Pädagogisch-fremdsprachendidaktische Verortungen der Lehrerforschung: Konzepte, Herausforderungen, Perspektiven [1 ed.] 9783737013017, 9783847113010

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Pädagogisch-fremdsprachendidaktische Verortungen der Lehrerforschung: Konzepte, Herausforderungen, Perspektiven [1 ed.]
 9783737013017, 9783847113010

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Interdisziplinäre Verortungen der Angewandten Linguistik

Band 1

Herausgegeben von Sylwia Adamczak-Krysztofowicz, Silvia Bonacchi, Przemysław Ge˛bal, Jarosław Krajka, Łukasz Kumie˛ga und Hadrian Lankiewicz

Die Bände dieser Reihe sind peer-reviewed.

Przemysław E. Ge˛bal / Anna Jaroszewska / Łukasz Kumie˛ga (Hg.)

Pädagogisch-fremdsprachendidaktische Verortungen der Lehrerforschung Konzepte, Herausforderungen, Perspektiven

Mit 4 Abbildungen

V&R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Publication financed by the Faculty of Polish Studies of the University of Warsaw and affiliated with the Faculty of Polish Studies of the University of Warsaw. Gutachterin des Bandes: JProf. Dr. Maria A. Marchwacka, Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar (PTHV) © 2021 Brill | V&R unipress, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Korrektorat: Kultur- & Sprachbüro Münster, Andrzej Belczyk-Kohl und Yvonne Belczyk-Kohl Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2749-0211 ISBN 978-3-7370-1301-7

Inhalt

Przemysław E. Ge˛bal / Anna Jaroszewska / Łukasz Kumie˛ga Herausforderungen der interdisziplinären Lehrerforschung im fremdsprachendidaktischen Kontext. Eine Einleitung . . . . . . . . . . .

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Anna Jaroszewska Fremdsprachenlehrende in Polen – Herausforderungen im Zeitalter des Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Łukasz Kumie˛ga Lehrende als Unternehmer:innen ihrer Selbst? Diskurskritische Verortungen der Lehrkräfteforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

Sławomira Kołsut Lernende und Lehrende im konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht. Versuch einer pädagogisch-didaktischen Verortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

Krystyna Mihułka / Joanna Chojnacka-Gärtner Persönlichkeit und berufliche Qualifikationen von Fremdsprachenlehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

Mariola Jaworska Zur Erweiterung der Förderkompetenzen angehender Fremdsprachenlehrkräfte in Bezug auf Lernstrategien . . . . . . . . . . .

79

Elz˙bieta Kempny Die Entwicklung psychosozialer Kompetenzen in der Lehrkräfteausbildung fördern. Vorstellung eines Forschungsprojekts . . .

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6

Inhalt

Czesław Kin´ski Der Einfluss von Lehrkraftverhalten auf das Foreign Language Enjoyment sowie die unterrichtsbezogene Fremdsprachenverwendungsangst bei Fremdsprachenlernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Anna Kizeweter Fremdsprachenlehrende und Mediation – Zum Einfluss der Mediationsrolle auf die Entwicklung der Sprachkompetenzen von Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Beata Pec´ Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Przemysław E. Ge˛bal Zur Gestaltung der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften. Das nachhaltige eudaimonistisch-euthyphronische Konzept . . . . . . . . 171

Przemysław E. Ge˛bal / Anna Jaroszewska / Łukasz Kumie˛ga

Herausforderungen der interdisziplinären Lehrerforschung im fremdsprachendidaktischen Kontext. Eine Einleitung

Vorwort Das Interesse an der Sprachlehrerforschung nimmt berechtigterweise zu. Die Rollen, Aufgaben und Herausforderungen, denen sich Fremdsprachenlehrkräfte gegenübersehen, haben sich unter anderem in Mitteleuropa besonders stark nach 1989 verändert. Durch die Öffnung der Grenzen, die Erweiterung der Europäischen Union, die Einführung von Bildungsreformen und die Entwicklung neuer Technologien erhielt das Fremdsprachenlernen und -lehren neue Dimensionen und der Fremdsprachenunterricht wurde vor neue Herausforderungen gestellt. Eine Schlüsselrolle spielen dabei unverändert Lernende und Lehrende, die in historischen, sozialen und politischen (zunehmend auch in migrationspolitischen) Bildungskontexten miteinander agieren. Von großer Bedeutung ist zugleich die vorbereitete, günstige Lernumgebung, die den Lehrbzw. Lernprozess unterstützt. Die Vielfalt der Forschungsfelder, die diese Bereiche anbieten, ist das Ergebnis interdisziplinärer Bezüge der Sprachlehr- und Sprachlernforschung (im polnischen Kontext: der Glottodidaktik) zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen, wie u. a. der Angewandten Linguistik und der Pädagogik. Infolge dieser Bezüge werden die Konzepte und Kontexte der modernen Fremdsprachendidaktik sowie der Lehrerforschung kontinuierlich erweitert. Zum besseren Verständnis des Titels der vorliegenden Publikation ist der Bezug auf Überlegungen interdisziplinärer Art erforderlich, die an der Schnittstelle von Angewandter Linguistik und Pädagogik in beiden Forschungsfeldern zur Debatte gestellt werden. Fremdsprachendidaktik und Lehrerforschung definieren einen Przemysław E. Ge˛bal, Schlesische Technische Universität in Gliwice/Universität Warschau, prze [email protected], ORCID: 0000-0002-4335-6886. Anna Jaroszewska, Universität Warschau, [email protected], ORCID: 0000-0003-2788593X. Łukasz Kumie˛ga, Schlesische Technische Universität in Gliwice, [email protected], ORCID: 0000-0002-8034-3593.

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spezifischen Bereich der interdisziplinären theoretischen Verortungen bzw. Untersuchungen und umreißen die kognitiven Ziele, von denen sich die Autorinnen und Autoren der in diesem Band versammelten Texte inspirieren lassen. Sie tragen mit Untersuchungen aus der Fremdsprachendidaktik, linguistisch geprägten Texten aus dem skizzierten Bereich sowie mit erziehungswissenschaftlichen Überlegungen und empirischen Projekten in linguistischen Räumen zum Band bei. Eine so verstandene wissenschaftliche Reflexion stellt für uns eine wesentliche Säule interdisziplinärer Forschung dar, die wir nach Chouliaraki und Fairclough als »Arbeit über die Disziplinen hinaus […] verstehen, die darin besteht, die theoretischen Kategorien und Methoden verschiedener Disziplinen auf dieselbe Frage oder dasselbe Problem in einer bestimmten Weise anzuwenden« (Chouliaraki/Fairclough 1999, S. 112; eigene Übersetzung). Fairclough (2006) geht einen Schritt weiter und schlägt die sog. Transdisziplinarität vor. Diese versteht er als Form eines spezifischen Dialogs mit anderen Disziplinen, der nicht nur zu deren »Berührung« führt, sondern auch zu bestimmten theoretischen, methodologischen und methodischen Transformationen innerhalb der Disziplinen beiträgt. Dieser Dialog wird in den Texten des Sammelbandes in den Überlegungen an der oben genannten Schnittstelle zwischen Linguistik und Pädagogik ansatzweise postuliert und mit Forschungsfragen konfrontiert. Entscheidend für die Entstehung und Entwicklung des vorliegenden Bandes ist die Tatsache, dass sich beide Disziplinen, wenn sie sich in theoretischen und methodischen Dimensionen begegnen, innerhalb der Grenzen ihrer eigenen konzeptionellen Lösungen und ihrer anwendungsbezogenen Relationen weiterentwickeln können. Der Begriff »Fremdsprachendidaktik«, der Überlegungen einer weit verstandenen Sprachpädagogik beschreibt und eng mit der Linguistik verknüpft ist, erschien ursprünglich neben dem Begriff »Angewandte Linguistik« (Miodunka 2016, S. 7). Die zunächst synonyme Verwendung der beiden Termini beansprucht zugleich den Umstand ihrer linearen Entwicklung, ausgehend von der rein sprachwissenschaftlichen Forschung, die zunächst zur Erarbeitung der theoretischen Grundlagen der entwickelten Lehrmethoden diente, um die pädagogischen und psychologischen Leistungen der Fremdsprachendidaktik immer umfassender zu reflektieren. Im Rahmen des in Polen entwickelten Konzepts der Angewandten Linguistik konzentrierten sich die Forschungsinteressen auf die Sprachlehr- und Sprachlernforschung (Glottodidaktik) sowie auf das Dolmetschen und Übersetzen (Translatorik), die als eigenständige Forschungsbereiche verstanden wurden (vgl. Grucza 2007). Es waren diese Bereiche, die das Verständnis von Angewandter Linguistik in Mitteleuropa über Jahre prägten. Zu den glottodidaktischen wissenschaftlichen Initiativen gehörten auch Beiträge zur Lehrerforschung, die ursprünglich mit dem Prozess der Ausbildung zukünftiger Fremdsprachenlehrender zusammenhingen. Mit der Zeit wurde in anderen Kontexten der Ausbildung,

Einleitung

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Professionalisierung und persönlichen Entwicklung von Fremdsprachenlehrkräften geforscht, wobei die Forschung weitgehend die Leitlinien psychologischer Konzepte widerspiegelte. Von den Arbeiten mit dem größten Einfluss auf die Entwicklung der mitteleuropäischen Fremdsprachenlehrendenforschung sollten folgende Arbeiten und Studien erwähnt werden: der Sammelband Fremdsprachenlehrerausbildung. Konzepte, Modelle, Perspektiven, herausgegeben von KarlRichard Bausch, Frank G. Königs und Hans-Jürgen Krumm (2003), die Monografie Nauczyciele je˛zyków obcych w dobie przemian [Fremdsprachenlehrkräfte in Zeiten des Wandels; eigene Übersetzung] von Elz˙bieta Zawadzka (2004), die Monografie Aktionsforschung und Praxisbezug in der DaF-Lehrerausbildung von Dagmara Warneke (2007), die Monografie Reflectivity in Pre-Service Teacher Education. A Survey of Theory and Practice von Danuta Gabrys´-Barker (2012), die Monografie Universitäre DaF-Lehrerausbildung in Ungarn im Spannungsfeld von Traditionen und neuen Herausforderungen von Ilona Feld-Knapp (2014) sowie der Sammelband DaF-Lehrerausbildung in Mittel-Osteuropa, herausgegeben von Ilona FeldKnapp und Katalin Boócz-Barna (2016). Großen Einfluss auf die Entwicklung von neuen Konzepten zur Lehrkräfteausbildung hatten auch die ausgearbeiteten europäischen Standards, u. a. in European Profile for Language Teacher Education (2005). Diese Liste von Sammelbänden bzw. Monografien zur Lehrerforschung verdeutlicht die Trends und Entwicklungstendenzen der Untersuchungen. Diese weisen einen Übergang auf, ausgehend von der Reflexion pädagogischer Kompetenzen und Fertigkeiten über die Forschung zu Lehrkräften und deren Berufsbzw. Lebenserfahrung bis hin zu einer entwicklungsfördernden Ausrichtung, die die Autonomie der Lehrenden unterstützt und das Verhältnis zwischen Wissen, Denken und Handeln in der reflexiven Berufspraxis aufzeigt. Parallel zu den fremdsprachendidaktischen Überlegungen wurden in der Pädagogik einschlägige Konzepte entwickelt, die noch immer und vor allem im Bereich des Fremdsprachenunterrichts selten gesehen werden. Ebenfalls selten sind Kooperationen im Rahmen von gemeinsamen Konferenzen oder Forschungsinitiativen, die das Potenzial beider Wissenschaftsbereiche aufzeigen könnten. Unter den Initiativen, die das Umfeld von mit der Lehrkräfteausbildung befassten Fremdsprachendidaktiker:innen sowie eine pädagogische Perspektive miteinbeziehen, ist die Konferenz Language teachers in the modern world zu erwähnen. Sie fand 2017 in Warschau statt. Zu den Teilnehmenden gehörte Michael Kelly, der für die Entwicklung des oben erwähnten Europäischen Profils für die Aus- und Weiterbildung von Sprachlehrkräften verantwortlich war. Die zeitgenössische wissenschaftliche Praxis der Fremdsprachendidaktik und Lehrerforschung wird zunehmend interdisziplinär. Sie verbindet in ihren theoretischen Überlegungen und empirischen Projekten Diskussionen sowie methodische Lösungen aus Bereichen wie: linguistisch geprägte Kommunikati-

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onswissenschaften (unter besonderer Berücksichtigung der Interkulturellen Kommunikation) Angewandte Linguistik, Soziolinguistik, (kritische) Diskursanalyse, Psycholinguistik, Neurolinguistik, Pragmalinguistik, Sozialpsychologie, Pädagogik (auch interkulturelle Pädagogik) sowie Allgemeine Didaktik und Kognitionswissenschaft (vgl. Miodunka 2016, S. 54–55). Die Fremdsprachendidaktik und die fremdsprachendidaktische Lehrerforschung sollten ihre Überlegungen sowie Lösungsvorschläge in spezifischen pädagogischen Kontexten situieren. Beide sind als erweiterte philosophische Bildungskonzepte zu verstehen, die sich auf die Ideen und Richtungen der formalen Sprache sowie der pädagogischen Bildung im Verhältnis zu Reflexionen der angewandten Psychologie beziehen (vgl. Cuq 2003, S. 70). In ihren Untersuchungen nimmt die fremdsprachendidaktische Pädagogik damit einen (psycho-) pädagogischen Charakter an. Sie eröffnet ein breites Spektrum inhaltlicher Spezifikationen und empirischer Untersuchungen zu den Leistungen der modernen Sozial- und Geisteswissenschaften. Die Nutzung von Forschungsergebnissen anderer Disziplinen, insbesondere der interkulturellen Pädagogik und der Psychologie, bietet angehenden Lehrkräften die Möglichkeit, gesellschaftlich relevante Einstellungen wie Offenheit gegenüber Vielfalt zu entwickeln. Dies stellt eine Komponente der interkulturellen Kompetenzentwicklung dar. Schließlich ist es die Aufgabe heutiger Lehrkräfte, Toleranz, soziale Integration sowie das Zusammenleben und -wirken von Menschen aus verschiedenen Kulturen zu fördern. Mit dem Band Pädagogisch-fremdsprachendidaktische Verortungen der Lehrerforschung. Konzepte, Herausforderungen, Perspektiven soll Einblick in die aktuelle Forschung und neue Tendenzen im Bereich der Fremdsprachenlehrerforschung gegeben werden. Die Beiträge schreiben sich in aktuelle Forschungstrends ein, sie thematisieren theoretische Grundlagen und ggf. deren Implikationen für die Praxis der Lehrkräfteausbildung. In den einzelnen Beiträgen wurden dafür sowohl theoretische als auch empirische Zugänge gewählt, um die jeweiligen Potenziale der Lehrkraftentwicklung aufzuzeigen. Der Band hat interdisziplinären und sprachenübergreifenden Charakter. Er richtet sich an ein breites Publikum, an diejenigen, die sich mit der Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts beschäftigen: Studierende, Lehrkräfte in verschiedenen Bildungseinrichtungen sowie Hochschuldozierende. Die vorliegende Publikation versammelt 11 Artikel, in denen ausgewählte Erkenntnisse der Lehrerforschung aus mehreren Perspektiven beleuchtet werden. Thematisiert werden dabei unterschiedliche Phasen der Bildung mit Berücksichtigung von Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie aktuelle Fragestellungen der Lehrkräftebildung. Sie bieten Anlass zur Diskussion über die Rolle der Interdisziplinarität im Prozess des Fremdsprachenlehrens und -lernens.

Einleitung

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Im einleitenden Text stellen die Herausgebenden des Sammelbandes die grundlegenden Erkenntnisse der gegenwärtigen mitteleuropäischen Fremdsprachenlehrerforschung vor, wobei dieses Forschungsgebiet interdisziplinär an der Schnittstelle zwischen Fremdsprachendidaktik und Pädagogik verortet werden soll. Den Band eröffnet ein Beitrag von Anna Jaroszewska, die die Situation der Fremdsprachenlehrenden in Polen angesichts der zahlreichen Reformen des Bildungssystems schildert. Die Autorin skizziert Herausforderungen, vor denen Fremdsprachenlehrende stehen, und geht der Frage nach, ob sie als Menschen der Renaissance oder Opfer der Bildungspolitik zu betrachten sind. Im darauf folgenden Beitrag setzt sich Łukasz Kumie˛ga mit der Frage nach der diskursivkritischen Verortung der Lehrerforschung, indem in erster Linie die Fragen nach der diskursiven Konstruktion von Lehrenden gefragt wird und nach dem Potenzial zur kritischen Reflexionen bezüglich dieser Konstruktion im Sinne des an Mich Konzepts des Unternehmers seines Selbst. Sławomira Kołsut unternimmt den Versuch, die berufliche Effizienz von Fremdsprachenlehrenden aus der Perspektive der konstruktivistischen Didaktik zu skizzieren. Die von der Autorin des Beitrags aufgegriffene theoretische Diskussion berücksichtigt fünf grundlegende Säulen der konstruktivistischen Didaktik, die den Tendenzen der modernen Lehrerforschung zugeordnet werden. Der Beitrag von Krystyna Mihułka und Joanna Chojnacka-Gärtner setzt sich zum Ziel, die Rolle der Persönlichkeit und der Fachkompetenzen von Fremdsprachenlehrenden im didaktischen Prozess darzustellen. In ihren Erwägungen werden Ergebnisse aus der eigenen Lehrerforschung unter polnischen Lehrkräften berücksichtigt. Mariola Jaworska beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit den Förderkompetenzen von angehenden Fremdsprachenlehrkräften in Bezug auf die Entwicklung der Lernkompetenz unter besonderer Berücksichtigung des effizienten Einsatzes von Lernstrategien. Im Artikel von Elz˙bieta Kempny werden psychosoziale Kompetenzen beleuchtet und ein Forschungsprojekt vorgestellt, das auf den Prozess der Entwicklung eben dieser Kompetenzen bei Fremdsprachenlehrenden während des Studiums und der beruflichen Tätigkeit abzielt. Czesław Kin´ski geht auf die Frage nach der Bedeutung von Emotionen für das Fremdsprachenlernen ein. In seinem Beitrag analysiert er die Auswirkungen von Lehrendenverhalten auf das Foreign Language Enjoyment. Beata Pec´ weist auf die interdisziplinären Bezüge der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden in Polen hin. Ihr Beitrag enthält einen Überblick über ausgewählte Inhalte der Ausbildung in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen. Die Umsetzung interdisziplinärer Ausbildungsprogramme für Fremd-

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sprachenlehrende wird am Beispiel des Instituts für Germanistik an der Universität Warschau dargestellt. Im sich anschließenden Artikel thematisiert Anna Kizeweter die Rolle von Fremdsprachenlehrenden aus der Perspektive der sogenannten Daumen-Gesellschaft. Die Autorin unternimmt den Versuch, den Einfluss des Wirtschaftsfaktors auf die berufliche Tätigkeit von Lehrenden zu analysieren. Przemysław Ge˛bal befasst sich abschließend in seinem Beitrag mit Fragen der Gestaltung der Fremdsprachenlehrkräfteausbildung. Er stellt das Konzept des eudaimonistisch-euthyphronischen Modells dar, das den Anspruch hat, mit Blick auf den Aufbau sozialer Beziehungen zu den Lernenden zum Vorschlag für eine bessere Vorbereitung künftiger Fremdsprachenlehrender zu werden. An dieser Stelle möchten wir allen danken, die zu Entstehung der Publikation beigetragen haben. Wir danken zunächst allen Autorinnen und Autoren, die unserer Einladung zur Mitgestaltung der Reflexion über das interdisziplinäre Feld der Lehrerforschung gefolgt sind, für ihre Beiträge und die konstruktive Zusammenarbeit. Für Ihre wertvollen Anregungen und die angenehme Zusammenarbeit danken wir der Gutachterin des Bandes, Prof. Dr. Maria Marchwacka. Warszawa, Gliwice, im Sommer 2021

Przemysław Ge˛bal Anna Jaroszewska Łukasz Kumie˛ga

Literaturverzeichnis Bausch, K.-R./Königs, F.-G./Krumm, H.-J. (Hrsg.) (2003): Fremdsprachenlehrerausbildung. Konzepte, Modelle, Perspektiven. Tübingen: Gunter Narr Verlag. Chouliaraki, L./Fairclough, N. (1999): Discourse in late modernity: Rethinking Critical Discourse Analysis. Edinburgh: Edinburgh University Press. Cuq, J.-P. (Hrsg.) (2003): Dictionnaire de didactique du français langue étrangère et seconde. Paris: CLE International. Fairclough, N. (2006): Language and Globalization. London: Routledge. Feld-Knapp, I. (2014): Universitäre DaF-Lehrerausbildung in Ungarn im Spannungsfeld von Traditionen und neuen Herausforderungen. München: Iudicum. Feld-Knapp, I./Boócz-Barna, K. (Hrsg.) (2016): DaF-Lehrerausbildung in Mittel-Osteuropa. München: Iudicum. Gabrys´-Barker, D. (2012): Reflectivity in Pre-Service Teacher Education. A Survey of Theory and Practice. Katowice: Wydawnictwo US´. Ge˛bal, P. E. (2019): Dydaktyka je˛zyków obcych. Wprowadzenie. Warszawa: Wydawnictwo Naukowe PWN

Einleitung

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Grucza, F. (2007): Lingwistyka stosowana. Historia – zadania – osia˛gnie˛cia. Warszawa: Euro-Edukacja. Kelly, M./Grenfell M. (2005): European Profile for Language Teacher Education – A Frame of Reference. Southampton: University of Southampton. Miodunka, W. T. (2016): Glottodydaktyka polonistyczna. Pochodzenie – stan obecny – perspektywy. Kraków: Ksie˛garnia Akademicka. Warneke, D. (2007): Aktionsforschung und Praxisbezug in der DaF-Lehrerausbildung. Kassel: Kassel University Press. Zawadzka, E. (2004): Nauczyciele je˛zyków obcych w dobie przemian. Kraków: Oficyna Wydawnicza Impuls.

Anna Jaroszewska

Fremdsprachenlehrende in Polen – Herausforderungen im Zeitalter des Wandels

Abstract Fremdsprachenlehrkraft zu werden, ist eine potenzielle Berufsperspektive für Studierende neuphilologischer Fächer. Es ist Aufgabe der Hochschulen und Universtäten, jungen Menschen die in den staatlichen Verordnungen definierten Kenntnisse, Fertigkeiten und pädagogischen Haltungen zu vermitteln. Im Laufe ihres philologischen Studiums haben angehende Lehrkräfte die Möglichkeit, die erforderlichen Qualifikationen zu erwerben und ihre Lehrkompetenzen in der schulischen Praxis zu überprüfen. Manche stellen dabei fest, dass sie ihren Traumberuf gefunden haben, andere hingegen kommen nach ihren ersten Lehrerfahrungen zum Schluss, die schulische Realität sei nichts für sie. Was erwartet junge Menschen in Polen in einer fortwährenden Reformen unterliegenden schulischen Realität? Welche unerwarteten Aufgaben müssen sie bewältigen und wie interdisziplinär müssen sie dabei handeln? Ziel des Beitrags ist, diese Fragen im Kontext der Forderung nach einer stärkeren Professionalisierung des Lehrberufs zu erörtern. Den Ausgangspunkt bilden dabei die aktuellen Richtlinien des Hochschulministeriums für die Ausbildung von (Fremdsprachen-) Lehrkräften an den Universitäten und Hochschulen in Polen. Zur abschließenden Reflexion kann die Frage anregen, ob und wie heutige Fremdsprachenlehrende bei der Bewältigung der stets wachsenden Anzahl vielfältiger und anspruchsvoller Aufgaben unterstützt werden. Keywords: Fremdsprachenlehrkräfteausbildung, Fremdsprachenlehrkraft, Fremdsprachenunterricht, Reformen des polnischen Bildungssystems, Herausforderungen Becoming a foreign language teacher is a potential career prospect for students of modern languages. It is the task of colleges and universities to provide young people with the knowledge, skills and pedagogical attitudes defined in state regulations. In the course of their philological studies, prospective teachers have the opportunity to acquire the necessary qualifications and to test their teaching skills in school practice. Some find that they have found their dream job, while others conclude after their first teaching experiences that the reality of school is not for them. What awaits young people in Poland in a school reality

Anna Jaroszewska, Universität Warschau, [email protected], ORCID: 0000-0003-2788593X.

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Anna Jaroszewska

that is subject to constant reforms? What unexpected tasks do they have to cope with and how interdisciplinary do they have to be? The aim of this article is to discuss these questions in the context of the demand for greater professionalisation of the teaching profession. The starting point is the current guidelines of the Ministry of Higher Education for the training of (foreign language) teachers at universities and colleges in Poland. The question of whether and how today’s foreign language teachers are supported in coping with the ever-increasing number of diverse and demanding tasks can inspire final reflection. Keywords: Foreign language teacher training, foreign language teacher, foreign language teaching, reforms of the Polish education system, challenges

1.

Einleitung

Das Unterrichten von Fremdsprachen ist ein Beruf mit jahrhundertealter Tradition, die vom Hausunterricht in der Antike bis zum zeitgenössischen interdisziplinären Fremdsprachenunterricht reicht. Die Profession hat sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt: Lehrende, die Fremdsprachen unterrichteten, wurden je nach historischem Kontext als Hauslehrer, Sprachmeister, Neuphilologen und professionelle Fremdsprachenlehrer1, Gouvernanten und Guverner bezeichnet. Auch gegenwärtig gibt es für Fremdsprachenlehrkräfte je nach Arbeitsort unterschiedliche Bezeichnungen, z. B. Lektor:in2, Tutor:in, Sprachtrainer:in, Nachhilfelehrer:in oder Kursleiter:in. Die beruflichen Kontexte sind dabei sehr unterschiedlich (Caspari 2016, S. 306). In Polen erteilen Fremdsprachenlehrpersonen Gruppenunterricht in Kindergärten, Grundschulen, Oberschulen, Berufsschulen, an Hochschulen und Universitäten, an Bildungseinrichtungen oder im Studium im Alter (im Poln. Uniwerstety Trzeciego Wieku (UTW); wörtlich: Universitäten des dritten Lebensalters) sowie in privaten Sprachenschulen. Immer populärer werden hierzulande organisierte Formen des Hausunterrichts, bei denen Eltern auch Fremdsprachenlehrende anstellen. Neben dem Gruppenunterricht führen Fremdsprachenlehrkräfte auch individuellen Unterricht durch, der oft in Firmen oder in Nachhilfesituationen stattfindet. In Polen unterrichten Fremdsprachenlehrende in der Erwachsenenbildung und im außerschulischen Bereich am häufigsten freiberuflich sowie ihre Muttersprache. Fremdsprachenlehrkräfte im schulischen Bereich werden in der Mehrheit fest angestellt, wobei die Zielsprache oft nicht ihre Muttersprache ist (Caspari 2016, S. 306). 1 Hier wurde die geschlechtssensible Formulierung nicht gestaltet, da der Beruf früher tatsächlich vorranging von Männern ausgeübt wurde, daher könnte das Maskulinum hier als historischer Kontext gelesen werden. 2 Typische Bezeichnung der Lehrenden in Sprachschulen in Polen.

Fremdsprachenlehrende in Polen – Herausforderungen im Zeitalter des Wandels

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Noch vor Kurzem dominierte beim Gruppen- wie beim individuellen Unterricht die stationäre Form bzw. der Präsenzunterricht. Die Covid-19-Pandemie zwang 2020 jedoch sowohl Fremdsprachenlehrende als auch -lernende zum Wechsel in die Onlinebildung. Unabhängig davon, ob der Unterricht stationär oder online stattfindet, müssen Lehrkräfte über verschiedene Fähigkeiten und komplexe Kompetenzen verfügen, um ihre Lehrtätigkeit erfolgreich auszuüben und dabei die steten Veränderungen auf der schulischen, sozialen, bildungspolitischen sowie organisatorischen Ebene zu bewältigen. Ziel des Beitrags ist, die Herausforderungen zu besprechen, vor denen angehende und bereits berufstätige Fremdsprachenlehrkräfte in Polen in ihrem Beruf stehen.

2.

Fremdsprachenunterricht in den Phasen der Umgestaltung des polnischen Bildungssystems nach 1991

Die Struktur des Bildungssystems ist in allen Woiwodschaften Polens identisch. Seine Organisation ist zentralisiert und lag bis Ende des Jahres 2020 in den Händen zweier Ministerien. Das Ministerium für Nationale Bildung (poln. Ministerstwo Edukacji Narodowej, kurz: MEN) verantwortete den Grundschul- und Mittelschulsektor, während das Ministerium für Hochschulbildung (poln. Ministerstwo Nauki i Szkolnictwa Wyz˙szego, kurz: MNiSW) für den Hochschulbereich zuständig war. Ab dem 1. Januar 2021 hörten beide Ministerien auf zu existieren, an ihrer Stelle wurde das Ministerium für Bildung und Wissenschaft (poln. Ministerstow Edukacji i Nauki) gegründet. Geleitet wird es vom Minister für Bildung und Wissenschaft Przemyslaw Czarnek, der zuvor zwei Ministerien geleitet hatte. Die Finanzierung und Führung der Schulen liegen bei den Kommunen. Die Schülerinnen und Schüler unterliegen der Schulpflicht; diese ist nach dem Abschluss der achten Klasse Grundschule (in der Regel sind die Schüler:innen dann 14 oder 15 Jahre alt) und der Bildungspflicht bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres erfüllt. Bevor die Kinder in die Schule gehen, besuchen sie den Kindergarten, der spätestens ab dem fünften Lebensjahr ebenfalls pflichtig ist. Ein Jahr vor ihrer Einschulung müssen die Kinder im Kindergarten oder in der Schule die sog. Null-Klasse (poln. zerówka) besuchen, die als Schulvorbereitung gilt (Dz. U. 2017, poz. 59). In den letzten 30 Jahren wurde das polnische Bildungssystem mehrfach reformiert. Eingeführt wurden sowohl Struktur- als auch curriculare Reformen. Das Umbruchjahr 1989, das viele politische bzw. soziale Veränderungen im europäischen Raum, darunter auch in Polen, initiierte, brachte auch Bemühungen

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Anna Jaroszewska

mit sich, das polnische Bildungssystem an neue Herausforderungen anzupassen. Der erste gelungene Versuch, sich im Bildungssektor vom sozialistischen Erbe zu lösen und den Lehrprozess lernendenorientiert zu gestalten, wurde mit dem Bildungsgesetz von 1991 eingeleitet (Dz. U. 1991 nr 95, poz. 425). Es wurden neue Bildungsziele und inhaltliche Vorgaben formuliert. Bei den Fremdsprachen verlor das Russische, das nach dem Lehrplan ab der fünften Grundschulklasse unterrichtet worden war, seinen Status als erste obligatorische Fremdsprache. Dadurch wurde es möglich, auch in der Grundschule westliche Fremdsprachen zu unterrichten. Die Nachfrage bei Eltern sowie Schülerinnen und Schülern war sehr hoch. Es mangelte jedoch sowohl an ausgebildeten Fremdsprachenlehrkräften als auch an Lehrbüchern für westliche Sprachen. Um die Marktlücke zu schließen, wurden für die Russischlehrenden Umschulungskurse organisiert. Der Schulbuchmarkt öffnete sich für Publikationen aus Westeuropa. In kurzer Zeit wurden viele private Sprachschulen gegründet. 1991 wurden zudem Kollegs für die Ausbildung von Lehrkräften für westliche Fremdsprachen eingerichtet (Dz. Urz. MEN nr 3, poz. 15). Der Hauptgrund für ihre Einrichtung war der plötzliche Anstieg der Nachfrage nach Lehrkräften, insbesondere nach Fremdsprachenlehrenden, der durch die Einführung des Unterrichts westeuropäischer Sprachen in den Schulen anstelle des Russischen sowie zusätzlich durch die Einschulung geburtenstarker Jahrgänge verursacht wurde. In Anlehnung an den bevorstehenden EU-Beitritt Polens wurde 1999 eine grundlegende Strukturreform durchgeführt (Dz. U. 1999 nr 12, poz. 96.), in deren Folge neue Schulformen entstanden. Das zweistufige Bildungssystem, das seit 1968 in Kraft war, wurde in ein dreistufiges Bildungssystem umgewandelt. Die erste Stufe bildete die sechs Jahre dauernde Grundschule, die in zwei Lernzyklen eingeteilt wurde: 1) die Klassen 1 bis 3 mit integrativem Unterricht, 2) die Klassen 4 bis 6 mit Blockunterricht. Nach dem Abschluss der Grundschule besuchten alle jungen Menschen das dreijährige Gymnasium, dessen Besuch mit einer zentralisierten Abschlussprüfung beendet wurde (zweite Stufe). Danach mussten sie über ihren weiteren Bildungsweg entscheiden und zwischen dem Besuch eines Lyzeums, einer technischen Oberschule oder einer Berufsschule wählen (dritte Stufe). Die Ausbildung im Lyzeum dauerte drei Jahre, die in der technischen Oberschule vier Jahre und die in der Berufsschule zwei Jahre. Das Lyzeum und die technische Oberschule wurden mit einer Abiturprüfung abgeschlossen. Mit dem Abiturzeugnis konnten sich junge Menschen um Studienplätze an Universitäten und Hochschulen bewerben. Die erste Fremdsprache wurde ab der vierten Grundschulklasse unterrichtet. Mit der Reform wurden zugleich Änderungen für die Durchführung von Abiturprüfungen eingeführt, einschließlich der Prüfungen in einer Fremdsprache, die die Aufnahmeprüfungen für das Studium ersetzten, im ganzen Land vergleichbar sein und von spezialisierten Prüfenden bewertet werden sollten.

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Im Jahr 2008 wurde mit der curricularen Reform und im Einklang mit der Sprachenpolitik der EU, die 2006 den Spracherwerb zu einer wichtigen Priorität erklärt hatte, das Modell ›Muttersprache plus zwei Fremdsprachen‹ in das polnische Schulsystem eingeführt. Die erste Fremdsprache wurde ab der ersten Grundschulklasse unterrichtet, die zweite ab der ersten Klasse Gymnasium (Dz. U. 2009 nr 4, poz. 17). Die Vorverlegung des Fremdsprachenunterrichts von der vierten Klasse in die erste Klasse der Grundschule stellte für die Fremdsprachenlehrenden eine weitere große Herausforderung dar. 2015 wurde das Alter der Einschulung von sieben auf sechs Jahre vorverlegt (Dz. U. 2015 poz. 2156), was für Fremdsprachenlehrkräfte die Notwendigkeit einer Erweiterung ihrer methodisch-didaktischen Kompetenzen bedeutete. Die genannte Verordnung wurde jedoch im Dezember des gleichen Jahres aufgehoben (Dz. U. 2016 poz. 35). Die organisatorische Verwirrung betraf alle Grundschullehrkräfte, also auch die Fremdsprachenlehrenden. Die letzte Strukturreform erfolgte 2017. Sie versetzte das Schulsystem in Polen auf den Stand, den es vor der Reform im Jahr 1999 hatte. Das Schulsystem ist seitdem wieder zweistufig aufgebaut. Nach der Null-Klasse besuchen die Kinder die Grundschule, die acht Jahre lang dauert. In der achten Klasse müssen die Schülerinnen und Schüler zum Ende ihrer Grundschulausbildung eine Abschlussprüfung ablegen und sich für einen weiteren Bildungsweg entscheiden. Zur Wahl stehen allgemeinbildende Lyzeen, technische Fachschulen oder Berufsschulen. Die Ausbildung am Lyzeum dauert jetzt vier, an der technischen Fachschule fünf und in der Berufsschule drei Jahre. Die beiden ersten Schultypen enden mit der Abiturprüfung. Eine bestandene Abiturprüfung berechtigt dazu, ein Hochschulstudium aufzunehmen. Die erste Fremdsprache (meist Englisch) wird ab der ersten Grundschulklasse unterrichtet. Die zweite obligatorische Fremdsprache steht ab der siebten Grundschulklasse im Lehrplan (Dz. U. 2017, poz. 59). Hinzu kommt, dass 2017 in den polnischen Kindergärten auch der Fremdsprachenunterricht ab dem fünften Lebensjahr eingeführt wurde (Dz. U. 2017, poz. 356). Geplant ist die systematische Vorverlegung, sodass ein Frühbeginn im Alter von drei Jahren erreicht wird. Nun wird in Polen die Frage diskutiert, wer die ganz kleinen Kinder unterrichten soll, Fremdsprachenlehrende oder Kindergartenlehrkräfte.

3.

Zur Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften in Polen

Auch im Bereich der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften in Polen gab es im Laufe der letzten 30 Jahre große Veränderungen: angefangen von Qualifizierungskursen für die Russischunterrichtenden, für die es nach 1991 immer

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weniger Arbeit gab, über die Fremdsprachenlehrkollegs, die 1991 mit der Aufgabe, Fremdsprachenlehrende auszubilden, ins Leben gerufen worden waren und diese Aufgabe bis zu ihrer Schließung im Jahr 2012 erfüllten, bis hin zum Gesetz des Hochschulministeriums, das im Januar 2012 in Kraft trat und die Ausbildung von (Fremdsprachen-)Lehrkräften in Polen neu regelte. Bemerkenswert ist der seit dieser Zeit zunehmende interdisziplinäre Charakter der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden. Neben der fachlichen Vorbereitung definiert die Verordnung von 2012 auch die Inhalte und die erforderliche Stundenzahl in den Bereichen der psychologisch-pädagogischen und didaktischen Vorbereitung. Zu unterstreichen ist die Kompetenzorientierung, wobei die Teilkompetenzen angehender Fremdsprachenlehrpersonen in Wissen, Können und Handeln zum Ausdruck kommen sollten. Die Ausbildung im Bachelor- bzw. Masterstudium wurde jeweils in drei Module gegliedert. Modul 1 betraf die fachliche Vorbereitung, die mit dem Studienprogramm der jeweiligen Philologie gleichzusetzen war und Studieninhalte aus den Bereichen der Sprach- und Literaturwissenschaft, der Kulturkunde, der Glottodidaktik und selbstverständlich der Sprachpraxis umfasste. Modul 2 fokussierte psychologisch-pädagogisches Wissen. Die angehenden Lehrkräfte waren verpflichtet, an Lehrveranstaltungen im Umfang von 150 Stunden teilzunehmen. Hinzu kamen 30 Stunden für ein psychologisch-pädagogisches Praktikum, das im Bachelorstudium in einer Grundschule oder auch in einem Kindergarten absolviert werden musste, im Masterstudium in einer Oberschule. Modul 3 war der didaktischen Vorbereitung gewidmet. Die Studierenden nahmen an Veranstaltungen zur Allgemeinen Didaktik (30 Stunden) und zur Didaktik der jeweiligen Fremdsprache (90 Stunden) für eine konkrete Bildungsetappe teil. Im Bachelorstudium bereiteten sich die Studierenden auf die Lehrtätigkeit in Grundschulen und Kindergärten vor, im Masterstudium auf die Lehrtätigkeit in weiterführenden Schulen. Ergänzend absolvierten sie das didaktische Schulpraktikum, dessen Umfang jeweils 120 Stunden betrug. Mit dem Gesetz vom 17. Januar 2019 trat eine Neuregelung in Kraft. Auch diesmal legte das Hochschulministerium Inhalte, Stundenzahl und bestimmende Standards für die (Fremdsprachen-)Lehrkräfteausbildung fest. Der Hauptunterschied zur Verordnung von 2012 liegt darin, dass diesmal die Etappen der Lehrausbildung nicht mehr mit der Einteilung des Studiums in das Bachelorund Masterstudium korrespondieren. Auch jetzt werden drei Ausbildungsmodule unterschieden. Außer der Bezeichnung bei der fachlichen Vorbereitung (Modul A) gibt es keine Veränderungen. Für Modul B, also die psychologische und pädagogische Vorbereitung, sind jetzt 180 Stunden vorgesehen. Hinzu kommt ein 30 Stunden umfassendes psychologisch-pädagogisches Pflichtpraktikum. Modul C betrifft weiterhin die didaktische Vorbereitung. Der Zeitaufwand für Allgemeine Didaktik und Stimm- und Sprechtraining beträgt 60 Stunden,

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für die Didaktik der Zielsprache, die auf die jeweilige Ausbildungsetappe von Schüler:innen bezogen sein muss, sind 150 Stunden vorgesehen. Dem didaktischen Praktikum sind 120 Stunden gewidmet. Die Festlegung der Ausbildungsbereiche und eines Mindestumfangs des Studiums ist als Versuch zu sehen, Bildungsstandards und Qualitätskriterien in der Lehrkräfteausbildung zu definieren (Dz. U. 2019, poz. 1450). Studierende, die sich während ihres philologischen Studiums als Fremdsprachenlehrperson qualifizieren möchten, sind im Vergleich mit Studierenden, die dies nicht tun, doppelt belastet. Es melden sich daher nur ehrgeizige und hoch motivierte junge Menschen, die diese Doppelbelastung akzeptieren und sich vorstellen können, ihre berufliche Zukunft mit dem Lehrberuf zu verbinden. Die in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten reichen selbstverständlich nicht aus, um den Herausforderungen der eigenen Berufspraxis in ihrem gesellschaftlichen und bildungspolitischen Kontext gerecht zu werden. Eine weitere Professionalisierung ist erforderlich und erstreckt sich auf die gesamte Berufslaufbahn. Sie erfolgt im Einklang mit dem Konzept des lebenslangen Lernens durch die Fort- und Weiterbildung von Lehrenden.

4.

Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht

Mit der Einführung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) im Jahr 2001 wurde eine der wichtigsten konzeptionellen Veränderungen im Fremdsprachenunterricht eingeleitet. Es wurden Bildungsstandards definiert und Kann-Beschreibungen formuliert, womit der Weg zur Kompetenzorientierung eingeschlagen wurde. Beides bildete die Grundlage für die Entwicklung der Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Lehrziele und Evaluierungsformen wurden neu definiert. Die Veränderungen wirkten sich auf die Lehrprogramme, Lehrmaterialien und die Konzeption und Organisation von Prüfungen aus. Von großer Bedeutung ist auch die lernendenzentrierte Organisation des Bildungsprozesses. Lehrpersonen sind dazu verpflichtet, individuelle Unterschiede im Klassenraum wahrzunehmen und im Unterrichtsgeschehen kompetent auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler einzugehen. Eine relativ neue Herausforderung für Lehrkräfte stellen heterogene Klassen mit Lernenden aus anderen Kulturkreisen dar. In den letzten Jahren stieg die Zahl der Kinder, die nicht in Polen geboren oder hier sozialisiert wurden oder deren Eltern erst seit Kurzem in Polen leben, in den Schulen deutlich. Nach Angaben des polnischen Bildungsministeriums lernten im Schuljahr 2018/2019 44 000 Schülerinnen und Schüler an insgesamt 7 000 Schulen, im Jahr davor

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30 000 Lernende an 6 000 Schulen und im Schuljahr 2015/2016 14 000 Schüler: innen in mehr als 3 000 Schulen. Im Jahr 2018 lernten die meisten Schülerinnen und Schüler mit nicht polnischer Erstsprache in den Woiwodschaften Masowien (poln. Mazowieckie), Niederschlesien (poln. Dolnos´la˛skie) und Kleinpolen (poln. Małopolskie). Diese Daten wurden dem Bildungsinformationssystem (poln. System Informacji Os´wiatowej) entnommen, das vom Bildungsministerium betrieben wird. Ab dem Schuljahr 2019/2020 sollten auch Informationen über die Nationalitäten der Schülerinnen und Schüler gesammelt und im November 2020 veröffentlicht werden. Eine erkennbare Gruppe von Lernenden, deren Erstsprache nicht Polnisch ist, bilden in Polen Kinder aus vietnamesischen Familien. Ihre Zahl wächst seit 1989 kontinuierlich. Sie gelten bei polnischen Lehrenden als Kinder oder Jugendliche, die sich gut integrieren. Die Schwierigkeiten, die polnische Lehrkräfte bei der Arbeit mit diesen Kindern haben können, sind auf den unterschiedlichen kulturellen Hintergrund zurückzuführen. So stehen Lehrpersonen in Vietnam in der sozialen Hierarchie – anders als Lehrkräfte in Polen – ganz oben. Lernende, die kulturell vietnamesisch geprägt sind, könnten dazu tendieren, sich der Lehrkraft unterzuordnen und es in Folge vermeiden, z. B. in Diskussionen die eigene Meinung zu vertreten, wenn diese nicht mit der der Lehrperson übereinstimmt. Auch die Körpersprache kann anderen Regeln folgen. So kann das Wegschauen ein Ausdruck von Respekt vor einer in der Hierarchie höherstehenden Person sein, während ein Lächeln eine Geste der Entschuldigung oder Unterwerfung bedeuten kann. In polnischen Schulen lernen auch immer mehr Kinder ukrainischer Herkunft sowie Kinder polnischer Herkunft, die in Großbritannien oder in Irland geboren wurden und dort den Kindergarten und die Grundschule besucht haben. Sie kommen mit ihren rückkehrenden Eltern nach Polen und brauchen in der Schule auch sprachliche Unterstützung. Heterogenität im Fremdsprachenunterricht schließt zudem Lernende mit besonderen Lernbedürfnissen in Integrations- sowie Regelklassen ein. Nach der Verordnung des Ministers für Nationale Bildung von 2017 können (Fremdsprachen-)Lehrkräfte schwerhörige, sehbehinderte oder blinde Kinder und Jugendliche, Lernende mit motorischen Behinderungen, einschließlich Aphasie, Schüler:innen mit leichten, mittleren oder schweren intellektuellen Behinderungen und Autismus, einschließlich des Asperger-Syndroms sowie Schülerinnen und Schüler mit gekoppelten Behinderungen unterrichten. Für die Lernenden muss ein individuelles pädagogisch-therapeutisches Programm (poln. Indywidualny Program Edukacyjno-Terapeutyczny IPET) erstellt werden, sodass eine sehr gute Kenntnis der jeweiligen Unterstützungsbedürfnisse voraussetzt wird. In allgemein zugänglichen Kindergärten mit Integrationsabteilungen, Integrationskindergärten, öffentlichen Schulen mit Integrationsabteilungen, in

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Integrationsschulen sollten zusätzliche Lehrkräfte mit sonderpädagogischen Qualifikationen eingesetzt werden, um die Organisation der Bildung und Integrationserziehung zu unterstützen (Dz. U. z 2017 r. poz. 59 i 949). Die Unterrichtspraxis zeigt aber, dass es an dieser Unterstützung allzu oft mangelt. Der Fremdsprachenunterricht hat sich auch durch den Einzug neuer Technologien verändert. Internet, Apps zum Fremdsprachenlernen, soziale Medien etc. fördern bei Lehrenden und Lernenden die Entwicklung von Medienkompetenz und wirken sich auf die Möglichkeiten des Methodeneinsatzes aus. Sie bedingen zugleich die Wahl der Lernformen und -materialien.

5.

Anforderungen an die Lehrkräfte

Die Qualifikationen von Fremdsprachenlehrenden wurden üblicherweise als Resultat ihres philologischen Studiums betrachtet. Den Kern bildeten die sprachlichen Kompetenzen, die um pädagogisches Wissen und unterrichtspraktische Fertigkeiten ergänzt werden mussten. Der Katalog der Lehrkompetenzen erweiterte sich im Laufe der Zeit mit dem Versuch, die Frage zu beantworten, »[w]as Lehrer zum erfolgreichen Unterrichten brauchen […]« (Krumm 2016, S. 311) kontinuierlich. Im weiten Verständnis wurden die Kompetenzen von Lehrpersonen eingeteilt in sprachliche, sprach- und literaturwissenschaftliche, landeskundliche, fachdidaktische, pädagogische und unterrichtspraktische Fertigkeiten, bei denen auch affektive Komponenten und Einstellungen eine große Rolle spielen (vgl. ebd.). Veränderungen, die Ende des 20. Jahrhunderts auftraten, führten zudem dazu, dass die Lehrendenrolle in allen Schularten und in den Hochschulen neu definiert werden musste. Krumm macht auf die Faktoren aufmerksam, die für den europäischen Raum charakteristisch seien, darunter auf die Zunahme multilingualer Klassen und multikultureller Lerngruppen, die Entwicklung der Informationsgesellschaft, das Vordringen neuer Medien, die Entstehung neuer Formen des Fremdsprachenlehrens und -lernens (z. B. CLIL) sowie die Öffnung des Arbeitsmarktes für Lehrkräfte innerhalb der Europäischen Union; der letztgenannte Umstand ermögliche im Bildungssektor die Anstellung von qualifizierten Mutter- bzw. Erstsprachlehr:innen, die ihre Herkunftssprache als Fremdsprache unterrichten können, wodurch sie auf dem Arbeitsmarkt mit den traditionellen Fremdsprachenlehr:innen konkurrieren (vgl. dazu Krumm 2003, S. 353). Die Rollen von Fremdsprachenlehrkräften im Unterricht hat 2004 Zawadzka besprochen. Die Aufgaben reichen weit über die reine Wissensvermittlung hinaus. Zum einen sind Fremdsprachenlehrende Expert:innen, Erzieher:innen und Kulturmittler:innen, die den Lehrprozess sowie außerunterrichtliche Veran-

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staltungen und Projekte organisieren bzw. moderieren. Zum anderen gehört es zu ihren Aufgaben, Lernende und ihre Eltern zu beraten, den Lehr- und Lernprozess zu evaluieren, Innovationen einzuführen sowie ihre eigene Lehrpraxis zu erforschen und zu reflektieren (vgl. Zawadzka 2004). In seiner Forschungsbilanz Visible Learning macht John Hattie 138 Einflussfaktoren (eingeteilt in sechs Faktorengruppen) auf den Lernerfolg kenntlich (Hattie 2009). In Bezug auf Effektivität wird an erster Stelle die Faktorengruppe 5, also Lehrende, genannt. Genauer gesagt zeichnen sich diese Lehrkräfte dadurch aus, dass sie Lernenden zum einen Inhalte anbieten, die für sie kognitiv herausfordernd sind, sie zum anderen aber auch dazu anregen, diese Inhalte kritisch zu reflektieren (Hattie 2009, S. 34). Kniffka fasst die empirischen Befunde der Hattie-Studie von 2009 zum erfolgreichen Lehrkrafthandeln zusammen (Kniffka 2016, S. 30–31). Als besonders wichtig erweist sich die Fähigkeit der Perspektivübernahme, dank derer die Lehrenden in der Lage sind, u. a. Lernschwierigkeiten ihrer Lernenden zu antizipieren und Lernaufgaben entsprechend zu modellieren. Von großer Bedeutung sind aktives, durchdachtes Handeln, Engagement und Fürsorge. Die fachinhaltliche Kompetenz von Lehrpersonen ist Ausgangspunkt für das Formulieren qualitativ hochwertiger Rückmeldungen, was von großer Bedeutung für den Lernzuwachs ist. Auch die Planung, die Überwachung sowie ggf. die Modifizierung der Lernziele und der jeweiligen Lernschritte, abgestimmt auf die Bedürfnisse und Lernmöglichkeiten der einzelnen Lernenden, bedingen den Lernerfolg. Die Aufgabe von Lehrenden ist, die Lernenden zur kognitiven Wissenskonstruktion anzuregen. Von Bedeutung ist dabei die kritische Reflexion über das eigene Lehrhandeln sowie der konstruktive Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Die erste komplexe Beschreibung auf reflexives Lehren zielender pädagogischer Kompetenzen wurde mit dem Europäischen Portfolio für Sprachlehrende in der Ausbildung (2007) formuliert und veröffentlicht. Damit erhielten angehende Fremdsprachenlehrende ein Instrument zur Selbstüberprüfung und kollegialen Zusammenarbeit (Krumm 2016, S. 312f.). Für die Lehrtätigkeit sind außerdem mediale Kompetenzen relevant. Im Rahmen des Programms Interklasa wurden an polnischen Schulen IT-Labore eingerichtet, was auch auf den Fremdsprachenunterricht großen Einfluss hatte. Mit Bezug auf die Methodik wurden u. a. das Lehren und Lernen der sprachlichen Fertigkeiten sowie die Konzipierung und Durchführung von Onlineunterricht, der Einsatz von Kommunikationsinstrumenten im didaktischen Prozess, Evaluierung und Einsatz von multimedialen Programmen und Materialien sowie internetgestützte Projektarbeit wichtig (Krajka 2009, S. 200f.).

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Fazit In der polnischen Gesellschaft hält sich das Klischee, dass Lehrerinnen und Lehrer nur halbtags arbeiteten, im Sommer zwei Monate bezahlten Urlaub sowie im Laufe des Schuljahres zahlreiche freie Tage hätten. Hinzu kommt die Überzeugung, das Lehrpersonal werde unter den schlechtesten, für andere Berufe ungeeigneten Studierenden rekrutiert. Der Lehrberuf genießt somit weiterhin kaum soziales Prestige. Der politische bzw. der gesellschaftliche Wandel führte aber dazu, dass die Anforderungen an Unterrichtende sehr gestiegen sind, während ihre Situation alles andere als stabil ist. Fremdsprachenlehrkräfte sehen sich in Polen mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Einerseits sind sie verpflichtet, die sich oft ändernden gesetzlichen Bestimmungen in ihrer Lehrpraxis umzusetzen, andererseits müssen sie eine zunehmende, nicht unbedingt mit dem Lehrprozess zusammenhängende Bürokratie bewältigen. Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen arbeiten sie weitaus mehr als 40 Wochenstunden und sind überdurchschnittlich belastet. Im Schulalltag lösen sie zahlreiche Probleme pädagogischer, psychologischer und organisatorischer Natur, sie sind Manager:innen, Tutor:innen und Betreuer:innen. Oft arbeiten sie in Regelklassen mit Schülerinnen und Schülern mit besonderen Lernbedürfnissen, ohne die dafür notwendige Unterstützung zu bekommen. Es ist zur Norm geworden, am Abend (nach der Regelarbeitszeit) und an Wochenenden zu arbeiten. Immer mehr jüngere Lehrpersonen sind erschöpft und von Burn-out bedroht. Hinzu kommt, dass aufgrund des demografischen Rückgangs die Schulen um Schüler:innen konkurrieren. Jede Lehrkraft muss zum Schulerfolg beitragen, der sich in den schulischen Leistungen, d. h. im Notendurchschnitt, der Lernenden äußert. Der Druck ist sehr groß, nicht nur seitens der Schulleitung, sondern auch durch die Eltern, die in Polen frei über die Wahl der Schule entscheiden dürfen. So kommt die Balance zwischen dem Druck nach Lernerfolg und der Lernendenzentrierung zu kurz. Oft unterschätzt wird die Frage nach dem Wohlbefinden von Fremdsprachenlehrerkräften, die trotz aller Anforderungen nicht außer Acht gelassen werden darf. Das Wohlbefinden und die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen gehören ebenfalls zu den Faktoren, die Einfluss auf die Effektivität des Bildungsprozesses haben. Eine erfüllte Lehrkraft ist offen gegenüber didaktischen Herausforderungen, setzt sich mit den Bedürfnissen sowie Erwartungen ihrer Lernenden auseinander und trägt zur eigenen Professionalisierung bei (Ge˛bal 2019, S. 409). Abschließend lässt sich die Frage stellen, wie Fremdsprachenlehrer:innen in Polen konkret unterstützt werden können, damit sie sich in ihrem Beruf wohl und motiviert fühlen. Diese Frage bleibt aber weiterhin offen.

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Łukasz Kumie˛ga

Lehrende als Unternehmer:innen ihrer Selbst? Diskurskritische Verortungen der Lehrkräfteforschung

Abstract Der folgende Beitrag setzt sich zum Ziel, die Lehrkräfteforschung diskursiv und kritisch zu deuten. Es werden zentrale Kontexte umrissen, ferner Spezialdiskurse im Sinne der ausgewählten wissenschaftlichen Ansätze und deren Transformationen, begriffen als Interdiskurse im Sinne der massenmedial vermittelten Diskurse. Einen erkenntnistheoretischen Kontext bildet dabei das Konzept der Wissensgesellschaft, das um an Foucault anknüpfende Inspirationsquellen und um den neoliberalen Diskurs ergänzt wird. Der Beitrag argumentiert für eine besondere Rolle der Sprache bei der Konstruktion von Bildungswirklichkeit am Beispiel der Forschung zu Lehrkräften. In diesem Kontext wird der Diskurshistorische Ansatz der Kritischen Diskursanalyse von Wodak herangezogen, der wiederum reflexiv mit dem soziologisch geprägten Ansatz der Diskurs- und Dispositivanalyse von Bührmann und Schneider in Verbindung gebracht wird. Die mögliche Übersetzung, verstanden als spezifische Transformation der Theoreme, Methodologien und empirischen Bezüge der Lehrkräfteforschung, in die diskursiv konstruierten Kontexte von Bildungswirklichkeit, ist das zentrale Anliegen der vorgestellten Reflexionen. Keywords: Lehrkräfte, Lehrende, Diskurs, Sprache, Wissen, Kritik, neoliberaler Diskurs The following article aims to interpret teacher research discursively and critically. Its central contexts are outlined, its special discourses in the sense of the selected scientific approaches and its transformations understood as interdiscourses in the sense of discourses conveyed by the mass media. An epistemological context is formed by the concept of the knowledge society, which is supplemented by the sources of inspiration linked to Foucault and by the neoliberal discourse. The article argues for a special role of language in the construction of educational reality using the example of teacher research. In this context, the discourse-historical approach of Wodak’s Critical Discourse Analysis is used, which in turn is reflexively linked to the sociologically influenced approach of Bührmann and Schneider’s Discourse and Dispositif Analysis. The possible translation understood as a specific transformation of the theorems, methodologies and empirical references of

Łukasz Kumie˛ga, Schlesische Technische Universität in Gliwice, [email protected], ORCID: 0000-0002-8034-3593.

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teacher research into the contexts adapted to the discursively constructed educational reality is the central concern of the reflections presented. Keywords: teachers, discourse, language, knowledge, critique, neoliberal discourse

1.

Kontextualisierung

Bildung und Bildungsforschung (inklusive der Lehrkräfteforschung) sind in diverse Zusammenhänge eingebettet, die ihre Gestalt (Formen, Strukturen und Prozesse) beeinflussen. Zu den selbstverständlichen Kontexten der Organisation und Realisierung der formellen Bildung (inklusive der beruflichen Tätigkeit der Lehrenden) gehören der soziale Kontext (im Sinne der die Wirklichkeit mitkonstruierenden sozialen Prozesse), der politische Kontext (im Sinne der Stimmen der politischen Institutionen) und der migrationsbezogene Kontext (der als die Gestalt der Bildung immer stärker mitbestimmende Kontext mitzudenken ist, auch wenn er beispielsweise in Polen trotz einer steigenden Zahl von Migrant:innen noch nicht ausreichend ernst genommen wird1). Im Rahmen des vorliegenden Beitrags wird ein weiterer, ein übergreifender Kontext zur Debatte gestellt, der als erkenntnistheoretisch (mit allen seinen praxisrelevanten Implikationen) gefasst werden kann und mit dem Konzept der Wissensgesellschaft bzw. der Wissensarbeitenden zusammenhängt. Dieser Kontext kann im Sinne der Debatte um die Expansion des neoliberalen Diskurses weitergedacht werden. Vor diesem Hintergrund möchte der vorliegende Beitrag die Lehrkräfteforschung kritisch reflektieren und nach ihrer produktiven Entwicklung im Rahmen einer stärker reflexiv arbeitenden Forschungsperspektive fragen.

2.

Das Konzept der Wissensgesellschaft

Das in der wissenschaftlichen und allgemeingesellschaftlichen Diskussion etablierte Konzept der Wissensgesellschaft profiliert und konstruiert nach wie vor fast alle Bereiche der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Selbst im Kontext der jüngsten Veränderungen, beispielsweise im Zusammenhang mit der expansiven Entwicklung der neuen Technologien, ferner der Konzepte der Gesellschaft 4.0 bzw. sogar der Gesellschaft 5.0 sowie im Allgemeinen mit der Pandemie, verliert das Konzept nicht an Präsenz oder Macht. Denn Wissen gilt weiterhin als Grundlage, Produkt und Konsequenz aller Handlungen »des sog. neuen Menschen«, der vor dem Hintergrund der Kategorie Wissen und ihrer semantischen 1 Ferner: Es fehlt in dieser Hinsicht weiterhin ein institutionell gebundener und einheitlicher Mechanismus, den, wie beispielsweise in Deutschland, staatliche Institutionen fördern.

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Elemente konstruiert wird. Das Konzept der Wissensgesellschaft erfasst von seiner Idee her zudem den grundlegenden gesellschaftlichen Wandel. Dieser wird vor allem in der neuen (im Gegensatz zum Konzept der Industriegesellschaft) sozialen, politischen und ökonomischen Ordnung begründet, die aus der Reorganisation vieler gesellschaftlicher Bereiche (inklusive der Bildung) resultiert und somit neue Formen der Lebensstile bzw. der Identitäten, neue Formen der Teilnahme an sozialpolitischen Prozessen und, das ist für diesen Beitrag von Bedeutung, neue Formen der Bildung und des Arbeitens umfasst. Die angesprochene Reorganisation wird unterschiedlich konstruiert, was zu einer relativ breiten Palette von Bestimmungen des Begriffs Wissensgesellschaft führt (vgl. dazu Kumie˛ga 2014). Möchte man diese in mindestens zwei grundlegende Bereiche gliedern, sind das zum einen der medial-politische Bereich, der die allgemeinsprachlichen Bestimmungen der medialen sowie politischen Institutionen umfasst und zum Teil auch Übersetzungen im Sinne von Simplifizierungen des darauffolgenden Bereichs abdeckt, und zum anderen der (sozial-)wissenschaftliche Bereich, der auf den fachsprachlichen Bestimmungen der wissenschaftlichen Institutionen beruht. Im medial-politischen Bereich fungiert der Begriff der Wissensgesellschaft als Schlagwort, das die komplexen Wandlungsprozesse der modernen Gesellschaften kondensiert und auf diverse semantische Elemente bezogen wird (zu diesem diskursiven Mechanismus vgl. Link 2006 und den Begriff des Interdiskurses). Heidenreich (2002) rekonstruiert diesen Bereich durch die Benennung seiner folgenden vier Aspekte: Entstehung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Primat der Innovationen, veränderter Stellenwert von Bildung, zunehmende Bedeutung wissensbasierter Tätigkeiten und Wirtschaftsbereiche. Beim oben (sozial-)wissenschaftlich ausdifferenzierten Bereich geht es hingegen um das Erfassen und die Bestimmung der grundlegenden Mechanismen, über die die sog. Wissensgesellschaft konstituiert und diskursiv konstruiert wird. Es lassen sich hier viele konkurrierende Ansätze identifizieren. Im Folgenden werden nur zwei für diesen Beitrag relevante wissenschaftliche Stränge und deren Akzentuierungen skizzenhaft präsentiert (vgl. dazu genauer Heidenreich 2002). Die etwas älteren sozialwissenschaftlichen Ansätze (etwa Bell 1985 oder Drucker 1994) konzeptualisieren den Mechanismus der Gegenüberstellung von einerseits Wissen und andererseits Arbeit, Rohstoffen sowie Kapital als entscheidend. Dies wird als Grundlage von Produktivität und Wachstum, aber auch von diversen sozialen Ungleichheiten betrachtet. Zudem wird dem theoretischen Wissen die zentrale Rolle zugedacht. Vor diesem Hintergrund wird die Wissensgesellschaft als »verwissenschaftlichte, dienstleistungszentrierte, akademisierte Gesellschaft« (Heidenreich 2002) verstanden. In den etwas späteren sozialwissenschaftlichen Arbeiten (vgl. Knorr-Cetina 1998; Rammert 1999; Willke 1999) wird nach etwas spezifischeren und umfassenderen Mechanismen gesucht, indem das Hinter-

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fragen etablierter Regeln und Normen in den Vordergrund rückt, d. h. die fortlaufende und beschleunigte Erosion bisheriger Regulationsstrukturen sowie die Entwicklung neuer Regeln. Deregulierung und Neuregulierung von Wissensbeständen sind dabei die entscheidenden Mechanismen, die ferner bezogen auf aktuelle Entwicklungen, wie auf die Konzepte der Gesellschaft 4.0 bzw. 5.0, weiter als deren zutreffende Konzeptualisierungen und gleichzeitig metawissenschaftliche Reflexionen betrachtet werden können und sollen. Ergänzend dazu thematisieren die etablierten Konzeptualisierungsweisen des Begriffs Wissensgesellschaft die folgenden Aspekte: dem foucaultschen Dispositivbegriff folgend (vgl. dazu Foucault 1978 und dessen empirische Kontextualisierung bei Kumie˛ga 2013), reduzieren sie die Entwicklung der modernen Gesellschaften nicht auf die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, sondern betrachten sie als Resultat des Zusammenspiels von diversen sozialen, politischen und diskursiven und nicht diskursiven Elementen. Zudem wird nicht nur der breit gefasste wirtschaftliche Sektor als Adressat dieser Entwicklungen gesehen, sondern auch andere Sektoren, wie beispielsweise Bildung und Wissenschaft (vgl. Czyz˙ewski 2012 oder Gille 2013). Die Ansätze adressieren außerdem den Wandel der Arbeits- und Organisationsformen, was für den vorliegenden Beitrag besonders wichtig ist. Als etwas problematisch bei der Debatte um das Konzept der Wissensgesellschaft erscheinen aufgrund des starken Bezugs zum Wissensbegriff die berechtigten Fragen danach, ob – historisch betrachtet – auch nur eine Gesellschaft bzw. gesellschaftliche Strukturen, Formen und Prozesse ohne Wissen auskommen konnten und ob durch die starke Fokussierung auf den Wissensbegriff der beschriebene Wandel tatsächlich zutreffend thematisiert sowie adäquat erfasst wird. Der soziologische Entstehungskontext des Konzepts erklärt diese Tatsache einigermaßen. Ein modernlinguistisch geprägter (auch im Kontext der etwas vagen Konzeptualisierung der Linguistik als Postlinguistik2, die Sprache und Wissen konsequent mit ihren Machteffekten verbindet), stark kontextualisierter und in erster Linie sprachbezogen arbeitender Ansatz, begriffen als Alternative zu den gängigen linguistischen Fragestellungen, eröffnet somit eine andere, weil mit dem modernen Diskursbegriff forschende Perspektive. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, das Verhältnis der Begriffe zueinander zu bestimmen.

2 Postlinguistik gilt in diesem Beitrag als der erste Versuch des Autors, die oben skizzierte Weiterentwicklung der Linguistik begrifflich zu fassen.

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3.

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Diskurs, Wissen und Sprache im Kontext der Lehrkräfteforschung

Eine Lösung wäre demnach eine stärkere, in soziologischen Kontexten unbegründet zu wenig stark betonte Akzentuierung der Rolle der Sprache als ein entscheidender Faktor moderner Wandlungsprozesse, die sich ohne Zweifel über die inflationären Formen der sprachlichen (Mikro-)Kommunikationen in diversen gesellschaftlich relevanten Bereichen manifestieren, wie beispielsweise in der Bildung. In diesem Sinne ist die Stellung der Sprache in der uns hier interessierenden Diskussion ein gewisses Novum, wobei – wohl bemerkt – die Notwendigkeit einer solchen Perspektivenverschiebung bereits ausdrücklich seitens der Angewandten Linguistik betont wurde (vgl. beispielsweise F. Grucza 2010, 2012; S. Grucza 2012). Versucht man makroanalytisch zu arbeiten (und die umfassenderen Mechanismen der modernen Gesellschaften zutreffender zu thematisieren), muss der Diskursbegriff als eine Alternative denkbar sein, weil er den gesellschaftlichen Wandel etwas breiter fasst, d. h. nicht im Kontext des Hinterfragens der jeweils gültigen Wissensbestände, sondern insbesondere im Kontext des vor allem sprachlich ausgetragenen gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses (vgl. Duszak 2012, Kumie˛ga 2013). Im Folgenden wird dieser Gedanke ausführlicher behandelt. Anhand der nachfolgenden Überlegungen soll das Verhältnis zwischen Wissen und Diskurs bestimmt werden, um daran anknüpfend über den Bezug auf das Feld der Diskursforschung dessen Implikationen für die Untersuchung der Forschung zu Lehrkräften aufzuzeigen. Bevor dies geschieht, muss geklärt werden, wie der Begriff Diskursforschung in diesem Beitrag verstanden wird. Diese Notwendigkeit resultiert aus der relativ stark ausgeprägten terminologischen Unordnung des Diskursbegriffs (vgl. dazu u. a. Kumie˛ga 2013 und Czachur 2020). Sie ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Diskursbegriff von einigen Forschenden sehr intuitiv (d. h. nicht theorie- und methodologiegeleitet) zur Bezeichnung diverser Ausschnitte der gesellschaftlichen Wirklichkeit verwendet wird, die dann aus unterschiedlichen Forschungsperspektiven analysiert werden. So ist beispielsweise von Analysen des Medien-, Rechts-, Wirtschafts-, Bildungs- bzw. Integrationsdiskurses die Rede. Dies geht vor allem damit einher, dass die Verwendung des Diskursbegriffs zu einer gewissen »Modeerscheinung« geworden ist, wodurch er zu einem gewissen Grad »entsemantisiert« wird (Kumie˛ga 2013). Zudem wird er mit diversen – sich sehr oft gegenseitig ausschließenden – Theorie- und Forschungstraditionen in Verbindung gesetzt. Soll vorrangig sowie konsequent diskursbezogen gearbeitet werden, sind mindestens zwei Forschungsperspektiven denkbar: eine theoriegeleitete, indem das Verhältnis zwischen Wissen, Sprache und Diskurs in Relation zur beruflichen

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Tätigkeit der Lehrenden thematisiert wird, und eine methodologiegeleitete, indem einige für das zu untersuchende Phänomen (wie etwa die Bildung, inklusive der Lehrkräfteforschung) relevante methodologische Implikationen herangezogen werden, die beispielsweise sprachliche Konstruktionen von bildungsspezifischen Aspekten thematisieren oder den für diesen Beitrag relevanten Aspekt der Identitäts- bzw. Subjektbildung der Lehrenden betreffen.

4.

Theoriegeleitete Kontextualisierung: Identität, Subjekt und Unternehmer seiner selbst

In Bezug auf den theoriegeleiteten Aspekt ist, um es kurz sowie zugegebenermaßen vorsichtig und vage zu fassen, das Verhältnis von Wissen und Diskurs folgendermaßen zu bestimmen: das Wissen gilt als übergreifende Kategorie, die alle sagbaren und nicht sagbaren Felder umfasst, der Diskurs hingegen als Instrument ihrer Einschränkung im Sinne der (Re-)Produktion von tatsächlich gesagten und zum Teil als gültig betrachtenden Wissensvorräten, die sprachlich und, was hervorzuheben ist, in Folge gewisser Ein- und Ausschlussmechanismen stattfindender Aushandlungsprozesse ausgetragen werden. Was wir also als wahr hinnehmen, ist das Resultat diskursiver Aushandlungsprozesse. Das wiederum bedeutet, dass diese keinen Anspruch auf Stabilität erheben können, weil die Aushandlung von Aushandlungsprozessen nicht final abgeschlossen wird. Will man diese Gedanken auf den Gegenstand des vorliegenden Beitrags beziehen, d. h. auf die Lehrkräfteforschung, muss man, um konsequent zu bleiben, zur oben skizzierten Gliederung in den medial-politisch bzw. den wissenschaftlichen Bereich zurückkehren. Die Debatten um die Rolle der Lehrenden sind nicht neu, jedoch besonders erkenntnisreich im Rahmen der sog. Wissensgesellschaft oder im Zusammenhang mit der Gesellschaft 4.0 bzw. 5.0. Die diesbezügliche Mehrstimmigkeit ist selbstverständlich. Aus diskursanalytischer Perspektive ist besonders danach zu fragen, welche Stimmen dominant zu sein scheinen, welche Erosionen dieser Stimmen sich sichtbar machen und welche alternativen Stimmen sich identifizieren lassen. Die Lehrkräfteforschung, verstanden als Element der breit gefassten Bildung, ist zudem als Machtinstrument zu verstehen, da Bildung insgesamt reproduziert, geplant und kontrolliert wird (vgl. Szkudlarek 2017). Den medial-politischen Bereich möchte ich anhand eines Zeitungsartikels (Süddeutsche Zeitung vom 08. 08. 2019, https://www.sueddeutsche.de/bildung/ schule-lehrer-lehrerin-1.4553688) illustrieren, da dieser zum einen die identitätsbzw. subjektbezogene Perspektive behandelt und zum anderen den Beitrag etwas lebhafter gestaltet. »Fiktive Vorbilder: Das sind unsere Lieblingslehrer« lautet der

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Titel des Textes, der sich in die in Deutschland geführte Debatte um die Lehrenden einschreibt. »Rektor Skinner aus den ›Simpsons‹, Zeki Müller aus ›Fack ju Göhte‹, Minerva McGonagall aus ›Harry Potter‹: SZ-Autoren erinnern sich an Lehrkräfte, die sie beeindruckt haben«. An dieser Stelle soll nicht auf die Details der originellen Illustrationen eingegangen werden, aber darauf verwiesen, dass sich hier mindestens ein für den Beitrag wichtiges diskursives Moment zeigt: Die Debatte um die Lehrenden ist eine Debatte um Identitäten, ferner eine Debatte, in der Lehrkräfte als Subjekte konstruiert werden. Medien sind jedoch auch die Orte der Produktion des sog. Interdiskurses (vgl. Link 2006), der die komplexen Prozesse aus dem Bereich der sog. Spezialdiskurse (verstanden als wissenschaftliche Diskurse) rezipientenbezogen simplifiziert. Ein gutes Beispiel liefert der zitierte Zeitungsartikel. Die Hattie-Studie des Neuseeländers John Hattie aus dem Jahr 2009, die Bedingungen des schulischen Lernerfolgs analysiert, wurde und wird nicht nur innerhalb der Bildungsforschung, sondern auch im medialpolitischen Bereich sehr stark rezipiert (Hattie 2009). Bezogen auf die Aspekte der Identitäts- bzw. Subjektbildung ist dem Zeitungsartikel u. a. Folgendes zu entnehmen: »Was Unterricht den Schülern bringt, hängt demnach weniger von äußeren Strukturen ab als von der Lehrerpersönlichkeit« und »[e]in guter Lehrer ist eine Bereicherung, ein schlechter eine Beeinträchtigung. Ein guter Lehrer macht Mut, ein schlechter entmutigt. Lehrer können Leidenschaften entfachen, schlafende Talente wecken, Selbstvertrauen geben – oder das Gegenteil von alldem bewirken. Sie können Helden sein, Peiniger oder traurige Gestalten. Ihre Macht ist nicht zu unterschätzen.« Es zeigt sich hier also eine Stimme aus dem Universum der Mehrstimmigkeit, unterstützt sowohl durch den medial und zum Teil auch politisch vermittelten Interdiskurs, der an den Spezialdiskurs gekoppelt ist, wodurch sich ihre besondere Machtwirkung manifestiert. Die wissenschaftliche (und somit viel komplexere) Debatte um die Lehrenden möchte ich anhand einer Klassifikation von Lehrkräfteausbildungsmodellen illustrieren. Zawadzka (2004) unterscheidet in dem Zusammenhang: – das technologische Modell, nach dem Lehrende professionelles Wissen passiv rezipieren und didaktische Lösungen reproduzieren, – das funktionale Modell, dem zufolge Lehrkräfte selbstständige Subjekte sind, die sich mit ihrem Wissen an die Umgebung anpassen und diese mitgestalten sowie – das humanistische Modell, das Autonomie, die Beziehung zu anderen Menschen und die Erschließung der eigenen Identität, ferner Individualität und Kreativität als konstitutive Elemente der Lehrenden fokussiert. Ergänzend dazu verweist Ge˛bal (2019) auf das emanzipatorisch-kritische Modell (vgl. Marek (2015)), bei dem Reflexivität, offene Kommunikation, eine domi-

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nanzfreie Denkweise und Menschenrechte die Grundlage der lehrkraftbezogenen Reflexion bilden. An dieser Stelle soll das eingangs formulierte Ziel des Beitrags wieder aufgegriffen werden, d. h. die bisherigen Vorüberlegungen sollen nun in einen anderen, in einen diskursbezogenen Kontext gesetzt werden, um in Bezug auf die Lehrkräfteforschung Kritik und Reflexivität stärker zu betonen, als dies in deren Rahmen bisher geschieht. Als Inspirationsquelle kann ein spezifischer Kontext herangezogen werden, der mit dem Konzept der Wissensgesellschaft zusammenhängt und mit einigen für es konstitutiven Begriffen wie wissensbasierte Ökonomie, Personalmanagement, Ressourcenmanagement oder Selbstmanagement (vgl. Stachowiak 2013) in Verbindung gebracht wird. Bildung (inklusive der Forschung zu Lehrkräften) wäre demnach ein Ort, an dem bestimmte soziale, aber auch ökonomische Systeme reproduziert werden. Es stellt sich nun die Frage nach dem Grad und dem Umfang der Reproduktion des neoliberalen Diskurses im Rahmen der Bildung, was unter Rückgriff auf den foucaultschen Begriff der Gouvernementalität und die Entwicklung der Gouvernementalitätsstudien (vgl. dazu Czyz˙ewski 2009; Foucault 2012; Stachowiak 2013; Nowicka 2016) näher bestimmt und erklärt werden kann. Gouvernementalität bezeichnet eine spezifische Form des Regierens, die globale Prozesse der Schaffung von sozialer und ökonomischer Ordnung zu legitimieren sucht. Die Gouvernementalitätsforschung befasst sich mit neoliberalem Regieren, das beispielsweise durch sozialpolitische Programme, therapeutische Maßnahmen oder auch, und das ist für diesen Beitrag von besonderer Bedeutung, durch mit der Bildung verbundene Konzepte reproduziert wird. Das Wesen dieser Logik besteht darin, die Bevölkerung so zu steuern, dass die Individuen zu selbstverwalteten Individuen konstruiert werden. In diesem Kontext, der wohlbemerkt auch ein empirischer Kontext ist, taucht eine Kategorie auf, die im Zusammenhang mit Analysen von Lehrenden als wichtiger Bezugspunkt, als Anregung für weitere Klärungen sowie als spezifische Denkfigur begriffen werden kann, die sozial-, wissens-, macht- und vor allem subjekt- und identitätsstiftenden Charakter der Kategorie der Lehrenden berücksichtigt. Ich spreche hier von der Kategorie des sog. »Unternehmers seiner selbst«. Unter Rückgriff auf Stachowiak (Stachowiak 2013, S. 144–145) lassen sich die wichtigsten semantisch-diskursiven Elemente dieser Kategorie folgendermaßen skizzieren: Theoriebezogen schreiben sie sich in die Konzeption des Humankapitals und in den Neoliberalismus amerikanischer Prägung ein, handlungs- und praxisbezogen akzentuieren sie (1) eigenständige Bildungsinvestitionen in das eigene Humankapital und seine Vervielfältigung; (2) Hoffnung auf zukünftige Gewinne aus dem Selbstmanagement, begriffen als eine spezifische Managementkunst; (3) Übernahme eines bedeutenden Teils der Aufgaben früherer Vorgesetzter, Administrator:innen und Managementingenieur:innen;

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(4) Orientierung an Tätigkeiten, die sich in ökonomisch verstandener Effektivität manifestieren, sowie (5) eine hochrationalisierte, kontrollierbare, planbare und kalkulierbare Praxis, die mit der unternehmensähnlich organisierten Gesellschaft im Einklang steht, in der alle Ambitionen, Ziele und Möglichkeiten der Individuen in ökonomische Kategorien umgedeutet werden.

5.

Methodologiegeleitete Kontextualisierung der Lehrkräfteforschung: von der Kritischen Diskursanalyse zur Dispositivanalyse

Der so umrissene theoretische Kontext wirft Fragen nach der methodologischen Umsetzung auf. Hier ist eine empirische Unterscheidung notwendig, die die einzelnen Facetten des Bildungsdiskurses adressiert, d. h. den Bildungsdiskurs, den Diskurs der Bildungssubjekte und den Diskurs über Bildung.3 Das wiederum hat zur Folge, dass die folgenden empirisch-diskursiven Ebenen einer Analyse unterzogen werden können: – Konzepte von europäischen Institutionen, staatlichen Institutionen, wissenschaftlichen Einrichtungen, NGOs und Verlage sowie ihre Implikationen, – Lehrwerke und andere Unterrichtsmaterialien (inklusive Lehrerhandbücher), mit denen die Lehrenden arbeiten, – Lehrende, die selbstverständlich in einer spezifischen Beziehung zu Lernenden begriffen werden müssen (auch mit bildungskulturellem Hintergrund im Migrationskontext), d. h. die Frage nach der Umsetzung und Wirkung des präferierten Lehrstils sowie der Konzepte der ausgewählten Lehrwerke, die über Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung (wie Umfragen, Interviews, Gruppeninterviews oder teilnehmende Beobachtung) erfasst werden können, und – öffentliche Diskurse zur beruflichen Tätigkeit der Lehrenden (insbesondere Mediendiskurse). Um die Rolle der Sprache bei der diskursiven Konstruktion von Bildung im Kontext der Lehrkräfteforschung nachvollziehbar(er) zu gestalten, sei aus methodologischer Perspektive auf zwei Zugänge hingewiesen. Der erste Zugang ist

3 Die Betrachtung von Bildung als Diskurs hat zur Folge, dass mindestens drei diskursive Ebenen unterschieden werden können (vgl. Kumie˛ga/Nawracka 2020, Kumie˛ga 2020): (1) die auf die für die Bildung zuständigen Institutionen bezogene Ebene (Bildungsdiskurs), (2) die auf Lehrende und Lernende bezogene Ebene (Diskurs der Bildungssubjekte) und (3) die auf Institutionen, die außerhalb des Bildungskontextes zu verorten sind und über Bildung sprechen oder schreiben, bezogene Ebene (Diskurs über Bildung).

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eher linguistisch geprägt, der andere hat auf der Grundlage des empirischen Materials das Potenzial, das Sprachliche in den Vordergrund zu rücken. So an den Diskurshistorischen Ansatz anknüpfend (vgl. zum Beispiel Wodak 2017), der unter anderem »Identitätskonstruktionen, die allen Ein- und Ausschlussprozessen zugrunde liegen« zu untersuchen sucht (Wodak 2017, S. 55), sind methodologisch betrachtet die folgenden Analyseebenen, hier verstanden als korpusbezogen zu rekonstruierende Strategien, auszudifferenzieren (vgl. Wodak 2017, S. 57): – referenzielle Strategien (linguistisch gesehen durch Nominalisierungen realisiert), – prädikative Strategien (realisiert durch Attribute wie beispielsweise Adjektive, Präpositionalphrasen, Relativsätze u. a. oder auch durch explizite Vergleiche Metaphern, Metonymien u. a.), – argumentative Strategien (im Sinne der Rechtfertigung und Legitimierung von bestimmten Personen bzw. Gruppen von Personen), – Strategien der Diskursrepräsentation und der Perspektivierung (Zitieren oder autor:innenbezogene Zuschreibung von Äußerungen), – Verstärkungs- und Abschwächungsstrategien (Verstärkung von Äußerungen durch Superlative und bestimmte Adverbien oder Abschwächung von Äußerungen durch Konjunktivkonstruktionen, Euphemismen und Verben des Glaubens oder Meinens). Diese auf den ersten Blick ›einfachen‹ sprachlichen und diskursiven Mechanismen sind erkenntnisreich, wenn sie auf einen konkreten empirischen Gegenstand bezogen werden. Im Falle des diskursiven Ansatzes sind es die diskursiven Konstruktionen von Lehrenden in den oben ausdifferenzierten und die Bildung adressierenden Diskurstypen. Der Ansatz korrespondiert somit mit der im vorliegenden Beitrag aufgestellten These über die besondere Rolle der Sprache bei der Konstruktion von Wirklichkeit (inklusive der Bildungswirklichkeit). Soll der in erster Linie sprach- und diskursbezogene Ansatz, der im Kontext der Lehrkräfteforschung seine Anwendung finden kann, weitergedacht werden, sei auf die methodologischen, im Rahmen der soziologischen Diskurs- und Dispositivanalyse von Bührmann und Schneider (2008) formulierten Überlegungen hingewiesen. Der foucaultsche Dispositivbegriff wird dabei als eine über dem Diskursbegriff stehende Kategorie verstanden, die diskursive, aber auch nicht diskursive Praktiken umfasst. Sie wird als ihr spezifisches strategie- und machtbezogenes Ensemble begriffen, das auf gewisse soziale Notstände reagiert (beispielsweise auf die sog. Migrationskrise). Ohne auf die Details dieser Kategorie näher eingehen zu wollen, ist dem Ansatz gemäß die Frage nach der Subjektbildung durch Diskurs und im Diskurs zu berücksichtigen. Die Kategorie der Subjektbildung ist vor allem in der deutschsprachigen Diskursforschung präsent.

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Im englischsprachigen Raum wird in diesem Zusammenhang auf die Kategorie der Identität zurückgegriffen. Bührmann und Schneider (2008) vertiefen die Problematik, indem sie betonen, dass verschiedene Diskurse (semantische) Subjektivierungsangebote (im Sinne der »diskursiv produzierten und vermittelten normativen Vorgaben«; Bührmann und Schneider 2008, S. 69) bereitstellen. Das Subjekt ist aber nicht passiv, weil empirisch herauszuarbeiten ist, welche dieser Angebote tatsächlich übernommen bzw. zurückgewiesen werden, welche alternativen Subjektivierungsangebote (im Sinne der nicht dominanten) bevorzugt werden und welche Effekte die Übernahmen zeitigen. Für den Gegenstand des Beitrags folgen aus dieser Problematik mindestens zwei analytische Zugriffsweisen. Zum einen kann danach gefragt werden, welche Subjektivierungsangebote in dem Konzept der Wissensgesellschaft verpflichteten Lehrkraftkonzeptionen präsent sind (Subjektformierung), was durch die Analysen der oben festgehaltenen Facetten des Diskurses rund um die Bildung rekonstruierbar ist. Zum anderen lässt sich aber auch danach fragen, welche dieser Subjektivierungsangebote tatsächlich von den Lehrenden übernommen und praktiziert werden (Subjektivierungsweise), indem strukturierte Interview- oder Beobachtungsverfahren eingesetzt werden.

6.

Zusammenfassung und Ausblick

Erst an dieser Stelle sollte deutlich werden, dass der vorliegende Beitrag danach fragt, inwiefern die Lehrkräfteforschung der Reproduktion des Konzepts der Wissensgesellschaft folgt, indem dieses mit foucaultschen Inspirationsquellen und dem vorherrschenden neoliberalen Diskurs ergänzt wird. Diese Frage ist und bleibt eine empirische Frage, wenn die Methodologien der vorgestellten Ansätze herangezogen und auf bestimmte Texte, Dokumente, Konzepte, Projekte etc. rund um die Bildung übertragen werden. Dabei wird Sprache eine zentrale Rolle in der diskursiven Konstruktion von (Bildungs-)Wirklichkeit (auch im Kontext der Lehrkräfteforschung) zugeschrieben. Als maßgeblich für die gesamte Konstellation werden die Aufgaben, Funktionen, Herausforderungen, kurzum die diskursiven Zuschreibungen bestimmt, die an Lehrende gerichtet werden. Das bedeutet nicht, dass andere relevante Elemente des Bildungsprozesses nicht denselben oder ähnlichen theoretischen und methodologischen Zugängen folgen könnten. All diese Aspekte werden kontextabhängig verstärkt und begründet: – In Bezug auf Arbeit und Beruf ist der historische Wandel von optimierbaren über autonome bis zu selbstoptimierenden Mitarbeitenden (im Sinne des »Unternehmers seiner selbst«) zu betrachten. Im Kontext der Lehrkräfteforschung stellt sich diesbezüglich die Frage, inwiefern Lehrende sich so zu verstehen haben, zum anderen aber auch, inwiefern Lehrende durch norma-

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tive Vorgaben ein solches Bild von Mitarbeitenden im Bildungsprozess fördern sollen bzw. müssen. – Ferner scheint die Bildungswelt bzw. Arbeitswelt (auch der Lehrenden) ein Ort zu sein, der mit folgenden diskursiven Elementen expansiv befüllt wird: Betonung der sozialen Mobilität von Individuen; Betonung der zunehmenden Bedeutung individueller Leistungen und individueller Bildungswege; geringere Bedeutung der sozialen Herkunft und des sozialen Status; größere Betonung individueller Verhaltensweisen (im Gegensatz zu Verhaltensweisen, die durch soziale Gruppen geprägt sind); größere individuelle Verantwortung und Entscheidungsfreiheit; Selbstkontrolle und Selbstverwirklichung. – Mit Blick auf Macht sei auf Foucault verwiesen. Foucault bestimmt die sog. Disziplinarmacht als Machtform, die darauf ausgerichtet ist, Individuen zu formen und an die normativen Vorgaben anzupassen. Im Zentrum dieses Machttypus steht eine Norm (z. B. die für den vorliegenden Beitrag besonders relevant neukapitalistische Produktions- und Arbeitsnorm, die auch vordiskursiv in Diskursen rund um die Bildung und die Lehrenden reproduziert werden kann), die ordnet, klassifiziert und alle Abweichungen ausschließt. Die Individuen werden auf einer Skala eingestuft, die zwischen normal und nicht normal unterscheidet. Diese Machtform ist auf Individualisierung und Selbstdisziplinierung ausgerichtet. Vor diesem Hintergrund steht die Lehrkräfteforschung vor der Aufgabe, reflexiver, interdisziplinärer und insbesondere transdisziplinärer zu werden, indem ihre Kategorien, Theoreme und Methodologien in neue Kontexte eingesetzt werden. Dies beinhaltet die Möglichkeit ihres produktiven und erkenntnisreichen Transformationsprozesses.

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Sławomira Kołsut

Lernende und Lehrende im konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht. Versuch einer pädagogisch-didaktischen Verortung

Abstract In der Unterrichtspraxis wenden sich viele Lehrkräfte einer konstruktivistischen Lern- und Lehrkultur zu und verzichten zugunsten der konstruktivistischen Didaktik auf vermittlungsbasierte Lehrmethoden. Die konstruktivistische Didaktik schöpft aus mehreren Strömungen innerhalb des konstruktivistischen Ansatzes, kennzeichnend ist aber die aktive Rolle der Lernenden, die die Realität mental selbst konstruieren. Im Beitrag werden sowohl fünf Säulen der konstruktivistischen Didaktik in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht als auch die Rolle der Lernenden und Lehrenden aus der Perspektive der konstruktivistischen Fremdsprachendidaktik besprochen. Keywords: Konstruktivismus, konstruktivistische Lernansätze, konstruktivistische Lernkultur, konstruktivistische Fremdsprachendidaktik, konstruktivistische Lehrkraft In teaching practice, many teachers turn to a constructivist culture of learning and teaching and abandon presentation-based teaching methods in favour of constructivist didactics. It refers to many currents within the constructivist approach, but is characterised by the active role of the learner who constructs reality in his own brain. Five pillars of constructivist didactics in relation to foreign language teaching are discussed as well as the role of the learner and teacher from the perspective of the constructivist approach to foreign language learning. Keywords: constructivism, constructivist approaches to learning, constructivist culture of learning, constructivist didactics, constructivist teacher

1.

Einleitung

Die konstruktivistische Didaktik erfährt in der schulischen Praxis der letzten Jahre den Versuch ihrer Etablierung, jedoch hängt es in hohem Maße von der Haltung der Lehrkräfte ab, ob diese konstruktivistischen Lösungsansätze implementiert werden. Die meisten Sprachlehrkräfte sind es gewohnt, Unterricht Sławomira Kołsut, Schlesische Technische Universität in Gliwice, [email protected], ORCID: 0000-0001-7319-2769.

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nach dem kognitiven Ansatz zu gestalten. Während der kognitive Ansatz ein instruktionistisches Konzept ist, das sich an der Steuerung der Lernenden durch die Lehrkräfte und der Vermittlung der Inhalte orientiert, schließt der Konstruktivismus die Wissensvermittlung im Allgemeinen aus. Konstruktivist:innen stellen infrage, ob objektives Wissen von Lehrenden an die Lernenden weitergegeben werden kann, da Lernen in ihrer Sicht nicht die Übertragung von vorhandenem Wissen, sondern vielmehr die Schaffung eigener Ideen bedeutet. Daher sollte der Schwerpunkt auf dem Prozess der Bildung dieses Wissens liegen, nicht auf dem Endprodukt, wie bereits Jean Piaget (Piaget 1981) betonte. Der konstruktivistische Ansatz ist an den Lernenden orientiert. Das bedeutet, dass diese im Unterricht vorranging selbstständig und autonom arbeiten bzw. handeln. Für Lernende, die an die Vermittlungsmethode gewöhnt sind, kann das ein großes Problem darstellen. Deshalb kommt der Lehrkraft hier eine wichtige Rolle zu, da sie den Unterricht so gestalten muss, dass den Lernenden das Handeln ermöglicht wird. Dieser Einstellungswandel seitens der Lehrperson bedeutet für die Lernenden eine große Herausforderung und erfordert eine entsprechende Interaktion, nicht nur im Bereich der Sprache, sondern auch in Bezug auf die sozialen Beziehungen. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich der konstruktivistische Ansatz im Sprachunterricht anwenden lässt und inwiefern die Lehrkräfte selbst akzeptieren, eine begleitende bzw. beratende Funktion zu übernehmen. In diesem Beitrag soll die konstruktivistische Lehrhaltung im Fremdsprachenunterricht aus pädagogisch-didaktischer Perspektive diskutiert werden.

2.

Der Lernprozess aus konstruktivistischer Perspektive

Aus konstruktivistischer Sicht ist der Lernprozess die Wahrnehmung, Interpretation und Konstruktion von Bedeutungen durch die Lernenden auf Grundlage ihres Vorwissens. Dieses Anfangswissen ist von großer Bedeutung, denn auf seinen Fundamenten werden neue, an es zurückgebundene Konstruktionen gebaut. Konstruktivistisches Lernen umfasst Wahrnehmen, Erfahren, Handeln, Erleben und Kommunizieren. Statt Faktenlernen steht also die Entwicklung von Fertigkeiten und Strategien im Vordergrund (Konrad 2005, S. 15), was für das Lernen von Sprachen besonders wichtig ist, geht es doch um die Entwicklung von Sprachkompetenz, also um das Handeln im Kontext kommunikativer Situationen, und nicht vorrangig um den Erwerb sprachlicher Strukturen. Der Lernprozess umfasst ferner die Reflexion und Bewertung von Leistungen der Lernenden. Ihre Autonomie und Eigenverantwortlichkeit werden durch die Lehrkräfte unterstützt. Stanisław Dylak schreibt, dass es »der Konstruktivismus

Lernende und Lehrende im konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht

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erlaubt, die Atmosphäre der Erkenntnis, des Zweifels, des Strebens nach eigenen Entdeckungen und folglich der kognitiven Unabhängigkeit in den Unterrichtsraum einzuführen. Vor allem aber kann er zum bewussten Lernen beitragen, denn bewusstes Lernen kann nur aus der Aktivität, d. h. aus der Leistung, entstehen« (Dylak 2000, S. 11; eigene Übersetzung).

3.

Konstruktivistische Lernansätze

Kersten Reich zufolge gibt es nicht einen konstruktivistischen Ansatz (Reich 2001, S. 361), sondern mehrere Formen, die in ihren Grundannahmen miteinander verbunden seien, sich aber an verschiedenen Aspekten der umgebenden Wirklichkeit orientierten, z. B. der radikale Konstruktivismus (Glasersfeld, Foerster), der soziale Konstruktivismus (Solomon), der kritische Konstruktivismus (Taylor), der kontextuelle Konstruktivismus (Cobern), der methodische Konstruktivismus (Gethmann, Janich) oder sozial-kulturtheoretisch begründete Konstruktivismen (Berger/Luckmann, Knorr-Cetina, Reich) (ebd.). Die im vorliegenden Beitrag nachfolgend angeführten Konstruktivismen sind nicht als Positionen auf einer Liste der wichtigsten Strömungen zu betrachten, sondern wurden in Bezug auf ihren pädagogisch-didaktischen Aspekt ausgewählt. Die zentrale Idee, die verschiedene Konstruktivismen verbindet, ist die Annahme, dass Wissen nicht transferiert werden könne. Wissen müsse im Gehirn selbst erzeugt werden (Siebert 1998, S. 37). Je nach Art des Konstruktivismus wird jedoch der Lernprozess unterschiedlich wahrgenommen bzw. verschiedene seiner Elemente betont.

3.1.

Der kognitive Konstruktivismus von Jean Piaget

Für den Schöpfer des kognitiven Konstruktivismus, Jean Piaget, war der grundlegende Mechanismus der menschlichen Entwicklung die eigene Aktivität, die den Menschen ermutige, Erklärungen zu suchen und Wissen selbst zu konstruieren (Piaget 1981). Lernende konstruierten es auf der Grundlage subjektiver Erfahrungen, indem sie Probleme selbst lösten. Die umgebende Realität sei nur eine Anregung zur Entwicklung, die richtigen Impulse kämen vom Menschen selbst, von innen heraus. Lernen finde unter dem Einfluss von Erfahrungen und in einer Situation der Konfrontation mit anderen Ansichten statt (Klus-Stan´ska 2010). Deshalb ist der kognitive Konflikt ein so wichtiges Element der konstruktivistischen Didaktik, er verbirgt sich z. B. in problematischen Aufgaben. In Bezug auf die Fremdsprachendidaktik beziehen sie sich auf den Austausch

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Sławomira Kołsut

gegensätzlicher Meinungen und die Aushandlung eines Kompromisses oder Standpunktes zu einem bestimmten Thema. Die Konstruktion von Wissen ist nach Piaget eine aktive und wechselseitige Interaktion zwischen den Lernenden und der Umwelt, die ständigen Veränderungen unterliegt und als Assimilation und Akkommodation stattfindet. Während der Assimilation erweiterten Lernende ihre eigenen Strukturen durch Informationen von außen, die Akkommodation bestehe darin, dass die erweiterten Strukturen modifiziert werden (Gofron 2013, S. 164). Die intellektuelle Entwicklung beruhe auf dem ständigen Übergang von einer Phase (Assimilation) zur anderen (Akkommodation), die aufeinander folgende Phasen der menschlichen Entwicklung charakterisiere (ebd.). Wissen existiert nicht unabhängig, sondern wird dynamisch generiert. Lernen ist das Ergebnis von Handeln in sozial bedingten Situationen. Es ist daher situations- und kontextbezogen. Die Ergebnisse kognitiver Prozesse seien nicht plötzlich da, sondern erfordern langfristiges Denken, intensives Lernen, abstrakte Erklärungen, ständige Versuche, Fehler und Ausdauer (vgl. dazu Siebert 2002, S. 60). Sie gehen zurück auf eine ständige Konfrontation des Menschen mit seiner Umwelt, auf das Aufstellen sowie Verifizieren von Hypothesen und die aktive Suche nach Lösungen.

3.2.

Der soziokulturelle Konstruktivismus von Lew Wygotski

Für Lew Wygotski sind Lernende anders als für Piaget nicht spontane Geister, sondern das Produkt eines soziokulturellen Prozesses. Nach Ansicht Wygotskis ist Lernen eine Aktivität, an der sowohl die Lernenden als auch die Lehrenden teilnehmen. Es ist eine Veränderung in der Beziehung zwischen Geist und Welt (vgl. dazu Filipiak 2011). Der Lernende ist aktiv am Prozess der Wissenskonstruktion beteiligt und im Prinzip »Mitautor der eigenen Entwicklung, nicht passiver Empfänger von Ratschlägen von Erwachsenen« (Filipiak 2011, S. 47; eigene Übersetzung). Die Lernenden sind aktiv suchend am Prozess beteiligt. Der Schlüssel zu ihrer Entwicklung sei jedoch die auf gegenseitiger Akzeptanz beruhende Beziehung zu den Lehrpersonen. Besonders wichtig sei der Kontakt zwischen den Lernenden und den Lehrenden, die ein höheres intellektuelles Niveau repräsentierten und über mehr kognitive Möglichkeiten verfügten. Beide Seiten bilden ein »Joint Venture«, wie Filipiak es ausdrückt (Filipiak 2011, S. 47), wobei dem oder der Lernenden die Rolle als Mitarbeiter:in bzw. Praktikant:in zukommt. Die Rolle der Lehrkraft besteht darin, es den Lernenden aktiv zu ermöglichen, ihr Potenzial zu entdecken und zu enthüllen. Die kognitive Kompetenz eines Menschen entwickle sich als Ergebnis sozialer Interaktionen, durch die er Bedeutung konstruieren kann. Lernen ist ein sozialer Prozess. Die Au-

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ßenwelt, insbesondere der soziale Kontext, spiele für die geistige Entwicklung eine größere Rolle als die individuelle Erfahrung eines Subjekts. Aus soziokultureller Perspektive sei Lernen das Ergebnis der Interaktion der Lernenden mit reiferen Mitgliedern der Gemeinschaft (Filipiak 2011, S. 32).

3.3.

Pädagogischer Pragmatismus

Mit dem Konstruktivismus hängt der in weiten Teilen konstruktivistisch angelegte Pragmatismus zusammen, besonders das Bildungskonzept von Dewey und sein pädagogischer Ansatz des »learning by doing« (Dewey 1938). Wahrnehmen und Erkennen der Welt sind untrennbar mit Handeln verbunden, was bedeutet, dass Erkennen aus den Handlungen resultiert Diese Idee spiegelt sich in Worten von Vico wider: »Der Mensch kann nur das erkennen, was er selber gemacht hat« (Vico, zit. nach Siebert 1998: 23). Dem Konstruktivismus zufolge sind Kognition und Wissen nicht eine Folge der passiven Wahrnehmung von Informationen, sondern entstehen als Ergebnis des Handelns eines aktiven Subjekts. Nach dem Pragmatismus impliziert Handeln Kognition, Wissen wird durch Handeln geschaffen. Durch sein Handeln lernt ein Mensch die Welt und die in ihr ablaufenden Prozesse kennen. Dies sind jedoch keine zufälligen, Aktionen, sondern Aktivitäten, die eine gewisse Kontinuität schaffen, die Entwicklung und Wachstum sichern: »Wir lernen und wachsen, indem wir Kontinuitäten etablieren« (Garisson 1998, S. 67). Lernen ist aus Sicht des Pragmatismus Handlung, ein pragmatischer Prozess, der sich nicht auf den Erwerb von Informationen reduzieren lasse (Reich 2008, S. 102). Das Schlüsselelement in der Theorie des pädagogischen Pragmatismus ist neben der Handlung die Erfahrung, d. h. das direkte Erkennen der Welt. Erfahrung entsteht, wenn eine in ihrem Umfeld agierende Person in Interaktion mit diesem steht, wobei Kommunikation und Kooperation zwischen den Subjekten eine zentrale Rolle spielen. Im Lernprozess kommt es nicht darauf an, die gesetzten Ziele zu erreichen, sondern die bei der Problemlösung gesammelten Erfahrungen zu erleben und sich ihrer bewusst zu werden. Lösungen entstünden, indem Hypothesen, Ideen und Theorien in der Praxis erprobt würden Je weniger Bezug zur Praxis, desto geringer das Interesse, die Motivation und das Verständnis des Subjekts für die Ziele (Reich 2008). Durch das Erleben von Realität verändere sich ein Mensch, seine Transformation beeinflusse die Qualität der nachfolgenden Erfahrungen, die ihn zur weiteren Entwicklung motivieren (Kerres/de Witt 2004).

48 3.4.

Sławomira Kołsut

Die Lerntheorie Jerome Bruners

Die Lerntheorie des amerikanischen Psychologen Jerome Bruner weist viele Anknüpfungspunkte zu konstruktivistischen Grundannahmen auf. Bruner verbindet in seinem Konzept Piagets Ansichten über die Spontaneität in der Entwicklung der Lernenden mit Wygotskis Überzeugung, dass die Lernenden in einen kulturellen und sozialen Kontext eingetaucht werden sollten. Erkenntnis findet nicht nur im direkten Kontakt mit der Realität statt, sondern vor allem durch die Interaktion mit den Beteiligten. Laut Bruner ist Entdecken der effektivste Lernweg, da Lernende nach Unterschieden und Ähnlichkeiten zwischen Objekten und Ereignissen, d. h. zwischen Kategorien, suchen müssen. Diese Aktivität ist, seiner Ansicht nach, die beste Methode, um die Welt zu erkennen. Bruner zufolge hilft das Lernen durch Entdecken Lernenden, Verantwortung für den gesamten Prozess der eigenen Arbeit zu übernehmen. Zudem präge sich selbst Entdecktes besser ein und sei leichter auf reale Situationen zu übertragen. Bruner legte Wert darauf, Lernende mit Problemen zu konfrontieren, die sie eigenständig lösen sollten. Der Inhalt werde nicht präsentiert, sondern müsse mit Vorwissen, d. h. mit dem, was den Lernenden bereits zur Verfügung steht, entdeckt und assimiliert werden (Konrad 2005, S. 9). Er schlägt vor, die Lernenden im Unterricht mit offenen Problemsituationen und kognitiven Konflikten zu konfrontieren, die sie analysieren, lösen, beschreiben und für die sie selbst Schlussfolgerungen entwickeln müssen. Das Ziel dieser geistigen Aktivität sei einen proaktiven, konstruktiven und selbstwirksamen Geist zu fördern. Der Lernprozess besteht aus der Perspektive von Bruners Konzept also aus der Idee der Selbstwirksamkeit der Lernenden, der Reflexion, d. h. dem Verstehen der Bedeutung dessen, was erlebt wird, und der Zusammenarbeit und Kultur. In dem Lernprozess werden aus der Perspektive von Bruners Konzept die Idee der Selbstwirksamkeit der Lernenden, ihrer Zusammenarbeit, Kultur und der Reflexion mit einbezogen.

3.5.

Der neurobiologische Konstruktivismus von Gerhard Roth

Während der soziale Konstruktivismus einen klaren Bezug zur sozialen Wirklichkeit hat, bezieht sich der neurobiologische Konstruktivismus auf Gehirnprozesse und die neurobiologische Forschung im Allgemeinen. Er berücksichtigt die biologischen Mechanismen, die unser Denken und Handeln auslösen, und überschneidet sich damit mit den Neurowissenschaften. Gerhard Roth entwickelte ein konstruktivistisches Konzept, das auf Forschungsergebnissen der Hirnforschung basiert. Er kam zum Schluss, dass das

Lernende und Lehrende im konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht

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Subjekt des Erkennens der Welt das menschliche Gehirn sei, das bewusste Ich dagegen nur dessen Konstrukt (Roth nach Stachura 2010). Wahrnehmung und Erkennen der Welt werden also durch eine Konstruktion des Gehirns bestimmt, das Gehirn selbst ist Hauptzentrum und Konstrukteur der vom Individuum geschaffenen Realität. Es verarbeite nur die Inhalte, die für einen bestimmten Menschen im Hinblick auf sein biologisches und soziales Überleben wichtig sind, und nur diese Inhalte gelangen in sein Bewusstsein. Das Gehirn interessiere sich nicht für das Streben nach Wahrheit und Objektivität, sondern sei darauf ausgerichtet, Informationen zu erhalten, die das physische Überleben des Körpers und die Anpassung an die umgebende Welt sicherten (ebd.). Aus der Sicht des neurobiologischen Konstruktivismus sind es die unbewussten Prozesse im Gehirn, die die Grundlage des menschlichen Denkens und Handelns bilden. Der Wissenserwerb hängt von Faktoren ab, die unbewusst und daher wenig anfällig für Umwelteinflüsse sind.

3.6.

Der emotionale Konstruktivismus von Rolf Arnold

Die neurobiologische Forschung trug dazu bei, die Aufmerksamkeit der Wissenschaft auf die Bedeutung von Emotionen und Gefühlen für das menschliche Leben zu lenken. Diese wurden aufgrund ihrer Flüchtigkeit und wissenschaftlichen Unbestimmbarkeit bisher eher vernachlässigt. Es zeigte sich jedoch, dass Emotionen ein unverzichtbares Element für rationale Entscheidungen sind (Damasio 1999). Der emotionale, sich auf neurobiologische Forschungsergebnisse beziehende Konstruktivismus betont die Bedeutung von Emotionen im Prozess des Fühlens, Denkens und Handelns. Einer seiner wichtigsten Vertreter ist Rolf Arnold, der die Grundannahmen dieser Strömung zusammenstellte. Die These, es gebe kein objektives Wissen, das vermittelt werden könne, korrespondiert mit den allgemeinen Annahmen des Konstruktivismus. Da Lernende ihre eigenen Interpretationen der Wirklichkeit erschaffen, ist es für den Lernprozess notwendig, dass sich die Lernenden diesbezüglich reflektiv austauschen. Der Sinn des Lernens besteht also nicht darin, Wissen zu reproduzieren, sondern Problemlösungsaktivitäten zu ermöglichen und in wechselseitige Beziehungen und Kommunikation miteinander zu treten, d. h. »in die Welt der anderen Menschen einzutreten« (Varela 1990, zit. nach Arnold/Siebert 1999, S. 88). Beim Lernen gehe es darum, die eigene mentale Realität zu konstruieren; die Rolle der Lehrenden bestehe nicht darin, Wissen zu vermitteln, sondern den Prozess der Schaffung eigener mentaler Konstruktionen zu ermöglichen. Effektives Lernen und Kompetenzentwicklung seien nur möglich, wenn sich Lernende der Emotionen bewusst sind, die ihre Existenz prägten.

50

Sławomira Kołsut

Die genannten Konstruktivismen beziehen sich auf verschiedene Aspekte des Lehr-Lern-Prozesses und bilden Grundlage für eine Lernkultur.

4.

Eine konstruktivistische Lernkultur

Eine Lernkultur schafft bestimmte Rahmenbedingungen und umfasst die für eine Zeit typischen Lernformen und Lernstile. Johannes Weinberg zufolge wird die Lernkultur konstruiert und besteht aus Interaktions- und Kommunikationsprozessen, die auf Lernsettings Einfluss haben (Weinberg 1999). Die konstruktivistische Lernkultur fokussiere den Kompetenzerwerb, da die die moderne Wissensgesellschaft in erster Linie Kompetenzen verlange. Eine konstruktivistische Lernkultur kann Antwort auf die Herausforderungen der modernen Welt und ihrem raschen technologischen Wandel sein. Sie bezieht sich auf viele Strömungen innerhalb des konstruktivistischen Ansatzes (siehe Abbildung 1), zeichnet sich aber durch die aktive Rolle der Lernenden aus, die Wirklichkeit mental selbst konstruieren. In seiner radikalen Form verneint der Konstruktivismus sogar die Existenz einer objektiven Welt. Wissen ist stets ein subjektives Konstrukt, das von menschlicher Erfahrung geprägt ist. Piagets kognitiver Konstruktivismus nimmt die Aktivität der Lernenden in den Blick, die die zentrale Quelle des durch kognitive Konflikte entstehenden Welterkennens ist. Wygotskis soziokultureller Konstruktivismus betont die Rolle der sozialen Interaktion, der umgebenden Umwelt und der kulturellen Prozesse, an denen die Lernenden teilnehmen. Bruner verbindet die Ansichten von Piaget und Wygotski über das Eintauchen des Menschen in einen kulturellen und sozialen Kontext, betont aber die Bedeutung des Lernens durch Entdecken. Der pädagogische Pragmatismus sieht die Quelle der Erkenntnis im Handeln und Erleben der umgebenden Wirklichkeit. Im Konzept des neurobiologischen Konstruktivismus finden sich alle oben genannten Forderungen die durch die neurobiologische Forschung bestätigt werden. Der Beitrag dieser Richtung zum allgemeinen Verständnis des Lernvorgangs ist die Entdeckung der bedeutenden Rolle von Emotionen für den Lernprozess und die rationale Entscheidungsfindung. Die Entdeckung der eigenen Emotionen, ihre Wahrnehmung und die Entwicklung emotionaler Kompetenz stehen im Mittelpunkt des emotionalen Konstruktivismus. Daher postulieren die genannten Strömungen, dem Lernprozess Aufmerksamkeit zu schenken. Durch ihn erwerben Lernende nicht nur Wissen, sondern entwickeln zudem angemessene sowie dringend benötigte Lebenskompetenzen und stärken ihre Persönlichkeit.

Lernende und Lehrende im konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht

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Der radikale Konstruk!vismus (von Glaserfeld) Der emo!onale Konstruk!vismus (Arnold)

Der kogni!ve Konstruk!vismus (Piaget)

Die konstruk!vis!sche Lernkultur

Der neurobiologische Konstruk!vismus (Roth)

Der pädagogische Pragma!smus (Dewey)

Der soziokulturelle Konstruk!vismus (Wygotski)

Die funk!onalis!sche Theorie (Bruner)

Abb. 1: Konstruktivistische Lernkultur (eigene Ausarbeitung)

5.

Auf dem Weg zur konstruktivistischen Didaktik

Auch in der Unterrichtspraxis wenden sich viele Lehrende einer konstruktivistischen Kultur des Lernens und Lehrens zu und verzichten zugunsten der konstruktivistischen Didaktik auf vermittlungsbasierte Lehrmethoden. Für die Lehrenden bedeutet das, dass sie Bedingungen schaffen sollten, unter denen die Lernenden entdecken, konstruieren, erfahren und reflektieren können. Das Hauptmerkmal der konstruktivistischen Didaktik ist ihre Orientierung nicht nur an den Lehrinhalten, sondern auch an den Beziehungen zwischen den am Bildungsprozess Beteiligten. Im Gegensatz zu den traditionellen wissensorientierten Unterrichtstheorien betont der konstruktivistische Ansatz das gemeinschaftliche Lernen. Lernende konstruieren – nicht nur in Bezug auf die vermittelten Inhalte, sondern auch in Bezug auf die sozialen Beziehungen, die sich

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Sławomira Kołsut

während des Lernprozesses bilden. Für den Konstruktivismus wird sogar auf den Vorrang der Beziehungen gegenüber dem Inhalt hingewiesen (Neubert/Reich/ Voß 2001, S. 8), da die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen in erheblichem Maße bestimme, wie die angebotenen Inhalte aufgenommen werden. Die Lernatmosphäre, der Grad der Offenheit, Gefühle und Stimmungen sind wichtige Aspekte einer konstruktivistischen Lernkultur. Lernen bedeute nicht mehr, erworbene Inhalte zu reproduzieren, sondern eigene Konstruktionen zu schaffen, sodass die Rolle des Lehrenden darin bestehe die Lernenden in die Lage zu versetzen, an solchen Schöpfungs- und Aufbauprozessen teilnehmen zu können (Johner/William/Teta 2014). Kersten Reich entwickelte ein didaktisches Konzept, das auf dem Konstruktivismus basiert und kulturell orientiert ist. Seine konstruktivistische Lehre basiert auf drei grundlegenden Perspektiven: Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion (Reich 2005). Konstruktive Zeit ist im Lernprozess die Zeit, in der das Motto der Lernenden und Lehrenden laute »Wir sind die Erfinder unserer Wirklichkeit« (Reich 2010, S. 45). Der Lernprozess finde durch Erleben, Ausprobieren und Experimentieren statt. Sein Hauptmerkmal ist die Handlung (Deweys learning by doing). Im Prozess der Konstruktion erfinden Lernende ihre Welt und schaffen neue Ansätze. Die zweite Perspektive, die Rekonstruktion, bezieht sich auf das Lernen durch Entdecken, einschließlich bereits entdeckter kultureller Errungenschaften. Dieser Ansatz unterscheidet den Konstruktivismus vom Instruktionismus, weil Lernende durch ihre Tätigkeit selbst zu bestimmten Entdeckungen und Schlussfolgerungen kommen müssen, d. h. dem Motto »Wir sind Erforscher unserer Wirklichkeit« (Reich 2010, S. 45) folgen. Im Prozess des Entdeckens sei das Entdecken selbst zentral, nicht die Ergebnisse oder Schlussfolgerungen, zu denen die Kulturwelt bereits gekommen sind. Der Prozess des Entdeckens und die entsprechenden Schlussfolgerungen sei vor allem für die Lernenden selbst und ihre Bewusstseinsentwicklung bedeutsam, nicht für ihre Umwelt. Von großer Bedeutung sind hier die Kreativität und Konstruktivität der Lernenden, die während der traditionellen Wissensvermittlung nicht erfahren werden. Für Dewey ist das Individuum nicht nur dann originell, wenn es etwas zuvor Unentdecktes entdeckt, vielmehr liege Originalität auch dann vor, wenn eine Person eine Entdeckung anderer wiederhole. Bereits der Prozess des Entdeckens mache einen Menschen zu einem schöpferischen Menschen (Dewey 1988, S. 128, nach Neubert/Reich/Voß 2001, S. 261). Die Dekonstruktion betrifft eine Zeit der Reflexion im Lernprozess, in der die Lernenden ihre Konstruktionen hinterfragen, um nicht in eine unkritische Verehrung des eigenen Werkes zu verfallen. In diesem Fall laute das Motto für die Lernenden: »Es könnte auch anders sein. Wir sind die Enttarner unserer Wirklichkeit« (Reich 2010, S. 46). Bei der Dekonstruktion geht es vor allem darum, das Werk aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Dieser Prozess wird von einer ständigen Reflexion darüber begleitet,

Lernende und Lehrende im konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht

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wie sich Lernende in der Gruppe wahrnehmen bzw. wie ihnen Lernstrategien, Einstellungen, Werte und Emotionen bewusst werden.

6.

Grundprinzipien der konstruktivistischen Didaktik

Betrachtet man die Prinzipien der konstruktivistischen Didaktik aus den Perspektiven des sozialen, interaktiven oder emotionalen Konstruktivismus, so lassen sich in den Säulen dieser Didaktik einige verbindendende Merkmale erkennen. Markus Böhner nennt fünf Säulen, »Beziehungsdidaktik, Lernerorientierung, Selbstorganisation, externe Lernanregung und Umgebungsdidaktik« (Böhner 2012, S. 17). Diese finden sich auch im aufgabenorientierten Sprachunterricht finden. Das wichtigste Merkmal der konstruktivistischen Didaktik ist eine Haltung zu den Lehrinhalten und den bestehenden Beziehungen während des Lernprozesses. Bisher konzentrierte sich die Didaktik vor allem auf die vermittelten Inhalte, da hauptsächlich sie Gegenstand des Curriculums waren und einer Evaluation bzw. Bewertung unterzogen wurden. In der konstruktivistischen Didaktik werden die Lehrinhalte gegenüber den sich herausbildenden Beziehungen zwischen Lernenden und Lehrenden sowie den Lernenden untereinander gleichberechtigt behandelt (Böhner 2012, S 17). Dieser Zugriff wird durch die neurowissenschaftliche Forschung untermauert, die zeigt, dass kognitive Prozesse in hohem Maße von Emotionen abhängen (Damasio 2000). Daraus hat sich eine Beziehungsdidaktik entwickelt, die darauf zielt, Lernenden und Lehrenden die Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen und Interaktion im Unterricht bewusst zu machen, statt sie dem Zufall oder spontanen Bedingungen zu überlassen (Miller 2002, S. 9 zit. nach Böhner 2011, S. 5). Aus diesem Grund sind der Kontext sozialer Beziehungen im Unterricht und ihre sozialen Determinanten eine der wichtigsten Säulen der konstruktivistischen Didaktik. Im aufgabenorientierten Sprachunterricht arbeiten Lernende in Paaren oder in Kleingruppen, sie haben dabei die Möglichkeit, Kontakte aufzunehmen und gemeinsam Lösungen auszuarbeiten. Dazu müssen sie ihre persönlichen und sozialen Kompetenzen einsetzen. Sowohl die Interaktion bzw. die Dialogführung in der Fremdsprache als auch das Ausarbeiten von Lösungen fördern sprachliche Kompetenzen und tragen zur Verbesserung von Sprachfertigkeiten bei. Die konstruktivistische Didaktik ist lernendenorientiert, aber in einem anderen Sinne als im kommunikativen Ansatz, d. h. nicht im Kontext von Bedürfnissen und Interessen. Lernendenorientiertes Lernen sollte hier als Autarkie interpretiert werden. Nach dem Konstruktivismus kann Wissen nicht weitergegeben, sondern muss im Gehirn konstruiert werden. Diesen Prozess müssen die Lernenden selbst durchlaufen, ihre Lehrenden können sie dabei lediglich als

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Sławomira Kołsut

Manager:innen ermutigen. So werden Sprachen gelernt, indem man sie selbstständig trainiert. Im aufgabenorientierten Sprachunterricht wird der tatsächlichen Sprachverwendung der Lernenden im Vergleich mit einem kommunikativ geprägten Unterricht, in dem ein Großteil der Zeit in Erklärungen der Lehrkraft investiert wird, sehr viel mehr Gelegenheit gewidmet. Im konstruktivistischen Sprachunterricht können Lernende Sprechen üben, selbstständig an der Sprache arbeiten und sie bewusst einsetzen. Der Lehrkraft kommt in diesem Prozess die Moderations- und Förderrolle zu, in der die fremdsprachliche Kommunikation zwischen den Lernenden monitoriert wird sowie eine individuelle Beratung zur Entwicklung der Sprachkompetenzen erfolgt. Eine weitere Grundlage der konstruktivistischen Didaktik ist die These, dass Lernen ein selbstorganisierter Prozess, der Lernende also in der Lage sei, selbstständig zu handeln. Nach Bannach bedeutet Selbstorganisation im Bildungswesen die Fähigkeit der Lernenden, innerhalb eines bestimmten Rahmens und mit bestimmten Zielen die eigenen Handlungen zu planen, durchzuführen und zu kontrollieren (Bannach 2002, zit. nach Böhner 2011, S. 7). So wird den Lernenden ein hohes Maß an Autonomie und Unabhängigkeit bei der Ausführung von Aufgaben im Unterricht abverlangt, während die Rolle der Lehrenden darin besteht, sie durch geeignete Arbeitsmethoden in die Lage zu versetzen, dies zu tun. Im aufgabenorientierten Sprachunterricht arbeiten die Lernenden in Paaren oder in Kleingruppen und interagieren, um die Aufgabe durchzuführen. Sie müssen ihre Schritte planen und das Resultat in Form z. B. eines Dialoges, einer Präsentation oder eines Filmes ausarbeiten. Das erfordert ein hohes Maß an Autonomie. Nach dem Konstruktivismus ist Lernen nicht das Ergebnis von Vermittlung, sondern das Ergebnis autonomer kognitiver Prozesse der Lernenden. Dies bedeutet, dass Lernende den Prozess selbst initiieren müssen. Er ist das Resultat kognitiver Operationen im Gehirn, und nicht der Effekt des Wissenstransfers während des Lehrendenvortrags. Die Lehrkraft kann lediglich eine bestimmte Richtung bestimmen oder Anweisungen geben, wie Lernende sich verhalten und Aufgaben ausführen sollten, um den Lernprozess anzuregen oder zu stimulieren – die kognitiven Prozesse müssen von den Lernenden selbst geleistet werden. Der aufgabenorientierte Sprachunterricht ist ein Beispiel für eine konstruktive didaktische Form; die Rolle der Lehrperson im konstruktivistischen Unterricht beschränkt sich vor allem auf die Einführung in das Thema. Einen Großteil der Unterrichtszeit über arbeiten die Lernenden autonom zusammen an der Lösung von Aufgaben. Sie sind aktiv, müssen sich einen Text selbst erarbeiten und führen sprachliche wie physische Handlungen durch. Auf diese Weise erhöhen sie die Chance, eigene kognitive Prozesse zu initiieren und auszuführen. Böhner zählt auch die Diversität der Lernumgebung zu den wichtigen Elementen des konstruktivistischen Unterrichts (Böhner 2011, S. 5) und hat den von

Lernende und Lehrende im konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht

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der Lehrkraft insgesamt beeinflussten Unterrichtskontext im Blick. Dazu gehören verschiedene Sozialformen, die über schulische Aktivitäten hinausgehen, also etwa außerschulische Veranstaltungen betreffen, wie z. B. Exkursionen, Ausflüge, Begegnungen mit Menschen in Kulturstätten, außerhalb von Bildungseinrichtungen organisierter Unterricht usw. Der Lernprozess wird ferner durch den Raum selbst, seine Ausstattung, die Anordnung der Bänke und die dortige Atmosphäre beeinflusst. Relevant für die kreative Annäherung an ein Thema sind auch das Material, die Medien und die Methoden. Aufgabenorientierung im Sprachunterricht bedeutet, dass Lernende die Aufgaben gemeinschaftlich ausführen. Zur Steigerung des Interesses können sie sich in Paaren oder Gruppen austauschen, müssen sich also jedes Mal neuen Emotionen und Relationen aussetzen und mit ihnen zurechtkommen. Diese wechselseitigen Beziehungen tragen zur besseren Motivation der Lernenden und ihrem Engagement bei.

7.

Zur Rolle einer konstruktivistischen Lehrkraft

Der konstruktivistische Ansatz rückt im Sprachunterricht die Bedeutung der Lehrkraft in den Hintergrund, ohne sie zu schmälern. Das Gegenteil ist der Fall, es werden weitere Aspekte der Rolle sichtbar, die sich von denen im kommunikativen Ansatz unterscheiden. Kersten Reich schlug ein Modell von Lehrendenrollen vor, die sich aus der konstruktivistischen Didaktik ergeben (Reich 2010b, S. 149). Er unterscheidet zwischen mehreren Rollen einer Lehrperson, die ich auf den sozialen und didaktischen Habitus beziehen möchte. Beide Rollenbereiche überlappen sich und entziehen sich einer eindeutigen Bestimmung, sie orientieren sich jedoch an gewissen Aspekten.

7.1.

Zum sozialen Habitus einer konstruktivistischen Lehrkraft

Der wichtigste Aspekt in Bezug auf die soziale Rolle der Lehrenden ist die Autorität aus Sicht der Beziehungsdidaktik, d. h. es geht um Personen, die Respekt vor ihren sozialen Kompetenzen wecken. Reich weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Lehrende für ihre Lernenden Personen mit hoch entwickelten Kommunikations-, Interaktions- und Dialogfähigkeiten Vorbild sein sollten (Reich 2010b, S. 148). Sie moderieren die Beziehungen zwischen den Lernenden, denn die Schule ist ein Ort, an dem sie vor allem unterschiedliche Kompetenzen erwerben, entwickeln und in der Lage sein sollten, im Schulleben unterschiedliche Entscheidungen zu treffen. Als Teamleitende beaufsichtigen sie die Arbeit der Klasse und die Bildung sozialer Beziehungen in der Klasse. Im konstrukti-

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Sławomira Kołsut

vistischen Sprachunterricht verläuft die Arbeit in Paaren und Kleingruppen, was Missverständnisse und Konflikte impliziert. Die wichtigste Aufgabe der Lehrkraft ist es, diese auszugleichen und die Zusammenarbeit der in Konflikt geratenen Lernenden sicherzustellen. Eine gute Atmosphäre ist im Sprachunterricht von großer Bedeutung, da der Unterricht von Dialogen als Teil gelungener sprachlicher Kommunikation geprägt ist. Eine weitere wichtige Rolle konstruktivistischer Lehrpersonen ist die des »Ermöglichers« (Reich 2010b, S. 149). Sie bezeichnet eine Person, die sämtliche Lernprozesse ermöglicht. Dies betrifft vor allem die Bedingungen und Beziehungen, damit Lernenden die Aufnahme eigener Aufgaben und deren Erledigung ermöglicht wird. Die Einstellung der Lehrenden sollte die Lernenden motivieren und dazu inspirieren, nach eigenen Lösungen zu suchen und Kreativität zu entwickeln. Im Falle des Fremdsprachenunterrichts ist es wichtig, dass die Lernenden den größten Teil der Unterrichtszeit aktiv sind und ihre Sprachfertigkeiten am Beispiel von Präsentationen, Diskussionen und Dialoge entwickeln können, statt Ausführungen der Lehrperson passiv zuzuhören oder zu versuchen, das gesammelte Sprachmaterial in Form von fertigen, auswendig zu lernenden Sprachstrukturen zu erwerben. Reich schreibt der Lehrkraft auch eine unterstützende Rolle in Bezug auf jene Lernenden zu, die verschiedene Schwierigkeiten, Defizite und Funktionsstörungen haben (Reich 2010b, S. 149). Sie benötigten besondere Hilfe von engagierten Lehrkräften. Eine emotionale Unterstützung richte sich jedoch nicht nur an Lernende mit Schwierigkeiten, sondern auch an Begabte, denen es schwerfällt, sich im schulischen Umfeld zurechtzufinden. In diesem Zusammenhang spricht Reich vom angemessenen Verhältnis zwischen der Hilfe für Lernende mit besonderen Bedürfnissen und der für begabte Lernende. Im aufgabenorientierten Sprachunterricht muss die Lehrkraft sie entsprechend beraten, da sie unterschiedlich schnell arbeiten sowie über unterschiedliches Vorwissen und unterschiedliche Sprachkenntnisse verfügen, diese aber hinreichend im Sinne der Aufgabenausführung sein sollen. Dieselbe Aufgabe wird also je anders und mithilfe unterschiedlicher Sprachmittel bearbeitet. Daher bedingen Hinweise und Bemerkungen der Lehrkraft die korrekte Erledigung einer Sprachaufgabe durch die Lernenden unter Rückgriff auf unterschiedliche sprachliche Ressourcen.

7.2.

Zum didaktischen Habitus einer konstruktivistischen Lehrkraft

Eine weitere wichtige Rolle, die eine konstruktivistische Lehrkraft übernimmt, ist die einer Expertin oder eines Spezialisten in Bezug auf die Unterrichtsführung (Reich 2010b, S. 150). Die eigenen Aktivitäten solle eine Lehrperson gut planen

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und organisieren, sie sollten so organisiert sein, dass die Lernenden Kompetenzen erwerben und entwickeln können. Ein wichtiges Element dieser Aktivitäten ist der gezielte Einsatz von Methoden und Medien, die das Engagement und die Aktivität der Lernenden fördern sollen. An diesem Punkt sollte auch die rationale Haltung der Lehrenden in Bezug auf einen wohldosierten Einsatz von Anweisungen erwähnt werden: Sie werden im konstruktivistischen Unterricht nicht aufgegeben, sondern klar begrenzt und zweckmäßig angewendet. Die Fähigkeit, einen Fremdsprachenunterricht zu planen, auf dessen Grundlage die Lernenden aktiv Sprachstrukturen aufbauen, ihre sprachlichen und sozialen Kompetenzen entwickeln und ihre Beziehungen zu Gleichaltrigen positiv pflegen, setzt voraus, dass die Lehrkraft konstruktivistische Grundannahmen kennt und vor allem Erfahrung in der Schaffung und Gestaltung eines entsprechenden Umfelds hat. Offenheit gegenüber neuen Herausforderungen sowie der Mut, ihnen entgegenzutreten, sind ebenfalls notwendige Eigenschaften. Von konstruktivistischen Lehrkräften werde weiterhin erwartet, dass sie die Aktivität der Lernenden im Zusammenhang mit ihren Erfolgen und der Kompetenzerweiterung in der Rolle als Evaluator:in überprüfen und analysieren. »Sie müssen die Erfolge der Lerner wie die eigenen Erfolge in der Praxis überprüfen« (Reich 2010b, S. 150). Das zentrale Instrument seien in dieser Hinsicht Rückmeldungen und andere Formen des Feedbacks. Bei der Evaluation von Aktivität geht es auch darum, das eigene Verhalten und die eigenen Aktivitäten zu analysieren, um die Lernenden positiv zu beeinflussen. Für konstruktivistische Sprachlehrende ist die Evaluation aus der Perspektive der Dekonstruktion wichtig, da dabei Lösungen für Sprachaufgaben aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Die Erkenntnis, dass es nicht nur eine, sondern mehrere Lösungen für eine Sprachaufgabe gibt, dass jedes Team sie anders lösen kann, ist ein wichtiger Schritt in der sprachlichen Bildung, denn Sprache selbst bietet viele Möglichkeiten, ein sprachliches Problem darzustellen. Andererseits ist dieser Prozess ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des demokratischen Denkens, weil sich die Lernenden für mögliche gleichwertige Lösungen öffnen. Unabhängig von der Herangehensweise werde die Lehrkraft immer »Bewerter: in« sein (vgl. Reich 2010b, S. 150), d. h. die Rolle einer Person innehaben, die die Lernenden benotet. Im konstruktivistischen Unterricht ist es wichtiger, einander zu unterstützen, sich individuelle Ziele zu setzen und im Kontext der eigenen Entwicklung voranzukommen, als sich auf der Grundlage von Rankings und Noten mit anderen zu vergleichen. Benotet werden im aufgabenorientierten Sprachunterricht also nicht nur Sprachkompetenzen, die Kommunikation und die Präzision der Sprache, sondern auch die persönlichen und sozialen Kompetenzen, die bei der Lösung der Aufgaben von großer Bedeutung sind. Zum Aufgabenbereich der letzten Lehrendenrolle nach dem Modell von Reich gehört, Materialien und Ressourcen zu schaffen sowie die Umgebung des Ler-

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Sławomira Kołsut

nenden zu gestalten (Reich 2010b, S. 150). Die derzeit angebotenen Materialien und Lehrbücher orientieren sich kaum an der konstruktivistischen Didaktik, sodass entsprechendes Material selbst erstellt werden muss. Dies könne einerseits als zusätzliche Belastung empfunden werden, andererseits sei es aber auch eine sehr kreative Aktivität. Für Sprachlehrkräfte ist die Fähigkeit zu Erstellung von didaktischem Material eine wertvolle Kompetenz, da sie nicht von den angebotenen Materialien abhängig sind, sondern den Lernenden nach konstruktivistischen Prinzipen erstellte Aufgaben anbieten können. Alle oben genannten Rollen deuten auf die Haltung der Lehrenden hin, deren Ziel in erster Linie darin besteht, die Kompetenzentwicklung der Lernenden zu fördern. Für den Unterricht bedeutet dieses Kompetenztraining jedoch die Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung in der Einstellung der Lehrenden. Die Implementierung von konstruktivistischen Lehrendenrollen im Fremdsprachenunterricht hat Joanna Chojnacka-Gärtner in einer Erhebung zur Bewertung des konstruktivistischen Lehrstils durch Lernende vorgenommen (Chojnacka-Gärtner 2009). Aus der Untersuchung geht hervor, dass Lernende in hohem Maße das traditionelle Lernen bevorzugen und in diese Form konstruktivistische Elemente integrieren würden. Nicht nur die Lehrkräfte, sondern vor allem auch die Lernenden sind an die Lern- und Lehrformen des kommunikativen Ansatzes gewöhnt. Die heutige Lernkultur orientiert sich an der Haltung der Lehrkräfte als Vermittler:innen sprachlicher Strukturen im Unterricht. Damit erfordert der Wandel von einer instruktiven zu einer konstruktivistischen Haltung, von der Vermittlungsmethode zur Methode der Konstruktion von Wissen und Beziehungen einen Wandel in der Lernkultur und ist zugleich eine wichtige Herausforderung für moderne Sprachlehrkräfte.

8.

Fazit

Der Wandel vom traditionellen zum konstruktivistischen Lehrhabitus verlangt vor allem eine andere Einstellung den Lernenden gegenüber, damit diese sich an eine autonome Haltung gewöhnen können. Die konstruktivistische Didaktik betont die beziehungsdidaktischen Aspekte sowie die soziale Rolle der Lehrkraft. Lernen sollte sich vor allem in sozialen und kulturellen Zusammenhängen abspielen, da die Leistungen der Lernenden in hohem Maße von diesen abhängen. Relevant sind auch Praxiswirksamkeit und soziale Eingebundenheit. Die inhaltliche Seite steht dagegen nicht länger im Fokus, sondern vielmehr die Beziehungsseite (Lehrende-Lernende und Lernende-Lernende). Es ist wichtig, Begeisterung und Engagement hervorzurufen, was jedoch nicht mit bloßen Techniken erreicht werden kann, sondern an die persönliche Authentizität gebunden ist.

Lernende und Lehrende im konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht

59

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60

Sławomira Kołsut

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Krystyna Mihułka / Joanna Chojnacka-Gärtner

Persönlichkeit und berufliche Qualifikationen von Fremdsprachenlehrkräften1

Abstract Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, die Rolle der Persönlichkeit und der Fachkompetenz von Fremdsprachenlehrkräften im didaktischen Prozess aus theoretischer und praktischer Sicht darzustellen. Zuerst werden die Persönlichkeit und die beruflichen Qualifikationen von Lehrpersonen anhand theoretischer Ausführungen thematisiert. Im Anschluss werden die Aussagen von berufstätigen Fremdsprachenlehrenden in Polen zu den oben erwähnten Themen und zum Problem der Eignung für den Beruf des (Fremdsprachen-)Lehrers präsentiert. Der Beitrag endet mit Schlussfolgerungen und einer klar umrissenen weiteren Forschungsperspektive. Keywords: Lehrkräftebildung, Fachkompetenzen, Persönlichkeitsmerkmale, Eignung für den Lehrerberuf The aim of the article is to present the role of personality and professional competence of foreign language teachers in the didactic process. In the first theoretical part of the article, the teachers’ personality and professional qualifications are discussed. The second part of the article is devoted to the presentation and analysis of the comments of professionally active Polish teachers of foreign languages regarding the above-mentioned issues as well as the issue of suitability for the profession of foreign language teachers. The article ends with conclusions along with a clearly outlined further research perspective. Keywords: teacher education, professional competences, personality traits, suitability for the teaching profession

Krystyna Mihułka, Universität Rzeszów, [email protected], ORCID: 0000-0002-8665-4296. Joanna Chojnacka-Gärtner, Fachhochschule in Konin, [email protected], ORCID: 00000002-3144-9965. 1 Mit diesem Beitrag möchten wir die herausragenden Leistungen von Frau Professor Kazimiera Myczko für die Entwicklung der Sprachwissenschaft, insbesondere der Fremdsprachendidaktik würdigen.

62

1.

Krystyna Mihułka / Joanna Chojnacka-Gärtner

Einleitende Bemerkungen

Mit der Anerkennung der Erziehung und Sozialisation der jungen Generation als eines der übergeordneten Ziele des Staates stellte sich die Frage nach der Lehrkraft, also nach der Person, die die Kinder unterrichtet und eine erzieherische Funktion in ihrem Leben ausübt. Es wurde u. a. nach dem Umfang der beruflichen Pflichten von Lehrkräften, ihren Eigenschaften, Tugenden, Kompetenzen, beruflichen Rollen und zu erfüllenden Funktionen gefragt. Die fortschreitenden sozioökonomischen Prozesse trugen wesentlich dazu bei, dass zunehmend über das Idealbild von der Lehrkraft diskutiert wurde. Die theoretischen Überlegungen sind jedoch nur die eine Seite der Medaille. Die zweite Seite betrifft die Anschauungen der direkt am didaktischen Prozess beteiligten Personen, d. h. der Lernenden und der Lehrenden. Deren meist auf persönlichen Erfahrungen basierende Vorstellung einer guten, professionellen Lehrperson scheint in dieser Hinsicht ebenso wichtig, ja vielleicht sogar wichtiger zu sein als die Theorie. Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, Kommentare berufstätiger Fremdsprachenlehrkräfte zu den Befunden einer unter den Lernenden aller Schultypen in Polen durchgeführten Untersuchung zum Profil eines guten Fremdsprachenlehrers abzubilden und zur Diskussion zu stellen. Auch Lehrkräfte wurden gebeten, sowohl die Untersuchungsergebnisse zu kommentieren als auch sich selbst zum Bild einer guten Fremdsprachenlehrkraft zu äußern sowie eigene Empfehlungen zur Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrenden zu geben. Der qualitativen Analyse der Stellungnahmen geht eine theoretische Skizze zu den Persönlichkeitsmerkmalen und Berufsqualifikationen von Fremdsprachenlehrkräften voraus.

2.

Lehrperson und ihre Persönlichkeit im Lichte theoretischer Überlegungen

Die ›Entdeckung‹ der Lernenden im 20. Jahrhundert führte zugleich zur ›Entdeckung‹ der Lehrenden. Den Lehrkräften wurden seitdem immer mehr Forschungsprojekte gewidmet, deren Ziel die Erforschung von Persönlichkeitsmerkmalen, Talent, erzieherischen Fähigkeiten, aber auch die Erkundung von Kompetenzen aller Art war. Die Vorstellung, was im Lehrerberuf eine besondere Hervorhebung verdient und über den Lernerfolg entscheidet, variierte im letzten Jahrhundert unter dem Einfluss verschiedener Theorien bzw. Konzepte, in denen verschiedene Aspekte der (Fremdsprachen-)Lehrendenaus- und -fortbildung zum Maßstab der Forschung gemacht wurden. Da die in diesem Beitrag diskutierten Forschungsergebnisse die Lehrenden und Lernenden in Polen be-

Persönlichkeit und berufliche Qualifikationen von Fremdsprachenlehrkräften

63

treffen, werden im Folgenden vorwiegend die sich seit Beginn des letzten Jahrhunderts etablierten polnischen Konzeptionen zur professionellen Lehrkräftebildung berücksichtigt. Ergänzend sei angemerkt, dass sich die verschiedenen Forschungsrichtungen in Polen in vielen Punkten mit den u. a. in Deutschland entwickelten Theorien und Ansätzen sowie durchgeführten Untersuchungen zu Rollen und Funktionen von (Fremdsprachen-)Lehrkräften sowie ihrer professionellen Aus- und Fortbildung decken.2 Bei der Betrachtung der theoretischen Auffassungen zur Lehrperson unterscheidet Kwiatkowska (2008, S. 28ff.) fünf Strömungen, in denen verschiedene Aspekte in den Fokus des Forschungsinteresses gerückt werden. Im Weiteren werden nur zwei dieser Perspektiven, die psychologische und die technologische, besprochen, da sie mit den Aussagen der befragten Fremdsprachenlehrenden korrespondieren.

2.1

(Fremdsprachen-)Lehrkräfte als Verkörperung idealer Merkmale

Aus psychologischer Perspektive gilt die Lehrkraft als Spiegelbild aller Tugenden. Im Zentrum der Aufmerksamkeit der Forscher steht ihre Persönlichkeit, die über die Eignung für den Lehrerberuf vorwiegend entscheiden soll. Dabei wird angemerkt, dass die Fachausbildung als Norm wahrzunehmen sei. Zimbardo/ Gerring definieren Persönlichkeit (personality) als »eine komplexe Menge von psychischen Eigenschaften, die das charakteristische Verhaltensmuster eines Individuums beeinflussen, das in verschiedenen Situationen im Laufe der Zeit unveränderlich bleibt« (Zimbardo/Gerring 2019, S. 565).3 Durch Stabilität sind nach Okon´ (1998, S. 278) folgende Tätigkeiten bzw. Verhaltensweisen des Menschen gekennzeichnet: Sammeln und Ordnen von Erfahrungen, Wissen und Fertigkeiten, emotionales Reagieren, Realisierung von persönlichen Kontakten, Zielsetzung sowie Wertewahl. Für Szempruch ist Persönlichkeit »eine Struktur, die durch Reifungs-, Lern- und Anpassungsprozesse entsteht« Szempruch (2013, S. 113). Die Persönlichkeit eines Menschen ist ihr zufolge eine komplexe und organisierte Struktur, deren Elemente je nach Konzeption anders aufgefasst werden. Sie bestehe sowohl aus formalen (Merkmale, Reaktionen, Dimensionen, Persönlichkeitstypen) als auch aus inhaltlichen bzw. qualitativen Elementen (Temperament, Charakter, Begabung, Werte, Einstellungen, Bedürfnisse, Intellekt, Emotionen, Antriebe) (vgl. Szempruch 2013, S. 114). 2 Siehe dazu u. a. die Forschungsübersicht von Legutke/Schart (2016), die Sammelbände von Rothland/Terhart/Bennewitz (2014), Loebell/Martzog (2016), aber auch die Arbeiten von Hattie (2014), Hattie/Zierer (2018a, 2018b). 3 Alle Übersetzungen stammen von den Autorinnen des vorliegenden Beitrags.

64

Krystyna Mihułka / Joanna Chojnacka-Gärtner

Eine Möglichkeit zur Darstellung der Persönlichkeit ist ihre Beschreibung anhand von Merkmalen. In diesem Kontext wird in Anlehnung an Zimbardo/ Gerring (2019, S. 568 ff) auf die Arbeiten von Allport (1937, 1961, 1966), Cattell (1979) Eysenk (1973, 1990) verwiesen, die anhand der durchgeführten Untersuchungen eine Menge von Persönlichkeitsmerkmalen identifizierten. Diese wurden im Weiteren nach bestimmten Prinzipien den Hauptdimensionen zugeordnet. Als eine der berühmtesten Auffassungen gilt das Fünf-Faktoren-Modell von McCrae/Costa (1992), auch die Big Five genannt, in dem die Hauptdimensionen Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus sowie Offenheit für Erfahrungen unterschieden werden (Zimbardo/Gerring 2019, S. 568ff). Jede der fünf Dimensionen ist bipolar, sodass die Merkmale vom Pluspol zum Minuspol angeordnet werden (vgl. dazu auch die Ausführungen von Mayr 2014). In Bezug auf den Lehrerberuf sollte das Persönlichkeitsprofil Eigenschaften beinhalten, die in jeder Dimension näher beim Pluspol platziert sein sollten. Wie unterschiedlich die Lehrendenpersönlichkeit aufgefasst werden kann, zeigen bereits die Arbeiten zum Persönlichkeitsansatz in Polen. Als dessen Hauptvertreter gilt Jan Władysław Dawid mit seinem bahnbrechenden Beitrag O duszy nauczycielstwa [Über die Seele der Lehrerschaft] (1912/1959). Seine Grundgedanken fanden ihre Fortführung u. a. in den Arbeiten von Mysłakowski (1925/1959), Schuman (1947/1959), Kreuz (1947/1959), Baley (1958/1959) und Okon´ (1959). Die vertiefte Analyse der in ihren Werken zum Ausdruck gebrachten Ideen erlaubt die Feststellung, dass ein guter Lehrender/eine gute Lehrende eine Person mit gewissen inneren Werten ist, wie Liebe der menschlichen Seelen (Dawid 1912/1959), pädagogisches Talent, dessen Grundlage Kontaktbereitschaft und Kontaktfähigkeit bildeten (Mysłakowski 1925/1959), Persönlichkeitsreichtum, dessen Form einerseits von Natur aus gegeben ist, andererseits aber von der Mühe abhängt, das ›Geschenkte‹ weiterzuentwickeln und zu bereichern (Szuman 1947/1959; vgl. dazu auch Mihułka 2018a). Neben den vorwiegend theoretischen Ausführungen, aus denen lediglich ein normatives Bild einer guten Lehrperson entstehen kann, sollen an dieser Stelle auch die empirischen Arbeiten von Dzierzbicka (1926) und Grzegorzewska (1947/2002) erwähnt werden. Beide Forscherinnen konzentrierten sich auf die Identifikation der charakterlichen Dispositionen von Lehrkräften, die entscheidenden Einfluss auf den Verlauf des didaktischen Prozesses sowie in Folge auf den didaktischen Erfolg haben. Im Rahmen der psychologischen Perspektive wurden Aspekte wie pädagogisches Talent, Berufung, sowie die Wahrnehmung des Lehrerberufs als Mission akzentuiert. Das Konzept, nach dem Lehrkräfte in ihrer Persönlichkeit wahrgenommen werden sollten, gab es nur einmal in der Geschichte der Pädagogik. Im Zuge der Verwissenschaftlichung der Lehrkräfteausbildung rückte der Persön-

Persönlichkeit und berufliche Qualifikationen von Fremdsprachenlehrkräften

65

lichkeitsansatz in den Hintergrund. Das bedeutet aber nicht, dass seit den 1960erJahren in Polen keine wissenschaftlichen Arbeiten entstanden oder keine Untersuchungen durchgeführt worden wären, die die Persönlichkeit von Lehrenden sowie die für diesen Beruf erwünschten Persönlichkeitsmerkmale thematisierten.4 Ihre Zahl verringerte sich jedoch im Vergleich zu den vorausgegangenen Jahren deutlich.

2.2

Berufliche Qualifikationen als Kompetenzstruktur

In der Kompetenzorientierung, die Kwiatkowska als technologische Auffassung der Lehrperson bezeichnet, war der Aspekt der Normativität nicht länger relevant (Kwiatkowska 2008, S. 34). Demzufolge wurde die Gültigkeit jeder Forschung in Frage gestellt, die darauf abzielte, die Struktur der persönlichen Eigenschaften einer guten Lehrkraft zu bestimmen. Man sah auch keinen Grund dafür, den Zusammenhang zwischen Lehrperson und Lernerfolg mit Charaktereigenschaften zu erklären. Nach Kwiatkowska wurzele die neue Richtung in der Lehrkräftebildung in einer positivistisch orientierten Lehre, die zum Forschungsgegenstand mache, was Objekt der empirischen Erkenntnis werden könne (Kwiatkowska 2008, S. 34ff.). Von empirischen Untersuchungen wurden Wiederholbarkeit und Überprüfbarkeit erwartet. In Bezug auf die Lehrperson wurde die Hauptkategorie Kompetenz(en) (verstanden als die Fähigkeit und Bereitschaft des Subjekts, Aufgaben auf einem bestimmten, erwarteten Niveau zu erfüllen) eingeführt, die schnell zum neuen Forschungsfeld avancierte. Im Hinblick auf die Lehrenden wird Szempruch zufolge der Begriff Kompetenz im Kontext ihrer beruflichen Entwicklung benutzt (besonders in Bezug auf die Aus- und Fortbildung), die über die Professionalität entscheide (Szempruch 2013, S. 102ff.). Als wichtigste Dimension der professionellen Lehrkompetenz gilt die Kategorie der Veränderung. Das bedeutet, worauf Kwiatkowska bereits vor 20 Jahren verwies, dass die Qualifikationen von Lehrenden nicht als abgeschlossen betrachtet werden sollten (Kwiatkowska 1997, in: Laska 2007, S. 109). Vielmehr unterliegen sie einem ständigen Wandel. Sie sind dann gut, wenn sie in Bewegung sind (vgl. dazu auch Wysocka 2003, S. 11; Szymankiewicz 2017, S. 50ff.). Im Lehrerberuf wird Kompetenz als komplexe Struktur verstanden, die aus in Wechselwirkung zueinanderstehenden sowie sich gegenseitig beeinflussenden Kompo4 In Bezug auf Fremdsprachenlehrkräfte siehe u. a. die Arbeiten von Komorowska (1978), Banasik (1984), Szałek (2004), Zawadzka (2004, 2015), Stasiak (2008), Mihułka (2018a, 2018b), Mihułka und Chojnacka-Gärtner (2017a, 2017b, 2018, 2019a, 2019b, 2019c). Im Hinblick auf Lehrpersonen im Allgemeinen, ungeachtet der Spezifik des unterrichteten Faches, siehe z. B. Putkiewicz (1973), Prusak (1996), Z˙ebrowski (1996, 2007), Skrzypniak (2007), Karwatowska (2012), Lasota/Pisarzowska (2016).

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Krystyna Mihułka / Joanna Chojnacka-Gärtner

nenten zusammengesetzt ist. In der einschlägigen pädagogischen und glottodidaktischen (im Sinne fremdsprachendidaktischen) Literatur gibt es zahlreiche Auffassungen der beruflichen Kompetenz bzw. der Fachkompetenz von (Fremdsprachen-)Lehrenden, von denen im vorliegenden Beitrag nur ausgewählte dargestellt werden. Eine auf den ersten Blick recht allgemeine Einteilung der beruflichen Lehrkompetenz schlägt Laska vor, indem sie drei zentrale Kategorien – Sachkompetenz, methodische und organisatorische Kompetenz – anführt (Laska 2007, S. 108). Jede dieser Kategorien lässt sich in weitere Teilkompetenzen untergliedern. Auf eine umfangreiche Liste von Kompetenzkategorien, über die jede Lehrperson verfügen sollte, verweist Strykowski (2005, S. 18) mit der Bemerkung, die Liste sei nicht als abgeschlossen zu betrachten. Er nennt dabei folgende Kompetenzbereiche: Sachkompetenz, psychologisch-pädagogische Kompetenz, diagnostische Kompetenz, Organisations- und Planungskompetenz, didaktisch-methodische Kompetenz, kommunikative Kompetenz, Medienkompetenz, Kontroll- und Evaluationskompetenz, Kompetenz zur Beurteilung von Schullehrplänen und Lehrbüchern sowie Selbstbildungskompetenz (Strykowski 2005, S. 18ff.). Manche dieser Kompetenzdimensionen (methodische, psychopädagogische, Medien- und Organisationskompetenz) thematisieren in ihren Kompetenztypologien Komorowska (1999, S. 82ff.), Pfeiffer (2001, S. 194ff.), Zawadzka (2004, S. 110ff.) und Targon´ska (2009, S. 19ff.). Sie berücksichtigen jedoch die Spezifik des Fremdsprachenlehrerberufs und benennen weitere, bei der Vermittlung einer Fremdsprache unabdingbare Kompetenzen: Sprachkompetenz, Landes- und Kulturkompetenz, Erziehungskompetenz, aber auch innovativ-kreative Kompetenz. Grundlage der obigen Gliederung der Fachkompetenz ist eine zweidimensionale (Wissen und Fähigkeiten), d. h. enge Kompetenzauffassung. In den neuesten Veröffentlichungen wird dazu tendiert, noch eine dritte Persönlichkeitsmerkmale betreffende Dimension zu unterscheiden. Im Gegensatz z. B. zu den technischen Berufen zeichnet sich nach Kwiatkowska (2008, S. 35) der Lehrerberuf durch ein hohes Maß an der Unbestimmtheit der am Bildungsprozess beteiligten Personen (Lehrende und Lernende) sowie des Verlaufs des Prozesses selbst aus. Die in einer konkreten Bildungssituation eingesetzten Methoden und Mittel können in einer anderen Situation zu völlig anderen Resultaten führen. Dies ist sowohl auf externe als auch vor allem auf interne Faktoren zurückzuführen, zu denen die charakterlichen Dispositionen von Lehrenden und Lernenden gehören. Sajdak vertritt die Ansicht, dass die Fachkompetenz von Lehrkräften in drei Dimensionen, d. h. Wissen, Fähigkeiten und subjektive Eigenschaften bzw. persönliche Dispositionen menschlichen Handelns, gegliedert werden sollte (Sajdak 2010, in: Szymankiewicz 2017, S. 51). Das Weglassen einer der genannten

Persönlichkeit und berufliche Qualifikationen von Fremdsprachenlehrkräften

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Komponenten führe zur ›Verflachung‹ des Begriffs. Demzufolge kann nur die mehrdimensionale Wahrnehmung dieser Kompetenz ihr Wesen tatsächlich wiedergeben, was Szempruch bildhaft erklärt (Szempruch 2013, S. 103). In Form eines Dreiecks mit den Endpunkten 1) Wissen, 2) Fähigkeiten sowie 3) Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen wird die Fachkompetenz von Lehrenden als Integration von Wissen, Fähigkeiten, Emotionen und Verhaltensweisen dargestellt. Die weite Auffassung der beruflichen Kompetenz von (Fremdsprachen-) Lehrkräften, bei der neben der ›reinen‹ Fachkompetenz auch die Persönlichkeitsmerkmale akzentuiert werden, spiegelt sich in den neuesten Veröffentlichungen zu Fremdsprachenlehrpersonen wider (vgl. dazu Szymankiewicz 2017). Die An- oder Wiedererkennung der Lehrendenpersönlichkeit als einen wichtigen Bereich der Kompetenzforschung zur professionellen (Fremdsprachen-) Lehrkraft ist unseres Erachtens von großer Bedeutung, da so das Spektrum der Erforschung glottodidaktischer (fremdsprachendidaktischer) Prozesse um diese Dimension bereichert wird. Wir stimmen auch mit Kwiatkowska (2008, S. 36) überein, dass die im Rahmen der Kompetenzforschung durchgeführten Untersuchungen begrenzten wissenschaftlichen Wert haben, da sie grundsätzlich nur darüber Informationen liefern, was empirisch exakt feststellbar ist. »Auf diese Weise lassen sich aber nur einige Wahrheiten über den Lehrerberuf feststellen, und das sind nicht die wichtigsten« (Kwiatkowska 2008, S. 36).

3.

Pilotuntersuchung – methodologische Grundlagen und qualitative Analyse der erhobenen Daten

Die teilweise unerwarteten Ergebnisse5 der unter polnischen Lernenden6 durchgeführten Untersuchung zum Profil eines guten Fremdsprachenlehrers (siehe Mihułka/Chojnacka-Gärtner 2017a, 2017b, 2018, 2019a, 2019b) veranlassten uns dazu, an allen polnischen Schultypen tätige Fremdsprachenlehrende mit dem aus den Aussagen der Lernenden abgeleiteten Porträt einer guten Fremdsprachenlehrperson zu konfrontieren sowie mit ihnen über die Ergebnisse der Untersuchung zu sprechen. Dem für die nächste Zukunft geplanten Forschungsprojekt geht eine bereits durchgeführte Pilotstudie voraus, deren Ergebnisse im weiteren Verlauf des Beitrags besprochen werden. Ihre Durchführung ermöglicht es, noch in dieser Etappe Fehler und Unzulänglichkeiten zu beheben. Die Pi5 Bei der Auswertung der Resultate, sowohl der quantitativen als auch der qualitativen Analyse fiel auf, dass die Persönlichkeitsmerkmale einer guten pädagogischen Fachkraft in ihrer Beschreibung dominieren. 6 D. h. unter Lernenden an Grundschulen, Gymnasien, Oberschulen und unter Philologiestudierenden.

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Krystyna Mihułka / Joanna Chojnacka-Gärtner

lotuntersuchung setzte sich zum Ziel, die Meinung der Lehrkräfte zum Idealbild ihres Berufstandes sowie zur Gestaltung der Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrkräften zu erkunden.

3.1

Forschungsverfahren

Ende Oktober 2019 wandten wir uns schriftlich an 40 in verschiedenen Schultypen (Grundschule, Oberschule, Hochschule) in den Woiwodschaften Großpolen und Karpatenvorland tätige Fremdsprachenlehrende mit der Frage, ob sie bereit seien, an einer Befragung teilzunehmen. Unsere Frage wurde von 23 Fremdsprachenlehrkräften (7 Deutschlehrer:innen und 16 Englischlehrer: innen) bejaht. Die Stichprobe ist also eine freiwillige Stichprobe (vgl. Wilczyn´ska/ Michon´ska-Stadnik 2010, S. 188). In Bezug auf ihre Größe gehört sie zu den kleinen Stichproben (vgl. Łobocki 2009, S. 174ff.). Die Berufserfahrung der Befragten stellt sich wie folgt dar: 1–5 Jahre: 1 Person, 6–10 Jahre: 1 Person, 11– 15 Jahre: 4 Personen, 16–20 Jahre: 12 Personen, über 20 Jahre: 5 Personen. Die Befragung fand einmalig im November und Dezember 2019 statt und hatte die Form eines Leitfadeninterviews (vgl. Riemer 2016, S. 163). Die semi-offenen Form des qualitativen Interviews gewährleistete, dass die Befragten ihre Antworten durch entsprechende Impulsfragen nach eigenem Ermessen ausgestalten konnten und so die von den Befragten relevant gesetzten Aspekte der Forschungsfrage erfasst wurden. Die Leitfragen wurden bewusst nicht zu umfangreich formuliert, da sie eher als Orientierung, weniger als strikter Ablaufplan dienen sollten. Die während des Interviews gestellten Fragen lassen sich zwei Kategorien zuordnen: das Bild einer guten Fremdsprachenlehrkraft (Fragen 1–2) sowie die Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrenden, darunter die Eignung für den Lehrerberuf (Fragen 3–5). Daraus folgend ließ sich die Befragung in zwei separate Teile unterteilen: Zuerst wurden den Proband:innen die Gesamtergebnisse der quantitativen Analyse (Erhebungsdaten zum Profil eines guten Fremdsprachenlehrers) in Form einer Tabelle vorgelegt (Mihułka/Chojnacka-Gärtner 2019b, S. 170). Im Anschluss folgte das Interview, dessen Verlauf durch die folgenden fünf (in der Befragung auf Polnisch formulierten) Leitfragen vorstrukturiert war: 1. Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Studie zum Profil eines guten Fremdsprachenlehrers? 2. Was zeichnet Ihrer Meinung nach eine gute Fremdsprachenlehrkraft aus? Mit welchen Fähigkeiten / Talenten, Persönlichkeitsmerkmalen, Kompetenzen und didaktischem Werkzeug sollte sie ausgestattet sein, um in den Augen ihrer Lernenden als gute Lehrkraft zu fungieren?

Persönlichkeit und berufliche Qualifikationen von Fremdsprachenlehrkräften

69

3. Welche Inhalte sollten Ihrer Ansicht nach in den neuen Standards für die Fremdsprachenlehrendenausbildung einen festen Platz einnehmen? Begründen Sie bitte Ihre Meinung? 4. Wie meinen Sie: Sollen angehende (Fremdsprachen-)Lehrkräfte noch vor ihrer Erwerbstätigkeit (vielleicht während ihres Studiums) auf ihre Eignung für den Lehrerberuf geprüft werden (psychologische Eignungstests, Gespräche mit psychologisch geschulten Fachkräften, Workshops usw.)? 5. Wären Sie bereit, an einem umfangreicheren Forschungsprojekt teilzunehmen, das zum Ziel hätte, Ihre Kompetenzen, Merkmale bzw. Fähigkeiten und Talente zu testen? Begründen Sie bitte Ihre Meinung? Alle Aussagen der Proband:innen wurden aufgenommen und transkribiert. Da die Interviews in der Erstsprache (Muttersprache) der Befragten stattfanden, wurden die Antworten möglichst originalgetreu ins Deutsche übersetzt. Die erhobenen Daten wurden einer qualitativen Analyse unterzogen und werden im Folgenden unter Beibehaltung der Einteilung in die beiden differenzierten Kategorien besprochen.

3.2

Gute Fremdsprachenlehrende aus der Sicht von Fremdsprachenlehrkräften

Die Ergebnisse der unter Lernenden in Polen durchgeführten Untersuchung zum Profil eines guten Fremdsprachenlehrers waren für mehr als die Hälfte der in der Pilotstudie interviewten Fremdsprachenlehrenden eine Überraschung, jedoch eher im positiven Sinne. Folgende Position veranschaulicht die Meinung besonders deutlich: In Zeiten, in denen jeder berufstätige Mensch ausschließlich nach seinen Kompetenzen und Berufsabschlüssen bewertet wird, ist es sehr erfreulich, dass Persönlichkeitsmerkmale überhaupt noch eine Rolle spielen. Eine Lehrerin ist fest davon überzeugt, dass zwar die fachliche Vorbereitung auf den Beruf von immenser Bedeutung sei, aber ob der Beruf gut, mittelmäßig oder schlecht ausgeübt wird, hängt eher mit dem Charakter eines Menschen zusammen. Sie erinnert an Lehrkräfte, die sie selbst unterrichtet hatten, und zwar sowohl an diejenigen, die durch ihr positives Wesen die Begeisterung für das Fach sowie Lernmotivation hätten wecken können, als auch an die Lehrkräfte, denen ihrer Meinung nach mangels charakterlicher Eignung die Erlaubnis zur Berufsausübung hätte entzogen werden sollen. Es soll hervorgehoben werden, dass beide Gruppen von Menschen mit Hochschulabschluss repräsentiert wurden. Darüber hinaus, so eine andere Befragte, wollen Schüler, deren Eltern ständig beschäftigt sind und in Hektik leben, deren Rolle in den letzten Jahren eher auf die von Betreuungspersonen reduziert wurde (sie erziehen ihre Kinder nicht mehr),

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mit Lehrern konfrontiert werden, die sympathisch erscheinen, ihnen gegenüber offen sind, ihnen zuhören und auch helfen können. Durch die positiven Gefühle für die Lehrer wird nach und nach die Sympathie zum unterrichteten Fach aufgebaut. Die interviewten Lehrkräfte gaben auf ihrer Berufserfahrung basierend an, dass die Erwartungen der heutigen Lernenden an einen Fremdsprachenlehrer weit über seine philologische Lehrerausbildung hinaus reichen. In vielen schulischen Situationen müssten Lehrkräfte menschliche Fähigkeiten einschalten, um reagieren, unterstützen und Probleme lösen zu können. Die Ergebnisse der Studie zum Profil eines guten Fremdsprachenlehrers enttäuschten vor allem Hochschullehrende, die angehende Fremdsprachenlehrer:innen unterrichten. Die Rolle der Persönlichkeit von Lehrkräften stellen sie nicht in Frage, finden aber, dass im Falle der Studierenden die fachlichen Kompetenzen eines Lehrers ausschlaggebend sein sollen. Besonders beunruhigend finden sie die Tatsache, dass für die untersuchten Philologiestudierenden die sprachliche Kompetenz einer Lehrkraft, ihre Intelligenz und Klugheit keine tragende Rolle spielten. Sie bekunden zudem der Analyse der Befunde folgend den Eindruck, dass der gegenwärtige Student keine Autorität mehr braucht, sich mit der Hochschule, an der er studiert, gar nicht identifiziert und keine Anforderungen an seine Lehrer stellt. Für besorgniserregend halten sie es vor allem, dass die Studierenden nicht nur für ihre jetzigen Lehrer, sondern auch für sich selbst im zukünftigen Beruf die Messlatte so niedrig legen werden, was im Laufe der Berufspraxis zunehmend zu Frustration führen könne. Im weiteren Verlauf des Interviews wurde der Gesprächsfokus verschoben. Nun sollten die Befragten selbst beschreiben, was ihrer Meinung nach eine gute Fremdsprachenlehrkraft auszeichne. Die meisten Fremdsprachenlehrenden (15 von 23) bezeichneten als gute Lehrkraft einen hochqualifizierten, guten Menschen. Den Aussagen zufolge ist die Kombination geeigneter Charaktereigenschaften mit einer guten Ausbildung und ausgeprägten Kompetenzen keine Seltenheit im Lehrerberuf. Andere Interviewte stimmten dieser Einschätzung zu, der einzige Unterschied besteht in der Reihenfolge der für sie relevanten Elemente. Manche vertreten die Meinung, die charismatische Persönlichkeit eines Lehrers ist für den Lernerfolg entscheidend: seine Leidenschaft für den Beruf, seine Ehrlichkeit anderen gegenüber, seine Konsequenz beim Unterrichten. Erst danach zählen seine didaktischen Fähigkeiten und seine sprachliche Kompetenz. Für andere, vor allem für die Hochschullehrenden, steht die fachwissenschaftliche Vorbereitung auf den Beruf an erster Stelle (ein guter Fremdsprachenlehrer absolviert eine Hochschule mit der Note »Sehr gut« auf dem Diplom, seine Sprachkompetenz ist auf einem sehr hohen Niveau, ihn zeichnet ein ausgeprägtes Allgemein- sowie Fachwissen aus, auch im Bereich der Fremdsprachendidaktik, und dieses Wissen kann er in praktisches Unterrichten umsetzen). Sie betonen jedoch auch, dass die Persönlichkeitsmerkmale, die in unserer Gesellschaft als positiv

Persönlichkeit und berufliche Qualifikationen von Fremdsprachenlehrkräften

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betrachtet werden, die Lehrtätigkeit stützten, vor allem in Bezug auf die Motivation der Schülerinnen und Schüler: Ein guter Lehrer besitzt eine ganze Palette an Persönlichkeitsmerkmalen, die es ihm ermöglichen, ein ausgezeichnetes Lehrer-Schüler-Verhältnis aufzubauen. Die Hälfte der interviewten Fremdsprachenlehrenden ist fest davon überzeugt, dass Routine im Lehrerberuf negativ zu bewerten sei, denn sie, so die Befragten, tötet die Leidenschaft, demotiviert und entmutigt die Lernenden sowie verursacht Burn-out bei den Lehrkräften. Eine Person fasste dies wie folgt zusammen: Ein guter Lehrer muss daran denken, dass seine Anwesenheit im Leben seiner Schüler nur einen kurzen Augenblick dauert. Es hängt ausschließlich von ihm ab, wie dieser kleine Moment den Lernern in Erinnerung bleibt, deswegen sollte er sowohl als Mensch, der teilweise an der Gestaltung anderer Charaktere teilhat als auch als kompetenter Wegweiser seine Schüler auf den langwierigen, manchmal das ganze Leben dauernden Lernprozess vorbereiten.

3.3

Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrkräften – Empfehlungen berufstätiger Fremdsprachenlehrender

Im zweiten Teil des Interviews wurde die Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrenden in Polen angesprochen. In erster Linie wurden in den Antworten Themenbereiche benannt, die nach Überzeugung der Befragten in den neuen Standards für die Lehrkräfteausbildung in Polen berücksichtigt werden sollten. Ähnlich wie bei der zweiten Frage wünschte sich die Mehrheit der Interviewten (17 von 23) mehr Stunden in Bereichen, die in den alten Standards für die Lehrkräfteausbildung in den Modulen Psychologie und Pädagogik, Allgemeine Didaktik und Fachdidaktik sowie Sonderpädagogik vorgesehen waren. Die Fremdsprachenlehrenden wiesen darauf hin, in ihrer Studienzeit mehr praktische Stunden in Didaktik, Methodik, Psychologie und Pädagogik bzw. Sonderpädagogik gehabt zu haben. In den bis September 2018 gültigen Standards wurden zwar alle für die oben genannten Fachmodule relevanten Themen berücksichtigt, es sei aber wegen der geringen Stundenzahl in den Studienplänen unmöglich gewesen, sie ausführlich im Unterricht zu besprechen. Um zu zeigen, wie wichtig diese Bereiche für die Vorbereitung auf den Lehrerberuf sind, widmeten die Befragten viel Aufmerksamkeit der Beschreibung unterschiedlicher, herausfordernder Unterrichtssituationen, mit denen sie in ihrer Arbeit konfrontiert worden seien und in denen sie nicht als Fremdsprachenlehrende, sondern eher als Menschen mit einem gut ausgeprägten psychologischen Sinn hätten reagieren müssen. Sie betonten, es gebe heute in den Schulen immer mehr Lernende, die (ärztlich diagnostiziert) psychologisch betreut würden oder unterschiedliche (sowohl körperliche als auch intellektuelle)

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Behinderungen hätten. Das stelle junge, auf diese Situation oft nicht ausreichend vorbereitete Nachwuchslehrkräfte vor große Herausforderungen. Eine der befragten Personen fügte hinzu: … der Lehrerberuf ist heutzutage mit viel Stress verbunden, die Schüler kommen mit vielen Problemen zur Schule, die aus verschiedenen Gründen nicht zu Hause gelöst werden können. Diese Probleme lasten auf den Lehrern und tragen zu noch mehr Druck bei. Deswegen sollten angehende Lehrkräfte gezielt und anhand von praktischen Beispielen auf die Zusammenarbeit mit sowohl körperlich als auch intellektuell behinderten Lernenden, die unterschiedliche Bedürfnisse haben, vorbereitet werden. Darüber hinaus legen die Interviewten großen Wert auf die sprachliche Kompetenz künftiger Lehrkräfte. Sie könnten bei den von ihnen betreuten Praktikant:innen beobachten, dass deren sprachliches Niveau nicht dem entspreche, das Fremdsprachenlehrkräfte auszeichnen sollte. Eine Person plädiert im Falle von Philologiestudierenden mit Spezialisierung auf Lehramt für die Erhöhung der Sprachpraxisstunden (d. h. für Sprachpraxis Deutsch, Sprachpraxis Englisch usw.), eine andere für obligatorische Unterrichtsstunden mit Nativ Speakern, eine dritte Person für obligatorische Studienaufenthalte (z. B. ein Semester) im Zielsprachenland. Alle diese Anforderungen sollten laut den Befragten in den neuen Standards für die Lehrerkräfteausbildung verankert werden. Ferner sollten auch die neuesten Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die Schulung der interpersonalen Kommunikation und interkulturellen Kompetenz berücksichtigt werden. Im weiteren Verlauf der Befragung bezogen sich die an der Untersuchung teilnehmenden Fremdsprachenlehrenden auf die Frage nach der psychologischen Testung zukünftiger Lehrkräfte (vor oder während des Studiums) auf ihre Eignung für den Lehrerberuf. Bis auf eine Person, die sich nachdrücklich gegen Testungen aussprach (da sie sich nicht vorstellen könne, wie die Eignung für den Lehrerberuf gemessen werden sollte), befürworteten die übrigen befragten Lehrenden (22 Personen) diese Idee aus zwei Gründen ausdrücklich: Es sei erstens vorteilhaft, solche Untersuchungen noch im Studium durchzuführen, damit potenzielle Lehrkräfte ihre beruflichen Pläne rechtzeitig verifizieren könnten, sollte sich eine fehlende Eignung ergeben; zweitens käme es so im Sinne der Lernenden nicht zum Unterricht bei dafür nicht geeigneten Personen. Eine Person gibt an, viele junge Menschen kündigten ihre Arbeit in der Schule nach einigen Jahren meist wegen Stress oder Herausforderungen im Umgang mit einzelnen Lernenden bzw. Gruppen von Lernenden. Die während des Studiums erworbene theoretische Ausbildung garantiere nicht, dass Nachwuchslehrkräfte auch psychisch auf den Lehrerberuf vorbereitet seien: nicht jeder Mensch, der einen guten Schulabschluss hat, kompetent, klug und intelligent ist, ist im Stande, in schwierigen Situationen seine Emotionen zu kontrollieren, was bei der Arbeit

Persönlichkeit und berufliche Qualifikationen von Fremdsprachenlehrkräften

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mit jungen Menschen (vor allem mit kleinen Kindern) eine elementare und unentbehrliche Voraussetzung ist. Die Einführung eines professionellen Eignungsverfahrens könne helfen, die Zahl der Lehrkräfte zu reduzieren, die emotionale, mentale, psychische Belastungen aufweisen, impulsiv sind und ihre Emotionen nicht kontrollieren können, was sich auf die Psyche ihrer Lernenden, manchmal sogar auf deren Leben auswirke. Manche Lehrer, die ich seit Jahren beobachten kann, empfinden ihre Arbeit als Qual und Strafe für begangene Sünden. In schwierigen Situationen verlieren sie immer häufiger die Geduld, rasten aus, schreien ihre Schüler an, werden streitsüchtig und können sich auch mit ihren Kollegen nicht mehr so richtig verständigen. Es gibt auch solche (die immer apathischer werden), denen ihre Schüler und Unterrichtsstunden egal werden. Die wollen einfach bis zu ihrer Pensionierung durchhalten. Noch im Studium durchgeführte Eignungstests könnten dazu führen, dass sich für den Job die Menschen entscheiden, die das tatsächlich wollen. Eine Person betont jedoch zugleich, dass Eignungstests die angeführten Probleme nur teilweise lösen könnten. Ihrer Meinung nach könnten auch die besten Lehrkräfte nach mehreren Berufsjahren unter Burn-out leiden, deswegen sollten in bestimmten Zeitabständen spezielle psychologische Trainings bzw. Schulungen durchgeführt werden, die den Lehrkräften für die nächsten Jahre stressbelasteter sowie anspruchsvoller Arbeit ausreichend Kraft bzw. Ausdauer gäben sowie eine mentale Stütze wären. Eine Lehrerin plädiert für das Wiedereinführen von Aufnahmeprüfungen an Hochschulen, die Fremdsprachenlehrende ausbilden: Eine Aufnahmeprüfung sollte aus verschiedenen Etappen bestehen: aus einer Sprachprüfung, einem Vorstellungsgespräch, an dem ein Psychologe, ein Pädagoge und ein Didaktiker teilnehmen, sowie aus gründlichen ärztlichen Untersuchungen, die Personen mit psychischen Störungen sofort disqualifizieren würden. Das gerade Beschriebene ergänzen weitere deutliche Äußerungen der interviewten Lehrkräfte: … einige Lehrer leiden unter unterschiedlichen neurologischen Krankheiten [Störungen], z. B. Neurosen, worüber sie den Schuldirektor nicht informieren müssen, ihm sind dann die Hände gebunden, denn er kann so einen Lehrer nicht entlassen, auch wenn Schüler- und Elternbeschwerden eingereicht werden. // Es gibt Lehrer, die psychopathische Persönlichkeitsmerkmale (darunter auch sadistische Neigungen) aufweisen, oder auch solche, die emotional instabil sind. Das beeinträchtigt einerseits den Lernprozess, andererseits, was wesentlicher ist, hinterlässt es schlechte Erinnerungen oder sogar ein jahrelanges Trauma bei den Schülern. Resümierend erheben die Befragten keine Einwände gegen psychologische Untersuchungen bzw. Beobachtungen, sie legen jedoch Wert darauf, nicht mit Eignungstests konfrontiert zu werden, die Tests aus einer Jugendzeitschrift gleichen. Es sollten vielmehr Tests eingesetzt werden, die wissenschaftlich bestätigt

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sind und nicht aus geschlossenen Fragen bestehen, sondern tatsächlich auf der eingehenden Beobachtung der Kandidat:innen basieren sowie ihr Wesen professionell und zuverlässig analysieren. In der letzten Phase des Interviews wurden die Fremdsprachenlehrkräfte danach gefragt, ob sie bereit seien, an einem umfangreicheren Forschungsprojekt teilzunehmen, das zum Ziel habe, Kompetenzen, Merkmale bzw. Fähigkeiten und Talente von berufstätigen Fremdsprachenlehrenden zu testen. Die Mehrheit der an der Pilotstudie teilnehmenden Befragten (18 Personen) beantwortete diese Frage mit Ja. Die Interviewten hoffen darauf, dass solche Forschungen zur Optimierung der polnischen Bildung beitragen sowie das Bild des modernen Lehrers verbessern und das Prestige des Lehrerberufs wiederherstellen können. Die Befragten scheinen sehr offen zu sein. Sie betonen zugleich, dass es auch für erfahrene Lehrkräfte von immenser Bedeutung sei, Schulungen zu absolvieren und neue Lehrmethoden auszuprobieren. Es gelte: ein Lehrer muss sich entwickeln, weil die Erwartungen seiner Schüler ihm gegenüber ständigen Variationen unterliegen, er soll immer flexibel sein und [darf] keine Angst vor Veränderungen und neuen Herausforderungen haben. Unbestrittene Tatsache ist, dass alle Lehrpersonen als gute Lehrkräfte gelten wollen, sich aber dessen bewusst sind, dass dieses Ziel nur durch eigene Anstrengung erreicht werden kann. Sie müssen einerseits bereit sein, ihre didaktischen Tätigkeiten durchgehend zu modernisieren, dürfen andererseits aber dabei ihre menschlichen Eigenschaften (im positiven Sinne) nicht verlieren. Wolle man etwas im polnischen Bildungssystem verändern, solle man ganz unten, bei sich selbst, bei den einfachen Lehrern beginnen, die am besten wissen, wo der Schuh drückt. Eine Lehrerin, die die Teilnahme am oben skizzierten Forschungsprojekt ablehnte (insgesamt waren 3 Personen dagegen), gab an, nach über zwanzig Jahren im Beruf nicht erfahren zu wollen, dass sie eventuell wegen mangelnder Kompetenzen bzw. aufgrund von Persönlichkeitsmerkmalen nicht als gute Lehrkraft bezeichnet werden könnte. Eine zweite Person war empört, dass man sich mit solchen unwichtigen Themen wie Kompetenzen beschäftigt, während es so viele Probleme an Schulen gibt (keine finanziellen Mittel für die Entwicklung bzw. Modernisierung der Schulen, niedrige Gehälter der Lehrer, überladene Lernprogramme, frontales Unterrichten). Zwei Personen beantworteten die Frage nicht.

4.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die vertiefte Analyse der Ergebnisse der Pilotuntersuchung sowie der dem Bild eines guten Fremdsprachenlehrers gewidmeten Studie (Mihułka/ChojnackaGärtner 2017a, 2017b, 2018, 2019a, 2019b) zeigt deutlich, dass die ursprünglich

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durch Dualität gekennzeichnete Form des Kompetenzansatzes in der aktuellen Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrenden als unzureichend einzuschätzen ist. Eine solide Ausbildung von Lehrpersonen, die auf der Vermittlung von Wissen und der Entwicklung (glotto)didaktischer (fremdsprachendidaktischer) Fähigkeiten beruht, steht außerhalb jeder Diskussion. Das Problem besteht jedoch darin, dass eine gut ausgebildete (Fremdsprachen)Lehrkraft nicht immer eine gute Lehrkraft ist, d. h. eine, die einerseits in der Lage ist, Wissen auf verständliche Weise weiterzugeben, aber andererseits auch nachhaltig pädagogischen Einfluss auf ihre Schülerinnen und Schüler hat. Solche Lehrkräfte bleiben in Erinnerung: Sie betreuen und fördern, erklären, weisen Wege und geben Ratschläge, öffnen die Türen zur Welt des Wissens und vermitteln Werte. In Polen sind sie zurzeit leider in der Minderheit. Um in der Zukunft geeignete, und nicht zufällige Fremdsprachenlehrende zu gewinnen, ist es notwendig, neue, solide Richtlinien für die Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrkräften in Polen zu entwickeln. Das Augenmerk sollte dabei nicht mehr lediglich auf die Schulung von Kompetenzen (weit verstanden als Sprachkompetenz, didaktische und glottodidaktische (fremdsprachendidaktische) Kompetenz) gelegt werden, sondern auch auf die Eignung einer künftigen Lehrkraft für diesen manchmal sehr speziellen, anspruchsvollen und sicherlich stressigen Beruf. Den Terminus Eignung (bei Studieninteressierten oder Studierenden in den ersten Semestern) verstehen wir nach Mayr (2012, S. 41) als das Vorliegen jener Dispositionen und Kompetenzen, die es erwarten lassen, dass die Personen die Lehrerausbildung erfolgreich durchlaufen und auf Grundlage dieser Ausbildung den Lehrerberuf über längere Zeit kompetent und berufszufrieden ausüben und sich kontinuierlich im Beruf weiter entwickeln werden.

Wir plädieren dafür, Kandidat:innen für den Lehrerberuf vor Beginn oder während der Lehrkräfteausbildung psychologisch professionell zu testen. Einerseits wäre diese Vorgehensweise für die Studierenden selbst von großer Relevanz, damit sie im Falle einer Fehlentscheidung ihre Haltung überdenken und vor allem ihre Studienrichtung rechtzeitig wechseln können, andererseits aber handelte man im Sinne der Lernenden, die nicht von einer frustrierten Lehrkraft unterrichtet werden möchten, die noch in ihrer Jugend eine falsche Entscheidung traf und keine Möglichkeit mehr sieht oder hat, den Beruf zu wechseln.

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Mariola Jaworska

Zur Erweiterung der Förderkompetenzen angehender Fremdsprachenlehrkräfte in Bezug auf Lernstrategien

Abstract Der Beitrag richtet den Blick auf die Förderkompetenzen von angehenden Fremdsprachenlehrkräften in Bezug auf die Entwicklung der Lernkompetenz von Lernenden mit besonderer Berücksichtigung des effizienten Einsatzes von Lernstrategien. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, benötigen Fremdsprachenlehrkräfte sowohl fundiertes Wissen über grundlegende Kategorien von Lernstrategien als auch einen guten Überblick über mögliche die Anwendungsmöglichkeiten dieser Strategien. Zielsetzung des Beitrags ist die Einschätzung von Bedingungen und Perspektiven der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden im Bereich ›Lernstrategien lehren und lernen‹. Keywords: Fremdsprachenlehrkraftausbildung, Lernkompetenz, Lernstrategien The article is devoted to competencies of future foreign language teachers with respect to the development of students’ learning competence, especially with consideration of effective application of learning strategies. In order to be able to fulfil this task, foreign language teachers need both in-depth knowledge on basic categories of learning strategies and good orientation in their potential use. The article is aimed at estimating the conditions of and prospects for the education of future foreign language teachers in Poland in the scope of teaching and learning of learning strategies. Keywords: education of foreign language teachers, learning competencies, learning strategies

1.

Einleitung

In unserer von einer Informationsflut geprägten Wissensgesellschaft verliert Wissen sehr schnell an Aktualität. Die formale Bildung hat sich demnach auf den Anspruch konzentriert, das Lernen zu lehren, da die Lernkompetenz – die als Schlüsselkompetenz für ein erfolgreiches Arbeitsleben aufgefasst wird (vgl. dazu Alonso 2017, S. 4, 9) – in einer globalisierten und sich stetig verändernden Welt Mariola Jaworska, Universität Ermland-Masuren in Olsztyn, [email protected], ORCID: 0000-0002-7581-4194.

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Mariola Jaworska

zunehmend an Bedeutung gewinnt. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf dem selbstgesteuerten Lernen, bei dem die Lehrperson sich vor allem auf eine ganzheitliche und individuelle Lernaktivierung konzentriert. Der vorliegende Beitrag richtet den Blick auf die Förderkompetenzen von angehenden Fremdsprachenlehrkräften in Bezug auf die Entwicklung der Lernkompetenz von Lernenden. Dabei spielt der effiziente Einsatz von Lernstrategien eine zentrale Rolle, was oft eine Herausforderung für die Schule wie auch für die Lehrerinnen und Lehrer ist. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, benötigen Fremdsprachenlehrkräfte sowohl fundiertes Wissen über die wesentlichen Kategorien von Lernstrategien als auch einen guten Überblick über die Möglichkeiten der Ausdifferenzierung und Anwendung der Strategien. Ferner soll in Bezug auf den Themenbereich Lernstrategien thematisiert werden, inwiefern diese in der Ausbildung für den Lehrberuf berücksichtigt werden (können).

2.

Begriffsbestimmung

2.1.

Lernkompetenz als Schlüsselkompetenz

Die Problematik des Begriffs Lernen erschöpfend zu erläutern, ist im Rahmen des vorliegenden Textes nicht möglich. Es soll aber hervorgehoben werden, dass Lernen ein selbstgesteuerter und aktiver Prozess ist, der von den Lernenden eine aktive Wissenskonstruktion erfordert. Neue Erkenntnisse werden in vorhandene Strukturen eingeflochten, sodass das Wissen von den Erfahrungen und Vorkenntnissen der Lernenden geprägt ist. Wissenskonstruktion erfolgt jedoch nur in bestimmten Kontexten, weshalb das Lernen auch ein situativer Prozess ist. Zeitgleich handelt es sich dabei ebenfalls um einen sozialen Prozess, da soziokulturelle Bedingungen und das soziale Umfeld eine große Rolle spielen (vgl. dazu Mandl 2001, S. 4f.). Die Definition des Begriffs Kompetenz gestaltet sich etwas schwieriger. Während einige Forschende Kompetenz als generelles, intellektuelles Potenzial begreifen, gilt sie anderen als erworbene Fähigkeit in einem bestimmten Bereich. Grundsätzlich wird unter Kompetenz die menschliche Befähigung zur Bewältigung von Herausforderungen verstanden (vgl. dazu Wollersheim 1993). Ebenso wird Kompetenz als Zusammenstellung von Persönlichkeitsmerkmalen bezeichnet, dank denen das Individuum in komplexen Situationen Anforderungen bewältigen könne (Franke 2005, S. 35). In Hinsicht auf die Diagnose von Lehrund Lernprozessen versteht man unter Kompetenz die

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bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. (Weinert 2001: 27f.)

Der Begriff Lernkompetenz verbindet die beiden zuvor genannten Elemente und stehe für »die Fähigkeit zum erfolgreichen Lern-Handeln« (Mandl 2001, S. 10). Grundlage dafür sei wiederum das selbstgesteuerte Lernen (vgl. Alonso 2017, S. 9), wobei beachtet werden sollte, dass den Lernenden ermöglicht werden müsse, individuelle Zugänge zum eigenen Lernen schaffen zu können sowie Einfluss auf den Inhalt und die Arbeitsweise zu haben (vgl. Weinert 1982, S. 102). Die Motivation verkörpere dabei die wertvollste Ressource für das lebenslange Lernen und die Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen (vgl. Alonso 2017, S. 10). Die Lernkompetenz wurde 2006 in der Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zu Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen (Amtsblatt der Europäischen Union 2006/962/EG) als eine von acht Schlüsselkompetenzen genannt. Schlüsselkompetenzen, manchmal auch Kernkompetenzen genannt, wurden als diejenigen Kompetenzen definiert, »die alle Menschen für ihre persönliche Entfaltung, soziale Integration, Bürgersinn und Beschäftigung benötigen« (Amtsblatt der Europäischen Union L 394/16). Alle Schlüsselkompetenzen gelten als gleich wichtig, da jede zu einem erfolgreichen Leben in der Gesellschaft beiträgt. In der neuen Empfehlung des Rates vom 22. Mai 2018 zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen (Amtsblatt der Europäischen Union 2018/C 189/01) wird betont, dass die Mitgliedstaaten die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen fördern sollten, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Verbesserung der Lernkompetenz im Interesse einer zukunftsorientierten Lebensgestaltung gerichtet werden sollte. Für die Zwecke der Empfehlung wurde Kompetenz als Kombination von Kenntnissen, Fertigkeiten und Einstellungen definiert. Kenntnisse umfassen dabei Fakten, Zahlen, Konzepte, Ideen und Theorien, die bereits etabliert sind und das Verständnis eines bestimmten Bereichs fördern, Fertigkeiten beziehen sich auf das Vermögen, Prozesse auszuführen und vorhandenes Wissen einzusetzen, um so Ergebnisse zu erzielen, und Einstellungen bezeichnen die Bereitschaft, zu handeln oder auf Ideen, Personen oder Situationen zu reagieren (C 189/7). Unter Lernkompetenz, die in diesem Dokument im Zusammenhang mit der persönlichen und sozialen Kompetenz erklärt wurde, wird »die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren, mit Zeit und Informationen effizient umzugehen, konstruktiv mit anderen zusammenzuarbeiten, resilient zu bleiben und seinen Bildungs- und Berufsweg selbst in die Hand zu nehmen« (C 189/10) verstanden. Im Sinne des analysierten Dokuments setzt auch Lernkompetenz voraus, dass Individuen ihre

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bevorzugten Lernstrategien, ihren Kompetenzentwicklungsbedarf und unterschiedliche Wege zur Kompetenzentwicklung kennen sowie nach verfügbaren Bildungsmöglichkeiten suchen.

2.2.

Lernstrategien

Der Begriff Lernstrategie wird sowohl in der Lernpsychologie als auch in der Psycholinguistik, in der Spracherwerbspsychologie und in der Fremdsprachendidaktik genutzt (vgl. Wolff 1998, S. 70). Er wird in der Literatur und Praxis vielfältig verwendet, weshalb eine Definition schwerfällt. Sehr oft steht er allgemein für die Beschreibung von Verhaltensweisen, die der Bewältigung des Lernstoffs und der damit verbundenen Aufgaben dienen (vgl. Wild 2005, S. 193). Dabei geht es jedoch nicht allein um die Steuerung kognitiver Prozesse, sondern auch um das Beeinflussen der persönlichen Motivation und des Handelns. Der Forschungsschwerpunkt liegt jedoch vorwiegend im kognitiven Bereich und betrifft »die Vorgehensweisen, mit denen Informationen ausgewählt, erworben, organisiert oder in vorhandenes Wissen integriert werden« (Wild 2005, S. 193). Im deutschen Sprachraum ist die Definition von Wild verbreitet, der Lernstrategien charakterisiert als »jene Verhaltensweisen und Kognitionen, die vom Lernenden aktiv zum Zweck des Wissenserwerbs eingesetzt werden« (Wild 2006, S. 427). Als Kognitionen werden dabei alle geistigen Handlungen und Vorgänge bezeichnet, die die Verarbeitung von Informationen fördern. Sie werden von emotionalen Anteilen begleitet, über die Eindrücke aus der In- und Umwelt verarbeitet sowie bewertet werden.«. In den meisten Definitionen von Lernstrategien wird betont, dass sie den Lernprozess unterstützen und optimieren. Martin und Nicolaisen analysieren weitere Kriterien und Funktionen, die die oben dargestellten Überlegungen ergänzen bzw. verdeutlichen: – immer dann, wenn sie absichtsvoll, flexibel und situationsgerecht verwendet würden, förderten Lernstrategien effektives Lernen; – Lernstrategien würden bewusst eingesetzt oder seien mindestens bewusstseinsfähig – mit zunehmender Übung könnten die von einer Person verwendeten Strategien verinnerlicht und automatisiert werden, sodass Handlungen nicht mehr bewusst gesteuert würden; – jede Lernstrategie korrespondiere mit einer persönlichen Ressource, an die für die weitere Förderung von Lernkompetenzen angeknüpft werden könne; – jede Lernstrategie beinhalte ein Set verschiedener Lerntechniken, durch die Strategien konkretisiert würden (vgl. Martin/Nicolaisen 2015, S. 12).

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In der Fachliteratur finden sich zahlreiche Versuche, Lernstrategien zu klassifizieren (vgl. Tönshoff 2007, S. 332). Mit dem Konzept von Pintrich, Smith, Garcia und McKeachie (1991) als Basis lassen sich drei unterschiedliche Strategietypen feststellen: kognitive, metakognitive und ressourcenbezogene Lernstrategien. Kognitive Lernstrategien dienen vorrangig der unmittelbaren Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung. Es handelt sich um Strategien, bei denen die Wiederholung, die Organisation und die Elaboration im Fokus stehen (vgl. Alonso 2017, S. 25). So zählt schlichtes Auswendiglernen zu den Wiederholungsstrategien, während das Identifizieren wichtiger Informationen und ihre Aufbereitung, etwa in Form von Diagrammen oder Schaubildern, als Organisationsstrategie bezeichnet wird. Bei den Elaborationsstrategien steht das Verknüpfen von altem und neuem Wissen im Vordergrund, die Lernenden ergänzen das Material um eigene Beispiele und hinterfragen das soeben Gelernte kritisch. Während sich die kognitiven Lernstrategien vor allem auf den konkreten Lernstoff und die damit verbundenen Informationszugänge beziehen, liegt der Fokus bei den metakognitiven auf der »aktive[n] und bewusste[n] (Selbst-)Kontrolle und (Selbst-)Steuerung« (Wild 2005, S. 195). Im Rahmen der aktiven Planungsphase setzen sich Lernende mit konkreten Arbeitsanforderungen auseinander, leiten aus diesen die Lernziele ab und erstellen einen Zeitplan (Alonso 2017, S. 25). Im zweiten Schritt, der Selbstüberwachung, kontrollieren Lernende beispielsweise mithilfe von eigens formulierten Fragen selbst, ob sie die gesetzten Lernziele in ihrem Zeitfenster erreicht haben. Die anschließend folgende Regulationsstrategie bezieht sich auf die »bewusste Berücksichtigung der selbstdiagnostizierten Lernschwierigkeiten« (Wild 2005, S. 196). Mit ressourcenbezogenen Lernstrategien sind all jene Kompetenzen gemeint, die es den Lernenden ermöglichen, ihre Lernaktivitäten insgesamt zu organisieren. Interne Ressourcen fokussieren das Management des eigenen Zeitbudgets, Konzentration und Durchhaltevermögen (Wild 2005, S. 196). Unter die externen Ressourcen fallen die effiziente Nutzung von Informationsquellen wie z. B. Literatur, die positive Gestaltung der Lernumgebung und der kooperative, produktive Austausch mit anderen (Alonso 2017, S. 25). Weitgehend durchgesetzt hat sich auch die in Anlehnung an Oxford (1990) und O’Malley/Chamot (1990) getroffene Unterscheidung in vier Typen von Sprachlernstrategien: die kognitiven, metakognitiven, affektiven und sozialen Sprachlernstrategien (vgl. Schramm 2008, S. 97). Bimmel (2006) nennt unter dem Oberbegriff der kognitiven Strategien auch die Gedächtnis- und die Sprachverarbeitungsstrategien, die Oxford (1990) noch als eigene Kategorien neben den kognitiven Strategien aufzählt. Lernstrategien sind für den Fremdsprachenerwerb von großer Bedeutung (vgl. Frey 1987; O’Malley/Chamot 1990; Skehab 1989; Ellis 1994; Roche 2013), weil sie den Lernenden Einblick in die mit dem Fremdsprachenlernen verknüpften kognitiven, sozialen und affektiven Prozesse ermöglichen. Die entsprechenden

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Erkenntnisse könnten dabei helfen, weniger erfolgreichen Sprachlernenden die Strategien erfolgreicher Lernender beizubringen (vgl. Chamot 2005, S. 11). Um die Frage nach der Bedeutung der einzelnen Strategien beantworten zu können, fehlten eindeutige empirische Befunde (vgl. Wild 2005, S. 197). Allerdings sei davon auszugehen, dass sich z. B. deutsche Schülerinnen und Schüler am stärksten der kognitiven Lernstrategien bewusst seien, da die Planung und Gestaltung der Lernumgebung größtenteils von den Lehrkräften ausgehe und eine eigenständige Organisation im kleinschrittig aufgebauten Unterricht für viele Lernende nicht notwendig sei. Anders sehe dies jedoch an Universitäten oder im späteren Arbeitsleben aus. Der Studienerfolg an einer Hochschule sei in hohem Maße abhängig von den Lernkompetenzen der Studierenden, da dort großer Freiraum zum eigenständigen Gestalten des Lernens herrscht. Wild vermutet zudem einen Zusammenhang zwischen der Lernkompetenz der Studierenden und ihrer späteren Lehrkompetenz als Lehrkräfte (vgl. Wild 2005, S. 191ff.). Jene Lernkompetenz kann jedoch nicht erst im Verlauf des Studiums erworben werden, sondern muss schon zuvor durch jahrelange Anwendung verschiedener Lernstrategien gestärkt und gefestigt worden sein. Zwar bieten viele Hochschulen spezielle Seminare und Trainings an, um fehlende Kenntnisse dieser Strategien auszugleichen und den damit verbundenen Mangel an Kompetenzen zu beheben, einfacher wäre es jedoch, bereits in der Schule den Grundstein dafür zu legen.

3.

Die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden im Hinblick auf die Erweiterung von Lernstrategien

3.1.

Vermittlung von Lernstrategien als Ziel

Der Einfluss der Lehrperson auf den Lernerfolg reduziert sich nach Hattie (2009, S. 35, in: Krumm 2018, S. 23) nicht auf Unterrichtsmethoden, neue Medien u. Ä., sondern betrifft auch die Einstellungen, mit denen eine Lehrkraft an das Unterrichten herangeht bzw. die Haltung, die sie den Lernenden gegenüber einnimmt. Eine der wichtigsten Aufgaben von Lehrkräften sei es, den Lernenden den Wert des lebenslangen Lernens zu verdeutlichen und Unterrichtssituationen zu schaffen, die zeigten, dass die Schule ein Ort ist, an dem man vor allem lernen lernt. Im Rahmen der Lehrkräfteausbildung müssten also im Hinblick auf den schulischen Fremdsprachenunterricht Kernintentionen formuliert werden wie: lernendenzentrierter Fremdsprachenunterricht, effizientes Lernen, autonomiefördernder Unterricht. Ziel von Lehrendenaktivitäten müsse sein, die Lernenden so zu unterrichten, dass sie nach Abschluss ihrer schulischen Laufbahn ihre

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Kompetenz in einer bereits gelernten Fremdsprache erweitern oder wieder aktivieren sowie eine neue Fremdsprache lernen könnten. Die Lernenden sollten auch dazu befähigt werden, sich auf Basis ihrer im Unterricht erworbenen fremdsprachlichen Fähigkeiten in inner- und außerschulischen Kommunikationssituationen erfolgreich zurechtzufinden (vgl. Tönshoff 1992, S. 300f.). Zum Erreichen aller genannten Ziele kann ein Lernstrategietraining beitragen. Der Zweck der Entwicklung von Lernstrategien ist, bei Lernenden Fähigkeiten zu fördern, die selbstständiges und effizientes Lernen ermöglichen. Lernende sollten ihr Wissen über den Lernprozess und sich selbst als Schüler:in erweitern, das Lernen planen lernen und schließlich entsprechende Lernstrategien kennenlernen sowie einsetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen (vgl. Dickinson 1987, S. 43). So verkürze sich die Lernzeit, während umfangreiche Inhalte besser behalten würden (vgl. Ledzin´ska 2000, S. 127). Wichtige Elemente einer Förderung der Lernkompetenz sind also einerseits das Aufzeigen von Lernstrategien, die beim Fremdsprachenlernen nützlich sein können, andererseits Hilfe bei der Planung von Übungen und maximal effektiven Lernmethoden. Dieser Prozess solle nicht mit der Präsentation von Strategien enden, vielmehr spiele das Lernstrategietraining eine große Rolle (vgl. McManus 2004; Droz´dział-Szelest 2008; Michon´ska-Stadnik 2008; Sikorska 2008). Die Kenntnis der oben genannten Ziele sowie der Möglichkeiten ihrer Realisierung scheint für angehende Lehrkräfte unabdingbar zu sein: Sie können mit der Gestaltung ihres Unterrichts zu einer Erweiterung der Lernkompetenz beitragen. Die Notwendigkeit, die Lernkompetenzen der Lernenden zu unterstützen, wird auch in den Standards für die Lehrendenausbildung betont, die 2019 in Polen mit der Verordnung des Ministers für Wissenschaft und Hochschulwesen eingeführt wurden (MNiSW 2019). Sie beziehen sich auf die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer (und somit auch der Fremdsprachenlehrkräfte) sowie aller Schultypen und Klassenstufen und regeln die Ausbildung in den Bereichen Psychologie, Pädagogik, Allgemeine Didaktik sowie Fachdidaktik einschließlich Praktika. Sie werden von der Erwartung begleitet, dass sich ihre Implementierung positiv auf die Qualität der Lehrkräfteausbildung auswirkt, was positiven Einfluss auf das Unterrichtsniveau in den Schulen hat. Ziel ist dabei ein verbessertes Lernen, was wiederum zu verbesserten Lernergebnissen führen soll. In den Standards werden unter anderem die Ausbildungsergebnisse definiert, die die im Rahmen der Ausbildung zu erwerbenden berufsrelevanten Kompetenzen beschreiben. Es wird zwischen allgemeinen und detaillierten Ausbildungsergebnissen unterschieden, die als Wissen, Fähigkeiten und Sozialkompetenz definiert werden. Unter den detaillierten Ausbildungsergebnissen findet sich im Bereich Fachdidaktik (Wissen) ein Punkt (D.1/E.1.W12.), der sich teilweise auf die Entwicklung der Lernkompetenz bezieht: »Der Absolvent kennt und versteht […] Methoden und Techniken effizienten Lernens, Methoden der

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Wissensstrukturierung und die Notwendigkeit der Wiederholung und Festigung von Wissen und Fähigkeiten« (MNiSW 2019, S. 18; Übersetzung von M. J.). Auch in den polnischen Rahmenlehrplänen für allgemeine Bildung (MEN, 2017) wird die Notwendigkeit betont, die Lernkompetenz zu entwickeln. Die Lehrkräfte sollen die Lernenden zur Selbstbeurteilung ermutigen, verschiedene Lerntechniken zeigen sowie einsetzen und zur selbstständigen Arbeit motivieren.

3.2.

Lernstrategietraining

Die Förderung von Lernstrategien verläuft nach Friedrich und Mandl (1992, S. 29) meist indirekt. Im Hinblick auf die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden wäre aber auch die direkte Förderung von Lernstrategien empfehlenswert. Prinzipien und Möglichkeiten des effektiven Lernens könnten z. B. im Rahmen des Faches Fachdidaktik explizit genannt und vermittelt werden, was bedeutet, dass die Dozierenden Unterrichtssituationen schaffen, in denen die Studierenden diese Prinzipien an speziell ausgewählten Aufgaben einüben. Der Konzeption eines Lernstrategietrainings wurden verschiedene Dimensionen zugrunde gelegt (z. B. O’Malley/Chamot 1990; Oxford 1990; Tönshoff 1992; Rampillon 1996), die auch im Rahmen der Fremdsprachenlehrendenausbildung erwägenswert sind. Eine dieser Dimensionen betrifft die Wahl der Trainingsgegenstände. Da sowohl die Auswahl der Strategien als auch die Wahrnehmung ihrer Effektivität sehr individuell sind, gibt es verschiedene Entscheidungskriterien, welche Strategien vermittelt werden sollten. So müsse beispielsweise geklärt werden, ob eher spezifische Lernstrategien bevorzugt werden, d. h. Lernstrategien, die lediglich auf einen bestimmten Aufgabentyp oder bestimmte Themen anwendbar sind, oder aber allgemeine Strategien, die sich im Fremdsprachenunterricht universal einsetzen lassen (vgl. Tönshoff 1992, S. 273). Oxford schlägt eine Kombination beider Kriterien für die Wahl von Strategien vor (Oxford 1990, S. 206). So würden den Lernenden im Unterricht zunächst mehrere Gruppen von Strategien vorgestellt, aus denen sie eine Auswahl treffen könnten. Einzelne Strategien aus dieser Vorauswahl würden anschließend genauer erklärt und geübt. Aufgrund der großen Heterogenität der Lernenden (in Bezug auf ihre kognitive, affektive und soziale Entwicklung) sollten in der Lehrkräfteausbildung möglichst viele und möglichst unterschiedliche Lernstrategien eingeführt werden. Das könnte in verschiedenen Unterrichtssituationen geschehen, in denen Studierende die Gelegenheit zur Erprobung unterschiedlicher Strategien erhalten oder in denen sie für die Problematik der Metakognition bzw. die Spezifik des Fremdsprachenlernens und -lehrens sensibilisiert werden, wobei ihnen zugleich Freiraum bei der Auswahl der Strategien gegeben wird. Die Studierenden sollten in der Lage sein, Lern-

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strategien flexibel und reflektierend zu nutzen. In diesem Kontext – der Entwicklung der Reflexionskompetenz oder auch situativen Handlungskompetenz zukünftiger Lehrkräfte – kann auf zwei Projekte der Europäischen Union und des Europarats verwiesen werden: Das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA), das 2007 am Europäischen Fremdsprachenzentrum in Graz entwickelt wurde, und Das Europäische Profilraster für Sprachlehrende (EPR), das für die Fortbildung konzipiert und 2013 veröffentlicht wurde. Diese Dokumente tragen sicherlich zur Entwicklung von Fremdsprachenlehrkräften im Bereich des Lernens und Lehrens von Lernstrategien bei. Bei der Planung von Lernstrategietrainings müssen weitere Aspekte berücksichtigt werden, z. B. ob ein Einzel- bzw. ein Gruppentraining oder ein separates bzw. ein integriertes Training angeraten wäre (vgl. Tönshoff 1992, S. 271f.). Da bei größeren Studierendengruppen die Berücksichtigung aller Lerntypen schwierig ist, lässt sich die Möglichkeit nutzen, alle Studierenden mit Hilfe unterschiedlicher Aufgabenstellungen oder durch Paar- und Kleingruppenarbeit effektiv in das Training einzubeziehen. In Bezug auf die Frage, ob ein separates oder ein integriertes Training angeraten wäre, kann in der Fremdsprachenlehrendenausbildung auf die Vorteile der Kombination beider Modelle verwiesen werden. Beim separaten Training, das sowohl inhaltlich als auch organisationstechnisch getrennt vom Fach durchgeführt wird, könnten die Studierenden ihre Aufmerksamkeit gezielt auf das Lernen von Strategien lenken. Es ist aber auch von Vorteil, wenn Lernstrategien dauerhaft in den Unterricht integriert werden, was sich positiv auf die künftige Verwendung von Strategien auswirken dürfte. Hinsichtlich der Dimension der Explizitheit scheint es wichtig zu sein, die Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte im Bereich Lernstrategien mit einem hohen Explizitheitsgrad zu verbinden (vgl. O’Malley/Chamot 1990, S. 153f.; Oxford 1990, S. 257), was einerseits ihre Autonomie als Lernende fördert, andererseits aber auch ihre didaktische Kompetenz bereichert. Werden die Studierenden über die Ziele der vermittelten Strategien und des gesamten Lernstrategietrainings informiert, können sie sie im eigenen Fremdsprachenunterricht zielgerichtet einführen. Das ist zudem Voraussetzung für die Evaluation des Erfolgs eines Lernstrategietrainings. In der Literatur wurden Konzepte vorgestellt (z. B. Oxford 1990, S. 203–211), die im Fremdsprachenunterricht an allgemeinbildenden Schulen, an Universitäten und im Bereich der Erwachsenenbildung einsetzbar sind. Ein interessantes Konzept, das als Rahmenmodell zur Entwicklung von Lernstrategien in unterschiedlichen Phasen der Lehrkräfteausbildung und im Fremdsprachenunterricht dienen kann, hat Smasal vorgeschlagen (Smasal 2010, S. 172). Es zielt seiner Idee nach auf die handlungsorientierte Vermittlung deklarativen, prozeduralen und konditionalen Wissens über Lernstrategien in der Lehrendenaus- und -weiterbildung.

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Fazit Die Vermittlung von Lernstrategien und die Entwicklung der Selbstständigkeit der Lernenden sind heute in vielen Fremdsprachencurricula als Lernziele fest verankert. Was dies aber genau bedeutet, wird oft nur sehr allgemein formuliert. Zugleich begrenzt sich die Ausbildung zur Lehrkraft häufig auf Inhaltsvermittlung – die Entwicklung der strategischen Kompetenz wird im Programm oft nicht berücksichtigt. Um jedoch in Zukunft einen Fremdsprachenunterricht zu realisieren, der nicht nur den Spracherwerb, sondern auch den Erwerb lernstrategischer Kompetenz im Blick hat, benötigen angehende Lehrkräfte entsprechende Qualifikationen. Zu diesen gehört die Vertrautheit mit dem Konstrukt der Lernstrategien sowie mit Methoden und konkreten Ideen zur Förderung der lernstrategischen Kompetenz. Es ist darüber hinaus von großer Bedeutung, dass sich Lehrkräfte ihrer eigenen Lernprozesse und Lernstrategien beim Fremdsprachenerwerb bewusst sind, damit sie die Erfahrungen, die sie als Lernende gesammelt haben, weitergeben und Sensibilität für die Lernschwierigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler entwickeln können.

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Elz˙bieta Kempny

Die Entwicklung psychosozialer Kompetenzen in der Lehrkräfteausbildung fördern. Vorstellung eines Forschungsprojekts

Abstract Die Dynamik der Veränderungen in der gegenwärtigen Realität führen zum Entstehen neuer Probleme und damit letztendlich zur Notwendigkeit, über die Anpassung der Lehrkräfteausbildung nachzudenken, da Lehrpersonen dafür verantwortlich sind, die junge Generation auf ihr Leben in der Gesellschaft vorzubereiten. Angesichts der modernen Herausforderungen nehmen psychosoziale Kompetenzen als Voraussetzung für erfolgreiches Agieren im gesellschaftlichen Leben einen besonderen Platz ein. Die Analyse der Literatur zu diesem Thema und der Ergebnisse der bisherigen Forschung lassen sowohl die Legitimität als auch den Bedarf erkennen, die Reflexion über das Problem der Entwicklung emotionaler und sozialer Kompetenzen im Rahmen der Lehrendenausbildung zu vertiefen. Ziel des Beitrags ist, in den Themenbereich der psychosozialen Kompetenzen einzuführen und ein Forschungsprojekt vorzustellen, das den Prozess der Entwicklung psychosozialer Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden während ihres Studiums und ihrer beruflichen Tätigkeit untersucht. Keywords: Lehrkräfteausbildung, Lehrkompetenzen, psychosoziale Kompetenzen The dynamic changes, which result in new problems, lead to the necessity of reflecting upon the adjustment of educating teachers, who are responsible for the preparation of the young generation to function in the society. Faced with current challenges, a special place is occupied by the problem of psychological and social competences, conditioning correct functioning in social life. The analysis of literature and the results of studies on psychological and social competences of teachers allow to notice the need for a deeper reflection upon the issue of developing emotional and social competences in the course of educating teachers. The aim of this article is to give insight into the issue of psychological and social competences and to present a research project whose subject is the process of developing psychological and social competences of foreign language teachers in the course of their studies and professional work. Keywords: education of teachers, teacher’s competences, psychological and social competences Elz˙bieta Kempny, Schlesische Technische Universität in Gliwice, [email protected], ORCID 0000-0003-0990-6506.

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Elz˙bieta Kempny

Einleitung

Die Gegenwart stellt die Gesellschaft vor viele Herausforderungen. Die Veränderungen, die sich heute in der Welt vollziehen, sind von beispielloser Größe und Dynamik und umfassen alle Bereiche des menschlichen Lebens. Faktoren wie das Tempo des Wandels in den Bereichen Wirtschaft und Soziales, die Globalisierung oder die Entwicklung neuer Technologien bieten zwar viele Vorteile, bringen aber auch neue Probleme mit sich, die es zu lösen gilt. Nicht alle sind in der Lage, sich an neu geschaffene Bedingungen anzupassen. Die daraus resultierenden zahlreichen sozialen und pädagogischen Probleme stören die Harmonie des gesellschaftlichen Lebens und wirken sich negativ auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Einzelnen aus. Eine der Antworten auf die Notwendigkeit, den negativen Auswirkungen aktueller Veränderungen entgegenzuwirken, ist das wissenschaftliche Interesse an psychosozialen Kompetenzen. Diese werden von der Weltgesundheitsorganisation als Lebenskompetenzen anerkannt und setzen die gelungene Integration in die Gesellschaft voraus (Woynarowska 2002, S. 57). Die Bedeutung psychosozialer Kompetenzen wird in der wissenschaftlichen Literatur zunehmend thematisiert, während zugleich der Einfluss dieser Kompetenzen auf die psychische Gesundheit, die Vermeidung der Risiken einer sozialen Fehlanpassung sowie das allgemeine Wohlbefinden von Einzelpersonen und gesellschaftlichen Gruppen hervorgehoben wird. Bildung ist zweifellos ein Weg zur Entwicklung psychosozialer Kompetenzen, es ist daher eine gezielte Maßnahme, Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich von klein auf zu unterrichten. Damit dies erfolgen kann, ist es zunächst notwendig, dass die Lehrkräfte selbst psychosoziale Kompetenzen entwickelten, um so zu unterrichten, dass die Schüler wüssten, wie man handele, wie man in der Gesellschaft lebe und wie man für sich selbst lebe (Delors 1998, S. 21). Daher sollte über eine Anpassung der Lehrendenausbildung nachgedacht werden (Konieczna-Kucharska 2015, S. 230). Der vorliegende Beitrag fragt nach den psychosozialen Kompetenzen von Lehrkräften, stellt den Stand der Forschung in diesem Bereich dar und das Konzept eines Forschungsprojektes zur Entwicklung der psychosozialen Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden vor. Der Fremdsprachenunterricht ist eine spezifische Art von Bildungsaktivität, bei der die Fähigkeit, eine Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens zu schaffen, aufgrund der Ziele, wie z. B. interpersonale Kommunikation oder interkulturelles Lernen, besonders wichtig ist (Zawadzka 2004, S. 86). Nicht ohne Bedeutung ist auch die Tatsache, dass es beim Erlernen einer Fremdsprache die Regel ist, Fehler zu machen. In einer solchen Situation müssen Lehrkräfte ein außergewöhnlich hohes Maß an Einfühlungsvermögen aufweisen, um Anforderungen und Unterstützung bestmöglich aufeinander beziehen zu können. Für Zawadzka ist die traditionelle Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden, so-

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fern sie mit der Reduktion auf die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen sowie die damit einhergehenden Methoden identifiziert wurde, nicht geeignet, den aktuellen Anforderungen zu genügen. Von Fremdsprachenlehrenden werde erwartet, dass sie über interpersonelle Kompetenzen verfügen, guten Kontakt zu den Lernenden pflegen und eine der effektiven Arbeit förderliche Atmosphäre schaffen (Zawadzka 2004, S. 308). Lehrpersonen sollten Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit sowie beim Aufbau der Grundlagen für ein unabhängiges, verantwortungsvolles und menschenwürdiges Leben unterstützen. Das dem Fremdsprachenlernen innewohnende interkulturelle Lernen sollte die Achtung vor anderen Kulturen und Werten fördern. Die Ausbildung von Lehrkräften sollte durch Offenheit, Innovation, Flexibilität, Vermenschlichung, Integration und Interdisziplinarität sowie lebenslanges Lernen gekennzeichnet sein (vgl. Zawadzka 2004, S. 309). Die schulische Realität zeigt Szplit zufolge, dass die wichtigste Kompetenz von Fremdsprachenlehrenden ihre Kenntnis der unterrichteten Zielsprache ist (Szplit 2010, s.238). Die schulische Praxis erfordert jedoch einen Ansatz, nach dem Fremdsprachenlehrende in erster Linie pädagogische Fachkräfte sind und so, bewusst oder unbewusst, an der ganzheitlichen Entwicklung der Lernenden teilhaben bzw. sie beeinflussen. Der absoluten Notwendigkeit zur Entwicklung psychosozialer Kompetenzen von Fremdsprachenlehrpersonen steht ein diesbezüglich unzureichendes Bildungsniveau während des Philologiestudiums entgegen. Aus diesem Konflikt generiert sich das Interesse, den Prozess des Erwerbs psychosozialer Kompetenzen bei Fremdsprachenlehrkräften zu reflektieren und zu erforschen.

2.

Psychosoziale Kompetenz

In der thematisch einschlägigen Literatur werden in Bezug auf psychosoziale Kompetenzen mehrere Begriffe verwendet und diese beispielsweise als soziale (Smółka 2016, S. 15), interpersonelle (Heller 2016, S. 18), emotional-soziale (Kwiatkowski 2017, S. 147; Knopp 1013, S. 8), weiche (Smółka 2016, S. 13; Konieczna-Kucharska 2015, S. 231) oder eben auch psychosoziale Kompetenzen bezeichnet (Encinar/Tessier/Shankland 2017, S. 37; Woynarowska 2002, S. 59). Die Weltgesundheitsorganisation definiert psychosoziale Kompetenzen als »Lebenskompetenz«, d. h. als Fähigkeiten, die es einer Person ermöglichen, sich positiv auf die Anforderungen und Herausforderungen des Alltags einzustellen, um effektiv damit umzugehen (vgl. dazu Woynarowska 2002, S. 59). Psychosoziale Kompetenzen spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung von Gesundheit sowie von geistigem, körperlichem und sozialem Wohlbefinden. Zu ihnen gehören zehn Fähigkeiten, die in fünf Kategorien zusammengefasst sind: Ent-

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scheidungsfindung und Problemlösung (einschließlich der Suche nach Alternativen, Risikobewertung, Beschaffung und Bewertung von Informationen, Bewertung der Folgen von Handlungen und Verhaltensweisen, Festlegung von Zielen für sich selbst usw.), kreatives Denken und kritisches Denken, effektive Kommunikation und Aufrechterhaltung guter zwischenmenschlicher Beziehungen (z. B. aktives Zuhören, Übermittlung von Informationen und Feedback, verbale und nonverbale Kommunikation, Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsgeschick, Konfliktlösung, Kooperation, Teamarbeit), Selbstbewusstsein und Empathie (z. B. Selbstbewertung, Identifikation der eigenen Stärken und Schwächen, positives Denken, Aufbau eines Bildes der eigenen Person und des eigenen Körpers, Selbsterziehung) sowie Umgang mit Emotionen und Stress (einschließlich Selbstbeherrschung, Umgang mit Druck, Angst, schwierigen Situationen, Suche nach Hilfe, Zeitmanagement) (Woynarowska 2002, S. 63). Die WHO weist auf einen Zusammenhang zwischen dem Niveau der psychosozialen Kompetenzen und einem weitgefassten menschlichen Wohlbefinden (körperliche und geistige Gesundheit, geringeres Risiko einer sozialen Fehlanpassung im Allgemeinen, Abhängigkeiten, Aufbau von gesunden und positiven Beziehungen, Wohlbefinden und Integration in den Arbeitsmarkt) hin. Weltweit gibt es Kampagnen zur Entwicklung von sozial-emotionalen Kompetenzen bei Kindern. Daher ist es gerechtfertigt, sich mit dem Problem der Lehrkräfteausbildung in diesem Bereich zu befassen. Smółka definiert psychosoziale Kompetenzen als Fähigkeiten, die für ein effizientes Selbstmanagement und das Erreichen einer hohen zwischenmenschlichen Effektivität notwendig seien (Smółka 2016, S. 15). Er betont, die Entwicklung dieser Art von Kompetenz sei ausschlaggebend für den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt, und stellt zugleich fest, dass der Bereich der interpersonellen Kompetenzen als größter Defizitbereich bei Beschäftigten gelte (Smółka 2016, S. 18). Psychosoziale Kompetenzen bestehen laut Shankland aus sozialen, kognitiven und emotionalen Kompetenzen. Zu den sozialen Kompetenzen gehören der Autorin zufolge Kommunikationsfähigkeit, Resilienz, Konfliktlösungsfähigkeit, Kooperation, Überzeugungskraft und Empathie. Bei den kognitiven Fähigkeiten nennt Shankland Problemlösungsfähigkeit, kritisches Denken und Selbsteinschätzung. Die emotionalen Kompetenzen umfassen die Fähigkeit zur Regulierung von Emotionen, Stressmanagement, Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl (Encinar/Tessier/Shankland 2017, S. 40). Romanowska-Tołłoczko und Kołodziej weisen darauf hin, dass die Kompetenzen, aus denen sich psychosoziale Kompetenzen zusammensetzten, keine hierarchische Struktur hätten, alle gleich wichtig seien und ihr Zusammmenspiel unerlässlich sei, denn individuelle Fähigkeiten reichten nicht aus, um mit der realen sozialen Situation fertig zu werden, die in der Regel komplex sei. Kompetente Bewältigung basiere auf einer Kombination von intra- und interperso-

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nellen Fähigkeiten, die von den Persönlichkeitsmerkmalen einer Person und von der Besonderheit der sozialen Ausbildung abhängten, die sie während ihres Lebens durchlaufen habe (Romanowska-Tołłoczko/Kołodziej 2018, S. 63). Madalin´ska-Michalak und Góralska weisen auf die große Bedeutung emotionaler Kompetenzen hin, von denen die Komponenten sind: Empathie, Begeisterung, Nachsicht, Optimismus, Bildungswissen, Befähigung zum Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen, Selbstsicherheit, das Streben nach sozialer Gerechtigkeit, Vertrauen und Interesse an der Schüler:innenkultur. Die Forscherinnen betonen zudem die Bedeutung der Komponenten von emotionaler Intelligenz, etwa Wahrnehmung, Bewertung und Ausdruck von Emotionen, Unterstützung des Denkens mit Emotionen, Nutzung von Wissen über Emotionen und Regulierung von Emotionen, d. h. deren Verwaltung (Madalin´skaMichalak/Góralska 2012, S. 112). Obwohl psychosoziale Kompetenzen begrifflich und definitorisch auf zahlreiche verschiedene Weisen erfasst werden, ist allen Zugriffen ein dualer Charakter gemeinsam: sie bezeichnen das Zusammenspiel von sozialen und emotionalen Komponenten. Das Konzept der emotionalen Kompetenz wurde in der wissenschaftlichen Literatur durch Saarni bekannt. Sie stützte ihre Ausführungen auf die Theorie des Soziologen Steven Gordon, der den Begriff der emotionalen Kompetenz erstmals verwendete (Madalin´ska-Michalak/Góralska 2012, S. 92). Saarni definiert emotionale Kompetenz als die Fähigkeit, in einem volatilen und manchmal ungünstigen sozio-physikalischen Umfeld Transaktionen zu tätigen (Saarni 1999, S.79). Madalin´ska-Michalak präzisiert die Definition von Saarni als die Effektivität bei der Durchführung von sozialen Transaktionen, die Emotionen hervorrufen als Effizienz bei der Durchführung emotionaler sozialer Transaktionen Madalin´ska-Michalak/Góralska 2012, S. 103). Emotionale Kompetenz trägt dazu bei, Emotionen regulieren und einen angemessenen interpersonalen Austausch bestimmen zu können. Die Reflexion emotionaler Kompetenz ermöglicht es zu zeigen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten Menschen brauchen, um in einem sich verändernden Umfeld adäquat zu agieren und Erfahrungen zu nutzen, um anpassungsfähiger, flexibler, handlungsfähiger und selbstbewusster zu werden. Selbstwert- und Einflussgefühl spielen laut Saarni eine Schlüsselrolle im Prozess der emotionalen Kompetenzentwicklung. Die Forscherin unterscheidet die folgenden Komponenten der emotionalen Kompetenz: – ein Bewusstsein der eigenen emotionalen Zustände, – die Fähigkeit, Emotionen, die von anderen erlebt werden, anhand von Situationsindikatoren und Mimik wahrzunehmen und zu unterscheiden, – die Fähigkeit, Emotionen verbal zu beschreiben,

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– die Fähigkeit, sich mit Empathie in die emotionalen Erfahrungen anderer einzubringen, – die Fähigkeit, zwischen emotionalen Zuständen zu unterscheiden, – ein Bewusstsein für kulturelle Regeln und emotionale Normen, – die Fähigkeit, Informationen über Interaktionspartner:innen aufzunehmen, um ihre Emotionen zu verstehen, – die Fähigkeit, mit unangenehmen Emotionen umzugehen (Kontrolle und Regulierung negativer Emotionen), – das Gefühl von emotionaler Effektivität und Selbstversorgung, ein Gefühl von emotionaler Wirkungskraft. Diese Eigenschaften haben einen wesentlichen Einfluss auf Erfolge im Leben. Aktivitäten, die zur Entwicklung der Lernenden im Bereich der Emotionen beitragen, verbessern deren Lernergebnisse, ihr Selbstwertgefühl und ihre Teilhabe am Leben der Gruppe. Bruner zufolge zeigen empirische Untersuchungen, dass geeignete pädagogische Maßnahmen wie Unterstützung oder Ermutigung Kindern vermitteln, ihre Emotionen in akzeptabler Weise auszudrücken, sowie ihnen helfen, mit diesen im Kontakt mit Gleichaltrigen umzugehen. Er betont die Bedeutung der Einstellung von Lehrkräften für die Entwicklung der emotionalen Kompetenz bei Kindern. Lernende, deren Lehrende konstruktive Emotionen wie z. B. Empathie zeigen, übernehmen diese Emotionen in der Regel in ihr eigenes Verhaltensrepertoire (Bruner 2010, S. 125). Damit Lehrkräfte emotionale Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern entwickeln können, müssen sie selbst über diese verfügen und in der Lage sein, positive Beziehungen zu Kindern aufzubauen sowie eine Atmosphäre der Sicherheit und des Vertrauens zu schaffen. Ferner müssen sie kommunikationsfähig sein und emotionale Reife sowie Empathie vermitteln können (Madalin´skaMichalak/Góralska 2012, S. 112). Laut Madalin´ska-Michalak und Góralska werde ein Lehrer durch die Entwicklung emotionaler Kompetenzen kommunikativer, toleranter, selbstbewusster, durchsetzungsfähiger, neugieriger, analytischer, diplomatischer, offener und reflektierender (Madalin´ska-Michalak/Góralska 2012, S. 116). Kwiatkowski zitiert Matczaks Definition von sozialer Kompetenz, wonach es sich dabei um ein breites Spektrum von Fähigkeiten handele, die im Laufe von Sozialisationsprozessen erworben würden und deren Beherrschung die Effektivität der Bewältigung in allgemeinen zwischenmenschlichen Beziehungen und in spezifischen sozialen Situationen bestimme (Kwiatkowski 2017, S. 137). Zu diesen Kompetenzen gehören:

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– Kompetenzen, die das effektive Verhalten in persönlichen Situationen bestimmen, indem sie den Aufbau und die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen ermöglichen, – Kompetenzen, die die Wirksamkeit von Verhaltensweisen in sozialen Belastungssituationen beeinflussen und den Umgang mit Situationen, bei denen man im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit steht, unterstützen, – Kompetenzen, die die Wirksamkeit von Verhaltensweisen in Situationen, die Durchsetzungsvermögen erfordern, bestimmen bzw. Kompetenzen, die die Umsetzung von eigenen Plänen oder Zielen ermöglichen, indem man sich dem negativen Einfluss anderer widersetzt oder Einfluss auf sie nimmt (Kwiatkowski 2017, S. 137). Kwiatkowski betont, dass sich hoch entwickelte sozial-emotionale Kompetenzen bei Lehrpersonen unter anderem positiv auf den Umgang mit Bildungsunsicherheiten auswirken, d. h. auf die Unvorhersehbarkeit von Bildungssituationen, die Wirksamkeit im Umgang mit Anforderungen, eine den Bestimmungen entsprechende Erfüllung der Pflege- und Erziehungsfunktion, die effektive Umsetzung des Postulats der Individualisierung im Umgang mit den Lernenden oder auf die Stressbewältigung (Kwiatkowski 2017, S. 141).

3.

Forschungsstand

Die Lehrkompetenz ist seit Jahren Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses und erfährt eine gründliche Erforschung, Analyse und Reflexion, sowohl in der Pädagogik als auch in der Fremdsprachendidaktik (Glottodidaktik). Kutrowska führte Untersuchungen durch, um zu analysieren, wie Lehrkräfte berufliche Kompetenzen erwerben. An einer Studie, für die Daten über den narrativen und autobiografischen Ansatz erhoben wurden, nahmen 16 diplomierte Lehrerinnen teil. In ihren Schlussfolgerungen stellt Kutrowska fest, dass die Liste der im Lehrberuf geforderten Kompetenzen immer unvollständig und unzureichend sei sowie noch geändert bzw. ergänzt werden müsse. Gleichzeitig lenkt die Autorin die Aufmerksamkeit auf das routinemäßige Handeln der Lehrer, die die Erfahrungen ihrer eigenen Ausbildung duplizieren und der Intuition und dem umgangssprachlichen Wissen folgen, ohne die pädagogischen und psychologischen Kenntnisse zu vertiefen; sie kommt zu dem Schluss, dass der Lehrer, der die Universität absolviert, auf seine Rolle unvorbereitet ist und mit der Schulrealität nicht zurechtkommt. Daher schlägt Kutrowska vor, dass ein modernes Modell der Lehrkräfteausbildung den ganzheitlichen Charakter von Wissen, praktische und reflektierende Maßnahmen, Unabhängigkeit bei der Schaffung eigener Arbeitsmethoden und persönliche Verantwortung für die

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getroffenen Maßnahmen umfassen sollte. Sie sieht die Chance, die vorgestellten Ziele durch die Verflechtung von Praktika mit lerntheoretischen Phasen zu erreichen, wobei die letzte als Grundlage für die Interpretation persönlicher Erfahrungen und erworbener Kenntnisse dienen sollten (Kutrowska 2016, S. 204). Szempruch weist auf die Notwendigkeit hin, zukünftige Lehrpersonen in autokreativen Fähigkeiten auszubilden. Sie sollen so in die Lage versetzt werden, Selbstbewusstsein aufzubauen, eine Haltung der ständigen Transzendenz zu entwickeln und den Weg eines unabhängig gewonnenen, zu Weisheit und Ethik führenden Verständnisses der Welt zu gehen (Szempruch 2016, S. 47). Malinowska untersuchte die Kommunikationskompetenzen von Lehrenden und betrachtete diese Kompetenzen als Determinante für den Aufbau eines Subjektivitätsgefühls von Lernenden (Malinowska 2014, S. 74). Aufgrund der Analyse des Forschungsmaterials identifiziert Malinowska den Zustand des Gefühls der Subjektivität als verstärkungsbedürftig und weist auf das Vorhandensein von Blockaden bei der individualisierten Evaluation im Bildungsprozess hin. Nach Ansicht der Autorin ist es für Lehrkräfte schwierig, Schüler:innen nicht durch das Prisma ihrer traditionellen Rolle als gelehrtes und empfindendes Subjekt wahrzunehmen. Aus diesem Grund geben, so Malinowska, Lehrende den Lernenden nicht die Möglichkeit, ihr Potenzial und ihre Aktivitäten im Bereich des Erlebens von Einflussgefühl und Akzeptanz vollständig zu entwickeln. Ein primär inhaltsgetriebener Ansatz ermöglicht es den Lernenden, Faktenwissen zu erwerben, sie entwickeln sich aber nicht ausreichend in Bezug auf das prozedurale Wissen, das die Grundlage für Fragen, Antworten und kritisches Denken ist. Malinowska formuliert die Schlussfolgerung, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht in der Lage seien, Kommunikationskompetenz auf der Grundlage ihres Wissens aufzubauen, allzu oft routinemäßig handelten und Muster aus ihrer eigenen Schüler:innenkarriere übernähmen, was das Potenzial ihrer Lernenden einschränke. Die Forscherin betont die Bedeutung von Reflexion in der Lehrkräfteausbildung sowie die Notwendigkeit, diese Ausbildung aus einer lebenslangen Perspektive zu denken (Malinowska 2014, S. 79). Im Jahr 2016 untersuchte Kwiatkowski die Vorbereitung künftiger Lehrkräfte im Bereich der sozial-emotionalen Kompetenzen. An seiner Fragebogenerhebung nahmen 235 Studierende der pädagogischen Fakultäten von drei Warschauer Universitäten teil. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Befragten die Möglichkeit einer teilweisen Entwicklung von sozial-emotionalen Kompetenzen im Rahmen der Hochschulbildung bestätigen. Die meisten positiven Antworten wurden auf Fragen zu den Entwicklungsmöglichkeiten von Kommunikationskompetenzen, Teamfähigkeit, Empathie und emotionaler Intelligenz gegeben. Die am wenigsten entwickelten Kompetenzen waren nach Ansicht der Befragten die Fähigkeit, ein beruflich bedingtes Burnout zu verhindern und sich gegen Manipulationen zu wehren. Gleichzeitig äußerte die Mehrheit der Befragten den

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Wunsch, die Lehrpläne um Veranstaltungen zu erweitern, die die Entwicklung von Schlüsselfertigkeiten im Rahmen der untersuchten Kompetenzen fördern (Kwiatkowski 2017, S. 148). Romanowska-Tołłoczko und Kołodziej führten Untersuchungen zur Entwicklung der psychosozialen Kompetenzen von Studierenden in Studiengängen wie Sport, Tourismus sowie Physiotherapie durch. Sie stellen fest, dass die Entwicklung personaler oder psychosozialer Kompetenzen der Studierenden nicht ausreichend berücksichtigt wird, obwohl sie sich auf soziale und Hilfsberufe vorbereiten – zu ihnen zählt zweifellos auch der Lehrberuf. Romanowska-Tołłoczko und Kołodziej beschreiben diesen Bereich als vernachlässigt und fordern tiefgreifende Veränderungen. Ihr Vorschlag ist, Veranstaltungen in die Lehrpläne der genannten Studiengänge aufzunehmen, die die entsprechenden Kompetenzen (unter besonderer Berücksichtigung eines Trainings von Durchsetzungsvermögen und emotionaler Kompetenz) fördern (Romanowska-Tołłoczko/Kołodziej 2018, S. 65). Szymankiewicz befasst sich in ihrer Forschung unter anderem mit dem Aufbau der Fachkompetenz künftiger Fremdsprachenlehrkräfte. Die Autorin untersuchte Manifestationen vom Aufbau subjektiver Fachkompetenz in der schriftlichen Reflexion von 17 angehenden Französischlehrerinnen in der schulpraktischen Qualifikationsphase. Die Fallstudie basierte auf einer quantitativqualitativen Analyse von zwei verschiedenen Arten schriftlich fixierter reflexiver Äußerungen: Antworten auf Fragen in der Dokumentation mit eigenständigen Überlegungen sowie Zusammenfassungen von Praktika in Form längerer autoreflexiver Texte. Die Ergebnisse der Studie bestätigten den Wert der schriftlichen Reflexion für die berufliche Entwicklung, insbesondere im Bereich der Gestaltung von Metakognition und Reflexionsfähigkeit sowie der zunehmenden Selbstkontrolle und Selbstregulierung (Szymankiewicz 2017, S. 236). Knopp erinnert an Untersuchungen, die einen positiven Zusammenhang zwischen sozialen Kompetenzen und, unter anderem, psychischem Wohlbefinden, allgemeiner Lebenszufriedenheit, der Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen, Hilfsbereitschaft, Akzeptanz von sozialer Unterstützung, effektiven Strategien zur Stressbewältigung sowie einer allgemein verstandenen Anpassung und einer gelungenen sozialen Integration belegen (Knopp 2013, S. 2). Die Autorin zeigt die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der Entwicklung von sozialemotionalen Kompetenzen in der schulischen Bildung bzw. der universitären Ausbildung auf.

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4.

Elz˙bieta Kempny

Skizze des Forschungsprojekts

Gegenstand meiner Forschung ist die Entwicklung psychosozialer Kompetenzen von (künftigen) Fremdsprachenlehrkräften während des Studiums und im Beruf. Es geht darum zu erkennen, welche Situationen, Umstände, Bildungsmodi oder Ereignisse die Entwicklung von psychosozialen Kompetenzen beeinflussen. Aufgrund der Forschungsergebnisse, die auf Defizite im Bereich der psychosozialen Kompetenzen von Lehrern hinweisen, des von Philologiestudenten geäußerten Bedarfs an Fortbildung in diesem Bereich und meiner eigenen Beobachtungen in diesem Bereich halte ich es für gerechtfertigt, dieses Thema aufzugreifen. Meine eigenen Beobachtungen bestätigen diese Eindrücke. Die geplante Untersuchung wird in Grundschulen durchgeführt. In der ersten Phase werden Lehrkräfte während des Fremdsprachenunterrichts von Studierenden philologischer Studiengänge im Praktikum beobachtet. In der zweiten Phase werden Interviews mit 20 Lehrkräften durchgeführt, die den Beobachtungen nach das höchste Maß an psychosozialer Kompetenz aufweisen. Die Studie wird auf einem qualitativen Forschungsmodell in einem interpretativen Paradigma basieren. Die erste Phase besteht in der Anwendung der Beobachtungstechnik zur Datenerhebung (Bauman/Pilch 2010, S. 318). Diese Forschungsaktivität ermöglicht zudem die objektive Darstellung des Forschungsgegenstandes. Die Beobachtung erfolgt indirekt durch Studierende philologischer Studiengänge, die Praktika in Grundschulen absolvieren. Nach entsprechender Vorbereitung wurden die Studierenden gebeten, möglichst genau Aktivitäten, Worte und Verhaltensweisen der Lehrerkräfte zu beschreiben. Die zweite Phase des Forschungsverfahrens besteht in der Durchführung von biographischen Interviews mit der Forschungszielgruppe, d. h. 20 Lehrenden, die auf der Grundlage von Beobachtungen der Studierenden als hochgradig psychosozial kompetent identifiziert wurden. Die Verwendung von Interviews, bei denen Befragte ihre eigenen Handlungen analysieren und Prozesse aus ihrer Perspektive interpretieren können, ermöglicht eine tiefergehende Kenntnis verschiedener Aspekte des untersuchten Phänomens. Ziel der Interviews ist die Ermittlung von Faktoren, die die Entwicklung psychosozialer Kompetenzen fördern, sowie eine nähere Betrachtung ihrer Verbalisierung und Strukturierung.

Die Entwicklung psychosozialer Kompetenzen in der Lehrkräfteausbildung fördern

5.

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Fazit

Laut WHO tragen Programme zur Entwicklung von Lebenskompetenzen zum Schulerfolg von Kindern und Jugendlichen bei. So wurden beispielsweise Verbesserungen in den Beziehungen zwischen Lernenden und Lehrenden, die Verringerung von Fehlzeiten in der Schule, ein erhöhtes Selbstvertrauen und Zufriedenheit der am Bildungsprozess Beteiligten festgestellt (Woynarowska 2002, S.62). Die Entwicklung dieser Kompetenzen ist besonders in der Kindheit und Jugend wichtig, da sie zur altersentsprechenden psychosozialen Entwicklung, zum erfolgreichen Umgang mit Entwicklungsaufgaben der Kinder und Jugendlichen an bestimmten Etappen ihren Lebens, zur Befriedigung von Bedürfnissen, zur Vorbereitung auf das Leben in einer sich verändernden Welt, zur Bewältigung von Schwierigkeiten sowie zur Prävention vieler gesundheitlicher und sozialer Probleme beitragen. Eine Intensivierung der Aktivitäten im Bereich der Gestaltung dieser Fähigkeiten bei Kindern und Jugendlichen ist unter anderem mit der enormen Dynamik der Veränderungen in der heutigen Welt zu begründen. Das betrifft beispielsweise den Globalisierungsprozess mit seinem Transfer von kulturellen Verhaltensmustern, veränderte Ziele der Jugendlichen, den Sinn für soziale Unterschiede, Veränderungen in den Familienstrukturen und die Schwächung von familiären Bindungen, die Zunahme des Angebots an psychoaktiven Substanzen, den freien Arbeitsmarkt und den damit verbundenen Wettbewerb, die Entwicklung der Konsumeinstellungen unter Jugendlichen usw. In Polen überlagert der Wandel nach der Wende von 1989 die oben genannten Phänomene. Woynarowska betont, dass es in Polen keine staatliche Politik zur Jugendgesundheit gibt (Woynarowska 2002, S. 61), während die Notwendigkeit einer solchen Politik von WHO, UNFPA und UNICEF (Woynarowska 2002, S. 65) betont wird. Bei Lehrenden führt ein hohes Maß an psychosozialer Kompetenz zu einem verbesserten Umgang mit Bildungsunsicherheit und der Unvorhersehbarkeit von Bildungssituationen, zur Effektivität bei der Bewältigung von Anforderungen (was die Realisierung der pädagogischen Betreuungs- und Erziehungsfunktion erleichtert), zu einer effektiven Umsetzung der Forderung nach einem individualisierten Umgang mit den Lernenden und zu einer besseren Stressbewältigung. Mit meiner Studie verfolge ich das Ziel, die Faktoren und Situationen zu identifizieren und zu verstehen, die die Entwicklung psychosozialer Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften auslösen und stimulieren. Die Ergebnisse der Studie können dazu beitragen, den Weg in die Zukunft aufzuzeigen, um psychosoziale Kompetenzen effektiver zu entwickeln und somit das Ausbildungsmodell künftiger Lehrkräfte schon während des philologischen Studiums

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zu verbessern, damit diese den Anforderungen der modernen Realität gerecht werden können.

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Czesław Kin´ski

Der Einfluss von Lehrkraftverhalten auf das Foreign Language Enjoyment sowie die unterrichtsbezogene Fremdsprachenverwendungsangst bei Fremdsprachenlernenden

Abstract Durch den Einfluss der Positiven Psychologie richtete sich das Forschungsinteresse in der Fremdsprachenforschung auf sämtliche den Erwerb begleitende Emotionen. Der vorliegende Beitrag ist einer diesbezüglichen Erhebung gewidmet: Über die Studie sollte ermittelt werden, inwiefern sich variables Lehrkraftverhalten auf das Foreign Language Enjoyment und die unterrichtsbezogene Fremdsprachenverwendungsangst von Lernenden auswirkt. Die Untersuchung erfasste 584 Englischlernende an polnischen Oberschulen (Jahrgangsstufen 9–12). Es wurde ein stärkerer Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Lehrkräften und dem Foreign Language Enjoyment bei Schüler:innen beobachtet. Die abzuleitende Implikation für die pädagogische Praxis bestünde in der Ermutigung der Lehrkräfte dazu, positive Haltungen zu stärken, statt sich auf die Vermeidung von negativen Verhaltensweisen zu konzentrieren. Keywords: Positive Psychologie, positive Bildung, Emotionen von Lernenden, Foreign Language Enjoyment, unterrichtsbezogene Fremdsprachenverwendungsangst, Lehrkraftverhalten Positive psychology has encouraged researchers to study the full range of emotions experienced by the learner while learning a foreign language. The present study attempts to establish to what extent teacher variables affect student foreign language enjoyment and foreign language classroom anxiety. Participants were 584 students learning English in high schools in Poland. Teacher variables were found to have a stronger effect on student FLE levels. A possible pedagogical implication may be that educators should focus on promoting positive variables rather than pay excessive attention to eliminating the negative ones. Keywords: positive psychology, positive education, learner emotions, foreign language enjoyment, foreign language classroom anxiety, teacher variables

Czesław Kin´ski, Universität Ermland-Masuren Olsztyn, [email protected], ORCID: 0000-0001-9148-8950.

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Czesław Kin´ski

Einleitung

Wie bereits Dörnyei und Ryan (2015) anmerkten, wurden Emotionen als Faktor in der Forschung zum Fremdsprachenerwerb kaum berücksichtigt, und dies, obwohl ihnen eine bedeutende Rolle im menschlichen Leben zukommt. Die Ursache dafür sehen beide Autoren in der seit langem dominierenden kognitiven Tradition. Sie fordern ein Umdenken in Bezug auf die Rolle der positiven Emotionen beim Verstehen der Psychologie im Kontext des Lernprozesses. Es ist dabei anzumerken, dass die ersten Studien zur Rolle von Emotionen beim Fremdsprachenerwerb in den 70er-Jahren erschienen (Chastain 1975; Kleinmann 1977). In den 80er-Jahren wurden die Untersuchungen fortgesetzt; darunter sind die bahnbrechenden Studien zur Fremdsprachenverwendungsangst (engl. FLCA) von Horwitz, Horwitz und Cope (1986) zu nennen. Das sog. Foreign Language Enjoyment (engl. FLE) wurde dagegen erst fast 30 Jahre später erforscht (Dewaele/MacIntyre 2014). Das Aufkommen der Positiven Psychologie und die Entwicklung von Werkzeugen zur empirischen Erforschung von menschlichem Wohlbefinden haben in der Forschung zu einer Fokusverschiebung geführt, und zwar vom Bereich der negativen Emotionen hin zu den positiven Emotionen und zu handlungsfördernden Phänomenen (Dewaele/Dewaele 2017). Diese veränderte Schwerpunktsetzung lässt an Antonovsky (1979, 1987) und seine Untersuchungen zur Salutogenese, d. h. zur Entstehung von Gesundheit, denken, die als Reaktion auf die bis dahin dominierende Erforschung der Pathogenese, d. h. der Entstehung von Erkrankungen bzw. Störungen, zu deuten sind. Wissenschaftler:innen, die sich mit den positiven Emotionen beim Fremdsprachenerwerb befassen, vergleichen den Einfluss der Positiven Psychologie und des ihr zugrunde liegenden holistischen Ansatzes mit dem in den 70er-Jahren erfolgten Wandel in der Wahrnehmung der Fremdsprachenlernenden: Es erfolgte eine Abwendung von der Defizitorientierung zugunsten einer ganzheitlichen Erfassung des Wissens und der Gesamtleistung von Lernenden (Dewaele/Witney/Saito/Dewaele 2017). Greift man die sich durch die Positive Psychologie eröffnenden Forschungsmöglichkeiten auf, so dürfen kritische Stimmen nicht vergessen werden. Sie weisen auf deren falsche Anwendung (wie z. B. vorschnelle Schlussfolgerungen in Bezug auf kausale Zusammenhänge anhand von Korrelationen) sowie Einschränkungen hin (wie z. B. Schwierigkeiten mit der Messung von Emotionen im Rahmen einer übergreifenden Untersuchung, die im Endeffekt eine Einordnung der gewonnenen Ergebnisse als vorübergehenden Zustand bzw. eine feste Eigenschaft der Befragten unmöglich machen) (Lazarus 2003). Auf der anderen Seite werden in der jüngsten Forschung zum Fremdsprachenerwerb unterschiedliche Methoden angewandt, die vielfältige Forschungsfragen aufwerfen

Der Einfluss von Lehrkraftverhalten auf das Foreign Language Enjoyment

107

(MacIntyre 2016, S. 14). Auch Komorowska warnt vor einem allzu einfachen Umgang mit den Annahmen der Positiven Psychologie, indem sie feststellt, dass [foreign language teachers’ interest in positive psychology] reflects a considerable degree of wishful thinking about motivated and creative language learners with a high degree of self-efficacy, agency, high self-esteem and perseverance who are aware of their own learning styles, able to apply not only appropriate strategies, but also autonomous approaches to goals, methods and materials and, what is more, skilled in self-assessment and capable of building on feedback. (Komorowska 2016, S. 40)

Komorowska kontrastiert die oben beschriebene Denkweise mit der Alltagspraxis von Lehrkräften. Sie seien mit Problemen konfrontiert, die mit der Wunschvorstellung wenig gemeinsam haben, etwa externe Motivation, Negativismus oder Langweile (ebd., S. 51). Bei der Erforschung der den Fremdsprachenerwerb begleitenden Emotionen sollten sowohl das Forschungspotenzial der Positiven Psychologie als auch die Risiken im Auge behalten, die falsche bzw. sich aus falschen Ansätzen ergebende Aussagen mit sich bringen können. Ein bewusster und ausgewogener Umgang mit der Problematik der Emotionen kann wesentlich zum besseren Verstehen ihrer Rolle beim Fremdsprachenerwerb beitragen. Neben der Erforschung der Quellen der von den Lernenden kommenden Gefühle (engl. »learnerinternal sources of emotions«, Dewaele 2009, S. 624) scheint die Auswirkung des Fremdsprachenlehrendenverhaltens auf die Gestaltung dieser Emotionen eine vom pädagogischen Standpunkt aus besonders wichtige Frage zu sein. Die vorliegende Studie setzt sich zum Ziel, die Auswirkung von variablem Lehrkraftverhalten auf das schulische Wohlbefinden der Lernenden und den entgegengesetzten Zustand – das fehlende Wohlbefinden – zu untersuchen.

2.

Literaturübersicht

Die Frage nach Affekt und Emotionen ist seit den 70er-Jahren Gegenstand der Forschung zum Fremdsprachenerwerb. Wie eingangs erwähnt, konzentrierten sich die ersten Untersuchungen hauptsächlich auf negative Emotionen, und hier insbesondere auf Angst. Die Ergebnisse waren oft widersprüchlich, was in der Forschung auf ein falsches Verständnis des komplexen psychologischen Konstrukts, das als Angst bezeichnet wird (Scovel 1978), bzw. auf die unnötig hergestellten Bezüge zwischen allen Angsttypen und dem Fremdsprachenerwerb zurückgeführt wird (MacIntyre 2017, S. 12). Hinsichtlich des Fremdsprachenerwerbs schlägt Piechurska-Kuciel vor, die Definition von Lesse (1982) und Pekrun (1992) zu übernehmen, nach der Angst als sozio-psycho-biologische

108

Czesław Kin´ski

Erscheinung zu verstehen sei, die als Gefühl der Furcht und Gefährdung erfahren werde (Piechurska-Kuciel 2008, S. 28). Dieser Erfahrung liegt die Einschätzung einer Situation durch eine konkrete Person zugrunde, verbunden mit deren Fähigkeit, sich mit der Situation auseinanderzusetzten. Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass Angst als Eigenschaft, Zustand bzw. als situationsbedingte Erscheinung definiert werden kann. Nach MacIntyre und Gardner (1994) ist die Fremdsprachenverwendungsangst meist situationsbedingt und hängt von der Wahrnehmung einer konkreten Situation durch die Lernenden in einem konkreten Bildungskontext ab. Viele Situationen, die diesen Angsttypus hervorrufen können, entwickeln sich in einem Raum, der als Kommunikationskanal zwischen den Lehrenden und den Lernenden bezeichnet wird. Obwohl sich die meisten Studien zu Emotionen im Fremdsprachenerwerb auf negative Emotionen und insbesondere auf die Angst beziehen, gibt es wichtige Hinweise, die für eine tiefere Ergründung der positiven Emotionen und ihrer Rolle beim Fremdsprachenerwerb sprechen. Nach Dewaele und MacIntyre (2014) können genaue Analysen der Rolle von positiven Emotionen helfen, den Prozess des Fremdsprachenerwerbs besser zu verstehen. Die Umsetzung dieses Forschungsansatzes hängt mit der Entwicklung der Positiven Psychologie unter besonderer Berücksichtigung der Untersuchungen von Fredrickson (2001) zu positiver Emotionalität, der Theorie des Flow-Erlebens von Csíkszentmihályi (1990, 1997) sowie des PERMA-Modells von Seligman (2011) zusammen. Die Parallelen zwischen der Forschung zu Emotionen im Bereich des Fremdsprachenerwerbs und der Psychologie fallen auf: In beiden Bereichen wurde der Fokus ursprünglich auf die Erforschung des Negativen, der Störungen und Pathologien (vgl. dazu Seligman/Csíkszentmihályi 2000) gesetzt. Die Erweiterung der Forschungsperspektive im Bereich des Fremdsprachenerwerbs um Fragen nach der Rolle der positiven Emotionen im Fremdsprachenerwerbsprozess wird zu seinem besseren Verständnis führen. Wie Fredrickson anmerkt, können positive Emotionen das vorläufige Denkund Handlungsvermögen einer konkreten Person erweitern und ihre festen persönlichen Ressourcen, von den physischen und intellektuellen bis zu den sozialen und psychologischen, aufbauen (Fredrickson 2001, S. 219). MacIntyre und Gregersen (2012) geben an, dass Lernende im Unterricht durch positive Emotionen eine verbesserte Aufmerksamkeit entwickeln können. Positive Emotionen wirken sich positiv auf die Bewusstheit für das anzueignende Sprachmaterial aus, wodurch sie den Spracherwerb und den Aufbau einer allgemeinen Resilienz der Lernenden fördern. Sie wirken sich positiv auf die Durchführung von Experimenten und Sprachspielen aus, die neue Erfahrungen ermöglichen und effektives Lernen fördern. Die Unterscheidung zwischen positiven und negativen Emotionen in der psychologischen Fachliteratur führt in Bezug auf den Fremdsprachenerwerb

Der Einfluss von Lehrkraftverhalten auf das Foreign Language Enjoyment

109

zur interessanten Frage nach dem Verhältnis zwischen beiden Emotionstypen (Dewaele/MacIntyre 2014). Sie können einerseits als Januskopf (Dewaele/MacIntyre 2014, S. 238), andererseits aber als zwei komplett unterschiedliche Konzepte verstanden werden. Gemäß dem heutigen Forschungsstand sind Foreign Language Enjoyment und Fremdsprachenverwendungsangst keine entgegengesetzten Werte, d. h. bei mangelnden Angstgefühlen muss nicht zwingend das Auftreten von Foreign Language Enjoyment vorausgesetzt werden und umgekehrt. Da der Lehrkraft im Bildungsprozess eine zentrale Rolle zukommt, scheint die Problematik der variablen Verhaltensweisen von Lehrpersonen und ihrer möglichen Auswirkung auf die positiven und negativen, den Prozess des Fremdsprachenerwerbs begleitenden Emotionen der Lernenden ein Forschungsgegenstand von besonderer Bedeutung zu sein. Es ist Arnold und Fonseca zufolge Aufgabe der Lehrkraft, ein lernförderliches Umfeld zu schaffen, in dem die Lernenden von der Bedeutung des Fremdsprachenerwerbs überzeugt sind, sich bereit fühlen, den damit verbundenen Schwierigkeiten zu begegnen und den Nutzen verstehen, der sich daraus ergibt (Arnold/Fonseca 2007, S. 119). Ein solches Lernumfeld setzt voraus, dass den Lernenden die emotionale Sicherheit gewährt wird, mit der Fremdsprache zu experimentieren und, was damit einhergeht, auch Fehler zu machen, die als natürlicher Lernanlass, nicht als eindeutig ungewollte Erscheinung erkannt werden. Ein weiteres Element, das für den Aufbau einer entsprechenden Lernatmosphäre im Unterricht notwendig ist, sind die Lernmaterialien. Sie sollten für die Lernenden nicht nur attraktiv, sondern auch auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sein (vgl. dazu Arnold 1999). Da auch dieser Aspekt des Fremdsprachenunterrichts in den Kompetenzbereich der Lehrkraft fällt, liegt es an ihr, Lehrinhalte so zu gestalten, dass sie bei den Lernenden nicht Langweile oder Passivität hervorrufen. Mit der vorliegenden Studie soll ermittelt werden, inwieweit sich das Lehrkraftverhalten sowohl auf die positiven als auch auf die negativen den Fremdsprachenerwerbsprozess begleitenden Emotionen auswirkt. Da sich dieser Forschungsansatz einerseits in die Tradition der Erforschung der Fremdsprachenverwendungsangst einschreibt, andererseits aber die Beschäftigung mit dem relativ neuen Gegenstand des Foreign Language Enjoyments der Lernenden impliziert, eröffnet er die Möglichkeit, die Bildungssituation von Schüler:innen vollständiger zu erfassen sowie die möglichen pädagogischen Implikationen für die Berufspraxis von Fremdsprachenlehrenden genauer zu bestimmen.

110

3.

Czesław Kin´ski

Forschungsfragen

1. Welche Kategorie von Lehrkraftverhalten wirkt sich am stärksten auf das Foreign Language Enjoyment und die Fremdsprachenverwendungsangst von Schülerinnen und Schülern aus? 2. Inwieweit hängen die Auswirkung des Lehrkraftverhaltens auf das Foreign Language Enjoyment und die Fremdsprachenverwendungsangst der Lernenden von ihrem Geschlecht ab?

4.

Methodik

4.1

Studienteilnehmende und Demografie

An der Studie nahmen insgesamt 584 Schülerinnen und Schüler (378 Mädchen und 206 Jungen) polnischer Oberschulen teil. Die Befragten besuchen Lyzeen1 in drei Stadttypen: zwischen 10 000 und 100 000 (n = 181), 100 000 und 200 000 (n = 213) und mit mehr als 200 000 Einwohnern (n = 190). Befragt wurden Lernende im Alter zwischen 16 und 19 Jahren, davon 161 Sechzehnjährige, 218 Siebzehnjährige, 151 Achtzehnjährige und 54 Neunzehnjährige. Die Überrepräsentation der Mädchen im Verhältnis zu den Jungen (entsprechend 64 % zu 36 %) entspricht dem tatsächlichen Geschlechterverhältnis an polnischen Lyzeen. Laut dem Bericht Bildung und Erziehung im Schuljahr 2017/2018 (Os´wiata i wychowanie w roku szkolnym 2017/2018, S. 44) des polnischen Hauptamtes für Statistik liegt im untersuchten Schultyp der prozentuale Anteil der Schülerinnen bei 62,5 %, der der Schüler bei 37,5 %2. Die Befragten wurden gebeten, jeweils die Sprachstufe, der sie im Unterricht zugeteilt wurden, und das persönlich empfundene Sprachniveau anzugeben. Insgesamt gaben 51 % (n = 301) der Befragten an, dass ihr persönlich empfundenes Sprachniveau der Sprachstufe entspricht, der sie zugeteilt wurden. Weitere 21 % (n = 124) schätzten sich höher ein, 28 % (n = 165) hielten fest, dass ihr empfundenes Sprachniveau unterhalb des offiziellen Sprachniveaus ihrer Sprachgruppe liege. Die Befragten wurden außerdem um einen Vergleich ihres Sprachniveaus mit dem der anderen Lernenden in ihrer Sprachgruppe gebeten. Hier meinten 63 % (n = 369) der Befragten, sprachlich auf dem gleichen Niveau zu sein wie die anderen Gruppenmitglieder, während 23 % (n = 133) ihr Sprachniveau höher 1 Das polnische Lyzeum ist eine Form der Oberschule und entspricht in etwa dem deutschen Gymnasium. 2 In der Umfrage wurden die non-binären Personen nicht berücksichtigt.

Der Einfluss von Lehrkraftverhalten auf das Foreign Language Enjoyment

111

und 13 % (n = 75) ihr Sprachniveau niedriger einschätzten als das der meisten Personen in ihrer Gruppe.

4.2

Forschungsinstrumente

In der ersten Forschungsphase wurde eine diagnostische Befragung mit dem Ziel durchgeführt, Verhaltensweisen von Fremdsprachenlehrkräften zu dokumentieren, die laut den Schülerinnen und Schülern zur Wahrnehmung des Klassenraums als lernfreundlicher bzw. lernunfreundlicher Umgebung beitrugen. Auf die beiden folgenden Fragen antworteten 64 der Befragten aus verschiedenen Oberschulen: 1. Welche Verhaltensweisen von Fremdsprachenlehrern3 tragen dazu bei, dass du den Klassenraum als lernfreundliche Umgebung empfindest? Nenne 5 Beispiele. 2. Welche Verhaltensweisen von Fremdsprachenlehrern tragen dazu bei, dass du den Klassenraum als eine lernunfreundliche Umgebung empfindest? Nenne 5 Beispiele. Die Befragten nannten insgesamt 149 Verhaltensweisen von Lehrenden, die ihrer Meinung nach zu ihrem Wohlbefinden beitragen, und 140 Verhaltensweisen, die das Gegenteil bewirken. Diese Verhaltensweisen wurden von einer Gruppe aus acht Expert:innen kategorisiert, die selbst Fremdsprachenlehrkräfte mit Magistergrad oder Promotion waren und über mindestens zehn Jahre Berufserfahrung verfügten. Die über die externe Expertise gewonnenen Kategorien wurden ferner mit den Fertigkeitenvon Fremdsprachenlehrenden nach Komorowska (1999, 2009) und den Lehrkraftrollen nach Zawadzka (2004) abgeglichen. So konnten fünf Handlungsbereiche von Fremdsprachenlehrkräften unterschieden werden, die sich positiv bzw. negativ auf das Wohlbefinden von Lernenden auswirken können: Interaktionskompetenzen, Sprachkompetenzen, eingesetzte Motivations- und Bewertungsmethoden, eingesetzte Unterrichtsmethoden sowie Unterrichtsmaterialien. In jedem Bereich wurden die drei wichtigsten Verhaltenstypen ausgewählt, die als Grundlage für die Konstruktion des Hauptforschungsinstruments herangezogen wurden. In der zweiten Forschungsphase wurde ein Fragebogen eingesetzt, dessen erster Teil detaillierte demografische Angaben zu Geschlecht, Geburtsort, Schulort sowie dem objektiven bzw. subjektiven Sprachniveau und der relativen Position (relative 3 Im polnischen Original wurde die grammatisch maskuline Form »nauczyciele« (Lehrer) verwendet, die im polnischen Sprachgebrauch immer noch als eine geschlechtsneutrale Bezeichnung verstanden wird.

112

Czesław Kin´ski

standing nach Dewaele/MacIntyre 2014, S. 244) der Befragten ermittelte. Diese wurden gebeten, zwei Blocks von jeweils 15 Fragen zu bearbeiten, die sich auf die erwähnten fünf Handlungsbereiche von Lehrenden bezogen. Die Antworten wurden nach der 5er-Likertskala gestaltet. Fragen aus dem ersten Fragenblock waren der Auswirkung der Verhaltensweisen von Englischlehrkräften auf die Wahrnehmung des Klassenraumes durch die Lernenden als einer lernfreundlichen Umgebung gewidmet. Die ersten drei Fragen bezogen sich auf die Interaktionskompetenzen der Lehrkraft, ihren Sinn für Humor und Methoden der Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern. Die zweite Fragengruppe betraf die Sprachkompetenzen, die sich in der Kenntnis der sprachlichen Strukturen, der Lexik sowie der Kultur der englischsprachigen Länder manifestierte. Die dritte Gruppe bildeten Fragen nach den eingesetzten Methoden der Motivation und Leistungsbewertung. Weitere Fragen betrafen die angewandten Arbeitsmethoden. Die letzte Fragengruppe bezog sich auf die eingesetzten Unterrichtsmaterialien, Technologien und eigenen Erfahrungen. In Tabelle 14 erfolgt die Darstellung von Mittelwert Standardabweichung und Variationskoeffizienten der Antworten. Tabelle 1: Mittelwert, Standardabweichung und Variationskoeffizient der Antworten auf die Fragen nach der Auswirkung des Lehrkraftverhaltens auf das Foreign Language Enjoyment der Lernenden. Schüler Schüler Schüler Die Lehrerin / Der Lehrer Mittelwert SD CV … 1. … greift unsere Ideen in Bezug auf die Unterrichtsgestaltung auf. 2. … hat Sinn für Humor. 3. … informiert klar und eindeutig über die Prinzipien der Zusammenarbeit im Unterricht. 4. … kann Grammatikfragen beantworten. 5. … kennt die Wörter, nach denen ich im Unterricht frage. 6. … berichtet über die Kultur der englischsprachigen Länder.

Schüle- Schüle- Schülerinnen rinnen rinnen Mittelwert SD CV

3.49

1.11

32 %

3.33

1.14

34 %

4.26

1.00

24 %

4.07

1.05

26 %

4.20

0.93

22 %

3.96

1.03

26 %

4.51

0.79

17 %

4.19

1.08

26 %

4.53

0.79

17 %

4.39

0.80

18 %

3.69

1.15

31 %

3.44

1.30

38 %

4 Die Tabellen wurden gemäß dem APA-System erstellt.

113

Der Einfluss von Lehrkraftverhalten auf das Foreign Language Enjoyment

(Fortsetzung) Schüler Schüler Schüler Die Lehrerin / Der Lehrer Mittelwert SD CV … 7. … informiert die Schülerinnen und Schüler über die Kriterien der Benotung. 8. … berücksichtigt bei der Benotung auch meine Bemühungen. 9. … sieht und lobt meinen Fortschritt. 10. … setzt Gruppenarbeit und Arbeit in Paaren im Unterricht ein. 11. … spricht im Unterricht nur Englisch. 12. … informiert die Schülerinnen und Schüler darüber, was im Unterricht passieren wird. 13. … setzt moderne Technologien ein (IWB, Internet). 14. … verwendet neben dem Lehrwerk auch zusätzliche Lernmaterialien. 15. … greift auf eigene Erfahrungen zurück, um uns die Fremdsprache beizubringen.

Schüle- Schüle- Schülerinnen rinnen rinnen CV SD Mittelwert

4.28

0.91

21 %

4.04

0.97

24 %

3.74

1.17

31 %

3.51

1.19

34 %

3.70

1.18

32 %

3.33

1.19

36 %

4.17

1.05

25 %

4.22

0.93

22 %

2.95

1.25

42 %

2.97

1.23

41 %

3.72

1.14

31 %

3.37

1.13

34 %

4.11

1.01

25 %

3.84

1.26

33 %

4.06

1.05

26 %

3.78

1.27

34 %

3.90

1.21

31 %

3.69

1.40

38 %

Der zweite Fragenblock betraf die Auswirkung von Lehrkraftverhalten auf die Wahrnehmung des Klassenraumes durch die Lernenden als einer lernunfreundlichen Umgebung. Auch in diesem Fragenblock wurden die Fragen in fünf Gruppen mit jeweils drei Fragen eingeteilt. Die erste Gruppe enthielt Fragen zum Nichteinhalten von früher vereinbarten Prinzipien der Zusammenarbeit seitens der Lehrkraft, zu Eingriffen in die Privatsphäre der Schülerinnen und Schüler sowie zu Scherzen zulasten einzelner Lernender. Die Fragen aus der zweiten Gruppe bezogen sich auf mangelnde Lehrkompetenz und Sachfehler. Die Fragen aus der dritten Gruppe betrafen die Unzulänglichkeiten der Lehrkraft hinsichtlich der Motivierung der Schüler:innen sowie der angewandten Bewertungsmethoden. Im Rahmen der vierten Gruppe wurden Fragen nach den Arbeitsme-

114

Czesław Kin´ski

thoden im Unterricht, der allzu häufigen Verwendung des Polnischen im Englischunterricht und dem zu großen Umfang von Hausaufgaben gestellt. Die Fragen aus der letzten Gruppe bezogen sich auf die verwendeten Lernmaterialien und die im Fremdsprachenunterricht besprochenen Themen. Tabelle 2 bildet Mittelwert Standardabweichung und Variationskoeffizienten der Antworten ab. Tabelle 2: Mittelwert, Standardabweichung und Variationskoeffizient der Antworten auf die Fragen nach der Auswirkung des Lehrkraftverhaltens auf die Fremdsprachenverwendungsangst der Lernenden Schüler Schüler Schüler Die Lehrerin / Der Lehrer Mittelwert SD CV … 1. … macht Witze über konkrete Schülerinnen oder Schüler. 2. … fragt mich nach meinem Privatleben. 3. … hält sich nicht an die früher vereinbarten Prinzipien der Zusammenarbeit. 4. … macht sprachlich Fehler. 5. … kann meine Fragen nicht beantworten. 6. … unterrichtet die Kultur der englischsprachigen Länder nicht. 7. … hat keine Zeit, mit mir über meine Arbeit und meine Fehler zu sprechen. 8. … gibt Noten für Inhalte, die nicht im Unterricht behandelt wurden. 9. … unterstreicht mangelndes Wissen von Schülerinnen und Schülern. 10. … gibt viel auf. 11. … spricht im Unterricht viel Polnisch.

Schüler- Schüle- Schüleinnen rinnen rinnen SD CV Mittelwert

2.42

1.33

55 %

2.89

1.47

51 %

2.40

1.25

52 %

2.57

1.22

48 %

3.27

1.39

43 %

3.53

1.41

40 %

2.91

1.41

48 %

3.34

1.45

43 %

3.00

1.45

48 %

3.41

1.38

40 %

2.76

1.31

47 %

3.2

1.27

40 %

3.05

1.36

45 %

3.46

1.25

36 %

3.31

1.51

45 %

3.69

1.43

39 %

2.95

1.37

46 %

3.51

1.48

42 %

3.13

1.33

43 %

3.09

1.28

42 %

2.66

1.29

48 %

3.21

1.37

43 %

115

Der Einfluss von Lehrkraftverhalten auf das Foreign Language Enjoyment

(Fortsetzung) Schüler Schüler Schüler Die Lehrerin / Der Lehrer Mittelwert SD CV … 12. … passt den Unterrichtsplan nicht an die aktuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler an. 13. … nutzt im Unterricht ausschließlich das Lehrwerk. 14. … erzählt von Dingen, die mich nicht interessieren. 15. … nutzt Lernmaterial, das für uns zu schwierig ist.

Schüler- Schüle- Schülerinnen rinnen innen CV SD Mittelwert

3.02

1.27

42 %

3.52

1.31

37 %

2.85

1.37

48 %

3.22

1.30

40 %

2.57

1.15

45 %

2.92

1.15

40 %

2.42

1.28

53 %

2.75

1.27

46 %

Der Fragebogen war anonym, es wurden keine persönlichen Daten zu den Befragten und den sie unterrichtenden Lehrpersonen erhoben. Vor der Durchführung der Befragung wurde die Genehmigung der Schulleitung, der Lehrkräfte und der Befragten selbst eingeholt.

5.

Ergebnisse Auswirkung des Lehrkra!verhaltens auf das subjek"v empfundene Wohlbefinden der Lernenden 4,5 4,0 3,5

4,4

4,0

3,8

4,0

3,9

4,0 3,6

3,6

3,5

3,8

3,0 2,5 2,0

Schüler Schülerinnen

Diagramm 1. Auswirkung des Lehrkraftverhaltens auf das subjektiv empfundene Wohlbefinden der Lernenden

116

Czesław Kin´ski

Diagramm 1 zeigt, dass die Auswirkung des variablen Lehrkraftverhaltens auf das Foreign Language Enjoyment der Lernenden geschlechtsspezifisch ist. Am stärksten wirken sich die Sprachkompetenz der Lehrkraft, ferner ihre Interaktionskompetenzen und die Auswahl der Lernmaterialien aus. Dennoch gestaltet sich diese Auswirkung im Falle der Schülerinnen auf einem geringen Niveau. Anhand der gewonnenen Ergebnisse wurden die Standardabweichung (SD) und der Variationskoeffizient (CV) berechnet. Um den Zusammenhang zwischen dem Lehrkraftverhalten und dem Geschlecht der Lernenden zu bestimmen, wurden die Daten dem Chi-Quadrat-Test unterzogen. Wie Tabelle 1 zeigt, gestaltet sich der Variationskoeffizient in den Antworten auf die Fragen nach der Auswirkung der Interaktionskompetenzen auf das klassenbezogene Wohlbefinden der Lernenden (1–3) auf mittlerem (CV > 20 %) bzw. hohem (CV > 30 %) Niveau. Hinsichtlich dieser lehrkraftbezogenen Variablengruppe erscheint der Zusammenhang mit dem Geschlecht statistisch nicht signifikant (p-Wert = 0.06). In der zweiten, der Sprachkompetenz der Lehrperson gewidmeten Variablengruppe (4–6), wurde ein niedriger (CV < 20 %) bzw. mittelgroßer (CV > 20 %) Variationskoeffizient der Antworten verzeichnet. In dieser Variablengruppe konnte ein statistisch signifikanter Zusammenhang mit dem Geschlecht (p-Wert = 0.0007) beobachtet werden. In den Antworten auf die Fragen nach den angewandten Methoden zur Motivation und Bewertung der Schüler:innen (7–9) wurden ein mittelgroßer (CV > 20 %) bzw. hoher (CV > 30 %) Variationskoeffizient sowie ein statistisch sehr signifikanter Einfluss des Geschlechts (p-Wert = 0.01) berechnet. Die Antworten auf die Fragen nach von der Lehrkraft angewandten Arbeitsmethoden (10–12) ergaben einen mittleren (CV > 20 %), hohen (CV > 30 %) und sehr hohen (CV > 40 %) Variationskoeffizienten sowie einen statistisch nicht signifikanten Zusammenhang mit dem Geschlecht (p-Wert = 0.1). In der letzten Fragengruppe, die sich auf die eingesetzten Unterrichtsmaterialien bezog (13–15), konnten ein mittelgroßer (CV > 20 %) bzw. hoher (CV > 30 %) Variationskoeffizient der Antworten sowie ein statistisch signifikanter Einfluss des Geschlechts auf das unterrichtsbezogene Wohlbefinden der Lernenden (p-Wert = 0.03) verzeichnet werden. Vergleicht man die Tabellen 1 und 2, so fällt auf, dass sich die Auswirkung des Verhaltens von Lehrkräften auf das unterrichtsbezogene Wohlbefinden und die unterrichtsbezogene Fremdsprachenverwendungsangst recht unterschiedlich gestaltet. Im zweiten Fall konnte die stärkste Auswirkung bei der Anwendung von motivations- und bewertungsmethodenbezogenen Verhaltensweisen sowie eine etwas schwächere Auswirkung bei der Sprachkompetenz der Unterrichtenden und bei den arbeitsmethodenbezogenen Variablen beobachtet werden. Die Ergebnisse lassen die Aussage zu, dass sich Lehrkraftverhalten stärker auf das Wohlbefinden der Lernenden als auf ihre Fremdsprachenverwendungsangst auswirkt. Die in Tabelle 2 gesammelten Daten weisen darauf hin, dass die Aus-

117

Der Einfluss von Lehrkraftverhalten auf das Foreign Language Enjoyment

Auswirkung des Lehrkra!verhaltens auf die Fremdsprachenverwendungsangst der Lernenden 4,5 4,0 3,3

3,5 3,0

3,0 2,7

2,9

3,6 3,1

3,3

3,0

2,9 2,6

2,5

Schüler

2,0

Schülerinnen

Diagramm 2. Auswirkung des Lehrkraftverhaltens auf die Fremdsprachenverwendungsangst der Lernenden

wirkung der variablen Verhaltensweisen auf die Sprachverwendungsangst bei Schülerinnen stärker als bei Schülern ist. Ähnlich wie im Falle der Auswirkung von Lehrkraftverhalten auf das Wohlbefinden von Lernenden, konnten auch hier anhand der Daten die Standardabweichung (SD) sowie der Variationskoeffizient (CV) berechnet und dem Chi-Quadrat-Test unterzogen werden, um den Zusammenhang zwischen dem Lehrkraftverhalten und dem Geschlecht der Lernenden zu bestimmen. Wie aus Tabelle 2 abzulesen ist, ist der Variationskoeffizient der Antworten auf die Fragen nach der Auswirkung der Interaktionskompetenzen von Lehrpersonen auf die Fremdsprachenverwendungsangst (1–3) sehr hoch (CV > 40 %) bzw. extrem hoch (CV > 50 %). In dieser Gruppe konnte ein statistisch sehr signifikanter Zusammenhang mit dem Geschlecht der Lernenden festgestellt werden (p-Wert = 0.0001). Bei den Antworten auf die Fragen nach der Sprachkompetenz (4–6) wurden ein hoher Variationskoeffizient (CV > 40 %) sowie ein statistisch hoch signifikanter Zusammenhang mit dem Geschlecht der Befragten (p-Wert = 0.0001) verzeichnet. In der Variablengruppe zum Motivationsstil und den Bewertungsmethoden der Lehrkräfte (7–9) wurde ein hoher (CV > 30 %) bzw. ein sehr hoher (CV > 40 %) Variationskoeffizient der Antworten berechnet. In diesem Fall konnte auch ein statistisch hoch signifikanter Einfluss des Geschlechts beobachtet werden (p-Wert = 0.00001). Die vierte Fragengruppe (nach den angewandten Arbeitsmethoden) ergab einen hohen (CV > 30 %) bzw. sehr hohen (CV > 40 %) Variationskoeffizienten der Antworten sowie einen statistisch hoch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und der

118

Czesław Kin´ski

Fremdsprachenverwendungsangst der Lernenden (p-Wert = 0.003). In der letzten Kategorie der Verhaltensweisen (bezogen auf die Wahl der Unterrichtsmaterialien) wurden ein sehr hoher (CV > 40 %) bzw. extrem hoher (CV > 50 %) Variationskoeffizient der Antworten und ein statistisch hoch signifikanter Einfluss des Geschlechts (p-Wert = 0.00005) festgestellt. Vergleicht man die Auswirkung des Verhaltens von Lehrkräften auf das unterrichtsbezogene Foreign Language Enjoyment und die Fremdsprachenverwendungsangst der Lernenden, so ist an den Variationskoeffizientenwerten CV abzulesen, dass im zweiten Fall die Antworten eine größere Differenz aufweisen. Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass andere von den Befragten erfahrene negative Emotionen die Wirkung eines negativen Lehrkraftverhaltens verstärken. Geringere p-Werte, die mit einem negativen Lehrkraftverhalten verbunden sind, können zudem auf einen stärkeren Einfluss des Geschlechts auf die Fremdsprachenverwendungsangst deuten, als dies bei positivem Lehrkraftverhalten und Wohlbefinden der Lernenden der Fall ist.

6.

Diskussion der Forschungsergebnisse

Angesichts der gewonnenen Forschungsergebnisse stellt sich die Frage, ob sich Lehrkräfte hauptsächlich auf die Stärkung des positiven, sich auf das Foreign Language Enjoyment ihrer Lernenden auswirkenden Verhaltens konzentrieren oder aber mehr die Vermeidung von Verhaltensweisen fokussieren sollten, die Angstgefühle hervorrufen können. Die Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass die Auswirkung des Lehrkraftverhaltens auf das Wohlbefinden von Schüler: innen fast ausnahmslos stärker ist als die Auswirkung des negativen Verhaltens aus derselben Kategorie auf die Fremdsprachenverwendungsangst. Es sollte auch angemerkt werden, dass der Unterschied zwischen dem Niveau des Wohlbefindens und der Angst bei den männlichen Befragten größer ist. Es gibt viele mögliche Faktoren, die bei Lernenden Angst hervorrufen können, wie z. B. die Beziehungen zu anderen Gruppenmitgliedern, die Einstellung zum Schulfach oder das individuelle Kompetenzniveau (vgl. dazu Dewaele/Witney/Saito/Dewaele 2017, S. 15). Keine der Variablen scheint jedoch zwingend mit dem Handeln von Lehrkräften verbunden zu sein. Würde das erhöhte Angstniveau von Lernenden einen starken Zusammenhang mit der Person und dem Verhalten von Lehrpersonen aufweisen, sollten diese Maßnahmen zur Senkung des Angstniveaus ihrer Lernenden ergreifen. Da sie jedoch nicht als Hauptursache von Fremdsprachenverwendungsangst ausgewiesen werden, sollten sie dieser Erscheinung nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken. Eine der möglichen pädagogischen Implikationen der vorliegenden Studie könnte darin bestehen, Fremdsprachenlehrkräfte dazu zu ermutigen, das Niveau

Der Einfluss von Lehrkraftverhalten auf das Foreign Language Enjoyment

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des Foreign Language Enjoyment durch die Anwendung von entsprechenden Modellen der Interaktion mit den Lernenden, die Entwicklung der eigenen Sprachkompetenz, die Anwendung von erfolgreichen Bewertungsstrategien und Arbeitsmethoden sowie die Wahl passender Unterrichtsmaterialien zu erhöhen. Die Arbeit an Defiziten in den fünf oben genannten Handlungsbereichen von Lehrkräften könnte zwar zu einer Veränderung zum Positiven führen, die jedoch nicht unbedingt ein höheres Niveau des Foreign Language Enjoyments gewährleisten, auch wenn sie das Angstniveau potenziell senkten. Überdies könnte die Einnahme eines solchen Standpunkts ein unnötiges Wachrütteln der in den 1960er-Jahren populären pädagogischen Ideen bedeuten, die sich hauptsächlich auf Fehler von Lernenden sowie ihre negativen Emotionen konzentriert hatten. Zu betonen ist, dass den Befragten zufolge, und zwar unabhängig vom Geschlecht, die Sprachkompetenz der Lehrkraft als wichtigster Faktor zur Wahrnehmung des Klassenraums als lernfreundliche Umgebung gilt. Diese Erkenntnis könnte als Hinweis darauf gedeutet werden, dass bei der Planung von Fortbildungskursen der Erweiterung der Sprachkenntnisse von Lehrenden und der Entwicklung ihrer Sprachkompetenz noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Wie es scheint, ist das heute selten der Fall; die meisten Fortbildungen und Schulungen für postgraduierte Lehrkräfte konzentrieren sich eher auf Arbeitsmethoden und Unterrichtsmaterialien, die sie in ihrer Arbeit einsetzen können. Angesichts der großen Bedeutung, die Schülerinnen und Schüler der Sprachkompetenz der Lehrkraft zuschreiben, sollten diese zur ständigen Entwicklung ihrer Sprachkenntnisse angehalten werden. Es ist dabei auf ihre persönliche Verantwortung diesbezüglich zu verweisen. Nach der bereits erwähnten Studie von Dewaele et al. (2017) sollten sich Lehrende eher auf die Faktoren konzentrieren, die das Foreign Language Enjoyment bei Schüler:innen steigern können, statt sich allzu sehr auf die Angstreduktion zu fixieren. Nach Dewaele et al. (2017) besteht die Einschränkung ihrer Studie in der relativ homogenen Untersuchungsgruppe. Daher empfehlen sie die Fortsetzung der Forschung in diesem Bereich, jedoch mit differenzierter aufgebauten Untersuchungsgruppen, um definitive Aussagen vornehmen zu können. Hier knüpft die vorliegende Studie an: Sie wurde unter Lernenden aller Sprachstufen, aus verschiedenen Orten und mit unterschiedlich entwickelten Sprachkompetenzen durchgeführt. Die Resultate bestätigen die Ergebnisse von Dewaele et al. (2017). Wie jede Untersuchung, so unterliegt auch diese Studie gewissen Einschränkungen. Als solche zu berücksichtigen sind das Alter der Befragten (Schülerinnen und Schüler aus Oberschulen), die ethnisch homogene Untersuchungsgruppe (Lernende aus Polen) oder auch die Fremdsprache (Englisch). Diese Einschränkungen gebieten einerseits eine gewisse Vorsicht bei der Formulierung von Aussagen, auf der anderen Seite weisen sie jedoch auf mögliche Forschungsbereiche hin, etwa in Bezug auf die Untersuchung von Foreign Language

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Czesław Kin´ski

Enjoyment und Fremdsprachenverwendungsangst bei Lernenden anderer Altersgruppen, auf vergleichende Untersuchungen von Schüler:innen verschiedener Nationalitäten oder auch den Einbezug von Lernenden anderer Fremdsprachen. Fortgesetzt werden sollte auch die Forschung zur Rolle von Affekt und Emotionen beim Fremdsprachenerwerb, da dadurch die diesen Prozess begleitenden Emotionen besser verstanden werden können.

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Anna Kizeweter

Fremdsprachenlehrende und Mediation – Zum Einfluss der Mediationsrolle auf die Entwicklung der Sprachkompetenzen von Lernenden

Abstract In diesem Artikel wird die sich wandelnde Rolle von Fremdsprachenlehrkräften für die Gestaltung der zwischenmenschlichen Kommunikation diskutiert. Analysiert wird ihre Funktion als Mediator:in in diesem Prozess aus der Perspektive verhaltenswissenschaftlicher, kognitiver und konstruktivistischer Konzepte, wobei die pädagogischen, didaktischen und kulturellen Kompetenzen fokussiert werden. Es besteht eine Notwendigkeit, die Aktivitäten von Lehrpersonen zur Förderung des europäischen Dialogs auszuweiten, indem diese für die Bedürfnisse der Entwicklung der zwischenmenschlichen Kompetenzen der Lernenden sensibilisieren und gleichzeitig Gruppenprozesse unterstützen. Es soll ein Kommunikationsmodell geschaffen werden, in dem die Lehrkraft als Vermittler:in Aktivitäten unterstützt, die auf europäischen Werten basieren, indem sie die gewaltfreie Kommunikation einsetzt. Diese nutzt die Erfahrung der Lernenden dazu, sie zu einer selbstständigen Mediation zu motivieren, um die Umwelt positiv zu beeinflussen. Keywords: Mediation, Mediation in der Fremdsprachendidaktik, Sprachmediation, pädagogische Mediation, Kulturmediator, Lehrkraft als Mediator / Mediatorin, gewaltfreie Kommunikation In this article we discuss the changing role of the foreign language teacher in shaping interpersonal communication. We analyse his mediating functions in this process from the perspective of behavioural, cognitive and constructivist concepts, focusing on his pedagogical, didactic and cultural competences. We see the need to expand its activities to promote European dialogue by raising awareness of the needs of developing learners’ interpersonal skills while supporting group processes. We try to create a communication model in which the teacher-mediator supports activities based on European values by using non-violent communication that uses the learners’ experience to motivate them to mediate independently in order to influence the world for the better. Keywords: mediation, mediation in foreign language didactics, language mediation, pedagogical mediation, cultural mediator, teacher as mediator, non-violent communication, European dialogue

Anna Kizeweter, Universität Warschau, [email protected], ORCID: 0000-0001-7459-5543.

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Anna Kizeweter

Sprache ist ein semiotisches Werkzeug, d. h. ein Mittel eines Individuums, seine Ziele im gesellschaftlichen Leben zu erreichen. Ihre semantische Struktur ermöglicht es, die Erfahrungen von Angehörigen einer Kultur, ihre Interpretation und soziale Interaktion zu kodieren (Wygotski 1971, Halliday 1978). Sprache ist eine Kommunikationsaktivität, die auf bestimmten Formen und Strukturen der Sprache basiert, jedoch mit einem Filter subjektiver Bedeutungsmetaphern, die sich aus der kontextuellen, individuellen und emotionalen Wahrnehmung der Interaktion ergeben (Lantolf 2000). Kommunikation (verbal und nonverbal), die ein fester Bestandteil der menschlichen Interaktion ist, gehört somit zu den menschlichen Grundbedürfnissen, sie ist nicht nur auf der Skala einer individuellen und sich entwickelnden Kultur von zentraler Bedeutung, sondern auch eine Voraussetzung für das Funktionieren aller sozialen Strukturen (Szpunar 2019). In soziologischer Hinsicht wird sie als Übertragung, Verstehen, Wirkung, Interaktion, Austausch und Element sozialer Prozesse angesehen (Goban-Klas 2004, S. 42). Verbale Kommunikation ermöglicht es, eine soziale Wirkung zu erzielen – Informationen zu übermitteln, zu versuchen zu verstehen und verstanden zu werden, sich gegenseitig zu beeinflussen, Ansichten, Gedanken und Bedeutungen auszutauschen, soziale Normen zu artikulieren und an der Kontrolle und Definition sozialer Rollen teilzunehmen. Die Herausforderung des heutigen europäischen Sprachunterrichts besteht jedoch darin, ein Kommunikationsmodell zu schaffen, das die Bemühungen des Europarates unterstützt, die Kommunikation zwischen den Menschen in Europa mit ihren unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Hintergründen zu verbessern (Coste/North 2003, S. 9). Eine Gestaltung des Kommunikationsprozesses auf der Grundlage von Intentionalität, Zielstrebigkeit, Ausrichtung auf die andere Person, Kontextgemeinschaft und Effektivität würde die Qualität der direkten Kontakte zwischen den Menschen erhöhen. Eine so geförderte Entwicklung von Sprach- und Kommunikationskompetenzen, die allgemein als sogenannte gute Fremdsprachenkenntnisse gelten, trägt zur Schaffung neuer Formen der Zusammenarbeit auf der Grundlage des Austauschs eigener Ansichten und Ideen bei, motiviert zu grenzüberschreitenden Aktivitäten und stärkt das Gefühl der Verantwortung für die Partnerschaft. Damit wird eine Fremdsprachenlehrkraft zu einer Person, die sich – unter anderem auf der Grundlage von bildungspolitischen Zielen sowie Lehrplänen und unter bestimmten organisatorischen Bedingungen – der gesellschaftlichen Nachfrage nach Kenntnissen einer bestimmten Fremdsprache, des sozialen und gruppenbezogenen Kontexts sowie familiärer und umweltbezogener Faktoren bewusst (Woz´niewicz 1987, S. 60; Ge˛bal 2019, S. 64) und für die Gestaltung, die Qualität und das Ergebnis von Kommunikationsaktivitäten mitverantwortlich ist.

Fremdsprachenlehrende und Mediation

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Die Möglichkeit, Kommunikationsaktivitäten in einer Fremdsprache nachzugehen, wird für die Mitglieder jeder sozialen Gruppe zu einer zusätzlichen Neuerung, die die Innovation beeinflusst und die Perspektiven erweitert. Der Dialog und das Eintauchen in eine andere Kultur werden zum Ausgangspunkt für Reflexionen über die umgebende Realität, für Vergleiche sowie Inspirationen und führt mit der Zeit zu sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen. Aus formaler Sicht nimmt die Lehrkraft, die über einen Kommunikationskanal mit den Lernenden verbunden ist (Grucza 1978), an der ersten Phase dieser Transformation teil, indem sie die Lernenden in die Welt der anfangs fremden Symbole und Bedeutungen einführt und dabei geeignete Methoden und Werkzeuge zum Erlernen einer Fremdsprache anwendet. So wird sie zu einer Art Mediator:in; die diesbezügliche Arbeit wird in den Leistungen der Lernenden sichtbar, die Mikro- und Makroveränderungen in der umgebenden Welt beeinflussen und die Lehrperson nicht nur zum Zeugen politischer Veränderungen, zu einer Art Brücke zwischen Ost und West oder Nord und Süd, sondern vor allem zum Einflussfaktor für kulturelle Transformationen machen, die sich wiederum auf das bürgerliche Bewusstsein auswirken.

Mediation Die Geschichte der Mediation reicht bis in die Antike zurück. Die etymologischen Quellen des Wortes Mediation liegen in der griechischen Sprache (medos = Vermittlung, neutral, keiner der beiden Seiten zugehörig) und im Lateinischen (mediatio = Vermittlung) (Bobrowicz 2004, S. 13–14). Yves Lenoir, definiert sie als nomadisch in dem Sinne, dass sie aus verschiedenen Denkschulen stammt (Lenoir 1996, S.227). Zu finden sind hier Elemente aus der Philosophie, der kognitiven Psychologie oder der Hirnforschung. Die Mediation ist in ihrer ursprünglichen Tätigkeit eine der verbreitetsten grundlegenden Methoden der Streitbeilegung, sie beruht auf Kommunikation und bietet die Möglichkeit einer außergerichtlichen Beilegung des Konflikts, d. h. eine Versöhnung, die als alternative Streitbeilegung bezeichnet wird (Kalisz/Zienkiewicz 2009, S. 30). Die Streitbeilegung erfolgt unter Anwendung verschiedener Methoden und Techniken, die mit Hilfe einer neutralen und unparteiischen Person vorgeschlagen bzw. eingeleitet werden (Pieckowski 2009) Das übergeordnete Ziel der Mediation besteht darin, den konfrontativen Ansatz im Streitfall aufzugeben und sich auf die konstruktive Suche nach einer Lösung des Problems zu konzentrieren. Das Ziel erreicht wird dank einem geringen Grad an Formalisierung, der direkten Beteiligung und Kooperation der Parteien am Prozess der einvernehmlichen Konfliktlösung und dem Vorrang der wirklichen Interessen (Morek 2014, S. 24).

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Fremdsprachenlehrkräfte und Mediation Fremdsprachenlehrkräften schreibt das European Profile for Language Teacher Education – A Frame of Reference 40 Kompetenzen zu; sie scheinen befähigt zu sein, im Lernprozess für Mediation Sorge zu tragen. Ihre Fachkompetenzen können bei der Optimierung des didaktischen Prozesses nützlich sein: Sie leiten sich aus dem Wissen und Verständnis grundlegender Fragen im Bereich des allgemeinen Sprachwissens, der Sprachkenntnisse, der Beratungs- und Organisationsfähigkeit her und sind erkennbar in lerntheoretischen Kenntnissen, Kenntnissen über assistierende Technologien (Computer, Internet), lehrtheoretischen Kenntnissen, didaktischem Programmieren, der Fähigkeit zur Anwendung methodischen Wissens, der Evaluation, die sich aus den Fähigkeiten der Beurteilung und Bewertung ergibt, sowie pädagogisch-psychologischen Kenntnissen – d. h. Kenntnissen der Strategie und Kenntnissen der interkulturellen Beziehungen bzw. Kooperationsfähigkeit. Und Mediation, die – ohne eine Ideallösung aufzuzwingen – in die Richtung geht, den eigenen individuellen Lernstil zu entwickeln, sich mit Organisations- und Managementmethoden und Zeit vertraut zu machen sowie die Rolle von Metakognition und Selbstregulierung beim Lernen zu umreißen, kann zu einer Veränderung der Beziehung zwischen Lehrkraft und Lernenden beitragen, indem sie gemeinsame Interessen findet, die Standpunkte der anderen versteht und sich auf das Problem und seine Lösung konzentriert, statt auf die Konfliktparteien die im Konflikt stehen. Eine in der Mediation engagierte Lehrkraft kann den Lernenden auf der Grundlage ihrer Kenntnisse über ihre Persönlichkeit und Situation helfen, Stereotypen und Einschränkungen zu überwinden, wie z. B. die Einstellung zum Lernen auf der Mikroebene oder die Kultur der unterrichteten Sprache und ihrer Sprecher:innen auf der Makroebene. Sie sollte dazu beitragen, indem sie nach nicht standardmäßigen, kreativen Methoden sucht, um Kompromisse bei Handlungen und Sprachansätzen zu schließen. Die Lehrperson hilft den Mediationsbeteiligten, die Art der Konfliktwahrnehmung zu verändern – von positionellem Handeln, das auf Positionen und Forderungen basiert, zu Handlungen, die auf realen Bedürfnissen und Interessen basieren (Cybulko/SiedleckaAndrychowicz 2009). In der pädagogischen Dimension handelt es sich nicht um eine einzelne Mediationsaktivität, sondern um ein ganzes Vermittlungssystem, das bestimmte präoperative Modelle, Lehrmittel semiotische Darstellungen, soziale Formen der Arbeit im Klassenzimmer nutzt (Weil-Barais/Resta-Schweitzer 2008, S. 89; Zaja˛c, S. 172). Entsprechende pädagogische Inklinationen sind dann sichtbar in verschiedenen Lehraktivitäten, etwa wenn Zugang zu Wissen erleichtert, zum Nach-

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denken anregt oder Zusammenarbeit mit anderen mitgestaltet wird (Janowska 2017, S. 84). Die Analyse der verfügbaren Quellen1, die den Entstehungsprozess des Lehrsystems für Fremdsprachen in Polen, die organisatorischen und didaktischen Konzepte, die Hauptrichtungen der Bildungspolitik und die Ziele des Fremdsprachenunterrichts beschreibt – führt zur Feststellung, dass dem Beruf der Fremdsprachenlehrkraft von Anfang an Elemente der Mediation eingeschrieben sind. Mit der wissenschaftlichen Entwicklung und der sozialen und politischen Situation hat sich diese Funktion weiterentwickelt und damit ihren Einfluss auf den didaktischen Prozess verstärkt. Das Aufkommen neuer Ansätze in der Lehrkultur beseitigte die bereits bestehenden Konzepte nicht. Es wies ihnen jedoch eine andere Bedeutung zu, indem es sie an neue Bildungsziele und die sich daraus ergebenden veränderten Unterrichtstechniken anpasste. Die neuen Ansätze standen im Mittelpunkt der zeitgenössischen Didaktik (Ge˛bal 2019, S. 197).

Lehrkräfte und Mediation im faktografischen (behavioralen und kognitiven) Ansatz Im Polnischunterricht gab es bis in die 1970er-Jahre eine enge gefasste Art der Mediation. Sie erhob das sprachwissenschaftliche Weltbild in den Rang der Sprachkompetenz und verstand Lernende, die die grammatikalischen Regeln und das Sprachsystem beherrschten, als zur Interaktion mit Ersrsprachler:innen befähigte Personen. Die im Klassenzimmer eingesetzte Grammatikübersetzungsmethode, die direkte, audiovisuelle und kognitive Methode positionierten die Lehrperson sukzessive in Funktionen, die mit der Unterrichtsgestaltung, der Durchführung von Sprachlernaktivitäten und der Kontrolle und Bewertung von Fortschritten zusammenhingen (was auch bis Ende des 19. Jahrhunderts im schulischen Raum körperliche Bestrafung nicht ausschloss) (Cies´la 1974). Lange Zeit wurde Ler1 U. a. von Michał Cies´la (1974, Dzieje nauki je˛zyków w zarysie. Monografia z zakresu historii kultury [Geschichte des Sprachenlernens im Überblick. Eine Monografie zur Kulturgeschichte], Krystyna Iwan (1972, Nauczanie je˛zyków obcych nowoz˙ytnych w Polsce w latach 1919–1939. Koncepcje organizacyjno- programowe [Das Unterrichten moderner Fremdsprachen in Polen zwischen 1919–1939. Organisations- und Programmkonzepte] und 1975, Polska mys´l glottodydaktyczna okresu mie˛dzywojennego, [Polnisches glottodidaktisches Konzept der Zwischenkriegszeit]), Maria Gierlak (2003, Deutschunterricht und Politik. Das Deutschlandbild in den Lehrbüchern für Deutsch als Fremdsprache in Polen (1933–1945) vor dem Hintergrund der deutsch-polnischen Beziehungen) und Hanna Komorowska (2017, Kształcenie je˛zykowe w Polsce. 60 lat czasopisma Je˛zyki Obce w Szkole [Fremdsprachenausbildung in Polen. 60 Jahre der Zeitschrift- Fremdsprachen an der Schule]).

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nenden der passive Empfang von vorgefertigten Textsequenzen zugewiesen, deren Verständnis und Gedächtniskontrolle den Kommunikationserfolg garantieren sollte. In den Unterrichtsstunden ging es darum, Texte zu übersetzen, Grammatikregeln auswendig zu lernen sowie die richtige Aussprache und Intonation zu üben (Cies´la 1974; Jamrozik 2014). Lehrkräfte handelten mediatorisch im Prozess des Verstehens und Erinnerns, aber sie provozierten keine praktischen Situationen, die es erlaubten, die auswendig gelernten Regeln in einem anderen sprachlichen oder situativen Kontext anzuwenden (Cies´la 1974, S. 62). Lehrkräfte machten Lernende auf phonetische Regeln und korrektes Sprechen aufmerksam, indem sie unter anderem gemeinsam das Vorlesen übten, aber auch »[…]einen umfangreichen morphologischen Teil, Substantive und Verben […] mit einer kontrastiven Methodologie in Bezug auf Latein und Polnisch analysierten« (Jamrozik 2014, S. 26). aus dem Polnischen übersetzt von Anna Kizeweter). Zusätzlich zu den theoretischen Inhalten stand Lehrkräften und Lernenden (im 18. Jh.) außer einem Wörterbuch – Formulae Adverbiorum – zur Verfügung, also eine Sammlung vorgefertigter, typischen Alltagsfragen und Antworten untergeordneter Kommunikationshandlungen, die notwendig waren, um in Alltagssituationen zu reagieren; diese mussten auswendig gelernt werden. »Der Unterrichtsverlauf ist nach einer festgelegten Reihenfolge überliefert: der Text wurde gelesen, der Lehrer erklärte die grammatischen Strukturen, der Text wurde nachgesprochen, paraphrasiert, übersetzt, rezitiert und abschließend korrigiert und bewertet. Der Unterricht verlief wohl nach einer Art direkter Methode, die vom Memorieren bis zum Textstudium verschiedenste Arbeitsformen einschloss«. (Badstübner-Kizik 2016, S. 74) aus dem Polnischen übersetzt von Anna Kizeweter). Die Popularität der Grammatik-Übersetzungs-Methode und die Betonung des Verständnisses semantischer und grammatikalischer Strukturen war in erster Linie mit dem universellen Wunsch verbunden, kognitive Konflikte zu lösen. Jeder Lernprozess ist von Natur aus eine Situation, die sowohl kognitive als auch sozial-affektive Konflikte verursacht (vgl. Sujecka-Zaja˛c 2017, S. 169). Nach Sujecka-Zaja˛c kann im Bildungskontext ein Konfliktfaktor ein neues kognitives Element sein, das Missverständnisse, Verlust oder Frustration verursacht. Was in der Erstsprache normal und regelmäßig ist, weicht der Neuheit, dem Sprachunterschied, der kognitiven Dissonanz. Dadurch entsteht eine Art Konflikt zwischen dem deklarativen Wissen und dem prozeduralen Wissen (Anderson 1980), das weitere sprachliche Fortschritte unmöglich macht. Das Auftauchen neuer Bedeutungen, grammatikalischer Formen oder phonetischer Unterschiede, die nicht mit dem deklarativen Wissen in der Muttersprache übereinstimmen, führen zu Spannungen im Bewusstsein

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der Lernenden und erfordern das Eingreifen der Lehrkraft in der Mediationsrolle, die »[…] als externe Kraft, die sich mit minimaler oder keiner Entscheidungsbefugnis einmischt und versucht, den psychologischen Verlust und die emotionalen Kosten zu minimieren, die im Konflikt entstanden sind« (Moore 2009, S. 21) aus dem Polnischen übersetzt von Anna Kizeweter). Die Rolle der Lehrperson besteht zunächst darin, »[…]Versöhnung und Kompromiss zu betonen, dann lässt [sie] eine potenziell konfliktträchtige Dimension in jedem Lernprozess erkennen und die Schwierigkeit für die Lernenden, neue Informationen zu akzeptieren« (Sujecka-Zaja˛c 2017, S. 171). aus dem Polnischen übersetzt von Anna Kizeweter). Die dominierenden Aktivitäten einer so eingeschränkten Mediation werden auch in den seit den 1940er-Jahren entwickelten, auf Verhaltenskonzepten basierenden audiolinguistischen und audiovisuellen Methoden sichtbar. Nach Burrhus F. Skinner, dem Autor der Theorie des Verhaltenslernens, hängt Verhalten von einem externen System ab: Belohnungen und Strafen. Belohnung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Verhalten wiederholt wird, Strafe verringert sie (Franken 2005, S. 37). In der Dimension ihrer psychopädagogischen Annahmen berücksichtigten sie eine als instrumentelles Lernen bezeichnete Variante des Behaviorismus, die von außen initiiert und durch die Vermittlung richtig strukturierter Reize bedingt ist (Janicka 2017, S. 29). Im schulischen Umfeld bestand die Rolle von Fremdsprachenlehrkräften darin, das gewünschte Verhalten zu kontrollieren, d. h. die Handlungen, die Richtung und die Ausdauer der Lernenden zu steuern. »Dies geschah durch die Stärkung der richtigen Reaktionen der Sprachschüler durch verschiedene, zuvor vorbereitete Situationen, die ihr Auftreten auslösten. Der so entwickelte Lehrplanunterricht wurde auf der Grundlage einer peniblen Strukturanalyse der individuellen Sprachstrukturen entwickelt, deren Erwerb damals das vorrangige Ziel der Sprachausbildung war« (Ge˛bal 2019, S. 100) (aus dem Polnischen übersetzt von Anna Kizeweter). Die Lehrkräfte wollten durch die Einrichtung von Sprachklassen nach einem Reiz-Reaktions-Schema eine Art Beharrlichkeit beim Erinnern und Aufzeichnen von Grammatikschemata freisetzen. »Diese gedankenlose, das Bewusstsein des Lernenden ausschließende und eine Art mechanische Methode der Unterrichtsdurchführung, die auf sich wiederholenden Sprachsequenzen (Drills) basiert[…]« (Ge˛bal 2019, S. 101), fügt sich in das mittelalterliche bis Mitte des 20. Jahrhunderts geltende Modell der Transmissionsvermittlung ein, in dem sich die Lehrkraft auf den Lehrplan und nicht auf die individuellen Merkmale, Veranlagungen und kognitiven Bedürfnisse des Lernenden konzentrierte (vgl. Komorowska 2017; Ge˛bal 2019). Fremdsprachenlehrkräfte entwickelten zwar die kommunikative Kompetenz der Lernenden, behandelten die aber sehr eng – sie stellten einen strukturellen Ansatz für das Sprachenlernen in den Vordergrund: Kenntnis der grammatikalischen Regeln

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zusammen mit der Beherrschung von auswendig gelernten geschlossenen Dialogen, Beantwortung von Fragen mit einer vorgegebenen Antwort sowie phonetisch und intonatorisch korrektes Lesen von Texten. Die Mediationsrolle trug sicherlich dazu bei, die Lernenden auf Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Sprachen aufmerksam zu machen, sich an unterschiedliche Aussprachen und Intonationsweisen zu gewöhnen. Der Lehrkraft ging es um Beharrlichkeit beim Erinnern und Auswendiglernen von Sprachsequenzen. Sie lehrte, Wissen zu organisieren, ohne die individuellen Charakteristika der Lernenden zu berücksichtigen, wobei auch der Wissensstand ignoriert wurde, den die Lehrperson bereits im Unterricht vermittelt hatte (Hattie 2012). Diese begrenzte Mediation bereitete die Lernenden auf eine bestimmte Beziehung zur Sprache und zur Lehrkraft vor, schlug aber eine eher passive Unterordnung unter den Lehrprozess vor. Sie erfüllte auch nicht alle Bedingungen für eine Mediation; sie war nicht freiwillig (man konnte weder von ihr zurücktreten noch eine Änderung ihres Verlaufs verlangen), vielmehr war die Lehrperson allein für die Organisation zuständig und moderierte als Expert:in den Verlauf der Unterrichtsstunde, ohne die Bedürfnisse und individuellen Eigenschaften der Lernenden zu respektieren bzw. ohne die bisherigen Lernprozesse oder den Wissensstand zu analysieren, was den Verlauf des weiteren Lernens beeinflusste. So war der Unterricht weder neutral noch vertraulich was eine gute Mediation ist. Die Lehrkraft ließ ihren Lernenden keine Wahl hinsichtlich der Ziele und Arbeitsmethoden und ging im Voraus von einem Endergebnis aus, das mit den einzig richtigen, allen unabhängig von ihren Wahrnehmungsfähigkeiten und mentalen Bedingungen auferlegten Techniken erreicht wurde.

Die moderierende Lehrperson als pädagogische Fachkraft im konstruktivistischen Konzept (kommunikativer und handlungsorientierter Ansatz) Jean Piaget (1896–1980) sieht in seinem Konzept des kognitiven Konstruktivismus den Menschen als aktives Individuum, das nach Erklärung der ihn betreffenden Fragen sucht und sein Wissen unter Verwendung aller Informationsquellen und -formen selbst konstruiert (vgl. dazu Wadsworth 1998, S. 23). Dieser Prozess findet in Bezug auf die individuellen subjektiven Erfahrungen statt, indem wir Probleme selbst lösen. Der Lernmechanismus ist eine Reaktion auf Erfahrungen und die Konfrontation mit anderen Ansichten bzw. unterschiedlichen Standpunkten (vgl. Klus-Stan´ska 2010, S. 11–13). Im pädagogischen Umfeld bedeutet dies, dass Lernende nicht, wie bisher angenommen, die von den Lehrkräften bereitgestellten Informationen erhalten,

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sondern sie aktiv konstruieren (Wadsworth 1998; Gofron 2013). Die Bedingung dafür, dass der Lernprozess erfolgen kann, ist die Mitwirkung eines Reizes, der die bestehende innere Ordnung zerstört und zu kognitiven Konflikten führt. Die als Folge des Ungleichgewichts entstehende emotionale Spannung motiviert die Lernenden zum Handeln und zur Suche nach einer Lösung, die diesen Konflikt beseitigt (Spitzer 2012; Janicka 2017). Durch die Übertragung der obigen Überlegungen auf den pädagogischen Grundlagenbereich wird die Mediationsrolle der Lehrkraft bei der Einführung von problemorientierten und kreativen Aufgaben sichtbar. Die Aufgaben rufen diese Art von kognitiven Konflikten bei den Lernenden hervor, und damit die Übertragung aus der bestehenden Komfortzone in die Spannungszone, die die Kodierung von Informationen ermöglicht – vorausgesetzt, die betreffende Person hält sie für wichtig und sinnvoll (Hüther 2016).

Der kommunikative Ansatz Der Prozess des Sprachenlernens, der sich bisher auf spezifische Lehrtechniken und -methoden, auf das Organisieren, Anordnen und Wissen prüfen konzentrierte, weicht einer eklektischen Form mit einer klaren Orientierung auf das Interesse an der Lernumgebung und an den Lernenden selbst. Im kommunikativen Ansatz tritt die Lehrkraft bereits deutlich als mit den Funktionen Moderation und Fazilitation im Lernprozess auf. Die Mediation erfolgt in Form der Schaffung und Steuerung menschlicher Beziehungen für eine auf direkten Kontakten basierende Zusammenarbeit und zwar durch den bewussten Einsatz verschiedener sozialer Formen (Paararbeit, Gruppenarbeit), die einerseits die Selbstständigkeit, andererseits aber auch die Zusammenarbeit der Lernenden fördern. Im Klassenzimmer schlägt die Lehrperson authentische Materialien und Texte vor (wenn nötig vereinfacht), die bei der Entwicklung bestimmter Sprachfertigkeiten (Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben) im Zusammenhang mit einer stärkeren Orientierung an den kommunikativen Bedürfnissen der Lernenden verwendet werden und eine spezifische Verbindung zwischen den Kommunikationsversuchen im Klassenzimmer und der realen Welt außerhalb des Klassenzimmers gewährleisten (Neuner/Hunfeld 1993, nach: Ge˛bal 2019, S. 125). Die Einführung von Arbeitsformen, die auch außerhalb des Klassenzimmers verwendet werden können (d. h. didaktische Spiele, Simulationen, Rollenspiele), regt die Kommunikationsaktivitäten an, fördert die freie Kommunikation mit anderen Unterrichtsbeteiligten (Komorowska 2017; Ge˛bal 2019) und beeinflusst dadurch stark den didaktischen Prozess. Beim kommunikativen Ansatz scheint sich die Lehrkraft bereits der individuellen Bedürfnisse der Lernenden bewusst

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zu sein, sie konzentriert sich auf Arbeitsformen, die die Lernmotivation erhöhen und auch zu einer größeren Autonomie bei der Suche nach geeigneten, auf die persönlichen Umstände der Lernenden zugeschnittenen Arbeitsmethoden beitragen.

Der handlungsorientierte Ansatz »Der Sprachgebrauch, einschließlich des Sprachenlernens, schließt Aktivitäten ein, die von Teilnehmern des Soziallebens unternommen werden, die als Individuen sowohl allgemeine als auch sprachliche Kommunikationsfähigkeiten besitzen und sie kontinuierlich weiterentwickeln. Bei der Nutzung dieser Kompetenzen führen sie spezifische Sprachaktivitäten durch. Unter Berücksichtigung der Bedingungen und Einschränkungen eines bestimmten Kontextes lösen sie bestimmte sprachliche Prozesse aus, die es ihnen ermöglichen, Texte zu Themen aus bestimmten Lebensbereichen zu verstehen und zu produzieren. Dabei wenden sie die für die jeweilige Aufgabe an den besten geeigneten Strategien an. Die bewusste Beobachtung der Prozesse, die all diese Aktivitäten begleiten, führt auf der Grundlage von Rückmeldungen zur Stärkung oder Veränderung der eigenen Kompetenzen« (Janowska 2011, S. 82). (Aus dem Polnischen übersetzt von Anna Kizeweter)

Der Handlungsansatz ist eine Art Kontinuum des kommunikativen Ansatzes, aber er betont den sozialen Kontext des Sprachgebrauchs noch stärker und behandelt ihn als natürliches Element, das die Durchführung sprachlicher Handlungen rezeptiver, produktiver, interaktiver und vermittelnder Art unterstützt (Ge˛bal 2019, S. 138). Die den Unterricht leitende Lehrkraft berücksichtigt Handlungen, die es den Lernenden mit Hilfe der entwickelten sprachlichen Kompetenz auch ermöglichen, ihr nicht sprachliches Wissen zu entwickeln – und integriert so, wie Ge˛bal (2019) bemerkt, kognitive Theorien mit konstruktivistischen Konzepten. Wenn Lehrpersonen sich bemühen, Lernenden eine Sprache beizubringen, müssen sie sich der individuellen Umstände sowie der allgemeinen und kommunikativen Kompetenzen ihrer Lernenden bewusst sein. »Mit Hilfe dieser Kompetenzen führen sie spezifische Sprachaktivitäten durch. Unter Berücksichtigung der Umstände und Grenzen eines bestimmten Kontextes lösen sie bestimmte sprachliche Prozesse aus, die es ihnen ermöglichen, Texte zu Themen aus bestimmten Lebensbereichen zu verstehen oder zu produzieren. Dabei wenden sie die für die jeweilige Aufgabe an den besten geeigneten Strategien an. Die bewusste Beobachtung der Prozesse, die all diese Aktivitäten begleiten, führt auf der Basis eines Feedbacks zur Stärkung oder Veränderung der eigenen Kompetenzen«. (GER 2003, S. 20). Aus dem Polnischen übersetzt von Anna Kizeweter)

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Im handlungsorientierten Ansatz, der davon ausgeht, dass Lernende aktive, selbststeuernde, wissenskonstruierende und die Lernstrategie selbst auswählende Personen sind, spielt die Fähigkeit zur Reflexion des Bildungsprozesses, auch als Selbststeuerung, Selbstkorrektur oder einfach Selbstbewertung bezeichnet, eine Schlüsselrolle. Die Aufgabe der Lehrkraft besteht darin, die Mediation so durchzuführen, dass sowohl Motivation als auch und kognitiv-operative Faktoren der Lernenden stimuliert werden (Zawadzka 2004, S. 272). Die Lehrkraft steuert den Reflexionsprozess und bestimmt die Selbsteinschätzung der Lernergebnisse sowie die Stellung der Lernenden und ihre Partizipation am Sozialleben im Unterricht. Eine gut durchgeführte Reflexion führt zu einer besseren Selbsteinschätzung der Lernenden und ermöglicht es ihnen, sich mit ihren Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen. Dadurch wird die Motivation zum Lernen erhöht und die Notwendigkeit erkannt, Methoden zu entwickeln, die Erreichung von Zielen erleichtert. Die Anwendung von Selbstevaluationsmethoden macht die Lernenden zu Verantwortlichen für ihren eigenen Fortschritt, die Beziehung zwischen Lehrperson und Lernenden ist auf den Weg der Partizipation ausgerichtet, d. h. schließt einen partnerschaftlichen Ansatz bei der Gestaltung des gemeinsamen Bildungsraums ein. Die Stimulation zur Reflexion stärkt die Vermittlungsfunktion der Lehrkraft. Das bereichert den didaktischen Prozess um neue Techniken zur Gestaltung von Beurteilung, die es den Lernenden erlaubt, die eigenen sprachlichen Leistungen aus einer anderen, neuen Perspektive zu betrachten- nicht nur die Verantwortung für den eigenen Erfolg und das sprachliche Scheitern zu übernehmen, sondern auch darüber sprechen zu können und zu motivieren, sich neuen Herausforderungen zu stellen, Emotionen zu artikulieren und in Entwicklungsaktivitäten zu transferieren. In dieser Rolle ist die Lehrkraft nicht länger Partei, sondern liefert nur noch Werkzeuge zur Reflexion, ist ein zuhörendes, unparteiisches und daher unschätzbarer Teil der pädagogischen Beziehung. Sie ermutigt zum Handeln, ohne es zu erzwingen. Sie verringert das Gefühl der Frustration und lehrt, Methoden der konstruktiven Selbsteinschätzung zu entwickeln sowie die eigene Rolle im Bildungsprozess zu analysieren. Der Aufbau von Unterrichtseinheiten mit Elementen einer kommunikativen und handlungsorientierten Methode ermöglicht die Entwicklung der Kommunikation zwischen den Beteiligten (in diesem schulischen Modell zwischen Lernenden einer Gruppe), formt das Team und vermittelt Arbeitstechniken, die die Lernenden ermutigen, gemeinsam nach neuen, kreativen Lösungen zu suchen. Mit jeder Handlung werden die Lernenden autonomer, während gleichzeitig ihr Verantwortungsgefühl für das gesamte Arbeitsteam wächst. Die pädagogische Funktion der Mediation besteht darin, die Entwicklung der Lernenden zu begleiten und zu steuern, indem die Lehrkraft problemorientierte Aufgaben anbietet und zur Entwicklung, zum Überwunden von Grenzen oder zu kriti-

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schen, in der heutigen Realität notwendigen Denkfähigkeiten inspiriert. Die Lehrkraft vermittelt, wie man Entscheidungen trifft und für sie Verantwortung übernimmt. Sie unterstützt die Lernenden dabei, den Lernprozess zu reflektieren und aus Fehlern zu lernen. Sie hebt die Kommunikation auf eine Metaebene.

Fremdsprachenlehrende als Kulturmediator:innen Die Beziehungen zwischen Sprache und Kultur sind Forschungsgegenstand in Ethnografie, Kognitiver Sozialpsychologie und Linguistik. Dort wird Sprache als einzigartiges Kulturfeld und dessen Ergebnis behandelt. Sie ist zugleich Träger und Mitschöpfer der Kultur (Zawadzka 2004, S. 185). So ist der Mensch entsprechend seiner sprachlichen Kompetenz zugleich Träger von Kulturen, dank »Normen und formalen Regeln, die das Funktionieren autonomer Systeme bestimmter Sprachen regeln »[…] und durch individuelle Kommunikationsaktivitäten im sozialen Kontext »[…] unter Einbeziehung sozialer Normen und Regeln, die den Gebrauch von Sprache in bestimmten Kommunikationssituationen kontrollieren ihr Mitschöpfer« (Ge˛bal 2004, S. 189) (Aus dem Polnischen übersetzt von Anna Kizeweter). Das Zusammentreffen von Angehörigen verschiedener Kulturen, die durch unterschiedliche Werte aus Geschichte, Erfahrung, Religion, Bräuchen oder Gewohnheiten bedingte Kommunikationsaktivitäten (meist im Kontext des Alltagslebens) durchführen, wird nur dann sinnvoll sein, wenn die Beteiligten nicht nur die kommunikative, sondern auch die kulturelle Dimension berücksichtigen (Zawadzka 2004, S. 187–190). Die gesellschaftspolitischen Veränderungen in Europa und die damit verbundene zunehmende Mobilität machen eine bestimmte Art von interkultureller Kompetenz zur Voraussetzung für die Etablierung eines internationalen Dialogs, dessen Wesen – wie Bachtin es nennt (Bachtin 1986, S. 441) – in der gegenseitigen Beeinflussung besteht, d. h. in der gegenseitigen Einwirkung vieler, gleichermaßen privilegierter, vollwertiger Bewusstseine. Dadurch kann das Risiko von Konflikten minimiert werden, die nicht nur aus unzureichenden Sprachkenntnissen, sondern vor allem aus kulturellen Unterschieden resultieren. Das Unterrichten einer Fremdsprache wird mit dem Unterrichten der Kultur dieser Sprache gleichgesetzt, und so wird die interkulturelle kommunikative Kompetenz theoretisch zu einer der grundlegenden Anforderungen an die Fremdsprachenlehrkraft (Bandura 2007; Mackiewicz 2009; Zaja˛c 2012; Siek-Piskozub 2014; Róg 2016)). Einige Forschende betonen vor allem den konflikthaften Charakter kultureller Unterschiede, die aufgrund unzureichender Kenntnisse der sozialen und sprachlichen Phänomene eine Grenze/Barriere zwischen den Beteiligten bildeten, und machen aus der interkulturellen Lehrkraft Diplomat:

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innen (»intercultural diplomats«; s. Corbett 2003, S. 208), die durch Verhandlungen in der Lage sind, unter Berücksichtigung der Kenntnis des Wertesystems beider Seiten einen gewissen Kompromiss zu erzielen. In diesem Fall sind Lernende in einem didaktischen Prozess im schulischen Umfeld Personen mit einem Gepäck aus eigenen Erfahrungen und Werten vor den Elementen einer neuen Kultur, die durch Mitwirkung der Sprache erlernt wird. Die Fremdsprachenlehrkraft mit ihren Verhandlungsattributen verfügt dank ihrer interkulturellen Kommunikationskompetenz (Byram 1997), die sich aus sprachlicher, soziolinguistischer, diskursiver und interkultureller Kompetenz zusammensetzt, über Kulturkenntnisse, Einstellungen und Dolmetschfähigkeiten, kann die Erscheinungsformen einer anderen Kultur erklären und sie zur eigenen in Beziehung setzen, hat die Fähigkeit, sich Kenntnisse über Kultur sowie ein kritisches kulturelles und staatsbürgerliches Bewusstsein anzueignen, somit diese Grenzen zu überschreiten und »in gewissem Maße ein Experte für den Transfer von Kulturgütern und symbolischen Werten zu sein« (Byram/Zarate 1997, S. 11). Die Rolle der Lehrperson besteht jedoch nicht darin, Methoden zu finden, die die Beherrschung oder Assimilierung einer fremden Kultur erzwingen, sondern nur darin, zu versuchen, andere Gesellschaften zu verstehen und eine Selbstbestimmung der Lernenden zu erreichen (Mihułka 2010, S. 356), die eine Voraussetzung für die Entwicklung der Persönlichkeit, der Weltanschauung und der Identität eines Individuums ist (Karolczuk 2016, S. 64). Diese Entwicklung soll ein Mitglied der Familie, der regionalen, nationalen, kulturellen und globalen Gemeinschaft formen, eine Person, die sich ihrer eigenen Identität und Individualität bewusst sowie zur kreativen Selbstverwirklichung bereit ist. Eine so starke Persönlichkeit wird bei der Begegnung mit einer anderen Kultur keine Angst davor haben, die eigenen Werte zu verlieren (Nikitorowicz 2009, S. 282). Wie Tadeusz Lewowicki betonte – zu den Kompetenzen in der Mediation gehört die Vorbereitung auf die Zusammenarbeit und die Fähigkeit, die Errungenschaften anderer Kulturen, Religionen und Nationalitäten zu teilen (Lewowicki 2000, S. 17). Die Konfrontation mit einer Kultur macht es notwendig, sich mit verschiedenen Arten von Unterschieden auseinanderzusetzen, doch eine angemessene, auf Dialog basierende didaktische Arbeit ermöglicht »Verständigung, Annäherung, Koexistenz« (Nikitorowicz 2013, S. 11). Voraussetzung für die Zusammenarbeit ist die Kenntnis des Sprachcodes, das Bewusstsein für den eigenen Platz in der sozialen Gruppe und die Fähigkeit, trotz der Unterschiede eine Gemeinschaft zu sein. Nach Ge˛bal (Ge˛bal 2019, S. 210) sind professionelle Fremdsprachenlehrkräfte Menschen mit einem starken Interesse an der zeitgenössischen Welt »[…] und sowohl kritisch gegenüber der Kultur eines bestimmten Sprachraums als auch gegenüber der polnischen Kultur aus Sicht von Vertretern anderer Kulturen. Sie verfügen über ein breites Wissen über

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die Realitäten, Normen und Gebräuche des unterrichteten Sprachraums. Sie sind in der Lage zu verstehen, wie Stereotypen und Vorurteile funktionieren. Ihre interkulturelle Offenheit ermöglicht eine wirksame Gestaltung von Haltungen der Toleranz und Akzeptanz für andere Kulturen zu Hause und bei ihren Lernenden« (Ge˛bal 2019, S. 210) (Aus dem Polnischen übersetzt von A. Kizeweter). Seine Einschätzung steht im Einklang mit den pädagogischen Attributen der Schulbildung bei Komorowska (2005, S. 8), in der kulturelle Kompetenz ein zufriedenstellendes Leben in der heutigen Welt ermöglicht. Diese Eigenschaften berechtigen die Lehrkraft zweifellos dazu, (inter-)kulturelle:r Mediator:in (Wilczyn´ska 2005; Badura 2007) oder interkulturelle:r Sprecher:in (Byram/Zarate 1994; Kramsch 1998) zu sein. Bei der praktischen Umsetzung des interkulturellen Unterrichts im Sprachunterricht verwenden Lehrkräfte die am häufigsten verfügbaren lehrplankonformen Inhalte mit Landeskunde-Elementen, authentische Texte, auf die bereits in der Beschreibung des Kommunikations- und Handlungsansatzes Bezug genommen wurde. Unter den Aufgaben, die den Diskurs in interkulturellen Situationen entwickeln, erwähnt Mihułka, z. B. die Verwendung von ansprechenden Formularen mit der Verwendung von Texten, szenischen Darstellungen oder die Kommunikationsanalyse (Mihułka 2012, S. 114–115). Die letztgenannte Aufgabe ist sehr gut geeignet, um auf die Bedeutung der Kultur für die Verständlichkeit einer Botschaft in einer Fremdsprache aufmerksam zu machen. Sie empfiehlt auch den Einsatz von Analysen kritischer Interaktionssituationen (Critical Incidents) und Fallstudien, d. h. das Lernen durch Simulation realer Situationen, was die Übung von Konfliktlösungs- und Entscheidungsfindungsfähigkeiten ermöglicht. Diese Methode erlaubt es Łaguna zufolge, dank der emotionalen Beteiligung der Teilnehmenden Einstellungen zu beeinflussen (Łaguna 2005, S. 159, Kossakowska-Pisarek 2016, S. 17). Es besteht auch ein wachsendes Interesse an außerschulischen internationalen Austauschen und Projekten, die die Schulgemeinschaft und die Lehrkräfte über elektronische Medien zusammenbringen (wie z. B. eTwinning), die interkulturelle Interaktion sowie Integration ermöglichen und so die Entwicklung kultureller Kompetenzen beeinflussen.

Fremdsprachenlehrkräfte und gewaltfreie Kommunikationsmediation Durch die Entwicklung interkultureller Kompetenz im schulischen Umfeld haben Fremdsprachenlehrkräfte die Möglichkeit, bei ihren Lernenden die Neugier auf bzw. das Interesse an anderen Kulturen zu wecken und sie zu leh-

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ren, mutig und offen im Umgang mit ihnen zu sein. Im Bewusstsein ihrer Mediationsrolle und ihrer Verantwortung sollten sie für eine Situation sorgen, in der Verständnis für Vielfalt entwickelt wird, sowie die Lernenden zur Ambiguitätstoleranz erziehen und die Notwendigkeit unterstützen, einen Dialog auf der Grundlage bewusster Kommunikation aufzubauen (vgl. Wilczyn´ska/ Mackiewicz/ Krajka 2019). Das universelle Bedürfnis, tolerante Haltungen zu formen oder sich in Richtung einer offenen, bewussten Kommunikation zu bewegen, stößt auf den Widerstand der jungen Teilnehmenden dieses Prozesses, die noch auf der Suche nach ihrer Identität sind, sich sehr kontrastreich über die sie umgebende Welt äußern und Grenzerfahrungen brauchen. Dies führt häufig zu potenziell konfliktträchtigen Situationen und erzeugt Spannungen innerhalb der Gruppe. Lehrpersonen arbeiten mit sehr heterogenen Gruppen zusammen, die unterschiedliche, sich u. a. aus den bisherigen Erfahrungen und zwischenmenschlichen Beziehungen ergebende soziale Einstellungen vertreten. Nach Heintel bemüht sich ein Mediator, das Klima zwischen den Beteiligten zu verbessern, ohne jedoch als Schiedsrichter in der Konfliktzone zu fungieren oder eine Lösung vorzugeben: »Seine Aufgabe ist es weniger, Situationen, Projekte zu gestalten und Menschen dabei zu Eigenkompetenz zu verhelfen; er muss vorhandenes Wissen anwenden, übersetzen« (Heintel 1998, S. 48). Die Qualität dieser Kommunikation hängt vom Bewusstsein und der Sensibilität der Beteiligten ab, die auch im Fremdsprachenunterricht unter dem wachsamen Auge einer mit Mediationskompetenzen ausgestattete Lehrkraft gestaltet werden können. Ein Mangel an Mediation kann das Risiko bergen, dass Lernende (also Beteiligte) ohne angemessene Kommunikationsmuster und -praxis eine exklusive Haltung vertreten – eine Haltung, die nur die Gültigkeit ihrer eigenen Ansichten anerkennt, was einerseits die Kommunikation dysfunktional macht, andererseits aber auch die Haltung der Lernenden geschlossen und exklusiv. Exklusivität ist die Verweigerung des Dialogs, dessen Bedingung es ist, gemeinsam mit anderen aktiv zu sein (Casmir 1996, S. 28–57), Dogmatismus abzulehnen und nicht an die Vorherrschaft der eigenen Ansichten zu glauben. Das asymmetrische Verhältnis des Primats der Sendenden gegenüber den Empfänger:innen ist eine Situation der Dominanz, nicht des Dialogs (Szpunar 2019, S. 260). Die Lehrkraft verfügt jedoch über Werkzeuge und Methoden, um Verfahren zur Unterstützung beider Seiten einzuführen, um einen Raum für ein besseres gegenseitiges Kennenlernen zu schaffen und zu versuchen, Dialog und Kommunikation auf gleichberechtigter Basis zu führen sowie dabei Meinungsverschiedenheiten zu respektieren. Eine gut geplante Mediation führt zunächst von Exklusivität durch eine Phase des Inklusivismus – in der Lernende andere zuerst selektiv zu Wort kommen lassen und deren Optik in fragmentierter Weise in ihr Glaubenssystem integrieren. Durch die Fortsetzung des Mediationspro-

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zesses mit Hilfe gruppendynamischer Arbeitsmethoden, die den Bedürfnissen der Einzelnen und der Gruppe Rechnung tragen, wird es möglich sein, im Laufe der Zeit eine offene Parallelitätsorientierung bei den Lernenden zu entwickeln, d. h. eine Haltung, die Vielfalt und Andersartigkeit wertschätzt und die Möglichkeit der gleichzeitigen Existenz alternativer Realitäten ebenso akzeptiert sowie das Recht, jede von ihnen anzuerkennen. Es ist eine einfühlsame Haltung, die auf Emotionen, dem Aufbau von Beziehungen sowie verbalem und nonverbalem Verständnis beruht. Sie korrespondiert mit Marshall Rosenbergs Modell der Gewaltfreien Mediation (NVC) passt, das aus vier Fähigkeiten besteht: 1. die Fähigkeit, über Tatsachen zu sprechen und sich dabei eines Urteils zu enthalten. 2. die Fähigkeit, die eigenen emotionalen Reaktionen wahrzunehmen und die eigenen Gefühle zu nennen. 3. die Fähigkeit, Bedürfnisse zu verstehen und darüber zu sprechen. 4. die Fähigkeit, Wünsche zu äußern. Rosenberg argumentiert, dass die Nutzung dieser Fähigkeiten eine Kommunikation ermögliche, in der verbale Aggressionen beseitigt und Raum geschaffen werde, um die Bedürfnisse anderer zu respektieren und zu verstehen, d. h. übertragen auf die Unterrichtssituation: Lehrkräfte entwickeln die Sprachvermittlungskompetenz in sich selbst und in ihren Lernenden (Rosenberg 2006, S. 16–17). Die Beherrschung der ersten Fertigkeit ermöglicht die Entwicklung einer Partnerschaft, die auf der Achtung des Raumes für den Dialog zwischen Lernenden und Lehrperson beruht und lässt auf Urteile verzichten- zugunsten von Informationen , die die Beziehung gestalten und sie reifen lassen. Die zweite Fertigkeit bezieht sich auf die Interpretation von Gefühlszuständen und fokussiert die Betrachtung der eigenen Emotionen in Momenten starker Erregung sowie den Versuch ihrer Definition. Es handelt sich um eine Art Training, das es beiden Seiten ihnen ermöglicht, sich auf schwierige Gespräche vorzubereiten, beispielsweise in einem pädagogischen Kontext, aber nicht nur, und eine größere Kontrolle über Handlungen, einschließlich Aussagen, zu haben. Ferner soll ein eigenes persönliches Wörterbuch aufgebaut werden, das mit der Zeit mehr Beschreibungen von Gefühlen enthalten wird als nur ein beiläufiges gut oder schlecht. Die Erweiterung des Wortschatzes in Bezug auf den Ausdruck von Gefühlen ermöglicht es, präziser zu kommunizieren, sowohl mit sich selbst als auch mit anderen (Maciaszczyk 2020, S.23). Der eigenen Bedürfnisse bewusst sein, die Erwartungen zum Ausdruck bringen können, ermöglicht den nächsten Schritt zu machen- nach Zusammenarbeit und Verständigung zu streben.

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Lernenden die Werkzeuge der gewaltfreien Kommunikation bereitzustellen, bedeutet, sie auf die Interaktion mit der Welt vorzubereiten, gegen die sie nicht mehr kämpfen, sondern mit der sie kooperieren und mit der Zeit dazu befähigt werden, Mediation zu leisten. Die Notwendigkeit, Kommunikation im Fremdsprachenunterricht auf der Grundlage eines empathischen Dialogs zu schaffen, der die Werte jeder und jedes Einzelnen respektiert, soll ausdrücklich betont werden. Eine Lehrkraft, die Empathie vermittelt, sollte emotionale Zustände mit ihren Lernenden teilen (emotionale Empathie), in der Lage sein, die Emotionen einer anderen Person durch die Bemühung um die Objektivierung erhaltener Informationen zu erkennen (kognitive Empathie), ein Element des Altruismus in sich tragen, das in der Sozialarbeit so unverzichtbar ist (moralische Empathie) und schließlich den Standpunkt anderer verstehen zu können (Verhaltenseinfühlung) (Goleman 1995, Sujecka-Zaja˛c 2012). Die empathischen Fähigkeiten einer Lehrkraft in der Mediationsrolle können die Beziehung zwischen Lehrkraft und Lernenden nicht nur durch eine mitfühlende und altruistische Haltung, sondern vor allem durch gewaltfreie Kommunikation, Aufmerksamkeit und gutes Feedback stärken. Die Teilnahme am Fremdsprachenunterricht kann zu einer positiven Erfahrung werden, durch die die Beteiligten sich sicher und zuversichtlich fühlen sowie Sprachsituationen eher als Herausforderung denn als Bedrohung betrachten (Lazarus 1981). Der positive emotionale Kontext, in dem Informationen gespeichert werden, hat eine modellierende Wirkung auf die spätere Erinnerungsebene (Spitzer 2012, S. 127). Diese ermöglicht es aus sozialer Perspektive, positive Erfahrungen in einem Raum außerhalb der Schule zu implizieren, wodurch dieser zu einem Raum wird, in dem Verständnis sowie Dialog zählen und Gewalt keine Daseinsberechtigung hat. Sprache sollte Trägerin und Mitschöpferin von Bildungsinhalten sein sowie nicht nur die Kultur, sondern auch die Sensibilität von Sprecher:innen zum Ausdruck bringen. Kommunikation hingegen sollte ein Vorwand dafür sein, die Welt zum Besseren zu verändern, Verbündete zu suchen, sich auf Gemeinsamkeiten zu konzentrieren, ohne die Unterschiede zu verstärken. Von Lehrkräften wird daher erwartet, dass sie nicht nur über die oben genannten Kompetenzen verfügen, sondern auch als Mediator:innen die Qualität der sozialen Beziehungen beeinflussen und damit die Lebensqualität und das Glücksgefühl der Lernenden verbessern. Nach der von Janusz Czapin´ski vorgeschlagenen »Zwiebeltheorie des Glücks« beruht Wohlbefinden auf drei Säulen: dem Lebenswillen, dem allgemeinen psychischen Wohlbefinden und der Zufriedenheit mit einzelnen Lebensbereichen (Czapin´ski 2004, S. 89) Die erste Säule bedeutet unter den Bedingungen der formalen Sprachausbildung eine Aktivität, bei der die eigenen Bedürfnisse und die Anforderungen des schulischen Umfelds effektiv miteinander in Einklang

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gebracht werden. Das zweite Element basiert darauf, den Lernenden problemorientierte Aktivitäten vorzuschlagen, wobei klare, wenn auch nicht unbedingt einfache Ziele gesetzt werden, die den Lernenden Begeisterung und Engagement ermöglichen. Ein wichtiger Aspekt einer solchen Aktivität ist die Bewältigung der eigenen Arbeit, um Selbstvertrauen und die damit einhergehende Begeisterung und Freude zu erreichen (Filipiak 2012, S. 25–27). Die dritte Säule ist der Sinn von Bildungsaktivitäten, der den kreativen Prozess, das Engagement und die Motivation beeinflusst, sich neuen Bildungsherausforderungen zu stellen. Bei der Gestaltung pädagogischer Aktivitäten können sich Lehrpersonen von der Theorie von Seligman-Blüte (2012) inspirieren lassen, die sechs Unterrichtsbereiche umfasst: 1. Mit positive relationship wird eine positive Beziehung bezeichnet, wobei Fähigkeiten mit Bezug auf die zwischenmenschliche Kommunikation eingeschlossen sind; 2. Der Bereich positive emotions konzentriert sich auf das Antizipieren, Erleben, Verlängern und Aufbauen positiver Emotionen und den Umgang mit negativen Emotionen; 3. Positive engagement bedeutet, bei den Lernenden die Fähigkeit zu entwickeln, Engagement in einer bestimmten Aktivität zu erfahren und Selbsterkenntnis bei der Entdeckung der Freude bereitenden Aktivitäten zu fördern; 4. positive accomplishment bezeichnet die Konzentration auf die Entwicklung des eigenen Potenzials, indem man seine persönlichen Wünsche verwirklicht; 5. Mit positive health wird ein Bereich beschrieben, der sich auf die Entwicklung guter Gewohnheiten konzentriert, um den bestmöglichen mentalen, körperlichen und sozialen Sinn zu erhalten; 6. Unter positive purpose wird verstanden, die Lernenden anzuleiten, Sinn und Zweck im Leben zu finden, indem sie über den Egozentrismus hinausgehen und sich für andere engagieren. Dies kann noch die Mediationsfunktionen der Lehrkraft erweitern und macht sie den Empfang für die Unterstützung der Entwicklung der Lernenden, also ihr well-being verantwortlich. Das erhebt die Lehrkraft in den Status einer vertrauenswürdigen und für die Lernenden akzeptablen Person (Geis 2005). Durch die Umsetzung des Modells von Seligman im Bildungsbereich bietet sich die Chance, die geistige Belastbarkeit junger Menschen, ihre Motivation und ihre Bereitschaft zur Annahme von Bildungsherausforderungen zu erhöhen (Junczyk 2014, Kolber 2016, S.161). Die Zusammenführung von Elementen der Positiven Psychologie mit der Didaktik ermöglicht es Lehrkräften auch, sich selbst zu einer bewussten und ausgeglichenen Person zu formen. Das Engagement verbindet sich aber auch emotional mit dem Bildungsprozess.

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Durch die Förderung empathischer Kommunikation mediiert die Lehrkraft die Schaffung eines tiefen Dialogs, in dem aktives Zuhören und Verstehen auf der Grundlage verbaler und nonverbaler Elemente möglich ist (Kurcz 2010). So wird ein beziehungsorientierter Raum geschaffen, in dem die Beteiligten sichere Gespräche über Emotionen, innere und äußere Konflikte führen könnten. Die Lektion wird zu einer Gelegenheit, positive Gewohnheiten zu entwickeln, Engagement sowie Selbsterkenntnis zu fördern; diese Faktoren bestimmen den Sinn des Aufbaus von Beziehungen zwischen denjenigen, die einander nahestehen, und denjenigen, die nationale Grenzen überschreiten.

Zusammenfassung Die Lehrendenmediation verfolgt soziale und kulturelle Veränderungen und schafft ein Kommunikationsmodell, das nicht nur auf die Bedürfnisse Einzelner, sondern ganzer sozialer Gruppen eingeht. Die Mediationsrolle umfasst die grundlegende didaktische Rolle, Lernende in die Welt der Sprache – die voll von Strukturen und Bedeutungen ist – einzuführen, d. h. kognitive Fähigkeiten des Auswendiglernens und der Verarbeitung der wiederum erlernten Symbole. Neben dem universellen Bedürfnis, Fremdsprachen zu beherrschen, wird das Spektrum der Vermittlungsaktivitäten durch die Einbeziehung der Lernenden in die Welt des Erlernens von Metasprachen erweitert, indem ihm eine neue Bedeutung gegeben und nach gemeinsamen Lösungen zur Verbesserung der Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten gesucht wird. Dabei werden das erworbene Wissen, die Techniken und Werkzeuge für das Sprachenlernen gemeinsam genutzt. Gleichzeitig bereichert die mediierende Lehrkraft unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen der Lernenden den Bildungsraum mit ihren spezifischen Bedürfnissen und konstruiert so mit ihnen einen subjektiven, einzigartigen Bildungsraum voller Herausforderungen. Ihre Präsenz im Bildungsprozess bietet die Möglichkeit, nicht nur sprachliche, sondern auch persönliche und soziale Kompetenzen zu entwickeln. Sie vermittelt Kooperation und Selbstreflexion, die sie im gesamten Bildungsprozess stärkt. Indem die Lehrperson gemeinsam mit dem Lernenden in die Kultur eines anderen Sprachraumes eintaucht, baut sie eine Haltung der Toleranz sowie des Verständnisses für Vielfalt auf. Sie bezeugt so den Aufbau eines offenen Dialogs, der auf Kommunikation ohne Gewalt und auf Empathie beruht. Durch die Kombination all dieser Elemente beeinflusst die Lehrperson die Qualität des europäischen Dialogs. Eine professionelle mediierende Fremdsprachenlehrkraft beschränkt sich nicht auf die grundlegende Rolle der Sprachvermittlung, sondern ist sich der Notwendigkeit bewusst, eine Gemeinschaft aufzubauen, die motiviert

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ist, kreativ zusammenzuarbeiten, um die Qualität der inneren Welt als Voraussetzung für die Entwicklung der äußeren Welt zu verbessern.

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Beata Pec´

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

Abstract Die moderne Konzeption der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften in Polen basiert auf der interdisziplinären Natur dieses Prozesses. Diese Annahme bildet den Ausgangspunkt für die theoretisch-empirische Analyse im folgenden Beitrag. Die Überlegungen werden durch einen theoretischen Teil eröffnet, der einen Überblick über ausgewählte Inhalte in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden enthält. Die Ausbildungsinhalte sind dabei verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen zuzuordnen. Vor diesem Hintergrund wird die Umsetzung interdisziplinärer Ausbildungsprogramme für Fremdsprachenlehrkräfte am Beispiel des Instituts für Germanistik an der Universität Warschau (Polen) dargestellt. Keywords: Interdisziplinarität, Deutschlehrkräfteausbildung, Fremdsprachenforschung, Lehrkraftforschung/Lehrerforschung, Fallstudie The modern conception of foreign language teacher education in Poland is based on the interdisciplinary nature of this process. This assumption forms the starting point for the theoretical-empirical analysis in the following article. The considerations are opened by a theoretical part, which contains an overview of selected contents of the training of foreign language teachers in various scientific fields. Against this background, the implementation of interdisciplinary foreign language teacher training programs is presented using the example of the Institute of German Studies at the University of Warsaw (Poland). Keywords: interdisciplinarity, German Teacher Training, Foreign Language Research, Teacher Research, case study

Einführung »Wir sind die Schüler von heute, die in den Schulen von gestern mit Lehrern von vorgestern […] auf die Probleme von morgen vorbereitet werden.« (vgl. www. aphorismen.de/zitat/113845) – diese Worte von einer Internetseite zeigen deutlich, was das Ziel der modernen Deutschlehrkräfteausbildung sein sollte. Auch Beata Pec´, Universität Warschau, [email protected], ORCID: 0000-0002-5875-1312.

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die aktuelle Lehrkraftforschung im Bereich der Glottodidaktik1 sollte diesen Bedürfnissen der Zukunft gerecht werden. Wie aber soll das möglich sein? Welche Möglichkeiten haben Hochschulen heute, wenn Studierende im Rahmen des Germanistikstudiums auf das Unterrichten des Deutschen als Fremdsprache optimal vorbereitet werden sollen? Der folgende Artikel geht von der These aus, dass ein interdisziplinärer Zugang zur modernen Deutschlehrkräfteausbildung eine besondere Bedeutung hat und neue Wege in diesem Bereich eröffnet. Lernende, die in Zukunft von ausgebildeten, professionellen Fachlehrenden unterrichtet werden, lernen bei diesen und mit diesen nicht nur Deutsch, sondern erwerben darüber hinaus Lösungskompetenzen für Probleme, die die Zukunft mit sich bringt.

1.

Wissenschaftliche Hauptsäulen der modernen Deutschlehrkräfteausbildung

Seitdem die Ausbildung von Deutschlehrenden in Polen ausschließlich an Hochschulen realisiert wird und Kollegs für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften seit dem Jahre 2012 nicht mehr existieren, besteht die Notwendigkeit, die »früher noch rein philologische Ausbildung stärker auf das Berufsfeld Deutschunterricht« abzustimmen (Hofer 2010, S. 185f.). Wenn also heute von der Deutschlehrkräfteausbildung die Rede ist, werden als wissenschaftliche Hauptdisziplinen die Lehrerforschung (vgl. Abendroth-Timmer 2017, S. 196–199) und die Fremdsprachendidaktik (vgl. Doff 2017: 90–93) in den Blick genommen. Beide weisen ihre eigene Begrifflichkeit in Polen auf: die Lehrerforschung wird als Pädeutologie (s. u.) bezeichnet, die Fremdsprachendidaktik als Glottodidaktik. Beide werden erst seit Kurzem als eigenständige wissenschaftliche Disziplinen wahrgenommen und an polnischen Universitäten als solche betrieben. Im vorliegenden Beitrag werden die entsprechenden wissenschaftlichen Theorien als Hauptsäulen der modernen Deutschlehrkräfteausbil-

1 Mit Glottodidaktik wird im polnischen Diskurs eine Disziplin bezeichnet, die im deutschsprachigen Raum und mit einem sehr ähnlichen Forschungsfeld Fremdsprachendidaktik und/ oder Sprachlehrforschung heißt. Schon im Jahre 1995 wird die Glottodidaktik als ein internationaler Ansatz im Rahmen der bereits genannten Disziplinen dargestellt. Der Begriff wird im wissenschsaftlichen Diskurs vor allem in Polen, aber auch in Italien vewendet (parellel zu Konzepten der ›Applied Linguistics‹ im angloamerikanischen Bereich, der ›méthodologie des langues vivantes‹, der ›linguistique appliquée‹ und der ›didactique/didactologie des languages‹ in Frankreich; vgl. Bausch/ Christ/ Krumm 1995: 14–22). Um es auch sprachlich zu verdeutlichen, dass ein Bezug auf die polnische Fremdsprachendidaktik intendiert ist, wird im vorliegenden Beitrag der Terminus ›Glottodidaktik‹ verwendet (vgl. Widła (Hrsg.) 2010.; vgl. auch Teil 1.2 des vorliegenden Beitrags).

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

149

dung verstanden. Im Folgenden werden sie kurz charakterisiert, wobei das Augenmerk auf ihre Interdisziplinarität gerichtet wird.

1.1

Die Interdisziplinarität der Pädeutologie

Die Bezeichnung pedeutologia (dtsch. Pädeutologie bzw. Lehrerforschung) geht auf die aus dem Griechischen stammenden Wörter paideutes (Pädagogen) und logos (Wort, Lehre) zurück und ist als Subdisziplin der Pädagogik anerkannt (Kwiatkowska 2008, S. 17ff.). Dieser Wissenschaftsbereich war zunächst in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts eine sich neu etablierende Disziplin und wird seitdem immer eigenständiger. In der letzten Zeit werden innerhalb der Pädeutologie vor allem Themen und Fragestellungen zur Lehrkraftpersönlichkeit, der Berufswahl, der Vorbereitung auf den Lehrberuf, der Lehrkräfteaus- und -fortbildung sowie der Berufspraxis erforscht. In der Entwicklung der Disziplin lassen sich drei Stadien unterscheiden: von der Konzentration auf den humanistisch-persönlichen Wert der Lehrperson selbst und dem Begreifen der Tätigkeit als Berufung bzw. als eine Art Dienst gegenüber dem Kind (im Sinne der Reformpädagogik) über die wissenschaftlich-technologische Kontrolle der Ergebnisse von Unterricht (in der Zeit der kognitiven Wende im 20. Jahrhundert) bis hin zur kritischen Reflexion des erzieherischen Einflusses von Lehrpersonen auf die Lernenden (seit dem Ende des 20. Jahrhunderts bis heute). Diese Etappen werden auch in der heutigen Ausbildung von Deutschlehrer:innen deutlich, wobei in diesem Bereich der Einfluss aller drei wissenschaftlicher Ansätze festzustellen ist, d. h. der Einfluss der humanistischen, der technologischen und der funktionalen Sicht. Als Subdisziplin der Pädagogik schöpft die Pädeutologie aus den Forschungsergebnissen der Psychologie, der Erziehungswissenschaft selbst, der Allgemeinen Didaktik und den Didaktiken einzelner Schulfächer sowie aus der Kommunikationsforschung, Kognitionswissenschaft und anderer Bereiche. In diesem Beitrag wird die Verbindung der Pädeutologie und der Glottodidaktik im Hinblick auf die Besonderheit der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden hervorgehoben.

1.2

Interdisziplinarität der Glottodidaktik

Die Glottodidaktik wird hier als zweite wissenschaftliche Hauptsäule der Ausbildung von Deutschlehrkräften dargestellt. Zu erwähnen sind ihre Wurzeln, als 1965 an der Universität Posen der Begriff Glottodidactica für eine von Ludwik Zabrocki gegründete Zeitschrift verwendet wurde (vgl. u. a. Skowronek 2013,

150

Beata Pec´

S. 10; 2014). Im Zentrum dieser Lehre steht »die professionelle Ausbildung von Fremdsprachenlehrern« (Grucza/Schwenk 2010, S. 105). Auf die »Konturierung der Glottodidaktik als eigenständige Wissenschaft« in den 70er-Jahren des 20. Jh. weisen u. a. Bausch und Krumm (1995, S. 20) hin. Wie Jaroszewska (2014, S. 52ff.) feststellt, werden in Polen heute Bemühungen unternommen, die Glottodidaktik auch vom Hochschulministerium als eigenständige wissenschaftliche Disziplin anerkennen zu lassen (vgl. auch Orchowska 2017, S. 182–183). In der heutigen Glottodidaktik werden besonders ihre interdisziplinären Merkmale hervorgehoben, da diese Disziplin mehrere wissenschaftliche Subdisziplinen berücksichtigt und aus ihren Forschungsergebnissen schöpft. Es ist in diesem Fall nicht von »Bi-« oder »Pluridisziplinarität« zu sprechen, sondern von »Interdisziplinarität«, die als »ein authentischer Dialog der Spezialisten in […] [mehreren] Wissenschaftsbereichen« verstanden wird (Wilczyn´ska/Michon´ska-Stadnik 2010, S. 26f.; übersetzt von B.P.). Als Bezugswissenschaften der Glottodidaktik, also solche Wissenschaften, »aus deren Arbeitszusammenhängen heraus [sie] sich […] entwickelt hat und deren Erkenntnisse in […] [diese] Disziplin hineinwirken« (Ehlich 2010a, S. 28), könnenu.a. die Linguistik (besonders die Allgemeine und Angewandte Sprachwissenschaft, die Vergleichende und Typologische Sprachwissenschaft, die Psycholinguistik, die Soziolinguistik und die Sprachsoziologie; vgl. Ehlich 2010b, S. 200), die Didaktik (Haß 2013, S. 26), die Erziehungswissenschaft/ Pädagogik/ Bildungswissenschaft (Haß 2013, S. 25), die Kognitionswissenschaft (Biechele 2010, S. 154), die Kommunikationswissenschaft (Rost-Roth 2010, S. 157), die Kulturwissenschaften (Haß 2013, S. 24), die Literaturwissenschaft (besonders Komparatistik und Allgemeine Literaturtheorie; vgl. Haß 2013, S. 23), die Psychologie (besonders die Entwicklungspsychologie und die Lernpsychologie; vgl. Haß 2013, S. 24) angeführt werden. Andere Bezugsdisziplinen der Glottodidaktik, wie z. B. Ethnologie (im Sinne der Völkerkunde), Geschichtswissenschaft, Kulturgeografie, Neurolinguistik, Politologie, oder Soziologie liefern weitere Forschungsergebnisse. An dieser Stelle lässt sich festhalten, dass in der Glottodidaktik als Wissenschaft Themen vertreten werden, die in der Ausbildung von Deutschlehrkräften realisiert werden. Die Pädeutologie befasst sich als Wissenschaft damit, wie diese Inhalte vermittelt werden sollten, d. h. welche wissenschaftlichen Ansätze, hochschuldidaktischen Methoden und Formen eingesetzt werden sollten, damit durch die Ausbildung von Deutschlehrenden sowohl künftige Lehrkräfte wie auch ihre Schülerinnen und Schüler auf das Lösen von Problemen der Zukunft optimal vorbereitet werden können. Wie bereits erwähnt, sind für diesen Beitrag die Ergebnisse der Pädeutologie von besonderer Bedeutung, die mit der Glottodidaktik korrespondieren; sie werden nachfolgend als glottopädeutologische Aspekte oder Glottopädeutologie bezeichnet. Beide Disziplinen lassen

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

151

einen direkten Bezug auf Subdisziplinen erkennen. In der modernen Deutschlehrendenausbildung in Polen werden in der Glottopädeutologie unterschiedliche interdisziplinäre Aspekte mitberücksichtigt: von den rein pädeutologischen und rechtswissenschaftlichen über psychologische, pädagogische und allgemeindidaktische bis hin zu glottodidaktischen und praxisorientierten Elementen. Dies wird auch in der empirischen Forschung sichtbar.

2.

Interdisziplinäre Aspekte in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden: Realisierung des Curriculums für die Deutschlehrkräfteausbildung im Germanistikstudium – eine Fallstudie (Germanistik an der Universität Warschau)

Im empirischen Teil des vorliegenden Beitrags wird die Umsetzung von interdisziplinären Programmen zur Deutschlehrkräfteausbildung am Beispiel des Instituts für Germanistik der Universität Warschau dargestellt. Die Methodologie der hier vorgestellten Untersuchung stützt sich auf den qualitativen Ansatz unter Berücksichtigung von quantitativen Elementen (vgl. Schramm 2016, S. 50ff.; Röbken/Wetzel 2016, S. 13) und kann als Hybridforschung (vgl. Wilczyn´ska/Michon´ska-Stadnik 2010: 142–144) bezeichnet werden, der somit Forderung nach Methodentriangulation nachkommt (vgl. Knorr/Schramm 2016, S. 90ff.) nach. Im Rahmen dieses Forschungsansatzes werden folgende Methoden eingesetzt: biografisches Verfahren (Fallstudie), Dokumentenanalyse, Befragung, Beobachtung und dialogisches Verfahren. Das biografische Verfahren bezieht sich auf den Fall der Deutschlehrendenausbildung am Institut für Germanistik der Universität Warschau und stützt sich bei der Dokumentensammlung in erster Linie auf klassische, qualitative und formelle Analysen von offiziellen, halboffiziellen und privaten Dokumenten (im untersuchten Fall: Analyse von Gesetzestexten des Hochschulministeriums bezüglich der Ausbildung von Deutschlehrkräften, des Curriculums der Deutschlehrendenausbildung am Institut für Germanistik sowie von einzelnen Seminarprogrammen und Praktikumsdokumenten). Die Befragung wird erstens durch die schriftliche Fragebogentechnik mit standardisiertem Fragebogeneinsatz realisiert, wobei der Fragebogen selbst sowohl geschlossene als auch halboffene und offene Elemente beinhaltet, und zweitens durch eine mündliche Fragebogentechnik mit nicht standardisiertem Intervieweinsatz. Mit Beobachtung ist Selbstbeobachtung gemeint; sie bildet die Grundlage für die individuelle Datenerhebung im Rahmen des Fragebogeneinsatzes (hier: der Selbsteinschätzung). Die Ergänzung der Forschungsdaten durch ein dialogisches Verfahren (individuelle, direkte Gespräche unter Berücksichtigung des aktiven Zuhörens und Listen von groben

152

Beata Pec´

Hauptkategorien) soll dazu beitragen, dass die Ergebnisse nicht nur reliabel und valide sind, sondern auch Gütekriterien der qualitativen Forschung, wie Offenheit, Flexibilität und Kommunikativität, erfüllen (vgl. Łobocki 2000; Wilczyn´ska/ Michon´ska-Stadnik 2010; Caspari et al. 2016). Für die Untersuchung wurden Dokumente des Instituts für Germanistik der Universität Warschau aus den Jahren 2012 bis 2019 analysiert sowie ausgewählte Praktikumsdokumente von Studierenden. Zur Erhebung der im vorliegenden Beitrag ausgewerteten empirischen Daten bezüglich der mündlichen Befragung wurden zwei Studierende und drei Dozierende befragt. Die Hauptforschungsfrage – Wie wird die Interdisziplinarität der Ausbildung von Deutschlehrkräften am Institut für Germanistik der Universität Warschau realisiert? – umfasst folgende Detailfragen: Welche rechtlichen/psychologisch-pädagogischen/(glotto-) didaktischen Aspekte werden in der Ausbildung berücksichtigt? Ist dieses Modell humanistisch/technologisch/funktional? Im Folgenden werden die Forschungsergebnisse dargestellt.

2.1

Rechtlich orientierte Aspekte der Ausbildung von Deutschlehrkräften

Die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden heute wird in Polen in Anlehnung an das Gesetz des Polnischen Hochschulministeriums vom 17. Januar 2012 gestaltet (vgl. Tabelle 1 im Anhang). Schon die erste Analyse des Dokuments verdeutlicht die interdisziplinäre Ausrichtung der Ausbildung. Wie immer bilden das allgemeine germanistische Wissen und Können den wissenschaftlichen Ausgangspunkt (siehe Modul 1: Fachliche Vorbereitung). In den Curricula für das germanistische Bachelorstudium wird u. a. auf Wissenschaften wie Linguistik, Literaturwissenschaft und Literaturtheorie, Landeskunde, Philosophie, Geschichtswissenschaft, Kulturwissenschaft, Psychopädagogik und Glottodidaktik referiert (vgl. z. B. das Curriculum für das Bachelorstudium Germanistik an der Universität Warschau 2018). Die Curricula für das Masterstudium weisen auf ähnliche Disziplinen hin, wobei das besondere Interesse beispielsweise der Kulturgeschichte und Kulturkomparatistik, der Interkulturellen Kommunikationswissenschaft, der Glottodidaktik, der Linguistik (mit Theorie der Übersetzung), der Literaturgeschichte, -kritik und -translatorik sowie den transkulturellen Studien gilt (vgl. das Curriculum für das Masterstudium Germanistik an der Universität Warschau 2018). An diesen allgemeinen Richtlinien für die fachliche Vorbereitung künftiger Deutschlehrkräfte ist bereits das interdisziplinäre Verständnis von Wissen und Können erkennbar. Dies wird in den Studienfächern weiter vertieft, die Modul 2 (psychologisch-pädagogische Vorbereitung) und Modul 3 (didaktische Vorbe-

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

153

reitung) zugerechnet werden. Im Bereich welcher Subdisziplinen sie organisiert werden, wird im Folgenden dargestellt.

2.2

Psychologisch-pädagogische Aspekte in der Ausbildung von Deutschlehrkräften

Die Wichtigkeit der psychologischen und pädagogischen Ausbildung zukünftiger Lehrpersonen ist heute unbestritten und wird in vielen Publikationen begründet (u. a. Ruthemann 2002, S. 319ff.). Aus Tabelle 1 (im Anhang) geht hervor, dass die Vorbereitung der Studierenden in psychologisch-pädagogischer Hinsicht (Modul 2) durch die Realisierung von drei Modulkomponenten geschieht: der allgemeinen psychologisch-pädagogischen Komponente, der speziellen psychopädagogischen Komponente, die sich auf die Planung und Mitgestaltung der Lernprozesse auf der jeweiligen Bildungsstufe2 bezieht, sowie der praxisbezogenen Komponente. Die im Anhang zusammengestellten Übersichten zeigen die Möglichkeiten der Gestaltung im Germanistikstudium an der Universität Warschau (vgl. Tab. 2 und Tab. 3). An diesen Darstellungen wird deutlich, dass die psychologisch-pädagogische Vorbereitung beide Disziplinen, also Psychologie und Pädagogik, miteinander verbindet. Eine gründliche Analyse der Inhalte, die in den Lehrplänen der einzelnen Studienfächer realisiert werden, weist auf ihre Interdisziplinarität und die direkte Verbindung zur Glottodidaktik hin. Im Folgenden werden ausgewählte, in den Lehrplänen der einzelnen Studienfächer festgelegte Inhalte dargestellt, und zwar unter Berücksichtigung ihres interdisziplinären Charakters. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass im Falle der Hauptdisziplinen Pädagogik und Psychologie im Rahmen der Deutschlehrerausbildung im untersuchten Fall Ergebnisse mehrerer Subdisziplinen ergänzt werden, z. B. Elemente der Allgemeinen Psychologie (vgl. Spering/Schmidt 2017, Horstmann/Dreisbach 2017), der Entwicklungspsychologie (vgl. Schneider/Lindenberger 2012), der Pädagogischen Psychologie (vgl. Woolfolk 2014) sowie der Differentiellen und Persönlichkeitspsychologie (vgl. Salewski/Renner 2009). Dies wird auch in der nächsten Darstellung deutlich, die ein Beispiel für das Umsetzen von theoretischen Inhalten in seminardidaktische Übungen zeigt (vgl. Tab. 4). Besonders interessant in den untersuchten Hochschulprogrammen sind die Verbindungen mit der Sonderpädagogik. Dies ist in der Deutschlehrkraftausbildung relativ neu und soll 2 Zur Zeit der Untersuchung werden im polnischen Ausbildungssystem vier Bildungsstufen unterschieden, die sich nach Jahrgangstufen richten und folgende Klassen umfassen: 1. Bildungsstufe – 1.–3. Grundschulklasse, 2. Bildungsstufe – 4.–6. Grundschulklasse, 3. Bildungsstufe – drei Gymnasialklassen, 4. Bildungsstufe – drei bis vier Oberschulklassen.

154

Beata Pec´

im Hinblick auf die sich verändernde Gesellschaft mitberücksichtigt werden. So lernen Studierende, welche Lern- und Entwicklungsstörungen es gibt, was zu ihrer Entstehung führt und wie ihnen pädagogisch begegnet werden kann und soll, wobei das besondere Augenmerk dem Umgang im Deutschunterricht gilt (vgl. z. B. Heimlich 2016, Zawadzka-Bartnik 2010). Eine ähnliche Interdisziplinarität gilt für die Lehrveranstaltungsform Konversatorium im Masterstudium Germanistik (vgl. Tab. 5). Immer wesentlicher sind auch die deutlichen Beziehungen zur Pädagogischen Axiologie (vgl. Chałas/Maj 2016), was auch in den an Haltungen orientierten Bildungseffekten für die Deutschlehrkräfteausbildung an der Universität Warschau deutlich ist. Die letzte Komponente in Modul 2 bildet das psychologisch-pädagogische Schulpraktikum, das die Studierenden selbstständig an Grundschulen und eventuell auch in Kindergärten realisieren. Die Analyse der Lehrpläne für das Praktikum im Bachelor- und Masterstudium legt den Schluss nahe, dass auch hier außer den Hauptdisziplinen der Psychologie und Pädagogik Elemente der Kommunikationswissenschaft, der Soziologie, der Glottodidaktik und der Linguistik berücksichtigt werden. Die Studierenden beobachten und beschreiben (auf Deutsch) die Aktivitäten von Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schülern, ihre Interaktionen und die Kommunikation, konzentrieren sich auf die Gruppendynamik und Erziehungsmethoden, und zwar mit Berücksichtigung von besonderen Bedürfnissen einzelner Lernender (darunter besonders begabte Lernende und Schülerinnen oder Schüler mit Lern- und Entwicklungsstörungen; vgl. Soban´ska-Je˛drych u. a. 2013). Das Schulpraktikum ist zudem direkt mit den entsprechenden Studienfächern verbunden (im Bachelorstudium mit Psychopädagogik – 1. Bildungsstufe, Psychopädagogik – 2. Bildungsstufe, im Masterstudium mit psychologisch-pädagogischen Applikationen – 3. Bildungsstufe). Es soll ergänzt werden, dass die Studierenden in allen psychologisch-pädagogischen Studienfächern mit der Methodologie der psychopädagogischen sowie glottodidaktischen Forschung konfrontiert und auf das selbstständige Forschen im Rahmen des Faches Psychologisch-pädagogisches Forschungsprojekt (Masterstudium) vorbereitet werden.

2.3

Didaktische Aspekte in der Ausbildung von Deustchlehrkräften

Die Interdisziplinarität der Deutschlehrendenausbildung wird in den zu Modul 3 (Tab. 1) gehörenden Studienfächern weiterentwickelt, erweitert und ergänzt. Die in den glottodidaktischen Seminaren zu besprechenden Inhalte betreffen damit nicht nur die reine Glottodidaktik. Die Realisierung des dritten Moduls umfasst wie im zweiten Modul drei Komponenten: Grundlagen der Didaktik, bildungsstufenbezogene Didaktik und Schulpraktikum. Welche Studienfächer in diesem

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

155

Bereich am Institut für Germanistik der Universität Warschau vorgeschlagen werden, zeigen die Übersichten für das Bachelorstudium (Tab. 6) bzw. das Masterstudium (Tab. 7). Hinsichtlich Komponente 3.1 werden Grundlagen der Allgemeinen Didaktik interdisziplinär besprochen (Tab. 8). Die allgemeindidaktischen Inhalte werden im Bachelorstudium im Hinblick auf das Unterrichten an Grundschulen und in Kindergärten3, im Masterstudium für die Oberschulen analysiert (vgl. Lehner 2009). Ähnlich bezieht sich die Modulkomponente 3.2 auf die Glottodidaktik unter Berücksichtigung der jeweiligen Bildungsstufe. Im Bachelorstudium wird die Methodik des Fremdsprachenunterrichts realisiert, d. h. die Art und Weise der Vermittlung und des Trainings von Sprachhandlungen (isoliert im Rahmen der auditiven, visuellen und audiovisuellen Rezeption, der mündlichen und schriftlichen Produktion, der mündlichen, schriftlichen und gemischten Interaktion und der mündlichen und schriftlichen Mediation bzw. integriert durch z. B. den Einsatz von offenen Lehr- und Lernformen). Diesbezüglich wird beispielsweise aus den Ergebnissen der Linguistik, Psycholinguistik, Neurolinguistik, Literaturdidaktik, Geschichtswissenschaft und den Kulturwissenschaften geschöpft. Im Masterstudium werden die Inhalte wieder aufgegriffen, aber im Hinblick auf das Unterrichten von älteren Lernenden ergänzt und erweitert (z. B. Tab. 9). Für alle Ausbildungsinhalte im Bereich des 3. Moduls bildet die Glottodidaktik die Grundlage, wobei Bezüge auf die Pädagogik und Sonderpädagogik, Psychologie, Linguistik, Allgemeine Didaktik sowie Pädeutologie selbst deutlich sind. Die letzte Komponente (3.3) wird am Institut für Germanistik der Universität Warschau als Glottodidaktisches Schulpraktikum auf den entsprechenden Bildungsstufen realisiert. Es besteht jeweils aus zwei unterschiedlichen Etappen, einer praxisorientierten Unterrichtsbeobachtung (60 Unterrichtsstunden) und einer selbstständigen Vorbereitung und Leitung des Deutschunterrichts (60 Unterrichtsstunden). Nach dem o. g. Gesetz des Polnischen Bildungsministeriums wird das Schulpraktikum in direkter Verbindung mit wissenschaftlich-theoretischen Inhalten realisiert, die in den Studienfächern Glottodidaktik (im Bachelorstudium) und Glottodidaktische Lehrkompetenzen (im Masterstudium) besprochen werden, und ist damit ebenfalls interdisziplinär sowie auf entsprechende Bildungsstufen bezogen.

3 Die Grundschule in Polen umfasst im untersuchten Zeitraum sechs Jahre Grundausbildung (1.–6. Grundschulklasse). Um in einem Kindergarten die deutsche Sprache unterrichten zu dürfen, sollen KindergartenerzieherInnen mindestens das Germanistik-Bachelorstudium mit Lehrkraftvorbereitung abgeschlossen haben.

156 2.4

Beata Pec´

Glottopädeutologische Aspekte in der Ausbildung von Deustschlehrkräften

2.4.1 Perspektive der Dozierenden An dieser Stelle soll hervorgehoben werden, dass die Vermittlung aller interdisziplinären Aspekte der Deutschlehrendenausbildung im untersuchten Fall auf den beiden eingangs ausgewiesenen theoretisch-wissenschaftlichen Säulen basiert: der pädeutologischen und der glottodidaktischen. Dies bedeutet eine besondere Organisation der klassischen Universitätsseminare, wie sich aus Gesprächen mit Dozierenden für Psychopädagogik und Glottodidaktik herleiten lässt. Auf Grundlage der bereits vorgestellten pädeutologischen Ansätze, d. h. des humanistischen, technologischen und funktionalen Ansatzes,wird versucht, die didaktischen Veranstaltungen an der Germanistik so zu gestalten, dass sie nicht nur humanistisch orientiert sind und technologische Elemente beinhalten, sondern vor allem einen funktionalen Zugang zu den Ausbildungsinhalten ermöglichen. Das Einprägen, Erwerben und Erweitern von wissenstheoretischen Inhalten in den oben genannten Disziplinen wird für diese Zwecke nicht nur mit dem kritischen Denken verbunden, sondern soll zur Entwicklung von Lösungsansätzen für künftige, hypothetische Herausforderungen anregen und somit die kreative Originalität von Methoden im fremdsprachlichen Deutschunterricht bei allen Studierenden fördern (vgl. Ballard/Clancy 1991). Unterrichtssprache in allen sich auf die Ausbildung angehender Deutschlehrkräfte beziehenden Studienfächern am Institut für Germanistik der Universität Warschau ist das Deutsche, was eine gewisse Ausnahme sowohl an der Neophilologischen Fakultät als auch im Vergleich zu Germanistikstudien an anderen Universitäten ist. Dies zeigt, dass die Fremdsprache Deutsch nicht nur als Ziel, sondern auch als Kommunikationsmittel und Unterrischtssprache verstanden wird, und verdeutlicht zudem die direkte Verbindung zur Angewandten Linguistik. Die humanistische Orientierung wird erstens in der Interdisziplinarität der zu vermittelnden Inhalte deutlich, zweitens in der Art und Weise ihrer Vermittlung, d. h. aus psychologischer, pädagogischer und didaktischer Sicht. In psychologischer Hinsicht wird versucht, das oberste Ziel der Humanistischen Psychologie, nämlich die Selbstverwirklichung der Studierenden als künftige Deutschlehrende, zu fördern und zu erreichen. Dies wird u. a. durch unterschiedliche Formen der affektiven und sozialen Förderung erreicht. Pädagogisch gesehen werden hierbei Elemente wie z. B. die Arbeit in Sprachlernwerkstätten oder der Einsatz von offenen Lehr- und Lernformen (Frei-, Stationen-, Tagesplan- und Projektarbeit; vgl. Karpeta-Pec´ 2008; Pec´ 2019: 73–90) berücksichtigt. Auf didaktischer Ebene entsprechen die Seminare im beschriebenen Fall der

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

157

Forderung nach Autonomie-, Studierenden-, Handlungs- sowie Ganzheitlichkeitsorientierung bzw. nach Öffnung der Seminare in vielerlei Hinsicht. Dafür wird zum Beispiel die Konzeption des Lernens durch Lehren (nach Jean-Pol Martin) eingesetzt, nach der die Studierenden in bestimmten Seminarteilen die Rolle der Lehrenden übernehmen und ihre Kommiliton:innen selbst unterrichten. Der technologische Ansatz wird berücksichtigt, indem die Veranstaltungen zur Deutschlehrkräfteausbildung nicht nur in Form von universitären Vorlesungen, sondern auch als akademische Werkstattseminare gestaltet werden, an denen die Studierenden aktiv, kritisch und kreativ teilnehmen. Dabei werden neue Technologien verwendet, wie das interaktive Whiteboard, Internet, Apps u. a. Zu erwähnen ist auch die selbstständige Organisation von Workshops für Schülerinnen und Schüler. Jede zu besprechende bzw. neue Tendenzen im Fremdsprachenunterricht betreffende Methode oder Übungsform wird auch als solche realisiert: so wird das Thema Lernen an Stationen als Stationenarbeit oder der Einsatz des Fremdsprachenportfolios mit dem Einsatz von selbst erarbeiteten Portfolios organisiert. Die Studierenden lernen hier nach dem Motto: Erleben und erleben lassen. Die funktionale Sicht wird in der Ausbildung von Deutschlehrkräften an der Germanistik der Universität Warschau zunehmend hervorgehoben. Wie bereits erwähnt, werden die Studierenden nicht nur zur kritischen Auseinandersetzung mit Inhalten geführt, sondern sie entwickeln dank der ständigen und selbstständigen Reflexion Autonomie. Eine besondere Rolle spielt dabei das aktive Training von Schlüsselkompetenzen, die für künftige Deutschlehrende von besonderer Bedeutung sind. In allen der Ausbildung von Deutschlehrkräften gewidmeten Lehrveranstaltungen werden sich die Studierenden ihrer persönlichen Stärken bewusst und lernen den positiven Umgang mit ihren Schwächen. So lässt sich sagen, dass sie sich am Ende ihrer Ausbildung gut kennen, ihr Verhalten als Lehrkräfte reflektieren und hypothetische Probleme auf kreative, untypische Weise lösen können. 2.4.2 Perspektive der Studierenden Mit den obigen Zielen korrespondieren nicht nur die akademischen Seminare, sondern auch alle drei Arten von Schulpraktika. Dies wird deutlich durch die Analyse von Dokumenten zum Schulpraktikum, die unter anderem Praktikumsberichte, Beobachtungsbögen sowie Entwürfe für eigene Unterrichtsstunden im Deutschen als Fremdsprache beinhalten. Interessant sind die Reflexionen von Studierenden, die sich zur Interdisziplinarität der Deutschlehrkräfteausbildung am Institut für Germanistik der Universität Warschau äußerten. Für diesen Teil der Untersuchung wurden keine Forschungsfragen vorformuliert,

158

Beata Pec´

sondern ein Kriterienkatalog erarbeitet, der unterschiedliche Aspekte der interdisziplinären Ausbildung von Deutschlehrenden berührt (vgl. Tab. 10). Für die Untersuchung wurden mehrere Gespräche mit ausgewählten Studierenden durchgeführt, von denen für den vorliegenden Beitrag Aussagen von zwei Studierenden des 2. Studienjahres (Masterstudium) einer detaillierten Analyse unterzogen wurden. Einer der Studierenden absolvierte das Studium vollständig am Institut für Germanistik an der Universität Warschau (S8), die zweite Person nur im Masterstudium (S2). Beide Studierenden weisen auf Besonderheiten der Seminare in der Ausbildung von Deutschlehrenden hin: wir saßen im Kreis, woran wir am Anfang nicht gewöhnt waren. Es war aber eine gute Erfahrung, weil ich das später in meinen Unterrichtsstunden nutzen konnte (…) (S8) (übersetzt von B.P.)4. Aus dem gesamten Gespräch lässt sich ableiten, dass die Studierenden das Ausbildungsmodell als interdisziplinären Prozess wahrnehmen, in dem Merkmale des humanistischen, technologischen und funktionalen Zugangs deutlich sind (was bereits einer Analyse unterzogen wird). Der humanistische Zugang lässt sich an mehreren Stellen der Gespräche identifizieren. Vor allem S8 ist sich der Entwicklung der eigenen Autonomie im Verlauf der fünfjährigen Lehrkraftausbildung für den fremdsprachlichen Deutschunterricht bewusst. Alle Befragten bestätigen die Interdisziplinarität des Ausbildungsmodells im Hinblick auf Glottodidaktik, Pädagogik, Psychologie, Soziologie und Philosophie. Es kann festgestellt werden, dass das höchste Ziel, die Selbstverwirklichung, erst durch das Schulpraktikum erreicht werden kann. Die Berücksichtigung von persönlichen Interessen ist vor allem durch selbstständige Präsentationen von Inhalten im Rahmen des Lernens durch Lehren (LdL) und des Microteachings möglich, bei denen die Studierenden auch selbst als Lehrpersonen auf unterschiedliche Lerntypen ganzheitlich zugingen. Daraus resultiert direkt die technologische Handlungsorientierung von Seminaren zur Deutschlehrkräfteausbildung. Die Studierenden bemerken diese Möglichkeiten und schätzen sie sehr, wobei sie auch besonders das Experimentieren und Erleben hervorheben. Aus den individuellen Gesprächen wird deutlich, dass die Möglichkeit des selbstständigen Trainings von Formen, Methoden und Techniken für die Unterrichtspraxis vor allem im Bachelorstudium gesehen wird: die Seminare in Glottodidaktik haben mir sehr geholfen; es war für mich einfach eine gute Basis, um meine Unterrichtsstunden korrekt realisieren zu können (S8) (selbst übersetzt). Die offenen Lehr- und Lernformen in den Seminaren wurden positiv erlebt, jedoch wurde die Übertragung auf die Schulpraxis als schwierig (S2) oder fast unmöglich (S8) wahrgenommen. Hervorzu4 Das Interview erfolgte in der polnischen Sprache, und die Aussagen von Studierenden wurden für die Zwecke der vorliegenden Studie übersetzt.

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

159

heben ist allerdings, dass nicht alle Befragten es überhaupt getraut haben, im Rahmen ihres Schulpraktikums offene Lehr- und Lernformen in den von ihnen selbstständig realisierten Deutschstunden einzusetzen. Der Einsatz neuer Technologien wird dagegen sowohl in den theoretischen als auch in den praxisorientierten Seminaren deutlich, besonders bei den selbstständig realisierten LdLund Forschungsprojekten. Die Funktionalität des interdisziplinären Ausbildungsmodells wird in allen Gesprächen deutlich. Die Studierenden sind sich ihrer Stärken bzw. Schwächen bewusst und wissen, wie sie mit ihnen umgehen können. In allen Veranstaltungen erhalten sie die Möglichkeit zum kritischen Denken, zur kritischen Analyse und zur Auswahl von Seminarinhalten. Im Schulpraktikum bestätigt sich ihrer Meinung nach die zuvor als gut empfundene Vorbereitung auf das Lösen schulischer Probleme. Sie heben besonders die eigene Kreativität (als Ressource bei der Unterrichtsvorbereitung und im Unterricht) hervor, aus der sie zunehmend frei schöpfen. In allen Gesprächen ließen sich viele Stellen identifizieren, in denen die Studierenden über sich selbst und ihr Verhalten als Deutschlehrende reflektieren. Sie sind zudem der Ansicht, dass die Reflexivität in den Seminaren direkt entwickelt wird.

3.

Schlussfolgerungen und Zukunftsperspektiven

Die dargestellten Ergebnisse der exploratorisch-interpretatorischen Untersuchung zeigen die Interdisziplinarität der Ausbildung von Deutschlehrkräften auf. Die empirische Fallstudie weist auf die Besonderheit dieser Art der Lehrkräfteausbildung hin. Das fächerübergreifende und interdisziplinäre Ausbildungsmodell beinhaltet Elemente des humanistischen, technologischen und funktionalen Zugangs, was sowohl von den Dozierenden als auch von den Studierenden geschätzt wird. Diese Ausbildungsform hat einen ausgeprägt interdisziplinären Charakter, infolge dessen sich künftige Deutschlehrende voll entfalten und selbst verwirklichen können. Aktuell entsteht eine neue Konzeption der Lehrkräfteausbildung in Polen. Nach dem neuen Gesetz des Polnischen Hochschulministeriums vom 25. Juli 2019 wird die Ausbildung von Lehrkräften (darunter auch von Lehrenden für das Deutsche als Fremdsprache) weiter auf vier Modulen basieren: dem inhaltlichen, das im Rahmen des jeweiligen Studienfaches (hier: Germanistik) realisiert wird, dem psychologisch-pädagogischen, dem allgemein-didaktischen (unter Berücksichtigung der Stimmbildung, was neu ist) und dem didaktischen (hier: glottodidaktischen). Die Stundenzahl für das psychologische und pädagogische Modul wird um 30 Seminarstunden auf 180 Stunden erweitert – verordnet wird dabei auch, dass nur zwei Drittel aller dafür vorgesehenen Stunden stationär

160

Beata Pec´

(d. h. in Form von universitären Veranstaltungen) realisiert werden, 60 Veranstaltungsstunden mit psychologisch-pädagogischer Ausrichtung sollen nach dem neuen Gesetz in direkter Verbindung mit dem Schulpraktikum stehen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Universitäten höchstwahrscheinlich noch enger mit Praktikumsschulen kooperieren werden, wodurch die Interdisziplinarität weiter gestärkt würde. Als Zusammenfassung der obigen theoretischen Erwägungen und empirischen Forschungsergebnisse wird die Paraphrase des in der Einführung zitierten Aphorismus vorgeschlagen: Wir – Dozierende von gestern – unterrichten heute die Lehrkräfte von morgen.

Anhang Tab. 1: Deutschlehrendenausbildung heute: Richtlinien des polnischen Hochschulministeriums (nach: Verordnung des Hochschulministeriums, 17. Januar 2012). Programmmodul

Modulkomponente

Modul 1: Fachliche Vorbereitung

Fachliche Vorbereitung auf das Unterrichten des jeweiligen Schulfaches (gemäß den Richtlinien für das Studienfach)

Modul 2: Psychologisch-pädagogische Vorbereitung

1. Allgemeine psychopädagogische 90 Vorbereitung 2. Psychopädagogische Vorbereitung 60 auf die Planung und Mitgestaltung von Lernprozessen der jeweiligen Bildungsstufe

Modul 3: Didaktische Vorbereitung

Stundenzahl ECTSPunkte * **

3. Schulpraktikum 1. Grundlagen der Didaktik

30 30

2. Bildungsstufenbezogene Didaktik 3. Schulpraktikum

90 120

10

15

161

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

Tab. 2: Rahmencurriculum für den Bereich Psychopädagogik – Institut für Germanistik (Universität Warschau): Bachelorstudium Programmmodul Modulkomponente Modul 2: Psychologisch-pädagogische Vorbereitung

Std. Studienfächer

1. Allgemeine psycho- 90 pädagogische Vorbereitung

Psychopädagogik

2. Psychopädagogische 60 Vorbereitung auf die Planung und Mitgestaltung von Lernprozessen der jeweiligen Bildungsstufe 3. Schulpraktikum 30

Psychopädagogik – 1. Bildungsstufe

Std. ECTSPunkte 90 min. 10 60

Psychopädagogik – 2. Bildungsstufe Psychopädagogisches 30 Schulpraktikum – 1. und 2. Bildungsstufe

Tab. 3: Rahmencurriculum für den Bereich Psychopädagogik – Institut für Germanistik (Universität Warschau): Masterstudium Programmmodul Modulkomponente

Std. Studienfächer

Modul 2: Psycho- 1. Allgemeine psycho- 90 logisch-pädago- pädagogische Vorbegische Vorberei- reitung tung 2. Psychopädagogische 60 Vorbereitung auf die Planung und Mitgestaltung von Lernprozessen der jeweiligen Bildungsstufe 3. Schulpraktikum 30

Psychopädagogik

Std. ECTSPunkte 90 min. 10

Psychopädagogisches Forschungsprojekt in der Glottodidaktik Psychopädagogische Applikationen in der Glottodidaktik – 3. Bildungsstufe

60

Psychopädagogisches Schulpraktikum – 3. Bildungsstufe

30

162

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Tab. 4: Modul 1 – Modulkomponente 1.1 – Allgemeine psychologisch-pädagogische Vorbereitung – Studienfach: Psychopädagogik (Vorlesung) – Bachelorstudium – Institut für Germanistik – Universität Warschau (eigene Übersicht) Ausgewählte Themeninhalte Glottodidaktik und Psychopädagogik

Bezugswissenschaften Glottodidaktik, Psychologie, Pädagogik

Lerntheorien und Glottodidaktik Grundbegriffe der Psychologie

Psychologie, Glottodidaktik Psychologie

Entwicklung von Kindern und Jugendlichen Theorien und Struktur der Persönlichkeit

Psychologie, Pädagogik, Glottodidaktik Psychologie

Soziale Wahrnehmung und Erkenntnis

Pädagogik, Soziologie, Kognitionswissenschaft Psychologie

Psychologische Menschenkonzeptionen

Interpretation des Verhaltens von Lernenden Pädagogik, Psychologie und von erzieherischen Handlungen in der Schule Erziehung vs. Entwicklung Pädagogik, Psychologie Schule als Erziehungsinstitution Lehrberuf

Pädagogik, Psychologie Pädagogik, Psychologie, Rechtswissenschaft, Glottodidaktik

Kommunikation und Kultur der Sprache

Psychologie, Pädagogik, Soziologie, Glottodidaktik, Kommunikationswissenschaft Pädagogik, Psychologie

Kennenlernen von Schülerinnen und Schülern Norm und Pathologie Prävention in der Schule

Pädagogik, Psychologie Pädagogik, Psychologie

Tab. 5: Modul 1 – Modulkomponente 1.2 – Psychologisch-pädagogische Vorbereitung auf die Planung und Mitgestaltung der Lernprozesse auf der jeweiligen Bildungsstufe (hier: 3. Bildungsstufe) – Studienfach: Psychopädagogische Applikationen in der Glottodidaktik 1–3. Bildungsstufe (Übungen) – Masterstudium – Institut für Germanistik – Universität Warschau (eigene Übersicht) Ausgewählte Themeninhalte Bezugswissenschaften Lernende auf der 3. Bildungsstufe: Entwick- Psychologie, Pädagogik lung von Kindern und Jugendlichen; Entwicklungsmodelle und -phasen; Klärung des Begriffs Adoleszenz; frühes Erwachsenenalter Körperliche, motorische und psychosexuelle Psychologie, Pädagogik Entwicklung von Jugendlichen; Körperveränderungen in der Adoleszenz; körperliche Reife Psychologie, Pädagogik, Glottodidaktik Kognitive Entwicklung von Jugendlichen; Funktionsweisen des Gedächtnisses; Lernen im Jugendalter

163

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

(Fortsetzung) Ausgewählte Themeninhalte Emotionale Entwicklung von Jugendlichen; psychische Veränderungen in der Adoleszenz; emotionale Reife; Identitätsbildung Soziale Entwicklung von Jugendlichen; soziale Reife; Identifikation mit neuen sozialen Rollen Ethische Entwicklung von Jugendlichen; Erwachsensein; Bildung des persönlichen Lebensstils Soziale Kontakte der Schülerinnen und Schüler; Gruppe der Gleichaltrigen; soziale Position in der Gruppe; Bedeutung der Gruppe; Freundschaft und Liebe Konflikte mit Gleichaltrigen, Eltern, pädagogischen Fachkräften; Idole und Autoritäten; Wechsel von Autoritäten; Autoritätskrise (Lehrkräfte und Eltern); Konfliktlösung

Bezugswissenschaften Psychologie, Pädagogik Psychologie, Pädagogik, Soziologie Psychologie, Pädagogik, Axiologie Psychologie, Pädagogik, Soziologie

Psychologie, Pädagogik, Kommunikationswissenschaft

Widerstand in der Adoleszenz und seine Pädagogik, Psychologie Funktionen; Abhängigkeiten; Aggression; Gewalt; informelle Gruppen; Sekten; Subkulturen; Ausgeschlossensein; Akzeptanz Neue Schule; Anpassung an die neue Schul- Pädagogik, Psychologie wirklichkeit; Wahl der Abiturfächer; Berufswahl; Geltungstrieb; Ambitionen; Motive Störungen in der Adoleszenz; Stimmungsschwankungen; Depression; Verhaltensstörungen; Umgang mit Auffälligkeiten Positive Förderung von Jugendlichen; positives Feedback von Lehrpersonen und Eltern

Psychologie, Pädagogik, Sonderpädagogik Psychologie, Pädagogik, Kommunikationswissenschaft, Axiologie

Tab. 6: Rahmencurriculum für den Bereich Glottodidaktik – Institut für Germanistik (Universität Warschau): Bachelorstudium Programmmodul

Modulkomponente

Modul 3: Didakti- 1. Grundlagen der sche Vorbereitung Didaktik 2. Didaktik der jeweiligen Bildungsstufe 3. Schulpraktikum

Std. Studienfächer

Std.

30

30

90

Grundlagen der Glottodidaktik Glottodidaktik

90

120 Glottodidaktisches 60 + 60 Schulpraktikum – 1. + 2. Bildungsstufe

ECTSPunkte min. 15

164

Beata Pec´

Tab. 7: Rahmencurriculum für den Bereich Glottodidaktik – Institut für Germanistik (Universität Warschau): Masterstudium ProgrammModulkomponente Std. modul Modul 3: Didak- 1. Grundlagen der 30 tische Vorberei- Didaktik tung 2. Didaktik der jeweiligen Bildungsstufe 3. Praktikum

90

Studienfächer Grundsätzliche Kontexte des Fremdsprachenlehrens

Glottodidaktische Lehrkompetenzen – 3. Bildungsstufe 120 Glottodidaktisches Schulpraktikum – 3. Bildungsstufe

Std. ECTSPunkte 30 min. 15 90 60 + 60

Tab. 8: Modul 3 – Modulkomponente 3.1 – Didaktische Vorbereitung: Grundlagen der Didaktik – Studienfach: Grundlagen der Glottodidaktik. Vorlesung – Bachelorstudium – Institut für Germanistik – Universität Warschau (eigene Übersicht) Ausgewählte Themeninhalte Didaktik als Subdisziplin der Pädagogik

Bezugswissenschaften Allgemeine Didaktik, Pädagogik, Glottodidaktik

Schule als die Entwicklung des Individuums und der Gesellschaft fördernde Institution Lehr- und Lernprozess

Allgemeine Didaktik, Pädagogik

Bildungssystem Schulklasse als Bildungsmilieu

Allgemeine Didaktik, Psychologie, Pädagogik, Glottodidaktik Allgemeine Didaktik, Rechtswissenschaft Allgemeine Didaktik, Pädagogik, Psychologie, Glottodidaktik

Gestaltung pädagogischer Aktivitäten im Kontext von sonderpädagogischen Bedürfnissen und besonderen Fähigkeiten von Lernenden Diagnose, Kontrolle und Bewertung von Bildungseffekten

Allgemeine Didaktik, Pädagogik, Sonderpädagogik, Psychologie, Glottodidaktik

(Fremd-)Sprache als Arbeitsmittel der Lehrkraft

Allgemeine Didaktik, Glottodidaktik, Kommunikationswissenschaft

Allgemeine Didaktik, Pädagogik, Psychologie, Glottodidaktik

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

165

Tab. 9: Modul 3 – Modulkomponente 3.2 – Didaktische Vorbereitung: Didaktik für die 3. Bildungsstufe – Studienfach: Glottodidaktische Lehrkompetenzen – 3. Bildungsstufe (Studienseminare) – Masterstudium – Institut für Germanistik – Universität Warschau (eigene Übersicht) Ausgewählte Themeninhalte Fremdsprache (3. Bildungsstufe)

Bezugswissenschaften Glottodidaktik, Rechtswissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Linguistik

Fremdsprachenunterricht; formale Struktur des Unterrichts als methodische Einheit; Unterrichtsmodelle Konventionelle und unkonventionelle Methoden; Prinzipien des Unterrichts

Glottodidaktik, Allgemeine Didaktik

Arbeitsorganisation im Klassenzimmer Lernfortschrittsmessung und Leistungsbewertung

Glottodidaktik, Pädagogik Glottodidaktik, Pädagogik, Psychologie

Gestaltung des Klassenraums; Lehrmittelund Medieneinsatz im DaF-Unterricht Entdecken und Fördern von Veranlagungen bzw. Talenten der Lernenden im DaF-Unterricht

Glottodidaktik, Pädagogik, Medienpädagogik, Mediendidaktik Glottodidaktik, Psychologie, Pädagogik

Anpassen pädagogischer Aktivitäten an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schüler:innen, insbesondere an die psychophysischen Fähigkeiten und das Lerntempo von Lernenden mit sonderpädagogischem Förderbedarf Lernschwierigkeiten, einschließlich spezifischer Schwierigkeiten beim Erlernen von Fremdsprachen – Prävention, Diagnose, psychologische und pädagogische Hilfe

Glottodidaktik, Pädagogik, Sonderpädagogik, Psychologie

Glottodidaktik, Pädagogik

Glottodidaktik, Pädagogik, Sonderpädagogik, Psychologie

Bildungssituationen im Fremdsprachenun- Glottodidaktik, Entwicklungspsychologie, Pädagogik terricht; Entwicklung der Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern; Gesundheitserziehung – Suchtprävention Anregung zu Bildungsaktivitäten und ForGlottodidaktik, Psychologie men einer positiven Einstellung zum Lernen; Motivation zum Erlernen von Fremdsprachen; selbstständiges Lernen Subjektivität der Lernenden; Entwicklung Glottodidaktik, Psychologie, Allgemeine von Lernenden der 3. Bildungsstufe; mentale Didaktik Operationen beim Fremdsprachenlernen; kognitive Stile und Lernstrategien sowie Unterrichtsstile; Schlüsselkompetenzen im DaFUnterricht

166

Beata Pec´

(Fortsetzung) Ausgewählte Themeninhalte Rolle der Fremdsprachenlehrkraft bezogen auf die 3. Bildungsstufe; Autorität; Kommunikation in der Fremdsprache; Interaktionen im Unterricht Zusammenarbeit der Lehrkraft mit Eltern, Schulpersonal und dem Umfeld; Schulmanagement Effizienz des Fremdsprachenunterrichts; Überprüfung und Bewertung der Bildungsqualität; Evaluation; Analyse und Bewertung der eigenen didaktischen und pädagogischen Arbeit

Bezugswissenschaften Glottodidaktik, Pädagogik, Soziologie, Kommunikationswissenschaft, Linguistik Glottodidaktik, Pädagogik, Psychologie Glottodidaktik, Allgemeine Didaktik, Pädeutologie

Glottodidaktik, Pädeutologie Ausbildung zur Fremdsprachenlehrkraft; Qualifikationen und Kompetenzen; Berufsqualifikationsstandards; Prüfungsstandards; professionelle Fortbildung von Fremdsprachenlehrenden Tab. 10: Interdisziplinarität der Deutschlehrkräfteausbildung – Kriterienkatalog für ein dialogisches Verfahren (eigene Erarbeitung) Interdisziplinärer Ansatz Forschungskriterium Humanistischer Ansatz 1) Förderung von Autonomie bei Studierenden 2) interdisziplinäre Seminargestaltung 3) Selbstverwirklichung 4) Berücksichtigung von persönlichen Interessen 5) Berücksichtigung von unterschiedlichen Lerntypen durch ganzheitlichen Zugang Technologischer Ansatz

1) Handlungsorientierung in Ausbildungsveranstaltungen 2) persönliches Erleben und Experimentieren 3) Training von Formen, Methoden und Techniken für die Unterrichtspraxis 4) Einsatz von offenen Lehr- und Lernformen

Funktionaler Ansatz

5) Einsatz von neuen Technologien 1) Wahrnehmung der eigenen Stärken 2) Möglichkeit des kritischen Denkens 3) Vorbereitung auf das Lösen möglicher Probleme im künftigen DaF-Unterricht 4) kreatives Training in der Lehrkraftrolle (in Seminarveranstaltungen) 5) Reflexion der eigenen Person und des Verhaltens als künftige Deutschlehrkraft

Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

167

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Interdisziplinarität in der Ausbildung von Deutschlehrkräften. Eine Fallstudie

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Rozporza˛dzenie Ministra Nauki i Szkolnictwa Wyz˙szego z dnia 17 stycznia 2012 r. w sprawie standardów kształcenia przygotowuja˛cego do wykonywania zawodu nauczyciela. Dziennik Ustaw Rzeczypospolitej Polskiej z dnia 6 lutego 2012 r. Poz. 131. Rozporza˛dzenie Ministra Nauki i Szkolnictwa Wyz˙szego z dnia 25 lipca 2019 r. w sprawie standardu kształcenia przygotowuja˛cego do wykonywania zawodu nauczyciela. Dziennik Ustaw Rzeczypospolitej Polskiej z dnia 2 sierpnia 2019 r. Poz. 1450.

Przemysław E. Ge˛bal

Zur Gestaltung der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften. Das nachhaltige eudaimonistisch-euthyphronische Konzept

Abstract Die didaktische Praxis zeigt, dass selbst ein Lehrender/eine Lehrende, der/die gut auf die Ausübung seiner/ihrer beruflichen Tätigkeit vorbereitet ist und über eine Reihe von Kompetenzen und Sprachlehrfähigkeiten verfügt, sich nicht unbedingt als guter Lehrender/gute Lehrende erweist. Wenn ein solcher Lehrer/eine solche Lehrerin hauptsächlich als »Übermittler/-in« von Wissen und Sprachkenntnissen fungiert und in geringerem Maße als »ganzer Mensch« in Bezug auf Gefühle, Emotionen und Motivationen wahrgenommen wird, wird er oder sie von den Lernenden als Lehrer/-in wahrgenommen, der minderwertigen Unterricht durchführt, der schnell vergessen wird. Das Konzept eines nachhaltigen eudaimonistisch-euthyphronischen Modells, wie es in diesem Artikel skizziert wird, hat zum Ziel, eine bessere pädagogische Vorbereitung der zukünftigen Fremdsprachenlehrenden in Bezug auf den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen zu den Lernenden zu bieten. Dies ist eine sehr herausfordernde Aufgabe, die aber für die weitere Entwicklung der Fremdsprachendidaktik und der Lehrerausbildung, die im Einklang mit den aktuellen emanzipatorischen und kritischen Ansätzen entwickelt werden sollte, von entscheidender Bedeutung ist. Keywords: Fremdsprachendidaktik, Lehrendenforschung, Modelle der Lehrerausbildung, positive Pädagogik Practice shows that even a teacher who is well prepared for the job, possessing a number of competences and language teaching skills, does not necessarily turn out to be a good teacher. If such a teacher functions mainly as a »transmitter« of knowledge and language skills, and to a lesser extent is perceived as a whole human being in terms of feelings, emotions and motivations, he or she will be perceived by students as a teacher conducting low-value classes, which are attended reluctantly and are easily forgotten. The concept of a sustainable eudaimonistic and eutyphronic model, as outlined in this article, has the ambition of offering better preparation for future teachers of foreign languages in terms of establishing interpersonal relationsship with learners. It is a very challenging task, but vital for the further development of language teaching and teacher learning, which should be developed in line with current emancipatory and critical approaches. Przemysław E. Ge˛bal, Schlesische Technische Universität in Gliwice/Universität Warschau, prze [email protected], ORCID: 0000-0002-4335-6886.

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Przemysław E. Ge‚bal

Keywords: foreign language didactics, teacher training, teacher training models, positive education

1.

Einleitung

Moderne Modelle der Lehrkräfteausbildung mit humanistischem Profil nehmen zukünftige Lehrende als integrierte Persönlichkeiten wahr und schreiben ihnen die Harmonie von Denken und Handeln zu. Sie betonen den Nutzen, an der Entwicklung von Autonomie zu arbeiten, Interesse an anderen zu entwickeln, sich im Kontakt mit ihnen zu verwirklichen und die eigene Identität zu gestalten (vgl. Ge˛bal 2019, S. 392f.). Insofern adressieren diese Modelle bestimmte Deutungsmuster in Bezug auf Lehrprozesse, insbesondere auf Lehridentitäten, und stellen eine Alternative zu den älteren bzw. traditionellen Modellen dar.

2.

Die Gestaltung der Ausbildung von Sprachlehrenden. Vom humanistischen Konzept zur euthyphronischen1 Vision

Nach dem humanistischen Konzept ist die Lehrendenbildung ein Prozess, der dazu anregt, die eigene Identität, Individualität sowie das kreative Potenzial zu entdecken. Diese Faktoren befördern die persönliche Entwicklung, die berufliche Selbstständigkeit sowie die Reflexion der Bedeutung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die schließlich in praktisches Handeln umgesetzt werden. Die Basis für einen so formulierten Ansatz sind Psychologie und Humanistische Pädagogik. In der Praxis haben in Bezug auf dieses Bildungsmodell Henryka Kwiatkowska und Alicja Kotusiewicz (1989) ein allgemeines modulares Konzept der Lehrkräfteausbildung entwickelt, das relativ geschlossene Unterrichtseinheiten identifiziert. Diese spiegeln die beruflichen Funktionen angehender Lehrkräfte wider. Im Hinblick auf diesen Vorschlag stellte Elz˙bieta Zawadzka (2004) das erste Modell der Ausbildung von Sprachlehrenden in Polen vor. Es umfasst folgende sieben wichtige Berufsfunktionen von Lehrkräften: Expert:in, Erzieher:in, Kulturvermittler:in, Organisator:in, Moderator:in bzw. Berater:in, Bewerter:in bzw. Wegbereiter:in sowie Forscher:in bzw. reflexive:r Praktiker:in. Zawadzkas Modell wurde eine wesentliche Determinante für Konzepte einer Studie zur Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden. Im 2013 erschienenen Band Modele kształcenia nauczycieli je˛zyków obcych w Polsce i w Niemczech. W strone˛ glottodydaktyki porównawczej [Modelle zur Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften in Polen 1 Vgl. dazu weiter unten.

Zur Gestaltung der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften

173

und Deutschland. Auf dem Weg zur Vergleichenden Fremdsprachendidaktik] wurden die betreffenden Forschungsergebnisse vorgestellt (Ge˛bal 2013). In den letzten Jahren hat sich in der Pädagogik ein neues Paradigma der humanistisch orientierten Lehrendenbildung herauskristallisiert, das als kritisch-emanzipatorisch bezeichnet wird. Wie Elz˙bieta Marek betont, fügt es sich in den kritischen und emanzipatorischen Trend ein, der in der zeitgenössischen Pädagogik zunehmend an Bedeutung gewinnt. Seine konstituierenden Merkmale sind: Befreiung von Herrschaft und dogmatischem Denken, offene Kommunikation mit der Welt, Achtung der Rechte jedes Menschen und Freiheit, die zu den Erziehungs- und Bildungszielen werden (Marek 2015, S. 197–198). Dieser Trend ist ein wichtiges Element der didaktischen Aktivitäten zur Vorbereitung auf das Leben als Bürger:innen, die in modernen demokratischen Gesellschaften leben und Gemeinschaften bilden. Das Paradigma stieß jedoch bei Fremdsprachendidaktiker:innen, die an der Entwicklung von Modellen zur Lehrendenausbildung beteiligt sind, noch nicht auf ein größeres Interesse. In der polnischen akademischen Ausbildung zukünftiger pädagogischer Fachkräfte gibt es Modelle, die bestimmte Konzepte von humanistischem und emanzipatorisch-kritischem Charakter konkretisieren. Ein Beispiel dafür ist das euthyphronische Modell der Lehrendenausbildung von Beata Pituła. Das 2010 veröffentlichte Konzept bezieht sich direkt auf die euthyphronische Philosophie von Józef Ban´ka aus den 1980er-Jahren, die den Menschen vor den schnellen Prozessen des technischen und technologischen Fortschritts schützen sollte. Eine spezifisch philosophische euthyphronische Therapie sollte darin bestehen, die Prinzipien der Ethik der Einfachheit anzuwenden, die in Bezug auf die technologische Zivilisation konkurrenzfähig sind und den ethischen Intellektualismus von Sokrates um einen affektiven und auf den Willen bezogenen Faktor ergänzen sollten. In den pädagogischen Erwägungen von Pituła fand Ban´kas Euthyphronik in drei wichtigen Bereichen der psychopädagogischen Lehrkräfteausbildung Anwendung: in den emotional-voluntaristischen und emotionalen Sphären (im Modell thymische Sphäre genannt), in der rationalistischen Sphäre (phronische Sphäre) und in der Evaluationssphäre (axiologische Sphäre). Eine euthyphronische pädagogische Fachkraft ist, so die Autorin des Konzepts, im Gegensatz zum Computer […] eine zeitgenössische Lehrkraft, die nicht nur umfangreiches Wissen vermittelt, sondern sich auch in der Welt eines jungen Menschen zu Hause fühlt. Sie repräsentiert somit eine euthyphronische Haltung, da sie die Bedeutung des menschlichen Wissens mit der emotionalen Sphäre in Einklang bringt (Pituła 2010, S. 8; eigene Übersetzung).

Das euthyphronische Modell der Lehrendenausbildung umfasst somit den gesamten emotional-voluntaristischen Bereich. Dieser spielt eine maßgebliche

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Przemysław E. Ge‚bal

Rolle für die berufliche Einbindung von Pädagog:innen, was sich letztlich in der Identifikation mit dem Lehrberuf niederschlägt. Das Äquivalent dazu ist der Rationalismus. Deshalb ist eine Lehrkraft nach dem Konzept von Pituła eine Person, die reagiert und erlebt, was und wie sie lehrt bzw. was die Lernenden fühlen und erleben. Das euthyphronische Modell deckt den gesamten pädagogischen Prozess ab, d. h. es enthält drei Komponenten: eine erzieherische, eine kognitive und eine axiologische. Die Grundlagen des präsentierten euthyphronischen Modells werden ein Bestandteil meines eigenen Vorschlags für ein Konzept zur Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden.

3.

Eudaimonistische Positive Pädagogik

Positive Pädagogik bezieht sich auf die Entwicklung der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden. Diese Beziehung unterstützt die Stärken, das Selbstvertrauen und die Handlungsbereitschaft der Lernenden, sie fördert die Übernahme von Verantwortung für die eigene Entwicklung und das daraus resultierende Wohlbefinden, verstanden aus eudaimonistischer Perspektive, die sich auf das allgemeine Wohlbefinden und ein positives Selbstwertgefühl bezieht. Das sind die Aspekte, die ein erfüllendes Leben ausmachen. In seiner Theorie des Wohlbefindens spricht Martin Seligman, der Schöpfer der eudaimonistisch orientierten Positiven Psychologie, über die Elemente, die für die Lebensqualität relevant sind. Wohlbefinden bestehe aus positiven Emotionen, starkem Engagement, positiven sozialen Beziehungen, erreichten Leistungen und Sinnhaftigkeit des Handelns (Seligman 2005, siehe auch Abbildung 1). Alle Komponenten sind mess- und formbar. Sie sollten daher ein wichtiges Element der menschlichen Bildung sein und sind aus diesem Grund aus Sicht der Schulbildung von großer Bedeutung. Positive Emotionen fördern die Offenheit und damit Sensibilität und Kreativität, sie tragen zu guten Entscheidungen sowie kreativen Lösungen bei und gewinnen ab einem bestimmten Moment eine eigene Dynamik. Es ist besonders wichtig, dass sie die Vorstellungen der Lernenden über mögliche Handlungen erweitern (negative Emotionen schränken sie ein) und das Bewusstsein für ein breiteres Spektrum von Gedanken und Verhaltensweisen öffnen. Sie bewirken ferner eine Haltung, die geistige sowie soziale Ressourcen bewegt und entwickelt (Fredrickson 2011). Neben positiven Emotionen ist auch die Einbindung wichtig, d. h. ein Zustand, in dem sich Lernende begeistert fühlen und Körper und Geist in einem freiwilligen Bemühen, etwas Schwieriges und Wertvolles zu tun, bis an die Grenzen getrieben werden. In diesem Zustand sind Lernende so vertieft, dass alles andere an Bedeutung verliert (Csikszentmihalyi 2005). Das Empfinden von Bedeutung ist ein rein subjektiver Faktor, aber insofern wichtig, als es die Lernenden in einem Moment tiefer

Zur Gestaltung der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften

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Abb. 1: Seligmans Modell des Wohlbefindens (2005)

Einbindung begleitet. Die Erfahrung dieser Leistung ist für jeden Menschen von Bedeutung. Wenn Lernende Erfolg haben, sehen sie den Sinn ihrer Entwicklung. Positive Beziehungen zu anderen, mit denen Lernende Erfolge und Misserfolge teilen möchten, sind ein integrierendes Element. Der Mensch ist ein soziales Wesen, und was ihn antreibt, sind in erster Linie andere Menschen (Spitzer 2008). Ein fremdsprachendidaktischer Handlungsansatz, der durch offene Lernformen wie Projektarbeit oder kreative Aufgaben umgesetzt wird, bietet den Lernenden gute Chancen auf Wohlbefinden, da positive Emotionen, starkes Engagement, positive soziale Beziehungen, ein Sinnes- und Erfolgsgefühl oft mit Projektarbeit in einer Gruppe einhergehen. Teamarbeit ermöglicht es, auf einen gemeinsamen Pool von Kompetenzen, Fähigkeiten, Erfahrungen und kreativen Ideen zurückzugreifen, da sich die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gruppenmitglieder addieren. Jedes Teammitglied kann den Teil der Aufgabe ausführen, der ihm am besten gefällt, und so die Zufriedenheit mit den selbst ausgeführten Aufgaben steigern. Teamarbeit sorgt für ein hohes Maß an Wertschätzung und Anerkennung. Das kann auch zum Erleben positiver Emotionen beitragen. Wenn das Team gut kommuniziert und sich die Teammitglieder in Bezug auf das gemeinsame Handeln einig sind, entstehen positive soziale Beziehungen, begleitet von einem positiven Klima, guter Kommunikation und gegenseitigem Vertrauen. Eine solche Teamarbeit vermittelt ein Gefühl von Sinn und Wert in der Arbeit. Aus meiner Sicht sollten diese Beobachtungen vor allem die Bereitschaft zur Anwendung sowie eine positive Einstellung gegenüber neuen pädagogischen

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Przemysław E. Ge‚bal

Entwicklungen fördern. Sie sind der Schlüssel zu einem erfüllten Berufsleben, das auf soliden Pfeilern mit Sinn und Wert aufgebaut ist. Die Philosophie der eudaimonistischen Positiven Pädagogik wird ebenfalls eine der Determinanten meines in diesem Beitrag vorgestellten Modells zur Ausbildung von Lehrkräften werden.

4.

Die Determinanten des eudaimonistisch-euthyphronischen Konzepts

Nach dem vorgestellten Konzept umfasst die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden drei grundlegende Voraussetzungen: Expertise, eine positive Einstellung neuen Erfahrungen gegenüber sowie die Bereitschaft, diese Erfahrungen zu erleben (s. Tabelle 1). Tab. 1: Die Determinanten des eudaimonistisch-euthyphronischen Modells (eigene Bearbeitung) Expert:in in den studierten Fremdsprachen

Mensch, der gegenüber neuen Erfahrungen im Leben bzw. im pädagogischen Kontext positiv eingestellt ist Fremdsprachenlehrkraft – reflexiv in der Berufspraxis

Expert:in für die Entwicklung der Lernenden und die persönliche Weiterentwicklung

Mensch, der erlebt, was er vermittelt und was der Lernende fühlt bzw. erlebt.

Die zukünftigen reflexiven Praktiker:innen werden zu Expert:innen für die Entwicklung der Lernenden sowie der eigenen Entwicklung. Sie werden ferner zu Lehrenden mit Expertise im Bereich des Fachwissens und für die didaktische bzw. methodische Kompetenz. Damit wird auf das oben dargestellte modulare Konzept der Fremdsprachenlehrendenausbildung von Elz˙bieta Zawadzka sowie auf die europäischen Standards zur Ausbildung von Lehrkräften verwiesen, die unter anderem im Europäischen Profilraster für Sprachlehrende formuliert sind (Kelly/Grenfell 2006). Die Realisierung dieses Teils der Zuschreibungen kann als Arbeit im Geiste der humanistischen Modelle mit emanzipationskritischem Charakter betrachtet werden. Die angehenden Expert:innen für die Entwicklung der Lernenden, ausgestattet mit umfangreichen psychopädagogischen Wissen (das eine ganzheitliche Herangehensweise an das eigene Verhalten in Lehr-Lern-Kontexten und das der

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Schüler:innen unter Berücksichtigung von Ressourcen und Defiziten ermöglicht), sind zugleich Personen, die sich ihrer Interessen, nicht nur pädagogischer Natur, bewusst sind. Sie sind Pädagog:innen, die in der Lage sind, diese im Prozess der Selbstverwirklichung zum Nutzen ihrer Lernenden einzusetzen. Die eudaimonistische Determinante ist eine Sammlung von Thesen zur Lehrendenforschung, die drei Dimensionen der beruflichen Tätigkeit zukünftiger Pädagog:innen abdecken. Diese sind: die soziale Anpassung an die Arbeit, verbunden mit Vorbereitung auf und Aufgeschlossenheit gegenüber positiven Beziehungen zu Lernenden bzw. anderen Lehrenden bei der Ausübung pädagogischer Aufgaben, die Entwicklung am Arbeitsplatz, die einhergeht mit einer steten Verbesserung der fremdsprachendidaktischen Kompetenzen und die Arbeitsfreude, d. h. die Bereitschaft, sich den Lernenden und Bildungseinrichtungen zu widmen, was letztlich zu einer reibungslosen Funktionsweise sowie zum gemeinsamen Erfolg beiträgt (vgl. Czerw 2017). Die eudaimonistische Determinante des Modells geht daher davon aus, dass die fremdsprachendidaktische Arbeit als wertvolle Tätigkeit im Dienste anderer Menschen angesehen wird. Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist mindestens eines von zwei subjektiven Gefühlen: die Bedeutsamkeit der Arbeit oder ihre Sinnhaftigkeit (vgl. Czerw 2017, nach Barrick/Mount/Li 2013). Die letzte dieser eudaimonistischen Determinanten sensibilisiert die Lernenden für das Glück und Unglück anderer. Angehenden Lehrkräfte wird nahegebracht, Sensibilität, Lob und Empathie zu schätzen. Ihre Arbeit ist ein Prozess der ständigen Entscheidungen und Wertepräferenzen, d. h., wie Kwiatkowska feststellt, sie erfordert die Fähigkeit zum Treffen von Lebensentscheidungen (Kwiatkowska 2008). Diese Entscheidungen zu treffen, hat auf professioneller Ebene mit den oben dargestellten eudaimonistischen Bedingungen zu tun. Im dargestellten Modell wird der sozialen Beziehung zwischen den einzelnen Beteiligten am didaktischen Prozess eine besondere Relevanz zugeordnet. Unser Modell verweist in diesem Sinne auf die Notwendigkeit, psychosoziale Kompetenzen zu entwickeln.

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5.

Przemysław E. Ge‚bal

Auf dem Weg zur praktischen Anwendung. Vorgeschlagene Implementierung des Konzepts im Rahmen der modularen Ausbildung künftiger Fremdsprachenlehrender im Masterstudium

Studierende der Angewandten Linguistik werden in der studienbegleitenden Lehrkräfteausbildung darauf vorbereitet, im polnischen Bildungssystem und im Rahmen einer eventuellen Lehrtätigkeit im Ausland zwei Fremdsprachen zu unterrichten. Nach erfolgreich absolviertem Studium verfügen sie über detaillierte Kenntnisse sowie entsprechende soziale, kulturelle, pädagogische, didaktische und methodische Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, Sprach- und Kulturkurse für ausländische Studierende und Lernende mit Migrationshintergrund zu leiten. Die angenommenen Bildungseffekte verbinden die Vermittlung von Inhalten interdisziplinärer Natur, vor allem Fragen der Fremdsprachendidaktik, der interkulturellen Pädagogik und der interkulturellen Psychologie. Ihre Einführung sollte weitgehend im Rahmen von Workshops und Seminaren erfolgen, deren Ziel es sein wird, theoretische Fragen eng mit der Lehrpraxis zu verknüpfen, d. h. das Konzept des Studiums in die Professionalisierung der akademischen Ausbildung einzubeziehen. Ergänzt werden die praktischen Komponenten durch Kurse mit empirischem Profil, die die Studierenden dazu anregen, Aktionsforschung und Fallstudien durchzuführen, die schließlich zur Einführung innovativer Ideen in den zukünftigen Bildungsprozess anregen. Das Lehrplankonzept des Studiums sieht 15 Module vor, die aus spezifischen Lehrveranstaltungen in Form von Vorlesungen, Übungen, Workshops und Seminaren bestehen. Jedes Modul konzentriert sich auf einzelne Lernkomponenten, die die Entwicklung spezifischer beruflicher oder akademischer Fähigkeiten und Kompetenzen fokussieren. In jedem Modul sollen Einführungsvorträge gehalten werden, deren Ziel es ist, Grundkenntnisse in einem bestimmten Bereich zu vermitteln. Eines der Module umfasst ausschließlich Lehrveranstaltungen in Form von Seminaren, d. h. Hauptziel ist hier, die Forschungskompetenz der Studierenden zu entwickeln, um sie auf die Durchführung von empirischen Projekten und die Anfertigung einer Abschlussarbeit vorzubereiten. Die thematischen Inhalte der einzelnen Module beeinflussen das Format der Kurse, ihre Anzahl und die Zahl der benötigten Stunden. Die jedem Modul zugeordneten Lehrveranstaltungen können entweder obligatorisch oder optional sein. Sie können in mehreren aufeinander folgenden Semestern absolviert werden. Die Inhalte der einzelnen Module werden in Tabelle 2 dargestellt.

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Tab. 2: Inhalt der Lernmodule (eigene Bearbeitung) Modul I

Inhalte Schlüsselkompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften

II III

Migration. Soziologie und Psychologie der europäischen Migration Mehrsprachigkeit und Multikulturalität

IV V

Theorie und Praxis des Spracherwerbs, Sprachlernens und -lehrens Fremdsprachen im polnischen und in den europäischen Bildungssystemen

VI VII

Angewandte Linguistik für den Fremdsprachenunterricht Kultur, Literatur und ihre Didaktik

VIII IX

Fremdsprachenunterricht in der schulischen Praxis Medien und moderne Technologien im Sprachunterricht

X XI

Elemente der interkulturellen Psychologie Elemente der interkulturellen Pädagogik

XII XIII

Erfülltes Leben. Euthyphronik und Positive Pädagogik Praktische Schulstudien in Bildungseinrichtungen

XIV XV

Vorbereitung der Masterarbeit. Aktionsforschung Verbesserung der fremdsprachlichen Kompetenz

XVI

Akademische Tutorials

Mit Modul I wird das Ziel verfolgt, die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen zu entwickeln, also von Soft Skills, die die Durchführung des Lehrprozesses erleichtern. Es besteht aus Unterricht in Form von Trainings und Workshops, wie z. B. interpersonelles Training, Training zum Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsführung, interkulturelles Training, öffentlicher Auftritt, IT-Workshops und Workshops zum kreativen Schreiben. Das aus der Perspektive des Konzepts wichtige Modul 12 umfasst Kurs in der Philosophie der Euthyphronik Positiver Psychologie, Positiver Didaktik und Resilienz. Das Studium wird mit einer Masterarbeit im Bereich der Fremdsprachendidaktik abgeschlossen. Die Abschlussarbeit sollte aus einem theoretischen und einem empirischen Teil bestehen. Dieser sollte ein Forschungsprojekt zu kulturellen oder sprachlichen Fragen betreffen und sich aus den Erfahrungen der absolvierten Schul- oder Lehrpraktika ergeben. Die Ausbildung wird von einer obligatorischen akademischen Betreuung begleitet, die den Studierenden die Möglichkeit zur Reflexion der eigenen Professionalisierung Entwicklung bietet. In den individuellen Tutorien werden die Potenziale und pädagogischen Fähigkeiten der einzelnen Studierenden aufgezeigt und Wege für zukünftige fremdsprachendidaktische Karrieren gestaltet. Durch die Gespräche in den Tutorien wird eine Art inhaltliche Vorbereitung auf die Durchführung des Projekts der Masterarbeit angestrebt.

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Fazit Die Praxis zeigt, dass selbst eine bestqualifizierte Lehrperson trotz einer Reihe von Kompetenzen und fremdsprachendidaktischen Fähigkeiten keine gute pädagogische Fachkraft sein muss. Wenn sie in der Arbeit hauptsächlich Wissen und Sprachkenntnisse ›übermittelt‹ und nur in geringerem Maße als Person wahrgenommen wird, die in der Dimension von Gefühlen, Emotionen und Willen konsistent ist, wird ihr Unterricht von den Lernenden als wenig wertvoller Unterricht wahrgenommen, d. h. als Unterricht, der weder sehr anregend ist noch lange im Gedächtnis bleibt. Das im Beitrag dargestellte Konzept des eudaimonistisch-euthyphronischen Modells hat den Anspruch, im Hinblick auf die Herstellung sozialer Beziehungen zu den Lernenden zum Vorschlag für eine bessere Vorbereitung angehender Fremdsprachenlehrender zu werden.

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Zur Gestaltung der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften

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