Politikerinnen und ihr Griff zur Macht: Mediale Repräsentationen von SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen 9783839436554

In the media, a new type of female politician competes with the political 'alpha male' - with open-ended outco

192 56 2MB

German Pages 288 Year 2016

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht: Mediale Repräsentationen von SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen
 9783839436554

Table of contents :
Inhalt
Vorwort und Dank
1. Einführung: Politik, Medien, Geschlecht
1.1 Thema und Erkenntnisinteresse: Spitzenpolitikerinnen in den Medien
1.2 Partizipation in androzentrischen Kontexten
1.3 Medialisierung von Politik
1.4 Geschlecht: sozial, diskursiv und performativ konstruiert
1.5 Fragestellung: Repräsentationen von Geschlecht und der Griff zur Macht
1.6 Aufbau der Arbeit
2. Forschungsdiskurse
2.1 Zugänge aus Politik- und Kommunikationswissenschaft
2.2 Politik als androzentrisches Feld
2.3 Die Positionierung von Frauen im politischen Feld
2.4 Medienbilder von Politikerinnen
2.5 Anschlüsse und Verknüpfungen
3. Theoretischer Rahmen
3.1 Einleitung: Öffentlichkeit, Privatheit und die Konstruktion von Geschlecht
3.2 Politische Öffentlichkeit und Privatheit: Dichotomie in der Kritik
3.3 Geschlechterwissen als Deutungsrahmen für Konstruktionen
3.4 Verknüpfungen: Geschlechterwissen als Deutungsrahmen für Öffentlichkeit
4. Forschungsdesign und Methode
4.1 Erkenntnistheoretische Reflexion I: Hinweise zum Forschungsparadigma
4.2 Erkenntnistheoretische Reflexion II: Medientexte als Repräsentationen
4.3 Forschungsfragen und forschungsleitende Annahmen
4.4 Sampling I: Die Politikerinnen
4.5 Sampling II: Die Medien
4.6 Analyseverfahren
4.7 Reflexion des Forschungsprozesses: wie aus Empörung Wissenschaft wird
4.8 Gütekriterien und Transparenz
5. SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen
5.1 Renate Schmidt, Bayern 1994 und 1998
5.2 Ingrid Stahmer, Berlin 1995
5.3 Ministerpräsidentin Heide Simonis, Schleswig-Holstein 1996, 2000 und 2005
5.4 Ute Vogt, Baden-Württemberg 2001 und 2006
5.5 Andrea Ypsilanti, Hessen 2008
5.6 Hannelore Kraft, Nordrhein-Westfalen 2010 und 2012
5.7 Auswertungscluster
6. Wahlkampf und Wahlergebnis
6.1 Einleitung: Über Politikerinnen und Frauen
6.2 Kandidaturen ohne Amtsbonus und Regierungsauftrag
6.3 Die erste Ministerpräsidentin Heide Simonis
6.4 Kandidaturen mit möglichem Regierungsauftrag
7. Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin
7.1 Fallauswahl: Minderheitsregierungen
7.2 Heide Simonis in Schleswig-Holstein 2005
7.3 Andrea Ypsilanti in Hessen 2008
7.4 Hannelore Kraft in NRW 2010
7.5 Resümee: Macht und Ehrgeiz bleiben widersprüchlich inszeniert
8. Geschlecht als Erklärungsfaktor für Politik
8.1 Politiker_in statt / oder / und Frau
8.2 Geschlecht bleibt relevant
8.3 Das Private als politische Komplementärkategorie
8.4 Repräsentationen und Macht: Kontexte und Widersprüche
9. Fazit und Ausblick: Wandel und Verharrung
10. Literatur verzeichnis
11. Textkorpus
12. Anhang

Citation preview

Dorothee Beck Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

| Band 16

Editorial Die Reihe »Critical Studies in Media and Communication« (bis September 2015: »Critical Media Studies«) unterzieht Medien, Kommunikation und Öffentlichkeit einer kritischen Gesellschaftsanalyse. Dies umfasst Studien, die soziale Praktiken, Kommunikations- und Alltagskulturen aus aktueller wie historischer, sozial- wie kulturwissenschaftlicher Perspektive analysieren. Die Beiträge der Reihe verdeutlichen, wie Gender, Race und Class als relevante Dimensionen gesellschaftlicher Ungleichheit und sozialer Positionierung in globalisierten Medienkulturen wirksam – zugleich aber auch unterlaufen – werden. Die Reihe wird herausgegeben von Elke Grittmann, Elisabeth Klaus, Margreth Lünenborg, Jutta Röser, Tanja Thomas und Ulla Wischermann.

Dorothee Beck (Dr. phil.), geb. 1961, hat über mediale Repräsentationen von Spitzenpolitikerinnen promoviert. Die Journalistin arbeitet als Politik-, Medien- und Kommunikationsberaterin für Non-Profit-Organisationen und forscht zum Verhältnis von Politik, Medien und Geschlecht.

Dorothee Beck

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht Mediale Repräsentationen von SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildungen: Hannelore Kraft – Foto: Susie Knoll / SPD Renate Schmidt – Foto: Thomas Riese Heide Simonis – Foto: SPD-Landesverband Schleswig-Holstein Ingrid Stahmer – Foto: SPD-Landesverband Berlin Ute Vogt – Foto: SPD-Landesverband Baden-Württemberg Andrea Ypsilanti – Foto: SPD-Landesverband Hessen Korrektorat: Sünje Knutzen Satz: Sybille Winterstein Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3655-0 PDF-ISBN 978-3-8394-3655-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort und Dank | 7

1. Einführung: Politik, Medien, Geschlecht | 9 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

Thema und Erkenntnisinteresse: Spitzenpolitikerinnen in den Medien | 9 Partizipation in androzentrischen Kontexten | 12 Medialisierung von Politik | 13 Geschlecht: sozial, diskursiv und performativ konstruiert | 14 Fragestellung: Repräsentationen von Geschlecht und der Griff zur Macht | 16 Aufbau der Arbeit | 17

2. Forschungsdiskurse | 19 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Zugänge aus Politik- und Kommunikationswissenschaft | 19 Politik als androzentrisches Feld | 20 Die Positionierung von Frauen im politischen Feld | 24 Medienbilder von Politikerinnen | 31 Anschlüsse und Verknüpfungen | 45

3. Theoretischer Rahmen | 47 3.1 3.2 3.3 3.4

Einleitung: Öffentlichkeit, Privatheit und die Konstruktion von Geschlecht | 47 Politische Öffentlichkeit und Privatheit: Dichotomie in der Kritik | 48 Geschlechterwissen als Deutungsrahmen für Konstruktionen | 61 Verknüpfungen: Geschlechterwissen als Deutungsrahmen für Öffentlichkeit | 69

4. Forschungsdesign und M ethode | 71 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

Erkenntnistheoretische Reflexion I: Hinweise zum Forschungsparadigma | 72 Erkenntnistheoretische Reflexion II: Medientexte als Repräsentationen | 73 Forschungsfragen und forschungsleitende Annahmen | 74 Sampling I: Die Politikerinnen | 78 Sampling II: Die Medien | 81

4.6 4.7 4.8

Analyseverfahren | 86 Reflexion des Forschungsprozesses: wie aus Empörung Wissenschaft wird | 94 Gütekriterien und Transparenz | 95

5. SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen | 99 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7

Renate Schmidt, Bayern 1994 und 1998 | 99 Ingrid Stahmer, Berlin 1995 | 101 Ministerpräsidentin Heide Simonis, Schleswig-Holstein 1996, 2000 und 2005 | 102 Ute Vogt, Baden-Württemberg 2001 und 2006 | 104 Andrea Ypsilanti, Hessen 2008 | 105 Hannelore Kraft, Nordrhein-Westfalen 2010 und 2012 | 107 Auswertungscluster | 108

6. Wahlkampf und Wahlergebnis | 111 6.1 6.2 6.3 6.4

Einleitung: Über Politikerinnen und Frauen | 111 Kandidaturen ohne Amtsbonus und Regierungsauftrag | 112 Die erste Ministerpräsidentin Heide Simonis | 136 Kandidaturen mit möglichem Regierungsauftrag | 161

7. Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin | 191 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Fallauswahl: Minderheitsregierungen | 191 Heide Simonis in Schleswig-Holstein 2005 | 192 Andrea Ypsilanti in Hessen 2008 | 199 Hannelore Kraft in NRW 2010 | 211 Resümee: Macht und Ehrgeiz bleiben widersprüchlich inszeniert | 222

8. Geschlecht als Erklärungsfaktor für Politik | 225 8.1 8.2 8.3 8.4

Politiker_in statt / oder / und Frau | 226 Geschlecht bleibt relevant | 231 Das Private als politische Komplementärkategorie | 235 Repräsentationen und Macht: Kontexte und Widersprüche | 236

9. Fazit und Ausblick: Wandel und Verharrung | 239 10. Literaturverzeichnis | 245 11. Textkorpus | 267 12. Anhang | 281

Vorwort und Dank

»›Wenn eine Frau über Macht spricht, ist das attraktiv. Wenn ein Mann das macht, verschreckt er die Frauen‹, sagt der Kandidat. Eine Frau stelle sich ›nicht infrage‹. Ein Mann habe ›Selbstzweifel‹. Auch der Kandidat? [...] Er setze sich ›anders durch als diese TestosteronMänner‹, behauptet er. Sein Führungsstil sei ›irgendwie schon weiblich, aber irgendwie auch anders‹.« (I N A NLEHNUNG AN SZ 30.04.10: 8, S.S. 181)

Geschlecht und Macht – dass Frauen und Männer im Kontext von Macht anders wahrgenommen werden, zeigt das obige Zitat, indem ich die Geschlechter vertauscht habe. Doch wie lassen sich Frauen in Medien inszenieren, ohne Geschlechterstereotype und traditionelle Arbeitsteilungen zu aktualisieren? Über diese Frage grübelte ich immer wieder in meiner langjährigen Arbeit als Journalistin. Eine Zäsur stellte für mich die Berichterstattung über die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti 2008 in Hessen bei ihrem Versuch dar, eine von der Linken tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden. Ich nahm dies als skandalisierende und persönlich diffamierende Medienkampagne wahr, ohne nennenswerte Versuche, einen politischen Diskurs über Ypsilantis Tabubruch zu führen. Im Zuge einer beruflichen Neuorientierung entschied ich mich, die hessischen Ereignisse in einer Dissertation zu untersuchen. Von dieser Motivation ausgehend entwickelte ich ein Design, um mediale Repräsentationen aller SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen zu vergleichen und deren Bedeutung für die Machtambitionen dieser Politikerinnen zu diskutieren. Die Ergebnisse dieser Untersuchung lege ich nun vor. Eine Dissertation gilt als erste selbstständige Forschungsleistung. Valide und relevante Erkenntnisse entstehen jedoch nur durch wissenschaftlichen Diskurs und Kritik. Ich möchte daher jenen Personen danken, die meinen Forschungsprozess begleitet haben. Meine wissenschaftliche Betreuerin Prof. Dr. Annette Henninger stand mir bei der Konzeption, methodischen Anlage und theoretischen Fundierung der Arbeit

8

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

beratend und motivierend zur Seite und unterzog die Ergebnisse kontinuierlich einer fundierten Kritik. Ihr gilt mein besonderer Dank. Prof. Dr. Margreth Lünenborg als Zweitgutachterin gab bei verschiedenen Gelegenheiten inspirierende Anregungen aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht und ermöglichte mir auch die Diskussion im Rahmen ihres Kolloquiums. Auch ihr sei herzlich gedankt. Mein Dank gilt auch der Hans-Böckler-Stiftung, die die Arbeit ideell gefördert hat. Dr. Anna Brake gab wertvolle Impulse für mein Forschungsdesign und methodisches Vorgehen. Mit Prof. Dr. Gertraude Krell konnte ich über theoretische Perspektiven auf die Konstruktion der Andersartigkeit von Frauen im politischen Feld diskutieren. Gültigkeit erlangt qualitative Forschung vor allem im wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs. Dr. Elke Wichmann ermöglichte mir, frühzeitig das Projektdesign im Kolloquium des Instituts für Politikwissenschaft der Fernuniversität Hagen einer externen Fachöffentlichkeit vorzustellen. Einen Ausblick auf meine Erkenntnisse gab ich in der Zeitschrift feministische studien. Auf der gemeinsamen Fachtagung der Fachgruppen Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht sowie Mediensprache – Mediendiskurse der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) Anfang 2015 an der Katholischen Universität Eichstätt konnte ich konkrete Befunde zur Diskussion stellen. Eine kontinuierliche wissenschaftliche Diskussion und die gegenseitige Unterstützung in allen Phasen der Arbeit verband mich mit den Teilnehmerinnen am Forschungskolloquium von Prof. Henninger und der interdisziplinären Interpretationsgruppe an der Marburg University Research Academy (MARA). In der Endphase der Arbeit gab mir Margret Beck wertvolle Hinweise zur prägnanten Formulierung der Ergebnisse. Frauke Gützkow unterzog das Gesamtwerk einer konstruktiven Kritik. Dr. Rolf Strube danke ich besonders herzlich für die abschließende Textrevision und Korrektur. Mein innigster persönlicher Dank gilt meinem Mann Ulrich Schraermeyer. Er hat mir den Rücken frei gehalten, mich ermutigt durchzuhalten und mich dazu auch immer wieder in die Natur hinausgelockt.

Sprache und Geschlecht Ich pflege in meiner Dissertation eine geschlechtsbewusste Schreibweise. Männlich adressiert sind nur Personen, deren Geschlecht sozial als männlich gelesen wird. Weibliche Adressierungen betreffen nur Personen mit einem sozial als weiblich wahrgenommenen Geschlecht. Soweit unterschiedliche Geschlechter angesprochen sind, benutze ich den Gender-Gap (z.B. »Politiker_innen«), um zu kennzeichnen, dass es zwischen »weiblich« und »männlich« vielfältige Identitäten gibt. Bei indirekten Zitaten richte ich mich nach den Ursprungstexten. Die Politikerinnen in meinem Sample leben öffentlich eine Identität als Frau. Das respektiere ich auch in der Schreibweise.

1. Thematische Einführung: Politik, Medien, Geschlecht

1.1 T HEMA UND E RKENNTNISINTERESSE : S PITZENPOLITIKERINNEN IN DEN M EDIEN »An den Spitzen von aktuell vier Bundesländern [...] hat sich lautlos ein neuer Typus von höchst fähigen Politikerinnen etabliert. Ihnen ist ein unaufgeregter Politikstil gemeinsam, sie sind kompetent und glaubwürdig, sie haben jahrelang im Hintergrund zielsicher Kontakte geknüpft. [...] Das Modell Trümmerfrau [...] ist Vergangenheit. Das waren jene Politikerinnen, die erst dann mächtig werden durften und aufräumen mussten, nachdem ihre männlichen Vorgänger skandalös gescheitert waren.« (H EIDENREICH 2013)

Anlass für diese Eloge in der Süddeutschen Zeitung (SZ) war die Wahl von Malu Dreyer (SPD) zur Ministerpräsidentin im Januar 2013, als erste Frau in RheinlandPfalz und insgesamt fünfte in Deutschland. Der SZ-Kommentar knüpfte an das Ende der »Ära des dominanzorientierten, auf mediale Selbstinszenierung ausgerichteten Politikertypus, der überdies in seiner Partei keinen Widerspruch duldet« an, das Sylka Scholz (2007c: 110) nach der Bundestagswahl 2005 prognostiziert hatte. »Unaufgeregt« und »unprätentiös« – diese Begriffe dienen schon fast klischeehaft auch der Beschreibung des Regierungsstils von Bundeskanzlerin Angela Merkel (u.a. Brosda 2013: 69). Kompetent, glaubwürdig, unaufgeregt, unprätentiös – hat da eine neue Generation von durchaus karrierebewussten Politikerinnen den sprichwörtlichen politischen Alpha-Männchen den Kampf angesagt? In der Tat ist die Zahl weiblich besetzter Chefsessel in den Staatskanzleien seit der Wahl Merkels zur Kanzlerin erheblich gestiegen. Heide Simonis (SPD), von 1993 bis 2005 Ministerpräsidentin in Schleswig-

10

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Holstein, sah sich noch allein in der Runde ihrer 15 männlichen Kollegen.1 Mit dem Wunsch, weibliche Unterstützung zu bekommen, rührte sie in den Wahlkämpfen ihrer Genossinnen Ingrid Stahmer in Berlin und Ute Vogt in Baden-Württemberg die Werbetrommel (FAZ 09.10.95: 16, Spiegel 13/01: 244). Die Erfüllung ihres Wunsches erlebte Simonis erst nach ihrem eigenen Amtsverlust. 2009 wurde Christine Lieberknecht (CDU) Ministerpräsidentin in Thüringen.2 2010 folgte Hannelore Kraft (SPD) in Nordrhein-Westfalen (NRW), 2011 Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im Saarland und 2013 Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz. Für die SZ stand Simonis als klassische Trümmerfrau (Beck 2014a: 395f) in scharfem Kontrast zu diesem vermeintlich neuen Typus. Dabei wurden jedoch nicht nur ihre persönlichen Kompetenzen ignoriert, sondern auch die Trümmerfrauen-Szenarios, die es in Thüringen 2009, NRW 2010 und Rheinland-Pfalz 2013 gab: ein von Männern gemachter Skandal bzw. eine historische Niederlage und eine Frau, die ›aufräumt‹ und darauf ihre Karriere gründet. Fast alle bisherigen Ministerpräsidentinnen gelangten als Nachfolgerinnen eines männlichen Amtsinhabers in einer laufenden Legislaturperiode in die Staatskanzlei. Nur Kraft schaffte in NRW als Spitzenkandidatin einen Regierungswechsel. Und abgesehen von den zweigeschlechtlichen Spitzenduos bei den Grünen war bis 2009, als Johanna Wanka für die CDU in Brandenburg antrat, die SPD die einzige Landtagspartei, die Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen ins Rennen schickte (Wiliarty 2011: 10). Da ist zu bezweifeln, dass dieser »neue Typus« bereits gleichberechtigt beim politischen Machtspiel mitspielt (Bourdieu 1997: 201; Engler 2010: 263). Ende 2015 nehmen die drei amtierenden Ministerpräsidentinnen nicht einmal 20 Prozent der Chefsessel in den 16 Staats- bzw. Senatskanzleien der Bundesrepublik ein. Von paritätischer Besetzung ist das weit entfernt. Vielmehr dürften die vielfach beschriebenen Hürden und Hemmnisse für Berufspolitikerinnen (Foster et al. 1998; Hoecker/ Fuchs 2004; Meyer 1997; Schöler-Macher 1994) nach wie vor wirksam sein. Als Erklärungszusammenhang für fortdauernde Ungleichheitslagen im politischen Feld3 reichen diese Barrieren jedoch nicht aus. Denn in einer medialisierten Demokratie, in der Medien als zentrale Arenen der politischen Öffentlichkeit4 fungieren (Blum 2011; Jarren/Vogel 2011), beeinflussen auch mediale Geschlechterbilder die Karriere und 1 | Simonis war übrigens nicht die erste Regierungschefin in Deutschland. Die Sozialdemokratin Louise Schroeder amtierte vom 8. Mai 1947 bis 13. August 1948 als Oberbürgermeisterin von Großberlin. 2 | Nach der Landtagswahl 2014 verlor Lieberknecht ihr Amt an den Linken Bodo Ramelow. 3 | Mit dem Begriff politisches Feld lehne ich mich an Bourdieus Denkwerkzeuge an (Engler 2010). Ich bezeichne damit die Bundes- und Landesebene in Deutschland, wo Politik als Beruf ausgeübt wird. 4 | Den Diskurs-Raum des politischen Feldes bezeichne ich als politische Öffentlichkeit, in Abgrenzung von anderen Öffentlichkeiten. Damit kritisiere ich auch das bürgerliche Ideal einer einzigen Öffentlichkeit. In Kapitel 3.2 wird dieser Begriff diskutiert. Dabei wird auch der hegemoniale Anspruch dieser politischen Öffentlichkeit herausgearbeitet.

Einführung: Politik, Medien, Geschlecht

die Machtchancen von Politikerinnen (Grittmann/Maier 2014; Holtz-Bacha 2008a). Das Wissen der Bürger_innen über ihr politisches Spitzenpersonal stammt in der Regel aus ›den Medien‹. Ihre Wahrnehmung von Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Durchsetzungsvermögen wird auch durch die mediale Konstruktion von Geschlecht geprägt. Das wirkt sich spätestens (aber nicht nur) bei Wahlen aus, zumal auch Wahlkämpfe für die meisten Menschen nicht auf der Straße, sondern in den Medien geführt werden. Angesichts dessen lässt sich hinterfragen, ob es tatsächlich einen neuen Typus Politikerinnen gibt oder ob sich nicht eher deren Inszenierung in den Medien geändert hat. Denn kompetente wie inkompetente, glaubwürdige wie unglaubwürdige, kommunikative wie unkommunikative Persönlichkeiten fanden sich schon immer unter Politikerinnen wie auch unter Politikern. Das wiederum verweist auf die Bedeutung medialer Geschlechterbilder und deren Wandel. Denn schon die Proklamation eines neuen Typus trägt – intermedialen Diskurs vorausgesetzt – zu dessen Konstruktion bei. Ob es die vermeintlich Neuen im politischen Feld tatsächlich gibt, wer sie sind und wie sie politisch agieren, wäre in einer Feldstudie zu erforschen. In diesem Projekt werden jedoch Medienanalysen angestellt. Da das mediale Bild eigenständige Wirkmacht zeigt, ist zu vermuten, dass sich mediale Konstruktionen von Geschlecht mit der zunehmenden Sichtbarkeit von Frauen in politischen Spitzenpositionen wandeln. Der diffamierende Medientenor über Andrea Ypsilanti bei ihrem Versuch, 2008 in Hessen eine von der Linken tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden (Schimmeck 2010), steht zu der Proklamation eines neuen Typus in auffälligem Widerspruch. Nachdem die erstaunliche Dynamik des Wahlkampfs medial als überraschende und positive Entwicklung Ypsilantis inszeniert worden war, schlug nach der Wahl das Medienimage komplett um. Inszeniert wurde nun eine machtgeile Egomanin. Mit dem »neuen Typus« und der machtgeilen Egomanin sind zwei Extreme benannt, zwischen denen sich Beharrung und Wandel in medialen Geschlechterbildern beschreiben und als Einflussfaktoren für die Ambitionen und Machtansprüche von Spitzenpolitikerinnen zum Thema machen lassen. Wie sich dies darstellt, seit Politikerinnen in Deutschland durch Spitzenkandidaturen Regierungsmacht5 reklamieren, ist Gegenstand dieser Arbeit. Ich greife damit Diskurse aus Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und sozialwissenschaftlicher Geschlechterforschung auf. In der Politikwissenschaft wird danach gefragt, wie der Androzentrismus im politischen Feld die Partizipation von Frauen beeinträchtigt. Im Fokus stehen in dieser Arbeit nicht Prozente und Quoten, sondern der Geschlechter-Bias von Anforderungen, Strukturen und Kulturen (Kap. 1.2), auf die auch Medienbilder explizit oder implizit Bezug nehmen. Insofern schließt diese Arbeit auch an kommunikationswissenschaftliche Diskurse über den Wandel politischer Öffentlichkeit durch die Medialisierung des politischen Feldes an (Kap. 1.3). Aus der Perspektive der Geschlechterforschung wird expliziert, wie die Kategorie Geschlecht 5 | Mit dieser Definition des Gegenstands ist politische Macht als Regierungsmacht konzeptualisiert.

11

12

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

in den Untersuchungsgegenstand eingewoben ist. Die Frage nach medialen Geschlechterbildern umfasst dabei das Wie, den Blick auf Geschlecht als Konstruktion (Kap. 1.4). Diese Zugänge werden in der Fragestellung zusammengeführt (Kap. 1.5). Am Ende der Einleitung steht ein Gang durch den Aufbau der Arbeit (Kap. 1.6).

1.2 PARTIZIPATION

IN ANDROZENTRISCHEN

KONTEXTEN

Das Postulat, wonach Partizipation, also »die Teilhabe der Bürger an den Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems [...] ein Grundprinzip demokratisch verfasster Gesellschaften« sei (Niedermayer 1989: 1), ist bezogen auf die Achse Geschlecht nach wie vor nicht erfüllt. Zwar erlangen seit den Quotendiskussionen der 1980er und 90er Jahre immer mehr Frauen politische Mandate und Ämter (Davidson-Schmich/Kürschner 2011; Hochschule für Wirtschaft und Politik 1989; Honnen 1988; Inhetveen 2002; Sdroulia 2007; WettigDanielmeier 1997). Von 1987, als die Grünen als erste Partei mit quotierten Listen antraten,6 bis 2013 stieg der Frauenanteil im Bundestag von 9,8 Prozent auf 36 Prozent (Böth/Kobold 2013; Davidson-Schmich/Kürschner 2011: 26). In den Landtagen variiert er zwischen 20,3 Prozent in Baden-Württemberg und 40,6 Prozent in Thüringen (LPB Ba-Wü 2015a). Mit einer Spanne von 13 Prozent in Schleswig-Holstein bis 60 Prozent in Rheinland-Pfalz sieht es bei den Landesregierungen ähnlich aus (BMFSFJ 2013). Diesen Fortschritten steht allerdings die anhaltende Unterrepräsentanz an der Regierungsspitze gegenüber. Die Zahlen zeigen genauso wie der Diskurs um den »neuen Typus« Politikerinnen, dass Frauen an der politischen Spitze noch immer erklärungsbedürftig sind. Sie gelten als das Besondere, jedenfalls nicht als ›normale‹ Frau (Gnändiger 2007: 138). Diese Besonderheit offenbart sich den Betroffenen als Double Bind, also widersprüchliche Erwartungen an die politische Persönlichkeit und die Frau (Jamieson 1995; Bieber 2013: 50f, 160-163). In diesem Double Bind zeigt sich der Androzentrismus des politischen Feldes, womit die Hypostasierung des Männlichen zum allgemeinen Modell des Menschlichen (Müller 1991: 74) bzw. zum unhinterfragten Maßstab in der Politik gemeint ist. Im Fokus dieser Arbeit stehen der androzentrische Bias der Anforderungen im politischen Feld und die Positionierung der Politikerinnen in diesem Feld, in dem sie lange nicht vorgesehen waren (Schaeffer-Hegel 1998a: 12). Dem Androzentrismus des politischen Feldes geschuldet können Politikerinnen weniger als Politiker die »spezifische(n) Regeln des Spiels, des Ablaufs sozialer Interaktionen« einhalten, welche »die Akteure im Kampf um ihre soziale Position und Positionierung beherrschen müssen und die im feldspezifischen Habitus Ausdruck finden« (Moser 2010: 21). Mit Pierre Bourdieu (1997: 201; vgl. auch Engler 2010: 263) 6 | Die SPD folgte nach ihrem Quotenbeschluss 1988 mit quotierten Listen zur Bundestagswahl 1990. Ebenso die PDS.

Einführung: Politik, Medien, Geschlecht

gesprochen spielen Frauen im politischen Feld also weniger erfolgreich mit als Männer. In medialen Inszenierungen wird dieses ungleiche Spiel thematisiert, sei es als Konstruktion oder – vermutlich eher selten – als Dekonstruktion.

1.3 M EDIALISIERUNG

VON

P OLITIK

Um das Verhältnis von Politik und Medien, um das es in dieser Arbeit geht, werden verschiedene Diskurse geführt, (z.B. Mediendemokratie [Jarren/ Donges 2011; Massing 2004, Sarcinelli 2011 u.a.], Politainment [Dörner 2001; Klaus 2000], Infotainment [Postman 1994]). Die Bedeutung medialer Geschlechterbilder für die Machtambitionen von Spitzenpolitikerinnen ist in der Medialisierung7 von Politik begründet. Nach Michael Meyen (2009: 23) sind dies »Reaktionen in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen [...], die sich entweder auf den Strukturwandel des Mediensystems beziehen oder auf den generellen Bedeutungszuwachs medial vermittelter öffentlicher Kommunikation«. Medialisierte Kommunikation ist gekennzeichnet durch: • Entzeitlichung: soziale bzw. politische und medial vermittelte Realität verschmelzen • Enträumlichung: Politik wird zunehmend medienvermittelt wahrgenommen • Vervielfältigung: politisches Handeln orientiert sich zunehmend an den Gesetzmäßigkeiten des Mediensystems (Sarcinelli 1998). Die Effekte der Medialisierung auf das politische Feld werden unter dem Stichwort Mediendemokratie diskutiert (Heidenreich/Schönpflug 2012; Imhof et al. 2006; Jarren et al. 2000; Jarren/Donges 2011; Massing 2004; Sarcinelli 2011), und zwar überwiegend mit einem besorgt kritischen Tenor. In den lange Zeit vorherrschenden Idealbildern »von informierten und interessierten Bürgern, die einen rationalen Diskurs über die Themen von öffentlichem Interesse in Gang setzen und sich dann weitgehend unabhängig eine Meinung bilden« und von einem »rationale(n) Prozess der Willensbildung in den politischen Institutionen« (Donsbach/Jandura 2003: 11) kamen Medien nur als neutrale Leistungserbringer der politischen Öffentlichkeit vor. Erst in jüngerer Zeit hätten sie ihre Rolle so stark verändert, dass sie die Gesellschaft tiefgreifend beeinflussen können und von einem tiefgreifenden medialen Systemwechsel gesprochen werden kann (ebd.: 11f). Über den Charakter der Veränderungen wird kontrovers diskutiert. Die Debatten lassen sich entlang der Begriffe Substitution, Instrumentalisierung und Usurpation systematisieren. Nach der Substitutionsthese füllen die Medien ein Vakuum aus, das die Parteien bei der öffentlichen Willensbildung zunehmend hinterlassen. Nach der Instrumentalisierungsthese hat sich das politische System der Medien bemächtigt und 7 | Synonym wird häufig der Begriff Mediatisierung verwendet, der jedoch in der Geschichtswissenschaft mit einer anderen Bedeutung belegt ist und daher missverstanden werden kann (Meyen 2009: 26).

13

14

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

nutzt deren Rationalitäten für seine eigenen Zwecke. Nach der Usurpationsthese verhält es sich genau umgekehrt. Das Mediensystem füllt das beschriebene Vakuum aus, um ideologisch-machtpolitische oder kommerzielle eigene Interessen zu bedienen (ebd.: 13f). Unbestritten ist, dass die politische Kommunikation von Parteien, Regierungen und anderen Organisationen mit der Medienberichterstattung in einem Wechselverhältnis stehen. Strittig ist jedoch der Charakter dieses Verhältnisses (Krüger 2013; Sarcinelli 2011). Gleiches gilt für die Selbstpräsentation von Politiker_innen und deren mediale Inszenierung (Koch-Merin 2007; Meng 2002; van Zoonen 2006). In Wahlkämpfen wird das Zusammenspiel von politischer Kommunikation der Parteien (Professionalisierung), Selbstpräsentation der Politiker_innen (Personalisierung) und medialer Inszenierung (Medialisierung) unter dem Begriff Amerikanisierung gefasst (Korte 2009) und häufig mit dem Vorwurf der Entpolitisierung verbunden (Brettschneider 2009: 510). In dieser Arbeit wird vor allem auf den Mediensoziologen Kurt Imhof Bezug genommen, der Medialisierung als Folge der Ausdifferenzierung des Mediensystems aus dem politischen System begreift und darin einen neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit sieht (Imhof 2006, 2011). Imhof bezieht sich damit auf Jürgen Habermas’ Konzept des Strukturwandels der Öffentlichkeit. Anhand der darin eingelagerten geschlechtshierarchischen Dichotomie von öffentlicher und privater Sphäre werden in der feministischen Theorie die androzentrische Konstruktion der politischen Öffentlichkeit und der historische Ausschluss der Frauen aus dieser Sphäre diskutiert. Mit der Kritik an der Orientierung politischer Medien an den Kommunikationsbedürfnissen männlicher, deutscher Bildungsbürger ist zugleich die Frage nach dem demokratischen Potenzial unterhaltender Medienformate verbunden (Klaus 2000; Lünenborg 2009b). An diesen Diskurs schließt diese Arbeit an, um das Öffentlichkeitsverständnis zu diskutieren, das in medialen Geschlechterbildern zum Ausdruck kommt.

1.4 G ESCHLECHT : SOZIAL , DISKURSIV

UND PERFORMATIV KONSTRUIERT

Was ist gemeint, wenn nach medialen Geschlechterbildern gefragt wird? Die sozialwissenschaftliche Geschlechterforschung ist geprägt von zwei grundlegenden Forschungsperspektiven. Der gesellschaftstheoretische Blick auf Geschlecht als Strukturkategorie beschäftigt sich mit »Prozesse(n) der sozialen Verortung von Frauen und Männern im Sozialgefüge« (Becker-Schmidt 2013: 22) und schreibt der Kategorie Geschlecht darin die Funktion eines »sozialen Platzanweisers« zu (Krause 2003: 46). Geschlecht als Konstruktion befasst sich hingegen mit der Frage, wie Geschlecht in der sozialen Welt überhaupt hergestellt wird, wie Menschen Geschlecht ›machen‹, wahrnehmen oder ›lesen‹ und welches Wissen dem zugrunde liegt. Damit geraten »Beziehungs- und Kommunikationsprozesse sowie die wirklichkeitskonstituierende Kraft von Ideen, Wissen und Deutung(smustern) in den Blick« (Schindler 2005: 104). Unterschiede zwischen beiden Perspektiven bestehen vorrangig in der Art und Weise

Einführung: Politik, Medien, Geschlecht

»wie die Dialektik von Verhalten und Verhältnissen in der Konstitution von Geschlecht gedacht wird« (Becker-Schmidt 2013: 20). Über beide Perspektiven hinweg wird über den Stellenwert der Geschlechterdifferenz als gesellschaftliche Leitdifferenz diskutiert, eine Kontroverse, die auch im Rahmen dieser Arbeit reflektiert wird. Die Frage nach der Kategorie Geschlecht in medialen Inszenierungen in der vorliegenden Untersuchung schließt zunächst an die sozialkonstruktivistische Perspektive an. Die Medien als Feld der zu untersuchenden Konstruktionen bringen es mit sich, dass nicht das Doing Gender in der Interaktion (Goffman 1994; Kessler/McKenna 1978; West/Zimmerman 1987) oder Konstruktionsprozesse in bestimmten sozialen Feldern (u.a. Gildemeister/Robert 2009; Gildemeister/Wetterer 1992; Hagemann-White 1988; Villa 2007; Wetterer 2002) beobachtet werden, sondern deren Repräsentationen8 in den Medien. Untersucht wird, durch welche Muster, also Rahmungen9, Zuschreibungen und Attributionen10, Stereotype11, Topoi und Narrative12 Geschlecht konstruiert und relevant gesetzt wird. Damit ist die diskursive und performative Seite von Konstruktionsprozessen angesprochen (Lünenborg/Maier 2013: 41-44). Der Fokus wandert von der sozialen Interaktionsebene auf die Ebene der Diskurse und der symbolischen Ordnung (Schindler 2005: 107). Bei der Definition der symbolischen Ordnung lehne ich mich an Bourdieus Begriff symbolischer Herrschaft an, die »nicht auf Zwang und nackter Gewalt basiert, sondern in Selbstverständlichkeiten des Denkens und Handelns auftritt und eingelagert ist in Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata der Akteurinnen und Akteure« (Engler 2005: 130). Diese Herrschaft entwickelt sich unter anderem entlang der Klassifikation ›männlich – weiblich‹ und ist damit zweigeschlechtlich strukturiert, auch wenn Bourdieu diesen Begriff nicht gebraucht. Die Zustimmung der Beherrschten, die für solche Herrschaftsbeziehungen kennzeichnend ist, wird dabei nicht bewusst erteilt, sondern ist in alltägliche Beziehungen und Ordnungsschemata eingewoben (ebd.: 129f). 8 | Zum Begriff Repräsentation und dessen erkenntnistheoretischen Implikationen siehe Kap. 4.2. 9 | Der Begriff Rahmung wird hier synonym zum englischen Begriff Frame genutzt. Darunter »lässt sich [...] grob ein kommunikativer Deutungsrahmen verstehen, der einzelne Aspekte selektiv betont oder vernachlässigt« (Brosda 2013: 60). 10 | Unter Attribution verstehe ich Eigenschaften, Kompetenzen und Verhaltensweisen, mit denen eine Person charakterisiert wird. Zuschreibung bezeichnet den Prozess, dessen Ergebnis eine Attribution ist. Der Begriff Attribuierung fasst beides zusammen 11 | Stereotype beruhen auf Kategorisierung, Vereinfachung und Verallgemeinerung. »Es handelt sich bei ihnen um individuelle und sozial geteilte Meinungen über die Merkmale der Mitglieder einer sozialen Gruppe. Diese Merkmale sind mit positiven oder negativen Wertungen verbunden.« (Thiele 2015: 30) 12 | Ein Narrativ ist eine sprachliche Äußerung, die sowohl einen Inhalt als auch einen Subtext transportiert. »Es überführt Erlebtes in bekannte Kategorien [...] und einen sinnhaften Kontext, wählt Elemente aus und lässt andere weg.« (Roehl 2011)

15

16

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

In dieser Arbeit geht es nicht um mediale Repräsentationen allein, sondern auch um die Bedeutung, die diese Repräsentationen für Karriere- und Machtchancen von Politikerinnen in einer medialisierten Demokratie haben. Dazu muss das sozialkonstruktivistische Paradigma an eine gesellschaftstheoretische Perspektive rückgebunden werden, die auch nach der Relevanz der Kategorie Geschlecht im Kontext von Macht und Herrschaft fragt (Becker-Schmidt 2013: 24). Als Brücke zwischen beiden Perspektiven wird in dieser Arbeit das Konzept des Geschlechterwissens (Dölling 2005) herangezogen, in dem kollektive und individuelle Wissensbestände über Geschlecht konzeptualisiert werden. Dazu gehört auch Wissen über die Verortung von Männern und Frauen im gesellschaftlichen und politischen Macht- und Herrschaftsgefüge. Der sozialkonstruktivistische Begriff von Geschlecht trifft nun auf einen Untersuchungsgegenstand, der immer schon zweigeschlechtlich vorstrukturiert ist (Gildemeister/Wetterer 1992: 201-205). Spitzenpolitikerinnen sind nicht nur in medialen Repräsentationen als ›Frauen‹ den ›männlichen‹ Politikern gegenübergestellt. Sie nehmen sich auch selbst – zumindest soweit bekannt – als Frauen in einer zweigeschlechtlichen Ordnung wahr. Die Konfrontation der »These von der sozialen Konstruktion der Welterkenntnis« mit der »offensichtlichen ›natürlichen‹ Erfahrung des eigenen Geschlechts« bezeichnet Schindler (2005: 101) alltagstheoretisch als »Zumutung«. Die dieser Zumutung innewohnende Gefahr der Reifizierung (Gildemeister/Wetterer 1992: 204) macht die Sache nicht einfacher. Reifizierung meint, dass das zu Erforschende bereits kategorial vorausgesetzt und dann in der Analyse bestätigt wird (Scholz 2007a: 13). Bezogen auf den Untersuchungsgegenstand heißt dies, dass mediale Inszenierungen von Geschlecht nur im Hinblick auf zweigeschlechtliche Dichotomie, etwa im Sinne von Karin Hausens Geschlechtscharakteren (Hausen 1976) untersucht würden. Dieser Gefahr wird durch die Frage nach Wandel im Geschlechterwissen, durch Sequenzanalysen als Analyseverfahren und eine selbstreflexive Haltung der Forscherin Rechnung getragen.

1.5 F RAGESTELLUNG : R EPRÄSENTATIONEN UND DER G RIFF ZUR M ACHT

VON

G ESCHLECHT

Thema und Gegenstand der Arbeit sind Beharrung und Wandel medialer Geschlechterbilder und deren Bedeutung für die Ambitionen von Politikerinnen, die durch Spitzenkandidaturen Regierungsmacht reklamieren. Untersucht werden soll das anhand von Medientexten. Dafür sind vor allem drei Forschungskontexte relevant: die Positionierung von Frauen im androzentrischen politischen Feld, die feministische Kritik an einem geschlechtshierarchisch dichotomen Verständnis von politischer Öffentlichkeit und Privatsphäre vor dem Hintergrund einer medialisierten Politik sowie Repräsentationen als spezifisch mediale Konstruktionen von Geschlecht. Diese drei Kontexte können in den leitenden Fragestellungen zusammengeführt werden:

Einführung: Politik, Medien, Geschlecht

• •



Wie wird Geschlecht in medialen Repräsentationen von Spitzenpolitikerinnen konstruiert? Nach welchen Mustern, Attribuierungen, Rahmungen, Stereotypen, Topoi oder Narrativen werden Geschlecht und politische Handlungsmacht13 diskursiv verflochten und inwiefern zeigt sich hierbei ein Wandel? In welchen Kontexten wird Geschlecht relevant gesetzt? Lassen sich Differenzierungen bei der Kategorie Geschlecht als gesellschaftliche Leitdifferenz erkennen?

Im Anschluss an die feministische Kritik am dichotomen Konzept einer politischen Öffentlichkeit stellen sich weitere Fragen: • Welcher Wandel im Verständnis der Medien vom Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit zeigt sich in den Repräsentationen? • Und lässt sich von medialem Wandel auf Veränderungen im Geschlechterverhältnis im politischen Feld schließen? Die empirischen Erkenntnisse zu diesen Fragen können dann herangezogen werden, um zu diskutieren, welche Bedeutung die medialen Repräsentationen und deren Wandel für den Kampf der Politikerinnen um Macht haben. Bisher hat die SPD die weitaus meisten Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen nominiert (s.S. 10). Insofern bietet das Sample von sechs SPD-Spitzenkandidatinnen bei elf Landtagswahlen im Zeitraum von 1994 bis 2012 eine ertragreiche Grundlage zur Bearbeitung der Fragestellung.

1.6 A UFBAU

DER

A RBEIT

Zur Annäherung an die Fragestellung werden zunächst die Forschungskontexte genauer betrachtet. Der Androzentrismus des politischen Feldes wird mit Max Webers Anforderungen an Politik als Beruf, deren Wirksamkeit im heutigen politikwissenschaftlichen Mainstream und der feministischen Kritik an der Weber’schen Tradition diskutiert (Kap. 2.2). Auf dieser Grundlage werden Erkenntnisse über die Positionierungen von Frauen im politischen Feld reflektiert (Kap. 2.3). Dies wiederum dient als Referenz14 für mediale Repräsentationen, zu deren Entwicklung es einen reichen kommunikationswissenschaftlichen Diskurs gibt (Kap. 2.4). Aus diesen Kontexten werden schließlich Anforderungen an den theoretischen Rahmen für die Untersuchung entwickelt (Kap. 2.5). Um die Medialisierung der Politik mit geschlechtskategorialen Ungleichheiten 13 | In dem Begriff Handlungsmacht fasse ich die Zuschreibung von persönlichen Kompetenzen, politischem Handeln, Durchsetzungsvermögen und Wirksamkeit zusammen. 14 | Mit dem Begriff Referenz grenze ich mich von der Vorstellung ab, Medien würden Wirklichkeit abbilden oder widerspiegeln. Wohl aber konstruieren Medien ihre Repräsentationen immer mit Referenz auf Phänomene in der sozialen Realität (Lünenborg/Maier 2013: 41).

17

18

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

im politischen Feld theoretisch zu verknüpfen, wird Imhofs Konzept eines neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit, mit dem er an Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit (Kap. 3.2.1) anschließt, herangezogen (Kap. 3.2.2) und einer Kritik aus der feministischen Theorie unterzogen (Kap. 3.2.3). Im Anschluss werden Alternativen aus der Geschlechterforschung zum geschlechtshierarchisch-dichotomen Verständnis politischer Öffentlichkeit diskutiert (Kap. 3.2.4). Neben diese gesellschaftstheoretische Perspektive tritt eine konstruktivistische Perspektive, die für die Analyse medialer Repräsentationen benötigt wird. Hierfür wird Irene Döllings Konzept eines Geschlechterwissens erläutert (Kap. 3.3.1), ergänzt um Überlegungen zu dessen Wandel in Angelika Wetterers Konzept der Rhetorischen Modernisierung (Kap. 3.3.2). Sodann wird diskutiert, wie beide Perspektiven zusammengeführt werden können (Kap. 3.4) Um das Forschungsdesign, das Vorgehen und die Methode zu erläutern, werden zunächst erkenntnistheoretische Voraussetzungen reflektiert. Hierzu gehören die Kontextabhängigkeit von Wissen und Erkenntnisproduktion im sozialkonstruktivistischen Paradigma (Kap. 4.1) sowie der Charakter von Medientexten als Repräsentationen sozialer Realität (Kap. 4.2). Danach wird die Fragestellung der Arbeit operationalisiert und mit forschungsleitenden Annahmen unterlegt, die sich aus den Forschungsdiskursen ableiten. Dabei werden erste Hinweise zu Analysedimensionen gegeben (Kap. 4.3). In den Ausführungen zum Sampling wird die Auswahl der Politikerinnen inhaltlich begründet und die Untersuchungszeiträume werden eingegrenzt (Kap. 4.4). Als Grundlage für die Medienauswahl wird zunächst der Begriff Leitmedien diskutiert und die Einschränkung auf Printmedien erläutert (Kap. 4.5.1). Auf dieser Basis werden Kriterien für die Auswahl (Kap. 4.5.2) und für die Eingrenzung des Textkorpus (Kap. 4.5.3) entwickelt. Zur Textanalyse wird die qualitative Inhaltsanalyse (Kap. 4.6.1) mit der wissenssoziologischen Sequenzanalyse (Kap. 4.6.2) kombiniert. Für beide Verfahren werden die Analysedimensionen bzw. Auswahlkriterien und das Vorgehen erläutert. Schließlich folgen Reflexionen zum Forschungsprozess (Kap. 4.7) und zu den Gütekriterien qualitativer Forschung (Kap. 4.8). Im empirischen Teil werden zunächst die ausgewählten Politikerinnen in ihren jeweiligen politischen und historischen Kontexten vorgestellt (Kap. 5.1 bis 5.6). Aus diesen Kontexten werden Kriterien für Auswertungsgruppen entwickelt, um die Zeitachse durch inhaltliche Aspekte zu modifizieren (Kap. 5.7). Die Ergebnisse der Medienanalysen von Wahlkampf und Wahlergebnis werden entlang dieser Auswertungsgruppen vorgestellt (Kap. 6). Für die Phase von Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung wurden nur drei Fälle herangezogen. Dies wird zunächst begründet (Kap. 7.1). Sodann werden die Ergebnisse zu jedem Fall einzeln erläutert (Kap. 7.2 bis 7.4) und anschließend verallgemeinert (Kap. 7.5). Am Ende der empirischen Kapitel werden die Ergebnisse entlang der Forschungsfragen diskutiert (Kap. 8). Dabei werden die Befunde aus beiden Phasen (Wahlkampf und Wahlergebnis bzw. Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung) integriert. In meinem Fazit ziehe ich vier zentrale Schlussfolgerungen und stelle Überlegungen zu Desideraten an (Kap. 9.).

2. Forschungsdiskurse

2.1 Z UGÄNGE AUS P OLITIK - UND KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT Diese Arbeit wird von einer doppelten Fragestellung getragen. Zum einen wird die Konstruktion von Geschlecht in medialen Repräsentationen (Kap. 4.2) der SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen analysiert. Zum anderen wird diskutiert, welche Bedeutung diese Konstruktionen für den Anspruch der Politikerinnen auf Macht haben. Die erste Frage schließt an kommunikationswissenschaftliche Forschung an. Sie liefert die Basis für die politikwissenschaftliche Frage nach dem Verhältnis von Geschlecht und politischer Macht. Diese wiederum beinhaltet zwei relevante Aspekte. Zum einen wird gefragt, welche Anforderungen an Menschen in der Berufspolitik gestellt werden und wie diese Erwartungen vergeschlechtlicht sind (Kap. 2.2). Dies liefert Hinweise auf das Geschlechterwissen (Kap. 3.3.1) im politischen Feld, mit dem politische Handlungsmacht zugeschrieben oder abgesprochen wird. Zum anderen wird die Positionierung von Frauen im androzentrischen politischen Feld nachgezeichnet (Kap. 2.3). Hierin drückt sich aus, wie Frauen mit den an sie gestellten Erwartungen umgehen, wie sie diese übernehmen, zurückweisen oder verändern. Und es werden die institutionellen und kulturellen Hürden erkennbar, die Frauen im politischen Feld zu überwinden haben. Beide Aspekte bilden in der vorliegenden Arbeit den Referenzrahmen für mediale Repräsentationen und deren Bedeutung für Machtansprüche. Die Medien greifen Anforderungen und Positionierung auf, integrieren sie in die Konstruktion medialer Geschlechterbilder in der Politik, unterziehen sie einer Bewertung, wirken mit diesen medialen Repräsentationen auf das politische Feld ein und beeinflussen damit wiederum die Positionierung der Politikerinnen (Kap. 2.4). Dabei bilden Medien die ungleichen gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse nicht ab, »sondern konstruieren eine eigene, geschlechtsgebundene Medienrealität [...]. Sie tun dies, indem sie Personen, Themen, Kontextualisierungen und Interpretationsweisen wählen und dabei andere vernachlässigen. Diese Selektionsprozesse sind stets auch geschlechtsgebunden.« (L ÜNENBORG /R ÖSER 2012 A : 15)

20

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Dennoch sind diese Repräsentationen nicht unabhängig von der sozialen Realität, auf die sie referieren. Da Medien heute den öffentlichen Raum konstituieren, den Menschen als ›Politik‹ betrachten, kommt ihnen für den Kampf um politische Macht eine besondere Relevanz zu (Lünenborg 2009c: 7; Pantti 2007: 17). Auf Basis der drei Zugänge – androzentrische Anforderungen im politischen Feld, die Positionierung von Frauen in diesem Feld und mediale Repräsentationen von Geschlecht – werden am Ende dieses Kapitels Anforderungen an den theoretischen Rahmen sowie an das Forschungsdesign skizziert (Kap. 2.5).

2.2 P OLITIK

ALS ANDROZENTRISCHES

F ELD

Grundlage für die Analyse medialer Repräsentationen von Spitzenpolitikerinnen und deren Bedeutung für den Griff nach Macht ist eine Vorstellung von den Erwartungen, die an Berufspolitiker_innen gestellt werden. Im Folgenden werden ausgehend von Max Webers Überlegungen zur Politik als Beruf Anforderungen und Eigenschaften beschrieben, die heute im politikwissenschaftlichen Mainstream und in der institutionellen Politik als Profil für das führende politische Personal verhandelt werden. Anhand der feministischen Kritik werden einige dieser Charakteristika als männlich hegemoniale Ideale herausgearbeitet.

2.2.1 Max Weber und die Politik als Beruf Als klassische Beschreibung des Berufspolitikers gilt Max Webers Vorlesung Politik als Beruf von 1919 (Weber 2010; Edinger/Patzelt 2011). Weber beschrieb einen Politikertypus, den Habermas (1991 [1962]) aufgriff: den in der Öffentlichkeit räsonierenden Warenbesitzer und Familienvater, der frei von reproduktiver Verantwortung rationale Argumente austauscht (s.S. 49)1. Dessen wirtschaftliche Unabhängigkeit und Abkömmlichkeit als Voraussetzung für Berufspolitik diskutierte Weber in seiner Unterscheidung zwischen einem Leben für die Politik und von der Politik. Berufspolitik sei an die Voraussetzung verlässlicher Bezahlung gebunden, wenn sie nicht auf eine rein »plutokratische Rekrutierung« gründen solle (Weber 2010: 16f). Unabhängigkeit und Abkömmlichkeit – auch in ihrer Negation als Leben von der Politik – bezog Weber ausschließlich auf den materiellen Lebensunterhalt. Reproduktive Pflichten im Sinne familiärer Fürsorge spielten keine Rolle. Damit lässt sich Webers Berufspolitiker entsprechend der geschlechtlichen Arbeitsteilung als Mann identifizieren. Politische Herrschaft im modernen Staat stützt sich nach Weber auf »legitime 1 | Bei der Beschreibung von Webers Überlegungen zum Berufspolitiker beschränke ich mich auf das generische Maskulinum, da Weber an Berufspolitikerinnen überhaupt nicht gedacht hat.

Forschungsdiskurse

Gewaltsamkeit« sowie auf »durch rational geschaffene Regeln begründete(n) sachliche(n) Kompetenz« (ebd.: 8f). Politik galt ihm als Kampf um Macht (ebd.). Begriffe wie »Wahlschlachtfeld« (ebd.: 39) rufen militärische Assoziationen auf. Der Politiker habe Charisma. Parteinahme, Kampf und Leidenschaft seien sein Element. Leidenschaft wird als Hingabe an eine Sache (und nicht an Menschen) definiert und mit Verantwortungsgefühl und Augenmaß sowie mit der Kritik an Distanzlosigkeit als »Todsünde des Politikers« relativiert (ebd.: 49f). Machtinstinkt sei eine notwendige Eigenschaft, jedoch nur um der Sache willen, verbunden mit Ritterlichkeit, Würde und Verantwortung und nicht aus »persönlicher Selbstberauschung« (ebd.: 51, 53). Diese Charakteristika rekurrieren auf das Bild des autonomen Subjekts in der politischen Philosophie. Dieser Homo politicus sei »a) ein Vernunftwesen, b) von Natur aus in der Lage, als einzelner ein unabhängiges Leben zu fristen, einerseits aufgrund seiner Vernunftfähigkeit, andererseits aber c) durch den natürlichen Erwerb von Boden und Besitz. Dieses ›besitzbürgerliche‹ Kriterium politischer Autonomie hat Marx in seiner Kritik der Politischen Ökonomie durch ein anderes ersetzt, durch das der Arbeit.« (L IST 1986: 81 F ) Der androzentrische Charakter dieses Konzepts wird in Kapitel 2.2.3 ausgeführt.2 Im Folgenden argumentiere ich, dass diese Charakteristika auch heute noch zum kollektiven, männlich hegemonialen Wissensbestand über Berufspolitiker_innen gehören.

2.2.2 Politik als Beruf in der heutigen Politikwissenschaft Werner J. Patzelt (2011) adaptiert Webers Beschreibung für die heutige Zeit. In einer Befragung von Bundestags- und Landtagsabgeordneten über die Anforderungen des Amtes finden sich die Weber’schen Kategorien wieder.3 Wirtschaftliche Abkömmlichkeit entspricht in der Befragung der Forderung einer gesicherten sozioökonomischen Stellung auch ohne politisches Mandat. Überzeugungskraft, Konfliktbereitschaft, Entschlussfreude und Durchsetzungsvermögen, Empathie für die Bürger_innen sowie Freude an politischer Einflussnahme repräsentieren Webers Parteinahme, Kampf und Leidenschaft. Webers Würde zeigt sich heute in Integrität, Machtinstinkt im politischen Ehrgeiz. Die heute geforderte Kompetenz als Generalist_in grenzt Weber vom Fachbeamtentum ab. Dietrich Herzog (1990) hingegen hält Webers Macht- und Staatsverständnis in einer funktional differenzierten Gesellschaft für überholt. Wesentliche Aufgabe der 2 | Einen Überblick über den Ausschluss der Frauen aus der politischen Ideengeschichte geben Magin (2011) und Schaeffer-Hegel (1990). 3 | Die Geschlechterdifferenzierung dieser Befragung beschränkt sich auf den Hinweis, dass 78 % der Abgeordneten Männer seien. Aussagen über Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Abgeordneten gibt es nicht (Patzelt 1996).

21

22

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Politik sei es, Aushandlungsprozesse zwischen gesellschaftlichen Subsystemen zu organisieren. Herzog verweist auf einen »esprit de corps«, definiert durch kollektive Identität, Gemeinschaftsgefühl sowie bestimmte Verhaltensmuster, Sprachformen und Kleidungsgewohnheiten (ebd.: 34), wohinter sich männliche Seilschaften vermuten lassen (Lukoschat 1998a: 130). Unter dem Begriff Responsivität rücken Herzog und Patzelt die Interessen der repräsentierten Bürger_innen in den Blick. »Dabei gehört es zur wesentlichen Leistung des Repräsentanten, in eigener (Hervorh. i.O.) Verantwortung auch latente Interessen der Repräsentierten hinter deren manifesten Interessen aufzuspüren, subjektive Interessen von objektiven, Partikularinteressen von Allgemeininteressen zu unterscheiden und einen klugen Kurs zwischen der Verwirklichung kurzfristiger, mittelfristiger und langfristiger Interessen zu steuern.« (PATZELT 2011: 76)

Patzelt konstruiert einen Gegensatz von subjektiven und objektiven Interessen, von Partikular- und Allgemeininteressen, der auch in Herzogs Überlegungen (Herzog 1990: 46f) angelegt ist. Ausdruck dessen ist die Argumentationsfigur der unpopulären oder schmerzhaften Entscheidungen, die Politiker_innen zu treffen hätten, auf die auch in Medien immer wieder referiert wird. Darin zeigt sich ein politischer Paternalismus, der behauptet, Politiker_innen wüssten besser als das Volk über dessen eigentliche Interessen Bescheid. »Performanzbezogene Erwartungen der Öffentlichkeit«, die sich aus der Medialisierung der Politik ergeben, ergänzen diese Anforderungen aus dem politischen Feld: Sympathie, Ausstrahlung, Medien- und Darstellungskompetenzen in der Politikvermittlung, Charisma, rhetorisches Können, mediale Präsenz und attraktives politisches Auftreten (Tenscher 2011). Wie die genannten Beispiele zeigen, beansprucht Webers Charakterisierung eines Berufspolitikers bis heute Gültigkeit im politikwissenschaftlichen und politischen Denken (Scholz 2007c: 105). Ergänzt wird sie von Anforderungen, die sich aus differenzierten Gesellschaftsstrukturen, aus dem Verhältnis zu den Wähler_innen und aus der Medialisierung von Politik ergeben. Geblieben sind jedoch ein paternalistisches und androzentrisches Verständnis von Politik, das in der feministischen Theorie kritisiert wird.

2.2.3 Feministische Kritik an der Weber’schen Tradition Im Fokus der feministischen Diskurse steht der Androzentrismus von Webers Vorstellung eines Politikers. Er beruht auf der Dichotomie von Öffentlichkeit und Privatheit (Sauer 2001; Scholz 2007c: 104), macht Politik zum Männerberuf (Löffler 2008; Schöler-Macher 1994) und begründet deren männerbündischen Charakter (Kreisky 2000). Implizite Grundlage all dieser Ansätze ist die Kritik am Konzept des autonomen Subjekts (List 1986). Nach Birgit Sauer (2001) folgte Weber der liberalen Idee einer staatlichen Gewalt,

Forschungsdiskurse

die von partikularen Interessen abstrahiert und diese in der ökonomischen Privatsphäre verortet. Willkürlicher Herrschaft und personaler Macht wurden auf staatlicher Ebene zwar ein Ende gesetzt, personale Herrschaftsverhältnisse jedoch auf die Privatsphäre verlagert. Außerdem spiegelt Webers Gegenüberstellung von Rationalität und Emotionalität die Dichotomie zwischen Privatem und Öffentlichem. Denn der Staat als rationaler Betrieb imaginiert interesselose Staatsbeamte und scheinbar geschlechtslose abstrakte Individuen. Der männliche Beamte, so Sauer, organisiert die Verwaltung, seine Frau den privaten Haushalt. Weber grenzt Politik als Beruf metaphorisch von bestimmten Weiblichkeitsbildern ab. Hier Kampf, Streben nach Macht, Unabhängigkeit, Mut, Stärke, Charisma und Führungsfähigkeit, um sich eine (männliche) Gefolgschaft zu sichern. Dort die kluge Ehefrau, die allenfalls ihren Mann lenkt, die Gemüsefrau und die Würdelosigkeit alter Weiber (Löffler 2008). In ihrer Theorie vom Staat als Männerbund dekonstruiert Eva Kreisky (1992, 2000) das der Dichotomie von Öffentlichkeit und Privatheit eingeschriebene Konzept des autonomen Subjekts. Der Männerbund als exklusiv männliche Vergemeinschaftung imaginiert eine homosoziale Genealogie, quasi »die Geburt des Mannes aus dem Geist des Mannes« (Kreisky 2000: 161). Die Fiktion des autonomen Subjekts wird dadurch zwar aufrechterhalten, zugleich aber durch die Gemeinschaft eines charismatischen politischen Führers mit seiner ihm ergebenen Gefolgschaft infrage gestellt (ebd.: 171f), indem »das Wunschbild initiativer und selbständiger Männlichkeit in das Zerrbild einer abhängigen und inferioren Untertanenschaft transformiert« wird (ebd.: 148f FN 3). Preis der Teilhabe an politischer Macht ist die Unterwerfung unter den politischen Führer. Dieses Paradox kann nicht aufgelöst werden (Scholz 2007c: 105).

2.2.4 Zusammenfassung Webers Ideal ist das eines rationalen, sachlich kompetenten, charismatischen sowie wirtschaftlich und reproduktiv unabhängigen Politikers. Politik gilt ihm unabhängig vom Inhalt als legitime Gewaltsamkeit und Kampf. Diese Charakteristika werden heute durch Anforderungen ergänzt, die sich aus einer differenzierteren Gesellschaft und aus der Medialisierung von Politik ergeben. Die Vorstellung in Webers Tradition beruht auf der dichotomen Gegenüberstellung von politischer Öffentlichkeit und Privatsphäre. Hier setzt feministische Kritik an. Denn mit dieser Dichotomie geht die Verlagerung personaler Gewaltverhältnisse auf die Privatsphäre einher. Auch die Gegenüberstellung von Ratio und Emotion verweist auf diese Trennung. In der Konsequenz wird Geschlecht ausschließlich in der Privatsphäre verortet. Feministische Kritik dekonstruiert also das dieser Dichotomie entspringende autonome Subjekt als Fiktion, die sich am Verhältnis zwischen dem charismatischen politischen Führer und seiner Gefolgschaft bricht. Obwohl dieser Widerspruch nicht aufzulösen ist, bleibt die Weber’sche Tradition in der institutionellen Politik wirkmächtig, wie die Diskurse über die Positionierung von Frauen in diesem Feld zeigen.

23

24

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

2.3 D IE P OSITIONIERUNG

VON

F RAUEN

IM POLITISCHEN

F ELD

Dank der Quotenregelungen sind seit den 1990er Jahren immer mehr Frauen in die Parlamente im Bund, den Ländern und Kommunen eingezogen. Auch in den Regierungen bestimmen sie längst über die eine Alibi-Ministerin für Familie, Gesundheit oder Bildung hinaus mit. Damit wuchs auch das wissenschaftliche Interesse an diesen Exotinnen der Macht: Wie agieren Politikerinnen in einem Feld, »bei dessen Entwicklung sie nicht vorgesehen, ja systematisch ausgegliedert waren, und durch das sie über Jahrtausende hin auf die Zuständigkeit für außerhalb des Systems zu erledigende reproduktive Zuarbeit ausgerichtet wurden?« (Schaeffer-Hegel 1998a: 12). Welchen persönlichen Hintergrund haben sie und wie werden sie rekrutiert? Wie gehen sie mit den Anforderungen um, die an Politiker_innen gestellt werden? Und welches Politik- und Machtverständnis haben sie? Die meisten Studien über Frauen im politischen Feld wurden in den 1990er Jahren realisiert. Eine Erhebung unter allen weiblichen Bundestags- und Landtagsabgeordneten zur Professionalisierung ihrer Arbeit realisierten Helga Foster et al. (1998). Birgit Meyer (1997) und Bärbel Schöler-Macher (1994) stellten qualitative Studien über Politikerinnen an. Virginia Penrose (1993) untersuchte das Politikverständnis von Politikerinnen in Ost- und Westdeutschland. Barbara Schaeffer-Hegel et al. (SchaefferHegel 1998b) evaluierte den Berliner Frauensenat4. Spätere qualitative Arbeiten befassen sich mit der Politik als Frauenberuf (Bernhardt 2000)5, mit Wandel durch die verstärkte Partizipation von Frauen (Richter 2007), mit Frauen in der CSU (Kürschner 2009) sowie mit einzelnen Politikerinnen (Munimus 2010).6 Erstaunlich ist, dass die Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin zwar eine ganze Reihe von kommunikationswissenschaftlichen Studien angeregt hat (Kap. 2.4.7), kritische politikwissenschaftliche Arbeiten jedoch kaum.7 Zwar haben Beate Neuss und Hildigund Neubert (2013) eine Sammlung biografischer Interviews von 58 CDU-Politikerinnen 4 | 1989/1990 regierte in Berlin ein rot-grüner Senat unter Walter Momper (SPD), in dem alle Senator_innen der Grünen und die Hälfte der SPD Frauen waren. 5 | Maike Bernhardt kommt in einem Vergleich von fünf SPD-Landtagsabgeordneten zu dem Ergebnis, dass deren Karriereverläufe sich nicht wesentlich von denen männlicher Abgeordneter unterscheiden. Allerdings blendet sie den Androzentrismus des politischen Feldes systematisch aus. Der Befund, dass vor allem Frauen in der Politik Karriere machen, die sich männlichen Mustern anpassen, reifiziert damit den Ausschluss von Frauen aus der Politik. 6 | Forschung über Kommunalpolitikerinnen wird wegen der Ehrenamtlichkeit dieses Feldes hier nicht einbezogen (Holtkamp et al. 2009; Kletzing/Lukoschat 2010). 7 | Hier zeigt sich eine Forschungslücke, die mit dem »Paradox der maskulinistischen Geschlechtsblindheit« des politikwissenschaftlichen Mainstreams (Sauer 2001: 15) unzureichend zu begründen ist. Vielmehr gibt es neben den geschlechtsblinden Flecken der Politikwissenschaft auch staatsblinde Flecken der politikwissenschaftlichen Geschlechterforschung (ebd.: 24).

Forschungsdiskurse

unterschiedlicher Generationen herausgegeben. Auf eine analytische Perspektive wird jedoch trotz eines Leitfragebogens weitgehend verzichtet. Eine Untersuchung von Einflussfaktoren für Merkels Aufstieg legte hingegen die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Sarah Wiliarty (2010) vor. Sie erklärt Merkels Erfolg mit spezifischen Interessenkonstellationen innerhalb der CDU. Diese sei eine corporatist catch-all party, in der ideologisch vielfältige Interessengruppen um Einfluss auf die wichtigen Entscheidungsgremien ringen. Merkel sei es gelungen, die Frauen, Protestant_innen und Ostdeutschen innerhalb der CDU auf ihre Seite zu bringen. Viele Studien nehmen Bezug auf Beate Hoeckers magisches Dreieck (Hoecker/Fuchs 1998, 2004). Demzufolge hängt die Partizipation von Frauen in der institutionellen Politik von sozioökonomischen (Bildung, Erwerbstätigkeit, Einkommen und Zivilstand), institutionellen (Regierungs-, Partei-, Wahlsystem, Karrieremuster, Rekrutierungs- und Nominationspraktiken) sowie politisch-kulturellen Faktoren (Werte, Einstellungen, Normen über Politik, politisches Verhalten, Mediendarstellung und Gender-Ideologie) ab. Auch die Effekte der Quotenregelungen werden beobachtet. In einer vergleichenden Untersuchung der Frauenorganisationen von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken arbeitet Cathleen Kiefert (2011: 323) ein »Stellvertreterinnensyndrom« heraus. In den meisten dieser Parteien müssten die Gremien quotiert werden. Jedoch gelangten Frauen in der Regel nur in die Position der Stellvertreterin oder Beisitzerin. Anhand der Forschungsdiskurse wird zunächst nach dem Weg von Frauen in die Politik gefragt (Kap. 2.3.1). Sodann werden die Weber’schen Ideale wirtschaftliche Unabhängigkeit und Abkömmlichkeit diskutiert (Kap. 2.3.2) und der Umgang mit den als androzentrisch herausgearbeiteten Anforderungen nachgezeichnet (Kap. 2.3.3). Anschließend wird nach dem Politik- und Machtverständnis der Politikerinnen gefragt (Kap. 2.3.4). In der Zusammenfassung (Kap. 2.3.5) werden alle Aspekte zueinander in Bezug gesetzt.

2.3.1 Politisierung und Rekrutierung Warum entscheiden sich Frauen für eine politische Laufbahn? Was motiviert sie zum politischen Engagement und wie sind sie in ihre Positionen gekommen? Beim persönlichen Lebensweg und bei bisherigen Erfahrungen im politischen und sozialen Engagement geht es nicht nur um den sozioökonomischen Hintergrund der Politikerinnen. Wie zu zeigen sein wird, ziehen Medien den persönlichen Werdegang auch als Referenz für politische Kompetenz, Integrität und Glaubwürdigkeit heran. In allen Studien spielt das soziale Kapital des Elternhauses für die Entwicklung der Politikerinnen eine große Rolle. Der Vater sei stärker prägend gewesen als die Mutter. Über geschlechtsspezifische Zurücksetzungen wurde nicht berichtet (Bergmann 1998: 23-31; Foster 1998a: 275; Kürschner 2009: 120). Die meisten Senatorinnen des Berliner Frauensenats hatten kein ausgeprägt politisch oder sozial engagiertes Elternhaus und stammten überwiegend aus dem Bildungsbürgertum (Schaeffer-Hegel et al. 1998: 96f).

25

26

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Daneben orientierten sich viele Politikerinnen an Frauen aus dem persönlichen Umfeld (Bergmann 1998: 44-46) oder an bekannten weiblichen Persönlichkeiten (Schaeffer-Hegel et al. 1998: 99). Ein Drittel der Parlamentarierinnen wurde am Anfang ihrer Karriere überhaupt nicht von bestimmten Personen (Foster 1998a: 278) oder von ihren Parteien (Weber 1998a: 64-66, Kürschner 2009: 135f) besonders gefördert. Das frühe eigene soziale und politische Engagement (Schaeffer-Hegel et al. 1998: 97) sowie die Prägung durch soziale Bewegungen und den damit verbundenen Konflikt mit den Eltern sind vielen Politikerinnen der 1970er bis 1990er Jahre gemeinsam. Daneben gab es prägende persönliche Erlebnisse, die Penrose (1993: 68) »motivierende Konfliktsituationen« nennt. Isabelle Kürschner (2009: 135) bemängelt die fehlende Forschung über Parteien als politische Sozialisationsinstanz.8 Dennoch gibt es einige übereinstimmende Befunde. Viele Politikerinnen sind vergleichsweise früh in ihre Partei oder deren Jugendorganisation eingetreten und haben ihr auch nach schlechten Erfahrungen die Treue gehalten. Die meisten schlugen den traditionellen Karriereweg (Ochsentour9) über ein kommunalpolitisches Ehrenamt ein, bevor sie ein hauptberufliches Mandat übernahmen. Nur wenige Politikerinnen sind Quereinsteigerinnen (Bergmann 1998: 48; Kürschner 2009: 125-127). Der Grund für den Parteieintritt war häufig die Erwartung erweiterter Handlungsmöglichkeiten, häufig mit direktem Bezug zu einem bereits praktizierten Engagement (Bergmann 1998: 52f; Kürschner 2009: 127f). Die meisten hatten anfangs keine politische Karriere beabsichtigt. Die ersten Schritte auf der Karriereleiter wurden als mehr oder minder glückliche Zufälle begriffen (Weber 1998a: 64f). Einige Jüngere entschieden sich hingegen bewusst für eine politische Laufbahn. Andere entwickelten im Laufe der Karriere zunehmend Ehrgeiz (Kürschner 2009: 131f; Penrose 1993: 68). Meyer resümiert: »Die von uns befragten Politikerinnen [...] haben überwiegend ganz ›unweibliche‹ Motive des politischen wie persönlichen Erfolgs oder der Karriere im Auge und wollen nicht primär in Dienst genommen werden. Bei den meisten besteht ein starkes Interesse an sozialen Fragen auf gesellschaftspolitischer Ebene, gemischt mit einer Portion Mut, Risikofreude, großes Selbstbewußtsein und dem Willen, politische Verantwortung zu übernehmen.« (M EYER 1997: 337 F )

Meyer kontrastiert das mit Politikerinnen in der Nachkriegszeit, die diese Eigenschaften als unschicklich kennengelernt und internalisiert hätten. Doch wie zu zeigen sein wird, dienen Charakteristika wie Ehrgeiz oder Durchsetzungsvermögen zumindest in den medialen Bildern noch heute der Abwertung von Politikerinnen. 8 | Einen Ländervergleich der parlamentarischen Rekrutierung und deren Vergeschlechtlichung stellt Norris (2000) an. 9 | Als Ochsentour wird der mühselige Weg vom sprichwörtlichen ›Plakate kleben‹ über kommunale Mandate und Parteiämter bis in die Berufspolitik bezeichnet.

Forschungsdiskurse

2.3.2 Wirtschaftliche Unabhängigkeit und Abkömmlichkeit10 Berufspolitikerinnen haben berufsorientierte Lebensentwürfe, einen höheren Bildungsstand als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung und übernehmen erst nach einer Zeit der Berufstätigkeit hauptamtliche politische Mandate (Foster 1998a; Schaeffer-Hegel et al. 1998: 96-101; Kürschner 2009: 117f). Unterschiedliche Befunde gibt es zur Berufswahl. Foster erklärt die vielen Lehrerinnen unter den Abgeordneten in Bund und Ländern mit der erleichterten Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Schule. Hingegen hebt Kürschner hervor, dass die meisten der von ihr befragten 15 CSU-Politikerinnen nicht nur studiert, sondern auch in für Frauen untypischen Berufen gearbeitet hätten. Dies bestätigt einen Befund von Meyer (1997: 327) aus den 1970er und 80er Jahren. Eine Berufsperspektive außerhalb der Politik soll die materielle Unabhängigkeit vom Mandat und der Wiederwahl garantieren (s.S. 21). Der Lebensunterhalt von Abgeordneten in Bund und Ländern wird durch Diäten gesichert.11 Angesichts dessen spielt wirtschaftliche Abkömmlichkeit, auf die Weber abhob, heute eine geringe Rolle. Es bleibt jedoch die Notwendigkeit, frei zu sein von der Sorge für Kinder und pflegebedürftige Angehörige. Dieses Problem lösen viele Politikerinnen entweder nach dem sogenannten Phasenmodell, indem sie erst dann in die Berufspolitik einsteigen, wenn die Kinder ›aus dem Gröbsten raus‹ sind, oder sie bleiben kinderlos (Meyer 1997: 328f; Sulimma 2014: 34; Hoecker 2008). Doch während Berufspolitiker auch in diesem Fall eine Partnerin in Dienst nehmen können, müssen Berufspolitikerinnen auf Unterstützung im Alltag meist verzichten. So lebten nur zwei der acht Senatorinnen im Berliner Frauensenat 1989/90 mit Partner_in in Berlin, während andere eine Fernbeziehung pflegten (Schaeffer-Hegel et al. 1998: 96).

2.3.3 Umgang mit Anforderungen in der Berufspolitik Wie gehen Politikerinnen mit Anforderungen in ihrem männlich kodierten Feld um? Die Art und Weise, wie sie Anforderungen, Eigenschaften und Zuschreibungen übernehmen, infrage stellen, verändern oder zurückweisen, gibt Auskunft über den Umgang mit dem Double Bind (Jamieson 1995), in den Frauen hineinmanövriert werden. »A double bind is a rhetorical construct that posits two and only two alternatives, one or both penalizing the person being offered them. In the history of humans, such choices have been constructed to deny women access to power and, where indivi10 | Von Politiker_innen wird auch heute noch erwartet, dass sie ›abkömmlich‹ sind. Dabei geht es auch um die Freiheit von reproduktiven Pflichten. Deswegen spreche ich im Folgenden nicht von der Vereinbarkeit von Politik und Familie. 11 | Diese Hauptamtlichkeit interpretiert Elke Wiechmann (2006: 139 FN 100) als Grund dafür, dass der Frauenanteil im Bundestag und in den Landtagen höher liegt als in vielen Kommunalparlamenten.

27

28

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

duals manage to slip past their constraints, to undermine their exercise of whatever power they achieve. The strategy defines something ›fundamental‹ to women as incompatible with something the woman seeks – be it education, the ballot, or access to the workplace.« ( EBD.: 13 F )

Jamieson identifizierte fünf stereotype Double Binds in der Geschichte: » • Women can exercise their wombs or their brains, but not both. • Women who speak out are immodest and will be shamed, while women who are silent will be ignored or dismissed. • Women are subordinate whether they claim to be different from men or the same. • Women who are considered feminine will be judged incompetent, and women who are competent, unfeminine. • As men age, they gain wisdom and power; as women age, they wrinkle and become superfluous.« ( EBD.: 16)

Angesichts dieser Double Binds hätten Frauen entweder die Wahl, keine Wahl zu haben, unterlägen einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, gerieten in eine »nowin-situation«, seien mit nicht zu erfüllenden Erwartungen konfrontiert oder erlebten einen doppelten Standard, wenn etwa ihre Machtausübung oder ihre Sexualität anders bewertet werde als die von Männern (ebd.: 17f). Sauer konstatiert: »Frauen im öffentlich-politischen Bereich sind also gezwungen, ihre Körperlichkeit und ihre Geschlechtlichkeit in ihrem Verhalten mitzureflektieren. Männer hingegen nehmen sich als geschlechtslos war, sie sind das Geschlecht, das sich in der Politik nicht zu begründen braucht.« (S AUER 1994: 116)

Praktisch heißt das, dass die fachliche Kompetenz der Politikerinnen infrage gestellt wird. Sie stehen permanent unter dem Druck, Kompetenz beweisen zu müssen. Wenn ihnen das aber gelingt, wird ihre »Weiblichkeit« in Zweifel gezogen. »Die im kulturellen Symbolsystem verankerte und nach wie vor wirkungsmächtige Amalgamierung von Herrschaftspositionen mit ›Männlichkeit‹ führt gerade in einem so männlich codierten Bereich wie der Politik dazu, daß der Zweifel an der ›Weiblichkeit‹ von Führungsfrauen entweder latent immer vorhanden ist oder zumindest immer dann aktualisiert werden kann, wenn es opportun erscheint.« (L UKOSCHAT 1998 A : 129)

Politikerinnen müssen männlich definierte und kodierte Strategien und Verhaltensweisen übernehmen, um politisch Erfolg zu haben (ebd.: 124-131). Anforderungen und Kompetenzen werden zwischen – mit dem Vater identifizierten – Eigenschaften in der Weber’schen Tradition (Meyer 1997: 334-339), weiblich kodierten Fähigkeiten

Forschungsdiskurse

und Stärken wie kommunikative Kompetenz und Empathie (Lukoschat 1998a: 159) sowie Strategien zur Bewältigung der Außenseiterposition (Bergmann 1998: 50-52) verhandelt. Bei den CSU-Spitzenpolitikerinnen konstatiert Kürschner (2009: 195f, 208f) die unhinterfragte Bereitschaft, sich mit dem Vorgefundenen zu arrangieren, auch wenn sie die Strukturen in ihrer Partei für wenig frauenfreundlich halten. Lösungsstrategien werden allenfalls individuell entwickelt.

2.3.4 Politik- und Machtverständnis Für Weber ist Politik unabhängig von jedem Inhalt der Kampf um Macht (Weber 2010: 8). Aus seinem Politikbegriff ist alles Lebenspraktische ausgeklammert, ja verpönt (s.S. 21). Auch heute noch prägt die Dichotomie von Öffentlichkeit und Privatheit die gängigen Begriffe von Politik. Mit dem Slogan ›Das Private ist politisch‹ grenzte sich die neue Frauenbewegung von diesem Politikbegriff ab und erweiterte ihn um private Macht- und Gewaltverhältnisse. Gleichwohl hielt sich über Jahrzehnte das »wissenschaftliche Stereotyp« (Sauer 2001: 210) der unpolitischen Frau. Als Beleg diente deren geringere Wahlbeteiligung und Mitgliedschaft in politischen Parteien (Sauer/Wöhl 2012: 4f; Hoecker 2008). Waltraud Cornelißen (1993: 323) interpretiert dieses Desinteresse hingegen als politischen Akt, da Parteien Frauen weniger zu bieten hätten als Männern (vgl. auch Sauer 2001: 173f, 212-215). Frauen engagieren sich in anderen Arenen als den institutionellen Schauplätzen der Politik, in Bewegungen und Initiativen. Meyer (1997: 35-38) spricht von einem »weiblichen« Politikverständnis, das sie einem »männlichen« Verständnis gegenüberstellt. Mit Dichotomien wie egalitäre versus hierarchische Orientierung, Personenbezogenheit versus Sachbezogenheit, Alltagswissen versus Expertenwissen, Betroffenheit versus Abstraktheit oder Kompetenzorientierung versus Karriereplanung reifiziert und modernisiert Meyer damit allerdings die von Hausen (1976) beschriebenen Geschlechtscharaktere. Gaby Brüssow (1996: 171f) konstatiert zwar, dieses andere Politikverständnis müsse weiter untersucht werden. In einem Vergleich der Frauenorganisationen von SPD und Grünen, in dem sie die in der neuen Frauenbewegung kontrovers diskutierten Leitbilder Gleichheit und Differenz näher beleuchtet, plädiert sie jedoch dafür, dies nicht als den Frauen »wesensgemäß« zu betrachten, sondern als Ausdruck einer geschlechtsspezifischen Interessenpolitik. Einige empirische Arbeiten dokumentieren Essenzialisierungen und Reifizierungen auch bei arrivierten Politikerinnen, die ihr Politik- und Machtverständnis aus der Erfahrung der »Fremdheit« (Schöler-Macher 1994) definieren, vom männlichen Mainstream abgrenzen und sich als ›die Andere‹ im Politikbetrieb fühlen. »Sie bezeichneten die in der Politik übliche Form, sich gegenüber den Medien zu präsentieren, als Symptom männlicher Geltungssucht und kritisierten die Substanzlosigkeit der meisten öffentlichen Statements ihrer männlichen Kollegen. Sie erklärten, dass sie den bürokratischen und hierarchischen Führungsstil ihrer Kollegen persönlich

29

30

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

ablehnen. Sie beschrieben uns, dass ihnen die von Konkurrenz geprägten Umgangsformen im politischen Alltag zuwider sind.« (W EBER 1998 A : 114 F )

Unterschiede im Machtverständnis werden zwischen dem ›männlichen‹ Weber’schen Begriff (s.S. 20f) und dem weniger hierarchischen ›weiblichen‹ Verständnis von Macht als Wissen und Möglichkeit, Themen zu setzen, gesehen. Männliche Seilschaften in Fraktion oder Partei werden abgelehnt, als notwendiges Übel genutzt oder mit weiblichen Netzwerken bekämpft (Penrose 1993: 162-190). Politikerinnen formulieren ein positives Machtverständnis, das mit inhaltlichen Zielen verbunden und nicht dem (inhaltsleeren, männlich kodierten12) Austragen von Machtkämpfen dient (Lukoschat 1998a: 155-159; Kürschner 2009: 214f). Ministerinnen und Staatssekretärinnen stellen »die Macht des Amtes« und die dafür notwendigen Führungskompetenzen heraus (Lukoschat 1998a: 161). Allerdings bekommen auch Politikerinnen in Führungspositionen den Double Bind deutlich zu spüren. Ein autoritärer Führungsstil wird ihnen als ›zu männlich‹ übel genommen, mit einem kooperativen Stil ist der Verlust von Autorität und Anerkennung verbunden. So brachten die Mitarbeiter_innen der Senatorinnen des Berliner Frauensenats zwar das verbesserte Arbeitsklima mit weiblich kodierten Eigenschaften ›ihrer‹ Senatorin in Verbindung: lockerer, sanfter, freundlicher, kooperativer, weniger hierarchisch, sachlicher. Sie vermissten allerdings schnelle und resolute Entscheidungen. »Die Vorstellungen über den erfolgreichen, den eigentlichen, den Vollblut-Politiker waren [...] noch ganz und gar vom Bild eines Mannes beherrscht, sowohl was das Geschlecht, vor allem aber was typisch geschlechtsstereotype Verhaltensweisen anbelangt.« (Schaeffer-Hegel et al. 1998: 107) Aus diesem Grund enthielten die Mitarbeiter_innen letztendlich »ihren in so vieler Hinsicht geschätzten Senatorinnen das Prädikat des Voll-Politikers« im Sinne männlichen Dominanzverhaltens und autoritärem Durchsetzungsgebaren vor (ebd.). Auch frauenbewegte Alternativen zum herrschenden Politikbetrieb, vor allem im Berliner Frauensenat erprobt, blieben in ihrer Wirkung begrenzt. Das Hexenfrühstück der acht Senatorinnen vor der wöchentlichen Senatssitzung sollte ein Gegengewicht zu Männerseilschaften bilden, informelle Absprachen ermöglichen und einen stressfreien Denkraum eröffnen. Die Senatorinnen fanden jedoch keine politisch-inhaltliche Solidarität. In zugespitzten Situationen war die Loyalität gegenüber der eigenen Partei größer als gegenüber dem frauenpolitischen Netzwerk (Weber 1998b). Andere Experimente scheiterten an unvereinbaren Ansprüchen und den Zwängen institutioneller Politik, wie der Rat der Frauen. Von diesem Gremium hatte sich Frauensenatorin Anne Klein (GAL) Politikberatung im Spannungsfeld zwischen institutioneller und autonomer Frauenpolitik erhofft (Lukoschat 1998c: 208-217). 12 | Von männlicher oder weiblicher Kodierung spreche ich, wenn in bestimmte Attributionen eine vergeschlechtlichter Charakter eingewoben ist, etwa Verzicht, der als ›weiblich‹ gilt, und Aggressivität, die besonders ›männlich‹ sein soll.

Forschungsdiskurse

2.3.5 Zusammenfassung Festzuhalten bleibt zunächst eine zeitliche Forschungslücke. Seit den Studien von Penrose (1993), Schöler-Macher (1994), Meyer (1997), Foster et al. (1998) und Schaeffer-Hegel (1998b) hat es wenig Forschung zur Positionierung von Frauen im politischen Feld gegeben. In der vorliegenden Arbeit können mediale Repräsentationen der SPD-Spitzenkandidatinnen daher nur bis etwa zum Jahr 2000 mit Forschungen über die politische Praxis kontextualisiert werden. Für Kandidaturen in jüngerer Zeit muss die Aussagekraft dieser Forschungen hingegen relativiert werden. Dies betrifft insbesondere die beklagte Fremdheit der Frauen im politischen Feld, den Double Bind und die bürgerliche Herkunft. Mit diesen Einschränkungen lassen sich einige Aussagen über die Positionierung von Politikerinnen im Feld institutioneller Politik treffen. Die bis Ende der 1990er Jahre befragten Politikerinnen haben einige Zeit im Beruf gearbeitet, bevor sie ein hauptamtliches politisches Mandat übernahmen. Ihre Abkömmlichkeit in der Familie stellten sie durch Kinderlosigkeit oder durch ein Phasenmodell sicher. In ihren Herkunftsfamilien, meist aus dem Bildungsbürgertum, wurden sie gefördert. Die Politikerinnen wurden überwiegend in den sozialen Bewegungen der 1968er bis 1980er Jahre sozialisiert. Viele traten ihrer Partei oder deren Jugendorganisation in jungen Jahren bei und beschritten die traditionelle Ochsentour bis zu ihrem aktuellen Amt. Von ihrer Partei wurden sie jedoch kaum unterstützt. Die meisten betonten, keine politische Karriere geplant zu haben, und sprachen von »Glück« oder »Zufall«. Quereinsteigerinnen waren selten. Die Wahrnehmung der Anforderungen in der institutionellen Politik war vom Double Bind zwischen Erwartungen im politischen Feld und an Weiblichkeit geprägt. Hinterzimmertüren waren den Politikerinnen qua Geschlecht verschlossen. Aus dieser Minderheitenposition und in Abgrenzung zum männlichen Mainstream entwickelten Politikerinnen ihr Politik- und Machtverständnis. Der essenzialisierende Kontrast zwischen einem ›männlichen‹ und einem ›weiblichen‹ Verständnis wurde in der Forschung der 1990er Jahre reifiziert, u.a. durch den Bezug zu einem »weiblichen Sozialcharakter« (Lukoschat 1998a: 159). Das ›weibliche‹ Politikverständnis galt als weniger hierarchisch, empathischer, kommunikativer, lebenspraktischer und sachorientierter. Der Machtbegriff war an gesellschaftliche Verantwortung gebunden. Macht ›um ihrer selbst willen‹ wurde abgelehnt.

2.4 M EDIENBILDER

VON

P OLITIKERINNEN

Neben Anforderungen an Menschen in der Berufspolitik und der Positionierung von Frauen im politischen Feld ist das Bild von Politikerinnen in den Medien der dritte empirische Bezugspunkt für die Fragestellung dieser Arbeit. Die medialen Repräsentationen der SPD-Spitzenkandidatinnen werden über den langen Zeitraum von 1994 bis 2012 analysiert. Relevant sind daher nicht nur einzelne Ergebnisse, sondern vor

31

32

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

allem deren Entwicklung seit Beginn der 1990er Jahre. Dies soll nun als widersprüchlicher Modernisierungsprozess dargestellt werden. Die kommunikationswissenschaftliche Forschung hierzulande seit Mitte der 1970er Jahre konzentrierte sich zunächst auf das Frauenbild der Medien allgemein. Quantitative Unterrepräsentanz und stereotype Darstellung als Befunde ziehen sich durch sämtliche Analysen. Umbrüche und Modernisierungen finden sich kaum (Weiderer 1995: 308, 311; Wolf 2008: 76). »Männer handeln – Frauen kommen vor«, diese prägnante Zusammenfassung der Küchenhoff-Studie (1975: 242) Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen wurde dafür zum geflügelten Wort. Anfang der 1990er Jahre wurden sie von Monika Weiderer (1995) bestätigt. Zwei Langzeitstudien, die Analysen von Christiane Schmerl und das Global Media Monitoring Project (GMMP)13, dokumentieren das Beharrungsvermögen abwertender Inszenierungen. Schmerl (1989, 2002) analysierte von 1976 bis 1996 in mehreren Wellen die Darstellung von Frauen in Printmedien. In Anlehnung an Gaye Tuchman (1980) beschreibt sie die Annihilierung, Trivialisierung und Sexualisierung von Frauen in den Medien. So lassen der männliche Sprachgebrauch, die geschlechtsneutrale Darstellung von Problemen und Phänomenen, die hauptsächlich Frauen betreffen, und die Dethematisierung wichtiger Aspekte im Leben von Frauen (z.B. Erwerbsleben oder soziale Fragen) deren soziale Realität aus der Berichterstattung geradezu verschwinden. Die Beschreibung weiblicher Schwächen, der Kleidung und des Äußeren wirkt trivialisierend. Medial inszenierte weibliche Emotionen signalisieren Hilflosigkeit oder Ohnmacht (Schmerl 1989: 40-51). Unter den Themenbereichen, mit denen Frauen in den Medien kontextualisiert werden, steht Politik nach Kultur und Unterhaltung, Prominenz und Klatsch sowie Kriminalität erst an vierter Stelle, bei Männern hingegen an erster Stelle (Schmerl 2002: 400). Das GMMP schreibt Schmerls Ergebnisse zum thematischen Gender-Bias in die Gegenwart fort und quantifiziert die Entwicklung: Der Frauenanteil in Nachrichten ist von 1995 bis 2010 international von 17 auf 24 Prozent gestiegen, in Deutschland von 15 auf 23 Prozent. Merkels Kanzlerinnenschaft hatte diesen Anteil von 2000 bis 2005 zwar von zwölf auf 22 Prozent hochschnellen lassen, danach war jedoch Schluss mit dem Kanzlerinnenbonus. 2010 stagnierte der Frauenanteil in den Nachrichten mit 23 Prozent (Hesse et al. 2006, 2010; WACC 2010). Seit der Jahrhundertwende wird verstärkt die Mediendarstellung von Politikerinnen analysiert. Petra Pfannes (2004) untersuchte in einem quantitativen Design die Darstellung der Bundesministerinnen von 1998 bis 2002 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung. Sieben Spitzenpolitikerinnen wählte Charlotte Gnändiger (2007) für eine weitere quantitative Analyse von Printmedien aus. Christina Holtz-Bacha (2006, 2008b, 2010, 2015; Holtz-Bacha/König-Reiling 13 | Das Global Media Monitoring Project (GMMP) analysiert seit der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking alle fünf Jahre an einem Stichtag die Präsenz von Frauen in den Nachrichten in Printmedien, Fernsehen und Hörfunk.

Forschungsdiskurse

2007) erforscht regelmäßig die Bundestagswahlkämpfe im Spiegel der Massenmedien auch unter Gender-Aspekten. Das Projekt Spitzenfrauen im Fokus der Medien (Lünenborg/Röser 2012b) gibt einen Überblick über mediale Konstruktionen von Geschlecht und dessen Verhältnis zu Macht in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Das Projektdesign kombiniert quantitative und qualitative Text- und Bildanalysen sowie Produktions- und Rezeptionsanalysen von April bis September 2008. Maria Sulimma (2014) nimmt die Darstellung der Ministerpräsidentinnen in Printmedien in den Blick. Daneben wird im Folgenden auf einige kleine Arbeiten Bezug genommen. Die quantitative Unterrepräsentanz und stereotype Darstellung zeigte sich auch in diesen Studien. Doch in widersprüchlicher Spannung dazu zeichnet sich mittlerweile ein Wandel ab. Die offene Abwertung macht zunehmend einer Darstellung Platz, die zweigeschlechtliche Differenz statt klarer Hierarchien repräsentiert (Grittmann/Maier 2014: 164; Klaus/Lünenborg 2013: 81). Die Geschlechterhierarchie wird damit von der expliziten zur impliziten Botschaft. Diese Entwicklung lässt sich anhand mehrerer Generationen von Politikerinnen nachzeichnen. Von der als mütterlich inszenierten Nachkriegsgeneration über die Stereotypisierung als Ausnahme- und Powerfrauen sowie die Inszenierungen der ›Quotenfrauen‹ zwischen Anerkennung und Spott bis zu anerkennenden Darstellungen Merkels als Bundeskanzlerin (Robinson/Saint-Jean 1991; Jürschik 1998 zit. nach Holtz-Bacha 2008a: 16f; Meyer 2009). Die Entwicklung der medialen Repräsentationen von Politikerinnen wird im Folgenden unter mehreren Gesichtspunkten nachgezeichnet. Zunächst wird die quantitative Repräsentanz beleuchtet (Kap. 2.4.1). Es folgen Aspekte geschlechtlicher Markierung (Kap. 2.4.2). Betrachtet wird sodann die Bedeutung vergeschlechtlichter Attribuierungen und Adressierungen für die Inszenierung der Politikerinnen als handlungsmächtige Persönlichkeiten (Kap. 2.4.3). Danach wird der vergeschlechtlichte Charakter von Skandalisierungen (Kap. 2.4.4) herausgearbeitet. Schließlich werden die geschlechtsdifferente Konstruktion des Körpers (Kap. 2.4.5) und des Privaten (Kap. 2.4.6) erläutert. Dem Medienbild von Kanzlerin Merkel ist ein eigener Abschnitt gewidmet (Kap. 2.4.7). Immerhin könnte mit der Wahl der ersten Frau in diese Position ein Modernisierungsschub bei medialen Repräsentationen von Politikerinnen einhergehen (Kap. 2.4.8).

2.4.1 Umfang der Berichterstattung: Unterrepräsentanz Vermehrt werden die Medienbilder von Politikerinnen in Deutschland seit den 1990er Jahren analysiert. An der quantitativen Unterrepräsentanz hat sich seither wenig geändert. Die Präsenz der Politikerinnen in den Medien entspricht nicht ihrem (zu geringen) Anteil an der institutionellen Politik (Mersmann 1998: 227-231; Hardmeier/Klöti 2004: 15; Pfannes 2004: 54; Niemi 2012). Das gilt auch für direkte Konkurrenz, wie etwa bei der Kandidatur von Gesine Schwan und Horst Köhler um das Amt der Bundespräsident_in (Drinkmann/Caballero 2007: 172-174). Über Politikerinnen wird seltener zentral (große Artikel auf der Titelseite oder

33

34

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Seitenaufmacher) und häufiger randständig berichtet (kurze Texte in Randspalten) (Mersmann 1998: 232-234). Sie werden seltener außerhalb ihres Fachgebiets zitiert (Pfannes 2004: 69). In den meisten Politikfeldern kommen Männer häufiger zu Wort, als es ihrem jeweiligen Anteil entspricht. Anders ist das, dem Gender-Bias der Ressorts folgend (s.S. 35 FN 15), nur bei Gleichstellung und Geschlechterfragen bzw. Wissenschaft, Bildung und Kultur (Hardmeier/Klöti 2004: 17f). In der Forschung werden zwei Umstände genannt, welche die Präsenz von Politikerinnen in den Medien erhöhen, nämlich Skandale (Mersmann 1998: 235-237) (Kap. 2.4.4) und die Spitzenkandidatur einer Frau (Hardmeier/Klöti 2004: 16; Hesse et al. 2006; Bauer 2008). Jutta Röser und Kathrin Friederike Müller (2012) bestätigen zwar den sich vergrößernden Umfang der Berichterstattung, der im GMMP erkennbar ist. An der Marginalisierung von Frauen in den Medien ändert das jedoch wenig. In dem Forschungsprojekt Spitzenfrauen im Fokus der Medien hatten Politikerinnen einen Anteil von rund 20 Prozent, der bei Spitzenpolitikerinnen14 auf 30 Prozent stieg. Dieser vergleichsweise hohe Anteil erwies sich jedoch als Kanzlerinneneffekt. Auf Amtsinhaberin Merkel entfielen 18 Prozent aller Nennungen von Spitzenpolitiker_innen. Für die weiteren Spitzenfrauen in der Politik blieben zwölf Prozent. Fazit: »Die Kanzlerin ist medial omnipräsent«, andere Politikerinnen profitierten davon jedoch nicht (Röser/Müller 2012: 46-49, 52f) (Kap. 2.4.7). So rangieren auf der Rangliste der Spitzenpolitiker_innen in den Medien alle Bundesministerinnen bis auf eine Ausnahme hinter ihren männlichen Kollegen. Röser und Müller resümieren, von Männern besetzte Ministerien würden wohl für »nachrichtenwürdiger« gehalten (ebd.: 50f). Die Platzierung der wenigen Frauen in einer Rangliste aller im Untersuchungszeitraum erwähnten Politiker_innen betont den Nachrichtenfaktor Konflikt in Wahlkampfzeiten. Nur Hessens SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti (Platz 11, Kap. 6.4) und Gesine Schwan (Platz 24), erneut SPD-Kandidatin für das Amt der Bundespräsident _in, diesmal gegen Horst Köhler als Amtsinhaber (Platz 9) (Beck 2014a: 412), konnten die Phalanx der männlichen Politiker bis Platz 25 durchbrechen (Röser/Müller 2012: 51f).

2.4.2 Die Frau als das Geschlecht Lange Zeit adressierten viele Printmedien nach der ersten vollständigen Nennung des Namens Männer nur mit dem Nachnamen, während bei Frauen die Anredeform ›Frau‹ hinzugefügt wurde. Diese Anrede verweist immer auf das Geschlecht (Sterr 1997: 33-38; Pfannes 2004: 89; Sulimma 2014: 92). Dies markiert Politikerinnen als von der Norm abweichend, »als Eindringlinge in einem Bereich, in dem ihr Geschlecht besonderer Kennzeichnung bedarf« (Gnändiger 2007: 136). Auch wenn diese Praxis 14 | Zu Spitzenpolitiker_innen wurden Mitglieder der Bundesregierung, Vorsitzende und Stellvertreter_innen der Bundestagsparteien, der Bundespräsident und die Kandidatin für dieses Amt gezählt (Röser/Müller 2012: 43).

Forschungsdiskurse

inzwischen überwiegend der Vergangenheit angehört, wird Geschlecht nur bei Politikerinnen angesprochen, während Männer und Männlichkeit »das Undefinierte und Unbenannte« sind. Sie »stellen die Norm bzw. das Normale dar, während Weiblichkeit das andere markiert« (Lünenborg/Maier 2012: 77). Dies lässt sich anhand von Attribuierungen und Adressierungen (Kap. 2.4.3), anhand von Körperkonstruktionen (Kap. 2.4.5) und privaten Kontexten (Kap. 2.4.6) nachzeichnen. Mit der geschlechtlichen Markierung wird bisweilen auch die Zuständigkeit für geschlechterpolitische Themen verknüpft. So wurden Schwans Kandidaturen zum Anlass genommen, Gender-Aspekte in der Politik zu thematisieren, obwohl sie dieses Thema kaum selbst setzte (Drinkmann/Caballero 2007: 182; Beck 2014a: 410-413).15

2.4.3 Attribuierungen und Adressierungen Bei der medialen Zuschreibung von Eigenschaften und Charaktermerkmalen, von Kompetenz und Leistung sowie bei der Inszenierung von Erfolg und Misserfolg zeigt sich die Widersprüchlichkeit von traditionellen Stereotypen einerseits und modernisierten Darstellungen auf Basis der zweigeschlechtlichen Ordnung andererseits. Bis in dieses Jahrhundert hinein gerieten Politikerinnen medial in die Zwickmühle des Double Bind (s.S. 27f). Anspielungen auf Weiblichkeit wurden verknüpft mit Zweifeln an fachlicher Kompetenz, basierend auf einem Geschlechterwissen (Kap. 3.3.1), »das offenbar die Verbindung zwischen weiblichem Geschlecht und Politik als absurd und lächerlich empfindet« (Schaeffer-Hegel/Ude 1998: 262). Der Medientenor pendelte zwischen gönnerhaften und nur scheinbar wohlwollenden Beschreibungen mit Begriffen wie »wacker«, »tapfer«, »werkeln« oder »sich redlich bemühen« einerseits und distanzlosen, kränkenden, ironischen und herablassenden Formulierungen und Untertönen andererseits (Pfannes 2004: 101; Pantti 2007: 45-47). Positive Meldungen und Erfolge wurden nicht der Politikerin zugeschrieben, sondern annihilierend dem Amt (Schaeffer-Hegel/Ude 1998: 243-250). Die Abwertungen betrafen sowohl weiblich kodierte Zuschreibungen als auch solche, die das gerade nicht waren. So bewegten sich emotionale Inszenierungen von Politikerinnen zwischen den negativen Extremen »nah am Wasser gebaut« und »emotionslos«. Politikerinnen, die in der Politik geforderte männlich kodierte Eigenschaften an den Tag legten, wurden als »Mann-Weiber« inszeniert (Gnändiger 2007: 136). Ihnen wurde z.B. Durchsetzungsvermögen, das bei Politikern als »kämpferisch« positiv konnotiert ist, als »aggressiv« und »rücksichtslos« angekreidet (Pantti 2007: 45; Niemi 2012; Beck 2014a: 417f; Sulimma 2014: 115). Auch die Kontextualisierung der Politikerinnen in Abhängigkeit von männlichen 15 | Die Indienstnahme für Geschlechterpolitik knüpft an den Gender-Bias politischer Ressorts an, also die Unterscheidung zwischen ›harten männlichen‹ Themen, wie Finanzen, Justiz, Inneres, Außen- und Sicherheitspolitik, und ›weichen weiblichen‹ Bereichen, wie etwa Familie, Gleichstellung, Soziales, Bildung und Kultur (Pantti 2007: 37-39).

35

36

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Politikern als deren Förderer wertete die Leistung der Politikerin ab und stabilisierte die Geschlechterhierarchie. Die Frau wurde als von einem Mann gemacht inszeniert (Sterr 1997: 112; Gnändiger 2007: 137). Sulimmas Studie über die Mediendarstellung von Ministerpräsidentinnen zufolge wurde die Abhängigkeit von prominenten Amtsvorgängern besonders betont. Weibliche Seilschaften und Netzwerke wurden zwar abgewertet, zugleich aber auch als Alternative zum männlichen Klüngel inszeniert und damit als andersartig konstruiert (Sulimma 2014: 130f). Neben den beschriebenen, jederzeit zu aktualisierenden Abwertungen lassen sich zunehmend – wenn auch widersprüchliche – Modernisierungen medialer Attribuierungen erkennen. Zwar bleibt es bei Vergeschlechtlichungen, zwar werden Chancen und Erfolge von Politikerinnen nach wie vor skeptisch bewertet, jedoch zeigen die Inszenierungen sympathische und handlungsmächtige Politikerinnen, wenn auch nur bezogen auf die Persönlichkeit und nicht auf die Kompetenz. So wurde z.B. Schwan 2004 bei ihrer ersten Kandidatur für das Amt der Bundespräsident_in als erfolgreiche, durchsetzungsfähige, fröhliche Intellektuelle inszeniert. Zugleich bestätigten Attribuierungen wie »fürsorglich« und »harmoniebedürftig« die traditionelle geschlechtliche Arbeitsteilung. Während bei Köhler Inszenierungen als souveräner Staatsmann dominierten und seine Eignung für das Amt ausführlich diskutiert wurde, spielte die Bundespräsidentschaft bei Schwans Charakterisierungen eine untergeordnete Rolle. Die SPD-Kandidatin blieb die Ausnahme von der männlichen Norm mit geringen Erfolgsaussichten, weswegen auch die Eignung für das Amt keine Rolle spielte (Drinkmann/Caballero 2007: 182, 197f; Grittmann/Maier 2014; Beck 2014a: 410-413).16 Die Brüchigkeit modernisierter Medienbilder zeigt sich im Kontrast zwischen Schwans beiden Kandidaturen. 2004 dominierte »die Erzählung von der weltoffenen Professorin, die vom Bundeskanzler quasi ›entdeckt‹ worden war« (Beck 2014a: 413). Die vermutete Erfolglosigkeit der Kandidatur war mit positiven medialen Inszenierungen ›honoriert‹ worden. Fünf Jahre später wurden Schwan persönliche Eitelkeit und Machtbewusstsein vorgeworfen. Ihre Kandidatur gegen den anerkannten Amtsinhaber galt als rücksichtsloser Ehrgeiz auf Kosten von Partei und Staat (Beck 2014a: 413, 417). Die Widersprüchlichkeit der Modernisierung zeigt sich auch in mütterlichen Zuschreibungen, die den Führungsstil von Politikerinnen charakterisieren sollen (Lünenborg/Maier 2012: 84f). Dabei weist Sulimma darauf hin, dass das politische Konzept der Landesmutter genauso wenig ausgearbeitet ist wie das des Landesvaters. Die Landesmutter als Stereotyp kann vielmehr mit sehr unterschiedlichen Charakterisierungen gefüllt werden (Beck 2016). 16 | Die Fehleinschätzung der Medien zeigte sich bei der Wahl. Köhler erhielt nur eine Stimme mehr als die absolute Mehrheit und 18 weniger als die Zahl der Mitglieder von CDU, CSU und FDP in der Bundesversammlung. Für Schwan stimmten 589 Wahlleute, 41 mehr als die Zahl der rot-grünen Vertreter_innen. Neben der Linken haben mindestens sieben schwarz-gelbe Wahlleute für die SPD-Kandidatin votiert (Beck 2014a: 411f).

Forschungsdiskurse

Politikerinnen werden weiterhin als Außenseiterinnen adressiert, mal abwertend, mal handlungsmächtig. Sulimma dokumentiert Benennungen von der Vereinsfrau bis zur bewährten Wettkämpferin, von der Braut bis zur Emanze, vom jungen Ding bis zur Eisernen Lady, von der Quotenfrau bis zur Königsmörderin. Dargestellt werden Ministerpräsidentinnen als Notlösungen, die das Amt nur aus Pflichtgefühl übernommen haben (Sulimma 2014: 109). Hingegen repräsentieren Bezeichnungen wie Alphatier oder Löwe bei Männern Macht, Kraft, Stärke und Kampf (Lünenborg/Maier 2012: 85). Auch bei der Bewertung von Erfolgen und Leistungen zeigt sich ein widersprüchlicher Modernisierungsprozess. Während Pfannes (2004: 101) keine Geschlechtsspezifik feststellte, dokumentierte Gnändiger (2007: 137) einen wohlwollenden Tenor bei Niederlagen und Amtsverzicht von Politikerinnen. Damit würden »Zurückhaltung, Aufopferung und Verzicht Frauen durchaus in Form von positiver Berichterstattung gedankt«. Heute werden Margreth Lünenborg und Tanja Maier zufolge Frauen als beruflich erfolgreiche Personen inszeniert. Eine Abwertung als politikuntauglich ist nicht mehr generell zu verzeichnen. Politiker haben auch nicht mehr ›qua Geschlecht‹ die Fähigkeit zum Führen und Regieren. Dennoch sind Zuschreibungen von Erfolg und Misserfolg vergeschlechtlicht, der Erfolg ist männlich, der Misserfolg weiblich (Lünenborg/ Maier 2012: 92f; Sulimma 2014: 103f). Daneben konstatiert Sulimma, dass die Leistungen der Ministerpräsidentinnen unter stärkerer Beobachtung stehen als die der Ministerpräsidenten, während Geschlechterstereotype mit der Amtsdauer abnehmen (Sulimma 2014: 115). Vergeschlechtlicht sind auch Beschreibungen von Macht. Männerbündisch inszeniert wird nach wie vor ein kumpelhafter Politikstil (s.S. 23). Hingegen offenbart sich immer wieder ein Unbehagen gegenüber der Machtfülle der Kanzlerin, die sich diesem Männerbund entzieht (Lünenborg/Maier 2012: 93f). Geschlechterstereotype verschwinden zwar nicht, ihre Zuschreibung entkoppelt sich aber vom sozial wahrgenommenen Geschlecht17 (Lünenborg/Maier 2012: 88f). Männliche Politiker werden auch als schwach, emotional, verletzlich oder nicht durchsetzungsfähig beschrieben, weibliche auch als sachorientiert, rational oder autoritär. Nach Lünenborg und Maier sind es nicht mehr einfache Attribuierungen, die Geschlecht markieren, sondern Kontexte und Prozesse der Unterscheidung. Dabei wird die Männlichkeit, etwa von Politikern, nicht nur relational zu Weiblichkeit verhandelt, sondern auch zu anderen Männlichkeiten (Connell 2006). Machtkämpfe von Politikerinnen werden gern als »Frau gegen Männer« inszeniert. Dabei werden männlich kodierte Attribute wie visionäres Denken oder zielorientiertes, kämpferisches Handeln positiv bewertet, wenn auch manchmal durch die Bildsprache relativiert (Grittmann 2012: 148), und mit Emotionalität und Nähe verknüpft. Fürsorglichkeit wird in die Politik fortgeschrieben und positiv bewertet (Lünenborg/Maier 2012: 91f). 17 | Entsprechend dem sozialkonstruktivistischen Paradigma (Kap. 4.1) spreche ich vom sozial wahrgenommenen Geschlecht. Damit distanziere ich mich von der Unterscheidung zwischen einem ›biologischen‹ (Sex) und einem ›sozialen‹ Geschlecht (Gender) (s.S. 66 FN 14).

37

38

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Diese Entwicklung zeitigt unterschiedliche Konsequenzen für Männer und Frauen und wird in der Forschung widersprüchlich diskutiert. Pantti (2007: 31) sieht zwar eine gewisse Modernisierung von Geschlechterbildern, weil maskuline Emotionalität heute als allgemein menschlich akzeptiert ist. Die Emotionalität von Frauen, egal ob sie Geschlechterstereotypen entspricht oder nicht, wird jedoch noch immer abgewertet und stigmatisiert. Scholz (2007c) verzeichnet hingegen zunehmend Kritik an hypermännlichen Inszenierungen. Zugleich kann die Zuschreibung von Schwäche, Verletzlichkeit und Naivität an männliche Politiker mit sprachlichen Feminisierungen – und damit Abwertungen – einhergehen. Während also bei Politikerinnen männlich und weiblich konnotierte Attributionen ein positives Gesamtbild komponieren können, kann eine solche Verknüpfung die Männlichkeit von Politikern infrage stellen (Lünenborg/Maier 2012: 88-92).

2.4.4 Skandalisierung Skandalisierende Medienbilder von Politikerinnen wurden bisher v.a. im Rahmen des Forschungsprojekts über den Berliner Frauensenat untersucht (Lukoschat 1998b; Schaeffer-Hegel/Ude 1998). Zwei der acht Senatorinnen, Anke Martiny (SPD, Kultur) und Anne Klein (AL, Frauen), standen im Fokus von Skandalen. Im Unterschied zu anderen Affären in Berlin (Beck/Meine 2007: 13-20) ging es bei beiden jedoch nicht um den Missbrauch politischer Macht für persönliche oder parteipolitische Zwecke (Lukoschat 1998b: 277).18 Vielmehr dominierten zwei andere Muster. Zum einen wurden private Praktiken, Wünsche oder Verfehlungen skandalisiert. Damit wurden die moralische Integrität, die politische Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit der Politikerin infrage gestellt. Zum anderen wurden kontroverse Aussagen oder Entscheidungen der Politikerin herausgegriffen und sprachlich abgewertet. Die Skandalanlässe »liegen im diffizilen Bereich nicht ausformulierter Verhaltenserwartungen, die die Öffentlichkeit an die Persönlichkeit eines Spitzenpolitikers richtet« und die sich »an einem männlichen ›Tugend‹-Kanon ausrichten« (ebd.: 292). Beide Muster mündeten in dem polemisierend vorgetragenen Vorwurf von Inkompetenz und politischer Erfolglosigkeit, von Mittelmaß oder Desinteresse. Der Vergleich zum Skandal um den Berliner CDU-Politiker Heinrich Lummer19, der zur gleichen Zeit ans Licht kam, bestätigt diese vergeschlechtlichten Verhaltenser18 | Klein hatte vor ihrer Zeit als Senatorin an einem nicht verbotenen, jedoch höchst fragwürdigen Glücksspiel teilgenommen. Bei Martiny wurden der Einbau eines Regals in ihrer Wohnung durch Mitarbeiter einer öffentlichen Theaterwerkstatt, politische Kontroversen und der Wunsch nach einem Minimum an planbarer Freizeit skandalisiert (Lukoschat 1998b: 265). 19 | Lummer hatte jahrelang eine Affäre mit einer Stasi-Agentin in Ost-Berlin, die bei seiner Ernennung zum Berliner Innensenator 1981 noch andauerte (Lukoschat 1998b: 294-300).

Forschungsdiskurse

wartungen. Lummers Verfehlungen erfüllten gleich mehrere, wenn auch verjährte, Straftatbestände. Dennoch wurde seine Kompetenz nicht infrage gestellt. Vielmehr würdigten ihn auch ihm politisch fernstehende Medien als »Vollblut-Politiker« (ebd.: 295-298). Während politische Kontroversen und moralische Widersprüche bei den Politikerinnen Skandale initiierten, die ihre persönliche Integrität und politische Kompetenz in Zweifel zogen, gelang es Lummer, »sich als Mann von Leidenschaft und Potenz darzustellen«, der seine »Normverletzungen quasi als Dienst an einer höheren Sache« rechtfertigte (ebd.: 299). Damit erfuhr er »augenzwinkernde(s) Einverständnis« und »unterschwellige Bewunderung« der Männerbünde in Politik und Medien (ebd.: 279).

2.4.5 Körperkonstruktionen Die Bedeutung des Körpers und der Körpersprache in den Medien analysiert Gitta Mühlen Achs (1995) als Teil der symbolischen Geschlechterordnung. In Anlehnung an Bourdieu (s.S. 63f) bezeichnet sie den Körper als den Ort, an dem gesellschaftliche Ideologien und persönliche Identität verschmelzen. Die Form des Körpers, Bewegung, Kleidung oder Alltagshandlungen sind nicht nur funktional, sondern auch symbolisch zu lesen (Mühlen Achs 1995: 22f). Medien bilden die gängigen körperlichen Codes von Weiblichkeit und Männlichkeit nicht nur ikonisch ab. Vielmehr legt sich das Medium wie eine Folie über das Material und eröffnet einen Raum für beliebige weitere kulturelle »Beschriftungen« (ebd.: 28f). Insofern haben mediale Inszenierungen von Körper bei der Konstruktion von Weiblichkeit in der Politik eine grundlegend andere Bedeutung als bei der Konstruktion von Männlichkeit. Über das Äußere einer Politikerin wird häufiger berichtet als über das Äußere eines Politikers (Sulimma 2014: 95) und häufiger als über ihre Politik (Gnändiger 2007: 136; Pantti 2007: 43). Das bestätigt sich auch in Bildanalysen. »Selbst der ›Abendschau‹ (SFB) sind die Garderoben der Berliner Senatorinnen auf dem Berliner Presseball wichtiger, als eine zeitgleich (Januar 1990) stattfindende Pressekonferenz von Anne Klein (Senatorin für Frauen, Jugend und Familie), die nicht aufgesucht wurde.« (M ERSMANN 1998: 224)

Der Körper und das Äußere von Politikerinnen werden häufig detailliert und mit Bezug auf Modetrends beschrieben. Der professionelle Status spielt eine geringe Rolle (Lünenborg/Maier 2012: 82f). So betonte die Beschreibung von Schwans Kleidung und Äußerem ihr Geschlecht und einen bildungsbürgerlichen Habitus (Grittmann/ Maier 2014: 161). Auch wenn Pfannes (2004: 74) vermutet, dass der mit dem Double Bind verknüpfte »Attraktivitätsdruck« (Mühlen Achs 1995) inzwischen auch Politiker erreicht hat, bleiben diese in Bezug auf Kleidung und Stil farbloser. Bei ihnen dient das Aussehen der politischen Performance und wird mit politischem Handeln verknüpft. Der

39

40

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

männliche Körper wird als »Austragungsort von Status und Macht« inszeniert (Grittmann/Maier 2014: 162). Metaphern aus dem Sport, einem klassischen Terrain der Konstruktion von Männlichkeit, bleiben eine männliche Domäne (Sulimma 2014: 97). Mit dem Bild des sportlichen Wettkampfs wird die Politik als männlich kodiertes Spiel um Sieg und Niederlage inszeniert (Pantti 2007: 29; Lünenborg/Maier 2012: 80f, 94, 115; Grittmann 2012: 144f). Das zeigte sich auch bei den beiden Bewerber_innen um die Bundespräsidentschaft 2009. Während bei Köhler der Marathon auf Durchhaltevermögen und Leistung verwies, ging es bei Schwans Sportarten Segeln und Reiten nicht um sportlichen Wettkampf, sondern um einen bildungsbürgerlichen und damit sozial distinguierten Habitus.

2.4.6 Bedeutung privater Kontexte und Rahmungen Auch die Bedeutung des Privaten für die mediale Inszenierung von Politiker_innen hat sich verändert. Während früher private Rahmungen den Politikerinnen vorbehalten waren und von deren politischer Arbeit ablenkten (Gnändiger 2007: 137), sind heute private Erzählungen nicht mehr exklusiv weiblich kodiert, wohl aber geschlechtsdifferent konstruiert. Bei Politikern beschränkt sich das Private vielfach auf »die Frau an seiner Seite«. Bei Politikerinnen verweist die Bezugnahme auf Kinder und Familie (Pfannes 2004: 70) auf die traditionelle Sorge-Verantwortung (Pantti 2007: 39). So wurde die SPDPräsidentschaftskandidatin Schwan von der Rolle als Tochter bis zu der als Großmutter als Harmonie stiftende Vermittlerin in der Familie inszeniert. Ihr Kontrahent Köhler hingegen blieb ganz Staatsmann mit der Ehefrau an seiner Seite (Grittmann/Maier 2014: 158-160). Im Kontrast zu diesen Befunden werden nach Sulimma die Kinder der Ministerpräsidenten häufiger erwähnt als die der Ministerpräsidentinnen. Bei diesen spielen hingegen die Eltern und deren Berufe eine größere Rolle. Private Bezüge gibt es bei den Frauen häufiger vor der Wahl, bei den Männern nach der Wahl (Sulimma 2014: 96f). Während sich im privaten Bild des Politikers wenig Wandel zeigt, er weiterhin als Familienoberhaupt und Ernährer präsentiert wird, erweitern sich private Kontexte von Politikerinnen. Sie werden zwar weiterhin mit klassischen Attributen aus dem familiären Umfeld, etwa Mütterlichkeit, Fürsorglichkeit, Opferbereitschaft oder auch Harmoniebedürfnis beschrieben, dies wird jedoch mit Beruf und Karriere verknüpft. Damit kommen diese Charakterisierungen auch im politischen Umfeld zum Tragen. Hingegen sind beim Mann familiäre Tätigkeiten dem Beruf nachgeordnet. Während Opferbereitschaft von Politikerinnen in der Familie inszeniert wird, opfert der Politiker sich für sein Amt auf und findet in der Familie Rückzug und Entspannung. Hier offenbart sich die geschlechtshierarchische Dichotomie von Privatem und Öffentlichem (Lünenborg/Maier 2012: 78f).

Forschungsdiskurse

2.4.7 Macht Merkel den Unterschied? Eine Zäsur in der deutschen Politik stellte Merkels Wahl zur Bundeskanzlerin im Jahr 2005 dar. Wie beeinflusst die erste Frau im machtvollsten politischen Amt hierzulande den Androzentrismus des politischen Feldes und dessen mediale Repräsentationen (Holtz-Bacha 2008a)? An Merkel als einer der wenigen Spitzenpolitikerinnen mit internationalem Einfluss lassen sich die »gegenläufigen Achsen Macht und Weiblichkeit wie durch ein Brennglas untersuchen« (Lünenborg et al. 2009: 74). Dies wird im Folgenden am Beispiel der Bundestagswahl 2005 (Kap. 2.4.7.1), im Vergleich mit der französischen Präsidentschaftskandidatin 2007 Ségolène Royal (Kap. 2.4.7.2) sowie anhand eines Imagewandels bei den folgenden Wahlen (Kap. 2.4.7.3) diskutiert. In der vorliegenden Arbeit impliziert das die Frage, ob damit auch ein Wandel medialer Repräsentationen der SPD-Spitzenkandidatinnen einhergeht. 2.4.7.1 Bundestagswahl 2005 und die Folgen Mit der Bundestagswahl 2005 im Spiegel der Medien befassten sich neben einigen quantitativen Studien (Holtz-Bacha 2006; Merkle 2015; Schulz/Zeh 2006) ein Lehrforschungsprojekt von Sylka Scholz (2007b). In den medialen Thematisierungen dieser Wahl wurden frühere Befunde quasi auf den Kopf gestellt. Nachdem sich der Kanzler_innenbonus, also die Hervorhebung des Amtsinhabers in den Medien, bei den Wahlen 1998 (Helmut Kohl) und 2002 (Gerhard Schröder) bereits abgeschwächt hatte, kehrte sich dieses Phänomen bei der Wahl 2005 fast um (Merkle 2015: 223; Schulz/Zeh 2015). Über Merkel wurde zwar nicht häufiger, wohl aber ausführlicher und zentraler positioniert berichtet als über den Amtsinhaber Schröder (Holtz-Bacha/ Koch 2008). Das Äußere der Politikerin stand im Wahlkampf weiterhin unter Beobachtung (Koch 2007). Auch der Double Bind ließ sich bis in die Elefantenrunde am Wahlabend20 verfolgen (Erfurt et al. 2007; Klarfeld/Mann 2007; Kohlrusch o.J.). Doch beschreiben Philine Erfurt et al. (2007: 29) das widersprüchliche mediale Bild von Angela Merkel zwischen einer »durchsetzungsstarken Politikerin, die ihre Konkurrenten berechnend aus dem Feld geräumt hat« und einer »unbeholfenen, nur durch glückliche Umstände mächtigen Frau« eher als »Irritation« denn als Abwertung. Merkel wählte eine »geschlechtsneutrale« Selbstpräsentation. Sie erklärte ihr »Frau sein« als politisch irrelevant (Fantke et al. 2007), was sich in einem kühlen und unnahbaren Image niederschlug (Holtz-Bacha 2008a: 13, 2007: 93f). Dies wurde nur punktuell relativiert, z.B. indem Merkel sich in der Frauenzeitschrift Brigitte als »ganz normale Frau« porträtieren ließ (Gesing 2007). Insgesamt wurde Schröder im Wahlkampf als der Gefühlvollere inszeniert, der »die ›soften Sympathie- und Vertrauenspunkte kassierte‹ [...], während Angela Merkel die klassisch-männlichen Kompetenzfelder der 20 | Als Elefantenrunde wird die traditionelle Diskussion von Spitzenpolitiker_innen der Bundestagsparteien bezeichnet, die ARD und ZDF am Wahlabend ausstrahlen.

41

42

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Sachorientiertheit und Durchsetzungshärte besetzt« (Kohlrusch o.J.). Zugleich wurde Schröder eindeutig männlich markiert. Das, so Scholz, sei bemerkenswert, weil Geschlecht in der Politik bislang mit Weiblichkeit gleichgesetzt wurde, während das Männliche als allgemein menschlich galt (Scholz 2007c: 103). 2.4.7.2 Internationale Vergleiche Die geschlechtsneutrale, sachliche und kühle Inszenierung wurde in internationalen Vergleichen weiter analysiert, vor allem im Kontext der Kandidatur der Sozialistin Ségolène Royal für die Präsidentschaft in Frankreich im Jahr 2007. Anders als Merkel betonte Royal ihr Geschlecht und ihre Rolle als vierfache Mutter, um damit ihre Kompetenz für das angestrebte Amt zu unterstreichen.21 In einem inhaltsanalytischen Vergleich überregionaler Tageszeitungen in Deutschland und Frankreich bezeichnet Mareike Kutt (2010) Merkels widersprüchliches Medienbild zwischen dem Image als deutsche Eiserne Lady22 mit neutralen bis männlichen Zuschreibungen einerseits sowie Unentschlossenheit und Wankelmut andererseits als die erfolgreichere Strategie (Kutt 2010: 245). Hingegen ging bei Royal die Betonung des Geschlechts, der weiblichen Erscheinung und der Mutterschaft einher mit einer retraditionalisierten Inszenierung und dem geschlechtsstereotypen Vorwurf von Inkompetenz und rücksichtslosem Machtstreben (ebd.: 246-248). Florence Absolu (2014) untersuchte diesen Kontrast sprachanalytisch anhand von Mythemen23 und Biographemen24 in Printmedien. Übereinstimmend wurden Merkel und Royal mit den Mythemen Mutter der Nation, Jeanne d’Arc, Favoritin, Fremde bzw. Outsiderin und Protegée der jeweiligen Parteipatriarchen Helmut Kohl und François Mitterand adressiert. Bei Merkel kamen die Eiserne Lady und die Retterin hinzu, bei Royal die Madonna, Marianne und die gefährliche Frau. Die Biographeme orientierten sich an den Kategorien Mutter – nicht Mutter, Frau – Lebensgefährtin – Tochter von, Ausbildung und Alter. Bei Merkel spielten daneben die ostdeutsche Herkunft und die Konfession eine Rolle (Absolu 2014: 319-540). Entlang dieser Adressierungen formt sich ein negativer Archetyp der politischen Frau. Sie strebt nach Macht, ist gefährlich und inkompetent, unbekannt, fremd und auf dem politischen Parkett fehl am Platz. Merkel, so resümiert Absolu, hat es geschafft, gegen diesen Archetyp Kanzlerin zu werden. Als Frau ohne Kinder bediente sie nicht 21 | Mit dieser Strategie arbeitete auch Benita Ferrero-Waldner, die konservative Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin in Österreich 2004 (Rosenberger 2008). 22 | Als Eiserne Lady, »Iron Lady«, wurde Margaret Thatcher bezeichnet, die als britische Premierministerin von 1979 bis 1990 unnachgiebig und kompromisslos den neoliberalen Umbau der Wirtschaft und Gesellschaft des Landes betrieb. 23 | Mytheme sind konstitutive Diskurselemente, die zum Image einer Kandidatin beitragen (Absolu 2014: 652). 24 | Biographeme sind biografische Informationen, die in nicht-biografische Berichterstattung eingefügt werden (ebd.).

Forschungsdiskurse

das weiblichste aller Stereotype und konnte mit ihrer ostdeutschen Herkunft punkten. »Eigene Biographeme scheinen also bisher geeignet, den journalistischen negativen Grundarchetyp politischer Frauen zu überdecken und ihnen dazu zu verhelfen, an die Macht zu gelangen.« (ebd.: 653) Damit schließt Absolu auch an Wiliarty (2010) an (s.S. 25). Während Kutt und Absolu die Implikationen einer eher geschlechtsneutralen oder eher weiblichen Inszenierung beleuchten, fragt Liesbet van Zoonen (2006) nach dem Status als Medienprominenz im Zuge der Personalisierung und Popularisierung von Politik. Dem geht sie im Vergleich der Wahlkämpfe von Merkel (2005) und der finnischen Staatschefin Tarja Halonen (2000, 2006) nach und diskutiert die (Selbst-)Präsentationen von Privatleben und Äußerem der beiden Politikerinnen. Die Befunde verdichtet sie zu der These, dass Spitzenpolitikerinnen im Kontext der Politik aufgrund ihrer Minderheitenposition »die Anderen« bleiben, während die »HyperWeiblichkeit« der heutigen Celebrity-Kultur mit Mode, Sex, Glamour und Konsum als Schlüsselaspekten die Politikerinnen nun auch im Kontext des weiblichen Mainstreams verandere25 (van Zoonen 2006: 298). Während Politiker ihr Privatleben zur persönlichen Profilierung nutzen können (aber nicht müssen), stellt das Privatleben für Politikerinnen ein Problem dar. Sie nehmen eine ungewohnte Position in der Familie ein (oder bleiben ganz ohne Familie) und behalten gleichzeitig ihren Ausnahmestatus in der Politik. »Like appearance, private life is a potential site of trouble for female politicians, not because it contains the danger of sexual scandal as it does for men, but because it is a continuous reminder of women’s odd choice of public mission instead of private fulfilment.« ( EBD.: 299)

Politiker können sich gefahrlos auch privat inszenieren und damit Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit aufweichen. Spitzenpolitikerinnen hingegen laufen Gefahr, in privaten Kontexten trivialisiert und abgewertet zu werden. Sie müssen ihr Privatleben daher schützen und werden so quasi zu Hüterinnen der klassischen politischen Öffentlichkeit mit klar definierten Codes und Grenzen (ebd.: 299; vgl. auch Fraser 2001c). 2.4.7.3 Die Weichzeichnung eines Images Im Kontrast zu den eher neutralisierenden Darstellungen löste ein Bild von Merkel mit einem dekolletierten Abendkleid in der Oper in Oslo am 12. April 2008 einen Mediendiskurs über ihre Weiblichkeit aus (Lünenborg et al. 2009). Dabei bezogen sich Boulevardmedien eher positiv auf Merkels Auftritt. »Weiblichkeit und Macht erscheinen hier als vereinbar in der sozialen Identität der Kanzlerin.« (ebd.: 98) Ganz anders die Qualitätsmedien: »Kaum legt die Kanzlerin Angela Merkel den schützenden 25 | Veranderung oder Othering sind Mechanismen, die Politikerinnen aufgrund ihres Geschlechts in der Position des Anderen präsentieren und damit das männliche Ideal des Politikers bestätigen (Sulimma 2014: 12).

43

44

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Hosenanzug ab und variiert ihr ansonsten nüchtern-dezentes Auftreten, greifen wieder die aus der Forschung bekannten Muster der Sexualisierung und Trivialisierung.« (ebd.: 99) Was 2008 als Medienereignis begann, verlängerte sich bis zur Bundestagswahl 2013 zu einem Imagewandel der Kanzlerin. Neben den Kontrast zwischen der dominanten, sachlichen und standfesten Regierungschefin und dem (kritisierten) verwaltenden, moderierenden Politikstil trat eine neue weichere Seite, die durch wohldosierte Häppchen aus Merkels Privatleben forciert wurde: volksnah, zugänglich, verständnisvoll, warmherzig. Die Eiserne Lady verlagerte sich auf die Außenpolitik. Im Inland dominierte die populäre Mutter der Nation mit dem Image der schwäbischen Hausfrau, die sich fleißig kümmert (Dülcke/Futh 2015: 261f) und die Groschen zusammenhält (Beck 2016). Auch Merkels Adressierung als »Mutti«, als deren Urheber der vormalige CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos gilt (Kurbjuweit 2009), dürfte diesem warmherzigeren Image dienen. Dies zog jedoch keine Diskriminierungen nach sich. Vielmehr stellten »die Medien diese ›neue, weichere Seite‹ sogar als ›Optimierung‹ und Popularitätsgarant heraus« (Dülcke/Futh 2015: 269).

2.4.8 Zwischenfazit: Widersprüchliche Modernisierung bei anhaltender Abwertung In den medialen Repräsentationen von Politikerinnen zeigt sich Veränderung, aber auch Beharrungsvermögen. Abwertungen gleiten dabei zunehmend von den expliziten Inhalten auf die Ebene impliziter Bedeutungen zwischen den Zeilen ab. Nachdem frühere Generationen von Politikerinnen in den Medien durchweg quantitativ unterrepräsentiert waren und stereotyp gezeichnet wurden, wird heute zurecht konstatiert, dass Medieninszenierungen von Politikerinnen keinem reinen Defizitdiskurs mehr folgen (Grittmann/Maier 2014; Lünenborg/Maier 2012). Frauen werden nicht mehr als im politischen Feld komplett deplatziert, Männer nicht mehr als die unhinterfragten politischen Macher dargestellt. Die zweigeschlechtliche Sortierung von Attributionen und Kompetenzen bleibt erhalten. Es spannt sich ein Bogen zwischen den beiden Polen fürsorgliche Weiblichkeit und kämpferische Männlichkeit, zwischen denen Geschlecht konstruiert wird. Doch verflüssigen sich die Zuschreibungen. Männliche Politiker werden auch mit weiblich kodierten Eigenschaften inszeniert, weibliche Politikerinnen auch mit männlich kodierten. Ob dies zu medialen Ab- oder Aufwertungen führt, hängt vom Kontext ab. Mithin muss bei der Frage nach der Konstruktion von Geschlecht nicht nur nach Attributionen gefragt werden, sondern auch nach den Prozessen und Kontexten der Unterscheidung. Da jedoch Geschlechterdifferenz in einer zweigeschlechtlichen Ordnung immer auch hierarchisierend wirkt, bleiben Retraditionalisierungen, vor allem der Rückgriff auf Geschlechterstereotype, jederzeit möglich. So bleibt Erfolg männlich und Misserfolg weiblich kodiert. In der Konsequenz werden Spitzenpolitikerinnen sowohl in weiblichen als auch in politischen Kontexten als Ausnahmefrauen markiert. Dies geschieht z.B.

Forschungsdiskurse

durch Attribuierungen und Adressierungen, durch die geschlechtsdifferente Konstruktion des Privaten und des Körpers sowie durch spezifische Muster der Skandalisierung. Einen besonderen medialen Status scheint Angela Merkel zu besitzen. Aufgrund genauer zu untersuchender Konstellationen werden bei ihr männlich kodierte politische Attribuierungen mit weiblich kodierten Charakterisierungen kombiniert, ohne ihren Status als mächtige Kanzlerin zu beeinträchtigen (Dülcke/Futh 2015: 270).26 Die Entwicklung von Merkels medialer Inszenierung ist bemerkenswert: von der Abwertung aufgrund ihrer äußeren Erscheinung in den Jahren vor der Bundestagswahl 2005 (Koch 2007), auf die hier nicht eingegangen wurde, über die (Selbst-)Präsentation als geschlechtsneutrale Eiserne Lady und gleichzeitig zaudernde Politikerin bis zur warmherzigen Mutter der Nation. Markiert dies eine Modernisierung medialer Geschlechterbilder von Politikerinnen oder ist das mit dem »Merkel-Faktor« (HoltzBacha/Koch 2008) zu erklären, die CDU-Politikerin mithin eine Ausnahme? Scholz sah nach der Bundestagswahl 2005 »die Ära des dominanzorientierten, auf mediale Selbstinszenierung ausgerichteten Politikertypus« sich dem Ende zuneigen (Scholz 2007c: 110). Mit dieser Entwicklung sei Kritik an rücksichtslosem persönlichem Machtstreben, einem undemokratischen Alleinvertretungsanspruch (›Basta-Politik‹), selbstverliebter Inszenierung und der Nichtakzeptanz von Politikerinnen verbunden. Scholz wertet das als »weitreichenden Wandel von kulturellen Männlichkeitskonstruktionen im Politikbereich« (ebd.: 113). Die Medien hätten ein neues Leitbild von Berufspolitiker_innen mit demokratischem Führungsstil, Pragmatismus und neuer Sachlichkeit kreiert (Scholz 2007a: 18). Doch ist zumindest zweifelhaft, ob Merkel als Beispiel für diese Entwicklung gelten kann. Denn sie profitierte auch von einem Kanzler_innenbonus, der nicht auf die Mediendarstellung anderer Politikerinnen abfärbte (Wilke/Leidecker 2010; Röser/Müller 2012; Merkle 2015: 225). Vielmehr ist zu vermuten, dass das Privatleben von Politikerinnen in der politischen Öffentlichkeit nach wie vor problematisiert wird (van Zoonen 2006) und es bestimmter politischer, historischer und biografischer Konstellationen bedarf, damit sie als handlungsmächtige politische Akteurinnen inszeniert werden (Absolu 2014). Für den Kontext dieser Arbeit bedeutet dies, nicht zu fragen, ob Merkels Wahl eine Modernisierung medialer Geschlechterbilder im politischen Feld gefördert hat, sondern vielmehr, in welchen politischen, historischen und biografischen Kontexten Politikerinnen in den Medien eher hierarchisierend oder eher egalitär inszeniert werden.

2.5 A NSCHLÜSSE

UND

V ERKNÜPFUNGEN

Anforderungen im politischen Feld sind noch heute in Weber’scher Tradition männlich kodiert. Sie zeigen ein paternalistisches und androzentrisches Verständnis von Politik, das auf der Dichotomie von politischer Öffentlichkeit und privatem Raum beruht. 26 | Diese Forschungslücke kann in dieser Arbeit nicht gefüllt werden.

45

46

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Um sich hier zu behaupten, nutzen Politikerinnen verschiedene Strategien. Sie stellen ihre familiäre Abkömmlichkeit durch ein Phasenmodell oder durch Kinderlosigkeit sicher. Sie schreiben sich Kompetenzen und Eigenschaften zu, die mit politischer Handlungs-, Durchsetzungs- und Kompromissfähigkeit zu tun haben. Sie weisen ein Machtverständnis zurück, das sie bar jeder gesellschaftlicher Verantwortung als ›Selbstzweck‹ kritisieren und als männlich markieren. Mit Männerseilschaften versuchen sie pragmatisch umzugehen oder diese mit Frauen-Netzwerken zu kontern. Gleichwohl geraten sie immer wieder in den Double Bind zwischen den Anforderungen des Feldes und Erwartungen an ihre Weiblichkeit. Allerdings müssen die Erkenntnisse ab der Jahrhundertwende relativiert werden, da die wichtigsten Arbeiten in den 1990er Jahren datieren. Die Entwicklung medialer Bilder von Politikerinnen ist geprägt von einem Kontrast aus Modernisierung und Beharrung. Die Berichterstattung über frühere Generationen von Politikerinnen war durch quantitative Unterrepräsentanz, Stereotypisierungen und Abwertungen gekennzeichnet. Dies hat sich geändert. Neben Abwertungen treten Inszenierungen von zweigeschlechtlicher Differenz, bei denen sich Hierarchisierungen allenfalls zwischen den Zeilen lesen lassen. An den theoretischen Rahmen der Arbeit müssen auf Basis dieser Erkenntnisse folgende Anforderungen gestellt werden: Die feministische Kritik an einem dichotomen Verständnis des Verhältnisses von politischer Öffentlichkeit und Privatheit muss für die Fragestellung konzeptualisiert werden. Daneben bedarf es eines Begriffs von Geschlechterwissen, um mediale Repräsentationen und soziale Realität in ein Verhältnis zu setzen. Schließlich muss die widersprüchliche und brüchige Modernisierung medialer Repräsentationen theoretisch gefasst werden. Dies wird im folgenden Kapitel entwickelt. Im Design der Arbeit (Kap. 4) müssen die drei beschriebenen Bezugspunkte aus der Forschung, also die männlich kodierten Anforderungen im politischen Feld, die Positionierung der Frauen in diesem Feld und die medialen Repräsentationen von Geschlecht, kategorial verknüpft werden. Für die Frage der Konstruktion von Geschlecht in medialen Repräsentationen von Politikerinnen sind Attributionen und Adressierungen sowie die Konstruktion des Privaten und des Körpers von besonderer Relevanz. Die Repräsentationen der männlich kodierten Anforderungen im politischen Feld und des Umgangs der Politikerinnen damit können daneben insbesondere durch Thematisierungen von Kompetenz, Leistung, Macht und Erfolg sowie durch die Inszenierung von Skandalen erhellt werden.

3. Theoretischer Rahmen

3.1 E INLEITUNG : Ö FFENTLICHKEIT, P RIVATHEIT KONSTRUKTION VON G ESCHLECHT

UND DIE

Das dichotome Verständnis politischer Öffentlichkeit verstehe ich als androzentrisch, hegemonial und im Verhältnis zum privaten Raum geschlechtshierarchisch konstruiert. Politische Medien gelten als Arenen dieser hegemonialen Öffentlichkeit. Die feministische Kritik an der dichotomen Sichtweise eignet sich für die Frage nach Effekten, die Repräsentationen von Geschlecht (Kap. 4.2) in diesen Medien für den Machtanspruch von Politikerinnen haben. Denn mit dieser Kritik lässt sich thematisieren, wie Frauen im politischen Feld positioniert werden und welche Bedeutung mediale Repräsentationen von Geschlecht dabei haben. Damit wird die Fragestellung dieser Arbeit von einem gesellschaftstheoretischen Ansatz her theoretisch fundiert (Becker-Schmidt 2013: 22). Zunächst müssen jedoch die medialen Repräsentationen selbst betrachtet werden. Das stellt die Frage nach dem Wie. Wie wird Geschlecht medial repräsentiert? Diese Frage wird mit einem sozialkonstruktivistischen Verständnis von Geschlecht bearbeitet. Dieser Ansatz in der Geschlechterforschung konzentriert sich darauf, wie Geschlechtskategorisierungen in der sozialen Praxis hervorgebracht und naturalisiert werden (ebd.: 21). Zugleich benötigt die hier zugrunde liegende Fragestellung einen Theorie-Rahmen für Wandel. Die theoretische Herausforderung besteht in der Verknüpfung beider Ansätze. Ein Mehrebenenmodell wird der Komplexität dieser Aufgabe nicht gerecht, weil hierbei die Daten lediglich hierarchisch angeordnet werden (Pötschke 2006: 167). Die konstruktivistisch gewonnenen Befunde würden quasi nur gesellschaftstheoretisch kontextualisiert. Die Beziehungen zwischen der sozialen Konstruktion von Geschlecht und der sozialen Verortung durch Geschlecht sind jedoch komplexer. Deswegen muss die Anschlussfähigkeit der jeweiligen Konzepte geprüft und das Verhältnis zueinander definiert werden (Bereswill et al. 2009: 101). Im Kontext dieser Arbeit betrifft dies vor allem die Frage, wie durch diskursive Verhandlungen von Geschlecht in Medien der politischen Öffentlichkeit Positionierungen von Frauen im sozialen Feld institutioneller Politik hergestellt oder prädisponiert werden. Auch der Wandel von Geschlechterverhältnissen im politischen Feld lässt sich mit Interdependenzen der sozialkonstruktivistischen und der gesellschaftstheoretischen

48

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Perspektive verstehen. Dabei ist auch der Charakter des veränderten Verhältnisses von politischem System und Mediensystem relevant (s.S. 13f). »Untersuchungen darüber, in welchen sozialen Bereichen und welcher Genus-Gruppe Geschlechtsdifferenzierungen am ehesten unterlaufen werden, könnten Auskunft darüber geben, wo das Konfliktpotenzial von sexuierten Stereotypisierungen besonders groß ist und Erosionen von eingespielten Geschlechterarrangements auslösen könnte.« (B ECKER -S CHMIDT 2013: 25)

Im folgenden Kapitel werden der theoretische Rahmen dieser Arbeit erläutert sowie die gesellschaftstheoretischen und konstruktivistischen Zugänge miteinander verwoben. Die Frage nach medialen Repräsentationen von Geschlecht als Einflussfaktoren auf den Anspruch auf Macht schließt an den Diskurs zur Medialisierung von Politik an (Kap. 1.3). Als Erklärungsrahmen für den historischen Ausschluss von Frauen aus der politischen Öffentlichkeit und deren androzentrischen Bias wird auf Imhofs Konzept des neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit referiert, den er im Übergang vom sozialmarktwirtschaftlichen zum neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell sieht (Kap. 3.2.2). Dieses Konzept knüpft an Habermas’ Verständnis einer bürgerlich-politischen Öffentlichkeit und deren Strukturwandel an (Kap. 3.2.1). Demzufolge gibt es eine einzige politische Öffentlichkeit, die der Privatheit dichotom gegenüber steht und dem Ideal des rationalen Diskurses folgt. Der feministischen Kritik am Androzentrismus einer so verstandenen politischen Öffentlichkeit (Kap. 3.2.3) folgend diskutiere ich Vorschläge, das Verhältnis von politischer Öffentlichkeit und Privatheit emanzipatorisch zu konzeptualisieren (Kap. 3.2.4). Der Deutungsrahmen für Kommunikation in der politischen Öffentlichkeit ist kollektiv geteiltes Wissen. Daher wird die Konstruktion von Geschlecht in den Medientexten anhand von Döllings Begriff Geschlechterwissen gefasst, die dazu Bourdieus Denkwerkzeuge Habitus und soziales Feld nutzt (Kap. 3.3.1). Widersprüche zwischen expliziten und impliziten Bedeutungen von Texten sowie zwischen proklamierter Gleichheit von Frauen in der Politik einerseits und anhaltenden Ausschlüssen andererseits werden mit Wetterers Begriff rhetorische Modernisierung diskutiert (Kap. 3.3.2). Schließlich wird erläutert, wie sich diese Ansätze ergänzen und miteinander verknüpfen lassen, um die beiden Fragestellungen dieser Arbeit zu verbinden (Kap. 3.4).

3.2 P OLITISCHE Ö FFENTLICHKEIT D ICHOTOMIE IN DER K RITIK

UND

P RIVATHEIT :

In der vorliegenden Arbeit werden der Androzentrismus des politischen Feldes und der historische Ausschluss von Frauen aus diesem Feld mit dem Konzept der bürgerlich-politischen Öffentlichkeit diskutiert. Darin gilt Öffentlichkeit als Sphäre der politischen Meinungsbildung und Deliberation. Sie ist vom privaten Raum abge-

Theoretischer Rahmen

grenzt und folgt spezifischen Binnenregulierungen. Der sozialwissenschaftliche Diskurs über Öffentlichkeit ist von einigen Kontroversen geprägt: Was gilt als Öffentlichkeit? Gibt es nur eine einzige oder aber vielfältige Öffentlichkeiten? Wer spricht und wer schweigt in der Öffentlichkeit? In welchem Verhältnis stehen privater und öffentlicher Raum? Wie sind beide Sphären voneinander abgegrenzt, miteinander verflochten und/oder wechselseitig durchdrungen? Welchen Einfluss haben die Medialisierung und Ökonomisierung von Öffentlichkeit und Veränderungen im Verhältnis zu Politik, Wirtschaft und privater Sphäre? All diese Fragen haben einen »unterlegten Geschlechtertext« (Fraser 1994), der im Folgenden herausgearbeitet wird.

3.2.1 Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit Vor allem Jürgen Habermas (1991) hat mit seiner 1962 erschienenen Schrift Strukturwandel der Öffentlichkeit den sozialwissenschaftlichen Diskurs über Öffentlichkeit geprägt.1 Nach seinem Konzept von Öffentlichkeit versammeln sich Privatleute als Publikum zum »öffentlichen Räsonnement« über Fragen von allgemeinem Interesse (ebd.: 86, 116f). Nancy Fraser fasst dies zusammen als »Bühne in modernen Gesellschaften, wo die politische Partizipation im Medium der Rede vollzogen wird. Sie ist der Raum, in dem die politischen Bürger über ihre gemeinsamen Angelegenheiten beratschlagen, und ist demzufolge eine institutionalisierte Arena der diskursiven Interaktion.« (Fraser 2001a: 109) Nach Habermas agieren die Privatleute in der Öffentlichkeit frei von materieller Unsicherheit und reproduktiven Pflichten. Sie verbinden »die Rolle des Warenbesitzers mit der des Familienvaters, die Rolle des Eigentümers mit der des ›Menschen‹ schlechthin«2. Auf diese Verknüpfung gehe »in letzter Instanz das politische Selbstverständnis der bürgerlichen Öffentlichkeit zurück« (Habermas 1991: 88). Damit schließt Habermas an das autonome Subjekt als Homo politicus in der politischen Philosophie an (List 1986) (s.S. 21). Und die öffentlich räsonierenden Privatleute lassen sich als männlich identifizieren. Das gesamte Konzept hat durch die Verallgemeinerung des Mannes zum »Menschen schlechthin« einen androzentrischen Bias. Die bürgerliche Öffentlichkeit sah Habermas durch die Entwicklung vom klassischen 1 | Daneben ist als Klassikerin v.a. Hannah Arendt (2010) zu nennen, die mit dem normativen Ideal der hellenistischen Polis und der Agora als Versammlungsort in Abgrenzung zum »dunklen Innenraum des Haushalts« eine eher anti-modernistische Konzeption von Öffentlichkeit vorlegte (Benhabib 1991: 148f). Sie identifizierte Handeln und Sprechen als die eigentlich menschliche Tätigkeit, machte die Limitierung der Anzahl der Sprechenden und Handelnden zur Voraussetzung (Holland-Cunz 2006: 21) und betrat damit eine »maskulinistische Einbahnstraße«(Sauer 2001: 190). 2 | Damit sind gleichzeitig die beiden Bereiche der Privatsphäre in diesem Konzept genannt, die private Wirtschaft und die als Intimsphäre bezeichnete bürgerliche Kleinfamilie (Habermas 1991: 110f).

49

50

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

zu einem wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus in modernen Massendemokratien einem sozialen und politischen Strukturwandel unterworfen und vom »Zerfall« bedroht. Ursache für den sozialen Strukturwandel seien zunächst neomerkantilistische, später auch sozialstaatliche Interventionen, die Habermas als tendenzielle Verschränkung der öffentlichen und der privaten Sphäre beschreibt (Habermas 1991: 226-230). Außerdem habe sich die Privatsphäre in einen gesellschaftlichen bzw. beruflichen Raum und eine familiäre Intimsphäre ausdifferenziert. Diese Sphäre, als (produktiver) Haushalt vormals das Zentrum des Privaten, sei dadurch aus dem Funktionszusammenhang gesellschaftlicher Arbeit ausgegliedert worden (ebd.: 238-241). Der politische Strukturwandel in modernen Massendemokratien bestand nach Habermas in einer Verlagerung der öffentlichen Kontrolle des Staates. Sie sei vom »räsonierenden Publikum« zu den internen Öffentlichkeiten von Parteien, Gewerkschaften und anderen Interessenverbänden übergegangen und damit »refeudalisiert« (ebd.: 337). In der beginnenden Medialisierung der Öffentlichkeit sah Habermas quasi die Verbindung von sozialem und politischem Strukturwandel. Mit der Unterwerfung der Medien unter die Gesetze des Marktes hätten sich die öffentliche und die private Sphäre verschränkt. Die Fixierung auf ›Auflage‹ habe die Entpolitisierung von Inhalten nach sich gezogen. Und die neu entstandenen Public Relations hätten nicht nur auf den Absatz bestimmter Produkte gezielt, sondern auch auf die öffentliche Meinung und stellten Öffentlichkeit (z.B. im Interesse der genannten intermediären Organisationen, D.B.) nunmehr manipulativ her. Dies sei mit der Degradierung des räsonierenden zum passiv konsumierenden Publikum einhergegangen. Die medialisierte Öffentlichkeit sei zur Bühne für die Veröffentlichung privater Lebensgeschichten und zum Adressaten für persönliche Lebenshilfe geworden (ebd.: 254, 258-263, 288-292).

3.2.2 Neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit Mehr als 40 Jahre nach Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit theoretisiert der Mediensoziologe Kurt Imhof unter dem Begriff neuer Strukturwandel Veränderungen der Struktur und Funktion bürgerlicher Öffentlichkeit im Kontext der Medialisierung von Politik im Übergang vom sozialmarktwirtschaftlichen zum neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell (Imhof 2006, 2011). Imhof übernimmt im Wesentlichen Habermas’ Begriff von Öffentlichkeit und betont insbesondere deren deliberative, legitimatorische und gesellschaftlich integrative Funktion als »Reich der Freiheit«. An der Vorstellung einer einzigen politisch-kulturellen Öffentlichkeit und an der Dichotomie von Öffentlichkeit und Privatheit hält er fest. In seiner Definition von Privatheit als das »Reich des Notwendigen« bezieht sich Imhof allerdings eher auf Arendt (2010). In der Formulierung, im privaten Raum vollziehe sich alles, was zur Reproduktion der Gattung gehöre, insbesondere die Arbeit, das Herstellen, das Essen und der Geschlechtsverkehr, zeigt sich ein geradezu archaisches Verständnis: »In diesem Reich des Notwendigen unterscheiden sich die

Theoretischer Rahmen

Menschen wenig von den Tieren, die ja auch für ihre Reproduktion sorgen müssen.« (Imhof 2008: 3) Als Ursache für den neuen Strukturwandel nennt Imhof den Verlust der Regulierungsfähigkeit der Politik in Bezug auf die Wirtschaft, sowohl in legitimatorischer Hinsicht (neoliberales Paradigma) als auch in räumlicher Hinsicht (Globalisierung). Zum einen schränkten Wissens- und Partizipationsklüfte zwischen sozialen Schichten die deliberative Funktion der Öffentlichkeit ein. Zum anderen entstünden transnationale Machtzentren jenseits politischer Öffentlichkeiten (Imhof 2011: 120-122). Zugleich habe sich ein eigenständiges Mediensystem als drittes zentrales Handlungssystem in der Gesellschaft neben Politik und Ökonomie aus dem politischen System ausdifferenziert. Verursacht sei das durch die »Entbettung« der Medien aus ihrem bisherigen sozialen und politischen Umfeld, wie etwa Verleger(-familien), Parteien, Gewerkschaften, Verbänden und Kirchen (Imhof 2008: 6). Der Marktlogik folgend wandelten sich Medienorganisationen in ideologisch offene Dienstleistungsunternehmen »mit Kapitalversorgung beliebiger Herkunft und hohen Renditeerwartungen« (Imhof 2011: 125). Damit verändere sich das Wechselspiel zwischen Medien als Arenen politischer Öffentlichkeit und Politik grundlegend. Adressat_innen seien nicht mehr Staatsbürger_innen, sondern Medienkonsumierende, um die vermittels neuer Selektions-, Interpretations- und Inszenierungslogiken geworben werde (ebd.: 124f). Deren Implikationen für die deliberative, legitimatorische und integrative Funktion von Öffentlichkeit, die auch im Medialisierungsdiskurs thematisiert werden, verdichtet Imhof zu einem Krisenszenario (ebd.: 123, 141). Anhand einiger Aspekte, die im Kontext dieser Arbeit von Bedeutung sind, wird im Folgenden der »unterlegte Geschlechtertext« (Fraser) von Imhofs Krisendiagnose diskutiert. Politische Positionen und politische Bedeutung werden nach Imhof zunehmend nicht mehr über Parteien, sondern über Personen vermittelt. Damit gewinne die Authentizität und Integrität von Politiker_innen die Oberhand über politische Programmatik. Politiker_innen würden an moralischen Standards sowie an Wahl- und Wettbewerbserfolgen gemessen. Publizistischer Meinungsstreit nehme ab, die thematische Übereinstimmung der Medien zu. Der Fokus verlagere sich vom Parlament (Meinungsstreit, D.B.) zur Exekutive (Personen, D.B.) (ebd.: 126f, 129). Damit würden Charaktereigenschaften und die private Lebensführung zu Kriterien für politische Kompetenz. Einerseits lässt sich hier Barbara Holland-Cunz’ (2006: 25f) Kritik anschließen, wonach das öffentliche Interesse am Privatleben, insbesondere von Frauen in der politischen Arena, zunehme und als Kontrolle politischer Kompetenzen fungiere. Andererseits könnten aber auch Kompetenzen und Eigenschaften politisch aufgewertet werden, die nach einem bürgerlichen Öffentlichkeitsverständnis der familiären Privatsphäre zugeordnet werden (Lünenborg/Maier 2012: 91f). Das aber würde dem krisenhaften Impetus von Imhofs Argumentation widersprechen. Als zentrales Mittel im Wettbewerb um mediale Aufmerksamkeit sieht Imhof eine »alarmistische Empörungsbewirtschaftung«, die er mit den Begriffen »konfrontativer Negativismus«, »massiv gestiegene Skandalisierungsrate« sowie »moralische Aufladung«

51

52

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

und »Viktimisierung« der politischen Öffentlichkeit skizziert. Dies münde in einen »moralisierenden Medienpopulismus« (Imhof 2011: 126-128), mit dem sich die Medienkommunikation »von der kognitiven und normativen Dimension in die moralischaffektive Dimension« (ebd.: 139) verschiebe, die Imhof als emotionalisiert, »kognitiv defizitär und unterhaltungsorientiert« beschreibt (ebd.: 128). Medien konzentrierten sich zunehmend auf Personen und Konflikte. Über Skandale berichteten sie nicht mehr nur, vielmehr übernähmen sie selbst das Skandalisieren (Imhof 2006: 6). Folgt man dieser Analyse, dann steht die private Frau in der Politikerin nicht nur quasi ununterbrochen unter medialer Beobachtung. Vielmehr geschieht dies mit dem Ziel möglicher Skandalisierungen. Medien warten demnach nicht mehr nur auf einen Skandal. Sie produzieren ihn selbst, dringen dazu in die Privatsphäre der Politikerin ein und rechtfertigen diesen Übergriff mit dem Interesse der Öffentlichkeit an der Überprüfung der Kompetenz der Politikerin. Imhof ordnet dieses oft beklagte Phänomen in die Gegenüberstellung einer normativ wünschenswerten kognitiven Berichterstattung mit einer defizitären emotionalen und unterhaltenden Erzählweise ein. Hinter dieser Gegenüberstellung scheint jedoch das vernunftbegabte autonome Subjekt auf, das einen androzentrischen Bias aufweist (s.S. 21). Mit der Analyse, Prioritätensetzungen im politischen Feld ordneten sich unter die Selektions-, Interpretations- und Inszenierungsregeln des Mediensystems unter, hierarchisiert Imhof beide Systeme (Imhof 2011: 129f). Dabei liege der Fokus auf Personen, Konflikten und Skandalen statt auf politischen Diskursen und Entscheidungen. Es gehe um die mediengerechte Produktion von Ereignissen3 und um die wettbewerbsgetriebene Verabsolutierung von Aktualität (auf Kosten der Qualität, D.B.) (Imhof 2006: 10). Demzufolge gewinne im politischen Feld die Kompetenz zum Spiel mit den Medien die Oberhand über politische Kompetenz. Politiker_innen müssen in dieser Optik Medienlogiken nicht nur im Kontakt mit ›den Medien‹ beachten. Vielmehr verdoppeln sich diese Logiken im politischen Feld, verändern dessen Binnenregulierung und verstärken damit in Imhofs Perspektive die krisenhafte Entwicklung. Angetrieben durch die »Empörungsbewirtschaftung« agierten Medien als quasi plebiszitäre Instanz bezogen auf die politische Agenda, in Wahlen und Abstimmungen sowie bei der Rechtsetzung. In der emotionalen Aufladung, mit der individuelles politisches Handeln als moralisch defizitär angeprangert werde, zeige sich ein plebiszitärer Anspruch, der die traditionelle Funktion der Medien als vierte Gewalt überschreite und keine verfassungsmäßige Legitimität besitze (Imhof 2011: 130). In dem Befund, Medien machten sich gleichsam zum Sprachrohr einer schweigenden Mehrheit, kulminiert also Imhofs Diagnose eines krisenhaften neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit. Daneben sieht der Mediensoziologe einen neuen Vermachtungszusammenhang zwischen Medienorganisationen und regierenden Administrationen, vor allem in den 3 | Die mediengerechte Produktion von Ereignissen, teils durch die Medien selbst, geht nach Imhof weit über das Agenda Setting hinaus, mit dem der Einfluss der Medien auf die Politik überwiegend beschrieben wird (Imhof 2006: 9).

Theoretischer Rahmen

USA, Australien, Großbritannien und Spanien. Paradigmatisch sei die Gründung der Partei Forza Italia durch den Medienmogul Silvio Berlusconi in Italien. In Deutschland seien die Machtallianzen hingegen (noch) nicht so eng (ebd.: 134).4 Imhof schließt mit seinen Beschreibungen an Diskurse über die Personalisierung von Politik, die Ökonomisierung politischer Medien und deren zunehmend skandalisierende Thematisierungsweisen an. Jedoch ist zu hinterfragen, was an dem Strukturwandel, den er darin erkennt, neu ist. Zu Recht fragen Elisabeth Klaus und Ricarda Drüeke (2012: 51f), ob die diesem als neu bezeichneten Wandel zugrunde liegenden Phänomene vergleichbar sind mit den Umbrüchen, die Habermas im Kontext der Aufklärung beschreibt. Außerdem qualifiziert Habermas eine Vermischung von öffentlicher und privater Sphäre als Krise und begreift die Entwicklung der klassischen bürgerlichen Öffentlichkeit zum Sozialstaat als Ursache. Bei Imhof differenziert sich das Mediensystem aus dem politischen System wieder aus. Er erklärt jüngere Entwicklungen im Verhältnis von politischem System und Mediensystem mit einem wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsel von der sozialen Marktwirtschaft zum Neoliberalismus. Die Entwicklung scheint also gegenläufig, die als Problem definierten Effekte sind jedoch vergleichbar: Die Ökonomisierung der Medien, die Entpolitisierung bzw. Personalisierung der Medieninhalte und die gestiegene Bedeutung des Privaten. Imhof landet also trotz anderer gesellschaftlicher Ursachen zumindest teilweise bei der ›alten‹ Kritik am Zerfall der politischen Öffentlichkeit aufgrund erodierender Grenzen zur Privatsphäre. An den Ausschlüssen, die der universalistische Anspruch der politischen Öffentlichkeit produziert, ändert hingegen auch Imhofs Entwurf autonomer Gegenöffentlichkeiten nichts (Imhof 2011: 251-267). Die Überhöhung der kognitiven Dimension politischer Medienkommunikation exkludiert vor allem bildungsferne und der deutschen Sprache weniger mächtige Bevölkerungskreise aus dieser Öffentlichkeit, deren hegemonialer Charakter dadurch unterstrichen wird. Zu fragen ist, wie die von Imhof zu Recht problematisierten Effekte neuer medialer Selektions-, Inszenierungs- und Interpretationslogiken in den politischen Medien anders als mit einem krisenhaften neuen Strukturwandel der bürgerlichen Öffentlichkeit erklärt werden können. Hierfür bietet die nun folgende feministische Kritik an Imhofs und Habermas’ universalistischen und hegemonialen Öffentlichkeitsbegriff einen Theorie-Rahmen.

4 | Allerdings identifiziert Uwe Krüger (2013) in Deutschland vertrauliche Eliten-Netzwerke, die einzelnen Spitzenpolitiker_innen jenseits der Öffentlichkeit besonders großen Einfluss auf die Medienkommunikation ermöglichen.

53

54

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

3.2.3 Feministische Kritik am (neuen) Strukturwandel Feministische Kritik am Konzept bürgerlicher Öffentlichkeit wird entlang dreier Hauptachsen formuliert: (1.) die vergeschlechtlichte Dichotomie von Öffentlichkeit und familiärer Privatsphäre, (2.) die androzentrische Binnenstruktur bürgerlichpolitischer Öffentlichkeit und (3.) deren Idealisierung als einzige politische Öffentlichkeit. Bezugspunkt der Kritik sind Habermas’ Überlegungen zum Strukturwandel. Wie ausgeführt kann die Kritik größtenteils auf Imhofs neuen Strukturwandel übertragen werden. 1. Die vergeschlechtlichte Dichotomie von öffentlicher und familiärer Privatsphäre Im Zentrum feministischer Kritik steht die Dichotomie zwischen einer männlich kodierten Öffentlichkeit und einer weiblich kodierten Privatheit (u.a. Biester et al. 1992; Holland-Cunz 1994; Sauer 2001). Bei Habermas ist die Polarität beider Sphären ein konstitutives Element bürgerlicher Öffentlichkeit. Damit ignoriert er den historischen Ausschluss von Frauen und dessen Konsequenzen für das gesamte Konzept (Habermas 1991: 121), auch wenn er »die Abhängigkeit der Frau und der Kinder vom Familienvater« durchaus erkennt (ebd.: 111).5 Mit Bezug auf Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns (Habermas 1995) rekonstruiert Fraser (1994: 187-197) den »unterlegten Geschlechtertext« dieses Konzepts. Danach konstituieren bei Habermas die vier Elemente Ökonomie und Staat sowie kleinfamiliäre Privatsphäre und Öffentlichkeit die institutionelle Ordnung des klassischen Kapitalismus. Darin seien die Systeme Staat und Ökonomie mit den lebensweltlichen Institutionen Kleinfamilie und Öffentlichkeit durch Tauschbeziehungen verbunden, deren Geschlechtertext Habermas ignoriere. In den Tauschbeziehungen zwischen Kleinfamilie und Ökonomie sei die Arbeitskraft männlich, die Verbraucher_in weiblich kodiert. In der Beziehung zwischen Staat und Öffentlichkeit sei der Staatsbürger (und Soldat, den Habermas nicht erwähnt, den Fraser aber ergänzt) männlich kodiert.6 Fraser kritisiert das Fehlen der Kindererziehung, die alle vier Elemente miteinander verbinde, in diesem System. Habermas hingegen beklage einen »Funktionsverlust« der Familie (Habermas 1991: 241) (s.S. 50). Er blendet damit den gesellschaftlichen Charakter aus, den die Arbeit der dort Wirkenden hat, und verortet die Kategorie Geschlecht ausschließlich im Privaten. Imhof ergänzt diese Konstruktion durch das Mediensystem als weiteres Element auf der systemischen Ebene. Am vergeschlechtlichten Subtext der Tauschbeziehungen 5 | Habermas (1991: 15, 18) räumt diesen konzeptionellen Mangel im Vorwort zu seiner Neuauflage 1990 ein, revidiert ihn aber nicht (vgl. auch Lang 2003: 101). 6 | Weibliche Kodierungen kämen allenfalls in der Rolle von Klient_innen staatlicher Sozialsysteme zum Tragen, die im wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus die des Staatsbürgers ergänze. Hier differenziert Fraser weiter in die männlich kodierten, arbeitsplatzbezogenen Sozialleistungen und die weiblich kodierten bedürfnisorientierten Sozialleistungen (Fraser 1994: 202).

Theoretischer Rahmen

ändert das nichts, wohl aber werden die Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen komplexer. Fraser präzisiert, dass es feministischer Kritik nicht einfach um den Einbezug von Frauen in die bürgerliche Öffentlichkeit gehe. Das Problem sei nicht der Ausschluss als solcher, sondern die Definitionsmacht über die Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Raum (vgl. auch Lang 2003: 102). Der private Raum sei nicht die Sphäre der Frauen, der öffentliche Raum nicht die der Männer. Ziel sei auch nicht, die Grenzen zwischen beiden Räumen einzureißen. »Die feministische Analyse zeigt vielmehr den politischen und ideologischen Charakter dieser Kategorien auf. Und das feministische Projekt zielt teilweise auch auf die Überwindung einer Geschlechterhierarchie, die Männern bei der Definition der Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit mehr Macht gibt als Frauen.« (FRASER 2001C: 175)

Die demokratietheoretischen Implikationen des androzentrischen Konzepts beschreibt Birgit Sauer (2001). Mit der Zuweisung zur Privatheit werde die Kategorie Geschlecht aus der Öffentlichkeit ausgeklammert und männliche Herrschaft dethematisiert. Privatheit werde zur Ressource männlicher Macht in doppelter Hinsicht, erstens durch die geschlechtsspezifische familiäre Arbeitsteilung, zweitens durch die Definitionsmacht des Staats darüber, was als öffentlich oder privat gelte (ebd.: 193f). Den von Fraser angesprochenen Kampf um die Definitionsmacht über die Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Raum bezeichnet Sauer als Kampf um Macht und Bedeutung, Inklusion und Gerechtigkeit. Die Grenze sei mithin das Ergebnis sozialer Auseinandersetzungen sowie gesellschaftlicher Kräfte- und Machtverhältnisse (ebd.: 186f). Auch bei Imhof wird der strukturelle Ausschluss von Frauen aus dieser Öffentlichkeit weder benannt noch hinterfragt. Vielmehr wird das Anliegen der Geschlechterdemokratie an eine Frauenöffentlichkeit delegiert, die gemeinsam mit anderen »autonomen Öffentlichkeiten« an der »ideellen Peripherie eines Gesellschaftsmodells« verortet ist. Autonome Öffentlichkeiten seien »resonanzlose und kontinuierliche Kommunikationsräume«, die nur in Krisensituationen die Chance auf Einflussnahme erhielten (Imhof 2011: 251, 255). Jedoch betrifft fehlende Geschlechterdemokratie den Kern von Deliberation und nicht bloß die »ideelle Peripherie«. Die Verortung von Frauenöffentlichkeiten an der Peripherie verdeckt deren Ausschluss aus der hegemonialen politischen Öffentlichkeit. Die Bezeichnung als resonanzlose Kommunikationsräume ignoriert, dass geschlechterpolitische Anliegen zunehmend auch in Medien der politischen Öffentlichkeit problematisiert werden. Damit aktualisiert Imhof die geschlechtsblinde Konzeption und androzentrische Engführung dieses Verständnisses von Öffentlichkeit. Aus der feministischen Kritik an dem dichotomen Konzept folgt für die vorliegende Fragestellung, dass der Blick nicht nur auf Ausschlüsse von Politikerinnen aus der Medienöffentlichkeit gerichtet wird. Vielmehr soll auch untersucht werden, ob sich Modernisierungen im Verständnis von Öffentlichkeit und Privatheit erkennen lassen.

55

56

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

2. Die androzentrische Binnenstruktur bürgerlicher Öffentlichkeit Nach Holland-Cunz sind die »Sprechenden und Handelnden« in der politischen Öffentlichkeit »sozial-männlichen Geschlecht(s), ihre Sprache ist sach- und nicht personenbezogen, ihre Weise des Verstehens ist nicht empathisch, sie erkennen einander als Gleiche und Eingeweihte. Sie partizipieren an einer von ihnen selbst hergestellten ›öffentlichen Geographie‹ im Sennettschen Sinne des Begriffs (vgl. Sennett 1993, D.B.). Es ist ihre (Her vorh. i.O.) Geographie und sie ist patriarchalisch.« (H OLLAND -C UNZ 1994: 236)

Holland-Cunz beschreibt hier das androzentrische normative Ideal des rationalen Diskurses und die dafür geforderten männlich kodierten Eigenschaften (Kap. 2.2). Dies verweist auch auf eine traditionelle geschlechtliche Arbeitsteilung (Hausen 1976). Imhof hält an diesem Paradigma fest, indem er der als rational und aufklärend begriffenen kognitiven Berichterstattung eine emotionalisierte Erzählweise gegenüberstellt, die er als populistisch qualifiziert (s.S. 52). Die demokratietheoretischen Implikationen dieser androzentrischen Engführung politischer Öffentlichkeit sowie einer möglichen Erweiterung um nicht kognitive Darstellungsformen werden in Kapitel 3.2.4 diskutiert. 3. Die Idealisierung einer einzigen politischen Öffentlichkeit Feministische Theorie kritisiert daneben den idealisierten Begriff einer einzigen bürgerlich-politischen Öffentlichkeit, die es in der Realität niemals gegeben habe und die Gegenöffentlichkeiten ausblende (Fraser 2001b: 118; Herrmann 2002: 18; Klaus/Drüeke 2012: 51f). Imhof nimmt autonome Gegenöffentlichkeiten zwar in sein Konzept auf, konstruiert die politische Öffentlichkeit gleichwohl weiterhin hegemonial, indem er Gegenöffentlichkeiten in die Peripherie verbannt. Dem setzt Fraser die Vielzahl gesellschaftlich wirksamer weiblicher Öffentlichkeiten in Geschichte und Gegenwart entgegen.7 Fraser (2001c: 176) hinterfragt außerdem die Vorstellung eines prinzipiell emanzipatorischen Charakters bürgerlicher Öffentlichkeit. Für statusbenachteiligte Gruppen müssten die potenziellen politischen Möglichkeiten der Öffentlichkeit auch gegen die Gefahren aufgerechnet werden, die der Verlust der Privatheit mit sich bringe. Als Beispiel führt Fraser das Verfahren gegen den schwarzen US-amerikanischen Bundesrichter Clarence Thomas 1991 an, dem die ebenfalls schwarze Juristin und ehemalige Mitarbeiterin Anita Hill sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatte. In der öffentlichen Auseinandersetzung gelang es Thomas, diesen Vorwurf als rassistisch darzustellen und stattdessen Hills Privatleben zu skandalisieren. Fraser schlussfolgert: »Geht man von der geschlechtlichen Differenz bei der Definition und dem Schutz der eigenen Privatsphäre aus, wird deutlich, daß die Hartnäckigkeit, mit der Thomas sich gegen die ›Demütigung‹ durch eine ›öffentliche Untersuchung‹ seines Privatlebens weigerte 7 | Zum Charakter von Frauenöffentlichkeiten vgl. auch Klaus (2005: 106-119).

Theoretischer Rahmen

(sic!), tiefere Ursachen hatte. Man kann diese Hartnäckigkeit auch als Verteidigung seiner Männlichkeit verstehen. Denn wer sein Privatleben einer öffentlichen Untersuchung aussetzt, setzt sich der Gefahr aus, ›verweiblicht‹ zu werden.« (F RASER 2001 C : 163)

Zusammenfassend lassen sich folgende Aspekte feministischer Kritik für die vorliegende Arbeit fruchtbar machen. Mit dem Fokus auf die geschlechtshierarchische Dichotomie von öffentlichem und privatem Raum lässt sich der Ausnahmestatus von Politikerinnen theoretisieren. Mit einem Blick für die androzentrische Binnenstruktur der politischen Öffentlichkeit können mediale Urteile über die Handlungsmacht der Kandidatinnen eingeordnet werden. Darüber hinaus ist ein Verständnis von Privatheit als schutzwürdigem Raum erhellend. Wird Privates erzwungen und/oder skandalisiert veröffentlicht, so läuft (mit Fraser) die betroffene Person Gefahr ›verweiblicht‹ zu werden, da sie die Definitionsmacht über ihre zu schützende Privatsphäre verloren hat.

3.2.4 Feministische Perspektiven auf Öffentlichkeit und Privatheit Die genannten Differenzierungen in Bezug auf die private Sphäre können helfen, den konstitutiven Double Bind (Jamieson 1995) (s.S. 27f) der politischen Öffentlichkeit aufzulösen. Nach Habermas’scher Definition ist der rationale Diskurs autonomer Individuen der Kommunikationsmodus in dieser Öffentlichkeit. Das konstituiert zugleich den Ausnahmestatus von Akteur_innen und Themen, die der Privatsphäre zugeordnet sind. Nach diesem Konzept wäre also nur eines zu haben, entweder eine funktionierende politische Öffentlichkeit oder Geschlechterdemokratie. Im Folgenden werden Alternativen zu dieser scheinbaren Zwickmühle diskutiert und am Beispiel des Diskurses über die Boulevardisierung von politischen Medien präzisiert. In der feministischen Debatte kritisiert Fraser eine fehlende Trennschärfe des Begriffs Öffentlichkeit. Der Begriff werde in einem Sinne gebraucht, der auf alles außerhalb des häuslichen und familiären Bereichs Bezug nehme. Damit würden Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Staat und die Arenen des öffentlichen Diskurses vermischt (Fraser 2001b: 108). Die (feministische) Sicht, Frauen (und People of Colour) seien aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen, übernehme ungeprüft den Anspruch der bürgerlichen Öffentlichkeit als die alleinige und maßgebliche Öffentlichkeit (ebd.: 118). Diesen Gedanken greift Sauer auf, indem sie die Sicht auf Privatheit als »Residualkategorie« in der Debatte über feministische Öffentlichkeitskonzepte (Sauer 2001: 191) kritisiert. Sie betont die Bedeutung von Privatheit als »eine vor staatlichen Übergriffen zu schützende Sphäre des familiären, verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Zusammenlebens« (ebd.: 192). Eine feministische Reformulierung müsse Privatheit als »Menschenrecht auf Würde sowie körperliche und seelische Integrität« wie auch als »Freiheit von staatlichen Eingriffen« begreifen. Das bipolare Muster müsse durch eine graduelle Sichtweise von Staat, Öffentlichkeit und Privatheit ersetzt werden. Privatheit sei darin nicht dem öffentlichen Raum entgegengesetzt. Sie umfasse erstens Beziehungsmuster, die dem öffentlichen Diskurs entzogen seien. Zweitens sei Privatheit ein Aspekt

57

58

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

öffentlichen Handelns, der dem Individuum anheimgestellt, jedoch der öffentlichen Debatte nicht prinzipiell entzogen sei. »Eine unabdingbare Voraussetzung für die (Neu-)Bestimmung von Privatheit ist es, daß Individuen selbst darüber bestimmen können, was sie öffentlich diskutieren wollen und was staatlich reguliert bzw. dereguliert werden soll. [...] Der Zerfall politischer Öffentlichkeit ist nicht eine Folge ihrer Privatisierung und Intimisierung, sondern eine Folge der »Herauspräparierung« von Privatheit aus der staatlichen Öffentlichkeit.« ( EBD.: 197)

Habermas’ These vom Strukturwandel widerspricht Sauer damit aus Geschlechterperspektive. Der Verfall einer kritischen, kommunikativen Öffentlichkeit sei nicht der wechselseitigen Durchdringung von Staat und Gesellschaft geschuldet, sondern sei gleichursprünglich mit der Negation des Privaten (ebd.: 198). Imhof hält an dieser Negation fest. Hierin liegt auch die Ursache, warum er trotz der Konstruktion gegenläufiger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen zur gleichen Kritik kommt wie Habermas, nämlich dem Zerfall der bürgerlichen Öffentlichkeit durch das Eindringen des Privaten. Sauer plädiert hingegen für eine Re-Integration von öffentlichem und privatem Raum. Öffentlichkeit konzipiert sie nicht als einen Ort »wie das Parlament und die Straße oder als eine Institution wie die Zeitung [...], dann wären private Orte per definitionem exkludiert. Öffentlichkeit ist vielmehr jener Raum, wo Macht und Herrschaft thematisiert und kritisiert werden. Öffentlichkeit bezeichnet die ›Möglichkeitsstruktur‹ politischen Handelns.« ( EBD.: 200)

Damit schließt Sauer an Elisabeth Klaus an. Die Kommunikationswissenschaftlerin schlägt ein Verständnis von Öffentlichkeit als gesellschaftlichem Kommunikationsprozess vor, »in dem durch die Thematisierung, Verallgemeinerung und Bewertung von Erfahrungen gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktionen entworfen und verhandelt werden« (Klaus 2005: 105). Darin eingeschlossen seien auch »heimliche Öffentlichkeiten von Frauen«, etwa das Gespräch auf dem Kinderspielplatz, im Hausflur, bei der Tupper-Party oder am Arbeitsplatz. Der Bewertung dieser Orte als herkömmliche weibliche Privatheit setzt Klaus die Sicht entgegen, dass Frauen sich dort »aktiv an der Setzung, Konsolidierung und Veränderung von gesellschaftlichen Normen und Regeln« beteiligen (ebd.: 106). Im Diskurs über ›den Boulevard‹ und die Boulevardisierung politischer Medien werden (unter anderem) diese alternativen Konzepte von Öffentlichkeit und Privatheit verhandelt.8 Es wird (auch) danach gefragt, inwieweit ›der Boulevard‹, der von einem nicht dichotomen Verständnis von Öffentlichkeit und Privatheit geprägt sei, emanzipatorisches Potenzial habe. 8 | In dieser Arbeit werden nicht Boulevardisierungsprozesse in medialen Repräsentationen analysiert. ›Der Boulevard‹ dient aber als Beispiel für nicht-dichotome Sichtweisen auf Öffentlichkeit und Privatheit in der aktuellen Medienlandschaft.

Theoretischer Rahmen

Margreth Lünenborg (2009c: 8) fasst unter Boulevardisierung zwei Phänomene. Erstens verlagerten sich Inhalte von Sachthemen, Fakten und rationalen Argumenten hin zur Vermittlung von Politik über Personen. Politiker_innen fänden dabei nicht mehr nur als Akteur_innen im politischen Raum Aufmerksamkeit, sondern würden selbst zu Medienprominenz. Zweitens verlagerten sich Form und Ästhetik von Texten über die Aushandlungsprozesse institutionalisierter Politik, die an linearer Logik ausgerichtet seien, zu einer widersprüchlichen und emotionalisierten Erzählweise in Text- und Bilderarrangements. Der Boulevard werde gemeinhin mit schlechtem Journalismus gleichgesetzt, argumentiert die Kommunikationswissenschaftlerin Marvi Pantti. Charakteristika seien Sensationslust und Skandalisierung, Personalisierung und Vereinfachung, die Verdrängung öffentlicher durch private Themen sowie Effekthascherei statt seriöser Analyse. Die Hauptsorge sei, dass Sensationsjournalismus den ernsthaften Journalismus verdrängen könne. Doch, so ergänzt Pantti diese besorgniserregende Diagnose, es gebe in Deutschland keine gravierenden Tendenzen der Boulevardisierung von »seriösen« Nachrichten (Pantti 2007: 26). Melanie Magin und Birgit Stark (2013) bestätigen diesen Befund am Beispiel der Süddeutschen Zeitung. Dieser problemzentrierten Sichtweise setzen Katja Friedrich und Olaf Jandura (2012) die Funktion des Boulevards als Brücke zwischen Informations- und Unterhaltungssendungen entgegen (vgl. auch Klaus 2000), »da er Bevölkerungsgruppen erreicht, die sich nur selten Nachrichten, politischen Magazinen oder politischen Talkshows zuwenden, sondern lieber Unterhaltungssendungen sehen – etwa deutsche und amerikanische Familienserien, Arztserien, Abenteuerfilme, Quizsendungen und Nachmittagstalkshows.« (F RIEDRICH /JANDURA 2012: 405)

Auch Lünenborg schreibt Unterhaltungsöffentlichkeiten im Anschluss an Andreas Dörners Konzept des Politainment (Dörner 2001) unter bestimmten Bedingungen eine inklusive Funktion für den öffentlichen Diskurs zu, weil diese besonders weite Kreise der Bevölkerung erreichten (Lünenborg 2009c: 14). Vor diesem Hintergrund fragt sie nach der Relevanz boulevardisierter Themen und Diskurse für Geschlechterrollen in Medien und Gesellschaft sowie nach dem demokratischen Potenzial des Boulevards. Immerhin komme im Boulevard ein nicht-dichotomes Verständnis von Öffentlichkeit und Privatheit zum Ausdruck (ebd.: 9, 14). In dieser Sichtweise stützt sich Lünenborg auf Klaus’ Verständnis von Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Kommunikationsprozess (Klaus 2005: 105). Den Boulevard begreift sie als Arena dieses permanenten Aushandlungsprozesses. Neben den Besorgnis erregenden Trends müssten dort auch positive Optionen veränderter Geschlechterarrangements analysiert werden (Lünenborg 2009c: 13). Mit der Aussage, dieser Wandel sei nur schwer mit »dem normativen Anspruch des aufgeklärten und rationalen Diskurses, der durch Öffentlichkeit hergestellt werden soll«, vereinbar (ebd. 9), begibt sich Lünenborg in Konflikt zu demokratietheoretischen

59

60

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Überlegungen aus Geschlechterperspektive. So polemisiert Holland-Cunz: »Das Sofa vor dem Fernsehgerät ist nicht der Ort der Demokratie, von dem die gesamte Ideengeschichte der Politischen Theorie der Neuzeit geträumt hat.« (Holland-Cunz 2006: 25) Sie schließt damit an Habermas’ »dramatische(r) Diagnose« (ebd.) der heutigen Form politischer Kommunikation an und kritisiert: »Wenn Frauen in der Öffentlichkeit auftreten, werden Sprache, Kleidung, Habitus, Kontext und Inhalte noch immer ›anders‹ gesehen, skeptischer beobachtet und kritischer bewertet als bei Männern.« Die Darstellung sozial weiblicher Privatheit in der Öffentlichkeit sei meist mit Grenzverletzungen oder »bewusst kalkulierter Erzeugung von Zustimmung« verbunden (ebd.: 25f). Lünenborg erkennt diese Besorgnis an und wertet diesen Konflikt als Spannungsverhältnis zwischen demokratietheoretischen Prämissen und den Anforderungen aus Geschlechterperspektive. Einerseits sei die Gefahr von Sexualisierung und Trivialisierung in aktuellen Formen der Boulevardisierung nicht von der Hand zu weisen (Lünenborg 2009c: 15). Zugleich unterstellt sie dem Ideal des rationalen politischen Diskurses in der (Medien-)Öffentlichkeit »normative Verachtung« für den Boulevard (ebd.: 9), die Ausschlüsse produziere. Denn die politische Berichterstattung sei an Kommunikationsregeln gekoppelt, die der sozialen Realität von bildungsnahen, der deutschen Sprache mächtigen Männern entspringen. Popularisierte Diskurse des Politischen eröffneten hingegen eine Chance zum Neuaushandeln der Geschlechterordnung durch neue Themen, neue Akteur_innen und neue Erzählweisen (ebd.: 14f). Lünenborgs kulturwissenschaftlich geprägtes Verständnis einer boulevardisierten Medienöffentlichkeit trägt feministische Öffentlichkeitskonzepte an aktuelle Phänomene medialer Kommunikation heran und sieht den Boulevard auch als ästhetisches und kulturelles Phänomen. Damit erweitert sie den Blick über skeptische, bis zum Kulturpessimismus reichende Sichtweisen hinaus, ohne demokratietheoretische Probleme und Gefahren der Sexualisierung und Trivialisierung zu ignorieren. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob emanzipative Formen des Boulevards überhaupt denkbar sind. Einerseits lässt sich mit dieser Erweiterung nach der politisch-inklusiven Funktion und nach Chancen zum Neuaushandeln von Geschlechterverhältnissen fragen. Andererseits lässt sich einwenden, dass die aktuellen Formen des Boulevards, die auch die Journalismusforscherin problematisiert, nicht in erster Linie Ausdruck einer ästhetischen oder kulturellen Entwicklung sind, sondern der neoliberalen Vermarktlichung der Medien folgen (Laberenz 2003; Nordmann 2011). Beide Sichtweisen lassen sich nur empirisch prüfen. Damit ergibt sich ein komplexes Setting an theoretischen Bezugspunkten für die Diskussion medialer Repräsentationen als Einflussfaktoren für den Anspruch von Spitzenpolitikerinnen auf Macht. Mit dem Konzept des neuen Strukturwandels sind ökonomische Triebfedern der Medialisierung des politischen Feldes benannt. Zugleich lässt sich mit der feministischen Kritik an diesem Konzept der Androzentrismus der hegemonialen politischen Öffentlichkeit theoretisieren. Lünenborgs Frage nach dem demokratischen Potenzial des Boulevards behält dabei den androzentrischen Bias des ›rationalen Diskurses‹ und die Sexualisierungen, Trivialisierungen und Skandalisierungen auf dem Boulevard gleichzeitig im Blick. Die demokratietheoretische Per-

Theoretischer Rahmen

spektive auf die geschlechtshierarchische Aufladung zunehmend privatisierter politischer Diskurse (Fraser, Holland-Cunz) schließt sich daran an. Diese Komplexität bietet einen Rahmen, um die Modernisierung medialer Repräsentationen der SPDSpitzenkandidatinnen als durch und durch widersprüchlichen Prozess zu theoretisieren. Dabei werden die Grenzen und Verflechtungen zwischen öffentlichem und privatem Raum immer wieder neu ausgehandelt. Der theoretische Rahmen bleibt jedoch unvollständig, wenn nicht auch nachvollzogen wird, wie Geschlecht in Medientexten tatsächlich konstruiert wird, wie also Modernisierungen und Retraditionalisierungen inszeniert werden.

3.3 G ESCHLECHTERWISSEN KONSTRUKTIONEN

ALS

D EUTUNGSRAHMEN

FÜR

Im Fokus von Medienanalysen stehen nicht die in der Gesellschaft oder im sozialen Feld der Politik tatsächlich vorzufindenden bzw. konstruierten Geschlechterverhältnisse, sondern deren Repräsentation in Medientexten. Es geht also nicht um Interaktionen im Sinne des Doing Gender (Goffman 1994; Kessler/McKenna 1978; West/ Zimmerman 1987) oder Konstruktionsprozesse in unterschiedlichen sozialen Feldern (u.a. Gildemeister/Robert 2009; Gildemeister/Wetterer 1992; Hagemann-White 1988; Villa 2007; Wetterer 2002). Vielmehr wird danach gefragt, wie Medientexte Konstruktionen von Geschlecht repräsentieren (Kap. 4.2). Dazu werden Muster, Rahmungen, Attribuierungen, Stereotype, Topoi und Narrative in expliziten Inhalten interpretiert sowie Sinnkonstruktionen und Deutungsangebote ›zwischen den Zeilen‹, also implizite Bedeutungen, rekonstruiert. In beidem kommt ein kollektives Wissen über Geschlecht zum Ausdruck, mit dem die in dieser Arbeit beforschten Politikerinnen als Frauen markiert und in Geschlechterhierarchien eingeordnet werden.9

3.3.1 Döllings Konzept des Geschlechterwissens Die Wissenssoziologie10 definiert Wissen als alles, »was in der Gesellschaft als Wissen gilt, inbegriffen der Gesamtheit der symbolischen Ordnung – von sinnstiftenden privaten Alltagspraxen bis hin zu sehr spezifischem wissenschaftlichen Wissen«. Wissen ist 9 | Diskurstheoretisch dekonstruktivistische Ansätze in der Tradition von Judith Butler (2003) sind für die Fragestellung dieser Arbeit weniger geeignet, da sie kaum Anknüpfungspunkte für Fragen nach sozialer Ungleichheit bieten (Gildemeister 2001: 82; Wetterer 2003: 292). 10 | Diese Arbeit ist in der Politikwissenschaft angesiedelt. Doch die Wissenspolitologie nach Nullmeier eignet sich nicht zur Bearbeitung der leitenden Fragestellung. Nullmeier fragt nach Deutungen und dem zugrunde liegenden Wissen politischer Akteur_innen und begreift Handeln als durch Wissen gesteuert. Nichtintentionales Handeln kann damit nicht erfasst werden (Henninger 2005).

61

62

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

immer gesellschaftlich konstruiert und historisch. »Wir leben also immer in einer vom je aktuell anerkannten Wissen ausgedeuteten und gestalteten Welt.« (Moser 2010: 13) (Kap. 4.1) Angelika Wetterer (2008a) hat diesen Wissensbegriff in Anlehnung an Alfred Schütz’ (1972) drei Idealtypen des Wissens11 für die Geschlechterforschung adaptiert. Sie unterscheidet ebenfalls drei Typen: das alltagsweltliche Geschlechterwissen, die Gender-Expertise und feministische Theorie. Diese Typen entsprechen konkurrierenden Wirklichkeitskonstruktionen, die in unterschiedlichen Praxisfeldern handlungsrelevant sind: in der Alltagspraxis einer zweigeschlechtlich strukturierten Gesellschaft, in den professionellen Handlungsfeldern der Gender-Expert_innen und in der wissenschaftlichen Community. Damit ist allerdings noch nichts über den die Zweigeschlechtlichkeit affirmierenden oder verändernden Gehalt von Wissen ausgesagt. Diese begriffliche Ausdifferenzierung wird im Folgenden nachgezeichnet, um den Begriff Geschlechterwissen für diese Arbeit zu konzeptualisieren. Die Klassiker der sozialen Konstruktion (v.a. Garfinkel 1967; Goffman 1994; Kessler/McKenna 1978; West/Zimmerman 1987) beschrieben zunächst, wie der »zweigeschlechtliche Erkennungsdienst« (Tyrell 1986: 463) im Doing Gender funktioniert. Thematisiert wurde damit auch das zumeist unbewusste und naturalisierte Wissen über die zweigeschlechtliche Ordnung. Nach Harold Garfinkel gibt es drei Grundannahmen über deren Konstruktion, dass nämlich alle Menschen für immer (Konstanz) und aus körperlichen Gründen (Naturhaftigkeit) entweder das eine oder das andere Geschlecht (Dichotomizität) haben. Systematisiert wurde dieses affirmierende Wissen von Carol Hagemann-White (1984) in ihrer Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit und von Stefan Hirschauer (1996) mit seinem Verständnis von Zweigeschlechtlichkeit als Wissenssystem. Hirschauer unterschied drei Wissenssorten, die allerdings mit der wissenssoziologischen Typologie nicht übereinstimmen: Erstens das kognitive oder sprachförmige Wissen, zu dem auch die Zweigeschlechtlichkeit affirmierendes wissenschaftliches Wissen gehöre, zweitens inkorporiertes, praktisches Wissen und drittens Wissen über die visuelle Repräsentation von Geschlecht im Körper (Hirschauer 1996: 249). Mit Letzterem integrierte Hirschauer auch Aspekte der Performativität von Geschlecht. Mit dem Terminus zeitgenössisches Differenzwissen erweiterte Wetterer (2003) Hirschauers affirmierenden Begriff um eine rhetorische Modernisierung. Damit fragte sie erstmals nach Wissen, mit dem Wandel in den Geschlechterverhältnissen begriffen werden kann. Rhetorische Modernisierung meint, dass im diskursiven bzw. diskursfähigen Geschlechterwissen das Sprechen dem Handeln weit vorausgeeilt ist. Letzteres orientiere sich am vorreflexiven alltagsweltlichen Geschlechterwissen, in dem die alten Geschlechterpositionen handlungsleitend bewahrt seien (Wetterer 2008a: 45-46). Dieses Konzept wird in Kapitel 3.3.2 ausgeführt. 11 | Schütz unterscheidet das Alltagswissen der normalen Gesellschaftsmitglieder, das Wissen des wohlinformierten Bürgers und das wissenschaftliche Wissen (Wetterer 2008a: 49-50).

Theoretischer Rahmen

Irene Dölling (2005; Dölling et al. 2003) konzeptualisiert die von Wetterer beschriebene Relation von Beharrung und Veränderung(spotenzialen) mit dem Begriff Geschlechterwissen. Sie fokussiert dabei das Spannungsverhältnis von kognitivem bzw. diskursivem Wissen einerseits sowie »natürlichen Einstellungen« andererseits (Dölling 2005: 52). Ihren sozialkonstruktivistischen Begriff von Geschlechterwissen öffnet sie mit Pierre Bourdieus »Denkwerkzeugen« Habitus und soziales Feld (Engler 2010) für eine gesellschaftstheoretische Perspektive (Wetterer 2008b: 18).12 Mit dieser Verknüpfung lassen sich die beiden Fragestellungen dieser Arbeit ›von der sozialkonstruktivistischen Seite her‹ verbinden (Kap 3.4). Das wird im Folgenden erläutert. Mit Hinweis auf den pluralen Charakter von Wissen entwickelt Dölling eine differenzierte Matrix unterschiedlicher Wissensbestände. Grundlegend ist die Unterscheidung zwischen objektiviertem gesellschaftlichem bzw. kollektivem Geschlechterwissen und individuellem Wissen. Kollektives Geschlechterwissen ist definiert als der kollektive Wissensvorrat einer Gesellschaft »über den Geschlechterunterschied, die Begründungen seiner ›Selbstverständlichkeit‹ und Evidenz, über die (vor-)herrschenden normativen Vorstellungen von den ›richtigen‹ Beziehungen und Arbeitsteilungen zwischen Frauen und Männern«, und zwar differenziert nach den drei Wissenstypen der Wissenssoziologie (Dölling 2005: 50-51). Dieses Reservoir stecke den gesellschaftlichen Rahmen für das individuelle Geschlechterwissen ab, also »den biografisch aufgeschichteten, sich aus verschiedenen Wissensformen zusammensetzenden und strukturierten Vorrat an Deutungsmustern und an Fakten- und/ oder Zusammenhangs-Wissen, mit dem die Geschlechterdifferenz wahrgenommen, bewertet, legitimiert, begründet bzw. als selbstverständliche, quasi ›natürliche‹ Tatsache genommen wird« ( EBD.: 49).

Die Elemente dieses Wissens würden nicht nur rational, bewusst oder reflektiert genutzt. Daneben kämen Wissensbestände »als quasi ›natürliche‹ Einstellungen im praktisch-alltäglichen Handeln unbewusst ins Spiel«. Den natürlichen Einstellungen des Individuums entspricht auf der gesellschaftlichen Ebene das »doxische« Wissen, also »selbstverständliches, unhinterfragtes Wissen, dessen Entstehungszusammenhänge kollektiv und individuell in Vergessenheit geraten sind« (ebd.: 50). Das individuelle Geschlechterwissen bezeichnet Dölling als den Modus, in dem Menschen sich kollektives Wissen (kognitiv oder unbewusst) aneignen. Diese Überlegung integriert Bourdieus Begriff des Habitus. Danach prägt die soziale Welt in einem Prozess der Aneignungsarbeit dem Körper ein fundamentales 12 | Mit den Begriffen Habitus, sozialer Raum, soziales Feld und symbolisches Kapital hat Bourdieu ein Instrumentarium entwickelt, um soziale Praxis, insbesondere Herrschaftsund Machtverhältnisse, aus ihrer eigenen praktischen Logik und ihrem eigenen praktischen Sinn zu reflektieren (Engler 2010: 257).

63

64

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsprogramm auf, das wie eine zweite Natur funktioniere, weitgehend unbewusst sei und den Subjekten als objektiviert und naturalisiert entgegentrete, also der Selbstreflexion und Willenskontrolle oftmals entzogen sei (Bourdieu 1997: 167, 171, 2009: 186f). Dölling greift diesen Gedanken in den »natürlichen Einstellungen« auf. Ihr Begriff Geschlechterwissen schließt unter drei Aspekten an den Habitus an: als Deutungsschema zu dessen Aneignung, als Ergebnis dieses Aneignungsprozesses und als Ausdruck des Habitus. Dieser Prozess vollziehe sich jedoch nicht quasi universell, sondern sei abhängig von der gesellschaftlichen Positionierung: erstens im sozialen Raum, also in Klassen und Schichten, zweitens durch die individuellen Ressourcen an unterschiedlichen Kapitalsorten (Bourdieu 1983), nach denen Menschen drittens Zugang zu sozialen Feldern erhalten oder ausgeschlossen werden. Das soziale Feld definiert Bourdieu als »Netz [...] von objektiven Relationen zwischen Positionen« von Akteur_innen (Bourdieu/Wacquant 1996: 127). Dölling und Krais (2007: 21) konzeptualisieren es als gesellschaftliche Arbeitsteilung. Demnach ist kollektives Wissen zwar prinzipiell allen zugänglich. Das heißt aber nicht, dass sich jedes Individuum alle in der Gesellschaft vorhandenen Wissensbestände aneignen kann. So ist in der Politik anderes Geschlechterwissen relevant als etwa in der Familie, beim Militär oder eben in den Medien. Das Mediensystem lässt sich also als eigenes soziales Feld mit eigenem Geschlechterwissen konzeptualisieren, das über den Begriff der Öffentlichkeit mit dem politischen System verknüpft ist.13 Die in dieser Arbeit beforschten Spitzenkandidatinnen sind damit in doppelte Konstruktionsprozesse involviert, einerseits im politischen Feld, andererseits in den Medien. Anhand ihres Geschlechterwissens produzierten Individuen ihren Sinn für ihre Positionierung (Bourdieu 1991: 17-18; Dölling 2005: 51). Bourdieu spricht von der Verkörperung (»Somatisierung«) gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse im Habitus (Bourdieu 1997: 166f). Das Individuum stehe der Gesellschaft nicht gegenüber, sondern sei eine Seinsform des Sozialen, in der Herrschaftsbeziehungen verankert und Zweigeschlechtlichkeit instituiert sei (ebd.: 167-168; Dölling/Krais 2007: 18-19). Doch obwohl Konstruktion sich in einem sozial strukturierten Raum vollziehe, sei der Habitus nicht einfach durch die Gesellschaft bedingt, sondern rekonstruiere und verändere diese durch das »Mitspielen« in der Gesellschaft (Engler 2010: 259-260; Willems 2007: 217). Dieses relationale Verhältnis von Akteur_innen im jeweiligen Feld zeige sich im Kampf um Ansehen, Macht und Einfluss, also um die Akkumulation symbolischen Kapitals (Bourdieu 1983). Mit seinem Denkmodell fokussiert Bourdieu die Wechselwirkung zwischen sozialer Konstruktion von Realität und gesellschaftlichen Verhältnissen. Damit lässt sich verstehen, wie und warum Beherrschte Herrschaftsverhältnisse akzeptieren, produzieren und reproduzieren (Bourdieu 1997: 170; Krais 2001: 324f). Jedoch fehlt ein Verständnis 13 | Zum Journalismus als soziales Feld und Habitus vgl. auch Schäfer (2004) und Willems (2007).

Theoretischer Rahmen

dafür, wie eine Person von der ›nur‹ Mitspielenden zur Opponierenden wird (Rademacher 2004). Den fehlenden Mosaikstein liefert Dölling. Sie sieht in der Ausdifferenzierung unterschiedlicher gesellschaftlicher Teilsysteme – oder sozialer Felder – anstelle einer »allumfassenden Weltdeutung« die Chance, doxisches Wissen in einzelnen Feldern zu reflektieren, als historisch Gewordenes zu rekonstruieren, kritisch zu befragen, umzudeuten und zu modifizieren (Dölling 2005: 50). Dabei sei sozialer Wandel nicht nur davon abhängig, ob sich Akteure reflektiertes Geschlechterwissen angeeignet hätten, sondern auch davon, ob es »gewinnbringend und erfolgversprechend« eingesetzt werden könne. Das wiederum hänge davon ab, welche Klassifikationen im jeweiligen Feld bisher Konsens seien und was es den Akteur_innen einbringe, »wenn sie diesen Konsens ›stören‹, infrage stellen, neue Klassifikationen ins Spiel zu bringen versuchen etc.« (Dölling et al. 2003: 116-117). Mit dieser Überlegung erweitert Dölling den affirmierenden Begriff von Wissen über Geschlecht um die Frage nach Wandel in den Geschlechterverhältnissen. Für die Fragestellung dieser Arbeit lassen sich die erläuterten Konzepte fruchtbar machen, indem Medientexte als Repräsentationen sozialer Wirklichkeit begriffen werden, in denen kollektives Geschlechterwissen geronnen ist. Sie bieten Deutungsangebote, die auf Basis von individuellem Wissen rezipiert werden. Mit ihrem Expertinnenwissen kann die Forscherin das kollektive Geschlechterwissen rekonstruieren, nicht jedoch individuelle Deutungen (Wetterer 2008b: 30-32). Wohl aber lassen sich mit der Unterscheidung zwischen kognitivem oder diskursivem Wissen einerseits und vorreflexivem Wissen andererseits Spannungsverhältnisse zwischen expliziten Inhalten und impliziten Bedeutungen der Texte diskutieren. Bourdieus Begriff Habitus lässt sich auf das mediale Feld übertragen. Dort geht es jedoch nicht um individuelle Aneignung und Somatisierung, sondern darum, wie Medien habituelle Praktiken und damit die Positionierung der Kandidatinnen im politischen Feld inszenieren. Widersprüche und Brüche in diesen Inszenierungen lassen sich möglicherweise mit differierendem Geschlechterwissen in beiden Feldern, dem politischen und dem medialen, diskutieren. Mit der Verknüpfung von Geschlechterwissen, Habitus und sozialem Feld lässt sich auch der feministischen Kritik an Bourdieu begegnen. Dieser sieht Frauen nicht als Mitspielerinnen, sondern als Instrumente zur Akkumulation symbolischen Kapitals (Bourdieu 1997: 206). Die auf Geschlechtsdifferenzierung gerichtete Sozialisation bestimme Männer dazu, Machtspiele zu lieben, und Frauen dazu, Männer zu lieben, die diese Spiele spielen (ebd.: 201). Frauen kommen also im männlichen Machtspiel nur als Tauschobjekte vor (Rademacher 2004: 131). Damit wird die Dichotomie von Öffentlichkeit und Privatheit reifiziert. Steffani Engler (2010: 263) fragt zu Recht nach all jenen Frauen, die selbst Macht anstreben. Bourdieu (2001: 21-24) beschreibt zwar die Konstruktion der zweigeschlechtlichen Ordnung. Er identifiziert den Körper vermittels des Habitus als durch und durch sozial geworden. Beate Krais (Krais 2001: 322) sieht damit die Unterscheidung zwischen

65

66

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

natürlichem (Sex) und sozialem Geschlecht (Gender) außer Kraft gesetzt. Andererseits ist der Körper bei Bourdieu immer schon männlich oder weiblich (Bourdieu 1997: 169). Dies wiederum reifiziert die Unterscheidung von Sex und Gender.14 Bourdieu fasst Frauen als einheitliches soziales Subjekt mit verallgemeinerbaren Eigenschaften und Zuschreibungen (ebd. 171-172) auf. Er konstruiert Weiblichkeit in Abhängigkeit von Männlichkeit bzw. als das ›nicht Männliche‹ und reifiziert damit die Sicht auf das Männliche als das ursprüngliche, dem Weiblichen vorgängige Geschlecht (ebd.: 160, 179). Mit Döllings Begriff Geschlechterwissen lässt sich Bourdieus Werkzeugkasten nutzen, ohne diesem androzentrischen Blick aufzusitzen. Machtspiele von Frauen können in sozialen Feldern analysiert werden, in denen in Bourdieus Optik Frauen gar nicht mitspielen. Jedoch mit einer Einschränkung: Sowohl das politische als auch das mediale Feld sind androzentrisch strukturiert (Kap. 2.2 und 2.4). Vermittels der Analyse medialer Repräsentationen lässt sich – der Wissenssoziologie folgend – allerdings nur nachvollziehen, wie die zweigeschlechtliche Ordnung im politischen Feld in der zweigeschlechtlichen Optik der Medien konstruiert wird. Über das politische Feld an sich ist damit noch nichts gesagt. Für Aussagen hierzu muss auf den Forschungsdiskurs zurückgegriffen werden (Kap. 2.3).

3.3.2 (Omni-)Relevanz von Geschlecht und rhetorische Modernisierung In Medientexten über die SPD-Spitzenkandidatinnen wird Geschlecht nicht immerzu thematisiert. Doch wie ist angesichts des Ausnahmestatus, den Spitzenkandidatinnen noch immer haben, das Fehlen geschlechtlicher Adressierungen zu interpretieren? Candace West und Don Zimmermann (1987: 137) beantworteten ihre selbstgestellte Frage: »Can we ever not do gender?« mit einem strikten »No«. Nach der Omnirelevanz-These ist es nicht möglich, die Konstruktion von Geschlecht zu unterlassen. Demzufolge wäre der Verzicht auf geschlechtliche Adressierungen in Medientexten eine latente Form der Konstruktion. Doch diese Frage wird unter den Stichworten De-Institutionalisierung, Neutralisierung, Undoing Gender, Dethematisierung, Degendering, Omnipräsenz und rhetorische Modernisierung hoch kontrovers diskutiert. Als »kleinsten gemeinsamen Nenner« zwischen jenen, die weiterhin »Gender als eine der zentralen Basisinstitutionen heutiger Gesellschaften« ansehen, und jenen, die den Status der Geschlechterdifferenz als gesellschaftlicher Leitdifferenz infrage stellen, formuliert Wetterer:

14 | Die Unterscheidung von Sex und Gender erklärt die Diskriminierung von Frauen zwar »als Ergebnis von Geschichte statt als Effekt natürlicher Unterschiede und damit als veränderbar«, bleibt jedoch der Vorstellung einer natürlich binären Verfasstheit der Geschlechter, die kulturellen oder sozialen Prozessen vorgängig sei, verhaftet (Gildemeister/Wetterer 1992: 205).

Theoretischer Rahmen

»(D)ie Modernisierung des Geschlechter verhältnisses hat gegenwärtig einen Stand erreicht, der vor allem durch Widersprüche, Brüche und Ungleichzeitigkeiten gekennzeichnet ist: Brüche zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen und [...] auch innerhalb einzelner Bereiche; Ungleichzeitigkeiten zwischen verschiedenen Regionen und sozialen Milieus; Widersprüche zwischen den verschiedenen Ebenen und Medien der Herstellung und Institutionalisierung geschlechtlicher Differenzierung und Hierarchisierung.« (W ETTERER 2003: 288)

Die Kontroversen über die anhaltende oder schwindende Relevanz von Geschlecht haben mehrere Bezugspunkte. Der Diskurs wird entlang der Frage geführt, ob nun das Aktualisieren oder aber das Neutralisieren von Geschlecht unbewusst bzw. absichtsvoll geschieht. Das tangiert auch den Institutionenbegriff. Daneben werden die Prozesse an der Schnittstelle von Aktualisierung und Neutralisierung fokussiert. Schließlich geht es um den Stellenwert von inkorporiertem, unbewusstem oder naturalisiertem Wissen. Im Folgenden werden die zentralen Ansätze skizziert und begründet, warum Wetterers Konzept der rhetorischen Modernisierung für die hier diskutierte Fragestellung den größten Nutzen bringt. Bettina Heintz und Eva Nadai (Heintz 2008; Heintz/Nadai 1998) sehen aus modernisierungstheoretischer Sicht eine De-Institutionalisierung des Geschlechterverhältnisses. Mit der Durchsetzung der Gleichberechtigungsnorm seien Geschlechterasymmetrien nicht mehr institutionell abgesichert und müssten kontextspezifisch interaktiv hergestellt werden. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Ursula Pasero (1995) aus systemtheoretischer Perspektive. Frauen hätten (wenn auch asymmetrischen oder eingeschränkten) Zugang zu allen gesellschaftlichen Subsystemen. Deren funktionale Ausdifferenzierung mache soziale Kommunikation indifferenter gegenüber physischer Anwesenheit und gegenseitiger Wahrnehmung (also gegenüber interaktiven Konstruktionsprozessen, D.B.). Die Geschlechterdifferenz schrumpfe zu einer sekundären Differenzierung mit gleichwohl diskriminierenden Folgen. Beiden Ansätzen liegt ein enger Institutionenbegriff zugrunde, der institutionalisierte Reproduktionsmechanismen und selbstverständliche Handlungsroutinen ausschließt (Heintz 2008: 233).15 Die Reproduktion geschlechtlicher Differenzierungen wird mit der Verschiebung von einer (institutionalisierten) Routine zu »bewusstem und gezieltem Handeln« (ebd.: 234) erklärt, bei Pasero (1995: 59-63) sogar beschränkt auf direkte Interaktion. Auch Hirschauer (2013) thematisiert das Verhältnis von institutioneller und Handlungsebene, argumentiert jedoch auf Basis eines weiten Institutionenbegriffs 15 | Gildemeister und Wetterer (1992: 237f) begründen den institutionellen Charakter von Geschlecht mit der Integration der Handlungsebene und der sozialen Struktur »als der Verfügbarkeit entzogene Ebene«. Sie definieren Institution als »Regulativmuster menschlichen Handelns und menschlichen Zusammenlebens [...], insbesondere solche, die durch die Verankerung in den Handlungsorientierungen und Sinngebungsmustern der Gesellschaftsmitglieder gekennzeichnet sind«.

67

68

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

umgekehrt. Die Gleichzeitigkeit von Aktualisierung und Neutralisierung der Geschlechterdifferenz stelle institutionelle Geschlechterarrangements unter »Vollzugsvorbehalt« und biete eine Chance zum »Undoing Gender« in Interaktionen (Hirschauer 2013: 166). Hirschauer legt damit seine eigenen Arbeiten zur Bedeutung von inkorporiertem Wissen (s.S. 62) quasi ad acta und stellt Geschlechtskategorisierungen dem »sozialen Vergessen« oder der aktiven »Spielverweigerung« anheim (ebd.: 160, 164). Er erklärt dies zu einem ebenso bewussten Akt wie Heintz und Nadai die Reproduktion der zweigeschlechtlichen Ordnung. Regine Gildemeister (2005) und Angelika Wetterer (2003) richten den Fokus auf Prozesse an den Schnittstellen zwischen Aktualisierung und Neutralisierung von Geschlechtskategorisierungen. Gildemeister (2005: 67f) fragt danach, wie trotz modernisierter Geschlechterarrangements und proklamierter Gleichheit Differenz immer wieder aktualisiert wird. Sie geht Annahmen über Status und Wertunterschiede zwischen den Geschlechtern nach und deckt auf, wie anhaltende Ungleichheit mit falschen Präferenzen von Frauen statt mit gesellschaftlichen Verhältnissen erklärt werden. Mit ihrem Konzept der rhetorischen Modernisierung schließt Wetterer an Gildemeister an und betrachtet anhand von Erving Goffmans institutioneller Reflexivität (Goffman 1994: 107) den Institutionalisierungsprozess von Geschlecht.16 Die Geschlechterarrangements seien Voraussetzung dafür, »dass Alltagswissen und Alltagshandeln sich reflexiv und einverständlich aufeinander beziehen können, weil im Vollzug des Handelns interaktiv validiert wird, was im Repertoire des alltagsweltlichen Differenzwissens über den Unterschied der Geschlechter be- und anerkannt ist.« (W ETTERER 2003: 294)

Dieses »passgenaue Ineinandergreifen von Geschlechterwissen und Geschlechterarrangements«, das schöne »Einverständnis zwischen kognitiv-diskursivem, inkorporiertem und praktischem Wissen« (Wetterer 2008b: 34) stelle sich jedoch nicht mehr ein, weil sich das Alltagswissen grundlegend verändert habe (Wetterer 2003: 295). Gleichberechtigung und Individualisierung sei in bestimmten Milieus hegemonial geworden. Kulturelle Deutungsmuster, Selbstkonzepte, Geschlechterdiskurse und der diskursfähige Teil der Geschlechternormen hätten sich von »›alten‹ Selbstverständlichkeiten« verabschiedet, soziale Strukturen, Institutionen und vielfach auch Alltagshandeln jedoch nicht unbedingt. Damit kämen Geschlechterhierarchien nicht mehr zur Sprache, Ungleichheit werde dethematisiert (ebd.: 289-290). Wetterer beschreibt, wie Geschlechternormen, die nicht thematisiert werden (können), vom Expliziten in die Latenz abtauchen (ebd.: 291-292, 299). Dabei unterlaufe das inkorporierte, unbewusste Wissen permanent das diskursive, also bewusste 16 | Institutionelle Reflexivität besagt, »daß das soziale Geschlecht so institutionalisiert wird, daß es genau die Merkmale des Männlichen und Weiblichen entwickelt, welche angeblich die differente Institutionalisierung begründen« (Kotthoff 1994: 162).

Theoretischer Rahmen

Wissen (ebd.: 296-307). Im Kontext dieser Arbeit können mit diesem Ansatz Widersprüche zwischen expliziten und impliziten Bedeutungen von Medientexten theoretisiert werden. Er liefert auch einen Erklärungsrahmen dafür, dass sich der Ausnahmestatus und Einfluss von Frauen in politischen Spitzenpositionen nur allmählich verändert, obwohl niemand mehr ernsthaft die politische Gleichheit von Frauen bestreiten würde. Allerdings bleibt bei Wetterer ungeklärt, wie sich Geschlechterverhältnisse wandeln können, wenn das unbewusste Wissen – bildlich gesprochen – Veränderungsimpulsen immer wieder ein Bein stellt. Wetterer erkennt diese Option zwar in den Brüchen der institutionellen Reflexivität (ebd.: 315-316), jedoch innerhalb sehr langer Zeitspannen, weil sich dazu inkorporiertes Wissen ändern müsse (Wetterer 2008b: 33). Doch wie und mit welchen Impulsen wird unbewusstes Wissen modernisiert? Döllings Konzept vom Geschlechterwissen greift auf diskursfähiges Wissen zurück, um Wandel in den Geschlechterverhältnissen zu verstehen. Dieser sei abhängig vom Nutzen diskursiven Veränderungswissens in einem sozialen Feld (s.S. 65). Damit richtet Dölling den Fokus auf das Spannungsverhältnis zwischen kollektivem und individuellem Wissen einerseits sowie dem sozialen Feld andererseits. Bezogen auf die Medien könnte das heißen: Diskursfähiges Veränderungswissen schafft es dann ›ins Blatt‹, wenn sich die jeweilige Medienorganisation, z.B. bezogen auf Zielgruppen, einen Nutzen davon verspricht. Ist diese Hürde überwunden, werden die Texte auf Basis individuellen Geschlechterwissens rezipiert, wodurch sich allmählich auch unbewusstes Wissen ändern kann. Dieser Gedanke verknüpft die sozialkonstruktivistische Perspektive mit dem gesellschaftstheoretischen Zugang. Das wird im nächsten Kapitel weiterentwickelt.

3.4 V ERKNÜPFUNGEN : G ESCHLECHTERWISSEN D EUTUNGSRAHMEN FÜR Ö FFENTLICHKEIT

ALS

Der gesellschaftstheoretische Rahmen dieser Arbeit ist die feministische Kritik am Konzept eines neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit, der in der Medialisierung des politischen Feldes seinen Ausdruck findet. Daran schließt ein Diskurs über nichtdichotome Verständnisse von Öffentlichkeit und Privatheit, z.B. in der Boulevardisierung politischer Medien, an. Die veränderten Medienlogiken, die mit diesen Prozessen einhergehen, lassen sich nicht nur als Ausdruck einer Krise der Öffentlichkeit betrachten, sondern auch als Chance zum Neuaushandeln von Geschlechterverhältnissen. Die Frage nach medialen Repräsentationen von Geschlecht wird anhand der Kategorie Geschlechterwissen theoretisiert. Dem Verständnis von Ungleichzeitigkeiten und Modernisierungen in diesen Repräsentationen dient daneben das Konzept der rhetorischen Modernisierung. Im Folgenden wird erläutert, wie die konstruktivistische Fragestellung (Wie wird Geschlecht in Medientexten konstruiert?) mit der gesellschaftstheoretischen Perspektive

69

70

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

(Welche Bedeutung haben mediale Repräsentationen für den Anspruch der Politikerinnen auf Macht?) theoretisch verknüpft werden kann. Dazu werden die genannten theoretischen Konzepte zueinander in Beziehung gesetzt. 1. Geschlechterwissen als Referenzrahmen für öffentliche Diskurse Die Kategorie Wissen verbindet alle theoretischen Elemente miteinander. Imhof bezeichnet Öffentlichkeit als »Referenzrahmen für Dinge, die als allgemein bekannt gelten oder von denen Kenntnis zu nehmen allen möglich ist« (Imhof 2011: 31). Gesellschaftliche Kommunikation sei auf lebensweltliches Wissen angewiesen, das über Lernprozesse hergestellt werde. Wissen und Lernprozesse beschränkten die Variabilität von Inhalten öffentlicher Kommunikation (ebd.: 32f). Mit dem Begriff Geschlechterwissen lässt sich dieser Gedanke für die Kategorie Geschlecht konzeptualisieren. Allgemein bekannt ist kollektives Geschlechterwissen. Individuelles Geschlechterwissen wird in Lernprozessen hergestellt. Dabei hängt die Möglichkeit, Dinge zur Kenntnis zu nehmen und an öffentlichen Diskursen teilzunehmen, vom individuell verfügbaren symbolischen Kapital und damit von der Position im sozialen Raum ab. Insofern ist es eben nicht allen Menschen möglich, alle Dinge in der von Imhof hegemonial konzipierten Öffentlichkeit ›zu wissen‹. Vielmehr weist Dölling auf unterschiedliche Bestände von Geschlechterwissen in unterschiedlichen sozialen Feldern hin. Darin erkennt sie auch die Chance, das doxische Wissen (s.S. 63) einzelner Felder zu reflektieren. Konkret: Mit dem wissenschaftlichen Geschlechterwissen der Forscherin lässt sich das den medialen Repräsentationen zugrunde liegende doxische Geschlechterwissen rekonstruieren. Damit ist es auch möglich, nicht-dichotome Vorstellungen des Verhältnisses von Öffentlichkeit und Privatheit in diesen Repräsentationen zu erkennen. 2. Der rationale Diskurs als rhetorische Modernisierung von Geschlechterverhältnissen Mit der zweiten Differenzierungsachse in Döllings Geschlechterwissen, der Unterscheidung von kognitivem und diskursfähigem Wissen einerseits und natürlichen Einstellungen bzw. doxischem Wissen andererseits, kann Imhofs Gegenüberstellung der normativ-kognitiven Dimension von Medienkommunikation und der moralischaffektiven Dimension, die als »kognitiv defizitär und unterhaltungsorientiert« qualifiziert wird (s.S. 52), diskutiert werden. Indem Medienkommunikation als Repräsentation sozialer Realität begriffen wird, lässt sich verstehen, wie in Medientexten diskursfähiges Wissen und die kognitive Kommunikation über Geschlechterverhältnisse als rhetorische Modernisierung der sozialen Realität vorausgeeilt sind. In dieser Perspektive käme in boulevardisierten Formaten vorreflexives Geschlechterwissen zum Ausdruck, das als Seismograf der tatsächlichen Modernisierung gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse betrachtet werden kann. Die beschriebene Kombination theoretischer Perspektiven erlaubt es damit, widersprüchliche Entwicklungen medialer Geschlechterkonstruktionen zwischen Modernisierung und Retraditionalisierung und deren Bedeutung für den Anspruch von Spitzenpolitikerinnen auf Macht zu diskutieren.

4. Forschungsdesign und Methode

Für die Sichtbarkeit und die Machtansprüche von Frauen in politischen Spitzenpositionen sind der androzentrische Charakter von Anforderungen (Kap. 2.2) und der Positionierung von Frauen im politischen Feld (Kap. 2.3) als Einflussfaktoren von Bedeutung. Daneben spielen mediale Repräsentationen eine zentrale Rolle (Kap. 2.4). Die meisten Menschen beziehen ihr Wissen über politische Prozesse und über Politiker_innen im Wesentlichen aus Medien. Da sie Medienbilder in ihr Entscheidungshandeln einbeziehen, wirken sich diese auf die Machtansprüche und Erfolgsaussichten von Spitzenpolitikerinnen aus. Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit richtet sich darauf, diese Bedeutung medialer Repräsentationen genauer zu beschreiben. Dazu werden Konstruktionen von Geschlecht in den Medien analysiert. In medialen Inszenierungen – Mustern, Rahmungen, Attribuierungen, Stereotypen, Topoi und Narrativen – werden Logiken und Thematisierungsweisen herausgearbeitet, in denen Medien Geschlecht repräsentieren (Lünenborg/Maier 2013: 98-107). Im Zentrum des Erkenntnisinteresses stehen dabei nicht die Konstruktionsprozesse an sich. Vielmehr werden die Ergebnisse dieser Prozesse als Einflussfaktoren für Karrierechancen und Machtansprüche von Spitzenpolitikerinnen in einer medialisierten politischen Öffentlichkeit diskutiert. Zunächst werden die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen der Untersuchung reflektiert: das sozialkonstruktivistische qualitative Forschungsparadigma (Kap. 4.1) und Medientexte als Repräsentationen sozialer Realität (Kap. 4.2). Anschließend werden die Forschungsfragen entwickelt, die zugrunde liegenden Annahmen erhellt und die sich darauf beziehenden Analysedimensionen benannt (Kap. 4.3). Im Sampling, also Auswahl der Spitzenpolitikerinnen und zeitliche Eingrenzung (Kap. 4.4) sowie Medienauswahl und Bestimmung des Textkorpus (Kap. 4.5), wird die Untersuchung operationalisiert. Sodann wird dargelegt, wie die qualitative Inhaltsanalyse und die Sequenzanalyse (Kap. 4.6) sich als Analyseverfahren ergänzen. Das Kapitel schließt mit der Reflexion des Forschungsprozesses (Kap. 4.7) und der Überprüfung der Vorgehensweise entlang der Gütekriterien qualitativer Sozialforschung ab (Kap. 4.8).

72

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

4.1 E RKENNTNISTHEORETISCHE R EFLEXION I: H INWEISE ZUM F ORSCHUNGSPARADIGMA Die Untersuchung folgt einem sozialkonstruktivistischen Paradigma. Ich betrachte Geschlecht als sozial konstruiert und in Gestalt von Zweigeschlechtlichkeit als Teil der symbolischen Ordnung (Bourdieu 1997; Engler 2005) (Kap. 3.3). Die Wissenssoziologie begreift auch Wissen als Konstruktion (Kap. 3.3.1). Wissen und Erkenntnisproduktion, auch über Geschlecht und gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse, sind immer von sozialen, historischen und persönlichen Kontexten abhängig (Flick 2008; Schindler 2005). Daten erhalten ihre Bedeutung aufgrund des Erkenntnisinteresses und des Wissens der Forscherin (Meyen et al. 2011: 33; Reichertz 2005). Und die feministische Theorie hält dem »Anspruch auf Allgemeingültigkeit und der angeblichen Geschlechtsneutralität wissenschaftlicher Aussagen […] die Grundannahme entgegen […], dass jede Erkenntnisproduktion kontextabhängig ist. Die gesellschaftlichen Standorte der Forschenden, ihre Interessen und theoretischen Vorannahmen beeinflussen demnach die Auswahl von Forschungsthemen und Methoden genauso wie den Prozess und die Auswertungsstrategien empirischer Forschung.« (A LTHOFF ET AL . 2001: 253)

Da in dieser Arbeit nach der Konstruktion von Geschlecht in den Medien, also nach dem Wie gefragt wird, ist das Verfahren qualitativ. Ziel ist nicht, die Häufigkeit bestimmter Muster auszuzählen, sondern Konstruktionen in einer begrenzten Zahl von Fällen zu rekonstruieren und auf eine Theorie hin zu verallgemeinern (Rosenthal 2011: 13). »Ausgehend von der Annahme, dass sich der Sinn in Texten und Interaktionen, also in den Produkten und Prozessen sozialen Handelns, nicht einfach quantitativ bestimmen lässt, weil er selbst aus einer aufwändigen individuellen wie kollektiven Bedeutungskonstruktion und Selbst- bzw. Fremdinterpretation der sozialen Akteure hervorgeht, muss der qualitative Forscher rekonstruktive Sinninterpretationen leisten, um die soziale Welt und ihre Artefakte zu verstehen.« (B LATTER ET AL . 2007: 26)

Die Kontextabhängigkeit von Erkenntnisproduktion rückt die Position der Forscherin in den Blick. Nach Jo Reichertz (2015: Abs. 8-18) findet sich deren Subjektivität im gesamten Forschungsprozess, von der Themenfindung und Fragestellung über die Datenerhebung und Auswertung bis zur Theoriebildung. Deswegen kommt den Gütekriterien (Kap. 4.8) und einem selbstreflexiven Umgang mit der eigenen Vorgehensweise (Kap. 4.7) besondere Bedeutung zu. Im Erkenntnisinteresse aus politikwissenschaftlicher Perspektive, der Analyse von Medientexten als kommunikationswissenschaftlicher Methode und dem Geschlechterwissen als wissenssoziologischem Bezugsrahmen offenbart sich ein interdisziplinäres Design. Dies wurde zwar in der Geschlechterforschung von Beginn an

Forschungsdesign und Methode

gefordert, ist aber Gudrun-Axeli Knapp (2012) zufolge weitgehend Postulat geblieben. Die Interdisziplinarität liegt daneben in der Medialisierung des politischen Feldes begründet, die »Importe aus anderen Wissenschaftsfeldern« notwendig mache. Politikwissenschaftliche Studien müssen demnach verstärkt mit »Kultur- und Medienkompetenzen« fundiert werden (Blatter et al. 2007: 19; Dorer et al. 2008: 8).

4.2 E RKENNTNISTHEORETISCHE R EFLEXION II: M EDIENTEXTE ALS R EPRÄSENTATIONEN Politische (Qualitäts-)Medien erheben den normativen Anspruch, als die Arenen der politischen Öffentlichkeit unverzichtbar zu sein für die Demokratie (Blum 2011; Jarren/ Vogel 2011: 20f) (Kap. 4.5.1). Sie liefern Deutungen über das politische Feld und die dort handelnden Akteur_innen. Und sie produzieren Wissen über die gesellschaftliche Relevanz von politischen Persönlichkeiten, über ihre Macht und Anerkennung, über ihren Charakter und ihre Eigenschaften (Grittmann/Maier 2014: 155). Dadurch wird die Handlungsmacht von Politiker_innen verhandelt und im Kontext der zweigeschlechtlichen Ordnung männlich oder weiblich kodiert. Doch was über Spitzenpolitikerinnen ›in der Zeitung steht‹, gibt nicht Realität wieder, sondern repräsentiert Realität. Realität wird nicht einfach abgebildet oder widergespiegelt. Vielmehr wird nach einer konstruktivistischen Repräsentationstheorie etwas dargestellt, was die Rezipierenden nicht selbst wahrnehmen können. Medien erschaffen ein eigenes Konstrukt der Realität, die sie thematisieren. »Repräsentation meint in diesem Sinne einen komplexen Prozess der Herstellung von Bedeutungen.« (Lünenborg/Maier 2012: 66) »BerichterstatterInnen definieren, was Nachrichten sind, wählen Nachrichten aus, ordnen, redigieren und formen sie, übersetzen Ereignisse in ihre repräsentativen Bilder, transponieren Geschehnisse in eine limitierte Anzahl von Worten und Bildern, um daraus eine ›Geschichte‹ zu machen, und benutzen Interpretationsschemata, um uns die soziale Realität zu erklären. [...] Nachrichten sind nicht ›Realität‹, sondern Repräsentanten von Realität, kodiert in Botschaften und Bedeutungen.« (H ALL 2000: 135)

Die Konstruktion von (Be-)Deutungen über Geschlecht vollzieht sich also vor allem über die Auswahl dessen, was relevant gesetzt wird oder eben nicht, über Bewertungsund Interpretationsschemata sowie über Attribuierungen. Mithin kann der Begriff Repräsentation auch als Ergebnis von Konstruktionen zweiter Ordnung aufgefasst werden.1 Er beinhaltet, dass das, was medial konstruiert wird, für etwas anderes stehen 1 | Im Sozialkonstruktivismus werden die Alltagskonstruktionen der Menschen als Konstruktionen erster Ordnung bezeichnet. Deren Analyse, etwa in den Sozialwissenschaften, gilt als Konstruktionen zweiter Ordnung (Reichertz 2013b: 60; Soeffner 2008: 167).

73

74

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

soll, was ebenfalls konstruiert ist, nämlich für einen bestimmten Ausschnitt sozialer Wirklichkeit. Hall versteht Nachrichtenproduktion als soziale Praxis, die einen Kommunikationskreislauf aus Produktion, Verbreitung und Rezeption initiiert und strukturiert (ebd.: 133). In sie gehen unter anderem institutionelles und professionelles Wissen ein (Hall 2004: 68). Auch die Rezipient_innen benötigen einen Interpretationsrahmen, um Botschaft und Bedeutung zu verstehen (Hall 2000: 135). Bourdieu (1983) zufolge hängt dies vom zur Verfügung stehenden Kapital und der Position im sozialen Raum ab, also auch vom individuellen Wissen. Bezogen auf die Kategorie Geschlecht lässt sich damit kollektives Geschlechterwissen als Schmiermittel dieses Kreislaufs verstehen, während der Interpretationsrahmen der Rezipient_innen durch individuelles Geschlechterwissen (mit-)bestimmt wird (s.S. 63f). Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind Medientexte als Ausschnitt aus diesem Prozess, welche die in Medien hergestellten sozialen Bedeutungen repräsentieren. In der Untersuchung werden Aussagen, Interpretationsschemata, Deutungen und Sinnkonstruktionen zu Geschlecht und gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen als Ausdruck eines zugrunde liegenden kollektiven Geschlechterwissens analysiert. Auf individuelle Sinnkonstruktionen der Produzent_innen oder auf Produktionsbedingungen lässt sich anhand der Texte nicht schließen. Welche Intentionen die Produzent_innen hatten, ob in der Textanalyse herausgeschälte implizite Vergeschlechtlichungen von ihnen als solche ›gemeint‹ waren, kann nicht rekonstruiert werden. Letztlich ist dies für das Erkenntnisinteresse auch nicht entscheidend. Denn Texte entfalten Bedeutung für die Rezipient_innen unabhängig von den Produktionsbedingungen und Intentionen der Produzent_innen. Wenn eine bestimmte Deutung in einer medialen Darstellung angelegt ist, kann sie bei der Rezeption prinzipiell auch aktualisiert werden, unabhängig davon, ob der oder die Produzent_in das intendierte. Deutungen in Medientexten sind jedoch nicht fix. Rezipient_innen konstruieren ihre eigenen Lesarten aufgrund ihrer Positionierung im sozialen Raum und aufgrund ihres individuellen Geschlechterwissens. Dies ist eine Frage der Rezeptionsforschung, die den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Gleichwohl ist auch die Forscherin bei der Textanalyse Rezipientin, wenn auch mit spezifischem Erkenntnisinteresse und spezifischem Wissen, u.a. über die Kategorie Geschlecht und Zweigeschlechtlichkeit als symbolische Ordnung.

4.3 F ORSCHUNGSFRAGEN

UND FORSCHUNGSLEITENDE A NNAHMEN

In dieser Untersuchung wird analysiert, welche Botschaften, Deutungen und Interpretationen von Geschlecht Medien repräsentieren. Dem wird anhand von sechs Forschungsfragen nachgegangen. Gefragt wird nach den Konstruktionen von Geschlecht, nach Kontexten, in denen diese Kategorie relevant gesetzt wird, und nach dem Ver-

Forschungsdesign und Methode

hältnis von öffentlicher und privater Sphäre in den Repräsentationen. Fragen danach, wie sich diese Konstruktionen wandeln, beziehen sich auf Entwicklungen im Untersuchungszeitraum und auf unterschiedliche politische Kontexte. In der Frage nach der Bedeutung dieser Repräsentationen für den Anspruch der Politikerinnen auf politische Macht werden die Befunde der vorgängigen empirischen Fragen diskutiert. Unterschiede zwischen einzelnen Medien stehen dabei nicht im Fokus. Im Folgenden werden die Fragen erläutert, mit Annahmen verknüpft, die sich aus dem Vorverständnis aufgrund der Forschungsdiskurse ergeben, sowie mit Analysedimensionen zur Operationalisierung unterlegt. Dabei lassen sich die Dimensionen nicht immer trennscharf einer bestimmten Forschungsfrage zuordnen. Forschungsfrage 1: Wie wird Geschlecht in medialen Repräsentationen von Wahlkampf und Wahlergebnis konstruiert? Ich nehme an, dass die SPD-Kandidatinnen als das andere Geschlecht inszeniert werden, da geschlechtlich kodierte Zuschreibungen mit politischer Handlungsmacht verknüpft sind und der Mann weiterhin das unhinterfragte Geschlecht in der Politik ist (Lünenborg/Maier 2012: 77) (s.S. 35). Thematisierungen politischer Kompetenz, von Durchsetzungsfähigkeit und Erfolg dürften vermutlich eher männlich kodiert sein, Beschreibungen von Inkompetenz, Schwäche und Misserfolg eher weiblich kodiert. Daneben gehe ich davon aus, dass Charakterisierungen, die mit der Personalisierung und Medialisierung von Politik an Bedeutung gewinnen, wie sympathisches Auftreten, Authentizität und Glaubwürdigkeit, geschlechtlich kodiert sind oder sogar Geschlechterstereotype aktualisieren. Damit würde der Double Bind (Jamieson 1995) (s.S. 27f), also Widersprüche zwischen Erwartungen an Weiblichkeit und an Menschen im politischen Feld, wirksam bleiben und sich nur allmählich auflösen. Für die Frage nach der Konstruktion von Geschlecht werden Thematisierungen von Eigenschaften, Kompetenzen und Emotionen betrachtet. Daneben geht es um (wertschätzende oder trivialisierende) professionelle und private Adressierungen. Politische Ambitionen sowie die Zuschreibung von Macht(-losigkeit), (Miss-)Erfolg und Glaubwürdigkeit geben Auskunft darüber, wie Medien die Kandidatin im politischen Feld positionieren. Forschungsfrage 2: In welchem Kontext und wie wird Geschlecht relevant gesetzt – oder eben nicht? Trotz des Ausnahmestatus, den Spitzenpolitikerinnen heute noch haben, ist Geschlecht in den Medien kein immerzu sichtbarer roter Faden. Wenn diese Kategorie thematisiert wird, ist das mit einer (Be-)Deutung in Bezug auf die zweigeschlechtliche Ordnung verbunden. Gefragt werden muss daher auch nach Kontexten, in denen Geschlecht nicht relevant gesetzt wird. Da der Mann als das implizite Geschlecht in der Politik gilt und Zuschreibungen in den Medien vergeschlechtlicht sind, vermute ich, dass Geschlechtskategorisierungen

75

76

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

in Inszenierungen der Kandidatinnen mindestens implizit immer vorhanden sind. Geschlecht liefe sozusagen als zweite Ebene immer mit. Die immer deutlichere Sichtbarkeit von Spitzenpolitikerinnen legt allerdings die Annahme nahe, dass dieser Ausnahmestatus immer seltener verhandelt wird, sodass Ungleichheiten auf der Achse Geschlecht im politischen Feld dethematisiert würden. Auch für mediale Kritik an oder Skandalisierungen von Politikerinnen dürfte die Kategorie Geschlecht weiterhin relevant bleiben. Solche Inszenierungen werden vermutlich weiterhin genutzt, um Politikerinnen abzuwerten und zu diskreditieren (Kap. 2.4.4). Zur Untersuchung werden die Dimensionen aus Forschungsfrage 1 ebenfalls herangezogen. Daneben wird die Frage nach der Relevanz von Geschlecht anhand von Aussagen über Geschlecht und Geschlechterpolitik sowie anhand von Skandalisierungen untersucht. Forschungsfrage 3: Welches Verhältnis von öffentlicher und privater Sphäre zeigt sich in medialen Repräsentationen von Geschlecht? Theoretischer Rahmen dieser Arbeit ist die feministische Kritik am geschlechtshierarchischen dichotomen Verständnis vom Verhältnis von öffentlicher und privater Sphäre im Konzept der bürgerlichen Öffentlichkeit. Wenn sich Repräsentationen von Politikerinnen in den Medien ändern, lässt sich daraus auf einen Wandel in diesem Verständnis schließen. Auf Basis dieses Gedankens vermute ich, dass zur hinlänglichen Beschreibung einer Politikerin der private Kontext zwar nach wie vor dazugehört. Allerdings spielt im Zuge der Personalisierung von Politik die Inszenierung der Familie und des Privaten auch bei Politikern eine immer größere Rolle. Das könnte zur Folge haben, dass die Sphäre, in der Frauen einer bürgerlichen Vorstellung zufolge verortet sind, politisch aufgewertet wird und Politikerinnen in medialen Inszenierungen davon profitieren. Gleichwohl spricht wenig dafür, dass Abwertungen aufgrund von zugeschriebenen Erwartungen aus der privaten Sphäre verschwinden. Vielmehr vermute ich, dass der postulierte Wandel widersprüchlich bleibt. Die Bedeutung des Körpers für die Konstruktion von Geschlecht dürfte sich auch in meinem Sample zeigen (Mühlen Achs 1995) (Kap. 2.4.5). Inszenierungen des Körpers und des Äußeren müssten mithin bei den Politikerinnen auf Erwartungen an Weiblichkeit verweisen. Das vermutete Spannungsverhältnis von Chancen und Risiken privater Inszenierungen wird in einer eigenen Analysedimension betrachtet. Im Zentrum stehen familiäre Kontexte, Herkunft und Lebensweg. Daneben wird in einer Dimension nach Körperkonstruktionen gefragt. Forschungsfrage 4: Wie wandeln sich Repräsentationen von Geschlecht, sowohl bei mehreren Wahlen einer Kandidatin als auch im gesamten Zeitraum von 1994 bis 2012? Ich nehme an, dass die Medien die zunehmende Sichtbarkeit von Frauen im politischen Feld (bei allen Brüchen) repräsentieren. Doch inwiefern ändert sich dabei die geschlechtliche Kodierung von politischen Kompetenzen und politisch relevanten

Forschungsdesign und Methode

Eigenschaften? In der Vergangenheit wirkten »gegengeschlechtliche« Zuschreibungen sowohl für Männer als auch für Frauen prekär und tendenziell abwertend (SchölerMacher 1994: 43f). Ob sich hier Dethematisierungen feststellen lassen bzw. ob sich der Befund von Margreth Lünenborg und Tanja Maier (2012: 88-92) (s.S. 37) bestätigt, wonach Geschlechterstereotype zwar nicht verschwinden, ihre Zuschreibung sich aber vom sozial wahrgenommenen Geschlecht entkoppelt, muss sich zeigen. Die Bedeutung der Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin für die Modernisierung medialer Geschlechterbilder wird kontrovers diskutiert: als Ausnahme, als Katalysator oder als Beispiel für die Kontextabhängigkeit von Geschlechterkonstruktionen (Absolu 2014; Kutt 2010; Merkle 2015). Wegen der Hinweise auf widersprüchliche Modernisierungen erwarte ich Belege für die These der Kontextabhängigkeit (Kap. 2.4.8). Neben einer Betrachtung aller Dimensionen im Zeitverlauf werden für diese Forschungsfrage Kontextualisierungen mit dem jeweiligen Gegenkandidaten, mit anderen Politiker_innen, Inszenierungen von Macht(-losigkeit), (Miss-)Erfolg und Glaubwürdigkeit herangezogen. Forschungsfrage 5: Wie verändern sich die Befunde bei Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung, insbesondere im Kontext von Erfolg und Scheitern? Mit der Kandidatur als Ministerpräsidentin gerät die Handlungsmacht der Politikerin stärker in den Blick als bei einer Landtagswahl, zumal dann, wenn das Vorhaben als riskant und politisch hoch umstritten medial verhandelt wird, wie in den drei Fällen mit dem Ziel einer Minderheitsregierung (Kap. 4.4.2). Das Scheitern von Heide Simonis 2005 und Andrea Ypsilanti 2008 wurde in den Medien breit verhandelt. Die hier entwickelten Annahmen sind davon beeinflusst. So erwarte ich Kontexte, in denen Geschlecht abwertend und skandalisierend inszeniert wird. In den Repräsentationen der Wahl von Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen (NRW) 2010 dürften diese Beispiele eine Rolle spielen. Forschungsfrage 6: Welche Bedeutung haben diese medialen Repräsentationen für den Anspruch der Spitzenkandidatinnen auf politische Macht? Da Bürger_innen ihr Wissen über Politik und politische Akteur_innen überwiegend aus Medien beziehen, beeinflussen deren Inszenierungen die Chancen von Spitzenpolitikerinnen auf Macht. Die Frage nach der Bedeutung dieses Einflusses bildet den Kern einer resümierenden Gesamtbetrachtung der Medienanalysen anhand der fünf empirischen Forschungsfragen. Von den verallgemeinerten Befunden als geronnenes kollektives Geschlechterwissen soll auf Konsequenzen für die politische Praxis geschlossen werden. Ich vermute, dass Politikerinnen in einem medialisierten politischen Feld weiterhin ihr Geschlecht und ihre Körperlichkeit reflektieren müssen, um nicht in die Falle des Double Bind zu tappen. Zugleich dürfte sich eine kontextabhängige und widersprüchliche Modernisierung medialer Inszenierungen zeigen. Auch die veränderte Bedeutung des Privaten in medialen Repräsentationen birgt

77

78

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

vermutlich sowohl Chancen als auch Risiken. Durch private Rahmungen bei der Inszenierung von Politikerinnen könnte die private Sphäre politisiert werden. Attribuierungen, die in diesem Raum von Bedeutung sind, könnten aufgewertet und politisch relevant gesetzt werden. Das Risiko retraditionalisierter Inszenierungen dürfte aber – kontextbezogen – bestehen bleiben.

4.4 S AMPLING I: D IE P OLITIKERINNEN Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit Spitzenpolitikerinnen. In der Studie Spitzenfrauen im Fokus der Medien (Lünenborg/Röser 2012b) wurden als solche bundespolitische Führungspositionen definiert: Mitglieder der Bundesregierung, Parteispitzen und Kandidatinnen für das Amt der Bundespräsident_in (Lünenborg/Röser 2012a: 27). Im föderalen System der Bundesrepublik gehören allerdings die gleichen Funktionen (soweit vorhanden) auf Landesebene ebenfalls dazu. Trotz der anhaltenden Unterrepräsentanz von Frauen in politischen Führungspositionen (s.S. 10) sind die Spitzenpolitikerinnen inzwischen so zahlreich, dass die Gruppe für die Untersuchung eingegrenzt werden muss. Das betrifft sowohl die Personen (Kap. 4.4.1) also auch den untersuchten Zeitraum (Kap. 4.4.2). Anders als in quantitativen Verfahren wird keine repräsentative Stichprobe angestrebt. Vielmehr soll mit einer bewussten Auswahl ein möglichst hoher Erkenntnisgewinn in Bezug auf die Fragestellung erzielt werden. Die Auswahl soll nach gegenstandsbezogenen Kriterien eine möglichst hohe Informationsdichte2 gewährleisten und eine Verallgemeinerung auf den theoretischen Rahmen der Untersuchung hin ermöglichen (Schreier 2010). Die Informationsdichte bzw. Informationshaltigkeit ist inhaltlich bestimmt und bezieht sich vor allem auf Aussagen über die Kandidatin, ihre Politik und den Wahlkampf. Ein Theoretical Sampling hingegen ist angesichts der zeitlichen Bestimmung des Textkorpus weniger praktikabel (Kap. 4.4.2). Im Folgenden werden die Kriterien und die sich daraus ergebende Auswahl erläutert.

4.4.1 Auswahl der Kandidatinnen Die Beschränkung der Untersuchung auf SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen ergibt ein Sample von sechs Kandidatinnen und elf Wahlen. Die Auswahl beinhaltet sowohl positive Kriterien, die eine hohe Informationsdichte sicherstellen, als auch Ausschlüsse. Im Blick stehen Kandidatinnen. Die Politikerinnen streben eine Position an und 2 | Auf der Textebene impliziert dieser Anspruch eine erste Textanalyse. Nur mit einem analysierenden Blick kann die Informationshaltigkeit eines Textes beurteilt werden. Im Fokus standen dabei der Umfang, die Dichte der Beschreibung und die Frage, ob angesprochene Inhalte bereits in anderen Texten thematisiert werden.

Forschungsdesign und Methode

müssen sich dafür zur Wahl stellen. Zu vermuten ist, dass in der Thematisierung von Erfolg(-saussichten) und Niederlage sowie von erwarteten Kompetenzen Geschlecht diskursiv verhandelt wird. Dann geht es um Spitzenkandidatinnen, die das Amt der Ministerpräsidentin anstreben, die höchste politische Position, die in einem Bundesland zu vergeben ist. Hier ist nach dem Geschlecht politischer Führungsfähigkeit in medialen Inszenierungen zu fragen. Die Beschränkung auf Sozialdemokratinnen lässt sich plausibel begründen, beinhaltet aber auch Ausschlüsse. Mit dieser Eingrenzung wird ein Parteien-Bias, also unterschiedliche Bewertungen der Kandidatinnen aufgrund der politischen Tendenz des jeweiligen Mediums, vermieden. Ausgeschlossen sind damit Politikerinnen anderer Parteien. Bei der CDU gab es im untersuchten Zeitraum bis 2012 mit Johanna Wanka 2009 in Brandenburg, Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz 2011 und Annegret KrampKarrenbauer im Saarland 2012 (damals bereits Ministerpräsidentin) drei CDU-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen.3 Die Grünen bestritten Wahlen zwar in der Regel mit einem zweigeschlechtlichen Spitzen-Duo, doch nur eine Spitzenkandidatin, Renate Künast 2011 in Berlin, trat bisher mit dem expliziten Anspruch an, Regierungschefin zu werden. Bei der Linken hatte bisher nur Kerstin Kaiser 2009 in Brandenburg diese Ambition (Wiliarty 2011; eigene Recherchen). Sechs SPD-Spitzenkandidatinnen stünden also fünf Kandidatinnen aus drei anderen Parteien gegenüber. Damit würden SPDSpitzenkandidatinnen in einem parteiübergreifenden Sample überwiegen. Die Zahl von elf Kandidatinnen in 16 Wahlen würde eine weitere Eingrenzung erforderlich machen. Auch deswegen ist die Beschränkung auf die Partei mit den meisten Kandidatinnen sinnvoll. Der Fokus auf Landtagswahlen schließt die Bundesebene aus. Dies betrifft jedoch nur Bundeskanzlerin Merkel (CDU), da keine andere Bundestagspartei bisher eine Spitzenkandidatin mit dem Ziel Kanzleramt aufgestellt hat. Ein Vergleich der Kandidatin für das mächtigste Amt im deutschen Regierungssystem mit der Landesebene wiese einen Bias der politischen Ebenen auf, der durch die Eingrenzung vermieden wird. Anke Fuchs stand als erste weibliche Spitzenkandidatin überhaupt an der Spitze einer Landesliste. Die Hanseatin kandidierte 1990 für die SPD bei der ersten Landtagswahl in Sachsen vier Wochen nach der deutschen Wiedervereinigung. Fuchs plante jedoch zu keinem Zeitpunkt, in die sächsische Landespolitik einzusteigen (Fuchs 1993: 174-178). Außerdem dürfte sich die Medienlandschaft in Sachsen so kurz nach der Wiedervereinigung grundlegend von der im Westen unterschieden haben, was das Sampling stark beeinflusst hätte. Deswegen geht Fuchs’ Kandidatur nicht in die Untersuchung ein. Das Sample setzt sich also aus den Spitzenkandidatinnen Renate Schmidt (1994 3 | Rita Süßmuth war 1990 in Niedersachen im Duo mit dem CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht angetreten und sollte diesen 1992 ablösen. Allerdings verlor die CDU die Wahl (Wiliarty 2011).

79

80

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

und 1998 in Bayern), Ingrid Stahmer (1995 in Berlin), Heide Simonis (1996, 2000 und 2005 in Schleswig-Holstein), Ute Vogt (2001 und 2006 in Baden-Württemberg), Andrea Ypsilanti (2008 in Hessen) sowie Hannelore Kraft (2010 und 2012 in NRW) zusammen (Anhang 1 s.S. 281). Damit lassen sich mediale Repräsentationen von Landtagswahlen in sechs Bundesländern über einen Zeitraum von 18 Jahren nachzeichnen. Die untersuchten Wahlen liegen zwischen fünf Monaten (Stahmer am 22. Oktober 1995, Simonis am 24. März 1996) und knapp vier Jahren (Vogt am 25. März 2001, Simonis am 20. Februar 2005) auseinander. Meist betrugen die Abstände ein bis zwei Jahre, sodass die Entwicklung kontinuierlich beobachtet werden kann.

4.4.2 Eingrenzung der Untersuchungszeiträume Die Untersuchung berücksichtigt zwei Zeiträume, die heiße Wahlkampfphase und die Phase von Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung. Als heiße Wahlkampfphase wird die Zeit von der Auftaktveranstaltung bis zur Wahl bezeichnet.4 In diesem Zeitraum, zu dem auch die Thematisierung der Wahlergebnisse am Tag nach der Wahl gehört,5 ist die größte Informationsdichte in den Medien zu erwarten. In der Regel umfasst diese Phase etwa vier Wochen.6 Der Fokus auf die heiße Wahlkampfphase zieht einen nennenswerten Ausschluss nach sich, nämlich die Nominierung. Zwei Kandidatinnen (Stahmer 1995, Vogt 2001) setzten sich in SPD-Mitgliederentscheiden, eine in einer Kampfabstimmung beim Parteitag (Ypsilanti 2008) gegen männliche Gegenkandidaten durch. Die Analyse der medialen Inszenierung dieser Machtkämpfe wäre aufschlussreich, hätte jedoch eine zeitliche Ausdehnung und einen zusätzlichen Vergleich mit dem Kontrahenten bedeutet und wurde der Forschungsökonomie geopfert.7 In den analysierten Texten wurde der Erfolg bei der Nominierung mehrfach thematisiert und fällt daher nicht ganz weg. 4 | Bei Simonis in Schleswig-Holstein 1996 und Schmidt in Bayern 1998 konnte das Datum des SPD-Auftakts nicht recherchiert werden. Hier wurde die entsprechende CDUVeranstaltung für das Anfangsdatum herangezogen. 5 | Bei den Wahlen in Schleswig-Holstein 2005 und in Hessen 2008 konnten die Printmedien wegen äußerst knapper Verhältnisse am Montag nur Hochrechnungen veröffentlichen. Die Endergebnisse wurden jedoch in der Phase der Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung thematisiert. 6 | In Bayern wurde am 25. September 1994 bzw. am 13. September 1998 gewählt. Den Wahlkampfauftakt zelebrierten die Parteien bereits in den Wochen vor der Sommerpause. Deswegen deckt die heiße Phase dort einen längeren Zeitraum ab. 7 | Niemi (2012: 4) weist darauf hin, dass sich die Karrierechancen von Frauen in Krisenzeiten verbessern. Davidson-Schmich und Kürschner (2011: 32) belegen am Beispiel der Bundestagswahlen, dass die Parteien umso weniger Frauen als Direktkandidatin aufstellen, je aussichtsreicher der Wahlkreis ist.

Forschungsdesign und Methode

Für drei der sechs SPD-Spitzenkandidatinnen mündeten die Landtagswahlen in Verhandlungen über eine Regierungsbildung. Alle hatten eine rot-grüne Koalition zum Ziel. Zwei Kandidatinnen wurden zweimal zur Ministerpräsidentin gewählt: Simonis 1996 und 2000 in Schleswig-Holstein sowie Kraft 2010 und 2012 in NRW. Ihre erste Amtsperiode als Regierungschefin bestritt Kraft an der Spitze einer Minderheitsregierung. In zwei Fällen scheiterte hingegen ein solcher Versuch: Simonis fiel 2005 bei der Wahl zur Ministerpräsidentin durch, nachdem sie mit dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) eine Tolerierung vereinbart hatte. Drei Jahre später trat Ypsilanti in Hessen wegen vier Abweichler_innen aus der SPD-Fraktion gar nicht erst zur Wahl an. Damit gibt es im Untersuchungszeitraum sechs Fälle von Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung. Aus Gründen der Forschungsökonomie wird diese Phase anhand der drei Fälle, in denen eine Minderheitsregierung angestrebt wurde, in einem eher explorativen Design untersucht. Im Zentrum des Interesses steht Ypsilantis gescheiterter Versuch einer von der Linken tolerierten rot-grünen Koalition in Hessen 2008. Dieser war von einem außergewöhnlich skandalisierenden Medientenor begleitet (Schimmeck 2010). Vergleichend analysiert werden Krafts erfolgreiche Wahl zur Ministerpräsidentin 2010 und Simonis’ gescheiterte Wiederwahl 2005 (Munimus 2010: 145-154). Die Befunde werden im Vergleich zum jeweiligen Wahlkampf und Wahlergebnis diskutiert. Dabei wird nach der Bedeutung von Erfolg und Misserfolg für mediale Geschlechterkonstruktionen gefragt.

4.5 S AMPLING II: D IE M EDIEN Empirisch beschränkt sich die vorliegende Untersuchung im Wesentlichen auf Medientexte in Printmedien, die in der Lage sind, den hegemonialen Diskurs zu prägen. Im Folgenden wird die Auswahl anhand des Leitmedien-Diskurses begründet (Kap. 4.5.1, Kap. 4.5.2) und die Eingrenzung des Textkorpus erläutert (Kap. 4.5.3).

4.5.1 Leitmedien?!? Die feministische Kritik am dichotomen bürgerlichen Verständnis von Öffentlichkeit und Privatheit bezieht sich unter anderem auf die Idealisierung einer einzigen, universellen politischen Öffentlichkeit (s.S. 56f). Gegenstand der Untersuchung sind Geschlechterkonstruktionen in dieser hegemonialen Öffentlichkeit. Dazu werden Medien analysiert, die diesen Anspruch verkörpern. Die Frage, welche Titel und Formate diesen Status haben, findet in wissenschaftlichen Diskursen über Qualitäts- und Leitmedien ihren Niederschlag. Zwar haben Kommunikations- und Medienwissenschaften kein einheitliches Verständnis von Leitmedien (Blum 2011). Der Forschungsstand gilt als disparat (Jarren/ Vogel 2011: 17). Je nach Definition des Begriffs Medium und der Beantwortung der Frage »Wer/was leitet wen, womit, wie und wohin?« (Müller/Ligensa 2009: 16) werden

81

82

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

unterschiedliche Verständnisse von Leitmedien entwickelt (Jarren/Vogel 2011; Müller/ Ligensa 2009; Wilke 2009). Gleichwohl scheint es einen impliziten Konsens über politische Leitmedien zu geben, wie Roger Blum (2011: 7) in einer kriterienlosen Aufzählung von Frankfurter Allgemeiner Zeitung (FAZ), Süddeutscher Zeitung (SZ), Zeit und Spiegel – also ausschließlich Printmedien – nahelegt. Der universalistische und hegemoniale Anspruch der politischen Öffentlichkeit zeigt sich in dem Begriff von Qualitäts- und Leitmedien, den Otfried Jarren und Ulrike Vogel (2011) entwickeln. Leitmedien werden als Teilmenge von Qualitätsmedien, diese wiederum als Teilmenge von Massenmedien begriffen. Letztere zeichneten sich durch Aktualität, Periodizität, Universalität, allgemeine Verfügbarkeit und Zugänglichkeit aus. Qualitätsmedien wiesen daneben bestimmte von den Rezipient_innen zuerkannte publizistische Merkmale auf, wie Glaubwürdigkeit, Kompetenz und publizistischjournalistische Relevanz. Leitmedien schließlich hätten darüber hinaus »eine explizierte normative und relativ geschlossene publizistische wie redaktionelle Grundhaltung«. Ihre Informationen könnten »besondere gesamtgesellschaftliche Bedeutung beanspruchen und schließlich auch – direkt oder indirekt – Wirkung erzeugen« (ebd.: 23). Nach dieser Definition bilden Leitmedien gesellschaftliche Diskurse nicht nur ab oder liefern eigene Beiträge, sondern wirken eigenständig auf sie ein (ebd.: 24). Unterbelichtet ist in diesem Konzept das Wechselverhältnis zwischen gesellschaftlichen und politischen Eliten und den sogenannten Leitmedien, die Krüger (2013) in einer Netzwerkanalyse untersucht. Zu kritisieren ist weiterhin, dass der Anspruch von Universalität die in diesen Medien repräsentierten gesellschaftlichen Diskurse absolut setzt und die Relevanz anderer Diskursstränge negiert. Der Anspruch allgemeiner Verfügbarkeit und Zugänglichkeit hat die soziale Realität von bildungsnahen, der deutschen Sprache mächtigen Männern zur unhinterfragten Voraussetzung (s.S. 60). Glaubwürdigkeit, Kompetenz und publizistisch-journalistische Relevanz wiederum sind nicht inhaltlich bestimmt. Vielmehr beinhalten diese publizistischen Merkmale das, was die implizite Zielgruppe männlicher Bildungsbürger dafür hält. Der hierin sichtbare Androzentrismus findet sich auch bei Jürgen Wilke (2009). Dort werden Zielgruppen (u.a.) nach Geschlecht unterschieden, jedoch nur die Leitmedien für die Zielgruppe Frauen genannt: die Zeitschrift Emma im feministischen Segment, die Zeitschriften Brigitte und Freundin im bürgerlichen (Wilke 2009: 46). Die Kategorie Frau wird nur mit am Geschlecht orientierten Zielgruppen-Titeln kontextualisiert. Dass Frauen politische Medien rezipieren, kommt in dieser Denkart offensichtlich nicht vor. Zugleich werden keine Leitmedien für Männer bestimmt.8 Das weist diese als implizites politisches Geschlecht aus. Die so definierten Leitmedien repräsentieren den hegemonialen Charakter der politischen Öffentlichkeit. Konstruktionen von Geschlecht, die in diesen Medien analysiert werden, können auf den zugrunde liegenden Öffentlichkeitsbegriff hin theoretisch verallgemeinert werden. 8 | Spiegelbildlich wären das z.B. der Playboy, GQ oder Men’s Health.

Forschungsdesign und Methode

Der Boulevard findet sich in diesem normativ bestimmten Begriff von Leitmedien zwar nicht wieder. Gleichwohl konzediert Wilke, wenn auch kritisch-distanziert, dass Bild sich vom »Schmuddelkind« zum Leitmedium entwickelt habe (ebd.: 39; Wilke/ Reinemann 2009: 144). Der folgenden Medienauswahl liegt der skizzierte Leitmedien-Diskurs zugrunde. Allerdings ist das komplexe empirische Setting, das Jarren und Vogel (2011: 25-27) zu deren Bestimmung entwickelt haben, nicht handhabbar. Deswegen werden einige der von Wilke (2009) genannten Kriterien – Verbreitung und Reichweite, Reichweite bei der Elite, Bindung, Mediennutzung der Journalist_innen, Expert_innenurteile, publizistische Leitfunktion und Zitierhäufigkeit – herangezogen.

4.5.2 Auswahl der Medien Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich – mit Ausnahme von Spiegel online – auf Tages- und Wochenpresse. Angesichts der Festlegung auf Medien, die den hegemonialen Diskurs in besonderer Weise prägen, erscheint dies gerechtfertigt. Auch Jürgen Wilke und Carsten Reinemann (2009: 141f) erkennen der Tagespresse einen solchen normativen Anspruch zu. Anders als etwa das Fernsehen ermöglichten sie eine intensive politische Auseinandersetzung und seien damit inhaltliches Basismedium. In Anlehnung an Wilke (2009) wurden die Reichweite bei Journalist_innen (1), in der Gesamtbevölkerung (3), bei Bundestagsabgeordneten (4) und Pressesprecher_innen (6) sowie die Zitierhäufigkeit (2) und die verkaufte Auflage (5) herangezogen und mit Prioritäten unterlegt (Klammern). Die Rezeption durch Journalist_innen und die intermediale Referenz, operationalisiert als Zitierhäufigkeit, wurden besonders hoch priorisiert (Anhang 2 s.S. 282). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass intermediale Referenz die Rezeption verbreitert. Entsprechend der Vorfestlegung auf Printmedien wurden überregionale Tageszeitungen sowie Wochenzeitungen und -zeitschriften in ein Ranking gebracht. Anhand dessen wurden die drei Tageszeitungen, die in den meisten und wichtigsten Kriterien die ersten drei Plätze belegten (Bild, FAZ, SZ), und die nach diesen Kriterien wichtigste Wochenzeitschrift (Spiegel) ausgewählt. Ab 2000 wurde Spiegel online zusätzlich einbezogen, weil der Online-Dienst einer Studie des Netzwerks Recherche zufolge den Spiegel als das Leitmedium in deutschen Redaktionen abgelöst hat (Netzwerk Recherche 2006). Eine Überprüfung ergab, dass ab der Landtagswahl 2000 in Schleswig-Holstein Spiegel online in relevantem Umfang eigenständig berichtete. Die Festlegung auf politische Medien, die in der Lage sind, den hegemonialen öffentlichen Diskurs zu prägen, bringt es mit sich, dass keine Regionalzeitungen einbezogen wurden. Die Untersuchung umfasst Medientexte im engeren Sinne.9 Aus forschungsökonomischen Gründen unterblieben Analysen von Bildern, Text-Bild-Kontexten und 9 | Die Wissenssoziologie versteht auch »Bilder, Videos und jegliche Art von Artefakten« als ›Texte‹ (Reichertz 2013a: 48).

83

84

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Platzierung im Medium sowie die Analyse von audiovisuellen und, mit der genannten Ausnahme, elektronischen Medien.

4.5.3 Eingrenzung des Textkorpus Die meisten Medien waren entweder frei (Spiegel, Spiegel online) oder in Hochschulbibliotheken (FAZ, SZ) online zugänglich. Für Bild galt dies jedoch nicht. Hier wurde zunächst online auf den kostenpflichtigen Axel Springer Infopool zugegriffen, der jedoch nicht alle benötigten Ausgaben hatte. Eine Ausgabe erhielt ich auf Mikrofilm und tippte die Texte ab. Den fehlenden Rest habe ich im Axel-Springer-Archiv in Berlin (kostenpflichtig) ausgedruckt oder aus Folianten abfotografiert. Wegen der hohen Kosten und des Zeitaufwands gingen in die Analyse der Repräsentationen von Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung nur Texte ein, die im Axel Springer Infopool online gezogen werden konnten (Anhang 3 s.S. 283f). Anhand der Suchsyntax ›Vorname Nachname‹ wurden zunächst alle relevanten Texte im Untersuchungszeitraum herausgesucht.10 Bei den Zeitungen wurden die DeutschlandAusgabe und überregionale Seiten mit allen Ressorts herangezogen. Nur bei Bild wurde die jeweilige Regionalausgabe ergänzt, um genügend Texte zu erhalten. Artikel ohne Wahlkampfbezug und solche, in denen die Kandidatin nur erwähnt wurde, wurden manuell aussortiert.11 Teaser und Inhaltsangaben, z.B. auf Seite 1 mit Verweis auf eine Innenseite, Interviews, Texte mit Gegendarstellungen, Beiträge von Fremdautor_innen, Ereignis-Chroniken und Zitatensammlungen wurden nicht berücksichtigt. Kommentare gingen in den Textkorpus ein, da ich vermute, dass sich hier mediale Repräsentationen von Geschlecht, die für das jeweilige Medium exemplarisch sind, herausarbeiten lassen. 4.5.3.1 Texte über Wahlkampf und Wahlergebnis Aus forschungsökonomischen Gründen wurde bei der Analyse von Wahlkampf und Wahlergebnis die Zahl der Texte pro Wahl und Medium auf zehn festgelegt. Dieses Limit ließ sich bei Stahmers Wahlkampf 1995 in Berlin problemlos einhalten. Bei den anderen Wahlen musste der Textkorpus reduziert werden, teilweise jedoch nicht bei allen Medien. Dies geschah zunächst nach inhaltlichen Kriterien. Texte mit weitgehend identischen Aussagen wurden aussortiert.12 Soweit die Zahl der Texte danach das gesetzte Limit nur noch um bis zu drei Artikel überschritt, wurden die am wenigsten informationshaltigen 10 | In den Bild-Ausgaben, die nicht online zur Verfügung standen, wurden die Texte anhand von Überschriften und Bebilderung identifiziert und dann einzeln durchgelesen. 11 | Z.B.: »Genau das versucht Rüttgers freilich schon seit Jahren – und in den vergangenen Wochen, im Wettbewerb mit der im Volk zunehmend beliebteren Gegenkandidatin Hannelore Kraft von der SPD, erst recht.« (FAZ 08.05.2010: 15). 12 | Z.B. Meldungen über Umfragen, wonach Andrea Ypsilanti mit Ministerpräsident Roland Koch gleichgezogen habe, die in längeren Texten auch enthalten waren. Bei Spiegel online

Forschungsdesign und Methode

Beiträge gestrichen.13 Überschritt der verbleibende Textkorpus das Limit in größerem Umfang, so wurde ausgezählt. Je nach Zahl wurde z.B. jeder zweite oder dritte Text gestrichen. Bei einigen Medien und Wahlen musste das umgekehrte Verfahren gewählt werden, also die Berücksichtigung jedes dritten oder vierten Artikels. Vor der Auszählung wurden besonders informationshaltige Texte ausgewählt. Sie waren ›gesetzt‹. Als solche wurden Porträts der Kandidatin, Features oder Reportagen über ihren Wahlkampf, die Fernsehduelle und der informationshaltigste Text zum Wahlergebnis identifiziert.14 4.5.3.2 Texte über Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung Die Analyse von Texten über die Koalitionsverhandlungen und den Versuch zur Bildung einer Minderheitsregierung von Simonis in Schleswig-Holstein 2005, Ypsilanti in Hessen 2008 und Kraft in NRW 2010 hat explorativen Charakter. Der Textkorpus wurde daher auf fünf Texte pro Medium und Wahl begrenzt (Anhang 4 s.S. 285). Das methodische Problem bestand darin, die medialen Repräsentationen sehr unterschiedlicher zeitlicher Dramaturgien zu vergleichen. In Hessen zogen sich die Ereignisse über mehr als neun Monate hin. In NRW betrug dieser Zeitraum zwei Monate, in Schleswig-Holstein einen Monat. Für Hessen wurden daher Ereignisse und Prozesse definiert, die für den Versuch der Bildung einer Minderheitsregierung zentral waren. Dabei kristallisierten sich fünf Phasen heraus, in denen jeweils der informationshaltigste Text jedes Mediums in die Analyse einging (Kap. 7.3). In NRW und Schleswig-Holstein wurde der gesamte Prozess berücksichtigt. Jedoch thematisierten nicht alle Medien alle relevanten Ereignisse. Hier wurden die jeweils fünf informationshaltigsten Texte jedes Mediums herangezogen. Dabei wurde darauf geachtet, dass der gesamte Prozess berücksichtigt war. Die Textanalyse anhand dieses Samplings erreicht für die Phase der Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung nicht die analytische Tiefe von Wahlkampf und Wahlergebnis. Wohl aber lässt sich beschreiben, inwieweit sich die Ergebnisse aus den Wahlkämpfen in der Phase der Regierungsbildung wiederfinden oder sich neue und andere Befunde abzeichnen. Diese müssten in einer weiteren Analyse konkretisiert werden.

wurden bisweilen Texte über den Tag oder über zwei Tage ergänzt und mit anderen Überschriften versehen oder Textteile in andere Artikel integriert. 13 | Vgl. S. 78 FN 2; bei Bild wurde auf eine weitere Reduktion verzichtet, weil diese Texte sehr kurz sind. 14 | Bei der Wahl von Ute Vogt in Baden-Württemberg 2006 galt das auch für Texte über das sogenannte Lügendetektor-Interview (Kap. 6.2.6).

85

86

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

4.6 A NALYSEVERFAHREN Das Sample von sechs Kandidatinnen in elf Wahlen über einen Zeitraum von 18 Jahren mit je zehn Texten in vier bzw. fünf Medien bildet mit knapp 450 journalistischen Texten einen sehr großen Textkorpus. Als Methode wurde die qualitative Inhaltsanalyse gewählt, weil sie geeignet ist, auch große Textmengen zu bewältigen (Mayring 2010: 124). Allerdings wird eine Inhaltsanalyse z.B. nach Philipp Mayring den Anforderungen an journalistische Texte nicht in vollem Umfang gerecht, weil mit ihr »versteckte Bezüge, Sprachspiele oder ›sequenzielle Aspekte‹« – also der dramaturgische Aufbau von Texten – (Meyen et al. 2011: 143) sowie Sinnkonstruktionen und Deutungsangebote ›zwischen den Zeilen‹ nicht tiefergehend analysiert werden können. Mayring selbst hat den Begriff »qualitativ« für sein stark regelgeleitetes und systematisiertes Verfahren inzwischen relativiert (Mayring 2010: 48). Deswegen wurde die Inhaltsanalyse in dieser Untersuchung durch wissenssoziologische Sequenzanalysen ausgewählter Textpassagen in einer Interpretationsgruppe ergänzt. Daneben wurde die Interpretation einzelner Sätze oder Aussagen sequenziell erweitert. Im Folgenden werden beide Analysemethoden sowie das jeweilige Vorgehen erläutert.

4.6.1 Qualitative Inhaltsanalyse Nach Mayring (2010: 12f) beinhaltet die qualitative Inhaltsanalyse die Analyse fixierter Kommunikation mit symbolischem Material, also v.a. Texte und Bilder. Sie ist gekennzeichnet durch ein systematisches Vorgehen in Abgrenzung zum hermeneutischen »freien Interpretieren«. Sie ist regel- und theoriegeleitet und hat zum Ziel, Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation zu ziehen. Mayring hat seine Methode im Kontext einer bestimmten Textsorte, nämlich der Auswertung von Gesprächsprotokollen entwickelt (Meyen et al. 2011: 139). Michael Meyen sieht jedoch große Unterschiede zwischen dieser und ähnlichen Textsorten einerseits, in denen es darum gehe, »den Autor selbst oder bestimmte Einstellungen, Handlungen sowie Strukturen zu verstehen und zu erklären«, und Leitartikeln oder Fernsehsendungen andererseits. Bei diesen werde nach Wirkungen gefragt (ebd.: 140). Kennzeichnend für die Analyse von Medientexten ist also, dass es nicht um den oder die Verfasser_in geht, nicht um das, was er oder sie ›gesagt‹ oder ›eigentlich gemeint‹ haben könnte, sondern um explizite und implizite (Be-)Deutungen, die auf kollektives (Geschlechter-)Wissen hin untersucht werden können. Eine weitere Spezifik ist die Sequenzialität journalistischer Texte, also der ›komponierte‹ Aufbau, der ebenfalls mit Bedeutung aufgeladen ist. Mit einheitlich definierten Analyseeinheiten (Kodiereinheit, Kontexteinheit, Auswertungseinheit), wie in Mayrings Ablaufmodellen vorgesehen, lässt sich der sequenzielle Aufbau, der aus einem Satz, Absatz oder einem ganzen Artikel bestehen kann, jedoch nicht erfassen (Mayring 2010: 60, 93). Der große Vorteil von Mayrings Verfahren bleibt jedoch, dass sich damit große

Forschungsdesign und Methode

Textmengen systematisch und nachvollziehbar reduzieren lassen. Deswegen wurde in einem ersten Schritt sein Ablaufmodell für eine strukturierende Inhaltsanalyse genutzt, um den Textkorpus anhand von Dimensionen, die deduktiv aus dem Forschungsstand und der Theorie entwickelt wurden, zu reduzieren und zu verdichten (ebd.: 92-109). Während Mayring die Notwendigkeit der theoretischen Fundierung von Kategorien betont, nennt Margrit Schreier (2014: Abs. 10-12) Modifikationen, um ein deduktives und induktives Vorgehen miteinander zu verbinden. In der vorliegenden Arbeit wurde dazu in einem zweiten Schritt der reduzierte Textkorpus auf induktive Kategorien hin neu geclustert, anhand derer das Material inhaltsanalytisch und teilweise sequenziell interpretiert wurde. Dies wird im Folgenden erläutert. 4.6.1.1 Ablauf Das Vorgehen bei der Arbeit mit den ausgewählten Texten lehnt sich an Mayrings Ablaufmodell für die strukturierende Inhaltsanalyse an (Mayring 2010: 93). Damit wurden beide Untersuchungsphasen, also Wahlkampf und Wahlergebnis sowie Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung, analysiert. Analyseeinheiten lassen sich angesichts des sequenziellen Textaufbaus nicht exakt definieren. Die Kodiereinheit orientiert sich daher an Werner Frühs Definition einer Sinneinheit als »zusammenhängende Textpassage […], in der zum selben Gegenstand etwas ausgesagt wird« (Früh 2007: 94). Kontexteinheit ist allgemein der politisch-situative Kontext des jeweiligen Textes und implizit das kollektive Geschlechterwissen, das sich darin manifestiert. Auswertungseinheiten sind im engeren Sinn die Landtagswahl(en) einer bestimmten Kandidatin und im weiteren Sinn das gesamte Sample, um die Entwicklung medialer Geschlechterkonstruktionen im gesamten Zeitraum zu rekonstruieren. Die Strukturierungsdimensionen, deren Ausprägungen und Definitionen für den deduktiven und den induktiven Schritt der Analyse werden in den Kapiteln 4.6.1.2 und 4.6.1.3 erläutert. Anhand des so entwickelten Kodierschemas wurden alle Texte einer Wahl mit einem Computerprogramm vollständig kodiert. Doppelkodierungen waren im ersten Schritt möglich, wurden im induktiven zweiten Schritt meist aber wieder aufgelöst. Der Versuch, die Textstellen zu paraphrasieren, wurde schnell wieder aufgegeben. Paraphrasen machen für elaborierte journalistische Texte wenig Sinn, weil dabei implizite Bedeutungen, die in einzelnen Formulierungen liegen, verloren gehen. Stattdessen wurden die nach den einzelnen Codes strukturierten Textpassagen zusammengefasst. Damit war der erste Analyseschritt beendet. Für den zweiten, induktiven Schritt wurden die Textzusammenfassungen verschlagwortet. Anhand dieser Schlagworte wurde das Material auf induktive Kategorien hin neu geclustert. Dies wurde nicht am Computer realisiert, sondern mit Karteikarten (Kap. 4.7). Es zeigte sich, dass die induktiven Kategorien von Wahl zu Wahl nur modifiziert werden mussten, im Wesentlichen aber alle Wahlen angemessen abbildeten. Ganz anders war das bei Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung. Hier zeigten sich je eigene Kategorien, die im Wesentlichen dem jeweiligen politischen Kontext Rechnung trugen und nur partiell übereinstimmten.

87

88

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Anhand der induktiven Kategorien wurden die Ergebnisse aufbereitet. Dabei wurde wieder auf die Originaltexte zurückgegriffen. Die Befunde entlang der einzelnen Wahlen oder der einzelnen Kandidatinnen zu diskutieren, erwies sich als wenig aussagekräftig. Deswegen wurde die Analyse der Entwicklung im Zeitverlauf mit drei Gruppen von Kandidatinnen modifiziert (Kap. 5.7). 4.6.1.2 Deduktive Textreduktion Die Dimensionen des deduktiven ersten Schritts leiteten sich aus dem theoretischen Rahmen der Arbeit ab. Aus der feministischen Kritik am dichotomen Verständnis von Öffentlichkeit und Privatheit und der androzentrischen Binnenstrukturen der politischen Öffentlichkeit ergibt sich, dass private Kontexte, den Politikerinnen zugeschriebene Eigenschaften und persönliche Kompetenzen sowie Kontexte mit männlichen Politikern betrachtet werden müssen. Auch Inszenierungen von Macht(-losigkeit), Erfolg und Scheitern können Hinweise auf das zugrunde liegende Verständnis des Verhältnisses beider Sphären liefern. Der zweite theoretische Bezugspunkt ist das Geschlechterwissen und dessen rhetorische Modernisierung. Hierfür werden Aspekte betrachtet, in denen sich Konstruktionen von Geschlecht zeigen: neben privaten Kontexten auch Körperpraktiken und neben Eigenschaften und Kompetenzen auch Inszenierungen von Konflikten. Daneben wurde in den Texten auch nach expliziten Aussagen über Geschlecht, Geschlechterverhältnisse und Geschlechterpolitik gesucht. Um Entwicklungen im Zuge der Medialisierung und Personalisierung von Politik aufgreifen zu können, wurden Glaubwürdigkeit und Skandalisierung als Dimensionen aufgenommen. Anhand der Dimension politische Inhalte wurde der Gender-Bias von politischen Ressorts überprüft. Auf dieser Grundlage entstand das folgende Kodierschema: Adressierungen und Kontextualisierungen:15 • Ämter, Rollen und Funktionen • politische Ambitionen • explizit hierarchische Adressierung • andere Adressierungen • Kontexte mit dem Gegenkandidaten • Kontexte mit anderen. 15 | Über die Kombination der Dimensionen Adressierungen und Kontextualisierungen kann durchaus kontrovers diskutiert werden. Sie ist begründet in der häufig relationalen Konstruktion von Adressierungen, deren Sinn sich erst im Kontext mit anderen Personen erschließt, z.B. der ambivalente Subtext der Adressierung »Sozialexpertin« für Ingrid Stahmer: »Doch Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer, Sozialexpertin der Metropole, findet an der Konfrontation kein Vergnügen. Wie der SPD-Frömmler Johannes Rau in Düsseldorf verfährt sie nach der Devise: palavern statt spalten.« (Spiegel 42/95: 28).

Forschungsdesign und Methode

Diese Dimension fokussiert Benennungen, mit denen die Kandidatinnen im politischen Feld positioniert werden. Sind ihre Funktionen und Ämter aufgeführt oder werden diese ironisch gebrochen? Welchen Subtext haben Spitznamen? Wie werden politische Ambitionen verhandelt? Wie wird die Kandidatin mit anderen Personen kontextualisiert und adressiert? Persönliche Attribute, Eigenschaften, Emotionen In dieser Dimension wird die Frage beantwortet: Wie ist die Kandidatin als Person? Kompetenzen: • persönliche Kompetenzen • politische Bilanz • andere Kompetenzen. Diese Dimension umfasst die Spannungsverhältnisse von Kompetenz, Geschlecht und Positionierung im politischen Feld. Welche Kompetenzen werden der Kandidatin zu- oder abgesprochen? Welche Relevanz haben diese Kompetenzen im politischen Feld? Und welche Aussagen über Geschlecht ›schwingen mit‹? Politische Inhalte: Hier wird danach gefragt, mit welchen Inhalten die Kandidatin in Verbindung gebracht wird. Machtkonstruktionen: • Aussagen über Macht • Machtmetaphern • Konstruktion von Konflikten • persönliche Machtkämpfe • Koalitionsaussagen • parteiinterne Konflikte • andere Konflikte • Konstruktion von Erfolg oder Erfolgsaussichten. Diese Dimension befasst sich mit politischer Macht im engeren Sinn. Wie wird der Politikerin Macht zu- oder abgesprochen? Wie (durchsetzungsfähig) wird die Kandidatin in Konflikten inszeniert? Und wie werden Erfolgsaussichten, Erfolge oder Scheitern verhandelt? Glaubwürdigkeit Hier wird danach gefragt, wie und in welchen Kontexten Glaubwürdigkeit thematisiert und relevant gesetzt wird.

89

90

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Skandalisierung In dieser Dimension geht es um das ›Geschlecht‹ von Skandalisierungen. Welche Sachverhalte werden mit welchen Inszenierungen skandalisiert und welche Position wird der Kandidatin dabei zugewiesen? Aussagen über Geschlecht und Geschlechterpolitik In Aussagen im Sinne des ›So-sein-(sollen)‹ von Frauen und Männern und in Aussagen über Frauen in politischen Führungspositionen werden explizite Bedeutungen von Geschlecht verhandelt. Gleiches gilt für Thematisierungen von Geschlechterpolitik. Hier lässt sich auch überprüfen, ob Politikerinnen für Geschlechterpolitik quasi vereinnahmt werden. Private Kontexte: • Familie und Partner_in • Lebensweg, Herkunft • andere private Kontexte. Die private Sphäre als Dimension hat einen doppelten Fokus, die im Privaten verortete Frau und die in einer personalisierten Politik gestiegene Bedeutung des Privaten. Gefragt wird nach Bedeutungen von privaten Kontexten für die Inszenierungen der Politikerin und nach dem vergeschlechtlichten Subtext privater Rahmungen.16 Körperpraktiken: • Äußeres • körperliche Ausdrucksweisen • Körperlichkeiten mit anderen Personen. Geschlecht wird im geschlechtlichen Körper sichtbar. In dieser Dimension kann untersucht werden, in welchen Kontexten und wie der Körper der Kandidatin inszeniert wird. 4.6.1.3 Induktive Strukturierung Im induktiven zweiten Schritt wurde das nach den oben genannten Dimensionen strukturierte und reduzierte Material neu geclustert. Dabei zeigten sich in den Medientexten über Wahlkampf und Wahlergebnis bei allen Kandidatinnen die folgenden Hauptkategorien, wenn auch mit sehr unterschiedlicher Relevanz: • Zuschreibungen und Attributionen • Interaktion mit Bürger_innen • politische Inhalte • Verhältnis von öffentlicher und privater Sphäre • die Kandidatin als Politikerin • die Politikerin als Chefin 16 | Mit privatem Kontext ist das situative Setting gemeint, private Rahmung bezieht sich gemäß der Definition von Brosda (s.S. 15 FN 9) auf Diskurse und Konstruktionen.

Forschungsdesign und Methode

• Kontexte mit Männern • Kontexte mit dem Gegenkandidaten • Kontexte mit Frauen. Entlang der Schlagworte, die aus den Textzusammenfassungen des ersten Analyseschritts gewonnen worden waren, wurden Unterkategorien gebildet. In der Auswertung wurden die Ergebnisse weiter abstrahiert, im Wesentlichen entlang der folgenden Punkte präsentiert (Kap. 6) und in Bezug auf die Forschungsfragen diskutiert (Kap. 8): • Politikerinnen als das andere Geschlecht • Konstruktionen von Handlungsmacht • männlich kodierte und inszenierte politische Bedeutung • Thematisierungen von Geschlecht • Skandalisierungen • die Bedeutung von Körperpraktiken • private Kontexte. Anders als bei den medialen Repräsentationen von Wahlkampf und Wahlergebnis ergaben sich bei der induktiven Analyse von Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung wenige Übereinstimmungen. Das liegt vermutlich an den extrem unterschiedlichen situativen Kontexten und Bedingungen für Erfolg oder Scheitern. Folgende Kategorien wurden gebildet: Heide Simonis

Andrea Ypsilanti

Hannelore Kraft

machtverliebte Politikerin

ehrgeizige Egomanin und religiöser Impetus

Die Frau, die sich nicht traut.

Thematisierung der Tolerierung

Inszenierung des Wortbruchs

Inszenierung von Koalitionspoker und Kehrtwende

Inszenierung des Wahl-Debakels

Inszenierung des Scheiterns

Inszenierung der Wahl zur Ministerpräsidentin

Carstensen übernimmt das Heft des Handelns

Ypsilanti sicherte Koch das Überleben

Kontexte mit dem Gegenkandidaten

Inszenierung der SPDDiskussionen Skandalisierung und Thema- Kontexte mit Politikerintisierung von Geschlecht nen und ›Ypsilanti-Falle‹ Kontexte mit Politikern Inszenierung des Abschieds aus der Politik

Kontexte mit Politikern

SPD-Öffnung nach links als Ypsilantis Leistung

Die Befunde werden entlang dieser Kategorien präsentiert (Kap. 7) und dann in die gesamte Ergebnisdiskussion eingeordnet (Kap. 8).

91

92

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

4.6.2 Wissenssoziologische Sequenzanalyse Die Ergänzung der Inhaltsanalysen mit wissenssoziologischen Sequenzanalysen dient dazu, implizite Bedeutungen, latente Sinnstrukturen und sich sequenziell aufbauende Dramaturgien zu interpretieren, weil »jeder Begriff […] in ein spezifisches Konnotationsumfeld eingebunden (ist). Und dies kann nur sinnverstehend erfaßt werden« (Huhnke 1996: 91). Die wissenssoziologische Sequenzanalyse als hermeneutisches, also sinnverstehendes, interpretatives Verfahren ist quasi das Gegenteil der stark regelgeleiteten Inhaltsanalyse. Es gibt nur wenige Regeln. Forschende lernen die Sequenzanalyse nicht entlang detaillierter Ablaufpläne, sondern nur durch das eigene Interpretieren (Reichertz 2013a). Interpretiert wird in der Gruppe. Ziel ist nicht, die eine wahre Interpretation herauszuarbeiten, sondern möglichst viele Lesarten zu bilden nach dem Motto »Wer mehr sieht, hat mehr Recht« (Reichertz/Soeffner 2004: Abs. 54; vgl. auch Reichertz 2013a: 65; Kleemann et al. 2013: 125). Gemeinsam wird eine Textpassage Wort für Wort oder Sinneinheit für Sinneinheit analysiert. Dabei soll der aktuelle Kontext zunächst nicht einbezogen werden (Kontextfreiheit). Deswegen sollten die Interpretierenden den Text und dessen Kontext vorher nicht kennen. Ziel der Interpretation ist nicht, herauszufinden, was der Text gemeint haben könnte, sondern was er sagt (Wörtlichkeit). Dies ist besonders wichtig, wenn sich latente Sinngehalte zeigen. Wegen des kommunikativen Aufbaus von Bedeutung wird streng sequenziell interpretiert. Frühere Textstellen können nicht mit späteren erklärt werden (Sequenzialität). Zum nächsten Wort oder zur nächsten Sinneinheit wird übergegangen, wenn keine neue Lesart mehr gefunden wird (Extensivität). Die Interpretierenden sind auch angehalten, die Interpretation ›gegen den Strich‹ zu lesen und zu falsifizieren. Dabei sollen nur Lesarten in die Interpretation aufgenommen werden, deren Begründung im Text intersubjektiv überprüfbar ist (Sparsamkeit) (Wernet 2009: 90f). Im Verlauf der Interpretation können sukzessive einzelne Lesarten ausgeschlossen werden, jedoch nur intersubjektiv nachvollziehbar. Die eigentliche Interpretationsleistung besteht in der Kontextualisierung und Abstraktion im Hinblick auf die jeweilige Fragestellung. Das streng fortschreitende Vorgehen soll sicherstellen, dass eigene Vorurteile, Urteile, Meinungen und Ansichten ausgeschlossen werden. »Die strikte Durchführung einer Sequenzanalyse […] zerstört im Prozess der systematischen und gesteigerten Sinnauslegung alle Selbstverständlichkeiten der eigenen Perspektivik und der eigenen Sprache.« (Reichertz 2000: Abs. 45) Dieses Verfahren ist sehr aufwändig und daher nur für begrenzte Passagen geeignet. Allerdings gehen die Vertreter_innen der wissenssoziologischen Sequenzanalyse davon aus, dass sich auf diesem Weg typische und charakteristische Sinnstrukturen entdecken lassen, dass sich also z.B. in einer einzelnen Passage eines Medientextes das zugrunde liegende kollektive Geschlechterwissen rekonstruieren lässt (Kleemann et al. 2013: 125). Da die Analyse von Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung nur explorativen Charakter hatte, habe ich hier auf kollektive Sequenzanalysen verzichtet.

Forschungsdesign und Methode

4.6.2.1 Kriterien zur Auswahl der Passagen und allgemeiner Ablauf Für die Sequenzanalyse kamen Textpassagen unter folgenden Gesichtspunkten infrage: • Passagen mit einer sehr dichten inhaltlichen Beschreibung, die interessante tiefer liegende Sinnstrukturen vermuten ließen • Passagen, deren Inhaltsanalyse Ambivalenz oder Ratlosigkeit hinterließ • Passagen, bei deren Interpretation ich mir allzu sicher war • Passagen, in denen ich überprüfen wollte, ob erkennbare explizite Aussagen durch implizite Bedeutungen quasi unterlaufen wurden. Für jede Wahl wurden mindestens zwei Sequenzanalysen in unterschiedlichen Medien realisiert, nach Möglichkeit in der Gruppe (s.u.). Abgesehen von der sequenziell erweiterten individuellen Analyse einzelner Sätze oder Satzteile wurden ganze Passagen nur dann individuell sequenziell analysiert, wenn eine Interpretation in der Gruppe nicht möglich war.17 Bei der Analyse wurden die Lesarten protokolliert und im Anschluss ein Stichwortprotokoll erstellt. Die Interpretation der Passage wurde direkt in den Forschungsbericht integriert. Eine gesonderte Ausformulierung der kompletten Sequenzanalyse gab es nicht. 4.6.2.2 Interpretationsgruppe Die meisten Sequenzanalysen wurden in einer interdisziplinären Interpretationsgruppe realisiert.18 Die Gruppenmitglieder erhielten beim Treffen eine Passage aus einem ihnen nicht bekannten Medientext. Ich habe darauf geachtet, den Interpretierenden kein Kontextwissen zum Text zu vermitteln und meine Intentionen bei der Textauswahl nicht zu begründen. Insbesondere wussten die Gruppenmitglieder zu Beginn nicht, um welche SPD-Kandidatin es sich jeweils handelte. So wurde ausgeschlossen, dass eigene Urteile und Einschätzungen frühzeitig in die Interpretation einfließen konnten. Bei den ersten Analysen gingen wir Wort für Wort vor. Der gesamte Text war abgedeckt. Nur das zu interpretierende Wort und der bereits interpretierte Text waren sichtbar. Wenn sich keine neuen Lesarten mehr fanden, kam das nächste Wort an die Reihe. Mit zunehmender Übung der Gruppe im Interpretieren ging ich dazu über, den Text nach Sinneinheiten aufzuteilen, sodass wir schneller vorgehen konnten. Gleichwohl konnten in der zur Verfügung stehenden Zeit von 90 Minuten nicht mehr als 120 bis 140 Wörter interpretiert werden. 17 | Das war der Fall, wenn das Interpretationsanliegen eines anderen Gruppenmitglieds Vorrang hatte oder wenn die Gruppe – vor allem gegen Ende des Forschungsprozesses – aus Zeitgründen nicht verfügbar war. 18 | Die Interpretationsgruppe wurde im Sommersemester 2011 im Rahmen des Promotionskollegs Geschlechter verhältnisse im Spannungsfeld von Arbeit, Organisation und Demokratie gegründet und war später als Arbeitsgruppe an der Marburg University Research Academy (MARA) angesiedelt. Vertreten waren Politikwissenschaft, Soziologie, Europäische Ethnologie, Pädagogik, Kulturanthropologie und Medizin. Die Gruppengröße betrug zwischen acht und 14 Mitgliedern, von denen nie alle anwesend waren. Die Gruppe traf sich kontinuierlich alle drei Wochen für vier bis sechs Stunden.

93

94

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Die Interpretierenden wurden dazu ermutigt, den Text auch gegen den Strich zu lesen, nach überraschenden und irritierenden Lesarten zu suchen und auch scheinbar absurde Lesarten ›auszuprobieren‹. Zu diesem Zweck wurde auch das ›Abdriften‹ ins Lächerliche oder Absurde nicht unterbunden. Meine eigene Rolle sah ich eher als Zuhörende und Nachfragende, da mir die Texte und der Kontext bekannt waren. Dies war zugleich ein Moment von Selbstreflexion, da ich meine vorgefassten Lesarten anhand der Vorschläge der Gruppe hinterfragen konnte.

4.7 R EFLEXION DES F ORSCHUNGSPROZESSES : WIE AUS E MPÖRUNG W ISSENSCHAFT WIRD Im Laufe des Forschungsprozesses hat sich mein persönliches Erkenntnisinteresse stark verändert. Die ursprüngliche Motivation war es, der diffamierenden Medienkampagne gegen die hessische SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti auf den Grund zu gehen. Die Beschäftigung mit allen Fällen meines Samples weckte einen Forscherinnengeist in mir, um das Spannungsverhältnis modernisierter und retraditionalisierter medialer Konstruktionen von Geschlecht zu verstehen und theoretisch zu konzeptualisieren. Ausgangspunkt des Projekts war also eine subjektive Empörung, die nach Tilmann Allert methodologisch kontrolliert werden muss: »Wenn ich aber verstehen will, dann muss ich meine Empörung über diese Welt kontrollieren, und zwar nicht moralisch kontrollieren, sondern methodologisch kontrollieren. […] Ich muss nicht meine Motive, diese Welt zu verändern, ändern […] Aber um den Fall zu verstehen, muss ich ihn methodologisch entmoralisieren. Ich muss ihn überhaupt erst zu einem Gegenstand machen, der es wert ist, verstanden und nicht bejammert zu werden.« (A LLERT IN M EY /M RUCK 2014: 312)

Dies bedurfte einer kontinuierlichen kritischen Selbstreflexion und betraf auch den Blick auf die Kategorie Geschlecht. Denn der Impetus, permanent »Die Konstrukteure von Geschlecht auf frischer Tat ertappen« (Hagemann-White 1993) zu wollen, führt geradewegs in die Falle der Reifizierung. Distanz schuf erstens die Frage, welche Kategorie – außer Geschlecht – dem Verständnis einer bestimmten Aussage oder Bedeutung dienen könnte. Durch gezielte Fragen blieb auch der Blick für Irritationen und überraschende Befunde erhalten. Zweitens schufen Diskussionen in der Interpretationsgruppe und im Promotionskolloquium Distanz zum Gegenstand. Und drittens hatte ich die Möglichkeit, in Forschungssupervisionen in der Gruppe und individuell meine persönlichen Zugänge und Motivationen zu hinterfragen. Im Forschungsprozess zeigte sich auch, dass sich das Material mit einem Computerprogramm zwar effizient kodieren und strukturieren lässt. Ein Computerbildschirm ist jedoch nicht groß genug für einen Überblick über komplexe Befunde. Deswegen kehrte ich für den induktiven zweiten Schritt der Inhaltsanalyse zu Karteikarten zurück.

Forschungsdesign und Methode

So konnte ich die Schlagworte aus der deduktiven Analyse im Raum verteilen, umherwandern, die Begriffe auf mich wirken lassen und so lange hin- und herschieben, bis sich sinnvolle Cluster herauskristallisierten. Durch diese Erfahrung bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die Einbeziehung von Raum, Bewegung und Haptik den Forschungsprozess inspirieren kann.

4.8 G ÜTEKRITERIEN

UND T RANSPARENZ

In der qualitativen Forschung wird nach wie vor kontrovers diskutiert, wie Zuverlässigkeit der Datenerhebung, Repräsentativität der Datenauswahl und Validität der (generalisierten) Aussagen sicherzustellen sind (Reichertz 2005: 575).19 Wegen der Kontextbezogenheit von Erkenntnisproduktion betont Reichertz, »jede Forschungsarbeit muss in dieser Perspektive mit der [...] Tatsache leben, selektiv und damit nur bezogen auf eine Perspektive gültig zu sein«. Dies sei jedoch nicht mit Beliebigkeit zu verwechseln (ebd.: 571; vgl. auch Soeffner 2008: 171). Mayring (2010: 116-122) adaptiert die quantitativen Gütekriterien Reliabilität, Validität und Objektivität und ergänzt sie um intersubjektive Validierung. Dieses letzte Kriterium halten Przyborski und Wohlrab-Sahr hingegen für den Kerngedanken der Sicherung von Gültigkeit qualitativer Forschung: »Die Leserinnen müssen in die Lage versetzt werden, auf Grundlage der empirischen Datenlage selbst Schlussfolgerungen anzustellen und eigene Interpretationen vorzunehmen.« (Przyborski/WohlrabSahr 2010: 353) Dies sei zwar ein in der Regel nicht zu realisierendes Ideal. Jedoch könne die Forschung durch Transparenz von Methoden, Techniken, Datengrundlage und eigener Arbeitsweise intersubjektiv überprüfbar gemacht werden (ebd.: 353f). Als grundsätzliche Haltung im Forschungsprozess empfiehlt Reichertz die »systematische und organisierte Produktion von Zweifeln (in jeder Phase des Forschungsprozesses) und die dadurch erreichte Fehlerausmerzung« (Reichertz 2005: 576). In qualitativer Forschung gehe es nicht um die eine Wahrheit, sondern darum, Wahrheit intersubjektiv aufzubauen und zu teilen. Das ist im strengen Sinne nur in Gruppen 19 | Meyen (Ders. et al. 2011: 47) nennt daneben das Kriterium der normativen Werturteilsfreiheit. Das sehe ich kritisch, da gerade in der Sozialforschung Forschungsgegenstände aufgrund normativer Urteile konstruiert werden. So beruht die vorliegende Untersuchung auf dem normativen Urteil, die Unterrepräsentanz von Frauen in der Spitzenpolitik und deren Repräsentationen in politischen Medien trügen bei zur Konstruktion von Geschlechterungleichheiten und seien damit ein Missstand. Ein gesellschaftsverändernder Impetus im Sinne der Überwindung struktureller Geschlechterhierarchien gehört damit zu den forschungsleitenden Interessen dieser Arbeit (Schindler 2005: 106). Befunde und deren Verallgemeinerung müssen auch in Bezug auf diese normative Setzung diskutiert werden. Insofern kann es nur darum gehen, normative Urteile transparent zu machen, und nicht darum, sie komplett zu vermeiden.

95

96

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

von mehreren Forscher_innen zu realisieren. Im weiteren Sinne heißt es, die eigenen Ergebnisse der wissenschaftlichen Kritik auszusetzen (ebd.: 577). Gefordert sind also auch hier in erster Linie intersubjektive Transparenz und Überprüfbarkeit. Im Folgenden werden anhand der Strategien, die Reichertz (ebd.: 577) und Meyen (Ders. et al. 2011: 48) vorschlagen, Gütekriterien an die vorliegende Untersuchung angelegt. Um die Zuverlässigkeit der Datenerhebung sicherzustellen, bevorzugt Reichertz natürliche Daten, die nicht für wissenschaftliche Untersuchungen erzeugt wurden, und deren Fixierung mit Medien, die möglichst viel von der Qualität der Daten und der ihnen inhärenten Zeitstruktur konservieren. Dies ist mit den Medientexten in dieser Untersuchung im Wesentlichen gegeben. Sie wurden nicht zur Analyse, sondern im Hinblick auf eine politische Öffentlichkeit produziert. Die Zeitstruktur der Texte ist durch das Veröffentlichungsdatum dokumentiert. Einschränkungen ergeben sich aus dem Verzicht auf den redaktionellen Kontext, vor allem die Positionierung ›im Blatt‹ sowie Text-Bild-Arrangements. Für die Repräsentativität des Datensamples fordert Reichertz ein Theoretical Sampling, eine theoriegeleitete oder minimal/maximal kontrastierende Datenerfassung, die so lange fortgesetzt wird, bis alle Variablen abgedeckt sind. Ein Datensatz ist nach dieser Methode repräsentativ, wenn weitere Daten keine neuen Erkenntnisse bringen. Hier weicht die vorliegende Arbeit von Reichertz’ Kriterien ab. Der Textkorpus ist zeitlich bestimmt, durch die heiße Wahlkampfphase bzw. Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung (Kap. 4.4.2). Abgesehen von praktischen Problemen im Theoretical Sampling bei der Bestimmung des Punktes, an dem keine neuen Erkenntnisse mehr zu gewinnen sind (Schreier 2010: 244f), hat dies Gründe, die in der Fragestellung liegen. Wie noch zu zeigen sein wird, sind Konstruktionen von Geschlecht in medialen Repräsentationen kontextabhängig. Mit jedem neuen Kontext kann also eine neue Konstruktion verbunden sein. Dies ist potenziell unendlich. Deswegen kann die Repräsentativität des Datensamples in dieser Arbeit nur anhand intersubjektiv nachvollziehbarer Kriterien überprüft werden, die eine möglichst hohe Informationsdichte in Bezug auf den Gegenstand sicherstellen (Kap. 4.4.2 und 4.5.3). Zur Gültigkeit von Generalisierungen schlägt Reichertz zwei Strategien vor. So sollen die aus dem Datensatz gewonnenen Hypothesen durch Sequenzanalysen an weiteren Daten validiert werden. In diesem Prozess gelten Lesarten als Hypothesen, die durch widersprechende Lesarten falsifiziert und durch passende Lesarten verifiziert werden. Eine weitere Validierung wird durch Kontrollinterpretationen anderer Forscher_innen sowie den wissenschaftlichen Diskurs auf Tagungen sichergestellt. Im Rahmen dieser Untersuchung war die sequenzanalytische Validierung inhaltsanalytisch gewonnener Erkenntnisse exemplarisch möglich (Kap. 4.6.2). Eine vollständige Validierung aller induktiv gewonnenen (Unter-)Kategorien (= Lesarten) für alle Wahlen hätte den Rahmen einer Einzelarbeit gesprengt. Der intersubjektiven Validierung der Erkenntnisse dienten eine Interpretationsgruppe (Kap. 4.6.2.2), ein Kolloquium, Präsentationen auf Tagungen und Publikationen. Meyen (Ders. et al. 2011: 48) fokussiert vor allem auf Dokumentation und Refle-

Forschungsdesign und Methode

xion. Der Forschungsprozess soll vollständig mit allen Entscheidungen und Schritten dokumentiert werden. In der vorliegenden Arbeit sollen dies Aufbau und Inhalt des Forschungsberichts gewährleisten. Zur Vollständigkeit gehört es, neben den Ergebnissen auch das zugrunde liegende Datenmaterial zu veröffentlichen. Dies scheitert jedoch an den rechtlichen Nutzungsbedingungen der Archive, in denen die Medientexte im Sample gezogen wurden. Allerdings sind alle analysierten Artikel mit vollständiger Quellenangabe aufgeführt, sodass ein Zugriff über Archive und wissenschaftliche Bibliotheken jederzeit möglich ist (Kap. 11). Mit Reflexion meint Meyen zunächst die Selbstreflexion der Forscherin, die sich auf die theoretischen und alltagsweltlichen Vorannahmen sowie das Verhältnis zum Forschungsgegenstand bezieht. Diese Reflexionen sind in der Beschreibung des persönlichen Zugangs zum Forschungsgegenstand und bei der Entwicklung der Fragestellung (Kap. 1), im theoretischen Rahmen (Kap. 3), bei der Entwicklung von Forschungsfragen und den zugrunde liegenden forschungsleitenden Annahmen (Kap. 4.3) sowie der Reflexion des Forschungsprozesses (Kap. 4.7) dargestellt. Des Weiteren erwartet Meyen, dass die Entstehungsbedingungen der Arbeit reflektiert werden. Dies bezieht sich auf die Ressourcen, die mangels materieller Förderung von der Forscherin persönlich aufgebracht wurden.20 Auf die Bedingungen der Materialerhebung wurde hingewiesen (Kap. 4.5.3). Das Forschungsumfeld bestand in erster Linie aus dem Promotionskolloquium der wissenschaftlichen Betreuerin. Als Interesse, das in die Forschung hineinragt, kann allenfalls die Absicht genannt werden, mit der gewonnenen Expertise eine professionelle Perspektive aufzubauen. Ich möchte betonen, dass ich weder berufliche oder politische Kontexte mit den beforschten Politikerinnen teile,21 noch in irgendeiner Weise von der SPD abhängig bin. Insbesondere ist die SPD nicht Auftraggeberin dieser Untersuchung. Damit dürfte die vorliegende Untersuchung den qualitativen Gütekriterien Zuverlässigkeit der Datenerhebung, Repräsentativität der Datenauswahl und Validität der (generalisierten) Aussagen gerecht werden.

20 | Das stieß bei der kostenintensiven Beschaffung der Medientexte in der Bildzeitung an seine Grenzen (s.S. 84). 21 | Ich habe aber mit allen beforschten Kandidatinnen außer Hannelore Kraft, mit der kein Termin zustande kam, Hintergrundgespräche im Kontext einer Veröffentlichung geführt (Beck 2014a).

97

5. SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen

Sechs SPD-Spitzenkandidatinnen werden in der vorliegenden Untersuchung berücksichtigt: Renate Schmidt 1994 und 1998 in Bayern, Ingrid Stahmer 1995 in Berlin, Heide Simonis 1996, 2000 und 2005 in Schleswig-Holstein, Ute Vogt 2001 und 2006 in Baden-Württemberg, Andrea Ypsilanti 2009 in Hessen sowie Hannelore Kraft 2010 und 2012 in Nordrhein-Westfalen (Kap. 4.4.1). Auf Basis der nun folgenden persönlichen und politischen Kontexte der Kandidaturen (Kap. 5.1 bis Kap. 5.6) können die Ergebnisse der einzelnen Wahlen zueinander in einen zeitlichen und inhaltlichen Bezug gesetzt werden. Am Ende wird ein Auswertungscluster entwickelt, um die Befunde der einzelnen Kandidaturen zu bündeln, zuzuspitzen und besser verallgemeinern zu können (Kap. 5.7).

5.1 R ENATE S CHMIDT, B AYERN 1994

UND

1998

Renate Schmidt (Jg. 1943) trat 1994 und 1998 als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Bayern an. Zuvor hatte sie seit 1980 den Wahlkreis Nürnberg-Nord im Bundestag vertreten (Bundestag 1998). Von 1990 bis 1994 amtierte sie als Vizepräsidentin des Bundestags (Schmidt o.J.). Vor ihrer politischen Laufbahn hatte sie als leitende Systemanalytikerin beim Versandhaus Quelle in Fürth gearbeitet und sich als Betriebsrätin engagiert. Von 1980 bis 1988 war sie stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen (HBV) in Bayern (DHM o.J.). Sie hatte vor dem Abitur das Gymnasium verlassen müssen, weil sie schwanger war. Mit ihrem ersten Mann, der 1984 plötzlich verstarb, hat sie drei Kinder. Bei der Landtagswahl in Bayern 1990 war das Ergebnis der SPD mit 26 Prozent auf einen historischen Tiefstand gesunken (Bayerisches Landesamt für Statistik o.J.a). Auf Betreiben des SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel sollte Schmidt die Partei in Bayern aus der Misere führen. Sie wurde 1991 zur SPD-Landesvorsitzenden gewählt und übernahm die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 1994 (SZ 21.09.94: 3).

100

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

In der sogenannten Amigo-Affäre1 1992/1993 sank die CSU bei der Sonntagsfrage2 zeitweise unter 40 Prozent. Der Wahlsieg einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP rückte in den Bereich des Möglichen (Berr 2008). Ministerpräsident Max Streibl (CSU) musste im Mai 1993 zurücktreten. Zum Nachfolger wurde der damalige Innenminister Edmund Stoiber gewählt. Trotz des Skandals erreichte die CSU bei der Europawahl am 12. Juni 1994 wieder 48,9 Prozent der Stimmen. Die SPD rutschte mit 23,7 Prozent noch unter das Landtagswahlergebnis von 1990 (26 %) (Bayerisches Landesamt für Statistik o.J.b). Bei der Landtagswahl am 25. September 1994 konnte die CSU ihre absolute Mehrheit mit 52,8 Prozent verteidigen. Die SPD mit Renate Schmidt an der Spitze fuhr mit exakt 30 Prozent einen Achtungserfolg ein. Noch am Wahlabend entbrannte zwischen Schmidt und dem bisherigen Amtsinhaber Albert Schmid ein Machtkampf um den SPD-Fraktionsvorsitz, den die Spitzenkandidatin zunächst für sich entschied. Im September 1995 zwang sie ihren FastNamensvetter, sowohl vom Fraktionsamt als auch als Generalsekretär der SPD Bayern zurückzutreten (Beck 2014a: 406), sie blieb aber dennoch an der Partei- und Fraktionsspitze umstritten (Spiegel 37/95: 32). Vier Jahre später, am 13. September 1998, trat Schmidt ein zweites Mal gegen Stoiber an. Erneut konnte die SPD den Machtanspruch der CSU nicht ernsthaft gefährden, zumal der Ministerpräsident inzwischen fester im Sattel saß als noch vier Jahre zuvor. Außerdem war diese Wahl überlagert von der Bundestagswahl 14 Tage später. Dort hatte die SPD mit dem Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder und einer rot-grünen Koalition die realistische Chance, die schwarz-gelbe Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl abzulösen. Beide großen Parteien stilisierten die Bayern-Wahl zur Testwahl für den Bund. Schmidt wurde von Schröder im Wahlkampf unterstützt und legte den Schwerpunkt auf bundespolitische Themen. Das Wahlergebnis von 1994 (30 %) konnte Schmidt mit 28,7 Prozent nicht verteidigen. Es lag jedoch erneut über den Ergebnissen von 1986 (27,5 %) und 1990 (26 %). Stoibers CSU stagnierte mit 52,9 Prozent (1994: 52,8 %) (Bayerisches Landesamt für Statistik o.J.a). Auch diesmal begann noch am Wahlabend eine Kontroverse in der SPD um die Person Schmidt. Diesmal ging es um die Frage eines möglichen Rücktritts. Dennoch wurde Schmidt erneut zur Fraktionsvorsitzenden gewählt. Ihren Rückzug aus der Landespolitik kündigte sie 1999 für 2001 an. Als um ihre Nachfolge ein offener Machtkampf 1 | Ministerpräsident Streibl hatte in seiner Zeit als Finanzminister Zuwendungen von persönlichen Freunden (»Amigos«) aus der Industrie als Gegenleistung für Aufträge und Förderzusagen erhalten. Streibl, Franz-Josef Strauß und weitere CSU-Politiker hatten regelmäßig die Flugbereitschaft des Rüstungsunternehmens Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) genutzt. Und wie sein Vorgänger Strauß hatte Streibl als Ministerpräsident für die Aufgabe als Testamentsvollstrecker der Friedrich-Baur-Stiftung eine Vergütung von bis zu 300.000 DM pro Jahr erhalten (Schlötterer 2009). 2 | Sonntagsfrage heißt in der Demoskopie die Frage, welche Partei die Befragten wählen würden, wenn am nächsten Sonntag Landtags- bzw. Bundestagswahl wäre.

SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen

ausbrach, zog sie diesen Schritt auf Sommer 2000 vor (Burger 2000). Im Bund blieb sie von 1999 bis 2003 als stellvertretende SPD-Vorsitzende und von 2002 bis 2005 als Familienministerin präsent.

5.2 I NGRID S TAHMER , B ERLIN 1995 Ingrid Stahmer (Jg. 1942) war schon vor ihrer Spitzenkandidatur 1995 profilierte Landespolitikerin, war aber – da ohne bundespolitischen Funktionen – auf Bundesebene relativ unbekannt. Sie amtierte seit 1981 als Sozialstadträtin und stellvertretende Bürgermeisterin im West-Berliner Bezirk Charlottenburg. 1985 wurde sie zur stellvertretenden Landesvorsitzenden der SPD Berlin gewählt, gab dieses Amt aber 1989 ab, weil sie als Sozialsenatorin und stellvertretende Bürgermeisterin in den viel beachteten Frauensenat unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper einzog (Kap. 2.3). Sie behielt ihr (um das Gesundheitswesen verkleinertes) Ressort auch nach dem Bruch des rot-grünen Bündnisses Ende 1990 und der Neuwahl am 2. Dezember 1990 in einer großen Koalition unter dem CDU-Politiker Eberhard Diepgen (Foster 1998b: 83-86). Stahmer konkurrierte mit Momper um die Spitzenkandidatur für die Wahl zum Abgeordnetenhaus am 22. Oktober 1995. Am 2. Februar 1995 setzte sie sich in einer Urwahl der Berliner SPD-Mitglieder mit 56,2 zu 43,7 Prozent durch (Beck 2014a: 394). Zwar sah es anfangs so aus, als könne sie Diepgen schlagen (Stöss/Niedermayer 1997: 31). Jedoch gelang es ihr in den folgenden Monaten nicht, die Partei hinter sich zu einen. Das zeigte sich u.a. in der Koalitionsfrage. Während Stahmer ohne Aussage in den Wahlkampf ging und erst nach der Wahl entscheiden wollte, setzte sich Momper für ein rot-grünes Bündnis ein und lotete dessen Chancen in eigenen Wahlkampfveranstaltungen immer wieder aus (Beck 2014a: 399). Hinzu kam ein Machtkampf in der Bundes-SPD, an dessen Ende der damalige saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine in einer Kampfabstimmung am 16. November 1995 Rudolf Scharping an der Parteispitze ablöste. Die CDU konnte sich dagegen auf den ›Kanzler der Einheit‹ Helmut Kohl als Wahlkampfhilfe für den eher farblosen Diepgen stützen. Am Ende ging der Niedergang, den die Sozialdemokratie in Berlin seit Jahren zu verzeichnen hatte, auch bei dieser Wahl weiter. Die SPD verlor 6,8 Prozentpunkte, landete bei 23,6 Prozent und setzte die große Koalition mit Diepgens CDU fort (Stöss/ Niedermayer 1997: 23). Stahmer, die zu diesem Zeitpunkt kein Parteispitzenamt innehatte, nahm an den Koalitionsverhandlungen nicht teil. Da die SPD das Sozialressort an die CDU abgeben musste, kehrte sie als Bildungssenatorin in den Senat zurück, blieb in dieser Funktion bis 1999 und zog sich dann aus der Spitzenpolitik in Berlin zurück (SPD Berlin Neu-Westend o.J.).

101

102

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

5.3 M INISTERPRÄSIDENTIN H EIDE S IMONIS , S CHLESWIG -H OLSTEIN 1996, 2000 UND 2005 Heide Simonis (Jg. 43) wurde 1993, zu diesem Zeitpunkt Finanzministerin in SchleswigHolstein, als Nachfolgerin von Björn Engholm zur ersten Ministerpräsidentin in Deutschland gewählt. Hintergrund war die Barschel-Pfeiffer-Affäre.3 Nach dem Studium verbrachte die Volkswirtin einige Jahre mit ihrem Mann in Sambia und Japan, wo sie als Deutsch-Lektorin bzw. Marketing-Researcherin arbeitete. Zurück in Kiel folgte eine Stelle als Berufsberaterin im Arbeitsamt Kiel. Daneben engagierte sie sich für die SPD in der Kieler Kommunalpolitik. 1976 nahm Simonis einem alteingesessenen CDU-Politiker den Bundestagswahlkreis Rendsburg-Eckernförde ab. Im Bundestag gelangte sie als Neuling in den Haushaltsausschuss. Neben ihrer Kompetenz spielte dabei eine Rolle, dass die CDU ebenfalls eine Frau nominiert hatte. Ein Jahr später wurde sie Ausschusssprecherin der SPD. 1983 stieg sie in den Fraktionsvorstand auf und behielt beide Ämter bis zum Wechsel ins Kieler Finanzministerium (Munimus 2010). Bei der Landtagswahl 1988 hatte Engholm mit der SPD nach 42 Jahren CDU-Herrschaft die absolute Mehrheit errungen und Heide Simonis zur Finanzministerin berufen. 1992 wiederholte der SPD-Politiker den Wahlerfolg. Doch 1993 musste er wegen der Schubladen-Affäre zurücktreten.4 Simonis wurde zur Ministerpräsidentin gewählt. Sie hatte – abgesehen vom »Kontrastprogramm« Frau, mit dem sie selbst ihre Wahl erklärt (Simonis 2003: 105) – den Vorteil, in der Zeit der Barschel-Affäre in Bonn gewesen zu sein (SZ 16.03.96: 3). Ihre erste Wahl als Spitzenkandidatin am 24. März 1996 bestritt Simonis also bereits als Amtsinhaberin. Ihr Gegenkandidat war Ottfried Hennig, während der BarschelZeit ebenfalls im Bundestag und deswegen »unbelastet« (SZ 16.03.96: 3). Trotz anders lautender Prognosen verlor Simonis mit 39,8 Prozent der Stimmen (nach 46,2 % vier Jahre zuvor) die absolute Mehrheit und musste mit den von ihr ungeliebten und unerfahrenen Grünen koalieren, die erstmals in den Landtag einzogen (Statistik-Nord 2013). Nach dem rot-grünen Wahlsieg auf Bundesebene 1998 bemühte sich Simonis um 3 | Der damalige Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) hatte 1986/87 seinen Medienreferenten Reiner Pfeiffer beauftragt, Kompromittierendes über Oppositionsführer Engholm herauszufinden. Die Sache kam heraus, Barschel musste zurücktreten und gab in einer Pressekonferenz sein Ehrenwort, nichts gewusst zu haben. Das Ehrenwort entpuppte sich als Lüge. Barschel starb kurz darauf unter ungeklärten Umständen in einem Genfer Hotel (Bölsche 1987). 4 | Engholm musste eingestehen, dass er wesentlich früher als zugegeben von Pfeiffers Machenschaften gewusst hatte. Zudem hatte Pfeiffer vom SPD-Chef und Sozialminister Günther Jansen 40.000 DM erhalten, angeblich weil Pfeiffer ihm leidtat. Dieser Teil des Kieler Skandals wird Schubladen-Affäre genannt, weil Jansen das Geld in seiner häuslichen Küchenschublade gesammelt haben will (Bölsche 1987).

SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen

das Bundesfinanzministerium. Wegen ihres schlechten Verhältnisses zum Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder (und weil Parteichef Oskar Lafontaine diesen Posten für sich reklamierte) wurde nichts daraus (Munimus 2010: 112). Im Jahr 2000 trat der ehemalige Verteidigungsminister und CDU-Generalsekretär Volker Rühe gegen Simonis an. Die Wahl fand am 27. Februar 2000 statt. Bis Ende 1999 galt Rühe als sicherer Sieger mit mehreren Prozentpunkten Vorsprung in den Umfragen. Zum Jahreswechsel kam jedoch der CDU-Parteispendenskandal ans Licht. Helmut Kohl musste als CDU-Vorsitzender zurücktreten, die CDU stürzte in den Meinungsumfragen ab. Auch Kohls Nachfolger Wolfgang Schäuble wurde in den Strudel des Skandals gerissen und kandidierte nicht wieder für das CDU-Spitzenamt. Ein Zweikampf um die Nachfolge zeichnete sich zwischen Rühe und Angela Merkel ab (Leyendecker et al. 2000). Als klar war, dass die Landtagswahl in Schleswig-Holstein für die CDU verloren gehen würde, versuchte Rühe, diese Wahl zur Abstimmung über seine politische Zukunft zu machen. Das misslang. Simonis regierte nach einem verbesserten Ergebnis (43,1 %) in einer rot-grünen Koalition weiter (Statistik-Nord 2013). Das nächste Mal wurde am 20. Februar 2005 gewählt. Simonis’ Gegenkandidat war Peter Harry Carstensen, bis dahin ein Hinterbänkler im Bundestag und 2000 Rühes Schatten-Landwirtschaftsminister (Deutscher Bundestag o.J.). Nach der Bundestagswahl 2002 verlor die SPD aufgrund der Agenda 2010 und aufgrund der schlechten gesamtwirtschaftlichen Lage eine Reihe von Landtagswahlen. Auch Schleswig-Holstein galt bis zu einem halben Jahr vor der Wahl als verloren. Doch dann büßte die CDU an Zustimmung ein. Die SPD gewann wieder an Boden. Bis kurz vor der Wahl führte in den Kieler Umfragen Rot-Grün knapp vor Schwarz-Gelb. Doch am Wahlabend gab es ein Patt mit dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW)5 als Zünglein an der Waage.6 Simonis kündigte eine Zusammenarbeit mit den Grünen und dem SSW an und handelte einen Koalitionsvertrag mit den Grünen unter Tolerierung durch den SSW aus. Diese Konstellation hatte eine Stimme Mehrheit. Doch bei der Wahl zur Ministerpräsidentin fehlte ihr in vier Wahlgängen immer genau diese eine Stimme. Wer der Heide-Mörder7 war, ist bis heute ungeklärt. Er wird jedoch in den Reihen der SPD vermutet. Simonis verabschiedete sich daraufhin aus der Parteipolitik (Munimus 2010: 145-152).

5 | Partei der dänischen Minderheit, die von der Fünf-Prozent-Klausel befreit ist. 6 | CDU 40,2 %, FDP 6,6 % gegenüber SPD 38,7 %, Grüne 6,2 %, SSW 3,6 % (StatistikNord 2013). 7 | Die Titulierung Heide-Mörder stammt aus der tageszeitung (taz) (Stadel 2005). Da das taz-Archiv kostenpflichtig ist, wurde auf eine Recherche des entsprechenden Artikels verzichtet.

103

104

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

5.4 U TE V OGT, B ADEN -W ÜRTTEMBERG 2001

UND

2006

In Baden-Württemberg war die SPD in einer ähnlich aussichtslosen Position wie in Bayern. Regierungsverantwortung erlangte die Partei bis zur Kandidatur von Ute Vogt (Jg. 1964) nur als Juniorpartnerin einer großen Koalition (1992 bis 1996). Die Spitzenkandidatur galt daher als nicht sehr attraktiv. Anfang 2000, ein Jahr vor der Landtagswahl, mutmaßten die Medien, die SPD Baden-Württemberg finde niemanden für diese Aufgabe (Wieselmann 2000). Vogt war seit 1994 Bundestagsabgeordnete. Ihre politische Karriere war eng mit Gerhard Schröders Kanzlerschaft verknüpft. Im Jahr nach dessen Wahlsieg wurde sie 1999 zur SPD-Landesvorsitzenden Baden-Württemberg gewählt. Ein weiteres Jahr später stieg sie zur Vorsitzenden des Innenausschusses im Bundestag auf. Von 2002 bis 2005 war sie Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. 2003 wurde sie zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und blieb das bis 2007. Die Spitzenkandidatur in Baden-Württemberg 2001 hatte die Politikerin zunächst ausgeschlossen, weil sie sich mit 36 Jahren für zu jung hielt und Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses bleiben wollte. Im Gespräch war stattdessen Sigmar Mosdorf, damals Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Doch der zögerte (zu) lange, sodass Vogt sich am Ende in die Pflicht nehmen ließ. Als Vogt ihre Kandidatur bekannt gab, wollte Mosdorf dann doch. Auch in Baden-Württemberg wurden die Parteimitglieder befragt. Vogt siegte mit 66,68 Prozent deutlich (Beck 2014a: 394f). Im Wahlkampf gelang es Vogt, sich als jugendlich frische, ideenreiche und dialogorientierte Alternative zum betulichen und verbrauchten Amtsinhaber Erwin Teufel (CDU) zu inszenieren. Dabei wurde sie nach Kräften von Kanzler Schröder unterstützt (SPON 28.02.01a). Bei der Wahl am 25. März 2001 errang Vogt mit 33,3 Prozent, einem Plus von 8,2 Prozentpunkten im Vergleich zu 1996, einen Achtungserfolg (Statistik-BW 2015). Ihren eigenen Wahlkreis Pforzheim holte sie jedoch nicht. Wegen des Wahlsystems in Baden-Württemberg, das keine Landeslisten kennt,8 verpasste sie den Einzug in den Landtag, konnte nicht den Fraktionsvorsitz übernehmen und mischte weiter von Berlin aus als SPD-Vorsitzende in der Landespolitik mit. Bei Vogts zweiter Spitzenkandidatur 2006 hatten sich die Voraussetzungen komplett geändert. Ihr CDU-Gegenkandidat und Ministerpräsident war nicht mehr der alternde Teufel, sondern mit Günter Oettinger ein neues, jüngeres Gesicht. Sie selbst war nicht mehr die jugendlich frische Newcomerin, sondern eine Bundespolitikerin mit nur geringer Präsenz in der Landespolitik. Und im Bund war Schröders rot-grünes Bündnis von einer großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgelöst worden. 8 | In Baden-Württemberg haben Wähler_innen nur eine Stimme, mit der sie sowohl den oder die Wahlkreiskandidat_in als auch die Partei wählen. Bis 2011 kamen für die 120 Landtagsmandate neben den 70 direkt gewählten Kandidat_innen die unterlegenen Wahlkreisbewerber_innen mit der höchsten absoluten Stimmenzahl zum Zug. Das benachteiligte Kandidat_innen kleiner Wahlkreise. Inzwischen folgt die Zweitauszählung dem prozentualen Wahlkreisergebnis (LPB Ba-Wü 2015b).

SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen

Aus Rücksicht auf die Koalition in Berlin vermied die SPD Baden-Württemberg einen polarisierenden Wahlkampf. Vogts begleitender Imagewechsel zur Landesmutter in spe misslang. Ein mächtiger Mentor stand nicht im Hintergrund. Und die SPD war kaum zu mobilisieren (Beck 2014a: 399f). Diesmal zog Vogt zwar über die Zweitauszählung in den Landtag ein. Doch die SPD büßte bei der Wahl am 26. März 2006 mit 25,2 Prozent das gesamte Plus von 2001 wieder ein. Wie bei Renate Schmidt 1994 wurde der Anspruch der Spitzenkandidatin und SPD-Landesvorsitzenden auf den Fraktionsvorsitz infrage gestellt. Vogt setzte sich nach harter Auseinandersetzung gegen den bisherigen Amtsinhaber durch, trat jedoch wegen anhaltender interner Konflikte Anfang 2008 von diesem Amt zurück (ebd.: 406f). 2007 wurde sie nicht mehr für den stellvertretenden SPD-Bundesvorsitz nominiert. 2009 kandidierte sie wieder für den Bundestag und schied zugunsten dieses Mandats aus dem Landtag aus.

5.5 A NDREA Y PSILANTI , H ESSEN 2008 Andrea Ypsilanti (Jg. 57) errang als SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Hessen am 27. Januar 2008 gegen den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch einen unerwarteten Wahlerfolg. Jedoch scheiterte ihr hoch umstrittener Versuch, eine von der Partei Die Linke tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden. Die Politikerin stammt aus einer Rüsselsheimer Arbeiterfamilie. Das Gymnasium konnte sie nur dank der Fürsprache eines Lehrers besuchen (FAZ 08.01.08: 16). Nach dem Abitur jobbte sie zunächst als Sekretärin und als Stewardess, bevor sie Soziologie studierte. Später arbeitete sie als Referatsleiterin in der hessischen Staatskanzlei unter Ministerpräsident Hans Eichel. Nach einer gescheiterten Ehe lebt Ypsilanti mit ihrem Sohn und ihrem Lebensgefährten in Frankfurt (Hessischer Landtag o.J.). In die hessische Landespolitik gelangte sie über ihr Engagement bei den Jusos. Ab 1999 war sie Landtagsabgeordnete, ab 2001 stellvertretende Vorsitzende der SPD Hessen. Nach einem Debakel der SPD bei der Landtagswahl 2003 wurde Ypsilanti zur Landesvorsitzenden gewählt.9 Als Spitzenkandidat für die Wahl 2008 schien der Offenbacher Oberbürgermeister Gerhard Grandke gewonnen. Doch der sagte im Sommer 2006 ab (Becker 2011: 2). Der Fraktionsvorsitzende Jürgen Walter hatte zugunsten Grandkes verzichtet (FAZ 03.02.06). Als die Partei-Linke Ypsilanti ihre Bereitschaft zur Spitzenkandidatur erklärt hatte, zog der auf dem rechten SPD-Flügel verortete Walter jedoch nach (FAZ 25.08.06). Beide tourten gemeinsam durch die SPD-Unterbezirke und ließen die Mitglieder abstimmen, wenn auch ohne bindende Wirkung für den Nominierungsparteitag. Zwei Drittel der Unterbezirke, jedoch nur eine knappe Mehrheit der Mitglieder votierten für Walter. Wegen des knappen Ergebnisses entschloss sich Ypsilanti, beim Parteitag zu 9 | Die SPD war um 10,3 Prozentpunkte auf 29,1 % abgestürzt. Die CDU mit Ministerpräsident Koch erreichte die absolute Mehrheit (Statistik Hessen o.J.).

105

106

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

kandidieren. Nach einem Patt im ersten Wahlgang erlangte sie im zweiten Durchgang eine knappe Mehrheit von 175 zu 165 Stimmen. 2007 übernahm sie auch den Fraktionsvorsitz (ebd: 3). Von 2005 bis 2009 gehörte sie dem SPD-Bundesvorstand an, ab 2007 auch dem Präsidium (Hessischer Landtag o.J.). Ihr Wahlkampf 2007/2008 gegen die CDU unter Ministerpräsident Koch geriet in der heißen Phase zur spannenden Aufholjagd. Am Ende stürzte die CDU von 48,8 auf 36,8 Prozent ab und lag nur noch hauchdünn vor der SPD, die 36,7 Prozent erzielte (Statistik Hessen o.J.). Neben der Haltung der CDU zur Energiewende und schulpolitischen Versäumnissen spielte auch eine Rolle, dass Koch den Überfall zweier migrantischer Jugendlicher auf einen Rentner in der Münchener U-Bahn zu einer Kampagne gegen Jugendgewalt mit ausländerfeindlichen Untertönen nutzte (SZ 03.01.08: 3). Außerdem gelang es Ypsilanti, sich mit einem explizit linken Programm von einer Reihe von Wahlniederlagen im Bund und Ländern abzusetzen. Das Programm für eine soziale Moderne las sich als linker Gegenentwurf zur Agenda-Politik des vormaligen SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Für die Ankerthemen Energie- und Bildungspolitik hatte Ypsilanti prominente Repräsentanten gewonnen, den »Solarpapst« Hermann Scheer und Rainer Domisch, zuvor verantwortlich für das Schulwesen im PISASiegerland Finnland (Beck 2014a: 398). Da jedoch auch die Partei Die Linke mit 5,1 Prozent in den Landtag einzog, hatten am Ende weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb eine Mehrheit. Ypsilanti fand sich in einer Zwickmühle zwischen zwei Wahlversprechen wieder. Sie hatte sowohl eine Kooperation mit der Linken als auch mit der CDU ausgeschlossen (Becker 2011: 4). Für eine Ampelkoalition stand die FDP nicht zur Verfügung. Da entsprechend ihrer Programmatik keine andere Option infrage kam, wollte sich Ypsilanti dann doch mit den Stimmen der Linken bei der konstituierenden Sitzung des Landtags am 5. April 2008 zur Ministerpräsidentin wählen lassen. In der SPD auf Bundes- und Landesebene war dies zwar hoch umstritten, doch Parteichef Kurt Beck stimmte zu. Da jedoch die SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger ankündigte, die Stimme zu verweigern, verzichtet Ypsilanti auf die Kandidatur. Ab Sommer 2008 gab es einen zweiten Versuch zur Bildung einer Minderheitsregierung. In vier Regionalkonferenzen ergab sich dafür eine Mehrheit von rund 95 Prozent. Auch alle Landtagsabgeordneten außer Metzger waren einverstanden. Ein Landesparteitag am 4. Oktober 2008 beschloss mit 98 Prozent Koalitionsverhandlungen mit den Grünen. Für Tolerierungsgespräche mit der Linken wurde ein Eckpunktepapier verabschiedet. Am 24. Oktober war der Koalitionsvertrag unter Dach und Fach. In einem Mitgliederentscheid votierten die hessischen Linken für die Tolerierung. Und am 1. November billigte ein weiterer SPD-Parteitag den Koalitionsvertrag. Der stellvertretende Parteivorsitzende Walter stimmte allerdings dagegen. Er hatte zugunsten von Scheer auf das Wirtschaftsministerium verzichten müssen. Die Übernahme eines Ministeriums für Verkehr und Europa lehnte er ab. Gemeinsam mit den Landtagsabgeordneten Silke Tesch, Carmen Everts und Dagmar Metzger kündigte er am 3. November 2008, einen Tag vor der geplanten Wahl zur Ministerpräsidentin,

SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen

in einer Pressekonferenz an, bei dieser Wahl aus Gewissensgründen mit Nein zu stimmen. Damit war die Regierungsbildung geplatzt. Alle Landtagsparteien sprachen sich daraufhin für Neuwahlen aus. Ypsilanti verzichtete auf eine erneute Spitzenkandidatur. Auf ihren Vorschlag hin wurde Torsten Schäfer-Gümbel zum Spitzenkandidaten und zum SPD-Vorsitzenden gewählt. Bei der Neuwahl am 18. Januar 2009 stürzte die SPD auf 23,7 Prozent ab. Koch wurde mit den Stimmen von CDU und FDP erneut Ministerpräsident (Becker 2011).

5.6 H ANNELORE K RAFT, N ORDRHEIN -W ESTFALEN 2010

UND

2012

Bei der Landtagswahl in NRW am 9. Mai 2010 gelang es Hannelore Kraft (Jg. 61) als erster weiblicher Spitzenkandidatin in Deutschland, aus der Opposition heraus in eine Staatskanzlei einzuziehen. Sie wurde Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung. Bereits zwei Jahre später, am 13. Mai 2012, wurde Kraft im Amt bestätigt und die rot-grüne Koalition mit einer parlamentarischen Mehrheit ausgestattet. Kraft stammt aus einfachen Verhältnissen in Mühlheim/Ruhr. Als Erste in der Familie machte sie Abitur (SPON 04.05.12). Es folgten eine Banklehre und ein Studium der Wirtschaftswissenschaften. Als Unternehmensberaterin bei einer landeseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft kehrte sie in ihre Heimatstadt zurück. Kraft ist verheiratet und hat einen Sohn. In die SPD trat sie erst mit 33 Jahren ein. Die klassische Ochsentour (s.S. 26 FN 9) blieb ihr erspart. Seit 2000 gehört sie dem Landtag in Nordrhein-Westfalen (NRW) an. Bereits nach zehn Monaten wurde sie vom damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement zur Europaministerin berufen. Zwei Jahre später wechselte sie ins Wissenschaftsministerium im Kabinett von Ministerpräsident Peer Steinbrück. Als die SPD in NRW 2005 nach 39 Jahren an der Regierung mit nur noch 37,1 Prozent abgewählt wurde, wurde Kraft zunächst Oppositionsführerin und zwei Jahre später SPD-Landesvorsitzende. Bei ihrer Spitzenkandidatur 2010 galt sie zunächst als chancenlos (Bild 10.05.10: 3). Die SPD verlor auch im Vergleich zum Wahlergebnis 2005 mit nur noch 34,5 Prozent weitere 2,6 Prozentpunkte (Landeswahlleiterin NRW 2010). Die Partei profitierte jedoch vom Absturz der CDU um 10,3 Prozentpunkte und von einem Stimmenzuwachs der Grünen. Anders als Andrea Ypsilanti in Hessen zwei Jahre zuvor führte Kraft Gespräche mit allen Parteien und lotete eine Koalitionsoption nach der anderen aus. Am 14. Juli 2010 wurde sie mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung gewählt und regierte mit wechselnden Mehrheiten (Beck 2014a: 404). Nachdem im März 2012 der Haushalt 2013 keine Mehrheit gefunden hatte, löste sich der Landtag vorzeitig auf. Bei den Neuwahlen am 13. Mai verbesserte die SPD ihre Ergebnis auf 39,1 Prozent und konnte die Koalition mit den Grünen nun mit eigener Mehrheit fortsetzen (Landeswahlleiterin NRW o.J.).

107

108

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

5.7 A USWERTUNGSCLUSTER Das Sample von sechs SPD-Spitzenkandidatinnen mit insgesamt elf Landtagswahlen lässt eine Beobachtung medialer Repräsentationen über einen Zeitraum von 18 Jahren zu. Damit lassen sich Modernisierungen im Zeitverlauf nachzeichnen. Allerdings sind die Kontexte der Wahlen sehr unterschiedlich. Um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen, erscheint es sinnvoll, die zeitlichen Entwicklungen mit Auswertungsgruppen anhand von ähnlichen Merkmalen zu modifizieren. Ziel ist dabei jedoch nicht, Typen zu bilden. Wohl aber können vergleichbare Befunde gebündelt, zugespitzt und leichter verallgemeinert werden. Als Schlussfolgerung aus der Medienanalyse soll diskutiert werden, welche Bedeutung die medialen Repräsentationen für den Anspruch der Kandidatinnen auf politische Macht haben. Deswegen werden zur Entwicklung eines Auswertungsclusters im Folgenden Merkmale diskutiert, die sich aus der politischen Konstellation ergeben und von denen anzunehmen ist, dass sie die Chancen der Kandidatinnen zur Übernahme von Regierungsmacht beeinflussen (s. Schaubild): • prozentuale Zugewinne beim Ergebnis im Vergleich zur vorherigen Landtagswahl • eine Kandidatur in der ›SPD-Diaspora‹ • das Führen von Koalitionsverhandlungen und • der Wahlkampf in der Position der Amtsinhaberin. Cluster der Kandidatinnen Wahl

Zugewinne SPD-Diaspora KoalitionsWahlkampf als MP verhandlungen

Schmidt 1994 Stahmer 1995

*

Schmidt 1998 Vogt 2001 Vogt 2006 Simonis 1996 Simonis 2000 Simonis 2005 Ypsilanti 2008 Kraft 2010 Kraft 2012 Merkmal erfüllt

Merkmal nicht erfüllt

* Die SPD führte nach der Wahl in Berlin 1995 zwar Koalitionsverhandlungen mit der CDU, jedoch als Juniorpartner einer großen Koalition wie schon nach der vorherigen Wahl.

SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen

So könnte ein relativer Wahlerfolg als modifizierendes Kriterium herangezogen werden. Schmidt 1994, Simonis 2000, Vogt 2001, Ypsilanti 2008 und Kraft 2012 erkämpften teils beträchtliche Zugewinne. Stahmer 1995, Simonis 1996 und 2005, Schmidt 1998, Vogt 2006 und Kraft 2010 mussten hingegen Verluste hinnehmen. Doch zeitigten die Wahlergebnisse recht unterschiedliche Konsequenzen. Die Zugewinne von Schmidt 1994 und Vogt 2001 änderten nichts an ihrer Position als ›ewige Oppositionspartei‹. Hingegen führten Simonis 1996 und 2005 sowie Kraft 2010 trotz Stimmverlusten Koalitionsverhandlungen. Zwei Kandidatinnen, Renate Schmidt und Ute Vogt, traten in Bundesländern an, in denen die SPD noch nie zuvor eine Landtagswahl gewonnen hatte. Hier ist anzunehmen, dass dieser ›Diaspora-Status‹ die Erfolgschancen verringert. Diese vier Kandidaturen könnten zu einer Gruppe zusammengefasst werden. Dann wäre die andere Gruppe mit sieben Wahlen jedoch sehr groß und über den gesamten Untersuchungszeitraum verteilt. Auch ein Wahlergebnis, das erlaubt, Koalitionsverhandlungen zu führen, könnten die Medien als Indikator für einen ernsthaften Machtanspruch verhandeln. Ein solches Ergebnis erzielte Simonis bei allen drei Wahlen, Ypsilanti sowie Kraft bei beiden Wahlen. Zur Ministerpräsidentin gewählt wurden Simonis 1996 und 2000 sowie Kraft 2010 und 2012. 2005 scheiterte Simonis allerdings bei der Wahl an die Spitze einer Minderheitsregierung. Ypsilanti gab diesen Versuch in Hessen 2008 bereits vor der Wahl zur Ministerpräsidentin auf, weil vier Abgeordnete ihrer Fraktion die Zustimmung zu einer Tolerierung durch die Linke verweigern wollten. Und schließlich gilt der Wahlkampf in der Position der Amtsinhaberin, der ›Amtsbonus‹, als wichtiger Vorteil im Kampf um Regierungsmacht. Zwei Kandidatinnen, Simonis bei allen drei Wahlen und Kraft 2012, profitierten von diesem Bonus. Zur Präsentation der Ergebnisse werden die Merkmale ›Koalitionsverhandlungen‹ und ›Amtsinhaberin‹ zu Auswertungsclustern kombiniert. Damit lassen sich drei Gruppen bilden, die den Zeitverlauf ergänzen: Eine erste Gruppe von Kandidaturen verfehlte beide Merkmale. Sie umfasst Renate Schmidt 1994 und 1998, Ingrid Stahmer 1995 sowie Ute Vogt 2001 und 2006 mit insgesamt fünf Wahlen. Diese Gruppe repräsentiert zugleich die zeitlich frühesten Kandidaturen. Heide Simonis erfüllte bei ihren drei Kandidaturen (1996, 2000 und 2005) hingegen beide Merkmale und bildet damit eine eigene zweite Gruppe. Ihre Kandidaturen decken in etwa den gleichen Zeitraum ab wie die erste Gruppe. Unterschiede in den medialen Repräsentationen beider Gruppen werden entlang der Position als Amtsinhaberin bzw. Herausforderin vermutet. Zwar trat auch Hannelore Kraft 2012 als Amtsinhaberin zur Landtagswahl an. Diese Kandidatin wird jedoch in die dritte Gruppe eingeordnet, weil sie diesen Status bei ihrer ersten Wahl 2010 noch nicht hatte, beide Wahlen aber vergleichend betrachtet werden. Damit sind in der dritten Gruppe mit Ypsilanti und Kraft zwei Politikerinnen mit insgesamt drei Wahlen vertreten, die zeitlich am spätesten stattgefunden haben (2008, 2010 und 2012). Beide führten Koalitionsverhandlungen. Eine von beiden trat beim zweiten Mal als Ministerpräsidentin an.

109

110

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Es gibt also zwei Gruppen von Kandidaturen, die sich in den Clustermerkmalen unterscheiden, aber alle im Zeitraum von 1994 bis 2006 stattfanden. Eine dritte Gruppe kandidierte zwischen 2008 und 2012 und stimmt beim Merkmal Koalitionsverhandlungen komplett sowie beim Merkmal Amtsinhaberin mit einer Ausnahme überein. Anhand dieser Gruppe lässt sich auch der in Kapitel 1 erwähnte »Neue Typus« von Spitzenpolitikerin diskutieren. Damit bleibt die zeitliche Perspektive erhalten, wird aber durch Merkmale, die Machtansprüche fokussieren, ergänzt.

6. Wahlkampf und Wahlergebnis

6.1 E INLEITUNG : Ü BER P OLITIKERINNEN

UND

F RAUEN

Zur Analyse medialer Konstruktionen von Geschlecht in den elf Wahlkämpfen der sechs SPD-Spitzenkandidatinnen wurden rund 450 Medientexte ausgewertet. Dabei zeigten sich sowohl Modernisierungen als auch Beharrung, sowohl Erwartbares als auch Überraschendes. Die Befunde werden im Folgenden entlang einer im Wesentlichen übereinstimmenden Gliederung präsentiert. Kleine Abweichungen sind im Gegenstand begründet. Es soll gezeigt werden, dass alle Kandidatinnen trotz großer Unterschiede in der medialen Inszenierung als das Geschlecht oder das andere Geschlecht in der Politik und als die anderen Frauen in Bezug auf traditionell weibliche Lebensentwürfe markiert wurden. In Bezug darauf werden die medialen Repräsentationen von Handlungsmacht nachgezeichnet. Damit sind die Kompetenz, das politische Handeln und die Wirksamkeit der Politikerinnen gemeint. Eine starke Personalisierung von Politik und Wahlkämpfen, die in der Forschung als Aspekt der Medialisierung von Politik verhandelt wird, lässt sich nur bei Simonis und bei Kraft erkennen. Das jeweilige Kapitel ist dem situativen Kontext entsprechend eingeordnet. Im Anschluss werden Inszenierungen von politischer Macht und Bedeutung analysiert. Zugrunde liegt die Annahme, dass Macht männlich kodiert ist und den Kandidatinnen politische Bedeutung durch Kontexte mit Männern verliehen wird. Diese Frage ist in mehrere Abschnitte untergliedert. Gerhard Schröder wurde mit der Wahl zum Bundeskanzler 1998 zum dominierenden Maßstab für die politische Bedeutung der Kandidatinnen. Bei der ersten Gruppe von Kandidaturen (Schmidt, Stahmer, Vogt) und bei Simonis (Gruppe 2) ist dem ein eigenes Kapitel gewidmet. Vergleiche mit den männlichen Gegenkandidaten hatten bei der ersten Gruppe kein großes Gewicht. Bei Simonis und der dritten Gruppe (Ypsilanti, Kraft) zeichnen sich hingegen auffallende Entwicklungen ab. Bei einigen Wahlen spielten politische Skandale oder skandalisierte Ereignisse eine Rolle. Dieses Kapitel wurde in der Gliederung je nach situativem Kontext eingeordnet. Anhand von Körperkonstruktionen, der Thematisierung von Geschlecht und anhand

112

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

privater Kontexte und Rahmungen wird in je eigenen Kapiteln das Verhältnis von Inszenierungen als Politikerin und als Frau betrachtet. Die Befunde aus den Textanalysen werden für jede Gruppe zusammengefasst und in der Ergebnisdiskussion (Kap. 8) zueinander in Beziehung gesetzt. Dazu werden die Entwicklung der Geschlechterkonstruktionen in medialen Repräsentationen von Wahlkampf und Wahlergebnis von 1994 bis 2012 sowie der drei Versuche zur Regierungsbildung (Kap. 7) entlang der Forschungsfragen im Kontext des theoretischen Hintergrunds (Kap. 3) und im Anschluss an die Forschungsdiskurse (Kap. 2) diskutiert.

6.2 KANDIDATUREN

OHNE

AMTSBONUS

UND

REGIERUNGSAUFTRAG

Die Analyse der medialen Repräsentationen der drei SPD-Spitzenkandidatinnen Renate Schmidt, Ingrid Stahmer und Ute Vogt bestätigt frühere Studien über die mediale Abwertung von Politikerinnen (Kap. 2.4). Zugleich deutet sich ein Wandel in der medialen Inszenierung an. Bei den folgenden Ergebnissen richtet sich der Fokus vor allem auf Hinweise von Wandel und Modernisierung. Dies wird zu abwertenden Mediendarstellungen in Bezug gesetzt. Dazu wird zunächst der Spannungsbogen von Ausnahmestatus und Normalisierung1 im politischen Feld herausgearbeitet, in dem die Kandidatinnen inszeniert wurden (Kap. 6.2.1). In den folgenden Abschnitten wird dieser Spannungsbogen weiter präzisiert und differenziert. Dazu wird die medial verhandelte politische Handlungsmacht der Politikerinnen diskutiert (Kap. 6.2.2). Danach wird der Befund erläutert, wonach politische Bedeutung in den Medien männlich war und dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder hierbei eine zentrale Rolle zukam (Kap. 6.2.3 und 6.2.4). Im Anschluss wird gefragt, wie und in welchen medialen Kontexten die Kategorie Geschlecht thematisiert wurde (Kap. 6.2.5) und welche Rolle diese Kategorie bei Skandalen spielte (Kap. 6.2.6). Schließlich folgen die Bedeutung von Körperpraktiken sowie privater Kontexte und Rahmungen (Kap. 6.2.7 und 6.2.8).

6.2.1 Das (andere) Geschlecht: Ausnahmefrauen Die drei Politikerinnen wurden in den Medien als die Anderen inszeniert, und zwar in doppelter Hinsicht. Sie waren als Frauen die Anderen im Politikbetrieb, die anders als männliche Politiker auch geschlechtlich markiert wurden. Und sie waren durch eine Inszenierung als Ausnahmefrauen auch die anderen Frauen, da sie sich traditionellen weiblichen Lebensentwürfen entzogen. Die Kategorie Geschlecht bildete den Kern dieser doppelten Andersartigkeit und war deswegen in den Medien immer präsent. Von der 1 | Gemeint ist keine tatsächliche Normalisierung im Sinne egalitärer Voraussetzungen im politischen Feld, sondern eine medial inszenierte, also rhetorische Normalisierung oder auch Modernisierung (Wetterer 2003) (Kap. 3.3.2).

Wahlkampf und Wahlergebnis

ersten zur zweiten Kandidatur gab es bei Schmidt in Bayern und Vogt in Baden-Württemberg deutliche Entwicklungen. Stahmer in Berlin kandidierte nur einmal. Bei ihr weisen die Befunde Parallelen zur zweiten Kandidatur der beiden anderen Kandidatinnen auf. 6.2.1.1 Erste Kandidatur Die Unterstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) in Bayern 1994, die SPD betreibe mit der Spitzenkandidatin Schmidt einen »Wahlkampf mit den Waffen der Weiblichkeit« diente der rein geschlechtlichen Markierung (FAZ 22.09.94: 3). Die SPD habe im Laufe der Jahre vergeblich einen »biedere(n) Handwerksmeister«, einen »der zielsicheren Argumentation fähigen Staatsanwalt« und »die bullige Gestalt eines Rechtsanwalts« mit dröhnender Stimme gegen die CSU aufgeboten. »Da aber auch er die bayerische Regierungspartei nicht das Fürchten lehrte, präsentierte die SPD den Wählern eine Frau. Natürlich griff sie nicht auf irgendein Püppchen zurück, sondern auf eine gestandene Frau, bei deren Anblick die Bayerinnen und warum nicht auch die Bayern sich schämen sollten, daß sie bisher fast immer nur Männer gewählt hatten, gestandene vielleicht, aber eben doch Männer.« (FAZ 16.09.94: 3)

Männer, die zwar erfolglos blieben, aber über individuelle Eigenschaften verfügen, werden quasi einem Exemplar des Gattungswesens Frau (Beck 2014b) gegenübergestellt, dessen einziger individueller Charakterzug das Attribut »gestanden« ist, was laut Duden »erfahren« und »erprobt« bedeutet. Hauptmerkmal dieser Person ist das Geschlecht Frau. Bei Stahmers Kandidatur in Berlin ein Jahr später griff die FAZ dieses Motiv mit der Rede von der Geschlechtszugehörigkeit als »erste(m) und letzte(m) aller Unterschiede« (FAZ 20.10.95: 3) wieder auf. Die Andersartigkeit bezog sich auch auf andere Merkmale, etwa auf einen anderen Politikstil, wie bei Ute Vogt in Baden-Württemberg 2001. »Anders als ihre Gegner reist sie nicht mit der ewig gleichen Rede durch das Land und steht nicht vor den ewig gleichen Plakaten in Turnhallen und Gaststätten. Sie will ›mit den Leuten schwätzen‹. Sie holt sich Radiomoderatoren oder Zeitungsjournalisten aus den jeweiligen Städten […] und lässt sich befragen«. (SZ 13.03.01: 3)

Vogts Bürgerdialog und die Fragerunden mit Journalist_innen werden hier – verstärkt durch das schwäbische Wort »schwätzen« – mit »ewig gleichen« Politikerreden kontrastiert. Die persönlichen Eigenschaften der Kandidatinnen Schmidt, Stahmer und Vogt rankten sich um weiblich kodierte Merkmale, wie emotional, warmherzig, Mitleid erweckend, nett, flott, charmant oder kokett. Oder es wurden Eigenschaften betont, die gerade nicht zu dieser Kategorie gehören, wie Selbstbewusstsein, selbstständiges Denken, Tapferkeit, Schärfe und Ironie. Dieser Gegensatz unterstrich die doppelte Andersartigkeit der Kandidatinnen, als Politikerin mit weiblich kodierten Eigenschaften und als Frau mit nicht-weiblichen Eigenschaften.

113

114

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Zugleich deutete sich ein Wandel medialer Geschlechterbilder im Vergleich zu früheren Untersuchungen an (Kap. 2.4.8). Denn mit der geschlechtlichen Markierung war nicht (mehr) zwangsläufig die Abwertung als Politikerin verbunden. Im Gegenteil: Schmidt und Vogt wurden bei ihrer ersten Kandidatur quasi als Exotinnen, also als willkommene Alternative zum »graumelierten … Politzirkus« (SPON 22.03.06) in Szene gesetzt und Weiblichkeit mit politischem Talent verknüpft. Damit verbunden waren neben politischen Kompetenzen wie Kampfgeist, Machtbewusstsein oder Durchsetzungsfähigkeit die eher Sympathie erweckenden Eigenschaften Popularität, Volksnähe und soziale Glaubwürdigkeit. So wurde zum Beispiel bei Schmidt 1994 weiblich kodierte Emotionalität in Verbindung mit Volksnähe Stoibers abgehobenen intellektuellen Habitus gegenübergestellt. Damit wurde implizit der rationale Diskurs der politischen Öffentlichkeit infrage gestellt (Kap. 3.2.1). »Dagegen präsentiert die Bayern-SPD ein barockes Vollweib, das Herzlichkeit verströmt und Politik so anschaulich macht, daß den CSU-Parteistrategen mulmig wird. Eine Wahlkämpferin, die ihre Rede unterbricht, wenn ihr bei 40 Grad im Festzelt eine Maß aufs Pult gestellt wird. […] Soviel Volksnähe hebt sich deutlich ab von einem Ministerpräsidenten, der beim Jugendempfang der Staatsregierung […] die Philosophen der Frankfurter Schule runterrattert und […] einen Professor auf dem Podium beauftragt: ›Wer Marcuse und Horkheimer sind, das können Sie ja dann erklären.‹« (S PIEGEL 29/94: 54)

Die sexualisierende Adressierung »barockes Vollweib« und die Mütterlichkeit vermittelnde Formulierung »Herzlichkeit verströmen« werden hier mit der anerkennenden Aussage kombiniert, Schmidt mache mit ihrer anschaulichen Politik der CSU Angst. Das Beispiel der Maß Bier im Bierzelt symbolisiert, dass die Kandidatin auch den bayerisch-männlichen Politiker-Habitus beherrscht. Stoiber hingegen wird als oberlehrerhafter Intellektueller skizziert, der über die Köpfe von Jugendlichen hinweg redet und seine eigene Unfähigkeit mit einer Anweisung an jemand anders wettzumachen sucht. Neben der sympathischen Ausstrahlung zählten bei Vogts erster Kandidatur 2001 Ideenreichtum und Professionalität im Umgang mit den Medien zu den Belegen politischen Talents, die männlich kodierter Wirtschaftskompetenz und Führungsstärke gegenübergestellt wurden (FAZ 14.03.01: 4). Modernität wurde mit einer eher folkloristischen Karikatur von Ministerpräsident Erwin Teufels ›Ländle‹ kontrastiert (SZ 19.03.01: 3), wenn auch bisweilen negativ kommentiert: »Wenn Frau Vogt eine Kletterwand erklimmt, wird das […] als dynamisch gepriesen. Wenn Teufel ein Mädchen in Donauschwabentracht begrüßt, wird das als altväterlich abgetan.« (FAZ 14.03.01: 4) Dennoch ließen die Medien keinen Zweifel daran, dass die Mission der beiden Politikerinnen zum Scheitern verurteilt sei. So hieß es herablassend, niemand werde Schmidt »ernstlich böse« sein, wenn sie nicht im ersten Anlauf Ministerpräsidentin von Bayern werde (SZ 03.09.94: 4). Und es verstehe sich von selbst, dass Ute Vogt

Wahlkampf und Wahlergebnis

mit 36 Jahren »noch nicht die Statur einer Regierungschefin« habe (SZ 21.03.01: 4). Der »Chefsessel der Villa Reitzenstein«, die Staatskanzlei in Stuttgart, sei ein »unerreichbares Ziel« (SPON 28.02.01a). 6.2.1.2 Zweite Kandidatur Bei der zweiten Kandidatur von Schmidt 1998 und Vogt 2006 verblasste in den Medien der Nimbus der Neuen und erfrischend Anderen. Die Kandidatinnen waren auf dem Boden der landespolitischen Tatsachen angekommen und scheiterten im medialen Urteil an den dort gesetzten Kriterien. Gleichwohl wurde von den nunmehrigen Verliererinnen Andersartigkeit weiterhin erwartet und deren Fehlen den Politikerinnen als Makel angekreidet. Zugleich zeigte sich bei der zweiten Kandidatur mehr (teilweise negativ konnotierte) Individualität, während der wohlwollende Grundtenor bei der ersten Kandidatur sich aus stereotypen Zuschreibungen speiste. Das Scheitern war ein zentrales Motiv in Medientexten über Stahmers Wahlkampf in Berlin 1995. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die Politikerin anders als die beiden anderen Kandidatinnen nicht neu auf die landespolitische Bühne trat, sondern dort seit Jahren etabliert war (Kap. 5.2). Deswegen wird dieser Fall im Kontext ›zweite Kandidatur‹ diskutiert. Sichtbar wurde der Wandel an Adressierungen und Attribuierungen. Bei Schmidt wurde nun aufgezählt, was sie nicht mehr repräsentiere, etwa die »matrona bavariae« oder die »SPD-Powerfrau« (SZ 02.09.98: 3). Bei Vogt stand der Imagewandel vom »Wirbelwind« zur »Landesmutter« (SPON 22.03.06) und von der »Hoffnungsträgerin« (SPON 10.02.01) zum »Strohhalm für die Genossen« (SPON 26.03.06a) im Zentrum. Zugleich war Vogt mit der Adressierung »Frau im Hosenanzug« (SZ 20.03.06: 16) zu einer am Habitus erkennbaren normalen Politikerin geworden. Bei Schmidt verschwand das Kämpferische 1998 aus den Medien. Glaubwürdig war sie nur noch »fast« (FAZ 27.08.98: 14). Stattdessen tauchte der Begriff pragmatisch auf (SZ 02.09.98: 3), der für einen realistischen, illusionslosen Politikstil steht, also gerade nicht für etwas Anderes oder Neues. Die Politikerin wurde als ungeduldig, unwirsch und süchtig nach Anerkennung bezeichnet, sei aber auch weniger aufgedreht als früher (SZ 02.09.98: 3). Bei Vogt veränderten sich die Attribuierungen in geringerem Maße. Und sie wurden auf einen Strategiewechsel der Wahlkampfzentrale zurückgeführt, die »ihre Spitzenkandidatin nicht noch mal auf einen fröhlichen Spaßwahlkampf schicken« könne (SPON 22.03.06). Vogt sei zwar weiterhin angriffslustig und rede unbefangen mit Wähler_innen, habe jedoch keinen Ersatz für das jugendlich frische Image gefunden. Sie spiele »zum zweiten Mal ihre wohl einzige Karte: ›junge Frau‹ gegen ›älterer Herr‹. Nur dass ihr Gegner jetzt 14 Jahre jünger, sie selbst 5 Jahre älter geworden ist« (Spiegel 07/06: 38). Kämpferische und volksnahe Zuschreibungen blieben bei der zweiten Kandidatur erhalten, allerdings in geringerer Variationsbreite und ergänzt um Beschreibungen, dass sich die Politikerin nicht verbiegen lasse und es nicht jedem recht machen wolle

115

116

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

(SZ 23.03.06: 3) (s.S. 118). Dies waren zwar positiv konnotierte Eigenschaften, sie vermittelten aber auch, dass Vogt politischem Gegenwind standhalten müsse. In Berlin wurde ein »Wettlauf der Verwechselbarkeit« zwischen der SPD-Kandidatin Ingrid Stahmer und dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen beklagt, in dem die SPD mit ihrer Kandidatin auf Geschlechtszugehörigkeit als bestimmendes Unterscheidungsmerkmal setze (FAZ 20.10.95: 3) (s.S. 113). Verbunden damit war Kritik an der fehlenden Kompetenz Stahmers für das Spitzenamt (u.a. Spiegel 34/95: 76f). So wurde ihr diskursorientierter Politikstil als »Devise: palavern statt spalten« (Spiegel 42/95: 28) negativ bewertet. Mit dem Begriff Dialogfähigkeit übersetzt schlug diese Eigenschaft hingegen bei Vogt (SZ 13.03.01: 3) wie auch bei späteren Kandidatinnen positiv zu Buche. Weiblich kodierte Eigenschaften dienten bei Stahmer überwiegend der Abwertung, etwa die ironisierende Beschreibung, »da rauscht es herein, spontan, wenn auch ungeladen, ganz natürlich und unprätentiös, wenn auch umsurrt von Kameras und kritzelnden Reportern« (FAZ 20.10.95: 3). Kontrastiert wurde diese Abwertung nur selten mit Eigenschaften wie »verblüffend offen« oder »scharf und ironisch« (SZ 02.10.95: 3). Zwar erkannten einige Medien die Fähigkeiten und Erfolge der Berliner Spitzenkandidatin durchaus an, etwa wenn es um ihre Standhaftigkeit in SPD-internen Konflikten oder um ihre Politik als Sozialsenatorin ging. Dafür wurde ihr Umfeld ironisiert oder trivialisiert: »Ingrid Stahmer hat kein Glück, wenig Loyalität, keine Vortrupps, schlimmen Gegenwind aus Bonn und auch keine guten Berater.« (SZ 16.10.95: 3) Insgesamt zeigte sich ein Kontrast zwischen wohlwollenden Inszenierungen bei der ersten Kandidatur von Schmidt und Vogt einerseits und den Medienbildern im zweiten Anlauf bzw. in Stahmers Wahlkampf andererseits, die zwar etablierte Politikerinnen skizzierten, jedoch das negative Urteil nur selten mit positiven Beschreibungen relativierten. Bei der ersten Kandidatur fügten sich zwei Topoi, der erfrischend andere Auftritt und die antizipierte Wahlniederlage, zu der Botschaft zusammen, die Politikerinnen seien aussichtsreiche Polit-Talente, die jedoch (noch) nicht als Vollblut-Politikerinnen gelten oder die männliche Dominanz bei dieser Wahl gefährden könnten. Das mediale Wohlwollen speiste sich also auch aus der Vermutung, die Kandidatinnen hätten in den beiden Stammländern der Unionsparteien kaum eine Chance. Polarisierte Zuschreibungen gab es bei anerkennenden wie auch bei abwertenden Formulierungen. Die Andersartigkeit als Politikerin wurde durch weiblich kodierte Merkmale betont, die Andersartigkeit als Frau durch Merkmale, die dieser Kodierung gerade nicht entsprachen. Diese Betonung der Andersartigkeit bei der ersten Kandidatur wurde bei der zweiten durch Bezeichnungen und Eigenschaften ergänzt oder ersetzt, die eine gewisse Normalisierung erkennen ließen. Maßstab waren nun die männlich kodierten Anforderungen im politischen Feld. Merkmale, die diesen Anforderungen genügen würden und die bei der ersten Kandidatur noch zu lesen waren, wie etwa Konfliktfähigkeit, Machtbewusstsein oder Durchsetzungsfähigkeit, verschwanden aus den medialen Inszenierungen. Bei Stahmer als etablierter Landespolitikerin gab es überhaupt nur diese zweite Phase.

Wahlkampf und Wahlergebnis

Kurz: Als die Anderen, als Gattungswesen oder Exotin reüssierten die Kandidatinnen in den Medien, als normale Politikerinnen galten sie als Verliererinnen, wurden sie eher abgewertet. Adressierungen und Attribuierungen, die diese Schlussfolgerung hätten irritieren können, gab es kaum.

6.2.2 Handlungsmacht: interessant, aber wirkungslos Die Kompetenz, das politische Handeln und die Wirksamkeit der drei Politikerinnen, kurz ihre Handlungsmacht, wurden widersprüchlich dargestellt. Anerkennende Botschaften wurden mit Abwertungen kombiniert und dadurch relativiert. Von Kandidatin zu Kandidatin und von Wahl zu Wahl änderte sich der Tenor. Diese Entwicklung wird im Folgenden anhand einiger längerer Szenen der Kandidatinnen im Dialog mit Bürger_innen nachgezeichnet. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtete 1994 von Renate Schmidts misslungenem Versuch einer Bürgersprechstunde am Telefon auf dem Bahnhofsvorplatz in MünchenPasing. »Es regnet, Frau Schmidt steht am Bahnhofsvorplatz zu München-Pasing, um wieder einmal mit den Bürgern zu telephonieren, leider läutet das Bürgertelephon nicht, weil die Telekom sich verschaltet hat. Und dann kommt da noch dieser ältere Mann, der ihr gleich mal erklärt, sie könne sich die Mühe sparen, er werde sowieso nicht zur Wahl gehen, ›weil, Ihr macht’s ja hinterher eh alle, was Ihr wollt’s‹. Ein trister Vormittag, nichts klappt, wieder mal hat Renate Schmidt keine Chance, aber sie nutzt sie, fast selbstvergessen. Ungefähr eine Viertelstunde lang redet sie mit dem Mann (›Jetzt möcht ich wirklich mal wissen, was ich Ihnen getan habe‹), nur um herauszufinden, daß er nicht den Ansatz eines Beweises für seine originelle These hat. Macht aber nichts: Renate Schmidt läßt sich nichts gefallen, ist trotzdem freundlich, geduldig, nimmt im Feuereifer gleich noch Stoiber in Schutz, so lange, bis der Nichtwähler mit hochrotem Kopf abdreht. Schon klar, wählen wird er sie jetzt genauso wenig wie vorher, aber dafür ist Frau Schmidts Laune jetzt richtig gut. Und dann hört es auch zu regnen auf.« (SZ 21.09.94: 3)

In dieser Episode werden das Wetter und der Fehler der Telekom als nicht zu beeinflussende widrige Umstände kombiniert mit Schmidts erfolglosem Versuch, einen Nichtwähler umzustimmen. Die Formulierung, Schmidt habe mal wieder keine Chance, nutze diese aber »fast selbstvergessen«, schlägt die Brücke von der aussichtslosen Situation zu einer auf den ersten Blick wohlwollenden Charakterisierung. Schmidt setzt sich mit dem Nichtwähler auseinander, lässt sich nichts gefallen, bleibt freundlich und geduldig, verteidigt sogar ihren Gegenkandidaten und schafft es, sich selbst mit einer erfolglosen Diskussion zu motivieren. Relativiert wird diese Erzählung mit herablassenden Formulierungen. Mit den Begriffen »selbstvergessen« und »mit Feuereifer« werden häufig Kinder beim Spielen beschrieben. Hier rufen sie das Bild einer kindlich-naiven

117

118

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Politikerin hervor. Auch der Sprachduktus mit durch Kommata getrennten kurzen Sätzen erinnert an ein atemlos erzählendes Kind. Einen Kontrast konstruierten auch die Adressierungen. Im Gespräch mit dem Nichtwähler wurde Schmidt zweimal mit vollem Namen benannt, also die bekannte Spitzenkandidatin angesprochen. Die erste und die letzte Adressierung »Frau Schmidt« im Kontext von Telekom und Regen betonte das Geschlecht. Da Schmidt ein ›Allerweltsname‹ ist, trivialisierte die fehlende Personalisierung durch den Vornamen die Situation: Eine Frau Schmidt stand auf dem Bahnhofsvorplatz im Regen. Die Verknüpfung mit der technischen Panne und dem schlechten Wetter implizierte Ohnmacht. Diese Konstruktion wurde durch den letzten Satz der Episode verstärkt, der auch den gesamten Artikel abschloss: »Und dann hört es auch zu regnen auf.« Schmidt wurde in dieser Szene als motivierte, engagierte und sympathische, zugleich aber nicht ernst zu nehmende, chancen- und machtlose Kandidatin dargestellt. Eine Episode mit widrigen Ausgangsbedingungen und einer streitbaren Diskussion mit einer Wählerin wurde auch in Vogts Straßenwahlkampf 2006 inszeniert. Doch hier wurde die Beschreibung von Authentizität eher in Kontrast zu Bürgernähe gesetzt. »Auf dem Marktplatz von Kirchheim versucht Ute Vogt, sich aus der Defensive zu befreien, sie argumentiert, wo noch zu argumentieren ist, und ist streng zu einer Rentnerin, die sich über die Müntefering-Idee der Rente ab 67 erregt. ›Das trifft Sie doch gar nicht mehr‹, sagt sie. Zuhören, sich aber nicht verbiegen lassen und nicht jedem Recht geben, das ist ihre Devise. Sie spricht im Dialekt ihrer Heimat Heidelberg, den man als Kurpfälzer Schnauze bezeichnen kann. Und die Frau, die eben noch am lautesten geschrien hat, sagt nun zum Abschied, ›sie wünsche ihr alles Gute, für die Gesundheit und die Zukunft‹ (sic!). Eine kleine Schlacht in diesem Wahlkampf, die Ute Vogt gewonnen hat.« (SZ 23.03.06)

Inszeniert werden hier Vogts miese Erfolgsaussichten. Auf einem mittelstädtischen Marktplatz muss sie mit Bürger_innen über Kritik an der Politik ihrer Partei in der großen Koalition im Bund diskutieren. Die Situation wird dramatisiert durch die Formulierung, »sie argumentiert, wo noch zu argumentieren ist«. Eigentlich, so die implizite Botschaft, sei schon alles verloren. Vogt geht streng mit einer Wählerin um und spricht ihr das Recht ab, eine eigene Meinung zu einem Thema zu äußern, von dem sie persönlich nicht betroffen sei. Interpretiert wird Vogts Part als »Zuhören, sich aber nicht verbiegen lassen und nicht jedem Recht geben«. Die Kandidatin wird also als aufrechte Kämpferin beschrieben, die nicht opportunistisch um Wählerstimmen buhlt. Dies scheint auch bei der Frau gut anzukommen, die eben noch von Vogt zurechtgewiesen worden ist. So zumindest lässt sich der versöhnliche Abschied deuten. Dass dies alles nichts nutzen würde, legt der Schlusssatz nahe. Ute Vogt habe zwar die Schlacht auf einem kleinen Marktplatz gewonnen, die Wahl werde sie jedoch verlieren. Fünf Jahre zuvor hatten Berichte von Vogts Straßenwahlkampf ganz anders geklungen.

Wahlkampf und Wahlergebnis

»Es ist, als würde ein Popstar wie Britney Spears überraschend auf dem Ulmer Münsterplatz fürs Wochenende einkaufen: […] Menschen wagen sich vor, einer, zwei – und bitten um ein Autogramm. Frauen schrecken hoch. Alte Damen ziehen ihre Männer am Ärmel. Väter mit Kindern klatschen spontan. Dabei ist es nur Ute Vogt, die da durch die Ulmer Fußgängerzone läuft. Sie lächelt und winkt, und ein paar Jugendliche brüllen: ›Super! Sie sind super!‹« (SZ 13.03.01: 3)

Vogt, der die Menschen spontan zujubeln und deren Wirkung auf Männer einigen Frauen Angst macht, wird hier als Popstar inszeniert. Das liest sich zwar sehr positiv, entbehrt jedoch jeder politischen Aussage. Während Schmidt und Vogt in der Medieninszenierung wirksam mit Bürger_innen kommunizierten, scheiterte Stahmer mit diesem Ansinnen, auch wenn in der folgenden Szene politische Inhalte eine größere Rolle spielten als bei den bisher angeführten. »Wenn schließlich doch jemand« ›etwas fragt‹, entfaltet Ingrid Stahmer, ohne einen Augenblick zu zögern, Kompetenz. Sie sagt Zahlen her. Sie nennt Paragraph, Absatz und Spiegelstrich, deutet die Verfassung, kennt Straßennamen, Miethöhen, Sozialstatistiken. Sie ist geduldig, kundig, detailbeflissen. Doch was sie sagt, klingt nach Volkshochschule und Fleißaufgabe. Wenn ein Kneipenbesitzer sich ›Power‹ wünscht, ›Weltstadt und Leben‹, bietet sie ihr ›Programm für mittlere und kleine Betriebe‹. Wo Diepgen ›Kräne! Brücken! Straßen!‹ ruft, stellt sie fest, man könne nicht ausgeben, was man nicht habe. Eine Stunde mit Frau Stahmer am Marktplatz vergeht – ohne Gelächter, ohne Applaus. Der Puls bleibt niedrig.« (FAZ 20.10.95: 3)

Stahmer wartet in dieser Szene darauf, endlich etwas gefragt zu werden, um ihre Kompetenz unter Beweis stellen zu können. Doch niemand scheint etwas fragen zu wollen. Sie wird also passiv inszeniert. Eine Frage, keine bestimmte, sondern irgendeine von irgendjemandem, dient als Auslöser, um ihre Kompetenz auszubreiten. Beschrieben wird das als das Aufsagen von auswendig gelerntem, lexikalischem Wissen. Dennoch impliziert die Kenntnis von Straßennamen, Miethöhen und Sozialstatistiken, dass die Sozialpolitikerin sich in Berlins Sozialräumen bestens auskennt. Selbst das wird jedoch nicht als Eingehen auf Sorgen und Nöte von konkreten Menschen dargestellt, sondern als bürokratischer Akt. Die Gegenüberstellung von »Weltstadt und Leben« mit ihrem »Programm für mittlere und kleine Betriebe« sowie von Diepgens Ruf nach Kränen, Brücken und Straßen mit ihrem Hinweis auf fehlendes Geld verstärkt diesen Eindruck. Kurz: Stahmer mag sich auskennen, begeistern kann sie jedoch nicht. Politische und persönliche Inszenierungen standen sich in den angeführten Episoden fast dichotom gegenüber. Dort, wo die Kandidatinnen als sympathische und lebendige Persönlichkeiten dargestellt wurden, ging es nicht oder kaum um politische Inhalte. Dort, wo Politik verhandelt wurde, war die persönliche Darstellung nicht so positiv. Handlungsmacht und sympathische Inszenierung schienen sich fast auszuschließen.

119

120

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Dies folgt dem beschriebenen Spannungsbogen von positiv gezeichneter Andersartigkeit und eher negativ dargestellter Normalisierung im politischen Feld. Doch es finden sich auch Kontexte, die diesen Kontrast durchbrechen. Sowohl Schmidt als auch Vogt wurden als Kümmerinnen skizziert. Bei Schmidt hieß es 1998, sie setze auf kleine Veranstaltungen, »die manchmal wie Sprechstunden einer Betriebsratsvorsitzenden für den Freistaat Bayern wirken« (SZ 02.09.98: 3). Fast gleichlautend las man 2001 über Vogt, man wähne sich bei ihr »manchmal in einer Sprechstunde für die Armen und Gebrechlichen« (SZ 13.03.01: 3). Im Motiv des sich Kümmerns um sozial Benachteiligte verknüpfte die SZ, wenn auch ironisierend, sympathische Ausstrahlung und politisches Engagement. Allerdings wurde bei Vogt dieses Image in einem Nachsatz wieder gebrochen. Denn sie sei »keine Samariterin, und auch kein Fräuleinwunder. Sie will eine Wahl gewinnen, und sie kämpft um ihren Ruf als Shooting-Star der neuen SPD« (SZ 13.03.01: 3). Eine »Samariterin« ist keine Politikerin, sondern hilft selbstlos Benachteiligten. Doch immerhin passt die Adressierung zum Thema. Hingegen irritiert der Begriff »Fräuleinwunder«. Als Fräuleinwunder wurden in den 1950er und 1960er Jahren junge Frauen aus Deutschland bezeichnet, die in den USA als Model oder Schauspielerin Karriere machten. Heute nutzen Medien den Begriff für erfolgreiche junge Frauen in der Literatur, im Sport oder in der Kunst (Brug 2009; Lenhardt 2003). Er markiert deren Karriere als etwas Ungewöhnliches, nicht zu Erwartendes. Im Kontext der medialen Thematisierung von Vogts Bürger_innendialogen wirkte er fremd und sollte offensichtlich Vogts Andersartigkeit als junge, weibliche Politikerin betonen. In Kontexten mit Kindern und Schüler_innen schienen sich weibliches Geschlecht und politische Handlungsmacht ebenfalls nicht auszuschließen. Anlässlich einer Diskussion Schmidts mit Schüler_innen stellte die SZ die Frage, ob man so Wahlen gewinne. »Klar ist schon einmal, daß zu einer solchen Kinderveranstaltung […] die CSU nie im Leben ihren für so etwas viel zu wichtigen Ministerpräsidenten entsenden würde […]. Andererseits spricht einiges dafür, daß es Frau Schmidt auch noch genießt, einen wertvollen Wahlkampfnachmittag lang mit Kindern über zu große Schulklassen und den richtigen Umgang mit Rassisten zu reden – und wenn das so wäre, dann wüßte man vielleicht schon was Wichtiges von der Wahlkämpferin Renate Schmidt.« (SZ 21.09.94: 3)

Mit den Begriffen »Kinderveranstaltung« und »einen wertvollen Wahlkampfnachmittag« wird zwar die Effizienz dieses Einsatzes infrage gestellt. Andererseits schwingt in der Rede von dem »für so etwas viel zu wichtigen Ministerpräsidenten« Ironie mit, wodurch die angesprochenen Themen – zu große Schulklassen und Rassismus – implizit politische Relevanz erhalten. Anders als der Ministerpräsident würdigt die Herausforderin diese Relevanz, indem sie einen Nachmittag opfert, obwohl sie in dieser Veranstaltung nicht auf Stimmenfang gehen kann. Wie Vogt jagt auch Schmidt nicht opportunistisch Wählerstimmen hinterher. Bei einer Schülerveranstaltung, über die in Vogts Wahlkampf 2006 berichtet wurde,

Wahlkampf und Wahlergebnis

spielte der oben konstruierte Gegensatz zwischen Wahlkampfeffizienz und politischer Relevanz keine Rolle. Im Gegenteil, die Veranstaltung sei ein Idealfall politischer Bildung, weil es diese Dreiviertelstunde überhaupt gebe, weil hier Schüler mit einer Politikerin über das achtstufige Gymnasium diskutierten, über Atomkraft und Studiengebühren und weil sie darauf gut bis sehr gut vorbereitet seien (SZ 20.03.06: 16). Hier wurde die Diskussion mit 15- und 16-jährigen Schüler_innen als wichtiger politischer Akt dargestellt und über Vogts Einsatz anerkennend berichtet. Anders als Schmidt, die in der »Kinderveranstaltung« mit Episoden aus ihrem privaten Leben als Mutter und Großmutter lebendig gemacht wurde, erschien Vogt distanzierter als »Frau im Hosenanzug«, die unkonkrete Politikersätze sagte, im Habitus einer Politikerin. Offensichtlich fielen in weiblich kodierten Handlungsfeldern, wie das sich Kümmern um Benachteiligte oder der Umgang mit Kindern und Schüler_innen, persönliche Inszenierung und die Darstellung von Handlungsmacht nicht so weit auseinander wie in den zuvor analysierten Kontexten.

6.2.3 Inszenierung politischer Bedeutung als männlich Die Medien inszenierten die politische Bedeutung der drei Spitzenkandidatinnen im Kontext von Männern überwiegend hierarchisch. Sie wurden mit bekannten wie auch unbekannten Politikern verglichen. Auch persönliche (Un-)Abhängigkeit, Macht(-losigkeit) und Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Politikern dienten als Kriterium für politische Bedeutung. Bei Schmidt speiste sich diese Inszenierung aus einem Kontrast zwischen ihrem politischen Talent und der Unterstützung durch mächtige Politiker einerseits und fehlendem Rückhalt in den eigenen Reihen andererseits. 1994 galt sie als SPD-Hoffnungsträgerin. Dies wurde mit dem Zitat eines Politikers unterstrichen, dessen »Verhältnis zu Renate Schmidt zu Beginn ihrer Ära keineswegs ungetrübt« gewesen sei, und der sie als »beste Vorsitzende, die wir hier seit Knoeringen2 (SZ 21.09.94: 3) gehabt haben« lobte. Interpretiert werden kann das als besonders schwerwiegendes Lob eines politischen Gegenspielers. Andererseits hätten »die führenden Männer (der SPD Bayern, D.B.) mit Jurastudium und gut geplanter Karriere nicht gerade auf sie gewartet«. Es sei ihnen angesichts ihrer eigenen Wahlniederlagen jedoch nichts anderes übrig geblieben, als Schmidt zu akzeptieren (SZ 21.09.94: 3). Diese Formulierung erweckt den Eindruck, Schmidt sei ihnen quasi vor die Nase gesetzt worden. Ambivalent war auch die Bewertung des Wahlerfolgs 1994, der ihr zwar allein zugeschrieben wurde (u.a. FAZ 26.09.94: 3), allerdings sei die Kandidatin »von der eigenen Partei wie ein Zirkuspferd vorgeführt« worden (Spiegel 29/94: 55). In dieser Metapher wurde Schmidt quasi an der Longe ihrer Genossen durch die Manege getrieben und führte andressierte Kunststücke auf. In der Inszenierung des sich anbahnenden Führungskonflikts zwischen Schmidt 2 | Waldemar von Knoeringen war von 1947 bis 1963 SPD-Vorsitzender in Bayern (FES o.J.).

121

122

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

und ihrem Fast-Namensvetter Albert Schmid fand sich diese Ambivalenz wieder. Schmidt setzte ihren Führungsanspruch, den sie im Bild der Medien quasi von der SPDSpitze verliehen bekommen hatte, nicht beherzt durch, sondern lavierte zögerlich herum. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch trivialisierende Formulierungen wie z.B. Schmidt als »gute Haut« (SZ 26.09.94: 3). Das Motiv des fehlenden Rückhalts in den eigenen Reihen wurde vier Jahre später zum wichtigen Baustein der Inszenierung von Schmidt als erfolglose Politikerin (SZ 02.09.98: 3, Bild M 14.09.98: 2). Männlich kodiert waren bei Schmidt politische Zweikämpfe. 1994 nahm die SPDKandidatin dem damaligen bayerischen Innenminister Günther Beckstein den Wahlkreis Nürnberg ab, was Bild zu der Schlagzeile »Beckstein: direkt gegen Renate – direkt geschlagen« verleiteten (Bild M 26.09.94: 2a). Betont wurde, dass ein bekannter Politiker gegen eine Frau, markiert durch den Vornamen, verlor. Vier Jahre später gelang ihr das zwar wieder. Doch diesmal wurde der Wahlerfolg zur Randnotiz, die angesichts des zentralen medial inszenierten Zweikampfes zwischen Ministerpräsident Edmund Stoiber und SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder unterging (FAZ 14.09.98: 2). Renate Schmidt verschwand in einer Hierarchie von Zweikämpfen, an deren Spitze das Duell zwischen zwei Männern stand, auch wenn diese gar nicht direkt gegeneinander antraten (Bild M 14.09.98: 2a). Dies wird im folgenden Kapitel weiter ausgeführt. Das negative Urteil der Medien über Stahmers politisches Standing wurde entlang der Konflikte mit und zwischen SPD-Politikern verhandelt. Der Sieg über ihren parteiinternen Konkurrenten Walter Momper beim SPD-Mitgliederentscheid um die Spitzenkandidatur wurde abgewertet mit dem Hinweis, sie habe mit Unterstützung des SPD-Establishments und der Verheißung gewonnen, »sie wolle niemanden in der Partei verschrecken, übergehen oder bedrängen« (FAZ 14.10.95: 5). Im Wahlkampf wurde Momper als ein Politiker skizziert, der der Spitzenkandidatin auf dem Kopf herumtanze, indem er forsch eine rot-grüne Koalition betreibe, während Stahmer die Koalitionsfrage offen halten wolle (u.a. Bild B 24.08.95: 4). Im Führungskonflikt in der Bundes-SPD parallel zum Berliner Wahlkampf wurde Stahmer als mütterlich, aber machtlos skizziert (SZ 02.10.95: 3, FAZ 09.10.95: 16). Ihr politisches Profil wurde als Palavern statt Spalten im Stile des »SPD-Frömmler(s) Johannes Rau« abgetan (Spiegel 42/95: 28). Ihr schlechtes Wahlergebnis wurde mit den 61 Prozent verglichen, die Willy Brandt einst eingefahren hatte (SZ 23.10.95: 3), was die Aussage implizierte, Stahmer habe Brandts Erbe verspielt. Nur wenige Kontexte irritierten den abwertenden Tenor. So hatte Stahmer als Berliner Vertreterin im Bundesrat gegen eine Diätenerhöhung für Bundestagsabgeordnete gestimmt und dafür massive Kritik der SPD-Bundestagsfraktion eingesteckt. Führende SPD-Politiker sagten ihren Einsatz im Berliner Wahlkampf ab. Über diese Standhaftigkeit wurde in den Medien anerkennend berichtet (Bild B 11.10.95: 3, SZ 16.10.95: 3). Die Inszenierung politischer Bedeutung speiste sich bei Vogt aus dem Motiv ›junge Frau gegen alten Mann‹, das ihren Wahlkampf gegen den Ministerpräsidenten 2001 durchzog. Aus einer aussichtslosen Position heraus sei sie zu einer gefährlichen Gegnerin des Amtsinhabers geworden (SZ 13.03.01: 3). Sie sei auf ihrem »Durchmarsch«

Wahlkampf und Wahlergebnis

immer gegen ältere Männer angetreten und habe immer gesiegt (SPON 28.02.01a). Doch anders als bei der Bundestagswahl 1998 konnte Vogt ihren Wahlkreis Pforzheim nicht gewinnen und verpasste den Einzug in den Landtag (LPB Ba-Wü 2015b). Uneins waren FAZ und SZ bei der Bewertung der Niederlage. War ihr Gegenkandidat Stefan Mappus (CDU) nun ein »fast Unbekannte(r)« (FAZ 26.03.01: 1), was die Niederlage politisch peinlich gemacht hätte? Oder markierte Mappus, der noch zwei Jahre jünger als Vogt und bereits Umweltstaatssekretär war (SZ 24.03.01: 7) quasi die Grenze von Vogts politischen Ambitionen. Jedenfalls ließ sich ihr Vorteil gegenüber älteren Männern implizit um den Zusatz ergänzen, gegen jüngere habe sie keine Chance. Neben dem Motiv ›junge Frau gegen alten Mann‹ wurde Vogts politische Bedeutung anhand der Unterstützung durch Kanzler Schröder inszeniert. Dies wird in Kapitel 6.2.4 ausgeführt. Bei ihrer zweiten Kandidatur wurden beide Motive wieder aufgegriffen, jedoch mit dem Hinweis, Vogt habe ihre einzigen Trümpfe (jung, weiblich) verloren (Spiegel 07/06: 38). Als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium sei sie »im Schatten von (Innenminister, D.B.) Otto Schily« (SZ 14.03.06: 8) verschwunden. Sollte sie nach einem schlechten Wahlergebnis zurücktreten, stehe ihr innerparteilicher Konkurrent Wolfgang Drexler bereit (Bild S 27.03.06: 3). Bei dieser ersten Gruppe von Kandidaturen blieb also die männliche Kodierung politischer Bedeutung ungebrochen. Jedoch wurden manche Inszenierungen der Andersartigkeit positiv mit dem männlichen Mainstream in der Politik kontrastiert.

6.2.4 Bundeskanzler Schröder als Maßstab für politische Bedeutung Mit seiner Wahl zum Bundeskanzler wurde Gerhard Schröder zum dominierenden Maßstab für die politische Bedeutung der SPD-Spitzenkandidatinnen. Bei Renate Schmidts zweiter Kandidatur 1998 und Ute Vogts erster 2001 zeigte sich das in gegensätzlichen Inszenierungen. Die Bayern-Wahl 1998 wurde in den Medien zum Testlauf für die Bundestagswahl drei Wochen später mit einem Zweikampf zwischen Bayerns Ministerpräsident Stoiber und dem SPD-Kanzlerkandidaten stilisiert. Bild sprach von einem »Kampf von Mann zu Mann«, der bei den CSU-Anhänger_innen »nicht nur in Bierzelten, auch in Salons, eine Sieges-Stimmung« erzeugt habe (Bild M 14.09.98: 2a). Die Formulierung »Kampf von Mann zu Mann«3 ruft die Vorstellung eines ritterlichen Zweikampfes auf, in dem die Recken mit offenem Visier heroisch gegeneinander antreten. Mit einer Frau als Kandidatin ist eine solche Metapher eher nicht denkbar. In diesem Wahlkampf wurde vor allem Schröder mit Stoiber kontextualisiert und kaum noch Schmidt. Insbesondere das Wahlergebnis wurde in Bezug auf die Aussagekraft für die Bundestagswahl verhandelt. 3 | Diese Formulierung ist grammatikalisch verunglückt. Gemeint ist vermutlich »Mann gegen Mann«. Denn »von Mann zu Mann« meint eher ein offenes Wort von gleich zu gleich, das in gemischt-geschlechtlichen Kontexten nicht ausgesprochen werden könnte.

123

124

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Als eine der wenigen den annihilierenden Tenor relativierenden Passagen war ein indirektes Zitat des SPD-Bundesgeschäftsführers Franz Müntefering zu lesen: »Stoiber sei in Bayern höher angesehen als Kohl im Bund, ist seine Analyse, hinter der der Optimismus mitschwingt, im Bund werde es Schröder leichter haben mit Kohl als Renate Schmidt mit dem bayerischen Ministerpräsidenten.« (FAZ 14.09.98: 2) Stoiber wurde also als übermächtiger Gegner markiert. Der Niederlage hafte also nichts Ehrenrühriges an. In der Hierarchie trat Schmidt quasi in die zweite Reihe und wurde nur mit ihrem Wahlkreisgegner Beckstein, gegen den sie erneut gewann (FAZ 28.08.98: 15, Bild M 14.09.98: 1-2), und anderen regionalen Politikern (FAZ 05.08.98: 3, SZ 14.09.98: 3) kontextualisiert. Auch im direkten Bezug stand Schmidt hierarchisch unter dem Kanzlerkandidaten. Während sie ihre Kandidatur in den Dienst von Schröder und der Bundestagswahl stellte (SZ 02.09.98: 3), wurde Schröder mit gönnerhaft abwertenden Aussagen über Schmidt zitiert, etwa wenn er sie eine »phantastisch kämpfende Frau« nannte (Bild M 09.09.98: 5) oder erklärte, er unterstütze sie, gerade weil sie wisse, dass sie gegen Stoiber nicht gewinnen könne (FAZ 14.09.98: 2). Dass Schmidt als Kandidatin für Schröders Kabinettsliste gehandelt wurde, schlug sich in heftiger Medienschelte nieder. Gewiss ist es strategisch nicht günstig, wenn in der heißen Wahlkampfphase bekannt wird, dass die Spitzenkandidatin nach der Wahl vielleicht anderes vorhat. Dennoch fällt die Häme auf, mit der die Medien über die Pressekonferenz berichteten, in der Schmidt ihre Absage an diese Option verkündete. Bild warf ihr vor, sie tue so, als habe sie sich für Bayern geopfert (Bild M 27.08.98: 5). Die FAZ karikierte eine genusssüchtige Frau, die sich lieber in Bayern als Oppositionsführerin ein gutes Leben mache und Stoiber für sich rackern lasse, als sich in Bonn der Kabinettsdisziplin zu unterwerfen (FAZ 27.08.98: 14). Der SZ zufolge sei es Schmidt wichtig, dass alle glaubten, sie hätte tatsächlich Bundesministerin werden können. »Niemand widerspricht ihr öffentlich.« Die Betonung des fehlenden öffentlichen Widerspruchs impliziert, dass im kleinen Kreis sehr wohl widersprochen werde und Schröder sie vermutlich gar nicht haben wolle. Insgesamt wurden die bundespolitischen Ambitionen der Politikerin, die 1993 als mögliche Kanzlerkandidatin gehandelt worden war (Beck 2014a: 393) und 2002 zur Bundesfamilienministerin aufstieg, als prätentiös ironisiert und abgewertet. Hingegen wurde Vogt 2001 als Schröders Schützling inszeniert. Er sei ihr zugetan, seit sie 1998 als erste SPD-Politikerin »seit Menschengedenken« den Bundestagswahlkreis Pforzheim direkt geholt habe (SZ 13.03.01: 3). Sie »durfte im Bundestag eine Blitzkarriere hinlegen« (FAZ 26.03.01: 1) und habe als einzige Frau unter den »SPDYoungsters« eine gute Chance auf einen Platz an Schröders Kabinettstisch (SPON 28.02.01a). Denn »Schröder umgibt sich gerne mit Gewinnertypen und nicht nur das Sieger- und Kameralächeln verbindet die beiden« (SPON 25.03.01c). Aus dieser Konstellation wurde die Vermutung konstruiert, Vogt befinde sich auf der Durchreise nach Berlin (SPON 28.02.01a). Die Spitzenkandidatur in Baden-Württemberg diene

Wahlkampf und Wahlergebnis

nur der Verbesserung ihrer Karrierechancen (SZ 24.03.01: 7, FAZ 20.03.01: 3). Die Medien gingen davon aus, dass in Berlin ein Regierungsjob auf Vogt warte. Diese Ambitionen wurden zwar ambivalent, aber nicht so negativ bewertet wie bei Schmidt drei Jahre zuvor. Ein Grund könnte sein, dass Vogt quasi als Schröders Entdeckung inszeniert wurde, während die Medien bei Schmidt den Eindruck erweckten, die Politikerin habe sich dem Kanzlerkandidaten aufgedrängt. Dennoch fanden sich auch bei Vogt hierarchische Inszenierungen und gönnerhafte Aussagen. »Und dann noch ein bisschen Wahlkampf für die Ute, wie er sie nennt. ›Viel Erfolg im Kampf um die Regierungsmacht in diesem schönen Land‹. Und dass ›ihr die erste Ernte eurer Arbeit im März einfahrt‹. Stolz lässt sich der Kanzler feiern. Holt die Ute dazu, legt ihr immer wieder den Arm um die Schultern und zieht sie vorne an die Bühne. Frisch und fröhlich wirkt sie.« (SPON 10.02.01)

Diese Passage klingt recht positiv. Jedoch wirkt Vogt wie ein junges Mädchen, das sich im Glanz ihres Förderers sonnt und als Politikerin nicht ganz ernst zu nehmen ist. Während also Schmidts Ambitionen auf das Bundeskabinett als prätentiös abgewertet wurden, wurde der als Schröders Protegée inszenierten Vogt eine politische Karriere vorausgesagt. Bei beiden galt Schröder als der eigentliche Kämpfer in der politischen Arena, angesichts dessen die Eine medial komplett verschwand und die Andere zum jungen Mädchen schrumpfte.

6.2.5 Thematisierung von Geschlecht Die Kategorie Geschlecht bildete als Kernelement des Spannungsbogens von Andersartigkeit und Normalisierung eine durchgängige zweite Ebene medialer Repräsentationen der drei ersten Kandidatinnen. Daneben wurde Geschlecht auch als eigener Topos angesprochen. Weiblichkeit wurde bei den Kandidatinnen über direkte geschlechtliche, teilweise sexualisierende Adressierungen inszeniert. Bei Schmidt 1994 wurde mit Begriffen wie »Renata erotica« (Bild M 24.09.94: 2) oder »barockes Vollweib« (Spiegel 29/94: 54) die äußere Erscheinung und weibliche Ausstrahlung betont. Bei Vogt 2001 wurden mit den Begriffen »Mädle« (FAZ 20.03.01: 3), »kesser Schnabel« (SPON 28.02.01a) oder »Popstar wie Britney Spears« (SZ 13.03.01: 3) Bezüge zum Geschlecht und zu ihrem jungen Alter kombiniert. Auch politische Benennungen wurden vergeschlechtlicht, etwa durch die Betonung des (weiblichen) Vornamens in der Adressierung »rote Renate« (FAZ 16.09.94: 3). Bei Stahmer stand die politische Frau im Vordergrund, selten anerkennend, etwa als »Sozialexpertin der Metropole« (Spiegel 42/95: 28), häufiger abwertend als »Mutter Beimer« (Spiegel 42/95: 27) oder »Pechmarie« (Spiegel 34/95: 76). Stahmer wurde mit der Adressierung »Frau« im Kontext mit dem »Fraktionsvorsitzenden Böger« und dem

125

126

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

»Kandidaten Momper« (FAZ 19.10.95: 18) auf das Geschlecht reduziert, während die beiden Männer mit politischer Funktion benannt wurden.4 Bei allen drei Politikerinnen wurde die erste Kandidatur einer Frau für das höchste Regierungsamt im Land betont, bei Schmidt und Vogt jedoch nur im ersten Wahlkampf. Bei Schmidt wurden 1994 Vorbehalte gegen eine Frau als Regierungschefin thematisiert. Der Spiegel beschrieb »krachlederne Vorurteile« von CSU-Politikern, konnte auf diesem Weg männliche Vorbehalte über Frauen in der Politik verbreiten und sich zugleich davon distanzieren (Spiegel 29/94: 54). Die SZ führte Widerstand in Schmidts eigenen Reihen an (s.S. 100). Und die FAZ spitzte Schmidts Motivation auf die indirekt zitierte Frage zu, ob sie »als Frau und selbständig denkende Person in der Lage sei, ein christlich-soziales Mannsbild zu entthronen« (FAZ 12.09.94: 1). Stahmers Machtanspruch als erste weibliche Regierungschefin in der Hauptstadt wurde in den Medien ironisiert und abgewertet (s.S. 116): »Oben vor Hermann Mächtigs Befreiungskrieg-Denkmal sagt die Spitzenkandidatin, daß die Zeit reif sei für Frauen, für eine Frau als Regierende Bürgermeisterin in Berlin, daß Frauen gemeinsam stark sind und daß man nun doch nicht wie geplant die bunten Luftballons loslassen und über alle Stadtteile hinwegfliegen lassen dürfe. Die Polizei habe das wegen des Flugverkehrs verboten.« (SZ 02.10.95: 3)

Die Aussage, Frauen gemeinsam seien stark, wird durch das Luftballonverbot geradezu lächerlich gemacht. Die schnelle Abfolge völlig unterschiedlicher kurz gefasster Inhalte stellt die Spitzenkandidatin als machtlos dar. Vogts Ziel, erste Ministerpräsidentin in Baden-Württemberg zu werden, wurde ernsthaft diskutiert, allerdings wegen ihres jungen Alters problematisiert (s.S. 114f). Das Motiv ›erste Frau‹ wurde mit Vogts »Blitzkarriere« als SPD-Landesvorsitzende und Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses (FAZ 26.03.01: 1) zu der Aussage verallgemeinert, sie habe sich immer gegen ältere Männer durchgesetzt (SPON 28.02.01a). Allerdings verhandelten die Medien weniger das Regieren in Stuttgart und vielmehr die Frage, wie sich die Spitzenkandidatur auf Vogts Karrierechancen in Berlin auswirke (Kap. 6.2.4). In einem vergleichenden Steckbrief des Wahlkampfendspurts von Teufel und Vogt in Bild ist nachzuvollziehen, wie Motive eines arbeitsamen Landesvaters und einer etwas unsteten jungen Politikerin die Geschlechterhierarchie konstruierten (Bild S 06.03.01: 5) (siehe Artikel auf der nächsten Seite). Bei beiden beginnt der Tag mit dem Frühstück. Doch während Teufel sich an den (vermutlich von seiner Frau) gedeckten Tisch setzt, holt Vogt sich nach kurzer Nacht unausgeschlafen ein Glas Milch aus dem Kühlschrank und isst ein Vollkornbrot. Hier ein traditioneller familiärer Morgen, betont durch den Gruß »Guten Morgen, Herr Ministerpräsident«, dort ein Single-Leben, in dem – abgesehen vom gesunden Frühstück 4 | Die Adressierung war zudem falsch, weil nicht Momper, sondern Stahmer die Kandidatin war.

Wahlkampf und Wahlergebnis

Endspurt mit Brezeln & Milch Von JÜRGEN W. MEYER und GERT TESCHKE Die Zeit rast. Noch gut 450 Stunden – dann wird im Ländle gewählt. Die Spitzenkandidaten Erwin Teufel (61, CDU) & Ute Vogt (36, SPD) hecheln durch Baden-Württemberg. Beide wissen: Jede Stimme zählt. So bestreiten sie den Wahlkampfmarathon. Guten Morgen, Herr Ministerpräsident. Heute zum Frühstück – zuhause in Spaichingen – gibt’s Müsli, Marmeladebrote und Kaffee. Dann bringt ihn sein gepanzerter Mercedes nach Stuttgart. Auf dem weiteren Programm: Wahlkampf in Biberach, Wangen, Offenburg. Bis 23. März sind’s noch 19 Termine kreuz und quer im Ländle. Im Auto und per Hubschrauber. Teufel im Wahl-Endspurt. Das heißt auch 17-Stunden-Tag, viele Reden, tausendmal Schulterklopfen. Und dazwischen immer wieder Butterbrezeln, ein paar Äpfel, Joghurt. Er ist sicher: „Wir schaffen es!“

Die Nächte sind kurz. Oft zu kurz. „Dabei schlafe ich so gerne mal aus“, seufzt Ute Vogt. Daran ist derzeit nicht zu denken. Schon vor sechs klingelt der Wecker. Ein großes Glas Milch („Mein Lieblingsgetränk“) eine Scheibe Vollkornbrot. Dann geht’s im roten Audi (S-PD 2001) oder im SPD-Wahlkampfbus zu den Terminen: Heute Pforzheim, morgen muss sie nach Berlin (Innenausschuss) dann Ulm, Reutlingen... Am 22. März in Stuttgart (Marktplatz) Abschlusskundgebung mit Kanzler Schröder. Ihr Ziel: „Bis zur letzten Stunde kämpfen. Ich will Ministerpräsidentin werden!“

(Darstellung dem tatsächlichen Layout nachempfunden) – nicht der Morgen, sondern die kurze Nacht im Zentrum steht. Das Fahrzeug, mit dem beide zu ihren Terminen aufbrechen, symbolisiert die politischen Hierarchie: Der gepanzerte Dienst-Mercedes und der Hubschrauber für Teufel, der rote Audi und der Wahlkampfbus für Vogt. Für die Mühsal des Wahlkampfs steht bei Teufel der Hinweis auf einen 17-Stunden-Tag und tausendmaliges Schulterklopfen. Bei Vogt könnte der wenige Schlaf die gleiche Botschaft haben, lässt aber auch ein ausschweifendes Privatleben anklingen. Bei der Kandidatin wird die Abschlussveranstaltung mit dem Kanzler erwähnt, während Teufel ohne Berliner Unterstützung bleibt. Insgesamt wird der arbeitsame und traditionell lebende Amtsinhaber einer optimistischen und fröhlichen Herausforderin gegenübergestellt, die sich gesund ernährt, an deren Lebenswandel aber wegen kurzer Nächte und dem Bedürfnis auszuschlafen Zweifel bestehen. Die Kategorie Geschlecht wurde auch in Informationen über persönliche Lebensumstände angesprochen, bei Schmidts und Vogts erster Kandidatur stand Geschlechtsuntypisches im Vordergrund, während bei Stahmer eine normale Ehe mit traditioneller Arbeitsteilung thematisiert wurde (Bild B 20.10.95: 2-3). Betont wurde Schmidts Karriere im »Männerberuf Systemanalyse« (Spiegel 29/94: 54) und der Rollentausch mit ihrem ersten Mann, der sich zu Hause um die Kinder kümmerte, während sie sich im Bundestag engagierte (SZ 21.09.94: 3). Bei Vogt ging es um den fehlenden männlichen Lebenspartner, ihre handwerklichen Fähigkeiten und darum, dass »sie den Pfarrer im Ort wochenlang nervte, bis sie als erstes Mädchen Ministrantin werden durfte« (SZ 13.03.01: 3).

127

128

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Bei allen drei Politikerinnen dienten Thematisierungen von Geschlecht der Markierung von Andersartigkeit, überwiegend sexualisierend, manchmal auch anerkennend. Die erste Spitzenkandidatur einer Frau wurde – mal ironisierend, mal ernsthaft – betont. Vogts Leben als Single irritierte die Medien.5 2001 war das nur eine Randnotiz wert und diente als Erklärung dafür, dass die Politikerin trotz ihres Talents im konservativen Baden-Württemberg nicht Regierungschefin werden könne (SPON 25.03.01). Fünf Jahre später rückte der Boulevard diesen Lebensentwurf ins Zentrum des Interesses.

6.2.6 Skandalisierung: Sex sells 2006 wurde Vogt Opfer einer als Skandal inszenierten sexuellen Belästigung6 (Beck 2014a: 400f, 2014b: 305f; Stauber-Klein 2007: 131). Wie ihre Kontrahenten Günther Oettinger (CDU), Winfried Kretschmann (Grüne) und Ulrich Goll (FDP) gab Ute Vogt im Sender Hit-Radio Antenne 1 ein Interview, bei dem sie an einen Lügendetektor angeschlossen war. Die Männer gestanden Joints, Schlägereien oder Besäufnisse in der Jugend sowie heimliche Affären (SPON 23.03.06, SZ 25.03.06: 10). Vogt wurde vom Moderator gefragt, ob sie schon einmal einen Orgasmus vorgetäuscht habe. Sie antwortete: »Ja, aber das ist schon lang her.« Im Nachhinein nannte sie die Antwort einen Fehler, erklärte aber, dass sie nicht das Image einer alleinstehenden Frau als »prüder Zicke« habe bedienen wollen (Beck 2014a: 400). Am nächsten Tag titelte Bild: »Erste Politikerin beichtet Orgasmus-Lüge!« (Bild BU 23.03.06: 1) Die männlichen Spitzenkandidaten durften Jugendsünden beichten. Die Frau, die Homestories verweigerte, um ihre Privatsphäre zu schützen, wurde nach ihrem Sexualleben gefragt (SZ 25.03.06: 10).7 In einem eher langweiligen Wahlkampf, dem politische Kontroversen und persönliche Gegensätze fehlten, schuf der Boulevard mit dem Mittel der Sexualisierung und Skandalisierung eine Schlagzeile, die den sogenannten Qualitätsmedien den Aufhänger für eigene Thematisierungen lieferte. Während Bild das Image einer sexuell offenen Frau zeichnete, dominierte bei den anderen Medien das Unverständnis für das Verhalten der Politikerin Vogt. Die übergriffige Frage des Moderators wurde indes kaum problematisiert.

5 | Renate Schmidt hatte dieses Problem 1994 als Witwe nicht. 1998 war sie wieder verheiratet. 6 | Eine sexuelle Belästigung ist nach § 3 (4) AGG unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, das bezweckt oder bewirkt, die Würde der betreffenden Person zu verletzen. 7 | Eine Frage gleichen Stils hätte bei einem Mann gelautet, ob er schon einmal im Bett versagt hätte. Es darf bezweifelt werden, dass der Moderator diese Frage gestellt und dass Bild eine solche Schlagzeile gedruckt hätte.

Wahlkampf und Wahlergebnis

6.2.7 Inszenierung von Körperpraktiken In der Inszenierung von Körper wurden in den Medien Weiblichkeit und ein politischer Habitus einander gegenübergestellt. Bei Schmidt bildete beides einen nicht zu vereinbarenden Gegensatz. Bei Stahmer stand quasi der weibliche Körper zur Wahl. Erst bei Vogt wurden Körperpraktiken thematisiert, die sich auf einen politischen Habitus beziehen. Die folgende Passage über Renate Schmidt 1994 bezieht ihre Dramaturgie aus dem Kontrast zwischen sexualisierender Weiblichkeit und politischer Seriosität: »Ein Foto, bei feuchtfröhlicher Gelegenheit geschossen, das Frau Schmidts Beine mit Strapsen zeigte, erfüllte seine Aufgabe: Durch alle bayerischen Boulevardblätter machte es die Runde. Ansonsten trat die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages stets in unverfänglicher Kleidung auf, gewissermaßen als leibhaftiges Dementi einer auf die leichte Schulter zu nehmenden Indiskretion. Inzwischen wurde aber schon am ersten Wahlplakat gearbeitet, das einzig und allein auf die Reize eines in Überlebensgröße abgebildeten Gesichts ausgerichtet war, auf volle und geschminkte Lippen sowie auf einen leicht verschleierten Blick aus großen Augen. ›Eine starke Frau‹ stand darunter. Mittlerweile ist dieses Bild schon wieder einer konventionelleren Werbung gewichen, wie denn auch Frau Schmidt in ihren Reden die Gebote der Seriosität peinlich beachtet.« (FAZ 16.09.94: 3)

Der Text spielt mit dem Kontrast zwischen den sexualisierenden Beschreibungen von Schmidts Strumpfhaltern und Gesicht einerseits sowie Inszenierungen von Seriosität andererseits. Die Formulierung, der Schnappschuss erfülle seine Aufgabe, unterstellt, Schmidt habe das Foto billigend in Kauf genommen, wenn nicht sogar selbst in den Boulevardblättern lancieren lassen. Der nachfolgende Satz impliziert, dass Schmidt zwar mit ihren ›weiblichen Reizen‹ Wahlkampf mache, aber durch seriöse Auftritte versuche, dies als Ausrutscher wirken zu lassen. Auch die nächsten beiden Sätze leben vom schnellen Wechsel zwischen sexualisierenden und scheinbar seriösen Beschreibungen. Allerdings unterstellt die Formulierung, Schmidt beachte »die Gebote der Seriosität peinlich«, die Kandidatin sei nicht eigentlich seriös, sondern versuche nur, sich an diese Spielregeln zu halten. Diese Inszenierung fügt sich in den Vorwurf eines Wahlkampfs mit den Waffen der Weiblichkeit ein (s.S. 113). Doch auch Medien, die Schmidts Wahlkampf wohlwollender begleiteten als die FAZ, griffen auf Attributionen wie »fränkisch barock« (SZ 21.09.94: 3) zurück, die Schmidts äußere Erscheinung sexualisierend beschrieben. 1998 verschwanden bei Schmidt sexualisierende Bezüge auf den Körper und die äußere Erscheinung weitgehend. Die wenigen Ausnahmen verknüpften das SPDWahlziel »30 Prozent plus XXL« mit Schmidts Konfektionsgröße, überwiegend durch Zitate von ihr selbst (SZ 02.09.98: 3, Spiegel 37/98: 66). Gemäß der Annahme der Normalisierung (s.S. 112) wäre zu erwarten, dass an diese Stelle nun körperliche Inszenierungen als Politikerin treten würden. Das passierte jedoch nicht. Mediale Körperkonstruktionen jenseits sexualisierter Weiblichkeit gab es kaum.

129

130

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Der Modestil der etablierten Landespolitikerin Stahmer wurde in Bild einer männlichen Bewertung unterzogen, quasi als Optimierung des zur Wahl stehenden weiblichen Körpers. Ein als Stahmers »Mode-Spürhund« eingeführter Mitarbeiter durfte im O-Ton ihre Figur und ihren Geschmack kommentieren: »Es folgte eine Radikalkur für den Stahmerschen Kleiderschrank. Geblümte Kleider und Kostüme raus (›machen so tantig‹), viel Rot, Blau und vor allem Hosenanzüge rein. Kalk (der Berater, D.B.): ›Das ist ihr Stil, denn sie ist groß, schlank und sportlich.‹« (B ILD B 29.09.95: 5)

Der Mann lässt sich öffentlich über das Äußere der Frau aus, wodurch diese zum sexualisierten Objekt mutiert. Sie selbst kommt nicht zu Wort. Zusätzliche Brisanz erhält die Passage, weil die Frau Chefin des Mannes ist. Der Hinweis auf das Vertrauen der Spitzenkandidatin verleiht diesem Autorität. Eine ähnlich trivialisierende Bewertung in der SZ wurde als (Rück-)Entwicklung der »selbstbewußte(n) Senatorin mit Stil und […] einem gewissen, flotten Chic« zur »nette(n), hausgewickelte(n) Mutti […] im graubeigen Woolworth-Hängerchen« politisch kontextualisiert. Im gleichen Absatz kombinierte die Zeitung den Igel als Erkennungszeichen der Berliner Grünen und ein Wahlkampfplakat der FDP, auf dem unter der Warnung »Uffjepasst!« ein roter einen grünen Frosch begattete. Daraus entstand ohne jeglichen inhaltlichen Bezug ein abschließender sexualisierender Kommentar zu Stahmer: »Uffjepasst, rief der rote Frosch, als er auf den Igel sprang.« (SZ 13.09.95: 6) Ganz andere Körperkonstruktionen zeigten sich bei Ute Vogt. Auf ausführliche, sexualisierende Beschreibungen der äußeren Erscheinung wurde verzichtet. Dafür waren im Jahr 2001 Szenen als dynamische, fröhliche, unbekümmerte junge Politikerin mit Kurpfälzer Dialekt zu lesen: »Wenn sie einen Saal betritt, aufs Podium springt, die rotbraune Mähne nach hinten schaufelt und ihr Nur-keine-Angst-ich-bin-ein-nettes-Mädchen-Lächeln aufsetzt, dann stehen die Leute in Dreierreihen vor den Ausgängen, weil alle Stühle besetzt sind.« (SZ 13.03.01: 3)

Auch ihr Status als Schröders Schützling wurde mit körperlichen Praktiken unterstrichen (SPON 10.02.01) (s.S. 125). Bei diesen Beschreibungen schwang der trivialisierende Subtext als junges Mädchen mit. Daneben gab es körperlich inszenierte politische Konflikte, etwa eine Szene mit einem Anhänger der Jungen Union, der sie verbal attackiert hatte: »Sie wird laut, die Stimme geht hoch, die kleine Frau schiebt sich auf den jungen Mann zu, drückt ihn zur Seite. Sie wirkt, als wollte sie ihn anschreien. Aber dann reißt sie die Schultern nach hinten, senkt die Stimme. Murmelt irgendetwas, unterdrückt den Wutanfall.« (SZ 13.03.01: 3)

Wahlkampf und Wahlergebnis

Fünf Jahre später wurde Vogts offenes, fröhliches Image sparsam wieder aufgegriffen, jedoch mit dem Hinweis verbunden, dass Vogt nichts anderes zu bieten habe: »Weil aber viele zwar noch Ute Vogt kennen und sich an die roten Haare von damals erinnern, aber nicht alle ein Bild von ihrem politischen Wirken und ihren Grundüberzeugungen haben, weist sie oft darauf hin, dass man dieses oder jenes in Berlin beschlossen habe, als sie auch dort war.« (SZ 23.03.06: 3)

Medial wird die Erinnerung an den Körper betont, Vogts damalige Politik hingegen vernachlässigt. Daneben trat die distanzierte Beschreibung des Habitus einer Berufspolitikerin (s.S. 121). Die Bedeutung der Konstruktion von Körper als weiblich schwand bei Schmidt und Vogt von der ersten zur zweiten Wahl. Daneben zeigte sich ein auffallender Wandel über den gesamten Zeitraum. Bei Schmidt und Stahmer gab es kaum Beschreibungen körperlicher Praktiken jenseits (sexualisierender) Weiblichkeit. Bei Vogt hingegen wurden ein politischer Konflikt und ein politischer Habitus durch Körperpraktiken inszeniert. Hierin bestätigt sich auch der Wandel der Darstellung von der Andersartigkeit zur Normalisierung als Berufspolitikerin.

6.2.8 Private Kontexte und Rahmungen Immer wieder wurde im Forschungsdiskurs die Abwertung von Politikerinnen durch private Rahmungen diskutiert (Kap. 2.4.6). Solche Erzählungen fanden sich auch bei den drei Politikerinnen. Daneben ging es in privaten Kontexten um die Konstruktion sozialer Distinktion, um die Inszenierung von politischen Kompetenzen, wie Kämpfernatur, Selbstbewusstsein und Mütterlichkeit, sowie von politischen Inhalten. Trivialisierende private Kontexte fanden sich immer wieder. So kündigte Bild Schmidts Schattenkabinett 1994 mit der Schlagzeile an: »SPD-Chefin Schmidt: Am Dienstag verrät sie ihr größtes Geheimnis.« (Bild M 23.07.94: 3) Der Begriff »ihr größtes Geheimnis« intimisierte diesen Akt. Einige Tage später war knapp die Hälfte des Textes über das Schattenkabinett einer Gruppe japanischer Tourist_innen gewidmet, die sich (irrtümlich) am Buffet bediente. Demgegenüber geriet Schmidts politische Botschaft in den Hintergrund (Bild M 27.07.94: 3). Vier Jahre später bediente die FAZ das Vorurteil, Frauen könnten keine Witze erzählen (FAZ 05.08.98: 3). Bild inszenierte die private Geschlechterhierarchie mit einem Zitat von Schmidts zweitem Mann, der seiner Frau nach dem enttäuschenden Wahlergebnis beistehen und sie wieder aufbauen müsse (Bild M 14.09.98: 3). Ute Vogts Leben als Single wurde 2006 durch die ›Enthüllung‹ trivialisiert, der Hund mit dem sie auf einem Wahlplakat abgelichtet war, sei nicht ihr eigener. Ein CDU-Politiker wurde zitiert, der frotzelte, »Frau Vogt habe offensichtlich keinen Partner, deshalb tanze sie auf Plakaten mit Hunden« (FAZ 02.03.06: 4). Bei Ingrid Stahmer vermengte der Spiegel einen Urlaubsunfall, eine Lebensmittel-

131

132

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

vergiftung und politische Pannen und inszenierte die Politikerin als unbeholfene Pechmarie (Spiegel 34/95: 76f). Daneben war die Konstruktion sozialer Distinktion durch private Kontexte stark ausgeprägt. So beschrieb die SZ zwar eine konfliktfähige Politikerin, stellte Stahmer aber dennoch als Opfer und unpolitische Celebrity-Dame dar. »Trotzdem: Viele Menschen auf den Straßen Berlins, vor allem Frauen, rufen Ingrid Stahmer zu, daß sie nicht aufgeben soll. Daß sie durchhalten muß. Es hat ihr genutzt, als sie gegen die Diätenregelung gesprochen und gestimmt hat, und auch, daß sie dafür von der Bundestagsfraktion beschimpft wurde, hat ihr genutzt. Auch hilft, daß Scharping einen Geschäftsführer gefunden hat und bis zum Wahlabend nicht unbedingt mit weiteren Rücktritten gerechnet werden muß. Abends bei der Premierenfeier von Hildegard Knefs neuem Film regnet es rote Rosen, und die Boulevardblätter am nächsten Tag sind voll von Hilde und Ingrid.« (SZ 16.10.95: 3)

Diesem Text zufolge erhält Stahmer, die in Umfragen weit zurücklag, ermutigenden, vor allem weiblichen Zuspruch von der Straße. Sie habe beim »Aufreger-Thema« Diätenerhöhung Rückgrat bewiesen. Im Konflikt der Bundes-SPD scheint ein wenig Ruhe eingekehrt zu sein. Und der Boulevard inszeniert sie zusammen mit dem Berliner Weltstar Hildegard Knef. Der Spannungsbogen reicht von der kämpfenden Politikerin, die angefeuert wird und Konflikte aushält, zum Opfer und zur Celebrity-Figur. Die ›private Ingrid‹ am Ende relativiert und ironisiert die ›Politikerin Stahmer‹ vom Anfang, die um ihr politisches Überleben kämpft. In einem »ganz private(n) Vergleich« stellte Bild Informationsschnipsel über Stahmer und Diepgen unter den Rubriken »Familie«, »Beruf«, »Freunde & Berater«, »Vermögen & Einkommen«, »Hobbys«, »Urlaubsziel«, »Essen & Trinken«, »Gesundheit«, »Auto«, »Schwächen« sowie »Die Stunden vor der Wahl« gegenüber. Dabei entstanden Bilder von Diepgen als Berliner Junge und Stahmer als Frau ›nicht von hier und nicht von uns‹ (Bild B 20.10.95: 2-3). Diepgen wurde als bodenständiger Familienvater und »Pankower« gezeichnet. Er hatte hart arbeiten müssen und hatte die gleichen Hobbys, Urlaubsziele und Schwächen wie normale Menschen. Die Exklusivität des DienstMercedes wurde (wie auch bei Stahmer) relativiert durch den privaten alten Golf. Stahmers Image wurde widersprüchlicher gezeichnet. Zwar erschien das private Geschlechterverhältnis mit einem älteren, beruflich ebenbürtigen Ehemann geordnet. Sie hatte (anders als Diepgen) ganz normale Freunde. Auch ihre Urlaube verbrachte sie bodenständig. Gleichzeitig signalisierten einige Chiffren, dass Stahmer sich von der Bild-Leser_innenschaft abhob. Sie war keine gebürtige Berlinerin, hatte eine Eigentumswohnung im gediegenen Bezirk Charlottenburg (während Pankow ein KleineLeute-Bezirk im Osten ist), war auf der Geburtstagsparty eines Schauspielers, hatte exklusive Hobbys, war belesen und hatte beim Essen einen ausgefallenen Geschmack. Dass sie einen Herrenduft als ihre Schwäche bezeichnete, sich als Morgenmuffel bekannte und am Wahltag bis 11 Uhr schlafen wollte, passte zur Kinderlosigkeit und stand im Wider-spruch zu den Chiffren für Bürgerlichkeit und Biederkeit.

Wahlkampf und Wahlergebnis

Bei Stahmer beschränkten sich private Kontexte auf Abwertung und Konstruktion sozialer Distinktion. Bei Schmidt und Vogt wurden auch Kompetenzen und politische Inhalte inszeniert. So wurde Schmidts Kämpfernatur aus ihrem Lebenslauf hergeleitet. Sie war mit 17 wegen einer Schwangerschaft vom Gymnasium geflogen, hatte sich in einem Männerberuf hochgearbeitet und sich als Betriebsrätin engagiert. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes, der sich in ihrer Zeit im Bundestag um die Kinder gekümmert hatte, kämpfte sie sich wieder aus der Verzweiflung heraus (Spiegel 29/94: 54, Bild M 24.09.94: 2, SZ 21.09.94: 3). Aufgrund dieses Hintergrunds sei »Lebenserfahrung« Schmidts besondere Stärke (FAZ 05.08.98: 3). Auch Vogts Persönlichkeit wurde privat hergeleitet, z.B. ihr Selbstbewusstsein. Dabei stand das Elternhaus im Zentrum. »Das Selbstbewusstsein hat sie von daheim. Schulnoten waren nicht wichtig. Ein Beinbruch war schlimm, eine fünf in Mathematik aber kein Beinbruch. ›Versagensängste, Prüfungsängste habe ich nie gekannt‹, sagt sie. Gesorgt hat sich der Vater nur, als seine Tochter kurz nach der Schule mit ihrem Freund zusammenziehen wollte. Sie solle erst mal studieren und lernen, auf eigenen Beinen zu stehen, fand er. […] Für das Liebesleben der Tochter war seine Mahnung […] allerdings ein schlechtes Omen. ›Männern ist mein Leben zu anstrengend‹, sagt sie, und lacht.« (SZ 13.03.01: 3)

Allerdings tritt in dieser Episode neben das Selbstbewusstsein die implizite Botschaft, selbstbewusste Frauen bekämen keinen Mann ab, was wohl Vogts Single-Leben erklären sollte. Dies ist zugleich ein Beispiel für die Konstruktion von Andersartigkeit (Kap. 6.2.1) und für das journalistische Mittel, Inszenierungen von Stärke und Handlungsmacht gleich wieder zu relativieren. Auch politische Inhalte wurden bei Schmidt (u.a. SZ 21.09.94: 3) und Vogt durch private Rahmungen transportiert und glaubwürdig gemacht, z.B. bei einer Telefonaktion der Schwäbischen Zeitung mit Vogt: »Der Anrufer, der sich über die hohen Kosten für Heizöl beklagt, erfährt, dass sie die Wärmedämmung an ihrem Dach selbst angebracht hat. Wer mit ihr darüber diskutiert, dass Frauen weder Wehr- noch Zivildienst leisten müssen, hört, dass sie ihre Großmutter gepflegt hat. [...] Ihr Motto: Das Private ist das Politische – auch wenn sie selbst das manchmal am meisten ner vt. ›Es ist schon anstrengend, die Ministrantengeschichte immer noch lebhaft und mit rollenden Augen zu erzählen.‹« (SZ 13.03.01: 3) ( S.S. 127)

Verhandelt wird in dieser Episode nicht politische Programmatik, sondern Vogts Glaubwürdigkeit in den angesprochenen politischen Fragen. Mütterlichkeit, also die Eigenschaft, die auf die wohl traditionellste private weibliche Rolle verweist, fand sich auch in den Erzählungen über die drei Politikerinnen. In der Adressierung Landesmutter wird diese Rolle politisch relevant (Beck 2016). Doch

133

134

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

als Landesmutter wurde nur Vogt angesprochen. Bei der ersten Kandidatur ging es um die Frage, ob sie diese Rolle im Alter von 36 Jahren überhaupt schon ausfüllen könne (SPON 28.02.01a). Bei der zweiten Kandidatur problematisierte der Kontrast von »Wirbelwind« und »Landesmutter« Vogts Imagewechsel (SPON 22.03.06). In den Texten über Schmidt tauchte die Eigenschaft mütterlich nicht explizit auf, war aber durch Verweise auf den Lebensweg der Politikerin immer präsent (u.a. SZ 21.09.94: 3). Bei Stahmer schließlich wurde Mütterlichkeit mit Machtlosigkeit kontextualisiert SZ 02.10.95: 3), mit den Verben schimpfen und schelten trivialisiert und ironisiert (FAZ 09.10.95: 16) und durch den Vergleich mit Mutter Beimer aus der Lindenstraße (Spiegel 42/95: 27) privatisiert. In den Medientexten über die drei SPD-Kandidatinnen bestätigten sich frühere Befunde, wonach private Rahmungen der Trivialisierung dienen (Kap 2.4.6). Zugleich deutete sich ein Bedeutungswandel des Privaten an. Durch private Rahmungen wurden politische Kompetenzen und Inhalte thematisiert und glaubwürdig gemacht. Die Widersprüchlichkeit dieser Entwicklung zeigte sich an trivialisierenden Ergänzungen solcher Episoden. So wurden etwa Vogts persönliche Erzählungen politischer Sachverhalte als – manchmal nervige – kalkulierte Masche thematisiert.

6.2.9 Zusammenfassung: Gattungswesen, Exotin, Verliererin Die drei ersten Kandidatinnen wurden von den Medien als das Geschlecht bzw. das andere Geschlecht inszeniert. Die Befunde der vorliegenden Untersuchung schließen in dieser Hinsicht weitgehend an den Forschungsdiskurs an (Kap. 2.4.2 und 2.4.3). Das Geschlecht bezog seine Kontur aus der Betonung der Kandidatur einer Frau als Gattungswesen, bei der persönliche Eigenschaften eine untergeordnete Rolle spielten. Das andere Geschlecht hatte zwei Bezugspunkte. Zum einen im politischen Feld abgewertete weiblich kodierte Zuschreibungen, zum anderen Eigenschaften, welche die Kandidatinnen als andere Frauen markierten, die traditionellen weiblichen Lebensentwürfen nicht entsprachen bzw. von einer bildungsbürgerlichen Herkunft zeugten. Diese Andersartigkeit wurde durchaus wohlwollend inszeniert, z.B. als Exotinnen, jedoch nur bei Politikerinnen, die sich neu in der landespolitischen Arena präsentierten. Die erste Kandidatur einer in der Landespolitik noch unbekannten Politikerin bildete einen Rahmen, in dem positive, jedoch nicht unbedingt egalitäre Medienbilder gezeichnet wurden, eingeschränkt durch die antizipierte Niederlage. War die Politikerin erst einmal etabliert, so gewannen zunehmend die männlich kodierten Anforderungen in diesem Feld an Bedeutung. Im Widerspruch hierzu spielten bei der Darstellung der Politikerinnen professionelle Anforderungen gegenüber geschlechtlichen Zuschreibungen eine untergeordnete Rolle, sodass sie für die politische Anforderungen ›nichts zu bieten‹ hatten und als Verliererinnen negativer dargestellt wurden als beim ersten Anlauf. Gleichwohl wurden die Beschreibungen individueller, während die Politikerinnen sich bei der ersten Kandidatur in der stereotypen Inszenierung der Andersartigkeit eher ähnlich waren.

Wahlkampf und Wahlergebnis

Die Darstellung politischer Handlungsmacht und die persönliche Charakterisierung der Kandidatinnen standen sich in den Medien fast bipolar gegenüber. Das lässt darauf schließen, dass die hegemonialen politischen Medien das dichotome Verständnis des Verhältnisses von Öffentlichkeit und Privatheit übernahmen (Kap. 3.2.1 und 3.2.2). Wenn die Persönlichkeit lebendig in Szene gesetzt wurde, traten politische Fragen in den Hintergrund. Ging es um politische Diskussionen, z.B. im Dialog mit Bürger_innen, so wurde die Persönlichkeit sachlicher, distanzierter und nicht so positiv beschrieben. Weiblich kodierte Handlungsfelder wie die Sozial- oder Bildungspolitik bildeten eine Ausnahme. Hier erschienen die Politikerinnen sowohl handlungsmächtig als auch mit lebendiger Persönlichkeit. Zugleich deutete sich an, dass diese Handlungsfelder, die zunächst der weiblichen Kodierung folgend privat gerahmt wurden, zunehmend in politische Kontexte gerückt wurden. Politische Bedeutung war bei diesen Kandidatinnen in mehrerlei Hinsicht männlich. So pendelte die Inszenierung zwischen dem belebenden Kontrast zum etablierten männlichen Politikbetrieb sowie der Unterstützung durch die Parteispitze und dem fehlenden Rückhalt in den eigenen Reihen. Zweikämpfe der Kandidatinnen wurden als Wettstreit eines Politikers mit einer (jungen) Frau inszeniert, was sich an frühere Befunde anschließt (s.S. 37). Ab 1998 war die männliche Bedeutung von Politik fokussiert auf Kanzler Schröder. Dem Kampf um das Kanzleramt fiel die Mediendarstellung der Spitzenkandidatin in Bayern zum Opfer. Es entstand quasi eine Hierarchie von Zweikämpfen, an deren Spitze zwei Männer mit ritterlichen Metaphern beschrieben wurden, die aber mit den realen politischen Prozessen nichts zu tun hatte. Die politischen Ambitionen der Kandidatinnen wurden abhängig von der Gunst Schröders verhandelt. Der Politikerin Vogt, die Schröder quasi entdeckt hatte, wurde – ambivalent aber nicht negativ – eine politische Karriere vorausgesagt. Die Politikerin Schmidt, die ihren Anspruch unabhängig von Schröder geltend gemacht hatte, wurde als prätentiös abqualifiziert. Beiden begegnete Schröder im Bild der Medien mit machohafter Herablassung. Die mediale Inszenierung von Körperpraktiken stützten den Kontrast von Weiblichkeit und politischer Inszenierung, ließen aber auch Wandel erkennen. Körperliche Praktiken als Austragungsort professioneller Inszenierung wie bei männlichen Politikern spielten bei den Kandidatinnen zunächst kaum eine Rolle (Kap. 2.4.5). Allenfalls wurde der weibliche Körper als zur Wahl stehend gekennzeichnet. Erst bei Vogt, die als letzte der drei Kandidatinnen antrat, wurden Körperpraktiken auch politisch kontextualisiert. Wie beschrieben bildete die Kategorie Geschlecht als zumindest zweite Erzählebene den Kern eines Spannungsbogens von Andersartigkeit und Normalisierung. Die erste Kandidatur einer Frau für den Chefsessel einer Landesregierung wurde betont. Die Beschreibung männlicher Vorurteile im politischen Feld erlaubte es einigen Medien, Klischees und Stereotype zu thematisieren und sich gleichzeitig davon zu distanzieren. Der Anspruch der Kandidatinnen wurde mangels Erfolgsaussichten weniger bezogen auf eine künftige Regierungstätigkeit als bezogen auf weitere Karriereaussichten verhandelt. Schließlich zeigte sich im Lügendetektor-Skandal um Ute Vogt auch, dass in einem

135

136

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

ereignislosen Wahlkampf die Kategorie Geschlecht herangezogen werden kann, um durch boulevardeske Skandalisierung auf Kosten der Kandidatin Schlagzeilen zu produzieren. Dies lässt die These zu, dass der im Vergleich zur vorangegangenen Wahl fehlende ›Unterhaltungswert‹ Frau und Jugend durch dem Boulevard eigene Mittel kompensiert werden sollte. Anhand dieses Beispiels wird im Fazit (Kap. 9) die Funktion des Boulevards zwischen sexualisierender Skandalisierung und demokratischem Potenzial diskutiert (Kap. 3.2.3 und 3.2.4). Private Kontexte wurden häufig trivialisierend und sexualisierend eingesetzt. Persönliche Lebensumstände dienten damit der Bestätigung der Geschlechterhierarchie. Daneben wurde die Andersartigkeit der Kandidatinnen durch Chiffren sozialer Distinktion inszeniert. Doch zunehmend dienten private Rahmungen auch der Darstellung politisch relevanter Kompetenzen und Eigenschaften und politischer Inhalte. Dabei ging es weniger um Programmatik oder politische Positionierung als vielmehr um die Inszenierung von Glaubwürdigkeit. Die Zuschreibung mütterlicher Eigenschaften und die Adressierung als Landesmutter spielte dabei eine untergeordnete Rolle. Die beschriebenen Befunde fanden sich mit unterschiedlicher Gewichtung in allen vier bzw. fünf Medien8 wieder. Das galt insbesondere für politische Eigenschaften und Kompetenzen, die immer wieder benannt, zugleich aber durch private Inszenierungen und Körperpraktiken relativiert und kontrastiert wurden.

6.3 D IE

ERSTE

M INISTERPRÄSIDENTIN H EIDE S IMONIS

Bis zur NRW-Wahl 2012 (Kap. 6.4) waren die drei Landtagswahlen in Schleswig-Holstein die einzigen, in denen eine amtierende Ministerpräsidentin antrat. Anders als bei Renate Schmidt, Ingrid Stahmer und Ute Vogt ging es also nicht um das Ziel einer Politikerin, Regierungsmacht zu erlangen. Vielmehr musste Heide Simonis als erste und zu ihrer Amtszeit einzige Ministerpräsidentin in Deutschland ihr Amt gegen männliche Gegenkandidaten verteidigen (Kap. 6.3.1). Dies beinhaltete auch eine mediale Bewertung ihrer Arbeit als Regierungschefin. Im Folgenden wird daher auch nach dem Verhältnis der Inszenierungen von Regierungsmacht und von Geschlecht gefragt. Dazu werden die Zuschreibung von Handlungsmacht (Kap. 6.3.2), die Inszenierung von Popularität, Personalisierung und Personenkult (Kap. 6.3.3) sowie skandalisierende Kontexte (Kap. 6.3.4) herangezogen. Simonis war bei jeder Wahl mit einem anderen Gegenkandidaten konfrontiert. Im Kontext mit diesen drei CDU-Politikern wie auch mit Kanzler Schröder lässt sich nachzeichnen, inwieweit die Sichtbarkeit von Frauen in politischen Spitzenpositionen an der Markierung politischer Bedeutung durch Männer etwas ändert (Kap. 6.3.5 bis 6.3.7). In diesem Zusammenhang steht auch die Thematisierung von Geschlecht. Simonis 8 | Bei den Wahlen ab 2000 wurde als zusätzliches Medium Spiegel online herangezogen (Kap. 4.5.2).

Wahlkampf und Wahlergebnis

wurde mit schnoddrigen Bemerkungen über männliche Politiker und mit biografischen Hinweisen über Erfahrungen ›als Frau‹ in der Politik zitiert (vgl. auch Simonis 2003). Dies wird in Kapitel 6.3.8 untersucht. Daneben geht es u.a. um die Bedeutung der Metapher Landesmutter. Die Inszenierung von Körperpraktiken und der privaten Frau Simonis sind Thema der Kapitel 6.3.9 und 6.3.10.

6.3.1 Das (andere) Geschlecht: die erste Ministerpräsidentin Heide Simonis’ Ausnahmestatus als Politikerin bezog sich in erster Linie auf die Adressierung ›erste und einzige Ministerpräsidentin‹. Dabei überwogen zunächst sachliche Benennungen als »einzige Chefin unter den deutschen Länderchefs« (Spiegel 12/96: 44). Soweit ihr Ausnahmestatus bewertet wurde, geschah dies eher ambivalent bis negativ und häufig auf Basis eigener Aussagen der Politikerin. »Zum Abschied sagt sie den Menschentrauben: ›Und denken Sie daran: Ich bin die erste Ministerpräsidentin in Deutschland, vergessen Sie das nicht.‹ Das ist doch etwas. Das ist etwas zum Vorzeigen. Ein Status, den man sich erobert hat. Etwas, mit dem man vor Hamburger Unternehmern anders, aber immerhin brillieren kann wie vor den proletarischen Typen im Kieler Gewerkschaftshaus.« (FAZ 20.03.96: 3)

Die wiederholende Formulierung »Das ist doch etwas. Das ist etwas zum Vorzeigen« und der Begriff »brillieren« erwecken hier den Eindruck, Simonis wolle mit ihrem Amt angeben. Damit wird der Status als einzige Ministerpräsidentin aus dem politischen Kontext – der Unterrepräsentanz von Frauen in der Politik – gelöst und zu einer Frage persönlicher Eitelkeit gemacht. Mit der Kritik, die Regierungschefin präsentiere dem Wahlvolk das Stück »Tatkräftige kleine Frau unter Männern« schlug der Spiegel den gleichen Ton an (Spiegel 12/96: 45). Dieser Kontrast wurde ergänzt um weitere: Hier die Pragmatikerin ohne Zukunftsvisionen, die gern auf Flohmärkten herumstöberte, und da ihr »kunstsinnige(r)« und intellektueller Vorgänger Björn Engholm. Dieser sei »zum ungeschickten Lügner abgestürzt«, während sie authentisch wirke. Ihr kumpelhaftes Auftreten und ihre Schnoddrigkeit stünden staatsmännischer Würde und Distanz entgegen, die von ihrem Amt gefordert werden (Spiegel 12/96: 45). Diese Gegensätze wurden in den Medien nicht manifest vergeschlechtlicht, verwoben sich jedoch zu einem komplexen und widersprüchlichen Bild, in dem Geschlecht wegen des Status als »erste und einzige Ministerpräsidentin« eine zentrale Rolle spielte. Diese sei pragmatisch und authentisch, jedoch möglicherweise dem Amt intellektuell nicht gewachsen und ohne Ideen für die Zukunft des Landes. Darüber hinaus lasse sie es an der Würde des Amtes vermissen. In den späteren Wahlkämpfen wurde der Titel Ministerpräsidentin zunehmend mit weiteren Attributen bewertet. 2000 war Simonis die »Ministerpräsidentin fürs Volk« (SZ 21.02.00: 3). Die FAZ fand »das Loblied […] auf ›die einzige Ministerpräsidentin Deutschlands‹ […] ein bisschen eigentümlich«, nachdem ihr »noch vor Monaten

137

138

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Übernervosität, Amtsmüdigkeit und politische Missgriffe vorgehalten worden waren« (FAZ 11.01.00: 4). Zugleich wurde Simonis’ Ausnahmestatus als Wahlkampfargument gedeutet. »Heide Simonis müsse Ministerpräsidentin bleiben, sagte die ehemalige brandenburgische Sozialministerin Hildebrandt, ›damit wir Frauen nicht ganz untergehen‹.« (FAZ 24.02.00: 3) 2005 fielen Attribuierungen überwiegend negativ aus. Da war sie z.B. Ministerpräsidentin nur noch »auf Abruf« (Bild HH 07.02.05: 7). Nach zwölf Jahren Amtszeit befand Spiegel online: »Noch immer ist sie die erste und einzige deutsche Ministerpräsidentin – und wie früher ist sie nicht bereit, sich viele Gedanken darüber zu machen. ›Frauen werden immer dann etwas‹, sagt sie, ›wenn Männer aus der Kurve fliegen. Man muss nur in der richtigen Kur ve stehen.‹ An die besondere Beobachtung, unter der sie zeitlebens ihrer politischen Karriere stand, hat sie sich gewöhnt. Die erste Frau, die jüngste Frau, die einzige Frau zu sein in den Parlamenten, in den Ausschüssen, in diesem oder jenem Amt.« (SZ 15.02.05: 3)

Es habe sich also weder an der Unterrepräsentanz von Spitzenpolitikerinnen noch an der medialen Inszenierung als Ausnahmefrau in drei Wahlperioden viel geändert. Auch der abwertende Tenor ist geblieben, wie ein Hinweis in Spiegel online nahelegt: »Wann immer der Moderator sie als ›erste und einzige Ministerpräsidentin‹ vorstellt, fügt sie schnell noch hinzu: ›Und die Beste.‹« (SPON 21.01.05)

6.3.2 Handlungsmacht: Pragmatikerin mit ambivalenter Bilanz Anerkennende Zuschreibungen als Politikerin leiteten die Medien 1996 überwiegend aus Simonis’ Karriere im Bundestag her, die durch Kontexte mit bekannten Sozialdemokraten markiert wurde (Kap. 6.3.5). Im Zentrum stand ihre Reputation als Haushaltspolitikerin, die ihr den Ruf der Sparkommissarin einbrachte (SZ 16.03.96: 3; SPON 13.02.00). Selbst die FAZ schrieb, ihre Hohe Schule der Politik sei der Bonner Haushaltsausschuss gewesen. Das Blatt relativierte jedoch: »Von den Erfahrungen zehrt sie noch heute, und sei es, weil der FDP-Abgeordnete Gärtner, der zur selben Zeit wie sie dort seine Sporen verdiente, heute Chef der Kieler Staatskanzlei ist.« (FAZ 20.03.96: 3) Sie habe also zwischenzeitlich nichts hinzugelernt und stattdessen den Vertreter einer konkurrierenden Partei in die Staatskanzlei geholt. Anders als bei den Kandidatinnen der ersten Gruppe wurde 1996 ausführlich über Simonis’ politische Programmatik und Vorhaben berichtet. Ihr Volkswirtschaftsstudium wurde immer wieder erwähnt und mit dem Image als Sparkommissarin verknüpft. Die Ministerpräsidentin wurde als pragmatisch und unideologisch etikettiert und mit ihrem Vorgänger kontrastiert. »Seit sie 1993 den durch die Schubladenaffäre belasteten Björn Engholm abgelöst hat, haben in Kiel die Vertreter der reinen Lehre nicht mehr viel zu bestellen.« (FAZ 22.03.96: 17) Bei den Wirtschaftsverbänden komme sie damit gut an (SZ 21.03.96: 26).

Wahlkampf und Wahlergebnis

Der Tenor war überwiegend anerkennend. Sie habe es geschafft, »ihre Politik und ihr Profil mit eingängigen Begriffen zu verbinden: Bürokratieabbau, Sparen, neue Arbeitsplätze, Modernisierung, aber auch Solidarität« (SZ 02.03.96: 8). Es wurden Infrastrukturprojekte aufgezählt, die Simonis durchgesetzt habe. Sie sei nicht dem »unkontrollierbaren Gigantismus des Transrapid-Projekts« verfallen wie die Chefs der Nachbarländer (FAZ 22.03.96: 17). Das Beispiel ihres »Lieblingsprojekt(s)« Verwaltungsreform und der Reform der Beamtenversorgung implizierte, sie sei bereit, sich mit wichtigen Wählergruppen anzulegen (Spiegel 12/96: 47) und damit auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Bei den späteren Wahlen änderte sich dieser Tenor. Im Jahr 2000 blieb das Image der ökonomisch kompetenten Sparkommissarin zwar erhalten. Allerdings wurde bemängelt, Simonis’ Kabinett gingen die Vorzeigeprojekte aus. Die Ministerpräsidentin rackere nur noch für das »Weiter so« (SZ 21.02.00: 3). Die gleiche Wertung mündete fünf Jahre später im Vorwurf, die SPD habe mangels politischer Ziele den Wahlkampf ganz auf die Ministerpräsidentin zugeschnitten. Die Partei verstecke sich hinter einer Ikone, die kein Programm habe (SZ 15.02.05: 3, Bild HH 07.02.05: 7). Soweit in diesem Wahlkampf Inhalte angesprochen wurden, ging es um Kontroversen in der Schulpolitik, um Verschuldung und Arbeitslosigkeit. Der Landesregierung wurde Untätigkeit und Erfolglosigkeit vorgeworfen (SPON 09.02.05). Ein Steuerstreit in der SPD, in dem Simonis für eine Erhöhung der Mehrwert- und der Erbschaftssteuer eintrat, wurde im Kontext mit Bundeskanzler Schröder verhandelt. Denn Simonis stand mit ihrer Position konträr zur Bundesregierung. Anders als die Thematisierung politischer Inhalte veränderte sich die Inszenierung von Simonis’ politischen Eigenschaften kaum. Ihr wurde durchweg Durchsetzungsfähigkeit zugeschrieben, zum Beispiel mit dem Hinweis, sie vertrete bei Verhandlungen im Bundesrat in erster Linie die Interessen ihres Landes und lasse sich nicht – so die implizite Botschaft – in die Parteidisziplin der SPD-geführten Bundesregierung einbinden (FAZ 09.02.00: 5). Der grüne Koalitionspartner in Kiel, so legten die Medien nahe, habe unter dieser Durchsetzungsfähigkeit gelegentlich zu leiden (SZ 21.02.00: 3). Relativiert wurde diese Eigenschaft im Kontext der Wahl 2000. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) bemängelte, Simonis schaffe es nicht, das Knäuel von Problemen mit einem gezielten Hieb zu zerlegen und die dringend notwendige Verjüngung des Kabinetts durchzusetzen (SZ 28.02.00: 2). Simonis’ Führungsverhalten wurde dabei nicht als Gestaltungsmacht einer politischen Persönlichkeit, sondern als hierarchische Macht gegenüber Personen inszeniert. »Nein, Charisma hat sie nicht, denn das unterscheidet einen vom Rest, macht einsam. Das will Heide Simonis, die gebürtige Rheinländerin, die sich noch immer für den Karneval begeistern kann, nun wirklich nicht sein. Vielleicht auch deshalb lässt sie um sich herum eine Aura der Macht gar nicht erst aufkommen.« (SZ 21.02.00: 3)

139

140

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Die SZ kontextualisiert mangelndes Charisma und Machtaura mit Simonis’ Wunsch als gebürtige Rheinländerin, nicht einsam sein zu wollen. Das Fehlen wichtiger Eigenschaften, die politischen Persönlichkeiten im hegemonialen Diskurs zugeschrieben werden (Kap. 2.2), wird also mit der regionalen Herkunft und persönlichen Bedürfnissen erklärt. Damit gewinnt die private Frau die Oberhand über die Spitzenpolitikerin. Gleichwohl sei Simonis »der Boss«. »Und wenn der austeilt, ist das eben so. Steenblock hat das gemerkt, als er bei der Havarie der Pallas im Wattenmeer nicht nach den Regeln der Mediendemokratie funktionieren und zum Unglücksort eilen wollte: Sie hat ihn hinbeordert. Der jetzige nordrhein-westfälische Finanzminister Peer Steinbrück hat es zu spüren bekommen, als er aufmuckte: Als Kieler Wirtschaftsminister musste er 1998 gehen. Fehlendes Machtgefühl soll Heide Simonis niemand nachsagen.« (SZ 21.02.00: 3)

Simonis wird hier nicht als (Regierungs-)Chefin tituliert, sondern als »der Boss«. Damit wird ihre Führungsaufgabe vermännlicht. Obendrein wird der Begriff Boss eher in sehr kleinen Betrieben verwendet. In ihm sind persönliche Nähe und autoritärhierarchische Struktur vereint. Und genau so wird Simonis in beiden Beispielen inszeniert. Sie hat die Macht auszuteilen, beorderte ihren Umweltminister, der nicht funktionieren wollte, zu einem Unglücksort und setzte ihren Wirtschaftsminister vor die Tür, als dieser »aufmuckte«. Hier geht es nicht um politische Kontroversen, die nicht einmal benannt werden, sondern um Befehl und Gehorsam. Die Beispiele rufen das Bild hervor, Simonis ›habe die Hosen an‹ und springe nach Belieben mit ihren Ministern um. Der letzte Satz erweckt zudem den Eindruck, es sei um eine Machtdemonstration gegangen. Der Widerspruch zwischen Simonis’ angeblich fehlender Machtaura und dem vorhandenen Machtgefühl wird aufgelöst, indem sie als Chefin nicht in einen politischen Kontext gesetzt wird, sondern quasi in eine ›kleine Klitsche‹, die nach Befehl und Gehorsam funktioniert. Auch im Kontext mit Kanzler Schröder wurde Simonis’ politische Macht in zwar herablassendem, gleichwohl anerkennendem Ton vermännlicht. »Heide ist einer, der nie einfach ist, aber immer kompetent«, gehöre zu Schröders Standardsätzen (FAZ 05.02.05: 3). Doch die männliche Inszenierung von Führungsmacht blieb widersprüchlich. Zum einen wurde Simonis auch als zögerliche Regierungschefin beschrieben (SZ 28.02.00: 2). Zum anderen stand dieser Charakterisierung Simonis’ »Überzeugung« entgegen, Frauen – und damit sie selbst – führten eher teamorientiert. Die SZ erklärte diesen Widerspruch damit, dass sich die »Frauenfrage« im Wahlkampf trefflich gegen Volker Rühes »Macho-Allüren« nutzen lasse (SZ 21.02.00: 3) und unterstellte Simonis damit taktisches Kalkül im Umgang mit Frauenpolitik. Die Machttaktikerin Simonis wurde entlang von Koalitionsspielen konturiert. Anders als der Führungsanspruch wurde dieser Aspekt politischer Macht jedoch nicht vermännlicht. Gleichwohl spielte Geschlecht eine Rolle. 1996 verlor die SPD die

Wahlkampf und Wahlergebnis

absolute Mehrheit. Dazu hieß es, Simonis habe es sich mit ihrer »Kodderschnauze« schon mit allen potenziellen Koalitionspartnern verscherzt (SZ 02.03.96: 8). Auch sei sie als »Grünen-Hasserin« bekannt (SPON 27.02.00a). Wie schon in der Frage staatsmännischen Auftretens (s.S. 137) wurde hier Simonis’ Schnoddrigkeit als wenig politiktauglich markiert. Vier Jahre später hatte sie sich im Urteil der Medien zur durchsetzungsstarken Machttaktikerin entwickelt, die den Grünen schwer erträgliche Kompromisse abgerungen habe (FAZ 14.02.00: 2) und nun in der komfortablen Situation sei, sich den Koalitionspartner aussuchen zu können (SPON 27.02.00a). 2005 schließlich war schon vor der Wahl über die Möglichkeit einer rot-grünen Minderheitsregierung, toleriert durch den SSW, debattiert worden. Simonis hatte ein solches Modell lange Zeit abgelehnt und ihre Meinung erst kurz vor der Wahl geändert. In den Medien wurde diese Option kontrovers diskutiert, von Bild mit dem Begriff »Dänen-Klausel« (s.S. 103 FN 5) mit einem leicht ausländerfeindlichen Ton unterlegt (Bild HH 21.02.05: 3, FAZ 21.02.05: 1a, SPON 20.02.05a). Simonis wurde mit der Botschaft zitiert, die Frauen an der Spitze der drei Parteien9 seien sich einig, dass das funktionieren könne (Kap. 6.3.8). Insgesamt wurden Simonis’ Pragmatismus, ihre (haushalts-)politische Kompetenz und ihre politischen Projekte 1996 an prominenter Stelle anerkennend thematisiert, machten jedoch 2000 und 2005 zunehmend dem Vorwurf des machtpolitischen »Weiter-So« Platz. Hingegen veränderte sich die Beschreibung von Simonis’ politischen Eigenschaften nur wenig. Sie blieb die versierte Machttaktikerin mit männlichem Führungsgebaren und schnoddrigem Mundwerk. Ihre Machtpraktiken wurden dabei nicht als Gestaltungsmacht, sondern als Macht gegenüber Personen inszeniert.

6.3.3 Personalisierung zwischen Popularität und Personenkult Die Politikerin Simonis wurde durchgängig als beliebt, populär, bürgernah, normal und nicht eitel beschrieben. Auch Selbstbewusstsein, Natürlichkeit und kumpelhaftes Auftreten waren durchgängige Motive. Gleichzeitig wurde sie wegen ihrer Sammelleidenschaft, ihren originellen Hüten und ihren zahlreichen Fingerringen als spleenig beschrieben (Kap. 6.3.9, 6.3.10). Lediglich die FAZ relativierte die bürgernahen Attributionen 1996 durch Zuschreibungen als prätentiös und überschätzt: »Am Anfang ging sie noch auf die Leute zu. In den Tagen vor der Wahl macht sie sich größer, steht sie auf einem hölzernen Podest, jeweils eine knappe Stunde lang.« (FAZ 20.03.96: 3) Bürgernähe wurde Simonis hier abgesprochen. Vielmehr mache sie sich jetzt größer.10 Diese Formulierung lässt sich auch im übertragenen Sinne lesen. Parallel dazu konstatierten die Medien in allen drei Wahlkämpfen eine Personalisierung, die zwischen Defiziten der SPD, der Popularität der Ministerpräsidentin und 9 | Neben Simonis waren das Anne Lütkes (Grüne) und Anke Spoorendonk (SSW). 10 | Das Podest bestand laut Spiegel übrigens aus Styropor und diente dem Schutz vor Kälte in diesem Winterwahlkampf (Spiegel 12/96: 44).

141

142

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

dem Vorwurf des Personenkults verhandelt wurde. Simonis war in Umfragen immer erheblich beliebter als ihre Partei und als jeder ihrer Herausforderer (Spiegel 12/96: 44; SZ 21.02.00: 3; SPON 08.01.05). Immer wieder wurde sie im Gespräch mit Bürger_innen beobachtet. Die Reaktion des Publikums wurde meist anerkennend geschildert (u.a. Spiegel 12/96: 44). Zugleich hieß es in allen drei Wahlkämpfen, die SPD verstecke sich hinter ihrer Spitzenkandidatin, weil die Partei nach der Schubladenaffäre im Ansehen geschrumpft sei (Spiegel 12/96: 44) bzw. weil sich die SPD an der Macht verbraucht habe (FAZ 24.02.00: 3). Es fehlten die großen identitätsstiftenden Projekte. Simonis gehe es nur noch um den Machterhalt. Deswegen rackere sie für das Weiter-So: »Das ist nicht unsympathisch, es gibt Schlimmeres. Und Rackern mag sie. Sie kann den Leuten das Gefühl geben, eine der Ihren zu sein, für sie dort in Kiel die Regierung zu führen. Sie versteht es, Distanz zu den Menschen abzubauen. Nicht von Ungefähr wird sie immer wieder als ›Landesmutter‹ begrüßt, und sie lässt es geschehen.« (SZ 21.02.00: 3)

Das Tingeln über Supermarktparkplätze »mit einem Linienbus der Pinneberger Verkehrsgesellschaft« (Spiegel 12/96: 44) im Wahlkampf 1996 war im Urteil der Medien einer professionelleren Inszenierung der Ministerpräsidentin gewichen. »Fast täglich läuft seit Anfang des Jahres in einer schleswig-holsteinischen Kleinstadt nach der anderen die Heide-Simonis-Show ab.« (SPON 08.02.00). Dies klingt nach geölter Wahlkampfmaschine. Statt im Bürgergespräch wurde Simonis nun in Talk-Runden mit einem professionellen Moderator oder in Reden vor größerem Publikum mit Showeinlagen beschrieben (SZ 21.02.00: 3). In Simonis’ letztem Wahlkampf 2005 deuteten einige Medien die Popularität und die Personalisierung in Personenkult um (SPON 08.01.05), dessen Ursache in der schlechten Regierungsbilanz zu finden sei (SZ 15.02.05: 3). Mit dieser Argumentation eng verknüpft war der Vorwurf der Amerikanisierung des Wahlkampfs (SPON 21.01.05, Bild HH 07.02.05: 7). In der Wahlkampf-Show des Jahres 2000 blieb die Person Simonis noch erkennbar. Fünf Jahre später stellte die professionelle Inszenierung im Urteil der Medien die Authentizität der Ministerpräsidentin infrage, weil »alles in der SPD-Zentrale kalt geplant (wurde), auch das Warmherzige und Originelle«. Dafür habe Simonis lernen müssen, »große Parteitagssäle in voller Länge unter bombastischer Musik zu durchschreiten, auf Bühnen allein zu stehen und ihren Namen in gewaltigen Lettern meterhoch über der Holstenhalle zu sehen«. Simonis sei zum »Kunstprodukt Heide« geworden (FAZ 18.02.05: 3). Es hieß, sie könne Litfaßsäulen umarmen, auf denen ihr Name stehe, und meine dies nur scheinbar ironisch (FAZ 05.02.05: 3). Sie liebe das Rampenlicht und habe Angst vor einem leeren Terminkalender (Spiegel 04/05: 77). Damit wandelte sich Personalisierung von einer – wenn auch umstrittenen – politischen Strategie zu einer Frage persönlicher Eitelkeit. Zugleich wurden solche Inszenierungen immer wieder durch schnoddrige Bemerkungen von Simonis gebrochen (SPON 08.01.05).

Wahlkampf und Wahlergebnis

Wie kaum etwas anderes stand die öffentliche Adressierung der Ministerpräsidentin mit ihrem Vornamen für die Personalisierung des Wahlkampfs. Während dies 1996 noch SPD-Kontexten vorbehalten war, in denen sich die Genoss_innen in der Regel duzen, wurde Simonis ab 2000 im Wahlkampf als Heide adressiert. Selbst die FAZ konstatierte: »›Unsere Heide‹, heißt es aber nach wie vor im Land, ›die setzt sich durch‹.« (FAZ 24.02.00: 3) Für diesen Wahlkampf gründete die SPD eine Initiative mit Namen Heide hat’s, ein Wortspiel aus der Formulierung, Simonis habe das ›gewisse Etwas‹, und dem englischen Begriff für Hut. Das Erkennungszeichen dieser Initiative waren rote Hüte in Anspielung auf Simonis’ große Auswahl an Kopfbedeckungen. Die Medien erwähnten diesen Wahlkampf-Gag nur kurz. Lediglich die FAZ quittierte ihn mit abwertender Ironie (FAZ 11.01.00: 4). Fünf Jahre später zog die Politikerin mit der Wortmarke »HE!DE« in den Wahlkampf, eine Branding-Kampagne nach amerikanischem Vorbild. Es gab HE!DE-Schals und andere auf Simonis zugeschnittene Wahlkampfmaterialien (SPON 08.01.05). Die Medien thematisierten diese Amerikanisierung zumeist kritisch (s.S. 14). Der Spiegel zitierte Simonis mit der Aussage, dieser Wahlkampf sei »der amerikanischste, den eine SPD je geführt hat«, und stellte fest, dass diese Strategie bisher aufgehe (Spiegel 04/05: 77). Spiegel online sprach von einem »hemmungslos amerikanisierten« Wahlkampf und stellte Simonis Aussage, es gehe diesmal »(l)ockerer, persönlicher« zu, den Kommentar einer Zuschauerin gegenüber, die das »seichter« fand und urteilte: »Früher war die Heide bissiger.« (SPON 21.01.05) Daneben griffen die Medien negative oder ironische Titulierungen aus der Opposition auf, v.a. »heilige Heide« (SZ 15.02.05: 3) oder »Schulden-Heide« (SPON 09.02.05). Simonis selbst betrachtete es laut SZ als ihren größten Erfolg, »dass die Leute hier Heide zu mir sagen« (SZ 15.02.05: 3). »Das ist wenig als Lebensleistung einer Politikerin – und doch einiges wert in einem Landstrich, in dem das Vertrauen in die Politik erschüttert worden ist auf eine Art, gegen die alle heute üblichen Verdrossenheits-Debatten niedlich wirken. Vor Simonis war Schleswig-Holstein das Land von Björn Engholm und Uwe Barschel. Ministerpräsident Uwe Barschel: Nach ihm ist der größte politische Skandal in Nachkriegsdeutschland benannt.« (SZ 15.02.05: 3)

Die private Adressierung wird in den Kontext dieses Politskandals gestellt und von diesem positiv abgegrenzt (s.u.). Die Anrede Heide wird als Beleg für Vertrauen, Bürgernähe und Glaubwürdigkeit interpretiert. Zugleich erscheint sie jeder politischen Botschaft entkleidet. »In solchen Momenten ist es gerade so, als wären das Land und seine Leute einfach älter geworden mit ihrer Ministerpräsidentin, so wie man alt wird mit dem Moderator der Samstagabend-Show im Fernsehen. Die Zuschauer lachen nicht mehr schallend über jeden seiner Witze, sie erwarten nicht, dass er auf einmal einen Handstand macht – aber sie wären irritiert, wenn er plötzlich nicht mehr da wäre.« (SZ 15.02.05: 3)

143

144

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Hier ist die Politikerin endgültig in die Privatsphäre der Bürger_innen angekommen. Man hat sich aneinander gewöhnt und verbringt gemeinsam den Samstagabend. Mit Regierungsarbeit hat das nicht viel zu tun. Die Menschen erwarten nicht einmal mehr Neues oder Innovatives – bildhaft »einen Handstand« – von ihrer Ministerpräsidentin. Sie solle einfach nur da sein, wie eine gute Mutter, so lässt sich diese Aussage interpretieren. Die mediale Inszenierung von Simonis’ Popularität und der Personalisierung ihrer Politik zeitigte von 1996 bis 2005 deutliche Entwicklungen. Im ersten Wahlkampf spiegelte sich die Popularität in Bürgergesprächen. In den späteren Wahlkämpfen wurde zunehmend über Talkrunden und Großveranstaltungen berichtet. Während sich die Beliebtheit der Ministerpräsidentin 1996 noch mit politischen Vorhaben verknüpfen ließ, kulminierten fehlende politische Inhalte und eine »amerikanisierte« Wahlwerbung 2005 im Vorwurf des Personenkults. Allerdings wurden diese Inszenierungen immer wieder durch Simonis’ schnoddrige Bemerkungen relativiert. Die Kategorie Geschlecht war in der öffentlichen Adressierung mit dem weiblichen Vornamen Heide immer präsent.

6.3.4 Skandalisierung Noch 1996, neun Jahre nach der Barschel-Affäre und drei Jahre nach Engholms Rücktritt, wurde der Kieler Skandal in der Wahlkampfberichterstattung thematisiert. Entsprechend ihrer politischen Tendenz brachten die Medien Simonis mit der Kieler Affäre in Verbindung, zumeist mit dem Hinweis, sie habe zum Zeitpunkt der Affäre im Bundestag gesessen und sei von der Affäre unbelastet (Spiegel 12/96: 44). Hingegen urteilte die FAZ, die SPD habe ihre Regierungsmacht auf dem aufgebaut, was sie selbst als Barschel-Affäre bezeichne. Simonis tue so, als habe sie damit nichts zu tun, verhindere jedoch die Aufklärung der Schubladen-Affäre. Das Blatt verknüpfte argumentativ Primärtugenden, die sich Simonis hier selbst zuschreibt, mit einem Faible für das Rotlichtmilieu. »Leistung, Disziplin, Pflichtbewußtsein führt sie im Munde wie die Liebe zum Flohmarkt, zur Reeperbahn oder zu Sankt Pauli, wo's schön schmuddelig ist, ›wo Mädels auf der Straße sind und so‹. Sie braucht das eine für das andere.« (FAZ 20.03.96: 3) Mit dieser Einleitung wird Simonis’ Rolle im Kieler Polit-Skandal mit dem Straßenstrich in Hamburg kontextualisiert. Sie benötige ihre Primärtugenden, um ihre Verstrickung ins Schmuddelige in den Griff zu bekommen. Denn Karriere habe sie wegen der schmuddeligen Kieler Politskandale gemacht, so heißt es im weiteren Text. Nun liege die Last der durch die Schubladen-Affäre belasteten SPD auf ihren Schultern.

6.3.5 Inszenierung politischer Bedeutung als männlich Simonis’ Positionierung im politischen Feld wurde wie in Gruppe 1 überwiegend in Kontexten mit Männern inszeniert. Das betraf ihren politischen Werdegang wie auch ihre politische Praxis und ihre Programmatik.

Wahlkampf und Wahlergebnis

Bei der noch recht neuen Ministerpräsidentin spielten 1996 Männer aus dem privaten Umfeld eine Rolle. So erklärte die FAZ Simonis’ Weg in die Politik mit privaten Konflikten. »Ihr Mann ist schuld (eigentlich alle Männer, aber auch die meisten Frauen). Wenn sich Frau Simonis nicht so häufig mit ihrem Mann gestritten hätte, besser gesagt: der Mann mit ihr, wäre sie nicht Politikerin geworden. Es mußte ein Beruf sein, in dem ihr keiner dreinreden konnte, von dem alle nur sagen würden: das schaffst du nicht, in dem sie aber zeigen konnte, daß sie es sehr wohl kann. Also Politik. Sie folgte ihrem Mann nach Afrika, nach Japan, nach Berlin schon nicht mehr. Es war wohl unausweichlich. Sie mache gerne ›Zoff‹, hat Frau Simonis nicht nur einmal gesagt, um zu erklären, warum sie an Politik Gefallen gefunden habe.« (FAZ 20.03.96: 3)

Die Politisierung wird hier nicht in den Kontext politischer Probleme gesetzt, sondern privat aus Streit in der Ehe hergeleitet. Die Verallgemeinerung »alle Männer, aber auch die meisten Frauen« wird nicht erklärt, enthält aber die Botschaft, Simonis weise die Schuld allen anderen außer sich selbst zu. Auch in der Abwägung, wer in der Ehe mit wem gestritten habe, wird die ›Schuldfrage‹ verhandelt. Hier scheint sie wiederum bei der Frau zu liegen. Sie folgte ihrem Mann nicht nach Berlin, wie sich das für eine gute Gattin gehört – so die implizite Aussage. Was daran »unausweichlich« war, bleibt unklar. Auch die Begründung für die Berufswahl wird verallgemeinert. Es war nicht ihr Mann, der ihr nicht dreinreden sollte und dem sie etwas beweisen musste, sondern eine Allgemeinheit – »keiner« und »alle«. Die Aussage, sie mache gern Zoff, trivialisiert Simonis zu einer streitsüchtigen Ehefrau, die sich der ehelichen Geschlechterhierarchie widersetzt und sich in der Politik austobt. Auch der Spiegel rahmte Simonis’ politische Praxis mit Männern in ihrem privaten Umfeld, wenn auch nicht so negativ. Die »Tochter eines Beamten« liege mit den Landesbeamten im »Dauerclinch« und »die mit einem Professor für Umweltpolitik verheiratete Sozialdemokratin« halte nichts von einer rot-grünen Koalition (Spiegel 12/96: 47). Politische Konflikte wurden mit biografischen Hinweisen verknüpft und damit quasi privatisiert. Irgendwie waren die Berufe ihres Vaters und ihres Mannes für ihre Politik relevant. Doch der Grund wurde nicht erhellt. Hätte sie sich von den genannten Männern besser beraten lassen sollen? Trug sie biografische Konflikte aus? Oder konnte sie aufgrund ihres persönlichen Hintergrunds ihre Position umso überzeugender vertreten? Ohne weitere Erklärung stand die Relevanz dieser beiden Männer quasi absolut im Raum. In den folgenden Wahlen spielten Männer aus dem privaten Umfeld hingegen kaum noch eine Rolle. Simonis’ zierliches Äußeres wurde genutzt, um Geschlechterhierarchien zu verhandeln, z.B. in der SZ in einer Episode mit einem »Dithmarscher Dickschädel« auf dem Deich bei Windstärke 9:

145

146

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

»Es gibt Momente, da braucht selbst Heide Simonis einen starken Mann. […] Da kann man nur schräg im Wind stehen, wenn überhaupt. Und eine zarte Person könnte glatt von der Deichkrone in Friedrichskoog geweht werden. Wenn Willi Malerius nicht da wäre. Aber der ist da, und das Kamerateam vom NDR ist da, und die Fotografen sind es, weil bald gewählt wird an der Waterkant.« (SZ 21.02.00: 3)

Simonis’ vermeintliche Hilfsbedürftigkeit in dieser Situation wird mit dem Stereotyp der schwachen Frau und des starken Mannes inszeniert. Zugleich wird dies durch das Kamerateam und die Fotografen als Wahlkampf-Show markiert und im weiteren Text ironisiert. Die politische Karriere der Ministerpräsidentin wurde mit bekannten männlichen Sozialdemokraten gerahmt. Sie sei »Onkel Herberts Liebling«11 (FAZ 20.03.96: 3) gewesen, habe sich mit Willy Brandt angelegt (Spiegel 12/96: 44) und wäre unter einem Kanzler Oskar Lafontaine Bundesfinanzministerin geworden. Björn Engholm habe sie schließlich 1988 als Finanzministerin nach Kiel geholt (FAZ 20.03.96: 3). Diese Kontexte zeigten, dass Simonis im männlichen Politgeschäft ankam. Gleichwohl herrschte in Rückblicken auf das Jahr 1994 ein ironisierender Tenor, als sie den damaligen Parteivorsitzenden Rudolf Scharping harsch kritisiert und sich selbst als Kanzlerkandidatin ins Spiel gebracht hatte (Bild HH 13.03.96: 8; FAZ 20.03.96: 3). Soweit Simonis von männlichen Politikern gefördert wurde, blieb der Medientenor anerkennend oder zumindest sachlich. Sobald sie eigene Ansprüche anmeldete, erntete sie mediale Kritik. Die Bewertung der Politikerin wurde immer wieder in den Kontext von Männern gesetzt. Ihr politisches Profil wurde positiv von dem ihres Vorgängers Engholm abgehoben (s.S. 138f). Kontexte mit Günther Grass wiederum dienten der Abwertung. Dem Schriftsteller wurde schon zu Beginn eines Wahlkampfabends stehend applaudiert, bei der Ministerpräsidentin blieben alle sitzen (Spiegel 04/00: 198). Um ihr Machtgefühl zu inszenieren, wurde Simonis als »der Boss« vermännlicht und mit hierarchischautoritärem Verhalten über ihre Minister gesetzt, mit denen sie im Konflikt lag (s.S. 140). In dieser Perspektive schien politische Führung nur männlich denkbar. Die FAZ kontrastierte 2005 Simonis mit ihrem Finanzminister und möglichen Nachfolger Ralf Stegner. Der Aufstieg zur Ministerpräsidentin wurde als zufällig bezeichnet, Stegner als der ihr überlegene Nachfolger inszeniert. »Auch Frau Simonis war einmal Finanzministerin. Sie wurde zufällig Ministerpräsidentin. Das würde Stegner nicht passieren. Er wird nicht nur überall erkannt an Bürstenhaarschnitt und Fliege sowie einem Selbstbewußtsein, das sich gern Arroganz leistet. Er bringt sich ins Gespräch, wann immer über ein finanzpolitisches Thema diskutiert wird.« (FAZ 12.02.05: 4)

Im Falle einer Wahlniederlage der SPD sei er Kandidat für ein Bundesministerium. Das auch Simonis dieses Amt angestrebt, aber nie erreicht hatte (s.S. 150), wurde zwar 11 | Gemeint ist der damalige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Herbert Wehner.

Wahlkampf und Wahlergebnis

nicht erwähnt. Wer dies aber wusste, konnte hier eine implizite Abwertung der Ministerpräsidentin herauslesen. Ganz anders skizzierte die SZ das Verhältnis der beiden. »Stegner ist Finanzminister von Schleswig-Holstein, einer der politischen Vertrauten von Heide Simonis und vielleicht ihr Nachfolger, irgendwann. Wenn die ›rote Heide‹ den Kanzler mal wieder mit einem Modell zur Erhöhung der Mehrwertsteuer ner vt , dann hat Stegner es für sie durchgerechnet.« (SZ 15.02.05: 3)

Die FAZ wertete Simonis’ Position ab und zeichnete den Finanzminister als von ihr unabhängigen und ihr überlegenen Politiker. Die SZ hingegen stellte beide als Gespann dar, wobei Simonis die Führungsrolle inne hatte und Stegner für sie die Detailarbeit machte.

6.3.6 Das Geschlecht politischer Bedeutung revisited: die Gegenkandidaten Kontexte mit den drei Gegenkandidaten folgten unterschiedlichen Mustern. 1996 stand Simonis’ Image als etwas exaltierte, schnell sprechende Frau einerseits und ihr pragmatisches, solides und populäres Image als Politikerin dem farblosen Ottfried Hennig von der CDU gegenüber. Diese Eigenschaften wurden in den Medien teils gegensätzlich inszeniert. So urteilte die FAZ, sowohl Hennig als auch Simonis würden in den Medien verkannt, er als kühl und spröde, sie als mutig und klug. Doch anders als Hennig teile sie diese Einschätzung ihrer Person (FAZ 20.03.96: 3a). Über eine Diskussion von Simonis und Hennig, die von der damaligen DGB-Landesvorsitzenden Karin Roth moderiert wurde, hieß es: »So redeten also Frau Simonis, Herr Hennig, dazwischen die ›Moderatorin‹ Roth, die ihre politischen Sympathien auf eine Art nicht verbergen konnte, daß es Frau Simonis ganz peinlich werden mußte. Sie ist es gewohnt, mit Männern alleine fertig zu werden. Aber mit diesem? Am Ende hatte sie eine Wette verloren, ihre Schlagfertigkeit und ein bißchen auch an Glaubwürdigkeit.« (FAZ 21.02.96: 4)

Roths Rolle als Moderatorin wird durch die Anführungszeichen und den Vorwurf der Parteilichkeit desavouiert. Normalerweise benötige Simonis solche Unterstützung nicht, lautet die implizite Botschaft. Doch diesem Mann sei sie nicht gewachsen. Warum sie deswegen eine Wette, Schlagfertigkeit und an Glaubwürdigkeit verloren habe, wird jedoch nicht erhellt. Der gesamte Artikel endet mit dem Satz: »Zwei Frauen gegen einen Mann: Es war wohl doch nur ein Duell.« (FAZ 21.02.96: 4) Trotz der unfairen Voraussetzung von zweien gegen einen habe der Mann gewonnen. Zwei Frauen zählten also so viel wie ein Mann. Ganz anders inszenierte die SZ den Kontrast. In Hennigs Umfeld verstehe man Simonis’ Popularität nicht. Er passe besser zum Land als die »rheinische Frohnatur« und sei »anders als die schwatzhafte Regierungsdame […] ›im Kern solide‹«. Hennigs Versuch, sich als glaubwürdiger Politiker gegen die »Sprechmaschine« Simonis zu

147

148

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

positionieren, bleibe wegen dieses Unverständnisses erfolglos (SZ 16.03.96: 3). Die Wiedergabe von Äußerungen aus Hennigs Umfeld in indirekter Rede signalisierte, dass die SZ sich diese Bewertung nicht zu eigen machte. Einige Formulierungen waren leise ironisch eingefärbt. Im Jahr 2000 speiste sich der Kontrast zwischen Simonis und ihrem Gegenkandidaten Volker Rühe aus dem Kontrast zwischen der zierlichen Frau und dem polternden Hünen. Rühes soldatischer Habitus als ehemaliger Bundesverteidigungsminister wurde der privaten Frau Simonis gegenübergestellt. Diese lasse sich als »kleines Mädchen« von dem zackig auftretenden CDU-Politiker verunsichern (SZ 21.02.00: 3). Auch der Spiegel schrieb, Simonis ziehe sich im Kontakt mit dem »aggressiv wie ein Boxer« auftretenden Rühe verschüchtert in sich zurück, was dieser mit der Bemerkung quittiere, die Ministerpräsidentin habe Angst vor ihm: »Deshalb setzte sie sich ins Eck, schlug die Beine übereinander, zog den Rock über die Knie, und bald sah die Ministerpräsidentin aus wie das ewige Mäuschen, an das sich Minuten nach dem Klassentreffen keiner erinnert.« (Spiegel 05/00: 38) Doch am Ende entpuppt sich das eingeschüchterte Mädchen als triumphierende Chefin. »(W)ie Bodyguards stellen sich die Herren aus der Presseabteilung vor die zierliche Chefin, wenn der Gegner naht. Sie grinst, er steckt fest. Und Simonis spottet mittlerweile über den Mann von der Hardthöhe 12 , der so zackig ›Sol-DA-ten‹ oder ›MÄN-ner‹ brülle, dass sie ›dreimal zusammenzucken‹ müsse. Simonis, die in ihrem Büro wie in einem Wohnzimmer klassische CDs, hölzerne Enten, Schneekugeln und Familienfotos sammelt, hat den Geschlechterkampf angenommen.« (S PIEGEL 05/00: 40)

In dieser Passage wird erneut mit dem dichotomen Stereotyp männliche Stärke und weibliche Schwäche gespielt, gebrochen durch die Formulierung »Herren aus der Presseabteilung«. Als Bodyguards stellt man sich keine Herren vor, eher Männer oder echte Kerle. Doch der Stärke suggerierende Begriff »Mann« ist dem »Mann von der Hardthöhe« vorbehalten. Rühes soldatischer Tonfall wird durch Simonis’ Zitate und durch die Schreibweise ironisiert. Der Frontalangriff des körperbetonten Gegners, so lässt sich herauslesen, wird mit weiblicher Klugheit und den Simonis dienenden »Herren« erfolgreich abgewehrt. Der Einschub im letzten Satz ruft gleich zwei Geschlechterstereotype auf. Da ist der Mann, der hinaus in den Kampf zieht, und die Frau, die ihr Büro wie ein häusliches Wohnzimmer gestaltet.13 Und da sind der archaische Jäger und die Sammlerin (von teils kindi12 | Gemeint ist das Bundesverteidigungsministerium in Bonn, das wegen seiner Adresse Hardthöhe genannt wurde. 13 | Im gleichen Text wird Simonis’ und Rühes Verhältnis übrigens auch als »kaputte(n) Ehe kurz vor der Silberhochzeit« beschrieben, in der die Frau verstummt sei, weswegen sich der Mann als Sieger fühle (Spiegel 05/00: 40).

Wahlkampf und Wahlergebnis

schem Nippes). Modernisiert wird der Kontrast durch den Hinweis, Simonis habe den Geschlechterkampf angenommen. Dies wird zwar nicht erläutert, doch im weiteren Text heißt es, SPD und CDU hätten weitgehend identische Programme, weswegen nun (neben dem CDU-Parteispenden-Skandal) die Kandidat_innen in den Blick rückten. Im Wahlkampf 2005 mit dem Gegenkandidaten Peter Harry Carstensen spielte die Physiognomie keine Rolle. Hier wurde der Gegensatz zwischen einer Politikerin auf dem Höhepunkt ihrer Macht und einem provinziellen Friesen inszeniert. Mit der Formulierung, Simonis habe im Laufe der Jahre die Gegenkandidaten kommen und gehen sehen, suggerierte Spiegel online die Austauschbarkeit der CDUHerausforderer. Ein Wortspiel mit Carstensens Vornamen betonte dessen geringe Bedeutung: »Diesmal heißt der Gegner Peter Harry Carstensen. ›Oder war es Harry Peter?‹, witzelt Simonis.« Mit dem »bodenständige(n) Nordfriese(n), der seine Heimat nie für längere Zeit verlassen hat« und der »studierte(n) Volkswirtin, die in jüngeren Jahren in Sambia gelebt und in Japan für die Firma Triumph Büstenhalter verkauft hat« (SPON 21.01.05) wurde der Kontrast zwischen Provinzialität und Weltoffenheit auf den Punkt gebracht. Allerdings trivialisierte die Formulierung »für die Firma Triumph Büstenhalter verkauft« Simonis’ Weltläufigkeit. Bild zog für eine ähnliche Aussage Carstensens Parteifreund, den Ersten Bürgermeister von Hamburg Ole von Beust heran, der wie Simonis »(l)iberal, großstädtisch geprägt, weltoffen« sei. »Beide lieben klare Worte.« An diese Beschreibung schloss sich die bange Frage an, »(o)b von Beust mit dem Nordfriesen Peter Harry Carstensen ebenso gut klar kommt« (Bild HH 19.02.05: 3). Trotz dieser Gegensätze urteilte die SZ, Simonis und Carstensen tickten gleich, weswegen der Wahlkampf »angenehm unpolemisch, aber unangenehm langweilig« (SZ 19.02.05: 3) sei. Wie fünf Jahre zuvor wurden die fehlenden inhaltlichen Alternativen bemängelt. Dennoch liege Simonis in Umfragen nicht nur nach Bekanntheit und Sympathie, sondern in allen Disziplinen vorne. Mit dem Hinweis, nach der Meinung einer Mehrheit passe Simonis besser zum Land als Carstensen, »der Plattdeutsch spricht und seit dem Tag seiner Geburt an der Küste lebt« (SZ 15.02.05: 3), wurde ein Motiv aus dem Wahlkampf 1996 wieder aufgegriffen. Insgesamt zeigten sich in den Kontexten mit Simonis’ Kontrahenten zwei unterschiedliche Muster. 1996 und 2005 (Hennig und Carstensen) wurden zentrale Narrative aus der Mediendarstellung des jeweiligen Wahlkampfs genutzt. Simonis’ Dominanz über die beiden Herausforderer stand dabei überwiegend nicht infrage. Der Zweikampf mit Rühe im Jahr 2000, der vor dem CDU-Parteispendenskandal als sicherer Sieger gegolten hatte, wurde über vergeschlechtlichte Körperpraktiken inszeniert. Diese ironisierten den politischen Wettstreit ›Mann gegen Mann‹ (Kap. 6.2.4), der mit Kampfmetaphern ausgetragen wurde, und kontrastierten ihn mit dem Bild der zwar zierlichen, aber klugen und mächtigen Frau.

149

150

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

6.3.7 Bundeskanzler Gerhard Schröder als Maßstab für politische Bedeutung Im Wahlkampf 1996 spielte Gerhard Schröder, damals Ministerpräsident in Niedersachsen, noch keine Rolle. Vier Jahre später wurde die als bekannt geltende gegenseitige Abneigung von Simonis und Schröder dadurch hierarchisiert, »dass Schröder beim Regierungswechsel partout nicht die Signale aus Kiel empfangen wollte. Heide Simonis wäre nicht ungern ins Bundeskabinett gewechselt« (SZ 13.01.00: 3). Simonis habe »verzweifelt um einen Platz an Schröders Seite in Berlin« gekämpft (FAZ 24.02.00: 3). Simonis’ Interesse an einem Bundesministerium wurde mit diesen Formulierungen ironisiert, jedoch nicht so ins Lächerliche gezogen, wie bei Renate Schmidt zwei Jahre zuvor (s.S. 124). Die Inszenierung des Verhältnisses von Schröder und Simonis hatte sowohl 2000 als auch 2005 zwei Aspekte. Einerseits wurde Schröder als der Dominante dargestellt. Dazu wurde der Kanzler in traditioneller Geschlechterhierarchie und mit gönnerhaften Bemerkungen in Szene gesetzt. Andererseits wurde immer wieder beschrieben, wie sehr er in bestimmten politischen Fragen auf Simonis angewiesen sei und wie sehr sie ihm im Bundesrat das Leben schwer machen könne. Dies verstärkte sich 2005 noch, als das rot-grüne Bündnis in Berlin in die Krise geriet und die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen verloren zu gehen drohte. Die gegenseitige Abhängigkeit wurde als neu gewonnene Einigkeit mit traditioneller Etikette geschlechtshierarchisch inszeniert. Der Kanzler sei »zumindest wieder galant und lässt sie rechts von sich sitzen, und bei der Kundgebung in Flensburg hält er ihr sogar die Tür auf«14 (Spiegel 05/00: 40). Bild schrieb, Schröder lächele auf seiner Wahlkampftour fünf Tage lang, schüttele Hände und rede, um alle davon zu überzeugen, Simonis im Amt zu lassen. Er habe am Vorabend mit Simonis und ihrem Mann »ein, zwei Bierchen« getrunken (Bild HH 11.01.00: 8). Der Kanzler wurde hier als der Macher dargestellt. Simonis als diejenige, die »im Amt belassen« werden sollte, blieb passiv und auf ihn angewiesen. Der bierselige Abend im Hause Simonis markierte Schröders Herkunft aus dem Arbeitermilieu, während Simonis als Weintrinkerin galt (Bild HH 22.03.96: 6). Dies kontrastierte den Mann aus dem Volk mit der Bildungsbürgerin. Hierarchie markierte auch die Formulierung, »wo immer die Fotografen es wollen, nimmt er sie in den Arm, auch wenn das manchmal zu dem Eindruck führt, die Frau verschwinde hinter dem Mann« (FAZ 05.02.05: 3). In politischen Kontexten wurden Simonis und Schröder aber auch auf Augenhöhe und in gegenseitiger Abhängigkeit beschrieben. Sie müssten »an einem Strang ziehen. Das wissen sie, und das tun sie überzeugend« (SPON 08.02.00). Simonis drohte der Wut der Wähler auf die Patzer der Regierung Schröder zum Opfer zu fallen. »Als sich Rot-Grün in Berlin berappelt hatte, was ihr vor dem Hintergrund der CDU-Spendenaffäre erstaunlich schnell gelang, war Simonis aus dem Schneider.« (SPON 25.02.00a) Umgekehrt sei auch Schröder auf Simonis angewiesen, weil diese 14 | Nach traditioneller Etikette geht oder sitzt die Frau rechts vom Mann, damit dieser sie mit seiner starken rechten Hand, mit der der Ritter auch das (links befestigte) Schwert zieht, verteidigen kann (TKMMedia o.J.).

Wahlkampf und Wahlergebnis

»bei fälligen Verhandlungen im Bundesrat über das Steuerpaket der Bundesregierung in erster Linie die Interessen der (sic!) Landes vertreten wird. Im Wahlkampf findet er dafür auch lobende Worte. Frau Simonis setze ihre Vorstellungen ›gegen Freund und Feind‹ durch, hat er im Wahlkampf werbend gerufen. Schröder ist sich der Loyalität der Ministerpräsidentin gewiss.« (FAZ 09.02.00: 5)

Im Jahr 2005 habe die Nord-SPD auf einen Wahlkampf gegen den Bund verzichtet. Dafür habe sich der Kanzler mit seinem Engagement revanchiert. Simonis wiederum habe ihre Überlegung, mit einer höheren Mehrwertsteuer die Lohnnebenkosten zu senken, nicht wiederholt. In Bezug auf ihren Vorschlag, die Erbschaftssteuer zu erhöhen, weil starke Schultern mehr tragen sollten als schwache, habe sie Schröder bei einer Veranstaltung gefragt: »›Gerhard darf ich das sagen?‹ Die gönnerhafte Handbewegung des Bundeskanzlers sollte zeigen: Sie durfte.« (FAZ 05.02.05: 3) Spiegel online betonte, wie sehr Schröder Simonis’ Wahlsieg brauche (SPON 21.01.05). Die Wahl in Schleswig-Holstein sei »vorentscheidend für die Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai, die wiederum vorentscheidend ist für die Bundestagswahl« (SPON 08.01.05). Wie schon in Kontexten mit Volker Rühe erläutert (s.S. 148f) wurde auch Schröder mit einem traditionellen Politiker-Habitus inszeniert, jedoch immer wieder ironisch gebrochen. »Wenn etwa Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine sich benehmen wie Kinder im Sandkasten, dann benutzen Frauen wie Simonis nicht die Chiffren der Männer; sie sprechen von ›Kindern im Sandkasten‹.« (Spiegel 05/00: 40) Der Spiegel intoniert hier nicht die verbreitete Kritik an Simonis stehender Rede von den »dämlichen Männern« (s.S. 152). Vielmehr übernimmt das Magazin Simonis’ Kritik an den Machtspielen politischer Alpha-Männchen. Durch die Formulierung »Männer wie« wird das Verhalten von männlichen Politikern zum Sandkastenspiel verallgemeinert und als Tatsache hingestellt. Die Kritik daran wird als ›weiblich‹ verallgemeinert und als berechtigt markiert. »Frauen wie Simonis« befleißigten sich nicht der »Chiffren der Männer«, sondern nannten die Dinge beim Namen. Mediale Kontexte mit Kanzler Schröder pendelten also zwischen geschlechtshierarchischer Inszenierung, Thematisierungen von Egalität sowie von Kritik am Habitus politischer Alpha-Männchen.

6.3.8 Thematisierung von Geschlecht Im Kontext von Simonis’ Ausnahmestatus als erste und einzige Ministerpräsidentin in Deutschland war die Kategorie Geschlecht immer präsent. Mit diesem Narrativ wurde jedoch nicht die Unterrepräsentanz von Frauen in der Spitzenpolitik verhandelt. Vielmehr standen Simonis’ Handlungsmacht, ihre Positionierung in Kontexten mit Männern und Körperpraktiken im Fokus. Implizit ging es auch um die Kompetenz und Macht der Frau Heide Simonis als Politikerin. Eine Metapher für diese Subtexte war die Landesmutter, als die Simonis in ihrer gesamten Amtszeit adressiert wurde, wenn auch ambivalent. Von ihrem Team in der

151

152

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Staatskanzlei lasse sich die Landesmutter duzen und koche an Weihnachten für alle, doch das Verhältnis zu den Landesbeamt_innen sei eisig (Spiegel 12/96: 47). Nach dem Ende ihrer Ambitionen auf das Bundeskabinett 1998 habe Simonis wieder mit sichtbarem Gefallen die Landesmutter gegeben, »wie sie fast zwanghaft bei jeder Parteiveranstaltung genannt wird« (SZ 13.01.00: 3). 2005 wurde die Metapher in den Kontext ihrer langen Amtszeit gestellt. Simonis sei nun die Landesmutter, die sie angeblich nie habe sein wollen (SPON 21.01.05) (Munimus 2010: 110). Simonis wurde im Nahbereich und gegenüber dem Wahlvolk mit der MutterMetapher adressiert, in ihrem politischen Geschäft wurde sie hingegen mit einem männlich kodierten Führungshabitus inszeniert (Kap. 6.3.2). Damit blieb Mütterlichkeit mit dem Privaten verbunden, wies aber im Motiv des ›sich Abrackerns‹ darüber hinaus. Die Mutter rackert sich für ihre Kinder ab. Die Politikerin hingegen opfert sich für ihr öffentliches Amt auf (Beck 2016) (Kap. 2.4.6). Die widersprüchlichen Konnotationen wiesen die Landesmutter eher als journalistisches Synonym für die Ministerpräsidentin aus denn als Charakterisierung persönlicher Eigenschaften. Simonis galt den Medien nicht als mütterlich oder warmherzig, eher als kumpelhaft und volksnah. Dies wurde durch die häufige Nennung des Vornamens Heide ausgedrückt, zugleich auch der Inbegriff der Personalisierung (Kap. 6.3.3). Da der Vorname anders als der Nachname das Geschlecht markiert, illustrierte er die Vergeschlechtlichung dieses personalisierten Wahlkampfs und dessen medialer Repräsentationen. Simonis thematisierte Geschlechterfragen auch selbst und positionierte sich damit im Kontrast zwischen einem weiblich und einem männlich gedachten Politikstil. Die Medien griffen diese pointierten Aussagen häufig auf. Simonis’ Aussage, wonach Frauen in der Politik immer dann etwas werden, »wenn Männer aus der Kurve fliegen«, ist fast zum geflügelten Wort geworden. Man müsse nur in der richtigen Kurve stehen (SZ 15.02.05: 3). Mit diesem Zitat erinnerte die SZ in Simonis’ letzter Wahl an die Schubladen-Affäre (s.S. 102, FN 4), in deren Gefolge sie ins Amt kam. Die SZ führte nicht näher genannte Feministinnen an, die ihr vorgeworfen hätten, sich den Spielregeln der Männer unterworfen zu haben und eine »männliche Frau« zu sein (SZ 15.02.05: 3). Damit nutzte die SZ anonyme ›Kronzeuginnen‹, um die Ernsthaftigkeit von Simonis’ Aussagen in Zweifel zu ziehen. Zitate, in denen Simonis über Männer und Frauen in der Politik sprach, wertete die SZ jedoch als Wahlkampftaktik, z.B. im Kontext mit ihrem Gegenkandidaten Rühe 2000 (s.S. 148f). In Bild kam der Satz »Männer sind manchmal dämlich« als schnoddrige Lässlichkeit in einer Talk-Runde daher (Bild HH 07.02.05: 7). Nichtsdestotrotz waren Geschlechterfragen in der Politik damit als Thema gesetzt und wurden medial verhandelt. Mit ihrer Kritik an männlichen Sandkastenspielen fand Simonis sogar wohlwollende Resonanz. Auch die ungewöhnliche Option einer vom SSW tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung, die sich am Wahlabend 2005 abzeichnete, wurde vergeschlechtlicht.

Wahlkampf und Wahlergebnis

»›Wir drei Frauen 15 haben uns heute Abend zusammengesetzt und gesagt, wir könnten es versuchen‹, sagte die SPD-Politikerin. Sie sei davon überzeugt, dass eine solche Zusammenarbeit fünf Jahre lang halten werde. Eine Duldung gilt jedoch als heikles ›Wackelmodell‹.« (SPON 20.02.05 D )

Hier werden zwei außergewöhnliche Konstellationen miteinander verwoben: drei Frauen als parteipolitische Führerinnen und Verhandlerinnen sowie die in Deutschland bis dahin eher ungewöhnliche Option einer Minderheitsregierung.16 Implizit lässt sich herauslesen, Frauen könnten dieses »Wackelmodell« bewältigen, Männer eher nicht. Spiegel online zeigt sich zwar skeptisch, bleibt aber trotz Simonis’ vergeschlechtlichter Aussage sachlich. Ein weiteres vergeschlechtlichtes Narrativ in Medientexten über die Wahlkämpferin Simonis war der Hinweis, die Politikerin stamme aus einer Frauenwelt. »Ihr Vater war ein ›lieber Beamter‹; sie orientierte sich an den zwei Schwestern und der ›starken Mutter‹, ging aufs Mädchengymnasium« (Spiegel 05/00: 40). Auch diese Erzählung speiste sich in hohem Maß aus Simonis’ eigenen Aussagen. »Ich fand mich als junges Mädchen potthäßlich. Meine Mutter drohte mir immer, daß ich zu doof wäre, Abitur zu machen. Wenn ich vermeintlich böse Wörter gebrauchte, nahm sie den Waschlappen und seifte mir den Mund aus. Und doch: Vermutlich wäre ich ohne meine Mutter nicht Ministerpräsidentin geworden. Sicher verdanke ich ihr meine Widerstandskraft und den Durchhaltewillen.« (B ILD BU 10.02.05: 2)

Simonis hatte die Minderwertigkeitskomplexe vieler junger Mädchen und eine sehr strenge Mutter. Deren Erziehungsmethoden würde man heute als grausam bezeichnen, doch Simonis wendete sie laut Bild im Sinne einer ›harten Schule‹, aus der sie gestärkt hervorgegangen sei. Dieses Narrativ lässt sich entsprechend der Systematisierung der Geschlechtscharaktere nach Hausen (1976: 368) als männlich kodiert identifizieren. Geprägt wurde sie zwar durch die Mutter, doch diese unterzog sie einer eher männlichen Zucht. Wie schon bei der ersten Gruppe war bei Simonis die Kategorie Geschlecht immer präsent, u.a. in der Adressierung als Landesmutter. Geschlechterthemen und vergeschlechtlichte Narrative speisten sich in hohem Maße aus Simonis’ eigenen Aussagen. Schnoddrige und pointierte Zitate wurden zwar bisweilen abgewertet. Gleichwohl wurden die zugrunde liegenden politischen Fragen durchaus auch ernsthaft verhandelt. 15 | S. 141 FN 9. 16 | Abgesehen von einigen Übergangsregierungen nach dem Bruch von Koalitionen im Bund und in mehreren Ländern gab es bis 2005 nur das Magdeburger Modell als Minderheitsregierung. In Sachsen-Anhalt bildete der SPD-Politiker Reinhard Höppner (SPD) 1994 eine von der PDS tolerierte rot-grüne Minderheitskoalition. Nachdem die Grünen 1998 an der Fünfprozenthürde gescheitert waren, setzte Höppner bis 2002 das Magdeburger Modell in einer SPD-Minderheitsregierung fort (Klecha 2010).

153

154

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

6.3.9 Inszenierung von Körperpraktiken Mit der häufig trivialisierenden Inszenierung von Körperpraktiken wurde die kompetente und populäre Politikerin Simonis kontrastiert. Die Medien nahmen vor allem ihre Sprechweise, ihr Faible für Hüte und Schmuck, ihren sozialen Habitus sowie ihre Physiognomie in den Blick. Letzteres wurde bereits im Kontext der von Männern markierten politischen Bedeutung in den Kapiteln 6.3.5 bis 6.3.7 analysiert. Dabei war der vergeschlechtlichte Charakter von Körperkonstruktionen herausgearbeitet worden. Simonis sprach sehr schnell, galt als spitzzüngig und schlagfertig. Diese Sprechweise wurde als plaudern, plappern und verhaspeln trivialisiert, jedoch mit sehr unterschiedlichem Tenor. Die FAZ beschrieb Simonis’ Redestil als Hobeln: »Der Mund, sie würde sagen: das Maul, ist ihr Werkzeug. […] Es haspelt, raspelt, fallen Späne. Manchmal rutscht sie ab. Wenn sie sich dann entschuldigt, plagt sie kein Zweifel, ob sie entschuldigt ist. […] Sie traut sich alles zu und ist stolz, wenn ihr (fast) alles zugetraut wird.« (FAZ 20.03.96: 3)

Als Beispiel diente der Disput mit einem Jungen, »fast noch ein Kind«, der Simonis mit Widerspruch nervte: »›Junge, du bist wirklich lästig!‹ zischt es da vom Podest herab. Dann bittet sie den Gescholtenen um Verzeihung – aber ärgerlich sei es schon, also wirklich, wenn sie dauernd unterbrochen werde, ehrlich. Der Junge ist nun ruhig. Einer weniger, der daran zweifelt, daß Frau Simonis (fast) alles zuzutrauen ist.« (FAZ 20.03.96: 3)

Die FAZ inszeniert eine Politikerin, die ihren Redestil als politisches Werkzeug benutzt. Simonis fahre anderen über den Mund und bringe sie so zum Schweigen. Dies wiegt besonders schwer, so legt der Text nahe, im Gefälle zwischen der mächtigen Politikerin – symbolisiert durch das Podest – und dem politisch interessierten Jungen. Auch der Spiegel hielt Simonis’ Sprechweise für unpassend. Allerdings führte das Magazin sympathische Schnoddrigkeit »auf dem gelegentlich schmalen Pfad zwischen Amüsantem und Peinlichem« und den Wunsch, sich als Politikerin von anderen nicht abheben zu wollen, als Erklärung an (Spiegel 12/96: 45). Souveränes Auftreten beim Fernsehduell mit dem CDU-Spitzenkandidaten Rühe im Wahlkampf 2000 wurde als Erfolg von Simonis’ Imageberatern gewertet, während ihre Sprechweise ansonsten häufig als die einer Göre inszeniert wurde: »Simonis, so ihre Erkenntnis, schneidet bei Auftritten vor großem Publikum am besten ab, wenn sie sich nicht hinreißen lässt, nicht einfach drauflos plappert und sich dann schon mal verhaspelt. Im kleinen Gesprächskreis wirkt das sehr natürlich, da gewinnt sie Sympathien. Doch im Fernsehen sollte sie die souveräne Regierungschefin geben.« (SZ 25.02.00: 7)

Wahlkampf und Wahlergebnis

Mediale Anerkennung fand Simonis’ Sprechweise durch Wertungen als schlagfertig und spitzzüngig. Die »Stärke der Kandidatin (ist) nicht das Reden vor großen Versammlungen […], sondern der schlagfertige Dialog in kleiner Runde« (Spiegel 12/96: 44). Die Wahlkampf-Talk-Runden, die Simonis’ Profil als spitzzüngige Diskutantin entgegenkamen, wurden in den Medien immer wieder reflektiert (u.a. SZ 21.02.00: 3). Vor dieser Sprechweise habe sogar der Kanzler Respekt. »Wenn man gelegentlich mit ihr telefoniert«, sagte er neulich bei einem Besuch im Norden, »kriegt man schon das Zittern.« (SZ 15.02.05: 3) Die mediale Inszenierung von Simonis’ Sprechweise changierte also zwischen dem privat und weiblich kodierten Plappern, dem Abwägen von persönlichen Defiziten und Stärken und der sprachlichen Waffe einer mächtigen Politikerin. Simonis’ Kopfbedeckung wurde als Erkennungszeichen der Ministerpräsidentin präsentiert (Spiegel 12/96: 44, SZ 21.02.00: 3) 2005 nutzte die FAZ ein Mittagessen, zu dem Heide Simonis den Meldorfer Hutklub als dessen Ehrenmitglied eingeladen hatte, als Metapher für die Entpolitisierung des Wahlkampfs: »Als Frau Simonis nach dem Essen in Meldorf gegangen war, sagte die Vorsitzende, man dürfe noch etwas zusammenbleiben, die SPD spendiere Kaffee. Und schon war man nicht mehr beim Wahlkampf, sondern beim Begutachten neuer Hutnadeln.« (FAZ 18.02.05: 3) Möglicherweise war beim Essen mit der Ministerpräsidentin noch über den Wahlkampf gesprochen worden. Für Kaffee hat diese keine Zeit mehr, was das Treffen zum getakteten Pflichttermin macht. Mit Simonis verschwinden auch politische Themen zugunsten von Hutnadeln. Politik ist hier zwar mit Simonis verknüpft, jedoch ohne nachhaltige Wirkung bei den Hutträgerinnen. Daran schließt die FAZ die Kritik an, die SPD-Wahlkampfzentrale habe sogar das Warmherzige und Originelle kalt geplant (s.S. 142). Der Hut diente auch dazu, Distanz der SPD-Politikerin zu ihren Wähler_innen zu inszenieren. In Konflikt mit einem kleinen Jungen versteckte sich Simonis quasi unter ihrem Hut: »Eine markige Nase und der Mund mit dem Mikrofon bewegen sich von links nach rechts, hoch und runter. Der Kapott-Hut ist tief in die Stirn gezogen, hinter getönten Brillengläsern blinzeln dunkle Augen nur selten aus ihren Höhlen hervor.« (FAZ 20.03.96: 3) Die Inszenierung der Hutträgerin Simonis erfüllte in den Medien mehrere Funktionen. Hüte wurden als ihr Erkennungszeichen markiert. Deren Beschreibung diente der Trivialisierung, etwa mit der Bezeichnung »Hut-Fetischistin« (Bild BU 10.02.05: 2). Sie trugen zur politischen Dekontextualisierung und zur Konstruktion von Distanz bei. Obwohl immer wieder darauf hingewiesen wurde, die SPD-Politikerin wolle sich vom Wahlvolk nicht abheben (s.S. 139f), inszenierten mehrere Medien Simonis in verschiedenen Wahlkämpfen mit einem sozial distinguierten Habitus, der Spiegel berichtete 1996 von der begeisterten Reaktion einer Frau im Straßenwahlkampf: »›Wie ein Filmstar‹ komme sie daher, freut sich eine Frau in Grömitz, als Heide Simonis aus ihrem Wahlkampfbus steigt. Der Bus ist dezent in den Landesfarben blau-weißrot gespritzt, und auch sonst erinnert kaum etwas daran, daß die Dame statt aus Hollywood von der SPD kommt.« (S PIEGEL 12/96: 44)

155

156

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Der Filmstar ist eine zwar öffentliche, aber keine politische Person und repräsentiert einen Celebrity-Habitus. Auch die weitere Beschreibung suggeriert, Simonis’ Partei, die SPD, solle möglichst unsichtbar bleiben. Der Habitus wird hier in eine politische Strategie eingeordnet. Eine ähnliche Inszenierung, jedoch mit negativem Tenor, stand 2005 in der SZ und in Bild zu lesen. Gezeigt wurde eine grande Dame mit schwarzem Pelz und »sehr viel Schmuck für eine einzige Frau« (SZ 15.02.05: 3). »Heide Simonis lässt sich ihren Mantel reichen, einen schweren, schwarzen Pelz, in dem die Frau fast ganz verschwindet. Dann klettert sie aus dem klimatisierten Triebwagen der Schleswig-Holstein-Bahn AG und verteilt auf dem zugigen Bahnsteig von Bad Bramstedt blühende rote Rosen gegen die Kälte im Land. Den Pelz habe sie geerbt, wird sie später Tierschützern entgegenhalten müssen, und auf das frostige Klima trifft das irgendwie auch zu.« (SZ 15.02.05: 3)

Mit der Formulierung »lässt sich reichen« wird der Habitus einer Dame von Welt angedeutet. Der »schwere, schwarze Pelz« weist auf ein wertvolles Stück hin. Der gesamte Satz dekontextualisiert Simonis als Politikerin und ruft ihre zierliche Physiognomie ins Gedächtnis. Der Triebwagen und das Hinausklettern setzen einen Kontrapunkt. Denn die Dame von Welt würde eher einer großen schwarzen Limousine entsteigen, deren Schlag von jemand anders geöffnet wird. Die roten Rosen entsprechen zwar wiederum diesem Habitus, nicht jedoch, dass diese gegen die soziale Kälte verteilt werden. Simonis muss sich für den Pelz rechtfertigen, er ist ihrer sozialen und politischen Positionierung also nicht angemessen. Und für das frostige (soziale) Klima fühlt sie sich nicht verantwortlich. Aus dem weiteren Text geht hervor, dass sie die Bundesregierung mit ihren Reformen unter dem Titel Agenda 2010 für die steigende Arbeitslosigkeit und öffentlichen Schulden in Schleswig-Holstein verantwortlich macht. In dieser Passage pendelt die Inszenierung zwischen den beiden Extremen Dame von Welt und soziale Politikerin, ohne dass sich eine stimmige Charakterisierung erkennen lässt. Weit weniger subtil lief in Bild die Inszenierung sozialer Distinktion: »Den Öko-Markt in der nahen Einkaufspassage betritt sie im Pelzmantel (›Na und, den habe ich geerbt‹). Mit ihren drei Ohrringen, drei Armbändern, der Uhr und zwei dicken Ringen (alles in Gold) wirkt sie am Stand der ›Landbäckerei Sörensen‹ seltsam fremd.« (B ILD HH 07.02.05: 7)

In diesem Text fehlt die Beschreibung eines Habitus. Gleichwohl lassen der Pelzmantel und die Aufzählung der zahlreichen Schmuckstücke aus Gold Simonis als in einer normalen Bäckerei deplatziert erscheinen. Ihre Erwiderung auf die Kritik am Pelz wirkt patzig, als habe man ein junges Mädchen bei etwas Unanständigem erwischt. In beiden Texten wird die Ministerpräsidentin auf dem Höhepunkt ihrer Macht nicht als durchsetzungsstarke Politikerin, sondern im sozialen Habitus der Dame von Welt (SZ) bzw. als trotziges Mädchen (Bild) inszeniert. Ihre Macht ist im einen Text mit

Wahlkampf und Wahlergebnis

einem sozialen Status kontextualisiert, den sie eigentlich gar nicht repräsentiert, im anderen wird dieser Status, und damit die Politikerin Simonis, als prätentiös dargestellt. Insgesamt wurde Simonis durch die Inszenierung von Körperpraktiken als Politikerin dekontextualisiert.

6.3.10 Private Kontexte und Rahmungen Simonis politischer Werdegang und ihr politisches Profil wurde aus biografischen Kontexten hergeleitet (Kap 6.3.1, 6.3.8). Streit mit ihrem Mann und der Ehrgeiz, es der Mutter zu zeigen, hätten sie in die Politik gebracht. Durch die harte Hand der Mutter habe sie Widerstandskraft und Durchhaltewillen erworben. Nach der Rückkehr aus Sambia, wo sie einige Jahre mit ihrem Mann gelebt, als Deutsch-Lektorin gearbeitet und »Not und Elend« (Bild HH 07.02.05: 7) gesehen habe, haben sie in eine Partei eintreten wollen, die sich um Entwicklungshilfe kümmere (FAZ 18.02.05: 3). Auch ihre Bewertung von Barschels falschem Ehrenwort (s.S. 102 FN 3), das der langfristige Auslöser für ihre Wahl zur Ministerpräsidentin gewesen war, wurde privat kontextualisiert. »Barschel habe ›einen ähnlichen sozialen Hintergrund wie mein Vater, und der hatte mir vermittelt, dass man dem Ehrenwort eine (sic!) Ehrenmannes absolut vertrauen kann‹. Simonis senior 17 stammte aus einer national-konservativen Kaufmanns-Familie, die Erziehung war preußisch. Ein Wort war ein Wort.« (SZ 15.02.05: 3)

In dem als ›amerikanisiert‹ bezeichneten Wahlkampf 2005 galt die Verquickung von Privatem und Politischem als Strategie. Die Medien vollzogen diese Entwicklung nach, wenn auch kritisch (s.S. 143). »Als Politikerin zum Anfassen wird Simonis präsentiert. Sie redet über ihre verstorbene Mutter, die ihr prophezeit hatte, sie würde mal in der Gosse landen oder bestenfalls Friseuse werden. Sie erzählt von ihrer kirchlichen Arbeit in Sambia, gibt ihren Hochzeitstag preis und bekennt, dass sie am Wahltag immer Hausputz macht – es ist alles wie bei Kerner 18 .« (SPON 21.01.05)

In diesem und anderen Texten geht es um die Person und private Frau Heide Simonis. Politische Fragen wurden hingegen, anders als z.B. bei Ute Vogt (s.S. 133), kaum privat kontextualisiert und insgesamt in erheblich geringerem Umfang thematisiert als in den beiden vorangegangenen Wahlkämpfen. In der Konsequenz hatten private Kontexte in diesem Wahlkampf ein größeres Gewicht als 2000 oder 1996. 17 | Der Name Simonis senior ist übrigens falsch. Nach der Heirat nahm die Politikerin den Nachnamen ihres Mannes an. Ihr Vater hieß Horst Steinhardt (Munimus 2010: 43). 18 | Gemeint ist die Talkshow Johannes B. Kerner, die das ZDF von 1998 bis 2009 ausstrahlte.

157

158

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Zugleich wurden politische Kontexte durch private Rahmungen inhaltsleer dargestellt und trivialisiert, etwa durch Episoden aus dem Karneval, in denen sie reimend als Putzfrau in Kittelschürze skizziert wurde (Bild HH 11.02.05: 8). Die SZ machte den Karneval zum Inbegriff für Simonis’ Selbstverständnis als Politikerin: »Da hatte sie mal wieder alles auf einmal, ein Kostüm, etwas auf dem Kopf, eine Rede ohne Punkt und Komma und den Beifall ihres Publikums, das ihr zu Füßen lag. Die Sorgen des Landes, das Schuldenloch, Peter Harry Carstensen, die CDU – alles nur Kabarett an diesem Abend. Und draußen warteten ihr Fahrer im Auto mit laufendem Motor und irgendwo ein nächster Termin.« (SZ 15.02.05: 3)

Die politischen Probleme des Landes verkommen hier zum Kabarett. Simonis’ politische Zielsetzung wird auf Eitelkeit und öffentliche Aufmerksamkeit reduziert. Im Kontrast zu Simonis’ Bekenntnis, sie wolle sich nicht von ›normalen Menschen‹ abheben (Spiegel 12/96: 45, SZ 21.02.00: 3) standen private Episoden, in denen die Politikerin als ›nicht von hier und nicht von uns‹ inszeniert wurde. Dazu wurde Simonis als spleenige Frau gezeichnet. Neben Hüten und Ringen galt u.a. ihre Sammelleidenschaft als Beleg. So erwähnte Bild in einem privaten Steckbrief: »Hobbys: Sammeln! Nippes, Bilder, hat 80 Sofakissen, über 30 Hüte, 380 Handtücher …« (Bild BU 26.02.00: 2) Die große Anzahl dieser Dinge legt die Frage nahe, wie chaotisch es in der Wohnung einer solchen Sammlerin wohl aussehen mag. Die Information, Simonis habe bereits ihre Beerdigung organisiert, wirkte ebenfalls befremdlich und wurde mit einem Zitat von Simonis begründet: »Stellen Sie sich vor, Sie liegen hilflos im Grab und oben machen sie irgendwas, was Ihnen nicht gefällt: Die falschen Lieder, die falschen Reden, die falschen Blumen, womöglich rote Nelken!« (Bild BU 10.02.05: 2) Auch ihre Geburt im Rheinland, wo sie jedoch nur ihre Kindheit verbracht hatte (Munimus 2010: 43-50), und ihr Vergnügen am Karneval ließ sie in der Optik einiger Medien als fremd im nördlichsten Bundesland erscheinen. So fand sich sowohl bei Ottfried Hennig, ihrem Gegenkandidaten 1996, als auch bei Peter Harry Carstensen 2005 der Hinweis, diese passten mit ihrem Naturell und ihrer Biografie weit besser nach Schleswig-Holstein, als die »rheinische Frohnatur« und weitgereiste Heide Simonis (SZ 16.03.96: 3, SZ 15.02.05: 3). Die FAZ schrieb von der »entfremdeten Verblüffung örtlicher Fernsehleute« als »die gebürtige Bonnerin« Simonis an Weiberfastnacht »heimischem Brauch zufolge […] einem Bonn-Berliner die Krawatte« abschnitt (FAZ 05.02.05: 3). Obwohl Simonis seit Mitte der 60er Jahre in Schleswig-Holstein lebte, wurde sie durch die Formulierung »heimischem Brauch zufolge« auf ihren Geburtsort festgelegt und damit ein Ritual erklärt, das der Mentalität im Norden fremd sei. Hinweise vor allem in Bild auf Simonis’ Zugehörigkeit zum Bildungsbürgertum konstruierten Distanz zu den Leser_innen. Die Weintrinkerin (im Kontrast zum Biertrinker Schröder, s.S. 150) lebte mit ihrem Mann, einem »Professor für Umweltpolitik« in einer »große(n) Altbauwohnung am feinen Kieler Schrevenpark« (Bild HH

Wahlkampf und Wahlergebnis

07.02.05: 7). In den Urlaub fuhr sie lieber in die Toskana als auf die nordfriesischen Inseln (SPON 21.01.05).19 Auf private Geschlechterverhältnisse wurde in den Medien nur sparsam rekurriert. Neben der Herleitung von Simonis’ politischer Laufbahn aus Konflikten mit ihrem Mann (FAZ 20.03.96: 3) gab es einige Hinweise darauf, dass beide den jeweils anderen eigenen Wege gehen ließen (Bild BU 10.02.05: 2). Dass Simonis keine Kinder hat, wurde durch den Begriff »kinderlos« in persönlichen Steckbriefen betont (Bild HH 22.03.96: 6, Bild BU 10.02.05: 2). Man hätte diese Information auch weglassen können. So wurde sie relevant gesetzt. Private Kontexte hatten in der Mediendarstellung der Wahlkämpferin Simonis unterschiedliche Funktionen. Ihr politischer Werdegang und ihr politisches Profil wurden privat gerahmt. Daneben gab es unterschiedliche Muster zur Inszenierung von Distanz zwischen der Politikerin und ihren Wähler_innen. Dazu gehörten die Betonung persönlicher Marotten, der Herkunft aus dem Rheinland mit ihrem Vergnügen am Karneval und die Zugehörigkeit zum Bildungsbürgertum. Familiäre Geschlechterverhältnisse wurden zwar erwähnt, aber nicht weiter verhandelt.

6.3.11 Zusammenfassung: Eine Narration für die mächtige Frau fehlt Als die erste und einzige Ministerpräsidentin in Deutschland, die einen Ausnahmestatus in der Riege der deutschen Regierungschefs markierte, repräsentierte Heide Simonis zweifelsohne das andere Geschlecht in der Politik. Diese Andersartigkeit spielte von Wahl zu Wahl eine geringere Rolle. Allerdings wurde 2005 festgestellt, dass Simonis noch immer die einzige Ministerpräsidentin sei. Zwar wurden der Werdegang und das politische Profil aus biografischen Kontexten hergeleitet. Doch die Politikerin Simonis wurde an den gleichen Kriterien gemessen wie männliche Politiker. Und sie wurde mit diesen verglichen. Das Urteil fiel dabei gemessen an der Regierungsbilanz von Wahl zu Wahl ambivalenter aus. Die SPD-Politikerin wurde durchgehend als beliebt und bürgernah beschrieben. Zugleich gab es Inszenierungen als Dame von Welt, als ›nicht von hier und nicht von uns‹ und als spleenige Frau. Zusammengenommen ließ das den Schluss zu, dass Politikerinnen andere Frauen sein müssen. Auch in medialen Thematisierungsweisen von Simonis blieb es also bei der doppelten Andersartigkeit als anderes Geschlecht in der Politik und andere Frau. Und politische Macht blieb männlich kodiert. Simonis’ Inszenierung als mächtige Ministerpräsidentin folgte daher unterschiedlichen Mustern. Zum einen wurde sie verbal und anhand von Metaphern ›vermännlicht‹. Zum anderen wurde ihre Macht in der Pose 19 | Der Hinweis auf den Urlaub in der Toskana ordnet Simonis in die Toskana-Fraktion. Mit diesem Begriff wurden v.a. arrivierte, vormals linke Politiker_innen adressiert, die ihren Urlaub vorzugsweise (im eigenen Haus) in der Toskana verbrachten und dort einen hedonistischen Lebensstil pflegten (Kruse 2015).

159

160

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

als Dame von Welt inszeniert, die jedoch widersprüchlich blieb, weil sie nicht zum eher schnoddrigen Auftreten passte. Es gab aber auch Inszenierungen, mit denen die männliche Kodierung politischer Macht infrage gestellt wurde. So wurde der Zweikampf mit ihrem Gegenkandidaten Volker Rühe im Wahlkampf 2000 anhand vergeschlechtlichter Körperpraktiken dargestellt. Dabei wurden Geschlechterstereotype und damit ein doxisches Geschlechterwissen (s.S. 63) (Dölling 2005) zwar aufgerufen, jedoch ironisch gebrochen. Anders als beim politischen Wettstreit ›Mann gegen Mann‹ (s.S. 123) wurden Kampfmetaphern lächerlich gemacht und mit dem Bild der zwar zierlichen und schwachen, aber taktisch klugen Frau mit mächtigen Beschützern kontrastiert. Geschlechterhierarchien wurden in politischen Kontexten verhandelt, und kaum in privaten. Im Vergleich mit ihren Gegenkandidaten Ottfried Hennig und Peter Harry Carstensen wurde Simonis als überlegen dargestellt. Im Kontext der verschiedenen Politiker, die ihre Karriere begleiteten, galt sie als eigenwilliges politisches Talent. Nur im Verhältnis zu zwei Politikern wurden traditionelle Geschlechterhierarchien sichtbar. Neben Rühe war das Bundeskanzler Gerhard Schröder. Bei Schröder relativierte die gegenseitige Abhängigkeit, in der Simonis als mit dem Kanzler gleichrangig inszeniert wurde, hierarchische Beschreibungen. Die Darstellung als handlungsmächtige Politikerin wandelte sich jedoch, wenn es um persönliche Karriereambitionen ging. Sowohl der Rückblick auf ihre Kritik am Parteichef Scharping 1994, mit der sie sich als Kanzlerkandidatin ins Spiel gebracht hatte, als auch ihr Bemühen, 1998 ins Bundeskabinett zu wechseln, wurde kritisch kommentiert. Karrierestreben passte wie bei den Kandidatinnen der ersten Gruppe auch bei Simonis nicht ins mediale Bild einer Politikerin. Dieser Befund lässt sich verallgemeinern. Kritik an Simonis kam häufig vergeschlechtlicht daher. Dies zeigte sich vor allem in der FAZ, die einen fast durchgängig abwertenden Tenor pflegte. So wurde Simonis zugleich mit dem Hamburger Rotlichtmilieu und mit der Barschel-Affäre in Verbindung gebracht und damit ihr Aufstieg zur Ministerpräsidentin begründet (s.S. 144). Im Kontext des Gegenkandidaten Ottfried Hennig wurde sie als streitsüchtige Ehefrau, als prätentiös, selbstüberschätzend und selbstverliebt inszeniert. Die Inszenierungen fielen fast in zwei Teile auseinander. Neben der durchsetzungsstarken und machtbewussten Politikerin, deren Handeln nach politischen Kriterien beurteilt werden konnte, gab es die exaltierte Frau. Sie redete schnell und viel, hatte einen Hut-Tick, ein Faible für viele Ringe und eine ausgeprägte Sammelleidenschaft. Die Brücke zwischen beiden Erzählungen bildete die Personalisierung des Wahlkampfs. Da wurde der Hut zum Markenzeichen und Merchandising-Artikel. Und da wurde Simonis’ Redestil in der Verknüpfung von Politischem und Privatem verhandelt. Als Narrative dienten die plappernde Göre oder plaudernde Frau (Privates) und die schlagfertige Diskutantin (Politik). Je nach Kontext trat mal das eine, mal das andere in den Vordergrund. Doch fügte sich dies nicht zur ganzheitlichen Charakterisierung einer politischen Persönlichkeit und ihrem privaten Hintergrund. Vielmehr verharrte die

Wahlkampf und Wahlergebnis

medial inszenierte Personalisierung im Episodischen und Anekdotenhaften. Fast könnte man meinen, Simonis sei es gelungen, durch ihre Geschichtchen ihre Privatsphäre weit besser vor medialer Dauerbeobachtung zu schützen, als wenn sie diese komplett abgeschirmt hätte. Sowohl Simonis’ Redeweise als auch ihre privaten Marotten bedienten zwar weibliche Klischees, welche die Medien aufgriffen, doch die handlungsmächtige Politikerin konnten diese Trivialisierungen offensichtlich nicht beschädigen. Und so kreiste Simonis quasi permanent in einer medialen Drehtür zwischen der öffentlichen Politikerin und Klischees der privaten Frau. Dies lässt zumindest auf eine Verunsicherung der analysierten Medien hinsichtlich des Verhältnisses von politischer Öffentlichkeit und Privatheit schließen. In Medientexten über die Wahlkämpferin Simonis zeigten sich mehrere Aspekte der Thematisierung und Dethematisierung von Geschlecht. Ihr Ausnahmestatus unter den männlichen Regierungschefs in Deutschland wurde zwar betont, jedoch nicht im Kontext der Unterrepräsentanz von Frauen in politischen Spitzenpositionen verhandelt. Gesellschaftliche Ungleichheit auf der Achse Geschlecht wurde also dethematisiert. Auch private Geschlechterverhältnisse wurden nur spärlich thematisiert. Insbesondere schien Simonis anders als die Kandidatinnen der ersten Analysegruppe weniger dem Double Bind zwischen Anforderungen in der Politik und Anforderungen an Weiblichkeit zu unterliegen (Jamieson 1995) (s.S. 27f). Stattdessen lässt sich vermuten, dass sie es schaffte durch episodische private Erzählungen ihre Privatsphäre zu schützen (van Zoonen 2006) (s.S. 43). Thematisiert und ironisiert wurde hingegen in Kontexten mit Volker Rühe und Kanzler Schröder ein männlicher politischer Habitus, von dem Scholz nach der Bundestagswahl 2005 meinte, er neige sich dem Ende zu (Scholz 2007c: 110). Die widersprüchlichen und bisweilen unverbunden nebeneinander stehenden Darstellungen lassen konsistente Erzählungen über Simonis als Ministerpräsidentin vermissen. Es scheint, als hätten die Medien erfolglos versucht, die Kategorien weibliches Geschlecht und Macht in einer stimmigen Narration zu integrieren. Deswegen pendelten sie permanent zwischen der handlungsmächtigen Politikerin und der exaltierten Frau.

6.4 K ANDIDATUREN

MIT MÖGLICHEM

R EGIERUNGSAUFTRAG

Bei den Kandidaturen von Andrea Ypsilanti 2008 in Hessen und Hannelore Kraft 2010 und 2012 in Nordrhein-Westfalen (NRW) vollzog sich ein markanter Wandel der medialen Inszenierung im Vergleich zu den früheren Kandidaturen. Die Politikerin und die Frau waren keine kaum zu vereinbarenden Gegensätze mehr. Die Kategorie Geschlecht wurde weniger häufig explizit relevant gesetzt, sondern wanderte zunehmend auf die Ebene impliziter Bedeutungen. Durch die Medientexte zog sich eine Kombination aus geschlechtlich kodierten Zuschreibungen und politisch gerahmten Aussagen über Geschlecht. Topos der Andersartigkeit war der Bildungsaufstieg (Kap. 6.4.1). Die Handlungsmacht der beiden Politikerinnen wurde durch diskursive Verknüpfungen von Profil, Politikstil und politischen Inhalten mit Aussagen über Weiblichkeit verhandelt (Kap. 6.4.2).

161

162

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Dies zeigte sich auch in der Metapher der Landesmutter (Kap. 6.4.3). In Skandalisierungen wurde Geschlecht ebenfalls auf spezifische Weise inszeniert (Kap. 6.4.4). Wandel ließ sich bei der medialen Vermittlung politischer Bedeutung durch Männer erkennen (6.4.5 und 6.4.6). Die Konstruktion von Geschlecht (Kap. 6.4.7), von Körperpraktiken (Kap. 6.4.8) sowie von privaten Kontexten (Kap. 6.4.9) diente ebenfalls überwiegend einer modernisierten Inszenierung. Nicht in allen Kapiteln werden die Ergebnisse der Medienanalysen über Ypsilanti und Kraft im inhaltlichen Zusammenhang dargestellt. Bei einigen Aspekten dient es der Übersichtlichkeit, beide Politikerinnen nacheinander abzuhandeln und in einer Zusammenfassung zu vergleichen.

6.4.1 Das (andere) Geschlecht: Bildungsaufsteigerinnen Bei einem Erfolg wäre Andrea Ypsilanti erst die zweite Ministerpräsidentin in Deutschland nach Heide Simonis geworden. Hannelore Kraft wurde 2010 die dritte.20 Doch weder wurde dieser Ausnahmestatus in den Medien thematisiert noch wurde die Andersartigkeit anhand eines Kontrasts zwischen der Politikerin und der Frau verhandelt. Vielmehr wurden sie aufgrund ihrer Herkunft und Karriere als besondere Frauen und Politikerinnen inszeniert. Sowohl Ypsilanti als auch Kraft stammen aus einfachen Verhältnissen. In den Medien wurde ihre Karriere als Paradebeispiel für Bildungsaufstieg entsprechend der sozialdemokratischen Programmatik inszeniert. Ypsilanti ist Tochter eines Opel-Arbeiters in Rüsselheim, ertrotzte sich das Abitur und studierte erst nach einem Berufseinstieg als Stewardess und Sekretärin (FAZ 08.01.08: 16, Bild BU 28.01.08: 2). »Ihr Weg zur Universität sei ein permanenter Kampf gewesen, erzählt sie. Von der Hauptschule auf die Realschule, dann aufs Gymnasium. Das Abitur habe sie gegen den Widerstand der Eltern gemacht. Auf ihrer Homepage betont sie, dass sie nur durch Bafög an die Uni konnte.« (SPON 27.01.08 A )

Zwar wird in dieser Passage die SPD nicht erwähnt, jedoch signalisiert der Hinweis auf das Bafög den Einfluss sozialdemokratischer Politik auf Ypsilantis Werdegang. Der Aufstieg ist als Kampf inszeniert. Die Formulierung »erzählt sie« macht daraus eine Selbstinszenierung. Auch Kraft habe gelernt, »den eigenen Lebensweg als Teil der großen sozialdemokratischen Erzählung zu deuten, als eine Geschichte aus ›NRW‹, die in einer ganz normalen Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet begann«. Sie spreche über ihren Bildungsaufstieg »bis hinauf in Welten, wo noch immer Männer dominieren« und betone, dass 20 | 2009 gelangte Christine Lieberknecht in Thüringen als zweite Politikerin in dieses Amt, nachdem der CDU-Spitzenkandidat Dieter Althaus in einer großen Koalition nicht durchsetzbar war.

Wahlkampf und Wahlergebnis

sie ohne die SPD weder Abitur gemacht noch studiert hätte (FAZ 06.05.10: 3). Die Eltern hätten sich fast tot gerackert, damit die Kinder es einmal besser hätten. »So was prägt wirklich.« (SZ 30.04.10: 8) Diese Erzählung wurde bei der Neuwahl 2012 mit biografischen Details weiter gesponnen. Krafts Geschichte sei die der Emanzipation aus der unteren Mittelschicht (Spiegel 18/12: 29). Die Tochter eines Verkehrsmeisters und einer Verkäuferin sei in einem grauen Standard-Mietshaus im Mühlheimer Arbeiterviertel Dümpten aufgewachsen, vier Personen in drei Zimmern, die Oma unterm Dach, die Tante gegenüber, alle beschäftigt bei der Stadtbahn (SPON 04.05.12, FAZ 11.05.12: 3). »Alles nah, alles eng, alles klein.« Besser könne ein Lebenslauf gar nicht beginnen, der für die SPD ins Amt der Ministerpräsidentin führe (Spiegel 18/12: 29). Noch heute lebe sie mit Mann, Sohn und Hund in Mühlheim in einer Doppelhaushälfte mit drei Metern Vorgarten, »wie sie in ihrer Straße noch 23-mal steht«, die Mutter in der anderen Hälfte, Hochhäuser und eine vierspurige Straße in der Nähe. »Es hat sich also für Kraft in 50 Jahren nicht so viel verändert. Zu Hause ist bei ihr noch immer alles nah und eng und klein.« (Spiegel 18/12: 29) Anhand der Inszenierung von Ruhrgebiets-Normalität wurde Krafts Andersartigkeit als Politikerin aus ihrer sozialen Herkunft konstruiert und nicht explizit aus dem Geschlecht wie bei früheren Kandidatinnen. Die Medien erzählten die Geschichte, wie ›kleine Leute‹ durch Bildung groß herauskamen. Ypsilanti und Kraft wurden als personifizierter Erfolg sozialdemokratischer Bildungspolitik inszeniert. Zugleich wurde die soziale Kategorie ›Aufstieg‹ mit dem Geschlecht diskursiv verknüpft. Die Inszenierung als andere Frau war dabei subtiler als bei den Vorgängerinnen. Ypsilanti wurde mit einem Profil als »links, weich, weiblich« (SPON 17.01.08) und als bodenständig, nicht jedoch spießig mit Roland Koch, dem Ministersohn und Polit-Profi mit klassisch männlicher Karriere, kontrastiert (SPON 27.01.08a, FAZ 22.01.08: 3). Diese diskursive Verknüpfung machte sie zum anderen Geschlecht in der Politik. Bei Kraft wurde das Stereotyp der ängstlichen Frau inszeniert. Der Spiegel verhandelte ihren Werdegang als Pendeln zwischen »ich will« und »ich trau´ mich nicht« (Spiegel 18/12: 29). »Hannelore Kraft […] war die Erste aus der Familie, die Abitur machte. Chance. Aber hinterher traute sie sich nicht, Jura zu studieren, weil bei Jura so viele abbrachen. Angst. Also lieber etwas Sicheres, eine Banklehre. Bis sie merkte, dass sie damit nicht weit kommt. Also jetzt doch studieren, Wirtschaft. Angst und Chance. Aber wenn studieren, dann bitte in der Nähe, mit Familienanschluss, in Duisburg. Aber besser auch mit einem Auslandsjahr, in London. Aber am Ende dann doch wieder eine Stelle zu Hause bei der Zenit, jener Wirtschaftsförderungsfirma, die zu einem Drittel dem Land gehört.« (S PIEGEL 18/12: 29)

Hier siegen am Ende also die Sicherheit des Jobs in einem landeseigenen Unternehmen und die Bodenständigkeit über die Risikofreude. Zu diesem Pendeln passt auch der Hinweis, Kraft kokettiere damit, ihren politischen Aufstieg nicht geplant zu haben. Meist seien die Dinge von allein auf sie zugelaufen (Spiegel 18/12: 29f). Sie habe immer

163

164

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

wieder in die Verantwortung geschubst werden müssen, zuerst zur Minderheitsregierung und dann zur Neuwahl. »Beides aber umso entschlossener, als es nicht mehr anders ging.« (SZ 11.05.12: 6) Diese fehlende Karriereplanung findet sich auch im Forschungsdiskurs über Frauen im politischen Feld als gemeinsames Merkmal und kann somit als weiblich kodiert gelten (Weber 1998a: 65, s.S. 26). Das Geschlecht, bei ihren Vorgängerinnen als Kern der doppelten Andersartigkeit identifiziert, wurde bei Ypsilanti und Kraft häufig nur implizit relevant gesetzt. Hervorgehoben wurde der Bildungsaufstieg als soziale Kategorie. Dass dieser Weg für Töchter aus dem Arbeitermilieu noch steiniger war als für Söhne, wurde nicht thematisiert. Gleichwohl blieben die Erzählungen an Aussagen über Geschlecht gebunden. Dazu dienten Zuschreibungen, die entweder explizit vergeschlechtlicht waren (links, weich, weiblich) oder die eine Geschlechterstereotype (die ängstliche Frau) ansprachen. Damit wurde ein doxisches Geschlechterwissen aufgerufen. Beide Politikerinnen blieben als das andere Geschlecht in der Politik gekennzeichnet. Jedoch wurde die Kategorie Geschlecht politisch kontextualisiert. Der Bildungsaufstieg wurde zu einer Facette politischer Glaubwürdigkeit.

6.4.2 Handlungsmacht Die Medien trauten beiden Politikerinnen das Amt als Ministerpräsidentin zu Beginn der heißen Phase des Wahlkampfs nicht zu. Dies galt für Kraft jedoch nur 2010. Beiden schrieben sie in den Wochen bis zur Wahl eine unerwartete Dynamik zu. Aus der »leicht linkischen, sich verhaspelnden Landespolitikerin« Ypsilanti (SPON 27.01.08a) sei eine Herausforderin geworden, die Ministerpräsident Koch in Umfragen davoneile (SZ 21.01.08: 3). Kraft habe sich von der Notlösung zur »echten Gefahr« für den Amtsinhaber Jürgen Rüttgers entwickelt (SPON 04.05.10). Über beide urteilten die Medien zunächst, sie könnten nicht reden (FAZ 22.01.08: 3, SZ 30.04.10: 8), Menschen nicht mitreißen (SPON 17.01.08, SPON 04.05.10) und sie machten inhaltliche Fehler (FAZ 22.01.08: 3, FAZ 06.05.10: 3). Nach in medialer Optik erstaunlichen Entwicklungsprozessen (FAZ 22.01.08: 3, SZ 30.04.10: 8) stand am Ende das Fazit, die Kandidatinnen seien unterschätzt worden (SPON 27.01.08a, Bild BU 10.05.10: 3). Bei beiden wurde die positive Entwicklung an der Rhetorik festgemacht. Ypsilanti habe früher »komplizierte Sätze im Sozialarbeiterdeutsch auf(getürmt), die im Nirgendwo endeten« (FAZ 22.01.08: 3). Doch die SPD-Spitzenkandidatin habe sich trainieren lassen und an der Rhetorik gefeilt. Anders als andere Politiker sei sie nicht beratungsresistent. »Keine Wahlkampfrede dauert bei ihr inzwischen länger als 20 Minuten. Ihre Kernbotschaften – Chancengleichheit in der Schule oder mehr soziale Gerechtigkeit in Form von Mindestlohn – formuliert sie ohne linksintellektuellen Überbau, dafür aber in klaren, verständlichen Sätzen, die sie ohne Manuskript vorträgt.« (FAZ 22.01.08: 3)

Wahlkampf und Wahlergebnis

Ypsilanti könne also mittlerweile solide Wahlkampfreden halten. Auch Kraft werde von »manche(m) Würdenträger der Partei« inzwischen anders gesehen: »Die kann ja reden, wird die gecoacht?« habe einer der »Wichtigen« gefragt. »Obwohl die Spitzen der SPD vor zu hohen Erwartungen warnen, ist bei der Wahl übernächsten Sonntag manches drin.« (SZ 30.04.10: 8) Den Wahlsieg verhandelten die Medien als Schwäche bzw. taktische Fehler des Gegners. Der Spiegel mutmaßte bei Ypsilanti, an der Spitzenkandidatin könne der Erfolg »nur bedingt« liegen (Spiegel 04/08: 24). Neben diesen übereinstimmenden Befunden wurde die politische Handlungsmacht der beiden Kandidatinnen sehr unterschiedlich repräsentiert. 6.4.2.1 Andrea Ypsilanti 2008: die Unterschätzte Im Sample der Wahlkämpfe in dieser Arbeit hatten politische Medieninhalte in Hessen 2008 das größte Gewicht. Ypsilanti wurde als »Stimme des kleinen Mannes« (FAZ 08.01.08: 16) mit ausgeprägt sozialem Profil (Spiegel 04/08: 24) gekennzeichnet. Dennoch bezogen sich die Medien zumeist kritisch auf ihre Schwerpunkte gesetzlicher Mindestlohn, Energiewende und längeres gemeinsames Lernen (FAZ 22.01.08: 3, Spiegel 04/08: 26, SZ 25.01.08: 3). Allerdings wurden weniger inhaltliche Kontroversen verhandelt, sondern eher Ypsilantis Profil als Partei-Linke, ihr Politikstil und ihre politische Kultur. Am Beispiel des SZ-Artikels »Vorwärts auf der Achse des Guten« (SZ 25.01.08: 3) wird im Folgenden gezeigt, wie dies mit implizit vergeschlechtlichten Aussagen verknüpft wurde. Die linke Programmatik und die Kritik an Kochs Jugendgewalt-Kampagne verhandelt die SZ hier als moralischen Politikstil, der sich in Ypsilantis Eintreten für eine neue politische Kultur zeige. Ihre zögerliche Reaktion auf Kochs Kampagne habe sie so erklärt: »›Zu meiner politischen Kultur gehört, dass ich auch mal zwei Tage nachdenke, bevor ich rausgehe und was sage.‹ Es geht weniger darum, ob dies eine ehrliche Antwort ist, oder ob es nicht eher um die Sorge ging, der CDU auf dem Feld der inneren Sicherheit nicht gewachsen zu sein. Entscheidend ist, dass sie auf eine Frage nach der politischen Taktik mit dem Begriff der politischen Kultur antwortet.« (SZ 25.01.08: 3)

Ypsilanti bewege sich vorrangig auf dieser Ebene. Es gehe bei ihr fast immer um moralisch bewertbare Kategorien, gut und schlecht, gerecht und ungerecht, zum Beispiel bei einer rot-grünen Wahlkampfkundgebung in Frankfurt »gegen Koch und alles Schlechte, […] während an der Hauptwache die Achse des Guten steht, in den Händen einen rot-grünen Blumenstrauß«. Die Politikerin argumentiere nicht sachlich, »sondern emotional, aus einer inneren Überzeugung heraus, das Richtige zu tun«. Daraus beziehe sie die Kraft, »größten Widerständen standzuhalten. Sie ist gegen die Agendapolitik Gerhard Schröders aufgestanden und stehengeblieben, [...]. Sie blieb stehen, als sie im Kampf um die Spitzenkandidatur gegen den innerparteilichen Konkurrenten Jürgen Walter scheinbar aussichtslos zurück lag.«

165

166

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Auf eine sachliche Ebene der Politik mit Themen wie Mittelstandsförderung und Finanzen habe sich Ypsilanti nie begeben, weil es dabei nicht um gut oder böse gehe. Hier zeige sie Schwächen. Dass diese nicht ins Gewicht fallen, habe sie Koch zu verdanken, »weil sie jetzt vor allem Projektionsfläche für die Hoffnungen all jener ist, die Kochs Kampagne mit Entsetzen verfolgt haben« (alle Zitate: SZ 25.01.08: 3). Für diesen Gedankengang setzt die SZ die Begriffe politische Kultur mit moralischen Kategorien sowie Emotionalität mit innerer Überzeugung gleich. Im Gegensatz zwischen sachlicher und emotionaler Argumentation werden die geschlechtlich kodierten Zuschreibungen sachlich als männlich und emotional als weiblich aktualisiert. Mit dem Vorwurf, Ypsilanti habe Schwächen in Sachfragen, die von Kochs Kampagne nur überlagert würden, wird dies verstärkt. Die SZ entwirft also implizit das Bild der emotionalen und damit weniger politikfähigen Frau. 6.4.2.2 Hannelore Kraft 2010: die Trümmerfrau 2010 habe Kraft als Trümmerfrau aufräumen müssen, was SPD-Männer in NRW angerichtet hätten (Beck 2014a: 396). Diese Etikettierung war verbunden mit der Wertung, sie sei für das Amt der Ministerpräsidentin nicht kompetent. Der Machtverlust 2005 sei für die SPD ein »historischer Einschnitt« gewesen, hätte sich für Kraft aber als Chance entpuppt. Der »einst stolze« SPD-Landesverband schien »scheintot« (SPON 04.05.10), woran die SZ den SPD-Männern die Schuld gab (SZ 30.04.10: 8). Die Inszenierung von Krafts Karriere pendelte zwischen Zuschreibungen von Kompetenz und Zufall. Kraft sei einerseits »keine Dumpfbacke« (SZ 30.04.10: 8) und habe deswegen eine Blitzkarriere hingelegt (FAZ 06.05.10: 3). Ministerpräsident Peer Steinbrück habe sie 2002 ins Wissenschaftsministerium berufen, weil sie »nicht der typische Funktionärstyp« sei. Andererseits sei ihre Berufung zur Europaministerin 2001 »eher Zufall« gewesen. 2005 sei Kraft zur Chefin einer »Fraktion der Ehemaligen und der Niemande« gewählt geworden (SZ 30.04.10: 8). 2010 hätten »die Genossen« Kraft nicht »den Hauch einer Chance« gegeben (FAZ 06.05.10: 3). Dazu passten die Attributionen Spitzenkandidatin als »Euphemismus« (SPON 04.05.10), »Fräulein Chancenlos« und »Verlegenheits-Kandidatin« (Bild BU 10.05.10: 3), »Zählkandidatin« (SPON 09.05.10) und »Notlösung« ohne Hausmacht (SZ 30.04.10: 8). Die SZ fragte, ob die SPD-Politikerin »wirklich schon so weit« sei, ein Land zu führen (SZ 28.04.10: 4). Zugleich wurde Kraft als »hartnäckig wie eine Kreditkartenverkäuferin. Leutselig wie nur noch wenige an der SPD-Spitze« beschrieben. Man könne froh sein, »dass sie in der Politik gelandet ist und nicht in Deutschlands Fußgängerzonen Kreditkarten vertickt« (SPON 04.05.10). »Der Mann ist fällig, der kommt ihr nicht davon. Es ist 10 Uhr am Morgen an einem dieser Wahlkampftage, Hannelore Kraft steht mitten im Lippstädter Kleingartenverein. […] gerade hat sie etwa hundert ergrauten Damen und Herren und ein paar Gartenzwergen ihre Politik erklärt. Jetzt gilt es, kurzen Prozess zu machen. Kraft quetscht

Wahlkampf und Wahlergebnis

sich auf eine Holzbank. ›Ich hab gehört, Du willst in die SPD eintreten‹, sagt sie zu ihrem Sitznachbarn und überrascht ihn damit. ›Naja‹, murmelt der, ›eigentlich erst, wenn Ihr den Seeheimer Kreis abgeschafft habt.‹ Er meint den konservativen Flügel, […]. ›Den gibt's bei uns in NRW eh nicht‹, antwortet Kraft. ›Kannst also eintreten.‹ Sie zückt Formular und Stift und bleibt so lange sitzen, bis der junge Herr Sozialdemokrat ist. Der braucht anschließend gleich mal einen Schnaps.« (SPON 04.05.10)

In dieser Episode wird Kraft als forsche Werberin für die SPD inszeniert. Die Situation wird nicht als Diskussion über Inhalte geschildert. Diese kommen nur in Form des rechten Seeheimer Kreises vor. Vielmehr scheint Kraft in der Manier einer Drückerin den Mann geradezu zu überrumpeln. Ihr resolutes Vorgehen ist damit negativ konnotiert. Zugleich wird der Wahlkampftermin abgewertet. Denn der Kleingartenverein steht wie die sprichwörtlichen Karnickelzüchter für spießige und kleinbürgerliche Langeweile. Gekommen seien neben älteren Menschen nur ein paar Gartenzwerge, womit die Veranstaltung geradezu lächerlich gemacht wird. 6.4.2.3 Hannelore Kraft 2012: mütterliche Schuldenkönigin Nach zwei Jahren Regierung war die Trümmerfrau in medialer Optik zur herzlichen Landesmutter geworden, mit »Sympathie und Gefühl« (Bild D 02.05.12: 4), »fürsorgend« (SPON 04.05.12), »nahbar« (SZ 11.05.12: 6), »bodenständig und direkt« (FAZ 14.05.12: 10). Doch ihre Regierungsbilanz wurde als bestenfalls durchwachsen verhandelt. Kraft wolle die SPD als »Kümmererpartei«21 profilieren. Ihr Ansatz des »vorsorgenden Sozialstaats« sei ein »Gegenentwurf zur Agenda- und Hartz-Phase der Sozialdemokraten unter Gerhard Schröder« (FAZ 30.04.12: 4) und eine Ursache für die hohe Verschuldung des Landes. Vorsorgende Politik fuße auf der Hoffnung, »heute in die Ausbildung junger Menschen zu investieren, um morgen öffentliche Reparaturkosten sparen zu können« (SPON 04.05.12, Bild D 02.05.12: 4). Die Abschaffung der Studiengebühren und der Elternbeiträge für das dritte Kindergartenjahr wurden als (teure, D.B.) Wahlversprechen bezeichnet, die Kraft gehalten habe (FAZ 11.05.12: 3). Der Hinweis auf den Nachtragshaushalt 2010, den das Verfassungsgericht des Landes wegen der hohen Neuverschuldung verworfen hatte, erweckte den Eindruck mangelnder haushaltspolitischer Seriosität (FAZ 02.05.12: 8). »Kraft förderte, förderte, förderte. Da gibt es nun ein Programm für Schulabgänger, damit sie eine Stelle finden. Für Jugendliche, die knapp davor sind, im Gefängnis zu landen. Für Schwangere aus schwierigen Verhältnissen. Krafts Argument: Das kostet jetzt zwar erst mal Geld, wird aber später umso mehr sparen. Weil das Scheitern dieser Landeskinder für den Staat noch viel teurer würde.« (S PIEGEL 18/12: 31) 21 | Der Begriff Kümmererpartei stammt von Kraft selbst, unter anderem lautete deren Definition: »Nah bei den Menschen zu sein, ihre Sorgen und Nöte aufzunehmen und ihnen auch Hilfe anzubieten.« (SPD NRW 2010).

167

168

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Die mehrfache Wiederholung des Verbs »fördern« in dieser Passage macht das Geld ausgeben eindringlich. Kraft werfe es quasi mit beiden Händen zum Fenster hinaus. Die Aufzählung der Programme suggeriert, jede noch so kleine Problemgruppe erhalte Geld. Das Sparen werde in die Zukunft verschoben. Damit sei Kraft zur »Schuldenkönigin« geworden (SZ 11.05.12: 6). Mit diesem Argumentationsgang und mit dem Begriff »Landeskinder« wird Krafts Popularität als Landesmutter mit Kritik an ihrer Haushaltspolitik diskursiv verknüpft (Kap. 6.4.3). Bereits in den medialen Repräsentationen des Wahlkampfs 2010 war Krafts Volksnähe thematisiert worden. 2012 wurde diese Zuschreibung mit vielen Beispielen weiter inszeniert. Kraft kenne keine Berührungsängste »mit ihrer Kundschaft, den Wählern«: »Sie klopft Schultern und schüttelt Hände. Sie mag eine deutliche Sprache, in der neben ihrem Ruhrgebietsidiom auch immer trotzige Stanzen Platz finden: ›Wir haben uns ehrlich gemacht‹, sagt sie etwa. Oder: ›Dat gehört zur Wahrheit dazu.‹ Oder: ›Nee, sorr y, is mit mir nich zu machen.‹« (SPON 04.05.12)

In dieser Passage wird Kraft anhand ihres Dialekts als authentische Ruhrgebietspflanze inszeniert. Zugleich wird sie als konfliktfähige Politikerin, die ihre Meinung sagt, gekennzeichnet, wobei der Begriff »trotzig« abwertend, kindlich konnotiert ist. Bei einer Kundgebung sei Kraft mit Mikro auf einem kleinen Podest gestanden und habe dem Publikum erzählt, die SPD habe früher von einer großen Bühne mit Sicherheitsabstand herab das Programm über die Köpfe hinweg verkündet: »Diesmal ist es anders, diesmal geht es um Sie.« (SZ 11.05.12: 6) Zugleich wurde die Ministerpräsidentin als misstrauisch und beratungsresistent beschrieben. Sie pflege einen ruppigen Führungsstil (SZ 30.04.10: 8, SPON 04.05.12). Dieser Kontrast zur populären Politikerin war 2010 als erfolgreicher Imagewandel von der Oppositions-Kratzbürste zur Quasi-Landesmutter verhandelt worden (FAZ 06.05.10: 3). 2012 repräsentierte er leise Zweifel an der Authentizität des volksnahen Auftritts. 6.4.2.4 Zusammenfassung Während Ypsilantis Handlungsmacht in kritischer Auseinandersetzung mit ihrem linken Profil und ihrer Programmatik verhandelt wurde, dominierten bei Kraft die Stereotype Trümmerfrau (2010) und Landesmutter (2012). Bei beiden Politikerinnen wurden diese Inszenierungen mit vergeschlechtlichten Zuschreibungen ausgemalt. Bei beiden fanden sich sowohl Eigenschaften, welche die Kandidatinnen als politikfähig markierten als auch solche, die ihnen diese Kompetenz absprachen. Neben expliziten Aussagen, die vor allem bei den Geschlechterstereotype in Medientexten über Kraft zum Tragen kamen, fanden sich zunehmend implizite Zuschreibungen und Botschaften ›zwischen den Zeilen‹, die ein eher doxisches Geschlechterwissen ansprachen.

Wahlkampf und Wahlergebnis

6.4.3 Personalisierung: die Landesmutter Anders als Ypsilanti wurde Kraft 2012 eindeutig als Landesmutter inszeniert. Die Medien griffen damit eine Selbstpräsentation der Ministerpräsidentin auf. Wie bei Simonis wurde die Adressierung im Kontext von Kritik an der Personalisierung in einem inhaltsleeren Wahlkampf verhandelt (Kap. 6.3.3). Die Landesmutter solle die schlechte Regierungsbilanz und die Schulden des Landes vergessen machen. Alle Medien adressierten Kraft als Landesmutter, als Landesmutti oder mit dem Ausdruck »bei Muttern« (Spiegel 18/12: 28f). Unter dem Titel »Muttertage« meinte die SZ, Kraft schaffe in NRW, »woran viele Sozialdemokraten scheitern: Sie gefällt der Partei, den Wählern und ihrem Sohn« (SZ 11.05.12: 6). Die implizite Aussage lautete, sie sei nicht nur Landesmutter, sondern auch eine ›richtige‹ Mutter. Der Vorwurf der Inszenierung signalisierte Zweifel an Krafts Authentizität (SZ 10.05.10: 2, SPON 04.05.10). Wobei der Spiegel meinte, Kraft inszeniere nur sich selbst. »Und deshalb muss sich Kraft im Wahlkampf zwar immer noch ständig inszenieren, als Landesmutti, zu der man gern mal zum Quatschen auf eine Tasse Kaffee rüberkommen könnte. Aber verstellen muss sie sich dafür nicht.« (Spiegel 18/12: 29) Erzählungen über die unprätentiöse Beliebtheit der Landesmutter wurden auch privat gerahmt. Während einer Sportfreizeit, an der sie mit der Familie jeden Sommer teilnehme, habe sie sich zum Plaudern zu einer Gruppe Jiu-Jitsu-Kämpfer gesetzt. Die hätten sich später erkundigt, wer denn die nette Frau gewesen sei (Spiegel 18/12: 30). Kraft, so die implizite Aussage, trete so natürlich auf, dass die prominente Politikerin nicht einmal erkannt werde. Verschiedene Facetten von Mütterlichkeit wurden inszeniert. Aufopferung wurde durch wenig Schlaf und extrem frühes Aufstehen repräsentiert (SZ 21.04.12: V2-3). Die durchgreifende und mahnende Mutter zeigte sich im Kontakt mit Fotografen, die sie beim Schminken im Wahlkampfbus aufgenommen hatten. »Das ist nicht in Ordnung und kommt nicht wieder vor«, habe Kraft geschimpft (SPON 04.05.12). Und wie die traditionelle Mutter im Privaten spiele sich Kraft nicht in den Vordergrund. »Und dann kommt die Ministerpräsidentin durch einen Hintereingang in die Neandertalhalle. Es gibt kein Spalier, keine Musik und auch keinen Klatschmarsch, aber sehr warmen Applaus. Frau Kraft ist einfach da.« (FAZ 11.05.12: 3) In dieser Szene setzt die FAZ den Habitus der (Landes-)Mutter der Inszenierung einer machtvollen Politikerin entgegen, etwa beim mit Musik untermalten Einmarsch in eine Veranstaltungshalle (s.S. 142), was traditionellen Vorstellungen von Mütterlichkeit eher nicht entspricht. Die Landesmutter wurde mit der »Schuldenkönigin« (SZ 11.05.12: 6) diskursiv verknüpft. Sie mache als » guter Mensch von Düsseldorf« auf Kosten der Landeskasse Politik, die keinem wehtue (Spiegel 18/12: 28, SPON 04.05.12). Gute Politik müsse wehtun, so die implizite Aussage. Dies erinnert an das archaische Bild des Vaters, der sein Kind aus Liebe züchtigt, und verweist auf den durchsetzungsstarken VollblutPolitiker, der harte und unpopuläre Entscheidungen trifft. Kraft hingegen wurde als nachgiebige Landesmutter inszeniert, die ihre Landeskinder verzärtele und das Geld

169

170

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

nicht zusammenhalten könne (Beck 2014b: 308). Damit wurde Kraft zwar als mütterliche Politikerin gezeichnet. Sie erhielt in dieser Adressierung jedoch ein komplett anderes Profil als z.B. »Mutti« Merkel, die mit dem Bild der schwäbischen Hausfrau inszeniert wird (Beck 2016) (Kap. 2.4.7.3).

6.4.4 Skandalisierung Skandale wurden in Hessen 2008 nur beim politischen Gegner angesprochen. Es ging um Kochs Lüge in der Schwarzgeld-Affäre der CDU im Jahr 2000 (Schraa 2000). Auch Berichte über seine Jugendgewalt-Kampagne trugen skandalisierende Züge. In NRW wurde 2010 ebenfalls die Finanzierung der CDU sowie die Rent-a-RüttgersAffäre22 thematisiert. In beiden Fällen wurden die Herausforderinnen nicht als versierte Politikerinnen inszeniert, die die Schwäche des Gegners klug ausnutzten, sondern als passive Profiteurinnen (SZ 25.01.08: 3, SPON 04.05.10). Daneben war der Wahlkampf 2010 in NRW stark beeinflusst von Ypsilantis zwei Jahre zuvor gescheitertem und von den Medien skandalisiertem Versuch, in Hessen eine von der Linken tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden (Kap. 7.3). In den Medien wurde Kraft gedrängt, ein Bündnis mit den Linken eindeutig auszuschließen. Die Warnung vor der »Ypsilanti-Falle« (FAZ 17.04.10: 4) trug skandalisierende Züge. Krafts Standardsatz lautete, die Linke sei weder koalitions- noch regierungsfähig. Formal ausschließen wolle sie die Zusammenarbeit jedoch nicht. Die Medien variierten diese Aussage kontinuierlich, zitierten Vorwürfe aus den Reihen von CDU und FDP und stellten Mutmaßungen über Krafts Gründe an (SZ 12.04.10: 6, FAZ 17.04.10: 4, SPON 18.04.10, SZ 30.04.10: 8, FAZ 03.05.10: 4, SPON 04.05.10). Der Fokus auf die Frage, ob Kraft doch noch »Nein« zu einem Linksbündnis sagen werde, kulminierte in der Talkshow Maybrit Illner. Das ZDF verkündete in einer Pressemitteilung am Tag danach, Kraft habe diese Option erstmals ausgeschlossen. Krafts promptes Dementi wurde in den Medien extrem negativ verhandelt (SZ 17.04.10: 6, FAZ 17.04.10: 4). Im Fernsehduell hätten sich Rüttgers und Kraft gegenseitig vorgeworfen, die Linke in den Landtag zu reden. Dabei habe Kraft die Chance verstreichen lassen, Rüttgers mit einem klaren Nein den Wind aus den Segeln zu nehmen (SPON 27.04.10, SZ 28.04.10: 6). Anhand der Debatte um Rot-Rot-Grün schürten die Medien Zweifel an Krafts Glaubwürdigkeit. Mit Verweis auf negative Meinungsumfragen bezeichnete Bild ein mögliches Linksbündnis als Krafts »Schwachstelle« (Bild D 27.04.10: 5). Laut Spiegel online habe Ypsilantis »Wortbruch« der SPD ein »strategische(s) Dilemma« beschert (SPON 07.05.10). Vor allem der Online-Dienst bemühte den Vergleich mit der hessischen Spitzenkandidatin. Ein ganzer Artikel (»Die Anti-Ypsilanti«) thematisiert dies unter der Frage, warum Kraft permanent mit Ypsilanti verglichen werde, obwohl sie »wahrlich« nicht 22 | Für eine Spende von 20.000 Euro waren den Sponsoren eines CDU-Landesparteitags persönliche Gespräche mit dem damaligen Ministerpräsidenten Rüttgers angeboten worden (SPON 23.02.10).

Wahlkampf und Wahlergebnis

deren »Klon« sei. Weil Kraft bei CDU und FDP inzwischen »Kraftilanti« heiße, forderten immer mehr Stimmen in der SPD den expliziten Ausschluss eines Linksbündnisses. »Auch wenn sie sich damit erst recht in die Ypsilanti-Falle begeben würden.« Es folgt ein ausführlicher politischer Vergleich – für und wider Agenda 2010, für und wider Kohle. Denken in großen Gesellschaftsmodellen gegen Realpolitik in einem konservativen Land. Seit Wolfgang Clement sie 2001 zur Europaministerin gemacht habe, wisse Kraft, was politische Macht sei. Deswegen sei sie davor gefeit, »auf Gedeih und Verderb die Staatskanzlei erobern zu wollen«, was, so die implizite Schlussfolgerung, Ypsilanti versucht habe. Allerdings habe diese als linke Hoffnungsträgerin Ausstrahlung weit über Hessen hinaus gewonnen, während Kraft Schwierigkeiten habe, Aufbruchstimmung zu erzeugen (alle Zitate: SPON 04.05.10). Eine hoch umstrittene Strategie der einen Politikerin wird als »Wortbruch« skandalisiert (Kap. 7.3.1) und zur Nagelprobe für die andere erklärt. An diesen Befund lässt sich die Vermutung anschließen, dass die Medien das skandalisierte Verhalten einer Politikerin nur für eine andere Politikerin relevant setzen. Für Männer als das implizite Geschlecht in der Politik (Lünenborg/Maier 2012: 77) hätte dieses Ereignis in medialer Optik demnach keine Bedeutung.23

6.4.5 Inszenierung politischer Bedeutung als männlich 6.4.5.1 Andrea Ypsilanti: unverhoffte Anerkennung Ypsilantis Profil als linke Sozialdemokratin wurde kaum über Inhalte medial verhandelt (s.S. 165f). Stattdessen gewann es vor allem in Kontexten mit männlichen Politikern an Kontur. Obwohl Gerhard Schröder bei der Hessen-Wahl im Januar 2008 bereits länger als zwei Jahre nicht mehr Bundeskanzler war, diente er den Medien als Referenz. 2003 habe sich die neue SPD-Landesvorsitzende Ypsilanti schnell als Kritikerin der Agenda 2010 profiliert (SPON 27.01.08a), die SPD Hessen »auf Linkskurs« gegen Schröder »getrimmt« und sei zur »Schaltstelle« der SPD-Linken geworden (Bild BU 28.01.08: 2). Zu Beginn des Wahlkampfs sei sie nur als »Frau, die Gerhard Schröder nervte« bekannt gewesen (Spiegel 04/08: 24). Er habe sie »Frau XY« genannt. Gleichwohl imitiere Ypsilanti eine Pose ihres »frühere(n) Lieblingsgegner(s)«. Sie recke beide Arme hoch und zeige das Victory-Zeichen, »das auch als Ypsilon durchgehen könnte« (FAZ 22.01.08: 3). Ypsilanti habe den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck 2007 im Machtkampf mit VizeKanzler Franz Müntefering aktiv unterstützt (Bild BU 28.01.08: 2).24 Beide hätten die 23 | Dies im Vergleich zu analysieren, wäre ein lohnenswertes Thema. Denn zwischen der Hessen-Wahl 2008 und der Wahl in NRW 2010 fanden im Saarland und in Thüringen Landtagswahlen mit männlichen Spitzenkandidaten statt, bei denen ähnliche politische Kräfteverhältnisse herrschten. 24 | Bei dem Machtkampf ging es um eine Revision der Agenda 2010, die Beck auf dem Parteitag beschließen lassen wollte, die Vize-Kanzler Müntefering jedoch ablehnte (SPON 10.10.07).

171

172

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

gleichen Themen, der Kampf »für den Mindestlohn, gegen millionenschwere Managergehälter und für mehr Umverteilung von oben nach unten. Das komplette linke Wohlfühl-Programm« (Spiegel 04/08: 26). Beck habe sich »in die Wahlkampfschlacht« in Hessen geworfen, als sich »eine echte Chance« abgezeichnet habe. Zuvor habe ihm Ypsilanti versprechen müssen: »keine Experimente mit der Linkspartei« (Bild BU 28.01.08: 2). Die SZ hingegen erkannte ein Abrücken von linken Positionen in der Auseinandersetzung mit Kochs Jugendgewaltkampagne und kontextualisierte dies mit Ypsilantis Stolz darauf, dass ihre einstigen Gegner in der SPD ihren Wahlkampf unterstützten, »(d)er Agenda-Architekt Frank-Walter Steinmeier, der Wirtschaftsfreund Peer Steinbrück und vor allem Kurt Beck, der ihre Kandidatur so skeptisch gesehen hatte« (SZ 25.01.08: 3). Die FAZ führt auch den früheren SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel an, der ihr einige Tage vor der Wahl geschrieben habe, sie unterscheide sich wohltuend von ihrem Kontrahenten, weil ihr bewusst sei, dass der demokratische Wettbewerb nicht jedes Mittel rechtfertige (FAZ 28.01.08: 3). In der Energiepolitik setzte Ypsilanti auf erneuerbare Energien. Eine Woche vor der Wahl warnte der ehemalige SPD-Politiker Clement, inzwischen Aufsichtsratsmitglied der RWE-Kraftwerkstochter RWE Power, in der Welt am Sonntag vor der Wahl Ypsilantis und legte mehrfach nach. Clements Aufruf verhandelten die Medien zwischen der Bewertung als »sozialdemokratische(r) Wahlkampf-Gau« (SPON 27.01.08a) und als Konflikt Ypsilantis mit einem mächtigen Gegenspieler. Sie habe gelassen erklärt, die SPD habe sich mit der Atomlobby, deren Sprecher Clement sei, einen starken Gegner ausgesucht (FAZ 21.01.08: 3). Insgesamt wurde Ypsilanti in Kontexten mit männlichen Sozialdemokraten aufgewertet. Dabei kamen unterschiedliche Bilder zum Einsatz, der Vergleich mit ihrem einst mächtigen »Lieblingsgegner« Schröder, der Schulterschluss mit dem SPD-Vorsitzenden Beck, der Wahlkampfeinsatz einstiger innerparteilicher Gegner und der Kampf gegen einen mächtigen Vertreter der Atomlobby. 6.4.5.2 Hannelore Kraft: außer Konkurrenz Dem Bild von Hannelore Kraft als Trümmerfrau im Landtagswahlkampf 2010 war die Kritik an männlichen Politikern, welche die SPD ins Desaster geritten hätten, inhärent. Da die Verursacher der Niederlage 2005 sich in die Wirtschaft oder nach Berlin davongemacht hätten, sei Kraft zur Fraktionsvorsitzenden gewählt worden, »(o)hne sich noch gegen männliche Konkurrenz durchsetzen zu müssen« (FAZ 11.05.12: 3). Kraft trage also keine Verantwortung für den schlechten Zustand der SPD. Gleichwohl enthielt der Hinweis auf die fehlende männliche Konkurrenz die implizite Aussage, es habe an kompetenten Mitbewerbern gefehlt. Ihre Karriere habe also nichts mit politischer Kompetenz zu tun. Anders als bei Ypsilanti wurde bei Kraft 2010 keine große Anzahl prominenter SPD-Politiker relevant gesetzt. Neben dem Gegenkandidaten Rüttgers (Kap. 6.4.6.2) und abgesehen von einzelnen Hinweisen auf ihre Förderer, die ehemaligen Ministerpräsidenten Clement und Steinbrück, war der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel der

Wahlkampf und Wahlergebnis

einzige Politiker, mit dem Kraft ausführlich kontextualisiert wurde. Die mediale Verhandlung ihres Verhältnisses hatte viele Facetten und keine eindeutige Hierarchie. Gabriel habe als einziger an Krafts Erfolg geglaubt, als die SPD noch hoffnungslos hinten lag (Bild BU 10.05.10: 3). In der Frage einer Kooperation mit der Linken, die er eindeutig ausschließen wolle, herrsche hingegen Dissens (FAZ 17.04.10: 4). Als NRW-Ministerpräsidentin wäre Kraft eine zentrale Figur in der Bundes-SPD und stünde in der »parteiinternen Hackordnung« direkt hinter dem Parteichef. Deswegen könne sie für diesen zur Konkurrenz werden (SPON 09.05.10). Zwei Jahre später spielten Kontexte mit Männern erneut eine untergeordnete Rolle. Der ehemalige Ministerpräsident Johannes Rau wurde als Vorbild für Krafts Kümmerpolitik genannt, entpolitisierte Wahlkämpfe wegen der mageren Regierungsbilanz inklusive (FAZ 11.05.12: 3). Sie könne genauso gut auf andere zugehen wie einst der Menschenfischer (SPON 04.05.12, Bild BU 14.05.12: 1-2). Raus Politik wurde ebenfalls als nachgiebig und die Probleme wenig anpackend beschrieben. Bei Kraft wurde dazu das Bild der weichen Mutter im Gegensatz zum strengen Vater inszeniert (s.S. 169f). Obwohl Kraft im Wahlkampf eine Kanzlerkandidatur ausgeschlossen hatte (SPON 04.05.12), wurde diese Option nach dem Wahlerfolg thematisiert (SPON 13.05.12b, FAZ 14.05.12: 3). Dazu wurde die Ministerpräsidentin mit den drei Anwärtern auf die SPDKanzlerkandidatur Steinmeier, Steinbrück und Gabriel verglichen. Die Medien griffen eindeutig Partei für Kraft. Sie habe »viel mehr erreicht in den vergangenen Monaten als die Kanzleranwärter aus Berlin. Sie hat die Partei wieder zu den Menschen gebracht« (SZ 11.05.12: 6). Kraft sei besser und erfolgreicher als die SPD-Politiker, die um die Kanzlerkandidatur konkurrierten. Kraft wolle zwar nicht selbst gegen Merkel antreten, habe aber in der »K-Frage« das letzte Wort. »Gegen ihren Willen kann niemand mehr SPD-Kanzlerkandidat werden.« (Bild BU 14.05.12: 1-2). Am Wahlabend wurde dies noch einmal bekräftigt. »Aber der eigentliche Star der SPD ist nun eine Frau: Hannelore Kraft hat den drei Männern vorgemacht, wie man eine Wahl gewinnt. Sie ist in der Partei beliebter als jeder der drei K-Anwärter. Sie will bei der Bundestagswahl aber nicht antreten. So wird jeder andere Kandidat mit dem Manko leben müssen, für viele Parteimitglieder nur zweite Wahl zu sein. Paradox.« (SPON 13.05.12 C )

Kraft wird in dieser Sequenz als »Frau« und »Star der SPD« mit den drei »K-Anwärter(n)« kontrastiert. Der Wahlsieg wird quasi vergeschlechtlicht und dabei der Verzicht auf die Kanzlerkandidatur relevant gesetzt, da jeder andere nunmehr nur noch zweite Wahl sei. In diesem Kontext lässt sich der Befund, politische Bedeutung sei männlich, nicht aufrecht erhalten. Der Maßstab, dem die männlichen Politiker hier nicht gerecht werden, ist Kraft ›als Frau‹. Allerdings könnte Krafts Verzicht als weiblich kodierter Karriereverzicht interpretiert werden. Dann stellt sich die Frage, wie das mediale Urteil ausgefallen wäre, wenn die Ministerpräsidentin nach der Kanzlerkandidatur gegriffen hätte. Es kann vermutet werden, dass der Medientenor nur deswegen so positiv war, weil Kraft es ›als Frau‹ nicht

173

174

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

auf einen Wettstreit mit männlichen Politikern an der SPD-Spitze ankommen ließ. Diese Vermutung wird durch Befunde aus früheren Kandidaturen gestützt, wonach eigene Karriereansprüche der Kandidatinnen extrem negativ verhandelt wurden (s.S. 124).25 Die Kehrseite des medial inszenierten männlichen Maßstabs für politische Bedeutung waren ambivalente Kontexte mit Politikerinnen. Vergleiche mit Kanzlerin Angela Merkel wurden als Machtkampf zwischen Frauen und nicht zwischen Politiker_innen inszeniert. Seit der Wahl 2012 sei Kraft die mächtigsten Sozialdemokratin und zweitmächtigste Politikerin der Republik nach Merkel (Bild BU 14.05.12: 1-2). Diese dürfte es nach dem rot-grünen »Aufwind« bei der »kleinen Bundestagswahl« in NRW mit ihrer schwarz-gelben Koalition schwerer haben (SPON 13.05.12d). Vergleichend verhandelt wurden die anfängliche Unterschätzung und der Politikstil. Kraft sehe sich als die Stärkere und hätte gern parallel zur Bundestagswahl 2013 gewählt, um dies zu testen (SZ 11.05.12: 6). Hingegen wurde das Verhältnis von Kraft und ihrer Stellvertreterin Sylvia Löhrmann von den Grünen auch als private Frauenfreundschaft konstruiert. Sie seien »ein Herz und eine Seele«. In der Regierung begegneten sich beide auf Augenhöhe, »als Hanni und Nanni aus der Regierungszentrale«26 (SZ 25.04.12: 6a). Der Vergleich mit zwei Schülerinnen aus einem Mädchenbuch trivialisiert die beiden Politikerinnen als nicht ernst zu nehmende kleine Mädchen. Im Krach um ein Wahlkampfplakat der Grünen fanden sich auch männlich kodierte Motive. Die Grünen hatten ein Plakat mit Löhrmann und Kraft und dem Spruch »Schön, wenn Frauen wieder Haushalt machen« gestaltet. Das Kästchen »Zweitstimme Grün« war so positioniert, dass es Kraft als Sprechblase in den Mund gelegt werden konnte. Kraft habe persönlich bei Löhrmann interveniert (SZ 16.04.12: 6, FAZ 17.04.12: 4, SPON 19.04.12). Je nach Tenor des Mediums konnte dies als ›auf den Tisch hauen‹ oder als Gespräch ›von Frau zu Frau‹ in Anlehnung an ein klärendes Gespräch ›von Mann zu Mann‹ verstanden werden. Am Wahlabend wurde wieder die Frauenfreundschaft inszeniert. Kraft und Löhrmann seien sich glücklich in die Arme gefallen. FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner sei hinzugekommen, habe gratuliert und gesagt: »Machen Sie was draus« (SPON 13.05.12a). Das liest sich wie die ›Validierung‹ des Wahlsiegs durch einen männlichen Politiker. 25 | Im Kampf um das Amt der SPD-Generalsekretärin erntete Andrea Nahles 2005 für ihren Sieg gegen den Kandidaten des Parteivorsitzenden Müntefering, der daraufhin zurücktrat, harsche Kritik in den Medien. Gleiches galt für Andrea Ypsilanti, als sie die Spitzenkandidatur gegen den von der Parteispitze favorisierten Jürgen Walter gewann (Beck 2014a: 414-417). 26 | Die Mädchenbuch-Serie Hanni und Nanni von Enid Blyton erzählt die Erlebnisse eines Zwillingspaars in einem englischen Internat. Eine ähnliche Abwertung stellte die Überschrift »Das doppelte Löhrchen« in Anspielung auf Erich Kästners Buch Das doppelte Lottchen über einem Interview beider Politikerinnen mit der Wochenzeitung Die Zeit am 08.07.10 dar.

Wahlkampf und Wahlergebnis

6.4.5.3 Zusammenfassung Insgesamt werteten Kontexte mit Männern Ypsilanti als Politikerin auf. Bei Kraft spielten solche Kontexte eine untergeordnete Rolle und waren von Beginn an ambivalent. Wegen der Männern zugeschriebenen historischen SPD-Niederlage habe sich Kraft überhaupt durchsetzen können. Im medialen Vergleich mit der SPD-Troika wurde der männliche Maßstab durch einen weiblichen ersetzt. Der Verzicht auf die Kanzlerkandidatur kann jedoch als weiblich kodiert gelten. Ambivalenz zeigte sich auch in Kontexten mit Krafts Stellvertreterin, die eher als private Frauenfreundschaft inszeniert wurden, während Vergleiche mit der Bundeskanzlerin als Machtkämpfe unter Frauen verhandelt wurden.

6.4.6 Das Geschlecht politischer Bedeutung revisited: die Gegenkandidaten In Hessen staunten die Medien darüber, dass sich Ypsilanti zur ebenbürtigen Gegnerin des übermächtigen Ministerpräsidenten Koch entwickelte. In NRW wandelten sich die medialen Vergleiche zwischen Kraft und ihren Gegenkandidaten von der ersten zur zweiten Wahl grundlegend. Diese Befunde werden im Folgenden vorwiegend anhand der Berichte über die Fernsehduelle erläutert. 6.4.6.1 Andrea Ypsilanti – Roland Koch 2008 Der Vergleich Ypsilantis mit Koch war durchgängiges Medienthema im Wahlkampf. Die SPD habe eine Kampagne nach dem Motto ›Die Schöne gegen das Biest‹ ersonnen (SZ 25.01.08: 3). Ypsilanti inszeniere sich »links, weich, weiblich« als »Gegenmodell zu Koch« (SPON 17.01.08). Die SPD-Spitzenkandidatin wirke »total nett. Wärmer als Koch, freundlicher sowieso« (Spiegel 04/08: 24). Bild sprach von der »selbst ernannte(n) größtmögliche(n) Alternative zu Koch« und vermutete dahinter ein Konzept: »Profil zeigen und Klarheit. Glaubwürdig sein, dazu die Kernthemen (Energiepolitik und Bildung). Aber nicht zu sehr polarisieren (z.B. beim Thema Einheitsschule). Freundliche Zurückhaltung gehört dazu. Wie auch eine gehörige Portion Weiblichkeit.« (Bild Ffm 11.01.08: 3) Hier werden Profil, Klarheit, Glaubwürdigkeit, thematische Schärfe mit den weiblich kodierten Zuschreibungen »nicht zu sehr polarisieren«, also Harmoniebedürftigkeit, und freundliche Zurückhaltung sowie mit »Weiblichkeit« diskursiv verknüpft. Koch habe seine Herausforderin monatelang belächelt (SZ 26.01.08: 4), sie unterschätzt, auf die falschen Themen gesetzt (Spiegel 04/08: 22) und abgewartet. »Als dann aber zwei ausländische Jugendliche in München einen Rentner zusammenschlugen und Koch tat, was er meinte tun zu müssen, schuf er sich seine Gegnerin. Nun ging das SPD-Kalkül auf, was nach der einfachen Regel funktionierte, dass etwas um so (sic!) heller strahlt, je düsterer der Gegenpol wird. Andrea Ypsilanti hatte nichts verändert, sie war einfach nur stehen geblieben, doch es ging jetzt auch um Gute gegen Böse. Es war die ideale Ausgangslage für sie.« (SZ 25.01.08: 3)

175

176

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Koch hat also einen schweren politischen Fehler gemacht. Doch nach dieser Lesart nutzt Ypsilanti diesen nicht etwa geschickt, sondern macht einfach gar nichts und profitiert ohne eigenes Zutun von Kochs Kampagne (Kap. 6.4.4). In den Wochen vor der Wahl inszenierten die Medien entlang der Umfragen eine dramatische Aufholjagd. »Überraschend« habe Ypsilanti mit Koch gleichgezogen (SPON 09.01.08). Zehn Tage vor der Wahl hieß es, eine Mehrheit in Hessen wolle eine SPD-geführte Regierung (SPON 17.01.08a). Bei einer Direktwahl läge Ypsilanti zehn Punkte vor Koch (SZ 21.01.08: 3). Damit war Ypsilanti im Urteil der Medien zur ebenbürtigen Gegnerin geworden. »Er bekam seine Bronchitis nicht kuriert, sie blühte auf. Seine Sympathiewerte sanken, ihre kletterten nach oben. Er wirkte aggressiv und angespannt, sie euphorisch und erleichtert.« (SPON 27.01.08a) Das Fernsehduell wurde als wahlentscheidender ›Show-down‹ inszeniert (Bild Ffm 21.01.08: 3, SPON 20.01.08, SZ 21.01.08: 3). Koch wolle in die Offensive kommen und seinen Amtsbonus ausspielen, Ypsilanti wolle »einem Millionenpublikum beweisen, dass sie das Zeug zur ersten Ministerpräsidentin in Hessen habe« (FAZ 21.01.08: 3). Beide hätten sich tagelang vorbereitet (FAZ 21.01.08: 3) und sich in der Diskussion nichts geschenkt (Bild Ffm 21.01.08: 3). Nach Spiegel online habe Koch beim Fernsehduell den »Raubauz« gegeben, sei seiner Herausforderin ins Wort gefallen und habe versucht, Ypsilanti zu attackieren, was diese mit Lächeln quittiert habe. Kochs mangelnde Disziplin und Aggressivität komme beim Publikum nicht gut an. Bei Ypsilanti unterstreiche der Dialekt den sympathischen Eindruck (SPON 20.01.08). Laut SZ habe Koch sich hingegen bemüht, staatsmännisch und sachlich zu bleiben. Mit seiner größten Stärke, dem »Jonglieren mit Zahlen und deren Interpretation«, sei er jedoch gegen Ypsilantis kurze, emotionale Botschaften nicht angekommen. Sie sehe »dabei angenehm aus und ist so schlagfertig, bissig, angriffslustig, wie es noch vor Wochen kaum vorstellbar war« (SZ 21.01.08: 3). Betont wird also Ypsilantis Entwicklungsprozess als politische Persönlichkeit. Zugleich wird ihre äußere Erscheinung relevant gesetzt. Doch während bei Koch der einzige – indirekte – Hinweis auf einen Habitus, das staatsmännische Auftreten, Ausdruck des professionellen Status ist, bleibt Ypsilantis Aussehen auf den weiblichen Körper reduziert. Durch den Kontrast ihrer als emotional bezeichneten Botschaften mit Kochs Sachlichkeit wird Zweigeschlechtlichkeit aktualisiert. Der Hinweis auf ihr angenehmes Aussehen liest sich fast wie eine Legitimation für das schlagfertige, bissige und angriffslustige Auftreten: Ypsilanti verhält sich zwar wie eine konfliktfähige Politikerin, bleibt dabei aber auch Frau. »Besonders gut kann man das beim Thema Wirtschaftspolitik beobachten. Ypsilanti darf beginnen, […]. Doch sie dreht das Thema, spricht über den Mindestlohn, […]. Er steht da, die Kiefer mahlen, und er muss in diesem Augenblick daran verzweifeln, dass er nicht angreifen darf, wie er es könnte, weil er dann kalte Zahlen gegen jene Wärme stellen müsste, die Ypsilanti versendet.« (SZ 21.01.08: 3)

Wahlkampf und Wahlergebnis

Als es um Wirtschaftspolitik geht, spricht Ypsilanti also über Mindestlohn. Die Formulierung »Thema drehen« lässt Zweifel anklingen, ob dies ein wirtschaftspolitisches Thema ist. Auf jeden Fall setzt die SPD-Kandidatin das Thema, hält daran fest und Koch kann nichts ändern. Seine kalte wirtschaftspolitische Kompetenz wird als ihrer sozialen Wärme unterlegen inszeniert. In medialer Optik ist sie menschlich, er ein kalter Zahlenjongleur. Spiegel online verglich Kochs Position im Fernsehduell mit Kanzler Schröder (SPD) und der Herausforderin Merkel (CDU) im Bundestagswahlkampf 2005. »Wie der Altkanzler vor der letzten Bundestagswahl musste sich Koch als Amtsinhaber einer Herausforderin stellen, die über wesentlich weniger Erfahrung im politischen Geschäft verfügt. Jedoch ließ ihm Ypsilanti am Sonntag ebenso wenig Chancen zur Attacke wie die heutige Kanzlerin damals ihrem Vorgänger.« (SPON 20.01.08 A )

Dieser Vergleich wertet Ypsilanti auf. Denn Schröder verlor am Ende die Wahl. Seine Strategie hatte sich damit als erfolglos herausgestellt. Übereinstimmend lautete das mediale Urteil über das Fernsehduell »unentschieden« mit leichtem Vorteil für Ypsilanti (SPON 20.01.08, SZ 21.01.08: 3). Wegen seiner Polemik gegen kriminelle ausländische Jugendliche habe Ypsilanti Koch zwar eine »schmutzige Kampagne« vorgeworfen, sie bediene sich jedoch der gleichen Mittel (SPON 02.01.08, SZ 02.01.08: 6). Die FAZ sprach von der »abgewandelten Wiederauflage seiner Erfolgskampagne von 1999«.27 Ypsilanti habe diese mit der Unterschriftenaktion für die Einführung von Mindestlöhnen kopiert (FAZ 03.01.08: 3). Auch sie benötige eine »klare(n) und zugleich einfache(n) Parole«. Anders als der Ministerpräsident könne sie ihre Forderung aber laut und deutlich aussprechen, weil daran nichts Verwerfliches sei (SZ 03.01.08: 3). 6.4.6.2 Hannelore Kraft – Jürgen Rüttgers 2010 Kraft und Rüttgers wurden in den Medien als zwei eher blasse, biedere und fast austauschbare Kontrahent_innen dargestellt. Bilder der Austauschbarkeit dominierten die Texte über das Fernsehduell. Kraft sei nicht mehr die chancenlose Außenseiterin, Rüttgers komme spröde, aber seriös rüber (SPON 27.04.10). Er sei »ziemlich steif«, sie ohne TVErfahrung und ohne Ausstrahlung. Es sei schon positiv, dass er nicht gekeift habe und sie nicht schrill geworden sei. Weder Rot-Rot-Grün noch die CDU-Sponsoring-Affäre seien abendfüllend. Beide hätten keine Strategie, kein Thema und kein Geld. Deswegen sei das Duell mit einem torlosen Unentschieden ausgegangen (SZ 28.04.10: 4). Wie schon beim Hessen-Duell 2008 stellten die Medien auch in NRW 2010 fest, Kraft habe auf direkte Angriffe auf Rüttgers verzichtet (SZ 28.04.10: 6). Anders als bei Ypsilanti wurde das jedoch nicht als Strategie dargestellt, um den Gegenkandidaten ins Leere laufen zu lassen. Viel mehr schien es, als sei der »ansonsten eher zupackende(n)« 27 | Koch hatte 1999 mit einer Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft überraschend die Landtagswahl in Hessen gewonnen.

177

178

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Kraft im Fernsehduell diese Kompetenz abhandengekommen (SZ 28.04.10: 6). Auch das Jonglieren mit Statistiken tauchte wieder auf, jedoch wurde Kraft anders als Ypsilanti in die Kritik einbezogen. Beide würfen mit Zahlen um sich, die keiner so schnell überprüfen könne (SPON 27.04.10). Aufgrund des Schießens mit »Wattebäuschen« (SZ 28.04.10: 4) werteten einige Medien das Fernsehduell als Probelauf für die große Koalition (SPON 07.05.10). Angesichts dieser Attribution als bieder und austauschbar wurde Krafts Wahlsieg nicht unbedingt als eigene Leistung gewertet. Ihre Stärke sei vor allem die Schwäche des Gegners gewesen. Sie habe aber anders als Rüttgers keine großen Fehler gemacht (SPON 09.05.10). 6.4.6.3 Hannelore Kraft – Norbert Röttgen 2012 Bei der Landtagswahl 2012 inszenierten die Medien einen Zweikampf zwischen der bodenständigen und volksnahen Landesmutter und dem Berliner Überflieger. Angesichts deckungsgleicher politischer Programme von SPD und CDU müssten die Persönlichkeiten der beiden Spitzenkandidat_innen für Unterscheidbarkeit sorgen. Ministerpräsidentin Kraft strahle Vernunft und Verlässlichkeit aus (SPON 13.05.12c). Der Berliner Umweltminister Röttgen sei zwar redegewandt und intellektuell, tue sich aber im Kontakt mit dem Wähler schwer (SPON 13.05.12d). Er wirke weniger glaubwürdig als Kraft (SPON 09.05.12). Kopfmensch, bei dem der Funke nicht überspringe, gegen populäre Landesmutter – aus diesem Gegensatz wurden die geringen Sympathiewerte des CDU-Kandidaten erklärt. Kraft müsse nur den Slogan »NRW im Herzen« plakatieren. Ungläubig vermerkte die FAZ, »die Leute« hielten Kraft laut Umfragen sogar für kompetenter als Röttgen. Sie sei mit den Problemen der Bürger besser vertraut, setze sich für soziale Gerechtigkeit ein, sei die stärkere Führungspersönlichkeit und verstehe sogar mehr von Haushalts- und Finanzpolitik (FAZ 10.05.12: 3). Diese Zustimmungswerte standen im Gegensatz zur medialen Inszenierung als »Schuldenkönigin« ohne politische Botschaft (s.S. 167f). Röttgen wurde wegen gravierender politischer Fehler als Kraft unterlegen dargestellt. Er habe den verfassungswidrigen Nachtragshaushalt 2010 nicht gegen die »Schuldenkönigin« genutzt (FAZ 10.05.12: 3, SPON 09.05.12). Das Thema Energiewende habe Kraft ihm mit einem Angriff auf die Bundesregierung wegen des fehlenden »Masterplans« abgenommen. Sie pflege eine kohlefreundliche, pragmatische Energiepolitik und habe sich damit einen guten Ruf in der Wirtschaft in NRW geworben (FAZ 24.04.12: 6). Die Thematisierung des Fernsehduells folgte dieser Inszenierung. »Je länger die Sendung dauerte, desto mauliger wurde Röttgen, wenn Kraft redete, machte Röttgen die nölige Hintergrundmusik [...] Für Kraft war das gar nicht schlecht, sie wuchs nun wieder in die Rolle der Landesmutter, die dem kleinen Norbert erklärt, wie die Dinge stehen. Einmal lachte sie ihn einfach aus: ›Haha.‹« (SZ 02.05.12: 5)

Wahlkampf und Wahlergebnis

Die Landesmutter kümmert sich hier nicht fürsorglich um ihre Landeskinder, sondern ruft den ›nervigen Bengel‹ zur Ordnung, der in seiner eigenen Partei »Muttis Klügster«28 (SPON 09.05.12) genannt wurde. Daneben tauchte beim Fernsehduell auch wieder die negative Bewertung des Jonglierens mit Zahlen auf. Beide Kandidat_innen fachsimpelten als »Giganten der Details« (SZ) über Finanzfragen und traktierten die Zuschauer mit Zahlen. Die Herzen der Menschen dürften sie auf diese Weise nicht erreichen (SPON 30.04.12, SZ 02.05.12: 5). Röttgens Weigerung, sich auch im Fall der Niederlage auf die Landespolitik in Düsseldorf festzulegen, sei eine »Alles-oder-nichts-Strategie«, mit der er »reichlich Angriffsfläche« biete (FAZ 10.05.12: 3). Kraft hingegen hatte angekündigt, auch als Oppositionsführerin in den Düsseldorfer Landtag zurückkehren zu wollen (SZ 16.04.12: 4). Das ruft das Bild der Mutter auf, die zu Hause bei ihren Kindern bleibt. 6.4.6.4 Zusammenfassung Ypsilanti wurde als warmherzig, sozial und weiblich mit dem kalten Zahlenmenschen und »Raubauz« Koch kontrastiert. Dabei wurde zwar auf traditionell vergeschlechtlichte Zuschreibungen zurückgegriffen. Es wurde aber auch politische Programmatik inszeniert und nicht – wie bei früheren Kandidaturen – ein Gegensatz zwischen einer politischen Persönlichkeit und einer Frau. Ypsilantis Entwicklung als Spitzenkandidatin wurde mit weiblichen Attributen zu der impliziten Aussage Politikerin und Frau verdichtet. Gleichwohl wurden partiell politisch gerahmte Geschlechterhierarchien aktualisiert, etwa durch den Hinweis, sie kopiere die erfolgreiche Kampagne ihres Gegners. Bei Kraft zeigten mediale Vergleiche mit den beiden Gegenkandidaten Rüttgers und Röttgen große Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Als mediales Grundmotiv diente bei beiden Wahlen die Inhaltsleere aufgrund fehlender Themen (2010) bzw. deckungsgleicher Programme (2012). Bei beiden Wahlen wurde die Kompetenz im Umgang mit Statistiken nicht als Beleg für fundierte Politik dargestellt, sondern als nicht nachvollziehbare Zahlenspielereien. Zugleich wurde Krafts Entwicklung von der Trümmerfrau zur warmherzigen Landesmutter illustriert. Bei der ersten Wahl lautete der Tenor ›Mittelmaß und Austauschbarkeit‹ sowie die Kritik, Kraft sei für das Amt nicht kompetent. Bei der zweiten Wahl dominierte in den Medien das Landesmutter-Image, das in vielfältigen Facetten ausgemalt wurde und sich mit Röttgens medialer Adressierung als »Muttis Klügster« kontrastieren ließ. Kraft wurde mit mütterlich kodierten Eigenschaften attribuiert. Obwohl die Mutter traditionell im Privaten verortet ist, blieb die Landesmutter politisch kontextualisiert, vor allem durch Zuschreibungen, sie könne auf Menschen zugehen, verstehe deren Probleme und setze sich für soziale Gerechtigkeit ein.

28 | In Anlehnung an die Bezeichnung Mutti für Bundeskanzlerin Merkel (s.S. 44).

179

180

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

6.4.7 Thematisierung von Geschlecht Die Charakterisierung als »links, weich, weiblich« (SPON 17.01.08) repräsentierte Ypsilantis Profil als Politikerin. Bei Kraft hatte die Metapher der Landesmutter 2012 die gleiche Funktion (Kap. 6.4.3). Daneben wurde die Kategorie Geschlecht mit unterschiedlichen Motiven angesprochen. Zwar wurde Ypsilanti nicht als Landesmutter (in spe) adressiert. Gleichwohl wurden politische Positionen mit ihrer Rolle als Mutter eines zwölfjährigen Sohnes diskursiv verknüpft. Daher wisse sie in der Bildungspolitik, wovon sie rede (SPON 17.01.08). Ihre Forderung nach Erleichterungen für Frauen und Mütter in Bildung und Beruf sei glaubwürdig (FAZ 08.01.08: 16). Bei Aussagen über die soziale Ausgrenzung von Schulkindern klinge sie allerdings eher wie eine besorgte Mutter als wie eine künftige Ministerpräsidentin (FAZ 22.01.08: 3). In dieser Perspektive schließen sich Mutterschaft und ein politisches Spitzenamt aus. Nur vereinzelt wurde der Ausnahmestatus von Frauen in der Politik verhandelt, vor allem anhand von Ypsilantis soziologischer Diplomarbeit über »Biographien einflussreicher Frauen« (SPON 27.01.08a). Das Wesentliche stecke in der ersten Fußnote, meinte die SZ. Darin werde Macht definiert als »öffentlich sichtbare(r) Einflussnahme«. »(F)alls die Definition noch gilt, dann ist Andrea Ypsilanti jetzt sehr mächtig.« (SZ 25.01.08: 3) In dieser Aussage verbirgt sich massive Abwertung. Denn wenn das Wesentliche in einer Fußnote steckt, so könnte man meinen, ist der Rest nicht sehr gehaltvoll. Entsprechend kann die Schlussfolgerung, die Politikerin sei nach dieser Definition sehr mächtig, auch ironisch gelesen werden. Denn wenn die Grundlage, auf der Macht zugesprochen wird, schon sehr dünn ist, kann es mit der Macht eigentlich nicht weit her sein. Daneben aktualisierten Hinweise auf eine frauenbewegte Musikgruppe bei der rotgrünen Kundgebung in Frankfurt (SZ 25.01.08: 3) und der Hinweis, am Wahlabend seien besonders die SPD-Frauen stolz auf Ypsilanti gewesen (FAZ 28.01.08: 3), den Ausnahmestatus der Frau im politischen Feld. Bei Kraft ging es mehrfach um den Kontrast von Männern und Frauen in der Politik. Im Bericht über die Fernsehdiskussion mit den zwei Spitzenkandidaten (CDU, FDP) und den drei Spitzenkandidatinnen (SPD, Grüne, Linke) in Krafts erstem Wahlkampf 2010 rief Bild das Klischee der emotionalen Frau und des rationalen Mannes auf. »Die Landesregierung aus Jürgen Rüttgers und Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart konnte die emotionalen Angriffe meist mit Fakten parieren. Hannelore Kraft konnte dagegen kaum Treffer landen. Ihre Berater hatten sie offensichtlich auf Krawall gebürstet, sie fiel z.B. Rüttgers dauernd ins Wort.« (B ILD D 29.04.10: 6)

Die Männer reagieren auf emotionale Angriffe der Frauen mit Fakten. Und die Frau Hannelore Kraft kann offensichtlich ihren Mund nicht halten. Der Hinweis auf ihre Berater lässt sich als implizite Kritik lesen, Kraft agiere nicht eigenständig. In einem Porträt kam Kraft mit Aussagen über Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf Macht zu Wort.

Wahlkampf und Wahlergebnis

»›Wenn ein Mann über Macht spricht, ist das attraktiv. Wenn eine Frau das macht, verschreckt sie die Männer‹, sagt die Kandidatin. Ein Mann stelle sich ›nicht infrage‹. Eine Frau habe ›Selbstzweifel‹. Auch Frau Kraft? Es wäre ein Irrtum, zu glauben, dass Frauen in Parteien mit Frauen anders umgingen als Männer mit Männern, widerspricht ein Kenner Düsseldorfer Verhältnisse. Sie setze sich ›anders durch als diese Testosteron-Männer‹, behauptet sie. Ihr Führungsstil sei ›irgendwie schon männlich, aber irgendwie auch anders‹.« (SZ 30.04.10: 8)

Der Text impliziert, Kraft hege keine Selbstzweifel. Ein nicht genannter »Kenner Düsseldorfer Verhältnisse« widerspricht Kraft, die dann jedoch wieder mit der Selbsteinschätzung zu Wort kommt, sie setze sich zwar männlich durch, aber anders als die Testosteron-Männer. Insgesamt legt diese Passage nahe, Kraft pflege einen männlichen Politikstil, ohne die zunehmend in die Kritik geratenen ›Alpha-Männchen‹ zu kopieren. Ein weiteres vergeschlechtlichtes Narrativ thematisierte die ›Ministerpräsidentin als normale Frau‹. Kraft habe sich samstags die Serie Gefährliche Seilschaften – besser bekannt als Borgen – angesehen29. Die Geschichte handele davon, »(w)ie eine Frau darum kämpft, normal zu bleiben. Wie sie sich verliert, ihr altes Leben, ihr ganzes Wesen. ›Politik ist ein Knochenjob‹, sagt Kraft dazu, und auf ihrer Website steht ein Satz, der sich deshalb wie eine Beschwörung liest: ‹Ich bin die geblieben, die ich immer war.‹ Eine ganz normale Frau eben.« (S PIEGEL 18/12: 28)

Der Spiegel bestätigt, Kraft sei normal geblieben und nicht durch die »Ochsentour durch die Hinterzimmer« deformiert. Sie wisse, »dass ein großer Teil Hannelore bleibt in der Ministerpräsidentin« (SZ 11.05.12: 6). Ihr Korrektiv sei ihr Sohn, der nach einem mehrmonatigen Auslandsaufenthalt festgestellt habe, dass sie sich nicht verändert habe und er deswegen stolz auf sie sein könne (SZ 11.05.12: 6). In den genannten Beispielen wurden mit der Kategorie Geschlecht die Glaubwürdigkeit politischer Programmatik, die Positionierung von Frauen im politischen Feld, ihr Verhältnis zur Macht, ihr Politikstil und der Einfluss der Politik auf die Persönlichkeit verhandelt. Neben weiblich kodierten Zuschreibungen gab es hier auch explizite Aussagen über Geschlecht. Dies gibt weitere Hinweise darauf, dass Geschlecht vom QuasiAusschlusskriterium für das politische Feld zum persönlichen Charakteristikum politischer Akteurinnen geworden ist.

29 | Borgen handelt von einer Politikerin in Dänemark, die unerwartet Ministerpräsidentin wird.

181

182

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

6.4.8 Inszenierung von Körperpraktiken Anhand von Körperpraktiken inszenierten die Medien bei beiden Politikerinnen in erster Linie Weiblichkeit bzw. Mütterlichkeit. Dies war jedoch in politische Kontexte eingeordnet und hatte eine politische Aussage. Rein auf das Geschlecht reduzierte Inszenierungen körperlicher Ausdrucksweisen gab es nur vereinzelt. Ypsilanti galt in den Medien als unterschätzt. Dies liege an ihrer weiblichen Ausstrahlung wie auch an ihrem zierlichen Körperbau (FAZ 08.01.08: 16). Die SZ vermutete eine Wahlkampagne der SPD gegen Roland Koch nach dem Motto »Die Schöne gegen das Biest« (SZ 25.01.08: 3) (s.S. 175). Bei Kraft hingegen unterstrichen Körperpraktiken das Image der Ruhrpottpflanze, Kümmer-Politikerin und Landesmutter. Häufig inszenierten Medien das Lächeln der beiden Politikerinnen. Ypsilantis Lächeln galt mal als strahlend (Bild Ffm 03.01.08: 6), mal als professionell (FAZ 03.01.08: 3) oder energisch (FAZ 21.01.08: 3). Während sie bei Reden vor großen Sälen häufig unkonzentriert und fahrig wirke, gelinge ihr das Spiel mit der Kamera. Diese Formulierung lässt sich als Flirt interpretieren. Beim Fernsehduell habe sie selbst in Momenten gepunktet, wo Koch sprach, sie aber im Bild zu sehen war (SPON 20.01.08a). Krafts Mimik wurde unter anderem als »Landesmuttertagslächeln« bezeichnet (FAZ 10.05.10: 3). Sie mache Wahlkampf als Frau aus dem Volk und für das Volk, trage ihr Lächeln durchs ganze Land. »Das Lächeln mit den herabgezogenen Mundwinkeln, das immer zu sagen scheint: ›Leute, ich weiß, ihr habt’s nicht leicht, ich kenn das doch selbst. Aber wenn wir zusammenhalten, schaffen wir das.‹« (Spiegel 18/12: 30) Im Fernsehduell erhielt das Lächeln fast strategische Bedeutung. Ypsilanti habe Kochs »Feuerwerk von Zahlen und Fakten […] oft nur ihr Lächeln entgegenzusetzen«. Sie habe sich zurückgehalten, sei ruhig und zurückhaltend aufgetreten, fast so, als sei sie bereits Regierungschefin (SPON 20.01.08). Damit habe sie Kochs Strategie ins Leere laufen lassen (s.S. 176). Bei Kraft wurde das Lächeln im Kontext einer ausdrucksstarken Mimik genannt (SPON 30.04.12). Auch der Dialekt diente der Inszenierung als Politikerin. Ypsilantis südhessische Mundart sei ihr Markenzeichen (FAZ 22.01.08: 3). Beim Fernsehduell habe der Dialekt den menschlichen und sympathischen Eindruck unterstrichen. Man habe ihr nachgesehen, dass sie manchmal ins Stottern gerate und sich verhaspele (SPON 20.01.08). Und Kraft brauche sich »als Kind des Ruhrgebiets […] nicht zu verstellen, um sich frei Schnauze an die Leute zu wenden«. ›Hömma, ich krieg dat schon hin‹, heiße die Botschaft (FAZ 11.05.12: 3). Allerdings verhandelten die Medien Krafts Sprechweise kritisch als Inszenierung, während man dies bei Ypsilanti allenfalls aus der Formulierung, sie habe im Wahlkampf »hartnäckig« Dialekt gesprochen, herauslesen könnte (SPON 27.01.08a). Die SZ bemängelte 2010, Kraft sage »häufig datt und watt, wie die verlässlichen Leute aus dem Revier so reden«, quasi als unwiderlegbarer Beweis der Echtheit und Authentizität. Aber Dialekt könne auch platt sein (SZ 30.04.10: 8). Der Spiegel griff das 2012 wieder auf. An den Wahlständen könne sie die Leute »so herrlich … mit ›dat‹ und ›wat‹ und ›kannse ma‹ und ›hasse ma‹« ansprechen. In Koalitionsrunden spreche sie nie so

Wahlkampf und Wahlergebnis

(Spiegel 18/12: 29). Mit diesen Hinweisen wurde die Authentizität von Krafts Dialekt in Zweifel gezogen. Anders als bei früheren Kandidatinnen inszenierten die Medien bei Kraft und Ypsilanti anhand der äußeren Erscheinung auch einen Habitus als Politikerin. So imitiere die Hessin die Posen ihres »Lieblingsgegners« Schröder (s.S. 171). Beim Neujahrsempfang der SPD in Frankfurt wurde sie als »zierliche(n) Frau im eleganten schwarzen Hosenanzug, die vorne auf der Bühne steht und (den Genossen und Gästen) zuwinkt«, adressiert (FAZ 22.01.08: 3). Sie wurde also gleichzeitig als weiblich (zierlich, elegant) und im Habitus einer Politikerin (schwarzer Hosenanzug, winken) markiert. In einer weiteren Episode zeigte sich eine ähnliche Verknüpfung. Bei einer Wahlkampfveranstaltung habe eine Gesangsgruppe nach ihrer Rede eine Hymne auf sie angestimmt: »Der Saal klatscht rhythmisch, Andrea Ypsilanti steht ein paar Schritte von ihrem Tisch entfernt. Da bewegt sie sich, sie schwingt die Hüften und tänzelt zu ihrem Platz.« (SZ 25.01.08: 3). Die Hymne galt der Spitzenkandidatin, also der Politikerin. Diese gab sich in der Medieninszenierung mit Hüftschwung und Tänzeln als Frau zu erkennen. Bei Kraft wurde mit Ruhrpott-Hemdsärmeligkeit und Kümmerpolitik-Posen ein ganz anderer Habitus inszeniert. 2010 habe sich die diplomierte Wirtschaftswissenschaftlerin für die Kumpel der Zeche West in Kamp-Lintfort einen schwarzen Bergmannskittel angezogen (Spiegel 18/12: 29). Zu einer gemeinsamen Plakatenthüllung mit ihrer Koalitionspartnerin Löhrmann sei sie in einer roten Regenjacke erschienen, »deren Kapuze schon deutliche Abriebspuren aufweist, vom Wahlkampf oder vom Wandern« (SZ 25.04.12: 6a). Mit Hinweis auf die kräftezehrende Arbeit in der Minderheitsregierung schrieb die SZ, man habe »die Ministerpräsidentin oft abends gebeugt durch den Landtag schlurfen sehen« können (SZ 11.05.12: 6). Durch das Adverb »gebeugt« und das Verb »schlurfen« wurde das Bild der sorgenvollen Landesmutter aufgerufen (Kap. 6.4.3). Einzelne Hinweise auf einen politisch dekontextualisierten weiblichen Körper bezogen sich bei Ypsilanti vor allem auf das sorgfältige Make-up (FAZ 22.01.08: 3, SZ 25.01.08: 3), was in der SZ mit der Formulierung, es sei immer perfekt, Unnahbarkeit implizierte. Und Krafts Stimmabgabe 2010 wurde von der SZ als Catwalk beschrieben. »Die SPD-Frau, die einen pinkfarbenen Blazer zu einer dunkelblauen Hose trägt, knipst ihr routiniertes Lächeln an und dreht sich auf den schmalen Absätzen im Halbkreis, ehe sie ihren Stimm-Umschlag nach einer kleinen Ewigkeit von einer Minute und zwölf Sekunden endlich in der Wahlurne versenkt.« (SZ 10.05.10: 2)

Zwar suggeriert die Beschreibung von Krafts Kleidung nicht unbedingt Haute Couture. Doch das Anknipsen des »routinierte(n) Lächeln(s)«, die Drehung auf schmalen Absätzen und die Dauer der Inszenierung für »Fotografen und Kameraleute« erinnern an eine Modenschau. Krafts Freude über den Wahlsieg 2012 wurde mit eher konventionell weiblich kodierten Zuschreibungen in Szene gesetzt. Sie habe sich eine Träne aus dem Augenwinkel gewischt und ihren Mann geküsst (FAZ 14.05.12: 3). Sylvia Löhrmann

183

184

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

und sie seien sich im ZDF-Wahlstudio begegnet und glücklich in die Arme gefallen, was Spiegel online als »kurios« wertete (SPON 13.05.12a). Bei Andrea Ypsilanti und Hannelore Kraft wurden also anhand von Körperpraktiken Aussagen über die Politikerin und über Weiblichkeit miteinander kombiniert. Zwar ging es anders als bei männlichen Politikern (s.S. 39f) nicht ausschließlich darum, einen professionellen Habitus zu inszenieren. Gleichwohl korrespondierten bestimmte Körperpraktiken mit einem bestimmten Politikstil. Politisch dekontextualisierte Aussagen über Weiblichkeit blieben auf Einzelfälle beschränkt.

6.4.9 Private Kontexte und Rahmungen Sowohl bei Kraft als auch bei Ypsilanti wurde die Andersartigkeit im politischen Feld vor dem Hintergrund ihres Bildungsaufstiegs inszeniert. Aus der Herkunft wurden viele Aspekte des Profils und der Programmatik hergeleitet. Bei Ypsilanti betraf dies vor allem ihre politische Glaubwürdigkeit und Seriosität, bei Kraft die Authentizität und ihre Kompetenz als Politikerin. 6.4.9.1 Andrea Ypsilanti: Glaubwürdigkeit steht infrage Die Hessin lebe mit ihrem Lebensgefährten, dem gemeinsamen Sohn und einer befreundeten Familie in einer WG (FAZ 08.01.08: 16, Bild BU 28.01.08: 2). In einer rührseligen Geschichte über den Lebensgefährten als Ypsilantis »Fels in der Brandung« skizzierte Bild eine moderne Beziehung, in der er ihr zu Hause den Rücken frei halte (Bild Ffm 23.01.08: 3). Zum positiven Tenor gehörte die Information, die beiden seien erst »lange nach ihrer Scheidung« ein Paar geworden. Das transportiert die implizite Botschaft, Ypsilanti habe ihren Mann nicht wegen eines anderen verlassen. Ypsilantis Patchwork-Biografie mit vielen Brüchen sei nicht »übertrieben gradlinig« wie die von »Ministersohn Koch«, aber nachvollziehbar, sodass sie dessen Gegenbild repräsentiere (FAZ 22.01.08: 3). Aus diesem Lebenslauf speise sich Ypsilantis Glaubwürdigkeit, wie man im Fernsehduell habe erkennen können: »Hier redet kein glatt geschliffener, machtbewusster Politiker, sondern jemand, der mit beiden Beinen im Leben steht und sich auch mal Schwächen erlaubt, lautet ihr Kontrastprogramm zum Amtsinhaber, der auf kühle Kompetenz setzt.« (FAZ 22.01.08: 3) In dieser Sequenz werden die Zuschreibungen »glatt geschliffen«, »machtbewusst« und »kühle Kompetenz« kontrastiert mit »mit beiden Beinen im Leben stehen« und »sich Schwächen erlauben«. Damit steht eine als Politiker gekennzeichnete Person einer anderen gegenüber, die menschlicher ist, bei der aber Hinweise auf ihren Status als Politiker_in fehlen. Mithin ist das positive Bild verknüpft mit Zweifeln am professionellen Status. Zweifel inszenierte auch die SZ, und zwar an Ypsilantis Authentizität. Die Politikerin poche gern auf ihre Herkunft als Arbeitertochter und Stewardess, sei diesem Milieu jedoch längst entstiegen. Daraus wurde ein Widerspruch zwischen Ypsilantis Visionen und der Realität konstruiert.

Wahlkampf und Wahlergebnis

»Es geht also wieder einmal um den Vorwurf des Salonsozialismus, diesmal im Privaten. Ganz allgemein aber geht es um die Kluft zwischen den großen Linien, in denen sie gerne denkt, und den vermeintlichen Niederungen der praktischen Politik. Hier hat sie ihre größten Schwächen, was auch beim Fernsehduell mit Koch wieder nicht zu übersehen war. Sie sah dort am schlechtesten aus, wo es nicht um Emotionen, sondern um Fakten ging.« (SZ 25.01.08: 3)

Der Hinweis auf die Emanzipation von ihrem Herkunftsmilieu lässt sich als Kritik interpretieren: Ypsilanti schmücke sich mit einer längst überholten Biografie. Die großen Linien, die man sich als linke Visionen vorstellen kann, erscheinen als mit dieser Biografie verknüpft, während es in der praktischen Politik um Fakten gehe. Dieser Kontrast wird mit dem Vorwurf »Salonsozialismus«30 auf den Begriff gebracht. Der diskursive Dreischritt Salonsozialismus – große Linien – praktische Politik impliziert, linke Positionen und praktische Politik seien nicht vereinbar und Ypsilanti habe keine Ahnung von Letzterem. Im Kontext der vermeintlichen Instrumentalisierung ihrer Herkunft entsteht das Bild einer unseriösen Politikerin. Auch anhand der privaten Ganztagsschule, die Ypsilantis zwölfjähriger Sohn besuchte, verhandelten die Medien ihre Glaubwürdigkeit. Die Politikerin hatte diesen Umstand vor der heißen Wahlkampfphase selbst bekannt gegeben und mit dem fehlenden öffentlichen Ganztagsangebot in erreichbarer Nähe begründet. Dennoch kontrastierte die FAZ Ypsilantis private Wahl mit ihrem schulpolitischen Programm. Darin sollten Querversetzungen31, Sitzenbleiben und die Empfehlung der Grundschullehrer_innen abgeschafft werden, wovor jedoch neun Gymnasialschulleiter, darunter auch der Direktor der Schule von Ypsilantis Sohn, kurz vor der Wahl öffentlich gewarnt hätten. Sie argumentierten, ohne die Möglichkeit von Querversetzungen werde der Elternwille faktisch abgeschafft. Eltern könnten dann nur noch zwischen öffentlichen und privaten Schulen wählen. Mit dem privaten Gymnasium für ihren Sohn nehme Ypsilanti für sich eine Wahl in Anspruch, die sie anderen verweigern wolle (FAZ 24.01.08: 2).32 Auch Bild thematisierte einen Widerspruch zwischen Programm und Praxis, konzedierte aber, dass die Begründung der Spitzenkandidatin nicht von der Hand zu weisen sei (Bild Ffm 23.01.08: 2).

30 | Als Salonsozialist_innen werden Menschen bezeichnet, die zwar in den Salons, den Debattierclubs, revolutionäre Reden schwingen, sich jedoch nicht in die praktische Politik begeben und nicht ihren politischen Ideen entsprechend leben. 31 | Versetzungen von einem Schultyp auf den ›nächst niedrigeren‹. 32 | Angemerkt sei, dass diese Argumentation widersprüchlich ist, weil die Abschaffung der Grundschulempfehlung den Elternwillen stärkt.

185

186

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

6.4.9.2 Hannelore Kraft: patente Ruhrgebietspflanze Krafts Authentizität und Kompetenz als Politikerin wurden in privaten Rahmungen verhandelt. 2010 klang das immer wieder an. 2012 wurde es facettenreich ausgearbeitet. Sie leite aus ihrer Herkunft politische Botschaften ab und deute »den eigenen Lebensweg als Teil der großen sozialdemokratischen Erzählung« (FAZ 06.05.10: 3) (s.S. 162f). Weil sie erst mit 33 Jahren in die SPD eingetreten sei (FAZ 06.05.10: 3), sei sie schon Teil der SPD-Erfolgsgeschichte gewesen, als sie dieser Partei noch gar nicht angehört habe. Dass sie das jetzt ständig herauskehre, mache die Geschichte nicht schlechter (Spiegel 18/12: 29). Arbeitslosigkeit kenne die Ministerpräsidentin von ihrem Mann. Die Gefühle der Angehörigen bei der Love-Parade-Katastrophe 2010 in Duisburg habe sie am eigenen Leib erfahren, als ihr Sohn am Handy nicht mehr erreichbar gewesen sei. Auch was vorzeitiger Tod heiße, wisse sie. Ihr Vater sei an seinem 50. Geburtstag gestorben (Spiegel 18/12: 29). Obwohl Hannelore Kraft als Herausforderin des Ministerpräsidenten 2010 relativ unbekannt war, hielten sich die Medien mit biografischen Details zurück. Wie nebenbei wurde erwähnt, dass sie »mal Unternehmensberaterin« gewesen sei (SPON 04.05.10), dass sie Bankkauffrau gelernt und Wirtschaftswissenschaften studiert habe (Bild BU 10.05.10: 3). Die FAZ begründete die Zurückhaltung damit, dass Kraft selbst wenig Privates preisgeben wolle, weil sie misstrauisch sei (FAZ 06.05.10: 3). Zwei Jahre später wurde diese Kritik erneuert. Kraft schirme ihr Privatleben rigoros ab und veröffentliche nur, was ihr nütze (SZ 11.05.12: 6). »Um sich ein Urteil über Kraft als Politikerin erlauben zu können«, hätten Journalist_innen Interesse an Krafts Privatleben. Diese habe entsprechende Fragen jedoch erst beantwortet, als der Spiegel anfing, selbst zu recherchieren (Spiegel 18/12: 28f). 2010 wurden private Erzählungen häufig als Selbstpräsentationen der Kandidatin markiert und kritisiert. Eine Broschüre mit privaten Fotos sei »eine Art Programmheft zur Talk-Reihe ›Hannelore Kraft. NRW im Herzen‹« (FAZ 06.05.10: 3). Kraft erzähle in diesen Runden Privates: »Urlaub im Sauerland. Hund Sandy. Sohn Jan (17) darf während der Woche nicht bei Freunden übernachten. Am Wochenende schon.« (Bild D 24.04.10: 6a) Befremdet zeigte sich die SZ von Details über Krafts laute und streitbare Familie. »Die Wahlkampfstrategen glauben offenbar, dass man das wissen muss.« (SZ 30.04.10: 8) Zwei Jahre später gab es mehr recherchierte Geschichten, mit denen z.B. der Spiegel Krafts Aufstieg »aus der unteren Mittelschicht« als Pendeln zwischen »ich will« und »ich trau‹ mich nicht« und das heutige Leben in der Reihenhausidylle inszenierte (Spiegel 18/12: 29) (s.S. 163). Kontexte mit dem Ehemann signalisierten eine moderne Ehe. Sie hatte einen höheren Bildungsabschluss als der Elektroinstallateurmeister, der gut kochen könne. Daneben gab es Bilder amerikanisierter Wahlkämpfe (s.S. 14) mit Mann, Sohn und Mutter auf der Bühne beim Wahlkampfauftakt sowie am Wahlabend und dem Dank Krafts für deren Unterstützung (Bild D 12.04.10: 9, Bild BU 10.05.10: 3, SZ 10.05.10: 2).

Wahlkampf und Wahlergebnis

Auch Krafts Kompetenzen wurden privat gerahmt. So habe die Minderheitsregierung nur wegen ihres Kumpelcharmes so lange gehalten. Denn so wie sie bei der jährlichen Sportfreizeit einfach mit anderen Leuten geplaudert habe (s.S. 169), habe sie »auch in Düsseldorf alle warm« geredet, » sogar die FDP, obwohl Fraktionschef Gerhard Papke als rechter Hardliner galt – Kraft und Papke schätzen sich trotzdem« (Spiegel 18/12: 30). Sie sei jedoch nicht nur warmherzig, sondern könne kühl, kalkulierend und kurz angebunden auftreten. Als Oppositionsführerin habe Kraft das Image der ruppigen, reizbaren Kratzbürste gehabt (SPON 04.05.12). Nett sei sie nur, wenn nach ihren Regeln gespielt werde. Sie könne »richtig losbollern, egal ob gegen Mitarbeiter oder Minister«. Sie wolle immer gewinnen und raunze ihren Mann an, wenn das beim Doppelkopf mal nicht der Fall sei (Spiegel 18/12: 30). Ihre Berufsangabe »Unternehmensberaterin« wurde infrage gestellt, denn sie klinge »nach Geschäftsmodell-Analyse, Kostenkontrolle, nach McKinsey. Tatsächlich hat sie Firmen vor allem erklärt, wie sie sich Geld aus öffentlichen Töpfen fischen können« (Spiegel 18/12: 31). Kraft sei also gar keine ›richtige‹ Unternehmensberaterin gewesen, sondern habe im Beruf das gemacht, was sie als Ministerpräsidentin auch tue, das Geld des Steuerzahlers ausgeben. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei beiden Politikerinnen private Kontexte klare politische Bezugspunkte hatten. Private Erzählungen zur Dekontextualisierung der Politikerin und Markierung der Frau gab es nicht.

6.4.10 Zusammenfassung: Politikerin und Frau Sowohl bei Andrea Ypsilanti in Hessen als auch bei Hannelore Kraft in NRW zeigt sich, wie die Kategorie Geschlecht in Medientexten zunehmend von der Ebene expliziter Aussagen auf die Ebene impliziter Bedeutungen wandert. Das Geschlecht wurde bei beiden Politikerinnen seltener explizit angesprochen oder relevant gesetzt. Gleichwohl wurde der Bildungsaufstieg als soziale Kategorie, durch den die politische Karriere als etwas Besonderes hervorgehoben wurde, mit Attribuierungen vergeschlechtlicht. Bei Ypsilanti wurde das Profil als links, weich und weiblich mit ihrer Herkunft kontextualisiert. Bei Kraft hatte das Stereotyp der ängstlichen Frau die gleiche Funktion. Beide blieben wie die früheren Kandidatinnen als das andere Geschlecht in der Politik gekennzeichnet. Nicht thematisiert wurde, dass der Bildungsaufstieg für Töchter aus dem Arbeitermilieu schwieriger ist als für Söhne. Der Werdegang wurde zwar auf der persönlichen Ebene vergeschlechtlicht, die politische Dimension jedoch nicht verhandelt. Die Handlungsmacht, die beiden Politikerinnen je nach Kontext zugestanden oder abgesprochen wurde, war mit den Erzählungen des Bildungsaufstiegs diskursiv verknüpft und wurde ebenfalls mit Zuschreibungen vergeschlechtlicht. Beiden wurde zunächst die Kompetenz für das angestrebte Amt abgesprochen. Dann aber wurde eine erstaunliche persönliche Entwicklung und Dynamik des Wahlkampfs festgestellt. Bei Ypsilanti setzten sich die Medien kritisch mit ihrem linken Profil und ihrer

187

188

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Programmatik auseinander und zeichneten das Bild einer Politikerin, die zwar glaubwürdig soziale Positionen vertrete, von praktischer Politik und deren Kernbereichen Wirtschaft und Finanzen aber keine Ahnung habe. Diese Befunde geben Anlass, einen Wandel des Verhältnisses von Öffentlichkeit und Privatheit in den medialen Repräsentationen anzunehmen (Kap. 8.3). Bei Kraft entwickelte sich das Stereotyp der eigentlich nicht kompetenten Trümmerfrau 2010 zur warmherzigen und populären Landesmutter 2012, die aus Liebe und Nachsicht für ihre Landeskinder Schulden aufhäuft. Dazu wurde sie mit mütterlich kodierten Eigenschaften attribuiert, die gleichwohl politisch gerahmt blieben. Wie bei Simonis griffen Beschreibungen der Medien Selbstpräsentationen der Politikerin auf. Dem mütterlichen Bild dienten Inszenierungen von Warmherzigkeit, Opferbereitschaft, dem Ordnungsruf für ungezogene Bengel und verlässliche Anwesenheit im Hintergrund. Neben wohlwollenden Beschreibungen von Krafts Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen, wurde dies mit Kritik verbunden. Die populäre Ministerpräsidentin solle die schlechte Regierungsbilanz und die Schulden des Landes vergessen machen, die sie als nachgiebige Landesmutter selbst zu verantworten habe. Völlig unterschiedlich wurde bei beiden Politikerinnen politische Bedeutung durch Kontexte mit Männern inszeniert. Bei Ypsilanti dienten diese der Aufwertung als Politikerin. So wurde die »linke«, »weiche« und »weibliche« Ypsilanti mit dem aggressiven »Raubauz« Koch kontrastiert. Die vergeschlechtlichten Attributionen, auf denen dieser Gegensatz beruhte, führten jedoch nicht zur Abwertung der Politikerin und Aufwertung des Politikers. Vielmehr waren diese Attribuierungen mit der sehr unterschiedlichen politischen Programmatik verknüpft und verdichteten die Charakterisierung Ypsilantis als Politikerin und Frau. Kraft wurde außer mit ihren Gegenkandidaten kaum mit männlichen Politikern kontextualisiert. Und diese wenigen Kontexte waren durchaus ambivalent. 2010 inszenierten die Medien Männer als Verursacher eines Debakels und eine wenig kompetente Trümmerfrau, die genauso mittelmäßig und austauschbar gezeichnet wurde wie der Amtsinhaber Rüttgers. 2012 kontrastierte Krafts Landesmutter-Image mit Röttgens Ruf als »Muttis Klügster«. Zuschreibungen als kompetent, intellektuell und redegewandt, die zum klassischen Bild eines Politikers gehören (Kap. 2.2), zeichneten nun ein arrogantes Image des CDU-Kandidaten, während Kraft als Landesmutter populär attribuiert wurde. Die Ministerpräsidentin wurde außerdem als die beste Kanzlerkandidatin der SPD markiert, neben der die Troika der männlichen Kandidaten als zweite Wahl gelte. Hier war die Frau zum Maßstab für politische Bedeutung geworden, relativiert durch den weiblich kodierten Verzicht auf die Kanzlerkandidatur. Dies stützt Gnändigers These, wonach Niederlagen und Verzicht von Politikerinnen durch positive mediale Inszenierungen quasi honoriert würden (s.S. 37). Kontexte mit Politikerinnen blieben ambivalent. Während die Medien einen Zweikampf mit Bundeskanzlerin Merkel andeuteten, wurde Krafts Verhältnis zu ihrer Stellvertreterin Löhrmann partiell als private Frauenfreundschaft inszeniert. Anhand von Ypsilantis als »Wortbruch« skandalisiertem Versuch, eine von der Linken

Wahlkampf und Wahlergebnis

tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden, wurden beiden Politikerinnen miteinander kontextualisiert. Damit wurde Ypsilantis umstrittenes Vorhaben als Nagelprobe für Krafts Glaubwürdigkeit verhandelt. Dass die Skandalisierung in diesem Fall weiblich kodiert war, ein männlicher Politiker also nicht in gleicher Weise am Scheitern der Hessin gemessen werden würde, lässt sich annehmen und wird mit weiteren Analysen (Kap. 7.4.6) diskutiert. Die mediale Bewertung der Kenntnis statistischer Details, die in anderen Kontexten durchaus als Merkmal kompetenten Polit-Managements thematisiert worden war, änderte sich grundlegend. Jetzt wurde der Zahlenjongleur Koch als kalt bezeichnet. Diskussionen um Statistiken wurden als ›über die Köpfe hinweg‹ bewertet. Im Kontrast dazu standen emotionale Botschaften, welche die Menschen erreichten. Gleichwohl wurden politisch gerahmte Geschlechterhierarchien aktualisiert. Ypsilantis Unterschriftenliste für den Mindestlohn und ihre Machtposen wurden als Kopien ihrer Gegenspieler Koch und Schröder markiert. Mit den Skandalen ihrer Kontrahenten wurde sowohl Kraft als auch Ypsilanti nur als passive Nutznießerin und nicht als kluge Taktikerin kontextualisiert. Weniger als bei früheren Kandidaturen wurden die Kandidatinnen durch die Inszenierung von Körperpraktiken, der Kategorie Geschlecht und privater Rahmungen politisch dekontextualisiert oder abgewertet. Zwar wurde anders als bei männlichen Politikern nicht ausschließlich ein professioneller Polit-Habitus inszeniert, gleichwohl wurden Aussagen über die Politikerin und über Weiblichkeit miteinander kombiniert. Körperpraktiken repräsentierten dabei einen bestimmten Politikstil und politisch relevante Eigenschaften. Erheblich seltener als bei früheren Kandidaturen wurde die Kategorie Geschlecht explizit thematisiert. Als vergeschlechtlichte Zuschreibungen und implizite Bedeutung zog sie sich jedoch weiterhin durch die Medientexte. Dabei ging es um Glaubwürdigkeit, um mit Geschlecht verbundene politische Inhalte oder um die Position von Frauen im politischen Feld. Politisch dekontextualisierte vergeschlechtlichte Aussagen blieben rar und episodisch. In den Medientexten über Ypsilanti und Kraft zeigten sich im Vergleich zu früheren Kandidaturen deutliche Wandlungsprozesse. Die Andersartigkeit als Politikerin und Frau wurde selten explizit angesprochen. Soweit das Geschlecht thematisiert wurde, diente es nicht der Abwertung, sondern der – durchaus ambivalenten – Charakterisierung der Person der Politikerin und ihres Politikstils. Im Kontrast zu Simonis fügten sich Inszenierungen der Politikerin in Verbindung mit Körperpraktiken und privaten Kontexten zu einer eingängigen und konsistenten Erzählung. Es scheint, als hätten die Medien eine ›Sprache‹ für mächtige Politikerinnen gefunden. Gleichwohl wurde in den vergeschlechtlichten Zuschreibungen immer wieder ein doxisches und damit verharrendes Geschlechterwissen angesprochen, das Ambivalenz hervorrief und offenblieb für Retraditionalisierungen. Das lässt den Schluss zu, dass Geschlechterhierarchien kontextbezogen entweder aktualisiert oder durch eher egalitäre Inszenierungen ersetzt werden (Kap. 8.4).

189

7. Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

7.1 FALLAUSWAHL : M INDERHEITSREGIERUNGEN Im Folgenden wird anhand der drei Fälle, in denen SPD-Spitzenkandidatinnen eine Minderheitsregierung anstrebten, der Frage nachgegangen, wie dieses politisch umstrittene Vorhaben in den Medien verhandelt und vergeschlechtlicht wurde. Die methodische Herausforderung bestand darin, die extrem unterschiedlichen Verläufe miteinander zu vergleichen (Kap. 4.4.2). Bei Hannelore Kraft und Heide Simonis wurden die fünf Texte jedes Mediums ausgewählt, die am informationshaltigsten die politischen Prozesse thematisierten (s.S. 78). Dabei wurden möglichst alle wichtigen Phasen berücksichtigt: • Simonis: Koalitionsverhandlungen, die gescheiterte Wahl zur Ministerpräsidentin am 17. März, Abschied aus der Politik und Wahl des Nachfolgers am 27. April 2005. • Kraft: Die Sondierungen mit allen Parteien ab dem 11. Mai 2010, der zunächst angekündigte Verzicht auf eine Regierungsbildung, die Entscheidung für eine Minderheitsregierung und die Wahl zur Ministerpräsidentin am 14. Juli 2010. In Hessen zogen sich die Anläufe zur Bildung einer Minderheitsregierung von der Landtagswahl am 27. Januar 2008 bis zur Pressekonferenz der vier Abweichler_innen am 3. November 2008 hin. Um den umfangreichen Textkorpus zu reduzieren, wurden fünf zentrale Phasen definiert: 1. In der ersten Phase von Mitte Februar bis zum 5. März 2008 wurde erstmals die Möglichkeit medial verhandelt, Andrea Ypsilanti könne sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Diese Phase endete mit dem Nein der SPD-Abgeordneten Dagmar Metzger und der Absage der Wahl durch Ypsilanti. 2. Die zweite Phase beinhaltet vor allem den hessischen SPD-Parteitag am 29. und 30. März, auf dem eine Öffnung zur Linken diskutiert und beschlossen wurde. 3. Die dritte Phase umfasst die Monate August und September 2008. In dieser Zeit diskutierte die SPD auf Landes- und Bundesebene über einen zweiten Anlauf. Die Phase endet mit der Probeabstimmung der SPD-Landtagsfraktion am 30. September.

192

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

4. Phase vier deckt die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen im Oktober 2008 ab. 5. Die fünfte Phase bezieht sich auf die Pressekonferenz der vier SPD-Abweichler_innen am 3. November und deren Thematisierung in den Medien am 4. und 5. November 2008. Im Folgenden werden zunächst die drei genannten Fälle in chronologischer Reihenfolge analysiert. Wegen der sehr unterschiedlichen Kontexte und Szenarios wird dabei auf eine einheitliche Gliederung verzichtet. Im Anschluss wird ein vergleichendes Resümee gezogen.

7.2 H EIDE S IMONIS

IN

S CHLESWIG -H OLSTEIN 2005

In der Woche nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 22. Februar 2005 war in alle Richtungen sondiert und eine große Koalition ausgeschlossen worden. Heide Simonis machte sich daraufhin daran, eine vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden. Nachdem die SPD und ihre Partner den Koalitionsvertrag und die Tolerierungsvereinbarung einstimmig beschlossen hatten, war die Wahl zur Ministerpräsidentin für den 17. März 2005 angesetzt. Doch Simonis scheiterte in vier Wahlgängen an einer fehlenden Stimme aus den eigenen Reihen und zog sich daraufhin aus der Politik zurück. In diesem Kapitel werden zunächst die medialen Repräsentationen von Simonis’ Verhältnis zur Macht analysiert (Kap. 7.2.1). Danach wird die Inszenierung der gescheiterten Wahl nachgezeichnet (Kap. 7.2.2). In Kontexten mit dem Gegenkandidaten werden deutliche Veränderungen beschrieben (Kap. 7.2.3). Der Thematisierung von Simonis’ Abschied und den medialen Nachrufen auf ihre politische Karriere ist ein eigenes Kapitel gewidmet (Kap. 7.2.4).

7.2.1 Machtverliebt und machtversessen In den Medienrepräsentationen der gescheiterten Wahl zur Ministerpräsidentin wurden Motive aus dem Wahlkampf wieder aufgegriffen: die populäre Landesmutter, die »kauzige Trödelsammlerin« (Bild HH 19.03.05: 2) und spleenige Frau, das freche Mundwerk und der schnelle Kopf (SZ 19.03.05: 2). Mit Pragmatismus und Machbewusstsein (SPON 17.03.05) habe Simonis in der Männerdomäne Finanzpolitik Karriere gemacht (SZ 19.03.05: 2). Doch anders als im Wahlkampf dominierte nun das Narrativ der machtversessenen Politikerin. Dies speiste sich aus zwei Zitaten von Simonis. Zum einen habe sie einmal gesagt, sie wolle nicht »vom Stuhl gekratzt und raus getragen (sic!)« werden wie einst Kurt Biedenkopf in Sachsen (SPON 17.03.05). Doch genau das sei am 17. März geschehen. Zum anderen hatte sie kurz nach der Landtagswahl in der Talkshow Beckmann auf die Frage, ob nicht Peter Harry Carstensen als Kandidat der stärksten Partei Anspruch

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

auf das Amt des Ministerpräsidenten habe, entgegnet: »Und wo bleibe ich dann?« (SZ 02.03.05: 6). Dies galt als Beleg dafür, dass sie an der Macht klebe. Beide Zitate wurden immer wieder in die Texte eingeflochten. Auch das Motiv der mit Macht verknüpften sozialen Distinktion (s.S. 156) tauchte wieder auf. Weil sie wegen ihres Dienstwagens mit Fahrer keine Parkplatzprobleme habe, fühle sie sich »wie eine kleine Königin mit täglicher Kündigungsfrist«, zitierte Bild (Bild BU 28.04.05: 2). Die Opposition nenne sie mittlerweile »Pattex-Heide« (FAZ 02.03.05: 4, SZ 02.03.05: 6). Sie klammere sich an die Macht, unterliege dem Rausch der eigenen Bedeutung und Popularität (Bild HH 19.03.05: 2). Diese Machtverliebtheit habe nach dem dritten Wahlgang den Rückzug verhindert (Spiegel 12/05: 39). Außerdem sei die SPD abhängig von Simonis, die in der Partei nur Zustimmung erfahre und sich deswegen wohl für unersetzlich halte (FAZ 19.03.05: 3a). Mit der »HE!DE« -Kampagne sei der Wahlkampf komplett auf Simonis zugeschnitten gewesen (Kap. 6.3.3). Simonis sei quasi ihrer eigenen Kampagne zum Opfer gefallen und sich deswegen ihres Wahlsiegs immer sicher gewesen (FAZ 02.03.05: 4). Doch hätten sie und die SPD ihre Popularität diesmal überschätzt (FAZ 19.03.05: 3a, SZ 19.03.05: 2). Wegen des personalisierten Wahlkampfs könne die SPD ihre Spitzenkandidatin nach der Wahl dennoch nicht fallen lassen (FAZ 02.03.05: 4), zumal das Debakel ohne Simonis noch größer gewesen wäre (SPON 17.03.05). Um gegen den Wählerwillen an der Macht zu bleiben, habe sie daher ein fragwürdiges Tolerierungsbündnis gebastelt (Bild HH 19.03.05: 2). Entgegen anderslautender öffentlicher Bekundungen sei das vermutlich bereits vor der Wahl mit dem SSW abgesprochen gewesen (FAZ 02.03.05: 4). Warnungen habe Simonis in den Wind geschlagen: »So warnte etwa der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Bernd Rohwer. Er blieb ungehört und – reichte seinen Abschied ein. Auch die warnenden Worte von Simonis’ Vorgänger Engholm, doch mit der CDU gründlicher zu verhandeln, blieben ungehört. Zu verlockend war es, mit drei Frauen an der Spitze eine geduldete Minderheitsregierung als Reformbündnis anzubieten und gleichzeitig dabei die SPD insgesamt zu stützen, vor allem mit dem Blick auf Nordrhein-Westfalen.« (FAZ 19.03.05: 3 A )

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) verwebt hier eine geschlechtshierarchische Perspektive mit dem Vorwurf von Hybris. Zum einen wird ein Gegensatz zwischen den zur Vorsicht mahnenden männlichen Politikern, deren Funktion Autorität markiert, und den drei Frauen inszeniert, die – wie Eva im Paradies – einer Versuchung nicht widerstehen konnten. Hybris wiederum wird durch die Formulierung suggeriert, die (nur) geduldete Minderheitsregierung solle als Reformbündnis gelten und der SPD mit Blick auf die gefährdete Wahl in Nordrhein-Westfalen (NRW) helfen. Vergeschlechtlichte Kritik an dem angestrebten Regierungsbündnis zeigt sich auch in den Zweifeln, die der Spiegel mit süffisanten Formulierungen an der Qualifikation der beteiligten Politikerinnen schürte: »Da gibt es die gutmenschelnde Vorsitzende der SSW-Landtagsgruppe, Anke Spoorendonk, die mit der farblosen Grünen Anne Lütkes und der zur dienstältesten

193

194

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Ministerpräsidentin aller Zeiten erstarrten Simonis das Land führen wollte.« (Spiegel 12/05: 38f) Simonis’ Machtanspruch entspringe dem Stolz, »es geschafft zu haben, wo andere Frauen scheitern« (SZ 19.03.05: 2) und wurde mit dem Titel ihrer Biografie »Allein unter Männern« ironisiert: »Zuerst allein unter Männern, dann allein unter Frauen – den Verhandlungspartnerinnen Anke Spoorendonk vom SSW und der grünen Justizministerin Anne Lütkes –, zuletzt ganz allein: Heidi Simonis wird keine Verantwortung für das schöne Land Schleswig-Holstein mehr tragen, das gab sie am Freitag in einer von Trauer und Enttäuschung durchzogenen Erklärung bekannt.« (SZ 19.03.05: 2)

Der Dreischritt »allein unter Männern«, »allein unter Frauen«, »ganz allein« liest sich fast wie ein Abstieg in der Geschlechterhierarchie von den mächtigen Männern bis in die Bedeutungslosigkeit. Die Begriffe Trauer und Enttäuschung signalisieren, Simonis sei persönlich verletzt und habe ihren Machtverlust nicht wirklich verstanden. Insgesamt wurden Aussagen über Simonis’ Machtverliebtheit so mit vergeschlechtlichten Abwertungen kombiniert, dass das Tolerierungsbündnis als Hybris erschien. Damit inszenierten die Medien das Bild einer alternden, wenig kompetenten Politikerin, die so machtversessen sei, dass sie den richtigen Zeitpunkt für den Abschied verpasst habe.

7.2.2 Inszenierung der gescheiterten Wahl zur Ministerpräsidentin Obwohl das Wahldebakel wegen durchweg einstimmiger Abstimmungen in der SPD nicht vorhersehbar gewesen sei (SPON 17.03.05), habe Simonis zu Beginn der Wahl im Landtag nicht wie eine spätere Siegerin ausgesehen, sondern sei still und allein auf ihrem Platz gesessen. Das Ergebnis des vierten Wahlgangs mit einem Patt zwischen ihr und Carstensen bei einer Enthaltung habe ihre Karriere vernichtet (SPON 18.03.05a). Hinterher habe sie selbstkritisch eingeräumt, dass die Wahl nach dem zweiten Wahlgang hätte unterbrochen werden müssen (SPON 12.04.05). Dafür, dass die Fraktion sie nach der erfolgreichen Probeabstimmung zum vierten Wahlgang überredet habe, schämten sich jetzt einige (SZ 25.04.05: 3). Simonis hätte sich den vierten Durchgang nicht antun dürfen (FAZ 19.03.05: 3a). Sie selbst wurde mit der Metapher vom »hinterhältigen Dolchstoß« zitiert, gegen den man sich nicht wehren könne (Bild HH 19.03.05: 2). Auch sonst wurde Simonis’ Debakel mit Kampfmetaphern illustriert. »Der vierte Wahlgang: Simonis saß da wie ein Boxer, der sich in der Ringpause kaum noch auf den Hocker in seiner Ecke schleppen konnte, groggy vor der entscheidenden Runde. Landtagspräsident Martin Kayenburg, CDU, zählte, er zählte wieder 34 zu 34. Der Knockout. Simonis letzter Kampf ging gegen die Tränen, sie verlor dann auch den.« (S PIEGEL 12/05: 40)

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

Im einen Satz ist Simonis noch der geschlagene Boxer – ein männlich kodiertes Bild –, im nächsten verwandelt sie sich in die weinende Frau. Sie habe sich vorführen lassen (Spiegel 12/05: 38), sei abgestraft und gedemütigt worden (Bild HH 18.03.05: 2-3). Wie eine alte Frau habe sie nach dem dritten Wahlgang gestützt auf zwei Genossen den Plenarsaal verlassen und sei nach dem vierten mithilfe von zwei Bodyguards aus dem Landtag geflohen (SPON 18.03.05a). Bei der Wahl ihres Nachfolgers am 28. April inszenierte Bild eine ähnliche Erscheinung. Der leere Blick sei fahl und verhärmt. Nach der Wahl sei sie gebeugt aus dem Plenarsaal geschlichen (Bild BU 28.04.05: 2). Hierbei wurden traditionelle Geschlechterverhältnisse aufgerufen. Simonis habe auf zwei Genossen gestützt den Landtag verlassen. Ihr Mann wurde mit besorgten Kommentaren zitiert (Spiegel 12/05: 40, SZ 18.03.05: 3). Er (und nicht etwa politische Weggefährt_innen, D.B.) sei neben ihren Schwestern ihr engster Vertrauter (Bild HH 18.03.05: 2-3). Der FDP-Politiker Kubicki habe sie umarmt und getröstet, weil sie einen solchen Abgang nicht verdient habe (FAZ 19.03.05: 3 und 3a). Selbst der Papst wurde bemüht. Er sei in vier Wahlgängen gewählt worden, Simonis hingegen nicht (SZ 25.04.05: 3). Sprachliche Bilder vom schwarzen Hosenanzug als Uniform der Trauer (Bild BU 28.04.05: 2), einer Umarmung der grünen Justizministerin als Geste des Beileids (SZ 18.03.05: 3) und Nachrufen nach einem »kleine(n) politische(n) Tod« (SZ 19.03.05: 2) erinnern an die Beerdigung nach dem »Königsmord in einem Land, in dem die Intrige in der Politik zwar Tradition hat – das gegenwärtige Personal dafür aber nur bedingt zu taugen schien« (Spiegel 12/05: 38). Trotz dieser »menschlichen Tragödie« (SPON 18.03.05a) wiesen die Medien Simonis einen Teil der Verantwortung zu: »Sie klammerte sich bis zuletzt an die Macht. Jetzt jammert sie: ›Ich habe eine solch’ persönlich verletzende Situation noch nie erlebt‹« (Bild HH 19.03.05: 2). Damit wurde das Wahldebakel an die medialen Inszenierungen der Machtversessenheit rückgebunden. In den Inszenierungen des Wahldebakels und der menschlichen Tragödie setzte sich die mediale Metamorphose der populären Landesmutter zur alternden, machtversessenen Frau fort. Dabei kamen in Motiven der die Frau beschützenden Männer traditionelle Geschlechterverhältnisse zum Vorschein.

7.2.3 Kontexte mit dem Gegenkandidaten: Abstieg und Aufstieg In den Texten über Simonis’ Scheitern veränderten sich die medialen Kontexte zwischen der Politikerin und ihrem Herausforderer Carstensen. Im Wahlkampf wurde sie als überlegen inszeniert. Am Wahlabend war er der »tragische Held« (Bild HH 21.02.05: 2, SPON 20.02.05d) und sie eine Politikerin, die noch einmal davongekommen sei (FAZ 02.03.05: 4). Nun hieß es, das Fernsehduell mit einem lockeren, souveränen und gut aufgelegten Carstensen und einer Simonis, die gequält und müde gewirkt und auf Fragen der Moderatorin fast verärgert reagiert habe, sei wahlentscheidend gewesen (FAZ 19.03.05: 3a). Carstensen wurde zunächst auf Augenhöhe, dann als überlegen inszeniert.

195

196

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

»Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bot die SPD das ›israelische Modell‹ an: Heide Simonis hätte zweieinhalb Jahre die Koalition geführt, Carstensen zur Halbzeit übernommen. Doch das war der Union zu riskant, wer weiß, ob die Ehe so lang gehalten hätte. Die Union dachte stattdessen darüber nach, Heide Simonis für ein paar Monate im Amt zu belassen, ehe sie, aus welchen Gründen auch immer, sich zurückgezogen und für Carstensen Platz gemacht hätte. Bis dahin, hoffte die Nord-CDU, hätte die Bundes-SPD einen angemessenen Posten für die verdiente Genossin und künftige MP a.D. finden können. Doch in Berlin rührte sich niemand.« (SZ 02.03.05: 6)

Das »israelische Modell«1 markiert Ebenbürtigkeit. Mit der Überlegung, Simonis nach ein paar Monaten nach Berlin ›wegzuloben‹, wird Carstensen als der Handlungsmächtige inszeniert, der überlegt, wie die alternde Politikerin – sprachlich gekennzeichnet durch die »verdiente Genossin und künftige MP a.D.« – ohne Gesichtsverlust mit einem Posten versorgt werden könne. Dass in Berlin niemand Simonis haben wolle, kann als Demütigung gelesen werden. Die Botschaft zwischen den Zeilen lautet, Carstensen werde sein ›Problem‹ dort nicht los. Die Verschiebung der Hierarchie zwischen beiden Politiker_innen setzte sich bei der Wahl zur Ministerpräsidentin fort. Da Carstensen auch antrat, wurde diese als »Showdown zweier Dickköpfe« (SZ 02.03.05: 6) inszeniert. Der CDU-Politiker wurde zunehmend aktiver: »Peter Harry Carstensen […] ballt seine rechte Faust – wie nach einem Siegtor in letzter Minute. Er reißt den Mund weit auf, sein Gesicht ist ganz rot, als er von seinem Platz aufspringt, rutscht beinahe sein Wasserglas vom Tisch.« (SPON 18.03.05a) Simonis hingegen erstarrte: »Sie sitzt meist still auf ihrem Platz, sie sucht auch selten den Blickkontakt mit ihren Fraktionskollegen. Selbst als sich die Lage zuspitzt […], bleibt es in den SPD-Reihen merkwürdig still. Fraktionschef Hay verschränkt die Arme und schaut ins Nichts, neben ihm sitzt Simonis wie angewurzelt.« (SPON 18.03.05 A )

Nach dem dritten Wahlgang habe Carstensen der SPD Koalitionsverhandlungen angeboten: »Lasst es gut sein, lautete die Botschaft – keinen neuen Wahlgang, so der Vorschlag: Wir geben euch die Chance, hier anständig rauszugehen, und dann reden wir in Ruhe über eine große Koalition, ohne Druck und ohne Vorbedingungen. Das soll die Ansage gewesen sein.« (Spiegel 12/05: 39) Auch hier wird Carstensen nicht nur als später Sieger über eine Politikerin inszeniert, deren Paralyse plastisch beschrieben wurde, sondern auch als derjenige, der das Heft des Handelns in die Hand nimmt, um die für Simonis unwürdige Situation zu beenden. Der abschließende Hinweis, die SPD bestreite, ein solches Angebot erhalten zu 1 | Nach dem israelischen Modell lösen sich Politiker_innen zweier gleich starker Koalitionspartner nach der Hälfte der Wahlperiode an der Regierungsspitze ab. Praktiziert wurde dies erstmals in Israel 1984-1988.

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

haben, verstärkt den Eindruck. Weder die paralysierte Simonis noch die SPD werden als fähig dargestellt, einen Ausweg aus der misslichen Lage zu finden. Nicht einmal die ausgestreckte Hand der CDU hätten sie ergreifen können, so die Botschaft zwischen den Zeilen. Während im Wahlkampf die populäre Landesmutter dem Provinzpolitiker als weit überlegen inszeniert wurde, drehte sich die Darstellung in den Medienbildern des Debakels am 17. März geradezu um. Am Ende blieben eine geschockte alternde Politikerin und ein später Held.

7.2.4 Inszenierung des Abschieds aus der Politik In den Inszenierungen von Simonis’ Abschied aus der Politik konkurrierten mehrere Bilder. So wurde die »erste und einzige deutsche Regierungschefin« (SPON 23.04.05) skizziert, die den Abschied schwer nehme (Bild BU 28.04.05: 2); »eine Frau, die mühsam ihr politisches Erbe skizzierte, die gequält Bilanz zog einer einmaligen Regentschaft« (SZ 25.04.05: 3). Die Benennung »Frau« ohne jegliche Amts- oder Funktionsbezeichnung reduziert Simonis auf das Geschlecht. Daneben wurde die »Heilige« und »Märtyrerin« der SPD inszeniert, der die Partei in Schleswig-Holstein so viel zu verdanken habe (SZ 25.04.05: 3). Vor allem das Boulevard-Blatt Bild fragte nach Simonis’ künftigem (Privat-) Leben (Bild BU 28.04.05: 2), rief dabei klischeehafte Geschlechterbilder auf und illustrierte die Texte mit Zitaten der Politikerin. Sie habe Angst, »auf einmal ein Niemand zu sein. […] Die Angst vor der Leere und Stille, wenn plötzlich um einen herum keine Kameras und Mikrofone mehr sind, man von heute auf morgen keine Einladungen mehr bekommt«. Nun sei es soweit. Auch Simonis’ Aussage zu ihrer Ehe wurde angeführt, enge Zweisamkeit gehe nicht, weil ihr Mann unter ihrer Energie verrückt werde (Bild HH 19.03.05: 2). Dies lädt zu der Frage nach einem baldigen Ehekrach ein. Der letzte Artikel über Simonis aus Anlass der Wahl ihres Nachfolgers endete mit dem Hinweis, die Politikerin, die das Privileg eines Dienstwagens so geschätzt habe (s.S. 193), müsse nun lernen, ihren Toyota selbst einzuparken. Ganz am Schluss steht also das Klischee der Frau, die nicht einparken kann (Bild BU 28.04.05: 2). Die politischen Nachrufe hatten überwiegend den Tenor des jammervollen Endes einer respektablen Karriere (SZ 18.03.05: 4), die an den Ausnahmestatus der ersten und nach wie vor einzigen Ministerpräsidentin Deutschland rückgebunden wurde (Bild HH 19.03.05: 2, FAZ 19.03.05: 3a, SZ 19.03.05: 2). Einerseits hieß es, wie bei Bundeskanzler Helmut Kohl und Papst Johannes-Paul II hätten viele jüngere Mitarbeiter_innen und Journalist_innen nie eine_n andere_n Ministerpräsident_in kennengelernt (FAZ 28.04.05: 3). Andererseits wurde Simonis’ Amtszeit mit »Rekord-Schulden« (Bild HH 19.03.05: 2) und einer nur mäßigen Regierungsbilanz (FAZ 19.03.05: 3a) in Verbindung gebracht. Die FAZ skizzierte ihre Karriere als beständigen Abstieg. 1996 habe sie die absolute Mehrheit verloren. Im Jahr 2000 die rot-grüne Koalition nur knapp

197

198

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

verteidigt.2 Durch einen Skandal sei sie ins Amt gekommen, durch einen Skandal auch wieder abgegangen (FAZ 19.03.05: 3a). In Inszenierungen des Abschieds und in den politischen Nachrufen wurde Simonis’ Ausnahmestatus unter den männlichen Regierungschefs aktualisiert. Dabei konkurrierten Aussagen über die Politikerin mit respektabler Karriere und klischeehafte Bilder über die Frau Heide Simonis.

7.2.5 Zwischenfazit: Demontage einer mächtigen Frau Bereits in den Inszenierungen von Simonis’ Wahlkampf hatte sich der Kontrast zwischen der handlungsmächtigen Politikerin und der exaltierten Frau gezeigt. Erklärt wurde er mit dem Fehlen eines medialen Bildes für Politikerinnen an der Macht. Dieser Befund wurde in den Texten über Simonis’ Scheitern bei der Wahl zur Ministerpräsidentin 2005 im Wesentlichen bestätigt. Dabei dominierte das Bild der an der Macht klebenden alternden Frau, die ein zweifelhaftes Tolerierungsbündnis einging, um nicht einer großen Koalition Platz machen zu müssen. Diese Inszenierung wurde sprachlich an die Kategorie Geschlecht rückgebunden, verbunden mit der Zuweisung zumindest eines Teils der Verantwortung für das Debakel an Simonis. Sie habe in machtverliebter Blindheit den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören verpasst. In den medialen Bildern über Simonis’ Debakel standen männlich kodierte Kampfmetaphern unverbunden neben der zutiefst getroffenen Frau, die mit Klischees und traditionellen Geschlechterbildern illustriert wurde. Emotionen und Körperpraktiken drückten persönliche Verletzung, Enttäuschung und Schutzbedürftigkeit aus, aber auch fehlendes Verständnis für das eigene Scheitern. Die mediale Metamorphose von der populären Landesmutter und handlungsmächtigen, pragmatischen Politikerin zur alternden, machtversessenen Frau wird deutlich in den Kontexten mit Simonis’ Gegenkandidaten Carstensen. Dieser nimmt das Heft des Handelns immer mehr in die Hand, während Simonis zunehmend paralysiert erscheint. Die Konkurrenz dieser Bilder wird in den Medientexten über Simonis’ politischen Abschied deutlich. Da ist zum einen die Politikerin, die um Haltung ringend ihr politisches Erbe schildert, und andererseits die Frau, die einer tristen privaten Zukunft entgegenblickt. Das Motiv der an der Macht klebenden Frau wiederum schließt sich an die negativen Konnotationen an, mit denen Ehrgeiz und Karrierebewusstsein von Politikerinnen in medialen Repräsentationen verbunden sind, z.B. bei Schmidt 1998 in Bayern (s.S. 124), aber auch bei Simonis selbst (s.S. 150) und später bei Ypsilanti in Hessen (Kap. 7.3.1). Zumindest auf dem Boulevard behält bei Simonis am Ende die private Frau gegenüber der Ministerpräsidentin a.D. weitgehend die Oberhand. Das wird in dem Klischee der Frau, die einparken lernen müsse, besonders eindrücklich. 2 | Diese Aussage ist nicht korrekt. Die SPD verbesserte ihr Ergebnis von 39,8 % auf 43,1 % und machte Verluste der Grünen mehr als wett, sodass die Koalition mit verbessertem Ergebnis weiterregieren konnte (Statistik Nord 2013).

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

7.3 A NDREA Y PSILANTI

IN

H ESSEN 2008

Andrea Ypsilanti hatte im Wahlkampf eine Zusammenarbeit mit der Linken mehrfach explizit ausgeschlossen (SZ 03.01.08: 3; Bild BU 05.03.08: 1-2). Das machte es heikel, diese Option nach der Wahl dennoch ins Auge zu fassen. Zugleich lehnte Ypsilanti jedoch eine große Koalition mit Roland Kochs CDU ab. Die FDP stand ihrerseits für ein Ampelbündnis nicht zur Verfügung. Wollte Ypsilanti also Regierungsmacht erlangen, stand sie vor einem Dilemma zwischen verschiedenen Wahlkampfversprechen. In diesem Kapitel wird zunächst nachgezeichnet, wie die Medien Ypsilantis Ankündigung, sich auch mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, als »Wortbruch« skandalisierten (Kap. 7.3.1) und hierbei die Kategorie Geschlecht inszenierten (Kap. 7.3.2). Es folgt die Analyse der Thematisierung von Diskussionen und Konflikten innerhalb der SPD im Kontext des »Wortbruchs« (Kap. 7.3.3). Wie die Medien Ypsilantis Scheitern antizipierten und verhandelten, wird in einem weiteren Kapitel nachgezeichnet (Kap. 7.3.4). Des Weiteren wird nach dem männlichen Maßstab politischer Bedeutung (Kap. 7.3.5) – auch in Kontexten mit dem Gegenkandidaten Koch (Kap. 7.3.6) – gefragt. Schließlich wird untersucht, wie Ypsilantis Rolle bei der Öffnung der SPD zur Linkspartei verhandelt wurde (Kap. 7.3.7).

7.3.1 Skandalisierung der Linkswende als »Wortbruch« Nach einer unbedachten Äußerung des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck schossen Spekulationen ins Kraut, Ypsilanti könne sich nun doch mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin von Hessen wählen lassen (Spiegel 10/08: 27). Am 3. März gab sich die SPD-Politikerin in der ARD-Talkshow Beckmann noch unentschieden. Einen Tag später kündigte sie Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und ihre Kandidatur als Ministerpräsidentin am 5. April an. Sie begründete dies mit ihrem Dilemma. Sie habe im Wahlkampf sowohl versprochen, nicht mit der Linken zusammenzuarbeiten, als auch Studiengebühren abzuschaffen und die Energiewende in Hessen herbeizuführen. Eines der beiden Versprechen könne sie nicht halten. Sie habe sich daher nach langem Abwägen für die Inhalte entschieden. Die Medien griffen die Rechtfertigung auf (FAZ 05.03.08: 1, SZ 05.03.08: 1), jedoch nicht als Dilemma, sondern als »Wortbruch«. Während die sogenannten Qualitätsmedien zunächst vor allem die politischen Risiken abwogen (FAZ 05.03.08: 1, Spiegel 10/08: 24, SZ 05.03.08: 1), schlug das Boulevardblatt Bild sofort einen skandalisierenden Ton an, warf der SPD-Politikerin vor, Deutschland »schamlos belogen« zu haben, kreierte die Spitznamen »Lügilanti« (Bild BU 05.03.08: 1-2) und »Tricksilanti« (Bild BU 12.08.08: 2) und verglich Ypsilanti mit einem Geisterfahrer, der sich frage, warum ihm so viele Autos entgegen kommen (Bild BU 29.10.08: 2). Auf Basis dieses »Wortbruchs« inszenierten alle Medien eine ehrgeizige und unbeirrbare Egomanin in quasi-religiöser Mission. Dem diente vor allem die Argumentationsfigur, Ypsilanti schiebe ihre politische Programmatik nur vor, um ihren

199

200

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

persönlichen Ehrgeiz zu verschleiern. Dazu überhöhe sie die Inhalte, sodass diese zu Glaubensfragen mutierten. »Wenn sie dann wieder über den Politikwechsel spricht, […] stellt sich die Sache allerdings genau umgekehrt dar. Es wirkt dann, als verstecke sich Andrea Ypsilanti hinter Windrädern, hinter der Gemeinschaftsschule, hinter der tarifgemäßen Bezahlung von Landesbediensteten. Hinter diesem großen Wort vom Politikwechsel, das inzwischen viel zu groß wirkt für die Landespolitik. Es sieht aus, als sei sie in eine Art Wettkampf getreten: Je übermächtiger und gleichzeitig holzschnittartiger das Bild von der machtbesessenen Egomanin wird, desto mehr überhöht sie das Mantra vom Politikwechsel, um selbst nicht allzu sichtbar zu sein.« (SZ 30.08.08: 7)

Ypsilanti wolle Ministerpräsidentin werden, obwohl sie die Wahl nicht gewonnen habe und die SPD nicht stärkste Partei sei (SZ 31.03.08: 3, Spiegel 10/08: 27, Bild BU 04.11.08: 2). Sie glaube, diesen Posten nach ihrem »Weg von der chancenlosen Herausfordererin zur strahlenden (Beinahe-)Siegerin« verdient zu haben (SPON 04.03.08). Ihre Bemühungen um eine von der Linken tolerierte Minderheitsregierung wurden als narzisstisch bezeichnet (SPON 02.09.08). Sie sei extrem ehrgeizig und fühle sich »zum Regieren berufen« (SZ 30.08.08: 7). Stur, zäh, »renitent, robust und unbeirrbar« sowie ein »unbändige(r) Wille« lauteten weitere Attributionen (Bild BU 04.11.08: 2, Spiegel 36/08: 30, 31, SPON 02.09.08). Allerdings fürchte sie sich davor, ihr Ziel klar auszusprechen. Seit sie in den 1980er Jahren in der Juso-Frauengruppe männliche Formen der Machtausübung kritisiert habe, habe sie wohl verinnerlicht, »nicht nur ›ich will‹ zu sagen, sondern immer: ›Ich will, weil …‹«. Gleichwohl sei ihr Pochen auf Inhalte nicht glaubwürdig (SZ 30.08.08: 7). Vielmehr gehe es um ihre Person. Ypsilanti setze sich und die SPD in eins (FAZ 06.10.08: 3). Sie könne nicht mehr zwischen der persönlichen und der inhaltlichen Ebene trennen. »Es sieht aus, als hätten sich diese Ebenen in ihr selbst längst vermischt, weil sie anders nicht die Kraft aufbrächte, all die Einwände, Warnungen und Angriffe aus der eigenen Partei auszusitzen. Und die Kraft, dieser Partei Schaden zuzufügen, ohne öffentlich eine Regung des Bedauerns zu zeigen. Man kann sich kaum vorstellen, dass sie diese Kraft hätte, wenn sie sich nicht vor sich selbst auf ein größeres, höheres Ziel berufen könnte. Auf eine Mission, die nur sie erfüllen kann.« (SZ 30.08.08: 7)

Ypsilanti zeichne in mächtigen Bildern einen Kampf Gut gegen Böse, hinter dem konkrete landespolitische Fragen verblassten (SZ 31.03.08: 3, SZ 30.08.08: 7). Die Süddeutsche Zeitung (SZ) verknüpft also das Beharren auf inhaltlichen Zielen, für die Ypsilanti angetreten ist, und ihren Machtwillen zu einer quasi-religiösen Mission statt zu einer politischen Aufgabe und relativiert damit die Bedeutung politischer Programmatik für das Ringen um Macht.

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

Dieser Inszenierung entsprechend wurde Ypsilanti als »heilige(n) Johanna« (Spiegel 36/08: 33) und »Erlöserin« (SZ 31.03.08: 3) adressiert. Die Juso-Frauengruppe, ihre Berater (Spiegel 36/08: 31), der SPD-Parteitag (SZ 31.03.08: 3), die SPD Hessen (Spiegel 36/08: 30) und letztlich das gesamte Bundesland (FAZ 31.03.08: 2) wurden als ihre Glaubensgemeinschaften bezeichnet. Doch in ihrem Glauben, das Richtige zu tun, verrenne sie sich (SPON 02.09.08). Deswegen lasse sich Ypsilanti von der Bundes-SPD nicht beirren (Bild BU 12.08.08: 2). Der Spiegel schrieb in dem Beitrag »Die Seelsorgerin«, Berlin sei eine Welt, »für die sie kein Verständnis mehr hat und in der sie selbst nicht mehr verstanden wird« (Spiegel 36/08: 30). Auf einer halben Seite wird ein Gespräch mit Ypsilanti im Flugzeug von Berlin nach Frankfurt thematisiert. Die Politikerin kommt dabei ausführlich selbst zu Wort. Es sei schade, dass jemand, der mit einer Vision Erfolg habe, als Verrückte abgestempelt werde. Sie erkläre das mit fehlender Phantasie, mit dem Abfinden mit der großen Koalition und damit dass sich niemand mehr »an die großen Überschriften« traue. »Der Steinbrück sagt: Mach ’ne Große Koalition und fertig. Na klasse. Was hätte ich denn von einer Großen Koalition? 10.000 Austritte, das hätte ich davon.« Ypsilantis eher resigniert klingendes Resümee »irgendwie desillusionierend« und »(u)nglaublich schade« steht hier im Gegensatz zu einem Erregung und Ärger suggerierenden Sprachduktus mit kurzen, teils unvollständigen Sätzen und umgangssprachlich verkürzten unbestimmten Artikeln. In den folgenden Passagen werden diese Aussagen ironisch gebrochen. Zunächst wird beschrieben, wie Ypsilanti die Schuld an der Misere der SPD und den miesen Umfragewerten von sich wies: »›Ich!‹, sagt Ypsilanti, sie weitet die Augen, sie formt das unschuldigste Gesicht auf Erden. ›Ich!‹ Lange Pause. ›Das ist geradezu grotesk.‹« Dem wiederholten »Ich« folgt keine Erklärung, sondern nur die Wertung »grotesk«. Die ›Unschuldsmiene‹ lässt Ypsilantis Verständnislosigkeit als inszeniert erscheinen. So entsteht das Zerrbild einer Person, an der jede Kritik abprallt. Die Kritik nutze sie, um die eigenen Reihen zu schließen. Dazu wurde eine Lebensweisheit aus Ypsilantis Familie zitiert: »Von ihrer Oma, sagt Ypsilanti, habe sie eine schöne Weisheit übernommen: Was schlecht ist, ist auch für was Gutes gut. ›Das Gute an all der Kritik ist: Wir sind jetzt so was von geschlossen in Hessen, geschlossener geht’s gar nicht.‹« Am Ende werden Hessen als gelobtes Land und Ypsilantis politische Freund_innen als Glaubensgemeinschaft inszeniert: »Dann die Landung im Land der großen Überschriften, wo die Illusionen noch blühen dürfen. Endlich Hessen. Wer mit Andrea Ypsilanti redet und all die Geschichten von ihren Freunden aus Hessen hört, der bekommt den Eindruck, als hätten sie sich selbständig gemacht, als eigene Glaubensgemeinschaft.«

Die Begriffe, mit denen die Politikerin weiter oben die Bundes-SPD beschrieben hat – die Angst vor den großen Überschriften, das Desillusionierende – werden wieder aufgegriffen, karikierend überhöht und dem Bundesland Hessen zugeschrieben. Die Formulierung

201

202

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

vom ›Selbstständig machen‹ als eine eigene Glaubensgemeinschaft betont am Ende noch einmal den Kontrast zwischen einer als realistisch gedachten Politik in Berlin und den als ›Träumereien‹ konnotierten Visionen in Hessen. (alle Zitate: Spiegel 36/08: 30). Dieses Bild wurde durch einen privaten Kontext verstärkt. Ypsilantis Lieblingskinderbuch, das sie ihrem Sohn vorgelesen habe, handele von der Maus Frederick3, die Sonnenstrahlen für den Winter sammele, während die anderen Feldmäuse arbeiten, und damit unter ihren Freund_innen im Winter die Illusion von Wärme verbreite (Spiegel 36/08: 35). Ypsilanti identifiziere sich mit Frederick, so darf vermutet werden. Insgesamt inszenierten die Medien Ypsilantis Ziel, sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, in skandalisierendem Tenor als Plan einer ehrgeizigen Egomanin, die sich auf quasi-religiöser Mission wähnt und deren politische Ideale unter anderem durch private Rahmungen als Träumereien qualifiziert wurden. Wie schon bei Renate Schmidt 1998 (s.S. 124) und Heide Simonis 2000 (s.S. 150) wurden ihre Ambitionen extrem negativ bewertet. Explizite Rückbindungen an die Kategorie Geschlecht gab es anhand der Juso-Frauengruppe und durch die Adressierung »Heilige Johanna«. Auch der Hinweis, Ypsilanti genieße Zuspruch und Zuneigung, könnte als weiblich kodiert gelesen werden.

7.3.2 Geschlecht bleibt Thema Spiegel online verglich die Politikerin unter dem Titel »Das Pauli-Ypsilanti-Phänomen« mit der vormaligen CSU-Politikerin Gabriele Pauli4 (SPON 02.09.08). Ypsilantis »besinnungslos anmutende(r) Versuch, mit der Linken in Hessen eine Regierung auf die Beine zu stellen«, sei mit Paulis Kampf gegen den CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber vergleichbar. Aufhänger des Beitrags war ein Foto-Shooting der Hessin im roten Abendkleid von Dior für die Illustrierte Bunte, was Paulis Fotos in schwarzen Latex-Handschuhen entspreche: »Beides Fälle von Exhibitionismus, wie sie neu sind in der Politik. Es gibt kein Bild eines deutschen Politikers, das an diese Fotos heranreicht – am ehesten jenes von Klaus Wowereit, wie er sich einen Damenpumps so vor den Mund hält, als schlürfe er Champagner daraus. Nichts bereut Klaus Wowereit so sehr wie diesen Schnappschuss.« 3 | Lionni, Leo: Frederick. Middelhauve, Köln 1985. 4 | Gabriele Pauli war von 1990 bis 2008 CSU-Landrätin des Kreises Fürth. 2007 kandidierte sie als eine Art CSU-Rebellin neben Horst Seehofer und Erwin Huber für die Nachfolge von Edmund Stoiber als CSU-Parteivorsitzende. Dabei fiel sie durch exzentrische Werbung auf. U.a. ließ sie sich im Stil einer Domina in Latex-Handschuhen fotografieren. Nach ihrer Niederlage trat sie aus der CSU aus und zog für die Freien Wähler in den Bayerischen Landtag ein. Nach dem Zwischenspiel dort gründete sie die Partei Freie Union, aus der sie jedoch wieder austrat (Fischer 2009; Focus online 2007).

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

Hier werden drei sexuell aufgeladene Bilder mit unterschiedlicher Symbolik nebeneinander gestellt. Das rote Abendkleid signalisiert weiblichen Luxus, die Latexhandschuhe weibliche Dominanz und der ›Champagner-Schuh‹ männliche Dekadenz. Allerdings zeigte der Mann anders als die Frauen Reue für den sexualisierten Fehltritt. Anhand dieser fehlenden Reue schlägt Spiegel online mit einem Wortspiel eine Brücke zu Nacktfotos deutscher Sportlerinnen für das Männer-Magazin Playboy und mutmaßt, auch Politikerinnen könnten irgendwann dieses Tabu brechen: »Bisher ziehen sich Politikerinnen nur besonders an. Der Sport ist da schon einen Schritt weiter. Der ›Playboy‹ hat es geschafft, mehrere deutsche Olympia-Teilnehmerinnen zu Nacktfotos zu bewegen. Dieser letzte Schritt steht in der Politik noch aus. Wir sollten auf alles gefasst sein.«

Die Rechtfertigung der Sportlerinnen (»Sind doch schön, die Bilder«) ähnelten Ypsilantis und Paulis Aussagen sowohl zum jeweiligen Outfit als auch zu ihrem politischen Handeln: »Erst wollte ich nicht, dann habe ich es doch gemacht.« (alle Zitate SPON 02.09.08) Die FAZ kontextualisierte Ypsilantis Vorhaben mit Wowereits damaliger rot-roter Koalition in Berlin. Das Blatt zitierte die »steile These« des dortigen Finanzsenators Thilo Sarrazin: »Ein Wowereit und ein Wolf (Wirtschaftssenator, Linkspartei) mit einem Finanzsenator Sarrazin könnten auch in Hessen regieren. Zu dritt würden wir das hinkriegen.« Hessen könne jedoch nur mit den Steinen pflastern, die das Land habe. Im Herbst regiere demnächst möglicherweise eine Ministerpräsidentin Ypsilanti mit einer rot-grünen Minderheitsregierung, die abhängig von den Stimmen der Linken sei. Ausführlich wog die FAZ die Risiken einer solchen Konstellation ab. Dies mündete in der Aussage, das »persönliche Wagnis« der SPD-Politikerin werde zum »unabsehbare(n) Risiko für Hessen«. Der Artikel endete mit dem Satz: »Und weit und breit kein Sarrazin.« (FAZ 02.08.08: 1) Dies könnte vergeschlechtlicht gelesen werden. Zwar gibt es weder explizite Aussagen über Männer und Frauen, noch entsprechend kodierte Attributionen. Jedoch werden drei Politiker in einer stabilen Koalition einer Politikerin gegenübergestellt, deren Geschlecht, wie bei der FAZ üblich, durch das Attribut »Frau« vor dem Nachnamen betont und deren Handeln als »hochriskant« bezeichnet wird. Die FAZ scheint das hessische Personal, für das Ypsilanti steht, für weniger kompetent zu halten als das Berliner. Verstärkt wird dieser Gegensatz durch den Abschlusssatz, der sich wie ein Hilferuf an Sarrazin liest. In beiden analysierten Passagen wird die Kategorie Geschlecht zwar nicht dekontextualisiert, sondern in politischen Kontexten thematisiert. Sie bewirkt dennoch vorrangig eine Sexualisierung, wie in der Abendkleid-Episode, und eine generelle Abwertung der Politikerin Ypsilanti.

203

204

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

7.3.3 Thematisierung der Diskussionen in der SPD Die Diskussionen innerhalb der SPD hatten mehrere Kristallisationspunkte in den Medien. Beim ersten gescheiterten Anlauf wurden handwerkliche und kommunikative Fehler thematisiert. Der zweite Anlauf wurde zwischen der Wertung als Beispiel innerparteilicher Demokratie einerseits und Erpressung andererseits diskutiert. Daneben wurde die Unterstützung der SPD Hessen für Ypsilanti verhandelt. Zwei Tage nachdem am 6. März 2008 durchgesickert war, dass die SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger Ypsilanti nicht mit den Stimmen der Linkspartei wählen wolle, zog diese ihre Kandidatur zurück. Schon in der Rezension der Talkshow Beckmann hatte Spiegel online geschrieben: »Das Hauptproblem der SPD ist […] nicht die Neuorientierung im Umgang mit der Linkspartei. Es ist vielmehr die Kommunikation dieser Strategie.« (SPON 04.03.08) Die FAZ sprach im August rückblickend von »haarsträubenden Fehlern«. Es habe »(t)rotz des Entsetzens in Teilen der SPD über Ypsilantis Wortbruch […] kein funktionierendes Frühwarnsystem, keine Probeabstimmung in der Landtagsfraktion« gegeben. Zweimal habe die Politikerin zu früh gejubelt, in der Wahlnacht (in der es lange Zeit so aussah, als sei die SPD stärkste Partei, D.B.) und bei ihrem ersten Anlauf zur Wahl im März. Beides habe sie bitter gebüßt (FAZ 02.08.08: 1). Deswegen schlage sie nun »hier und da neue Töne an«. Doch in ihrer Diktion relativierte die FAZ die Selbstkritik: Man hätte bei der Willensbildung einiges sensibler machen können, sei vielleicht zu hastig vorgegangen und habe es an der notwendigen Beteiligung vermissen lassen (FAZ 06.10.08: 3). Der zweite Anlauf wurde in den Medien im Kontext der knappen Mehrheit verhandelt, die wegen Metzgers anhaltendem Nein nur eine Stimme betrug. Einerseits zitierte die FAZ Ypsilanti mit den Worten, »diesmal sei das Verfahren ein mustergültiges Beispiel für innerparteiliche Demokratie« (FAZ 06.10.08: 3). Die SZ sprach von Beharrlichkeit und Akribie (SZ 04.11.08: 4). Andererseits werde die Fraktion »bis auf die Knochen durchleuchtet« (FAZ 02.08.08: 1). Bild skandalisierte Personalentscheidungen als Bestechung. Ypsilanti wolle die Zustimmung ihres innerparteilichen Gegenspielers Jürgen Walter und der Abgeordneten Nancy Faeser mit Kabinettsposten erkaufen. Die Fraktion werde mit der Drohung von Neuwahlen, die einige das Mandat kosten könnten, erpresst (Bild BU 12.08.08: 2). Die FAZ schrieb über die disziplinierende Wirkung einer drohenden großen Koalition (FAZ 02.08.08: 1). Einige Abgeordnete wollten laut Spiegel in der Wahlkabine mit dem Handy ihren Stimmzettel fotografieren, um im Fall eines Falles ihre Unschuld beweisen zu können (Spiegel 45/08: 42). Gleichwohl unterstützte die SPD Hessen Ypsilanti in medialer Optik fast ausnahmslos. Kritiker_innen wurden geradezu als Aussätzige inszeniert. Der als »Triumphmarsch« zelebrierte Einmarsch beim Parteitag Ende März 2008 sei mit »Jubelschreie(n)« begleitet worden (FAZ 31.03.08: 2). Die SPD sei »wie berauscht« vom Linkskurs (FAZ 06.10.08). Nachdem die SZ im März von Zustimmung trotz Bedenken in der Landtagsfraktion geschrieben hatte (SZ 05.03.08: 1), wurde der innerparteiliche Disput fast nur noch als Konflikt zwischen mächtigen Bundespolitikern und Ypsilanti

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

inszeniert, zwischen denen Parteichef Kurt Beck ins Trudeln kam (Bild BU 05.03.08: 1-2; Bild BU 08.03.08: 1-2, Spiegel 10/08) (Kap. 7.3.5). Die SZ resümierte, Ypsilanti habe den Widerstand in der Landespartei, den sie mit falschen Wahlversprechen selbst gesät habe, unterschätzt. »Sie hat versucht, Skeptiker in ihrer Partei zu gewinnen, und Skeptiker haben sie im Glauben gelassen, das sei ihr gelungen.« (SZ 04.11.08: 4) In Bezug auf die Prozesse in der SPD thematisierten die Medien also Fehler und Versäumnisse. Daneben wurden undemokratische Kontrolle der Fraktionsmitglieder wie auch die Unterstützung für Ypsilantis Kurs als rauschhafte Gefolgschaft mit wenigen Außenseitern inszeniert. Der Disput über den Linkskurs wurde überwiegend als Konflikt mit der Bundespartei verhandelt.

7.3.4 Inszenierung des Scheiterns Bereits den Abbruch von Ypsilantis erstem Anlauf zur Regierungsbildung inszenierte Bild als Abgesang auf die Politikerin (Bild BU 08.03.08: 1-2). Danach wurde ihr antizipiertes Scheitern mit ihrem Karriereende (Spiegel 10/08: 32), mit Neuwahlen (FAZ 02.08.08: 1), dem Auseinanderfallen der SPD Hessen (FAZ 02.08.08: 1) und Schaden für die Bundespartei in Verbindung gebracht (Spiegel 36/08: 31). Die SPD-Linke verliere eine wichtige Repräsentantin (SPON 03.11.08). Allerdings zerrinne ihr gutes Wahlergebnis, wenn sie es nicht versuche (FAZ 02.08.08: 1). Außerdem habe sie ihr Projekt »Soziale Moderne« mit so viel Bedeutung aufgeladen, dass es jetzt schwer falle, zu kapitulieren (Spiegel 36/08: 35). Am Ende wurde Ypsilantis Vorhaben als politisch naiv, strategisch blind (SPON 03.11.08) und blauäugig (SZ 04.11.08: 4) kommentiert. Es sei gut, dass der Powerfrau der Dampf abgelassen worden sei (Bild BU 04.11.08: 2). Sie habe alles auf eine Karte gesetzt, ihre Glaubwürdigkeit und ihre politische Zukunft verzockt (SPON 03.11.08). Sie, die Wortbrüchige, sei nun selbst über den Wortbruch der Abweichler_innen gestürzt. Sie habe bei der Wahl zur SPD-Vorsitzenden, zur SPD-Spitzenkandidatin und bei der Landtagswahl gegen Männer gesiegt, sei nun aber an drei Frauen, den Abweichlerinnen Carmen Everts, Dagmar Metzger und Silke Tesch, gescheitert (Bild BU 04.11.08: 2). Spiegel online überhöhte Ypsilantis Niederlage zur modernen Version von Lady Macbeth (SPON 03.11.08).5 Ypsilantis Scheitern wurde also überwiegend skandalisierend verhandelt zwischen persönlicher Hybris, politischer Unfähigkeit, dem Schaden für die SPD und den Motiven der vier Abweichler_innen .

5 | In Shakespeares Tragödie sind Macbeth und seine Frau zunächst treue Vasallen des schottischen Königs Duncan. Als Macbeth die Prophezeiung hört, er werde König, tötet er Duncan. Seine Frau und Mittäterin verliert den Verstand und bringt sich um.

205

206

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

7.3.5 Politische Bedeutung bleibt männlich Kontexte in den Medien, in denen Ypsilanti mit Männern dargestellt wurde, fügten sich in die herausgearbeiteten Motive. Dabei rückten vor allem SPD-Chef Kurt Beck sowie die beiden Vize-Vorsitzenden und Bundesminister, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier, in den Blick. Letztere hätten sich Anfang März 2008 vergebens bemüht, Ypsilanti von ihrem Vorhaben abzuhalten (Bild BU 05.03.08: 1-2, Spiegel 10/08: 26). Dies lässt sich lesen als Versuch, eine renitente Göre zur Vernunft zu bringen. Bild fragte bereits im März, ob Beck über Ypsilantis »linke Nummer« stürze (Bild BU 08.03.08: 1-2). Der Spiegel wies ihm die Schuld am vorzeitigen Bekanntwerden der geplanten Wahl mit Hilfe der Linken zu und skizzierte zwei unfähige Provinzpolitiker_innen – eine machtbewusste Frau und einen männlichen Dörfler: »Eine Frau, die an die hessischen Machthebel will, drängt einen Mann aus einem pfälzischen Dorf zu einem historischen Entschluss, und der plaudert ihn zur Unzeit versehentlich aus. So wird Geschichte gemacht.« (Spiegel 10/08: 24) Im Sommer gab Spiegel online beiden »die Hauptrollen im Circus Maximus der deutschen Innenpolitik« (SPON 02.09.08). In der Antike fanden im Circus Maximus Gladiatorenkämpfe statt, die meist mit dem Tod eines der Kämpfer endeten. In der Tat trat Beck am 7. September als SPD-Vorsitzender zurück. Die Metapher lässt das antizipierend als Ypsilantis Werk erscheinen. Laut Spiegel lehnte auch die SPD-Linke in Berlin Ypsilantis Vorhaben ab, um den schwachen Parteivorsitzenden zu stützen und den Agenda-Architekten Steinmeier als Nachfolger zu verhindern (Spiegel 10/08: 32). Dieser benötige allerdings Ypsilantis »Frauenmut«, wenn er Beck die Kanzlerkandidatur streitig machen wolle (Spiegel 10/08: 29). Der Begriff Frauenmut wird nicht erläutert. Im vorliegenden Kontext wird jedoch Ypsilantis Unbeirrbarkeit und Konfliktfähigkeit mit ihrem Geschlecht kontextualisiert und durch den Begriff Mut positiv konnotiert. Im Kontrast dazu inszenierte das Nachrichtenmagazin die Politikerin einige Monate später als eine Art Spielfigur ihrer Berater, »Superminister« Hermann Scheer, SPDGeneralsekretär Norbert Schmitt und »Strippenzieher« Gernot Grumbach (Spiegel 36/08: 31). »Die drei wichtigsten Politiker, von denen Ypsilanti sich tragen lässt, sind Männer, deren Sendungsbewusstsein stets größer war als ihr Einfluss. Sie selbst würden keinen Spitzenkandidaten abgeben, deshalb haben sie ihre Hoffnungen und Sehnsüchte auf Ypsilanti projiziert. Sie haben sie zu ihrer heiligen Johanna gemacht.« (S PIEGEL 36/08: 33)

Der Begriff Sendungsbewusstsein schließt sich an die Inszenierung als Glaubensgemeinschaft in einer quasi-religiösen Mission an (s.S. 201). Ypsilantis Vorhaben wird nicht als ihr eigenes dargestellt, sondern als Ergebnis der Projektionen ihrer drei Berater, die nicht zum Spitzenkandidaten taugten. Die SPD-Politikerin, so suggeriert der Spiegel, ist deren Produkt. Das Nachrichtenmagazin skizzierte den Energiepolitiker Scheer als »Eurosolar-

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

Lobbyisten« und »Selbstdarsteller«, dem es nicht an Selbstbewusstsein, wohl aber an Wertschätzung mangele. Ypsilanti sei die erste in der SPD, die ihn ernst nehme (Spiegel 36/08: 31). Er wiederum habe sie gegen alle Anfeindungen aus Berlin in Schutz genommen. Gleichwohl rätselte der Spiegel, warum sie an dieser Personalie festhalte, obwohl sie damit ihren innerparteilichen Gegenspieler Walter düpiere und das Scheitern ihres Vorhabens in Kauf nehme (Spiegel 45/08: 40). Die Darstellung Scheers als Lobbyist und Schwätzer, der ohne Einsicht seine eigene Inkompetenz zur Schau stelle, fällt auf Ypsilanti zurück. Sie sitze einem Blender auf, so die implizite Botschaft des Spiegel. Eng mit der Personalie Scheer verknüpft war in den Medien die Rolle Walters. Er wurde als unkalkulierbares Risiko bezeichnet (Spiegel 45/08: 40), zum einen, weil er in der Fraktion viele Anhänger_innen habe (Spiegel 10/08: 32), zum anderen wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse (Spiegel 45/08: 40). Am Ende hieß es einerseits, Ypsilanti sei auch gescheitert, weil sie nicht Willens und in der Lage gewesen sei, Walter als Vertreter des gemäßigten Flügels einzubinden (SPON 03.11.08). Er wiederum habe nicht verkraftet, von einer Frau besiegt worden zu sein. Seine »grobe Illoyalität«, interpretiert als späte Rache, habe sie politisch erwürgt (SZ 04.11.08: 4). Ypsilanti wurde also als Politikerin inszeniert, die keine handlungsmächtige Position zwischen Scheer und Walter einnehmen und unabhängig entscheiden konnte. In fast allen Kontexten mit Männern wurde Ypsilanti abgewertet, als irrationale Egomanin gegen die Appelle der Berliner SPD-Politiker, als Spielfigur ihrer Berater, als unfähig zu strategischen Personalentscheidungen. Lediglich im Kontext mit dem Parteivorsitzenden Beck zeigen sich auch andere Töne. Hier wurde er als Provinzpolitiker skizziert, der einen weitreichenden Fehler gemacht habe und dem die machtbewusste Frau überlegen sei (Lünenborg/Maier 2012: 90f).

7.3.6 Ministerpräsident Koch als lachender Dritter Immer wieder schloss Ypsilanti eine große Koalition mit der CDU unter Roland Koch aus (FAZ 05.03.08: 1, SPON 29.03.08, SZ 05.03.08: 1). Der Spiegel setzte das aus Anlass des Tags der offenen Tür im Landtag Ende August 2008 im direkten Kontakt in Szene. »›Guten Tag‹, sagt Koch und fährt seine Hand aus. ›Guten Tag‹, sagt Ypsilanti, sie lässt Kochs Hand ganz schnell wieder los. Dann will sie sich wieder der blonden Genossin zuwenden, aber der Ministerpräsident bemüht sich, so etwas wie einen Small Talk hinzubekommen. ›Ach guck mal, der Kicker hier‹, sagt Koch, er zeigt auf ein Tischfußballspiel vor dem SPD-Stand, ›da haben Sie ja rote und schwarze Figuren drin, das find ich gut. 'ne Große Koalition beim Kickern sozusagen.‹ ›Schaun Sie doch mal genau hin‹, sagt Ypsilanti. ›Die Roten spielen gegen die Schwarzen. Nicht miteinander.‹ Sie hat den Kicker extra noch umbauen lassen. Ursprünglich hatte er blaue Figuren, aber dann haben sie Schwarze hineinmontiert. Der Kampf Gut gegen Böse geht weiter.« (S PIEGEL 36/08: 35)

207

208

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Koch sucht in dieser Passage offensichtlich nach einem unverfänglichen Gesprächsthema. Ypsilanti hingegen ist der direkte Kontakt augenscheinlich unangenehm. Sie will keinen Small Talk, sondern weist auch beim Tischfußball darauf hin, dass sie gegen und nicht mit Koch spiele. Die Aussage vom Kampf Gut gegen Böse, der weitergehe, legt nahe, dass Ypsilanti nicht souverän genug für ein paar zwanglose Worte sei. Nach dem endgültigen Scheitern der Politikerin resümierte die FAZ, Ypsilanti habe als »Schutzpatronin« Koch das politische Überleben gesichert (FAZ 05.11.08: 1). Er bleibe im Amt, weil weder Ypsilanti noch die SPD sich als regierungsfähig erwiesen hätten. Ihre »neurotische politische Fixierung« auf das »Feindbild« Koch habe die Politikerin bitter bezahlt (SPON 03.11.08). Koch sei »der lachende Dritte neben Andrea Ypsilanti und Jürgen Walter« (SZ 04.11.08: 4). Auch wenn das kein Medium explizierte, legen die Formulierungen doch nahe, dass Ypsilanti genau das bewirkt habe, was sie durch ihren Versuch, sich mit Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, unbedingt verhindern wollte.

7.3.7 Mediale Anerkennung: Öffnung der SPD nach links Die Öffnung der SPD im Westen nach links verhandelten einige Medien als Ypsilantis Leistung, wenn auch bisweilen herablassend oder ironisch. In der Talkshow Beckmann am 3. März habe sie als »Selbstsicherheit in Person« bekannt, sie kenne die historische Bedeutung ihrer Entscheidung (SPON 04.03.08). Beim Parteitag habe sie dafür geworben, die Linken nicht als »Schmuddelkinder« zu betrachten (SPON 29.03.08). Der Spiegel erkannte die von Beck sanktionierte Öffnung also als »historisch« an und erklärte Politikerinnen als prädestiniert für solche Situationen. »Einmal mehr ist es eine Frau, die einen radikalen Schnitt macht. Einst hat Angela Merkel das System Kohl beendet und wurde die erste Bundeskanzlerin. Nun öffnet Andrea Ypsilanti die SPD nach links. Frauen waren in der deutschen Politik meist Außenseiter, und ihr Weg hat sie gelehrt, dass es nur wenige Chancen auf Macht gibt. Das macht radikal, sobald sich eine Chance eröffnet.« (S PIEGEL 10/08: 24)

Ypsilanti wird auf eine Ebene mit Angela Merkel gestellt, die Öffnung der SPD nach links mit dem Ende der Ära Kohl verglichen. Zugleich werden beide als Außenseiterinnen mit nur wenigen Chancen auf Macht gekennzeichnet, die sie dann aber umso radikaler ergreifen. Der Spiegel markiert Frauen also noch immer als Ausnahmen in der Politik und damit als die anderen, die zu extremen Mitteln greifen müssten, wenn sie Macht erlangen wollten. Einige Monate später wurde die historische Dimension noch einmal betont: »Es ist nicht ausgeschlossen, dass Andrea Ypsilanti einmal für den Anfang einer neuen politischen Zeit stehen wird. Einer Zeit, in dem (sic!) rot-rote Bündnisse so selbstverständlich sind wie U-Bahn-Fahren. Was heute wie Harakiri scheint, wäre im Rückblick der Beginn einer historischen Mission.« (S PIEGEL 36/08: 35).

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

Laut SZ war es Ypsilantis Leistung, dass niemand mehr in der SPD den Fehler mache, eine Zusammenarbeit mit der Linken auszuschließen und es dann doch zu wagen. »Ihre Hauptleistung aber besteht darin, dass sie bereits jetzt jenes Tabu gebrochen hat, mit dem sie selbst vor und nach der Wahl nicht umzugehen wusste. Eine feste, institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen SPD und Linkspartei wird schon wegen des Gewöhnungseffekts nie wieder so hitzig bis hysterisch diskutiert werden wie in Hessen – von der Bundesebene einmal abgesehen.« (SZ 24.10.08: 4)

Ypsilanti übernehme in der SPD die Rolle des ältesten Kindes, das Freiräume nicht nur für sich, sondern auch für die Jüngeren erkämpfe. Als ihre politischen jüngeren Geschwister nannte die SZ die Spitzenkandidat_innen Heiko Maas im Saarland, wo am 30. August 2009 Wahlen anstanden, und Hannelore Kraft in NRW (Kap. 7.4).

7.3.8 Zwischenfazit: Kontinuitäten und Brüche In den medialen Repräsentationen von Ypsilantis Versuch, eine von der Linken tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen zu bilden, finden sich Motive aus den Medientexten über den Wahlkampf wieder. Sie wurden jedoch entweder wieder zurückgenommen oder komplett anders bewertet. Die ihr im Wahlkampf zugesprochene Glaubwürdigkeit hatte die Politikerin in medialer Optik durch ihren »Wortbruch« komplett verspielt. Stattdessen wurde nun das Bild der ehrgeizigen Egomanin gezeichnet, die mit ihrer Hybris und politischen Unfähigkeit ihrer Partei und dem Land Hessen Schaden zufüge. Wie bereits bei Schmidt in Bayern 1998 und Simonis in Schleswig-Holstein 2000 wurden Ypsilantis Ambitionen und Ehrgeiz in den Medien extrem negativ kommentiert (Beck 2014a: 417f). Bei Männern hingegen gehört diese Eigenschaft zum Profil eines durchsetzungsstarken Politikers (Kap. 2.2). Mit dem Bild der ehrgeizigen Egomanin wurde also Ypsilantis Andersartigkeit als Politikerin in der Phase der versuchten Regierungsbildung konstruiert. Während Sturheit und Durchhaltevermögen im Wahlkampf im Kontext des Bildungsaufstiegs als sozialdemokratisches Ideal positiv konnotiert waren, wurden diese Eigenschaften nun als Starrsinn und politische Blindheit bezeichnet und negativ bewertet. Die Aussage, sie habe zwar ein explizit soziales Profil, jedoch kein Interesse an landespolitischen Kernthemen wie Wirtschaft und Haushalt, wurde zu dem Narrativ der quasi-religiösen Mission erweitert. Hier fügte sich auch das Motiv des »Kampfs Gut gegen Böse« ein, das im Wahlkampf vor allem Ypsilantis Gegenkandidaten Koch gegolten hatte, nun aber auf ihre gesamte Programmatik erweitert wurde. In dem Bild, die ehrgeizige Egomanin verstecke sich hinter überhöhten Inhalten, wird implizit der Gegensatz zwischen dem Weber’schen Machtbegriff unabhängig von politischen Inhalten und dem Frauen zugeschriebenen inhaltlich gefüllten Machtverständnis diskursiv verhandelt (Kap. 2.2.1, 2.3.4). Das »Verstecken« legt die

209

210

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Interpretation nahe, die Medien bewerteten dem Weber’schen Begriff folgend Wahlprogramme als zweitrangig für den Griff zur Macht. Im Kontext des Scheiterns wurde Ypsilanti explizit als Frau adressiert, etwa durch die Formulierung, der Powerfrau sei der Dampf abgelassen worden. Sie sei an Frauen gescheitert. Und Walter habe späte Rache für die Niederlage gegen eine Frau genommen. Daneben gab es anders als im Wahlkampf auch sexualisierende Geschlechterkonstruktionen, die in einen politischen Kontext gestellt wurden. Spiegel online verglich ein Foto-Shooting von Ypsilanti im roten Abendkleid mit Fotos der früheren CSUPolitikerin Pauli in Latex-Handschuhen sowie mit Nacktfotos von Sportlerinnen und wertete damit Ypsilantis politische Handlungsmacht ab. Kritik an Ypsilanti als Politikerin wurde also sexualisiert. Private Kontexte wie Ypsilantis Lieblingskinderbuch und die Lebensweisheit ihrer Oma illustrierten hingegen politische Aussagen. Der vergeschlechtlichte Vergleich mit der funktionierenden rot-roten Koalition in Berlin zeigt zugleich, dass der Maßstab für politische Bedeutung männlich blieb. Doch Ypsilanti wurde anders als im Wahlkampf im Kontext mit Männern nicht aufsondern überwiegend abgewertet. Der Stolz darauf, dass Spitzenpolitiker, mit denen sie wegen der Agenda 2010 im Clinch gelegen hatte, sich in ihrem Wahlkampf engagierten, wich gegenseitigem Unverständnis. Ypsilanti ließ sich als ehrgeizige Egomanin nicht von Steinmeier und Steinbrück zur Räson bringen. Sie wurde als Spielfigur ihrer Berater skizziert und erschien in persönlicher Abhängigkeit von Hermann Scheer unfähig, ihren innerparteilichen Gegenspieler Jürgen Walter einzubinden. Die Inszenierung von Kontexten mit Ministerpräsident Koch kehrte sich im Vergleich zum Wahlkampf um. Vor der Wahl hieß es, Ypsilanti profitiere ohne eigenes Zutun von Kochs Fehlern. Nun war sie es, die handelte und durch ihre Fehler dem zum Abwarten verdammten CDU-Ministerpräsidenten das politische Überleben sicherte. Mit ihrer »neurotische(n) politische(n) Fixierung« auf Koch (SPON 03.11.08) habe sie das Gegenteil dessen bewirkt, was sie erreichen wollte. Neben dieser abwertenden Inszenierung standen Aussagen über Ypsilantis Leistung bei der Öffnung der SPD nach links, die zugleich herablassend und anerkennend klangen. Insgesamt blieb es bei der Charakterisierung Ypsilantis als Politikerin und Frau. Allerdings wurde die Politikerin nun durch sexualisierende Inszenierungen der Frau abgewertet.

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

7.4 H ANNELORE K RAFT

IN

NRW 2010

Die Landtagswahl in NRW am 9. Mai 2010 brachte keine eindeutigen Mehrheitsverhältnisse. Gemeinsam mit den erstarkten Grünen fehlte der SPD am Ende ein Sitz zur absoluten Mehrheit. Abgesehen von einer politisch wenig wahrscheinlichen JamaikaKoalition aus CDU, FDP und Grünen war eine Regierungsbildung ohne die SPD nicht möglich. Hannelore Kraft kündigte ergebnisoffene Gespräche mit allen Fraktionen an. Da sie eine rot-grüne Regierung favorisierte, vereinbarte sie mit den Grünen eine »privilegierte Partnerschaft« mit gemeinsamer Sondierungskommission (SPON 11.05.10). Nach einem Sondierungsmarathon von etwa sechs Wochen, an dessen Ende die Absage an alle Koalitionsoptionen einschließlich einer Minderheitsregierung stand, wollte Kraft die amtierende Regierung im Amt belassen und den Politikwechsel aus der Opposition heraus betreiben. Nur wenige Tage später kündigte sie dann doch ihre Kandidatur zur Ministerpräsidentin an. Anders als in Hessen verfügten SPD und Grüne im Landtag über eine einfache Mehrheit, die im zweiten Wahlgang für die Wahl zur Ministerpräsidentin reicht.6 Voraussetzung war, dass die Linke sich der Stimme enthielt. Am 14. Juli 2010 wurde Kraft zur Ministerpräsidentin gewählt. In diesem Kapitel werden zunächst die Inszenierungen von Krafts Handlungsmacht im Koalitionspoker (Kap. 7.4.1) und in der Entscheidung für eine Minderheitsregierung (Kap. 7.4.2) analysiert. Danach folgen die Inszenierungen der Wahl und Aussagen über Kraft als Ministerpräsidentin (Kap. 7.4.3). In weiteren Abschnitten werden die Kontexte mit Krafts Kontrahenten, dem amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (Kap. 7.4.4) und mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel (Kap. 7.4.5), untersucht. Anders als in den beiden anderen Fällen spielten in NRW 2010 Kontexte mit Politikerinnen in den Medien eine größere Rolle als solche mit Politikern. Dem wird im letzten Abschnitt (Kap. 7.4.6) nachgegangen.

7.4.1 Inszenierung des Koalitionspokers Auch bei Kraft aktualisierten die Medien Motive aus dem Wahlkampf. Ein Bild-Kommentator schrieb eine Hommage an die »handfest(e)« »Filterkaffee-Frau« aus dem Ruhrpott (Bild BU 11.05.10: 2). Auch ihr Bildungsaufstieg blieb Thema (Bild BU 13.07.10: 2, FAZ 15.07.10: 3). Es wurde an die Blitzkarriere ohne männliche Konkurrenz (FAZ 15.07.10: 3) der »politische(n) Aufsteigerin des Frühjahrs 2010« erinnert (FAZ 12.06.10: 1). Sie habe als »Trümmerfrau« die SPD »nach langem freien Fall aufgefangen«, als sonst keiner da gewesen sei (SZ 05.07.10: 2). Bis zur Wahl zur Ministerpräsidentin wurden einzelne Aspekte dieser Inszenierungen kontextabhängig weitergeführt. In den Thematisierungen der verschiedenen Koalitionsoptionen und Sondierungen kamen mit den politischen Präferenzen des jeweiligen Mediums auch differierende Inszenierungen von Krafts Handlungsmacht zum Ausdruck. 6 | Art. 52 Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen.

211

212

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Angesichts der frühen Absage der FDP an ein Ampelbündnis schien ein rot-rotgrünes Bündnis für Kraft »der einzig direkte Weg in die Staatskanzlei« (FAZ 21.05.10: 1). Zwar inszenierten die Medien diese Option nicht mit der gleichen Wortbruchrhetorik wie in Hessen zwei Jahre zuvor, doch wurde immer wieder thematisiert, dass Kraft die Linke im Wahlkampf für nicht regierungsfähig erklärt habe (Bild BU 21.05.10: 2, SPON 23.05.10). Eine mögliche Kooperation wurde als »Ypsilanti-Falle« verhandelt (Kap. 7.4.6). Der Abbruch der Sondierungen mit der Linken wurde unterschiedlich kommentiert: einerseits als zur Besinnung kommen (Bild BU 21.05.10: 2) oder Bewahren vor einer Blamage (FAZ 21.05.10: 1), andererseits als cleveres und schnelles Abfertigen der Linken (SZ 18.06.10: 2). Spiegel online mutmaßte, Kraft sondiere nur mit der Linken, um den Preis für eine große Koalition zu treiben (SPON 11.05.10). Bild bezeichnete eine Koalition aus CDU und SPD als einzige stabile Option (Bild BU 21.05.10: 2). Wegen des SPD-Traumas der großen Koalition im Bund und weil beide Seiten auf dem Posten an der Regierungsspitze beharrten, gebe es jedoch hohe Hürden (Spiegel 24/10: 34). Kraft müsse in diesem Fall auf den Posten der Ministerpräsidentin verzichten, riskiere eine Spaltung ihrer Partei und nehme Belastungen für kommende Wahlen in Kauf (Spiegel 20/10: 28). Die FAZ erweckte den Eindruck, Kraft habe gar nicht ernsthaft sondiert. »So schwach ist die CDU, dass Frau Kraft sie beinahe bis zur Selbstaufgabe über den Tisch verhandeln könnte, wenn sie sich nur auf Koalitionsgespräche einließe.« (FAZ 12.06.10: 1) Hingegen habe sich Kraft laut SZ über unseriöse Scheinangebote von Rüttgers geärgert (SZ 12.06.10: 8). Während also die einen Kraft als verantwortungslose und machtbesessene Taktiererin skizzierten, stellten die anderen nach der Absage an eine große Koalition fest, sie habe der CDU die Stirn geboten (Spiegel 24/10: 34) und damit die SPD zusammengehalten (Spiegel 24/10: 36). Die Ampelsondierungen seien allein Krafts Geschick zu verdanken. Sie habe den Grünen, die direkt mit der Linken verhandeln wollten, dieses Zugeständnis abgetrotzt (Spiegel 20/10: 29) und dann die FDP, die bereits vor der Wahl eine Ampel abgelehnt hatte, zu Gesprächen gezwungen (Spiegel 24/10: 34). Doch dann habe sie die Realitäten verkannt. Mit dem FDP-Parteichef Andreas Pinkwart habe sie Zugeständnisse vereinbart, ohne zu bedenken, dass dieser seine Partei und Fraktion nicht hinter sich habe. Am Ende hätten Grüne und FDP ihr gegenseitiges Misstrauen nicht überwinden können (SZ 12.06.10: 8). Die FAZ hingegen bemängelte bei den Ampelsondierungen, Kraft verstecke sich hinter den Grünen, und übertrug diese Kritik auch auf die Sondierungen mit der CDU. »Höchst erstaunt war in der vergangenen Woche auch die FDP-Delegation […] über die blasse Figur, die Frau Kraft in den Sondierungsgesprächen abgegeben habe. ›Sie hat weder moderiert noch geleitet‹, heißt es aus der FDP. Stattdessen habe sich die SPD immer wieder ängstlich hinter rot-grünen Vorabsprachen verschanzt. Tatsächlich hätte Frau Kraft die Grünen am liebsten auch in die Sondierungen mit der CDU als Schutzschild mitgenommen, was deren Spitzenkandidatin Löhrmann aber dankend ablehnte.« (FAZ 17.06.10: 3)

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

Hier wird das Bild einer verunsicherten Frau ohne Führungskompetenz gezeichnet, die sich an Vorabsprachen klammere. Die Aussage, Kraft hätte die Grünen am liebsten auch in die Sondierungen mit der CDU einbezogen, macht die SPD-Politikerin geradezu lächerlich. Denn bei einem Erfolg hätte sich Kraft auf der Regierungsbank und Sylvia Löhrmann in der Opposition wiedergefunden. Mitte Juni waren alle Sondierungen gescheitert. Hatten die Medien Krafts Vorgehen und Verhandlungsgeschick noch teils als klug und umsichtig charakterisiert (SPON 11.05.10, FAZ 12.06.10: 1, SZ 18.06.10: 2), so änderte sich der Medientenor nun komplett. »Und die Frau, die lange wie eine Siegerin ausgesehen hatte, ging als Verliererin vom Feld.« (Spiegel 24/10: 34) Ratlos sehe sie nur noch Risiken und keine Chancen mehr (FAZ 15.07.10: 3). Sie habe sich in einen Dschungel hineinsondiert, in dem sie nur noch Gefahren wahrnehme (SZ 05.07.10: 2). Wegen ihrer beherzten Initiative dachte die SPD zu Beginn, sie verfolge ein geheimes Drehbuch (SZ 18.06.10: 2). »Die ganze Sondiererei sei also nur Folklore.« Ihr Bekenntnis, alles sei so unübersichtlich, dass sie von Tag zu Tag entscheiden müsse, habe ihr niemand geglaubt (SZ 05.07.10: 2). Überwiegend wurde das Scheitern der Sondierungen Krafts persönlichem Versagen zugeschrieben. Nur der Spiegel stellte auch Überlegungen zum politischen Kontext an: »In Szenarien wollte sie (Kraft, D.B.) denken, immer vom Ende her. Doch welches Szenario ist schon realistisch in einem Fünf-Parteien-System, das noch nicht eingespielt ist? Mit einem Wahlergebnis, das erfordert, dass Parteien sich zusammenraufen, die seit Jahrzehnten ihre Feindschaften pflegen. Am Ende, räumt auch ein Kraft-Vertrauter ein, musste sie von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde denken: ›Politik ist momentan nicht kalkulierbar.‹« (S PIEGEL 24/10: 36)

In dieser Passage geht es zwar auch darum, dass Kraft ihrem selbst gesetzten Anspruch nicht gerecht wird, zugleich skizziert das Nachrichtenmagazin aber auch die politische Herausforderung, die in der noch ungewohnten Parteien-Konstellation bestand. Krafts Handlungsmacht im Koalitionspoker wurde also zwischen dem resoluten Abservieren der Linken, dem Verhandlungsgeschick gegenüber der FDP und der Standhaftigkeit gegenüber der CDU einerseits und der taktierenden aber rat- und planlosen Politikerin, die sich hinter ihrer Partnerin Löhrmann von den Grünen versteckt, diskursiv verhandelt.

7.4.2 Die Frau, die sich nicht traut Nach dem Scheitern aller Sondierungen kündigte Kraft an, auf die Übernahme der Regierung zunächst zu verzichten und stattdessen den Politikwechsel aus dem Parlament heraus zu betreiben. Kraft und die SPD stellten diese Strategie als Beleg für Glaubwürdigkeit dar, da Inhalte und der Zusammenhalt der Partei wichtiger seien als »Ministerämter und Dienstwagen« (FAZ 14.06.10: 3, Spiegel 24/10: 36). Zwar wurde diese Argumentationsfigur medial aufgegriffen, jedoch mit anderem Fokus. Glaubwürdigkeit

213

214

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

sei zwar Krafts wichtigster politischer Inhalt. Niemand sonst habe das verlorene Vertrauen in die SPD so sehr ins Zentrum der Politik gestellt. Deswegen glaube man ihr, wenn sie sage, sie habe bei den Sondierungen nicht auf das Amt der Ministerpräsidentin geschielt (SZ 05.07.10: 2). Durch die ergebnisoffenen Sondierungen habe sie an Glaubwürdigkeit gewonnen, die sie nun jedoch wieder verspiele (SPON 17.06.10). In dieser Phase entstand das mediale Bild der »Frau, die sich nicht traut« (SPON 17.06.10, SZ 16.06.10: 4). Fast alle Gründe für Krafts Verzicht auf Macht, die medial verhandelt wurden, hatten mit Angst zu tun. Die FAZ nannte die Angst vor einer Debatte über die Abhängigkeit der SPD von der Linken, die Angst vor Abweichler_innen in den eigenen Reihen und die Angst vor der fehlenden aber notwendigen Mehrheit schon beim ersten Haushalt (FAZ 17.06.10: 3). Diese Angst wurde sprachlich auch auf den SPD-Landesvorstand übertragen. »Unter diesen Vorzeichen erhielt die Spitzengenossin am Montagabend vom SPD-Landesparteirat in Dortmund hundert Prozent Zustimmung für ihren Kurs der einstweiligen Regierungsverweigerung. Konnte die SPD in Nordrhein-Westfalen früher vor Kraft kaum laufen, hat sie unter der Führung von Frau Kraft nun beschlossen, sich vorsichtshalber erst einmal nicht Richtung Regierungsbank zu bewegen.« (FAZ 17.06.10: 3)

Der Kontrast zwischen den Formulierungen »vor Kraft kaum laufen« können und »sich vorsichtshalber erst einmal nicht Richtung Regierungsbank zu bewegen« unterstreicht diese Übertragung, verstärkt durch die doppelte Bedeutung des Wortes »Kraft« als Stärke und als Name der Politikerin. Neben der Kooperation mit der Linken (SZ 12.06.10: 8) wurden in der SZ weitere Vorbehalte aufgezählt, die ebenfalls Zögern und Zaudern suggerierten. Kraft wolle Zeit gewinnen, sich alle Optionen offenhalten, die Wahl des Bundespräsidenten abwarten, das schwarz-gelbe Regierungsklima beobachten (SZ 18.06.10: 2). Weil sie in die SPD eingetreten sei, um mal mitzumachen, habe sie sich schwer an den Gedanken gewöhnen können NRW zu regieren (SZ 05.07.10: 2). Zu einem Zeitpunkt, als Kraft seit Jahren Fraktionsvorsitzende, Landesvorsitzende und zuletzt auch Spitzenkandidatin der SPD war, griff die SZ wieder auf ihre politischen Anfänge zurück, als sei die Politikerin blutige Anfängerin. Der »Politikwechsel aus der Opposition« stieß in den Medien auf einhellige Kritik. Das Bild der ängstlichen Frau wurde mit der Formulierung »Flucht aus der Verantwortung« verstärkt und mit der Abhängigkeit von der Linken kontextualisiert. Weil die Linke in einer Tolerierung zugleich Regierung und Opposition habe sein wollen, habe Kraft eine Kooperation abgelehnt, brauche nun aber als »selbsternannte Nichtregierungsorganisation« die Stimmen dieser Partei für ihre »Oppositionsregierung« (FAZ 12.06.10: 1). Der Plan könne als »schnöde Taktiererei« erscheinen und vom geschäftsführenden Ministerpräsidenten Rüttgers durch »grünlackierte Initiativen« konterkariert werden (FAZ 17.06.10: 3). Verbissen, lächerlich, Politikverdrossenheit fördernd, politisch pubertär und unwürdig, so urteilte die SZ (SZ 16.06.10: 4).

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

Kraft wurde nicht nur als »Frau, die sich nicht traut«, sondern auch als »Getriebene« inszeniert (SZ 18.06.10: 2). Anders als noch in Hessen 2008 favorisierte die Bundes-SPD eine Minderheitsregierung in NRW. Damit wäre die Bundesratsmehrheit der CDU-FDPBundesregierung zu brechen. Außerdem solle die Wiederannäherung an die Grünen im Bund nicht gefährdet werden (SPON 17.06.10). Kraft hatte das jedoch allenfalls für den Herbst in Aussicht gestellt, wenn wichtige Entscheidungen im Bundesrat anstünden (SPON 17.06.10). »In der Bundes-SPD und vor allem bei den Grünen war man entsetzt. Krafts ›privilegierte‹ Partnerin Sylvia Löhrmann studierte die Landesverfassung genau und wies der Sozialdemokratin am 15. Juni spektakulär per Pressekonferenz den Weg in die gläserne Staatskanzlei. Zwei Tage später wagte Frau Kraft dann tatsächlich die große Volte.« (FAZ 15.07.10: 3)

Die Chefin des kleinen Koalitionspartners hat in der Optik der FAZ der Ministerpräsidentin in spe öffentlich eine Lektion im Verfassungsrecht7 erteilt und ihr gesagt, was sie zu tun habe. Daneben wurde diskutiert, inwieweit Kraft vom Willy-Brandt-Haus gesteuert sei (FAZ 17.06.10: 3). Die SZ mutmaßte, SPD-Parteichef Gabriel hätte sich als AlphaMännchen sofort zum Regierungschef wählen lassen. Kraft hingegen zaudere (SZ 18.06.10: 2). Am 17. Juni erklärte die SPD-Spitzenkandidatin dann doch, als Ministerpräsidentin einer Minderheitsregierung zu kandidieren. »Nach dem plötzlichen Schwenk […] kamen natürlich die Vergleiche mit Andrea Ypsilanti, die etwas ausschloss, um es dann doch zu versuchen. Andere stellten sich die Frage, wie sehr Kraft aus dem Willy-Brandt-Haus gesteuert wird, von Parteichef Sigmar Gabriel. Kraftilanti oder Gabrielanti? So wurde das zusammengefasst.« (SZ 05.07.10: 2)

Krafts unerwarteter Strategiewechsel wird hier zwischen den Ypsilanti zugeschriebenen Fehlern und der Abhängigkeit von Gabriel verhandelt. Im Kontext mit der Inszenierung von Löhrmanns Pressekonferenz entstand die Gegenfigur zu einer handlungsmächtigen Politikerin – eine Frau, die abhängig von anderen ist und macht, was diese wollen. Krafts Legitimation für die Kehrtwende, das von der FDP erklärte Ende der geschäftsführenden Landesregierung habe einen Verfassungsnotstand ausgelöst, wurde allgemein als vorgeschoben gewertet. Die Politikerin habe wohl einen willkommenen Anlass gesucht (SPON 17.06.10). Kraft habe zu ihrem Schwenk gesagt, »›Wenn man springen muss, dann muss man springen‹. […] So als sei der Elefant in Wahrheit ein Tiger« (SZ 05.07.10: 2). Diese Metapher unterstreicht den medialen Eindruck, Kraft sei keine gewiefte Politikerin, sondern ein behäbiger Elefant, der angetrieben werden müsse und schon wegen der Physiognomie eines bestimmt nicht könne – springen nämlich. 7 | Die Wahl der Ministerpräsidentin ist in der Landesverfassung geregelt (s.S. 211 FN 6).

215

216

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

»Wie befreit« habe Kraft nach dem Schwenk gewirkt (FAZ 15.07.10: 3). Das klingt, als sei sie froh, dass ihr andere die Entscheidung abgenommen haben. Die SZ erweckte den gleichen Eindruck: Kraft sei selbst wohl überrascht, dass sie den Mut gefunden habe, sich zur Wahl zu stellen oder sich zumindest ohne größeren Widerstand drängen zu lassen. Der Landesvorstand habe ganze sieben Minuten gebraucht, um das wochenlangen Zaudern seiner Vorsitzenden Geschichte werden zu lassen (SZ 18.06.10: 2). CDU und FDP skandalisierten Krafts Ankündigung als »Wortbruch«. Doch die Medien stimmten anders als in Hessen 2008 nicht in diesen Tenor ein. Die einen zitierten die Kritik ohne eigene Wertungen (Bild BU 18.06.10: 2). Die anderen taten sie als voraussehbar ab (SPON 17.06.10, SZ 18.06.10: 2). Zusammengefasst wich zwischen dem Ende des Koalitionspokers und der Wahl zur Ministerpräsidentin die handlungsmächtige Politikerin einer ängstlichen, ratlosen und von anderen abhängigen Frau, die keine eigene Strategie verfolgte und zu selbstbewussten Entscheidungen nicht fähig zu sein schien.

7.4.3 Inszenierung der Wahl zur Ministerpräsidentin Bei der Wahl zur Ministerpräsidentin am 14. Juli 2010 war schnell klar, dass es keinen ›Heide-Mord‹ geben würde. Kraft erhielt im ersten Wahlgang alle 90 rot-grünen Stimmen und die Linke enthielt sich bis auf ein Nein der Stimme. Krafts Wahl im zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit war damit quasi sicher (FAZ 15.07.10: 3). Kraft wurde in dieser Situation als souverän, aber überaus vorsichtig skizziert. Vor der Wahl habe sie »gut gelaunt ihre Runden durch die Reihen von SPD und Grünen« gedreht, Abgeordnete geherzt und begrüßt, »nur keinen übersehen und die Schäfchen beisammen halten« (FAZ 15.07.10: 3). Ihre Kabinettsliste habe sie erst am Tag nach der Wahl bekannt gegeben, »um möglichst niemanden zu verprellen in der eigenen Fraktion, die recht reich ist an Menschen, die sich eigentlich für ministrabel betrachten« (SZ 15.07.10: 2). Das informelle Durchsickern des Wahlergebnisses wurde als Auftakt einer gut funktionierenden rot-grünen Kommunikation inszeniert. »Kraft schaut zu den Grünen hinüber, zu Sylvia Löhrmann, ihrer künftigen Stellvertreterin, die daraufhin in die eigenen Reihen nickt. Es wäre jetzt übertrieben zu sagen, dass diese Koalition sich schon wortlos versteht. Aber man sieht das doch in den Blicken: den Stolz, es schon mal ganz gut hingekriegt zu haben mit diesem Start.« (SZ 15.07.10: 2)

Krafts Wahl zur ersten sozialdemokratischen Ministerpräsidentin seit Heide Simonis (SPON 14.07.10) sei »erst einmal« das Ende eines SPD-Traumas, auch wenn niemand wissen könne, wie lange die Regierung halte (SZ 15.07.10: 2). Aufgrund der unsicheren Mehrheiten und der Abhängigkeit von den Stimmen der Linken wurde Kraft als »Ministerpräsidentin mit Makel« tituliert. Sie setze auf die Angst der Opposition vor Neuwahlen, müsse aber befürchten, dass diese sich schneller wieder berappelt als erwartet. »Sie sitzt in der Staatskanzlei, aber sie wirkt wie jemand, der ein Haus kaufte mit Geld,

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

das er gar nicht hat.« (SPON 14.07.10) Damit markierte Spiegel online den Machtanspruch der Regierungschefin fast als prätentiös. Mit der Wahl zur Ministerpräsidentin hat Kraft in medialer Optik ihre Handlungsmacht zurückgewonnen. Allerdings bleibt der Makel der Abhängigkeit von der Linken, der ihren Machtanspruch infrage stellt.

7.4.4 Kontexte mit dem Gegenkandidaten: versöhnlicher Stabwechsel Noch-Ministerpräsident Rüttgers war neben SPD-Chef Gabriel (Kap. 7.4.5) der einzige Politiker, mit dem Kraft an prominenter Stelle kontextualisiert wurde. Ansonsten hatten Kontexte mit Männern keine hervorgehobene Bedeutung. Im Wahlkampf waren Kraft und Rüttgers als vergleichbar blass, bieder und austauschbar charakterisiert worden (Kap. 6.4.6.2). Im Ringen um eine große Koalition wurde nun ein Machtkampf inszeniert. Doch nur die SZ hielt Kraft für »besessen« von dem Gedanken, Rüttgers ablösen zu wollen (SZ 16.06.10: 4). Unter der Schlagzeile »Machen CDURüttgers und SPD-Kraft halbe-halbe?« zeichnete Bild einen Kampf auf Augenhöhe. Das unterstreiche Rüttgers durch das Taxi, das er statt des Dienstwagens für die Fahrt zum Sondierungsgespräch genommen habe (Bild BU 28.05.10: 2). Das Ringen um die Macht wurde mit dem Dilemma inszeniert, dass der Verzicht auf die Staatskanzlei der jeweils eigenen Parteibasis nicht zu vermitteln sei. Die CDU habe eine israelische Lösung (s.S. 196 FN 1) vorgeschlagen, wohinter die SPD jedoch eine Finte vermute (Spiegel 24/10: 34). Der Machtpoker wurde durch Krafts verbrämte Drohung mit Neuwahlen (SPON 23.05.10), taktische Überlegungen, mit denen sie den Preis für die große Koalition hochtreiben wolle (SPON 11.05.10) und Rüttgers’ inszenierte Gesprächsangebote (Spiegel 24/10: 34, SZ 12.06.10: 8) dramatisiert. Als die Sondierungen gescheitert waren und Kraft einen »Politikwechsel aus der Opposition« ankündigte, hieß es, Rüttgers könne wegen Krafts Verweigerungshaltung auf unbestimmte Zeit geschäftsführend im Amt bleiben (FAZ 14.06.10: 3, Spiegel 20/10: 30). Ähnlich wie in Hessen (s.S. 208) wurde nun argumentiert, Kraft bewirke mit ihrer Strategie das Gegenteil eines Politikwechsels und verschaffe ihrem Kontrahenten eine Verlängerung. Bei der Wahl hingegen wurde Kraft als strahlende Siegerin (SPON 14.07.10), Rüttgers jedoch als einsamer Verlierer inszeniert (FAZ 15.07.10: 3). Betont wurde dieser Kontrast durch eine Szene, in der Kraft nach ihrer Vereidigung ihrem »verdutzt(en)« Amtsvorgänger für die geleistete Arbeit dankte und ihm einen Blumenstrauß in den Landesfarben überreichte (FAZ 15.07.10: 3, SPON 14.07.10). Damit wurde sie als warmherzige Regierungschefin inszeniert, die es verstehe, Streit beizulegen und ihren Kontrahenten zu würdigen. Insgesamt zeigt sich im Verhältnis von Kraft und Rüttgers seit der Landtagswahl eine Entwicklung von zwei eigentlich nicht kompetenten Kontrahent_innen über den Machtkampf auf Augenhöhe bis zur strahlenden Siegerin, die dem Verlierer die Hand reicht.

217

218

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

7.4.5 Kontrastprogramm: Kraft und Gabriel Nach ihrer Wahl erklärten die Medien Kraft zur »mächtigsten Frau« in der SPD, weil sie mit NRW »die ›Herzkammer der SPD‹ (Herbert Wehner)« regiere (Bild BU 13.07.10: 2) und weil sie die Bundesratsmehrheit der Kanzlerin gebrochen habe. Allerdings könne das »Risiko-Bündnis« auch zur Belastung für ihre Partei werden (SPON 14.07.10). Dies zog die Frage nach sich, ob sie SPD-Chef Gabriel Konkurrenz machen werde, nachdem sie kurz zuvor noch von diesem abhängig skizziert worden war. Spiegel online vermutete jedoch, dass »ihr Macht-Radius […] vorerst an den NRW-Grenzen halt machen« werde. »Wenn überhaupt, dann ist die 49-Jährige die Ergänzung, das Kontrastprogramm zu dem Niedersachsen, dem immer noch ein halbseidener Ruf nachhängt. Kraft wirkt solide, manchmal beinahe langweilig. So wie das Kostüm, mit dem sie am Mittwoch zur Wahl antrat. Nachtblau, ohne Firlefanz, wie Tante Hannelore bei der Konfirmation. Diese Frau kann für den sprunghaften Gabriel wie ein Korrektiv wirken.« (SPON 14.07.10)

Der Vergleich mit Gabriel wurde nicht politisch gerahmt, sondern mit Körperpraktiken und privaten Kontexten. Die Benennungen »Tante Hannelore« und »diese Frau« betonen das Geschlecht und dekontextualisieren Kraft als Politikerin, während Gabriel mit seiner Herkunft Niedersachsen und seinem Namen bezeichnet wird. Krafts neuer Status als starke Frau der SPD speiste sich also offensichtlich nicht aus ihrer politischen Persönlichkeit, sondern aus der Tatsache, dass sie das für die SPD so wichtige NRW regiert. Außerdem wurde durch Vergeschlechtlichungen und Dekontextualisierungen im Vergleich mit dem Parteichef Gabriel ihre Macht in der SPD relativiert.

7.4.6 Kontexte mit Politikerinnen Kontexte mit Politikerinnen spielten in den Medientexten über Krafts Koalitionspoker und Wahl zur Ministerpräsidentin eine größere Rolle als Kontexte mit Politikern. Vor dem Hintergrund eines nach wie vor androzentrischen politischen Feldes ist dies eine bemerkenswerte Besonderheit. Kraft wurde mit ihrer späteren Stellvertreterin Löhrmann, mit den gescheiterten SPD-Politikerinnen Simonis und Ypsilanti sowie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel kontextualisiert. Krafts und Löhrmanns Verhältnis zeichneten die Medien als Austarieren einer Machthierarchie. Löhrmann wurde als »privilegierte Partnerin« adressiert (FAZ 17.06.10: 3, FAZ 15.07.10: 3), was Egalität signalisiert. Bei den Sondierungen hieß es jedoch, Kraft verschanze sich hinter der Grünen. Mit der Pressekonferenz, auf der sie Kraft den Weg in die Staatskanzlei wies, wurde Löhrmann als diejenige inszeniert, die das Heft des Handelns in die Hand nehme und Kraft vor sich her treibe (s.S. 215). Bei der Wahl zur Ministerpräsidentin dominierte zunächst das Bild einer Partnerschaft.

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

Löhrmann habe Kraft vor der Wahl aufgemuntert (FAZ 15.07.10: 3), diese ihrer Koalitionspartnerin durch ein Kopfnicken das positive Wahlergebnis bestätigt (s.S. 216). Am Ende wurde eine eindeutige Hierarchie postuliert, die durch Krafts Wahl geklärt sei. »Immerhin hat Hannelore Kraft […] klargemacht, wer in der Regierung das Sagen hat: Sie ist vereidigt worden, hat die Blumensträuße bekommen, die Glückwünsche ihres Vorgängers Jürgen Rüttgers entgegengenommen. Und nicht die Grünen-Spitzenfrau Sylvia Löhrmann, die in den vergangenen Tagen immer wieder zur heimlichen Chefin der Minderheitskoalition geschrieben wurde. Löhrmann wird als Vizeministerpräsidentin und Schulministerin eine zentrale Rolle in dieser Regierung spielen – aber sie ist die klare Nummer zwei hinter Kraft.« (SPON 14.07.10)

Ypsilantis Scheitern in Hessen 2008 begleitete schon Krafts Wahlkampf als skandalisierende Hintergrundmusik (Kap. 6.4.4). Nun wurde durch die »Ypsilanti-Falle« und die Adressierung »Kraftilanti« (SZ 12.06.10: 8) medial eine Drohkulisse im Koalitionspoker und für die Option Minderheitsregierung aufgebaut. Je nach politischer Präferenz des Mediums wurden unterschiedliche Aspekte betont. Der Spiegel definierte zwei Lehren, die Kraft aus Ypsilantis Scheitern gezogen habe. Sie habe ein solches Bündnis nicht vor der Wahl ausgeschlossen, um es danach doch zu wagen. Und sie habe ergebnisoffene Gespräche mit allen Parteien angekündigt (Spiegel 20/10: 29). Die FAZ thematisierte die Abhängigkeit von Stimmen der Linken (FAZ 12.06.10: 1) und von Abweichler_innen in der eigenen Partei aufgrund dieser Abhängigkeit (FAZ 15.07.10: 3). Spiegel online bezeichnete den Starrsinn, der Ypsilanti zugeschrieben wurde, und das politische »Chaos« nach dem Scheitern als »Hessen-Fluch« (SPON 11.05.10). Immer ging es um die Frage, ob Kraft enden werde wie Ypsilanti. Ein Vergleich der bundespolitischen Kontexte unterblieb weitgehend. Dass Kraft es mit einfacheren Mehrheitsverhältnissen zu tun hatte, wurde nur kurz erwähnt (SZ 18.06.10: 2).8 Vielmehr wurde die Kooperation mit der Linken als Problem absolut gesetzt und mit dem Namen der Hessin verknüpft, die der SPD eine Glaubwürdigkeitskrise beschert habe (SPON 11.05.10, SZ 12.06.10: 8). Damit wurde ein Vergleich Krafts mit Ypsilanti mit politischer Glaubwürdigkeit verknüpft und Krafts Zögern damit kontextualisiert (SZ 05.07.10: 2). Dass dieser Kontext zweier Politikerinnen vergeschlechtlicht ist, kann, wie bereits ausgeführt (Kap. 6.4.4), vermutet werden, wäre jedoch weiter zu untersuchen. Auch Simonis’ Scheitern bei der Wahl zur Ministerpräsidentin 2005 stand in den medialen Verhandlungen der Option Minderheitsregierung im Raum, wurde jedoch weit weniger stark skandalisiert als die »Ypsilanti-Falle«. Hier ging es eher um mögliche 8 | Bei der Wahl in Hessen 2008 hatte die Bundes-SPD als Juniorpartnerin einer großen Koalition kein Interesse an einer linken Stimme im Bundesrat. Auch die Aufarbeitung der umstrittenen Agenda 2010 war noch im Gang. Bei der Wahl in NRW 2010 saß die Bundes-SPD in der Opposition. CDU-Kanzlerin Merkel regierte mit der FDP. Eine rot-grüne Regierung in NRW bot die Chance, die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat zu brechen.

219

220

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Abweichler_innen in den eigenen Reihen (FAZ 15.07.10: 3, SZ 15.07.10: 2). Auch wurden keine politischen Kontexte verhandelt, sondern nur danach gefragt, ob Kraft Simonis’ Schicksal erleide, wenn sie sich ohne eigene Mehrheit zur Wahl stelle (SZ 05.07.10: 2). Die Position der neuen starken Frau der SPD, die Kraft zugeschrieben wurde (Kap. 7.4.5), nahm Bild zum Anlass, sie mit Kanzlerin Merkel unter der Schlagzeile »Wird sie die Merkel der SPD?« miteinander zu vergleichen und »erstaunliche Parallelen« zu entdecken. »Wie Angela Merkel ist Hannelore Kraft machtbewusst, hat sich in wenigen Jahren zielstrebig bis an die Spitze vorgekämpft. Wie die Kanzlerin hat sie keine eigentliche Hausmacht in der Partei. Wie Merkel mag sie weder Zuspitzungen noch schrille Töne, überlässt den politischen Kampf mit harten Bandagen lieber anderen. Wie Merkel die CDU vor zehn Jahren (Spendenaffäre) übernahm auch Kraft die NRWSPD vor drei Jahren in einem desolaten Zustand. Wie die Kanzlerin denkt sie die Dinge gerne ›zum Ende und von dort zurück‹. Wie Merkel ist sie extrem misstrauisch! Wie die Kanzlerin macht auch die künftige NRW-Ministerpräsidentin Politik vorzugsweise per Handy. Und auch äußerlich gibt es manche Ähnlichkeiten: Kraft verschränkt die Arme wie die Kanzlerin. Sie mag einreihige Blazer mit drei Knöpfen. Sie formt mit ihren Fingerspitzen manchmal die typische ›Merkel‹-Raute. Sie hat immer die gleiche Frisur, die gleiche blonde Haarfarbe.[…] Es gibt übrigens noch eine Parallele zur Kanzlerin: Angela Merkel war 50, als sie Schröder ablöste. Hannelore Kraft ist noch ein Jahr jünger …« (B ILD BU 13.07.10: 2)

Verglichen werden zwei Politikerinnen anhand von Eigenschaften und Kompetenzen (Machtbewusstsein, Zielstrebigkeit, zugespitzte Konflikte anderen überlassen, Denken vom Ende her, Misstrauen), politischen Kontexten (keine Hausmacht, Verantwortung nach einer Parteikrise, Politik mit dem Handy), Körperpraktiken (Gestik, Kleidung, Frisur) und Alter. Basis ist einerseits das Geschlecht und andererseits die politische Funktion, in der ein sozial wahrgenommenes weibliches Geschlecht nach wie vor die Ausnahme ist. Neben der äußeren Erscheinung gibt es jedoch keine expliziten Aussagen, die als Vergeschlechtlichung interpretiert werden könnten. Wohl aber lassen sich Botschaften zwischen den Zeilen lesen. Die fehlende Hausmacht von Politikerinnen und deren mangelnde Lust am Konflikt wurde in Forschungen der 90er Jahren beklagt und mit deren Fremdheit in der Politik erklärt (Schöler-Macher 1994). Die Karriere im Kontext von Parteiskandalen verweist auf den Nimbus als »Trümmerfrau« (Kap. 6.4.2.2). Jedoch sind diese Lesarten keineswegs zwingend. Vielmehr erfordern sie ein diskursives Geschlechterwissen (s.S. 69) und müssten durch weitere Forschung, vor allem aktuellere Analysen der Positionierung von Frauen im politischen Feld (Kap. 2.3), untermauert werden.

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

Die besondere Bedeutung von Kontexten mit Politikerinnen für Hannelore Kraft auf dem Weg zur Regierungsmacht liegt zum einen in den politischen Gegebenheiten begründet. An der Spitze der Grünen als Koalitionspartner stand ebenfalls eine Frau. Die beiden vorangegangenen gescheiterten Versuche einer Minderheitsregierung wurden von zwei Frauen verantwortet und es gab erstmals eine Bundeskanzlerin. Dennoch stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Kategorie Geschlecht in diesen Kontexten zukommt. Zunächst einmal darf angenommen werden, dass hier der noch immer bestehende Ausnahmestatus von Politikerinnen an der Regierungsspitze in den Vergleichen medial verhandelt wird, bei Kraft und Löhrmann als Partnerschaft, bei Kraft und Merkel als Konkurrenz. Im Kontext von Kraft und Löhrmann wird die Vergeschlechtlichung durch Krafts Charakterisierung als »Frau, die sich nicht traut« im Kontrast zu einer handlungsmächtigen Partnerin verstärkt. Der Bezug zu Ypsilanti und Simonis könnte auch gelesen werden als Sicht auf die Politikerin als Exemplar des Gattungswesens Frau, bei dem das individuelle Handeln und individuelle Fehler als Beispiel für zu verallgemeinernde Charakteristika geltend gemacht werden. Wie bereits mehrfach betont, bedarf diese Vermutung weiterer Belege.

7.4.7 Zwischenfazit: Kontexte machen Geschlecht Die Konstruktion von Geschlecht in den Inszenierungen von Krafts Handlungsmacht bei der Regierungsbildung 2010 ist stark kontextabhängig. In Situationen, in denen Kraft als handlungsmächtig dargestellt wird, wird die Kategorie Geschlecht selten explizit relevant gesetzt. Allenfalls lassen sich bestimmte Eigenschaften und Kompetenzen als weiblich kodiert lesen, etwa die Warmherzigkeit, Kommunikations- und Integrationsvermögen, die bei einigen Inszenierungen zum Tragen kamen. Hingegen wird in Situationen, in denen Kraft als unsicher und zögerlich charakterisiert wird, das Bild der ängstlichen Frau inszeniert, das auch bei der Wahl 2012 – angereichert um biografische Details – weiter ausgemalt wird (Kap. 6.4.1). Aus diesem Befund lässt sich die These ableiten, dass Scheitern und Unsicherheit medial eher weiblich kodiert inszeniert werden, während Erfolg und Handlungsmacht nach wie vor eher dem männlichen als dem impliziten und ungenannten Geschlecht in der Politik zugeordnet wird (Lünenborg/Maier 2012: 77). Dies bedeutet aber nicht, dass in den analysierten Inszenierungen politische Bedeutung in erster Linie durch Kontexte mit Männern verliehen wird. Diese spielen im vorliegenden Fall eine untergeordnete Rolle. Es werden nur Kontexte mit Krafts Kontrahenten Rüttgers und dem SPD-Vorsitzenden Gabriel prominent gesetzt. Bei beiden zeigen sich parallele Veränderungen in der Hierarchie, im Verhältnis zu Gabriel von Abhängigkeit zu Egalität bzw. Konkurrenz, im Verhältnis zu Rüttgers von Egalität zu Überlegenheit. Viel prägender für die Inszenierungen im vorliegenden Fall sind Kontexte mit Politikerinnen. Dies könnte auf eine gewisse Normalisierung nicht nur der Partizipation von Frauen in politischen Spitzenpositionen, sondern auch von deren medialen

221

222

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Repräsentationen hindeuten. Ich werte dies jedoch eher als besondere Form der Konstruktion der Andersartigkeit von Frauen im politischen Feld. Das mag zunächst paradox klingen. Es wird jedoch plausibel, wenn man fragt, warum eine neu gewählte Ministerpräsidentin der einen Volkspartei mit der Kanzlerin der anderen Volkspartei verglichen werden sollte, wenn nicht aufgrund des Geschlechts. Ein Gender-Change als Gedankenexperiment macht dies deutlich. 2003, fünf Jahre nachdem Schröder zum Bundeskanzler gewählt worden war, verlor die SPD in Niedersachsen die Mehrheit. Neuer Ministerpräsident wurde Christian Wulff (CDU). Die Frage, ob Wulff nun der Schröder der CDU werde, die Bild im Fall von Kraft und Merkel aufgeworfen hatte, klingt aber eher abwegig und würde allenfalls mit der Agenda 2010, nicht jedoch mit Schröder als Mann in Verbindung gebracht. Auch die Drohkulisse des Scheiterns von Simonis und Ypsilanti weist in diese Richtung, da Scheitern und politische Fehler nicht individuell der Person zugeschrieben werden, sondern durch den Vergleich der Politikerinnen implizit als charakteristisch für das ›Gattungswesen Frau‹ gekennzeichnet werden. Es lässt sich also festhalten, dass politische Bedeutung nicht mehr durchgängig männlich kodiert ist. Dennoch weisen die Kontexte mit Politikerinnen (noch) nicht auf eine Umkehrung dieser Kodierung hin, sondern dienen weiterhin der Konstruktion der Andersartigkeit von Frauen in der Spitzenpolitik. Festzuhalten ist daneben auch, dass private Kontexte und Körperpraktiken in diesen medialen Repräsentationen eine nur episodische Bedeutung haben, die im Wesentlichen den Befunden aus dem Wahlkampf 2010 folgt.

7.5 R ESÜMEE : M ACHT

UND E HRGEIZ BLEIBEN WIDERSPRÜCHLICH INSZENIERT

In den medialen Inszenierungen der drei untersuchten Versuche der Bildung einer Minderheitsregierung zeigen sich Parallelen und Unterschiede. Sie lassen sich teils mit dem jeweiligen Ausgang dieser Vorhaben, also mit Erfolg oder Scheitern in Verbindung bringen. Übereinstimmend sind in allen drei Fällen Ehrgeiz, Karriereorientierung und Machtbewusstsein der Politikerinnen negativ konnotiert. Simonis wird als machtversessene alternde Frau inszeniert, die nicht weiß, wann Schluss ist, und im Privaten, also der weiblich kodierten Sphäre, nicht viel zu erwarten hat. Ypsilanti wird als ehrgeizige Egomanin in Szene gesetzt, die zum Schaden des Landes und ihrer Partei mit dem Kopf durch die Wand will. Kraft wird zwar durch Zögern und Zaudern beim Griff nach der Macht als nicht ehrgeizig gekennzeichnet. Auch diese Zurückhaltung wird in den Medien negativ bewertet, jedoch nicht mit der gleichen vernichtenden Rhetorik wie bei Simonis und vor allem Ypsilanti. Und es wird relativiert durch anerkennende Inszenierungen bei der Wahl zur Ministerpräsidentin. Dies stützt bisherige Befunde, wonach Erfolg eher männlich kodiert ist, Misserfolg und Scheitern eher weiblich (Kap. 2.4.8).

Koalitionsverhandlungen und Wahl zur Ministerpräsidentin

Weiterhin bleiben alle drei Politikerinnen als im politischen Feld andersartig gekennzeichnet. Dem dient bei Simonis und Ypsilanti vor allem die Inszenierung als machtversessen und rücksichtslos ehrgeizig. Krafts Andersartigkeit wird durch die Betonung von Geschlecht im Kontext mit anderen Politikerinnen konstruiert. Unterschiede zeigen sich bei der Vermittlung politischer Bedeutung durch Kontexte mit Männern. Dies ist in den beiden früheren Fällen ungebrochen. Bei Simonis nimmt der im Wahlkampf als provinziell charakterisierte Gegenkandidat immer mehr das Heft des Handelns in die Hand, während Simonis zunehmend paralysiert wirkt. Ypsilanti wird umfangreich vor allem mit SPD-Spitzenpolitikern und mit ihrem Kontrahenten Roland Koch kontextualisiert. Anders als im Wahlkampf wird sie dabei durchweg abgewertet. Bei Kraft hingegen spielen Kontexte mit Männern eine untergeordnete Rolle. Wichtiger sind Kontexte mit Politikerinnen, mit ihrer Stellvertreterin, mit Kanzlerin Merkel und mit Ypsilanti. Diese signalisieren jedoch (noch) keine Veränderung bei der männlichen Kodierung politischer Bedeutung, sondern bestätigen die Andersartigkeit als Politikerin. Auch die Kategorie Geschlecht wird bei den drei Politikerinnen unterschiedlich konstruiert. Bei Simonis bleibt es beim unverbundenen Nebeneinander der Politikerin und der Frau, was durch männliche Kampfmetaphern und die persönlich verletzte Frau repräsentiert wird. Bei Ypsilanti zeigt sich eine Retraditionalisierung durch Sexualisierung, die wie bei Ute Vogt 2006 (Kap. 6.2.6) medial überhaupt erst hergestellt und in explizit politische Kontexte gestellt wird und damit der Abwertung als Politikerin dient. Daneben ist das Scheitern explizit vergeschlechtlicht. Dies trifft auch auf Krafts Zögern und Zaudern zu. Zugleich zeigt sich in diesem Fall andeutungsweise, dass weiblich kodierte Eigenschaften und Kompetenzen als politische Charakteristika Handlungsmacht kennzeichnen können. Im untersuchten Textkorpus sind die medialen Repräsentationen der Versuche zur Regierungsbildung weitgehend personalisiert. Persönliche Kompetenzen, Fehler und Ängste stehen im Zentrum. Politische Rahmenbedingungen, etwa die Bedeutung einer Regierung unter sozialdemokratischer Führung in Schleswig-Holstein 2005 für die strauchelnde rot-grüne Bundesregierung oder die unterschiedlichen parteipolitischen Konstellationen im Bund und in Hessen bzw. NRW (s.S. 219 FN 8), wurden in den Medien kaum verhandelt. Auch die unterschiedlichen politischen Profile von Kraft und Ypsilanti wurden wenig thematisiert. Es wäre jedoch denkbar, dass in der SPD-Spitze eine Minderheitsregierung unter Kraft als Pragmatikerin eher akzeptiert wurde als unter Ypsilanti als der profilierten Partei-Linken, der es explizit um eine programmatische Alternative ging. Dieses mediale Manko lässt sich unter dem Stichwort Boulevardisierung politischer Medien betrachten. Zu fragen ist dabei nach dem demokratischen Potenzial, das boulevardisierten Diskursen verschiedentlich zugesprochen wird, weil sie besonders weite Bevölkerungskreise erreichen und politische Berichterstattung nicht an Kommunikationsregeln bildungsnaher, deutsch sprechender Männer koppeln (Dörner 2001; Klaus 2000; Lünenborg 2009c) (Kap. 3.2.4). Diskutiert werden müsste, ob

223

224

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

im vorliegenden Kontext die politischen Prozesse überhaupt anhand persönlicher Charakterisierungen angemessen thematisiert werden können. Oder ob Inszenierungen, wie die machtversessene alternde Frau, die ehrgeizige Egomanin oder die Frau, die sich nicht traut, die auf ein doxisches Geschlechterwissen (s.S. 63) rekurrieren, dieses demokratische Potenzial konterkarieren.

8. Diskussion: Geschlecht als Erklärungsfaktor für Politik

Von ›anders = schlechter‹ zu ›anders = besser‹, so lässt sich der Wandel der Konstruktion von Geschlecht (verkürzt) zuspitzen, der im Diskurs über einen neuen Typus Politikerin anklingt (s.S. 9) und der in den Repräsentationen der SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen von 1994 bis 2012 in den ausgewählten Medien erkennbar ist. Dieser Wandel hat viele Facetten, weist zugleich aber Einschränkungen, Brüche und Verharrungspotenziale auf. Die Zeitachse wurde bei der Auswertung mit den Kriterien Führen von Koalitionsverhandlungen und Wahlkampf als Amtsinhaberin modifiziert. Anhand dessen ergaben sich drei Auswertungsgruppen: • Gruppe 1: Renate Schmidt 1994 und 1998, Ingrid Stahmer 1995 und Ute Vogt 2001 und 2006 • Gruppe 2: Heide Simonis 1996, 2000 und 2005 • Gruppe 3: Andrea Ypsilanti 2008, Hannelore Kraft 2010 und 2012 Im Folgenden werden die Befunde entlang der Forschungsfragen (Kap. 4.3) diskutiert. Ich frage nach der Konstruktion von Geschlecht in den medialen Repräsentationen (Kap. 8.1), nach Kontexten, in denen Geschlecht relevant gesetzt wird (Kap. 8.2), nach dem Verhältnis von öffentlicher und privater Sphäre in diesen Repräsentationen (Kap. 8.3) und nach deren Bedeutung für den Anspruch auf Macht (Kap. 8.4). In einem eigenen Kapitel (Kap. 7) habe ich Veränderungen und Ergänzungen in den medialen Inszenierungen dreier Versuche zur Bildung einer Minderheitsregierung (Simonis 2005, Ypsilanti 2008 und Kraft 2010) rekonstruiert. Diese Ergebnisse sind bei den jeweiligen Forschungsfragen eingearbeitet. Die Forschungsfrage nach Wandlungsprozessen im Untersuchungszeitraum wird ebenfalls nicht in einem gesonderten Gliederungspunkt diskutiert. Dies ist vielmehr der rote Faden, der sich durch die gesamte Diskussion der Ergebnisse zieht.

226

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

8.1 P OLITIKER _ IN

STATT

/

ODER

/

UND

F RAU

Die leitende Forschungsfrage behandelt die Konstruktion von Geschlecht in den medialen Repräsentationen von Wahlkampf und Wahlergebnis und deren Wandel im Zeitverlauf. Dabei wird das Verhältnis der Politikerin und der Frau diskursiv verhandelt (Kap. 8.1.1). Und es werden Kontexte der Kandidatinnen mit den im politischen Feld hegemonialen männlichen Politikern als eher hierarchisch oder eher egalitär inszeniert (Kap. 8.1.2).

8.1.1 Die Anderen Spitzenpolitikerinnen werden auch heute noch in den Medien überwiegend als andersartig inszeniert, als anderes Geschlecht in der Politik und als andere Frau. Gewandelt hat sich jedoch die Inszenierungslogik. Bis in die ersten Jahre dieses Jahrhunderts diente die Andersartigkeit der Konstruktion eines dichotomen Gegensatzes zwischen der handlungsmächtigen Akteur_in im politischen Feld und der Frau. Medial repräsentierte Normalisierung von Frauen im politischen Feld war in dieser Perspektive mit Abwertung verbunden. Heute ist die Andersartigkeit zum Erklärungsfaktor für die Person und das Profil der Politikerin geworden. In dieser Hinsicht schließen sich die Befunde der vorliegenden Untersuchung an frühere Arbeiten an (Kap. 2.4.2, 2.4.3). Dieser Wandel lässt sich in den unterschiedlichen Mustern ablesen, nach denen die Andersartigkeit in den drei Auswertungsgruppen medial inszeniert wurde. Bei der ersten Gruppe der Kandidatinnen zeigten sich drei Inszenierungsmuster, alle mit dichotomem Charakter: Das Gattungswesen, die Exotin und die Verliererin. Erstens wurde männlichen Individuen ein Exemplar des Gattungswesens Frau als das Geschlecht in der Politik gegenübergestellt. Während Politiker mit persönlichen Charakteristika attribuiert wurden, ging es bei Politikerinnen um Eigenschaften ›als Frau‹. Wenn Geschlecht in den Medien thematisiert wurde, war es weiblich, während das männliche als implizit politisches Geschlecht ungenannt blieb (Lünenborg/Maier 2012: 77). Soweit die Kandidatinnen neu auf die landespolitische Bühne traten, wurden sie zweitens als Exotinnen inszeniert, als Medienereignis und willkommene Abwechslung mit dem immer gleichen männlichen Politikbetrieb kontrastiert und damit als anderes Geschlecht markiert. In den Exotinnen verbanden sich weiblich kodierte persönliche Eigenschaften mit männlich kodiertem politischem Talent zur ungewöhnlichen Akteurin im politischen Feld. Ein ungewöhnlicher Lebenslauf und männlich kodierte Durchsetzungsfähigkeit repräsentierten daneben die andere Frau. Mit dieser Markierung erhielten die Politikerinnen auch im Kontext des weiblichen Mainstreams einen Ausnahmestatus (van Zoonen 2006: 298) (s.S. 43). Zugleich deutete sich in der Inszenierung dieser Exotinnen bereits die Erosion der medialen Dichotomie zwischen der handlungsmächtigen Akteur_in im politischen Feld und der Frau an. Vermutlich spielte dabei die zunehmende Sichtbarkeit von Politikerinnen aufgrund ihrer voranschreitenden Partizipation auch in Spitzenpositionen

Geschlecht als Erklärungsfaktor für Politik

eine Rolle. Daneben könnte der Wandel mit der Bedeutung von medienaffinen, performativen Charakteristika in Zusammenhang stehen, die in einem medialisierten politischen Feld von den dortigen Akteur_innen gefordert wird (s.S. 22) und die den Kandidatinnen als soziale und kommunikative Kompetenzen zugeschrieben wurden. Das dritte Muster, die Verliererin, ist Ausdruck und Ergebnis einer Entwicklung der medialen Inszenierungslogik von der Andersartigkeit zur Normalisierung. Landespolitisch etablierte Kandidatinnen verloren den Charakter als Exotin. Nunmehr wurde ihre Handlungsmacht entlang männlich kodierter Anforderungen im politischen Mainstream diskursiv verhandelt. Gemessen daran scheiterten die Kandidatinnen, als hätten sie im Urteil der Medien ihr politisches Talent nach der ersten Wahl verloren. Mit weiblichen Attributionen wurden sie trivialisiert, bisweilen ergänzt um Repräsentationen sozialer Distinktion als Frau ›nicht von hier und nicht von uns‹. In allen drei vorgestellten Mustern wurde der Misserfolg bei der Wahl antizipiert. Die Exotinnen, deren Status als Protegée eines mächtigen Politikers sie als talentiert auswies (s.S. 124f), starteten in der medialen Optik quasi außer Konkurrenz in den politischen Wettbewerb. In dieser Chancenlosigkeit konnten sie als politische Talente inszeniert werden, ohne die androzentrische Hegemonie im politischen Feld infrage zu stellen. Und bei den etablierten Landespolitikerinnen als Verliererinnen repräsentierten fehlende politische Kompetenz, fehlende Unterstützung und fehlende Wirksamkeit das Scheitern. Bei ihnen wurde der medial inszenierte Gegensatz zwischen der handlungsmächtigen Akteur_in und der Frau aktualisiert. Trotz sehr unterschiedlicher Inszenierungslogiken trat in all diesen Mustern der Double Bind zwischen Anforderungen im politischen Feld und an Weiblichkeit in Erscheinung (Jamieson 1995) (s.S. 27f). Bei den Exotinnen wurde diese Zwickmühle als Ausnahme von der Regel medial quasi außer Kraft gesetzt, bei den etablierten Kandidatinnen hingegen bestätigt. Zugleich aktualisierten die hegemonialen politischen Medien das bürgerliche Öffentlichkeitsverständnis mit seiner geschlechtshierarchischen Dichotomie von öffentlicher und privater Sphäre und einer androzentrischen Binnenstruktur: Die Politikerin blieb die Ausnahme mit zweifelhafter Kompetenz. Bei den drei Kandidaturen von Heide Simonis (Gruppe 2) repräsentierte der Ausnahmestatus als erste und damals einzige Ministerpräsidentin in Deutschland das andere Geschlecht. In ihrem Amt wurde sie an den männlich kodierten Maßstäben im politischen Feld gemessen und im Gegensatz zu den Kandidatinnen der ersten Gruppe als handlungsmächtige, populäre Politikerin inszeniert. Die andere Frau gewann in den Medien durch Modevorlieben und Hobbys an Kontur, die als spleenig markiert wurden. Daneben gab es auch bei Simonis Inszenierungen sozialer Distinktion. Die beiden grundlegend verschiedenen Erzählungen über die kompetente Politikerin und die spleenige Frau standen zwar nicht dichotom gegeneinander, jedoch fast unverbunden nebeneinander. Dabei konnte die spleenige Frau den Status der kompetenten Politikerin nicht wirklich beschädigen. Dennoch ergab sich keine stimmige Erzählung. Es scheint, als hätten die Medien keine Narration für die erste Regierungschefin eines Bundeslandes als mächtige Frau gefunden. Die handlungsmächtige Politikerin, die sich

227

228

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

zugleich als Frau zu erkennen gab, stellte die Dichotomie von öffentlicher und privater Sphäre genauso infrage wie den Double Bind der Anforderungen aus beiden Sphären. Jedoch zeigte sich in den Medien (noch) keine Alternative zu einer dichotomen Inszenierung. Im Gegenteil, bei Simonis´ gescheiterter Wahl zur Ministerpräsidentin 2005 wurde diese Dichotomie aktualisiert. Machtbewusstsein wurde als Machtversessenheit negativ konnotiert, mit dem Bild der alternden Frau, die am Sessel klebt und zu Hause nichts zu erwarten hat, verknüpft und Simonis dadurch als Politikerin abgewertet. Im Bild der Frau, die nicht einparken kann, fand das seine karikierende Zuspitzung auf dem Boulevard, relativiert durch einige anerkennende Würdigungen der Lebensleistung der Politikerin in anderen Medien. Bei der dritten Gruppe wurde das andere Geschlecht vorrangig über Attribuierungen, Geschlechterstereotype und Metaphern konstruiert. Explizite Aussagen etwa im Sinne der ›ersten Frau als …‹ gab es selten. Die Vergeschlechtlichung von Handlungsmacht folgte zwei unterschiedlichen Mustern. Bei Ypsilanti wurden das politische Profil und Aussagen über Programmatik als weiblich etikettiert und mit – durchaus ambivalenten – weiblich kodierten Zuschreibungen diskursiv verknüpft. Bei Kraft wurden Geschlechterstereotype und Metaphern aufgerufen: die ängstliche Frau, die Trümmerfrau und die Landesmutter. Die beiden letzten repräsentierten als öffentliche Person zugleich die andere Frau. Die Trümmerfrau wurde positiv von männlichen Politikern abgehoben, die in Skandalen oder historischen Niederlagen gescheitert waren (Kap. 6.4.2.2). In der Landesmutter wurden mütterliche Eigenschaften politisiert (Kap. 6.4.2.3). Auch die Inszenierung des Bildungsaufstiegs aus dem Arbeitermilieu in die Spitzenpolitik scheint vergeschlechtlicht zu sein. Dies müsste aber mit medialen Repräsentationen männlicher Sozialdemokraten in intersektionaler Perspektive verglichen werden. In der dritten Gruppe war das weibliche Geschlecht in medialer Logik nicht mehr unvereinbar mit dem Status einer handlungsmächtigen politischen Persönlichkeit. Vielmehr hatte es sich zum Erklärungsfaktor für das bessere Verständnis der Politikerin entwickelt. Verhandelt wurden dabei vor allem weiblich kodierte Attributionen als sympathisch, empathisch und fürsorglich. Zwar galten auch diese Politikerinnen zunächst als nicht kompetent für das angestrebte Amt der Ministerpräsidentin. Die heiße Wahlkampfphase wurde jedoch als Aufholjagd inszeniert, in der beide Politikerinnen eine erstaunliche Entwicklung durchliefen. Dies bestätigt frühere Erkenntnisse, wonach die Kompetenz von Politikerinnen unter besonderer Beobachtung steht (Sulimma 2014: 103) (s.S 37). Wie schon bei Simonis zeigten sich jedoch in der Phase der (versuchten) Regierungsbildung Retraditionalisierungen der medialen Repräsentationen. Ypsilanti verlor mit ihrem Vorhaben der Bildung einer von der Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung komplett die mediale Anerkennung als handlungsmächtige Politikerin. Aufgrund ihres ›Wortbruchs‹ wurde sie nun als ›ehrgeizigen Egomanin in quasireligiöser Mission‹ inszeniert. Bei Kraft war die Vergeschlechtlichung der Inszenierungen abhängig vom Ergebnis ihrer Sondierungen. Bei der zögerlichen Bildung

Geschlecht als Erklärungsfaktor für Politik

einer Minderheitsregierung wurde sie als »Frau, die sich nicht traut« in Szene gesetzt. In konfliktreichen und unsicheren Situationen sowie im Scheitern aktualisierten die Medien also auch bei der dritten Gruppe den Gegensatz zwischen einer handlungsmächtigen politischen Persönlichkeit und einer Frau. Insgesamt zeigt sich also eine Veränderung der medialen Inszenierungsmuster von der expliziten Charakterisierung als Ausnahmefrau zu kontextbezogenen, weiblich kodierten und damit zunehmend impliziten Eigenschaften handlungsmächtiger Politikerinnen.

8.1.2 Männlicher Maßstab für Macht und Bedeutung In der ersten Gruppe der Kandidatinnen war der doppelte ›Maßstab Mann‹ – im Sinne männlich kodierter Macht und im Sinne politischer Bedeutung, die in Kontexten mit Männern diskursiv verhandelt wurde, – in medialen Repräsentationen ungebrochen. Im Laufe des Untersuchungszeitraums zeigte dieser Maßstab jedoch immer deutlichere Risse. Am Ende pendelte er jeweils kontextbezogen zwischen der Ablösung durch einen ›weiblichen Maßstab‹ und Aktualisierungen. Diese Befunde lassen sich an frühere Erkenntnisse anschließen, weisen aber darüber hinaus. Nach Sulimma (2014: 130f) wurden weibliche Netzwerke gegenüber einem negativ konnotierten Männerklüngel als andersartig thematisiert (s.S. 36). Anhand der hier vorliegenden Ergebnisse wird im Folgenden jedoch ein weiter reichender Wandel diskutiert. Männliche Politiker wurden in der ersten Gruppe der Kandidatinnen als Mentoren, als unerreichbare Ideale sowie als die eigentlichen und wichtigeren Kämpfer in der politischen Arena inszeniert. Die Handlungsmacht der Politikerinnen wurde in den Medien anhand dieses Maßstabs verhandelt. Eine politische Karriere wurde als Entdeckung eines mächtigen männlichen Politikers validiert, eigene Ambitionen galten in der medialen Logik als rücksichtslos und prätentiös (s.S. 124). Gleichwohl deutete sich im Bild des belebenden Kontrasts der Exotinnen zum langweiligen männlichen Politikbetrieb bereits bei diesen Kandidaturen ein Wandel an. Auch bei Simonis blieben Inszenierungen von Macht und politischer Bedeutung männlich kodiert. Anders als die Kandidatinnen der ersten Gruppe setzte sich Simonis in medialer Optik nach diesem Maßstab jedoch durch. Dies repräsentierten männliche Adressierungen, z.B. als der Boss. Ihre Karriere wurde entlang einer Riege bekannter SPD-Politiker verhandelt. In Kontexten mit zwei ihrer Gegenkandidaten (Ottfried Hennig 1996, Peter Harry Carstensen 2005) wurde sie überwiegend als haushoch überlegen inszeniert. Kontexte mit zwei anderen Politikern relativierten dies jedoch. Ihr Verhältnis zu Kanzler Schröder wurde im Kontrast zwischen politischer Ebenbürtigkeit und Geschlechterhierarchie in Szene gesetzt. Körperpraktiken, politische Aussagen und Schröders Veto gegen Simonis’ Ambition auf einen Platz im Bundeskabinett warfen Schatten auf das Bild der mächtigen Ministerpräsidentin. In Kontexten mit ihrem Gegenkandidaten Volker Rühe im Jahr 2000 repräsentierte die Physiognomie als

229

230

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

polternder Hüne bzw. als zarte Frau nicht nur Geschlecht, sondern auch politische Macht. Allerdings wurden diese Bilder durch Szenen, in denen die zarte Frau klug und taktisch versiert den brachialen Hünen ins Leere laufen ließ, sofort wieder gebrochen. Der Konstruktion körperlich inszenierter männlicher Dominanz folgte deren Dekonstruktion und Ironisierung als politisches ›Alpha-Männchen‹. Dadurch verwandelt sich Männlichkeit von der impliziten Norm zum explizit benannten Geschlecht, vom doxischen zum kognitiven Geschlechterwissen (Kap. 3.3.1) und kann damit diskursiv verhandelt werden. Dies weist auf eine Modernisierung medial repräsentierter Geschlechterverhältnisse hin. Bei Hannelore Kraft aktualisierten die Medien 2010 den männlichen Maßstab politischer Bedeutung, indem ihre Karriere durch fehlende oder nur mittelmäßige männliche Konkurrenz abgewertet wurde.1 Zwei Jahre später wurde sie – wie Ypsilanti bereits in ihrem Wahlkampf 2008 – männlichen Politikern gegenüber ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen dargestellt, repräsentiert durch weiblich kodierte Attributionen. Aggressives, dominanzorientiertes oder an kalten Zahlen und Fakten orientiertes Auftreten der Kontrahenten wurde als der Emotionalität, Warmherzigkeit oder fehlenden Aggressivität der Kandidatin unterlegen verhandelt. Früheren Arbeiten zufolge wurden männlich kodierte Verhaltensweisen bei Politikerinnen in den Medien negativ bewertet (Kap. 2.4.3). Kraft und Ypsilanti tappten – ob intendiert oder nicht – nicht in diese Falle, sondern ließen mit einem als weiblich identifizierten Verhalten den Kontrahenten quasi ins Leere laufen. Bei Krafts Wahlsieg 2012 verstärkte sich dieser Wandel. Die als Frau markierte Wahlsiegerin wurde als Messlatte für die drei männlichen Anwärter auf die SPDKanzlerkandidatur inszeniert. Dabei wurde ihr Verzicht auf diese Kandidatur relevant gesetzt. Das zieht die Frage nach sich, welche Medienresonanz ein selbstbewusst formulierter Anspruch hervorgerufen hätte. Denn bei früheren Kandidaturen hatten die Medien ›eigenmächtige‹ Ambitionen negativ bewertet (s.o.). Das lässt vermuten, dass der positive Medientenor mit dem Verzicht zusammenhängt, den ich als weiblich kodiert betrachte. Dies würde Gnändigers These stützen, wonach weiblicher Verzicht mit einem positiven Bild in den Medien quasi honoriert wird (Gnändiger 2007: 137) (s.S. 37). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich leise mediale Kritik am männlichen Politik-Habitus bereits bei den ersten Kandidaturen angedeutet hatte und im Laufe der Zeit immer lauter wurde. Dies scheint Scholz’ These vom Ende der »Ära des dominanzorientierten, auf mediale Selbstinszenierung ausgerichteten Politikertypus« zu bestätigen (Scholz 2007c: 110) (s.S. 45). Jedoch wurde dieser Wandel immer wieder durch Aktualisierungen männlich inszenierter politischer Macht und Bedeutung relativiert. Damit stellt sich die Frage nach der Umkehrbarkeit dieser Entwicklung und lässt die Proklamation des Endes solcher Selbstinszenierungen als vorschnell erscheinen. Trotz dieses Wandels hatten Kontexte mit Politikerinnen nur bei Kraft während der Koalitionsverhandlungen 2010 und im Wahlkampf 2012 größeres Gewicht und 1 | Dadurch wurden übrigens auch die als mittelmäßig gekennzeichneten männlichen Gegenkandidaten abgewertet.

Geschlecht als Erklärungsfaktor für Politik

blieben in der medialen Inszenierung ambivalent. Mit Kanzlerin Angela Merkel wurde Hannelore Kraft zwar politisch verglichen. Die Begründung für diesen Vergleich lag jedoch ausschließlich im sozial wahrgenommenen weiblichen Geschlecht. Krafts Verhältnis zu ihrer Stellvertreterin Sylvia Löhrmann von den Grünen wurde bei der Regierungsbildung 2010 als Austarieren der Machthierarchie in einer politischen Beziehung inszeniert, 2012 dann aber teils als private Frauenfreundschaft trivialisiert. Die Drohkulisse eines Scheiterns à la Ypsilanti oder Simonis, die im Vorfeld der Bildung einer Minderheitsregierung in NRW ohne Diskussion der jeweiligen politischen Kontexte medial inszeniert worden war, ließ diese Debakel implizit als charakteristisch für das Gattungswesen Frau erscheinen. Zuschreibungen an Männer in medialen Vergleichen enthielten verallgemeinernde Aussagen über politische Kompetenz, Macht und Wirksamkeit. In Vergleichen mit Frauen suchte man dies vergeblich. Hier bezogen sich vergleichende Aussagen nur auf Frauen bzw. Politikerinnen und wurden so zu verallgemeinernden Zuschreibungen an das weibliche Geschlecht. Damit wurde die mediale Repräsentation des Politikers als allgemeines und implizites politisches Geschlecht und der Politikerin als die Ausnahme aktualisiert. Während die Andersartigkeit von Politikerinnen zunehmend von der expliziten auf die implizite Ebene wanderte, verlief die Entwicklung bei Politikern kontextbezogen andersherum. In der Kritik am politischen Alpha-Männchen wird die implizite männliche Norm explizit benannt und damit diskursiv verhandelbar.

8.2 G ESCHLECHT

BLEIBT RELEVANT

Der beschriebene Wandel bei der Konstruktion von Geschlecht im Untersuchungszeitraum zieht die Frage nach sich, in welchen Kontexten diese Kategorie relevant gesetzt wird und welche Veränderungen hier im Zeitverlauf sichtbar werden. Bei den frühen Kandidaturen wurde die Kategorie weibliches Geschlecht als omnirelevantes Thema der medialen Inszenierung von Spitzenpolitikerinnen aktualisiert. Sie hat diese Bedeutung im Laufe des Untersuchungszeitraums jedoch verloren. Eine z.B. mit der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft einhergehende Dethematisierung von Geschlecht verbunden mit einem Bedeutungsverlust dieser Kategorie im Sinne von Pasero (1995) oder ein bewusstes »Undoing Gender« nach Hirschauer (2001) lässt sich im vorliegenden Textkorpus jedoch nicht erkennen (Kap. 3.3.2). Vielmehr wird diese Kategorie nunmehr in Personalisierungen, z.B. als Landesmutter, zur Charakterisierung von Politikerinnen, zur kritischen Kontrastierung mit einem betont männlichen Polit-Habitus sowie in kritischen und skandalisierenden Berichten relevant gesetzt. Dabei verändert sich der Charakter der Thematisierung tendenziell vom expliziten Topos zur impliziten Bedeutung. Die Kategorie weibliches Geschlecht zog sich bei den ersten beiden Gruppen von Kandidatinnen als Topos oder zweite Erzählebene durch die medialen Repräsentationen des Wahlkampfs. Diskursiv verhandelt wurden die Frau und ihr Ausnahmestatus im

231

232

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

politischen Feld. Mit dem immer stärkeren Fokus der Inszenierung auf weiblich kodierte Zuschreibungen lassen sich im Zeitverlauf Differenzierungen bei der Relevanz von Geschlecht erkennen. In der Personalisierung von Wahlkämpfen der beiden Ministerpräsidentinnen Simonis und Kraft, die auch in den Medien inszeniert wurde, blieb die Kategorie Geschlecht durchgängig relevant. Denn mit der Person rückt in einer zweigeschlechtlichen Ordnung auch ihr sozial wahrgenommenes Geschlecht in den Fokus. In personalisierten Repräsentationen wurden weiblich kodierte Zuschreibungen diskursiv verknüpft mit Aussagen über das Profil und die Glaubwürdigkeit der Politikerin sowie mit Kritik an der Regierungsbilanz und an einem inhaltsleeren Wahlkampf als Kehrseite der Personalisierung. Im Sample der vorliegenden Arbeit ist die Landesmutter dominante mediale Metapher für die Frau als mächtige Politikerin. Neben der Nutzung als journalistisches Synonym für die Ministerpräsidentin (in spe) stehen politische Rahmungen von mütterlichen Eigenschaften im Vordergrund. In der Landesmutter wird die Mutter quasi zur politischen Person. In ihr sind politische Handlungsmacht und weiblich kodierte Charakterisierungen integriert, jedoch mit durchaus unterschiedlichem Profil, wie die Analyse der Mutter-Metapher in politischen Medien nahelegt (Beck 2016). Die Landesmutter kann durch entsprechende Attributionen auch als eingeschränkt politikfähig gekennzeichnet werden. Das zeigt sich im Bild der ›blinden‹ und nachgiebigen Mutterliebe, das die Medien 2012 von Hannelore Kraft zeichneten und implizit mit dem Bild eines durchsetzungsstarken ›Vollblut-Politikers‹ kontrastierten. Die als politisierte Mutter gekennzeichnete Politikerin unterliegt also der zusätzlichen Gefahr trivialisiert und reprivatisiert zu werden (Beck 2016). In medialer Kritik und der Thematisierung von Scheitern bleibt das weibliche Geschlecht ebenfalls relevant. Kritische Anmerkungen zur Politikerin werden diskursiv verknüpft mit abwertenden, trivialisierenden oder sexualisierenden Aussagen über den Körper, die Persönlichkeit oder das private Verhalten der Frau. Scheitern scheint außerdem nicht nur dem Individuum zugeschrieben, sondern als charakteristisch für das Gattungswesen Frau verallgemeinert zu werden, wie sich anhand der Inszenierung der Debakel von Ypsilanti und Simonis als Drohkulisse für Krafts Bildung einer Minderheitsregierung vermuten lässt. Ob Karriereambitionen und Ehrgeiz in den Medien anerkennend oder abwertend verhandelt werden, hängt ebenfalls vom sozial wahrgenommenen Geschlecht ab. Wohlwollend inszeniert wurden von mächtigen männlichen Politikern validierte Ambitionen. Eigene Machtansprüche wurden hingegen durchweg als prätentiös, egoistisch oder machtversessen attribuiert (s.S. 124) (Beck 2014a: 413, 417). Bei Kraft zeigte sich diese Inszenierung in ihrer Umkehrung. Ihr Verzicht auf die Kanzlerkandidatur 2012, für die sie in den Medien nach ihrem Wahlsieg als prädestiniert galt, wurde anerkennend registriert. Allerdings fügt sich ihr zeitweiliger Verzicht auf Regierungsmacht nach den gescheiterten Sondierungen 2010 nicht in dieses Muster. Hier entstand hingegen das mediale Bild der ängstlichen Frau.

Geschlecht als Erklärungsfaktor für Politik

In skandalisierenden Berichten rückt das Geschlecht vor allem durch Sexualisierungen in den Fokus. Im vorliegenden Sample sticht das in zwei Fällen hervor, im ›Lügendetektor-Interview‹ von Ute Vogt in Baden-Württemberg 2006 und in der Sexualisierung eines Fotoshootings von Andrea Ypsilanti 2008 im roten Abendkleid. In Baden-Württemberg schuf der Boulevard in einem ereignislosen Wahlkampf ohne große Kontroversen auf Kosten der Kandidatin mit der »Orgasmus-Lüge« eine Schlagzeile, die einen intermedialen Diskurs auslöste. Erklärt werden könnte das damit, dass der Boulevard fehlende Anlässe zur Inszenierung der Frau Ute Vogt mit eigenen Mitteln geschaffen hat. Im – übrigens reichlich konstruierten – Kontext von Ypsilantis Fotoshooting mit der zeitweiligen CSU-Rebellin Gabriele Pauli und Nacktfotos von Spitzensportlerinnen wurde suggeriert, Politikerinnen könnten sich demnächst vor der Kamera ausziehen. Hier fungierte die Sexualisierung als Inszenierungsmuster für Kritik am Vorhaben der Politikerin. Statt sich inhaltlich mit dem Für und Wider einer von der Linken tolerierten Minderheitsregierung sowie mit Ypsilantis Vorgehen auseinanderzusetzen, wurde diese politisch dekontextualisiert und trivialisiert.2 Die beiden Beispiele könnten als Bestätigung für Imhofs These gelesen werden, wonach Medien nicht mehr nur über Skandale berichten, sondern das Skandalisieren selbst aktiv übernehmen und ihre eigene Rolle moralisch als quasi-plebiszitären Instanz im politischen Machtspiel aufladen (Imhof 2006: 6) (Kap. 3.2.2). Auch in Skandalen des politischen Gegners spielte Geschlecht implizit eine Rolle. Hierbei wurden die Kandidatinnen in der weiblich kodierten Position der passiven Nutznießerin inszeniert. Vereinzelt wird in den Medien auf einen ›weiblichen Politikstil‹ rekurriert. Verhandelt wird, was Frauen in der Politik wohl anders machen als Männer und ob sich die Kandidatinnen ›weiblich‹ oder ›männlich‹ durchsetzen. In Inszenierungen der ›klugen Frau‹, die auch durch Körperpraktiken illustriert werden, wird dabei ein Politikstil konstruiert, der dem des ›Alpha-Männchens‹ überlegen ist. Diese Befunde schließen sich weitgehend an den Forschungsdiskurs an (Kap. 2.4.3, Kap. 2.4.6). Außerdem zeigt sich hier ein Bezug zu einem weiblichen Machtverständnis, das in Forschungsarbeiten über die Positionierung von Frauen im politischen Feld in den 90er Jahren diskutiert wurde (Kap. 2.3.4). Bei Personalisierungen, im Bild der Landesmutter, bei Inszenierungen von Scheitern, Karriereambitionen und Skandalen sowie in einem weiblichen Politik- und Machtverständnis wurde die Kategorie Geschlecht auch bei den jüngeren Kandidaturen relevant 2 | Vergleicht man die Skandalisierung von Ypsilantis Versuch der Regierungsbildung mit den Inszenierungen des Ministerpräsidenten Roland Koch im hessischen Teil des CDUSpenden-Skandals, so lassen sich erstaunliche Parallelen zu Befunden über Skandalisierungen der Berliner Senatorinnen Anne Klein und Anke Martiny im Vergleich zu dem CDU-Politiker Heinrich Lummer ziehen (Kap. 2.4.4). Dies ist im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht möglich.

233

234

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

gesetzt. Abgesehen vom weiblichen Politik- und Machtverständnis, in dem eine essenzialisierende Perspektive zum Ausdruck kommt, geht es in diesen Kontexten um persönliche Merkmale. Ungleiche Geschlechterverhältnisse als gesellschaftlicher Rahmen für den inszenierten Ausnahmestatus von politischen Spitzenfrauen oder die Unterrepräsentanz von Frauen im politischen Feld waren hingegen als Thema in den Medien unterbelichtet. Wie aber dieses Fehlen in die Analyse einordnen, ohne der Gefahr der Reifizierung aufzusitzen (s.S. 16)? Diese Gefahr besteht darin, dass in der Kritik an der fehlenden Thematisierung von gesellschaftlichen Ursachen die Ausnahmesituation immer wieder aktualisiert wird. Festzuhalten bleibt jedoch zunächst, dass Geschlecht ja in medialen Repräsentationen relevant gesetzt ist, allerdings beschränkt auf den Charakter eines individuellen Merkmals in Referenz auf ein doxisches und damit verharrendes Geschlechterwissen. Gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse werden damit – bewusst oder unbewusst – dethematisiert. In den ersten beiden Gruppen wurde Geschlecht durch den individuellen Ausnahmestatus relevant gesetzt. In Gruppe 3 dienten Vergeschlechtlichungen überwiegend der Charakterisierung einer handlungsmächtigen Politikerin. Ungleiche Geschlechterverhältnisse in der Politik wurden allenfalls als beiläufiger und ironischer Hinweis auf das Argument angesprochen, die Zeit sei reif für mehr Frauen in Spitzenpositionen. Auch in den Erzählungen über den Bildungsaufstieg blieb der soziale Hintergrund, also ungleiche Bildungschancen und der besonders steinige Weg für junge Frauen aus ›einfachen Verhältnissen‹, im Dunkeln. In dem Maße, in dem die Karriere von Politikerinnen ausschließlich als individuelle Leistung, Ausnahme oder als Erfolg mit Hilfe männlicher Mentoren verhandelt wird, geraten gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse auf der Achse Geschlecht aus dem Blick. Und wenn vergeschlechtlichte Inszenierungen sukzessive von der Ebene expliziter Aussagen auf die Ebene impliziter Bedeutungen wandern, ist deren sozial konstruierter Charakter nur zu entschlüsseln, wenn weibliche Kodierungen als solche dekodiert und in einen gesellschaftlichen Kontext gesetzt werden. Diese Kodierungen rekurrieren auf ein doxisches Geschlechterwissen, also »selbstverständliches, unhinterfragtes Wissen, dessen Entstehungszusammenhänge kollektiv und individuell in Vergessenheit geraten sind« (Dölling 2005: 50). Hingegen bedarf es eines kognitivdiskursiven Geschlechterwissens, um diese Zuschreibungen zu hinterfragen. Deswegen vertrete ich die These, dass die gewandelten Inszenierungen, in denen Politikerinnen aufgrund vergeschlechtlichter individueller Merkmale als handlungsmächtig gezeichnet werden, als rhetorische Modernisierungen Geschlechterungleichheiten im politischen Feld verschleiern und den Diskurs über Strategien zur Veränderung erschweren können (Wetterer 2003) (Kap. 3.3.2). Diese These wäre im Rahmen einer vergleichenden Analyse im Kontext der Diskursivierung von Männlichkeit in der Politik weiter zu diskutieren.

Geschlecht als Erklärungsfaktor für Politik

8.3 DAS P RIVATE

ALS POLITISCHE

KOMPLEMENTÄRKATEGORIE

Der Wandel bei der Konstruktion von Geschlecht und der Relevanz dieser Kategorie lässt vermuten, dass sich auch das Verhältnis von öffentlicher und privater Sphäre in den medialen Repräsentationen ändert. Dies wird im Folgenden diskutiert. In den Inszenierungslogiken der Medien der hegemonialen politischen Öffentlichkeit wandelt sich das Private von einer Kategorie, die dem Politischen dichotom gegenüber steht, zu dessen Komplementärkategorie3. Das lässt sich auch an Körperpraktiken erkennen, anhand derer zunächst die private Frau inszeniert wurde, die sich dann aber auch zu Trägerinnen politischer Botschaften entwickelten. Hier weisen die Befunde dieser Arbeit über bisherige Forschungsdiskurse hinaus, in denen diese Entwicklung noch nicht beschrieben wird (Kap. 2.4.5). In den Kandidatinnen-Gruppen 1 und 2 verhandelten die Medien politische Handlungsmacht und Weiblichkeit dichotom (Kap. 8.1.1). Der Status der Politikerin als Mutter wurde relevant gesetzt. Damit wurde auch die Kinderlosigkeit von drei Kandidatinnen betont. Überwiegend trivialisierte und sexualisierte die Inszenierung privater Praktiken die Kandidatinnen. Körperpraktiken konstruierten das politisch dekontextualisierte weibliche Geschlecht. Der weibliche Körper erschien in den Medien einem bürgerlichen Öffentlichkeitsbegriff entsprechend als unpolitisch. Diese Befunde schließen noch an frühere Arbeiten an. Wandel deutete sich in der Repräsentation von Glaubwürdigkeit, Profil und Programmatik der Politikerinnen anhand privater Praktiken an. Daneben wurde Kritik am männlichen Polit-Habitus durch den Kontrast mit weiblich kodierten und politisch gerahmten Körperpraktiken inszeniert. Bei den neueren Kandidaturen wurden politische Sachverhalte anhand von Herkunft, privater Lebensführung und weiblich inszenierten Körperpraktiken verhandelt. Letzteres entspricht zwar nicht dem Körper als »Austragungsort von Status und Macht«, den Grittmann und Maier für die Inszenierung männlicher Politiker beschreiben (Grittmann/Maier 2014: 161f). Jedoch werden in diesen Repräsentationen private Kontexte und Körperpraktiken zu Trägerinnen politischer Botschaften. Während also bei den früheren Kandidaturen der Körper ausschließlich das politisch dekontextualisierte weibliche Geschlecht kennzeichnete, ist nun eine zweite Aussageebene hinzugekommen. Körperpraktiken wie auch private Rahmungen illustrieren Aussagen über politische Praktiken der Kandidatinnen. Der Körper der Politikerin ist damit quasi politisch geworden. Hierin wird ein Aspekt von Modernisierung sichtbar. Dieser ist gleichwohl durchaus ambivalent und offen für Retraditionalisierungen, wie die sexualisierte Kritik an Ypsilanti und die Inszenierung von Simonis als alternde 3 | Nach dem fünften Axiom in Watzlawicks Kommunikationstheorie bestimmt in komplementären Beziehungen (im Kontrast zu symmetrischen Beziehungen) die sich ergänzende Unterschiedlichkeit, die häufig hierarchisch ist, die Kommunikation zwischen zwei Partner_innen (Watzlawick et al. 2000: 68-70).

235

236

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

machtversessene Frau mit einer problematischen Ehe bei den gescheiterten Regierungsbildungen nahelegen. Diesen Wandel begreife ich als verändertes Verständnis vom Verhältnis zwischen öffentlicher und privater Sphäre in den Medien der hegemonialen politischen Öffentlichkeit. Dazu lehne ich mich an Watzlawicks Begriff von Komplementarität an. Danach ist das Verhältnis von Privatsphäre und politischer Öffentlichkeit, das sich in diesen medialen Repräsentationen zeigt, nicht mehr dichotom, sondern komplementär. Beide Sphären bezeichnen verschiedene Bereiche der Gesellschaft, die je unterschiedlichen Rationalitäten folgen. Sie ergänzen einander insofern, als private Praktiken von Akteur_innen im politischen Feld dem besseren Verständnis ihrer politischen Praxis dienen. Umgekehrt gilt dies aber nicht. Die Hierarchie, die auch im bürgerlich-dichotomen Verständnis vom Verhältnis beider Sphären zum Ausdruck kommt, bleibt also bestehen. Außerdem ist diese Komplementarität vergeschlechtlicht, wie ich am Beispiel der Mediendarstellung der SPD-Kandidatinnen beschreibe. Nach van Zoonen (2006: 299) (s.S. 43) besteht bei Politikern nicht in gleichem Maße die Gefahr des Double Bind. Sie sind ohnehin als öffentliche Personen anerkannt. Sie können sich daher eher als Politikerinnen ›gefahrlos‹ privat inszenieren. Oder andersherum: Bei Politikerinnen bleibt das Private als »zu schützende Sphäre des familiären, verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens« prekär (Sauer 2001: 192) (s.S. 57f). Nach Habermas’ und Imhofs dichotomem Verständnis bedroht Komplementarität die öffentliche Sphäre (Kap 3.2.1, 3.2.2). Hingegen lässt sich mein Vorschlag an Klaus’ Begriff von Öffentlichkeit als unterschiedliche Räume, in denen gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktionen entworfen und verhandelt werden, anschließen (s.S. 58) (Klaus 2005: 105). Anhand privater Rahmungen und Körperpraktiken werden Positionierungen im politischen Feld und Geschlechterverhältnisse verhandelt. Zugleich bleibt das Private als Schutzraum vor staatlichen Übergriffen (s.o.) potenziell nicht öffentlich. Diese beiden Funktionen konstituieren die Komplementarität der privaten zur öffentlichen Sphäre.

8.4 R EPRÄSENTATIONEN UND M ACHT : KONTEXTE UND W IDERSPRÜCHE Im Anschluss an meine empirischen Analysen wird nun die Frage diskutiert, welche Bedeutung die beschriebenen medialen Repräsentationen für den Anspruch der Kandidatinnen auf Macht haben. In der Logik der Medien sind Frauen im politischen Feld angekommen. Die Kategorie Geschlecht hat sich zu einem Erklärungsfaktor für die politische Persönlichkeit entwickelt. Die Repräsentationen der Kandidatinnen als politische Akteur_innen bleiben jedoch als anderes Geschlecht und andere Frau vergeschlechtlicht. Dabei werden weiblich kodierte Eigenschaften, die sich um Empathie, Fürsorglichkeit und Sympathie ranken, als Kompetenzen im politischen Feld verhandelt (Lünenborg/Maier 2012: 89-92) (s.S. 37). Dadurch relativiert sich der in medialer Optik männliche Maßstab

Geschlecht als Erklärungsfaktor für Politik

für politische Bedeutung. Dies zeigt sich vor allem in der Dekonstruktion des ›politischen Alpha-Männchens‹, in der die Überlegenheit weiblich kodierter politischer Zuschreibungen gegenüber einem betont männlichen Habitus in der Politik inszeniert wird. Die Medien haben damit auch eine Narration für die Inszenierung mächtiger Frauen gefunden. Der Tenor ist anerkennend, beruht aber auf zweigeschlechtlicher Differenz, die u.a. in traditionellen Stereotypen oder stereotypen Metaphern verdichtet wird. In diesen Inszenierungen schimmert das Narrativ eines weiblichen Politikstils durch, ähnlich einem weiblichen Führungsstil, in dem Krell (2012: 22) ebenfalls »Stereotypisierung bzw. ›Schubladisierung‹ – bis hin zur Naturalisierung« erkennt. Daran schließt sich die Überlegung an, wie wohl Politikerinnen inszeniert werden, die diesen Zuschreibungen nicht entsprechen. Anders als in früheren Untersuchungen zeigte sich bei der Thematisierung politischer Inhalte kein Gender-Bias (s.S. 35 FN 15). Vielmehr hatten politische Inhalte in den Repräsentationen nur geringe Bedeutung. Personalisierte Wahlkämpfe werteten die Medien als Camouflage für fehlende Inhalte und Erfolge. Die programmatische Alternative, die Ypsilanti 2008 besonders betonte, wurde allerdings auch nicht unbedingt ernsthaft, sondern vielmehr als ›vorgeschoben‹ diskursiv verhandelt, um vom egoistischen Machtstreben der Kandidatin abzulenken. In den Inszenierungen der ›Landesmutter‹ und von personalisierten Wahlkämpfen zeigt sich, dass die Selbstpräsentation der Politikerinnen in Wahlkampfzeiten und mediale Selektionsmechanismen in einem Wechselverhältnis stehen. Wie beide Seiten politischer Kommunikation miteinander interagieren und wie dabei Geschlecht verhandelt wird, wäre lohnenswertes Thema einer weiteren Untersuchung. Indem Herkunft und private Lebensführung in den hegemonialen Medien zum Erklärungsfaktor für die politische Persönlichkeit und deren Programmatik werden, entwickelt sich die Privatsphäre in den hegemonialen Medienarenen zur Komplementärkategorie der politischen Öffentlichkeit. Da die Herkunft gleichermaßen der Charakterisierung männlicher Politiker dient, wäre in intersektionaler Perspektive weiter zu ergründen, inwiefern solche Inszenierungen vergeschlechtlicht sind. Dass sie dies sind, ist angesichts der weiblich kodierten Privatsphäre anzunehmen. Auf jeden Fall wird mit der Privatsphäre die gesellschaftliche Sphäre, der Frauen gemäß einem bürgerlichen Öffentlichkeitsbegriff zugeordnet sind, politisch aufgewertet. Dennoch bleibt das Verhältnis beider Bereiche geschlechtshierarchisch strukturiert. Wegen der komplementären Bedeutung des Privaten stehen zwar sowohl männliche als auch weibliche Politiker_innen unter medialer Dauerbeobachtung. Der Double Bind dürfte jedoch weiterhin eher ein Problem für Politikerinnen sein.4 Gleiches gilt 4 | Die medial verhandelten Sex-Skandale um Clarence Thomas (s.S. 56), den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und den ehemaligen Direktor des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn befassten sich zwar auch mit dem Privat- bzw. Intimleben dieser Männer und gefährdeten deren beruflichen bzw. politischen Status. Dies hatte jedoch insofern einen anderen Charakter, als sexuelle Übergriffe (Thomas, Strauss-Kahn)

237

238

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

für trivialisierende und sexualisierende Inszenierungen. Das Private als Schutz und Rückzugsort vor einer übergriffigen und denunziatorischen Öffentlichkeit bleibt für Politikerinnen prekär. Dies verändert auch den Charakter des Double Bind. In der ersten Gruppe bestand die Zwickmühle aus sich wechselseitig ausschließenden Anforderungen an die politische Persönlichkeit und an Weiblichkeit. Die Kandidatinnen von Gruppe 3 müssen hingegen Programmatik, Handeln und Ausstrahlung in der politischen Öffentlichkeit in möglichst harmonische Übereinstimmung mit der privaten Lebensführung bringen. Während also im Double Bind nach Jamiesons Verständnis beide Bereiche essenzialisiert im Widerspruch standen, besteht heute die doppelte Anforderung darin, individuell möglichst keine Widersprüche aufkommen zu lassen. Politisches Handeln muss mit privaten Kontexten übereinstimmen. Private Praktiken dürfen politischem Profil und Programmatik nicht widersprechen. Die Kandidatinnen der zweiten und der dritten Gruppe wurden zwar als handlungsmächtig inszeniert. Dies war jedoch stark kontextabhängig und stützt damit entsprechende Analysen über Merkels mediale Repräsentationen. Danach hängt es von politischen, historischen und biografischen Kontexten ab, ob Politikerinnen in den Medien eher hierarchisierend oder eher egalitär gezeichnet werden (Kap. 2.4.8). Einige Kontexte lassen sich anhand der vorliegenden Befunde nennen: Erfolg und Durchsetzungsfähigkeit bleiben zwar (implizit) männlich kodiert, Scheitern, Verzicht und Unsicherheit explizit weiblich. Relativiert wird dies jedoch durch die Metaphern der Trümmerfrau und der Landesmutter. Die Kompetenz der Politikerinnen steht zwar weiterhin unter medialem Vorbehalt und muss erst nachgewiesen werden. Allerdings haben in medialer Optik weiblich kodierte Eigenschaften wie Fürsorglichkeit und Empathie den Status politisch anerkannter Charakteristika gewonnen und werden positiv mit dem politischen ›Alpha-Männchen‹ kontrastiert. Und politische Glaubwürdigkeit wird aus biografischen Kontexten hergeleitet und findet dann hohe Anerkennung in den Medien. Die Kennzeichnung als andersartig, die Essenzialisierung und Stereotypisierung weiblich kodierter politischer Attribute sowie die mediale Dauerbeobachtung einer komplementär zur Öffentlichkeit gedachten Privatsphäre lassen die Positionierung von Spitzenfrauen im politischen Feld gleichwohl weiter prekär erscheinen. Sie müssen also ihr sozial wahrgenommenes Geschlecht weiterhin mitreflektieren, wenn sie in der Öffentlichkeit auftreten.

bzw. eine sexuelle Affäre im politischen Amt (Clinton) skandalisiert wurden. Mit einem Double Bind hatte das nichts zu tun.

9. Fazit und Ausblick: Wandel und Verharrung

In dieser Arbeit habe ich danach gefragt, wie Geschlecht in medialen Repräsentationen der SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen konstruiert wird und welche Bedeutung diese Konstruktionen für den Griff der Politikerinnen nach Macht haben. Dabei habe ich herausgearbeitet, dass Frauen im politischen Feld im gesamten Untersuchungszeitraum als die Anderen medial inszeniert werden, als das andere Geschlecht in der Politik und als die anderen Frauen. Grundlegend geändert haben sich jedoch die Inszenierungslogiken. Bei den frühen Kandidaturen zeigte sich die Kategorie Geschlecht als expliziter Topos und bildete den Kern eines den Politikerinnen zugewiesenen Ausnahmestatus, der mit Zweifeln an ihrer Kompetenz einherging. Bei den jüngeren Kandidaturen wanderte die Kategorie zunehmend auf die Ebene der impliziten Bedeutung. Die Andersartigkeit wurde zugleich zum Erklärungsfaktor für die politische Persönlichkeit. Aus diesen Befunden ziehe ich vier zentrale Schlussfolgerungen: 1. In den einer zweigeschlechtlichen Ordnung folgenden Medien der hegemonialen politischen Öffentlichkeit ist es vom jeweiligen Kontext abhängig, ob die Kategorie Geschlecht in den Wahlkämpfen, Koalitionsverhandlungen und Versuchen der Regierungsbildung eher hierarchisch oder eher egalitär konstruiert wird. 2. Die Modernisierung der Konstruktionen von Weiblichkeit in den analysierten Medientexten qualifiziere ich als überwiegend rhetorisch, während sich in der Konstruktion von Männlichkeit tatsächliche Modernisierungen andeuten. 3. In den untersuchten medialen Repräsentationen zeigt sich nicht mehr ein dichotomes, sondern ein komplementäres Verhältnis der privaten Sphäre in Bezug auf die politische Öffentlichkeit. 4. Der Double Bind widersprüchlicher Anforderungen aus der politischen und der privaten Sphäre verändert in den medialen Repräsentationen seinen Charakter. Diese Schlussfolgerungen werden abschließend erläutert. Dabei gehe ich auch auf die sich hieraus ergebenden Forschungsdesiderate ein.1 1 | Wichtigstes Forschungsdesiderat ist, dass audiovisuelle und digitale Medien in vergleichbarer Weise analysiert werden müssen, um ein komplexes Bild medialer Repräsentationen zu erhalten.

240

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

1. Kontextabhängigkeit Die Konstruktion der Kategorie Geschlecht und der gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse als eher hierarchisch oder eher egalitär ist kontextabhängig. Die generalisierende Frage, ob nun das Aktualisieren oder das Neutralisieren von Geschlecht – und damit der zweigeschlechtlichen Ordnung – unbewusst oder absichtsvoll geschieht (Kap. 3.3.2), ist wenig hilfreich für das Verständnis der jeweiligen Kontexte. Geschlecht wird in den medialen Repräsentationen der SPD-Spitzenkandidatinnen bei Landtagswahlen sowohl abwertend als auch aufwertend konstruiert. Beides beruht auf zweigeschlechtlich konstruierten, teils stereotypen Attributionen und Zuschreibungen. Kontexte, in denen Geschlecht und damit zweigeschlechtliche Differenz in der vorliegenden Untersuchung relevant gesetzt wird, sind vor allem Erfolg und Misserfolg, Machtansprüche und Verzicht, Kompetenz und politische Glaubwürdigkeit. Um die Kontextbezogenheit der Konstruktion von zweigeschlechtlicher Differenz noch genauer beschreiben zu können, müssen die jeweiligen gesellschaftlichen, politischen, historischen und biografischen Kontexte – in der sozialen Realität und in ihren medialen Repräsentationen – weiter analysiert werden. Das betrifft vor allem die Positionierung von Frauen im politischen Feld, die seit den 1990er Jahren nicht mehr grundlegend untersucht worden ist. Ich bezweifle, dass Fremdheit (Schöler-Macher 1994) und Defizitorientierung (Foster et al. 1998) diese Positionierung heute noch adäquat beschreiben. Und natürlich muss die Entwicklung der Partizipation von Frauen im politischen Feld quantitativ und qualitativ weiter beschrieben werden. Daneben wäre zu erforschen, wie die Krise des politischen Systems, die unter anderem mit dem Begriff Politikverdrossenheit diskutiert wird (u.a. Braun/ Geisler 2012), mit der zunehmenden Sichtbarkeit von Spitzenpolitikerinnen interagiert. Auffällig ist, dass deren Aufwertung als ›anders aber besser‹ (s.S. 225) zeitgleich mit diesem Krisen-Diskurs stattfindet. Interdependenzen können also zumindest angenommen werden. Lünenborg argumentiert, die strukturelle Öffnung des Journalismus für kommerzielle Anbieter habe einerseits den Weg für mehr Frauen im Journalismus bereitet, ging aber andererseits mit einem enormen Prestigeverlust der Profession einher (Lünenborg 2009a: 31). Die Übertragbarkeit dieser These auf das politische Feld wäre zu überprüfen.

2. Rhetorische Modernisierung In den untersuchten Repräsentationen wird Geschlecht überwiegend als persönliches Merkmal von Individuen konstruiert. Gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse auf der Achse Geschlecht werden kaum thematisiert. Damit bleiben auch handlungsmächtige Politikerinnen als anderes Geschlecht und andere Frauen inszeniert. Aufgrund dieser Individualisierung der sozialen Konstruktion Geschlecht vertrete ich die These, dass die gewandelten Inszenierungen als rhetorische Modernisierungen (Wetterer 2003) Geschlechterungleichheiten im politischen Feld verschleiern und den Diskurs über Strategien zur Veränderung erschweren können.

Fazit und Ausblick: Wandel und Verharrung

Hingegen relativiert sich kontextbezogen der implizite männliche Maßstab in der Politik. Zwar ist Scholz’ Proklamation des Endes der »Ära des dominanzorientierten, auf mediale Selbstinszenierung ausgerichteten Politikertypus« (Scholz 2007c: 110), die im medialen Diskurs über einen neuen Typus von Politikerinnen aufgegriffen wird (z.B. Heidenreich 2013), vorschnell. In Dekonstruktionen des politischen ›AlphaMännchens‹ ist der Mann jedoch nicht mehr die ungenannte Norm. Vielmehr werden das männliche Geschlecht und ein männlicher Habitus explizit benannt und damit zur Diskussion gestellt. Notwendig wäre, diese auf einen betont männlichen Politik-Habitus beschränkte Beobachtung durch Untersuchungen über verschiedene Männlichkeiten im politischen Feld zu ergänzen. Die Flexibilisierung zweigeschlechtlich konstruierter Attribuierungen, also deren Zuschreibung unabhängig vom sozial wahrgenommenen Geschlecht (s.S. 37), lässt sich hingegen anhand meines Samples nicht erschöpfend diskutieren. Zwar waren solche Flexibilisierungen bei den SPD-Kandidatinnen erkennbar, es fehlt jedoch ein Vergleich mit Medienbildern von Politikern mit möglicherweise weiblich kodierten Zuschreibungen.

3. Komplementäres Verhältnis von öffentlicher und privater Sphäre Die zunehmende Sichtbarkeit von Frauen im politischen Feld stellt die geschlechtshierarchische Dichotomie von öffentlicher und privater Sphäre im bürgerlichen Verständnis auf den Prüfstand. Um hier Wandel zu verstehen, reicht es jedoch nicht, Schließungsprozesse zu beschreiben. Vielmehr müssen Veränderungen an den Grenzen zwischen politischer Öffentlichkeit und familiärer Privatheit in den Blick genommen werden. Mit meinem Vorschlag, das in politischen Medien konstruierte Verhältnis der beiden Sphären als komplementär zu betrachten, schließe ich an Sauer (2001) und Fraser (2001c) an (Kap. 3.2.4). Es reicht nicht, das Private nur als ›nicht-politische‹ Residualkategorie (Sauer) zu bestimmen. In dem Maße, in dem politische Praktiken durch private Rahmungen und Körperpraktiken medial repräsentiert werden, würde in dieser Perspektive Privatheit definitorisch sukzessive verschwinden. Fraser und Sauer betonen jedoch, dass diese Sphäre vor einer denunziatorischen Öffentlichkeit und vor staatlichen Übergriffen schützt bzw. schützen soll. Mein Verständnis von Komplementarität erhält diese Funktion des Privaten zumindest potenziell aufrecht. Allerdings muss deren vergeschlechtlichter Charakter weiter untersucht werden. Denn wegen anhaltender Trivialisierungen und Sexualisierungen privater Praktiken bei Politikerinnen bleibt für diese die Schutzfunktion des Privaten prekär. Mein Vorschlag eines komplementären Verständnisses der privaten in Bezug auf die öffentliche Sphäre bezieht sich bisher nur auf die vorliegende Untersuchung und müsste durch weitere Forschungen gestützt werden. Insbesondere wäre nach der komplementären Funktion privater Rahmungen für die politische Praxis männlicher Politiker zu fragen, unter anderem mit dem Fokus privater und sexualisierter Bezugspunkte von Skandalisierungen.

241

242

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

4. Veränderter Charakter des Double Bind Der Komplementarität von politischer Öffentlichkeit und privater Sphäre folgend stehen Politikerinnen nicht mehr vor dem Widerspruch zwischen Anforderungen aus beiden Sphären. Vielmehr sehen sie sich mit der Herausforderung konfrontiert, politische und private Praktiken möglichst weitgehend zu harmonisieren, da Widersprüche zwischen beiden Sphären ihre Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Handlungsmacht infrage stellen. Zwar argumentiert van Zoonen (2006), dass Politiker nicht in gleicher Weise wie Politikerinnen dem Double Bind unterliegen, weil sie ohnehin als öffentliche Personen anerkannt sind. Dennoch hat in der Vergangenheit die mediale Inszenierung von Partnerschaft und Familie auch für Spitzenpolitiker an Bedeutung gewonnen. Damit stellt sich die Frage, inwieweit sie vom veränderten Charakter des Double Bind betroffen sind. Dies wäre in medialen Repräsentationen privater und familiärer Kontexte von Politikern weiter zu untersuchen.

Ausblick Mit den letzten beiden Schlussfolgerungen ist das Verhältnis von privater und öffentlicher Sphäre angesprochen. Veränderungen in diesem Verhältnis werden auch in den Diskursen über die Boulevardisierung politischer Medien und das demokratische Potenzial des Boulevards aufgegriffen. Dabei werden aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht eher die Chancen, aus demokratietheoretischer Sicht eher die Risiken fokussiert (Kap. 3.2.4). Die eine Sicht argumentiert mit dem nicht dichotomen Verständnis von Öffentlichkeit und Privatheit ›auf dem Boulevard‹ sowie der Reichweite über die soziale Gruppe bildungsnaher, der deutschen Sprache mächtiger weißer Männer hinaus. Die andere Seite betont, dass trivialisierende, sexualisierende und skandalisierende Inszenierungen weiterhin zum Repertoire des Boulevards gehören. Während die eine Sicht eher ein mögliches Potenzial hervorhebt, fokussiert die andere die Praxis existierender (Zeitungs-)Formate. In der vorliegenden Untersuchung fanden sich Belege für beide Perspektiven. Beispiele sexualisierender und skandalisierender Inszenierungen ›auf dem Boulevard‹ (Kap. 6.2.6) stützen die demokratietheoretische Skepsis. Die anderen Medien griffen solche Skandalisierungen nicht nur auf, sondern inszenierten daneben auch eigene Skandale (Kap. 7.3.2). Zu den androzentrischen Ausschlussmechanismen der hegemonialen politischen Medien (s.S. 56) kamen also boulevardisierte Skandalisierungen hinzu und gebieten gleichfalls Skepsis aus demokratietheoretischer Sicht. Zugleich schließt sich mein Vorschlag der Komplementarität an die kulturwissenschaftlich inspirierte Sichtweise eines nicht-dichotomen Verständnisses von Privatheit und Öffentlichkeit auf dem Boulevard an. Und so haben beide Perspektiven, die demokratietheoretische Skepsis und die Hoffnung auf ein demokratisches Potenzial, ihre Berechtigung. Ist dann aber auf absehbare Zeit in der medialen Praxis das Eine, nämlich der Einbezug politikferner sozialer Gruppen in politische Diskurse, nur um den

Fazit und Ausblick: Wandel und Verharrung

Preis des Anderen, das Risiko anhaltend abwertender Inszenierungen von Politikerinnen (und anderen Frauen), zu haben? Offensichtlich gilt die Gleichzeitigkeit von Modernisierung und Retraditionalisierung von Geschlechterkonstruktionen auch für den Boulevard. Die dort flanierende alternde und machtversessene Ministerpräsidentin, die nicht einparken kann (Kap. 7.2.1), trifft auf die handfeste »Filterkaffee-Frau« (Bild BU 11.05.10: 2) aus dem Ruhrpott, die als Regierungschefin erwünscht ist. Letztere steht zweifellos für den Wandel medialer Repräsentationen von Spitzenpolitikerinnen. Denn diese Metapher thematisiert einen Kontext, in dem Politikerinnen anerkennend und egalitär inszeniert werden: Die Frau ›von hier und von uns‹ (s.S. 132 und S. 158), die eben nicht (mehr) anders ist, sondern ganz normal. Damit steht sie auch für die Dekonstruktion des politischen Alpha-Männchens, dessen Gegenbild im »neuen Typus Politikerin« medial verhandelt wird. Und nicht zuletzt offenbart sich in dieser Metapher das komplementäre Verhältnis des Privaten in Bezug auf politische Öffentlichkeit in medialen Inszenierungen. Denn die private Vorliebe repräsentiert das politische Profil der (künftigen) Regierungschefin. Vorerst werden Spitzenpolitikerinnen mit beiden Mustern medialer Repräsentationen leben müssen. Sie werden weiterhin ihre Geschlechtlichkeit in der Öffentlichkeit mitreflektieren müssen. Doch wie es scheint, trifft das zunehmend auch für Politiker zu.

243

10. Literatur verzeichnis

Absolu, Florence (2014): Les femmes politiques dans la presse. Mythèmes, biographèmes et archétype. Les représentations genrées de Ségolène Royal et Angela Merkel dans la presse française et allemande pendant leurs campagnes électorales / Politikerinnen in der Presse. Mytheme, Biographeme und Archetyp. Die gender-betonte Darstellung von Angela Merkel und Ségolène Royal in den deutschen und französischen Printmedien während ihrer Wahlkampagnen, Würzburg: Königshausen & Neumann. Althoff, Martina/Bereswill, Mechthild/Riegraf, Birgit (2001): Feministische Methodologien und Methoden. Traditionen, Konzepte, Erörterungen, Opladen: Leske und Budrich. Arendt, Hannah (2010): Vita activa oder Vom tätigen Leben. 8. Auflage, München: Piper. AWA (2009): Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2009. http//:www.awaonline.de vom 08.07.2010. Bauer, Christina (2008): »Merkel, Roth … und sonst keine. Politikerinnen im Fernsehen«, in: Christina Holtz-Bacha (Hg.), Frauen, Politik und Medien, Wiesbaden: VS, S. 25-48. Bayerisches Landesamt für Statistik (o.J.a): Europawahlen in Bayern. http://www. wahlen.bayern.de/europawahlen/index.php vom 17.11.2015. Bayerisches Landesamt für Statistik (o.J.b): Landtagswahlen in Bayern. http://www. wahlen.bayern.de/landtagswahlen/index.php vom 17.11.2015. Beck, Dorothee (2014a): »Die Kategorie Geschlecht im Kampf um politische Macht. Erfolg und Scheitern von SPD-Spitzenpolitikerinnen«, in: Max Reinhardt/Stefan Stache/Stephan Meise (Hg.), Progressive Mehrheiten mit der SPD? Für eine linke Politik jenseits der Neuen Mitte, Berlin/Münster: LIT, S. 387-424. Beck, Dorothee (2014b): »Vom Gattungswesen zur ›neuen Generation‹: SPD-Spitzenkandidatinnen im Spiegel der Medien«, in: feministische studien 2, S. 302-314. Beck, Dorothee (2016): »Mutti ist die beste. Die Mutter-Metapher als politische Kategorie in den Medien«, in: Maya Dolderer/Hannah Holme/Claudia Jerzak/Madeleine Tietke (Hg.), O mother, where art thou? – (Queer-)Feministische Perspektiven auf Mutterschaft und Mütterlichkeit, Münster: Westfälisches Dampfboot. Beck, Dorothee/Meine, Hartmut (2007): Armut im Überfluss. Nachrichten aus einer gespaltenen Gesellschaft, Göttingen: Steidl.

246

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Becker, Henning (2011): Hessische Verhältnisse – Die gescheiterte Regierungsbildung von Andrea Ypsilanti. http://regierungsforschung.de/hessische-verhaeltnisse-diegescheiterte-regierungsbildung-von-andrea-ypsilanti/ vom 18.06.2015. Becker-Schmidt, Regina (2013): »Konstruktion und Struktur: Zentrale Kategorien in der Analyse des Zusammenhangs von Geschlecht, Kultur und Gesellschaft«, in: Julia Graf/Kristin Ideler/Sabine Klinger (Hg.), Geschlecht zwischen Struktur und Subjekt. Theorie, Praxis, Perspektiven, Opladen/Berlin/Toronto: Budrich, S. 19-42. Benhabib, Seyla (1991): »Modelle des öffentlichen Raums: Hannah Arendt, die liberale Tradition und Jürgen Habermas«, in: Soziale Welt 42 (2), 147-165. Bereswill, Mechthild (2009): »Geschlecht«, in: Nina Baur/Hermann Korte/Martina Löw/Marcus Schroer(Hg.), Handbuch Soziologie, Wiesbaden: VS, S. 97-116. Bergmann, Susanne (1998): »Aspekte der familiären und politischen Sozialisation von Spitzenpolitikerinnen und Führungsfrauen«, in: Helga Foster/Helga Lukoschat/ Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Die ganze Demokratie. Zur Professionalisierung von Frauen für die Politik, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 17-62. Bernhardt, Maike (2000): Politik als (Frauen-)Beruf. Zur Logik und Typologie der Karriere von weiblichen Abgeordneten, Tübingen: Univ. Diss. Berr, Christina Maria (2008): »Amigo-Affäre 1993. Streibls verhängnisvolle Freunde«, in: sueddeutsche.de, 13.12.2008. http://www.sueddeutsche.de/politik/amigo-affaerestreibls-verhaengnisvolle-freunde-1.780435 vom 11.05.2015. Bieber, Ina E. (2013): Frauen in der Politik. Einflussfaktoren auf weibliche Kandidaturen zum Deutschen Bundestag, Wiesbaden: Springer VS. Biester, Elke/Geißel, Brigitte/Lang, Sabine/Sauer, Birgit/Schäfter, Petra/Young, Brigitte (Hg.) (1992): Staat aus feministischer Sicht, Berlin: Arbeitskreis »Politik und Geschlecht« in der DVPW. Blatter, Joachim/Janning, Frank/Wagemann, Claudius (2007): Qualitative Politikanalyse. Eine Einführung in Forschungsansätze und Methoden, Wiesbaden: VS. Blum, Roger (2011): »Leidende Leuchttürme. Über die Unentbehrlichkeit von Qualitätsmedien«, in: Roger Blum/Heinz Bonfadelli/Kurt Imhof/Otfried Jarren (Hg.), Krise der Leuchttürme öffentlicher Kommunikation. Vergangenheit und Zukunft der Qualitätsmedien, Wiesbaden: VS, S. 7-14. BMFSFJ (Hg.) (2013): 2. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland. Bölsche, Jochen (Hg.) (1987): Waterkantgate. Die Kieler Affäre. Eine Spiegel-Dokumentation, 2. Auflage, Göttingen: Steidl. Böth, Katharina/Kobold, Kevin (2013): Endgültiges Ergebnis der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013, Wiesbaden: Der Bundeswahlleiter. Bourdieu, Pierre (1983): »Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital«, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen: Schwartz, S. 183-198. Bourdieu, Pierre (1991): Sozialer Raum und »Klassen«. 2. Auflage, Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Literaturverzeichnis

Bourdieu, Pierre (1997): »Die männliche Herrschaft«, in: Irene Dölling/Beate Krais (Hg.), Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktion in der sozialen Praxis, Frankfurt/ Main: Suhrkamp, S. 153-217. Bourdieu, Pierre (2001): »Teilen und herrschen. Zur symbolischen Ökonomie des Geschlechterverhältnisses«, in: Claudia Rademacher/Peter Wiechens (Hg.), Geschlecht, Ethnizität, Klasse. Zur sozialen Konstruktion von Hierarchie und Differenz, Opladen: Leske und Budrich, S. 11-30. Bourdieu, Pierre (2009): Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. 2. Auflage, Frankfurt/Main: Suhrkamp. Bourdieu, Pierre/Wacquant, Loic J.D. (1996): »Die Ziele der reflexiven Soziologie«, in: Reflexive Anthropologie, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 95-250. Braun, Stephan/Geisler, Alexander (Hg.) (2012): Die verstimmte Demokratie. Moderne Volksherrschaft zwischen Aufbruch und Frustration, Wiesbaden: Springer VS. Brettschneider, Frank (2009): »Die ›Amerikanisierung‹ der Medienberichterstattung über Bundestagswahlen«, in: Oscar W. Gabriel/Bernhard Weßels/Jürgen Falter (Hg.), Wahlen und Wähler. Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 2005, Wiesbaden: VS, S. 510-535. Brosda, Carsten (2013): »Wenn der Rahmen nicht zum Bild passt … Politische und mediale Deutungsangebote im Wahlkampf«, in: Macht ohne Verantwortung. Medien im Wahlkampf 2013. Erfahrungs-Wissen und Kontext-Analysen aus Praxis und Forschung, Berlin, S. 59-71. Brug, Manuel (2009): »Wie ein Backfisch zur berühmten Weltdame wurde«, in: Welt Online, 11.10.2009. http://www.welt.de/vermischtes/article4790887/Wie-einBackfisch-zur-beruehmten-Weltdame-wurde.html vom 05.05.2015. Brüssow, Gaby (1996): Frauenpolitik. Zum Verhältnis von Frauen und Politik am Beispiel von Frauenorganisationen der Parteien SPD und Die Grünen, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann. Burger, Hannes (2000): »Gereiztes Gerangel um die Nachfolge von Renate Schmidt«, in: Welt Online, 26.05.2000. http://www.welt.de/print-welt/article515734/GereiztesGerangel-um-die-Nachfolge-von-Renate-Schmidt.html vom 14.04.2015. Butler, Judith (2003): Das Unbehagen der Geschlechter. Sonderausgabe zum 40jährigen Bestehen der Edition Suhrkamp, Frankfurt/Main: Suhrkamp. Connell, Raewyn (2006): Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. 3. Auflage, Wiesbaden: VS. Cornelißen, Waltraud (1993): »Politische Partizipation von Frauen in der alten Bundesrepublik und im vereinten Deutschland«, in: Gisela Helwig/Hildegard Maria Nickel (Hg.), Frauen in Deutschland 1945-1992, Berlin: Akademie, S. 321-349. Davidson-Schmich, Louise K./Kürschner, Isabelle (2011): »Stößt die Frauenquote an ihre Grenzen? Eine Untersuchung der Bundestagswahl 2009«, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 42 (1), S. 25-34. Der Journalist (2008): Leserdaten 2008. Struktur, Urteil, Verhalten, RemagenRolandseck: Rommerskirchen.

247

248

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Deutscher Bundestag (1998): Die Mitglieder des Deutschen Bundestages 1.-13. Wahlperiode. Alphabetisches Gesamtverzeichnis. http://webarchiv.bundestag.de/cgi/ show.php?fileToLoad=627&id=12 vom 17.11.2015. Deutscher Bundestag (o.J.): Carstensen Peter-Harry. http://webarchiv.bundestag.de/ archive/2007/0206/mdb/mdb15/bio/C/carstpe0.html vom 17.11.2015. DHM (o.J.): Renate Schmidt Biografie. Deutsches Historisches Museum. http://www.dhm. de/archiv/ausstellungen/spuren_der_macht/schmidt_bio.htm vom 17.11.2015. Dölling, Irene (2005): »›Geschlechter-Wissen‹ – ein nützlicher Begriff für die ›verstehende‹ Analyse von Vergeschlechtlichungsprozessen?«, in: Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien 1+2, S. 44-62. Dölling, Irene/Andresen, Sünne/Kimmerle, Christoph (2003): Verwaltungsmodernisierung als soziale Praxis. Geschlechter-Wissen und Organisationsverständnis von Reformakteuren, Opladen: Leske und Budrich. Dölling, Irene/Krais, Beate (2007): »Pierre Bourdieus Soziologie der Praxis. Ein Werkzeugkasten für die Frauen- und Geschlechterforschung«, in: Prekäre Transformationen. Pierre Bourdieus Soziologie der Praxis und ihre Herausforderungen für die Frauenund Geschlechterforschung, Göttingen: Wallstein, S. 12-37. Donsbach, Wolfgang/Jandura, Olaf (Hg.) (2003): Chance und Gefahren der Mediendemokratie, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft. Dorer, Johanna/Geiger, Brigitte/Köpl, Regina (2008): »Politische Kommunikationsforschung aus feministischer Perspektive. Einleitung«, in: Johanna Dorer/Brigitte Geiger/Regina Köpl (Hg.), Medien – Politik – Geschlecht, Wiesbaden: VS, S. 7-15. Dörner, Andreas (2001): Politainment. Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft, Frankfurt/Main: Suhrkamp. Drinkmann, Nancy/Caballero, Claudio (2007): »Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau? Die Berichterstattung über die Kandidaten der Bundespräsidentenwahl 2004«, in: Christina Holtz-Bacha/ Nina König-Reiling (Hg.), Warum nicht gleich?, Wiesbaden: VS, S. 167-203. Dülcke, Dana/Futh, Sascha K. (2015): »Die ›Mutter der Nation‹ gegen den ›Panzerkandidaten‹ – Geschlechterbilder in der Berichterstattung der Printmedien zum Bundestagswahlkampf 2013«, in: Christina Holtz-Bacha (Hg.), Die Massenmedien im Wahlkampf. Die Bundestagswahl 2013, Wiesbaden: Springer VS, S. 249-273. Edinger, Michael/Patzelt, Werner J. (Hg.) (2011): Politik als Beruf, Wiesbaden: VS. Engler, Steffani (2005): »Pierre Bourdieus Beitrag zum Verstehen symbolischer Herrschaft«, in: Cilja Harders/Heike Kahlert/Delia Schindler (Hg.), Forschungsfeld Politik. Geschlechtskategoriale Einführung in die Sozialwissenschaften, Wiesbaden: VS, S. 127-146. Engler, Steffani (2010): »Habitus und sozialer Raum«, in: Ruth Becker/Beate Kortendiek (Hg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, Wiesbaden: VS, S. 257-268. Erfurt, Philine/Haase, Anja/Roßhart, Julia (2007): »Mediale Geschlechterkonstruktionen im Bundestagswahlkampf 2005«, in: Sylka Scholz (Hg.), »Kann die das?« Angela Merkels Kampf um die Macht, Berlin: Dietz, S. 25-36.

Literaturverzeichnis

Fantke, Doreen/Schmidt, Olga/Zeidler, Anett (2007): »›Nur weil sie eine Frau ist?‹ Merkel und die Geschlechterfrage«, in: Sylka Scholz (Hg.), »Kann die das?« Angela Merkels Kampf um die Macht, Berlin: Dietz, S. 81-96. Fischer, Sebastian (2009): Dauer-Rebellin Pauli: »Immer nur ich, ich, ich«. Spiegel online, 01.08.2009. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/dauer-rebellin-pauliimmer-nur-ich-ich-ich-a-639647.html vom 25.08.2015. Flick, Uwe (2008): »Konstruktivismus«, in: Uwe Flick (Hg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch. 6., durchgesehene und aktualisierte Auflage, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch, S. 150-164. Focus online (2007): Gabriele Pauli: CSU-Rebellin posiert im Domina-Outfit. 27.03.2007. http://www.focus.de/panorama/boulevard/gabriele-pauli_aid_51798.html vom 25.08.2015. Foster, Helga (1998a): »Herkunftsbedingungen, Lebensformen und Bildungsaspirationen von Frauen in der Politik«, in: Helga Foster/Helga Lukoschat/Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Die ganze Demokratie. Zur Professionalisierung von Frauen für die Politik, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 255-333. Foster, Helga (1998b): »Ingrid Stahmer. Die soziale Demokratin und ihre Behörde, die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales«, in: Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Frauen mit Macht. Zum Wandel der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen. 2. Auflage, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 83-88. Foster, Helga/Lukoschat, Helga/Schaeffer-Hegel, Barbara (Hg.) (1998): Die ganze Demokratie. Zur Professionalisierung von Frauen für die Politik, Pfaffenweiler: Centaurus. Fraser, Nancy (1994): »Was ist kritisch an der kritischen Theorie? Habermas und die Geschlechterfrage«, in: Nancy Fraser, Widerspenstige Praktiken. Macht, Diskurs, Geschlecht, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 173-221. Fraser, Nancy (2001a): Die halbierte Gerechtigkeit. Schlüsselbegriffe des postindustriellen Sozialstaats, Frankfurt/Main: Suhrkamp. Fraser, Nancy (2001b): »Neue Überlegungen zur Öffentlichkeit. Ein Beitrag zur Kritik der real existierenden Demokratie«, in: Nancy Fraser, Die halbierte Gerechtigkeit. Schlüsselbegriffe des postindustriellen Sozialstaats, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 107-150. Fraser, Nancy (2001c): »Sex, Lügen und die Öffentlichkeit. Überlegungen zur Bestätigung des Bundesrichters Clarence Thomas«, in: Nancy Fraser, Die halbierte Gerechtigkeit. Schlüsselbegriffe des postindustriellen Sozialstaats, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 151-179. Friedrich, Katja/Jandura, Olaf (2012): »Politikvermittlung durch Boulevardjournalismus. Eine öffentlichkeitstheoretische Neubewertung«, in: Publizistik, Jg. 57 (4), S. 403-417. Friedrich-Ebert-Stiftung (o.J.): Waldemar von Knoeringen. Archiv der sozialen Demokratie. http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/stichwort/knoeringen.htm vom 17.11.2015. Früh, Werner (2007): Inhaltsanalyse. Theorie und Praxis. 6., überarbeitete Auflage, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.

249

250

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Fuchs, Anke (1993): Mut zur Macht. Selbsterfahrung in der Politik, München: Knaur. Garfinkel, Harold (1967): Studies in Ethnomethodology, Cambridge, UK: Polity Press. Gesing, Brigitte Friederike (2007): »Politik machen und Brötchen kaufen. Frauenzeitschriften und die Konstruktion normativer Weiblichkeit im Bundestagswahlkampf 2005«, in: Sylka Scholz (Hg.), »Kann die das?« Angela Merkels Kampf um die Macht, Berlin: Dietz, S. 97-102. Gildemeister, Regine (2001): »Soziale Konstruktion von Geschlecht. Fallen, Missverständnisse und Erträge einer Debatte«, in: Claudia Rademacher/Peter Wiechens (Hg.), Geschlecht, Ethnizität, Klasse. Zur sozialen Konstruktion von Hierarchie und Differenz, Opladen: Leske und Budrich, S. 65-87. Gildemeister, Regine (2005): »Geschlechtliche Kategorisierung und Gleichstellungsnorm: Tücken der Gleichzeitigkeit«, in: Maria Funder/Steffen Dörhöfer/Christian Rauch (Hg.), Jenseits der Geschlechterdifferenz? Geschlechterverhältnisse in der Informations- und Wissensgesellschaft, München: Rainer Hampp, S. 59-76. Gildemeister, Regine/Robert, Günther (2009): Geschlechterdifferenzierungen in lebenszeitlicher Perspektive. Interaktion – Institution – Biografie, Wiesbaden: VS. Gildemeister, Regine/Wetterer, Angelika (1992): »Wie Geschlechter gemacht werden. Die soziale Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung«, in: Gudrun-Axeli Knapp (Hg.), Traditionen Brüche. Entwicklungen feministischer Theorie, Freiburg: Kore, S. 201-254. Gnändiger, Charlotte (2007): Politikerinnen in deutschen Printmedien. Vorurteile und Klischees in der Berichterstattung, Saarbrücken: VDM, Müller. Goffman, Erving (1994): »Das Arrangement der Geschlechter«, in: Hubert Knoblauch (Hg.), Interaktion und Geschlecht, Frankfurt/Main: Campus, S. 105-158. Grittmann, Elke (2012): »Der Blick auf die Macht. Geschlechterkonstruktionen von Spitzenpersonal in der Bildberichterstattung«, in: Margret Lünenborg/Jutta Röser (Hg.), Ungleich mächtig. Das Gendering von Führungspersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Medienkommunikation, Bielefeld: transcript, S. 127-171. Grittmann, Elke/Maier, Tanja (2014): »Der Präsident und die Herausforderin – Geschlechterkonstruktionen von Spitzenkräften in der Politik aus medienethischer Perspektive«, in: Petra Grimm/Oliver Zöllner (Hg.), Gender im medienethischen Diskurs, Stuttgart: Franz Steiner, S. 153-168. Habermas, Jürgen (1991): Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. 2. Auflage, Frankfurt/Main: Suhrkamp. Habermas, Jürgen (1995): Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt/Main: Suhrkamp. Hagemann-White, Carol (1984): Sozialisation: weiblich – männlich, Opladen: Leske und Budrich. Hagemann-White, Carol (1988): »Wir werden nicht zweigeschlechtlich geboren …«, in: Carol Hagemann-White (Hg.), FrauenMännerBilder. Männer und Männlichkeit in der feministischen Diskussion, Bielefeld: AJZ, S. 224-235.

Literaturverzeichnis

Hagemann-White, Carol (1993): »Die Konstrukteure des Geschlechts auf frischer Tat ertappen? Methodische Konsequenzen einer theoretischen Einsicht«, in: feministische studien 11 (2), S. 68-78. Hall, Stuart (2000): »Die strukturierte Vermittlung von Ereignissen«, in: Ideologie, Kultur, Rassismus. Ausgewählte Schriften 1. 3. Auflage, Hamburg: Argument, S. 126-149. Hall, Stuart (2004): »Kodieren/Dekodieren«, in: Ideologie, Identität, Repräsentation. Ausgewählte Schriften 4, Hamburg: Argument, S. 66-80. Hardmeier, Sibylle/Klöti, Angela (2004): »Doing Gender in der Wahlkampfkommunikation? Eine Analyse zur Herstellung und Darstellung von Geschlecht im Rahmen der Presseberichterstattung zu den eidgenössischen Wahlen 2003«, in: Frauenfragen. Fachzeitschrift der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen 2, S. 11-22. Hausen, Karin (1976): »Die Polarisierung der ›Geschlechtscharaktere‹ – Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben«, in: Werner Conze (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart: Klett, S. 363-393. Heidenreich, Felix/Schönpflug, Daniel (Hg.) (2012): Politische Kommunikation. Von der klassischen Rhetorik zur Mediendemokratie / La communication politique. De la rhétorique classique à la démocratie des médias, Berlin: LIT. Heidenreich, Ulrike (2013): »Die da oben«, in: Süddeutsche Zeitung, München, 16. Januar 2013, S. 4. Heintz, Bettina (2008): »Ohne Ansehen der Person? De-Institutionalisierungsprozesse und geschlechtliche Differenzierung«, in: Sylvia Marlene Wilz (Hg.), Geschlechterdifferenzen – Geschlechterdifferenzierungen, Wiesbaden: VS, S. 231-251. Heintz, Bettina/Nadai, Eva (1998): »De-Institutionalisierungsprozesse und geschlechtliche Differenzierung«, in: Zeitschrift für Soziologie 27 (Heft 2), S. 75-93. Henninger, Annette (2005): »Politik als Kopfgeburt. Nutzen und Grenzen des wissenspolitologischen Ansatzes für die Untersuchung von Geschlechterpolitik«, in: Cilja Harders/Heike Kahlert/Delia Schindler (Hg.), Forschungsfeld Politik. Geschlechtskategoriale Einführung in die Sozialwissenschaften, Wiesbaden: VS, S. 193-213. Herrmann, Friederike (2002): Privatheit, Medien und Geschlecht. Bisexualität in Daily Talks, Opladen: Leske und Budrich. Herzog, Dietrich (1990): »Der moderne Berufspolitiker. Karrierebedingungen und Funktionen in westlichen Demokratien«, in: Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg (Hg.), Eliten in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart: Kohlhammer, S. 28-51. Hesse, Marlies/Langer, Burgel/Röser, Jutta (2006): Präsenz von Frauen in den Nachrichten. Medienbeobachtungen 2005, Bonn. Hesse, Marlies/Noffke, Annika/Schulte, Birgitta M. (2010): GMMP 2010. 15 Jahre nach Peking (Manuskript), o.O.

251

252

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Hessischer Landtag (o.J.): Abgeordnetenbiografie Andrea Ypsilanti. https://www. hessischer-landtag.de/icc/Internet/nav/41f/broker.jsp?uMen=41f20ebc-149b9a11-a7c5-ab364cc4b0fe&uTem=aaaaaaaa-aaaa-aaaa-bbbb-000000000016& class=net.icteam.cms.utils.externalContents.External ContentManager;lookup= hai&view=abgDetail&blaettern=true&abgID=114 vom 17.11.2015. Hirschauer, Stefan (1996): »Wie sind Frauen, wie sind Männer?«, in: Christiane Eifert (Hg.), Was sind Frauen? Was sind Männer? Geschlechterkonstruktionen im historischen Wandel, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 240-256. Hirschauer, Stefan (2001): »Das Vergessen des Geschlechts. Zur Praxeologie einer Kategorie sozialer Ordnung«, in: Bettina Heintz (Hg.), Geschlechtersoziologie, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 208-235. Hirschauer, Stefan (2013): »Die Praxis der Geschlechter(in)differenz und ihre Infrastruktur«, in: Julia Graf/Kristin Ideler/Sabine Klinger (Hg.), Geschlecht zwischen Struktur und Subjekt. Theorie, Praxis, Perspektiven, Opladen/Berlin/Toronto: Budrich, S. 153-171. Hochschule für Wirtschaft und Politik (Hg.) (1989): Frauen, Macht, Politik. Zerreißproben um Emanzipation und Quotierung, Opladen: Westdeutscher Verlag. Hoecker, Beate (2008): »50 Jahre Frauen in der Politik. Späte Erfolge, aber noch nicht am Ziel«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 24-25, S. 10-18. Hoecker, Beate/Fuchs, Gesine (Hg.) (1998): Handbuch politische Partizipation von Frauen in Europa, Wiesbaden: VS. Hoecker, Beate/Fuchs, Gesine (2004): Ohne Frauen nur eine halbe Demokratie. Politische Partizipation von Frauen in den osteuropäischen Beitrittsstaaten, Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, Internationale Politikanalyse. Holland-Cunz, Barbara (1994): »Öffentlichkeit und Intimität – demokratietheoretische Überlegungen«, in: Elke Biester/Barbara Holland-Cunz/Birgit Sauer (Hg.), Demokratie oder Androkratie? Theorie und Praxis demokratischer Herrschaft in der feministischen Diskussion. Frankfurt/Main/New York: Campus, S. 227-246. Holland-Cunz, Barbara (2006): »Sprechen und Schweigen in der Demokratie: Ideale politischer Kommunikation und mediatisierte ›Massendemokratien‹«, in: femina politica. Zeitschrift für feministische Politik-Wissenschaft Heft (2), S. 21-33. Holtkamp, Lars/Wiechmann, Elke/Schnittke, Sonja (2009): Unterrepräsentanz von Frauen in der Kommunalpolitik. Parteien machen den feinen Unterschied. Vorläufiger Abschlussbericht des von der Heinrich-Böll-Stiftung geförderten Forschungsprojekts »Frauenunterrepräsentanz in der Kommunalpolitik«, Hagen. Holtz-Bacha, Christina (2007): »Mit den Waffen einer Frau? Politikerinnen im Wahlkampf«, in: Christina Holtz-Bacha/Nina König-Reiling (Hg.), Warum nicht gleich?, Wiesbaden: VS, S. 79-104. Holtz-Bacha, Christina (2008a): »Frauen, Politik, Medien: Ist die Macht nun weiblich?«, in: Christina Holtz-Bacha (Hg.), Frauen, Politik und Medien, Wiesbaden: VS, S. 3-24. Holtz-Bacha, Christina (Hg.) (2006): Die Massenmedien im Wahlkampf. Die Bundestagswahl 2005, Wiesbaden: VS.

Literaturverzeichnis

Holtz-Bacha, Christina (Hg.) (2008b): Frauen, Politik und Medien, Wiesbaden: VS. Holtz-Bacha, Christina (Hg.) (2010): Die Massenmedien im Wahlkampf. Das Wahljahr 2009,Wiesbaden: VS. Holtz-Bacha, Christina (Hg.) (2015): Die Massenmedien im Wahlkampf. Die Bundestagswahl 2013, Wiesbaden: Springer VS. Holtz-Bacha, Christina/Koch, Thomas (2008): »Der Merkel-Faktor – Die Berichterstattung der Printmedien über Merkel und Schröder im Bundestagswahlkampf 2005«, in: Christina Holtz-Bacha (Hg.), Frauen, Politik und Medien, Wiesbaden: VS, S. 49-70. Holtz-Bacha, Christina/König-Reiling, Nina (Hg.) (2007): Warum nicht gleich? Wie die Medien mit Frauen in der Politik umgehen, Wiesbaden: VS. Honnen, Ulrike (1988): Vom Frauenwahlrecht zur Quotierung. 125 Jahre Kampf um Gleichberechtigung in der SPD, Münster/New York: Waxmann. Huhnke, Brigitta (1996): Macht, Medien und Geschlecht. Eine Fallstudie zur Berichterstattungspraxis der dpa, der taz sowie der Wochenzeitungen Die Zeit und Der Spiegel von 1980-1995, Opladen: Westdeutscher Verlag. Imhof, Kurt (2006): Politik im »neuen« Strukturwandel der Öffentlichkeit,: fög discussion paper GL-2006-0010, Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft, Zürich. http://www.foeg.uzh.ch/analyse/publikationen/Politik_und_Medien.pdf vom 17.11.2015. Imhof, Kurt (2008): Als die Privatsphäre verloren ging. Die Gefährdung der Öffentlichkeit durch entbettete Medien: fög discussion paper 2008-0004, Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft, Zürich, http://www.foeg.uzh.ch/analyse/publikationen/ Privatsphaere_ging_verloren.pdf vom 17.11.2015. Imhof, Kurt (2011): Die Krise der Öffentlichkeit. Kommunikation und Medien als Faktoren des sozialen Wandels, Frankfurt/Main: Campus. Imhof, Kurt/Blum, Roger/Bonfadelli, Heinz/Jarren, Otfried (Hg.) (2006): Demokratie in der Mediengesellschaft, Wiesbaden: VS. Inhetveen, Katharina (2002): Institutionelle Innovation in politischen Parteien. Geschlechterquoten in Deutschland und Norwegen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. IVW (2010a): Auflagenliste 2/2010. Berlin. http://www.ivw.de vom 21.07.2010. IVW (2010b): Page-Impressions Juni 2010. Berlin. http://ausweisung.ivw-online.de/ index.php vom 21.07.2010. Jamieson, Kathleen Hall (1995): Beyond the Double Bind: Women and Leadership, New York: Oxford University Press. Jarren, Otfried/Donges, Patrick (2011): Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Eine Einführung. 3. grundlegend überarbeitete und aktualisierte Auflage, Wiesbaden: VS. Jarren, Otfried/Imhof, Kurt/Blum, Roger (Hg.) (2000): Zerfall der Öffentlichkeit?, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

253

254

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Jarren, Otfried/Vogel, Ulrike (2011): »›Leitmedien‹ als Qualitätsmedien. Theoretisches Konzept und Indikatoren«, in: Roger Blum/Heinz Bonfadelli/Kurt Imhof/Otfried Jarren (Hg.), Krise der Leuchttürme öffentlicher Kommunikation. Vergangenheit und Zukunft der Qualitätsmedien, Wiesbaden: VS, S. 17-29. Jürschik, Sonja (1998): Deutsche Spitzenpolitikerinnen und die Medien – ein Generationenvergleich, Mainz: unveröffentlichte Magisterarbeit. Kessler, Suzanne J./McKenna, Wendy (1978): Gender. An Ethnomethodological Approach, Chicago: University of Chicago Press. Kiefert, Cathleen (2011): Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte. Die Frauenorganisationen in den deutschen Parteien, Baden-Baden: Nomos. Klarfeld, Roman_a/Mann, Lena (2007): »Eine kritische Auseinandersetzung mit der ›Elefantenrunde‹ oder die momentanen Risiken und Nebenwirkungen von Röcken und Hosen«, in: Sylka Scholz (Hg.), »Kann die das?« Angela Merkels Kampf um die Macht, Berlin: Dietz, S. 132-141. Klaus, Elisabeth (2000): »Der Gegensatz von Information ist Desinformation, der Gegensatz von Unterhaltung ist Langeweile«, in: Johanna Dorer/Brigitte Geiger/ Regina Köpl (Hg.), Medien – Politik – Geschlecht, Wiesbaden: VS, S. 51-64. Klaus, Elisabeth (2005): Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung. Zur Bedeutung der Frauen in den Massenmedien und im Journalismus. Aktualisierte und korrigierte Neuauflage, Wien: LIT. Klaus, Elisabeth/Drüeke, Ricarda (2012): »Öffentlichkeiten in Bewegung? Das Internet als Herausforderung für feministische Öffentlichkeitstheorien«, in: Tanja Maier/ Martina Thiele/Christine Linke (Hg.), Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht in Bewegung. Forschungsperspektiven der kommunikations- und medienwissenschaftlichen Geschlechterforschung, Bielefeld: transcript, S. 52-70. Klaus, Elisabeth/Lünenborg, Margret (2013): »Zwischen (Post-)Feminismus und Antifeminismus. Reflexionen zu gegenwärtigen Geschlechterdiskursen in den Medien«, in: Gender (2), S. 78-93. Klecha, Stephan (2010): Minderheitsregierungen in Deutschland, Hannover: FriedrichEbert-Stiftung Landesbüro Niedersachsen. Kleemann, Frank/Krähnke, Uwe/Matuschek, Ingo (2013): Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung in die Praxis des Interpretierens. 2. Auflage, Wiesbaden: Springer VS. Kletzing, Uta/Lukoschat, Helga (2010): Engagiert vor Ort – Wege und Erfahrungen von Kommunalpolitikerinnen, Berlin: BMFSFJ. Knapp, Gudrun-Axeli (2012): Im Widerstreit. Feministische Theorie in Bewegung, Wiesbaden: Springer VS. Koch-Merin, Silvana (2007): »Müssen sich Politikerinnen anders vermarkten als ihre Kollegen?«, in: Christina Holtz-Bacha/Nina König-Reiling (Hg.), Warum nicht gleich? Wiesbaden: VS, S. 105-115.

Literaturverzeichnis

Koch, Thomas (2007): »Immer nur die Frisur? Angela Merkel in den Medien«, in: Christina Holtz-Bacha/Nina König-Reiling (Hg.), Warum nicht gleich?, Wiesbaden: VS, S. 146-166. Kohlrusch, Eva (o.J.): Is’ was, Kanzlerin? Das Besondere an weiblicher Macht oder wie Männer wieder richtige Männer wurden, o.O.: Journalistinnenbund. Korte, Karl-Rudolf (2009): Die Amerikanisierung der Wahlkämpfe. bpb Dossier Bundestagswahlen. http://www.bpb.de/politik/wahlen/bundestagswahlen/62584/ amerikanisierung vom 08.10.2015. Kotthoff, Helga (1994): »Geschlecht als Interaktionsritual?«, in: Hubert Knoblauch (Hg.), Interaktion und Geschlecht, Frankfurt/Main: Campus. Krais, Beate (2001): »Die feministische Debatte und die Soziologie Pierre Bourdieus: Eine Wahlverwandtschaft«, in: Gudrun-Axeli Knapp/Angelika Wetterer (Hg.), Soziale Verortung der Geschlechter. Gesellschaftstheorie und feministische Kritik. 2. Auflage, Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 317-338. Krause, Ellen (2003): Einführung in die politikwissenschaftliche Geschlechterforschung, Opladen: Leske und Budrich. Kreisky, Eva (1992): »Der Staat als Männerbund. Der Versuch einer feministischen Staatssicht«, in: Elke Biester (Hg.), Staat aus feministischer Sicht. Berlin: Arbeitskreis »Politik und Geschlecht« in der DVPW, S. 53-62. Kreisky, Eva (2000): »Der Stoff, aus dem die Staaten sind. Zur männerbündischen Fundierung politischer Ordnung«, in: Kathrin Braun/Gesine Fuchs/Christiane Lemke/Katrin Töns (Hg.), Feministische Perspektiven der Politikwissenschaft, München: Oldenbourg, S. 144-181. Krell, Gertraude (2012): »›Geschlecht‹, ›Führung‹, ›Karriere‹ und deren Verschränkungen als diskursive Fabrikationen«, in: Gertraude Krell/Daniela Rastetter/Karin Reichel (Hg.), Geschlecht macht Karriere in Organisationen. Analysen zur Chancengleichheit in Fach- und Führungspositionen, Berlin: edition sigma, S. 17-40. Krüger, Uwe (2013): Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten, Köln: Halem. Kruse, Hajo (2015): Das Porträt: Die Toskanafraktion. http://www.arte.tv/magazine/ karambolage/de/das-portrat-die-toskanafraktion-karambolage vom 17.11.2015. Küchenhoff, Erich (Hg.) (1975): Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz: Kohlhammer. Kurbjuweit, Dirk (2009): »Tristes Heute, schönes Morgen. Angela Merkel im Spiegel von Vorbild und Spitznamen«, in: Der Spiegel 45, S. 30f. Kürschner, Isabelle (2009): Den Männern überlassen wir’s nicht! Erfolgreiche Frauen in der CSU, Baden-Baden: Nomos. Kutt, Mareike (2010): Auf dem Weg zur Macht. Politische Kommunikation in Deutschland und Frankreich. Die Darstellung von Angela Merkel und Ségolène Royal in der Wahlkampfberichterstattung überregionaler Tageszeitungen, Duisburg/Köln: WiKu.

255

256

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Laberenz, Lennart (2003): »Schöne neue Öffentlichkeit. Anmerkungen zu Herrschaft und Öffentlichkeit unter dem Vorzeichen des Neoliberalismus«, in: Lennart Laberenz (Hg.), Schöne neue Öffentlichkeit. Beiträge zu Jürgen Habermas’ »Strukturwandel der Öffentlichkeit«, Hamburg: VSA, S. 11-57. Landeswahlleiterin NRW (o.J.): Endgültiges Ergebnis für Nordrhein-Westfalen. Landtagswahl 2012 in NRW. http://www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/ 2012/aktuell/a0lw1200.html vom 17.11.2015. Landeswahlleiterin NRW (2010): Landtagswahl 2010. Endgültige Ergebnisse in NRW. Information und Technik NRW, Webshop. https://webshop.it.nrw.de/gratis/ B799%20201051.pdf vom 17.11.2015. Lang, Sabine (2003): »Der geschlechterdemokratische Strukturwandel der Öffentlichkeit. Jürgen Habermas in der feministischen Debatte«, in: Lennart Laberenz (Hg.), Schöne neue Öffentlichkeit. Beiträge zu Jürgen Habermas’ »Strukturwandel der Öffentlichkeit«, Hamburg: VSA, S. 89-104. Lenhardt, Christiane (2003): Susanne Erichsen (1925-2002). Baden-Baden. Der ultimative Stadtführer. http://www.bad-bad.de/gesch/erichsen.htm vom 17.11.2015. Leyendecker, Hans/Prantl, Heribert/Stiller, Michael (2000): Helmut Kohl, die Macht und das Geld, Göttingen: Steidl. List, Elisabeth (1986): »Homo Politicus – Femina Privata? Thesen zur Kritik der politischen Anthropologie«, in: Judith Conrad/Ursula Konnertz (Hg.), Weiblichkeit in der Moderne, Tübingen: Ed. diskord, S. 75-95. Löffler, Marion (2008): »Transformationen des politischen Feldes als Chance für feministische Politik?«, in: femina politica. Zeitschrift für feministische Politik-Wissenschaft (2), S. 90-99. LPB Ba-Wü (2015a): Frauenanteil in den Länderparlamenten. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. https://www.lpb-bw.de/frauenanteil_ laenderparlamenten.html vom 17.11.2015. LPB Ba-Wü (2015b): Wahlverfahren. Landeszentrale für politische Bildung BadenWürttemberg. http://www.landtagswahl-bw.de/wahlverfahren_faq.html vom 17.11.2015. Lukoschat, Helga (1998a): »Austausch und Vernetzung: Maßnahmen zur Stärkung von Frauen in der Politik«, in: Helga Foster/Helga Lukoschat/Barbara Schaeffer-Hegel, (Hg.), Die ganze Demokratie. Zur Professionalisierung von Frauen für die Politik, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 120-195. Lukoschat, Helga (1998b): »Geschlecht und Politik. Die Spezifika der Skandalisierung weiblicher Politiker am Beispiel des rot-grünen Senats in Berlin 1989/90«; in: Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Frauen mit Macht. Zum Wandel der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen. 2. Auflage, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 265-305.

Literaturverzeichnis

Lukoschat, Helga (1998c): »Innovative Politikformen aus dem Frauensenat«, in: Barbara Schaeffer-Hegel(Hg.), Frauen mit Macht. Zum Wandel der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen. 2. Auflage, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 199-217. Lünenborg, Margret (2009a): »Geschlechterordnungen und Strukturen des Journalismus im Wandel«, in: Margret Lünenborg (Hg.), Politik auf dem Boulevard? Die Neuordnung der Geschlechter in der Politik der Mediengesellschaft, Bielefeld: transcript, S. 22-43. Lünenborg, Margreth (Hg.) (2009b): Politik auf dem Boulevard? Die Neuordnung der Geschlechter in der Politik der Mediengesellschaft, Bielefeld: transcript. Lünenborg, Margreth (2009c): »Politik auf dem Boulevard? Eine Einführung aus geschlechtertheoretischer Perspektive«, in: Margret Lünenborg (Hg.), Politik auf dem Boulevard? Die Neuordnung der Geschlechter in der Politik der Mediengesellschaft, Bielefeld: transcript, S. 7-21. Lünenborg, Margreth/Maier, Tanja (2012): »›Kann der das überhaupt?‹ Eine qualitative Textanalyse zum Wandel medialer Geschlechterrepräsentationen«, in: Margret Lünenborg/Jutta Röser (Hg.), Ungleich mächtig. Das Gendering von Führungspersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Medienkommunikation, Bielefeld: transcript, S. 65-126. Lünenborg, Margreth/Maier, Tanja (2013): Gender Media Studies. Eine Einführung, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft. Lünenborg, Margreth/Röser, Jutta (2012a): »Geschlecht und Macht in den Medien – ein integratives Forschungsdesign«, in: Margret Lünenborg/Jutta Röser (Hg.), Ungleich mächtig. Das Gendering von Führungspersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Medienkommunikation, Bielefeld: transcript, S. 7-35. Lünenborg, Margret/Röser, Jutta (Hg.) (2012b): Ungleich mächtig. Das Gendering von Führungspersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Medienkommunikation, Bielefeld: transcript. Lünenborg, Margret/Röser, Jutta/Maier, Tanja/Grittmann, Elke (2009): »›Merkels Dekolleté‹ als Mediendiskurs. Eine Bild-, Text- und Rezeptionsanalyse zur Vergeschlechtlichung einer Kanzlerin«, in: Margret Lünenborg (Hg.), Politik auf dem Boulevard? Die Neuordnung der Geschlechter in der Politik der Mediengesellschaft, Bielefeld: transcript, S. 73-102. Magin, Melanie/Stark, Birgit (2013): »Boulevardisierungstendenzen deutscher und österreichischer Tageszeitungen im Kontext nationaler Marktstrukturen. Eine ländervergleichende Untersuchung«, in: Manuel Puppis/Matthias Künzler/ Otfried Jarren (Hg.), Media structures and media performance, Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, S. 401-428. Magin, Raphael (2011): Die geringere Hälfte. Erscheinungsformen, Entwicklungen und Ursachen der Unterrepräsentation von Frauen in deutschen Parlamenten, Berlin: LIT. Massing, Peter (Hg.) (2004): Mediendemokratie. Eine Einführung, Schwalbach/Taunus: Wochenschau.

257

258

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Mayring, Philipp (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 11., aktualisierte und überarbeitete Auflage, Weinheim: Beltz. Media-Tenor (2007a): Wirtschaft bringt Aufmerksamkeit. Ergebnisse des Media-TenorZitate-Rankings 2006. Media Tenor Forschungsbericht 157 (I), S. 66-69. Media Tenor (2007b): Print bleibt unangefochten. Zitate-Ranking: Stagnation bei Online-Medien. Media Tenor Forschungsbericht 157 (I), S. 23f. Meng, Richard (2002): Der Medienkanzler. Was bleibt vom System Schröder?, Frankfurt/Main: Suhrkamp. Merkle, Susanne (2015): »Personalisierung und genderspezifische Berichterstattung im Bundestagswahlkampf 2013 – ›Ausnahmefall‹ Angela Merkel oder typisch Frau«, in: Christina Holtz-Bacha (Hg.), Die Massenmedien im Wahlkampf: Die Bundestagswahl 2013, Wiesbaden: Springer VS, S. 217-247. Mersmann, Rita (1998): »Die Präsenz der Berliner Senatorinnen in der Tagespresse«, in: Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Frauen mit Macht. Zum Wandel der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen. 2. Auflage, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 221-242. Meyen, Michael (2009): »Medialisierung«, in: Medien & Kommunikationswissenschaft, 57 (1), S. 23-38. Meyen, Michael/Löblich, Maria/Pfaff-Rüdiger, Senta/Riesmeyer, Claudia (2011): Qualitative Methoden in der Kommunikationswissenschaft, Wiesbaden: VS. Meyer, Birgit (1997): Frauen im Männerbund. Politikerinnen in Führungspositionen von der Nachkriegszeit bis heute, Frankfurt/Main: Campus. Meyer, Birgit (2009): »›Nachts, wenn der Generalsekretär weint‹ – Politikerinnen in der Presse«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 50, S. 9-15. Mey, Günter/Mruck, Katja (2014): Qualitative Forschung. Analysen und Diskussionen – 10 Jahre Berliner Methodentreffen, Wiesbaden: Springer VS. Moser, Andrea (2010): Kampfzone Geschlechterwissen. Kritische Analyse populärwissenschaftlicher Konzepte von Männlichkeit und Weiblichkeit, Wiesbaden: VS. Mühlen Achs, Gitta (1995): »Frauenbilder. Konstruktionen des anderen Geschlechts«, in: Gitta Mühlen Achs/Bernd Schorb (Hg.), Geschlecht und Medien, München: kopaed, S. 13-37. Müller, Daniel/Ligensa, Annemone (2009): »Einleitung«, in: Daniel Müller/Annemone Ligensa/Peter Gendolla (Hg.), Leitmedien. Konzepte – Relevanz – Geschichte. Band 1, Bielefeld: transcript, S. 11-27. Müller, Ursula (1991): »Gleichheit im Zeitalter der Differenz: Einige methodologische Erwägungen zur Frauenforschung«, in: Psychologie und Gesellschaftskritik 15 (3-4). http://pub.uni-bielefeld.de/publication/1859676 vom 06.10.2015. Munimus, Bettina (2010): Heide Simonis. Aufstieg und Fall der ersten Ministerpräsidentin Deutschlands, Stuttgart: ibidem. Netzwerk Recherche (2006): Spiegel Online ist die neue Stimme im Kanon der deutschen Leitmedien, 12.10.2006. https://netzwerkrecherche.org/blog/spiegel-online-istdie-neue-stimme-im-kanon-der-deutschen-leitmedien/ vom 17.11.2015.

Literaturverzeichnis

Neuss, Beate/Neubert, Hildigund (Hg.) (2013): Mut zur Verantwortung. Frauen gestalten die Politik der CDU, Köln/Weimar/Wien: Böhlau. Niedermayer, Oskar (1989): Innerparteiliche Partizipation, Opladen: Westdeutscher Verlag. Niemi, Marvi (2012): It’s Got to Be a She. The Media Portrayal of Selecting the First Female Social Democratic Party Leaders in Sweden and Finland, Madrid, 12.07.2012. http://paperroom.ipsa.org/papers/paper_16024.pdf vom 07.01.2015. Nordmann, Jürgen (2011): Trash, Skandale und Ratschläge statt Aufklärung und politische Bildung. Über das Zusammenspiel von kommerzialisierten Medien und gemachter Meinung in der neoliberalen Gesellschaft. Präsentiert auf: Momentum Kongress 2010 zu Solidarität, 2011, Hallstatt 21.-24.10.2010. Norris, Pippa (2000): »Schlussfolgerung: Ein Vergleich parlamentarischer Rekrutierung«, in: Kathrin Braun/Gesine Fuchs/Christiane Lemke/Katrin Töns (Hg.), Feministische Perspektiven der Politikwissenschaft, München: Oldenbourg, S. 269-292. Pantti, Mervi (2007): »Portraying Politics. Gender, Politik und Medien«, in: Christina HoltzBacha/Nina König-Reiling (Hg.), Warum nicht gleich?, Wiesbaden: VS, S. 17-51. Pasero, Ursula (1995): »Dethematisierung von Geschlecht«, in: Ursula Pasero/Friederike Braun (Hg.), Konstruktion von Geschlecht, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 50-66. Patzelt, Werner J. (1996): »Deutschlands Abgeordnete: Profil eines Berufsstands, der weit besser ist als sein Ruf«, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 27 (3), S. 462-502. Patzelt, Werner J. (2011): »Was für Politiker brauchen wir? Ein normativer Essay«, in: Michael Edinger/Werner J. Patzelt (Hg.), Politik als Beruf, Wiesbaden: VS, S. 70-100. Penrose, Virginia (1993): Orientierungsmuster des Karriereverhaltens deutscher Politikerinnen. Ein Ost-West-Vergleich, Bielefeld: Kleine. Peter, Susanne (1998): Expertenurteile über ausgewählte Print- und TV-Medien, Mainz: unveröffentlichte Magisterarbeit. Pfannes, Petra (2004): »Powerfrau«, »Quotenfrau«, »Ausnahmefrau« …? Die Darstellung von Politikerinnen in der deutschen Tagespresse, Marburg: Tectum. Postman, Neil (1994): Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch. Pötschke, Manuela (2006): »Mehrebenenanalyse«, in: Joachim Behnke/Thomas Gschwend/Delia Schindler/Kai-Uwe Schnapp (Hg.), Methoden der Politikwissenschaft. Neuere qualitative und quantitative Analyseverfahren, Baden-Baden: Nomos, S. 167-180. Przyborski, Aglaja/Wohlrab-Sahr, Monika (2010): Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. 3. korrigierte Auflage, München: Oldenbourg. Rademacher, Claudia (2004): »Jenseits männlicher Herrschaft. Pierre Bourdieus Konzept einer Geschlechterpolitik«, in: Jörg Ebrecht/Frank Hillebrandt (Hg.), Bourdieus Theorie der Praxis. Erklärungskraft, Anwendung, Perspektiven. 2. Auflage, Wiesbaden: VS, S. 127-138.

259

260

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Reichertz, Jo (2000): »Zur Gültigkeit von qualitativer Sozialforschung«, in: Forum: Qualitative Sozialforschung, 1 (2 Art. 32). http://www.qualitative-research.net/ index.php/fqs/article/view/1101/2427 vom 17.11.2015. Reichertz, Jo (2005): »Gütekriterien qualitativer Sozialforschung«, in: Lothar Mikos/ Claudia Wegener (Hg.), Qualitative Medienforschung. Ein Handbuch, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft, S. 571-579. Reichertz, Jo (2013a): Gemeinsam interpretieren. Die Gruppeninterpretation als kommunikativer Prozess, Wiesbaden: Springer VS. Reichertz, Jo (2013b): »Grundzüge des Kommunikativen Konstruktivismus«, in: Reiner Keller/Jo Reichertz/Hubert Knoblauch (Hg.), Kommunikativer Konstruktivismus, Wiesbaden: Springer VS, 49-68. Reichertz, Jo (2015): »Die Bedeutung der Subjektivität in der Forschung«, in: Forum: Qualitative Sozialforschung, 16 (3 Art. 33). http://www.qualitative-research.net/ index.php/fqs/article/view/2461/3888 vom 17.11.2015. Reichertz, Jo/Soeffner, Hans-Georg (2004): »Hans-Georg Soeffner: Expanding the Action Repertoire of Societies. Hans-Georg Soeffner im Gespräch mit Jo Reichertz«, in: Forum: Qualitative Sozialforschung, 5 (3 Art. 29). http://www.qualitative-research. net/index.php/fqs/article/view/561/1215 vom 29.09.2015. Reinemann, Carsten (2003): Medienmacher als Mediennutzer. Kommunikations- und Einflussstrukturen im politischen Journalismus der Gegenwart, Wien/Köln/Weimar: Böhlau. Richter, Regina (2007): Frauen in politischen Machtpositionen, Hamburg: Univ. Diss. Robinson, Gertrude J./Saint-Jean, Armande (1991): »Women politicians and their media coverage. A generational analysis«, in: Kathy Megyery (Hg.), Women in Canadian politics. Toward equity in representation, Toronto: Dundurn Press, S. 127-169. Roehl, Max (2011): Narrativ. Userwikis der Freien Universität Berlin – Sozial- und Kulturanthropologie. http://userwikis.fu-berlin.de/display/sozkultanthro/Narrativ vom 17.11.2015. Rosenberger, Sieglinde Katharina (2008): »›Herz und Verstand‹. Frauenimage im österreichischen Bundespräsidentschaftswahlkampf 2004«, in: Johanna Dorer/Brigitte Geiger/Regina Köpl (Hg.), Medien – Politik – Geschlecht, Wiesbaden: VS, S. 91-103. Rosenthal, Gabriele (2011): Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung, Weinheim München: Juventa. Röser, Jutta/Müller, Kathrin Friederike (2012): »Merkel als ›einsame‹ Spitze. Eine quantitative Inhaltsanalyse zum Geschlechterverhältnis von Spitzenkräften in den Medien«, in: Margret Lünenborg/Jutta Röser (Hg.), Ungleich mächtig. Das Gendering von Führungspersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Medienkommunikation, Bielefeld: transcript, S. 37-63. Sarcinelli, Ulrich (1998): »Mediatisierung«, in: Otfried Jarren/Ulrich Sarcinelli/Ulrich Saxer (Hg.), Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch mit Lexikonteil, Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 678f.

Literaturverzeichnis

Sarcinelli, Ulrich (2011): Politische Kommunikation in Deutschland. Medien und Politikvermittlung im demokratischen System. 3. erweiterte und überarbeitete Auflage, Wiesbaden: VS. Sauer, Birgit (1994): »Was heißt und zu welchem Zwecke partizipieren wir? Kritische Anmerkungen zur Partizipationsforschung«, in: Elke Biester/Barbara Holland-Cunz/ Birgit Sauer (Hg.), Demokratie oder Androkratie? Theorie und Praxis demokratischer Herrschaft in der feministischen Diskussion, Frankfurt/Main/New York: Campus, S. 99-130. Sauer, Birgit (2001): Die Asche des Souveräns. Staat und Demokratie in der Geschlechterdebatte, Frankfurt/Main: Campus. Sauer, Birgit/Wöhl, Stefanie (2012): Demokratie und Geschlecht, Demokratie in Deutschland 2011. Ein Report der Friedrich-Ebert-Stiftung. Schaeffer-Hegel, Barbara (1990): »Eigentum, Vernunft und Liebe. Paradigmen des Ausschlusses von Frauen aus der Politik«, in: Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Vater Staat und seine Frauen, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 149-165. Schaeffer-Hegel, Barbara (1998a): »Der Berliner Frauensenat von 1989/1990: Ein Modellfall zur Erforschung des Wandels der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen«, in: Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Frauen mit Macht. Zum Wandel der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen. 2. Auflage, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 9-31. Schaeffer-Hegel, Barbara (Hg.) (1998b): Frauen mit Macht. Zum Wandel der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen. 2. Auflage, Pfaffenweiler: Centaurus. Schaeffer-Hegel, Barbara/Foster, Helga/Ude, Silke (1998): »Weibliche Chefs. Die Senatorinnen und ihre Verwaltungen«, in: Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Frauen mit Macht. Zum Wandel der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 33-111. Schaeffer-Hegel, Barbara/Ude, Silke (1998): »Anke Martiny und die Presse«, in: Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Frauen mit Macht. Zum Wandel der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen. 2. Auflage, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 243-264. Schäfer, Sabine (2004): »Journalismus als soziales Feld«, in: Martin Löffelholz (Hg.), Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. 2. überarbeitete Auflage, Wiesbaden: VS, S. 321-334. Schimmeck, Tom (2010): Am besten nichts Neues. Medien, Macht und Meinungsmache, Frankfurt/Main: Westend. Schindler, Delia (2005): »Grundlagen konstruktivistischen Denkens und ihre Konsequenzen für die Empirie«, in: Cilja Harders/Heike Kahlert/Delia Schindler (Hg.), Forschungsfeld Politik. Geschlechtskategoriale Einführung in die Sozialwissenschaften, Wiesbaden: VS, S. 101-126. Schlötterer, Wilhelm (2009): Macht und Missbrauch. Franz Josef Strauß und seine Nachfolger. Aufzeichnungen eines Ministerialbeamten, Köln: Fackelträger.

261

262

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Schmerl, Christiane (1989): »Die öffentliche Inszenierung der Geschlechtscharaktere – Berichterstattung über Frauen und Männer in der deutschen Presse«, in: Christiane Schmerl (Hg.), In die Presse geraten. Darstellung von Frauen in der Presse und Frauenarbeit in den Medien. 2., durchgesehene Auflage, Wien/Köln/Weimar: Böhlau, S. 7-52. Schmerl, Christiane (2002): »›Tais-toi et sois belle!‹ 20 Jahre Geschlechterinszenierung in fünf deutschen Printmedien«, in: Publizistik 47, 388-411. Schmidt, Renate (o.J.): Renate Schmidt – Persönliches. http://www.renateschmidt.de/ RS/persoenliches.html vom 17.11.2015. Schöler-Macher, Bärbel (1994): Die Fremdheit der Politik. Erfahrungen von Frauen in Parteien und Parlamenten, Weinheim: Deutscher Studien Verlag. Scholz, Sylka (2007a): »Geschlechterbilder und Geschlechterpolitiken im Bundestagswahlkampf 2005. Eine Einleitung«, in: Sylka Scholz (Hg.), »Kann die das?« Angela Merkels Kampf um die Macht, Berlin: Dietz, S. 7-24. Scholz, Sylka (Hg.) (2007b): »Kann die das?« Angela Merkels Kampf um die Macht, Berlin: Dietz. Scholz, Sylka (2007c): »Männer reden Merkel klein. Männlichkeitskritiken im Bundestagswahlkampf 2005«, in: Sylka Scholz (Hg.), »Kann die das?« Angela Merkels Kampf um die Macht, Berlin: Dietz, S. 103-116. Schraa, Rolf (2000): »Die Sternsinger-Lüge von Roland Koch«, in: Berliner Zeitung, Berlin, 09.02.2000. http://www.berliner-zeitung.de/archiv/hessens-ministerpraesidentwusste-bereits-im-dezember-von-schwarzem-konto-der-cdu---opposition-fordertruecktritt-die-sternsinger-luege-von-roland-koch,10810590,9767266.html vom 24.06.2015. Schreier, Margrit (2010): »Fallauswahl«, in: Günter Mey/Katja Mruck (Hg.), Handbuch qualitative Forschung in der Psychologie, Wiesbaden: VS, S. 238-251. Schreier, Margrit (2014): »Varianten qualitativer Inhaltsanalyse: Ein Wegweiser im Dickicht der Begrifflichkeiten«, in: Forum: Qualitative Sozialforschung, 15 (1 Art. 18). http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/2043/3635 vom 17.11.2015. Schulz, Winfried/Zeh, Reimar (2006): »Die Kampagne im Fernsehen – Agens und Indikator des Wandels. Ein Vergleich der Kandidatendarstellung«, in: Christina Holtz-Bacha (Hg.), Die Massenmedien im Wahlkampf. Die Bundestagswahl 2005, Wiesbaden: VS, S. 277-305. Schulz, Winfried/Zeh, Reimar (2015): »Fernsehnachrichten über Kanzlerkandidaten. Die Trends seit 1990«, in: Christina Holtz-Bacha (Hg.), Die Massenmedien im Wahlkampf. Die Bundestagswahl 2013, Wiesbaden: Springer VS, S. 173-188. Schütz, Alfred (1972): »Der gut informierte Bürger. Ein Versuch über die soziale Verteilung des Wissens«, in: Gesammelte Aufsätze 2, Studien zur soziologischen Theorie, Den Haag: Nijhoff, S. 85-101.

Literaturverzeichnis

Sdroulia, Amalia (2007): Frauen in der Politik. Spielregeln des politischen Geschäfts. Eine Untersuchung am Beispiel von Politikerinnen der Fraktion »Bündnis 90/Die Grünen« im Niedersächsischen Landtag, Marburg: Tectum. Sennett, Richard (1993): Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch. Simonis, Heide (2003): Unter Männern. Mein Leben in der Politik, München: Beck. Soeffner, Hans-Georg (2008): »Sozialwissenschaftliche Hermeneutik«, in: Uwe Flick (Hg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch. 6., durchgesehene und aktualisierte Auflage, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch, S. 164-175. SPD Berlin Neu-Westend (o.J.): Ingrid Stahmer. SPD Berlin Neu-Westend. http://www.spdneuwestend.de/de/Abteilung/Prominente-Abteilungsmitglieder/Ingrid-Stahmer vom 17.11.2015. SPD NRW (2010): Die Mehrheit will Rot-Grün. SPD-Landesverband NordrheinWestfalen. http://www.nrwspd.de/meldungen/1/84103/index.html vom 17.11.2015. Stadel, Florian (2005): Wer ist der Verräter? Focus Online, 18.03.2005. http://www.focus. de/politik/deutschland/kiel_aid_92671.html vom 09.11.2015. Statistik-BW (o.J.): Landtagswahlen, Zeitreihen 1996-2011. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. http://www.statistik-bw.de/Wahlen/Landesdaten/Landtagswahlen/LRLtW.asp vom 17.11.2015. Statistik Hessen (o.J.): Landtagswahlergebnisse 1946-2013. Hessisches Statistisches Landesamt. http://www.statistik-hessen.de/themenauswahl/wahlen/daten/ landtagswahlen/landtagswahlergebnisse-1946/index.html vom 17.11.2015. Statistik-Nord (o.J.): Wahlen in Schleswig-Holstein seit 1947. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein. http://www.statistik-nord.de/fileadmin/ Dokumente/Wahlen/Schleswig-Holstein/Wahlen_seit_1947/Wahlen-SH_seit_1947Stimmen_prozentual.pdf vom 17.11.2015. Stauber-Klein, Birgitta (2007): »Politikerinnen in den Medien: Erfahrungen aus dem Journalismus«, in: Christina Holtz-Bacha/Nina König-Reiling (Hg.), Warum nicht gleich?, Wiesbaden: VS, S. 124-132. Sterr, Lisa (1997): Frauen und Männer auf der Titelseite. Strukturen und Muster der Berichterstattung am Beispiel einer Tageszeitung, Pfaffenweiler: Centaurus. Stöss, Richard/Niedermayer, Oskar (1997): Harold-Hurwitz-Survey 1995 (BerlinBUS) Analysen zur Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin am 22. Oktober 1995, Berlin: FU Berlin Fachbereich Politische Wissenschaft, Otto-Stammer-Zentrum für empirische politische Soziologie. Sulimma, Maria (2014): Die anderen Ministerpräsidenten. Geschlecht in der printmedialen Berichterstattung über Berufspolitik, Berlin: LIT. Tenscher, Jens (2011): »Salto mediale? Medialisierung aus der Perspektive deutscher Landtagsabgeordneter«, in: Michael Edinger/Werner J. Patzelt (Hg.), Politik als Beruf, Wiesbaden: VS, S. 375-395. Thiele, Martina (2015): Medien und Stereotype. Konturen eines Forschungsfeldes, Bielefeld: transcript.

263

264

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

TKMMedia (o.J.): Stets am richtigen Platz: So begleiten Sie andere Menschen am besten. http://www.stil.de/knigge-thema-der-woche/details/artikel/stets-am-richtigenplatz-so-begleiten-sie-andere-menschen-am-besten.html vom 17.11.2015. Tuchman, Gaye (1980): »Die Verbannung von Frauen in die symbolische Nichtexistenz durch Massenmedien«, in: Fernsehen und Bildung 14 (1/2), S. 10-43. Tyrell, Hartmann (1986): »Geschlechtliche Differenzierung und Geschlechterklassifikation«, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 38 (3), S. 450-489. Villa, Paula-Irene (2007): »Soziale Konstruktion: Wie Geschlecht gemacht wird. Kommentar«, in: Sabine Hark (Hg.), Dis/Kontinuitäten: feministische Theorie, Wiesbaden: VS, S. 19-26. WACC (Hg.) (2010): Who makes the News? Global Media Monitoring Project 2010. o.O. http://cdn.agilitycms.com/who-makes-the-news/Imported/reports_2010/ global/gmmp_global_report_en.pdf vom 20.11.2015. Watzlawick, Paul/Bavelas, Janet Beavin/Jackson, Don D. (2000): Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. 10., unveränderte Auflage, Bern/ Göttingen/Toronto/Seattle: Huber. Weber, Max (2010): Politik als Beruf. 11. Auflage, Berlin: Duncker & Humblot. Weber, Ulla (1998a): »Handlungskompetenzen für Frauen in der Politik«, in: Helga Foster/ Helga Lukoschat/Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Die ganze Demokratie: zur Professionalisierung von Frauen für die Politik, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 63-119. Weber, Ulla (1998b): »Hoffnungsträger Hexenfrühstück«, in: Barbara Schaeffer-Hegel (Hg.), Frauen mit Macht. Zum Wandel der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen. 2. Auflage, Pfaffenweiler: Centaurus, S. 169-198. Weiderer, Monika (1995): Das Frauen- und Männerbild im Deutschen Fernsehen. Eine inhaltsanalytische Untersuchung der Programme von ARD, ZDF und RTL plus. 2. Auflage, Regensburg: Roderer. Wernet, Andreas (2009): Einführung in die Interpretationstechnik der objektiven Hermeneutik. 3. Auflage, Wiesbaden: VS. West, Candace/Zimmerman, Don H. (1987): »Doing Gender«, in: Gender & Society 1 (2), 125-151. Wetterer, Angelika (2002): Arbeitsteilung und Geschlechterkonstruktion. »Gender at work« in theoretischer und historischer Perspektive, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft. Wetterer, Angelika (2003): »Rhetorische Modernisierung. Das Verschwinden der Ungleichheit aus dem zeitgenössischen Differenzwissen«, in: Gudrun-Axeli Knapp/ Angelika Wetterer (Hg.), Achsen der Differenz. Gesellschaftstheorie und feministische Kritik II. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 286-319. Wetterer, Angelika (2008a): Geschlechterwissen & soziale Praxis. Grundzüge einer wissenssoziologischen Typologie des Geschlechterwissens, in: Angelika Wetterer (Hg.), Geschlechterwissen und soziale Praxis. Theoretische Zugänge – empirische Erträge, Sulzbach/Taunus: Ulrike Helmer, S. 39-63.

Literaturverzeichnis

Wetterer, Angelika (2008b): »Geschlechterwissen: Zur Geschichte eines neuen Begriffs«, in: Angelika Wetterer (Hg.), Geschlechterwissen und soziale Praxis, Sulzbach/ Taunus: Ulrike Helmer, S. 13-36. Wettig-Danielmeier, Inge (Hg.) (1997): Greift die Quote?, Köln: Stadtwege. Wiechmann, Elke (2006): Gleichstellungspolitik als Machtspiel. Eine mikropolitische Analyse der Gleichstellungspolitik in kommunalen Reorganisationsprozessen, Freiburg: fwpf. Wieselmann, Bettina (2000): »Die SPD-Kandidaten Vogt und Mosdorf wollen im März 2001 gegen den verbraucht wirkenden CDU-Regierungschef Teufel antreten«, in: www.tagesspiegel.de, Berlin, 21.05.2000. http://www.tagesspiegel.de/politik/die-spdkandidaten-vogt-und-mosdorf-wollen-im-maerz-2001-gegen-den-verbrauchtwirkenden-cdu-regierungschef-teufel-antreten/143006.html vom 14.04.2015. Wiliarty, Sarah (2010): The CDU and the Politics of Gender in Germany. Bringing Women to the Party, Cambridge: University Press. Wiliarty, Sarah (2011): Gender Bias in Campaigns for State Level Executive Office in Germany and the United States: Does It (Still) Exist?, Barcelona/Spanien, 22.06.2011. Wilke, Jürgen (2009): »Historische und intermediale Entwicklungen von Leitmedien. Journalistische Leitmedien in Konkurrenz zu anderen«, in: Daniel Müller/Annemone Ligensa/Peter Gendolla (Hg.), Leitmedien. Konzepte – Relevanz – Geschichte. Band 1, Bielefeld: transcript, S. 29-52. Wilke, Jürgen/Leidecker, Melanie (2010): »Ein Wahlkampf, der keiner war? Die Presseberichterstattung zur Bundestagswahl 2009 im Langzeitvergleich«, in: Christina Holtz-Bacha (Hg.), Die Massenmedien im Wahlkampf. Das Wahljahr 2009, Wiesbaden: VS, S. 339-372. Wilke, Jürgen/Reinemann, Carsten (2009): »Seriös – boulevardesk – kompakt. Wahlkampfberichterstattung 2005 in der deutschen Tagespresse«, in: Heinrich Oberreuter (Hg.), Unentschieden. Die erzwungene Koalition, München: Loszog, S. 141-173. Willems, Herbert (2007): »Elemente einer Journalismustheorie nach Bourdieu«, in: Klaus-Dieter Altmeppen/Thomas Hanitzsch/Carsten Schlüter (Hg.), Journalismustheorie. Next Generation, Wiesbaden: VS, S. 215-238. Wolf, Birgit (2008): »Geschlechterdarstellung in den Nachrichten. Monitoring, Quoten und Befunde«, in: Johanna Dorer/Brigitte Geiger/Regina Köpl (Hg.), Medien – Politik – Geschlecht, Wiesbaden: VS, S. 66-78. van Zoonen, Liesbet (2006): »The personal, the political and the popular. A woman’s guide to celebrity politics«, in: European Journal of Cultural Studies 9 (3), S. 287-301.

265

11. Textkorpus

Bild: Bundesausgabe (BU), Berlin (B) Düsseldorf (D), Frankfurt (Ffm), Hamburg (HH) München (M) Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Spiegel online (SPON) Süddeutsche Zeitung (SZ)

W AHLKAMPF

UND

W AHLERGEBNIS

Renate Schmidt 1994 Bild BU 26.09.94: 1 »Stoiber: König von Bayern« Bild M 23.07.94: 3 »SPD-Chefin Schmidt: Am Dienstag verrät sie ihr größtes Geheimnis« Bild M 25.07.94: 3 »Mit dem Urlaub Stimmen fangen« Bild M 27.07.94: 3 »Personalchef von Audi soll Wiesheu ablösen« Bild M 29.07.94: 3 »Renate Schmidt: Ein Volksfestsieg über die CSU« Bild M 07.09.94: 3 »Siebenmal Scharping für ein Prozent« Bild M 12.09.94: 3 »Münchner SPD blamiert Renate Schmidt« Bild M 24.09.94: 2 »›Akten-Edmund‹ gegen ›Renata erotica‹« Bild M 24.09.94: 5 »Streß, Hetze, und eine große Bitte« (sic!) Bild M 26.09.94: 2 »Schmidt gegen Schmid« Bild M 26.09.94: 2a »Beckstein: direkt gegen Renate – direkt geschlagen« Bild M 26.09.94: 3 »Willkommen daheim in Bayern, Renate Schmidt« FAZ 27.07.94: 1 »Die bayerische SPD stellt ihr Schattenkabinett vor« FAZ 05.09.94: 3 »Aufputschmittel drei Wochen vor der Landtagswahl« FAZ 12.09.94: 1 »Stoibers Probezeit« FAZ 16.09.94: 3 »Eine starke Frau soll Stoiber das Fürchten lehren« FAZ 21.09.94: 14 »Liebe Politik« FAZ 22.09.94: 3 »Bayerns Fliegender Holländer wirkt überall, als sei er auf der Durchreise« FAZ 24.09.94: 1 »Am Sonntag wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt«

268

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

FAZ 26.09.94: 1 »In Bayern wieder absolute Mehrheit für die CSU« FAZ 26.09.94: 3 »Verheugen fühlt sich richtig wohl« FAZ 26.09.94: 3 »Streit in der alten und neuen Opposition« Der Spiegel 29/94: 51-55 »Saubermann und Zirkuspferd« Der Spiegel 38/94: 50f »Eh Wurscht« SZ 03.09.94: 4 »Verhaltener Auftakt bei der CSU« SZ 21.09.94: 3 »Kreuzchen sammeln für die Superzahl 3« SZ 26.09.94: 1 »CSU verteidigt ihre absolute Mehrheit. Deutliche Zugewinne für die Sozialdemokraten« SZ 26.09.94: 2 »SPD und CDU: Positives Signal für die Bundestagswahl« SZ 26.09.94: 3 »... und erhöht die Niedrigen« SZ 26.09.94: 4 »Spitzenkandidaten triumphieren«

Renate Schmidt 1998 Bild BU 14.09.98: 1 »Riesen-Schub für Kohl«* Bild M 18.08.98: 5 »Demo-Verbot für SPD-Schmidt« Bild M 24.08.98: 3 »SPD-Chefin Schmidt. Ihr Seelenfrieden bringt die Partei in gespannte Unruhe« Bild M 27.08.98: 5 »Sie tut so, als hätte sie sich für Bayern geopfert« Bild M 09.09.98: 5 »Schröder-Show auf dem Marienplatz« Bild M 14.09.98: 1 »Riesen-Schub für Kohl«* Bild M 14.09.98: 1-2 »Partei-Chef Waigel: Ein Ruck ging durch die Union« Bild M 14.09.98: 2 »Untergangsstimmung bei der Bayern-SPD« Bild M 14.09.98: 2a »Edmund Stoiber: Er gibt uns das stolze Gefühl, ein Bayer zu sein« Bild M 14.09.98: 3 »Münchner SPD: Eine Stimmung wie bei Berti in Frankreich« Bild M 14.09.98: 4 »In Nürnberg CSU wieder stärkste politische Kraft« FAZ 29.06.98: 5 »Waigel und Stoiber sind ein Verstand und eine Seele« FAZ 14.07.98: 4 »Kein Beifall für Renate Schmidt« FAZ 05.08.98: 3 »Am Schluß erzählt sie noch schnell einen Kohl-Witz« FAZ 27.08.98: 4 »Renate Schmidt will nicht nach Bonn« FAZ 27.08.98: 14 »Lust« FAZ 28.08.98: 15 »Tabellenwechsel« FAZ 03.09.98: 3 »Fünf Fragen von durchschnittlicher Giftigkeit« FAZ 14.09.98: 1 »Die CSU wieder deutlich über 50 Prozent« FAZ 14.09.98: 2 »Die SPD will nicht enttäuscht sein« Der Spiegel 31/98: 22-25 »Laptop und Lederhose« Der Spiegel 37/98: 60-70 »Die letzte Bastion« SZ 31.08.98: 3 »Eine Zweckehe auf Rädern« SZ 02.09.98: 3 »Die Kleinstgröße XXL« SZ 08.09.98: 4 »Die SPD allein kann Stoiber nicht Paroli bieten« SZ 14.09.98: 1 »CSU verteidigt die absolute Mehrheit«

Textkorpus

SZ 14.09.98: 2 »Hoffnungsschub und perfide Lobsprüche« SZ 14.09.98: 3 »Der Sieg der Formel S« SZ 14.09.98: 4 »Südwind für Bonn«

Ingrid Stahmer 1995 Bild B 21.08.95: 5 »Parteien haben Berliner wieder ganz doll lieb...« Bild B 24.08.95: 4 »Ingrid ›Scharping‹? Walter ›Schröder‹?« Bild B 26.08.95: 3 »Mit Bar, Fax und Dusche: Diepgens Wahlkampf-Mobil« Bild B 12.09.95: 3 »Stechuhren in Behörden: Stahmer macht den Anfang« Bild B 29.09.95: 5 »Senatorin Stahmer hat `nen Mode-Spürhund« Bild B 11.10.95: 3 »Diäten-Ärger: Genossen buhen Stahmer aus« Bild B 13.10.95: 5 »Stahmer: Ja zu Rot-Grün, wenn...« Bild B 17.10.95: 4 »Kultur-Senator Roloff-Momin: Ich bin zum Abschuß freigegeben« Bild B 17.10.95: 4a »Rot-Grün gut für Berlin? 54 Prozent sagen ›Nein!‹« Bild B 18.10.95: 4 »Ich bin die Ingrid Stahmer von dem Plakat« Bild B 20.10.95: 2-3 »Diepgen – Stahmer. Der ganz private Vergleich« Bild B 20.10.95: 6 »Stahmer & Diepgen am BILD-Telefon: Können Sie nach der Wahl noch zusammenarbeiten?« Bild B 23.10.95: 2 »Diepgen & Stahmer: Machen sie es noch einmal?« Bild B 23.10.95: 2a »Stahmer weinte: Das haben wir nicht verdient« FAZ 09.10.95: 16 »Juhuu und Buuh« FAZ 14.10.95: 5 »Als sei das Wort ›Zukunft‹ gestrichen worden« FAZ 19.10.95: 18 »Wieder einmal Schicksalswahl in Berlin« FAZ 20.10.95: 3 »Von der Kunst, das Ähnliche mit angenehmeren Assoziationen zu verbinden« FAZ 23.10.95: 1 »Einbrüche für die große Koalition in Berlin« Der Spiegel 34/95: 76f »Nette Kollegin« Der Spiegel 42/95: 27f »Palavern statt spalten« SZ 22.08.95: 2 »Rot-grünes Experiment vor der Wahl« SZ 13.09.95: 6 »Ecke Friedrichstraße« SZ 02.10.95: 3 »Den Berg runter, bis Grabesstille ist« SZ 11.10.95: 3 »Im Club der Deprimierten« SZ 16.10.95: 3 »Rote Gespenster und rote Rosen« SZ 21.10.95: 11 »Berlin und die ›Schicksalswahl‹« SZ 23.10.95: 1 »Verluste für bisherige Koalitionspartner CDU und SPD. Kräftige Gewinne für oppositionelle PDS und Grüne« SZ 23.10.95: 3 »Das Kind im vergifteten Brunnen«

269

270

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Heide Simonis 1996 Bild HH 13.03.96: 8 »Die Pläne der SPD« Bild HH 22.03.96: 6 »Die Spitzenkandidaten« Bild HH 23.03.96: 2 »Morgen Wahl in 3 Bundesländern – darum geht’s« Bild HH 25.03.96: 1 »Dämpfer für Heide Simonis. Jetzt Rot-Grün?« Bild HH 25.03.96: 2 »Heide Simonis braucht die Grünen« Bild HH 25.03.96: 3 »FDP oder Grüne – wer darf mitregieren?« Bild HH 25.03.96: 3a »Da lacht Frau Fröhlich: Minister-Posten winkt« Bild HH 25.03.96: 3b »FDP: Vorerst keine Gespräche mit der SPD« FAZ 21.02.96: 4 »Rededuell im hohen Norden: Fixigkeit ist kein Beweis für Richtigkeit« FAZ 20.03.96: 3 »Ich bin die erste Ministerpräsidentin Deutschlands, vergessen Sie das nicht!« FAZ 20.03.96: 3a »Ottfried Hennig schwimmt gegen einen Strom in seiner eigenen Partei« FAZ 22.03.96: 2 »Frau Simonis will weiter alleine regieren« FAZ 22.03.96: 17 »Dann lieber die Dame allein« FAZ 25.03.96: 2 »Alles hängt von Frau Simonis ab« Der Spiegel 02/96: 176 »Personalien: Heide Simonis« Der Spiegel 12/96: 41f »Ministerles spielen« Der Spiegel 12/96: 44-47 »Der Satz ist weg« SZ 15.01.96: 5 »CDU will gemeinsam mit der FDP Simonis stürzen« SZ 02.03.96: 8 »Heide Simonis und die Gespenster« SZ 16.03.96: 3 »Duell mit einer Dominanten« SZ 21.03.96: 26 »Ebbe zwischen den Meeren« SZ 23.03.96: 8 »Frostige Stimmung beim Fernsehduell« SZ 25.03.96: 2 »SPD braucht Bündnispartner« SZ 25.03.96: 3 »Auch eine Powerfrau muß schlucken«

Heide Simonis 2000 Bild BU 26.02.00: 2 »Morgen ist Landtagswahl in Schleswig-Holstein« Bild BU 28.02.00: 2 »Mit dem Ergebnis können alle gut leben« Bild HH 11.01.00: 8 »Kanzler Schröder: Im Raumanzug auf Wahlkampf-Tour« Bild HH 13.01.00: 14 »Kanzler-Tour – ein Loblied auf den Schiffbau« Bild HH 08.02.00: 7 »Beifall für den Kanzler« Bild HH 24.02.00: 8 »Faires TV-Duell ohne Sieger« Bild HH 28.02.00: 3 »Küsschen, Küsschen für die 400 Genossen« FAZ 11.01.00: 4 »Es war, als hätte man schon gesiegt« FAZ 13.01.00: 4 »Die SPD glaubt, den ganz großen Sieg erringen zu können« FAZ 09.02.00: 5 »Heimliche Hoffnungen im Norden« FAZ 14.02.00: 2 »Gemeinsames Joggen mit Joschka« FAZ 24.02.00: 3 »Eine Frau als starker Mann«

Textkorpus

FAZ 28.02.00: 1 »Die SPD in Schleswig-Holstein klar vorn« FAZ 28.02.00: 3 »Programm der SPD, nicht die CDU-Affäre war entscheidend« Der Spiegel 04/00: 198f »Die Gnade der späten Geduld« Der Spiegel 05/00: 38-40 »Mit Disziplin in die Falle« Der Spiegel 07/00: 248 »Personalien: Heide Simonis« Der Spiegel 08/00: 40-42 »Noch eine Rechnung offen« SPON 08.02.00 »Pinneberg. Siegerstimmung bei der Heide-Simonis-Show« SPON 13.02.00 »Heide Simonis: Die erste Ministerpräsidentin« SPON 18.02.00: »Steckbrief Volker Rühe und Heide Simonis« SPON 24.02.00 »Das TV-Duell. Rühe glaubt an Wunder – Simonis ist froh über ihr Bayern-Abitur« SPON 25.02.00 »Countdown läuft. Die Republik schaut auf Schleswig-Holstein« SPON 25.02.00a »Kommentar. Wer macht’s mit wem an der Förde?« SPON 26.02.00 »Simonis contra Rühe. Der Countdown in Schleswig-Holstein läuft« SPON 27.02.00 »Reportage. Rot-grüner Freudentaumel an der Förde« SPON 27.02.00a »Simonis’ Koalitionsrunde. ›Ich trinke mit jedem Tee‹« SZ 13.01.00: 3 »Nordische Kombination« SZ 31.01.00: 3 »Bergan im platten Land« SZ 01.02.00: 10 »Stehauf-Männchen für die Stehauf-Partei« SZ 05.02.00: 2 »Die Wähler sind verunsichert« SZ 21.02.00: 3 »Ehrlichkeit ist eine Zier« SZ 25.02.00: 7 »Simonis und Rühe führen faires Fernsehduell« SZ 26.02.00: 12 »Unverdrossen durch den Schatten« SZ 28.02.00: 2 »Neuanfang mit alt Bewährtem« SZ 28.02.00: 3 »Keine Überraschung für niemand«

Heide Simonis 2005 Bild BU 10.02.05: 2 »Heide Simonis gibt jetzt Angela Merkel Mode-Tips« Bild BU 19.02.05: 2 »Rückschlag für Merkel? Rückenwind für Schröder?« Bild HH 27.01.05: 3 »Peiner: Arbeitslosenzahlen geschönt« Bild HH 31.01.05: 8 »Neonazi-Schande. Zieht diese Bande etwa in den Kieler Landtag ein?« Bild HH 05.02.05: 13 »Nordbank-Chefs machen Heide Simonis Streß« Bild HH 07.02.05: 7 »Männer sind manchmal dämlich« Bild HH 11.02.05: 8 »Simonis’ neuer Job: putzen« Bild HH 12.02.05: 11 »Der Endspurt um die Macht« Bild HH 15.02.05: 10 »Geheimes TV-Training für Duell gegen Simonis« Bild HH 16.02.05: 8 »Der Herausforderer war einen Hauch stärker« Bild HH 19.02.05: 3 »Simonis oder Carstensen: Wer ist besser für Hamburg?« Bild HH 21.02.05: 2 »Der große Sieger hat trotzdem verloren« Bild HH 21.02.05: 3 »Kann die Dänen-Klausel Simonis noch retten?«

271

272

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

FAZ 10.01.05: 4 »Nur nicht einschläfern« FAZ 10.01.05: 4a »Ausgeschwärmt« FAZ 05.02.05: 3 »Es macht wieder Spaß« FAZ 12.02.05: 4 »Im richtigen Alter« FAZ 18.02.05: 3 »Scharfzüngiger Popstar« FAZ 21.02.05: 1 »Kieler Aussichten« FAZ 21.02.05: 1a »CDU wieder stärkste Partei im Norden« FAZ 21.02.05: 3 »Der erste Sprung mißlang« FAZ 21.02.05: 3a »Begeistert ist die SPD nur eine Sekunde« Der Spiegel 04/05: 76f »Neu erwachte Liebe« SPON 08.01.05 »Wahlkampf in Schleswig-Holstein. Der Heide-Faktor« SPON 21.01.05 »Wahlkampf in Schleswig-Holstein. Sylt-Witze in roten Sesseln« SPON 09.02.05 »Aschermittwoch der CDU. Attacken auf Schröder und ›SchuldenHeide‹« SPON 09.02.05a »Aschermittwoch. Westerwelles Beschwörungen in der Diaspora« SPON 20.02.05 »Schleswig-Holstein. Testwahl im hohen Norden« SPON 20.02.05a »Landtagswahl. Schleppende Beteiligung in Schleswig-Holstein« SPON 20.02.05b »Schleswig-Holstein. Großer Auftritt für die dänische Minderheit« SPON 20.02.05c »Landtagswahl. Zitterpartie in Kiel« SPON 20.02.05d »Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Last-Minute-Mehrheit für Simonis« SZ 08.01.05: 8 »Der Ball ist vom Elfmeterpunkt gerollt« SZ 11.01.05: 4 »Falsches Signal« SZ 12.01.05: 5 »SPD liegt knapp vor der CDU« SZ 15.02.05: 3 »Frau Käpt’n steht im Trockenen« SZ 16.02.05: 4 »Der peinliche Verlobte« SZ 19.02.05: 5 »Die Kleinen im Konflikt«

Ute Vogt 2001 Bild BU 24.03.01: 2 »Der Kanzler & Frau Merkel zittern mit diesen Politikern« Bild BU 26.03.01: 2 »Was bedeuten die Wahlen für Berlin?« Bild BU 26.03.01: 2a »Wahlsieg der Großen« Bild S 12.02.01: 5 »Landtags-Wahlkampf: SPD eröffnet heiße Phase« Bild S 05.03.01: 5 »Ute Vogt im SI-Centrum« Bild S 06.03.01: 5 »Erwin Teufel und Ute Vogt. Endspurt mit Brezeln & Milch« Bild S 26.03.01: 1 »Teufel klarer Sieger« Bild S 26.03.01: 3 »Kein Mandat für Ute Vogt – aber Genossen feierten« FAZ 10.02.01: 4 »Die FDP im Südwesten zuversichtlich« FAZ 19.02.01: 4 »Solange die Sau zuckt, lebt sie noch« FAZ 27.02.01: 4 »Eine Partei mit neuem Schwung« FAZ 06.03.01: 4 »Vogt: Die SPD darf nicht übermütig werden«

Textkorpus

FAZ 14.03.01: 4 »Sympathie ist wichtiger als Sachverstand« FAZ 20.03.01: 3 »Teufel wird mehr wirtschaftspolitischer Sachverstand bescheinigt. Vogt hat die höheren Sympathiewerte« FAZ 22.03.01: 4 »Hauptdarsteller im Wahltheater« FAZ 24.03.01: 6 »Von City-Calls und anderen Gesprächen« FAZ 26.03.01: 1 »Ein Traumergebnis für Teufel« FAZ 26.03.01: 2 »Wo wird Ute Vogt künftig wirken?« Der Spiegel 10/01: 33-34 »Mücke auf dem Mond« Der Spiegel 13/01: 244 »Personalien: Ute Vogt« SPON 10.02.01 »Wahlkampf. Schröders Schulterschluss mit SPD-Hoffnung Ute Vogt« SPON 28.02.01 »Wahlkampf im Netz. ›Schön, dass Sie vorbeischauen‹« SPON 28.02.01a »Ute Vogt. Ein kesser Schnabel greift nach dem Chefsessel« SPON 28.02.01b »Umfrage. CDU unter 40 Prozent« SPON 28.02.01c »Wahl in Baden-Württemberg. Kein Teufel ohne die FDP« SPON 20.03.01 »Ab 18.30 Uhr. Chatten Sie mit Ute Vogt« SPON 25.03.01 »Kommentar. Teufels Triumph auf Abruf« SPON 25.03.01a »Salomons Urteil. ›Deutlich einen über den Durst getrunken‹« SPON 25.03.01b »Landtagswahlen. Triumphe für Teufel und Beck« SPON 25.03.01c »Analyse. Die trügerische Ruhe der SPD« SZ 12.02.01: 4 »Der Kanzler als Kavalier« SZ 12.02.01: 6 »Südwest-SPD startet in heiße Phase des Wahlkampfs« SZ 06.03.01: 5 »Schröder: Auch ein alter Zirkusgaul holpert« SZ 10.03.01: 5 »SPD kann mit deutlichen Gewinnen rechnen« SZ 12.03.01: 2 »Teufel kritisiert Führung der Bundes-CDU« SZ 13.03.01: 3 »Kandidatin mit Machtinstinkt und Charme« SZ 19.03.01: 3 »Spartaner auf Stimmenfang« SZ 21.03.01: 2 »Realistische Gelassenheit« SZ 21.03.01: 4 »Auffrischender Südwest-Wind« SZ 24.03.01: 5 »SPD-Kandidatin Vogt fordert CDU-Mann Teufel heraus« SZ 24.03.01: 7 »Auch wenn sie verliert, gewinnt sie«

Ute Vogt 2006 Bild BU 23.03.06: 1-2 »Erst Politikerin beichtet Orgasmus-Lüge!« Bild S 09.02.06: 5 »Rote Ute plötzlich grün« Bild S 20.02.06: 6 »FDP-Biggi und SPD-Ute. So wollen sie Oettinger abkochen« Bild S 02.03.06: 3 »Heute großes TV-Duell« Bild S 03.03.06: 5 »Oettinger gegen Vogt. Das große TV-Duell von gestern abend. Wer war besser?« Bild S 11.03.06: 6 »Wie viele Gute hat die rote Ute?« Bild S 23.03.06: 5 »Heute großer TV-Gipfel« Bild S 24.03.06: 3 »Das TV-Duell der Spitzenkandidaten. Wie fantastisch waren die 4?«

273

274

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Bild S 25.03.06: 3 »... und wem vergeht das Lachen?« Bild S 27.03.06: 2 »Neuer Schwarzer Riese?« Bild S 27.03.06: 3 »SPD-Chefin denkt nach Wahlschlappe offenbar an Rücktritt« FAZ 06.02.06: 4 »SPD setzt auf Nein zu Atomkraft« FAZ 02.03.06: 4 »Kämpferische Spätzle-Botschaft« FAZ 04.03.06: 4 »Pingpong im Ländle des Lächelns« FAZ 20.03.06: 4 »Vogt hat Anrecht auf Oppositionsführung« FAZ 21.03.06: 3 »Schwertgosch gegen Zahlenkenner« FAZ 21.03.06: 5 »SPD erwartet in den Ländern Kontinuität« FAZ 24.03.06: 2 »Kritik an Vogts Privatgeständnis« FAZ 25.03.06: 2 »Das große Thema fehlte« FAZ 27.03.06: 1 »Beck souverän – Oettinger bestätigt – Böhmer vorn« FAZ 27.03.06: 2 »Gradmesser für Platzeck ›Alles ziemlich normal‹« Der Spiegel 07/06: 36-40 »Das andere Gesicht« SPON 09.02.06 »Rente ab 67. Streit mit Risiken und Nebenwirkungen« SPON 20.02.06 »CDU. Oettingers gefährlichste Gegner« SPON 13.03.06 »Streik im Öffentlichen Dienst. Heftiger Streit im Arbeitgeberlager« SPON 13.03.06a »Streik im Öffentlichen Dienst. SPD will Schlichter einsetzen« SPON 22.03.06 »Baden-Württemberg. Auf Merkels Welle in den Wattewahlkampf« SPON 23.03.06 »Lügendetektor-Spielchen. Warum Ute Vogt über ihr Sexualleben plauderte« SPON 23.03.06a »Wahlkampfausklang. Platzeck fordert von Merkel mehr Engagement« SPON 26.03.06 »Baden-Württemberg. Oettinger fehlt ein Mandat zur absoluten Mehrheit« SPON 26.03.06a »Baden-Württemberg. Ute Vogts schwerste Stunde« SZ 06.02.06: 6 »SPD setzt vor Wahl auf Atomausstieg« SZ 04.03.06: 5 »Unfallfreies Unentschieden« SZ 08.03.06: 3 »Pirouetten in der Zwickmühle« SZ 14.03.06: 8 »Locker sitzen, Herzen malen« SZ 18.03.06: 10 »Große Vorteile für die Regierenden« SZ 20.03.06: 16 »Sparen am Staatsbürger von morgen« SZ 23.03.06: 3 »Kämpfen gegen das eigene Bild« SZ 24.03.06: 12 »Leute. Ute Vogt« SZ 25.03.06: 10 »Sex, Drogen und Langeweile«

Andrea Ypsilanti 2008 Bild BU 28.01.08: 2 »Wer ist die Frau, die alle überraschte?« Bild BU 28.01.08: 2a »Hessen: Bittere Niederlage für Ministerpräsident Koch« Bild Ffm 03.01.08: 6 »Ypsilanti gegen Koch! Der Kampf um die Macht« Bild Ffm 07.01.08: 3 »Avanti Ypsilanti!« Bild Ffm 11.01.08: 3 »Führt sie der Yps-Faktor zum Sieg?«

Textkorpus

Bild Ffm 16.01.08: 9 »17 Stunden mit Ypsilanti« Bild Ffm 21.01.08: 2 »Erst das Land, dann die Partei« Bild Ffm 21.01.08: 3 »Koch & Ypsilanti. Kein Sieger im 1. TV-Duell« Bild Ffm 23.01.08: 2 »Warum schickt Frau Ypsilanti ihren Sohn auf eine Privat-Schule?« Bild Ffm 23.01.08: 3 »Andrea Ypsilanti: Der Mann an ihrer Seite« Bild Ffm 25.01.08: 3 »Koch mit Eiern beworfen« Bild Ffm 28.01.08: 4 »Freude bei den Gewinnern, Tränen bei den Verlierern« FAZ 03.01.08: 3 »Den Markenkern der CDU herausschälen« FAZ 08.01.08: 16 »Die Stimme des kleinen Mannes« FAZ 21.01.08: 1 »SPD empört über den ›bezahlten Lobbyisten‹ Clement« FAZ 21.01.08: 3 »Angriffslustige Herausforderin, gemäßigter Amtsinhaber« FAZ 22.01.08: 1 »Beck gegen Parteiausschluss Clements« FAZ 22.01.08: 3 »Von ›Frau XY‹ zum Alphatier« FAZ 22.01.08: 36 »Ypsilanti« FAZ 24.01.08: 2 »Frau Ypsilanti schickt ihren Sohn auf ein privates Gymnasium« FAZ 25.01.08: 2 »Warum Glos nach Wiesbaden schaut« FAZ 28.01.08: 3 »Ypsilantis Triumph ist Becks Stärkung« Der Spiegel 04/08: 22-26 »Die Schlacht am Main« SPON 02.01.08 »Jugendgewalt. Neue Prügelfälle heizen Debatte an – Koch startet Kampagne« SPON 09.01.08 »Neue Hessen-Umfrage. Ypsilanti zieht mit Koch gleich – knappe Mehrheit für Schwarz-Gelb« SPON 17.01.08 »Landtagswahl in Hessen. Der Ypsilanti-Faktor – links, weich, weiblich« SPON 17.01.08a »Umfrage zur Landtagswahl. Hessens CDU stürzt ab – Ypsilanti vor Koch« SPON 19.01.08 »Attacke gegen Ypsilanti. Clement fällt Hessen-SPD in den Rücken« SPON 20.01.08 »TV-Duell in Hessen. Koch attackiert, Ypsilanti charmiert« SPON 20.01.08a »TV-Duell mit Ypsilanti. 90 Minuten Selbstbeherrschung« SPON 24.01.08 »Wolfgang Clement bei Plasberg. Ich, ich, ich« SPON 27.01.08 »Wahlkrimi in Hessen. Ypsilanti feiert – Koch gibt die Hoffnung nicht auf« SPON 27.01.08a »Andrea Ypsilanti. Der Erfolg der Unterschätzten« SZ 02.01.08: 6 »Koch sucht Sündenböcke für verfehlte Politik« SZ 03.01.08: 3 »So weit Parolen tragen« SZ 07.01.08: 6 »Attacken aus der Hessen-SPD« SZ 17.01.08: 3 »Rot in Not« SZ 21.01.08: 1 »Struck regt Parteiausschluss von Clement an« SZ 21.01.08: 3 »Die Pflicht zum Sieg« SZ 22.01.08: 6 »Beck: Wir haben den Fall Clement abgeheftet« SZ 25.01.08: 3 »Vorwärts auf der Achse des Guten« SZ 26.01.08: 4 »Angst wählt links« SZ 28.01.08: 2 »Die große Grube im Herzen«

275

276

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Hannelore Kraft 2010 Bild BU 10.05.10: 3 »Hannelore Kraft hat’s allen gezeigt!« Bild D 12.04.10: 9 »Parteien starten in die heiße Phase des NRW-Wahlkampfes! Musik, Stars, Konfetti-Regen, Reden« Bild D 14.04.10: 5 »Opels Zukunft muss bis zur NRW-Wahl klar sein« Bild D 16.04.10: 6 »Krafts Neue kommt aus der Moschee« Bild D 21.04.10: 5 »Wahlposse 1. Schneider lädt noch als DGB-Chef ein« Bild D 24.04.10: 6 »66 Prozent trauen dem ›Nein‹ der SPD zu Rot-Rot nicht« Bild D 24.04.10: 6a »Wahlkampf hautnah Frau Kraft« Bild D 27.04.10: 5 »Bei der Linkspartei kam Kraft ins Straucheln« Bild D 28.04.10: 5 »SPD-Chefin hat schon wieder einen Neuen« Bild D 29.04.10: 6 »Löhrmann siegte in Gift-Debatte« FAZ 17.04.10: 4 »Semantik im Wahlkampf. Rätselraten über ein ›Nein‹ von SPDSpitzenkandidatin Kraft« FAZ 20.04.10: 4 »Rot-grüne Revival Band« FAZ 03.05.10: 4 »SPD diskutiert über Krafts Kurs« FAZ 06.05.10: 3 »Strukturwandel einer Kandidatin« FAZ 10.05.10: 3 »Großer Abstand bei fast gleichem Ergebnis« Der Spiegel 16/10: 34-36 »Bruder Jürgen« SPON 18.04.10 »NRW-Wahl. Westerwelle will ›zehn Prozent plus X‹ erreichen« SPON 19.04.10 »NRW-Wahl. Sigmar Gabriel trifft Sigmund Freud« SPON 22.04.10 »Wahlkampf in NRW. SPD umwirbt Migranten« SPON 25.04.10 »SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft. Ärger mit dem Personal« SPON 27.04.10 »TV-Debatte im NRW-Wahlkampf. Kraft und Rüttgers schonen sich im Watte-Duell« SPON 29.04.10 »Blogger im NRW-Wahlkampf. ›Voll auf die Omme‹« SPON 04.05.10 »SPD-Kandidatin Kraft. Die Anti-Ypsilanti« SPON 04.05.10a »Rüttgers in Not. Der Wackelkandidat« SPON 07.05.10 »Machtoptionen für NRW. Traumpaar, Dreier, Horror-Hochzeit« SPON 09.05.10 »Niederlage für Schwarz-Gelb. Kraft-Akt lässt Genossen träumen« SZ 12.04.10: 6 »Rüttgers will Garant für soziale Union sein« SZ 17.04.10: 6 »Verbrämtes Wenn und Aber« SZ 20.04.10: 5 »Liebesheiraten ausgeschlossen« SZ 22.04.10: 3 »Unterste Schublade« SZ 28.04.10: 4 »Alles andere als ein Straßenfeger« SZ 28.04.10: 6 »Höfliche Selbstgespräche« SZ 28.04.10: 6a »Nachholbedarf bei der Bildung« SZ 30.04.10: 8 »Die Frau in der Schlangengrube« SZ 06.05.10: 6 »Gratis studieren« SZ 10.05.10: 2 »Letztes Schaulaufen an der Urne«

Textkorpus

Hannelore Kraft 2012 Bild BU 14.05.12: 1-2 »NRW-Wahl. Kraft siegt! Röttgen weg!« Bild D 13.04.12: 5 »Kraft attackiert Röttgen mit 6000 Fliegern« Bild D 14.04.12: 6 »SPD lässt Grünen-Plakate einstampfen« Bild D 17.04.12: 5 »Internet-Nutzer lästern über Kraft-Plakate« Bild D 20.04.12: 5 »Gähn-Wahlkampf! Aber warum ist die SPD nervös?« Bild D 30.04.12: 6 »So läuft das TV-Duell Kraft vs. Röttgen« Bild D 02.05.12: 4 »Röttgen im Angriffsmodus – Kraft mit Sympathiepunkten« Bild D 02.05.12: 4a »Jetzt kämpft Clement gegen Kraft« Bild D 07.05.12: 7 »So will NRW am Sonntag wählen« Bild D 10.05.12: 4 »Begünstigt SPD jetzt die Anti-Rüttgers-Blogger?« Bild D 14.05.12: 2 »Landesmutter Kraft hat’s allen gezeigt« FAZ 17.04.12: 4 »Kommse vonne Schicht, wat Schönret gibt et nich« FAZ 24.04.12: 6 »Woher die Energie nehmen?« FAZ 30.04.12: 4 »Prozess der Enthartzung« FAZ 02.05.12: 4 »Die Entdeckung der Themen« FAZ 02.05.12: 8 »Nach zwanzig Monaten« FAZ 10.05.12: 3 »Im Wahlkampfzug nach Nirgendwo« FAZ 11.05.12: 3 »Hömma, ich krieg dat schon hin« FAZ 14.05.12: 1 »SPD triumphiert in NRW – Debakel für CDU« FAZ 14.05.12: 3 »Im Rausch der Balkendiagramme« FAZ 14.05.12: 10 »Triumphatorin« Der Spiegel 16/12: 18 »Sprechblase geplatzt« Der Spiegel 18/12: 28-31 »Bei Muttern« Der Spiegel 19/12: 28-30 »Mucksmäuschenstill« SPON 19.04.12 »Nordrhein-Westfalen. Der Wahlkrampf« SPON 22.04.12 »NRW-Landtagswahl. SPD und Grüne büßen in Umfrage leicht ein« SPON 30.04.12 »TV-Duell in NRW. Qualen mit Zahlen« SPON 04.05.12 »SPD-Frau Kraft im Wahlkampf. Hannelore Rau« SPON 09.05.12 »Röttgen im NRW-Wahlkampf. Der Patzer« SPON 13.05.12 »NRW-Wahl. Krafts Werk und Röttgens Beitrag« SPON 13.05.12a »Minutenprotokoll. So lief der Wahlabend in NRW« SPON 13.05.12b »Landtagswahl. SPD und Grüne siegen in NRW – Debakel für CDU – FDP jubelt« SPON 13.05.12c »Kommentar. Das rot-grüne Sommermärchen« SPON 13.05.12d »NRW-Wahl. Landesmutter bezwingt Exil-Berliner« SZ 16.04.12: 6 »Stimmen für die Partnerin« SZ 21.04.12: V2-3 »Hi, bin drin, echt!« SZ 25.04.12: 6 »Die SPD-Troika als Wahlkämpfer« SZ 25.04.12: 6a »Mensch, Hannelore« SZ 26.04.12: 4 »Bernhard von Grünberg. Kümmerer der SPD und Gegner von Norbert Röttgen«

277

278

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

SZ 30.04.12: 4 »Gesagt, aber nicht gemeint« SZ 30.04.12: 7 »Kita-Zwang« SZ 02.05.12: 5 »Giganten der Details« SZ 11.05.12: 6 »Muttertage« SZ 12.05.12: 2 »Damenwahl« SZ 14.05.12: 1 »Debakel für die CDU, Sieg für die SPD«

KOALITIONSVERHANDLUNGEN

UND

R EGIERUNGSBILDUNG

Heide Simonis 2005 Bild BU 28.04.05: 2 »Was geht in dieser Frau vor?« Bild HH 18.03.05: 2-3 »Welcher Abgeordnete stürzte Heide Simonis?« Bild HH 19.03.05: 2 »Heide Simonis: Der bittere Abgang« FAZ 02.03.05: 4 »SPD, Grüne und SSW haben nicht viel zu verhandeln« FAZ 12.03.05: 1 »Rot-Grün und SSW einig in Kiel. Schleswig-Holstein wird skandinavisch« FAZ 19.03.05: 3 »Die Folgen dieser ehrlosen Schweinerei...« FAZ 19.03.05: 3a »Und weiß nicht, warum« FAZ 28.04.05: 3 »Nun muß Carstensen nur noch regieren« Der Spiegel 12/05: 38-42 »Patt am Watt« SPON 17.03.05 »Simonis’ Debakel: Demontage einer Landesmutter« SPON 18.03.05 »Simonis-Abgang: Nord-SPD in der Schockstarre« SPON 18.03.05a »Polit-Debakel in Schleswig-Holstein: Jagd auf den Verräter« SPON 12.04.05 »Schleswig-Holstein: Simonis führt ihr Scheitern auf männliche Intrige zurück« SPON 23.04.05 »Simonis’ Abschied: ›Ich bleibe bei euch‹« SZ 02.03.05: 6 »Showdown zweier Dickköpfe« SZ 18.03.05: 3 »Torpedos von einem unbekannten U-Boot« SZ 18.03.05: 4 »Demontiert, blamiert, blanchiert« SZ 19.03.05: 2 »Absturz aus den Hitlisten« SZ 25.04.05: 3 »Heides Himmelfahrt dauert acht Minuten«

Andrea Ypsilanti 2008 Bild BU 05.03.08: 1-2 »Also doch! Ypsilanti macht’s mit den Linken« Bild BU 08.03.08: 1-2 »Ypsilanti gibt auf! Stürzt Beck? Bild BU 12.08.08: 2 »Operation Wortbruch! Wie Frau Tricksilanti mit Kabinettsposten auf Stimmenfang geht« Bild BU 29.10.08: 2 »Ypsilantis Geisterfahrt« Bild BU 04.11.08: 2 »Gegen Männer gesiegt, an Frauen gescheitert«

Textkorpus

FAZ 05.03.08: 1 »Ypsilanti bereit zur Wahl durch Linkspartei« FAZ 31.03.08: 2 »Mut machen für den nächsten Anlauf« FAZ 02.08.08: 1 »Ypsilantis doppeltes Risiko« FAZ 06.10.08: 3 »Hessischer Herbstspaziergang« FAZ 05.11.08: 1 »Kochs Schutzpatronin« Der Spiegel 10/08: 22-38 »Schmerzhaftes Vorspiel« Der Spiegel 12/08: 30f »Es wird richtig schmutzig« Der Spiegel 36/08: 30-35 »Die Seelsorgerin« Der Spiegel 45/08: 40-42 »Wolkiges vom Sonnenpapst« SPON 04.03.08 »Ypsilanti bei Beckmann: Machtanspruch in der dritten Person« SPON 29.03.08 »Landesparteitag: Hessen-SPD folgt Ypsilantis Linkspartei-Kurs« SPON 02.09.08 »Kommentar: Das Pauli-Ypsilanti-Phänomen« SPON 04.10.08 »Ypsilantis Koalitionspläne: Hessens SPD macht Weg frei für RotRot-Grün« SPON 03.11.08 »Ypsilantis Koalitionsdebakel: Aus der Linkskurve geflogen« SZ 05.03.08: 1 »Ypsilanti will mit Hilfe der Linken an die Macht« SZ 31.03.08: 3 »Und erlöse uns von den Bösen« SZ 30.08.08: 7 »Die Mission zur Macht« SZ 24.10.08: 4 »Hessischer Dickschädel« SZ 04.11.08: 4 »Kehraus im Tollhaus«

Hannelore Kraft 2010 Bild BU 11.05.10: 2 »Liebe Hannelore Kraft,« Bild BU 21.05.10: 2 »Entscheidung der Vernunft« Bild BU 28.05.10: 2 »Machen CDU-Rüttgers und SPD-Kraft halbe-halbe?« Bild BU 18.06.10: 2 »Der Kraft-Pakt« Bild BU 13.07.10: 2 »Wird sie die Merkel der SPD?« FAZ 21.05.10: 1 »Um Kopf und Kragen« FAZ 12.06.10: 1 »Verantwortungslos« FAZ 14.06.10: 3 »Rüttgers hofft auf Spielräume in der Verfassung« FAZ 17.06.10: 3 »Planlos in Düsseldorf« FAZ 15.07.10: 3 »Weder Heide-Mörder noch Ypsilanti-Falle« Spiegel 20/10: 28-30 » Ein Kraft-Akt« Spiegel 24/10: 34-36 »Fröhliche Beerdigung« SPON 11.05.10 »SPD in NRW: Kraft kämpft gegen den Hessen-Fluch« SPON 23.05.10 »Koalitionspoker in NRW: Kraft droht CDU mit Neuwahlen« SPON 17.06.10 »Minderheitsregierung in NRW: Kraft setzt voll auf Risiko« SPON 19.06.10 »Minderheitsregierung: Kraft wirbt für Ab-und-zu-Ampel in NRW« SPON 14.07.10 »NRW-Regierungschefin Kraft: Ministerpräsidentin mit Makel« SZ 12.06.10: 8 »Alles auf Anfang« SZ 16.06.10: 4 »Krafts politische Pubertät«

279

280

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

SZ 18.06.10: 2 »Angekommen am Anfang« SZ 05.07.10: 2 »Die Trümmerfrau der SPD« SZ 15.07.10: 2 »Wo Optimismus regiert«

12. Anhang

12.1 Ü BERBLICK : P ERSONEN , T ERMINE , Z EITRÄUME Kandidatin Land

Datum

Gegenkandidat

Wahlkampfauftakt*

Hannelore NRW Kraft

13.05.12 09.05.10

Norbert Röttgen Jürgen Rüttgers

SPD 10.04.12 SPD 10.04.10

27.01.08

Roland Koch

SPD 02.01.08

Andrea Ypsilanti

Hessen

Ute Vogt

Baden26.03.06 Württemberg 25.03.01

Günther Oettinger Erwin Teufel

SPD 04.02.06 SPD 10.02.01

Heide Simonis

SchleswigHolstein

SPD 07.01.05

27.02.00 24.03.96

Peter-Harry Carstensen Volker Rühe Ottfried Hennig

20.02.05

SPD 10.01.00 (CDU 13.01.96)

Ingrid Stahmer

Berlin

22.10.95

Eberhard Diepgen

SPD 19.08.95

Renate Schmidt

Bayern

13.09.98 25.09.94

Edmund Stoiber Edmund Stoiber

(CDU 27.06.98) SPD 22.07.94

* Soweit der SPD-Termin nicht ermittelt werden konnte, wurde der CDU-Termin herangezogen.

282

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

12.2 M EDIENAUSWAHL 1 Medium

Journlist_ innen2

Relevanz 1

Zitierhäu- Gesamtbe- MdBs5 Verkaufte Pressesprefigkeit3 völkerung4 Auflage6 cher_innen7 2

3

4

5

6

Überregionale Tageszeitungen Bild

1,4 %

≈ 900

14,3 %

19 %

3.115.077 27 %

SZ

30,3 %

> 400

1,8 %

52 %

438.936

52 %

FAZ

38,3 %

≈ 300 (4)

1,6 %

55 %

365.939

69 %

Welt

7,9 %

≈ 300

1,0 %

36 %

212.146

39 %

FR

7,3 %

38 %

136.714

35%

taz

23 %

Nicht unter 0,6 % den ersten zehn

56.572

Wochenzeitungen und -zeitschriften Spiegel

38,7 %

>1.200

9,1 %

66 %

984.876

72 %

Stern

3,8 %

< 400

12,1 %

33 %

884.442

25 %

Focus

5,6 %

> 400

6,6 %

52 %

576.268

45 %

Zeit

15,4 %

3,1 %

20 %

502.418

47 %

Spiegel online

Fast 96 % (2006)8

Legende:

Platz 1

1279

907,6 Mio. Impressions; 139,6 Mio. Visits10 Platz 2

Platz 3

(Stichtag: 08.07.2010)

1 | Herangezogen wurden jeweils die letztverfügbaren Daten. Einige Angaben wurden im Rahmen von Untersuchungen nur einmal erhoben (FN 5, 7 und 9). Andere Daten sind kostenpflichtig und teuer. Daher konnte nur auf ältere Ausgaben zugegriffen werden (FN 3, 4, 8 und 10). Die unterschiedlichen Erhebungszeitpunkte schränken zwar die Vergleichbarkeit der Kriterien ein. Dennoch zeigt sich ein klares Bild. 2 | Der Journalist 2008: 16. 3 | Media-Tenor (2007a); Basis: 16.187 Zitate in 39 deutschen Meinungsführer-Medien. 4 | AWA 2009. 5 | Peter 1998. 6 | IVW 2010a. 7 | Reinemann 2003; (… nutzen (fast) täglich/wöchentlich). 8 | Netzwerk Recherche (2006). 9 | Media-Tenor (2007b); Basis 30.454 Zitate in 39 Medien. 10 | IVW 2010b; Page-Impresssions: Abruf einer ganzen Seite; Visits zählen nur »Neubesuche« nach einer bestimmten Zeit; ivw arbeitet mit einer Frist von 30 Minuten.

Anhang

12.3 DATENERHEBUNG W AHLKAMPF Kandidatin Hannelore Kraft, NRW 2012 10.04. – 14.05.2012

Hannelore Kraft, NRW 2010 10.04. – 10.05.2010

Andrea Ypsilanti, Hessen 2008 02.01. – 28.01.2008

Ute Vogt, BadenWürttemberg 2006 04.02. – 27.03.2006

Ute Vogt, BadenWürttemberg 2001 10.02. – 26.03.2001

UND

W AHLERGEBNIS

Medium Bild Bund Bild Düsseldorf FAZ Spiegel Spiegel online SZ

Quelle Springer Infopool online Springer Infopool online FAZ-Datenbank UB Ffm* Spiegel-online-Archiv Spiegel-online-Archiv SZ-Datenbank UB Ffm

Abrufdatum 18.10.2013 18.10.2013 08.10.2013 18.10.2013 05.06.2012 04.12.2012

Bild Bund Bild Düsseldorf FAZ Spiegel Spiegel online SZ

Springer Infopool online Springer Infopool FAZ-Datenbank UB Ffm Spiegel-online-Archiv Spiegel-online-Archiv SZ-Datenbank UB Ffm

07.10.2011 23.01.2012 20.09.2011 06.06.2012 05.06.2012 20.09.2011

Bild Bund Bild Frankfurt FAZ Spiegel Spiegel online SZ

Springer Infopool online Springer Infopool FAZ-Datenbank UB Ffm Spiegel-online-Archiv Spiegel-online-Archiv SZ-Datenbank UB Ffm

27.10.2011 23./24.01.2012 18.01.2012 23.07.2013 17./18.01.2012 12.01.2012

Bild Bund Bild Stuttgart FAZ Spiegel Spiegel online SZ

Springer Infopool online Springer Infopool (Fotos)** FAZ-Datenbank UB Ffm Spiegel-online-Archiv Spiegel-online-Archiv SZ-Datenbank UB Ffm

22.12.2012 25.01.2012 18.01.2012 03.01.2012 17.01.2012 13.01.2012

Bild Bild Stuttgart FAZ Spiegel Spiegel online SZ

Springer Infopool online Springer Infopool (Fotos) FAZ-Datenbank UB Ffm Spiegel-online-Archiv Spiegel-online-Archiv SZ-Datenbank UB Ffm

22.12.2011 25.01.2012 18.01.2012 04.04.2012 17.01.2012 13.01.2012

283

284

Politikerinnen und ihr Griff zur Macht

Kandidatin

Medium

Quelle

Abrufdatum

Bild Bund

Springer Infopool online

22.12.2011

Springer Infopool online

22.12.2011

FAZ-Datenbank UB Ffm

18.01.2012

Spiegel-online-Archiv

03.01.2012

Spiegel-online-Archiv

17.01.2012

SZ-Datenbank UB Ffm

12.01.2012

Springer Infopool online

07.11.2011

Springer Infopool online

23.11.2011

FAZ-Datenbank UB Ffm

31.03.2011

Spiegel-online-Archiv

09.07.2013

Spiegel-online-Archiv

16.11.2011

SZ-Datenbank UB Ffm

31.03.2011

Bild Bund und Heide Simonis. Hamburg SchleswigFAZ Holstein 1996 13.01. – 25.03.1996 Spiegel SZ

FES*** per Fernleihe (Mikrofilm)****

30.01.13

FAZ-Datenbank UB Ffm

18.01.2012

Spiegel-online-Archiv

17.01.2011

SZ-Datenbank UB Ffm

12.01.2012

Ingrid Stahmer, Bild Bund und Berlin 1995 Berlin 19.08. – 23.10.1995

Springer Infopool (Fotos) 24.01.2012

Bild Bund Renate Schmidt, Bild München Bayern 1998 FAZ 27.06. – 14.09.1998 Spiegel

Springer Infopool online

Heide Simonis, Bild Hamburg SchleswigFAZ Holstein 2005 07.01. – 21.02.2005 Spiegel Spiegel online SZ Bild Bund Heide Simonis, Bild Hamburg SchleswigFAZ Holstein 2000 10.01. – 28.02.2000 Spiegel Spiegel online SZ

SZ Bild Bund und Renate Schmidt, München Bayern 1994 FAZ 22.07. – 26.09.1994 Spiegel SZ

22.12.2011

Springer Infopool (Fotos) 24./25.01.2012 FAZ-Datenbank UB Ffm

18.01.2012

Spiegel-online-Archiv

17.01.2012

SZ-Datenbank UB Ffm

13.01.2012

Springer Infopool (Fotos) 24./25.01.2012 FAZ-Datenbank UB Ffm

18.01.2012

Spiegel-online-Archiv

17.01.2012

SZ-Datenbank UB Ffm

13.01.2012

* Universitätsbibliothek Frankfurt/Main ** Digitale Fotos (jpg) können mit der verwendeten Software zur Inhaltsanalyse, MaxQDA, verarbeitet werden. *** Friedrich-Ebert-Stiftung **** Die Artikel wurden ausgedruckt und hinterher abgetippt.

Anhang

12.4 DATENERHEBUNG KOALITIONSVERHANDLUNGEN R EGIERUNGSBILDUNG Kandidatin Hannelore Kraft, NRW 2010, 11.05. – 15.07.10

Andrea Ypsilanti, Hessen 2008 21.02. – 05.11.08

Heide Simonis, SchleswigHolstein 2005 17.03. – 28.04.05

UND

Medium Bild Bund Spiegel online Spiegel FAZ SZ

Quelle Springer Infopool online Spiegel-online-Archiv Spiegel-online-Archiv FAZ-Datenbank UB Ffm* SZ-Datenbank UB Ffm

Abrufdatum 26.11.2013 03.08.2015 03.08.2015 04.08.2015 05.08.3015

Bild Bund Spiegel online Spiegel FAZ SZ

Springer Infopool online Spiegel-online-Archiv Spiegel-online-Archiv FAZ-Datenbank UB Ffm SZ-Datenbank UB Ffm

25.09.2013 03.08.2015 03.08.2015 04.08.2015 05.08.2015

Bild Hamburg Spiegel online Spiegel FAZ SZ

Springer Infopool online Spiegel-online-Archiv Spiegel-online-Archiv FAZ-Datenbank UB Ffm SZ-Datenbank UB Ffm

26.11.2013 03.08.2015 03.08.2015 04.08.2015 05.08.2015

285

Critical Studies in Media and Communication Elisabeth Klaus, Ricarda Drüeke (Hg.) Öffentlichkeiten und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse Theoretische Perspektiven und empirische Befunde April 2017, ca. 420 Seiten, kart., ca. 36,99 €, ISBN 978-3-8376-3049-7

Ricarda Drüeke, Susanne Kirchhoff, Thomas Steinmaurer, Martina Thiele (Hg.) Zwischen Gegebenem und Möglichem Kritische Perspektiven auf Medien und Kommunikation 2015, 352 Seiten, kart., 33,99 €, ISBN 978-3-8376-3112-8

Skadi Loist, Sigrid Kannengießer, Joan Kristin Bleicher (Hg.) Sexy Media? Gender/Queertheoretische Analysen in den Medien- und Kommunikationswissenschaften 2014, 230 Seiten, kart., zahlr. Abb., 28,99 €, ISBN 978-3-8376-1171-7

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

2016-09-20 13-58-12 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 0184440754876748|(S.

1-

3) ANZ3655.p 440754876756

Critical Studies in Media and Communication Florian Kreutzer Ausgänge aus der »Frauen-Falle«? Die Un-Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Bild-Text-Diskurs (unter Mitarbeit von Maren Albrecht) 2013, 272 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2471-7

Ricarda Drüeke Politische Kommunikationsräume im Internet Zum Verhältnis von Raum und Öffentlichkeit 2013, 308 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-2458-8

Tanja Maier, Martina Thiele, Christine Linke (Hg.) Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht in Bewegung Forschungsperspektiven der kommunikationsund medienwissenschaftlichen Geschlechterforschung 2012, 216 Seiten, kart., zahlr. Abb., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1917-1

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

2016-09-20 13-58-12 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 0184440754876748|(S.

1-

3) ANZ3655.p 440754876756

Critical Studies in Media and Communication Martina Thiele Medien und Stereotype Konturen eines Forschungsfeldes 2015, 504 Seiten, kart., 44,99 €, ISBN 978-3-8376-2724-4

Christine Horz Medien – Migration – Partizipation Eine Studie am Beispiel iranischer Fernsehproduktion im Offenen Kanal 2014, 484 Seiten, kart., zahlr. Abb., 44,99 €, ISBN 978-3-8376-2415-1

Margreth Lünenborg, Jutta Röser (Hg.) Ungleich mächtig Das Gendering von Führungspersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Medienkommunikation 2012, 272 Seiten, kart., zahlr. Abb., 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1692-7

Kathrin Friederike Müller Frauenzeitschriften aus der Sicht ihrer Leserinnen Die Rezeption von »Brigitte« im Kontext von Biografie, Alltag und Doing Gender 2010, 456 Seiten, kart., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1286-8

Julia Ahrens Going Online, Doing Gender Alltagspraktiken rund um das Internet in Deutschland und Australien 2009, 324 Seiten, kart., 33,80 €, ISBN 978-3-8376-1251-6

Margreth Lünenborg (Hg.) Politik auf dem Boulevard? Die Neuordnung der Geschlechter in der Politik der Mediengesellschaft 2009, 330 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-939-8

Margreth Lünenborg, Katharina Fritsche, Annika Bach Migrantinnen in den Medien Darstellungen in der Presse und ihre Rezeption 2011, 178 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 19,80 €, ISBN 978-3-8376-1730-6

Susanne Kirchhoff Krieg mit Metaphern Mediendiskurse über 9/11 und den »War on Terror« 2010, 356 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1139-7

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

2016-09-20 13-58-12 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 0184440754876748|(S.

1-

3) ANZ3655.p 440754876756