es etwa 2.000, 1875 etwa 2.300 Personen – rund 1,5 Promille der Bevölkerung.19 17 Vgl. etwa Sørensen, Øystein, Kampen om Norges sjel 1770–1905, Oslo 2001 (= Norges Idéhistorie, Bd. 3). 18 Bull, Edvard, Sozialgeschichte der norwegischen Demokratie, Stuttgart 1969, S. 9. 19 Siehe u. a. Mykland (Hrsg.), Norges Historie, Bd. 11, S. 324 f.

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Wer es in dieser Gesellschaft zu etwas bringen wollte, der musste Beamter werden: Das gilt für den Assessor Brack, das gilt für Jørgen Tesman, der nicht nur davon träumt, Professor zu werden – Staatsminister zu sein, traut er sich auch zu; nicht zuletzt aber gilt das auch für Ejlert Løvborg. Da sind soziale und kulturelle Anpassungsleistungen verlangt! Nicht zuletzt verdankten diese Beamten ihre herausragende Stellung innerhalb der Gesellschaft ihrer relativen ökonomischen Unabhängigkeit. Sie verdienten, verglichen mit ihren ausländischen Kollegen und auch verglichen mit ähnlichen sozialen Schichten verhältnismäßig gut, allerdings ohne Renten- und Pensionsansprüche. Und sie waren eine homogene Schicht: Man hielt zusammen, heiratete nicht außerhalb seiner Klasse, Söhne ergriffen die Berufe der Väter oder zumindest verwandte – ein Offizierssohn wurde häufig Pastor und umgekehrt.20 Die Situation auf dem Lande unterschied sich häufig von der in der Stadt. Hier konnten pensionierte Offiziere schon eher mit Verwaltungs- und Beamtenaufgaben betraut werden. Auf dem Lande nahmen aber auch in der Regel die Pastoren administrative Aufgaben wahr. Insbesondere zwischen Weltlichem und Geistlichem waren viele Bereiche angesiedelt, in denen sich die Pastoren engagierten: Sie waren nach dem Gesetz die Vorsitzenden der selbständigen Schul- und Armenkommissionen; sie waren häufig in der Gemeindepolitik die Wortführer. Auch wenn der „Kammerherr“, eines der Gespenster in den „Gespenstern“, eine zum Hofe gehörige Person dekorierte, so war mit diesem verliehenen Titel kein Adelsrecht verbunden; der Kammerherr hatte niedere Verwaltungsaufgaben zu erledigen (er konnte etwa die Steuern eintreiben oder Handelsprivilegien genießen) – seine Mitgliedschaft im Beamtencorps ist also eine Kann-Bestimmung, eine Auszeichnung ist der Titel allemal.

V. Das soziale Gesicht Norwegens: Engstrand Nach den Zählungen von 1875 und 1891 übten weit mehr Menschen in Norwegen einen handwerklichen Beruf aus, als es Industriearbeiter gab. 1845 waren 25.000 Handwerker registriert, 1891 über 75.00021 – sie sind es, die zahlenmäßig aber vor allem auch ideologisch die Grundlage der norwegischen Arbeiterbewegung bildeten (die sozialdemokratische Partei wurde 1887 gegründet, der Gewerkschaftsdachverband 1899); sie brachten von ihren Wanderungen in Deutschland und Dänemark die sozialistischen Ideen mit, sie organisierten sich als erste. 20 Vgl. zur vorgenannten sozialen Zusammensetzung der norwegischen Gesellschaft Bull, Sozialgeschichte, S. 9–21 und passim. 21 Mykland (Hrsg.), Norges Historie, Bd. 11, S. 227 f.

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1866/69 wurde der Zunftzwang aufgehoben, das Handwerk in die gewerbliche Freiheit entlassen.22 Es gab von nun an keine Vorschriften mehr für die Ausübung eines Handwerks, jedermann konnte ohne Berufsausbildung oder Prüfung einen Handwerksbrief erhalten. Damit war aber auch für diejenigen, die Kapital besaßen, die Möglichkeit/Voraussetzung geschaffen, handwerkliche Berufe auf fabrikmäßiger Basis ausüben zu lassen – dies war früher verboten. Die neuen Gesetze eröffneten für Groß- und Kleinunternehmer, wie für geschickte Praktiker weite Betätigungsfelder; sie zerstörten aber auch (was vorher schon in Auflösung begriffen war) die traditionelle Ordnung des zünftigen Handwerkerwesens mit ihren Qualitätsnormen, Arbeitsvorschriften und paternalistischen Rechten und Pflichten in einer hierarchischen Struktur von Lehrling, Geselle und Meister. Dies galt aber nur für die Hälfte der Menschheit, die männliche.

VI. Soziale Abgründe: Frau Alving Das Sozialwesen Norwegens war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ausschließlich ein Armenwesen, ergänzt durch private Unterstützungskassen etwa der der Zünfte für die je eigenen Mitglieder.23 1845 wurde dann ein Armengesetz verabschiedet, dessen Geist in allen skandinavischen Ländern aufzuspüren ist und der sich bis in die politische Wirklichkeit des modernen Wohlfahrtsstaates erhalten hat: Jedermann, der in Not geraten ist, hat das Recht auf staatliche Unterstützung. In jeder Gemeinde wurde eine Armenkommission eingerichtet, der der Pastor vorstand und die die Bewilligungen aussprach. 1863, als der soziale und politische Wind auch in Norwegen wieder etwas rauer wehte, wurde ein neues Armengesetz verabschiedet, das das alte einschränkte und das „arbeitsfähige und gesunde Leute“ vom Unterstützungsrecht ausschloss, Menschen also, die wir heute als arbeitslos bezeichnen würden. Der Hintergrund für diese Einschränkung ist der, dass Arbeitslosigkeit als Arbeitsunwilligkeit interpretiert und noch nicht im Zusammenhang des Wirtschaftslebens und -systems erkannt wurde. – Gegen Ende des Jahrhunderts erhält dann Norwegen nach deutschem, bismarckschen Muster ein modernes Sozialwesen, gegründet auf dem Versicherungsprinzip. Der Paternalismus auf dem Lande hielt sich lange; eine benevolente Obrigkeit, Gutsherren, Hofbesitzer, Oberschichtenrentiers oder Geistliche sorgten durchaus auch im Sinne der christlichen Nächstenliebe für in Not Geratene. Armen- und Sozialhilfe waren in diesem Falle kein Anrecht, sondern aus einem inneren Impuls heraus (in der Regel uneigennützig) gegeben; 22 23

Ebd., S. 231 f. Zum Folgenden siehe ebd., S. 351 ff.

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„Pietät“ gebot diese Hilfe nach den Regeln der Wohltätigkeit. Man unterschied in ‚würdige‘ und ‚unwürdige‘ Arme. Ersteren musste geholfen werden aus Gründen der Pietät oder wegen des Zusammengehörigkeitsgefühls der Sippe; es waren vor allem Kinder, Alte, Kranke, Behinderte, die unverschuldet verarmten. Die zweite Kategorie beschäftigte die Zeitgenossen vor allem, weil ihre Zahl rapide zunahm im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Sie hatten keine Arbeit, obwohl – und das war für die Zeit unvorstellbar – sie gesund und arbeitsfähig waren; es mussten „innere“ Gründe für ihre Armut vorliegen, mit ihrer „Moral“ konnte es nicht zum Besten stehen. Nur wenige, wie etwa Hans Nielsen Hauge oder der Dichter Henrik Wergeland (1809–45) diagnostizierten eine „Weisheit des Bösen“ oder die „Gleichgültigkeit“ der großen Arbeitgeber“. Nach Lösungen wurde nicht in der Gesellschaft gesucht, sondern bei den „Unwürdigen“ selbst, ihrer „Moral“, die „Arbeitshäuser“ wurden errichtet und bevölkert; die „Erweckten“ fanden hier ihre Klientel. Die skandinavische Bevölkerungsexplosion im 19. Jahrhundert, die sich aufgrund sinkender Sterblichkeitsziffern ereignete (bessere Hygiene, bessere Ernährung, weniger Kriege) hat den Anteil junger Menschen in den Ländern erhöht – nützliche und billige Arbeitskräfte, bis in die neunziger Jahre Arbeitsschutzgesetze diese Zustände verboten. Hier waren es vor allem die Lehrer, die sich für eine Reduzierung der Kinderarbeit einsetzten, Eltern und Unternehmer waren an einer Reduktion, gar Abschaffung nicht interessiert. Eine Lehrerin in Fredrikstad war mit den Schulleistungen eines Zehnjährigen nicht zufrieden – er ging jede zweite Nacht auf Schichtarbeit in ein Sägewerk: „. . . es wurde mir nie verboten zu arbeiten, denn Mutter war ja Witwe.“24 Kindern in solchen Notsituationen Arbeit zu verschaffen, galt als Wohltat. Um 1875 waren 3000 bis 4000 Kinder unter 15 Jahren in norwegischen Fabriken beschäftigt, zuweilen fünf oder sechs Jahre alt; Streichholz-, Tabakfabriken, Sägewerke waren in der Regel ihre Arbeitsstätten.25

VII. Gesellschaft und Emigration: Henrik und Regine Im Jahre 1875 hatte Norwegen 1.813.424 Einwohner. Von diesen waren 610 Pastoren, 1480 Juristen, 463 Ärzte und 900 Gymnasial- und Universitätslehrer (die Zahl der Schauspieler belief sich auf 100). 21 Prozent der Pastoren waren Pastorensöhne.26 Henrik Ibsens Vater war Kaufmann, er selbst lernte Apotheker. Zwischen 1840 und 1930 sind insgesamt mehr als 24

Ebd. S. 338. Zum Vorstehenden siehe Semmingsen u. a. (Hrsg.), Norges Kulturhistorie, Bd. 5, S. 37–52; Mykland (Hrsg.), Norges Historie, Bd. 11, S. 338 f. 26 Bull, Sozialgeschichte, S. 16 ff. 25

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800.000 Norweger nach Amerika ausgewandert.27 In den achtziger Jahren erreichte die Emigration Rekordziffern: In den fünf Jahren von 1880–84 verließen 110.000 Norwegerinnen und Norweger das Land, allein 1882 waren es fast 30.000; in diesen Jahren sank die Einwohnerzahl, in den übrigen stagnierte sie.28 Auch Henrik Ibsen gehört zu den Emigranten, allerdings ging er nicht nach Amerika – er wanderte 1864 aus nach Europa: Italien und Deutschland waren für fast 30 Jahre sein Exil. Seine wichtigsten Stücke sind nicht in Norwegen geschrieben sondern im Süden, „Hedda Gabler“ in Rom. Vor diesem Hintergrund erweitert oder relativiert – je nach Standpunkt und Perspektive – sich die Debatte um die zentralen (politischen) Themen in Henrik Ibsens Stücken. Zum einen verlieren sie vor diesem biografischen Erfahrungshorizont ihre norwegische Spezifität, werden zu europäischen, zu zeitgenössischen. Zum anderen eröffnet sich für die scheiternden Existenzen in Ibsens Dramen eine Zukunft: Im Ausland, nicht zuletzt auch für die Frauen, denn ein nicht unerheblicher Anteil der Emigranten sind junge Frauen, die ihre Lebenshoffnungen in Amerika realisieren wollen. Wenn es stimmt – und ich habe noch keinen überzeugenden Widerspruch gefunden – wenn es stimmt, dass in Ibsens Stücken die Frauen hinausgehen, ihren „Ort“ verlassen, dann ist ein (von Ibsen unbenannter aber nahe liegender) Weg für sie der nach Amerika: für die Noras, die Regines, die Bertes, für Frau Elvsted. Irgendwann werden sie alle von Minnesota zu träumen begonnen – und vielleicht das Auswandererschiff bestiegen haben. Hedda standen einige Präokkupationen im Wege, die Richtung nach Amerika zu finden oder mindestens die nach Berlin, Dresden, München, Paris oder Rom. Für Hedda bestand für das Hinausgehen nur eine Möglichkeit – der Tod. Sie geht aus dem Leben und das auf eine recht männliche Art: Sie schießt sich eine Kugel in den Kopf. Was für sie nicht in Frage kommen konnte, war der Weg in die Berufstätigkeit.

VIII. Die Frauenfrage: Regine und Nora zum Beispiel Norwegen führte 1913 das Wahlrecht für Frauen ein (1907 erhielten sie das kommunale Wahlrecht) – ein relativ frühes Datum. Ab 1869 konnten Lehrerinnen in den Schuldienst eingestellt werden; ab 1872 konnten Frauen ein Lehrerinnen-Examen ablegen, Zugang zu den Lehrerseminaren hatten sie jedoch nicht. 1885 gab es fast 900 Lehrerinnen in Norwegen – der traditionelle und sozial am höchsten angesehene Frauenberuf war der der Gou27 28

Mykland (Hrsg.), Norges Historie, Bd. 15, S. 268. Ebd., S. 39; Semmingsen u. a. (Hrsg.), Norges Kulturhistorie, Bd. 4, S. 79–88.

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vernante. Der Zugang zur höheren Bildung – an der Hedda aber offensichtlich keinen Anteil hatte – entwickelte sich: Ab 1882 konnten Frauen das Magisterexamen an der Philosophischen Fakultät ablegen, ab 1884 werden sie zu allen Staatsexamina zugelassen und dürfen auch den Doktorgrad erwerben – bis Frauen hier merkbar in Erscheinung treten, sollte jedoch noch eine lange Zeit vergehen. Kristine Bonnevie war 1912 dann die erste Professorin (für Zoologie).29 „Damentelegrafistin“ war schon in den Siebzigern ein gefragter Beruf, für Töchter aus besseren Häusern; sie konnten auch Vorsteher der Telegrafenstation werden: 1885 erhielten sie maximal 1300 Kronen jährlich, das jährliche Minimalgehalt ihrer männlichen Kollegen betrug 1800 Kronen. Neu für Frauen bot sich mit der Eröffnung eines Diakonissenhauses in Christiania 1869 der Beruf der Krankenschwester. – 1870 arbeiteten etwa 2900 Frauen, d.h. zehn Prozent aller Arbeiter, in Fabriken: Brauereien, Guanofabriken, Textil- und Konfektionsfabriken, in der Tabakindustrie. 1875 hatte sich die Zahl fast verdoppelt; 1885 waren es 7000 – 17 Prozent aller Fabrikarbeiter.30

IX. Der norwegische Spießbürger Ibsen feierte seine größten Triumphe zu Lebzeiten in Deutschland, nicht nur in München und Berlin. Hier auch war die Kritik am größten. Wieder waren es die Wiedergänger der Vergangenheit – über die noch ausführlich zu sprechen sein wird –, die ihm und seiner Kunst sich widersetzten, es waren sehr konkrete Personen, aber auch mit Namen zu personifizierende Typologien: Für Ibsen, nach der „Hedda Gabler“-Aufführung in Berlin, war Otto von Bismarck (1815–98) das stärkste Hindernis für die europäische Freiheit – der Reichskanzler, der nicht mehr im Amt war, dessen Politik und Weltanschauung die Epoche gleichwohl und noch lange prägen sollte.31 In dem Zusammenhang ist auf eine Kontroverse innerhalb der extremen Linken hinzuweisen, mit der zum einen die linke Ibsen-Rezeption (nicht nur) in Deutschland erhellt wird, sondern zugleich ein Aspekt politisch-sozialer Interpretation geliefert wird, der seine Wahrheit hat und das Anderssein Ibsens vor seinem historisch-sozialen Hintergrund erläutert: Friedrich Engels, apropos einer Auseinandersetzung über die „Marxsche Methode der Geschichtsauffassung“ und die „nordische Frauenbewegung“ 29

Mykland (Hrsg.), Norges Historie, Bd. 12, S. 394 f. Zum Vorstehenden Mykland (Hrsg.), Norges Historie, Bd. 11, S. 328 f. 31 Vgl. Kerr, Alfred, Wo liegt Berlin? Briefe aus der Reichshauptstadt, hrsg. von Günther Rühle, Berlin 1997, S. 367 (= 13.3.1898). 30

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lässt sich in einem Beitrag für das Berliner Volksblatt 1890 über die sozialen und politischen deutsch-norwegischen Unterschiede aus.32 Während im Anschluss an den Sieg über Napoleon die Reaktion in Deutschland und Europa siegte, habe sich Norwegen 1814 eine freie Verfassung gegeben, „weit demokratischer als irgendeine gleichzeitige in Europa“. Zum zweiten habe Norwegen in den letzten beiden Dezennien „einen literarischen Aufschwung erlebt, wie ihn außer Russland kein einziges Land gleichzeitig aufweisen kann.“ Die Schlussfolgerung, die Engels aus diesem Befund zieht – wobei er wenig später sehr richtig darauf hinweist, dass der „norwegische Bauer nie leibeigen“ gewesen war – die Schlussfolgerung, die er zieht, ist die, dass der norwegische Spießbürger grundverschieden vom deutschen ist. Während er für den deutschen nur Verachtung hat, erklärt er das norwegische Spießbürgertum zu einem ganz und gar „normalen“: „Der norwegische Kleinbürger ist der Sohn des freien Bauern und ist unter diesen Umständen ein Mann gegenüber dem verkommenen deutschen Spießer.“ Die Blüte und der Charakter der norwegischen zeitgenössischen norwegischen Literatur speist sich aus diesem Normalzustand. Im Grunde sagt Engels, dass der norwegische Spießbürger der tugendhafte Bürger im klassisch griechischen Sinne ist – ein Bürger in seiner aktualisiert politischen Form. Seine Wertschätzung Ibsens begründet Engels nun mit ebendiesem politisch-sozialen Befund: Und was auch die Fehler z. B. der Ibsenschen Dramen sein mögen, sie spiegeln uns eine zwar kleine und mittelbürgerliche, aber von der deutschen himmelweit verschiedene Welt wider, eine Welt, worin die Leute noch Charakter haben und Initiative und selbständig, wenn auch nach auswärtigen Begriffen oft absonderlich handeln.

Das erfreuliche an dieser engelschen Diagnose bleibt seine Einstimmung auf den politischen Charakter der ibsenschen Dramen. Dies war die Gesellschaft, die Ibsen umgab, auch wenn er in München arbeitete und in Gossensass urlaubte. Vor diesem Hintergrund ist der „Politiker“ Ibsen zu verstehen.

X. Gespenster und Wiedergänger Auf den ersten Blick macht es keine Schwierigkeiten, Henrik Ibsen als einen politischen Autor, gar als einen eminent politischen Menschen einzustufen. Seine kurz erwähnte Emigrationsbiografie gibt einen Hinweis, seine (sparsamen) öffentlichen Auftritte, seine Gesellschaftsdramen liefern Belege für die politisch-gesellschaftlichen Dimensionen dieses Autors. Spricht einiges dafür, dass mit dem Berliner Ausstellungsskandal 1892 – 32 Engels, Friedrich, Brief an Herrn Paul Ernst, in: Karl Marx, Friedrich Engels, Werke, Bd. 22, Berlin 1963, S. 80–85. Alle nachfolgenden Zitate ebd.

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der Norweger Edvard Munch (1863–1944) stellte seine Bilder aus und provozierte heftigste Debatten33 – und der darauf folgenden Gründung der „Berliner Sezession“ die Moderne in der Malerei ihren definitiven Anfang nimmt, so spricht auch einiges dafür, dass Henrik Ibsen zu den Begründern der modernen Dramatik gehört. Er ist einzuordnen – wie fast alle zeitgenössischen skandinavischen Autoren – in die Epoche des „Modernen Durchbruchs“, der zu Folge Literatur „Probleme zur Debatte zu stellen hat“. Georg Brandes (1842–1927), dänischer Literatur- und Kulturvermittler und eine europäische Größe, hat dies in seiner Aufsehen erregenden Kopenhagener Vorlesung 1871 verlangt.34 Dass in diesen Jahren die politisch-gesellschaftliche und wirtschaftlich-industrielle Moderne beginnt, ist kein zufälliges Datum: die Daten wurden oben genannt; es gab in der Tat einiges zur Debatte zu stellen. Ibsen beschreibt in seinen Dramen die wahrlich dramatischen Veränderungen nicht nur der norwegischen sondern der europäischen Gesellschaften dieser Epoche insgesamt, den Verfall der alten Gesellschaftsordnungen und deren Werte. Mehr als zwanzig Jahre – von den „Stützen der Gesellschaft“ 1877 bis zu seinem „dramatischen Epilog“ (so die Titelunterzeile) „Wenn wir Toten erwachen“ 1899 – hat Ibsen die politischen Zustände der Zeit beschrieben und mit seinen Stücken gesellschaftliche Wertmaßstäbe zu setzen versucht. Die „Stützen der Gesellschaft“ begründeten Ibsens europäischen Ruhm, schon in diesem Drama wird das Bürgertum und der Kapitalismus einer radikalen Kritik unterzogen, ihre Geld aber auch Tod bringende Moral zieht den Untergang der ganzen Gesellschaft nach sich; das „Puppenheim“ 1879 (im Deutschen immer als „Nora“ betitelt) wird zum Schlüsselwerk der Frauenbewegung; in „Gespenster“ 1881 greift Ibsen Tabuthemen (Inzest, Euthanasie und Geschlechtskrankheit) auf und zieht Wut und Kritik auf sich; „Ein Volksfeind“ 1882 problematisiert den Kampf des Wahrheit besitzenden Einzelnen gegen die verführte Masse; „Hedda Gabler“ 1890 führt den Konflikt Noras weiter und ad absurdum. Es wäre jedoch platt, Ibsen insofern einen politischen Dramatiker zu nennen, als er aktuelle politischgesellschaftliche Fragen debattiert. Ibsen ist vielmehr deshalb ein politischer Autor zu nennen, weil er an die Grundordnung menschlicher Existenz unter den Bedingungen von Gesellschaft und Geschichte rührt. Die Wiedergänger sind ein durchgehendes politisches Thema für das moderne Theater, sie sind der Generalbass der ibsenschen Gegenwartsdramen: 33 Klein, Janine, Edvard Munch und Anton von Werner, in: Bernd Henningsen, Janine Klein, Helmut Müssener, Solfried Söderlind (Hrsg.), Wahlverwandtschaft. Skandinavien und Deutschland 1800 bis 1914, Berlin 1997, S. 363–366. 34 Brandes, Georg, Hovedstrømninger i det 19de Aarhundredes Litteratur, Kopenhagen 1872.

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Sein Stück „Die Gespenster“ hat unter dieser falschen Übersetzung aus dem Norwegischen Eingang in die Literatur gefunden und wird unter diesem Titel auf den deutschen Bühnen gespielt. Der norwegische Titel lautet Gengangere, und das sind im Deutschen die Wiedergänger, ein fast verlorenes Wort, das aber der Duden immerhin noch kennt: Wiedergänger sind „Tote deren Seelen keine Ruhe mehr finden und die deshalb, besonders um Mitternacht, umgehen“. In den Stücken des Norwegers scheuen sie das Tageslicht keineswegs, sie sind allgegenwärtig, sie sind allmächtig – oder wie es Frau Alving im nämlichen Stück benennt: [. . .] alle erdenklichen alten, toten Ansichten und allerhand alter, toter Glaube und so weiter. Es lebt nicht in uns; aber es sitzt uns trotzdem im Blut, und wir können es nicht los werden. Wenn ich nur eine Zeitung in die Hand nehme und drin lese, so ist mir, als säh’ ich Gespenster zwischen den Zeilen schleichen. Es müssen ringsum im ganzen Lande Gespenster leben, glaub’ ich, wie Sand am Meer. Und dann sind wir alle so gottsjämmerlich lichtscheu, einer wie der andere.35

Man möchte ihnen, wie Assessor Brack es in „Hedda Gabler“ nach den Selbstmordschüssen tut, zurufen: „. . . barmherziger Gott, – so etwas thut man doch nicht!“36 Der Wiedergänger Heddas – das ist der General als Vater. Sie trägt seinen Namen und ist doch eine verheiratete Tesman. Seine veralteten Ansichten, der längst vergessene Glaube sind in Hedda eingeschlossen und lassen sie in einer liberaler und ja auch zynischer agierenden Gesellschaft scheitern. Ihre Ausbrüche, ihr Fliehen vor den Wiedergängern in ekstatischen Wallungen stellen einen (vergeblichen) Versuch dar, sich den Spuk vom Hals zu toben. Je nach Lesart und Regieintention stirbt Hedda bei Henrik Ibsen an einer unüberwindlichen Langeweile, einer Langeweile zum Tode – oder an Depression.37 Ihr zuweilen wildes, körperliches Agieren können die vergeblichen Versuche, aus der Depression auszubrechen verdecken. Ihr Verlangen – nicht nur gegenüber sich selbst – „in Schönheit“ zu sterben, „in Schönheit“ Hand an sich selbst zu legen, entspringt dem militärischen Ehrenkodex, der mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit des späten 19. Jahrhunderts aber auch gar nichts mehr gemein hat – es sei denn, wir verlängern diesen männlichen Codex ins 20. Jahrhundert und nehmen ihm seine Geschlechtsspezifität. Dafür war es zu Heddas Zeit zu früh (und darum zu diesem Thema später etwas mehr). Der Tod Ejlerts wird unschön – der von ihm in einem Boudoir ausgelöste Schuss aus einer Pistole, die er von Hedda erhalten hat, trifft ihn in den Unterleib –, wir erleben dies nicht auf der Bühne. Der Tod Heddas darf 35 36 37

Ibsen, Gespenster, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 7, S. 47 f. Ders., Hedda Gabler, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 8, S. 335. Vgl. Hemmer, Bjørn, Ibsen. Kunstnerens vei, Bergen 2003, S. 404.

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jedoch im Stück besichtigt, mindestens aber gehört werden. Ein im landläufigen Sinne „schöner“ Tod – wie dies von ihr gefordert wird – ist er aber nur in der zeitlichen Perspektive: es geht ganz schnell. Ansonsten haben alle Tode dieses Stückes wenig Schönes an sich. Insofern wäre es angezeigt, das Drama als ein Duell zwischen dem Ästhetischen und dem Ethischen im Sinne Kierkegaards zu interpretieren. Das Problem zu lösen, ist allerdings eine durchaus legitime Frage der Bühneninszenierung und erst in zweiter Hinsicht eine der Leseerfahrung. Dass sich das Theater seit nunmehr über 120 Jahren der ibsenschen Wiedergänger annimmt – und das mit großem Erfolg – hat mit dem Genie Ibsens, mit seiner politischen Tiefenschärfe zu tun, aber nicht zuletzt auch mit dem Medium Theater. Bob Wilson, von dem 2005 eine hoch gelobte Peer-Gynt-Inszenierung am Osloer Nationaltheater lief, fasst die Attraktion Theater in der Weise zusammen, dass es den Schirm abgäbe für Architektur, Tanz, Musik, Literatur, Philosophie. Theater „hat eine einzigartige Funktion in der Gesellschaft. Die Leute drängen nach einem solchen kollektiven Forum, um Ideen auszutauschen – das macht Theater so einzigartig, ganz anders als Film und Fernsehen.“38 Theater war nicht nur bei den Griechen politisch, es ist es bis heute geblieben, Ibsen macht es uns vor.

XI. Familienfreuden „Die Gespenster“ tragen als Untertitel die Zeile „Ein Familiendrama“ – bei „Hedda Gabler“ finden wir keine Unterzeile, das Stück ist aber auch ein solches: Die Familie, das ist der erste Kreis der Hölle, in dem sich die Gespenster austoben können. Oder, um es mit dem viel zitierten Wort Karl Kraus’ zu sagen: „Das Wort Familienbande hat einen Beigeschmack von Wahrheit.“39 Mord und Totschlag und Betrug sind unter Verwandten verbreiteter, als wir meinen, das sagen uns die Kriminalstatistiken.40 Man darf dabei nicht vergessen, und selbst bei Ibsens „Hedda Gabler“ schwingt dieser Ton im Hintergrund mit, dass wir uns am ausgehenden 19. Jahrhundert im Zeitalter Darwins befinden – und dem der Hysterie. Der immer präsente Generalsvater, der nicht mehr auftreten kann, repräsentiert die genetische Kontinuität auch des gesellschaftlichen Verhaltens – das ist die politische, die naturalistische Wiedergängerperspektive Ibsens: Gegen die Natur kann man nichts machen. Ejlert Løvborg ist nicht sozialisierbar, sein Schicksal 38

Aftenposten, 19.1.2005, S. 8. („Innspurt for teatermester“). Kraus, Karl, Wort und Witz. Aphorismen, hrsg. von Heinrich Fischer, München (1966), S. 34. 40 Vgl. etwa Neue Zürcher Zeitung, 13.10.2006, S. 33 („Opfer und Täter in der Statistik“). 39

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ist die natürliche Unbegabung zu sozialer Anpassung. Die Verarmung spielt sicher eine Rolle. Und dann die „Kinder“: Von Hedda wird an zwei Stellen gesagt, sie sei schwanger, dieses (ungeborene) Kind bringt sie durch ihren Selbstmord ebenfalls um. Im Stück wichtiger aber in der Rolle des Kindes sind die beiden Bücher Ejlerts, eines über die Vergangenheit, das überlebt, eines über die Zukunft, das ist Ejlerts Manuskript. Hedda verbrennt dieses ErsatzKind: „Nun verbrenne, – nun verbrenn’ ich das Kind.“41 Lou AndreasSalomé fasst diesen Vorgang mit der gehörigen Deutlichkeit zusammen: „. . . sie, die mit Grauen und Widerwillen in sich selbst das werdende Leben fühlt. So vernichtet sie das Werk mit der Wollust einer Kindesmörderin.“42 Und über Løvborgs Ende stellt Hedda, blutrot gekleidet, „mit lauter Stimme“ fest: „Endlich einmal eine That!“43 Die Zahl der Toten während dieser auf der Bühne komprimierten 36 Stunden ist also erheblich: Tante Rina, Ejlert Løvborg, das Zukunftskind, Hedda und ihr Ungeborenes. Zwei Selbstmorde, zwei gegen sich selbst gerichtete Aggressionen mit Todesfolge – das ist recht heftig. Schon die zeitgenössischen Zuschauer konnten es nicht fassen. Aber ist dies wirklich wichtig? Die Lüge, die soziale Nichtanpassung, die medizinische Euthanasie, der familiäre Inzest – all die wiedergängerischen Themen aus Ibsens Dramen? Ist nicht vielmehr wichtig, was wir – die jeweils zeitgenössischen Familien- und Gesellschaftsangehörigen – damit machen? Die Angst vor den Wiedergängern ist lebendig, die Doppelmoral, sie habe ich oben beschrieben, ebenso. Die gesellschaftliche und die existentielle Verlogenheit, sie ist existent, ihre Themen und Strukturen verändern sich – Realität ist sie gleichwohl, am Prinzip hat sich in den über 120 Jahren seither nichts geändert. Heute heißen die Wiedergänger anders, sie kommen aber genauso vor wie vor 120 Jahren, am helllichten Tage, so wie Frau Alving sie identifiziert hat. Sie sind die wahren Hauptpersonen in Ibsens Dramen: Die Wiedergänger. Und sie erst machen die Stücke zu wahrhaft politischen.

XII. Geschlechterszenen Michael Mayer schreibt in seiner Ibsen-Biografie,44 dass Hedda Gabler ein Porträt des Dramatikers als junger Frau darstelle – in Anlehnung an die 41

Ibsen, Hedda Gabler, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 8, S. 315. Andreas-Salomé, Lou, Henrik Ibsens Frauengestalten, Berlin 1993, S. 37 (= Programmheft der Schaubühne am Lehniner Platz). 43 Ibsen, Hedda Gabler, in: ders., Sämtliche Werke. Bd. 8, S. 326. 44 Meyer, Michael, Ibsen. A Biography, Harmondsworth 21974. 42

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Selbstbehauptung Gustave Flauberts: „Madame Bovary, c’est moi“.45 Hedda als alter ego Ibsens, dieses Gedankenspiel hat seinen Reiz46, sollte aber kontrastiert werden mit der gerne gepflegten Koketterie des Dichters; denn Henrik Ibsen und die Frauen wäre kein Thema, wenn die Frauen selbst nicht solches Aufsehen davon gemacht hätten: Ich bin nicht Mitglied des „Vereins für die Sache der Frau“. Alles, was ich gedichtet habe, ist ohne bewußte Tendenz gewesen. Ich bin mehr Dichter und weniger Socialphilosoph gewesen, als man im allgemeinen geneigt ist anzunehmen. Ich danke für das Hoch, muss jedoch die Ehre ablehnen, mit Bewußtsein, für die Sache der Frau gewirkt zu haben. Ich bin mir nicht einmal klar darüber, was das eigentlich ist: die „Sache der Frau“. Mir hat sie sich als eine Sache des Menschen dargestellt . . . Es ist wohl wünschenswert, die Frauenfrage zu lösen, so nebenher. Aber das war nicht der hauptsächliche Zweck. Meine Aufgabe ist die Menschenschilderung gewesen.47

Steckte in diesen Sätzen nicht ein wenig zuviel Koketterie des alten, siebzigjährigen Herrn, so müsste man das Thema in der Tat vergessen. Wie dem auch sei – es kommt in „Sachen“ Emanzipation noch ein wenig ärger und gar nicht feministisch: Immer habe ich es mir zur Aufgabe gestellt, das Land zu fördern und das Volk auf eine höhere Stufe zu heben. Und dabei machen sich zwei Faktoren geltend: es steht bei den Müttern, durch angestrengte und langsame Arbeit eine bewußte Empfindung von Kultur und Disziplin zu wecken . . . Die Frauen sind es, die die Frage des Menschen lösen werden. Als Mütter werden sie sie lösen. Und nur so können sie es.48

Es kann eine Frage sein, ob – wie in den Inszenierungen gerne gezeigt wird – Heddas männermordende Attitüde die Intentionen des Autors deckt oder ob nicht vielmehr der Generalsvater seinen Finger wiedergängerisch am Abzug hat. Was sich bei Ibsen ankündigt, ist die schwedische Protagonistin der Frau, der Mutter und des Kindes: Ellen Key (1849–1926), ihr Bestseller „Das Jahrhundert des Kindes“ sollte noch zu Lebzeiten Ibsens erscheinen.49 Aufgrund der Textanalyse („Hedda Gabler“) ist der ibsenschen Koketterie allerdings ebenfalls heftig zu widersprechen. An zwei, relativ harmlosen 45 Milan Kundera entlarvt die Konstruktionsgeschichte des flaubertschen Satzes: geschrieben wurde er vom Autor offenbar nicht: Der Vorhang, München 2005, S. 195 f. 46 Vgl. Kott, Ibsen. 47 Ibsen, Henrik, Rede beim Fest des norwegischen Vereins für die Sache der Frau (1898), in: Angelika Gundlach, Henrik Ibsen – Ein Puppenheim. Stück, Vorarbeiten, Materialien, Frankfurt/M. 1979, S. 251 f. 48 Ebd. 49 Key, Ellen, Das Jahrhundert des Kindes (dt. 1902), Weinheim, Basel 1992.

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Stellen wird ein schwedischer Vorkämpfer der Frauenemanzipation von der Mitte des 19. Jahrhunderts zitiert, Carl Jonas Love Almqvist. Sein Skandalroman „Es geht“ (Det gaar an)50, dessen Titel rasch jedermann und jederfrau geläufig wurde, brachte ihm gesellschaftliche und politische Ächtung: Es ging um so banale Dinge wie die Berufstätigkeit der Frau. Hedda verwendet im dritten Akt diese Titelsequenz, Ibsen stellt seine Protagonistin damit in die Tradition der frühen skandinavischen Frauenemanzipation. Das Zitat offenbart eine politische Absicht, die er 1898 in seiner eben zitierten Rede „beim Fest des norwegischen Vereins für die Sache der Frau“ in Abrede stellen sollte.

XIII. „Die letzte große Frauengestalt“ Die Langlebigkeit der gesellschaftlichen, der politischen, der ideologischen Wiedergänger gerade im Falle von Henrik Ibsen und besonders dem Gegenwartsdrama „Hedda Gabler“ kommt man durch einen Perspektivenwechsel näher – und lässt dadurch Ibsen Gerechtigkeit widerfahren, denn er zeigt, dass die Wiedergänger des 19. auch die des 20. Jahrhunderts sind, zumindest die der ersten Hälfte: Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und seines Theaters ist erhellend. In der Ibsen-Rezeption der Nationalsozialisten offenbart sich die politische Tiefendimension des Dramatikers – und die Banalität der Ideologen. Das populärste Ibsen-Stück während des „Dritten Reiches“ (Spielzeiten zwischen 1933/34 und 1943/44) war „Peer Gynt“, das Stück wurde insgesamt 1.186-mal aufgeführt.51 Es wurde in der Fassung Dietrich Eckarts (1868–1923) gespielt, des Hitler-Mentors und -Freundes und Chefredakteurs des „Völkischen Beobachters“. Die Gegenwartsdramen hingegen galten als verstaubt, dekadent, politisch nicht korrekt. Erst gegen Ende des Krieges tauchte „Hedda Gabler“, das den Machthabern am meisten widerstrebende Stück Ibsens, wieder häufiger auf den Bühnen des nationalsozialistischen Deutschlands auf (während der gesamten Periode: 214 Aufführungen, aber nur 13 Inszenierungen). Zunächst ein ausführlicheres Zitat des thüringischen Gauleiters Fritz Saukel, der sich 1941 scharf gegen „Die Gespenster“ verwahrte: Gerade das deutsche Volk hat es dank des Kampfes Adolf Hitlers in seinem heutigen Staate nicht mehr nötig, auf seinen Bühnen Stücke der Entartung, der Zerset50 Almqvist, Carl Jonas Love, Det går an. En tavla ur livet, Stockholm (1839) 1979. 51 Hier und im Folgenden stütze ich mich im Wesentlichen auf die Standarduntersuchung zum Thema von Englert, Uwe, Magus und Rechenmeister. Henrik Ibsens Werk auf den Bühnen des Dritten Reiches, Tübingen und Basel 2001.

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zung und der Hoffnungslosigkeit als Ausdruck so genannter höchster künstlerischer Gestaltung anzusehen und zu dulden . . . Idioten auf der Bühne zu zeigen, lohnt nicht mehr. Mir scheint jeder deutsche Schauspieler zur Darstellung einer solchen Rolle zu schade! Unser arbeitendes, schaffendes Volk will das auch nicht sehen. Aus gesündestem Instinkt lehnt es das Abnorme ab . . .52

Die Euthanasie und die Vernichtungsprogramme „unwerten Lebens“ waren inzwischen bereits in die Realität umgesetzt, was Ibsen zu dem Problem – mit einem gehörigen Schuss Darwin beigemengt – zu sagen gehabt hatte, das war den Nazis nur zu lau. Auf „Hedda Gabler“ aber, das Stück, kommen die wiedergeborenen Wiedergänger des 19. Jahrhunderts in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts mit aller Macht zurück und blasen (sie fast komplett) von den Spielplänen, damit liefern sie ex negativo den Beleg für die politischen Intentionen des Dramatikers – sie können sie nicht ertragen: Hedda Gabler, die gewiß sehr komplizierte norwegische Generalstochter, die an der Langeweile des bürgerlichen Daseins zerbricht, ist ein pathologischer Einzelfall, kein Schicksal von menschlicher Allgemeingültigkeit (Der Volksfreund 193353). Solche Sorgen hatte man damals; nämlich keine; nämlich künstlich aus müßigen Hirnen geschwitzte; wie mühsame Handarbeit zusammengehäkelt (Die Berliner Illustrierte, 1934).54 Hedda Gabler ist ein Dämon weiblicher Energie; ein Vulkan hält nur mühsam seinen Ausbruch zurück . . . Hysterie, gequälte Langeweile, Lüsternheit, Herrschsucht – eine ganze Hölle seelischen Ungeziefers (Berliner Tageblatt 1934).55 In Hedda Gabler häufen sich die Probleme der Ehe und Gesellschaftsform, wie sie Ibsen vorschwebt. Die Tochter des Generals ist schlecht erzogen und hat keinen Sinn für Häuslichkeit und Mutterschaft. Lediglich der Versorgung wegen heiratet sie einen ungeliebten, ihr wesensfremden Mann. Die Vorstellungen, welche diese schöne Megäre vom Leben hat, sind phantastisch, ihr Triebleben ist krankhaft und sadistisch (Salzunger Tageblatt 1939).56 (Hedda Gabler) erschießt sich im vierten Akt. Besser wäre es, sie würde schon im ersten beseitigt (Berliner Illustrierte 1934).57

Henrik Ibsen und Knut Hamsun (1859–1952) waren die bedeutendsten Beiträger Norwegens zur Weltliteratur; sie waren auch zugleich die politischsten. Auf beide haben die Zeitgenossen und die Nachwelt unterschiedlich reagiert, heftig reagiert – auf beide ist von den deutschen linken und rechten Ideologen reagiert worden, weil sie deren Politik zu Recht oder zu 52 53 54 55 56 57

Ebd., S. 249. Ebd., S. 261. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

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Unrecht, nicht ertragen konnten – aber beiden ist Unrecht geschehen. Während der deutschen Hoch-Zeit Hamsuns passte dem deutschen Milieu nicht Ibsens Gesellschaftsanalyse, nicht seine Psychologisierung. Sein Individualismus stand quer zur geschätzten Metaphysik.58 Ibsen lieferte aus der Vergangenheit konstruierte Gegenwartsdramen. Seine psychologische Figurencharakterisierung ließ, so arbeitet Uwe Englert in seiner erwähnten Studie heraus, keinen Raum für „Schicksal“, Tragik war zum Problematischen herabgesunken. An den zitierten Titulierungen Heddas in jener Zeit kann man es ablesen: Sie galt als Luder, Biest, Salonvamp, als überzüchteter Weibsteufel. Für Lou Andreas-Salomé noch war sie 1892 eine der „letzten großen Frauengestalt(en)“59 gewesen. Als die Zeit Hamsuns vorbei war, erfolgt wieder die Annäherung an Ibsen. Die Wiederentdeckung ereignete sich in Ostdeutschland, wie man bei Rüdiger Bernhardt nachlesen kann,60 wesentlich später.

XIV. Die Flucht aus der Wirklichkeit An der Figur Hedda Gabler ist am deutlichsten ablesbar, an vielen anderen ibsenschen Figuren aber gleichfalls leicht nachzuweisen, was Ibsen als die politische Krankheit der Zeit ansah und was zugleich in der Epoche der Massenideologien die jeweiligen sozialen und politischen Milieus irritierte bzw. sich in Opposition zu Ibsen zu stellen gezwungen sahen: Ibsen ist der Diagnostiker einer sozialdominat gewordenen Flucht aus der Wirklichkeit61, einer Flucht in die Phantasie und damit in die zweite Realität. Ibsen führt vor, wohin diese Flucht in die zweite Realität führt: in den sozialen, den politischen und den je individuellen Tod. Die ibsenschen Gestalten leben in einem entrückten, realitätsverlorenen Milieu – wie Nora in ihrem Puppenheim – oder aber sie sind selbst Träger der Realitätsverlassenheit und werden irre – wie Osvald. Die Wiedergänger und eine ganze Galerie von ibsenschen Dramenfiguren repräsentieren kurante Ideologien; sie bevölkern das Leben in der zweiten Realität, in der falsche Bilder von Realität die Realität selbst ersetzt haben. Eric Voegelin hat das für den deutschen Fall herausgearbeitet: 58

Ausgerechnet im Ibsen-Jahr erscheint eine Studie, mit der der Nachweis geführt werden soll, dass es Ibsen war, der Hitler die Ideen gab. Für die Ahnungslosigkeit des Autors (oder ist es seine Obsession?) zeugen diverse Leerstellen: Ostara und Jörg Lanz von Liebenfels kommen beispielsweise nicht vor: Sage, Steven F., Ibsen and Hitler. The Playwright, the Plagiarist, and the Plot for the Third Reich, New York 2006. 59 Andreas Salomé, Henrik Ibsens Frauengestalten, S. 20. 60 Bernhardt, Henrik Ibsen. 61 Vgl. Hemmer, Ibsen, S. 404 f.

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Wenn es genug Leute gibt, die eine Narretei glauben, dann wird die Narretei zur sozial dominanten Realität und derjenige, der sie kritisiert, rückt in die Position des Narren, der bestraft werden muss.62

So scheitert Nora an der Konfrontation mit dieser zweiten Realität, in der Ehemann Thorvald sich eingerichtet hat. Heimito von Doderer und Robert Musil haben in ihren großen Romanen das Leben in der Imagination beschrieben und die Folgen für die Gesellschaften aufgezeigt. Ibsen dagegen stellt das Irrewerden von Personen und Gesellschaften auf die Bühne und liefert uns eine politische Interpretation von Gesellschaft, in der die Pneumopathologie vorherrscht – wie im deutschen Falle. Nur Gesellschaften mit einem robusten Bodensatz von Common Sense bleiben immun – wie die angelsächsischen und die skandinavischen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

62 Voegelin, Eric, Hitler und die Deutschen, hrsg. von Manfred Henningsen, München 2006, S. 108; s. auch S. 249–267.

Vergílio Ferreira et la Politique Hélder Godinho Vergílio Ferreira, un des plus grands romanciers et essayistes portugais du XXe siècle, pendant sa longue et fructueuse carrière s’est toujours intéressé aux questions politiques dans le cadre d’une réflexion générale sur l’homme et l’humain. Son œuvre débute par un roman (O Caminho Fica Longe, Lisboa, 1943) où l’auteur et son personnage central hésitent entre une problématique de type psychologique et une autre de type social, d’inspiration marxiste et en accord avec le mouvement littéraire qui, à l’époque (fin des années ’30 et décennies suivantes), a eu beaucoup d’importance dans la littérature portugaise: le néo-réalisme. L’action met en scène des étudiants de l’Université de Coimbra et le personnage central prend contact avec cette littérature engagée dans le combat politique et, à la fin du roman, y adhère totalement dans le sens où toute sa vie comme médecin est consacrée aux malades défavorisés au point de décider de ne pas se marier et d’en faire un sacerdoce. Mais ce qui est intéressant, c’est de remarquer que cette solitude à des fins sociales est une transposition socio-politico-littéraire d’une incapacité d’aimer qui se manifestera dans tous les romans de Vergílio Ferreira et qui a et aura toujours à voir avec l’absence fondamentale d’une Présence que les femmes momentanément aimées ne font qu’hypostasier pour un certain temps seulement et dont la recherche philosophique de la Vérité n’est qu’un autre versant. Cela nous amène, dès le tout premier début de l’œuvre de notre auteur, à comprendre que les questions qui ont à voir avec la politique sont intrinsèquement liées aux questions humaines et seront, bientôt, liées au questionnement existentiel de la condition humaine. Les deux romans qui s’ensuivent (Onde Tudo Foi Morrendo, Coimbra, 1944, et Vagão J, Coimbra,1946) s’installent complètement dans l’école néo-réaliste, mais l’auteur, comme il le dira plus tard, ne se sentait pas satisfait car les besoins fondamentaux de type social, quoique importants, n’étaient pas les seuls besoins humains. Avec son quatrième roman (Mudança, Lisboa, 1949) un changement d’orientation arrive et l’œuvre de Vergílio Ferreira initie un questionnement de type existentiel qu’elle gardera pour toujours malgré l’évolution de cette œuvre et de ce questionnement. Là, nous assistons, avec le crash de la Bourse de New York, à la fin de la

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fortune du personnage principal qui prend conscience de la mutabilité des situations et surtout, des valeurs. Et comme les changements (« Mudança » veut dire « changement ») se sont déclenchés pour des raisons socio-économiques, le personnage principal qui les subit, va s’intéresser aux questions politiques qui pourraient, dans l’avenir, apporter de la stabilité dans tous les domaines, dont le fascisme et les mille ans de stabilité et de bonheur qu’il promet, tout cela de pair avec un questionnement de la condition humaine toujours sujette au changement, tout particulièrement au changement des valeurs. Cette recherche est accompagnée d’une grande angoisse et d’une incapacité d’organiser sa vie autour d’une valeur qui puisse lui donner du sens (son mariage, même, périclite) puisque toutes les valeurs, elles-mêmes, varient selon le temps et les époques. Du coup, l’action se trouve paralysée, car elle ne trouve pas de valeur définitive qui l’oriente, thématique développée dans un autre roman (Apelo da Noite, Lisboa, 1963) où le personnage qui conduit l’action s’interroge, toujours, sur la valeur qui serait suffisamment fondamentale et définitive pour organiser la vie autour d’elle. Et il faut le remarquer, ce questionnement est simultanément politique, métaphysique et affectif ce qui retient le personnage dans une solitude difficile à supporter. Poussé par le désespoir, il finit par accepter de collaborer à la fuite d’un prisonnier politique et il le transporte de la prison d’où il s’est enfui jusqu’au village où il devrait se cacher, mais la police politique les découvre et ils meurent tous. Cette action-limite est posée et acceptée dans le cadre d’une action qui puisse sauver une vie en la rendant utile, une action qui « résume » une vie et la sauve, en conséquence. Jusqu’à présent, les personnages de Vergílio Ferreira s’intéressaient à des prisonniers politiques communistes, le néo-réalisme, lui-même, était d’inspiration communiste, mais ce roman est le dernier qui s’intéresse à eux. Le problème de la liberté, farouchement défendue par Vergílio Ferreira, finira par les éloigner pour toujours, et l’œuvre de notre auteur s’intéressera plutôt aux questions existentielles sur le sens de la vie humaine avec des variations très riches où la recherche de l’amour et de la vérité iront toujours de pair, et où la question du moi dans sa dimension profonde, « métaphysique », jouera un rôle important. Les réflexions sur les questions politiques se lieront plus fortement à la tendance annoncée depuis toujours de les impliquer dans le questionnement des valeurs humaines autour desquelles la vie des hommes prend sens. Deux autres romans sont particulièrement significatifs pour les conceptions vergiliennes du politique: Nítido Nulo, Lisboa, 1971, et Signo Sinal, Lisboa, 1979. En effet, Nítido Nulo nous raconte l’histoire d’une révolution, remémorée par le narrateur, maintenant condamné à mort, qui en a été l’idéologue. Le narrateur, quand il collaborait à la préparation de la révolution, voulait construire un nouveau monde où l’homme puisse prendre pos-

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session de lui-même, sans s’aliéner ni aux dieux ni à quoi que ce soit, et vivre en pleine liberté. Mais, la révolution faite et le nouveau gouvernement installé, le narrateur remarque que rien n’a changé dans le système des valeurs et que la doctrine qu’il a prêtée à la révolution, n’a servi qu’à changer les acteurs de la scène politique. Et, en conséquence, il fait sauter sa propre statue avec une bombe ce qui lui vaut d’être condamné à mort. Significativement, le chef du nouveau gouvernement s’appelle Théophile. Ce roman, d’ailleurs, fait suite à un autre (Alegria Breve, Lisboa, 1965) où la fin du vieux monde est signifié par un village complètement déserté et couvert d’une neige sur la blancheur de laquelle le fils du narrateur, le seul habitant du village qui est resté et qui n’est pas mort, construira le monde qui s’annonce, que l’homme perçoit comme possible mais que ceux qui ont connu le vieux monde ne pourront pas construire, car ils ont les structures mentales du vieux monde. Seul le fils que le narrateur a, probablement, eu avec la femme d’un vieux (situation transposée au triangle S. Joseph-Vierge-Saint-Esprit), mais qu’il n’a jamais connu, aura la divinité suffisante, puisqu’il est le fils du narrateur qui est le dernier homme du vieux monde, pour inaugurer une nouvelle condition humaine où l’homme pourra prendre possession de soi-même. Ce que cela signifie, le narrateur en sait, surtout deux choses fondamentales. D’abord, que chaque être humain a un moi, que Vergílio Ferreira appelle « moi métaphysique », différent du moi psychologique, où son irréductible spécificité se manifeste. Dans cette irréductible spécificité s’ancrent sa liberté et sa non appartenance à aucun d’autre, dieux compris. La découverte de ce moi métaphysique apparaît, dans l’œuvre de Vergílio Ferreira, dans son roman Aparição (Lisboa, 1959), qui est un des plus fameux romans de l’auteur, et y apparaît au narrateur dans une frontière difficile entre le maximum d’individualité et un danger de fusion dans un monde originaire où cette individualité a pris les racines de sa spécificité. Cette frontière difficile entre l’individualité et la fusion dans ce monde mythique des origines est une constante chez Vergílio Ferreira et la fonction de l’art, selon l’auteur, c’est de nous ouvrir ce monde des origines, notre individualité s’affermissant de la sorte. Le nouveau monde que le fils du narrateur de Alegria Breve doit créer, sera posé sur ces fondements fondamentaux. Et on comprend que ce que ce fils apportera vraiment de nouveau, ce sera un ordre politique et civilisationnel qui permette à l’homme de vivre selon sa « nature ». Dans les derniers romans et essais de Vergílio Ferreira, le concept d’Ordre universel où tout prend sens et vie, viendra à la suite de ce concept du monde des origines, mais sera plus « intéressé » par un ordre culturel, social et politique qui le transpose dans la vie humaine, quoiqu’il sache bien que cela est, à la limite impossible, car le temps et sa succession de valeurs culturelles, sociales et politiques doivent être vécus « en succession ». Les personnages savent que

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toutes les valeurs s’équivalent dans leur caducité, mais l’appel d’un ordre différent, ordre du fondamental et du non mutable, reste actif, comme il l’était déjà pour les personnages de Mudança et de Apelo da Noite, dont nous avons parlé. Nítido Nulo nous montre la désillusion devant l’impossibilité de le construire. Et non seulement parce que la révolution s’est avérée incapable de sortir des vieux cadres mentaux, mais aussi parce que le fils du narrateur n’est pas intéressé à ce nouveau monde. Il parle même un autre langage et ils ne se comprennent pas. Signo Sinal se pose la question de la valeur qui doit être le vecteur d’orientation d’un nouveau monde. Ce roman part d’un tremblement de terre qui a complètement détruit un village. Maintenant, il faut trouver la géométrie symbolique de la reconstruction puisqu’on doit partir de zéro, tout a été détruit. Il y a un Architecte (on comprend, à la fin, qu’il n’existe pas et n’est qu’une projection du narrateur), qui vient, plusieurs fois, pour proposer des géométries symboliques toujours différentes, mais défendues avec des arguments également valables: une fois il propose que ce soit l’Église qui occupe la Place, parce que tout se déroule autour du sacré; une autre fois, il défend que ce doit être le Tribunal le centre du village, car la Justice doit régler toutes les relations humaines; une autre, que ce doit être l’École car le Savoir est le moteur de l’avenir; une autre encore, que ce doit être la Fabrique, car le Travail est la grande valeur humaine. Les arguments employés sont également défendables et Vergílio Ferreira reprend par là un thème qui lui était cher depuis longtemps et dont Mudança, publié beaucoup d’années avant, témoignait déjà: toutes les valeurs s’équivalent et ne prennent sens qu’ancrées dans un temps déterminé. Or, notre temps a fait le tour de toutes les valeurs et toutes ont subi des dégâts. Il s’ensuit qu’aucune n’a assez de force pour s’imposer à notre époque, la seule « valeur » qui s’impose, maintenant, c’est l’Ordre universel où tout se subsume et « s’égalise », ce qui est, d’une certaine façon, comme je l’ai déjà indiqué, la reprise du vieux thème du double aspect du moi métaphysique, maximalement individualisant mais, intrinsèquement, enraciné dans ce monde originaire très proche de l’Ordre universel. Mais, maintenant, l’accent est mis sur les conditions culturelles, politiques et sociales de cette relation de l’individu et de l’Ordre. Trouver la valeur vectorielle de la nouvelle société signifie trouver une valeur qui transpose l’Ordre universel dans le quotidien des sociétés humaines et, comme l’Ordre se nuance dans ce monde originaire où le moi métaphysique des narrateurs ou des personnages principaux de Vergílio Ferreira trouve ses racines, on voit bien que cette nouvelle société serait celle qui respecterait le plus profond de l’homme, ne l’aliénerait pas et serait, donc, celle que le fils « divin » du narrateur de Alegria Breve devrait construire, ainsi que la révolution de Nítido Nulo. Le fils et la révo-

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lution ne l’ont pas fait. L’Architecte de Signo Sinal, toujours écrit avec majuscule étant donné son caractère mythifié, ne le fera pas non plus, car il ne pourra trouver de valeur vectorielle pour « imposer » aux pouvoirs. Les travaux n’avancent pas, quelques murs ont été construits à moitié, car la successions des orientations a fait arrêter les travaux, et le village semble, de la sorte, un labyrinthe. Notre temps ne sait à quelle valeur se fier, comme ne le savaient pas les personnages qui conduisaient l’action de Mudança et de Apelo da Noite, comme on l’a vu. Mais, maintenant, le cadre est moins teinté de politique et plus de questionnement radical de la condition humaine (ce qui était, déjà, sous-jacent, aussi, dans les deux romans mentionnés). La question que l’auteur se pose, maintenant, n’a rien à voir avec des régimes politiques; elle a à voir avec l’impossibilité de faire coïncider l’Ordre universel et son monde des origines, avec son « mystère », au sens le plus fort du terme, et un système politique, social et culturel qui puisse la transposer dans le quotidien. Réaliser le nouveau monde de l’homme, où il puisse vivre maître de soi-même et réaliser sa condition, impliquerait percer le « mystère » de l’Ordre et le transposer dans notre quotidien. Ce questionnement s’empare du cadre de la « révolution des œillets » (quoique ce roman ait été conçu avant la révolution) et utilise ses excès idéologiques avec humour. Il y a même un comice, décrit avec grand humour, où les valeurs et les personnages qui les défendent se mélangent dans une danse « révolutionnaire ». Une femme muette prend, finalement, le microphone et les gens disent: « Laissez parler la muette! », ce qu’elle fait pour émettre des sons qui n’ont aucun sens : « Mu . . . mu . . . tá . . . tá. ». Voilà l’image de notre temps. En dehors de la fiction, Vergílio Ferreira s’est souvent occupé des questions de politique dans des essais, dans des interviews et dans son journal, Conta-Corrente (Lisboa, de 1969 jusqu’à 1992). Dans celui-ci, nous nous intéresserons maintenant aux années de 1974–1975, car elles contiennent ses réactions aux événements majeurs de la révolution (25 avril 1974) jusqu’à la « correction » des excès (les communistes et la gauche non démocratique avaient pris le pouvoir) du 25 novembre 1975. Dans ces années, Vergílio Ferreira relate l’ambiance qui a précédé le coup d’état et l’espoir qu’il a eu d’un nouvel ordre démocratique et où la liberté et les valeurs humaines puissent se développer. Mais la prise du pouvoir par des forces de gauche non démocratique l’a angoissé et ce qui apparaît dans son Journal, c’est surtout l’incertitude de l’avenir. Mais aussi une constante annotation de lectures de toutes sortes de livres qu’il est en train de lire et de notices sur ses romans (critiques qu’il a eues, etc.), surtout ceux qu’il écrit ou projette d’écrire. Les deux univers se croisent, la réalité décevante de la révolution qui, comme celle de Nítido Nulo, n’a pas

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changé le pays dans le sens qu’il voulait, et la culture, décevante aussi dans le sens où tout confirme la crise des valeurs, à laquelle Vergílio Ferreira est particulièrement sensible. Finalement, avec la « correction révolutionnaire » du 25 novembre 1975, la liberté et la démocratie vont pouvoir s’imposer. Et il notera: « un moment d’espoir que la démocratie triomphe » (26/11/ 75); « ira-t-on enfin respirer? » (29/11/75), espoir qui se mêle à des doutes sur la viabilité de la démocratie, dans le présent état des choses.1 Le Journal suit avec des notations sur la vie quotidienne et surtout, avec des réflexions sur la politique européenne et mondiale. Les nombreuses interviews que Vergílio Ferreira a données tout au long de sa vie, contiennent beaucoup de réflexions sur la politique et la crise des valeurs. Dans un livre, sorti en 1981, et qui recueille nombre de ces interviews,2 il nous dévoile ce qu’il entend des rapports entre la politique et l’art. L’art, il l’a dit plusieurs fois, c’est la façon d’accéder au monde des origines où l’individu accède à son moi métaphysique lié à l’Ordre universel. La politique et la culture devraient créer, si c’était possible, les conditions pour que cet Ordre puisse être transposé dans le quotidien, on l’a dit. On voit, dans cet enjeu, l’importance de l’art: « Ainsi, il est fécond l’artiste qui dévoile à la Cité ce que l’apparence cache – sa vraie face. » (p.106). On comprend la signification de l’évolution du monde des origines vers l’Ordre universel que le monde humain doit transposer, ce dont on a parlé. Cette évolution va de pair avec une autre évolution dans les intérêts de l’auteur: « Mon ‘étape d’aujourd’hui’ prolonge encore celle de l’Existentialisme. Ce qui arrive, c’est que d’un problème de ‘personne’ ou d’individualisation, d’une préoccupation avec le sens d’un ‘je’ ou d’un ‘tu’, je suis passé à une préoccupation, je dirai même obsession, avec la mise en ordre d’un monde où l’homme s’intègre. Au fond, ce fut le problème avec lequel je me suis toujours préoccupé et qui était impliqué dans les problèmes antérieurs. Mas l’accent est changé. » (p.273). Et cela pour des raison non seulement d’approximation du quotidien à l’Ordre, ce qui transparaît surtout dans les romans, mais en particulier parce que les convulsions du monde moderne obligent à y réfléchir: « Il n’est pas possible, en effet, de rester indifférent devant la convulsion moderne, la menace d’une Europe assiégée, menacée possiblement de disparition ou de mort par inanition, comme est impossible l’indifférence devant le questionnement profond sur les valeurs qui pourront l’ordonner. Parce que nous sommes dans un temps qui ne les a pas ou qui les juge remplaçables par des valeurs d’expédient qui s’épuisent à la surface de leur caractère aléatoire. L’Europe aura-t-elle devant soi au moins le 1

Ferreira, Vergílio, Conta-Corrente 1, Lisboa 1980, p. 294. Ferreira, Vergílio, Um escritor apresenta-se: apresentação, prefácio e notas de Maria da Glória Padrão, Lisboa 1981. 2

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destin d’une Grèce en face de la Rome victorieuse? Parce que Rome a reconnu encore à la Grèce, selon le célèbre vers d’Horace, la qualité de victorieuse devant celle qui l’avait vaincue. Quelle force animique aura l’Europe de demain pour être toujours, ce qu’elle est, la capitale du monde? Parce qu’elle l’est encore, sans doute, et seuls les myopes par nature ou par stratagème pourront admettre que la ‘crise’ européenne n’est pas une crise généralisée, du Nord au Sud, d’Est à Ouest. Penser la façon dont le monde entier peut s’ordonner demain est pour moi une question obsessive. » (pp. 273–274). Nous voyons par cette longue citation que l’évolution de Vergílio Ferreira et de son œuvre a été déterminée par des raisons de sa logique interne, mais aussi poussée par des raisons concrètes liées au monde environnant, raisons qui apparaissent déjà dans son œuvre de fiction, mais qui sont plus explicites dans ses essais ou interviews, comme c’est le cas ici. Citons encore un morceau d’une autre interview qui nous rappelle la problématique de Signo Sinal. Remarquez que tout s’interpénètre: le fait politique, historique, culturel, les domaines des relations individuelles, des peuples, des nations. Il faut, réellement, remettre tout sur de nouvelles bases. Qu’est-ce qui en résultera? Toute la culture s’ordonne autour de valeurs: la crise que le monde traverse est une crise de valeurs. Mais la valeur ne s’invente pas: elle apparaît. Autour de quelles valeurs pouvons-nous aujourd’hui ordonner la vie? Beaucoup de gens l’ordonnent autour de valeurs de caractère politique. Nous savons combien tout cela est problématique. Ou en fonction de valeurs religieuses: or la religion, qui est un des éléments les plus importants, est aussi en crise. Ce que l’on sait, c’est que pour que la vie soit vivable et que l’homme se retrouve avec lui-même, il lui faudra découvrir quelques valeurs autour desquelles il puisse organiser sa vie. (p. 361). La grande valeur, en fonction de laquelle toutes les autres existent, c’est l’homme: sa dignité, sa liberté, sa réalisation et plénitude. (p. 362).

À la fin de ce parcours, je voudrais rappeler que, pour notre auteur, l’art, dans la mesure où il aide l’homme à se mettre en contact avec ses dimensions fondamentales et avec les dimensions fondamentales de la vie, aide la Cité. Or, dans un des romans néo-réalistes que nous avons mentionnés, Vagão J, Vergílio Ferreira fait un curieux rapport. En effet, ce roman nous raconte la vie d’une famille particulièrement défavorisée dans un milieu opprimé par le pouvoir réel des riches et par le pouvoir politique qui les supporte. Souvenons-nous, maintenant, du rapport, dont on a parlé, entre la quête de la Vérité et la quête de la Présence de cette femme absente qui est derrière toutes les femmes aimées dans la succession temporelle, comme les valeurs derrière lesquelles il y a l’Ordre universel qui les subsume et qui est la vérité ultime derrière toutes les valeurs qui changent avec le temps. Dans Vagão J, la conséquence la plus douloureuse de l’oppression sociale et politique est la difficulté d’aimer à cause de la difficulté de bien

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parler car l’amour a à voir avec l’organisation du monde et pour bien se mouvoir dans la géométrie significative du monde il faut savoir et c’est la parole qui donne accès au savoir. Les personnages de cette famille particulièrement défavorisée autour desquels le roman s’organise, ont du mal à aimer ou à manifester leurs amours, car ils ne sont pas instruits et ils ont du mal à comprendre leurs propres sentiments. La mauvaise politique qui opprime mène, en dernier ressort, à la difficulté d’aimer par incapacité d’utiliser les mots qui donnent la géométrie du monde et des sentiments ce qui a certainement quelque chose à voir avec l’Art (dont l’art des mots, limite ultime de leur bonne utilisation) dans lequel l’homme découvre sa vraie mesure.

De Vera Nobilitate: Memory and the Dignity of the Statesman in the Poetry of Constantin Kavafy Athanasios Moulakis The poetry of Kavafy does not spring from raw experience. It emerges, rather from experience remembered. It is recollection to which the poet gives carefully crafted form. This is true even with regard to the most sensual physical experience, first transformed into sensation, whose evocation can be raised to poetry: Return frequently and seize me Beloved sensationreturn and seize me – When the body’s memory awakens And old desire flows again into the blood When the lips andthe skin remember . . .1

The body itself is urged to remember. The mind’s eye merges with the awakening of the tactile sensitivity of the skin, both held together by desire sublimated in memory. There is no body-soul dualism in Kavafy, no separating the ghost from the machine. Man is one insofar as memory collects him, or rather re-collects him into one. Man is one in remembering not only actual encounters, but even yearnings that, for whatever reason, failed to be consumed. The self, furthermore, becomes vibrant to its own reality, more real in memory than in the flesh, not only in the evocation of its own desire but in the memory of the tell-tale signs of having been desired, an exquisitely dialectical process: Remember body, not only how much you were loved Not merely the beds on which you laid But also those desires that for you Visibly glistened in the eyes And trembled in the voice–and that Some chance impediment annulled . . .

The experience becomes significant and formative of the poets consciousness in its absence, elevated from its contingency as a particular sensation or event by being taken up in the personal but universal sphere of 1

All translations mine unless otherwise indicated.

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memory. The poet does not, of course, always speak in his own voice. He has his characters enact this drama of absence-presence. There are false dignities, the trappings of representation of propaganda, easily recognized as the theatre props they are. Cleopatra’s children are brought into the Gymnasium of Alexandria, splendidly attired and there, amid the drawn up troops, proclaimed Kings and Overlords of realms in fact beyond their control. The People play along, enjoy the spectacle, the magnificence of the site, the beautiful day and Caesarion’s good looks and they cheer in the many languages of the great cosmopolitan city. But they are not fooled: It is all a show, hollow display. Such emptiness, where the substance of the polity being celebrated is eroded, cannot, in the end, but lead to tedium and despair. The people would welcome even a disaster that would put an end to the charade. In one of Kavafy’s doubtless best-known poems Waiting for the Barbarians the civic life of the City is suspended. The Senators don’t legislate, the orators make no speeches. Instead the Emperor himself and the other grandees have set themselves up by the gate in their best finery, Because the barbarians will arrive today And such things dazzle the barbarians.

But the expected barbarians fail to appear: And now, what will become of us without barbarians? They were a kind of solution.2

Yet the statesman needs to live up to his role. He is no mere comedian, and it is disappointing, when driven by misfortune he behaves like one, shedding the marks of his office and dignity. The world is no mere stage, but it is a stage, and the statesman must dress the part. Kavafy writes of King Demetrius when the Macedonians abandon him in favour of Pyrrhus that: (Magnanimous he was) – it was said That he did not behave at all like a King. He went off And removed his golden vestments And threw away the crimson shoes In simple clothes he dressed, and slipped away, Behaving just like an actor Who, when the performance is over Changes his dress and leaves.

Kavafy’s reading is ambiguous. Was Demetrius right to know that the play was over and behaved as a coherent realist assuming the garb of a private man and leaving the scene once effectively dispossessed of his royal 2

Translated by Edmund Keely and Philip Sherrard.

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power or should he have upheld his royal style showing in the face of defeat that he was, the expectations of “those who say” seem to expect, in some essential way a King. Once a King, always a King? There seems to be something intrinsic to the magic of majesty, something interestingly owed to and asserted in the expectations of the audience, not of the protagonist. Kavafy’s mention of Demetrius’ magnanimity suggests it was not cowardice or pettiness that made him flee in disguise. It is appropriate for the actor to change and leave when the performance is over. The audience is nonetheless let down. Plutarch, who is Kavafy’s source, is subtle in different ways, but seems to side with “those who say”: “As though (or “just like”: hosper?) an actor (hypocrites, Sic.) he changed (“disguised himself”: metamphieuntai?) into a plain tunic instead of that tragic one, and escaping notice left”. Recognition is essential to the Statesman. Wealth and even power are poor consolation away from the chorus of one’s peers. The great and beautiful works, those that match the great soul are those that bring praise and repute. Again drawing on Plutarch, but not making the name of Themistocles, thus raising the matter to a more general level Kavafy writes in The Satrapy: What a calamity, whereas you are made For the beautiful and great works This unjust fortune of yours ever Denying you encouragement and success That cheap habits and acts of pettiness and indifference Should get in your way. And the dreadful day on which you give in – The day on which you allowedyourself to give in – And you set out on the road to Susa And you get hold of the monarch Artaxerxes Who introduces you to his court with favour And offers you satrapies and such like. And you accept them in despair These things you do not want. Your souls seeks other things, it weeps for other things Those difficult and priceless “Bravo!” The Agora, the Theatre and the Crowns. How can an Artaxerxes grant you those Wherewill you find those in the satrapy And what kind of life will you lead without them?

The magnanimous statesman is driven into exile by the pettiness of his fellow citizens and by the blows of fortune. He is no less squarely responsible: “The day you allowed yourself to give in”. And the habitual pettiness of one’s fellow citizens apparently does not diminish the value of the

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crowns they can bestow. But the importance of public recognition and acclaim becomes truly evident in exile. The grandeur of the office, the greatness of the city whose power the statesman has embodied marks and obliges him. But it is the searing loss of it all that gives full scope to his magnanimity: The God Abandons Antony When suddenly at midnight you hear An invisible company pass With exquisite music, voices – Do not lament your luck that now gives out, your work That has failed, schemes of your life All proved to be false – do not lament these uselessly. Like one for long prepared, like a courageous man, Say good-bye to her, to the Alexandria who is leaving. Above all, do not deceive yourself, do not say It was a dream, yourhearing was mistaken: Like one for long prepared, like a courageous ma, As it becomes who had the honour of such a city, Go firmly to the window And listen, with feeling but not With the coward’s supplication and complaint – Listen as the final enjoyment to the music, To the exquisite instruments of the mysterious company, And say good-bye, to the Alexandria you are losing.3

Again Kavafy blends the stylizing of the self by means of exquisite evocation with the substantive virtue of the man: “Like one long prepared, like a courageous man”. Preparation, maturity and courage are neither simply given, nor are they dissimulated. It is neither: “you who are brave” nor: “behave as though you were brave”. But it is “you who were worthy of, who had the fortune of possessing” – all meanings contained in the Greek “axiothekes”, rendered by Keely and Sherrard in the inevitable reduction of translation as “who had the honour of” – this city, evoked in heightened emotion by the exquisite music of chants in honour of the very divinity that first granted and is now depriving you of it. This is more than constancy in the face of adversity. It is not the achievement of a project, nor is it the upshot of circumstances. It is situated in a particular plot. Not everyone is worthy of Alexandria, but the worth becomes evident by Alexandria slipping away. Such magnanimity transcends common humiliation. King Cleomenes of Sparta, in its diminished circumstances of the third century B. C., is deeply embarrassed by the demand to send his mother as hostage to Ptolemy in 3

Translated by Edmund Keely and Philip Sherrard.

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Egypt “a very humiliating, improper thing”. For shame he hesitates and falters every time he tries to tell the old lady herself. But the wonderful woman understood him (Shehad heard rumours already concerning it), And she encouraged him to explain. And she laughed; and she said of course she would go. And even rejoiced that she was able In her old age to be useful to Sparta still. As for the humiliation – it did not interest her. The spirit of Sparta certainly was beyond The comprehension of an upstart like the Lagides; Therefore his demand could not in fact Humiliate an Illustrious Woman like herself: Mother of a Spartan king.4

What speaks in Kratesikleia – for such was that great lady’s name – is more than pride of blood. It is association, by that most elementary of bonds, motherhood, with a hallowed public institution, the venerable kingship of Sparta. All the effective power of the newfangled king of Egypt cannot outshine it, much less humiliate its holder. It is incomprehensible to Ptolemy in his recently acquired might, and, at first, almost incomprehensible by Cleomenes himself. At the pragmatic level King Cleomenes is weak. His hesitancy in speaking to his mother under the circumstances is, however not merely a sign of filial respect, but also an intimation of the respect due to one who is the living evocation of a glory that exists mostly in memory – and just because of that beyond. Kratesikleia evokes and enacts the dignity of Sparta and of its royalty in manner that puts it beyond the reach of bullies. Hers is a role that has become character: True Nobility.

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Translated by Edmund Keely and Philip Sherrard.

Imagining a Place for Aztlan: Chicanismo and the Aztecs in Art and Resistance Davíd Carrasco I want to contribute to our celebration of the work of Tilo Schabert by reflecting on the ways that Mexican American artists and intellectuals have imagined a place for Aztlan, the symbolic homeland of the ancient Aztecs, in their constructions of a Chicano identity in the United States. Remembering how Schabert has nurtured the Eranos spirit that affirms the deep power that symbols of space and time have had in human culture I want to illustrate how the indigenous, mythic place of Aztlan has been recalled to life through Chicano arts, politics and imaginations. We will see that Moctezuma’s Mexico of the early 16th century continues to have a strong hold in the art and imagery of Mexican Americans in contemporary US. As one Chicano author writes, Aztlan has been “a central image in the intellectual and social thought of Chicano/as.”1 In what follows I will discuss this social thought and artistic expression in three phases. First I will present an overview of the contested presence of Mexicans in the United States and reflect on the recent polemic against Mexicans by the Harvard University professor Samuel B. Huntington. The purpose here is to help readers understand how an exclusionary, xenophobic American mythology that favors a East to West/Frontier world view sets the stage, in part, for imagining Aztlan as a US story. One result of the exclusionary East-West orientation is the felt need for some Mexicans and Mexican Americans to identify an alternative, indigenous based narrative of foundations and identity. Secondly I will present a summary of ‘Chicanismo’ and some examples of its origins and political expression and search for Aztlan. As we shall see Chicanismo uses the place and myth of Aztlan as a means of articulating a political cry for social, educational and agricultural justice in the United States. It also provided a creative ‘reversal’ of perspective on the religious and political lineages for the inhabitants of the lands of the Southwestern United States. Thirdly I will show examples of Chicano art which manifest Chicanismo’s uses of Aztec imagery in relation to three themes. 1. The theme of 1 Pérez-Torres, Rafael, Refiguring Aztlan, in: Chon Noriega et al. (eds.), The Chicano Studies Reader. An Anthology of Aztlán 1970–2000, Los Angeles 2001, pp. 213–240.

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the sacred plant of foundations 2. The theme of death in which artists use the skull and skeleton, in part taken from Aztec imagery, to express the pervasive nature of Mexican American suffering, 3. The theme of the Sacred Mother who protects, nurtures and inspires Mexican Americans. Along the way we will see how artists and activists have created a Chicano identity drawing on their imaginings of La Virgen de Guadalupe, Coatlicue, La Malinche, Emiliano Zapata and Cesar Chavez as a basis of social protest and political critique.

I. The Contested Presence of Mexicans in the United States In order to understand some of the reasons that Mexican Americans turn to Aztec, Maya, Toltec and other indigenous traditions to shape their aesthetic expressions and identity politics in the United States it is helpful to consider the following questions and historical trends.2 Why must Mexican Americans and other Latinos struggle so long and hard to find stable and safe economic, political and spiritual places within the US borders? Growing up in the US when segregation was still the law of the land, I remember learning cues from my parents and grandparents that some public places like restaurants, neighborhoods, ball parks and schools were not welcoming to us which is to say they were not really “safe spaces” for Mexicans to dwell in. Why is it, after generations and generations of hard working Mexican families who have tried to assimilate to US culture, learn English, fight in wars, work as criadas, maids and nannies to Anglo children-that Mexicans and peoples of Mexican descent are usually considered a drain on US health and financial systems, as threats to legal order and civil society and as threats to the democratic process? Do our readers know that in 1848 a huge part of Mexican territory was ceded to the US as part of the Treaty of Guadalupe Hidalgo but that the majority of Mexican ‘citizens’ remained in the northern territories to work and continue living in a familiar landscape? How many of us know that 1 in 8 Mexican citizens came into the US during the Mexican revolution of 1910–1920, and like my grandfather Miguel Carrasco worked diligently to learn trades, speak Eng2 In this section of the essay I am emphasizing the Chicano reaction to the narrative of manifest destiny as one motive in the recovery and celebration of indigenous symbolism within Mexican American art. But Mexicans in Mexico and in the United States who draw on indigenous myths, symbols, and names have had centuries long dialogues within themselves and their communities about the values and presence of these indigenous meanings. The ever recurring story of manifest destiny, meaning in this case that Anglos were chosen by God, history or geography to ‘discover’, reorganize and conquer indigenous and Mexican peoples, is just one stimulus for recalling Aztlan to life.

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lish, practice Anglo customs while at the same time speaking Spanish and practicing, to various degrees, Mexican cultural activities while at the same time striving to learn the responsibilities of citizenship in the US-Mexican borderlands? The depth of Mexican contributions to the US economy is reflected in the Bracero programs and the many long and short-term labor efforts of waves of temporary field workers.3 As any traveler through the southwestern US can testify, Mexican names of towns, valleys, states, streets, parks abound as signs of Mexican historical presence. To further understand the use of indigenous and Mexican national symbols in the artistic expressions and politics of Mexican Americans it is crucial to recognize that in the last 20 years and for the unforeseen future, the US is undergoing the largest immigration in US history and by far the largest percentage of immigrants are from Latin America and most of those are from Mexico.4 In the 2000 census, we find that over 35 and ½ million people in the US are identified as Latinos and 2/3rds of those are foreign born. By far the largest numbers come from or claim Mexico as their country of origin. And 7 in 10 of the Latinos in the US reside in five states: California, Texas, Florida, and New York and surprisingly to some, New Jersey. In all these locations and in many other cities and towns, Latinos are working, speaking Spanish AND English, (as well as various indigenous languages) struggling to adapt to US political culture and sending significant percentages of their earnings to their families back in Latin America as remittances.5 All this is to say that there is an expanding borderlands between the US and Mexico that is defined, not primarily by geography as by the places where Latinos live, work and seek their well being while at the same time remaining oriented, in part, toward their original homes. As social scientists will attest, migrants from all countries remember, talk and identify to some degree with the places they come from. While there are many citizens and institutions in the US who welcome or cooperate (while also benefiting) with this long term Latino presence, labor and cultural styles, it is also clear that Mexican immigration in particular is perceived as a threat to the national Anglo Saxon myth of foundations, purity, English and even Protestant attitudes. In general terms, the Latino presence, what I sometimes call the “Brown Millennium”6 challenges the East3 For a vivid example of Mexican labor in the US see Cull, Nicholas J./Carrasco, Davíd (eds.), Alambrista and the US-Mexico Border. Film, Music and Stories of Undocumented Immigrants, Albuquerque 2004. 4 The best recent scholarship on this pattern appears in Paez, Mariela/Suarez Orozco, Marcelo (eds.), Latinos Remaking America, Cambridge, MA 2002. 5 For an attractive and informative account of the range and contributions of Latino presences in the US see the book-film project Olmos, Edward James/Ibarra, Lea (eds.), Americanos. Latino Life in the US, New York 1999.

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West orientation of political myths in the US which find their most comfortable home in the secondary school curriculums and college courses. Until recently, secondary school and college courses emphasized “Western Civilization” and “Eastern Religions” or “Politics in the Middle East”, “Ways of Thinking of Eastern Peoples” and so on. One serious and popular course at Princeton University has the tongue in cheek title as “The West and the Rest”. This curricular orientation – that the story of human culture and civilizations moves on an East to West axis (starting in Rome or Greece moving to northern Europe and then across the Atlantic) – reflects the US national story of manifest destiny which has motored countless books, political speeches, theologies and attitudes toward race and ethnicity in the US. This story begins with the arrival of Pilgrims at Plymouth Rock, continues through the triumphal story of the 13 colonies and the American Revolution, moves onto the Louisiana Purchase of the Jeffersonians, stops briefly at the Mexican American War, elevates and is mesmerized by the Civil War. It then dwells on the rise of the great industrialists, especially in the eastern half of the United States and celebrates the emergence of the US as “the greatest and most powerful nation in the world.” New scholarly orientations including cultural, area and post colonial studies along with the stunning data about the millions of immigrants moving back and forth from Latin American in Northerly and Southerly directions have revealed a new historical axis and a subversive orientation to the manifest destiny story. The result is that the East West/New Frontier mythology is being undermined and exposed as, in part, a polemical story designed as much to exclude complex historical facts as it is to elevate a specific cultural heritage. Nowhere has this threat to a general ‘orientation’ of US historical identity been made clearer than in the recent writings of Samuel P. Huntington whose repulsive book Who are We: The Challenges to America’s National Identity unleashed a short-term furious debate7. Huntington argues that Mexican immigrants in particular pose not just a challenge but a deep threat to the “Core” of American politics and culture. This cultural core consists of Anglo Saxon, English Speaking, Protestant Christians who almost single handedly created the individualistic American Creed of life, liberty and the pursuit of happiness based on laws and not customs or multicultural identities. According to Huntington, Mexicans don’t learn English quickly enough to assimilate effectively, live in protected and isolated enclaves, have big families and express contempt for US democratic values. Mexican attitudes 6 See my introductory essay in Virgilio Elizondo’s The Future is Mestizo, Niwot 2000, for an outline of the “The Brown Millennium”. 7 The author debated Samuel Huntington at Harvard University’s Divinity School in the fall of 04 and the entire event can be viewed at this website. http:// www.hds.harvard.edu/news/events_online/us_identity.html.

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and practices are painted with a list of clichés which Huntington translates as “Who Cares”, “I’ll do it for you tomorrow”, “nothing is really worthwhile”. Latinos are griped with fear of people outside their families, they lack initiative, ambition and the spirit of independence. Imagine for a moment what it must feel like for US based Mexicans, Puerto Ricans, Brazilians, Central Americans, native Americans and people of mixed origins to hear and undergo this world view and an historical narrative that marks them, in political and cultural terms, as unclean threats and welcome only if they swallow and assimilate to a view that marginalizes them, their families and their traditions in cultural and human terms. It makes sense that Mexicans and Mexican Americans who on the one hand have striven to assimilate to US politics and culture (while keeping pride and knowledge of their own cultural and political traditions) will, on the other hand, reject the story that states “you were discovered, invaded, conquered and settled” by English speaking Anglos and must internalize their myths and attitudes or be considered ‘illegal’, subversive and ‘un-American’. The Chicano movement in its early days, always a combination of field workers, teachers, college students, church people and artists recognized that they could not find ‘our story, our identity or our places’ in this East-West-Anglo Saxon-English Speaking-Manifest Destiny mythology. In response, many of them looked for alternative narratives where their families, memories, ancestors and hopes could find places for expression with some integrity with their past and family ties. Some of them imagined a place for Aztlan in their own midst within the United States. Given the social atmosphere of multiple forms of discrimination against Mexicans, the Chicano movement at its 1960’s origins was drawn to indigenous and national Mexican emblems, stories, places and heroes. Especially attractive was the story of Aztlan, which told of “Chicomoztoc” the Place of Seven Caves located in an original homeland north of central Mexico. The story is that the Mexica ancestors were inspired by their patron deity to leave Chicomoztoc and travele south on a long and arduous pilgrimage in search of a new homeland. Led by Huitzilpochtli, they eventually arrived in the valley of Mexico where their god appeared to them in the form of a giant eagle landing on a blooming cactus in the middle of the lake of Mexico. Some examples of this origin stories have been referred to already in this conference in the presentations by Felipe Solis, Elizabeth Boone and Eduardo Matos. One image of the emergence from Aztlan appears in the in the 16th century document Historia Tolteca Chichimeca where a hill is depicted with seven caves in which the original ancestors dwelled before leaving on their sacred journey in search of a new city. (Image) Several versions of this story and place were circulating in the Mexican and Mexican American communities for decades when the Chicano movement recognized a profound connection between this story

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and place of origin in the earth and the tremendous labor efforts Mexican campesinos were making in the earth and agricultural fields of the Southwestern United States. This profound connection between Aztlan and the sufferings and labors of Mexicans gave birth, in part, to the Chicano movement and Chicanismo. Chicanos, as we shall see, began to think of the agricultural fields and social communities where Mexicans resided in the southwestern US as the site of the original Aztlan. The depth of irony that this Chicano orientation brings to the constructions of Samuel Huntington is exemplified in his choice of a cuisine metaphor to represent the Anglo Saxon-English Speaking-Protestant foundations of US society and culture. For Huntington it is “tomato soup” that best represents what America was, is and should become. In his exhortation to Mexican immigrants to duly adopt the standard Anglos Saxon cultural patterns he writes “The culinary metaphor is an Anglo Protestant tomato soup to which immigration adds celery, croutons, spices, parsley and other ingredients that enrich and diversity the taste, but which are absorbed into what remains fundamentally tomato soup.” The problem with this culinary metaphor, from the historically informed Chicano perspective, is that the word Tomato comes from the Nahuatl term tomatl that Cortes and the Spaniards learned in Mexico and brought back to southern Europe! Tomatoes were originally cultivated in Peru over 3000 years ago by indigenous peoples and migrated to Mexico where it got the name that we use today without even knowing that it’s a Pre-Hispanic term. In fact the most handsome men in Aztec society were referred to as Iuhquin tlachictli, iuhquin tomatl – “Something smooth, something like a tomato.” Spaniards took the vegetable and the word to Europe where it migrated to Italy and become known as pomo doro – the apple of gold. Only centuries later does the tomato get to Anglo Saxon lands and become a watered down version of its Peruvian and Aztec ancestor. The irony is that the historical source for Huntington’s metaphor for his cultural ‘core’ comes from the ancestors of the very people he sees as threats and this is quite an interesting lineage for us to consider. It seems to me that the better metaphor for US culture today is not tomato soup, but Mexican salsa.

II. Chicanismo and the Search for Aztlan Chicanismo was born, at least as an organized political movement at the National Chicano Youth Liberation Conference organized by Rodolfo “Corky” Gonzalez of the Denver Crusade for Justice in 1969. Its central philosophy was articulated in the “El Plan Espiritual de Aztlán”. The opening lines include the phrases

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. . . we, the Chicano inhabitants and civilizers of the northern land of Aztlan from whence came our forefathers, reclaiming the land of their birth and consecrating the determination of our people of the sun, declare that the call of our blood is our power, our responsibility and our inevitable destiny.

These lines show the authors reworking Aztec sacred history in the following ways. First, Chicanos are descendents of the ancestors who left Aztlan (a), which is a northern territory (b). Consequently, they became the people of the sun (the title of a book about the Aztecs by Mexico’s Alfonso Caso) (c) who, because of a ‘call’ in the blood (d), have an inevitable destiny (e). If there is one dimension of the human body associated with the Mexicas it’s surely blood, because the Aztec believed that prodigious supernatural powers resided in human and animal blood. Further, Aztec theology is reflected in the claim of “inevitable destiny” which refers to the cosmic renewal found in the Aztec stories about the five cosmic suns of the universe. The destiny of the Aztecs, depicted for instance in the central section of the misnamed “Aztec Calendar Stone” tells of an inevitable cosmic pattern of birth-stability-collapse and rebirth. Some Chicanos believed they represented the final stage of rebirth out of the years of suffering in fields, jails, borderlands and cities. Central to this vision is the lineage which Chicanos claim goes back to the “northern land of Aztlan”, meaning the place of emergence of the Aztec ancestors. For the Chicanos who wrote and believed in this document, that northern land is not Guanajuato or Zacatecas but Arizona, New Mexico, California and Texas.8 This Aztec place of origins, now imagined somewhere near San Diego, Phoenix, El Paso, San Antonio and Los Angeles was key to the construction and articulation of a common framework for Mexican American political identity and that depended in part on the adoption of indigenous Mesoamerican imagery.9 Fortunately, a recent essay on Chicanismo by Professor Jose Cuellar in the Oxford Encyclopedia of Mesoamerican Cultures, outlines the history of the term Chicano as well as the central political and philosophical ideas of Chicanismo. In Jose Cuellar’s excellent overview we learn that the renowned Mexican scholar Manual Gamio first documented the use of the word he spelled chicamo which was used by “American Mexicans” in Texas around 1900 . . . as a derogatory term for more recently arrived Mexicans. . . . During the late 1950’s, “chicano” (also spelled “Xicano”) largely transformed 8

Recently, artists and journalists claim that the original Aztlan is somewhere near Salt Lake City! 9 This is one of the “straight” lines used by Chicano scholars i. e. that there is a living indigenous understanding and identity among Mexican Americans. As we shall see in the next section on Refiguring Aztlan, Chicano understandings of indigenous myths, symbols and practices has been called seriously into doubt.

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from a pejorative term for “Mexican immigrant” into a positive self-identifier of U.S. natives of Mexican descent. By 1959 high school students of Mexican descent identified themselves proudly as ‘Chicano’ defined as “Mexican born on the US. Side of the border/un mexicano del otro lado” or ‘Mexican American/mexicanoamericano’.10

Cuellar goes on to note that the term took on a more leftist, working class connotation especially among college-educated young adults of Mexican descent. These students began to study and draw upon indigenous colonial and pre-Hispanic codices, images, and stories to form their sense of identity as cultural agents of social change and freedom within the US context. Among the indigenous peoples they looked to for cultural resources were the Apache, Aztec-Mexica, Maya, Huichol, Hopi, Toltec, Tarascan, Tzotzil, Yaqui and Zapotec. As Cuellar writes, By the end of the 1970’s ‘Chicanismo’ denoted the consciousness of the shared struggles for human and civil rights known as the ‘Chicano movement’ which emphasized the mestizo (mixed race) and obrero (working class) bases of the US Mexican-descent population. This movement transformed the ways both immigrant and native Mexicans in the United States thought about their past, present, and future.11

As the quote and commentary from the Spiritual Plan of Aztlan shows above, the central symbol of this consciousness was the image of Aztlan, the northern place where the story of Mexico and Mexicans began. In time, this place was identified with either the Southwestern US in general or a series of specific locations that were celebrated as the original homeland of Mexicans and Chicanos. Since the publication in 1969 of El Plan Espiritual de Aztlán, many Mexican Americans have embraced the symbol of Aztlan as expressing something integral to being Chicano in the United States of America. For instance, the leading Mexican American academic journal in the United States is called Aztlan and has been publishing significant social scientific and humanistic research since the 1970’s. Rafael Pérez-Torres writes skillfully about this embrace of Aztlan in his essay “Refiguring Aztlan,” (which appeared for a second time in the 20th anniversary “best of Aztlan” series of essays published in Aztlan) saying, “One image central to Chicano/Chicana intellectual and social thought has been the figure of Aztlan.”12 And in a beautifully illustrated book The Road to Aztlan: Art from A Mythic Homeland, the editors make the huge claim that “Aztlan – as symbol, as allegory, and as real and invented tradition – served as a cultural and spiri10 Cuéllar, José B., Chicanismo, in: Oxford Encyclopedia of Mesoamerican Cultures, New York 2002, p. 180–183. 11 Ibid., p. 180. 12 Pérez-Torres, Refiguring Aztlan.

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tual framework that gave Chicanos/as a sense of belonging and a link to a rich and extensive history . . . ethos and foundation.”13 (Italics mine) These are very strong terms – “central image,” “cultural and spiritual framework,” – and big claims: “belonging . . . foundation” putting layers of symbolic weight onto Aztlan. As an historian of religions I am struck by the similarity of this language with the religious category of a “cosmovision” because it communicates aspects of a world view and shows how the Chicano movement attempted to stimulate a “renovatio”, a deep cultural renovation of Mexican-Indigenous mythology and place names for its contemporary political struggle. In The Road to Aztlan the editors expand our understanding of how Aztlan has evolved from a symbol of a single mythic center into multiple symbols of many centers. On the one hand they ‘deterritorialize’ Aztlan through including essays about art “derived from and created about the legendary area that encompasses the American Southwest and portions of Mexico.” Aztlan is not a specific historical location but becomes a huge geographical area where objects, ideas, and meanings traveled; were exchanged over enormous distances and punishing terrain; and gave meaning and power to diverse communities.14 Essays on the symbolism of wind, goggle-eyed and feathered serpent gods, copper bells, Spanish travel, and mestizaje establish that a complex network of communication and exchange linked central Mexico with the area now known as the American Southwest for centuries before the Spaniards came. Along this network traveled objects of trade and ritual, including animals, art and religious symbolism thus providing us with an expansive sense of the territory of Aztlan. On the other hand, in the last section of the book we see Aztlan “re-territorialized” in a series of specific Chicano locations where art works in exhibitions in various Chicano and other communities show that there are multiple but specific Mexican American homelands. Especially relevant are the words of Chon Noriega who says that Aztlan “refers to all those places where there is a strong Mexican and Chicano/a cultural presence.”15 Today Aztlan is used as a name for community centers, parks, and nicknames wherever Mexican Americans live. When I was a graduate student at the University of Chicago, I was involved in the transformation of a Presbyterian Church controlled community center called Howell House (in 13 Aztlan: Destination and Point of Departure, in: Fields, Virginia/Zamudio-Taylor, Victor, Road to Aztlan: Art from a Mythic Homeland, Los Angeles 2001, p. 64. 14 See Velez e Ibanez, Carlos, Border Visions: Mexican Cultures of the Southwest United States, Phoenix 1996, and his notion of the “Greater Southwest” which includes significant parts of northern Mexico. 15 Ibid., p. 42.

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the Mexican American barrio known as Pilsen) into a service and educational center named Casa Aztlan. Changing the name Howell House into Casa Aztlan meant a commitment to serve the daily needs of the Mexican people in terms of jobs, education, bilingualism and art. One of the first acts of claiming this space was the commissioning of a Chicano muralist, Raymundo Patlan to paint large murals all around the interior of the main meeting hall. Patlan synthesized the styles of Diego Rivera and David Alfaro Siqueiros with his own evolving art to depict farm workers in struggle, Aztec warriors in battle, and the landscape of Mexico and the Southwest. Today, Casa Aztlan is still functioning and the murals have spread outside the building to include images of Quetzalcoatl, the Feathered Serpent and other Mesoamerican gods Mesoamerican gods and images.16 Chicano inventions of Aztec traditions are well summarized in Victor Zamudio-Taylor’s essay in The Road to Aztlan entitled “Inventing Tradition, Negotiating Modernism: Chicano/a Art and the Pre-Columbian Past” where the themes of diversity and resistance stand out. We are told that Chicanos reinvented the Aztecs in order to formulate their own tradition “to suit contemporary political issues as well as the fashioning of diverse cultural identities that characterize the heterogeneity of the Chicano/a experience.”17 The challenge of translating Aztec and Mexican images of Aztec life into Chicano barrios, art workshops and la communidad was accomplished through the “blurring and defiance of hierarchical boundaries with respect to ‘popular,’ ‘vernacular’, and ‘high’ cultures.”18 Concerned about the artistic merit of some Chicano art and its uses of Mesoamerican images, symbols and gods, the author notes how Chicanismo, the ideology of Chicano/a nationalism depended heavily on an exaltation of the indigenous past. This exaltation was, in part, an assertion of difference from Anglo values and a critique of Anglo-American erasures of indigenous aspects of Mexican American life. Chicanos were also expressing an historical claim to the 16 As I wrote in Religions of Mesoamerica: “Casa Aztlan is named after the mythical homeland, north of the Aztec capital, from which the Mexico ancestors left in order to build their great center, Tenochtitlan. Chicanos in Chicago claim that that original homeland is their barrio, where struggle and celebration are joined in a movement to ease the pain of urban living. They know in their minds that, geographically speaking, Aztlan is much further south. But in the religious imagination a sacred place can be anywhere there is a revelation of the spiritual resources and destiny of a pole. Casa ‘Aztlan is a modern-day ceremonial center of Chicanos to recall the pre-Columbian past and use that recall to strengthen themselves.” Carrasco, Davíd, Religions of Mesoamerica: Cosmovision and Ceremonial Centers, San Francisco 1990, p. 156. 17 Inventing Tradition, Negotiating Modernism, in: Fields/Zamudio-Taylor, The Road to Aztlan, p. 342. 18 Ibid., p. 343.

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Southwest as the original Aztlan. Zamudio Taylor makes a bold comparison when he writes, Like the Mexica, who created their own senses of historicity and invented traditions to justify their cultural and political claim to Mesoamerica, Chicanismo also reinvented history by inscribing the present into a cultural corpus of long-standing legends, traditions, and cosmologies derived from pre-Columbian Civilizations. Chicanismo upheld Aztlan as the mythic homeland or place of origin.19

I don’t think this comparison between Mexica and Chicano strategies to retell and repaint their own sacred histories stands up well when we look seriously at the 16th century accounts. But it is clear that a new hybridity and complexity of Chicano uses of Aztec materials developed after 1975 due in part to a better-informed Chicano art community.

III. Chicano Uses of Aztec Imagery In this section I will discuss examples of Chicano art that use Aztec imagery in relation to three themes. 1. The theme of the sacred plant of foundations 2. The theme of death in which artists use the skull and skeleton, in part taken from Aztec imagery, to express the pervasive nature of Mexican American suffering, 3. The theme of the Sacred Mother who nurtures and inspires Mexican Americans. 1. The Sacred Plants of Origin One of the most attractive Aztec motifs for Chicano artists has been the sacred earth and especially the sacred plant of origins. The prototype plant is of course the blooming nopal upon which the eagle, representing the god of the wandering Mexica, lands with its wings outspread marking the site of their new home. The blooming nopal has become an emblem of not only Mexican national identity through its location on the Mexican flag but also a cue for Chicano artists who utilize a number of Mexican plants and fruits as markers of their own sense of origins. One reason for this attention to plants is the strong farm worker tradition among Mexican Americans. Another is the deep appreciation and knowledge about these plants and their usage in cuisine and healing practices. We see a complex example of the Chicano/a use of the sacred plant of origins in the most powerful essay in Road to Aztlan which is Constance Cortez’s “The New Aztlan: Nepantla (and Other Sides of Transmogrification)”. Utilizing the Aztec term “nepantla” which means middle place or place of passage and reciprocity Cortez argues for what she calls “nepantla art” which reflects intra cultural diversity and perso19

Ibid., p. 348.

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nal visions. Nepantla art demonstrates bold new combinations of motifs, colors, places and time periods, reflecting (though Cortez doesn’t say this) the indigenous notion of divine coessences in Aztec cosmology.20 One of the most attractive nepantla art pieces is Santa C. Barraza’s Nepantla, which highlights the power of a sacred of origins and is best interpreted by Cortez. In a color-saturated canvas . . . the artist situates nepantla in the river valleys of Oaxaca. The image of the Virgin of Guadalupe is integrated into the weave of a Zapotec woman’s huipil, or skirt. That the woman is part of the land is indicated by the maguey plant that emerges from her head and by the plant from which she seemingly grows. Here the ancient plant represents not only geographic affiliation but also life force. The reconciliation of two distinct traditions is the subject of the work. We are invited to join the woman as she gazes at the distant mountains, the place where the ancient ancestors are said to reside. These ancestors intervene in the life of individuals and bring the life-giving rain that nourishes the crops . . . at the same time, the Virgin of Guadalupe, the product of a colonial past, is also part of the woman. The Virgin literally guards her back, an appropriate position given her modern universal association with resistance and the struggle of campesinos everywhere. The linkage between the Madonna and politics is indicated by a faint huelga eagle just behind the icon. This is the eagle associated with the struggle of the United Farm Workers in the United States.21

Cortez tells us that this image is not an invocation of the usual notion of Aztlan but rather a discursive move to invite us to become part of the new Aztlan that is the process of being in nepantla. And the entire scene depends on the sacred plant of origins that gives life to the woman in the center of the scene. Another example of the sacred plant of origins appears in a depiction of the origin of the Mexican revolution or at least one part of it. The image shows the Mexican hero-revolutionary Emiliano Zapata emerging from a desert maguey plant indicating the Chicano view that at least the southern Mexican revolution of 1910 was generated by Mexican plants and agricultural interests expressed in the famous “Plan de Ayala” which expressed, in part, the agricultural/hacienda issues and conflicts in parts of Mexico. Below the maguey plant deep in the earth is a huge oval seed containing a back view of a woman huddled into a fetal position suggesting that the sacred plant of the origin of the Mexican revolution emerges from the female seed in the earth. Mexican American artists, especially those nurtured by Chicanismo sometimes critique the ways that agricultural work, workers and the plants 20

A clear description of indigenous views of “coessences” of gods, humans and animals is found in Alfredo Lopez Austin’s Tamoanchan/Tlalocan: Places of Mist, Niwot 1997, p. 123–190. 21 Cortez, Constance, The New Aztlan, in: The Road to Aztlan, p. 367–368.

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themselves have been endangered by pesticides and the heartless agricultural industry. For instance, Ester Hernandez creates a triptych that transforms the famous, cheerful “Sun Maid Raisin” beauty into an image of death and poison. We see not a Sun Maid Raisin but a “Sun Mad Raisins” image of a woman calavera, resonating with the Aztec calavera or skulls, surrounded by a solar disk reminiscent of both the religious image of the corona of La Virgen de Guadalupe and the Aztec Sun Stone. In this image, the sacred plants of origins are sources of danger, disease and death.

2. The Theme of Death and Suffering Mexican Americans have undergone more than their share of tragedy, unjustified suffering and unprovoked violence in the United States. Artists and activists, in searching for images to reflect the community’s suffering have often turned to Aztec and Maya depictions of skulls and skeletons. Nowhere is this clearer than in the luscious art of George Yepes whose paintings often include Mexican Americans in the forms of Calaveras with sad, penetrating eyes, skeleton like features coursing through bodies or deathly white color covering the bodies of otherwise living people. Yepes most famous piece, which appeared on the jacket of the Los Lobos CD of the same name was called “La Pistola y el Corazon”. It depicts a couple in full body profiles gazing into each others faces while the male has a huge beating red heart and the female is carrying a large red pistol in her hands. Their elegant clothes, drawing on Mexican fashion mix with parts of skeletal features that also show traces of marrow and blood. Yepes was able to communicate a combination of death, sensuality and sexuality in this widely distributed and purchased depiction of Chicano life. Yepes also has a stunning self-portrait in the form of a large calavera with his own penetrating and anguished and angry eyes glaring at the viewer. Yepes has said that this image and other calavera inspired pieces draw in part on Aztec death images and reflect his youthful experiences with gangs and gang warfare that resulted in the murders and wounding of a number of his friends and other gang members in Los Angeles. One of the original twists that Yepes gives to Chicano death imagery appears in a painting he entitled “Adelitas” reminiscent of the women who played important supportive roles in the Mexican revolution of 1910 and who were knows as Adelitas and memorialized in a famous song by the name of Adelita. Yepes paints an attractive woman in a black low cut dress with her arms crossed, each hand holding a large red pistol. Her skin is a pasty white color representing the skeletal color of death and the idea that this woman is somehow possessed by a combination of death and beauty

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and capable of alluring one to a confrontation with her guns. Yepes once remarked, “Copies of this painting have sold well and especially among women lawyers”. Perhaps the most moving example of a Mexican American artist drawing on the Aztec skull motif appears in Octavio Ocampo’s expansive image of the farm worker movement organized and symbolized by Cesar Chavez. Ocampo’s painting depicts a huge image of Cesar Chavez upper body and head surrounded on one side by an outdoor scene of agricultural workers in the forms of rows of skulls with gaping eyes while on the other side of Chavez appears a huge march of protesters representing the United Farm Workers Movement which used the terms “La Huelga” and “La Causa” to express its commitments. But when the viewer looks more closely at the rows of skulls sitting in the agricultural fields, one begins to notice that each skull is made up – not of real skulls but human beings in various tortured postures of labor and suffering, for instance two sisters picking in the fields or a mother embracing her children in gestures of protection, or a man carrying a shot coworker, and so on. Each skull is actually farm workers dressed in white and bent over with great weight or in the throes of death. In this picture, Mexican American agricultural worker deaths takes on its deeper power through the artist’s use of the traditions of Aztec skulls and Mexican festivals such as El Dia de los Muertos. 3. Search for the Sacred Mother In the early days of the Chicano movement that articulated its plans through the Plan Espiritual de Aztlan, most if not all commentators on the Aztlan traditions ignored one major aspect – namely the central role of the sacred mother. For instance, in Diego Duran’s classic account of Moctezuma’s sending out his magicians to find Aztlan the central goal of the search is find the sacred mother of Huitzilopochtli and communicate with her22. This account was one of the several sources for the use of Aztlan by Chicanos but (perhaps because males dominated the early movement) the role of the sacred mother in the myth was ignored. As more and more women and especially female artists have expressed their visions of Chicano history, religion, soul and existence, the theme of the sacred mother in Aztlan has become a major expression. One outstanding example which links the death theme to the theme of the sacred mother appears in “La Malinche,” by Santa C. Barraza. Barraza depicts the indigenous woman translator/mistress 22 See Diego Duran’s Historia de las Indias de Nueva Espana, chapter 27 for this most elaborate account of the meaning of Aztlan and the goal of finding Huitzilopochtli’s mother, Coatlicue.

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of Cortes emerging from a Maguey plant with the image of the first mestizo baby emerging from a cut in her breast. The red headed blue-eyed image of a disheveled Hernan Cortes lurks to one side. In the background we see an Indian hanging in a grotesque shape from a tree in front of a Christian priest. The message seems to be that Malinche is our mother, our generator who came out of the sacred plant and earth of pre-Hispanic Mexico and was torn from her roots and greatly injured by the Spanish conquistador while Indians were murdered by the church. The image shows the sexual and religious violence that she has suffered and out of this suffering has come the Mexican and Chicano people. As these examples show, Aztec oriented Chicano art has resulted in hybridities and reinterpretations of the central Aztec themes of sacred plants, death and now mothers and goddesses. One thought-altering example of this hybridity can be found in Yolanda Lopez’s painting “Nuestra Madre”. Lopez has produced a powerful portrait series depicting the Virgin of Guadalupe in different apparitions and guises, representing the diverse powers of the female goddesses in the Mesoamerican world as well as her own powers as an artist to construct divine and human identity. In this image she replaces La Virgen de Guadalupe with the Mexica deity Coatlicue (the Coatlicue excavated in Coxcatlan, Puebla) on the tilma. There stands the upright, stone image of a bare breasted Lady of the Serpent Skirt, surrounded by the celestial corona and draped with the star-studded cloak of Guadalupe. The words “Nuestra Madre” decorate the corona’s peak. Lopez seems to be saying, that the sacred mother of the Chicano people is a metaphorical mix of the frightening Coatlicue and the colonial Guadalupe “fusing the two figures and calling attention to their centrality in the MexicaMexican-Chicano/a social imaginary.”23 4. The Hopeful Skeptic of Aztlan It is, in part, this kind of creative, colorful, imaginative, and (con)fusing refiguring of the central goddesses of Aztlan as well as the sacred mode called ‘nepantla’ that has led the Chicano scholar, Rafael Pérez-Torres to elucidate Aztlan as both the central image of Chicano intellectual and social thought and “an empty signifier”. Pérez-Torres is critical of both the ‘exclusionary nationalist agenda’ of Aztlan users and the move to make it an “essential” element of Chicanismo. The author provides illuminating interpretive energy tracing the historical, literary, and intellectual discourses on the meaning of Aztlan.24 While this leading Chicano cultural critic does not completely favor one discourse over the others, he does claim that the 23

Ibid., p. 354.

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Aztlan of the Chicano imagination and scholarship has a “role in shifting the horizon of signification as regards Chicano/a resistance, unity, and liberation.” Pérez-Torres emphasizes in this essay as well as in his insightful book Movements in Chicano Poetry: Against Myths, Against Margins, the creative power of the role of a shape-shifting Aztlan, now in the hands of a new generation of Chicano/a artists and cultural critics, emerges from it being an “empty signifier”. By this phrase he seems to mean that Aztlan always names what is absent in Mexican American existence, and in this openness or emptiness resides a new if not endless potential and capacity to challenge the imagination and language of each generation. He writes: As an empty signifier, Aztlán names not that which is or has been, but that which is ever absent: nation, unity, liberation. The various articulations of Aztlán have sought to make these absences present in the face of oppressive power based on: racial grounds and the Chicano emergence from the indigenous; historico-political grounds and the struggles over land most clearly indexed by the U.S.-Mexican war of 1846–48; economic grounds represented by the exploitation of laborers and most specifically farm workers; sexual and gender grounds formed by the colonization of female and queer bodies; and cultural grounds invoked by reference to indigenous, folk, and popular arts. Whatever the premise, the term “Aztlán” consistently has named that which refers to an absence, an unfulfilled reality in response to various forms of oppression.25 In other words Chicano critical thought has transformed Aztlan from a homeland to a borderland, a shift from a search for origins “toward an engagement with the ever elusive construction of cultural identity.” Since this engagement is so important to Chicanos Perez Torres tells us “We cannot 24 Moctezuma’s Mexico with its hope for Aztlan has found many places in Chicano literature including the dancing tongue of Gloria Anzaldua’s Borderlands/La Frontera, John Santos truly inspired memoir Places Left Unfinished at the Time of Creation and Guy Garcia’s adventure novel Obsidian Sky. Santos in particular has illustrated in luminous prose how Mexican Americans in San Antonio draw precious filaments of identity from stories of Aztlan, Quetzalcoatl and the world of Moctezuma. In Garcia’s novel a Chicano interested in Quetzalcoatl travels to Mexico City, is amazed by the zocalo, enters into an alliance with the director of the excavation and has a series of adventures. The remarkable parallels between my own career in Mexico working with Eduardo Matos at the Templo Mayor (reported in detail by Victor Valle in the Los Angeles Times) and the opening section of this novel make it likely that Garcia used Victor Valle’s account as his premise. I was the first Chicano to seriously enter the realm of the Templo Mayor excavation and was finishing my dissertation on the Feathered Serpent at the time. Victor Valle wrote two extensive articles about my journeys to Mexico City and the ChicanoMexican alliance that led to international meetings, publications and eventually this book. 25 Ibid., p. 234–235.

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abandon Aztlan, precisely because it serves to name that space of liberation so fondly yearned for . . . Aztlan is our start and end point of empowerment.”26 I give the last word to one of the finest scholars of Chicano Studies, Luis Leal whose humanistic insights taught us that the rebirth of the myth of Aztlan among Chicanos was both an affirmation of Aztec ancestry and a political critique against contemporary losses. He emphasizes how Chicanos still identify with the loss of land, identity and cultural citizenship due to the Treaty of Guadalupe Hidalgo in 1848, which ceded a huge section of Mexican territory to the U.S. Leal also pointed out that the Plan Espiritual de Aztlán, profoundly mindful of the farm workers struggles led by Cesar Chavez and the agrarian struggles of the Mexican revolution, argued that, “the land belongs to those who work it.” Aztlán was, in a sense, our collective milpa, the agricultural hearth where Mexican laborers went back into the land, into the dirt, the soils, the plants, the fruits, and the waters of the Southwest. Aztlan of this abundance stimulated Chicanos to always look for signs in the desert, or names on obscure maps, or caves on islandsdreaming they would find the ‘original’ Aztlan, as though it were another Garden of Eden, only this time capable of scientific and pedestrian discovery. Leal, both kind in heart and wise in mind respects the searches for the ‘historical Aztlan’ but comes to also recognize the term “spiritual” in the spiritual plan of Aztlan, and writes, “. . . whosoever wants to find Aztlan, let him look for it, not on the maps, but in the most intimate part of his being.”27

26 27

Ibid, p. 235. Quoted in: Pérez-Torres, Refiguring Aztlan, p. 226.

VI. Anhang

Tilo Schabert Bibliographie – Schriftenverzeichnis Bücher Natur und Revolution, Untersuchungen zum politischen Denken im Frankreich des 18. Jahrhunderts, München, List, 1969, 139 S. Der Mensch als Schöpfer der Welt, Formen und Phasen revolutionären Denkens in Frankreich 1762–1794 (Hrsg.), München, List, 1971, 233 S. Beiträge: „Über den französischen Fall schizophrener Revolution“ S. 7–33. – (auszugsweise nachgedruckt in: E. Langer, E. v. Lochner et al., Recht und Gerechtigkeit, Donauwörth 1979, S. 125–126). „Rousseau“ S. 35–82. Aufbruch zur Moderne, Politisches Denken im Frankreich des 17. Jahrhunderts (Hrsg.), München, List, 1974, 199 S. Beiträge: „Einleitung“, S. 7–33; „La Rochefoucauld“ S. 53–81. Gewalt und Humanität, Über philosophische und politische Manifestationen von Modernität, Freiburg-München, Alber, 1978, 360 S. Eine englische Übersetzung von Kapitel 2: „Was ist Modernität?“ ist erschienen in: The Promise of History. Essays in Political Philosophy, ed. A. Moulakis, Berlin, de Gruyter, 1985, S. 9–21. Boston Politics: The Creativity of Power, Berlin/New York, de Gruyter, 1989, 363 + XIV S. Stadtarchitektur – Spiegel der Welt, Zürich, Benziger, 1990, 120 S. Italienische Übs., erw. und umgearbeitet: Architettura della città. Specchio del mondo, Neapel, Edizioni Scientifiche Italiane, 1994, 115 S. Modernität und Geschichte, Das Experiment der modernen Zivilisation, Würzburg, Königshausen und Neumann, 1990, 117 S. Die Welt der Stadt (Hrsg.), München, Piper, 1991, 259 S. Beiträge: „Einleitung“, S. 7–16; „Wie werden Städte regiert ?“, S. 167–198. Auferstehung und Unsterblichkeit (Hrsg., zus. mit E. Hornung), München, Fink, 1993 = Reihe Eranos, NF, Bd. 1, 271 S. Beitrag: „Einführung“, S. 11–18.

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Schriftenverzeichnis

Strukturen des Chaos (Hrsg., zus. mit E. Hornung), München, Fink, 1994 = Reihe Eranos, NF, Bd. 2, 298 S. Beiträge: „Chaos und Eros. Über die Strukturierung menschlicher Existenz im Denken“, S. 151–186; Textredaktion des Beitrags von Ilya Prigogine: „Ereignis und Gesetz. „Das Zusammenspiel von Ordnung und Unordnung im Universum“, S. 129–149. Die Macht des Wortes (Hrsg., zus. mit R. Brague), München, Fink, 1996 = Reihe Eranos, NF, Bd. 4, 347 S. Beitrag: „Einführung“, S. 13–22. Die Architektur der Welt. Eine kosmologische Lektüre architektonischer Formen, München, Fink, 1997, 188 S. Anfänge (Hrsg., zus. mit D. Clemens), München, Fink, 1998 = Reihe Eranos, NF, Bd. 5, 265 S. Beitrag: „Menschen schaffen. Über das Verhältnis von Macht und Anthropogonie“, S. 131–172. Schuld (Hrsg., zus. mit D. Clemens), München, Fink, 1999, = Reihe Eranos, NF, Bd. 7, 274 S. Beitrag: „Einführung: Fragmente zum Thema Schuld“, S. 9–19. Kulturen des Eros (Hrsg., zus. mit D. Clemens), München, Fink, 2001, = Reihe Eranos, NF, Bd. 8, 343 S. Il Principe del Caosmo. Sei capitoli sulla creatività politica: il potere dei sindaci – il potere presidenziale, Neapel, Edizioni Scientifiche Italiane, 2002, 171 S. Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, Stuttgart, Klett-Cotta, 2002, 592 S. Die Sprache der Masken (Hrsg.), Würzburg, Königshausen & Neumann, 2002 = Reihe Eranos, NF, Bd. 9, 215 S. Beitrag: „Einführung: Über die Notwendigkeit und den Nutzen einer Sprache der Masken“, S. 9–15. Das Ordnen der Zeit (Hrsg., zus. mit M. Riedl), Würzburg, Königshausen & Neumann, 2003 = Reihe Eranos, NF, Bd. 10, 213 S. Beitrag: „Einführung: Wahrnehmungen unter dem Namen ‚Zeit‘ “, S. 9–14. Mitterrand et la réunification allemande. Une histoire secrète (1981–1995) Paris, Grasset, 2005, 594 S. (veränderte und erweiterte französische Ausgabe von „Wie Weltgeschichte gemacht wird“) Propheten und Prophezeiungen – Prophets and Prophecies (Hrsg., zus. mit M. Riedl), Würzburg, Königshausen & Neumann, 2005 = Reihe Eranos, NF, Bd. 12, 227 S. Beitrag: „Prophecy in: Politics: The Voice of Plato“, S. 41–51.

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Die Menschen im Krieg, im Frieden mit der Natur – Humans at War, at Peace with Nature (Hrsg., zus. mit M. Riedl), Würzburg, Königshausen & Neumann, 2006 = Reihe Eranos, NF, Bd. 13, 181 S. Beitrag: „Introduction: A Wisdom to be Rediscovered: The Relation of the Parts to the Whole“, S. 9–13. Religionen – Die Religiöse Erfahrung – Religions – The Religious Experience, (Hrsg., zus. mit M. Riedl), Würzburg, Königshausen & Neumann, 2008 = Reihe Eranos, NF, Bd. 14, 205 S. Herausgabe – Associate Editor, The Independent Journal of Philosophy, 1981–1983. – Reihe Eranos, Neue Folge, 1993 ff. (Hrsg. zus. mit Erik Hornung, ab 2002 mit Giuseppe Zarone) – DIOGENE, Nr. 165, Structures Mythologiques du Chaos, Janvier-Mars 1994 (mit Parallelausgaben in Englisch, Arabisch, Chinesisch, und Spanisch), Guest Editor Präsident, Comité Scientifique International, Diogène (Revue internationale des sciences humaines), 1995–1996. Artikel a) auf Deutsch – „Diderot“ in: Aufklärung und Materialismus im Frankreich des 18. Jahrhunderts. ed. A. Baruzzi, München, List, 1968, S. 99–132. – „Das revolutionäre Bewußtsein“ in: Zeitschrift für Politik, Jg. 21, H. 1, März 1974, S. 4–26. – „Moderne Architektur – und die Hütten der Epigonen. Menschliches Bauen als politische Kunst der Vergangenheit“ in: Der Monat, 30. Jg., H. 2., Dez. 1978, S. 127–133. – „Ansätze zu einer Phänomenologie der politischen Parteien in Frankreich“ in: Zeitschrift für Politik, Jg. 25, H. 4, Dez. 1978, S. 357–376. – „Wider die Allmacht des Parlaments – Die Verfassungstheorie von Michel Debré“ in: Der Staat, 18. Bd., H. 2, 1979, S. 269–282. – „Planen für die Renaissance der Stadt: Die neue Stadtentwicklungspolitik in Frankreich“ in: Archiv für Kommunalwissenschaften. Jg. 22, Bd. I, 1983, S. 74–90. – „Die Freiheit im Labyrinth. Amerikanische Wahlkämpfe sind chaotisch und schöpferisch zugleich“ in: Süddeutsche Zeitung. Nr. 255, 3./4. Nov. 1984, S. I. – „Stimmungen der Modernität – hat heutige Kultur noch Zukunft?“ in: Universitas, 40. Jg., Nr. 465, H. 2, Feb. 1985, S. 143–152 (umgearb. dt. Fassung von „Modernity and History“). – „Das Paradox der Macht. Anmerkungen zur Regierungspraxis in Washington, Paris und Bonn“ in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 188, 17./18. Aug. 1985, S. 81.

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– „Zweckvolle Lügen“ in: Der Monat, NF, Die großen Kontroversen I, Nr. 296, 1985, S. 214–218; nachgedruckt in: Nürnberger Blätter, 2. Jg., Nr. 4, Sept.–Nov. 1986, S. 1–2. – „Die stille Revolution. Das politische Frankreich in einer radikalen Veränderung“ in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 257, 8./9. Nov. 1986, S. 165–166. – „Das Experiment mit Macht und Freiheit. Die zweite Gründung der USA vor 200 Jahren“ in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 168, 25./26. Juli 1987, S. IX. – „Die Rivalen des Schöpfers. Über die Pläne moderner Architekten zur Erlösung der Welt“ in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 9. April 1988. – „In urbe mundus. Weltspiegelungen und Weltbemächtigung in der Architektur der Stadt“, in: Eranos-Jahrbuch 55–1986, Frankfurt, Insel, 1988, S. 303–347. – „Zwischen Hybris und Humanität. Die Krise des Menschen im 20. Jahrhundert“ in: Das heutige Menschenbild, hrsg. v. M. Svilar, Bern, Peter Lang, 1989, S. 235–255; Vorabdruck in: Nürnberger Blätter, Nr. 9, Jg. 4, Dez. 1988, S. 3–6. – „Verhängnisvolle Verheißung. Das Gottesmotiv im europäischen Denken – und die Katastrophe, in die es führte“ in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 285, 10./11. Dez. 1988, S. 141 (gekürzte Fassung von „Zwischen Hybris und Humanität“). – „Verhängnisvolle Verheißung. Die Vergöttlichung des Menschen im europäischen Denken und die unmenschlichen Folgen“ in: Individualität. Europäische Vierteljahresschrift, Nr. 21, März 1989, S. 66–71 (Nachdruck des SZ-Artikels), und in: Dogmendämmerung. Zwischen Glauben und Denken. Texte zur Philosophie des Christentums, Ostfildern 1994 (= edition tertium), S. 56–66. – „Die Schneisen zur Freiheit. Frankreich auf dem Weg in die Große Revolution von 1789“ in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 99, 29./30. April, 1. Mai 1989, S. I. – „Die atlantische Zivilisation. Über die Entstehung der einen Welt des Westens“ in: P. Haungs, ed., Europäisierung Europas?, Baden-Baden, Nomos, 1989, S. 41–54; Vorabdruck (gekürzt) in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 215, 16./17. Sept. 1989, S. 65–66. – „Die klassischen Wege der modernen Stadtarchitektur. Antworten auf ‚Babylon‘ “, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 160, 13. Juli 1990, S. 67 (Auszüge aus: Stadtarchitektur – Spiegel der Welt). – „Wie Städte regiert werden“, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 250, 27./28. Okt., 1990, S. 25. – „Eranos-Tagung 1991“ (Interview), in: Lit. Zeitschrift für Religionswissenschaft, H. 5, 1991, S. 29–32. – „Die Erzählung der Zukunft. Zur Geschichte unserer Zukunftsgeschichten“, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 50, 29. Feb./1. März 1992, S. 69. – „Die Nacht des Bösen. Platos Idee des bösen Menschen“, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 272, 21./22. Nov. 1992, S. 69–70. – „Sprache der Menschenrechte. Für Lieblose.“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 286, 9. Dez. 1992, S. N5.

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– „Imagines Imaginationis“, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, 45. Jg., H. 3, 1993, S. 193–202 (deutsche Fassung des italienischen Artikels). – „Inszenierung der Metropolis. Der ‚Chaosmos‘ städtischer Architektur“ in: Universitas, 50. Jg. Nr. 584, Febr. 1995, S. 130–140. – „Rom darf nicht brennen. Antworten auf: Politische Theorie und Ideengeschichte – wozu?“ in: Politische Theorie und Ideengeschichte im Gespräch, hrsg. v. H. Kramer, Wien, Wuv-Universitätsverlag, 1995, S. 258–262. – „Die Stimme der Zukunft. Deutsch-französische Beziehungen unter François Mitterrand – ein Rückblick“, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 110, 13./14. Mai 1995, S. II. – „Räume der Gelehrsamkeit. Die Architektur der Akademie“ in: K. Garber, H. Wismann (Hrsg.), Europäische Sozietätsbewegung und demokratische Tradition. Die europäischen Akademien der Frühen Neuzeit zwischen Frührenaissance und Spätaufklärung, Bd. II, Tübingen, Niemeyer, 1996, S. 1699–1712. – „Welchen Patriotismus braucht Europa? – Die Entzauberung des Stiers. Ein Plädoyer für eine europäische Imagination“, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 77, 4. April 1997, S. 11. – „Die Macht der Freundschaft. François Mitterrands Regierungsstil“, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 73, 28./29. März 1998, S. III. – „Ein klassischer Fürst. François Mitterrand im Spiegel einer vergleichenden Regierungslehre“, in: B. Sauzay, R. von Thadden (Hrsg.), Mitterrand und die Deutschen, Göttingen, Wallstein, 1998 (= Genshagener Gespräche, Bd. II), S. 78–106. – „Denken ist ein Fest. Über die paradigmatische Wirklichkeit menschlicher Gemeinschaft“, in: B. Henningsen, C. Beindorf (Hrsg.)., Gemeinschaft. Eine zivile Imagination, Baden-Baden, Nomos, 1999, S. 233–252. – „Die Stadt der Politik“, in: G. von Graevenitz (Hrsg.), Die Stadt in der Europäischen Romantik, Würzburg, Königshausen und Neumann, 2000, S. 273–276. – „Eine späte und nun lange Freundschaft“, in: Li-yun Bauer-Hsieh (Hrsg.), Facies · Facetten. In memoriam Wolfgang Bauer, Taipei 2000, S. 84–86. – „Eine patriotische Rede über den europäischen Körper“, in: W. Leidhold (Hrsg.), Festschrift Jürgen Gebhardt, Würzburg, Königshausen und Neumann, 2000, S. 341–346. – „Weitsicht eines rebellischen Realisten. Die Vision des François Mitterrand oder: Wie Weltgeschichte gemacht wird – Frankreich und die deutsche Einheit“, Vorabdruck eines Textstücks aus „Wie Weltgeschichte gemacht wird (s. o.), in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 70, 23./24. März 2002, S. I. – „Die Werkstatt Eric Voegelins“, in: Zeitschrift für Politik, Jg. 49, H. 1, März 2002, S. 83–95. – „Im Namen der Freiheit. Wir haben dieselben Rechte, aber nicht dieselben Begabungen: Wieso wir dringend Eliten brauchen“, in: Süddeutsche Zeitung, 28./29. Mai 2005, Nr. 120, S. I.

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– „Das Projekt Demokratie. Die Freiheit und ihre Verfassung“, in: Die Gazette (München), Nr. 8, Dezember 2005, S. 17–21. – „Prüfung der Macht. Zu den ‚Erinnerungen‘ von Helmut Kohl“, in: Merkur, H. 3, 60. Jg., März 2006, S. 265–270. – „Ein Schwabe im Elysée. Vom Abenteuer des Forschens in der Innenwelt von Regierungen“, in: französisch heute, 38. Jg., H. 3, 2007, S. 275–283. – „Das Paradies in der Politik. Ein Kapitel negativer Kosmologie“, in: Sapientia, Jg. LXII, Bd. 221/222, 2007, S. 77–128.

b) auf Englisch – „A Note on Modernity“ in: Political Theory, Vol. 7, Nr. 1, Feb. 1979, S. 123–137. – „Revolutionary Consciousness“ in: Philosophical Studies (Dublin), Vol. XXVII, 1980, S. 129–142. – „The Roots of Modernity“ in: The Independent Journal of Philosophy (Paris), Vol. IV, 1983, S. 27–30. – „Modernity and History“ in: Diogenes, Nr. 123, Fall 1983, S. 110–124; nachgedruckt in: A. Moulakis (Hrsg.), The Promise of History, Berlin, de Gruyter, 1985, S. 22–32. – „The Residue of Constructivism“ in: J. M. Porter (Hrsg.), Sophia and Praxis. The Boundaries of Politics, Chatham N. J., Chatham House Publishers, 1984, S. 125–127. – „The Decentralization and the New Urban Policy in France“, in: Urban Law and Policy (England), Vol. 7, Nr. 1, March 1985, S. 57–74. – „Power, Legitimacy and Truth: Reflections on the Impossibility to Legitimise Legitimations of Political Order“ in: A. Moulakis (Hrsg.), Legitimacy/Légitimité, Berlin, de Gruyter, 1985, S. 96–104. – „On the Para-Moral Principles of Early Modern Society. A Contextual Analysis of the Maxims of La Rochefoucauld“ in: History of European Ideas (Israel/ England), Vol. 7, Nr. 1, 1986, S. 67–84. – „The Cosmology of the Architecture of Cities“, in: Diogenes, Nr. 156, Winter 1991, S. 1–31. – „Chaos and Eros. On the Order of Human Existence“, in: Diogenes, Nr. 165, Bd. 42, H. 1, 1994, S. 111–132. – „Introduction“, Diogenes, Nr. 165, Bd. 42, H. 1, 1994, S. V–VI. – „The Paradise in Politics. A chapter in the story of negative cosmology“, in: The European Legacy, Bd. 7, Nr. 3, Juni 2002, S. 293–329. – „Introduction: The Eranos Experience“, in: E. Barone, M. Riedl, A. Tischel (Hrsg.), Pioniere, Poeten, Professoren. Eranos und der Monte Verità in der Zivilisationsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Würzburg, Königshausen und Neumann, 2004, S. 9–19.

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– „A Classical Prince: The Style of François Mitterrand“, in: B. Cooper/ Ch. R. Embry (Hrsg.), Philosophy, Literature and Politics: Essays Honoring Ellis Sandoz. Columbia-London, University of Missouri Press, 2005, S. 234–257. c) auf Französisch – „Modernité et Histoire“, in: Diogène (Paris), Nr. 123, Juli–Sept. 1983, S. 121– 137 (Franz. Fassung von „Modernity and History“). – „La conscience révolutionnaire“, in: Revue des sciences philosophiques et théologiques (Paris), Vol. 70, Nr. 3, Juli 1986, S. 365–392 (Franz. Fassung von „Das revolutionäre Bewußtsein“). – „La cosmologie de l’architecture des villes“, in: Diogène, Nr. 156, Okt.–Dez. 1991, S. 3–31. – „Affaire verbatim. De nouveaux éléments à charge“, in: Le Point, Nr. 1093, 28. August 1993, S. 26–27. – „Le chaos et l’éros: l’ordre de l’existence humaine“, in: Diogène, Nr. 165, Jan.– März 1994, S. 101–120. – „Introduction“, Diogène, Nr. 165, S. 3–4. – „Paris–Bonn. Impressions d’Allemagne“, in: Le Point, Nr. 1184, 27. Mai 1995, S. 70–72. – „Le spectre d’un Etat policier“, in: Libération, 22./23. Febr. 1997, S. 15. – „Reflets du monde“, Le genre humain, 1998–1999, S. 27–51. – „François Mitterrand et l’Allemagne“, in: Panoramiques, No. 53, Juli 2001, S. 50–53. – „Avant-Propos: Les Leçons d’Eric Voegelin à l’Université de Munich en 1964 sur le thème ‚Hitler et les Allemands‘: Un Souvenir“, in: Eric Voegelin, Hitler et les Allemands, Paris 2003, S. 13–16. – „La mort d’Amérique . . .“, in: Le Figaro, 28. Aug. 2003, S. 11. – „François Mitterrand et la réunification de l’Allemagne“, in: Commentaire, Nr. 109, Frühjahr 2005, S. 238–241. – „L’union, une passion mitterrandienne“, in: Le Figaro, 1. April 2005. – „1989, le retour de la question allemande: vers la réunification“. Diskussion mit Frédéric Bozo und Jean Musitelli, in: La lettre de l’Institut François Mitterrand, Nr. 13, Okt. 2005, S. 3–23. – „Une herméneutique intercivilisatrice: L’École d’Eranos“, in: N. Weill (Hrsg.), Existe-il une Europe philosophique?, Rennes, Presses Universitaires de Rennes, 2005, S. 297–302. – „Quand Helmut Kohl instruit à charge“, in: Le Monde, 3. Jan. 2006, S. 19. d) auf Italienisch – „Imagines imaginationis“ in: Filosofia e Teologia, Anno V, N. 3, Sett.–Dic. 1991, S. 367–376.

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– „La creatività e il nulla. Due esperienze dell’architettura della città“, in: La città come destino dell’ uomo. Esistenza, spazio, architettura, hrsg. v. G. Zarone, Neapel, Edizioni Scientifiche Italiane, 1994, S. 11–26. – „Roma non deve bruciare. Tre riposte alla domanda: A che serve una teoria politica?“, in: La scienza dell’ordine. Saggi su Eric Voegelin, hrsg. v. G. F. Lami, G. Franchi, Rom, Antonio Pellicane Editore, 1997, S. 163–169. – „Creare uomini. Sul rapporto tra potere e antropogonia“, in: Diritto e cultura, Jg. VI, Nr. 2, (Juli–Dez. 1996), 1998, S. 117–149. – „La coscienza rivoluzionaria“, in: Modernizzazione e Sviluppo, 9. Jg., Nr. 2/3, Mai–Dez. 1998, S. 23–47. – „Introduzione, in: Eranos, Monte Verità, Ascona (Hrsg. E. Barone, M. Riedl, A. Tischel, A. Fabris, F. Monceri), Pisa 2003, S. 11–14. e) auf Spanisch – „Modernidad e Historia“ in: Diógenes (Mexiko), nfflm. 123–124, otono-invierno 1984, S. 107–120 (Spanische Fassung von „Modernity and History“). – „La cosmologiá de la arquitectura de las ciudades“ in: Diógenes (Mexiko), nfflm. 156, oct.–dic. 1991, S. 3–34. – „El caos y el eros: el orden de la existencia humana“ in: Diógenes (Mexiko), nfflm. 165, 1997, S. 103–123. – „Introducción“, Diógenes (Mexiko), nfflm. 165, 1997, S. 5–6. – „Un príncipe clásico. François Mitterrand frente a une lección comparada de gobierno“, in: Revista de Estudios Políticos, Nr. 103, Jan.–März 1999, S. 51–76. – „El Taller de Eric Voegelin“, in: Revista de Estudios Políticos (nueva época), Nr. 131, Jan.–März 2006, S. 5–21. f) auf Arabisch Arabische Fassung von „Modernity and History“ in: Messbah El Fikr (Kairo), Nr. 66, Aug.–Okt. 1984, S. 68–78. – Arabische Fassung von „The Cosmology of the Architecture of Cities“, in: Messbah El Fikr (Kairo), Nr. 156, Mai 1994, S. 1–30. – Arabische Fassung von „Chaos und Eros“ in: Messbah El Fikr (Kairo), Nr. 165, März 1997, S. 171–198. – Einführung zur Nr. 165 von Messbah El Fikr, ebd., S. 1–2. g) auf Portugiesisch – „Modernidade e História“ in: Diogenes (Brasilia) Nr. 7. Julho–Dezembro 1984, S. 45–58. (Portugiesische Fassung von „Modernity and History“).

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h) auf Chinesisch – Chinesische Fassung von „Modernity and History“ in: Diógenes (Peking), Nr. 1, 1985.9, S. 1–13. – Chinesische Fassung von „Chaos and Eros. On the Order of Human Existence“ in: Diógenes (Peking), Nr. 1995.6, S. 80–101. i) auf Hindi – Fassung in Hindi von „Modernity and History“, in: Diogène. Anthologie en hindi, No. 5, 1985, S. 63–78. k) auf Kroatisch – „Klasican vladar. François Mitterrand u zrcalu komparativne teorije vladavine“, in: politicka misao (Croatian political science review), Bd. 36, Nr. 2, 1999, S. 158–178. l) auf Polnisch – „Klasyczny ksiaze. François Mitterrand w swietle porownawczej nauki o rzadzeniu“, in: Studia polityczne, Nr. 10, Warszawa 2000, S. 61–83. Besprechungsaufsätze – „Die unverstandene metaphysische Revolte“ in: Philosophische Rundschau, Jg. 16, H. 1, April 1969, S. 39–50. – „Zu den Ursprüngen des ideologischen Denkens“ in: Philosophische Rundschau, Jg. 17, H. 3/4, 1970, S. 290–297. – „Subsidizing Artists“ in: The Claremont Review of Books, Vol. IV, Nr. 1, Spring 1985, S. 15–16. Besprechungen – A. Altmann, Moses Mendelssohns Frühschriften zur Metaphysik, Tübingen 1969, in: Philosophische Rundschau, Jg. 18, H. 3/4, 1971, S. 291–292. – W. Post, Kritik der Religion bei Karl Marx, München 1969, in: Philosophische Rundschau. Jg. 20, H. 1/2, 1973, S. 143–145. – U. Matz: Politik und Gewalt. Zur Theorie des demokratischen Verfassungsstaats und der Revolution, Freiburg/München 1975, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 100, 4.5.1976, S. 6 (Überschrift: „Die Gewalt – ein Problem ohne Lösung?“). – U. Matz: Politik und Gewalt . . ., in: Zeitschrift für Politik, Jg. 23, H. 4, 1976, S. 395–397.

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Schriftenverzeichnis

– H.-P. Bank, Rationale Sozialpolitik. Ein Beitrag zum Begriff der Rationalität, Berlin 1975, in: Politische Studien, Jg. 27, H. 227, Mai/Juni 1976, S. 330–332. – A. Strugnell, Diderot’s Politics. A Study of the Evolution of Diderot’s Political Thought after the Encyclopédie, Den Haag 1973, in: Philosophische Rundschau, Jg. 23, H. 3/4., 1976, S. 294–297. – G. Sauerwald, Die Aporie der Diderot’schen Ästhetik (1745–1781), Frankfurt 1975, in: Philosophische Rundschau, Jg. 25, H. 1/2, 1978, S. 159–160. – H. W. Ehrmann, Das politische System Frankreichs. Eine Einführung, München 1976 und U. Kempf, Das politische System Frankreichs. Eine Einführung, Opladen 1975, in: Politische Vierteljahresschrift, Jg. 19, H. 3, 1978, S. 405–408. – T. Benton, Philosophical Foundations of the Three Sociologies, London 1977, in: Philosophical Studies (Irland), Vol.XXVI, o. J. (1979), S. 332–333. – „Im Reich der Fiktion. Jacques Attalis ‚Verbatim‘ “ in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 272, 23. Nov. 1993, S. 12. – „Ein Anti-Mitterrand. Attalis groteske Verzerrungen im Mantel der Authentizität“ in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 62, 13. März 1996, S. 10. Wissenschaftsjournalistische Arbeiten a) zus. mit H. Dotterweich – „Herrschaft in der attischen Demokratie“ in: Von Gottes und von Volkes Gnaden, ed. H. Dotterweich, München 1977, S. 18–26. – „Revolution und Herrschaft am Beispiel der Französischen Revolution“, ebd., S. 59–67. – „Die Herrschaft des Schreckens“ ebd., S. 68–75. b) selbständig – „Flucht und Vertreibung. Das Schicksal der Deutschen im Osten am Ende des zweiten Weltkriegs“ in: Schulfernsehen, 20. Jg., H. 5, Jan. 1984, S. 37–38. nachgedruckt in: Schulfernsehen, 21. Jg., H. 5, Jan. 1985, S. 49–50. – „Nationen, Minderheiten, Rassenwahn. Osteuropa und die Deutschen 1914– 1944“ in: Schulfernsehen, 21. Jg., H. 5, Jan. 1985, S. 45–48. nachgedruckt in: Schulfernsehen, 23. Jg., H. 4, Dez. 1986, S. 55–58. – „In der Epoche des Eurorealismus“ in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 271, 24. Nov. 1988, S. 13. – „Brief aus Ascona. Das Abenteuer Eranos“ in Süddeutsche Zeitung, Nr. 195, 24./25. August 1991, S. 131. – „Der demokratische Sonnenkönig. Wie François Mitterrand im Elysée-Palast seine Macht ausübt“ in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 159, 14. Juli 1993, S. 11. – „Des freien Menschen Renaissance“, in: Freie Presse (Chemnitz), Nr. 12, 24. März 1994 (Sondernummer „Agricolajahr 1994“)

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– „In der Mitte der Macht herrscht Stille. Erinnerungen an François Mitterrand“, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 7, 10. Jan. 1996, S. 11. – „Roben für Robespierre. Roberto Racinaros Haftgeschichte entlarvt den Tugendterror italienischer Richter“, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 285, 10. Dez. 1996, S. 13. – „Portmann und Eranos“ (zus. mit E. Hornung), in: Uni Nova. Wissenschaftsmagazin der Universität Basel, Nr. 79/89 („Adolf Portmann zum 100. Geburtstag“), Mai 1997, S. 112–113. – „Auf dem Athos strahlt eure Zivilisation! Im Untergrund lebendige Geschichte – ein Gespräch in Thessaloniki über Byzanz und Maastrichts bürokratische Kreuzfahrer“, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 89, 18./19. April 1998, S. II. – „Wie schön kann Baierbrunn sein? Zur Gestalt einer Gemeinde, wie sie planerische Politik schafft“, in: Baierbrunner Post, Dez. 2001, S. 2–3. – „Die Irrtümer des Helmut Kohl. Der Ex-Kanzler kritisiert das deutsch-französische Verhältnis und zeichnet damit ein historisch falsches Bild“, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 270, 23. Nov. 2005, S. 2. – „Frankreichs Sprung in die Moderne“, Interview, Salzburger Nachrichten, 25. Mai 2007, S. 1, 10. Übersetzungen – „Mirabeau“ von Duc de Castries, de l’Académie Francaise, übs. aus dem Französischen, veröffentlicht in: Der Mensch als Schöpfer der Welt (s. o.), S. 83–110. – „Die zweigeteilte Stadt – Arm und Reich in den Städten Lateinamerikas, der USA und Europas“ von Manuel Castells, übs. aus dem Amerikanischen, veröffentlicht in: Die Welt der Stadt (s. o.), S. 199–216. – „Eros und das Bild: Literarische Spiele der Liebe“ von Helder Godinho, übs. aus dem Französischen, veröffentlicht in: Kulturen des Eros (s. o.), S. 231–251.

Autorenverzeichnis Giuseppe Acocella, Professor für soziale Ethik an der Universität „Federico II“ in Neapel Dan Avnon, lehrt politische Philosophie und Leiter des Gilo Center for Citizenship, Democracy and Civic Education an der Hebrew University of Jerusalem Elisabetta Barone, Professorin für Philosophie am Studio Teologico Domenicano, Neapel und Direktorin des Istituto Professionale di Stato per I Servizi Sociali (IPSS) in Salerno Clementina Cantillo, lehrt Geschichte der philosophischen Geschichtsschreibung und musikalische Ästhetik an der Universität Salerno Giuseppe Cantillo, Professor für praktische Philosophie an der Universität „Federico II“ in Neapel und Leiter des Zentrum „Scuola di Alta Formazione nelle Scienze Umane e Sociali Federico II“ Davíd Carrasco, Religionswissenschaftler und Neil L. Rudenstine Professor für Lateinamerikastudien an der Harvard University Barry Cooper, Professor für Politische Wissenschaft an der University of Calgary und Fellow des kanadischen Defence and Foreign Affairs Institute Chantal Delsol, Professorin für Politische Philosophie an der Universität von Marne-la-Vallée Mariapaola Fimiani, Professorin für Moralphilosophie an der Universität Salerno Jürgen Gebhardt, Professor emeritus für Politische Wissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und stellvertretender Vorsitzender des Bayerisch-Amerikanischen Zentrums in München Helder Godinho, Professor am Département de Langues, Littératures et Cultures Modernes der Fakultät der Sozial- und Geisteswissenschaften an der Universidade Nova de Lisboa Eiko Hanaoka, Professorin emerita für Philosophie und Philsosophie der Religionen an der Osaka Prefecture Universität und Professorin der Nara Sangyo Universität Joseph Hanimann, Publizist, Kulturkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Paris Bernd Henningsen, Direktor des Nordeuropa-Instituts der Humboldt-Universität zu Berlin, Professor für Kultur und Politik Nordeuropas und der Ostseeregion Manfred Henningsen, Professor für Politische Wissenschaft an der University of Hawaii, in Manoa, Honolulu, Hawaii

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Autorenverzeichnis

Alain Juranville, Maître de conférences an der Université de Rennes 1 Hella Mandt, bis 2001 Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Trier Pierre Manent, Professor für politische Philosophie an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris Athanasios Moulakis, Policy Scholar am Woodrow Wilson International Center for Scholars und Fellow der Alexander Onassis Foundation Jean Musitelli, Mitglied des französischen Conseil D’Etat Peter Nitschke, Professor für Wissenschaft von der Politik, Institut für Bildungsund Sozialwissenschaften an der Hochschule Vechta Karl-Heinz Nusser, apl. Professor am Department für Philosophie der Universität München Aaron Powell, ehemaliger Leading Councillor im Stadtrat des London Borough of Redbridge und zweimaliger Kandidat für das Britische Unterhaus Roberto Racinaro, Professor für Geschichte der Philosophie und Politische Philosophie an der Universität Salerno James M. Rhodes, Professor emeritus für Politische Wissenschaft an der Marquette University, Milwaukee, Wisconsin Matthias Riedl, Assistant Professor und Chair of Comparative Religious Studies am History Department der Central European University, Budapest Theresia Ritter, Redakteurin bei einem Fachverlag Stephan Sattler, Ressortleiter Kultur bei dem Magazin FOCUS Gernot Sittner, bis 2005 Chefredakteur bei der Süddeutschen Zeitung Hubert Védrine, Sozialistischer Politiker und ehemaliger französischer Außenminister David Walsh, Professor für Politische Wissenschaft an der Catholic University of America, Washington DC Barbara Zehnpfennig, Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Passau Albrecht Zunker, bis Mitte 2004 Stellvertretender Direktor des Instituts der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin

Tabula Gratulatoria Giuseppe Acocella

Maria Paola Fimiani

Gabriele de Angelis

Ariane Fasquelle

Aleida Assmann

Tom Flanagan

Jan Assmann

Dominique Folscheid

Irit Averbuch

Antonio Gargano

Dan Avnon

Jürgen Gebhardt

Jean-Louis Bandet

Fritz Glunk

Nicole Bandet

Helder Godinho

Dennis L. Bark

Joëlle Gravot

Elisabetta Barone

Pierre Gravot

Philippe Barthe

Gabi Hadar

Gianfrancesco Beltrami

Eiko Hanaoka

Philippe Bénéton

Joseph Hanimann

Jean-Louis Bianco

Véronique Hanimann

Joachim Bitterlich

Angela Hasche

Terry Burke

Helmut Hasche

Gian Paolo Cammarota

Walter Haug

Clementina Cantillo

Bernd Henningsen

Giuseppe Cantillo

Franziska Henningsen

Davíd Carrasco

Lena Henningsen

Françoise Carle

Manfred Henningsen

Hiram Caton

John von Heyking

Detlev Clemens

Stanley Hoffman

Steven P. Cohen

Thomas Hollweck

Abby Collins

Barbara Hopkinson

Barry Cooper

Sergey Horujy

Chantal Delsol

Agnes Horváth

Ian Donaldson

Henri Hude

Roland Dumas

Moshe Idel

Christoph Egger

Alain Juranville

498

Tabula Gratulatoria Anne Juranville

James M. Rhodes

Udo Kessler

Melvin Richter

Reinhardt Knodt

Matthias Riedl

Johannes Königshausen

Brigitte Riesebrodt

Robert Kroin

Martin Riesebrodt

Anna Kukielka

Theresia Ritter

András Lánczi

Yehudit Ronen

André Liebich

Frederick Rosen

Francine Maier

Stanley Rosen

Hella Mandt

Walter Rotholz

Françoise Manent

Ellis Sandoz

Pierre Manent

Martin Sattler

Olivier Mannoni

Stephan Sattler

Harvey Mansfield

Alessandro Scafi

Sophie-Caroline de Margerie

Rita Laura Segato

Ron Margolin

Florian Seidl

Kenneth Minogue

Edwin Seroussi

Athanasios Moulakis

Hans-Jörg Sigwart

Jean Musitelli

Gabriele Sittner

Michael Naumann

Gernot Sittner

Maren Niehoff

Gabriele von Sivers-Sattler

Russell Nieli

Arpad Szakolczai

Peter Nitschke

Mario Sznajder

Olivier Nora

Stéphane Toussaint

Karl-Heinz Nusser

Alexander Thumfart

Marc Perelman

Hubert Védrine

Michel-Yves Perrin

Daniel Vernet

Philippe Portier

David J. Walsh

Georges Potriquet

Julia Wannenmacher

Aaron Powell

Nicolas Weill

Brendan Purcell

Gilbert Weiss

Roberto Racinaro

Barbara Zehnpfennig

Robert Redeker

Elisabetta Zevi

Anne Marie Rhodes

Albrecht Zunker