Perspektiven der Personalauswahl in den kommenden Jahren: Anforderungen an Personalauswahl und Personalentwicklung [1 ed.] 9783896446145, 9783896736147

Aufgrund der demografischen Entwicklung werden in Zukunft höhere Anforderungen an die Personalauswahl und Personalentwic

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Perspektiven der Personalauswahl in den kommenden Jahren: Anforderungen an Personalauswahl und Personalentwicklung [1 ed.]
 9783896446145, 9783896736147

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Norbert Schäfer

Perspektiven der Personalauswahl in den kommenden Jahren Anforderungen an Personalauswahl und Personalentwicklung

Verlag Wissenschaft & Praxis

Norbert Schäfer

Perspektiven der Personalauswahl in den kommenden Jahren Anforderungen an Personalauswahl und Personalentwicklung

Verlag Wissenschaft & Praxis

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Vorwort Das vorliegende Buch soll die Möglichkeiten und Herausforderungen der Personalauswahl und Personalentwicklung in den kommenden Jahren aufzeigen. Hierfür wurde das Kapitel „Personalauswahl“ aus meinem Buch „Organisationspsychologie für die Praxis“, (3. Auflage; SCHÄFER, 2010) als Grundlage genutzt und ist erheblich erweitert worden. Die geringer werdende Zahl von Personen im erwerbsfähigen Alter wird nicht nur die Wirtschaft vor große Probleme stellen. Auch und gerade diejenigen, die sich mit der Personalauswahl und der Personalentwicklung beschäftigen, müssen die bewährten Instrumente und Entscheidungsprozedere überprüfen und weiterentwickeln. Gerade dann, wenn die Zahl geeigneter Personen für viele Positionen und Stellen rückläufig ist, muss dafür Sorge getragen werden, dass die Stellen mit den bestgeeigneten Personen besetzt werden. Hierzu soll dieses Buch einen Beitrag leisten. Für Anregungen und Diskussionsbeiträge bin ich den Lesern dankbar.

Schöneck, im November 2011

5

Inhalt 1.

Perspektiven der Personalauswahl in den nächsten Jahren............. 11

2.

Personalentwicklung ...................................................................... 14

1.1

Zum Begriff Personalentwicklung.................................................... 15

1.2

Gründe für Personalentwicklung ..................................................... 16

1.3

Methoden der Personalentwicklung ................................................ 17 1.3.1 Entwicklung der Karriere....................................................... 17 1.3.2 Bewertung der Arbeitsleistung .............................................. 18 1.3.3 Training................................................................................ 18

1.4

Talent Management ........................................................................ 19 1.4.1 Grundprinzipien des Talent Managements ............................ 19 1.4.2 Instrumente des Talent Managements ................................... 20 1.4.3 Rahmenbedingungen des Talent Managements..................... 20 1.4.4 Wechsel der Laufbahn (Aufstieg)........................................... 22

3.

Personalrekrutierung...................................................................... 25

3.1

Strukturierte Personalauswahl ......................................................... 26 3.1.1 Anforderungen an Stellenbewerber ....................................... 26 3.1.2 Die Umsetzung des Anforderungsprofils in den Auswahlprozess.................................................................... 27 3.1.3 Personalbeschaffung ............................................................. 29

3.2

Personalauswahl gemäß DIN 33430 ............................................... 30 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4

3.3

Anwendungsbereich der DIN-Norm ..................................... 31 Begriffe................................................................................. 31 Eignung ................................................................................ 33 Eignungsbeurteilung ............................................................. 34

Eignungsdiagnostische Verfahren .................................................... 36 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6

Das Interview ....................................................................... 36 Assessment-Center................................................................ 42 Psychologische Tests ............................................................ 52 Arbeitsproben und ähnliche Verfahren.................................. 56 Biografische Fragebögen ....................................................... 58 Berufsbezogene Persönlichkeitsfragebögen ........................... 60 7

3.4

Planung, Durchführung und Auswertung ........................................ 63 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5

Anforderungsanalyse ............................................................ 63 Informationen über den Arbeitsplatz ..................................... 63 Vorauswahl .......................................................................... 64 Untersuchungssituation ........................................................ 64 Gesetzliche Vorgaben........................................................... 65

3.5

Planung, Durchführung und Dokumentation................................... 66

3.6

Auswertung, Interpretation, Urteilsbildung ...................................... 67

3.7

Qualitätskriterien und -standards..................................................... 67 3.7.1 Verantwortlichkeiten beim Vorgehen.................................... 67 3.7.2 Qualitätskriterien der eingesetzten Verfahren ........................ 68 3.7.3 Qualifikationsanforderungen an die Durchführenden............ 68

4.

Superleadership.............................................................................. 70

5.

Psychologische Analyseverfahren für Führungskräfte..................... 71

6.

Outplacement ................................................................................ 72

7.

Anonymisierte Bewerbung ............................................................. 74

8.

Fazit ............................................................................................... 76

9.

Exemplarische Darstellung von Auswahlverfahren ......................... 77

9.1

Auswahl von Personen für anschließende Bildungsgänge ............... 77 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5 9.1.6

9.2

Einführung eines Studierfähigkeitstests .................................. 78 Fortentwicklung der Testbatterie ........................................... 82 Validierung des Verfahrens ................................................... 82 Qualitätserwartungen an Testverfahren ................................. 83 Ergänzung des Verfahrens..................................................... 83 Resümee............................................................................... 88

Auswahl von Personen auf Sachbearbeiterebene ............................. 89 9.2.1 Vorgehensweise ................................................................... 89 9.2.2 Ablauf eines Multiphaseninterviews...................................... 91 9.2.3 Darstellung der Ergebnisse des Auswahlverfahrens................ 94

9.3

Auswahl von Personen mit Führungsverantwortung ........................ 96 9.3.1 Ablauf des Einzel-ACs........................................................... 96 9.3.2 Entscheidungsfindung ........................................................... 99

8

10.

Ausgewählte eignungsdiagnostische Verfahren für die Auswahl von Führungskräften ...................................................... 100

10.1 Test zur Entscheidungsfreudigkeit ................................................. 100 10.1.1 Konzept des Tests............................................................. 100 10.1.2 Vorgehensweise ............................................................... 101 10.1.3 Gütekriterien/Schlussfolgerungen ..................................... 101 10.2 WATSON-GLASER: „Critical Thinking Appraisal“(WGCTA) .......... 102 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.2.6

Konzept............................................................................ 102 Testaufbau........................................................................ 103 Besonderheiten des WGCTA ............................................ 103 Durchführung................................................................... 103 Gütekriterien .................................................................... 104 Schlussfolgerungen........................................................... 104

10.3 RANRA (Rust Advanced Numerical Reasoning Appraisal).............. 104 10.3.1 Konzept............................................................................ 105 10.3.2 Testaufbau und Durchführung .......................................... 105 10.3.3 Gütekriterien .................................................................... 105 10.4 DWP (Dimensionen und Werte der Persönlichkeit)....................... 106 10.4.1 10.4.2 10.4.3 10.4.4

Konzept............................................................................ 106 Testaufbau und Durchführung .......................................... 106 Interpretation.................................................................... 107 Gütekriterien .................................................................... 107

10.5 Q-Sort Appraisal ........................................................................... 108 10.5.1 Testart .............................................................................. 108 10.5.2 Vorgehensweise ............................................................... 109 10.5.3 Interpretation.................................................................... 111 10.5.4 Verfälschbarkeit................................................................ 112 10.5.5 Gütekriterien .................................................................... 112 10.5.6 Schlussfolgerungen........................................................... 113 10.6 Zusammenstellung der Testverfahren zu einer Testbatterie in der Praxis.................................................................................. 113 11.

Literatur ....................................................................................... 115

9

1. Perspektiven der Personalauswahl in den nächsten Jahren Aufgrund der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren ist damit zu rechnen, dass sich die Personalauswahl neuen Bedingungen stellen muss. Die Zahl der Bewerber für zu besetzende Stellen wird rückläufig sein. Perfekt geeignete Bewerber – wenn es diese jemals gegeben haben sollte – werden nur noch äußerst selten zur Verfügung stehen. Eine freie Stelle unter diesen Bedingungen nicht zu besetzen, kann keine vernünftige Alternative sein. Die folgenden Abbildungen vom Statistischen Bundesamt zeigen Aspekte dieser Entwicklung.

Abb. 1: Schulabschlüsse von Absolventen/Abgängern aus allgemein bildenden Schulen 2007

11

Abbildung 1 zeigt Schulabschlüsse von Absolventen allgemeinbildender Schulen im Jahr 2007. Es wird deutlich, dass Frauen und Mädchen im Durchschnitt über höher qualifizierte Abschlüsse verfügen als Männer und Jungen. Sollte sich an den Berufspräferenzen bei weiblichen Schulabgängern nichts ändern, wird es sehr bald zu strukturellen Problemen bei Besetzungen von Ausbildungsplätzen und Studienplätzen kommen. So wird bereits heute allgemein beklagt, dass zu wenige Schulabgänger ein Ingenieurstudium aufnehmen. Allein diese Veränderung wird zu Konsequenzen bei der Personalauswahl – von bildungspolitischen Konsequenzen abgesehen – führen müssen. Darüber hinaus muss zudem ein deutlicher Bevölkerungsrückgang verkraftet werden. Für Stellenangebote stehen nicht genügend Stellensuchende zur Verfügung. Die Dramatik dieser Situation macht Abbildung 2 deutlich.

Abb. 2: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen

Die Abbildung zeigt, dass die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter in den kommenden Jahrzehnten stetig abnehmen wird. Diese Zahl sinkt sowohl absolut (aufgrund der sinkenden Bevölkerungszahl), als auch relativ (aufgrund des abnehmenden Anteils der Personen im erwerbsfähigen Alter). Es sei an dieser Stelle die Prognose gewagt, dass in den kommenden Jahren die Eignungsfeststellung in erster Linie dazu dienen wird, zu erfassen, wel12

che spezifischen Fertigkeiten Personen unmittelbar nach ihrer Einstellung vermittelt werden müssen, damit sie den Anforderungen einer Stelle ausreichend gerecht werden können. Intensive Einarbeitungsphasen werden in der Zukunft an der Tagesordnung sein. Damit kommt der Personalentwicklung ein besonderer Stellenwert zu.

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2. Personalentwicklung Eine mögliche Definition für den Begriff Organisationsentwicklung (OE) wird gemäß dem Handbuch für Führungstechnik und Organisation (Hrsg. von Franz, O., Stand v. 15.09.1994) folgendermaßen beschrieben: „Im Ansatz der OE wird nicht versucht, eine Struktur analytisch zu entwickeln und vorzugeben, sondern die Mitarbeiter in der Organisation selbst in die Lage zu versetzen, ihre Probleme zu erkennen und organisatorische Regelungen zu schaffen, die den Leistungserfordernissen der Unternehmung und den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter angemessen sind.“ Das bedeutet, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aufgefordert werden, diese Bedingungen selbst zu erkennen und zu entwickeln. Die Wege dorthin sind vielfältig und werden unterschiedlich diskutiert. An dieser Einschätzung hat sich in den letzten 15 Jahren wenig geändert. Um nur einige Möglichkeiten zu nennen: • Traditionell arbeiten sog. encounter groups (Begegnungsgruppen) der Mitarbeiter/innen auf dieses Ziel hin. • In Qualitätszirkeln sollen die Mitarbeiter/innen zusammenarbeiten, um die OE voranzubringen. • Es können Zielvereinbarungen zwischen der Verwaltungsspitze und den Bediensteten getroffen werden, die dazu führen, dass gemeinschaftlich Verbesserungen erreicht werden. • Im Rahmen des Total Quality Managements (TQM) werden Ziele gemeinsam definiert, deren Erreichungsgrad messbar wird. Schwachstellen in der Organisation lassen sich somit leicht erkennen und ggf. beheben. Allen diesen Ansätzen ist gemeinsam, dass dem einzelnen Mitarbeiter ein höheres Maß an Verantwortung für die Gesamtaufgabe zukommt als dies bisher der Fall war. Dies führt jedoch zu Konsequenzen, die berücksichtigt werden müssen: • Mehr Verantwortung bedeutet gleichzeitig höhere Anforderungen an Kenntnisse, Fertigkeiten und u. U. Fähigkeiten.

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• Es wird die Erwartung geäußert, dass mit zunehmender Verantwortung, auch die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation zunehmen werden, d. h. es wird implizit ein humanistischer Ansatz zur Arbeitsmotivation vertreten. Dabei wird zunächst unterstellt, dass die Mitarbeiter/innen • mehr Verantwortung übernehmen wollen; • fähig sind, mit diesem erhöhten Maß an Verantwortung umzugehen; • sich notwendige Zusatzqualifikationen durch übliche Fortbildungsveranstaltungen aneignen können. Zur Klärung dieser Sachverhalte ist es notwendig, neben der traditionellen Fortbildung weitere Möglichkeiten der Qualifizierung von Mitarbeitern/ -innen vorzusehen. Ein Sammelbegriff für diese Möglichkeiten lässt sich in dem Begriff „Personalentwicklung“ (PE) sehen.

1.1 Zum Begriff Personalentwicklung In einem weiten Sinne, der über eine enge Beschreibung der PE mit den Elementen • Berufsausbildung, • Umschulung, • Führungsbildung sowie • Fort- und Weiterbildung und der damit oftmals verbundenen mangelnden Systematik, der Angebotsorientierung und dem Auffüllen akut gewordener Qualifikationslücken hinausgeht, beinhaltet PE: • Bildung • Förderung • Nachfolge- und Laufbahnpläne • Einarbeitungspläne 15

• Leistungsbeurteilungen • Mitarbeiter/innengespräche • Coaching • Förderung des Führungsnachwuchses • Bedarfsanalyse von Bildung und Förderung • Erfolgskontrolle durchgeführter Maßnahmen

1.2 Gründe für Personalentwicklung Eine Zielbeschreibung sieht zunächst so aus, dass durch geeignete PE-Maßnahmen die Leistungen der Mitarbeiter/innen und deren Zusammenarbeit verbessert werden sollen. In der sog. Privatwirtschaft werden mit PE-Maßnahmen folgende Ziele verknüpft: • Das Unternehmen will effektiv und effizient bleiben. • Sehr gut qualifizierte Mitarbeiter/innen werden als „Investitionsgut“ von großer Wichtigkeit gesehen. • PE dient der Motivation, Leistungserhaltung und -steigerung von Mitarbeiter/innen. • Fluktuation soll vermindert werden. • Innerbetrieblicher Aufstieg soll verbessert bzw. ermöglicht werden. • Imageverbesserungen des Unternehmens in der Öffentlichkeit und gegenüber dem Personal. • Im Rahmen der PE wird das Personal mit der Unternehmenskultur bekannt gemacht; darüber hinaus ist die Etablierung von PE ein Indikator für die Güte der Unternehmenskultur. • Bei der Förderung des Führungskräftenachwuchses durch PE-Maßnahmen wird dieser mit den betrieblich definierten Schlüsselqualifikationen bekannt gemacht und auf diese gleichsam eingeschworen.

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Für die öffentliche Verwaltung sind darüber hinaus folgende Gründe für PE zu nennen: • Der Wandel der Verwaltung zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen erfordert besser gebildete und motivierte Mitarbeiter. • Schlechte Karrieremöglichkeiten und oftmals willkürlicher Einsatz von Mitarbeiter/innen führen zu mangelndem Engagement des Personals. • Bei den hoheitlichen Ordnungsaufgaben und gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen soll die Entwicklung in Richtung Bürgernähe gesteuert werden. • Das schlechte Image der öffentlichen Verwaltung lässt sich durch den Einsatz moderner Managementmethoden verbessern. • Das Schlagwort „Verwaltungsreform“ ist in aller Munde: eine Verwaltungsreform ist ohne gleichzeitige OE und PE nicht vorstellbar. Gründe für PE für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: • Für die individuelle Karriereplanung sind PE-Konzepte notwendige Voraussetzungen. • PE bietet Mitarbeitern/-innen die Möglichkeit zur systematischen beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung. • PE erfüllt den Anspruch von Mitarbeitern/-innen demokratisch an dem Arbeitsprozess mitzuwirken und diesen gestalten zu können. • Der individuelle Arbeitsplatz wird sicherer. • Die Mitarbeiter/innen sehen eher einen Sinn in ihrer Tätigkeit, da sie die Verknüpfungen mit anderen Belangen besser kennen.

1.3 Methoden der Personalentwicklung 1.3.1 Entwicklung der Karriere Entwicklung der Karriere hat Verbindungen zum Bereich „Entwicklung der MA“. Deshalb gelten alle Aussagen aus diesem Bereich uneingeschränkt auch hier.

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Schlüsselbegriffe in diesem Bereich sind: • Job rotation Job rotation bedeutet, dass jede/r MA verschiedene Aufgaben in der Organisation wahrnehmen sollte. Dies vergrößert die Kenntnisse und Fertigkeiten, erhöht die Arbeitszufriedenheit und stärkt das Commitment der MA. • Job enlargement Job enlargement bedeutet, dass die MA mehr Elemente/Tätigkeiten bei einer Aufgabe durchführen. Sie handeln als ihre eigenen Vorgesetzten (Stichwort: Abflachung der Hierarchien) • Job enrichment Job enrichment bedeutet den Wechsel einer Tätigkeit hin zu einer anspruchsvolleren/interessanteren Tätigkeit.

1.3.2 Bewertung der Arbeitsleistung Eine wichtige Grundlage für individuelle Karriereschritte der Mitarbeiter (MA) stellen regelmäßige Leistungsbewertungen dar. Auch regelmäßige MA-Gespräche bilden hierzu eine wichtige Grundlage. Ein wichtiger Grundsatz sollte hierbei sein, dass nur die MA, die um ihre Probleme wissen, diese langfristig beseitigen können. Wie diese Bewertungen aussehen, kann von Organisation zu Organisation verschieden sein. Wichtig ist, dass diese Bewertungen stattfinden. Die Bewertungen sind angemessen zu dokumentieren und zu besprechen.

1.3.3 Training Auf der Basis der Leistungsbewertungen sind individuelle Trainingsprogramme (im Sinne der Anpassungsfortbildung und Weiterbildung) zu entwickeln. Die Führungskraft hat Sorge zu tragen, dass diese Programme auch tatsächlich durchgeführt werden. Entsprechende Möglichkeiten für die MA sind zu eröffnen. Training „on the job“ ist die Basis für jede Art von Personal- und Karriereentwicklung. Personalauswahl, Training und Arbeitsplatzentwicklung gehen Hand in Hand. 18

1.4 Talent Management Zum „Talent Management“ zählen alle Instrumente der Personalarbeit, die dazu dienen, alle Positionen in einer Organisation langfristig zu besetzen. Es ist entscheidend für Organisationen, das Potenzial ihrer Mitarbeiter zu kennen, um zu entscheiden, ob ausreichend Potenzial in der Organisation vorhanden ist oder ob neues Personal rekrutiert werden muss. Damit geht das Talent Management über den traditionellen Ansatz der Personalentwicklung hinaus. Hierzu wurden verschieden Konzepte entwickelt, von denen ein Konzept (MICHAELS et al, 2001) ausführlicher dargestellt werden soll. Einer der Ausgangspunkte des Talent Managements stellt die demografische Situation dar, die zu einem größeren Wettbewerb um qualifizierte und talentierte Mitarbeiter führt. Darüber hinaus führt der Wandel der Anforderungen an die Mitarbeiter dazu, dass handwerkliche Fertigkeiten eine immer geringere Bedeutung erfahren – stattdessen werden qualifizierte Mitarbeiter mit hohen sozialen Kompetenzen immer wichtiger.

1.4.1 Grundprinzipien des Talent Managements Ein Mangel an qualifiziertem Personal in der eigenen Organisation und auf dem Arbeitsmarkt zwingt Unternehmen dazu, Mitarbeiter verstärkt aktiv zu gewinnen. Eine passiv ausgerichtete Personalgewinnungsstrategie wird in der Zukunft zunehmend versagen. Stattdessen müssen vermehrt Ansätze aus dem Marketing und dem Vertrieb von der Personalgewinnung übernommen werden. Prinzipiell haben Organisationen zwei Möglichkeiten, einen erkannten Mangel auszugleichen. Sie können versuchen, vorhandenes Personal langfristig zu entwickeln oder aktiv neues Personal einzustellen und an die Organisation zu binden. Talent Management beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Zielgruppe der Fach- und Führungskräfte und damit mit einer eher kleinen Gruppe von Mitarbeitern und Führungskräften.

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1.4.2 Instrumente des Talent Managements Kernaufgabe des Talent Managements ist es, intern und/oder extern geeignete talentierte Kandidaten oder Mitarbeiter zu diagnostizieren. Extern erfolgt dies durch geeignetes aktives Personalmarketing, intern erfolgt die Diagnose talentierter Mitarbeiter z. B. durch die Durchführung von 360°Feedback Systemen, die das Potenzial der Mitarbeiter untersuchen. Außerdem lassen sich aus den Ergebnissen konkrete Personalentwicklungsmaßnahmen ableiten, die zu einer Förderung dieser „High Potentials“ führen. Selbstverständlich müssen diese „High Potentials“ auch an anspruchsvolle Aufgaben herangeführt werden. Dies führt überdies zu einer verstärkten Bindung der Mitarbeiter. Als „High Potentials“ erkannte externe Personen werden durch eine zielgerichtete persönliche Ansprache langfristig an die Organisation herangeführt (Talent Relationship Management).

1.4.3 Rahmenbedingungen des Talent Managements Damit das Talent Management erfolgreich sein kann, müssen seitens der Organisation eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein. Hierzu gehören: • Die Führungskräfte sind die wichtigsten Träger des Talent Managements. Das Top-Management ist aufgefordert, die Ziele des Talent Managements mit den „Unternehmenszielen“ zu verknüpfen. • Beim Talent Management müssen Führungskräfte und der Personalbereich eng zusammenarbeiten. Die Führungskräfte sind für die Umsetzung des Talent Managements verantwortlich, während der Personalbereich Verantwortung dafür übernimmt, dass die Führungskräfte über die notwendigen Kompetenzen zur Übernahme ihrer Verantwortung verfügen. Außerdem koordiniert der Personalbereich das Talent Management. • Im Rahmen des Controllings lassen sich die Maßnahmen des Talent Managements durch geeignete Indikatoren in ihrer Qualität messen. • Talent Management muss, um funktionieren zu können, fest in der Unternehmenskultur verankert sein: Talent wird in den Mittelpunkt des Handeln gestellt.

20

Im BILDUNGSSPIEGEL war am 04.09.2009 folgender Beitrag zum Talent Management zu finden: Studie: Talent Management ist strategisch bedeutend, aber noch lange nicht Chefsache Personal- und Nachfolgeplanung stark verbesserungswürdig Talent Management ist ein aus Sicht der Unternehmensleitung strategisch bedeutender Wettbewerbsfaktor. Um das Potenzial jedoch optimal ausschöpfen zu können, müssen Geschäftsführung, Personal- und Linienmanagement sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung von TalentManagement-Maßnahmen eingebunden sein. Hier existieren in der Praxis allerdings erhebliche Diskrepanzen. Das zeigt eine Studie des Beratungsunternehmens Mercer, in deren Rahmen 106 Unternehmen aus Deutschland, Österreich sowie der deutschsprachigen Schweiz zu ihren Talent-Management-Strategien und deren Umsetzung befragt wurden. Nach Meinung von 81 Prozent der Befragten schätzen die Unternehmensleitungen den Beitrag des Talent Management für die Erreichung der Unternehmensziele hoch ein. 60 Prozent der Studienteilnehmer planen trotz der aktuellen ökonomischen Krise keine Einschnitte in diesem Bereich. Dennoch obliegt die Entwicklung und Umsetzung der Talent-ManagementStrategie in etwa 40 Prozent der Unternehmen allein der Personalabteilung. Erst in Unternehmen ab 80.000 Mitarbeitern weltweit sind dafür Personalund Linienmanagement gemeinsam verantwortlich. „Diese Diskrepanz zwischen strategischer Bedeutung und mangelnder Unterstützung durch das Top-Management bei der Entwicklung und Umsetzung ist alarmierend. Entscheidend ist, dass im Talent Management Unternehmensführung, HR und Linienmanagement idealerweise als gleichwertige Partner – von der Idee bis zur Umsetzung – zusammenarbeiten“, kommentiert Dr. Stephan Weinert. Verbesserungspotenzial bei der Bindung von Leistungs- und Potenzialträgern „Vor allem bei der Bindung von Leistungs- und Potenzialträgern besteht akuter Verbesserungsbedarf, ansonsten könnte auf Unternehmen eine Abwanderungswelle im Zuge des nächsten Aufschwungs zurollen“, ergänzt 21

Sassan Yussefi. Die beiden Human Capital-Berater und Autoren der Studie stellten in diesem Zusammenhang fest, dass die große Mehrheit der befragten Unternehmen (94 Prozent) bei der Bindung auf kurzfristige monetäre Anreize setzen. Karrierebezogene Maßnahmen wie beispielsweise die individuelle Laufbahnplanung werden hingegen nur in knapp über der Hälfte der Unternehmen (55 Prozent) genutzt. Die Umsetzung dieser setzt allerdings eine starke Zusammenarbeit mit dem Linienmanagement voraus. Hier sehen die Teilnehmer der Studie wiederholt den größten Verbesserungsbedarf. Personal- und Nachfolgeplanung stark verbesserungswürdig Auch bei der qualitativen Personal- und Nachfolgeplanung liegen Wunsch und Wirklichkeit noch weit auseinander. Insbesondere die Analyse der zukünftig notwendigen Fähigkeiten der Mitarbeiter kommt in 51 Prozent der befragten Unternehmen zu kurz. Die Nachfolgeplanung empfindet die Mehrheit der Studienteilnehmer (95 Prozent) als verbesserungswürdig. Dabei erhoffen sich 41 Prozent vom Einsatz neuer Methoden und 25 Prozent von leistungsfähigeren HR-Prozessen signifikante Verbesserungen. Quelle: URL: http://www.bildungsspiegel.de/index2.php?option=com_content&task=view&id=5808&Itemid =262&pop=1&page=0 vom 04.01.2010

1.4.4 Wechsel der Laufbahn (Aufstieg) In der öffentlichen Verwaltung ist der Laufbahnwechsel (Aufstieg) von einer Laufbahn in eine höhere Laufbahn eine sehr gute – aber zu selten genutzte – Form der Personalentwicklung. Der Laufbahnwechsel kann auf allen Hierarchieebenen stattfinden. In der Praxis sind der Aufstieg vom mittleren Dienst in den gehobenen Dienst und der Aufstieg vom gehobenen Dienst in den höheren Dienst gute Möglichkeiten der Personalentwicklung und dienen darüber hinaus der Attraktivitätssteigerung der Arbeitsplätze. In der letzten Zeit bekommt der Aufstieg vom gehobenen Dienst in den höheren Dienst eine größere Bedeutung und muss sinnvoll eingeleitet werden. Es sollte sichergestellt sein, dass die „Aufsteiger/innen“ das begonnene Projekt auch erfolgreich zum Abschluss bringen können – und dies bedeu22

tet vor allem, dass ein Studium an einer Hochschule für öffentliche Verwaltung (hier wird z. B. an den Hochschulen Ludwigsburg und Kehl ein entsprechender Master – Master of Public Management – angeboten) oder das Studium an einer anderen Hochschule erfolgreich zum Abschluss gebracht werden kann. Daneben ist es ebenfalls bedeutsam, wie die Alimentierung der Aufsteiger/innen während der Studienphase aussehen soll. Die Praxisphasen während des Studiums sollten sinnvollerweise beim Dienstherren absolviert werden. Der Autor hat selbst bereits verschiedene Aufstiegsverfahren in der Kommunalverwaltung konzipiert und verantwortlich durchgeführt: • Aufstieg vom mittleren Dienst der Innenverwaltung in den gehobenen Dienst der Innenverwaltung. • Aufstieg vom mittleren feuerwehrtechnischen Dienst in den gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst. • Aufstieg vom gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst in den höheren feuerwehrtechnischen Dienst. Im Laufe der Zeit hat sich dabei folgende Vorgehensweise bewährt: • Zunächst erfolgt eine anlassbezogene Beurteilung der Bewerber/innen, die Aussagen zur Eignung für die Tätigkeit im gehobenen Dienst zulässt. • Auch zeitlich frühere Beurteilungen sollten zu Rate gezogen werden, um Entwicklungen kenntlich zu machen. Die Beurteilungen müssen substanziell in die Entscheidung einfließen! • Die Bewerber/innen werden einem ausführlichen Assessment-Center unterzogen, das aus zuvor operationalisierten Teilaufgaben besteht. In der Vergangenheit hat sich insbesondere die Teilaufgabe „Postkorbübung“ bewährt. • Ein schriftlicher Teil des Auswahlverfahrens ist notwendig, um die sogenannte Studierfähigkeit zu ermitteln. Im Studium werden zum Teil andere Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigt, als in der Praxis. • In großen Organisationen (große Kommunen, Landratsämter, Regierungspräsidien, Ministerien) sollten alle Bewerber/innen gemeinsam an dem Auswahlprozess teilnehmen können, damit eine Vergleichbarkeit hergestellt werden kann. In kleinen Organisationen, in denen nur wenige Bewerber/innen vorhanden sind, sollte ein gemeinsames 23

Verfahren an einem zentralen Ort (z. B. Hochschulen für öffentliche Verwaltung) stattfinden. • Als Entscheidungsgremium sollten erfahrene Praktiker aus den Organisationen und erfahrene Hochschullehrer zusammenarbeiten, wobei die Majorität bei der Praxis angesiedelt werden soll. • Für Bewerber/innen, die zunächst das Verfahren nicht erfolgreich durchlaufen oder mit einer langen Wartezeit bis zum Beginn des Aufstiegs rechnen müssen, sollten entsprechende Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen angeboten werden. Die Veranstaltungen orientieren sich inhaltlich an den Erfordernissen der Praxis und den Erfordernissen des Studiums. • Jede/r Teilnehmer/in am Verfahren erhält eine ausführliche Rückmeldung (Feedback-Gespräch) über die erzielten Leistungen, einschließlich Hinweise zu erkannten Schwächen und Vorschläge zum Besuch entsprechender Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen. • Der Autor hat die Erfahrung gemacht, dass in einem Zeitraum von vier Wochen bis zu 20 Personen ein solches Verfahren durchlaufen können – einschließlich der individuellen Feedback-Gespräche.

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3. Personalrekrutierung Wenn es mit Maßnahmen der Personalentwicklung und Talent Managements nicht mehr gelingt, Arbeitsplätze in der Organisation mit geeigneten Personen zu besetzen, muss auf eine externe Rekrutierung zurückgegriffen werden. Dieses Vorgehen wird sich aber in den kommenden Jahren immer schwieriger gestalten. Wie bereits zu Beginn geschildert, wird es aufgrund der demografischen Entwicklung immer schwerer werden, auf dem Arbeitsmarkt geeignete Bewerber/innen zu finden. Die Attraktivität der angebotenen Arbeitsplätze wird hierbei eine große Rolle spielen! An dieser Stelle soll nicht näher auf die Attraktivität der Arbeitsplätze eingegangen werden – die sachgerechte Auswahl der am besten geeigneten Person soll hier im Mittelpunkt stehen. Es ist aber notwendig auf die Rahmenbedingung „Attraktivität des Arbeitsplatzes“ hinzuweisen. Die Personalrekrutierung kann sich nur an den nachfragenden Bewerbern/ -innen und deren Stärken und Schwächen orientieren. Es bleiben nach einer externen Ausschreibung eines Arbeitsplatzes wenige Optionen übrig: • Stelle besetzen. • Stelle bleibt unbesetzt – erneuter Rekrutierungsversuch. • Stelle bleibt unbesetzt – interne Weiterqualifikationen möglicher zukünftiger Stelleninhaber. • Ausgeschriebene Stelle bleibt unbesetzt – bestimmte Bewerber/innen erhalten Angebote für andere, offene Stellen (Personalplatzierung). • Stelle wird mit Nachwuchskräften besetzt – hierzu ist eine eigene Ausbildung notwendig. • Stelle bleibt auf Dauer unbesetzt – Stelle wird langfristig gestrichen. Mit Ausnahme der letzten Option muss die Personalauswahl sachgerecht, nach wissenschaftlichen Anforderungen und Qualitätskriterien erfolgen. Damit beschäftigen sich die nachfolgenden Kapitel. Ob eigene Nachwuchskräfte herangebildet werden, ist eine strategische Entscheidung der Organisation. 25

3.1 Strukturierte Personalauswahl Ausgangspunkt für den systematischen Abgleich von Stellenprofilen mit Bewerberprofilen, ist die Arbeitsplatzbeschreibung. Zunächst bilden in einem ersten Schritt die Informationen zu den Tätigkeitsmerkmalen und deren Gewichtung, organisatorische Einbindung des Arbeitsplatzes, Befugnisse, Über- und Unterstellungen, (Stellvertretung) usw. die Grundlage für das Anforderungsprofil, indem Tätigkeitsmerkmale und weitere Informationen in dafür notwendige Anforderungen transformiert werden. Hierbei sind unterschiedliche Systematiken möglich. An dieser Stelle sei exemplarisch eine Systematik dargestellt:

3.1.1 Anforderungen an Stellenbewerber Sachliche Anforderungen • Ausbildung, Studium oder Prüfung • Zusatzqualifikation, Weiterbildung • Erfahrung (zeitlich) in... Soziale Anforderungen • Kommunikative Fähigkeiten • Teamfähigkeit • Führungskompetenz • Konfliktfähigkeit • Motivations- und Integrationsfähigkeit • Anpassungsfähigkeit • Einfühlungsvermögen Persönliche Anforderungen • Alter • Geschlecht • evtl. weitere …

26

Nächster Schritt ist die Gewichtung der verschiedenen Anforderungen (Auswahlkriterien) und die Festlegung der Mindestvoraussetzungen. Dabei helfen wiederum die Angaben aus der Arbeitsplatzbeschreibung. Die Schwerpunkte werden durch die umfangreicheren Tätigkeitsmerkmale bestimmt. Fügt man jetzt die Kriterien (1. Schritt) und die Gewichtung (2. Schritt) zusammen, erhält man die Anforderungssystematik mit der der Abgleich von Stelle und Bewerber möglich wird. Die Umsetzung des Anforderungsprofils in den Auswahlprozess kann beginnen.

3.1.2 Die Umsetzung des Anforderungsprofils in den Auswahlprozess Nachdem das Anforderungsprofil entwickelt wurde kann damit begonnen werden, das eigentliche Personalauswahlverfahren durchzuführen. Vorgehensweise Festlegen, welche der durch das Anforderungsprofil ermittelten Fähigkeiten, Fertigkeiten oder formalen Qualifikationen in welcher Phase des Personalauswahlverfahrens berücksichtigt werden sollen. Nachdem das Verfahren abgeschlossen ist, sollte man zu jedem Aspekt des Anforderungsprofils Aussagen machen können. Der erste Schritt im Rahmen des Personalauswahlprozesses ist in der Regel die sogenannte Vorauswahl. Im Rahmen der Vorauswahl können formale Qualifikationen (Ausbildungsabschlüsse etc.) und Arbeits- bzw. Dienstzeugnisse berücksichtigt werden. Oftmals sprechen diese Unterlagen bereits einige Aspekte des Anforderungsprofils unmittelbar an. Es empfiehlt sich, der Vorauswahl große Bedeutung beizumessen, da diese eine unter Umständen große Bewerberzahl reduzieren muss (dies gilt natürlich in erster Linie dann, wenn sich als weiterer Auswahlschritt ein Interview als Auswahlmethode anschließt). In der Praxis kann man davon ausgehen, dass man für die Besetzung einer Stelle nicht mehr als ca. sechs Bewerber einzuladen braucht. Sollten nach Durchführung der Vorauswahl noch deutlich mehr Bewerber die Kriterien erfüllt haben, muss die Vorauswahl ergänzt werden.

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Abhilfe schafft hier die Verwendung anderer Auswahlmethoden, z. B. Testverfahren, Teile aus sogenannten Assessment-Center (AC) oder ein strukturiertes Interview. Das unten aufgeführte Beispiel soll die Verbindung zwischen dem Anforderungsprofil und dem Personalauswahlverfahren verdeutlichen. Jede Beurteilungsdimension entspricht einem Aspekt des Anforderungsprofils. Gleichzeitig wird deutlich, mit welcher Methode die jeweilige Dimension untersucht wird. Das Beispiel zeigt die Verknüpfung von Merkmalen des Anforderungsprofils mit den Beurteilungsdimensionen im Personalauswahlprozess: Beurteilungsbereich Grundlegende Faktoren

Beurteilungsbereich Vorauswahl

Beurteilungsbereich Gruppendiskussion

Beurteilungsbereich Gespräch

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Beurteilungsdimension Ausbildung Studium Zusatzqualifikationen Erfahrungen

Beurteilungsdimension Qualität der Bewerbungsunterlagen Arbeitszeugnisse Zusatzqualifikationen Alter Geschlecht

Beurteilungsdimension angepasstes Durchsetzungsvermögen Teamfähigkeit Kompromissfähigkeit Argumentationsfähigkeit Ausdrucksfähigkeit Kommunikationsfähigkeit

Beurteilungsdimension Soziale Kompetenz Kommunikationsfähigkeit Flexibilität Einfühlungsvermögen Aggressivität Einsatzbereitschaft Auffassungsgabe Entscheidungsfähigkeit Ausdrucksfähigkeit Urteilsfähigkeit

In diesem Beispiel kommen, neben der klassischen Vorauswahl (Beurteilungsbereich „Vorauswahl“) und dem Interview (Beurteilungsbereich „Gespräch“) auch eine Gruppendiskussion, also ein Element des AssessmentCenters (Beurteilungsbereich „Gruppendiskussion“) zum Einsatz. Zusätzlich werden die Beurteilungsdimensionen genannt, die aufgrund einer Anforderungsanalyse als bedeutsam für die Tätigkeit identifiziert wurden. Insgesamt werden 23 Beurteilungsdimensionen definiert. Teilweise liegen für diese Dimensionen objektive Daten vor (z. B. Zeugnisse, Prüfungsergebnisse), teilweise beruhen die Beurteilungen auf subjektiv gewonnenen Daten (z. B. Datengewinnung durch Beobachtung und Beurteilung). Die Beurteilungsdimensionen, deren Ausprägung aufgrund subjektiver Daten untersucht werden, werden sinnvoller Weise von einem Auswahlgremium und nicht nur von einer Person ermittelt. Hierfür muss im Rahmen der Erstellung des Anforderungsprofils definiert werden, wodurch die erwartete Ausprägung der jeweiligen Dimension charakterisiert ist. In einem weiteren Schritt kann die Wichtigkeit der Dimensionen für das Anforderungsprofil durch entsprechende Gewichtungsfaktoren berücksichtigt werden. In der Praxis haben sich Gewichtungen mit den Faktoren 1, 2 und 3 bewährt. Die vorgestellte Vorgehensweise kann durch ein einfaches EXCELProgramm vereinfacht und systematisiert werden. Dieses Excel-Programm kann beim Autor angefordert werden (www.norbertschäfer.de). Die Personalauswahl wird damit objektiver und transparenter.

3.1.3 Personalbeschaffung Es ist eine der wichtigsten Aufgaben für Führungskräfte, neue MA zu gewinnen. Diese Aufgabe ist nicht delegierbar. Personalbeschaffung soll in einem fairen, offenen und auf Eignungsmerkmalen beruhenden Prozess stattfinden. Auswahlentscheidungen müssen auf objektiven, tätigkeitsrelevanten Kriterien beruhen (DIN 33430). Personalauswahl Die Personalauswahl ist der wichtigste Teil des Personalbeschaffungsprozesses. Aus einer großen Anzahl von Personen muss die Führungskraft die richtige Person auswählen. Die am häufigsten eingesetzte Methode ist hier-

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bei das Einstellungsinterview; das strukturierte Interview ist hierbei die vernünftigste Form des Interviews. Einige Hinweise zur Durchführung von Personalauswahlgesprächen: 1. Die Basis für das Interview muss die Stellenbeschreibung für die zu vergebende Stelle darstellen. Die Stellenbeschreibung, deren wichtigsten Teile im Stellenangebot dargestellt sein sollten, gibt Bewerbern/-innen die Gelegenheit zu prüfen, ob die Stelle ihren Interessen und Eignungsmerkmalen entspricht. Um eine Stelle zu besetzten, benötigt man nicht mehr als sechs bis sieben Gespräche. 2. Aufgrund der schriftlichen Bewerbungen muss eine Vorauswahl stattfinden. Aufgrund der Ergebnisse der Vorauswahl werden ca. sechs Personen zum Vorstellungsgespräch eingeladen. 3. Jedes Interview muss sorgfältig geplant werden. 4. Jedes Interview sollte mindestens 30 Minuten dauern. 5. Die Methode der „kritischen Ereignisse“ führt zu gut abgesicherten Entscheidungen. Hierbei werden wichtige Ereignisse, mit denen sich die künftigen Stelleninhaber auseinanderzusetzen haben, den Bewerbern geschildert. Anschließend werden diese befragt, wie sie sich in diesen Situationen verhalten würden. Die Antworten führen in der Regel zu guten Entscheidungen, insb. wenn vorab seitens der Organisation exakt definiert wurde, wie eine gute/mittelmäßige/schlechte Antwort lautet. Bei den Antworten ist darauf zu achten, dass diese sehr konkret ausfallen. 6. Grundlage des Interviews bilden objektive, aufgabenorientierte Kriterien. 7. Jedes Interview hat verschiedene, voneinander zu unterscheidende Teile. Nach dem Interview ist eine Rangfolge der geeigneten Personen zu erstellen. Jedes Interview muss trainiert werden! Weitere Ausführungen finden sich in der DIN 33430.

3.2 Personalauswahl gemäß DIN 33430 Die DIN 33430 legt Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen fest.

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3.2.1 Anwendungsbereich der DIN-Norm Der Anwendungsbereich der DIN-Norm erstreckt sich auf alle berufsbezogenen Eignungsuntersuchungen, insbesondere auf Fragen der Personalauswahl und Personalplatzierung. Diese Norm existiert seit dem Jahr 2002. Es gilt, sowohl externe als auch interne Personalauswahlverfahren an den Grundsätzen der Norm auszurichten. Die Norm enthält Festlegungen und Leitsätze für Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen. Sie bezieht sich auf • die Planung von berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen; • die Auswahl, Zusammenstellung, Durchführung und Auswertung von Verfahren; • die Interpretation der Verfahrensergebnisse und die Urteilsbildung; • die Anforderung an die Qualifikation der an der Eignungsbeurteilung beteiligten Personen. Die Norm setzt sich nicht mit Fragen der Personalentscheidungen auseinander! Personalentscheidungen bleiben in der Hand der Personalverantwortlichen in den Organisationen.

3.2.2 Begriffe Die Grundlage jeder eignungsdiagnostischen Beurteilung bildet eine eingehende Anforderungsanalyse. Die folgende Aufstellung zeigt eine Vielzahl möglicher, relevanter Fähigkeiten. In der Praxis wird man eine Anzahl besonders wichtiger Fähigkeiten berücksichtigen: Wissen und Fertigkeiten Kenntnisse in Elektrik und/oder Elektronik Mechanisches Wissen Kenntnisse über Werkzeuge und deren Einsatz Kartenlesen Anfertigen von Skizzen

Lesen und Verstehen von Plänen Autofahren Schreibmaschine schreiben Steno Rechtschreiben/Grammatik

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Kognitive Fähigkeiten Sprachverständnis Textverständnis Sprachproduktion Textproduktion Ideenflüssigkeit Originalität Gedächtnis Problembewusstsein Mathematisches Denken Leichtigkeit im Umgang mit Zahlen Deduktives Denken

Induktiv Denken Ordnen von Informationen Kategoriale Flexibilität Gestaltschließungsgeschwindigkeit Flexibilität der Gestaltschließung Räumliches Orientierungsvermögen Visualisierung Wahrnehmungsgeschwindigkeit Selektive Aufmerksamkeit Überwachung

Psychomotorik Kontrollgenauigkeit Gliedmaßenkoordination Reaktionsauswahl Reaktionsanpassung Reaktionszeit Hand-Arm-Stetigkeit Handgeschicklichkeit Fingergeschicklichkeit Handgelenk- und Fingergeschwindigkeit

Geschwindigkeit der Bewegung Arm Bein Statische Kraft Explosive Kraft Dynamische Kraft Flexibilität der Reaktion Dynamische Flexibilität Körperkoordination Körpergleichgewicht Durchhaltevermögen

Wahrnehmungs- und Sinnesleistungen Nahsicht – Fernsicht Farbunterscheidungsvermögen Nachtsicht Peripheres Sehen Hörempfindlichkeit

Konzentration auf relevante Geräuschquellen Geräuschlokalisation Spracherkennung Sprachklarheit

Interaktiver bzw. sozialer Bereich Überzeugungsfähigkeit Soziale Sensibilität Ermittlung von Fakten mündlich Vertretung des eigenen Standpunkts Widerstand gegen voreilige Urteile

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Hartnäckigkeit Frustrationstoleranz Flexibilität des Verhaltens Verkaufsorientierung

3.2.3 Eignung Definition: Eine Person ist für einen Beruf, eine berufliche Tätigkeit oder eine berufliche Position geeignet, wenn sie über diejenigen Merkmale verfügt, die Voraussetzung für die jeweils geforderte berufliche Leistungshöhe sind. Zur Eignungsfeststellung werden im Wesentlichen drei Kategorien berücksichtigt: • Bildungsbiografische Merkmale • Psychologische Merkmale • Medizinische Merkmale Die Merkmale der Anforderungsanalyse sollten sich als Eignungsmerkmale identifizieren lassen. Die Interpretation vorgefundener Eignungsmerkmale und deren Ausprägungen führen zu einer Wahrscheinlichkeitsaussage, inwieweit die zu beurteilende Person einerseits den gegenwärtigen und künftigen berufsbezogenen Anforderungen gerecht werden kann und andererseits in dem Beruf auch zufrieden sein wird. Nur wenn beide Aspekte gleichermaßen erfüllt werden, kann man von Eignung sprechen. Bildungsbiografische Merkmale Folgende bildungsbiografische Merkmale sind vorstellbar: • Art der besuchten Schule • Art der Ausbildung/Studium • Praxiserfahrungen • Stellenwechsel • Fort- und Weiterbildungen • Arbeitszeugnisse Bildungsbiografische Merkmale dienen häufig der Vorauswahl im Rahmen der Eignungsdiagnostik.

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Psychologische Merkmale Folgende psychologische Merkmale sind u. a. zu benennen: • Textverständnis • Mathematisches Denken • Räumliches Orientierungsvermögen • Selektive Aufmerksamkeit • Teamorientierung • Frustrationstoleranz • Führungsverhalten Medizinische Merkmale Die medizinischen Anforderungen sind in der Regel für unterschiedliche Laufbahnen und Berufe exakt definiert und werden von Arbeitsmedizinern nach diesen Regeln geprüft. Die Prüfung der medizinischen Eignung steht im Allgemeinen am Ende der eignungsdiagnostischen Prozedur.

3.2.4 Eignungsbeurteilung Zur Charakterisierung der Güte der eingesetzten Verfahren werden die nachfolgenden Begriffe verwendet: • Objektivität • Zuverlässigkeit • Gültigkeit • Normwerte • Soziale Validität/Testfairness Gemeinsam geben sie Auskunft darüber, ob ein Verfahren den Anforderungen an Instrumente und Verfahren der Eignungsdiagnostik genügt. Objektivität Die zur Eignungsbeurteilung eingesetzten Verfahren müssen eine größtmögliche Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität be34

sitzen. Dies kann u. a. durch ein intensives Training mit den eingesetzten eignungsdiagnostischen Instrumenten erreicht werden. In der Regel verfügen Testverfahren über die höchste Objektivität. Zuverlässigkeit = Reliabilität Ein eignungsdiagnostisches Instrument soll zuverlässig das messen, was es messen soll. Bei wiederholten Messungen sollten die Ergebnisse nicht in einem zu großen Ausmaß streuen. Falls sich Personenmerkmale auf die Grundlage von mündlich eingeholten Informationen (Interview) oder Verhaltensbeobachtungen (AC) stützen, ist sicherzustellen, dass verschiedene Interviewer oder Beurteiler bei gleicher Grundlage möglichst übereinstimmen. Gültigkeit = Validität Die Gültigkeit ist die Genauigkeit mit der ein Verfahren das misst oder vorhersagt, was es messen oder vorhersagen soll (z. B. ein Merkmal oder eine Verhaltensweise einer Person). Die eingesetzten Verfahren müssen über eine möglichst hohe Gültigkeit verfügen. Die Gültigkeit kann nach verschiedenen Verfahren bestimmt werden. Sie wird aufgrund empirischer Untersuchungen zur Konstrukt-, Kriteriums- oder Inhaltsvalidität nachgewiesen. Normwerte Falls zur Eignungsbeurteilung Verfahren eingesetzt werden, die den individuellen Vergleich mit einer Referenzgruppe beinhalten, ist sicherzustellen, dass der/die jeweilige Kandidat/in auch der Referenzgruppe entspricht. Normwerte sind regelmäßig, spätestens alle acht Jahre zu überprüfen. Soziale Validität/Testfairness Neben den bereits genannten Kriterien sollte außerdem die „Soziale Validität“ oder „Testfairness“ im Rahmen der Personalauswahl berücksichtigt werden: Keine Person sollte durch die Verwendung des Auswahlverfahrens benachteiligt oder bevorzugt werden. Dies entspricht zudem den Forderungen, die das AGG (Allgemeines-Gleichheits-Gesetz, 2006) an Personalauswahlverfahren stellt.

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3.3 Eignungsdiagnostische Verfahren 3.3.1 Das Interview Das Interview ist heute die häufigste Auswahlstrategie. Aber das Interview ist mit einer Reihe von Problemen behaftet. Die Qualität von Auswahlgesprächen ist deshalb sehr schlecht! Die spätere Leistung eines neuen Mitarbeiters lässt sich nicht vorhersagen, d. h. die Korrelation zwischen den beiden Maßen ist sehr gering (r = .10). 3.3.1.1

Arten des Interviews

• Standardisiertes Interview Beim standardisierten Interview sind Gesprächsablauf und -inhalt genau vorgegeben, d. h. die Fragen werden vor dem Personalauswahlgespräch von den Interviewern festgelegt und allen Bewerbern in gleichem Wortlaut und gleicher Reihenfolge gestellt. Der Vorteil des standardisierten Interviews liegt darin, dass keine sachfremden Einflüsse auf das Gespräch einwirken. Außerdem ist die Auswertung relativ einfach und kostengünstig. Nachteilig sind die fehlende Spontaneität, durch die das Gespräch eher unflexibel und starr wird, sowie die Tatsache, dass ein Nachhaken bei Auffälligkeiten nicht möglich ist. In Bezug auf die Antworten ist beim standardisierten Interview zu unterscheiden zwischen dem geschlossenen Interview, bei dem der Bewerber seine Antworten aus einem Antwortkatalog auswählt, und dem offenen Interview, bei dem der Bewerber frei antwortet. • Nicht-standardisiertes Interview (= unstrukturiertes Interview) Beim nicht-standardisierten Interview orientiert sich der Interviewer an der jeweiligen Situation und am Verlauf des Gesprächs. Somit sind auch spontane Fragen und Nachhaken bei Unklarheiten und weiterem Interesse möglich. Es entsteht also eine offene Gesprächsatmosphäre. Nachteilig für den Interviewer sind die aufwendigere Auswertung sowie der schwerere Vergleich zwischen den Bewerbern.

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• Halb-standardisiertes Interview Das halb-standardisierte Interview ist eine Mischung der beiden oben dargestellten Interview-Arten. Der Rahmen des Gesprächs ist gegeben, nicht aber ein vorgefertigter Gesprächsablauf oder -inhalt. Das halb-standardisierte Interview besteht also zum Teil aus vorgefertigten Fragen, andererseits können aber auch Fragen gestellt werden, die sich aus der Situation ergeben. Des Weiteren sind auch Fragen zu Problem- bzw. Konfliktfällen möglich, um die Verhaltensweise des Bewerbers im konkreten Fall herauszufinden. Das halb-standardisierte Interview ist empfehlenswert, weil eine Vergleichbarkeit trotz der gewahrten Individualität gegeben ist. Das Gespräch bleibt lebendig und flexibel, da Zwischenfragen möglich sind. Trotzdem hat der Interviewer jederzeit gut formulierte Fragen zur Hand. 3.3.1.2

Ursachen für Schwächen des Einstellungsinterviews (in Anlehnung an SCHULER 1992)

• Mangelnder Bezug der Fragen zu den Tätigkeitsanforderungen. • Unzulängliche Verarbeitung der aufgenommenen Informationen. • Geringe Beurteilerübereinstimmung. • Dominierendes Gewicht früher Gesprächseindrücke. • Überbewertung negativer Informationen. • Emotionale Einflüsse (z. B. Sympathie) auf die Urteilsbildung. • Beanspruchung des größten Teils der Gesprächszeiten durch den Interviewer. • Mangelhafte Vorbereitung auf das Interview. • Interview ist insgesamt zu kurz. • Belastung des Interviews mit Fragen, die besser von der Personalabteilung beantwortet werden (z. B. genaue Gehaltsabrechnung).

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3.3.1.3

Verbesserungsmöglichkeiten des Einstellungsinterviews (in Anlehnung an SCHULER 1992)

• Anforderungsbezogene Gestaltung des Interviews. • Beschränkung auf das Registrieren von Aspekten/Anforderungen/ Merkmalen, die nicht anderweitig zuverlässiger gesammelt werden können (z. B. mittels Zeugnissen). • Interviews möglichst in strukturierter oder teilstrukturierter Form durchführen, dabei den Bewerber/innen freie Rede ermöglichen. • Subjektive Eindrücke aus dem Interview empirisch überprüfen. • Übernahme von standardisierten Fragen aus Testverfahren oder biografischen Fragebögen. • Trennung von Informationssammlung und Entscheidung. • Einsatz zusätzlicher Beurteiler, z. B. in weiteren, unabhängigen Gesprächen. • Vorbereitung der Interviewer durch verfahrensspezifisch konzipiertes Training. 3.3.1.4

Fazit zum traditionellen Einstellungsinterview

Vielfach wird die Meinung vertreten, dass mit dem Einstellungsinterview weniger die Leistungsfähigkeit von Bewerbern, denn deren soziale Kompetenz gemessen wird. Forschungen konnten dies jedoch nicht bestätigen! Auch die Meinung, dass Motivation, Selbstsicherheit, verbale Fähigkeiten, Dominanz oder Anpassungsfähigkeit gemessen werden, konnte nicht bestätigt werden. Damit muss man zu der Auffassung kommen, dass es das Einstellungsinterview nicht gibt. Der Interviewer sollte die „Hülle“ des Interviews mit Fragen füllen, die eng an die jeweilig zu besetzende Stelle angelegt sind. Das bedeutet, dass für jede zu besetzende Stelle ein neues, strukturiertes Interview zu konzipieren ist. Trotzdem ist das Einstellungsinterview im Rahmen der Personalauswahl unverzichtbar. So besteht für die arbeitsplatzanbietende Organisation und die Bewerber die Möglichkeit ihre jeweiligen Vorstellungen zur Tätigkeit abzugleichen und sich gegenseitig näher kennen zu lernen. 38

3.3.1.5

Das Multiphasen-Interview (SCHÄFER, 2003)

Ähnlich dem Multimodalen Interview (SCHULER, 1992) werden beim Multiphasen-Interview mehrere voneinander abgrenzbare Teile unterschieden. Phase 0: Gruppendiskussion Dem Interview wird eine Gruppendiskussion vorangestellt, wenn eine Position zu besetzen ist, bei der soziale Interaktionen ein sehr wichtiges Eignungsmerkmal darstellt. An der Gruppendiskussion nehmen alle Bewerber/innen teil. Sind soziale Interaktionen kein stark gewichtetes Eignungsmerkmal, kann auf die Gruppendiskussion verzichtet werden. Phase 1: Begrüßung und Informationen zum Gesprächsablauf Zu Beginn des Gesprächs werden den Teilnehmern zunächst die Mitglieder der Prüfungskommission vorgestellt und es erfolgt eine kurze Beschreibung des Ablaufs des Gesprächs. Hierbei wird vermieden, dass die Einzelheiten zu sehr dargestellt werden, da dies bereits zu Hypothesenbildungen bei den Bewerbern führen könnte. Es wird lediglich dargestellt, dass sich das Gespräch aus verschiedenen Teilen zusammensetzt. Verhaltensweisen nach Stärken und Schwächen sortieren: Den Bewerbern/-innen werden die Verhaltensbeschreibungen (60 Karten) in einem Stapel übergeben mit der Aufforderung, die Verhaltensweisen in fünf Stapel zu sortieren: besondere Schwäche 3 – 12 – 30 – 12 – 3 besondere Stärke Hierfür stehen 5 Minuten zur Verfügung. (Diese Zeit kann stillschweigend auf max. 8 Minuten ausgedehnt werden.) Im anschließenden freien Bericht über den Werdegang wird auf das Ergebnis eingegangen.

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Phase 2: Freier Bericht über Werdegang Der Bewerber wird aufgefordert, über sich einige Sätze zu sagen. Hierbei werden zunächst absichtlich keine Vorgaben gemacht. An interessanten/entscheidenden Stellen wird nachgefragt: „Warum fand nun eine berufliche Umorientierung statt?“ Im Rahmen dieser Darstellung wird auf die Karten mit den Verhaltensbeschreibungen Bezug genommen und die Bewerber sollen begründen, wie sie zu ihrer Wahl gekommen sind. Hierbei werden Aspekte der Selbstreflexion verstärkt beachtet. Phase 3: Motivation für die Tätigkeit Es wird der Frage nachgegangen, worin die Motivation für die angestrebte Tätigkeit besteht. Hierbei ist zu beachten: Die Sicherheit des Arbeitsplatzes ist eine Motivation, die nicht zu gering geschätzt werden sollte. Es sollten noch andere Gründe genannt werden! Phase 4: Grund für Wechsel vom bisherigen Arbeitsplatz Schlüsselfragen in diesem Bereich sind: Warum wollen Sie Ihren Arbeitsplatz verlassen? Warum gerade jetzt? Wenn Sie gute Chancen in Ihrer bisherigen Tätigkeit hätten, würden Sie sich dann auch beworben haben? (Für Bewerber, die Ihren Wohnsitz verlegen müssen) Würden Sie für Ihren erlernten Beruf auch in diese Stadt kommen? Warum ja/nein? Welche Vorerfahrungen aus ähnlichen Tätigkeiten haben sie? Phase 5: Vorstellungen über die Tätigkeit Welche Vorstellungen haben Sie über die Tätigkeit? Hierbei kommt es nicht so sehr darauf an, dass diese Vorstellungen in allen Einzelheiten korrekt sind, sie sollten aber auch nicht völlig falsch sein. Sehr wichtig ist die Tatsache, ob und inwieweit sich die Bewerber/innen überhaupt schon einmal mit der Tätigkeit auseinandergesetzt haben. Schließlich wollen Sie Ihr künftiges Arbeitsleben mit dieser Tätigkeit ausfüllen.

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Phase 6: Critical Incidents Den Bewerbern/-innen werden, für die Tätigkeit typische Situationen (überwiegend soziale Situationen) geschildert. Die Bewerber/innen müssen erläutern, wie sie sich in diesen Situationen verhalten würden. Die Antworten müssen sehr konkret erfolgen. Im Rahmen des Interviews werden mindestens drei Situationen geschildert; diese Zahl kann aber beliebig erhöht werden. Die Beurteilung erfolgt mittels einer 3-stufigen Skala: gute Antwort – akzeptable Antwort – schlechte Antwort. Phase 7: Informationen über die Tätigkeit Es werden den Bewerbern realistische Tätigkeitsinformationen gegeben, d. h. auch Probleme und negative Begleiterscheinungen werden nicht verheimlicht. Dies führt in der Folge zu einem höheren Commitment, höherer Leistung und geringeren Fehlzeiten und Fluktuation bei den neueingestellten Personen. Wenn negative Aspekte geschildert werden müssen, wird regelmäßig die Frage aufgeworfen: „Sind Sie in der Lage mit dieser Situation fertig zu werden? – Begründen Sie bitte Ihre Antwort.“ Phase 8: Zukunftsvorstellungen Hierbei wird der Frage nachgegangen, wie realistisch die Erwartungen der Bewerber/innen an die Entwicklungsmöglichkeiten sind. Tauchen hier zu große Diskrepanzen auf, ist dieser Abschnitt auch bei sonst gut geeigneten Personen nochmals vertiefend zu diskutieren. Sind die Wünsche und Vorstellungen zu unrealistisch, kann dies zum Etikett „nicht geeignet“ führen. Phase 9: Abschluss Beim Gesprächsabschluss wird dem Bewerber nochmals die Möglichkeit gegeben, alle interessierenden Fragen zu stellen. Ein PA-Verfahren ist ein zweiseitiger Prozess, bei dem auch die Bewerber feststellen können sollen, ob die angebotene Stelle für sie die richtige Position ist. Anschließend wird das weitere Prozedere erläutert. 41

3.3.2 Assessment-Center Das Assessment-Center-Verfahren (AC) hat seinen Ursprung in einem in den 1920er Jahren entwickelten Verfahren zur Auswahl von Offiziersanwärtern. Dieses Verfahren wurde mit weitgehend identischer methodischer und organisatorischer Grundkonzeption in den 1940er Jahren über das britische Militär und den amerikanischen Geheimdienst bis hin zur amerikanischen Wirtschaft übernommen und weiterentwickelt. Die Methode bestand aus einem breiten Spektrum von zum Teil heute noch in AC angewandter Untersuchungsverfahren (z. B. führerlose Gruppendiskussion). Das Verfahren gelangte in den 1940er Jahren zur britischen Royal-Air-Force-Offiziersschule. In Großbritannien wurden zusätzlich intensivere Prüfungen der Gültigkeit und Zuverlässigkeit der eingesetzten Methoden vorgenommen. In den USA wurden die psychologischen Auswahlverfahren dann ab 1942 zur Rekrutierung geeigneter Geheimdienstagenten angewandt und erstmals mit dem Begriff Assessment-Center versehen. In der Wirtschaft wurde das Verfahren erstmals Ende der 1950er Jahre bei der Fa. AT&T durchgeführt. Der richtige Durchbruch der AC-Anwendung folgte dann erst in den 1970er Jahren. 3.3.2.1

Merkmale und Ziele eines Assessment-Centers

Vor Beginn eines AC muss ein Merkmalskatalog erarbeitet werden, in dem die, für die jeweilige zu besetzende Stelle, wichtigsten Anforderungen zusammengefasst sind. (Dies gilt analog auch für alle anderen Auswahlverfahren.) Die im AC angewandten Übungen, Simulationen, Tests müssen gewährleisten, dass in ihrem Verlauf alle in der Anforderungsanalyse identifizierten Kriterien möglichst mehrfach in verschiedenen Situationen beobachtet werden können. Die Übungen, Simulationen und Tests sind zum Teil so aufgebaut, dass in ihnen zukünftige Arbeitssituationen bezogen auf die zu besetzende Stelle dargestellt werden. Im Rahmen eines AC werden mehrere Bewerber (max. 12) von mehreren Beobachtern beobachtet. Die Beobachter nehmen jeden Teilnehmer mindestens einmal im Verlauf des Programms unter die Lupe und beurteilen diesen.

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Am Ende eines AC-Verfahrens wird im Rahmen einer Beobachterkonferenz das Ergebnis aus den Beobachtungen und den messbaren Übungsleistungen ermittelt und festgestellt. Primäres Ziel eines AC ist es, eine größere Sicherheit für eine sachgerechte Auswahl von Führungskräften zu erreichen. Daneben kann ein AC auch für Personalentwicklungsmaßnahmen eingesetzt werden. Das AC ist ein stark verhaltensorientiertes Verfahren, dem die Fähigkeit zugeschrieben wird, die geeigneten Personen mit den für die jeweilige Stelle geforderten Eigenschaften zu finden. 3.3.2.2

Bestandteile eines Assessment-Centers

Die hier aufgeführten Übungen sind typische Bestandteile eines ACs. Hierbei handelt es sich nicht um eine abgeschlossene Aufzählung, da jedes AC in seinen Anforderungen auf die jeweils zu besetzende Stelle zugeschnitten wird/ist: • Vorstellungsrunde • Postkorb-Übung • Präsentation und/oder Kurzvortrag • Gruppendiskussion • Rollenspiel • Einzelinterview • Psychologische Testverfahren • Feedback-Gespräch Vorstellungsrunde Ein Assessment-Center beginnt immer mit einer Vorstellungsrunde. Die Einzelvorstellung gehört zu den Standardübungen des Assessment-Centers. Sie wird entweder anhand eines Steckbriefs oder ganz frei durchgeführt. Jeder Kandidat hat etwa zehn Minuten Zeit, sich selbst darzustellen. Folgendes kann angesprochen werden: • Name, Alter, Wohnort; • Lieblingsfächer in der Schule;

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• Interessen und Hobbys sowie • Erfahrungen in der Berufswelt (Praktika, Jobs, feste Arbeitsplätze). Auch über folgende Fragen sollte man sich im Vorfeld des AC bereits Gedanken gemacht haben: • „Warum interessieren Sie sich für diese Tätigkeit?“ • „Wie haben Sie sich über die Ausbildungsstelle/das Studium/den Job informiert?“ • „Warum glauben Sie, dass Sie für diese Tätigkeit geeignet sind?“ • „In Bezug auf meine Ausbildung/mein Studium/mein Job ist mir wichtig, dass..., weil...“ • „Für die nächsten fünf Jahre stelle ich mir vor, dass...“ • „Wie kamen Sie auf das Unternehmen/diese Universität?“ Postkorb-Übung Bei der sogenannten Postkorb-Übung schlüpfen die Bewerber in die Rolle eines unter Zeitdruck stehenden Managers, der in kürzester Zeit seinen aufgelaufenen und aus diversen Notizzetteln und Kurzmitteilungen bestehenden Postkorb abarbeiten muss. Bis zu 20 Schriftstücke sollen die Bewerber innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens bearbeiten. Gelegentlich werden während der Bearbeitungszeit auch noch Störungen, wie z. B. ein klingelndes Telefon, eingebaut. Die Schwierigkeit besteht immer darin, dass man kaum Zeit dafür hat, alle Aufgaben selbst zu erledigen und daher einen Zeitplan nach Prioritäten erstellen muss. Für die Beurteilung ist wichtig: • Kann jemand Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden? • Ist der zukünftige Mitarbeiter in der Lage zu delegieren, zu organisieren? •

Wie steht es mit seiner Flexibilität/Kreativität?

• Hat er gelernt, mit Belastungen und Zeitdruck zurecht zu kommen?

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Im Gegensatz zu anderen AC-Verfahren, wie z. B. die Gruppendiskussion, hängt die Leistung eines Teilnehmers nicht von den anderen Teilnehmern ab. Darüber hinaus eröffnet die Postkorbübung die Perspektive einer objektiven, beobachterunabhängigen Auswertung und Interpretation der Leistung von AC-Teilnehmern. Präsentation und/oder Kurzvortrag Präsentationen und Kurzvorträge sind typische Testaufgaben des klassischen AC. Die Teilnehmer sollen einen Kurzvortrag vor Publikum zu einem vorgegebenen Thema halten. Zuhörer sind meistens die AC-Beobachter, manchmal auch die Mitbewerber. Das Thema wird entweder in Form einer Fallstudie mit ausführlichen Hintergrundinformationen oder durch ein einfaches Stichwort (z. B. Ökosteuer) vorgegeben. Die Aufgabe der Teilnehmer ist es nun, das Thema in der zur Verfügung stehenden Zeit inhaltlich zu erfassen und den Zuhörern in einem interessanten, rhetorisch gelungenen Vortrag zu präsentieren. Mögliche Präsentationsformen für einen Kurzvortrag sind: • Vortrag beinahe aus dem Stegreif, der nur einige Minuten dauern soll (Vorbereitungszeit 5–15 Minuten) • Ausführlicher Vortrag (auf den man sich bereits am Vortag mit Leseund Aktenarbeit vorbereiten muss) Bei beiden Vortragsarten kommt es darauf an, wie der Kandidat die Inhalte präsentiert; gefragt sind sprachliches Ausdrucksvermögen, rhetorische Geschicklichkeit, selbstsicheres Auftreten, gekonnte Strukturierung des Vortrags, persönliche Ausstrahlung und Überzeugungskraft. Gruppendiskussion Gruppendiskussionen sind ein fester Bestandteil von Assessment-Centern, die in verschiedenen Formen auftreten können. Eine Möglichkeit ist die Vorgabe oder die Auswahl eines betrieblichen oder allgemein-gesellschaftlichen Themas, von dem man annimmt, dass die Bewerber kontroverse Standpunkte austragen werden.

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Eine weitere Form der Gruppendiskussion kann ein „Planspiel“ sein. Hierunter versteht man eine konkrete Aufgabenstellung, bei der z. B. die Gruppe einen Ausschuss darstellt, der eine gemeinsame Lösung für die Umsetzung eines bestimmten Projekts unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte erarbeiten muss und diese dem Gemeinderat vorstellen soll. Es besteht darüberhinaus die Form der Gruppendiskussion, in der jedem/r Teilnehmer/in zu einem vorgegebenen Thema eine Position bzw. ein Standpunkt zugeordnet wird, der im Verlauf der Diskussion vertreten werden soll. Dies ist sicherlich keine abschließende Aufzählung von Gruppendiskussionsformen. Bei diesen Übungen kommt es weniger auf die sachlichen Inhalte der Beiträge an, als auf die Art und Weise wie sie vorgebracht werden. Also, wer setzt sich wie und mit welchen Argumenten durch; wer übernimmt eine Führungs- oder Moderatorrolle; wer ist besonders konstruktiv im Hinblick auf eine gemeinsame Lösung. Rollenspiel Bei der Übung des Rollenspiels handelt es sich in der Regel um ein simuliertes Gespräch zwischen einem Bewerber und einem Beobachter. Das Gespräch soll dabei ein typisches Mitarbeiter- oder Kundengespräch abbilden. Üblicherweise sind dies Konfliktgespräche, bei dem der Bewerber insbesondere daraufhin beobachtet wird, wie er die Gegensätze und Konflikte transparent macht und Ideen bzw. Initiativen zur ausgleichenden und konstruktiven Konfliktbewältigung entwickelt. Einzelinterview Auch innerhalb eines AC werden Einzelinterviews durchgeführt. Für diese gelten dann die gleichen Kriterien wie für die Interviewmethode im Allgemeinen. Psychologische Testverfahren Häufiger Bestandteil von Assessment-Center sind auch verschiedene Persönlichkeits-, Intelligenz und Leistungstest.

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Feed-back-Gespräch Beim Feed-back-Gespräch erfahren die Bewerber im Einzelgespräch mit einem Beobachter wie sie bei dem Assessment-Center abgeschnitten haben, wo sie aus Sicht der Beobachter stehen und welche Entwicklungsmöglichkeiten sich nun ergeben. Jeder Bewerber muss ein Feed-back-Gespräch angeboten bekommen. 3.3.2.3

Die typischen Eignungsmerkmale der Bestandteile eines AC

Durch alle Übungen zieht sich wie ein roter Faden die Bewertung des einzelnen Bewerbers hinsichtlich des Erscheinungsbildes, der Selbstdarstellung sowie die Umgangsformen im Kontakt mit anderen. In den verschiedenen Übungen werden jeweils zwei bis drei der folgenden Kriterien zusätzlich beobachtet und bewertet: • Kooperationsbereitschaft • Konfliktfähigkeit • Flexibilität • Führungsverhalten • Kommunikationsfähigkeit • Rhetorikfähigkeit • Durchsetzungsvermögen • Ideenreichtum Es handelt sich bei diesen Kriterien im Wesentlichen um Dinge, die mit dem Begriff Schlüsselqualifikationen (SQ) beschrieben werden. Die Merkmale im Überblick Die Kooperationsbereitschaft zählt zu den sozialen Kompetenzen. In einer Gruppensituation wird herausgefunden, ob der Bewerber ein Mensch ist, der sich auf Kosten anderer durchsetzt oder eher zurücksteckt oder den goldenen Mittelweg wählt. Als kooperationsbereit gilt, wer den gemeinsamen Erfolg mit anderen teilen kann. Hierbei verzichtet er auf Konkurrenzdenken, Machtinteresse und Rivalität. Die Konfliktfähigkeit (Streitkultur und Verhandlungsgeschick) zählt ebenfalls zu den sozialen Kompetenzen. Sie wird sowohl in den Gruppensitua47

tionen als auch im Einzelinterview getestet. Hierbei soll der Bewerber sich ausgewogen präsentieren. Zu wenig Konfliktfähigkeit lässt den Bewerber als Schwächling dastehen und zuviel Konfliktfähigkeit stuft ihn als Streithahn ein. Die Flexibilität wird im Rahmen der Rollenspiele sowie den unternehmensbezogenen Aufgaben abgeprüft. Hierbei geht es um die Fähigkeit, alternative Lösungswege zu finden. Das Führungsverhalten des Bewerbers wird in den Gruppenarbeiten herausgefunden. Es wird darauf geachtet, ob er eine Führungsrolle übernehmen kann und wie er sie ausfüllt. Ergreift er die Initiative zur Durchführung eines Interessenausgleichs innerhalb der Gruppe, misst er den Arbeitsergebnissen mehr Bedeutung zu als dem Arbeitsprozess oder forciert er das zielorientierte Arbeiten in der Gruppe. Bei der Kommunikationsfähigkeit wird auf eine klare, verständliche Sprache geachtet, sowie auf eine flüssige Formulierung, auf eine akustisch gut verständliche Sprache und Stilsicherheit im Schriftlichen. Es geht hierbei also darum, wie ausgeprägt das mündliche und schriftliche Darstellungsvermögen des Bewerbers ist. Seine Rhetorikfähigkeit muss der Bewerber in der Gruppendiskussion, bei Rollenspielen und bei der Präsentation unter Beweis stellen. Hierbei wird auf die rhetorische Überzeugungskraft geachtet. Das Durchsetzungsvermögen wird insbesondere in den Gruppenaufgaben überprüft. Der Bewerber soll seine Ziele nicht aus den Augen verlieren, seinen Standpunkt auch gegen Widerstand durchsetzen, sich der Konkurrenzsituation stellen und sein Vorgehen stark zielorientiert ausrichten. Unter Ideenreichtum wird das Vermögen verstanden, kreativ und offen an Problemlösungen heranzugehen und die Fähigkeit zu konzeptionellem Denken zu besitzen. Unter konzeptionellem Denken wird die Fähigkeit verstanden, Problemstrategien zu entwickeln.

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3.3.2.4

Ablauf eines Assessment-Centers

In der Regel lässt sich ein AC in drei Abschnitte unterteilen: 1. Vorbereitung

2. Durchführung

3. Abschluss und Feedback

Festlegung der Ziele und der Zielgruppen

Training der Beobachter

Abstimmen der Auswertungen

Auswahl der Beobachter

Empfang der Teilnehmer;

Anfertigen der Gutachten,

Ziel und Ablauf des Programms erläutern

Empfehlung von Fördermaßnahmen

Definition des Anforderungsprofils ggf. mit Beobachter

Endabstimmung / Bearbeiten der Übungen und Unterlagen durch Teil- Endauswahl nehmer

Zusammenstellen der Übungen mit Bezug auf Anforderungen

Beobachten der Leistungen Teilnehmer über Ergebnisse durch Beobachter informieren

Information der Teilnehmer, und organisatorische

Auswertungen der Beobachtungen

Vereinbaren von Förder-/ Entwicklungsmaßnahmen

Vorbereitung

3.3.2.5

Beurteilung der Assessment-Center-Technik

Der Aufwand und die Kosten eines ACs werden durch die subjektiven Fehleinschätzungen bei der Mitarbeiterauswahl durch herkömmliche Auswahlverfahren (z. B. Auswertung von Bewerbungsunterlagen, Vorstellungsgesprächen usw.) gerechtfertigt. Man muss sich jedoch vergegenwärtigen, dass diese Rechtfertigung wohl nur bei der Auswahl von geeigneten Führungskräften begründet ist, da Fehlentscheidung auf dieser Ebene mit hohen Kosten verbunden sein könnten.

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Das AC-Verfahren ist ein objektives und zur Auswahl von Führungskräften geeignetes Mittel der Personalauswahl. Gleichwohl wird es in jüngster Zeit im Bereich der Personalentwicklung immer stärker durch die 360°Feedback-Verfahren abgelöst, da diese Verfahren ökonomischer und mit einem größeren Praxisbezug ausgestattet sind. In SPIEGEL-ONLINE war am 08.11.2009 folgender Beitrag zum Assessment-Center zu finden. Assessment-Center Bewerbungsspiele für die Putzfrau Als Alternative zum reinen Vorstellungsgespräch stehen Assessment-Center hoch im Kurs. Personalchefs vertrauen oft darauf, es ist das Nadelöhr, durch das Bewerber für viele Stellen müssen. Doch das Verfahren hat seine Tücken – mit ein paar Rollenspielchen ist es nicht getan. Ein halbstündiges Gespräch mit einem Bewerber oder das eintägige Assessment-Center, kurz AC, mit mehreren Kandidaten – da entscheiden sich zahllose Unternehmen für den Intensivtest, weil sie ihn für deutlich aussagekräftiger halten. „Populär sind Assessment-Center in Deutschland seit den achtziger Jahren“, sagt Alexander Böhne von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin. Dabei werden Bewerber entweder in der Gruppe beobachtet oder einzeln getestet. „Das Gruppen-AC ist immer noch viel häufiger“, sagt Böhne. Schließlich sei die Organisation mit einigem Aufwand verbunden. „Ein AC dauert in der Regel einen Tag, manchmal sogar zwei. Für einen Zehn-Mann-Betrieb kommt das eher nicht in Frage.“ Längst werden nicht mehr nur Führungskräfte auf diesem Weg ausgewählt. „Es gibt sogar Mini-ACs für Azubis, Putzfrauen und Zimmermädchen“, sagt Jürgen Hesse, Karriereberater in Berlin. „In dem Fall dauert das Ganze dann vielleicht eine halbe Stunde.“ Die Pluspunkte eines guten AssessmentCenters sieht Alexander Böhne vor allem darin, dass die Aufgaben praxisnah sind – beispielsweise muss der Bewerber ein Kunden- oder ein Personalgespräch führen. Das sei aussagekräftiger, als wenn Bewerber nur Testbögen ausfüllen und sich in einem kurzen Bewerbungsgespräch präsentieren. Häufig beauftragen Unternehmen eine Personalberatung damit, das AC zu organisieren. „Zu den Beobachtern, die den Bewerber bewerten, gehört 50

aber in der Regel auch jemand aus der eigenen Personalabteilung“, erklärt Böhne. Bei der anschließenden „Beobachterkonferenz“ tauschen sich die Teilnehmer über ihre Eindrücke aus und besprechen ihre Bewertungen. Das hat den Vorteil, dass nicht eine Einzelmeinung entscheidet – und nicht einfach Sympathie den Ausschlag gibt. „Zu oft belang- und anspruchslose Tests“ Damit ein AC aussagekräftige Ergebnisse liefert, müssten allerdings verschiedene Datenquellen genutzt und verknüpft werden, betont Heinz Schuler, Professor an der Universität Hohenheim. Und das sei oft nicht der Fall, kritisiert der Experte für Personalpsychologie. „Viele Einzelstudien zeigen, dass AC-Prognosen in den vergangenen 20 Jahren schlechter geworden sind.“ Mit der Popularisierung des Verfahrens seien die dafür geltenden Regeln häufig verwässert worden: „Oft gibt es gar keine echten Arbeitsproben mehr, sondern nur noch arbeitsprobenartige Simulationen.“ Denn ein AC sei eine aufwendige Angelegenheit. Oft sparten die Auftraggeber daran. „Da kann sich dann jeder Praktikant ein Rollenspielchen ausdenken“, sagt Schuler. Häufig gebe es belanglose Tests, die mit wissenschaftlichem Anspruch nichts zu tun haben. Und auch als Beobachter würden oft diagnostische Laien eingesetzt. „Ein gutes AC liefert eine gute Entscheidungsgrundlage“, meint Schuler. „Aber gute Bewerberinterviews sind besser als durchschnittliche Assessment-Center.“ Schuler hat aber auch prinzipielle Bedenken: Beim AC werde die Entscheidung für oder gegen einen Bewerber stark von punktuellen Eindrücken beeinflusst, die Beobachter von ihm bekommen. „Menschen finden das, was sie selbst gesehen haben, wichtiger als objektive Daten. Einzelne Beobachtungen werden zu wichtig genommen“, so der Psychologe. Das könne das Bild verzerren, das sich beim AC ergibt. Die Prüfstand-Situation ist Bewerbern sehr bewusst Die anfängliche Begeisterung für das Assessment-Center als Allzweckwaffe der Personalauswahl gebe es heute deshalb so nicht mehr, bestätigt Alexander Böhne von der BDA. Hinzu kommt nach Beobachtung von Jürgen Hesse, dass viele Bewerber sich inzwischen intensiv vorbereiten – Schauspielerei inklusive. Sie haben möglicherweise die Bewerbungsratgeber von Hesse und anderen gelesen, ihnen ist die Prüfstand-Situation sehr bewusst, sie kennen die Erwartungen. Darauf haben die Psychologen wiederum 51

längst reagiert. „Beide Seiten rüsten auf“, sagt Hesse. „Manche Bewerber tauschen sich vorher über Twitter oder Facebook aus, was sie bei den Unternehmen erwartet“, erzählt Alexander Böhne. Eine Vorbereitung aufs AC sei generell auch zu empfehlen. In jedem Fall lohne es sich zu fragen, was dabei geplant ist. „Einige Unternehmen halten sich da bedeckt, andere kommunizieren das ganz offen.“ Trotz allen ausgeklügelten psychologischen Methoden liefert das AC also nicht automatisch hieb- und stichfeste Entscheidungshilfen. „Manchmal entscheiden sich die Beobachter schlicht für den Falschen“, räumt Jürgen Hesse ein. Kein Grund also für abgelehnte Bewerber, den Kopf hängen zu lassen: „Es kommt immer wieder vor, dass jemand beim ersten AC durchfällt, beim zweiten schon weit vorn landet und beim nächsten Mal die Stelle kriegt.“ Zudem ist das AC fast nie die erste Hürde, sondern der Test jener JobInteressenten, die für die Stelle wirklich in Frage kommen. „Nur der kleinste Teil der Bewerber kommt so weit“, sagt Alexander Böhne. Wer auf den letzten Metern scheitert, war also vorher schon ziemlich erfolgreich. Von Andreas Heimann, dpa Quelle: URL: http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,659896,00.html

3.3.3 Psychologische Tests 3.3.3.1

Was ist ein psychologischer Test?

Obgleich es noch keine allgemein verbindliche Definition des Begriffes „Psychologischer Test“ gibt, kann man folgende Merkmale als charakteristisch für Tests anführen: Danach ist ein „Test“ eine Methode, die menschliches Verhalten so misst, dass ein kleiner Ausschnitt genügt, um Rückschlüsse auf das Gesamtverhalten des Menschen zu erlauben. Ein „psychologischer Test“ ist ein standardisiertes, routinemäßig anwendbares Verfahren zur Messung individueller Verhaltensmerkmale, aus denen Schlüsse auf Eigenschaften der betreffenden Person oder ihr Verhalten in anderen Situationen gezogen werden können.

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Psychologische Tests können als unvollständige Experimente angesehen werden und erfassen mittels unterschiedlicher Methoden unterschiedliche Eigenschaften, beispielsweise Persönlichkeitseigenschaften, Leistungsfähigkeit, Intelligenz, Neigung zum Alkoholismus etc. In der wissenschaftlich kontrollierten Eignungsdiagnostik sind sie die am häufigsten verwendeten Instrumente. In der Arbeitspsychologie wird von einem Test vor allem erwartet, dass er Vergleiche mit anderen Bewerbern ermöglicht und den zukünftigen Berufserfolg vorhersagen lässt. 3.3.3.2

Einsatzgebiete psychologischer Testverfahren

Psychologische Tests kommen heutzutage bei einer Vielzahl von Entscheidungs-, Auswahl- oder Beratungssituationen zur Anwendung, z. B bei • Berufsberatung, • Ausbildungseignung oder • Personalauswahl. 3.3.3.3

Vor- und Nachteile psychologischer Testverfahren

Bei einer sachkundigen Anwendung haben psychologische Testverfahren folgende Vorteile: • Die Ergebnisse sind objektiver als bei anderen Verfahren. • Die Ergebnisse sind genauer als bei anderen Verfahren. • Die Ergebnisse liegen quantitativ vergleichbar vor und können somit leichter ausgewertet werden. • Die Durchführung solcher Tests kann sehr kostengünstig gestaltet werden. • Durch den Einsatz von Tests wird gegebenenfalls ein störender zwischenmenschlicher Einfluss wie bei Bewerbungsgesprächen weitgehend ausgeschaltet. Dagegen stehen die Nachteile: • Testverfahren werden von Entscheidungsträgern manchmal als unseriös angesehen und deshalb nicht akzeptiert. 53

• Andererseits legen Entscheidungsträger manchmal aber auch zu viel Wert auf solche Testverfahren, so dass den Ergebnissen ein zu hoher Stellenwert zukommt. • Für viele wichtige Kriterien der jeweiligen Eignungstests liegen noch keine geeigneten Verfahren vor. • Auch bei Bewerbern stoßen diese Testverfahren gelegentlich auf wenig Akzeptanz. • Oft enthalten Tests Kriterien, die für den Zweck des Tests völlig unbedeutend sind. • Gelegentlich mangelt es an einer professionellen Ausarbeitung solcher Tests oder sie sind veraltet. • Es fehlt manchmal die klare Trennung zwischen Privatsphäre und berufsrelevanten Charaktereigenschaften. • Tests sind trainierbar. • Der Zustand einer Person wird mit dem Ergebnis des Tests festgeschrieben, dadurch werden die Veränderungsmöglichkeiten der Person vernachlässigt. 3.3.3.4

Psychologische Instrumente als Hilfe bei der Personalauswahl

Gerade in wirtschaftlich und arbeitsmarktpolitisch problematischen Zeiten sind gute Mitarbeiter besonders wertvoll. Unternehmen können und müssen aus einem Angebotsüberhang von Bewerbern auswählen. Dabei ist die bestmögliche Übereinstimmung zwischen den Anforderungen einer zu besetzenden Stelle und den Fähigkeiten und Eigenschaften der Bewerber das erste Ziel. Je besser eine Person für eine ausgeschriebene Position geeignet ist, desto besser wird sie den Aufgaben gewachsen sein, wodurch sich Arbeitsmotivation und Effizienz steigern. Unternehmen profitieren wiederum von motivierten und effizienten Mitarbeitern durch höhere Qualität und minimierte Fluktuationen. Anhand der Stellenbeschreibung lassen sich die Qualifikationsmerkmale formulieren, die ein Bewerber idealer Weise mitbringen soll. Daraus lässt sich ein Anforderungsprofil ableiten. Durch die Vielzahl verschiedener Verfahren der psychologischen Eignungsdiagnostik können die relevanten Eigenschaften eines Bewerbers geprüft werden.

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Psychologische Testverfahren zur Personalauswahl werden von den Unternehmen meist als „Einstellungstestphase“ zwischen die Auswertung der Bewerbungsunterlagen und dem Vorstellungsgespräch geschaltet. Diese Verfahrensweise ist als sinnvoll zu erachten, da man sich lediglich durch die Sichtung der Bewerbungsunterlagen und der Durchführung eines Vorstellungsgespräches nicht immer ein umfassendes Bild über die Eignung der einzelnen Kandidaten machen kann. Das Personalauswahlverfahren kann aus einem Intelligenz-Leistungstest und einem Persönlichkeitstestverfahren oder nur aus einer dieser beiden Komponenten bestehen. Es dient der Messung individueller Fertigkeiten und Verhaltensmerkmale, aus denen Schlüsse auf Eigenschaften des Bewerbers und auf sein Verhalten in anderen Situationen gezogen werden können. Die Einstellungstests lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Allgemeine und spezielle Leistungstests. 3.3.3.5

Allgemeine Leistungstests:

Verhaltensanteile, die in jeder Leistung des Menschen enthalten sind und sein gesamtes Tun formen, z. B. Intelligenz, Konzentration, Gedächtnis, Aufmerksamkeit usw. werden mit diesen Tests geprüft. Die Konzentrationsfähigkeit wird z. B. durch Tests kontrolliert, in denen die Getesteten einfache oder schwierige Aufgaben unter Zeitdruck lösen müssen (z. B. INKA). Lern- und Gedächtnisleistungen in einer Prüfsituation werden mit Tests erfasst, in denen der Proband sich z. B. Vokabeln, einen Stadtplan oder Telefonnummern einprägen muss, die nach verschiedenen Zeiträumen in unterschiedlichen Formen abgefragt werden. 3.3.3.6

Spezielle Leistungstests:

Hier werden Verhaltensanteile, die zur Ausführung besonderer Anforderungen benötigt werden, abgefragt. Motorische Fähigkeiten wie das Fingerund Handgeschick, können beispielsweise mit Drahtbiegeproben beurteilt werden, bei denen der Bewerber ein Stück Draht so formen muss, dass es möglichst exakt der gezeichneten Vorlage entspricht. Andere Verfahren messen sensorische Fähigkeiten, mechanisch-technisches Verständnis oder organisatorische Fähigkeiten (wie z. B. Schreibmaschinentest, Sortieraufga55

ben usw. für Büroberufe). Die Ergebnisse ergeben sich aus der Zahl der richtigen Lösungen, durch die Lösungszeit oder durch die Qualität der Arbeit. Da in Leistungstests gezielt auf bestimmte berufsrelevante Kriterien eingegangen werden kann, eignet sich diese Testart sehr gut zur Ermittlung der beruflichen Eignung. Der Nachteil besteht jedoch darin, dass sie kein vollständiges Bild der Begabungen eines Menschen vermitteln kann, sondern nur einen Ausschnitt zeigt. So werden z. B. soziale Fertigkeiten überhaupt nicht dabei beachtet, obwohl auch diese zum beruflichen Erfolg beitragen. Die bekannteste Untergruppe der Leistungstests sind die Intelligenztests. Hierbei werden zum einen die operativen Fähigkeiten wie Bearbeitungsgeschwindigkeit, Ideenreichtum, Verarbeitungskapazität und Gedächtnis, zum anderen die inhaltsgebundenen Fähigkeiten wie z. B. sprachliches, rechnerisches oder formallogisches Denken, Kombinations-, Abstraktions- und Vorstellungsfähigkeit anhand unterschiedlicher Aufgaben geprüft, deren Ergebnisse sich dann in Form eines Leistungsprofils mit den individuellen Begabungsstärken und Begabungsschwächen als Gesamtwert interpretieren lassen. Die Ergebnisse in Untertests und die Gesamtwerte können in den „Intelligenzquotienten“ umgerechnet werden. Dieser dient als statistisches Maß für den Vergleich der Leistung einer Person mit einer Bezugsgruppe, z. B. der gleichen Altersgruppe oder mit gleicher Berufsausbildung. Ein Intelligenztest, der jedoch nur die inhaltsgebundenen Fähigkeiten prüft, hat meist keinen konkreten Arbeitsplatzbezug mehr. Beispiele für Intelligenztests: • IST 2000 • APM • IBF

3.3.4 Arbeitsproben und ähnliche Verfahren Arbeitsproben haben eine lange Tradition in der Personalauswahl. So gibt es bereits seit langer Zeit beispielsweise Schreibtests für Schreibkräfte. Hiermit wird unmittelbar die Leistung der Bewerber/innen gemessen. Damit steht unmittelbar ein objektives Einstellungskriterium zur Verfügung.

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Leider ist es nicht immer möglich, eindeutige Arbeitsproben zu entwickeln. Insbesondere bei hochkomplexen Tätigkeiten kann es schwierig werden, objektive Arbeitsproben zu entwickeln. Bei Tätigkeiten, die ein hohes Maß sozialer Kompetenz verlangen, hat sich in der letzten Zeit die Methode der critical incidents (kritische Ereignisse) bestens bewährt. Diese Methode, die auch bei vielen strukturierten Interviews Verwendung findet, wird folgendermaßen angewandt: Critical incidents werden für jede zu besetzende Stelle bzw. Stellengruppe neu konstruiert. Experten (z. B. Vorgesetzte) aus dem Bereich, in dem die Stelle besetzt werden soll, werden befragt, welche wichtigen Ereignisse/Situationen an dem jeweiligen Arbeitsplatz bewältigt werden müssen. In einem zweiten Schritt werden dann Mitarbeiter, die die gleichen oder ähnliche Tätigkeiten verrichten, danach befragt, wie sie sich in den geschilderten Situationen verhalten würden. Diese Antworten werden anschließend mittels einer 5-stufigen Skala (gut–schlecht) bewertet. Im Rahmen des Einstellungsprozesses, z. B. während eines Interviews, werden den Bewerbern/-innen dann einige dieser Situationen dargelegt und die Antworten der Bewerber/innen anschließend bewertet. Durch diese Vorgehensweise erhält man einen Eindruck von typischen Verhaltensweisen der Bewerber/innen in kritischen Situationen. Beispiel: Critical incident (Situative Frage) für den gehobenen Verwaltungsdienst in einer Kommunalverwaltung: Stellen Sie sich vor, Sie sind Mitarbeiter/in in einem Amt mit Publikumsverkehr. Sprechzeiten sind von 08:00–12:00 Uhr. Anschließend machen Sie in der Regel Ihre Mittagspause. Nun ist es 11:45 Uhr und vor Ihrer Tür sitzen noch drei Bürger. Gleichzeitig erhalten Sie einen Anruf von Ihrem Vorgesetzten, der Sie um 12:10 Uhr sprechen möchte. Aufgrund Ihrer Erfahrung wissen Sie, dass Sie pro Gespräch mit einem Bürger ca. 20 Minuten einplanen müssen. Wie verhalten Sie sich?

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Während eines strukturierten Interviews können ca. 4–5 dieser Fragen an die Bewerber gerichtet werden. Dadurch erhält man guten Aufschluss über allgemeine Verhaltenstendenzen der Bewerber/innen. Auch innerhalb eines AC können critical incident eingesetzt werden. Zusätzliche Informationen über die Bewerber/innen kann man dadurch erhalten, dass man sich die jeweiligen Antworten begründen lässt.

3.3.5 Biografische Fragebögen Der Biografische Fragebogen ist ein Instrument der Personalauswahl, der insb. in angelsächsischen Ländern (USA, GB) bereits in den 1970er Jahren eine große Bedeutung erlangt hatte. In Deutschland sind biografische Fragebögen nach wie vor eher selten anzutreffen. Dies gilt allerdings nicht für eine spezielle Form des biografischen Fragebogens, die gerade im Öffentlichen Dienst angewandt wird: Der Personalfragebogen. Leider muss man aber feststellen, dass der Personalfragebogen oft nicht mit dem notwendigen inhaltlichen Bezug zur Stelle konzipiert wird. Damit wird die Chance zur Generierung zusätzlicher Daten über die Bewerber oftmals ungenutzt gelassen. Insgesamt gesehen sind biografische Fragebögen eine ernstzunehmende Alternative bei der Personalauswahl und werden auch bei der DIN 33430 ausdrücklich genannt. Die Biografischen Fragebögen fußen auf der Idee des Vergleichs biografischer Merkmale von erfolgreichen Stelleninhabern und den biografischen Merkmalen von Bewerbern. Unter den Bewerbern werden im Sinne eines Analogieschlusses die Personen favorisiert, die über gleiche oder ähnliche Merkmale wie die erfolgreichen Stelleninhaber verfügen. Vorteile des biografischen Fragebogens sind dann anzutreffen, wenn die Leistungen der Bewerber sehr ähnlich oder gar identisch sind. In diesem Falle führt die Durchführung von psychologischen Tests in der Regel nicht zum Ziel.

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Biografische Fragebögen umfassen in der Regel Fragen aus den Bereichen: • Schule (Leistung, Fachpräferenzen, Aktivitäten, Erleben) a. niedriger Schulabschluss b. kein weiterer Schulbesuch c. kein Schuljahr wiederholt • Berufswahlverhalten und -motive a. Ausbildungsinformation durch Arbeitsamt b. Mit Eltern selten über Berufswahl gesprochen c. Ausbildungsinformationen durch Freunde • Freizeitverhalten a. Freizeitbeschäftigung eher alleine b. In der Freizeit immer mit Freunden zusammen c. Vereinsmitgliedschaften • Interessen a. wenige Bücher gelesen b. das meiste vom eigenen Geld wird gespart • Familie a. Beruf der Mutter qualifiziert b. Eltern gewähren Freizügigkeit c. Eltern haben bei der Berufswahl beraten • Soziale Aktivitäten a. gerne bei geselligen Veranstaltungen b. keine Ämter in der Schule c. Amt in Verein oder Jugendgruppe • Selbstbild a. Einschätzung der Schulzeit als nicht erfolgreich b. Überzeugungsversuche bei Diskussionen c. Unzufrieden mit den Schulleistungen 59

• Attributionsstil a. Ärger mit Lehrern wegen schlechter persönlicher Beziehung b. Einschätzung der Schulzeit als nicht erfolgreich Aus dieser Aufzählung wird deutlich, dass biografische Fragebögen umfangreiche Instrumente darstellen, die mehr als 200 Fragen umfassen können. Beispiele für Items aus biografischen Fragebögen: Wie viele Reden, Vorträge etc. haben Sie in Ihrem Leben schon gehalten? • 5 und weniger • ca. 10 • ca. 20 • ca. 50 • wesentlich mehr als 50

Haben Sie jemals eine Arbeitsstelle durch Kündigung seitens Ihres Arbeitgebers verloren? • ja • nein, selbst zuvorgekommen • nein, nie • nein, bestes Einvernehmen/ ohne Probleme

Diese Items sind überdies sehr gut geeignet, auch in Personalfragebögen oder Bewerbungsbögen Verwendung zu finden. Es werden international und im deutschsprachigen Raum eine Vielzahl von unterschiedlichen Instrumenten angeboten (z. B. „Personal History Index“ von BAEHR et al, 1965), die für den spezifischen Einsatz aktualisiert und ergänzt werden müssen.

3.3.6 Berufsbezogene Persönlichkeitsfragebögen Obgleich berufsbezogene Persönlichkeitsfragebögen auch in der DIN 33430 ausdrücklich angesprochen werden und es auch eine Reihe von Instrumenten auf dem Markt gibt – z. B. EPPS (Edwards Personal Preference Schedule) oder das deutschsprachige CPI (California Personality Inventory) und der DWP (Dimensionen und Werte der Persönlichkeit als neues Verfahren) – werden diese Verfahren relativ selten eingesetzt. Oftmals mangelt es an einem klaren Bezug zu der jeweils zu besetzenden Stelle. Darüber hinaus trifft es zwar zu, dass beispielsweise ein/e extravertierte/r Bewerber/in für eine Stelle mit Publikumsverkehr besser geeignet sein kann als eine Person, die eher introvertiert ist; dies sollte jedoch nicht dazu führen, dass die Persönlichkeit der Personen einen zu hohen Einfluss auf die 60

Auswahlentscheidung haben sollte. Auch introvertierte Personen können, bei entsprechendem Training, hervorragend diesen Tätigkeiten nachgehen. Auf der anderen Seite werden allerdings im Bereich der Führungskräfteentwicklung zunehmend Verfahren eingesetzt, die nicht nur Leistungsaspekte erfassen, sondern darüber hinaus auch Aspekte der Teamorientierung oder anderer Schlüsselqualifikationen. Diese Verfahren haben aber einen stark verhaltensbezogenen Ansatz und sollen Hinweise liefern, welche Fortbildungen Führungspersonen benötigen, um sich weiterzuentwickeln. Bei diesen Verfahren handelt es sich z. B. um: • 360°-Beurteilungs- und Entwicklungssysteme für Führungskräfte • q-sort Technik. Beide Verfahren sollen kurz dargestellt werden. 3.3.5.1

360°-Beurteilungs- und Entwicklungssysteme für Führungskräfte

360°-Beurteilungssysteme gibt es im deutschsprachigen Raum seit etwa 1996. Seither haben sie sich in allen Bereichen der Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes bewährt. Diese Systeme begründen sich ausschließlich auf konkrete Verhaltensweisen. Gemeinsames Ziel dieser Verfahren ist das Erkennen von Führungsschwächen und die anschließende Beseitigung der Schwächen. Die Führungskräfte sollen sich hierbei neue, verbesserte Verhaltensweisen erarbeiten und in der Praxis anwenden. Hierbei wird folgendermaßen vorgegangen: Es werden Mitarbeiter/innen, mindestens ein Vorgesetzter, andere relevante Personen aus dem Umfeld der Führungskraft (z. B. Kollegen, Kunden) und die Führungskraft selbst zum Führungsverhalten befragt (Fragebogenmethode). Man erhält auf diese Weise mannigfache Informationen über das Verhalten der zu untersuchenden Führungskraft und kann detailliert auf Schwächen und Stärken eingehen.

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Insgesamt werden Verhaltensweisen aus drei Bereichen berücksichtigt: • Arbeitserledigung als solche, • Führen einer Arbeitsgruppe und • Selbstorganisation und Beziehung zu anderen. Jeder dieser drei Bereiche wird mit mehreren Dimensionen erfasst. So besteht ein 360°-Beurteilungssystem in der Regel aus bis zu 150 einzelnen Verhaltensweisen, die sich in bis zu 24 Verhaltensdimensionen aufgliedern können. Die Ergebnisse der Befragungen werden mit den betroffenen Führungspersonen ausführlich besprochen. Die Vorteile dieses Vorgehens liegen auf der Hand: Der Erfolg von Personalentwicklungsmaßnahmen wird kontrollierbar. Darüber hinaus wird der Vielfältigkeit der Menschen Rechnung getragen und akzeptiert, dass es viele individuelle Wege des Führens gibt, die zum Ziel führen können. 3.3.5.2

q-sort Technik

Die q-sort Technik geht von der Überlegung aus, dass Stärken und Schwächen von Personen „normalverteilt“ sind. Das bedeutet, dass es jeweils nur wenige Verhaltensaspekte gibt, die eine Person besonders gut beherrscht und auch nur wenige Aspekte bei denen Sie sehr große Schwierigkeiten hat, aber die überwiegende Zahl der Verhaltensaspekte durchschnittlich ausgeprägt sind. Die Vorgehensweise sieht so aus, dass eine große Anzahl von Verhaltensbeschreibungen in Kategorien verteilt werden müssen, wobei genau festgelegt ist, wie viele Verhaltensweisen in jeder Kategorie abgelegt werden dürfen. Damit kommt man zu einer individuellen Stärke-Schwächen-Analyse. Das Verfahren kann beispielsweise so aussehen: 60 Verhaltensweisen sollen in 9 Kategorien abgelegt werden, die Zahl der Verhaltensweisen pro Kategorie ist festgelegt: Kategorie:

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2

3

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Zahl d. Verhaltensw.: 2

4

7

10

14

10

7

4

2

(Kategorie 1 bedeutet: Schwäche, Kategorie 9 bedeutet: Stärke 62

Damit erhält man ähnlich wie bei den 360°-Beurteilungssystemen eine individuelle Abschätzung von Stärken und Schwächen, hier allerdings mit dem Akzent der Selbstbeurteilung. Im Rahmen der Personalauswahl lässt sich die q-sort Technik beispielsweise so nutzen, indem man die Bewerber auffordert, sich dem Verfahren zu unterziehen und die individuellen Ergebnisse mit dem „q-sort“ vergleicht, das optimal für die zu besetzende Stelle definiert wurde. Durch diese Vorgehensweise konnten bereits positive Erfahrungen in der Praxis gemacht werden.

3.4 Planung, Durchführung und Auswertung 3.4.1 Anforderungsanalyse Die Anforderungsanalyse sollte die Merkmale eines Arbeitsplatzes oder einer Ausbildung, Fort- oder Weiterbildung ermitteln, die für den Erfolg und die Zufriedenheit bzw. das Commitment besonders wichtig sind. Eine bereits vorhandene Stellenbeschreibung, Ausbildungsordnung oder dergleichen kann hierbei bereits hilfreich sein. Übliche Aspekte, die bei einer Anforderungsanalyse berücksichtigt werden können, sind: • Kognitive Fähigkeiten • Psychomotorik • Wahrnehmungs- und Sinnesleistungen • Interaktiver bzw. sozialer Bereich • Wissen und Fertigkeiten

3.4.2 Informationen über den Arbeitsplatz Den Bewerbern/-innen sollten Informationen über den Arbeitsplatz gegeben werden. Teilweise geschieht dies bereits in manchen strukturierten Interviews.

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Je früher die Informationen gegeben werden, desto eher werden Bewerber/innen in die Lage versetzt, zu erkennen, inwieweit eine angebotene Stelle ihren Neigungen und Wünschen entsprechen kann. Mit dieser Vorgehensweise wird darüber hinaus dem Gedanken Rechnung getragen, dass es sich bei Eignungsbeurteilungen um zweiseitige Prozesse handelt: Auch die Bewerber/innen sollten entscheiden können, ob eine angebotene Position die Richtige ist.

3.4.3 Vorauswahl Im eignungsdiagnostischen Prozess spielt die Vorauswahl eine wichtige Rolle. Durch die Vorauswahl sollen zu einem frühen Zeitpunkt die Personen identifiziert werden, die grundlegenden Anforderungen der Position nicht gewachsen sind. Deshalb soll die Vorauswahl von der Anforderungsanalyse abgeleitet sein. Darüber hinaus ist die Bedeutung der Vorauswahl abhängig von dem eingesetzten diagnostischen Verfahren, da mit der Festlegung der Auswahlmethode über die Zahl der Personen entschieden wird, die den eignungsdiagnostischen Prozess vollständig durchlaufen. So hat die Vorauswahl bei der Methode „Interview“ eine größere Bedeutung, als beispielsweise bei den Methoden „Assessment-Center“ oder „Tests“.

3.4.4 Untersuchungssituation Die Bewerber/innen sollten bereits bei der Einladung zu einem Auswahlverfahren darüber informiert werden, wie der Ablauf aussehen wird. Zu Beginn der Untersuchung sollten die Teilnehmer/innen eingehend über den Ablauf informiert werden. Hierbei sollten insbesondere die folgenden Punkte angesprochen werden: • Ziele, Ablauf, Dauer und Funktion der Untersuchung; • beteiligte Personen, deren Qualifikation und Funktion; • mögliche Folgen mangelnder Kooperation sowie • Datenschutz.

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Die Bewerber/innen sind über den Tagesablauf zu informieren, dabei sind Pausen einzuplanen, damit es nicht zu einer Überbeanspruchung der Teilnehmer kommt. Die Untersuchungsumgebung sollte angemessen räumlich und sächlich ausgestattet sein.

3.4.5 Gesetzliche Vorgaben Zulässige/unzulässige Fragen im Einstellungsgespräch Zulässige Fragen: • beruflicher Werdegang • vorheriges Gehalt • chronische Erkrankungen • Berufskrankheiten Unzulässige Fragen: • Gewerkschaftszugehörigkeit • bevorstehende Heirat • Krankheiten allgemeiner Art • Religionszugehörigkeit • Parteizugehörigkeit • bestehende Schwangerschaft Darüber hinaus sind zu berücksichtigen: • Schweigepflicht • Datenschutzbestimmungen • Mitwirkungsrechte • Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG) Der öffentliche Dienst hat zudem eine Reihe von zusätzlichen Rechtsgrundsätzen zu berücksichtigen.

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3.5 Planung, Durchführung und Dokumentation In der Planung der Eignungsbeurteilung werden vorab alle Aspekte der Durchführung und Auswertung der zur Verwendung kommenden Verfahren festgelegt. Auch die Ergebnisvermittlung an die Bewerber/innen wird in diesem Stadium festgelegt. Im Einzelnen ist auf folgende Aspekte zu achten: • Die Reihenfolge der Verfahren bzw. Verfahrensteile wird festgelegt. Von dieser Reihenfolge darf nur abgewichen werden, wenn den Bewerbern/-innen daraus keine Vor- oder Nachteile erwachsen. • Es ist zu regeln, wie mit evtl. Nachfragen umgegangen wird. • Bei Verfahren, die auf Beobachtungen oder mündlich gewonnenen Daten beruhen, müssen den Beurteilungskategorien vorab Beispielverhaltensweisen bzw. Beispielaussagen zugeordnet werden. • Bei schriftlichen Aufgaben ist zu klären, wie mit nicht bearbeiteten Teilaufgaben umgegangen wird. • Die Objektivität der Durchführung der Verfahren muss gewährleistet sein. • Anweisungen bzw. Erläuterungen an die Bewerber/innen müssen verständlich, eindeutig und standardisiert erfolgen. Wird von den vorab definierten Verfahrensweisen abgewichen, muss dies protokolliert werden. Die Auswahl der Verfahren und das Vorgehen müssen nachvollziehbar sein. Dokumentiert werden sollten in der Regel: • Die Instruktionen, • Verfahrenselemente (z. B. Interviewleitfaden, Rating-Skalen, Beurteilungsbögen) und • Einstufungshilfen/Regeln für die Ableitung der Eignungsbeurteilung.

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3.6 Auswertung, Interpretation, Urteilsbildung Die Auswertung richtet sich nach den zuvor festgelegten Vorschriften (Planung) bzw. nach den in den Testmanualen vorgeschriebenen Verfahrensregeln. Es dürfen nur Informationen zu anforderungsrelevanten Eignungsmerkmalen ausgewertet werden. Geben mehrere Beobachter ein Urteil ab, so sind das Gesamtergebnis und die Streubreite zu dokumentieren. Die Festlegung der Regeln zur Interpretation der Verfahrensergebnisse und zur abschließenden Beurteilung erfolgt durch den verantwortlichen Autor des eignungsdiagnostischen Verfahrens. Die individuellen Ausprägungen der interessierenden Merkmale sind im Blick auf die Referenzgruppe zu bewerten. Die Interpretation und die Eignungsbeurteilung müssen sich nach den Grundsätzen der Objektivität, sowie der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit in Bezug auf die Personen richten. Bei der Urteilsbildung ist darauf einzugehen, auf welche Verfahrensergebnisse sich die Eignungsbeurteilung stützt. In die Urteilsbildung gehen alle sachdienlichen Informationen, z. B. auch Informationen aus den Bewerbungsunterlagen, ein. Die Darstellung muss auch für Laien sprachlich verständlich sein. Werden Textbausteine bei der Befundinterpretation verwendet oder fußt der Befund auf ein computergestütztes Verfahren mit automatisierter Klassifikation, ist dies gesondert mitzuteilen. Auch bei automatisierten Interpretationen trägt der Autor der eignungsdiagnostischen Prozedur die Verantwortung für die Richtigkeit des Befundes.

3.7 Qualitätskriterien und -standards 3.7.1 Verantwortlichkeiten beim Vorgehen Der Autor der eignungsdiagnostischen Prozedur ist in erster Linie der Verantwortliche für die Planung, Durchführung, Auswertung, Interpretation 67

und Dokumentation. Er hat die Fachaufsicht über andere an der Auswahl beteiligte Personen. Der Autor muss: • die Verfahren zur Eignungsbeurteilung auswählen und zusammenstellen; • die Untersuchungssituation planen; • die Beurteilungsregeln festlegen; • die Interpretationsregeln festlegen. Aber: Der Autor trifft nicht die Personalentscheidung!

3.7.2 Qualitätskriterien der eingesetzten Verfahren Es sollen nur die Verfahren eingesetzt werden, die nachweislich einen Bezug zu den Anforderungen haben. Dieser Bezug ist durch eine Anforderungsanalyse festzustellen. Bei der Auswahl der Verfahren sind nachfolgende Kriterien zu beachten: • Objektivität • Reliabilität (Zuverlässigkeit) • Validität (Gültigkeit) • Normwerte • Soziale Validität Darüber hinaus sind auch die Besonderheiten der jeweiligen Eignungsbeurteilung zu berücksichtigen (z. B. Zahl der offenen Stellen und die Art und Qualifikation der Bewerber/innen).

3.7.3 Qualifikationsanforderungen an die Durchführenden Je nach eingesetzter Methode sollten die an den Personalentscheidungen beteiligten Personen über grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten bei der Durchführung von Instrumenten der Personalauswahl verfügen. Diese grundlegenden Kenntnisse sind vom Autor der eignungsdiagnostischen Prozedur in geeigneter Weise zu vermitteln. 68

Darüber hinaus sollte der Autor einer eignungsdiagnostischen Prozedur Kenntnisse über folgende Aspekte nachweisen (in Auszügen): Zur Anforderungsanalyse: • Kenntnisse der Arbeits- und Anforderungsanalyse. • Kenntnisse über Methoden zur Operationalisierung von Eignungsmerkmalen. Zu Verfahren: • Grundkenntnisse über Verfahren der Eignungsbeurteilung. • Statistisch-methodische Grundlagen • Testtheorien • Evaluationsmethodik • Konstruktgrundlagen • Einsatzmöglichkeiten • Durchführungsbedingungen • Gütekriterien • Gutachtenerstellung Zu Eignungsbeurteilung: • Kenntnisse der Vorgehensweisen in der Eignungsbeurteilung. • Kenntnisse über verschiedene Strategien der Eignungsbeurteilung. • Abschätzung der Prognosegüte. • Kenntnisse der Ergebnisse einschlägiger Evaluationsstudien.

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4. Superleadership Der erste Schritt zum Super-Leader ist der Self-Leader (sich selbst führen). Dieser Begriff meint, inwieweit eine Führungskraft in der Lage ist, sich selbst zu führen. Zum Self-Leader sind folgende Fähigkeiten notwendig: • Self-Set Goals = Ziele selbst setzen • Management of Cues = Hinweise erkennen und ordnen • Rehearsal = Üben • Self-Observation = Sich selbst beobachten • Self-Rewards = Sich selbst belohnen • Natural Rewards = Natürliche Belohnungen bevorzugen • Self-Leadership of the Mind = Sich als Person selbst führen Zum Super-Leader wird ein/e Vorgesetzte/r wenn es Ihm/ihr gelingt, die Elemente des Self-Leaderships auch bei den MA hervorzurufen. Das Ziel ist, die Fähigkeit sich selbst zu führen bei den MA zu wecken und zu stärken.

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5. Psychologische Analyseverfahren für Führungskräfte • RANRA (Rust Advanced Numerical Reasoning Appraisal) • DWP (Dimensionen und Werte der Persönlichkeit) • WGCTA (Watson-Gleser Critical Thinking Appraisal) • Q-Sort Appraisal • Testverfahren zur Entscheidungsfähigkeit (Quantität der Entscheidung) • Expert Appraisal (in Vorbereitung) • Verschiedene Zusammenstellungen der genannten Verfahren Praktische Vorgehensweise Der erste Schritt bei der Implementierung eines Entwicklungsprogramms für Führungskräfte ist die Messung der aktuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Hierbei werden sowohl die aktuellen Führungskräfte als auch potenzielle Nachwuchsführungskräfte einbezogen. Es wird von der Prämisse ausgegangen, dass es in der Zukunft auch für Verwaltungen immer schwieriger werden wird, den notwendigen Führungsnachwuchs extern zu rekrutieren, da aufgrund der demografischen Entwicklung der Arbeitsmarkt immer kleiner werden wird. Anschließend werden die Ergebnisse mit allen Betroffenen ausführlich besprochen und individuelle Entwicklungspläne werden erstellt. Die Entwicklungspläne werden sukzessive umgesetzt. Die Qualität der Maßnahmen ist ständig zu prüfen und ggf. müssen diese aktualisiert werden.

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6. Outplacement SEIWERT (1989) versteht unter Outplacement, auf welche Weise sich ein Unternehmen von einer Führungskraft trennt. Hierbei soll erreicht werden, dass die Trennung unter Einbeziehung eines Personalberaters einvernehmlich und ohne „Scherbenhaufen“ durchgeführt wird. Dem betroffenen Mitarbeiter soll dabei geholfen werden, einen neuen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Das kündigende Unternehmen soll damit einen sozial verantwortbaren Positionswechsel durchführen können. Damit soll eine „win-win“-Situation erreicht werden. Das Outplacement soll demnach beiden Parteien eine Trennung erleichtern. Das Outplacement wird aber nicht bei allen Positionsverlusten von Führungskräften eingesetzt. Wenn es sich um eine reguläre Kündigung handelt, z. B. bei einer Fusion zweier Unternehmen, wird auf das Outplacement oft verzichtet. Der Kündigungsgrund ist in diesem Fall nachvollziehbar. Ein Outplacement läuft in vier Phasen ab: 1. Vorbereitung – der Berater verschafft sich einen Überblick über die Outplacement-Gründe und bereitet seine Maßnahmen vor. 2. Übermittlung der Nachricht – diese kann durch den Berater übermittelt werden; es ist aber auch möglich, dass der Berater Vertreter der Personalabteilung bei der Übermittlung unterstützt bzw. diese darauf vorbereitet. Das Überbringen der Nachricht kann eine ebenso große psychische Belastung darstellen, wie das Empfangen der Nachricht für den betroffenen MA. 3. Beratung – während der Beratung wird der betroffene MA zunächst psychisch gestützt. Anschließend werden Maßnahmen ergriffen, die eine neue Position bei einem anderen Arbeitgeber möglich machen. Hierzu gehören Trainings zum Einstellungsinterview, die Durchführung von 360°-Feedbacks und weitere Trainingsprogramme. 4. Evaluation – die Maßnahmen werden evaluiert indem der Erfolg der Maßnahmen aus der Beratungsphase kontrolliert und geprüft wird. Dies gelingt durch die Prüfung, ob und welche neue Position bei einem anderen Unternehmen besetzt werden konnte.

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Outplacement-Maßnahmen werden von den Betroffenen oft positiv bewertet und führen zu hohen Wiederbeschäftigungsquoten (45 %-95 %). Für die Unternehmen besteht der Vorteil darin, dass die entlassenen MA nicht schlecht über ihr altes Unternehmen reden und damit dem Unternehmen Schaden zufügen. Aber es gibt auch gegenteilige Meinungen: Dass Outplacement-Maßnahmen nicht nur positiv gesehen werden, kann man an einer kontinuierlichen Befragung, die das Internet-Portal „Telenu.com“ in den USA durchführt, erkennen. Nach dem Stand vom 13.01.2010 bewerteten 88 % der entlassenen MA die Entlassungsmodalitäten als sehr negativ. 94 % haben zudem keine guten Erfahrungen mit Outplacement gemacht. 81 % der weiterhin Beschäftigten erschien ihre Arbeitsstelle nach der Entlassung vormaliger Kollegen als weniger sicher und die Arbeitsmoral von 74 % der noch Beschäftigten sank rapide. Allerdings beschrieben die 12 % der Entlassenen, die positive Erfahrungen mit der Entlassung machten, OutplacementMaßnahmen als fair. Mittlerweile wird das Outplacement auch auf andere Beschäftigungsgruppen übertragen – damit wird die Wertschätzung für die Beschäftigten demonstriert. Ein Gruppenoutplacement ist bei homogenen Beschäftigungsgruppen möglich.

73

7. Anonymisierte Bewerbung Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat im jahr 2010 eine Untersuchung initiiert, Diskriminierungen durch anonymisierte Bewerbungen entgegenzutreten. Insbesondere Diskriminierungen aufgrund folgender Merkmale • Geschlecht, • Alter, • Herkunft, • Ethnischer Herkunft und • Name sollen durch die Entfernung dieser Informationen aus den Bewerbungsunterlagen verringert werden. Damit ist die mögliche Wirksamkeit von Vorurteilen bei der Vorauswahl minimiert. In anderen Ländern hat man mit dieser Vorgehensweise in den letzten Jahren und Jahrzenten gute Erfahrungen machen können. Auch in der öffentlichen Verwaltung (Stadt Göteborg, Schweden), wurde die anonymisierte Bewerbung bereits erfolgreich eingesetzt. Die ausländischen Erfahrungen zeigen, dass durch die anonymisierte Bewerbung mehr ältere Bewerber/innen, mehr Frauen und mehr Menschen mit einem Migrationshintergrund in den Arbeitsprozess eingegliedert werden konnten. Die Vorgehensweise kann demzufolge als erfolgreich gewertet werden. Das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) wurde von der ADS mit der wissenschaftlichen Betreuung des Verfahrens in Deutschland betraut. Das IZA hat eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, wie die anonyme Bewerbung in die Praxis eingeführt werden kann. Man kann davon ausgehen, dass nur geringfügige Änderungen des üblichen Prozedere notwendig sind. Dies können sein: • Es sollte ein Personalbogen entwickelt werden, der die o. g. kritischen Merkmale nicht erfasst. Die Vorauswahl findet auf Basis dieses Personalbogens statt.

74

• Diese Personalbogen können sowohl bei online-Bewerbungen, als auch bei herkömmlichen Bewerbungen eingesetzt werden. Bei herkömmlichen Bewerbungen sollte (wegen der Anonymisierung) der zusätzliche Personalbogen auf der Homepage des Arbeitgebers abrufbar sein. • Erst wenn die Vorauswahl abgeschlossen ist, wird durch geeignete Maßnahmen die Anonymität aufgehoben. • Arbeitgeber haben den Vorteil, dass der Bewerberpool effektiver ausgeschöpft wird, da Vorurteile die Auswahl nicht verzerren können und mögliche, geeignete Bewerber frühzeitig aus dem Auswahlprozess ausgeschieden werden. Die anonymisierte Bewerbung sollte in den kommenden Jahren intensiv erforscht und – bei Erfolg – umfassend eingesetzt werden.

75

8. Fazit Es sollte aufgezeigt werden, dass, obgleich die Personalauswahl und Personalplatzierung in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen stehen, es mit bereits heute vorhandenen Mitteln (Auswahlverfahren und Auswahlinstrumente) und Kenntnissen zu deren sachgerechten Anwendung möglich sein wird, die Probleme des demografischen Wandels erfolgreich zu bewältigen. Allerdings sind dabei einige Aspekte zu berücksichtigen, die sich mit den Instrumenten der Personalauswahl oder Personalentwicklung nicht lösen lassen. Diese Probleme erfordern strategische Lösungen der verantwortlichen Spitze der jeweiligen Organisation. Dabei handelt es sich um folgende Probleme: • Attraktivität des Arbeitsplatzes. • Bereitschaft, Nachwuchskräfte selbst auszubilden. • Bereitschaft, umfangreiche Qualifikations- und Einarbeitungsprogramme durchzuführen. • Durchführung einer anonymisierten Personalauswahl. • Bereitschaft, Zuwanderung von Arbeitskräften in größerem Umfang zuzulassen. Diese Probleme sollten idealerweise vor Beginn eines Rekrutierungsverfahren gelöst oder zumindest diskutiert sein. Die Personalrekrutierung und Personalauswahl kann diese Probleme, z. B. durch Veränderungen der Eignungsmerkmale und deren Maßstäbe, nicht lösen!

76

9. Exemplarische Darstellung von Auswahlverfahren Nachfolgend werden auf drei Ebenen Best Practice Beispiele zur Personalauswahl dargestellt. Es handelt sich dabei um: • Auswahl für einen anschließenden Bildungsgang • Auswahl für eine Sachbearbeiterposition • Auswahl für eine Führungsposition Alle Beispiele wurden in der öffentlichen Verwaltung durchgeführt.

9.1 Auswahl von Personen für anschließende Bildungsgänge Wenn Personen für einen anschließenden Bildungsgang ausgewählt werden, sollten immer Auswahlverfahren verwendet werden, die Aussagen über die Leistungsfähigkeit der Bewerber zulassen. An erster Stelle ist hierbei natürlich an Testverfahren zu denken. Damit kann sichergestellt werden, dass Personen, die den Bildungsgang beginnen, diesen auch erfolgreich bewältigen können. Die Verwendung von Testverfahren verbessert die Validität (Gültigkeit) eines Auswahlverfahrens gegenüber der ausschließlichen Verwendung von Schulzeugnissen deutlich. Daneben muss aber auch untersucht werden, ob die motivationale und persönliche Eignung gegeben ist. In der Praxis handelt es sich somit um ein mindestens zweistufiges Auswahlverfahren: • Durchführung eines Tests zur Feststellung der Leistungsfähigkeit. • Durchführung eines strukturierten Interviews oder Einzel-Assessment zur Feststellung der persönlichen Eignung. Üblicherweise wird eine aktenmäßige Vorauswahl dem Prozedere vorangestellt. Hierbei werden formale Eignungskriterien geprüft und bewertet. Im Folgenden soll die Vorgehensweise bei der Auswahl von Personen zum Studium an einer Fachhochschule dargestellt werden. 77

9.1.1 Einführung eines Studierfähigkeitstests Eine wissenschaftlich fundierte Ein- und Durchführung von Studierfähigkeitstests und weiterer Auswahlbestandteile muss über einen längeren Zeitraum geplant werden. 9.1.1.1

Testauswahl

Die Auswahl der Testverfahren zu einer Testbatterie erfolgte im Wesentlichen auf der Analyse der für einen erfolgreichen Studienabschluss notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das bedeutet, dass das Kriterium für den Einsatz von Testverfahren der erfolgreiche Studienabschluss darstellt. Die Berufsbewährung spielt als Kriterium keine Rolle. Hier ist die Hochschule gefordert. Sie muss sicherstellen, dass die Studieninhalte die spätere Praxis abbilden. Ein weiteres Kriterium stell die notwendige Ökonomie des Auswahlverfahrens dar. So soll sichergestellt werden, dass die komplette Testbatterie in maximal vier Stunden absolviert sein sollte. Aufgrund dieser Überlegungen wird vorgeschlagen, folgende Testverfahren zu einer Testbatterie zusammenzustellen: • Test zur Rechtschreibung • Tests zur Rechenfertigkeit • Test zur Konzentrationsfähigkeit • Test zur allgemeinen Begabungsstruktur Nachdem die Testkonzepte festgelegt sind, werden die vorhandenen Instrumente hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit für den angestrebten Verwendungszweck untersucht. Bei der Auswahl der Testverfahren spielte zusätzlich eine Rolle, ob die Testverfahren die Anforderungen der DIN 33430 zu erfüllen in der Lage sind. Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass die Testverfahren den neuesten Stand der Eignungsdiagnostik widerspiegeln und noch nicht lange auf dem Markt sind. Damit wird auch sichergestellt, dass den Bewerbern in aller Regel die Testverfahren unbekannt sind.

78

Auf der Grundlage dieser Überlegungen findet dann die endgültige Testauswahl statt. Folgende Verfahren entsprechen den oben genannten Kriterien: RST Mathematik-Test INKA IBF

9.1.1.2

Rechtschreibtest Textaufgaben, Analyse von Tabellen und Grafiken Konzentrationsfähigkeit Sieben Untertests zur Feststellung von Begabungsschwerpunkten und Gesamttest

Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Testergebnissen und Prüfungsleistungen

Bevor Testverfahren eingesetzt werden können, muss in einer Voruntersuchung überprüft werden, ob die Verwendung des Testverfahrens tatsächlich zu einer Verbesserung der Vorhersageleistung des Studienerfolges führt. Hierbei sind drei Kriterien von besonderer Bedeutung: • Zusammenhang zwischen Testleistung und Prüfungserfolg • Verminderung der Abbrecherquote • Studiendauer Der Zusammenhang zwischen Testleistung und Prüfungserfolg wird korrelativ ermittelt. Die Multiple Regression ergibt folgendes Ergebnis: Multiple Regression Zusammenfassung N

R

105 0,357427892

R-Quadrat

Std.Fehler

0,127754698

2,053724607

Die Multiple Regression ergibt somit R = .36. Damit werden 13 % der Varianz der Prüfungsergebnisse durch die verwendeten Testverfahren erklärt. Dieser Wert gilt für das Gesamtprüfungsergebnis. Untersucht man die Prüfungsbestandteile im Einzelnen, ergeben sich zum Teil höhere Werte. Die einzelnen Prüfungsteile sind teilweise nur gering miteinander korreliert.

79

Da für die Auswahl von Studierenden der Grundsatz zu beachten ist, dass die Durchschnittsnoten des Hochschulzulassungszeugnisses weiterhin zu berücksichtigen sind, ergibt sich die weitergehende Frage, ob die Testbefunde die Validität der Noten soweit steigern kann, dass der Testaufwand gerechtfertigt ist (inkrementelle Validität). Hier ergeben sich folgende Berechnungen: Multiple Regression Schritte

R-Quadrat

korrigiert

Ges.-Note(+)

----

0,21431315

0,206685123

Deutsch(+)

----

0,334917229

0,32187639

Mathe(+)

----

0,338385403

0,318733484

R-Quadrat

Std.Fehler

0,338385403

1,688441408

Zusammenfassung N

R

105 0,581709037

Die Verwendung der Noten ergibt sehr hohe Korrelationen und Regressionen. Die Multiple Regression zeigt, dass 34 % der Varianz der Prüfungsergebnisse durch die Noten erklärt werden kann. Die Verwendung der vorgestellten Tests steigert diesen Wert um ca. 1/3, d. h. Noten und Testergebnisse können etwa 44 % der Varianz der Prüfungsergebnisse erklären. Dieser Zuwachs erscheint groß genug, um die Verwendung der Testverfahren zu rechtfertigen: Ein vierstündiger Test steigert die Validität des Auswahlverfahrens um 1/3! Die Multiple Regression sieht folgendermaßen aus: Multiple Regression Zusammenfassung N

R

R-Quadrat

105 0,6675203 0,445583352 80

Std.Fehler 1,665338979

9.1.1.3

Entwicklung einer Regressionsgleichung für die Beurteilung der individuellen Leistung

Ausgehend von den Testleistungen wird jeder Einzeltest mit einem Gewichtungsfaktor versehen, der umso höher ist, je größer sich der Zusammenhang des Testergebnisses zum Prüfungserfolg darstellt. Parallel hierzu wird eine Rangfolge aufgrund der Gesamtnote des Hochschulzulassungszeugnisses bestimmt. Auch hieraus wird eine Rangfolge entwickelt. Einzelnoten des Zeugnisses finden bei der Ermittlung der Rangfolge keine Berücksichtigung, da es sich bei einer Vielzahl von Untersuchungen zeigte, dass die Validität von Einzelnoten nur sehr gering ist. Die Schulform, in der die Gesamtnote erzielt wurde, spielt hierbei keine Rolle. Das bedeutet, dass Zeugnisse der Allgemeinen Hochschulreife genauso gewichtet werden, wie Zeugnisse anderer Schulformen (Fachabitur, BK1, BK2 usw.). Damit erhält jeder Bewerber einen Testrangplatz und einen Notenrangplatz. Da die Schulleistung und das Testergebnis gleich gewichtet werden, wird die Gesamtrangfolge dergestalt ermittelt, dass die beiden Rangplätze addiert und anschließend durch 2 geteilt werden ((RangTest + RangNote)/2 = Gesamtrang). Je geringer dieser Wert ist, umso höher wird die Qualität des Bewerbers eingeschätzt. Nichtausreichende Leistung Bei der Konzeption eines Verfahrens muss die Frage der Leistungsuntergrenze intensiv diskutiert werden. Hierbei muss geklärt werden, wann die Leistung eines Bewerbers als nicht mehr ausreichend diagnostiziert werden muss. An dieser Stelle sei folgendes Verfahren vorgeschlagen: Sobald ein Bewerber in einem Einzeltest ein Ergebnis erzielt, das mehr als eine Standardabweichung unterhalb des Mittelwertes der Bezugsgruppe liegt, gilt der Test als „nicht bestanden“. Ein Rangplatz wird dann nicht ermittelt und der Bewerber erhält keinen Studienplatz. Mit einer Leistung, die mehr als eine Standardabweichung unter dem Mittelwert liegt, gehört ein Bewerber zu den 16 % leistungsschwächsten Bewerbern.

81

Auch im Hinblick auf die Schulleistung kann man einen Cut-off-Wert bestimmen. An dieser Stelle sei aber von dieser Vorgehensweise abgeraten. Wie bereits beschrieben, werden die Schulformen üblicherweise nicht unterschieden. Wenn man bei dieser Konstellation einen Cut-off-Wert bestimmen würde, würde man das Leistungsspektrum verzerren, da Bewerber mit schwächeren Noten aber einem qualitativ anspruchsvollerem Schulabschluss aus dem Verfahren ausscheiden müssten. Dies würde die Validität nachhaltig negativ beeinflussen.

9.1.2 Fortentwicklung der Testbatterie Mit der ersten Durchführung der Testbatterie wird zugleich die Möglichkeit der Veränderung derselben eröffnet. Neben den bereits dargestellten Testverfahren wird ein zusätzliches Verfahren durchgeführt, das aber noch keinen Einfluss auf die Auswahlentscheidung hat. Anschließend wird geprüft, ob dieses Verfahren zu einer Verbesserung der Vorhersagegüte der Testbatterie führen kann. Sollte dies der Fall sein, kann dieses Verfahren in der Zukunft die Testbatterie ergänzen oder einen Einzeltest ersetzen. Dieses Verfahren kann regelmäßig, mit immer neuen Testverfahren durchgeführt werden.

9.1.3 Validierung des Verfahrens Es gibt Hinweise darauf, dass sich durch den Einsatz von Testverfahren und verbesserten Einstellungsinterviews die Leistungsfähigkeit von traditionellen Auswahlverfahren steigern lässt. Wie bereits dargestellt, kann die Validität des Auswahlverfahrens durch die Verwendung von Testverfahren, gegenüber der ausschließlichen Verwendung der Gesamtnote, um 1/3 gesteigert werden. Aufgrund der geringen Korrelation zwischen Noten und Testergebnissen wird zudem deutlich, dass die Testverfahren etwas substanziell anderes als Schulnoten messen. Aufgrund der Tatsache, dass diejenigen, die ein besseres Ergebnis im Einstellungsverfahren erzielten, üblicherweise auch in den Abschlussprüfungen des jeweiligen Bildungsganges ein besseres Ergebnis erzielen, ist die Validität eines solchen Vorgehens sichergestellt.

82

9.1.4 Qualitätserwartungen an Testverfahren Zum Teil werden in der Praxis an Auswahlverfahren unrealistisch hohe Erwartungen geknüpft. Da man aber häufig mit bereits vorausgelesenen Stichproben arbeiten muss, können bereits niedrige Validitätskoeffizienten zu einer entscheidenden Verbesserung des Verfahrens führen. Dies lässt sich aus den Taylor-Russell-Tafeln herleiten. Hier werden der Validitätskoeffizient mit der Selektionsrate und dem Anteil geeigneter Bewerber in einer unausgelesenen Stichprobe in Beziehung gesetzt. Somit lässt sich erklären, dass auch geringe Validitätskoeffizienten zu einer deutlichen Verbesserung richtig ausgewählter Personen führen können. Außerdem sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bereits eine zusätzliche Person, die ein Studium erfolgreich abschließt den Auswahlaufwand rechtfertigen kann. Hierzu muss man dem Auswahlaufwand und den Auswahlkosten lediglich die Kosten, die ein erfolgloser Studierender für sich und die Hochschule verursacht, gegenüberstellen.

9.1.5 Ergänzung des Verfahrens Das bisher geschilderte Auswahlverfahren wird ergänzt um einen mündlichen Teil, der insbesondere die Motivationsstruktur der Bewerber aufklären soll. Hierbei wird nach dem Grundsatz gehandelt, dass Eignung das Produkt aus Begabung/Leistung und Motivation/Interesse ist: Eignung = Begabung/Leistung • Motivation/Interesse Hierzu wurde ein strukturiertes Interview entwickelt, das sich aus dem Multiphaseninterview (SCHÄFER, 2003) ableiten lässt. Die Struktur und Vorgehensweise wird im Folgenden dargestellt.

83

9.1.5.1

Durchführung eines Multiphaseninterviews

Phase 1: Begrüßung und Informationen zum Gesprächsablauf – In dieser Phase werden keine Informationen über die Bewerber gesammelt. Phase 2: Durchführung einer Gruppendiskussion mit bis zu sechs Teilnehmern. Kriterien: • Kommunikationsfähigkeit • Argumentationsfähigkeit • Soziale Kompetenz • Durchsetzungsvermögen Phase 3: Selbstvorstellung der Bewerber – Der Bewerber gibt mit eigenen Worten kurz den Lebenslauf wider. Kriterien: • Kommunikationsfähigkeit • Fähigkeit, wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen Phase 4: Motivation für die Berufswahl – Der Bewerber gibt die Motivation für die gewünschte Tätigkeit an. Kriterien: • Zahl der Motive • Extrinsische Motive • Intrinsische Motive • Differenz (extrinsische – intrinsische Motive)

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Phase 5: Vorstellungen über die Tätigkeit – Es wird darauf eingegangen, über welche Kenntnisse die Bewerber hinsichtlich der Ausbildung und der späteren Tätigkeit verfügen. Kriterien: • Kenntnisse über die Ausbildung • Kenntnisse über die spätere Tätigkeit Phase 6: Situative Fragen – Bei den situativen Fragen werden den Bewerbern Situationen vorgegeben, die Problembereiche der späteren Tätigkeit darstellen. Die Bewerber werden aufgefordert, sinnvolle Lösungen für die Situationen zu entwickeln. Es geht hierbei nicht um Fachwissen, sondern um Schlüsselqualifikationen. Kriterien: • Soziale Kompetenz • Entscheidungsfähigkeit • Verhandlungsgeschick Phase 7: Abschluss – Die Bewerber werden über das weitere Verfahren informiert und erhalten die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Sollten hierbei Fragen gestellt werden, die eine große Unkenntnis erkennen lassen, kann dies noch in der Urteilsbildung berücksichtigt werden. Kriterium: • Unkenntnis hinsichtlich wichtiger Ausbildungs-/Tätigkeitsaspekte Im Rahmen des Multiphaseninterviews werden eine Reihe von Kriterien geprüft (s. o.). Was bei der Kriterienprüfung zu beachten ist, ist im folgenden Abschnitt kurz dargestellt.

85

9.1.5.2

Kriterienbeschreibung eines Multiphaseninterviews

Phase 2: Durchführung einer Gruppendiskussion mit bis zu sechs Teilnehmern Kriterienbeschreibung: • Kommunikationsfähigkeit – Häufigkeit der Beteiligung. • Argumentationsfähigkeit – Qualität der Beiträge. • Soziale Kompetenz – eingehen auf die Argumente anderer; anderen nicht ins Wort fallen. • Durchsetzungsvermögen – Erfolg in der Diskussion. Phase 3: Selbstvorstellung der Bewerber – Der Bewerber gibt mit eigenen Worten kurz den Lebenslauf wieder. Kriterienbeschreibung: • Kommunikationsfähigkeit – Satzbau; Vollständige Sätze • Fähigkeit, wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen – überwiegend relevante Informationen werden gegeben. Phase 4: Motivation für die Berufswahl – Der Bewerber gibt die Motivation für die gewünschte Tätigkeit an. Kriterienbeschreibung: • Zahl der Motive – Gesamtzahl der Gründe. • Extrinsische Motive (1) – z. B. Sicherheit. • Intrinsische Motive (2) – z. B. spezielle Inhalte der Tätigkeit. • Differenz: extrinsische-intrinsische Motive, (1)-(2).

86

Phase 5: Vorstellungen über die Tätigkeit – Es wird darauf eingegangen, über welche Kenntnisse der Bewerber hinsichtlich der Ausbildung und der späteren Tätigkeit verfügen. Kriterienbeschreibung: • Kenntnisse über die Ausbildung – mindestens drei Fächer werden genannt. • Kenntnisse über die spätere Tätigkeit – mindestens drei Einsatzbereiche werden genannt. Phase 6: Situative Fragen – Bei den situativen Fragen werden den Bewerbern Situationen vorgegeben, die Problembereiche der späteren Tätigkeit darstellen. Die Bewerber werden aufgefordert, sinnvolle Lösungen für die Situation zu entwickeln. Es geht hierbei nicht um Fachwissen, sondern um Schlüsselqualifikationen. Kriterienbeschreibung: • Soziale Kompetenz – der zugrundeliegende Konflikt wird erkannt. • Entscheidungsfähigkeit – es wird eine sinnvolle Entscheidung getroffen. • Verhandlungsgeschick – Vor- und Nachteile von Entscheidungen werden abgewogen. Phase 7: Abschluss – Die Bewerber werden über das weitere Verfahren informiert und erhalten die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Sollten hierbei Fragen gestellt werden, die eine große Unkenntnis erkennen lassen, kann dies noch in der Urteilsbildung berücksichtigt werden. Kriterienbeschreibung: • Unkenntnis hinsichtlich wichtiger Ausbildungs-/Tätigkeitsaspekte – jede Unkenntnis führt zu Punktabzug.

87

Zur Dokumentation des Gesprächablaufs und der anschließenden Bewertungen wurde ein Excel-Programm entwickelt, das die Dokumentation der Beurteilungen eines Bewerbers zulässt (hierbei können die Beobachtungsergebnisse mehrerer Beurteiler berücksichtigt werden). Die Verknüpfung zwischen Testergebnis und mündlichem Auswahlteil Die beiden dargestellten Bestandteile des Auswahlverfahrens werden nach folgender Vorgehensweise miteinander verknüpft. 1. Zunächst wird die Gesamtnote aus den Noten der Hochschulzugangsberechtigung ermittelt. 2. Alle Bewerber mit einer Durchschnittsnote besser als die Grenzdurchschnittsnote werden zum Testverfahren eingeladen. 3. Nach erfolgter Testdurchführung wird ein Gesamtrangplatz aus Durchschnittsnote und Testergebnis ermittelt. 4. Die Bewerber werden sukzessiv nach dem erreichten Rangplatz zu den mündlichen Teilen des Verfahrens zugelassen. Sie sollten dann innerhalb einer begrenzten Zeit ein Zulassungsgespräch führen. 5. Bei einer positiven Bewertung des Zulassungsgesprächs erhalten die Bewerber/innen eine Zusage für einen Studienplatz.

9.1.6 Resümee Der Vorteil der geschilderten Vorgehensweise liegt in einer größeren Objektivität und damit in einer vergrößerten Validität der Entscheidungen. Schulnoten ergeben keine hinreichend hohe Genauigkeit der Leistungsmessung. Testverfahren sind hingegen objektive Leistungsmessverfahren. Die Vorgabe einer Handreichung für die Durchführung eines strukturierten Interviews unterstützt diesen Prozess. Jeder Entscheidungsschritt kann kritisch hinterfragt und überprüft werden. Willkürliche Entscheidungen werden deutlich erschwert.

88

9.2 Auswahl von Personen auf Sachbearbeiterebene Die Auswahl von Personen auf der Sachbearbeiterebene unterscheidet sich von der Auswahl anderer MA. Hier erscheint es besonders wichtig, festzustellen, inwieweit der/die Bewerber/in in eine bereits bestehende Struktur passt. Die Leistungsfähigkeit von Bewerbern/-innen lässt sich sehr gut durch Ergebnisse von Prüfungen und – entscheidender – durch Arbeitszeugnisse abschätzen. Diese Aspekte lassen sich üblicherweise im Rahmen der Analyse der Bewerbungsunterlagen ausreichend erhellen. Es gilt abzuschätzen, inwieweit ein/e Bewerber/in das Anforderungsprofil der Stelle erfüllt und sich in die Struktur der Organisation einpassen kann. Der Auswahlprozess beginnt mit der Formulierung des Anforderungsprofils. Nachdem das Anforderungsprofil entwickelt wurde kann damit begonnen werden, das eigentliche Personalauswahlverfahren durchzuführen.

9.2.1 Vorgehensweise Zunächst muss festgelegt werden, welche der durch das Anforderungsprofil ermittelten Fähigkeiten, Fertigkeiten oder formalen Qualifikationen in welcher Phase des Personalauswahlverfahrens berücksichtigt werden sollen. Nachdem das Verfahren abgeschlossen ist, sollte man zu jedem Aspekt des Anforderungsprofils Aussagen machen können. Der erste Schritt im Rahmen des Personalauswahlprozesses ist in der Regel die sogenannte Vorauswahl. Im Rahmen der Vorauswahl können formale Qualifikationen (Ausbildungsabschlüsse etc.) und Arbeits- bzw. Dienstzeugnisse berücksichtigt werden. Oftmals sprechen diese Unterlagen bereits einige Aspekte des Anforderungsprofils unmittelbar an. Es empfiehlt sich, der Vorauswahl große Bedeutung beizumessen, da diese eine unter Umständen große Bewerberzahl reduzieren muss (dies gilt natürlich in erster Linie dann, wenn sich als weiterer Auswahlschritt ein Interview als Auswahlmethode anschließt). In der Praxis kann man davon ausgehen, dass man für die Besetzung einer Stelle nicht mehr als ca. sechs Bewerber einzuladen braucht. Sollten nach Durchführung der Vorauswahl noch deutlich mehr Bewerber die Kriterien erfüllt haben, muss die Vorauswahl ergänzt werden.

89

Abhilfe schafft hier die Verwendung anderer Auswahlmethoden, z. B. Testverfahren, Teile aus sogenannten Assessment-Center (AC) oder ein strukturiertes Interview. Das unten aufgeführte Beispiel soll die Verbindung zwischen dem Anforderungsprofil und dem Personalauswahlverfahren verdeutlichen. Jede Beurteilungsdimension entspricht einem Aspekt des Anforderungsprofils. Gleichzeitig wird deutlich, mit welcher Methode die jeweilige Dimension untersucht wird: Beurteilungs

Beurteilungs

Beurteilungs

Beurteilungs

bereich

dimensionen

bereich

dimensionen

Schulabschluss Abgeschlossene Berufsausbildung Vorauswahl

Angepasstes Durchsetzungsvermögen

Führerschein

Gruppen-

Teamfähigkeit

Qualität der

diskussion

Kompromissfähigkeit

Bewerbungsunterlagen

Argumentationsfähigkeit

Alter

Ausdrucksfähigkeit

Arbeitszeugnisse Soziale Kompetenz Kommunikationsfähigkeit Rechtschreibung Schriftlicher Test

Sachverhalte darstellen

Flexibilität Gespräch

Einfühlungsvermögen

Allgemeinwissen

Aggressivität

Analogien

Einsatzbereitschaft

Rechnen

Auffassungsgabe

Zahlenreihen

Entscheidungsfähigkeit Ausdrucksfähigkeit Urteilsfähigkeit

Das Beispiel zeigt die Verknüpfung von Merkmalen des Anforderungsprofils mit den Beurteilungsdimensionen im Personalauswahlprozess. (Es handelt sich hierbei um eine Position beim Ordnungsamt einer Kommune im Sicherheits- und Ordnungsdienst.)

90

In diesem Beispiel kommen, neben der klassischen Vorauswahl (Beurteilungsbereich „Vorauswahl“) und dem Interview (Beurteilungsbereich „Gespräch“) auch ein schriftlicher Test (Beurteilungsbereich „schriftlicher Test“) und eine Gruppendiskussion, also ein Element des Assessment-Centers (Beurteilungsbereich „Gruppendiskussion“) zum Einsatz. Zusätzlich werden die Beurteilungsdimensionen genannt, die aufgrund einer Anforderungsanalyse als bedeutsam für die Tätigkeit identifiziert wurden. Insgesamt werden 27 Beurteilungsdimensionen definiert. Teilweise liegen für diese Dimensionen objektive Daten vor (z. B. Zeugnisse, Prüfungsergebnisse, Testergebnisse), teilweise beruhen die Beurteilungen auf subjektiv gewonnenen Daten (z. B. Datengewinnung durch Beobachtung und Beurteilung). Die Beurteilungsdimensionen, deren Ausprägung aufgrund subjektiver Daten untersucht werden, werden sinnvoller Weise von einem Auswahlgremium und nicht nur von einer Person ermittelt. Hierfür muss im Rahmen der Erstellung des Anforderungsprofils definiert werden, wodurch die erwartete Ausprägung der jeweiligen Dimension charakterisiert ist. In einem weiteren Schritt kann die Wichtigkeit der Dimensionen für das Anforderungsprofil durch entsprechende Gewichtungsfaktoren berücksichtigt werden. Die vorgestellte Vorgehensweise kann durch ein einfaches Excel-Programm vereinfacht und systematisiert werden. Die Beurteilungsdimensionen, für die keine ausreichende Datenbasis aus den Bewerbungsunterlagen vorliegt, können z. B. mittels der nachfolgend beschriebenen Vorgehensweise untersucht werden. Auch an dieser Stelle kommt das Multiphaseninterview zum Einsatz.

9.2.2 Ablauf eines Multiphaseninterviews Phase 0: Gruppendiskussion Gemäß dem oben gezeigten Beispiel werden in der Gruppendiskussion eine Reihe von Eignungsmerkmalen untersucht, die in den übrigen Teilen des Auswahlverfahrens nicht untersucht werden können, z. B. Teamfähigkeit, Kompromissfähigkeit.

91

Phase 1: Begrüßung und Informationen zum Gesprächsablauf Zu Beginn des Gesprächs werden den Teilnehmern zunächst die Mitglieder des Auswahlgremiums vorgestellt und es erfolgt eine kurze Beschreibung des Ablaufs des Gesprächs. Hierbei wird vermieden, dass zu sehr die Einzelheiten bereits dargestellt werden, da dies bereits zu Hypothesenbildungen bei den Bewerbern führen könnte. Es wird lediglich dargestellt, dass sich das Gespräch aus verschiedenen Teilen zusammensetzt. Anschließend wird der/die Bewerber/in zu einer Selbstreflexion angehalten, indem z. B. nach typischen „Stärken“ und „Schwächen“ gefragt wird. Hierzu werden dem/der Bewerber/in 60 Karten ausgehändigt. Auf jeder der Karten ist eine Eigenschaft oder eine Verhaltensweise aufgeschrieben. Diese Karten sollen nach einer bestimmten Vorgabe hinsichtlich „Stärken“ und „Schwächen“ sortiert werden. Phase 2: Freier Bericht über Werdegang Der/die Bewerber/in wird aufgefordert, über sich einige Sätze zu sagen. Hierbei werden zunächst absichtlich keine Vorgaben gemacht. An interessanten oder entscheidenden Stellen wird nachgefragt, z. B. „Warum fand nun eine berufliche Umorientierung statt?“ Im Rahmen dieser Darstellung wird auf die Karten mit den Verhaltensbeschreibungen Bezug genommen und der/die Bewerber/in soll begründen, wie er/sie zu seiner/ihrer Wahl gekommen ist. Hierbei werden Aspekte der Selbstreflexion (s. Phase 1) verstärkt beachtet. Phase 3: Motivation für die Tätigkeit Es wird der Frage nachgegangen, worin die Motivation für die angestrebte Tätigkeit besteht. Hierbei ist zu beachten: Die Sicherheit des Arbeitsplatzes ist eine Motivation, die nicht zu gering geschätzt werden sollte. Aber: Es sollten noch andere Gründe genannt werden! Es geht in diesem Abschnitt um die Frage der „extrinsischen“ gegenüber der „intrinsischen“ Motivation.

92

Phase 4: Grund für Wechsel aus erlerntem Beruf Schlüsselfragen in diesem Bereich sind: • Warum wollen Sie Ihren erlernten Beruf verlassen? • Warum gerade jetzt? • Wenn Sie gute Chancen in Ihrem erlernten Beruf hätten, würden Sie sich dann auch beworben haben? • (Für Bewerber, die Ihren Wohnsitz verlegen müssen) Würden Sie für Ihren erlernten Beruf auch in diese Stadt kommen? • Warum ja/nein? • Welche Vorerfahrungen aus ähnlichen Tätigkeiten haben sie? Phase 5: Vorstellungen über die Tätigkeit Schlüsselfragen in diesem Bereich sind: • Welche Vorstellungen haben Sie über die Tätigkeit? • Hierbei kommt es nicht so sehr darauf an, dass diese Vorstellungen in allen Einzelheiten korrekt sind, sie sollten aber auch nicht völlig falsch sein. • Sehr wichtig ist die Tatsache, ob und inwieweit sich die Bewerber überhaupt schon einmal mit der Tätigkeit auseinandergesetzt haben. • Schließlich will der/die Bewerber/in Ihr künftiges Arbeitsleben mit dieser Tätigkeit ausfüllen. Phase 6: Critical Incidents Im Rahmen des Interviews werden an dieser Stelle dem/der Bewerber/in Probleme geschildert, die charakteristisch für die Stelle sind. Es wird nachgefragt, wie sie (der/die Bewerber/in) das Problem lösen würden. Aus den Antworten erhält man einen guten Eindruck der allgemeinen Verhaltenstendenzen des/der Bewerber/in. Anzumerken ist, dass es an dieser Stelle nicht um fachliche Fragen geht. Die fachliche Qualität wird an anderer Stelle untersucht (z. B. Arbeitszeugnisse).

93

Phase 7: Informationen über die Tätigkeit Es werden den Bewerbern/-innen realistische Tätigkeitsinformationen gegeben, d. h. auch Probleme und negative Begleiterscheinungen werden nicht verheimlicht. Dies führt in der Folge zu einem höheren Commitment, höherer Leistung und geringeren Fehlzeiten und Fluktuation bei den neueingestellten Personen. Wenn negative Aspekte geschildert werden müssen, wird regelmäßig die Frage aufgeworfen: „Sind Sie in der Lage, mit dieser Situation fertig zu werden? – Begründen Sie bitte Ihre Antwort.“ Phase 8: Zukunftsvorstellungen Hierbei wird der Frage nachgegangen, wie realistisch die Erwartungen des/ der Bewerber/in an die Entwicklungsmöglichkeiten sind. Tauchen hier zu große Diskrepanzen auf, ist dieser Abschnitt auch bei sonst gut geeigneten Personen nochmals vertiefend zu diskutieren. Sind die Wünsche und Vorstellungen zu unrealistisch, kann dies zum Etikett „nicht geeignet“ führen. Phase 9: Abschluss Beim Gesprächsabschluss wird dem/der Bewerber/in nochmals die Möglichkeit gegeben, alle interessierenden Fragen zu stellen. Ein Personalauswahlverfahren ist ein zweiseitiger Prozess, bei dem auch der/die Bewerber/in feststellen können soll, ob die angebotene Stelle für sie die richtige Position ist. Anschließend wird das weitere Prozedere erläutert.

9.2.3 Darstellung der Ergebnisse des Auswahlverfahrens Das Auswahlverfahren lässt sich in zweifacher Hinsicht übersichtlich darstellen. Zum einen ist es möglich, die individuellen Ausprägungen hinsichtlich der verschiedenen Eignungsdimensionen mit und ohne Gewichtung darzustellen, zum anderen können mehrere Bewerber hinsichtlich ihrer Eignung miteinander verglichen werden. Die beiden folgenden Abbildungen zeigen die beiden Möglichkeiten auf. Man kann damit die individuelle Struktur der Eignung als Abweichung vom Anforderungsprofil verdeutlichen. Die „Nulllinie“ bedeutet dabei keine Abweichung. Die Eignung ist demzufolge umso höher, je näher das individuelle Profil sich der Nulllinie annähert. 94

Abb. 3: Die Eignung einer Person wird in Abweichung vom Idealprofil (Nulllinie) abgebildet. Diese (fiktive) Person ist in allen Eignungsbereichen besser qualifiziert, als es die Vorgabe verlangt.

Die nachfolgende Abbildung vergleicht mehrere Bewerber/innen hinsichtlich deren Eignung miteinander. So lassen sich die absoluten Höhen der Eignung feststellen (je größer der Wert, desto höher die Eignung). Darüber hinaus ist es möglich, die individuellen Strukturen der Eignung miteinander zu vergleichen. Man kommt damit zu aussagekräftigeren Urteilen im Auswahlprozess. Die Personalauswahl wird objektiver!

Abb. 4: Die Gegenüberstellung mehrerer Bewerber/innen zeigt das individuelle Ausmaß der Eignung (Höhe der Säulen) und die individuelle Struktur der Eignung (Verteilung der vier Eignungsbereiche).

95

9.3 Auswahl von Personen mit Führungsverantwortung Auch bei der Auswahl von Führungskräften wird das Multiphaseninterview eingesetzt. Die Vorgehensweise ähnelt dabei der Vorgehensweise bei der Besetzung von Sachbearbeiterspositionen. Darüber hinaus werden spezifische Testverfahren für Führungskräfte und Gruppendiskussionen durchgeführt. Neben der fachlichen Eignung spielt bei Führungsfunktionen das Führungsverhalten, die Zusammenarbeit mit übergeordneten Institutionen und ggf. das Verhalten gegenüber der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle. Als besonders wichtig muss die Fähigkeit zur Selbstreflexion bei der Auswahl von Führungskräften angesehen werden. Demzufolge wird ein sogenanntes Einzel-AC durchgeführt.

9.3.1 Ablauf des Einzel-ACs Das Einzel-AC gliedert sich in mindestens drei Teile: 1.

Schriftlicher Teil

2.

Gruppenaufgabe(n)

3.

Einzelgespräch

9.3.1.1

Schriftlicher Teil

(Dauer insgesamt ca. 2 ½ Std. inklusive Pausen.) Folgende Testverfahren haben sich bei der Auswahl von Führungskräften bewährt: • Test zur Entscheidungsfreudigkeit (Dauer: 3 min). • WATSON-GLASER. „Critical Thinking Appraisal“ (Dauer ca. 40 min), alternativ: RANRA (RUST Advanced Numerical Reasoning Appraisal). • DWP (vorab online, Dauer ca. 90 min), alternativ: Q-Sort Appraisal (Dauer ca. 50 min). Mit diesen Verfahren lassen sich führungsspezifische Fähigkeiten und Persönlichkeitsaspekte sehr gut untersuchen. Diese Ergebnisse werden mit den Vorgaben der jeweiligen Organisation abgeglichen.

96

9.3.1.2

Gesprächsteil

Es wird das Multiphaseninterview eingesetzt. Phase 0: Gruppendiskussion (Dauer ca. 45 min) Dem Einzel-AC wird eine Gruppendiskussion vorangestellt. An der Gruppendiskussion nehmen alle Bewerber/innen teil. Das Thema der Gruppendiskussion sollte die spezifischen Anforderungen an den/die Stelleninhaber/in berücksichtigen. Daher muss für jede zu besetzende Stelle untersucht werden, welches Diskussionsthema bzw. welche Gruppenaufgabe in der Lage ist, die Eignungsmerkmale optimal zu erfassen. Phase 1: Begrüßung und Informationen zum Gesprächsablauf des Einzel-Interviews Zu Beginn des Einzel-ACs werden den Teilnehmern/-innen zunächst die Mitglieder der Auswahlkommission vorgestellt und es erfolgt eine kurze Beschreibung des Ablaufs des Gesprächs. Hierbei wird vermieden, dass zu sehr die Einzelheiten bereits dargestellt werden, da dies zu Hypothesenbildungen bei den Bewerbern/-innen führen könnte. Es wird lediglich dargestellt, dass sich das Gespräch aus verschiedenen Teilen zusammensetzt. Da zu diesem Zeitpunkt bereits die Ergebnisse des DWP bzw. des Q-Sort Appraisals vorliegen, kann auf eine Selbstreflexion (vergl. Auswahl von Sachbearbeiterpositionen) verzichtet werden. Phase 2: Freier Bericht über Werdegang Der Bewerber wird aufgefordert, über sich einige Sätze zu sagen. Hierbei werden zunächst absichtlich keine Vorgaben gemacht. Hierbei kann festgestellt werden, welchen bisherigen Lebensereignissen besondere Bedeutung zugewiesen wird. Dies lässt sich aufgrund eines tabellarischen Lebenslaufs nicht erkennen. An interessanten/entscheidenden Stellen wird nachgefragt. („Warum fand nun eine berufliche Umorientierung statt?“)

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Phase 3: Motivation für die Tätigkeit Es wird der Frage nachgegangen, worin die Motivation für die angestrebte Tätigkeit besteht. Schlüsselfragen in dieser Phase sind: • Warum interessieren Sie sich für die ausgeschriebene Aufgabe? • Was erwarten Sie von der neuen Tätigkeit? • Mit welchen Fähigkeiten und Fertigkeiten wollen Sie die Anforderungen der neuen Stelle meistern? Phase 4: Grund für Wechsel vom bisherigen Arbeitsplatz Schlüsselfragen in dieser Phase sind: • Warum wollen Sie Ihren aktuellen Arbeitsplatz verlassen? • Warum gerade jetzt? • Wenn Sie gute Chancen in Ihrer bisherigen Tätigkeit hätten, würden Sie sich dann auch beworben haben? • Über welche Vorerfahrungen aus ähnlichen Tätigkeiten verfügen Sie? Phase 5: Vorstellungen über die Tätigkeit • Welche Vorstellungen haben Sie über die Tätigkeit? Was erwarten Sie? • Wie stellen Sie sich ihre Rolle als Führungskraft vor? Welche Schwerpunkte in der Arbeit würden Sie setzen? • Wie würden Sie mit „schwierigen“ Mitarbeitern/-innen umgehen? Phase 6: Critical Incidents (Kern des mündlichen Teils – die situativen Fragen müssen in ausreichender Zahl vorab entwickelt werden) Den Bewerbern/-innen werden für die Tätigkeit typische Situationen (überwiegend führungsrelevante Situationen) geschildert. Die Bewerber/innen müssen erläutern, wie sie sich in diesen Situationen verhalten würden. Die Antwort muss sehr konkret erfolgen. Im Rahmen des Interviews werden mindestens drei Situationen geschildert; diese Zahl kann aber beliebig erhöht werden. Die Beurteilung erfolgt mittels einer 3-stufigen Skala: gute Antwort–akzeptable Antwort–schlechte Antwort. 98

Phase 7: Informationen über die Tätigkeit Es werden den Bewerbern realistische Tätigkeitsinformationen gegeben, d. h. auch Probleme und negative Begleiterscheinungen werden nicht verheimlicht. Dies führt in der Folge zu einem höheren Commitment, besseren Leistungen, geringeren Fehlzeiten und einer geringeren Fluktuation bei den neueingestellten Personen. Wenn negative Aspekte geschildert werden müssen, wird regelmäßig die Frage aufgeworfen: „Sind Sie in der Lage, mit dieser Situation fertig zu werden? – Begründen Sie bitte Ihre Antwort.“ Phase 8: Zukunftsvorstellungen Hierbei wird der Frage nachgegangen, wie realistisch die Erwartungen der Bewerber/innen an den Job und die Entwicklungsmöglichkeiten sind. Liegen zu große Diskrepanzen zwischen den Wünschen des/der Bewerbers/-in und den realen Gegebenheiten vor, ist bei auch gut geeigneten Personen die Eignung nochmals vertiefend zu diskutieren. Sind die Wünsche und Vorstellungen zu unrealistisch, kann dies zum Etikett „nicht geeignet“ führen. Folgende Fragestellung hat sich bei der Auswahl für Führungsfunktionen bewährt: „Welche Erwartungen an die Mitarbeiter haben Sie?“ Phase 9: Abschluss Beim Gesprächsabschluss wird dem/der Bewerber/in nochmals die Möglichkeit gegeben, alle interessierenden Fragen zu stellen. Ein Personalauswahlverfahren ist ein zweiseitiger Prozess, bei dem auch die Bewerber feststellen können sollen, ob die angebotene Stelle für sie die richtige Position ist. Anschließend wird das weitere Prozedere erläutert.

9.3.2 Entscheidungsfindung Aus den Ergebnissen und Erkenntnissen der Testverfahren, der Gruppendiskussion oder Gruppenaufgabe und des Gesprächs wird eine Gesamtschau für jede/n Kandidaten/in zusammengestellt, die zusammen mit dienstlichen Beurteilungen und/oder Arbeitszeugnissen zu einer Entscheidungsfindung führen. 99

10. Ausgewählte eignungsdiagnostische Verfahren für die Auswahl von Führungskräften Informationen zu den im Text angesprochenen Testverfahren: • Test zur Entscheidungsfreudigkeit • WATSON-GLASER: „Critical Thinking Appraisal“ • RANRA (RUST Advanced Numerical Reasoning Appraisal) • DWP (Dimensionen und Werte der Persönlichkeit) • Q-Sort Appraisal

10.1 Test zur Entscheidungsfreudigkeit Der Test zur Entscheidungsfreudigkeit wurde von SCHÄFER (2008) entwickelt und seit diesem Zeitpunkt bei der Auswahl von Führungspersonen eingesetzt. Die Motivation einen Test zur Entscheidungsfreudigkeit zu entwickeln entstand durch Erfahrungen beim Recruitment von Führungskräften in verschiedenen Organisationen und auf unterschiedlichen Hierarchieebenen. Es war häufig zu beobachten, dass Bewerber/innen eine Schlüsselqualifikation für das Führungsverhalten – Entscheidungen zu treffen – nur in einem unzureichenden Ausmaß zeigen konnten. Deshalb wurde ein Verfahren gesucht, das in einer ökonomischen Weise grundlegende Anhaltspunkte für die Entscheidungsfreudigkeit messen kann. Die erhobenen Befunde werden im Rahmen eines strukturieren Interviews besprochen.

10.1.1 Konzept des Tests Das Verfahren besteht aus 40 Aussagen, denen man zustimmen oder nichtzustimmen kann. Die Inhalte der Aussagen sind so gewählt, dass es kein Richtig oder Falsch gibt. Die Inhalte entsprechen aber in ihrer Aussage nicht alltäglichen Vorstellungen.

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10.1.2 Vorgehensweise Für die Bearbeitung dieser 40 Aussagen steht nur sehr wenig Zeit zur Verfügung. Wie wenig ist den Testteilnehmern nicht bekannt, sie werden lediglich auf diesen Umstand hingewiesen. Nach Ablauf der Bearbeitungszeit wird die Anzahl der bearbeiteten Aussagen ausgezählt.

10.1.3 Gütekriterien/Schlussfolgerungen • Der Test wurde mit einer Stichprobe (N>100) normiert. • Der Test ist objektiv. • Eine Testwiederholungsreliabilität kann nicht ermittelt werden, da das Konzept des Tests nach einmaliger Durchführung den Testteilnehmern bekannt ist. • Die Validität und Face Validity des Verfahrens ist gesichert. • Personen, die sich als entscheidungsfreudiger im Test zeigen, werden von ihren Vorgesetzten auch entsprechend beurteilt. • Es konnte gezeigt werden, dass kein Geschlechtsunterschied besteht. Außerdem ergeben sich keine Unterschiede in der Entscheidungsfreudigkeit zwischen Personen, für die Entscheidungsfreudigkeit eine sehr wichtige Kompetenz darstellt (Feuerwehrbeamte im gehobenen bzw. höheren Dienst), und Personen, für die die Entscheidungsfreudigkeit keine so große Rolle spielt (Verwaltungsbeamte des gehobenen und höheren Dienstes). Eine Schwäche des Verfahrens besteht darin, dass es üblicherweise nur einmal eingesetzt werden kann; sobald das Konzept den Testteilnehmern vertraut ist, lässt es sich nicht mehr sinnvoll anwenden. Trotz dieses Mangels wird das Verfahren erfolgreich bei der Auswahl von Führungskräften eingesetzt.

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10.2 WATSON-GLASER: „Critical Thinking Appraisal“(WGCTA) Der WGCTA erfasst sprachgebunden Fähigkeiten zum sogenannten kritischen Denken, die für den Erfolg als Führungskraft in einer Organisation eine hohe Relevanz aufweisen. „There are two basic thinking skills – critical and creative thinking. Critical thinking is the ability to think clearly and rationally. Creativity is a matter of coming up with new and useful possibilities. They are both crucial for solving problems and discovering new knowledge.” (Quelle: www. philosophy.hku.hk vom 11.09.2011)

10.2.1 Konzept Der Test setzt sich zusammen aus: • Problemstellungen • Behauptungen • Argumenten • Interpretationen Hierbei handelt es sich um Dinge, mit denen sich Führungskräfte vielfach beschäftigen müssen. Aufgrund des hohen Schwierigkeitsgrads der Aufgaben, kann der Test gut bei Nachwuchsführungskräften und Führungskräften bis hin zur Geschäftsführungsebene eingesetzt werden. Kritisches Denken wird mit dem WGCTA mit fünf Untertests erfasst. Dabei werden folgende Fähigkeiten einer Person untersucht: • Schlussfolgerungen auf ihre Richtigkeit prüfen. • Beurteilen, ob bestimmte Annahmen vorausgesetzt werden müssen. • Aus zwei Prämissen die richtige Konklusion ziehen. • Informationen korrekt interpretieren. • Die Stärke von Argumenten richtig beurteilen.

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10.2.2 Testaufbau „Die Testaufgaben bestehen jeweils aus einer Reihe von Aussagen (Schlussfolgerungen, Annahmen oder Argumenten), die sich auf eine Feststellung beziehen. Die Aufgabe der Testperson ist es, jede der Aussagen zu untersuchen und zu beurteilen, ob sie gültig oder wie angemessen sie ist. Der WGCTA fordert Antworten sowohl auf neutrale als auch auf strittige Fragen. Die strittigen Fragen wurden entwickelt, um Einstellungen und Meinungen hervorzurufen, die die Fähigkeit zum kritischen Denken beeinträchtigen können. Sie beziehen sich auf Themen, die häufig deutliche Gefühle auslösen.“ (Quelle: http://www.talentlens.de/front_content.php?idcat=50 vom 11.09.2011)

10.2.3 Besonderheiten des WGCTA „Der WGCTA fällt im Besonderen durch drei Aspekte auf: • Einfache Durchführung: Die Testperson erhält ein Testheft mit selbstinstruierenden Aufgaben und einen Antwortbogen. Die gesamte Bearbeitungszeit beträgt nur 30 bis 40 Minuten. • Einfache Auswertung: Der Antwortbogen ist durchschreibbar. Der Testleiter muss lediglich das obere Blatt ablösen und kann sofort die richtigen Antworten erkennen und zusammenzählen. • Einfache Interpretation: Die Summe der richtigen Antworten wird mit Hilfe einer Norm standardisiert und man erhält so schnell einen aussagekräftigen Leistungswert.“ (Quelle: http://www.talentlens.de/front_co ntent.php?idcat=50 vom 11.09.2011)

10.2.4 Durchführung Die deutsche Adaptation des WGCTA ist als Einzel- und Gruppentest einsetzbar. Sie enthält 56 Aufgaben, für die eine Bearbeitungszeit von 30 bis 40 Minuten benötigt wird. Erfahrungsgemäß werden in der Gruppensituation eher 40-45 Minuten benötigt.

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10.2.5 Gütekriterien • Objektivität Da es sich bei dem Verfahren um einen Multiple Choice Test mit vorgegebenen Lösungen handelt, ist die Objektivität gesichert. • Reliabilität Die Reliabilität der Skala beträgt .73 (Cronbachs Alpha) bzw. .70 (Split-half). • Validität Die kriterienbezogene Validität wurde u. a. anhand des Berufserfolgs (Managementebene und Gehaltsniveau) überprüft und bestätigt. International liegen zahlreiche unterschiedliche Studien zur Validität des Verfahrens vor. • Normen Der Test wurde für Führungsebenen und Nachwuchsführungskräfte normiert. Insgesamt liegen der Normierung N = 445 Untersuchungsergebnisse zugrunde.

10.2.6 Schlussfolgerungen Mittels des WGCAT wird die Fähigkeit von Führungskräften, sich mit Problemstellungen, Behauptungen, Argumenten und Interpretationen erfolgreich auseinanderzusetzen, untersucht. Diese Fähigkeit ist im Berufsalltag von Führungskräften von größter Bedeutung und kann im Interview nur unzureichend untersucht werden. Damit bietet der WGCAT die Möglichkeit, diese wichtige Komponente der Eignung für eine Führungskraft unter Berücksichtigung der Gütekriterien angemessen zu untersuchen.

10.3 RANRA (Rust Advanced Numerical Reasoning Appraisal) Der Rust Advanced Numerical Reasoning Appraisal (RANRA) wird eingesetzt, um das logisch-mathematische Denken im Rahmen der Auswahl und Entwicklung von Führungskräften zu untersuchen. Der RANRA besteht aus Aufgaben, deren Lösung höhere kognitive Prozesse der Deduktion, Interpretation und Evaluation erfordern. 104

10.3.1 Konzept Die Leistungsfähigkeit der Testteilnehmer wird mit folgenden Untertests gemessen: • Untertest 1: Vergleich von quantitativen Informationen. • Untertest 2: Beurteilung, ob bestimmte mathematische Sachverhalte aus vorgegebenen Informationen hergeleitet werden können. Man kann den RANRA parallel zum WGCTA sehen. Während der WGCTA sprachliche Denkprozesse in den Mittelpunkt rückt, sind dies beim RANRA logisch-mathematische Prozesse, die untersucht werden.

10.3.2 Testaufbau und Durchführung Der RANRA besteht aus einem Testheft mit selbstinstruierenden Aufgaben und einen Antwortbogen. Die gesamte Bearbeitungszeit beträgt circa 45 Minuten. Insgesamt müssen 29 Aufgaben bearbeitet werden. Die individuelle Leistung wird durch einfaches Auszählen der richtigen Lösungen bestimmt. Die Summe der richtigen Lösungen wird mit einer vorliegenden Norm verglichen und man erhält so einen aussagekräftigen Wert der individuellen Leistung. Der RANRA ist als Einzel- und Gruppentest durchführbar.

10.3.3 Gütekriterien • Objektivität Da es sich bei dem Verfahren um einen Multiple Choice Test mit vorgegebenen Lösungen handelt, ist die Objektivität gesichert. • Reliabilität Die Reliabilität der Skala beträgt .78 (Cronbachs Alpha) bzw. .73 (Split-half). • Validität Die Validität wurde u. a. anhand des Berufserfolgs (Gehaltsniveau) überprüft und bestätigt. • Normen Der Test wurde für Führungskräfte aller Ebenen und Nachwuchsführungskräfte normiert (N = 395). 105

10.4 DWP (Dimensionen und Werte der Persönlichkeit) (Deutsche Bearbeitung und Normierung des Persönlichkeitsinventars – SOSIE – von L. C. Gordon.) Der SOSIE ist ein mehrdimensionaler Persönlichkeitstest, der speziell für die berufsbezogene Diagnostik, insbesondere zur Personalauswahl, Personalplatzierung und Personalentwicklung entwickelt wurde. Weitere Einsatzgebiete sind die Karriereberatung und Coaching.

10.4.1 Konzept „Der Test misst neun Persönlichkeitsdimensionen, sechs zwischenmenschliche Werte und sechs arbeitsbezogene Werte. Seine Skalen beruhen auf den empirischen Arbeiten zur Persönlichkeit von R. B. Cattell sowie den Arbeiten zum Wertesystem des Menschen von J. P. Guilford und H. A. Murray. Das Messformat des SOSIE impliziert eine Analyse sowohl der erfolgskritischen Persönlichkeitsaspekte als auch derjenigen Aspekte, die für die gegebene Fragestellung von untergeordneter Bedeutung sind. Das Verfahren liefert damit ein realistisches und differenziertes Bild der getesteten Person, das genau mit den relevanten Arbeitsanforderungen in Abgleich gebracht werden kann. Die Validierung und Normierung des SOSIE erfolgte für Führungskräfte, Nachwuchsführungskräfte, Fachkräfte und Studenten (als potenzielle Fach- und Führungskräfte).“ (http://www.talentlens.de/front_content.php?idcat=74)

10.4.2 Testaufbau und Durchführung „Der SOSIE besteht aus 98 Forced Choice-Items, die insgesamt 332 zu beurteilende Aussagen enthalten. Der Pb muss bei jedem Item die in ihm enthaltenen Aussagen in eine persönliche Präferenzreihe bringen. Diese Vorgehensweise steigert die Validität des Verfahrens gegenüber herkömmlichen Persönlichkeitstests: Zum einen wird durch die ständigen Auswahlentscheidungen eine hohe Realitätsnähe geschaffen. Zum anderen ist es der Testperson praktisch unmöglich, ihre Antworten gezielt im Sinne der sozialen Erwünschtheit zu verfälschen.“ (http://www.talentlens.de/front_content.php?idcat=74)

Die Durchführungsdauer beträgt ca. 50 Minuten.

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10.4.3 Interpretation Zur Interpretation des Ergebnisses stehen die individuellen Rangreihen der Skalen, Normen für die Skalenwerte und insgesamt elf durch Experten empirisch ermittelte Idealprofile für verschiedene Berufliche Tätigkeiten oder Positionen, z. B. Personalleiter, Geschäftsführer, Vertriebsleiter, zur Verfügung.

10.4.4 Gütekriterien • Objektivität Für die Auswertung wird ein Computerprogramm zur Verfügung gestellt. Damit ist eine 100 % Objektivität gewährleistet. • Reliabilität Der mittlere Retest-Koeffizient über alle Skalen beträgt rtt = .78 (Range: .64