Parteidispositionen und EU-Verbrauchervertragsrecht: Habilitationsschrift 9783161608667, 9783161608674, 3161608666

Wie muss das deutsche Verfahrensrecht angepasst werden, um Vorgaben des EU-Verbraucherrechts zu genügen? Susanne Lilian

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Parteidispositionen und EU-Verbrauchervertragsrecht: Habilitationsschrift
 9783161608667, 9783161608674, 3161608666

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Anlass und Ziel der Arbeit
I. Ungleichgewicht zwischen Privatautonomie und Parteiautonomie
II. Parteidispositionen und ihre Besonderheiten im EU-Verbrauchervertragsrecht
III. Ziel der Arbeit
B. Notwendigkeit der Untersuchung
C. Gegenstand und Gang der Untersuchung sowie Kernhypothesen
I. Untersuchungsgegenstand und seine Grenzen
II. Gang der Untersuchung
III. Kernhypothesen
Teil I: Parteidispositionen im deutschen Verfahrensrecht und Vorgaben des EU-Verbrauchervertragsrechts
§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht
A. Konzept der Parteidisposition
B. Grundlagen und Hintergründe der Parteiautonomie
I. Ausprägungen im Zivilprozessrecht
II. Selbstbestimmung und Freiheitsrechte der Parteien
III. Individualrechtsschutz als primärer Prozesszweck
IV. Akzessorietät des Verfahrensrechts zum materiellen Recht und der Parteiautonomie zur Privatautonomie
C. Grenzen der Parteiautonomie
I. Ausgestaltung und Einschränkung der Parteiautonomie und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
II. Dispositionen über zwingendes materielles Recht
III. Dispositionen über Verfahrensrecht
1. Justizgewährleistung als staatliche Aufgabe
2. Zulässigkeit des Verzichts auf den Justizgewährleistungsanspruch
a) Voraussetzungen einer parteiautonomen Entscheidung und Materialisierungstendenzen
b) Kernbereich der Justizgewährleistung
c) Verhältnismäßigkeit
D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen Parteidispositionen
I. Mittelbare Grundrechtsbindung privater Stellen und staatliche Gewährleistungspflichten
1. Titelschaffung als staatliche Mitwirkung
2. Ausgestaltung als weitere staatliche Mitwirkung
3. Einfluss der „Bürgschafts“- und „Ehevertrags“- Entscheidungen
4. Gewährleistungspflicht und mittelbare Drittwirkung als Konsequenz
II. Konkretisierung der Gewährleistungspflicht
III. Staatliche Anreize und erhöhte Kontrollpflichten
1. Staatliche Beeinflussung des Parteiwillens
2. Gesetzgebung und Gesetzesanwendung als Ebenen der Einflussnahme
3. Parteiwillensbezogene Auslegung als Konsequenz
4. Justizgewährleistungsbezogene Auslegung als Konsequenz
E. Zwischenergebnis zu § 1
§ 2 Vorgaben des EU-Rechts
A. Materiellrechtliche Parteidispositionen und „zwingendes“ EU-Verbrauchervertragsrecht
I. Die Pluralität der zwingenden und nicht-zwingenden Wirkungen einer Norm
1. Aufgabe der Binarität von zwingendem Recht und nicht-zwingendem Recht
a) Vertragsfreiheit und Privatautonomie als Grundprinzipien
b) Abhängigkeit der Einschränkung vom konkreten Normziel
2. Vielzahl der Gründe einer zwingenden Wirkung
3. Parallele Bewertungen durch das EU-Recht
II. Die duale Zielsetzung des EU-Verbrauchervertragsrechts
1. Zurückhaltung der EU bei der Etablierung einer vertragsrechtlichen Infrastruktur
2. Zurückhaltung der EU beim „sozialen“ Verbraucher- und Schwächerenschutz
a) Verbraucherrecht als Schwächerenschutzrecht im autonomen deutschen Recht
b) „Soziale“ Erwägungen als Ausnahme im EU- Verbrauchervertragsrecht
3. Binnenmarktförderung als Fokus der Harmonisierung
a) Stärkung des Verbrauchervertrauens und Abbau von Marktverzerrungen
b) Zentrale Defizite auf Verbraucherseite
(1) Informationsasymmetrien und Rationalitätsdefizite
(2) Überoptimismus und Zeitinkonsistenz
(3) Rationale Apathie und Verbraucherpassivität
(4) Asymmetrien in besonderen Entscheidungssituationen
c) Vorteilhafte Position des Unternehmers durch Fachwissen und Skaleneffekte
4. Unternehmer- und anbieterbezogene Ziele
a) Informationskosten durch unterschiedliche nationale Regelungen im Verbrauchervertragsrecht
b) Vereinheitlichung zur Kostensenkung
c) Vollharmonisierung und Konsolidierung zur Kostensenkung
d) Typisierung und Objektivierung als Strukturmerkmale
e) Zwingende Ausgestaltung zur Schaffung von Rechtssicherheit
f) Leichtere Produktvergleichbarkeit zur Kostensenkung
III. Konkrete Beispiele der dualen Zielsetzung
1. Informationspflichten und Verbraucherinformation der VerbrR-RL
a) Verbraucherinformation als zentrales Anliegen
b) Transparenz bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen
c) Effektivierung durch Formerfordernisse
d) Binnenmarktweite Vertragsstandardisierung
2. Widerrufsrecht der VerbrR-RL
a) Asymmetrien in der Entscheidungssituation
b) Verbrauchervertrauen und Marktpräferenzen
c) Verbindung von Widerrufsrecht und Informationspflichten
d) Standardisierung und Objektivierung
3. Inhaltlich halbzwingende Normen der VerbrGK-RL
a) Asymmetrien in der Entscheidungssituation
b) Binnenmarktweite Rechtsangleichung
4. AGB-Kontrolle der Klausel-RL
a) Asymmetrien in der Entscheidungssituation
b) Verbrauchervertrauen
c) Binnenmarktweite Rechtsangleichung und Rechtssicherheit
IV. Konsequenz der dualen Zielsetzung für Parteidispositionen
1. Konzept des halbzwingenden Rechts im EU-Verbrauchervertragsrecht
a) Gesamtabwägung als Ausnahmekonzept im EU-Verbrauchervertragsrecht
b) Verbraucherbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts
c) Unternehmerbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts
c) Zwischenergebnis
2. Unzulässigkeit von Parteidispositionen trotz Entfallen des individuellen Schutzbedürfnisses
a) Streitstand
b) Verbraucherbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts
(1) Widerrufsrecht
(2) Kombination von Informationspflichten und Widerrufsrecht
(3) Nachvertragliche Informationen
(4) Vorvertragliche Informationspflichten
(5) Mängelgewährleistungsrechte beim Verbrauchsgüterkauf
(6) AGB-Kontrolle
(7) Zwischenergebnis
c) Unternehmerbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts
d) Zwischenergebnis
3. Unzulässigkeit von Parteidispositionen unabhängig vom konkreten Zeitpunkt
a) Streitstand
b) Verbraucherbezogene Zielsetzungen
c) Unternehmerbezogene Zielsetzungen
d) Zwischenergebnis
V. Unzulässigkeit indirekter Dispositionen durch schuldrechtliche Verpflichtung (pactum de non petendo)
1. Zulässigkeit eines pactum de non petendo und Normziel als Grenze
2. Unzulässigkeit im EU-Verbrauchervertragsrecht
VI. Sonderfall der Disposition per Vergleichsvertrag nach der ADR-RL (§ 779 BGB i. V. m. § 19 VSBG)
1. Zielsetzungen des EU-Verbrauchervertragsrechts und gütliche Streitbeilegung
a) Literaturansicht zur Abdingbarkeit per Vergleichsvertrag
b) Vorrang des EU-Verbrauchervertragsrechts vor § 779 BGB
c) Harmonisierungsziel als Bestätigung des Ergebnisses
d) Punktuelle Regelungen im EU-Recht zu gütlichen Parteieinigungen als weitere Bestätigung des Ergebnisses
2. Zulässigkeit von Parteidispositionen im Anwendungsbereich von ADR-RL, § 779 BGB und § 19 VSBG
a) Lockerung der Rechtsbindung nach der ADR-RL
b) Parteidispositionen per „Tatsachenvergleich“ und § 779 BGB
c) Parteidispositionen und § 19 VSBG
d) Kumulation der beiden Fälle als Voraussetzung
3. Zwischenergebnis zur Disposition nach § 779 BGB und § 19 VSBG
VII. Zwischenergebnis zur Wirksamkeit von Parteidispositionen im materiellen Recht
B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht
I. Parteidispositionen und Verfahrensautonomie
1. Vorrangiges EU-Verfahrensrecht
2. Verfahrensautonomie der EU-Mitgliedstaaten
II. Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip und das Gebot effektiven Rechtsschutzes
1. Effektivitätsprinzip
a) Konzept der effektiven Wirkung und Grenzen des nationalen Rechts
b) Private enforcement des Marktrechts als verfahrensrechtliche Zielsetzung des Verbrauchervertragsrechts
c) Effektive Rechtsbehelfe als Grenze der verhältnismäßigen Beschränkung
d) Interesse an der Bewährung und einheitlichen Anwendung des EU-Rechts als weitere Grenze der Beschränkung
(1) Bedeutung der EuGH-Vorlage als Hintergrund
(2) Möglichkeit der gerichtlichen Prüfung als Grenze einer Gesamtabwägung
(3) Bedeutung des Verbrauchervertragsrechts und der Binnenmarktförderung als weiterer Abwägungsgesichtspunkt
(4) Vergleich mit ausschließlich individualschützenden Regelungen
(5) Fazit
2. Effektiver Rechtsschutz
3. Äquivalenzprinzip
a) Begriff der Ungleichbehandlung
b) Maßstab der Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit
c) Positive Fortentwicklung in Kombination mit dem Effektivitätsprinzip
III. Parteidispositionen im B2C-Verhältnis
1. Abgrenzung zur Prozessinitiierungsfreiheit
a) Prozessinitiierungsfreiheit
b) Verbraucherapathie und flankierende Rechtsdurchsetzungsmechanismen
c) Disposition über den Zugang zu Gericht als Grenze
2. Parteidispositionen als zulässige Beschränkung des materiellen EU-Verbrauchervertragsrechts
a) Zulässigkeit von Parteidispositionen als Grundsatz
b) Zugang zu Gericht und Möglichkeit der EuGH-Vorlage als Grenzen
c) Vorrangiges EU-Recht als zusätzliche Grenze
3. Unionsrechtliches Konzept der Parteidispositionen
a) Gestörte Vertragsparität als Ausgangspunkt
b) Informationsasymmetrien als zentraler Ansatzpunkt auch im Verfahren
c) Beseitigung der Informationsasymmetrien als Voraussetzung einer wirksamen Disposition
d) Bedeutung anwaltlicher Vertretung
e) Rechte des Unternehmers als Abwägungsgesichtspunkte
C. Zwischenergebnis zu § 2
Teil II: Auswirkung auf die einzelnen Verfahren
§ 3 Urteil
A. Kontradiktorisches Urteil
I. Dispositionsmaxime, Antragsgrundsatz und Zugang zu Gericht
1. Einleitung des Verfahrens, Vorverfahren und Klagerücknahme
a) Einleitung des Verfahrens
b) Vorverfahren und andere Modalitäten des Verfahrensbeginns
c) Klagerücknahme
2. Bestimmung des Streitgegenstands und Antragsgrundsatz
3. Iura novit curia
II. Beschleunigungsgrundsatz und Rechtsfrieden durch Ausschlussfristen und Eintritt der Rechtskraft
1. Zulässigkeit von Ausschlussfristen als Grundsatz
2. Allgemeine Anforderungen an die Angemessenheit von Ausschlussfristen
3. Spezielle Anforderungen an die Fristausgestaltung und -dauer
a) Fristbeginn und Kenntnis des Verbrauchers
b) Inhaltliche Anforderungen an die Mitteilung
c) Anforderungen an die Dauer der Frist
4. Sonderfall Rechtskraft als zentraler Bestandteil des Prozessrechts
a) Bedeutung der Rechtskraft
b) Rechtsmissbrauch und Kollusion als Ausnahmegründe für eine Rechtskraftdurchbrechung bei Urteilen
c) Nichtgerichtliche Titel als Sonderfälle
d) Kenntnis des Verbrauchers vom Beginn des Fristablaufs
e) Zulässigkeit der Monatsfrist bis Eintritt der Rechtskraft
5. Sonderfall Präklusion durch rügelose Einlassung
a) Präklusion als Beschränkung des Unionsrechts
b) Hinweispflicht gem. §§ 39 S. 2, 504 ZPO als ausreichende Maßnahme
c) Rügelose Einlassung vor dem Landgericht als Beschränkung der effektiven Wirkung
d) Hinweispflicht nach § 139 ZPO zur Vermeidung der Unionsrechtswidrigkeit
(1) Auslegung contra legem als Grenze
(2) Hinweispflicht gem. § 139 ZPO als ausreichende Maßnahme
(3) Zulässigkeit der richterlichen Hinweispflicht gem. § 139 ZPO
(4) Anwaltliche Vertretung als unzureichender Differenzierungsgesichtspunkt
(5) Abwesenheit schutzwürdiger Interessen der Gegenseite
(6) Zwischenergebnis
III. Da mihi factum und Modifikationen durch den EuGH
1. Vorgaben des EuGH zu Beibringungsgrundsatz und Tatsachenermittlung
a) Beibringungsgrundsatz als anerkannter Grundsatz des nationalen Verfahrensrechts
b) Einschränkungen durch das Äquivalenzprinzip
c) Einschränkungen durch das Effektivitätsprinzip bei sich aufdrängenden und leicht verifizierbaren Tatsachen
2. Offenkundigkeit gem. § 291 ZPO bei sich aufdrängenden Tatsachen
a) Befreiung von Beweisführungs- und Darlegungslast als Folge des § 291 ZPO
b) Beschränkung auf positive Kenntnis und Tatsachen aus anderen Verfahren
3. Richterliche Pflichten gem. §§ 139 Abs. 1 S. 2, 142, 144 ZPO bei sich aus der Akte ergebenden Tatsachen
a) Richterliche Hinweispflicht gem. § 139 ZPO und ihre Grenzen
b) Gerichtliche Beweiserhebungsmöglichkeiten und ihre Grenzen
c) Völlige Untätigkeit oder bewusster Verzicht des Verbrauchers als Grenzen
4. Hinweispflicht gem. § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO bei leicht feststellbaren Tatsachen
IV. Erstes Resümee zu Umfang und Grenzen richterlicher Hinweispflichten
1. Verfahrensrechtliche Hürden als Gegenstand der Hinweispflichten
2. Anwaltliche Vertretung
3. Hinweispflicht auf materiellrechtliche Gesichtspunkte als Ausnahmefall
V. Zwischenergebnis
B. Anerkenntnisurteil
I. Anerkenntniserklärung als Prozesshandlung
1. Zustandekommen der Erklärung ohne Einfluss des EU-Verbrauchervertragsrechts
2. Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand
3. Unabhängigkeit der Erklärung vom materiellen Recht
II. Ordre public und Äquivalenzprinzip
III. Zwischenergebnis
C. Versäumnisurteil
I. Unionsrechtskonformität der allgemeinen Verfahrensausgestaltung
1. Verhältnismäßigkeit des Versäumnisverfahrens
2. Verfahrensausgestaltung in Gesamtbetrachtung
II. Behandlung von gerichtsbekannten und leicht feststellbaren Tatsachen i. R. d. §§ 291, 335 Nr. 1 ZPO
III. Zwischenergebnis
D. Zwischenergebnis zu § 3
§ 4 Prozessvergleich
A. Prozessvergleich als EU-Verbrauchervertrag
I. Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts
1. Doppelnatur des Prozessvergleichs als Ausgangspunkt
2. Anwendbarkeit von prozessualen und materiellrechtlichen Regelungen als Folge
II. AGB-Kontrolle
1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB
a) AGB-Kontrolle als Konkretisierung allgemeiner Grundsätze des Vertragsrechts
b) Umfassender Anwendungsbereich der Klausel-RL
c) Zweck der AGB-Kontrolle
d) Parallele zur Rechtsprechung zu anderen Prozessvereinbarungen und -erklärungen
e) Zwischenergebnis
2. Tatbestandsmerkmal des „Stellers“ und „Verwenders“ bei vom Richter eingebrachten AGB
a) Wortlaut als Ausgangspunkt
b) Vergleichbarkeit von Notar und Richter
c) Einschränkende Berücksichtigung von ErwG 16
3. Folge einer unwirksamen Klausel
III. Informationspflichten und Widerrufsrechte
1. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und die Situation des Protokollvergleichs
2. Fernabsatzverträge und Beschlussvergleich
3. Verallgemeinerung für Informationspflichten
IV. Zwischenergebnis
B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich
I. Zulässigkeit und Vergleichsbefugnis
1. Vergleichsbefugnis nach deutschem Recht
2. Vergleichsbefugnis nach EU-Recht
II. Dispositionsmöglichkeit über den Vergleichsinhalt
1. Nationale Verfahrensautonomie aufgrund mangelnder vorrangiger EU-Regelungen
2. Dispositionen im Prozessvergleich nach deutschem Recht
3. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht
4. Tatsachenvergleich als Ausnahme
a) Dispositionsmöglichkeiten im Fall des Tatsachenvergleichs
b) Tatsachenvergleich als Teil der Verfahrensautonomie
c) Zulässige Einschränkung der effektiven Wirkung
d) Beweislastregeln oder Vermutungen im EU-Recht als Rückausnahme
e) Parteiautonome Entscheidung des Verbrauchers als weitere Voraussetzung
C. Pflichten des Gerichts
I. Begriff der Rechtsprechung i. S. d. GG
1. Funktional-formaler Rechtsprechungsbegriff
2. Funktionaler oder historisch-funktionaler Rechtsprechungsbegriff
II. Konsequenzen für die richterliche Mitwirkung beim Abschluss eines Prozessvergleichs
1. Rechte und Pflichten des Richters beim Protokollvergleich
a) Zulässigkeit der Protokollierungsverweigerung
(1) Unergiebigkeit des Gesetzestextes
(2) Unergiebigkeit des Vergleichs mit § 156 FamFG und § 1053 ZPO
(3) Prüfungsmöglichkeit aufgrund der Gesamtwertung der ZPO
(4) Verweigerungsrecht aufgrund der richterlichen Stellung
(5) Bestätigung durch Materialien zum Beschlussvergleich
(6) Zwischenergebnis
b) Inhaltliche Prüfungspflicht
(1) Prozessökonomie als unzulässiges Kriterium
(2) Gütliche Streitbeilegung als rechtsgebundene Einigung
(3) Verfassungsrechtlicher Rechtsprechungsbegriff und richterliche Rechtsbindung
(4) Zwischenergebnis
c) Hinweispflicht bei passivem Richter
d) Erweiterte Hinweispflicht bei aktivem Richter
e) Relevanz anwaltlicher Vertretung
2. Rechte und Pflichten des Richters bei den weiteren Arten des Prozessvergleichs
a) Beschlussvergleich
b) Güterichter gem. § 278 Abs. 5 ZPO
c) PKH-Verfahren und selbstständiges Beweisverfahren
3. Zwischenergebnis
D. Zwischenergebnis zu § 4
§ 5 Schiedsspruch
A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge
I. Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts
1. Zulässigkeit im B2C-Verhältnis nach nationalem Recht
2. Zulässigkeit im B2C-Verhältnis nach Unionsrecht
3. Problem der Umgehung zwingenden Rechts oder des effektiven Rechtsschutzes
II. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB und der Klausel-RL
1. Allgemeine Anwendbarkeit
2. Kontrollfähigkeit gem. § 307 Abs. 3 BGB
3. Überraschende Klausel i. S. d. § 305c BGB
4. Spezielle Klauselverbote
a) Keine Einschlägigkeit von § 309 Nr. 14 BGB
b) Keine analoge Anwendung von § 309 Nr. 14 BGB
5. Unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1, 2 BGB
a) Überblick über die Voraussetzungen der unangemessenen Benachteiligung
b) Wahrung effektiven Rechtsschutzes und des Fairness- Prinzips
c) Kosten des Verfahrens und Schiedsort
d) Nicht klare und nicht verständliche Regelung, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB
e) Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung und rügelose Einlassung
(1) Formunwirksamkeit und rügelose Einlassung gem. § 1031 Abs. 6 ZPO
(2) Unwirksamkeit aus EU-Verbrauchervertragsrecht und rügelose Einlassung gem. § 1040 Abs. 2 ZPO
f) Unwirksame Vereinbarung der Besetzung des Schiedsgerichts und Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO
6. Zwischenergebnis
III. Anwendbarkeit der Informationspflichten
1. Allgemeine Anwendbarkeit der Informationspflichten der VerbrR- RL auf Schiedsvereinbarungen
2. Problem der entgeltlichen Leistung des Unternehmers i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB
a) Relevanz der „entgeltlichen Leistung“ nur für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge
b) Schiedsvereinbarung als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Vereinbarung
c) Zwischenergebnis
IV. Widerruf der Schiedsvereinbarung und „prozessuale Überholung“
1. Grundsätze der prozessualen Überholung im Schiedsverfahren
2. Behandlung des Widerrufsrechts
B. Befreiung des Schiedsrichters von der Rechtsbindung als Verbrauchervertrag und als Disposition über EU-Verbrauchervertragsrecht
I. Vereinbarung zur Billigskeitsentscheidung als Verbrauchervertrag
1. Entsprechende Anwendung von § 1031 Abs. 5 ZPO in Verbraucher- Unternehmer-Streitigkeiten
2. Vereinbarung der Billigkeitsentscheidung in AGB
II. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht
1. Maßstab der Billigkeitsentscheidung
2. Besonderheiten bei zwingendem EU-Verbrauchervertragsrecht
C. Schiedsvergleich und Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut
I. Schiedsvergleich als Verbrauchervertrag
1. Vergleichsvertrag ohne Doppelnatur
2. Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut und Schiedsfähigkeit
3. Besonderheiten bei der Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts
II. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Schiedsvergleich
III. Zwischenergebnis
D. Kontrolle des Schiedsspruchs
I. Schiedsrichterliche Kontrolle
II. Richterliche Kontrolle der EU-Rechtmäßigkeit der Schiedsvereinbarung
1. Prüfung vor Erlass des Schiedsspruchs
2. Aufhebungsverfahren gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO
a) Präklusion durch rügelose Einlassung
b) Antrags- und Begründungserfordernis nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO
c) Frist gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, Abs. 3 ZPO
d) Unwirksamkeit der Schiedsklausel und ordre public, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO
e) Gesamtabwägung der Ausgestaltung von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO
3. Aufhebung im Vollstreckbarerklärungsverfahren gem. § 1060 Abs. 2 ZPO
a) Präklusion nach §§ 1060 Abs. 2 S. 3, 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, Abs. 3 ZPO
b) Ordre public, §§ 1060 Abs. 2 S. 3, 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO
III. Richterliche Prüfung der sonstigen EU-Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs
1. Prüfung vor Erlass des Schiedsspruchs
2. Nach Erlass des Schiedsspruchs, §§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b, 1060 Abs. 2 ZPO
a) Zwingendes Recht und ordre public nach deutschem Verständnis
b) Ordre public und zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht
c) Antrags- und Fristerfordernis
E. Kontrolle des Schiedsvergleichs und des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut
I. Schiedsrichterliche Kontrolle und Inhalt des ordre public i. S. d. § 1053 Abs. 1 S. 2 ZPO
II. Richterliche Kontrolle nach §§ 1059 f. ZPO
III. Notarielle Kontrolle nach § 1053 Abs. 4 ZPO
1. Prüfungspflicht
2. Fehlender Rechtsbehelf gegen Vollstreckbarerklärung und effektiver Rechtsschutz
a) Streitstand
b) Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit des fehlenden Rechtsbehelfs
c) Verfassungs- und unionsrechtskonforme Analogie des § 1065 Abs. 1 ZPO als Konsequenz
F. Zwischenergebnis zu § 5
§ 6 Vollstreckbare Urkunde
A. Unterwerfungserklärung als „Verbrauchervertrag“ und Dispositionen über EU-Verbrauchervertragsrecht
I. Allgemeine Zulässigkeit von Unterwerfungserklärungen im B2C-Verhältnis
1. Vergleichsbefugnis gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO
2. Zulässigkeit im B2C-Vehältnis nach deutschem Recht
3. Unionsrechtliche Zulässigkeit im B2C-Vehältnis
II. Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts auf die Unterwerfungserklärung
1. Rechtsnatur als einseitige Prozesserklärung und Rückgriff auf das materielle Recht
a) Rechtsnatur als einseitige Prozesserklärung
b) Prozesserklärung und Rückgriff auf materielles Recht
2. AGB-Kontrolle
a) Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB
b) Unternehmer als „Steller“ und „Verwender“ bei notariell entworfenen Klauseln
c) Keine allgemeine AGB-Rechtswidrigkeit
d) Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung
3. Informationspflichten und Widerrufsrechte
III. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Unterwerfungserklärung
1. Wirksamkeit von dem materiellen Recht widersprechenden Unterwerfungserklärungen als Grundsatz
2. Unwirksamkeit bei sitten- und gesetzeswidrigen Ansprüchen und Einfluss des Äquivalenzprinzips
3. Zulässigkeit der Dispositionen über zwingendes Recht im Verfahren nach § 19 VSBG
IV. Zwischenergebnis
B. Inhaltliche Kontrolle durch den Notar
I. Beurkundungspflicht unabhängig vom materiellen Recht als Ausgangspunkt
II. Verfassungsrechtliche Position
III. Besonderheiten bei Verstoß gegen EU-Verbrauchervertragsrecht
IV. Zwischenergebnis
C. Zwischenergebnis zu § 6
§ 7 Anwaltsvergleich
A. Anwaltsvergleich als Verbrauchervertrag und Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht
I. Anwendbarkeit des materiellen Rechts
II. Besonderheiten bei Vereinbarungen in AGB
III. Keine prozessuale Überholung aufgrund begrenzter Rechtskraft des vollstreckbaren Anwaltsvergleichs
1. Begrenzte Rechtskraft der gerichtlichen Vollstreckbarerklärung
2. Keine Rechtskraft der notariellen Vollstreckbarerklärung
IV. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Anwaltsvergleich
B. Inhaltliche Kontrolle durch Anwälte, Notar und Gericht
I. Pflichten der Anwälte
II. Pflichten des Gerichts
III. Pflichten des Notars
C. Zwischenergebnis zu § 7
§ 8 Zwangsvollstreckungsverfahren
A. Klauselverfahren und Vollstreckung
I. Klauselverfahren
II. Vollstreckungsverfahren
III. EU-Recht
B. Präklusion materiellrechtlicher Einwendungen im Vollstreckungsverfahren
I. Problemaufriss der Präklusion gem. § 767 Abs. 2 ZPO
II. Relevanz für die untersuchten Titel
III. Präklusion von Mängelgewährleistungs- und Widerrufsrechten unionsrechtlicher Herkunft
1. Widerrufsrecht nach VerbrR-RL
2. Rücktritt und Minderung nach VerbrGK-RL
3. Nacherfüllungsanspruch nach VerbrGK-RL und Einrede des nichterfüllten Vertrags, § 320 BGB
C. Zwischenergebnis zu § 8
Gesamtergebnis
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band  254

Susanne Lilian Gössl

Parteidispositionen und EU-Verbrauchervertragsrecht

Mohr Siebeck

Susanne Lilian Gössl, geboren 1984; Studium der Rechtswissenschaft in Köln und ­ eapel; LL.M.-Studium in New Orleans (Tulane); 2013 Promotion (Köln); ReferendaN riat in Hamburg, Washington D.C. und Santiago de Chile; Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Habilitandin und Akademische Rätin am Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn; seit 2020 Professorin für Bürgerliches Recht und Digitalisierung des deutschen, ausländischen und Internationalen Privatrechts an der Universität zu Kiel. orcid.org/0000-0002-2585-4614

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft – GO 2902/3-1 ISBN  978-3-16-160866-7 / eISBN  978-3-16-160867-4 DOI 10.1628/978-3-16-160867-4 ISSN  0940-9610 / eISSN  2568-8472 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Garamond gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt. Es wurde von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Meiner Familie

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Habilitationsschrift angenommen. Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem entsprechenden Stand. Mit der Veröffentlichung dieser Arbeit schließe ich für mich ein Projekt ab, das mich viele Jahre begleitet hat, bei dem ich von vielen Menschen begleitet wurde und denen ich hier danken möchte. Zuallererst gebührt großer Dank meiner verehrten akademischen Lehrerin, Frau Professorin Dr. Nina Dethloff, LL.M., für ihre stete Unterstützung und Leitung. Durch die Arbeit an ihrem Lehrstuhl und sie als Vorbild habe ich viel über das wissenschaftliche Arbeiten und das Arbeiten in der Wissenschaft sowie mit Wissenschaftler*innen gelernt und (vorerst) meine eigene Rolle gefunden. Dies geschah auch durch die großzügige Einbindung in die Lehrstuhl­ arbeit, die mir genügend Freiheiten ließ, meine eigenen Forschungsinteressen zu verwirklichen, ohne je auf mich allein gestellt zu sein. Ebenfalls danken möchte ich Herrn Professor Dr. Moritz Brinkmann, LL.M. Er hat das Zweitvotum verfasst, aber auch bereits davor die Arbeit inhaltlich und strukturell mitverfolgt und geprägt. Zudem hat er mich darüber hinaus stets in meinem Werdegang unterstützt und mir viele Inspirationen für die wissenschaftliche Arbeit und die Tätigkeit als Wissenschaftlerin gegeben. Weiterhin gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Klaus F. Gärditz, der eine Stellungnahme aus öffentlich-rechtlicher Sicht zu meiner Habilitationsschrift abgegeben und mich im Vorfeld in die Tiefen der verfassungsrechtlichen Hintergründe des Zivilprozessrechts begleitet hat. Die Ermutigungen und das originäre Interesse, die unsere Gespräche begleitet haben, haben mir sehr viel Auftrieb gegeben, die Themen weiterhin mit Begeisterung zu verfolgen. Zudem muss Herr Professor Dr. Heinz-Peter Mansel hier aufgeführt werden, mein verehrter Doktorvater und damit die Person, die mir meine wissenschaftlichen Kinderschuhe angezogen und mich in vielen Bereichen geprägt hat und bis heute meine wissenschaftliche Arbeit prägt. Auch auf seine Unterstützung, seinen Zuspruch und seine Weisheit konnte ich immer zählen. Daneben schulde ich großen Dank einer ganzen Reihe von Personen, die ­meine Entscheidung, in die Wissenschaft zu gehen, geprägt und immer wieder durch Worte und noch viel mehr Gesten bestärkt haben. Vor allem möchte ich hier Frau Professorin Dr. Christine Budzikiewicz, Herrn Professor Dr. Peter

VIII

Vorwort

Mankowski, Frau Professorin Dr. Anne Sanders, M. Jur., Herrn Professor Dr. Thomas Weigend und Herrn Professor Dr. Marc-Philippe Weller nennen. Frau Professorin Dr. Anne Sanders, M. Jur., danke ich darüber hinaus für viele Gespräche und ihr Feedback zu verschiedensten Fragen und Herausforderungen. Das Gleiche gilt für Herrn PD Dr. Rafael Harnos – ich bin froh, mit Euch beiden so großartige Kolleg*innen und Freund*innen in Bonn gefunden zu haben. Dankbar bin ich weiter den Mitgliedern aus meinem Habilitandenkreis, die mir in verschiedenen Phasen Anregungen gegeben haben, die den Abschluss dieses Projekts gefördert haben. Ferner ist hier das Bonner Team am Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht zu nennen, das mir vor allem in der Endphase der Habilitation beigestanden und unermüdlich Korrekturgelesen und in den wichtigen Moment mitgefiebert hat, d. h. insbesondere Sophie Dannecker, Melina Maurer, Alina Post, Lea Rütten, Daniela Schröder, Maximilian Schulze, Rahel Schüssler, Christiane Stadie, Caroline Tiefenbach, Anja Timmermann, Katja Weigang, Katja Weischenberg und Hannah Winter. Darüber hinaus muss die Unterstützung von Herrn PD Dr. Daniel Effer-Uhe und Carsten Wegner für Feedback und inhaltliche und formale Korrekturen erwähnt werden. Vielen herzlichen Dank Euch allen! Alle Fehler, die verbleiben, sind mir selbst zuzuschreiben. Dank schulde ich auch der DFG für die Druckkostenbeihilfe und dem Verlag Mohr Siebeck für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Jus Privatum. Schließlich gilt mein größter und tiefster Dank meiner Familie, d. h. meinen Eltern, meinem Bruder und meinem Mann. Sie haben mich immer unterstützt, während der Habilitation und darüber hinaus, und mir damit die Kraft gegeben, die verschiedenen Karriereschritte zu wagen und zu bestehen. Ihnen und unserer Tochter ist dieses Buch gewidmet. Kiel, im Frühjahr 2021

Susanne Lilian Gössl

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIX

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil  I: Parteidispositionen im deutschen Verfahrensrecht und ­Vorgaben des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . . . . . 13 §  1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen ­ erfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 V A. Konzept der Parteidisposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Grundlagen und Hintergründe der Parteiautonomie . . . . . . . . . 17 C. Grenzen der Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen ­Parteidispositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 E. Zwischenergebnis zu §  1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

§  2 Vorgaben des EU-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 A. Materiellrechtliche Parteidispositionen und „zwingendes“ EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 C. Zwischenergebnis zu §  2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

X

Inhaltsübersicht

Teil  II: Auswirkung auf die einzelnen Verfahren . . . . . . . . . 221 §  3 Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 A. Kontradiktorisches Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 B. Anerkenntnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 C. Versäumnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 D. Zwischenergebnis zu §  3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

§  4 Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 A. Prozessvergleich als EU-Verbrauchervertrag . . . . . . . . . . . . . 284 B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 C. Pflichten des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 D. Zwischenergebnis zu §  4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

§  5 Schiedsspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge . . . . . . . . . . . 348 B. Befreiung des Schiedsrichters von der Rechtsbindung als Verbrauchervertrag und als Disposition über EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 C. Schiedsvergleich und Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut . . 384 D. Kontrolle des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 E. Kontrolle des Schiedsvergleichs und des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 F. Zwischenergebnis zu §  5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

§  6 Vollstreckbare Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 A. Unterwerfungserklärung als „Verbrauchervertrag“ und Dispositionen über EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 B. Inhaltliche Kontrolle durch den Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 C. Zwischenergebnis zu §  6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

§  7 Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 A. Anwaltsvergleich als Verbrauchervertrag und Dispositionen über ­zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 451 B. Inhaltliche Kontrolle durch Anwälte, Notar und Gericht . . . . . . 457 C. Zwischenergebnis zu §  7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460

Inhaltsübersicht

XI

§  8 Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 A. Klauselverfahren und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 B. Präklusion materiellrechtlicher Einwendungen im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 C. Zwischenergebnis zu §  8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474

Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIX

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Anlass und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 I. Ungleichgewicht zwischen Privatautonomie und Parteiautonomie II. Parteidispositionen und ihre Besonderheiten im EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 III. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 B. Notwendigkeit der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 C. Gegenstand und Gang der Untersuchung sowie Kernhypothesen . 7 I. Untersuchungsgegenstand und seine Grenzen . . . . . . . . . . 7 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Kernhypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Teil  I: Parteidispositionen im deutschen Verfahrensrecht und ­Vorgaben des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . . . . . 13 §  1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen ­ erfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 V A. Konzept der Parteidisposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Grundlagen und Hintergründe der Parteiautonomie . . . . . . . . . 17 I. Ausprägungen im Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Selbstbestimmung und Freiheitsrechte der Parteien . . . . . . . 19 III. Individualrechtsschutz als primärer Prozesszweck . . . . . . . 21 IV. Akzessorietät des Verfahrensrechts zum materiellen Recht und der Parteiautonomie zur Privatautonomie . . . . . . . . . . . . 23 C. Grenzen der Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

XIV

Inhaltsverzeichnis

I.

Ausgestaltung und Einschränkung der Parteiautonomie und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Dispositionen über zwingendes materielles Recht . . . . . . . . 27 III. Dispositionen über Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Justizgewährleistung als staatliche Aufgabe . . . . . . . . . 30 2. Zulässigkeit des Verzichts auf den Justizgewährleistungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . 34 a) Voraussetzungen einer parteiautonomen Entscheidung und Materialisierungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Kernbereich der Justizgewährleistung . . . . . . . . . . . 43 c) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen ­Parteidispositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Mittelbare Grundrechtsbindung privater Stellen und staatliche Gewährleistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Titelschaffung als staatliche Mitwirkung . . . . . . . . . . . 49 2. Ausgestaltung als weitere staatliche Mitwirkung . . . . . . . 51 3. Einfluss der „Bürgschafts“- und „Ehevertrags“Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. Gewährleistungspflicht und mittelbare Drittwirkung als Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Konkretisierung der Gewährleistungspflicht . . . . . . . . . . 55 III. Staatliche Anreize und erhöhte Kontrollpflichten . . . . . . . . 57 1. Staatliche Beeinflussung des Parteiwillens . . . . . . . . . . 57 2. Gesetzgebung und Gesetzesanwendung als Ebenen der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Parteiwillensbezogene Auslegung als Konsequenz . . . . . . 60 4. Justizgewährleistungsbezogene Auslegung als Konsequenz 62 E. Zwischenergebnis zu §  1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

§  2 Vorgaben des EU-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 A. Materiellrechtliche Parteidispositionen und „zwingendes“ EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Die Pluralität der zwingenden und nicht-zwingenden Wirkungen einer Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Aufgabe der Binarität von zwingendem Recht und nicht-zwingendem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Vertragsfreiheit und Privatautonomie als Grundprinzipien 68 b) Abhängigkeit der Einschränkung vom konkreten Normziel 70 2. Vielzahl der Gründe einer zwingenden Wirkung . . . . . . 74 3. Parallele Bewertungen durch das EU-Recht . . . . . . . . . 75

Inhaltsverzeichnis

XV

II. Die duale Zielsetzung des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . 79 1. Zurückhaltung der EU bei der Etablierung einer vertragsrechtlichen Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Zurückhaltung der EU beim „sozialen“ Verbraucher- und ­Schwächerenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Verbraucherrecht als Schwächerenschutzrecht im autonomen deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) „Soziale“ Erwägungen als Ausnahme im ­EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Binnenmarktförderung als Fokus der Harmonisierung . . . 88 a) Stärkung des Verbrauchervertrauens und Abbau von ­Marktverzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Zentrale Defizite auf Verbraucherseite . . . . . . . . . . . 92 (1) Informationsasymmetrien und Rationalitätsdefizite . 93 (2) Überoptimismus und Zeitinkonsistenz . . . . . . . . 94 (3) Rationale Apathie und Verbraucherpassivität . . . . . 95 (4) Asymmetrien in besonderen Entscheidungssituationen 96 c) Vorteilhafte Position des Unternehmers durch Fachwissen und Skaleneffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4. Unternehmer- und anbieterbezogene Ziele . . . . . . . . . . 98 a) Informationskosten durch unterschiedliche nationale Regelungen im Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . 99 b) Vereinheitlichung zur Kostensenkung . . . . . . . . . . . 100 c) Vollharmonisierung und Konsolidierung zur Kostensenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 d) Typisierung und Objektivierung als Strukturmerkmale . 103 e) Zwingende Ausgestaltung zur Schaffung von Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 f) Leichtere Produktvergleichbarkeit zur Kostensenkung . 106 III. Konkrete Beispiele der dualen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . 107 1. Informationspflichten und Verbraucherinformation der VerbrR-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Verbraucherinformation als zentrales Anliegen . . . . . . 107 b) Transparenz bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen . . . . 109 c) Effektivierung durch Formerfordernisse . . . . . . . . . . 111 d) Binnenmarktweite Vertragsstandardisierung . . . . . . . 113 2. Widerrufsrecht der VerbrR-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Asymmetrien in der Entscheidungssituation . . . . . . . 116 b) Verbrauchervertrauen und Marktpräferenzen . . . . . . . 117 c) Verbindung von Widerrufsrecht und Informationspflichten 118 d) Standardisierung und Objektivierung . . . . . . . . . . . 120

XVI

Inhaltsverzeichnis

3. Inhaltlich halbzwingende Normen der VerbrGK-RL . . . . 120 a) Asymmetrien in der Entscheidungssituation . . . . . . . 120 b) Binnenmarktweite Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . 124 4. AGB-Kontrolle der Klausel-RL . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Asymmetrien in der Entscheidungssituation . . . . . . . 125 b) Verbrauchervertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Binnenmarktweite Rechtsangleichung und Rechtssicherheit 128 IV. Konsequenz der dualen Zielsetzung für Parteidispositionen . . 131 1. Konzept des halbzwingenden Rechts im EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Gesamtabwägung als Ausnahmekonzept im EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Verbraucherbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Unternehmerbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 135 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Unzulässigkeit von Parteidispositionen trotz Entfallen des ­individuellen Schutzbedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Verbraucherbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 138 (1) Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (2) Kombination von Informationspflichten und Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (3) Nachvertragliche Informationen . . . . . . . . . . . . 141 (4) Vorvertragliche Informationspflichten . . . . . . . . . 141 (5) Mängelgewährleistungsrechte beim Verbrauchsgüterkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (6) AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (7) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Unternehmerbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 145 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Unzulässigkeit von Parteidispositionen unabhängig vom konkreten Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Verbraucherbezogene Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . 149 c) Unternehmerbezogene Zielsetzungen . . . . . . . . . . . 151 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 V. Unzulässigkeit indirekter Dispositionen durch schuldrechtliche Verpflichtung (pactum de non petendo) . . . . . . . . . . . . . . 151

Inhaltsverzeichnis

XVII

1. Zulässigkeit eines pactum de non petendo und Normziel als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Unzulässigkeit im EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . 152 VI. Sonderfall der Disposition per Vergleichsvertrag nach der ADR-RL (§  779 BGB i. V. m. §  19 VSBG) . . . . . . . . . . . . . 154 1. Zielsetzungen des EU-Verbrauchervertragsrechts und gütliche Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Literaturansicht zur Abdingbarkeit per Vergleichsvertrag 155 b) Vorrang des EU-Verbrauchervertragsrechts vor §  779 BGB 156 c) Harmonisierungsziel als Bestätigung des Ergebnisses . . 157 d) Punktuelle Regelungen im EU-Recht zu gütlichen ­Parteieinigungen als weitere Bestätigung des Ergebnisses 157 2. Zulässigkeit von Parteidispositionen im Anwendungsbereich von ADR-RL, §  779 BGB und §  19 VSBG . . . . . . . . . . . 158 a) Lockerung der Rechtsbindung nach der ADR-RL . . . . 158 b) Parteidispositionen per „Tatsachenvergleich“ und §  779 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Parteidispositionen und §  19 VSBG . . . . . . . . . . . . . 163 d) Kumulation der beiden Fälle als Voraussetzung . . . . . . 165 3. Zwischenergebnis zur Disposition nach §  779 BGB und §  19 VSBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 VII. Zwischenergebnis zur Wirksamkeit von Parteidispositionen im materiellen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Parteidispositionen und Verfahrensautonomie . . . . . . . . . . 167 1. Vorrangiges EU-Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Verfahrensautonomie der EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . 169 II. Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip und das Gebot effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Effektivitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Konzept der effektiven Wirkung und Grenzen des nationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Private enforcement des Marktrechts als verfahrensrechtliche Zielsetzung des Verbrauchervertragsrechts . . 175 c) Effektive Rechtsbehelfe als Grenze der verhältnismäßigen Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 d) Interesse an der Bewährung und einheitlichen Anwendung des EU-Rechts als weitere Grenze der Beschränkung . . 180 (1) Bedeutung der EuGH-Vorlage als Hintergrund . . . 180 (2) Möglichkeit der gerichtlichen Prüfung als Grenze einer Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

XVIII

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(3) Bedeutung des Verbrauchervertragsrechts und der ­Binnenmarktförderung als weiterer ­Abwägungsgesichtspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (4) Vergleich mit ausschließlich individualschützenden ­Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (5) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Effektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Begriff der Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Maßstab der Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit . . . 190 c) Positive Fortentwicklung in Kombination mit dem ­Effektivitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 III. Parteidispositionen im B2C-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Abgrenzung zur Prozessinitiierungsfreiheit . . . . . . . . . 195 a) Prozessinitiierungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Verbraucherapathie und flankierende ­Rechtsdurchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . 196 c) Disposition über den Zugang zu Gericht als Grenze . . . 199 2. Parteidispositionen als zulässige Beschränkung des materiellen EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . . . . 202 a) Zulässigkeit von Parteidispositionen als Grundsatz . . . 202 b) Zugang zu Gericht und Möglichkeit der EuGH-Vorlage als Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) Vorrangiges EU-Recht als zusätzliche Grenze . . . . . . 204 3. Unionsrechtliches Konzept der Parteidispositionen . . . . . 205 a) Gestörte Vertragsparität als Ausgangspunkt . . . . . . . 205 b) Informationsasymmetrien als zentraler Ansatzpunkt auch im Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 c) Beseitigung der Informationsasymmetrien als Voraussetzung einer wirksamen Disposition . . . . . . . 210 d) Bedeutung anwaltlicher Vertretung . . . . . . . . . . . . 214 e) Rechte des Unternehmers als Abwägungsgesichtspunkte 214 C. Zwischenergebnis zu §  2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

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XIX

Teil  II: Auswirkung auf die einzelnen Verfahren . . . . . . . . . 221 §  3 Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 A. Kontradiktorisches Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Dispositionsmaxime, Antragsgrundsatz und Zugang zu Gericht 224 1. Einleitung des Verfahrens, Vorverfahren und Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 a) Einleitung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Vorverfahren und andere Modalitäten des Verfahrensbeginns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 c) Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Bestimmung des Streitgegenstands und Antragsgrundsatz . 228 3. Iura novit curia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 II. Beschleunigungsgrundsatz und Rechtsfrieden durch ­Ausschlussfristen und Eintritt der Rechtskraft . . . . . . . . . 231 1. Zulässigkeit von Ausschlussfristen als Grundsatz . . . . . . 232 2. Allgemeine Anforderungen an die Angemessenheit von ­Ausschlussfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3. Spezielle Anforderungen an die Fristausgestaltung und -dauer 235 a) Fristbeginn und Kenntnis des Verbrauchers . . . . . . . . 235 b) Inhaltliche Anforderungen an die Mitteilung . . . . . . . 237 c) Anforderungen an die Dauer der Frist . . . . . . . . . . . 238 4. Sonderfall Rechtskraft als zentraler Bestandteil des Prozessrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Bedeutung der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Rechtsmissbrauch und Kollusion als Ausnahmegründe für eine Rechtskraftdurchbrechung bei Urteilen . . . . . . . 240 c) Nichtgerichtliche Titel als Sonderfälle . . . . . . . . . . . 242 d) Kenntnis des Verbrauchers vom Beginn des Fristablaufs . 243 e) Zulässigkeit der Monatsfrist bis Eintritt der Rechtskraft . 244 5. Sonderfall Präklusion durch rügelose Einlassung . . . . . . 244 a) Präklusion als Beschränkung des Unionsrechts . . . . . . 244 b) Hinweispflicht gem. §§  39 S.  2, 504 ZPO als ausreichende Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Rügelose Einlassung vor dem Landgericht als Beschränkung der effektiven Wirkung . . . . . . . . . . . 247 d) Hinweispflicht nach §  139 ZPO zur Vermeidung der Unionsrechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (1) Auslegung contra legem als Grenze . . . . . . . . . . . 248 (2) Hinweispflicht gem. §  139 ZPO als ausreichende Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

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(3) Zulässigkeit der richterlichen Hinweispflicht gem. §  139 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (4) Anwaltliche Vertretung als unzureichender ­Differenzierungsgesichtspunkt . . . . . . . . . . . . . 251 (5) Abwesenheit schutzwürdiger Interessen der Gegenseite 252 (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 III. Da mihi factum und Modifikationen durch den EuGH . . . . . 253 1. Vorgaben des EuGH zu Beibringungsgrundsatz und ­Tatsachenermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Beibringungsgrundsatz als anerkannter Grundsatz des ­nationalen Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Einschränkungen durch das Äquivalenzprinzip . . . . . 256 c) Einschränkungen durch das Effektivitätsprinzip bei sich aufdrängenden und leicht verifizierbaren Tatsachen . . . 257 2. Offenkundigkeit gem. §  291 ZPO bei sich aufdrängenden Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 a) Befreiung von Beweisführungs- und Darlegungslast als Folge des §  291 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 b) Beschränkung auf positive Kenntnis und Tatsachen aus anderen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 3. Richterliche Pflichten gem. §§  139 Abs.  1 S.  2, 142, 144 ZPO bei sich aus der Akte ergebenden Tatsachen . . . . . . . . . . 261 a) Richterliche Hinweispflicht gem. §  139 ZPO und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Gerichtliche Beweiserhebungsmöglichkeiten und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 c) Völlige Untätigkeit oder bewusster Verzicht des Verbrauchers als Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 4. Hinweispflicht gem. §  139 Abs.  1 S.  2 ZPO bei leicht feststellbaren Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 IV. Erstes Resümee zu Umfang und Grenzen richterlicher ­Hinweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Verfahrensrechtliche Hürden als Gegenstand der Hinweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Anwaltliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 3. Hinweispflicht auf materiellrechtliche Gesichtspunkte als ­Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 B. Anerkenntnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Anerkenntniserklärung als Prozesshandlung . . . . . . . . . . 271 1. Zustandekommen der Erklärung ohne Einfluss des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

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2. Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand . . . . . . . 272 3. Unabhängigkeit der Erklärung vom materiellen Recht . . . 273 II. Ordre public und Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 274 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 C. Versäumnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. Unionsrechtskonformität der allgemeinen Verfahrensausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Verhältnismäßigkeit des Versäumnisverfahrens . . . . . . . 277 2. Verfahrensausgestaltung in Gesamtbetrachtung . . . . . . . 278 II. Behandlung von gerichtsbekannten und leicht feststellbaren Tatsachen i. R. d. §§  291, 335 Nr.  1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 D. Zwischenergebnis zu §  3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

§  4 Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 A. Prozessvergleich als EU-Verbrauchervertrag . . . . . . . . . . . . . 284 I. Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . 284 1. Doppelnatur des Prozessvergleichs als Ausgangspunkt . . . 285 2. Anwendbarkeit von prozessualen und materiellrechtlichen ­Regelungen als Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 II. AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. Anwendbarkeit der §§  305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . 287 a) AGB-Kontrolle als Konkretisierung allgemeiner Grundsätze des Vertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 288 b) Umfassender Anwendungsbereich der Klausel-RL . . . . 288 c) Zweck der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 d) Parallele zur Rechtsprechung zu anderen Prozessvereinbarungen und -erklärungen . . . . . . . . . 290 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Tatbestandsmerkmal des „Stellers“ und „Verwenders“ bei vom Richter eingebrachten AGB . . . . . . . . . . . . . . . . 291 a) Wortlaut als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . 291 b) Vergleichbarkeit von Notar und Richter . . . . . . . . . . 292 c) Einschränkende Berücksichtigung von ErwG 16 . . . . . 293 3. Folge einer unwirksamen Klausel . . . . . . . . . . . . . . . 294 III. Informationspflichten und Widerrufsrechte . . . . . . . . . . . 294 1. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und die Situation des Protokollvergleichs . . . . . . . . . . . . . 295 2. Fernabsatzverträge und Beschlussvergleich . . . . . . . . . . 297 3. Verallgemeinerung für Informationspflichten . . . . . . . . 298 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

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B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 I. Zulässigkeit und Vergleichsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . 301 1. Vergleichsbefugnis nach deutschem Recht . . . . . . . . . . 301 2. Vergleichsbefugnis nach EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . 302 II. Dispositionsmöglichkeit über den Vergleichsinhalt . . . . . . . 303 1. Nationale Verfahrensautonomie aufgrund mangelnder vorrangiger EU-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 2. Dispositionen im Prozessvergleich nach deutschem Recht . 305 3. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht 308 4. Tatsachenvergleich als Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . 311 a) Dispositionsmöglichkeiten im Fall des Tatsachenvergleichs 311 b) Tatsachenvergleich als Teil der Verfahrensautonomie . . . 312 c) Zulässige Einschränkung der effektiven Wirkung . . . . 312 d) Beweislastregeln oder Vermutungen im EU-Recht als ­Rückausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 e) Parteiautonome Entscheidung des Verbrauchers als weitere Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 C. Pflichten des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 I. Begriff der Rechtsprechung i. S. d. GG . . . . . . . . . . . . . . 316 1. Funktional-formaler Rechtsprechungsbegriff . . . . . . . . 317 2. Funktionaler oder historisch-funktionaler Rechtsprechungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 II. Konsequenzen für die richterliche Mitwirkung beim Abschluss eines Prozessvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 1. Rechte und Pflichten des Richters beim Protokollvergleich . 323 a) Zulässigkeit der Protokollierungsverweigerung . . . . . . 323 (1) Unergiebigkeit des Gesetzestextes . . . . . . . . . . . 323 (2) Unergiebigkeit des Vergleichs mit §  156 FamFG und §  1053 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (3) Prüfungsmöglichkeit aufgrund der Gesamtwertung der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (4) Verweigerungsrecht aufgrund der richterlichen Stellung 326 (5) Bestätigung durch Materialien zum Beschlussvergleich 326 (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 b) Inhaltliche Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 (1) Prozessökonomie als unzulässiges Kriterium . . . . . 327 (2) Gütliche Streitbeilegung als rechtsgebundene Einigung 328 (3) Verfassungsrechtlicher Rechtsprechungsbegriff und richterliche Rechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . 330 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 c) Hinweispflicht bei passivem Richter . . . . . . . . . . . . 332

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d) Erweiterte Hinweispflicht bei aktivem Richter . . . . . . 336 e) Relevanz anwaltlicher Vertretung . . . . . . . . . . . . . 339 2. Rechte und Pflichten des Richters bei den weiteren Arten des Prozessvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 a) Beschlussvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 b) Güterichter gem. §  278 Abs.  5 ZPO . . . . . . . . . . . . . 342 c) PKH-Verfahren und selbstständiges Beweisverfahren . . 344 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 D. Zwischenergebnis zu §  4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

§  5 Schiedsspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge . . . . . . . . . . . 348 I. Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . 348 1. Zulässigkeit im B2C-Verhältnis nach nationalem Recht . . . 348 2. Zulässigkeit im B2C-Verhältnis nach Unionsrecht . . . . . . 351 3. Problem der Umgehung zwingenden Rechts oder des effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 II. Anwendbarkeit der §§  305 ff. BGB und der Klausel-RL . . . . 355 1. Allgemeine Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Kontrollfähigkeit gem. §  307 Abs.  3 BGB . . . . . . . . . . . 357 3. Überraschende Klausel i. S. d. §  305c BGB . . . . . . . . . . 357 4. Spezielle Klauselverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 a) Keine Einschlägigkeit von §  309 Nr.  14 BGB . . . . . . . 358 b) Keine analoge Anwendung von §  309 Nr.  14 BGB . . . . 359 5. Unangemessene Benachteiligung gemäß §  307 Abs.  1, 2 BGB 359 a) Überblick über die Voraussetzungen der unangemessenen Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 b) Wahrung effektiven Rechtsschutzes und des FairnessPrinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 c) Kosten des Verfahrens und Schiedsort . . . . . . . . . . . 362 d) Nicht klare und nicht verständliche Regelung, §  307 Abs.  1 S.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 e) Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung und rügelose ­Einlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 (1) Formunwirksamkeit und rügelose Einlassung gem. §  1031 Abs.  6 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 (2) Unwirksamkeit aus EU-Verbrauchervertragsrecht und rügelose Einlassung gem. §  1040 Abs.  2 ZPO . . . . . 366 f) Unwirksame Vereinbarung der Besetzung des Schiedsgerichts und Vorrang des §  1034 Abs.  2 ZPO . . . 367 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

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III. Anwendbarkeit der Informationspflichten . . . . . . . . . . . . 369 1. Allgemeine Anwendbarkeit der Informationspflichten der ­VerbrR-RL auf Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . 370 2. Problem der entgeltlichen Leistung des Unternehmers i. S. d. §  312 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 a) Relevanz der „entgeltlichen Leistung“ nur für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge . . . . . . . 371 b) Schiedsvereinbarung als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 IV. Widerruf der Schiedsvereinbarung und „prozessuale Überholung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 1. Grundsätze der prozessualen Überholung im Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 2. Behandlung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 376 B. Befreiung des Schiedsrichters von der Rechtsbindung als Verbrauchervertrag und als Disposition über EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 I. Vereinbarung zur Billigskeitsentscheidung als Verbrauchervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 1. Entsprechende Anwendung von §  1031 Abs.  5 ZPO in ­Verbraucher-Unternehmer-Streitigkeiten . . . . . . . . . . . 380 2. Vereinbarung der Billigkeitsentscheidung in AGB . . . . . . 381 II. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht 381 1. Maßstab der Billigkeitsentscheidung . . . . . . . . . . . . . 381 2. Besonderheiten bei zwingendem EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 C. Schiedsvergleich und Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut . . 384 I. Schiedsvergleich als Verbrauchervertrag . . . . . . . . . . . . . 384 1. Vergleichsvertrag ohne Doppelnatur . . . . . . . . . . . . . 384 2. Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut und Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 3. Besonderheiten bei der Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 II. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Schiedsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 D. Kontrolle des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 I. Schiedsrichterliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 II. Richterliche Kontrolle der EU-Rechtmäßigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 1. Prüfung vor Erlass des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . 393

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2. Aufhebungsverfahren gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO . . 394 a) Präklusion durch rügelose Einlassung . . . . . . . . . . . 394 b) Antrags- und Begründungserfordernis nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 396 c) Frist gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a, Abs.  3 ZPO . . . . . . 399 d) Unwirksamkeit der Schiedsklausel und ordre public, §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 404 e) Gesamtabwägung der Ausgestaltung von §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 406 3. Aufhebung im Vollstreckbarerklärungsverfahren gem. §  1060 Abs.  2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 a) Präklusion nach §§  1060 Abs.  2 S.  3, 1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a, Abs.  3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 b) Ordre public, §§  1060 Abs.  2 S.  3, 1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 III. Richterliche Prüfung der sonstigen EU-Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 1. Prüfung vor Erlass des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . 409 2. Nach Erlass des Schiedsspruchs, §§  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b, 1060 Abs.  2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 a) Zwingendes Recht und ordre public nach deutschem Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 b) Ordre public und zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 411 c) Antrags- und Fristerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . 412 E. Kontrolle des Schiedsvergleichs und des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 I. Schiedsrichterliche Kontrolle und Inhalt des ordre public i. S. d. §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 II. Richterliche Kontrolle nach §§  1059 f. ZPO . . . . . . . . . . . 417 III. Notarielle Kontrolle nach §  1053 Abs.  4 ZPO . . . . . . . . . . 418 1. Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 2. Fehlender Rechtsbehelf gegen Vollstreckbarerklärung und ­effektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 a) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 b) Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit des fehlenden ­Rechtsbehelfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 c) Verfassungs- und unionsrechtskonforme Analogie des §  1065 Abs.  1 ZPO als Konsequenz . . . . . . . . . . . . . 422 F. Zwischenergebnis zu §  5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

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§  6 Vollstreckbare Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 A. Unterwerfungserklärung als „Verbrauchervertrag“ und Dispositionen über EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 I. Allgemeine Zulässigkeit von Unterwerfungserklärungen im B2C-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 1. Vergleichsbefugnis gem. §  794 Abs.  1 Nr.  5 ZPO . . . . . . . 427 2. Zulässigkeit im B2C-Vehältnis nach deutschem Recht . . . . 427 3. Unionsrechtliche Zulässigkeit im B2C-Vehältnis . . . . . . . 429 II. Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts auf die ­Unterwerfungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 1. Rechtsnatur als einseitige Prozesserklärung und Rückgriff auf das materielle Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 a) Rechtsnatur als einseitige Prozesserklärung . . . . . . . . 431 b) Prozesserklärung und Rückgriff auf materielles Recht . . 433 2. AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 a) Anwendbarkeit der §§  305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . 434 b) Unternehmer als „Steller“ und „Verwender“ bei notariell entworfenen Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 c) Keine allgemeine AGB-Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . 437 d) Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung . . . . . . . . 439 3. Informationspflichten und Widerrufsrechte . . . . . . . . . 439 III. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Unterwerfungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 1. Wirksamkeit von dem materiellen Recht widersprechenden Unterwerfungserklärungen als Grundsatz . . . . . . . . . . 440 2. Unwirksamkeit bei sitten- und gesetzeswidrigen Ansprüchen und Einfluss des Äquivalenzprinzips . . . . . . . . . . . . . 441 3. Zulässigkeit der Dispositionen über zwingendes Recht im ­Verfahren nach §  19 VSBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 B. Inhaltliche Kontrolle durch den Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 I. Beurkundungspflicht unabhängig vom materiellen Recht als ­Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 II. Verfassungsrechtliche Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 III. Besonderheiten bei Verstoß gegen EU-Verbrauchervertragsrecht 447 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 C. Zwischenergebnis zu §  6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

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§  7 Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 A. Anwaltsvergleich als Verbrauchervertrag und Dispositionen über ­zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 451 I. Anwendbarkeit des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 452 II. Besonderheiten bei Vereinbarungen in AGB . . . . . . . . . . . 453 III. Keine prozessuale Überholung aufgrund begrenzter Rechtskraft des vollstreckbaren Anwaltsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . 453 1. Begrenzte Rechtskraft der gerichtlichen Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 2. Keine Rechtskraft der notariellen Vollstreckbarerklärung . 455 IV. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 B. Inhaltliche Kontrolle durch Anwälte, Notar und Gericht . . . . . . 457 I. Pflichten der Anwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 II. Pflichten des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 III. Pflichten des Notars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 C. Zwischenergebnis zu §  7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460

§  8 Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 A. Klauselverfahren und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 I. Klauselverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 II. Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 III. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 B. Präklusion materiellrechtlicher Einwendungen im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 I. Problemaufriss der Präklusion gem. §  767 Abs.  2 ZPO . . . . . 465 II. Relevanz für die untersuchten Titel . . . . . . . . . . . . . . . . 467 III. Präklusion von Mängelgewährleistungs- und Widerrufsrechten unionsrechtlicher Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 1. Widerrufsrecht nach VerbrR-RL . . . . . . . . . . . . . . . . 469 2. Rücktritt und Minderung nach VerbrGK-RL . . . . . . . . 470 3. Nacherfüllungsanspruch nach VerbrGK-RL und Einrede des nichterfüllten Vertrags, §  320 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 472 C. Zwischenergebnis zu §  8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474

Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537

Abkürzungsverzeichnis ADR-RL

Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucher­ angelegenheiten), ABl. EU 2013, Nr. L 165, 63 AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen Anh. Anhang B2B Business-to-business B2C Business-to-consumer Brüssel Ia-VO Verordnung 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung), ABl. 2012, Nr. L 351, 1 C2C Consumer-to-consumer DCFR Draft Common Frame of Reference E-Commerce-RL Richtlinie 2000/31 vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. EG 2000, Nr. L 178, 1 EL Ergänzungslieferung ErwG Erwägungsgrund EU-GrundrechteCharta Charta der Grundrechte der Europäischen Union EuRAG Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland Fernabsatz-RL Richtlinie 97/7 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertrags­ abschlüssen im Fernabsatz, ABl. EG 1997, Nr. L 144, 19 FinFA-RL Richtlinie 2002/65 vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. EG 2002, Nr. L 271, 16 Haustür-RL Richtlinie 85/577 des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. EG 1985, Nr. L 372, 31

XXX Kartellschadens- ersatz-RL

Abkürzungsverzeichnis

Richtlinie 2014/104 vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl. EU 2014, Nr. L 349, 1 Klausel-RL Richtlinie 93/13 vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. EG 1993, Nr. L 95, 29 Mediations-RL Richtlinie 2008/52 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EU 2008, Nr. L 136, 3 New York United Nations Convention on the Recognition and EnforceConvention ment of Foreign Arbitral Awards (New York, 10. Juni 1958) Pauschalreise-RL Richtlinie 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Euro­päischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates, ABl. EU 2015, Nr. L 326, 1 PKH Prozesskostenhilfe ProdH-RL Richtlinie 85/374 des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ABl. EG 1985, Nr. L 210, 29 Prozesskosten-RL Richtlinie 2002/8 des Rates vom 27. Januar 2003 zur Ver­ besserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen, ABl. EG 2003, Nr. L 26, 41 Tabak-RL Richtlinie 2014/40 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl. EU 2014, Nr. L 127, 1 Timesharing-RL Richtlinie 2008/122 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wieder­ verkaufs- und Tauschverträgen, ABl. EU 2009, Nr. L 33, 10 UGP-RL Richtlinie 2005/29 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/ EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), ABl. EG 2005, Nr. L 149, 22

Abkürzungsverzeichnis

Universaldienst-RL

Unterlassungs- klagen-RL VerbrGK-RL VerbrK-RL

VerbrR-RL

XXXI

Richtlinie 2002/22 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie), ABl. EG 2002, Nr. L 108, 51 Richtlinie 2009/22 vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (kodifizierte Fassung), ABl. EU 2009, Nr. L 110, 30 Richtlinie 1999/44 vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. EG 1999, Nr. L 171, 12 Richtlinie 2008/48 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU 2008, Nr. L 133, 66 Richtlinie 2011/83 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU 2011, Nr. L 304, 64

Im Übrigen wird verwiesen auf Kircher, Hildebert (Begr.)/Böttcher, Eike, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9.  Auflage, Berlin, Boston 2018 und Hoffmann, Bernd von/Thorn, Karsten/Henrich, Dieter (Hrsg.), IPRax-Abkürzungsverzeichnis deutscher und ausländischer Periodika, Bielefeld 2005

Einleitung A. Anlass und Ziel der Arbeit Grundthema dieser Arbeit ist, wie sich materielles, nicht-disponibles Verbrauchervertragsrecht unionsrechtlichen Ursprungs einerseits und Regeln zur Parteiautonomie im Verfahrensrecht autonom-nationaler Herkunft andererseits zueinander verhalten. Von besonderem Interesse ist hierbei, welche Pflichten für die deutschen Gerichte und weitere staatliche Stellen entstehen, die unionsrechtlich gebotene, insbesondere effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts verfahrensrechtlich sicherzustellen. Anlass für die Untersuchung bilden die Veränderungen, die sich im Zivilrecht der letzten Jahre zeigen und welche mit der Europäisierung des Privatrechts einhergehen (I.). Sie wurden vom Prozessrecht bisher nicht entsprechend nachvollzogen. Notwendig ist eine vom EuGH1 zwar allgemein begonnene, aber im deutschen Recht noch nicht abgeschlossene Austarierung zwischen der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten auf der einen und dem Anwendungsvorrang des Unionssekundärrechts, dem Diskriminierungsverbot (Äquivalenzprinzip), der effektiven Wirkung des Unionsrechts (Effektivitätsprinzip) und dem effektiven Rechtsschutz des Einzelnen auf der anderen Seite (II.). Diese Arbeit zielt darauf ab, diese Austarierung für das deutsche Recht vorzunehmen, ohne dabei zugleich eine politische Position für mehr oder weniger Verbraucherschutz einzunehmen (III.).

I. Ungleichgewicht zwischen Privatautonomie und Parteiautonomie Ein Grundprinzip des Vertragsrechts ist die Privatautonomie, welche es den Parteien erlaubt, ihre Rechtsverhältnisse selbstverantwortlich zu gestalten.2 In den vergangenen Jahrzehnten ist das Vertragsrecht um zahlreiche Normen angewachsen, die Verträge und Vertragsschlüsse zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer (Business to Consumer – B2C) zum Gegenstand ha1 

Ausführliche Darstellung der Rechtsprechung unter §  2 B. BVerfGE 72, 155 = BVerfG, „Ererbtes Handelsgeschäft“, NJW 1986, 1859, 1860; ­Flume, BGB AT II, 4.  Aufl., 1992, §  1/1 (S.  1); ders., in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 135, 136. 2  Z. B.

2

Einleitung

ben.3 Die Mehrzahl dieser Regelungen geht auf EU-Richtlinien zurück.4 Sie sollen eine im B2C-Verhältnis unterstellte ungleiche Verhandlungsposition des Verbrauchers ausgleichen und darüber hinaus den Binnenmarkt fördern. Das EU-Recht nutzt verschiedene Mechanismen, um diese Ziele zu erreichen. Sie haben als Kernelement gemein, dass sie die Privatautonomie beider Vertragspartner einschränken. Im Verbrauchervertragsrecht ist daher eine Tendenz zu verzeichnen, dass zwingende Normen das dispositive Vertragsrecht verdrängen. Für die Durchsetzung seiner Rechte ist der Verbraucher auf das Verfahrensrecht angewiesen. Das deutsche Verfahrensrecht blieb für innerstaatliche Sachverhalte von der beschriebenen Harmonisierungstendenz bisher nahezu unbehelligt. Ein Grundprinzip des deutschen Verfahrensrechts ist die Parteiautonomie, welche den Parteien weitgehende Freiheiten bei der Verfahrensgestaltung erlaubt. Im Ausgangspunkt bestehen Parallelen zwischen Privat- und Parteiautonomie. Beide gehen auf dieselben Grundwerte, insbesondere die Freiheitsrechte der Parteien, zurück.5 Im Gegensatz zum materiellen Recht existieren aber im Individualrechtsstreit nur wenige Regelungen, die eine Ungleichgewichtslage zwischen Verbrauchern und Unternehmern im Verfahren ausgleichen sollen (z. B. §§  29c, 38 Abs.  1, 1031 Abs.  5 ZPO). Sonderregelungen, die Verhandlungsungleichgewichten im B2C-Bereich entgegenwirken, existieren sowohl im Unionsrecht als auch im nationalen Recht primär für bestimmte alternative Streitbeilegungsverfahren (insb. §§  1 ff. VSBG) und im kollektiven Rechtsschutz (insb. §§  1 ff. UKlaG, §§  606 ff. ZPO). Auch wenn allgemein – wie auch im Bereich des materiellen Vertragsrechts – sogenannte erste „Materialisierungstendenzen“ im Verfahrensrecht zu erkennen sind, 6 besteht kein Gleichlauf zwischen materiellem Recht und Prozessrecht: Während das materielle Recht im B2C-Verhältnis regelmäßig eine kompensationsbedürftige Ungleichgewichtslage zwischen den Vertragspartnern unterstellt,7 geht das deutsche Verfahrensrecht in einem Rechtsstreit zwischen Verbrauchern und Unternehmern grundsätzlich von gleichstarken Verhandlungspartnern aus.

3  Z. B. §§  312 ff., 355 ff., 474 ff., 491 ff., 506 ff., 650i ff., 651a ff., 305 ff. i. V. m. §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB. 4  Z. B. die FinFA-, Klausel-, Pauschalreise-, VerbrGK-, VerbrK- und VerbrR-RL. 5  Ausführlich dazu §  1. 6  Vgl. etwa Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, insb. 187 ff.; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, insb. 291 ff. (sehr zurückhaltend); H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 26 ff.; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 459 ff.; Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 309 ff. 7  Ausführlich §  2 A.

A. Anlass und Ziel der Arbeit

3

II. Parteidispositionen und ihre Besonderheiten im EU-Verbrauchervertragsrecht Parteientscheidungen und Parteivereinbarungen prägen das nationale Verfahrensrecht ebenso wie das Zivilrecht. Die Einwirkungsintensität auf Parteientscheidungen durch die EU unterscheidet sich aber von der durch das autonom nationale materielle Recht und führt zu stärkerem Korrekturbedarf. Dies liegt nicht daran, dass ein stärkerer Gleichlauf zwischen Privat- und Parteiautonomie in einem vom Unionsrecht unberührten Bereich unmöglich wäre. Jedoch harmonisiert die EU das innerstaatliche Verfahrensrecht bewusst nur punktuell und überlässt die verfahrensrechtliche Durchsetzung weitgehend den Mitgliedstaaten. Der deutsche Gesetzgeber wiederum gewährt den Parteien im Prozess weitere Freiheiten als im materiellen Recht.8 Diese Freiheiten sind aber aus Sicht des Unionsrechts nur begrenzt erwünscht. Bei weiten Dispositionsmöglichkeiten der Parteien wächst zugleich das Bedürfnis der EU, zu verhindern, dass nationale Regelungen, auch prozessuale, faktisch die Wirkung des Unionsrechts unterbinden. Auch wenn letzteres grundsätzlich die Parteiautonomie des Einzelnen respektiert, kann es zu einem Konflikt mit dem EU-Verbrauchervertragsrecht kommen: Soweit das materielle Recht unterstellt, dass der Verbraucher dem Unternehmer gerade nicht als gleichberechtigter Verhandlungspartner gegenübersteht, darf auch das Verfahrensrecht nicht seinerseits davon ausgehen, dass der Verbraucher denselben Erfahrungs- und Wissenshorizont hat wie der Unternehmer. Um zu verhindern, dass sich die materiellrechtlich bekämpfte Ungleichgewichtslage im Verfahren auswirkt und genau zu dem Ergebnis führt, welches das materielle Recht verhindern soll, müssen die Mitgliedstaaten eingreifen und ihr Verfahrensrecht entsprechend anpassen. Grenze der Anpassung auf verfahrensrechtlicher Seite ist wiederum, dass Kernelemente des nationalen Verfahrensrechts betroffen sind. Verfahrensnormen, die materielles Verbrauchervertragsrecht einschränken, müssen Ziele verfolgen, die auch vom Unionsrecht anerkannt werden. Beispielhaft können hier der Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit, welche die Rechtskraft herbeiführt, oder das Recht auf faires Verfahren beider Parteien genannt werden.9

III. Ziel der Arbeit Ziel dieser Untersuchung ist es, herauszuarbeiten, inwieweit das Verbrauchervertragsrecht unionsrechtlicher Herkunft auf das deutsche Verfahrensrecht und hiernach zulässige Parteidispositionen einwirkt. Speziell für Parteidispositionen wird untersucht, wie die beiden beschriebenen Ebenen – das unionsrecht8  9 

Dazu etwa §  1 B. und §  4 B. Ausführlich §  2 B., §  3 II.

4

Einleitung

lich geprägte Verbrauchervertragsrecht und das autonome deutsche Verfahrensrecht – miteinander interagieren und in Einklang gebracht werden müssen. Es geht bei der Fragestellung nicht darum, den häufig politisch aufgeladenen Erwägungen nach „mehr“ oder „weniger“ Verbraucherschutz im Verfahren nach­zugehen.10 Das vorhandene EU-Verbrauchervertragsrecht eignet sich als materiellrechtliche Basis für diese Arbeit, da es in besonderem Maße aufzeigt, wie sich die Wertungen des europäisierten Vertragsrechts auch auf die Partei­ autonomie im deutschen Verfahrensrecht auswirken. Zum einen besteht eine konsistente und andauernde Rechtsprechung des EuGH, sodass sich erste Systemprinzipien abzeichnen. Zum anderen sind die übrigen Rechtsgebiete des Unionsprivatrechts weniger geeignet, das allgemeine Verfahrensrecht, das im Mittelpunkt der Untersuchung steht, zu analysieren: Die Union harmonisiert in ähnlich breitem Umfang das Wettbewerbsrecht, Kartellrecht oder Arbeitsrecht. In diesen Materien unterscheidet sich die verfahrensrechtliche Durchsetzung regelmäßig vom typischen Zivilprozess und ist gesondert geregelt.11 Im Gegensatz dazu können Regelungen des Verbrauchervertragsrechts nahezu jeden Vertragstyp betreffen. Die Verfahren richten sich nach den allgemeinen Regelungen der ZPO. Das Verbrauchervertragsrecht eignet sich damit aus pragmatischen und wissenschaftlichen Motiven besonders als Untersuchungsobjekt dieser Arbeit.

B. Notwendigkeit der Untersuchung In einer Vielzahl von Entscheidungen hat der EuGH begonnen, nationale Verfahrensrechte auf ihre Unionsrechtskompatibilität hin zu analysieren und na­ tionale Verfahrensregelungen für unionsrechtswidrig zu erklären. Der Schwerpunkt der Entscheidungen lag dabei auf Fällen, in denen das EU-Verbrauchervertragsrecht streitentscheidend und wegen einer nationalen Verfahrensregelung nicht anwendbar war.12 Obwohl die ersten Entscheidungen bereits nahezu zwei Jahrzehnte zurückliegen,13 fehlt eine umfassende Untersuchung, die sich mit den hieraus resultierenden notwendigen Folgen für das deutsche Verfahrensrecht und insbesondere den Regelungen zu Parteidispositionen beschäftigt. Zum materiellen Verbraucherschutzrecht existiert schon seit der Mitte des 20.  Jahrhunderts eine Vielzahl von Untersuchungen – Verbraucherschutz ist 10  So etwa Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 2016; H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 803 ff. 11  Vgl. §§  12 ff. UWG, §§  87 ff. GWB, ArbGG. 12  Ausführliche Darstellung in §  2 B. 13 Z.  B. EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346; Cofidis, C-473/­0 0, ECLI:EU:C:2002:705.

B. Notwendigkeit der Untersuchung

5

nicht nur politisch ein Dauerthema.14 Diese Arbeiten fokussieren meist auf die Aspekte des Schwächerenschutzes und die Perspektive des Verbrauchers, was sich auch häufig an der Benennung als Verbraucherschutzrecht erkennen lässt.15 Soweit die Untersuchungen auch das Verfahrensrecht einbeziehen, greifen sie regelmäßig auf das Verbraucherschutzkonzept des nationalen Rechts zurück, ohne die Besonderheiten des Unionsrechts ausreichend herauszuarbeiten und vom autonomen deutschen Recht zu trennen.16 Das EU-Verbrauchervertragsrecht unterscheidet sich grundlegend vom na­ tionalen Konzept dadurch, dass es primär den Binnenmarkt fördern soll. Die EU bedient sich des Verbrauchervertragsrechts und des Instruments der Harmonisierung, um eine Marktordnung zu etablieren, die Unternehmer und Verbraucher gleichermaßen dazu bewegt, sich binnenmarktweit zu betätigen. Der EU geht es damit gerade nicht nur (aber auch) darum, den Verbraucher als den „Schwächeren“ im Vertrag zu stärken. Darüber hinaus – und teilweise nicht immer im Interesse des Verbrauchers – verfolgt die EU das Ziel der Binnenmarktförderung, welches durch eine Angleichung der Rechtsvorschriften erreicht werden soll. Der Harmonisierungsgedanke führt stellenweise dazu, dass Vereinheitlichung nicht zur Stärkung des Verbraucherschutzes, sondern primär zur Förderung des unternehmerischen Geschäftsverkehrs geschieht (ausführlich §  2 A.). Zugleich instrumentalisiert das EU-Recht das Verbraucherrecht und auch den einzelnen Verbraucher für seine Marktziele und zur Rechtsdurchsetzung (sog. private enforcement).17 Hierüber gibt es zahlreiche Arbeiten.18 Doch mit 14  Z. B. Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 1983; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995; P. Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, 2017, 681 ff.; von Hippel, Verbraucherschutz, 3.  Aufl., 1986. 15  Z. B. Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 1983; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, etwa 157–162; von Hippel, Verbraucherschutz, 3.  Aufl., 1986. 16  Z. B. Bahnsen, Verbraucherschutz im Zivilprozeß, 1997; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 2016; Gilles, in: Leser (Hg.), FS Kitagawa, 1992, 347; Hess, ZZP 118, 2005, 427; H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019; Redeker, Verbraucherschutz im Beurkundungsverfahren, 2017; N. Reich, in: Blankenburg u. a. (Hg.), Alternativen in der Ziviljustiz, 1982, 219; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 806 ff. 17  Ausführlich §  2 B., allgemein zum private enforcement etwa: Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 185 f.; Hodges, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 437; C. Kern, ZZP Int 12, 2007, 351, 364 f.; Masing, Mobilisierung des Bürgers, 1997, 45 f., 176; Nettesheim, AöR 132, 2007, 333, 355; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 274; G. Wagner, CMLR 51, 2014, 165, 170. 18  Z. B. Heiderhoff, Grundstrukturen, 2004; Loos, in: Stürner (Hg.), Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht?, 2010, 47; V. Mak, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 333; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004; Schmidt-Kessel, in: Stumpf u. a. (Hg.), Privatrecht, Wirtschaftsrecht, Verfassungsrecht, 2015, 163; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996.

6

Einleitung

der Schnittstelle von EU-Verbrauchervertragsrecht und nationalem Verfahrensrecht setzen sich nur wenige Werke auseinander. Meist handelt es sich um Beiträge zu einzelnen EuGH-Entscheidungen oder einzelnen Verfahrensarten,19 insbesondere dem Verfahren, welches zu einem streitigen Urteil führt.20 Diese Schwerpunktsetzung ist nachvollziehbar. In den Hintergrund tritt allerdings der Umstand, dass für das Verständnis von EU-Verbrauchervertragsrecht und Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten das Konzept der Partei­ autonomie zentral ist: Der EuGH ist grundsätzlich darauf bedacht, die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts sicherzustellen. Allerdings respek­ tiert er ausdrücklich die parteiautonome Entscheidung des Verbrauchers, seine Rechte nicht geltend zu machen, selbst wenn dadurch das EU-Verbrauchervertragsrecht seine effektive Wirkung verliert. Doch liegt seiner Argumentation ein gewandeltes, europäisiertes Verständnis darüber zugrunde, wann überhaupt eine parteiautonome Entscheidung vorliegt. Im Verfahren, das zum kontradiktorischen Urteil führt, sind zwar Partei­ dispositionen möglich, doch erfolgen diese meist einseitig und gegenüber dem Gericht (etwa durch Anerkenntniserklärung oder unterlassenen Vortrag). Relevant wird Unionsrechts nur bei der Frage, ob durch die Parteidisposition über zwingendes Verbrauchervertragsrecht verfügt werden kann. Eine weitere, dogmatisch mindestens genauso herausfordernde Ebene berühren Parteidispositionen im Wege einer Parteivereinbarung, etwa der Vereinbarung eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens oder der Beendigung eines Prozesses durch Prozessvergleich. Hier greifen das EU-Verbrauchervertragsrecht und das nationale Verfahrensrecht gleich auf zwei Weisen ineinander: Zum einen kann ebenfalls eine Disposition über Verbraucherrecht stattfinden. Zum anderen kann die Parteivereinbarung selbst – trotz ihres verfahrensrechtlichen Bezugs – den Tatbestand eines Verbrauchervertrags erfüllen. Auf dieses doppelte Zusammenspiel von Verfahrens- und EU-Verbraucherrecht wird bislang kaum und meist aus einer materiellrechtlichen Perspektive eingegangen.21

19  Kurz etwa Hönn, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 199; zu einzelnen Verfahrensarten z. B.: Dutta, ZZP 126, 2013, 153, (Mahnverfahren); Heinze, AcP 211, 2011, 105, 117 ff. (Vollstreckungsunterwerfung); Hess, JZ 2011, 66, 67 (Kollektivklagen); Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74 (Schiedsverfahren); Kotzur, Außergerichtliche Realisierung, 2018; Piekenbrock, GPR 2016, 137 (Vollstreckungsunterwerfung); Piekenbrock, JZ 2018, 855 (Mahnverfahren); Wenden­burg, EuZW 2012, 758 (Mahnverfahren). 20  Z. B. Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 287; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 459 ff.; Nowak u. a., EU Procedural Law, 2014; Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 309 ff.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 7 f. 21 Etwa zur Kontrollfähigkeit von Verfahrensvereinbarungen in AGB: Basedow, in: Münch­Komm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  305, Rn.  9 f.; Schlosser, in: Staudinger, 2013, §  305, Rn.  14; Rott, EuZW 2003, 5, 6; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 40–134; zum Widerrufsrecht beim Prozessvergleich Hau, NZM 2015, 435, 440 und Mediger, NZM 2015, 185, 188 f.

C. Gegenstand und Gang der Untersuchung sowie Kernhypothesen

7

Nur aus dem Zusammenspiel dieser beiden Ebenen lässt sich ein umfassendes Bild gewinnen, wie die unionsrechtlich angestoßenen Veränderungen der Privatautonomie sich auf Parteidispositionen im nationalen Verfahrensrecht auswirken.

C. Gegenstand und Gang der Untersuchung sowie Kernhypothesen I. Untersuchungsgegenstand und seine Grenzen Aus dem Vorgesagten ergibt sich der Fokus dieser Untersuchung: Ihr Gegenstand ist das Verhältnis von Parteidispositionen im nationalen Verfahrensrecht zu Einschränkungen von Parteidispositionen im harmonisierten EU-Verbrauchervertragsrecht. Ausgangspunkte der Arbeit sind das harmonisierte Verbrauchervertragsrecht, insbesondere jenes, welches auf die VerbGK-RL, die VerbrR-RL und die Klausel-RL zurückgeht, und die Rechtsprechung des EuGH zu ihrer verfahrensrechtlichen Durchsetzung. Es wird davon ausgegangen, dass der EU-Gesetzgeber und der EuGH jeweils innerhalb ihrer Kompetenzen handeln, und nicht infrage gestellt, ob die genannten Richtlinien oder die dazu ergangenen Entscheidungen kompetenzwidrig sind.22 Dieser Frage nachzugehen hieße, eine andere, unionsrechtliche Arbeit zu schreiben, die ihrerseits nicht den Raum hätte, in entsprechendem Umfang auf die einzelnen Regelungen des nationalen Verfahrensrechts einzugehen. Schwerpunkt dieser Arbeit bildet aber letzteres und wie es auf die Entwicklungen auf EU-Ebene reagieren kann und gegebenenfalls muss. Die Untersuchung beschränkt sich zudem auf das innerdeutsche Verfahrensrecht. Das internationale Verfahrensrecht ist EU-weit zu großen Teilen harmonisiert,23 sodass der Konflikt zwischen EU-Verbrauchervertragsrecht und nationalem Verfahrensrecht weniger stark zutage tritt. Auch gelten im grenzüberschreitenden Verfahrensrecht andere Grundsätze, die sich nicht unmittelbar auf innerstaatliche Verfahrensfragen übertragen lassen.

II. Gang der Untersuchung Eingangs wird der für die Arbeit zentrale Begriff der Parteidisposition im deutschen Verfahrensrecht eingeführt. Das Verfahrensrecht erlaubt den Parteien, 22 Dazu krit. etwa H. Roth, JZ 1999, 529, insb. 536 f.; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 489 f.; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 313–316; vgl. etwa auch die Literatur ebd. 296 (Fn.  172– 177). 23  Etwa EuGVVO (Brüssel Ia-VO); EuEheVO (Brüssel IIb-VO); EuInsVO; EuZVO; EuBagatellVO; EuBVO.

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Einleitung

ihre Rechte nicht geltend zu machen, auf sie zu verzichten oder Vereinbarungen zu schließen, die auf anderem Weg als durch richterliches Urteil zu einem vollstreckbaren Titel führen. Die Parteiautonomie, aus der diese Dispositionsmöglichkeiten resultieren, geht genau wie die Privatautonomie auf die Freiheitsrechte der Beteiligten zurück, die vom Staat wiederum nur bei einem legitimen Ziel i. S. d. Verhältnismäßigkeitsprüfung eingeschränkt werden dürfen. Ebenso folgen die großzügigen Möglichkeiten von Parteidispositionen aus dem Hauptprozessziel, dem Individualschutz, und dem Grundsatz der materiellrechtsfreundlichen Auslegung des Prozessrechts.24 Sobald die Parteien über Verfahrensregelungen disponieren, verzichten sie zugleich auf Aspekte des Justizgewährleistungsanspruchs, was nur möglich ist, wenn der Kernbereich desselben nicht betroffen ist. Hieraus folgen wiederum Gewährleistungspflichten aller staatlichen Stellen, die mit diesem Verzicht in Berührung kommen, sicherzustellen, dass der Verzicht autonom i. S. d. ausgestaltenden einfachen Rechts erfolgte, und zugleich der Kernbereich der Justizgewährleistung gewahrt wird.25 Um Konflikte zwischen materiellem und Verfahrensrecht sichtbar zu machen, müssen die Anforderungen des harmonisierten materiellen Verbraucherrechts an Parteivereinbarungen herausgearbeitet werden. Das EU-Verbraucherrecht ist zwingend ausgestaltet. Allerdings darf es nicht pauschal in zwingendes und nicht-zwingendes Recht unterteilt werden. Inwieweit eine Norm zwingend ist, bestimmt sich anhand des Ziels, welches sie gerade mit der zwingenden Wirkung anstrebt. Bei der Zielsetzung zeigt sich der bereits genannte erhebliche Unterschied des EU-Verbrauchervertragsrechts zum nationalen Verbraucherrecht: Das EU-Verbrauchervertragsrecht verfolgt mit seiner zwingenden Ausgestaltung nicht nur Ziele des Schwächeren- und damit Individualschutzes, sondern die Normen sind auch zwingend ausgestaltet, um binnenmarktweite Rechtsangleichung und Rechtssicherheit zu erreichen. Aus diesem zweiten Ziel folgt, dass Parteidispositionen – anders als im autonomen deutschen Verbraucherrecht – auch dann nicht möglich sind, wenn sie für den Schwächerenschutz nicht erforderlich sind. Parteidispositionen sind damit nur dann zulässig, wenn das Unionsrecht sie ausdrücklich zulässt und das nationale Recht entsprechende Umsetzungsspielräume nutzt, etwa gem. §  476 Abs.  1 S.  1 BGB oder im Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie und des diese überschießend umsetzenden VSBG.26 Um die Rechtsprechung des EuGH nachzuvollziehen, ist diese doppelte Funktion des EU-Verbrauchervertragsrechts essentiell, denn sie fließt in die Frage ein, wann das nationale Prozessrecht die effektive Wirkung des Unions24 

Ausführlich §  1 A. und B. Ausführlich §  1. 26  Ausführlich §  2 A. 25 

C. Gegenstand und Gang der Untersuchung sowie Kernhypothesen

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rechts beschränkt. Die verbraucherbezogene Zielsetzung des materiellen Rechts äußert sich hier im aus dem Effektivitätsprinzip und inzwischen auch aus Art.   47 EU-Grundrechte-Charta hergeleiteten Recht auf effektiven Rechtschutz jeder Partei. Die binnenmarktbezogene Zielsetzung fügt ein weiteres Prozessinteresse hinzu: Neben dem Individualrechtsschutz verlangt das Unionsrecht, dass es angewendet und durchgesetzt wird, sobald ein staatliches Verfahren eingeleitet wurde. Der Verbraucher wird zur Rechtsdurchsetzung motiviert und damit zugleich instrumentalisiert (sog. private enforcement). Aus dieser Rechtsdurchsetzungstechnik ergibt sich zwar, dass das Unionsrecht die autonome Entscheidung des Verbrauchers, seine Rechte nicht wahrzunehmen, im Individualverfahren respektiert. Doch verändert sich das Verständnis der parteiautonomen Entscheidung, diese wird „materialisiert“: Die im materiellen Recht unterstellten Entscheidungsmängel dürfen nicht im Prozess zu Durchsetzungsdefiziten führen. Folge ist, dass eine autonome Entscheidung des Verbrauchers nicht unterstellt werden darf. Sie muss positiv bestätigt werden, damit sie die effektive Durchsetzung des Unionsrechts beschränken kann.27 Wie diese und die Vorgaben des Äquivalenzprinzips Parteidispositionen im deutschen Verfahrensrecht prägen, wird im Anschluss anhand der Verfahrensregelungen demonstriert, die in einem Urteil oder einem anderen vollstreck­ baren Titel münden, der auf eine Parteivereinbarung zurückgeht.28 Schließlich wird kurz darauf eingegangen, wie das EU-Primärrecht auch im Zwangsvollstreckungsverfahren Modifikationen erfordern kann.29 Es zeigt sich, dass bei einzelnen Verfahrensschritten immer wieder dieselben Brüche auftreten, die daraus resultieren, dass das nationale Verfahrensrecht geringere Anforderungen an eine wirksame Parteidisposition oder den Rechtsschutz des Verbrauchers stellt als das Unionsrecht. Es wird aber auch gezeigt, dass sich diese Brüche regelmäßig dadurch beseitigen lassen, dass das geltende Verfahrensrecht vorsichtig und sowohl system- als auch unionsrechtskonform angepasst werden kann.

III. Kernhypothesen Im Lauf der Arbeit zeigt sich, dass das EU-Verbrauchervertragsrecht regelmäßig auch bei prozessualen Vereinbarungen relevant bleibt – entweder, weil der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nationale Verfahrensregelungen verdrängt oder aber weil das nationale Verfahrensrecht selbst beim Zustandekommen der Vereinbarung auf das materielle Recht zurückgreift. Prozessvereinbarungen sind damit als Verbraucherverträge zu behandeln. Prozessuale Beson27 

Dazu ausführlich §  2 B. Urteil; §  4 Prozessvergleich; §  5 Schiedsspruch; §  6 vollstreckbare Urkunde; §  7 Anwaltsvergleich. 29  §  8 . 28  §  3

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Einleitung

derheiten verdrängen das materielle Recht nur ausnahmsweise, etwa durch „prozessuale Überholung“.30 Auch folgt bereits aus dem Äquivalenzprinzip, welches vom EuGH effektivitätsfördernd aufgeladen wird, eine weitgehende Einschränkung von Parteidispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht. Denn auch das deutsche Recht erlaubt Parteidispositionen nur bis zu einem gewissen Grad. Bestimmte Regeln, regelmäßig als Teil des ordre public bezeichnet, sind stets einer Disposition entzogen. Die Arbeit zeigt, dass dieses Grundprinzip des deutschen Rechts, das etwa beim Anerkenntnisurteil und der Rechtsbindung des Schiedsrichters zutage tritt, durch das EU-Primärrecht verstärkt und konturiert wird.31 In der Vergangenheit blieb es den Gerichten überlassen, zu bestimmen, welche zwingenden Normen abbedungen werden konnten. Unter dem Einfluss des EU-Primärrechts werden richterliche Abwägungsspielräume zu richterlichen Pflichten.32 Es kristallisieren sich daneben nur wenige Fälle, etwa beim Prozessvergleich, heraus, in denen das nationale Verfahrensrecht eine Disposition über zwingendes Recht jeder Art zulässt, und in denen das Unionsrecht der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten den Raum gibt, diese Dispositionen zu erlauben.33 Daneben wird das Recht auf effektiven Rechtsschutz, welches auch in der deutschen Verfassung verankert ist, verbraucherschutzrechtlich aufgeladen: Der Verbraucher als unterstellt prozessunerfahrene Partei darf nicht durch komplizierte Verfahrensregelungen faktisch davon abgehalten werden, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen. Das deutsche Verfahrensrecht muss daher gewisse Regelungen zum Beginn einer Präklusionsfrist oder zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an die Bedürfnisse einer prozessunerfahrenen Partei anpassen. Dies gilt unabhängig von anwaltlicher Vertretung. Im deutschen Recht empfiehlt es sich, aus Gleichberechtigungsgründen auch die Anforderungen an die Unternehmerseite herabzusetzen.34 Das Recht auf einen effektiven Rechtsbehelf wird darüber hinaus durch das Effektivitätsprinzip verstärkt: Der überindividuelle Zweck des EU-Verbrauchervertragsrechts, eine Marktordnung zu etablieren, verlangt, dass zumindest einmal, bevor ein vollstreckbarer Titel geschaffen wird, die Möglichkeit besteht, dass ein Gericht die verbrauchervertragsrechtliche Norm prüft und damit bei Auslegungsfragen den EuGH anrufen kann. Hier zeigt sich eine stets unverhältnismäßige Beschränkung der effektiven Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts: Die Prüfung des materiellen Rechts darf niemals vollends den Gerichten entzogen werden. Dies stellte eine unzulässige Disposition über die 30 

Beim Schiedsvertrag, §  5 A. Etwa §  3 B., §  5 B., §  7 B. 32  Dazu bereits §  2 B. 33  Etwa §  3 A., §  4 B. 34  Etwa beim Schiedsverfahren, vgl. §  5 D. 31 

C. Gegenstand und Gang der Untersuchung sowie Kernhypothesen

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Möglichkeit der EuGH-Vorlage dar.35 Rechte, die erst nach einer gerichtlichen Prüfung entstehen oder ausgeübt werden können, müssen auch im Zwangsvollstreckungsverfahren noch einer gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden können.36 Schließlich verlangt das Effektivitätsprinzip, dass die Regelungen zu Parteidispositionen vom unionsrechtlichen Verständnis der Parteiautonomie überformt werden: Während das deutsche Verfahrensrecht von der formalen Gleichheit zwischen den Parteien ausgeht, transportiert der EuGH die materiellrechtlich bekämpften Defizite im B2C-Verhältnis auch ins Verfahrensrecht. Das unterstellte Informationsdefizit des Verbrauchers führt dazu, dass das Unionsrecht davon ausgeht, dass er typischerweise seine Rechte nicht kennt und daher aus Unkenntnis darauf verzichtet, dieselben geltend zu machen. Eine Parteidisposition, die an einem solchen unterstellten Defizit leidet, ist dann unwirksam.37 Wie die Arbeit aufzeigt, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Vorgaben des EuGH umzusetzen. Die mit dem deutschen Verfahrensrecht am ehesten zu vereinbarende Umsetzungsform ist jene, die Prozessleitungs- und Hinweispflichten des Richters (insb. §§  136, 139, 278 Abs.  1 ZPO) verstärkt dazu nutzt, prozessuale Ungleichgewichtslagen zu verringern und damit eine parteiautonome Verbraucherentscheidung i. S. d. Unionsrechts zu ermöglichen.38 Eine solche Nutzung ist, solange sie die Verfahrensrechte der Gegenpartei wahrt, zulässig, sodass das Unionsrecht auch hier nur verstärkend eingreift. Dem Richter eine aktive, prozessleitende und „moderierende“ Rolle zu verleihen, ist keine Neuerung oder gar ein Bruch mit dem geltenden Recht, sondern eine Tendenz, die sich seit Inkrafttreten der ZPO abzeichnet und immer stärker verdichtet.39 Die Alternativen, etwa ein Verbot jeder Parteidisposition, stellten einen deutlich stärkeren Bruch mit dem deutschen Verfahrensrecht dar. Die herausgearbeiteten Modifikationen zeigen auf, wie das deutsche Verfahrensrecht sich an Vorgaben des Unionsrechts anpassen kann, ohne seinen Charakter zu verlieren oder seine Grundprinzipien aufgeben zu müssen.

35 

§  2 B., aber auch §  5 E., §  6 B. §  8 B. 37  §  2 B. 38  Etwa §  3 A., §  4 D., §  5 D. 39 Vgl. Leipold, in: Stein/Jonas  III, 22.  Aufl., 2005, vor §  128, Rn.  186 f.; Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 15–55, 317–347; zuletzt Erweiterung des §  139 Abs.  1 ZPO zum 1.1.2020 durch Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften, BGBl. I Nr.  50, 19.12.2019. 36 

Teil  I

Parteidispositionen im deutschen Verfahrensrecht und Vorgaben des EU-Verbrauchervertragsrechts

§  1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht Das deutsche Verfahrensrecht gibt, ähnlich wie das deutsche Zivilrecht, den Parteien viele Möglichkeiten, über ihre Rechte zu disponieren. Zunächst muss der Begriff der Parteidisposition konkretisiert werden. Um zu bestimmen, ob eine solche vorliegt, wird für die Zwecke dieser Untersuchung darauf abgestellt, welches Ergebnis von der disponierenden Partei angestrebt wird und ob sich dieses von der ansonsten geltenden Rechtslage unterscheidet (A.). Die im deutschen Recht weitgehenden Parteidispositionsmöglichkeiten werden auf verschiedene Prinzipien zurückgeführt, welche allgemein die deutsche Rechtsordnung und das deutsche Verfahrensrecht prägen (B.). Die Freiheitsrechte der Parteien und der Prozesszweck des Individualrechtsschutzes bilden nicht nur ihre Grundlage, sondern etablieren auch die Grenzen, in denen Parteidisposi­ tionen möglich sind (C.). Zugleich wird gezeigt, dass sich aus der Verfassung staatliche Pflichten ergeben, die parteiautonome Entscheidung und den Kern der durch den Justizgewährleistungsanspruch gewährten Rechte zu garan­ tieren. Es ist daher sicherzustellen, dass Zugang zu Gericht besteht und eine gerichtliche Prüfung stattfindet, ob eine Parteieinigung stattgefunden hat, die dem einfachen Recht entspricht und verhältnismäßig ist (D.).

A. Konzept der Parteidisposition Eine Parteidisposition wird grundsätzlich als die Verfügung einer Person über ein ihr zustehendes subjektives Recht verstanden. Solche Verfügungen können etwa durch einen Verzicht auf ein Recht oder eine andere unmittelbare Einwirkung auf dasselbe geschehen, insbesondere im Wege der Begründung, Übertragung, Aufhebung oder Inhaltsänderung dieses Rechts.1 Daneben sind auch mittelbare Einwirkungen möglich: Eine Partei kann sich zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das im Ergebnis einer Verfügung gleichkommt, etwa ein Recht prozessual oder auch materiellrechtlich nicht geltend zu machen (sog.

1  Z. B. Bork, Vergleich, 1988, 73–75; Cahn, AcP 198, 1998, 35, 38; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 193 f.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

pactum de non petendo).2 Die Wirkung der Vereinbarung kommt dann der einer Verfügung gleich: Das Recht kann nicht mehr geltend gemacht werden. Eine Norm ist nicht dispositiv oder gilt zwingend, wenn sie nicht durch Parteierklärung oder Parteivereinbarung abbedungen werden kann. Doch wann hat bei diesem etwas zirkelschlüssigen Verständnis eine Disposition stattgefunden und wann entspricht eine Erklärung oder Vereinbarung schlicht dem (dispositiven) Recht? Zur Abgrenzung ist auf die Folge einer Parteihandlung oder Parteieinigung abzustellen, in der die Parteien inhaltlich eine andere Rechts­ folge herbeiführen wollen, als das Gesetz für denselben Tatbestand anordnet.3 Tritt statt der vom Gesetz festgelegten die angestrebte Rechtsfolge ein, wurde die Norm abbedungen, jedenfalls bezogen auf diese Rechtsfolge. Sie ist insoweit abdingbar. Ist die Norm nicht dispositiv, setzt sich stattdessen die von ihr angeordnete Rechtsfolge durch.4 Die Möglichkeit einer Parteidisposition darf nicht damit gleichgesetzt werden, dass eine Partei sich entscheiden kann, ein Recht schlicht nicht auszuüben oder zu verfolgen, etwa eine Widerrufsfrist ablaufen zu lassen oder keine Klage zu erheben: Dass eine Person ihr Recht nicht ausüben muss, heißt nicht zugleich, dass sie dieses Recht nicht ausüben darf.5 Der Unterschied liegt darin, dass die mittelbare oder unmittelbare Disposition für die Zukunft verbindlich ist, d. h. die Rechtsordnung die Partei an ihr festhalten kann und etwa eine Klage für unzulässig erklärt oder ein Recht nicht mehr geltend gemacht werden kann. 6 Der Unterschied zur faktischen Nichtausübung ist das rechtliche Nicht­ ausübenkönnen oder -dürfen.7

2  Z. B. Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 87; Möslein, Dis­ positives Recht, 2011, 29; Simon, Unabdingbarkeit und vertraglicher Verzicht, 2008, 31–35. 3  Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 206 f., 426 f.; Möslein, Dis­ positives Recht, 2011, 78; wohl davon ausgehend BGH, NJW 2006, 2978, 2979 f. 4  Abegg, Die zwingenden Inhaltsnormen, 2004, 182; Cahn, AcP 198, 1998, 35, 37; Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, 1899, 8 f., 74 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 13, 30, 32, 84–87; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 29, 64 f.; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 124; vgl. auch bereits ­Zitelmann, Das Recht des BGB: AT, 1900, 18 f.; enger etwa Simon, Unabdingbarkeit und vertraglicher Verzicht, 2008, 30 f.: Entstehung und Hinderung eines Rechts werden gehindert. 5  Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 14; Simon, Unabdingbarkeit und vertraglicher Verzicht, 2008, 35; Trieschmann, AP LohnFG §  9 Nr.  1; Zachert, AP TVG §  4 Nr.  17; a. A. wohl Habersack/Schürnbrand, ZIP 2014, 749, 751; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 409; R. Koch, in: Westermann u. a. (Hg.), in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  312k, Rn.  6; ähnlich Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 41 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 64 f., 193. 6  Kleinschmidt, Der Verzicht im Schuldrecht, 2004, 2. 7  Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 14; Kleinschmidt, Der Verzicht im Schuldrecht, 2004, 2; Oechsler, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 925, 939 f.; Simon, Unabdingbarkeit und vertraglicher Verzicht, 2008, 35; Trieschmann, AP LohnFG §  9 Nr.  1; Abgrenzung unklar bei BAG, NZA 1998, 434, 436.

B. Grundlagen und Hintergründe der Parteiautonomie

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B. Grundlagen und Hintergründe der Parteiautonomie Das deutsche Zivilverfahrensrecht erlaubt Parteidispositionen in weitem Umfang (I.). Ihre Zulässigkeit ist auf ein zentrales Prinzip der ZPO zurückzuführen: die Parteiautonomie, d. h. die Freiheit jedes Individuums, im Prozess über eigene Rechtspositionen verfügen zu können.8 Aus ihr folgen weite Freiräume der Parteien bei der Verfahrensgestaltung. Die Parteien können entscheiden, ob sie ein Verfahren einleiten, ob es sich dabei um ein Gerichtsverfahren oder ein alternativ zur Verfügung stehendes Verfahren wie ein Schiedsverfahren handelt und sie können innerhalb des jeweiligen Verfahrens bestimmte Aspekte desselben autonom bestimmen. Die gesetzgeberische Entscheidung, den Parteien diese Möglichkeiten zu bieten, geht auf eine Reihe von Erwägungen zurück. Im Zentrum steht zunächst das liberale Menschenbild, welches die Selbstbestimmung des einzelnen Menschen in nur ihn betreffenden Fragen als zentralen Grundwert der Rechtsordnung ansieht und dies verfassungsrechtlich über die Freiheitsrechte absichert, insbesondere über die Allgemeine Handlungsfreiheit (II.). Darüber hinaus ist die Parteiautonomie logische Konsequenz des Hauptprozesszwecks der ZPO: Der Zivilprozess dient primär den Interessen der Parteien und verfolgt keine überindividuellen Zwecke (III.). Schließlich ergibt sich aus der sog. „dienenden“ Funktion des Zivilverfahrensrechts, dass materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Wertungen, auch zu Parteidispositionen, häufig miteinander korrespondieren (IV.).

I. Ausprägungen im Zivilprozessrecht Kernausdruck findet die Freiheit, solche verschiedenen Dispositionen zu treffen, in der Dispositionsmaxime (auch als Verfügungsgrundsatz bezeichnet).9 Diese besagt, dass die Parteien über Einleitung und Beendigung des Verfahrens und dessen Gegenstand (Streitgegenstand, z. B. §  308 ZPO) entscheiden.10 Das deutsche Prozessrecht geht grundsätzlich davon aus, dass die Parteien formal gleichberechtigt sind und ihre Angelegenheiten selbstständig und selbstverantwortlich wahrnehmen.11 Aus der Freiheit der Parteien, nicht vor Gericht gehen 8  Z. B. BVerfGE 72, 155 = BVerfG, „Ererbtes Handelsgeschäft“, NJW 1986, 1859, 1859 f.; Flume, BGB AT II, 4.  Aufl., 1992, §  1/1 (S.  1); ders., in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 135, 136; Coester-Waltjen, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 41, 41; Looschelders, AcP 217, 2017, 156, 162 f.; Steindorff, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 621, 625 9  Z. B. Leipold, in: Stein/Jonas  III, 22.  Aufl., 2005, vor §  128, Rn.  138. 10  Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 415, 453; Leipold, in: Stein/Jonas  III, 22.  Aufl., 2005, vor §  128, Rn.  138 f.; Lindacher, in: Schmidt-Hieber/Wassermann (Hg.), FS Deutsche Richterakademie, 1983, 209, 210; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 538 f. 11  Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 37–40; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 64.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

zu müssen, folgt auch die Freiheit, statt des Gerichts eine alternative Streitbeilegungsform zu wählen. Hier wiederum bestehen die Möglichkeiten, private Akteure oder staatliche Stellen oder aber auch niemanden mit der Streitbeilegung zu beauftragen. Die Parteien können daher vereinbaren, an Stelle eines Gerichts ein privates Schiedsgericht anzurufen und dieses um Streitentscheidung zu ersuchen. Ebenso können sie zeitweise keinen Rechtsschutz in Anspruch nehmen oder sich vor einem Notar oder einem nicht-streitentscheidenden Richter einigen (vgl. §  278 Abs.  6 ZPO). Ein Zivilprozess wird nur geführt, wenn die Parteien das Verfahren führen wollen.12 Ist einmal ein Prozess begonnen, setzt sich diese Freiheit insofern fort, als die Parteien ihn zumindest bei Konsens nicht bis zum Ende führen müssen. Das Gericht führt zwar von Amts wegen eine Rechtsprüfung durch (iura novit c­ uria). Inhaltlich wird es aber von den Parteianträgen begrenzt (ne ultra petita).13 Auch im Verfahren können die Parteien kraft ihrer Dispositionsfreiheit ein richter­ liches Urteil erlangen, das vom Ergebnis eines streitigen Urteils abweicht, z. B. durch Anerkenntnis- (§  307 ZPO) und Versäumnisurteil (§§  330 ff. ZPO).14 Insbesondere folgen aus der Parteiautonomie weitreichende Freiheiten bei einvernehmlichem Parteihandeln. Die Parteien können etwa bei Einwilligung des Beklagten in die vom Kläger angestrebte Klagerücknahme (§  269 Abs.  1 ZPO) oder Klageänderung (§  263 ZPO), durch übereinstimmende Erledigungserklärung (vgl. §  91a ZPO) oder Einigung über verschiedene Verfahrensfragen per Prozessvertrag15 dafür sorgen, dass kein stattgebendes Urteil ergeht, selbst wenn die Klage offensichtlich erfolgreich gewesen wäre. Verwandt mit dem Dispositionsgrundsatz und ebenfalls auf die Parteiautonomie zurückzuführen ist der Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz: Die der rechtlichen Bewertung zugrunde liegenden Tatsachen darf das Gericht in einer Vielzahl der Fälle nicht von Amts wegen ermitteln. Es ist darauf angewiesen, dass die Parteien sie vortragen und gegebenenfalls beweisen.16 Daher können die Parteien das Gericht durch ein Geständnis (§  288 ZPO) an Tatsachen 12  Z. B. Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 2016, 58; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 14; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 415 f.; R. Stürner, Die richterliche Aufklärung, 1982, Rn.  1; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 60. 13  Z. B. Musielak, in: Gottwald/Prütting (Hg.), FS Schwab, 1990, 349, 349. 14  Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 15 f.; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 208; Musielak, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  307, Rn.  12; Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, 2006, Rn.  192. 15  Vgl. BGH, NJW 1958, 1397, 1397; NJW 1986, 198, 198; Baumgärtel, Prozeßhandlung, 2.  Aufl., 1972, 261; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  335, 337, 348; ­Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  66 Rn.  4 –6; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 52 f., 56, 61 f.; K. H. Schwab, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 503, 504; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 720; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 27–30, 36–38. 16  Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, S.  15, 17 f.; zur Abgrenzung der beiden Grundsätze etwa Steif, Ausschaltungsbefugnis, 1969, 102 f.

B. Grundlagen und Hintergründe der Parteiautonomie

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binden, die nicht existieren, und damit Faktenunsicherheiten für den Prozess beseitigen, indirekt aber bestimmen, ob eine Norm anwendbar ist.17

II. Selbstbestimmung und Freiheitsrechte der Parteien Der Selbstbestimmung der Parteien wesentliche Kernfragen des Verfahrens zu überlassen, ist Ausdruck der liberalen Grundhaltung der ZPO und allgemein des deutschen Zivilrechts.18 Verfassungsrechtlich ergibt sich die Parteiautonomie wie auch die Privatautonomie im materiellen Recht aus den allgemeinen Freiheitsrechten der Parteien.19 Art.  2 Abs.  1, Art.  12 und Art.  14 GG gewährleisten die Freiheit, über eigene personen- und vermögensrechtliche Ansprüche zu disponieren und damit das Recht, vor ein Gericht zu gehen, einen Gerichtsstand zu wählen, das Verfahren frühzeitig zu beenden, ein alternatives Verfahren zur Konfliktbeilegung zu wählen oder von keiner dieser Optionen Gebrauch zu machen.20 Ebenso ist die Parteiautonomie von der EMRK und der EU-Grundrechte-Charta geschützt, 21 die im Rahmen der konventionsfreund­ 17  Z. B. Brehm, Bindung des Richters, 1982, 32 f.; Cahn, AcP 198, 1998, 35, 35 f.; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 208 f.; Smid, Rechtsprechung, 1990, 349. 18 Ausführlich Bettermann, ZZP 91, 1978, 365, 368 f. 19  Z. B. Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 269 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 421; Meller-Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 298; Musielak, in: Gottwald/Prütting (Hg.), FS Schwab, 1990, 349, 349 f.; R. Stürner, in: Lorenz u. a. (Hg.), FS Heldrich, 2005, 1061, 1063 f.; Rauscher, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, Einleitung, Rn.  312 f.; J. Braun, Lehrbuch des Zivilprozessrechts, 2014, 72 f. 20  BGH, NJW 1980, 2136, 2137; BAG, NJW 1964, 268, 268 f.; Achterberg, in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 125, 139; Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 68 Fn.  12; Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  87; Isensee, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 485, 494 f.; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, 527; Morgenthaler, in: Epping u. a. (Hg.), BeckOK-GG, EL 42, 01.12.2019, Art.  92, Rn.  32.1; Münch, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 179, 195; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 376 f.; Prütting, in: Henssler u. a. (Hg.), FS Busse, 2005, 263, 268; Steffek/Unberath, in: dies. (Hg.), Regulating Dispute Resolution, 2013, 13, 15, 27; Stober, NJW 1979, 2001, 2002 f.; R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 650 f., 656; ders., RabelsZ 69, 2005, 201, 221 f.; allgemein Schenke, in: Wolter u. a. (Hg.), Mannheimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 153, 171. 21  Zur EMRK: EGMR, Deweer gegen Belgien, Nr.  6903/75, ECLI:CE:ECHR:1980:0227 JUD000690375; Suovaniemi u. a. gegen Finnland, Nr.  31737/96, ECLI:CE:ECHR:1999:0223 DEC003173796; EKMR, Axelsson u. a. gegen Schweden, ECLI:CE:ECHR:1990:0713DEC 001196086 Nr.  2; Briner/Schlabrendorff, in: Briner u. a. (Hg.), Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 89, 91; Cahn, ZEuP 1998, 974, 978; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 158 f.; U. Haas, International Sports Law Review 2012, 43, 49 f.; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 219 f.; Knigge/Ribbers, J Int Arb 34, 2017, 775, 779, 780; Matscher, ÖZöffRVölkR 31, 1980, 1, 21 f.; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 617; Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1084; Peukert, RabelsZ 63, 1999, 600, 609; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164 f.; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  41–44; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 38; ­Settem, ‚Fair Hearing‘ in ECHR Article 6(1), 2016, 175; van Zelst, MJECL 25, 2018, 77, 83; rechtsvergleichend Caponi, RabelsZ 79, 2015, 117, 129; zum EU-Recht und Art.  47 EU-Grundrechte-­

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

lichen und unionsrechtskonformen Auslegung des deutschen Rechts beachtet werden müssen.22 Das Verfahrensrecht soll die Autonomie der Parteien gewährleisten und respektiert deren Entscheidung, den Rechtsstreit einvernehmlich zu beenden und ihn auch auf andere Weise als durch richterliche Entscheidung beizulegen.23 Die allgemeine Handlungsfreiheit, aus der sich Privat- und Parteiautonomie ab­ leiten, ist wiederum ein ausgestaltungsbedürftiges Grundrecht. Das Zivil- und das Zivilprozessrecht gestalten und konkretisieren es einfachgesetzlich, ähnlich wie z. B. das Ehe- und Familienrecht den verfassungsrechtlichen Ehe- und ­Familienbegriff ausgestalten und konkretisieren. Grundsätzlich geht die Ver­ fassung daher davon aus, dass die Abwägung und Entscheidung, in welchen Fällen eine freie Parteidisposition vorliegt oder Schutzregelungen zugunsten des Schwächeren erlassen werden müssen, vom einfachen Gesetzgeber getroffen wird.24 Folglich liegt die freie Willensentscheidung i. S. d. GG beider Vertragspartner vor, soweit die einfachgesetzlich normierten Voraussetzungen der Einigung gegeben sind.25 Soweit das Prozessrecht auf das materielle Recht zurückgreift, richten sich die Voraussetzungen einer Vereinbarung entsprechend nach dem

Charta vgl. etwa ErwG 52 Richtlinie 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates, ABl. EU 2015, Nr. L 326, 1; EuGH, Sky Österreich, C-283/11, ECLI:EU:C:2013:28 Rn.  42 f.; Alemo-­ Herron u. a., C-426/11, ECLI:EU:C:2013:521 Rn.  32; EuG, Automec ./. Kommission, T-24/90, ECLI:EU:T:1992:97 Rn.  51; z. B. Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 90–92; ders., ERPL 6, 2008, 901, 911–916, 921–923; Bruns, JZ 2007, 385, 393 f.; Herresthal, in: Ziegler/Huber (Hg.), Current Problems in the Protection of Human Rights, 2013, 89, 91 f.; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivil­ prozess, 2007, 219 f.; Rittner, JZ 1990, 838, 841; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 24 f. 22  Etwa BVerfGE 111, 307 = BVerfG, „EGMR-Entscheidungen“, NJW 2004, 3407, 3407, 3411; Althammer, ZZP 126, 2013, 3, 11; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  3 Rn.  46. 23  Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 768 Rn.  9; Leipold, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 57, 57 f.; Meller-­ Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 300; E. Schumann, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1209, 1235 f.; R. Stürner, NJW 1979, 2334, 2336; ders., AcP 210, 2010, 105, 137. 24  Zum gesamten Absatz BVerfGE 81, 242 = BVerfG, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1470 f.; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 179 f.; Herresthal, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 145, 162 f.; Isensee, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 485, 512; Kainer/Schweitzer, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 630, 631; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 21; Medicus, AcP 192, 1998, 35, 62. 25  Z. B. §§  116 ff., 305 ff. BGB, §  1031 ZPO; Canaris, AcP 200, 2000, 273, 287 f., 296 f.; Hillgruber, JöR 54, 2006, 57, 73; Herresthal, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 145, 155, 161 f.; Isensee, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 485, 495 f.; Stern, Staatsrecht III/2, 1994, §  86 II 6, 912 f.; anders wohl M. Renner, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 505, 519.

B. Grundlagen und Hintergründe der Parteiautonomie

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einfachen materiellen Recht.26 Eine Parteidisposition, die nach einfachem Recht unwirksam ist, ist umgekehrt auch keine von der allgemeinen Handlungsfreiheit i. S. d. GG gedeckte Verfügung.27 Somit besteht zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht grundsätzlich kein Widerspruch, sondern ersteres wird durch zweiteres ausgeformt und konkretisiert.

III. Individualrechtsschutz als primärer Prozesszweck Die weitgehenden Dispositionsmöglichkeiten gehen nicht nur auf die Freiheitsrechte der Parteien zurück, sondern auch darauf, dass der Staat mit dem Zivilprozess primär Parteiinteressen durchzusetzen hilft: Der Zivilprozess dient dem Individualrechtsschutz, d. h. der Durchsetzung und dem Schutz subjektiver Rechte und rechtlich anerkannter Individualinteressen. Der materiellrechtlich gewährte Schutz individueller Rechte und Rechtsgüter soll dadurch abge­ sichert werden, dass er in einem rechtsstaatlichen Verfahren durchsetzbar ist. Der Prozess legt den Konflikt endgültig bei. Dies schafft Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zwischen den Parteien. Umgekehrt besteht kein öffentliches Interesse daran, eine Rechtsfrage gegen den Parteiwillen gerichtlich zu klären.28 Ein allgemeines Interesse an der Bewährung und Fortbildung des objektiven Rechts ist im deutschen Individualprozess zwar als mittelbare Prozessfunktion anerkannt. Die Normen streben dies aber nicht unmittelbar an.29 Vorrangig 26  C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  347; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 421. 27  Zur Drohung etwa: R. Stürner, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 179, 198 f.; BGH, NJW 1966, 2399, 2399; dazu Ostler, NJW 1966, 2400, 2400 und E. Schneider, NJW 1966, 2399, 2399 f.; zuletzt BGH, ECLI:DE:BGH:2016:070616UK ZR6.15.0. 28  Zum gesamten Absatz z. B. Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, 239–241; G.-P. Calliess, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 70. DJT 2014, 2014, A 37 f.; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 14; Habscheid, ZZP 81, 1968, 175, 186 f.; Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 146 f.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 296; Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 129; Klöhn, in: Schulze (Hg.), Compensation of Private Losses, 2011, 179, 195; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 415 f., 423 f., 453; Meller-­ Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 300 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 18 f.; H. Roth, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  253, Rn.  144, 154; Struck, JuS 1975, 762, 764; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 545 f.; ders., AcP 210, 2010, 105, 137; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 268; siehe etwa auch bereits Wach, in: Leipziger Juristenfakultät (Hg.), FS Windscheid, 1888, 76, 86–88, 125–128. 29  Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, 242; Greger, ZZP 113, 2000, 399, 399; Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 146 f.; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 313–317; Klöhn, in: Schulze (Hg.), Compensation of Private Losses, 2011, 179, 195; Lindacher, in: Schmidt-Hieber/Wassermann (Hg.), FS Deutsche Richterakademie, 1983, 209, 210; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 545 f.; differenziert Gaul, AcP 168, 1968, 27, 46–53, 59 f.; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 291 f.; siehe bereits Wach, Hb. des Deutschen Civilprozessrechts I, 1885, 3–12; a. A. im Verbraucherschutzrecht H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 26–28.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

geht es darum, den konkreten Konflikt zwischen den Parteien zu behandeln, aber nur, soweit diese Interesse an der Konfliktbeilegung haben. Es geht nicht um abstrakte Rechtsdurchsetzung30 oder richterliche Rechtsfortbildung,31 jedenfalls nicht unabhängig vom konkreten Parteiwillen.32 Die Klärung von grundsätzlich bedeutenden Rechtssachen und die Fortbildung des Rechts werden im Individualverfahren nur in §  543 Abs.  2 Nrn.  1, 2 ZPO als Revisions­ zulassungsgründe genannt. Diese Gründe geben besonderen Anlass für ein Verfahren vor einer weiteren Gerichtsinstanz. Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage oder die Rechtsfortbildung werden aber nur bei der Frage relevant, ob die Revision zuzulassen ist. Ob anschließend tatsächlich ein Revisionsverfahren begonnen wird, bleibt weiterhin den Parteien und damit dem Parteiwillen überlassen (vgl. etwa auch §  565 S.  2 ZPO). Soweit der Gesetzgeber über den Schutz der subjektiven Rechte hinaus die Durchsetzung der privatrechtlichen Normen mit öffentlichrechtlicher Zielsetzung fördern will, sieht er andere Instrumente vor, um eine Durchsetzung im öffentlichen Interesse unabhängig vom Individualprozess sicherzustellen.33 Zu diesem Zweck gibt es etwa Unterlassungsklagen nach dem UKlaG34 oder Musterfeststellungsklagen gem. §§  606 ff. ZPO.35 Ebenfalls können Verstöße eines Unternehmers gegen Verbrauchervertragsrecht als unlautere Wettbewerbspraktiken eingestuft werden und kann hiergegen zusätzlich nach dem UWG vorge30  Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 415–417; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 63; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 87–88. 31  Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 14; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 296; Klöhn, in: Schulze (Hg.), Compensation of Private Losses, 2011, 179, 195; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 453; Meller-Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 301; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 18 f.; H. Roth, in: Stein/ Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  253, Rn.  144, 154; Struck, JuS 1975, 762, 764; siehe etwa auch bereits Wach, in: Leipziger Juristenfakultät (Hg.), FS Windscheid, 1888, 76, 86–88, 125–128. 32  Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, 242 f.; R. Stürner, Aufklärungspflicht, 1977, 51–53; zum allgemeinen Wert richterlicher Rechtsfortbildung: H. Roth, JZ 2013, 637, 644; zum volkswirtschaftlichen Nutzen von Einzelfallentscheidungen aber M. Engel/Hornuf, SchiedsVZ 2012, 26, 28. 33  Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 268; Hönn, Kompensa­ tion gestörter Vertragsparität, 1982, 307; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 480; Leipold, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 57, 59 f.; Meller-­ Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 316; N. Reich, ZRP 1974, 187, 193. 34  Guski, ZZP 131, 2018, 353, 355–359; Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 157; etwa Lindacher, in: Schmidt-Hieber/Wassermann (Hg.), FS Deutsche Richterakademie, 1983, 209, 213 f.; ders. ebd. 547 f.; Micklitz/N. Reich, EuZW 2013, 457, 460; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 177–180; R. Stürner, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1489, 1499; aus­f ührlich H. Köhler, in: Beuthien u. a. (Hg.), FS Medicus, 2009, 225, 226; konkret zu unwirksamen AGB: Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 342. 35  Gsell, in: Staudinger-Eckpfeiler, 2018, Verbraucherschutz, Rn.  31 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 279 f., 474; H. Roth, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  253, Rn.  108; Tonner, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 861, 863; zur Durchsetzung von EU-Recht Gärditz, Gutachten D zum 71. DJT, 2016, D 41-D 46.

B. Grundlagen und Hintergründe der Parteiautonomie

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gangen werden.36 Auch Bereiche des Zivilverfahrensrechts sind somit auf die Bewährung und Fortbildung des objektiven Rechts angelegt – aber dies geschieht außerhalb des Individualprozesses.37 Der Individualprozess strebt dieses Ziel nicht unmittelbar an. Schwerpunkt des Prozessrechts verbleibt die individuelle Rechtsdurchsetzung.38

IV. Akzessorietät des Verfahrensrechts zum materiellen Recht und der Parteiautonomie zur Privatautonomie Aus dem Prozesszweck, das materielle Recht im Parteiinteresse durchzusetzen, folgt zugleich die „dienende“ Funktion einer Verfahrensnorm: Das Verfahrensrecht zielt primär darauf ab, die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden materiellrechtlichen Normen verfahrensrechtlich um- und durchzusetzen.39 Dieser Zusammenhang wird auch mit der „Akzessorietät“ des Verfahrensrechts zum materiellen Recht40 oder seiner „Materiellrechtsfreundlichkeit“ beschrieben.41 Jede Verfahrensnorm ist so auszulegen, dass die Durchsetzung des materiellen Rechts so wenig wie möglich an der Verfahrensnorm scheitert.42 Die ZPO setzt 36  Faust, in: Zimmermann (Hg.), Störungen der Willensbildung, 2007, 193, 197 f.; M. Martens, Die Entwicklung der Widerrufsrechte des Verbrauchers, 2010, 31 f.; ähnlich noch zu §  13 UWG a. F.: Gilles, in: Leser (Hg.), FS Kitagawa, 1992, 347, 351 f. und zu irreführendem und damit wettbewerbsrechtlich relevantem Verhalten: H. Köhler, in: Beuthien u. a. (Hg.), FS Medicus, 2009, 225, 234. 37  Lindacher, in: Schmidt-Hieber/Wassermann (Hg.), FS Deutsche Richterakademie, 1983, 209, 213 f.; E. Schmidt, NJW 1989, 1192, 1194; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 547 f.; vgl. auch Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 480. 38  Bruns, ZZP 124, 2011, 29, 31; Gärditz, Gutachten D zum 71. DJT, 2016, D 17 (allgemein zu Gerichtsverfahren); Gilles, in: Dammann u. a. (Hg.), GS Wolf, 2011, 377, 388; Greger, ZZP 113, 2000, 399, 399; Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 146 f.; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 313–317; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 279 f., 480; R. Stürner, Aufklärungspflicht, 1977, 51–53; ders., in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 545 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 59 f.; differenziert Gaul, AcP 168, 1968, 27, 46– 53, 59 f.; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 291 f.; siehe bereits Wach, Hb. des Deutschen Civilprozess­ rechts I, 1885, 3–12. 39  Z. B. BVerfGE 49, 252 = BVerfG, NJW 1979, 538, 538; Arens, Willensmängel bei Partei­ handlungen im Zivilprozeß, 1968, 37; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 211; E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 571 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 60; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 268; Zöllner, AcP 190, 1990, 471, 493 f.; Wach, in: Leipziger Juristenfakultät (Hg.), FS Windscheid, 1888, 76, 94 f. 40 Grundlegend Henckel, Vom Gerechtigkeitswert verfahrensrechtlicher Normen, 1966, 25; vgl. auch Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 96; E. Schumann, in: Canaris/ Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 572 m. w. N.; kritisch zu Einschränkungen aufgrund von Verbraucherschutz: H. Roth, JZ 2014, 801, 807. 41  H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 286; E. Schumann, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1209, 1220. 42  Z. B. BGH, NJW 1960, 1947, 1948; NJW 1982, 888, 888; Henckel, Vom Gerechtigkeitswert verfahrensrechtlicher Normen, 1966, 25; Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 152, 162 f.; ähnlich Bahnsen, Verbraucherschutz im Zivilprozeß, 1997, 54–56; Lüttringhaus, Materialisierung

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

damit die Privatautonomie, insbesondere die Freiheit, über eigene Rechtsposi­ tionen zu verfügen, auf verfahrensrechtlicher Ebene fort. Hieraus folgt häufig, aber nicht immer, eine Akzessorietät der Parteiautonomie zur Privatautonomie: Wer über Rechtspositionen materiellrechtlich verfügen kann, soll auch über ihre prozessuale Geltendmachung verfügen können.43 Aus der materiellrecht­ lichen Dispositionsbefugnis, etwa der Möglichkeit eines Verzichts, ein Recht auszuüben, kann daher die prozessuale Dispositionsbefugnis folgen, also die Zulässigkeit eines Verzichts, das Recht im Verfahren geltend zu machen.44 Die verfahrensrechtliche hängt aber nicht notwendigerweise von der mate­ riellrechtlichen Dispositionsmöglichkeit ab. Sie kann umfassender sein.45 Dies folgt aus dem bereits angesprochenen Gedanken, dass die Parteien nicht gezwungen sind, einen Prozess zu führen.46 Insbesondere besteht ein Unterschied zwischen materiellem Recht und Prozessrecht darin, dass letzteres Tatsachenungewissheiten überwinden will. Die Parteien führen ein Verfahren, da Ungewissheit oder Streit über die Wirklichkeit oder die Rechtslage herrscht. Zumindest rechtlich möchte das Verfahrensrecht diese Ungewissheit beseitigen. Das materielle Recht geht demgegenüber grundsätzlich von einer eindeutigen Tatsachenlage aus und trifft nur ausnahmsweise Regelungen zu faktischen Unsicherheiten.47 Parteidispositionen wie etwa der Prozessvergleich, die darauf aufbauen, nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine faktische Ungewissheit zu überwinden, können daher eine Disposition zulassen, obwohl das materielle Recht eine solche untersagt.48 Auch kann eine Partei einen geltend gemachten Anspruch nach §  307 ZPO anerkennen oder gem. §  306 ZPO auf diesen verzichten und damit die Grundlage für ein Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil schaffen. im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 460; E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 572 m. w. N.; kritisch: H. Roth, JZ 2014, 801, 807. 43  Z. B. Arens, Willensmängel bei Parteihandlungen im Zivilprozeß, 1968, 37–40; Bettermann, ZZP 91, 1978, 365, 386 f.; Cahn, ZEuP 1998, 973, 978; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 15–18; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 268 f.; Meller-Hannich, in: Kern/ Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 298; Prütting, NJW 1980, 361, 362; Wassermann, Der soziale Zivilprozeß, 1978, 86–88. 44  Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 211; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 62–64. 45  Brehm, Bindung des Richters, 1982, 32 f.; Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 161; ähnlich Meller-Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 298; a. A. Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 808 f. 46  Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 37–40; Meller-Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 298 f.; Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 386 f.; ähnlich G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 92 f. 47  J. Braun, Lehrbuch des Zivilprozessrechts, 2014, 39 f.; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 282 f.; Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 23; Windel, JR 2001, 525, 526. 48  Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 282 f.; Windel, JR 2001, 525, 526; dazu auch etwa J. Braun, in: Bernreuther (Hg.), FS Spellenberg, 2010, 77 f., 81; Cahn, AcP 198, 1998, 35, 40 f.; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 722.

C. Grenzen der Parteiautonomie

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Das Urteil erwächst in Rechtskraft und wird unabhängig davon gefällt, ob der Anspruch besteht oder einklagbar ist, sodass faktisch eine Disposition über das materielle Recht stattfindet.49 Somit korrespondieren häufig die materiellrechtliche und die prozessuale Verfügungsbefugnis der Parteien, sie können aber divergieren.

C. Grenzen der Parteiautonomie Die Parteiautonomie ist ein Grundprinzip des Zivilverfahrensrechts, aber es ist nicht das einzige und es gilt nicht unbeschränkt. Die Grenzen der Dispositionsfreiheit ergeben sich ebenfalls aus der Verfassung und den weiteren Grund- und Menschenrechten der Parteien sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Aus letzterem folgt zugleich, dass jede Einschränkung der Parteiautonomie auf einen legitimen Grund des Gesetzgebers zurückzuführen sein muss (I.). Ziele, die mit unabdingbaren materiellrechtlichen Regelungen verfolgt werden, können auch eine verfahrensrechtliche Disposition verbieten, etwa durch Prozessvergleich. Dies ist aber nicht schlechterdings anzunehmen, sondern hängt vom konkreten Regelungsziel der Norm ab (II.). Dispositionen über das Verfahrensrecht sind nur in einem rechtlichen Rahmen möglich, der eine Kollision mit den Justizgrundrechten der Parteien verhindert: Eine Parteidisposition beschränkt den Justizgewährleistungsanspruch, den der Staat mit dem Verfahrensrecht garantieren muss und der wiederum durch die Parteiautonomie eingeschränkt werden kann. Bei der Frage, ob eine autonome Parteientscheidung vorliegt, ist das ausgestaltende einfache Recht Referenzpunkt. Aus den Grundrechten ergeben sich im Regelfall keine weitergehenden Anforderungen (III.).

I. Ausgestaltung und Einschränkung der Parteiautonomie und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Die Parteiautonomie stellt eine Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit und anderer Freiheitsrechte dar, d. h. eines ausgestaltungsbedürftigen Grundrechts. Der Gesetzgeber ist einfachgesetzlich zu ihrer Ausgestaltung verpflichtet, um sie überhaupt zu ermöglichen; zugleich sind Parteidispositionen daher nur möglich, soweit sie gesetzlich zugelassen sind.50 Inwieweit die Parteien über 49 BGH, NJW 1981, 2193, 2193; Arens, Willensmängel bei Parteihandlungen im Zivil­ prozeß, 1968, 205–208; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 108 f.; krit. hierzu J. Braun, in: Bernreuther (Hg.), FS Spellenberg, 2010, 71; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 16 Fn.  3. 50  Z. B. C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  348; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 54–56; zur Privatautonomie BVerfGE 81, 242 = BVerfG, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1470; BVerfGE 89, 214, „Bürgschaftsvertrag I“, NJW 1994, 36, 38; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 165; D. Lorenz, in: Geis/Lorenz (Hg.), FS Maurer,

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ihre Rechte disponieren können, hängt also davon ab, ob Normen diese Disposition erlauben oder ihr entgegenstehen.51 Um den Umfang zu ermitteln, in dem eine solche Disposition ausgeschlossen sein kann, ist auf das Regelungsziel der infrage stehenden Norm abzustellen und ob dieses einer Disposition entgegensteht. Denn Ausgestaltung und damit zugleich Einschränkung sind nur zulässig, wenn der Gesetzgeber damit ein legitimes Ziel verfolgt. Dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dessen Anforderungen sowohl eine einfach­ gesetzliche Ausgestaltung als auch eine Einschränkung der Freiheitsrechte genügen müssen.52 Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Privatautonomie und damit des Verzichts auf die Justizgewährleistung stellt nicht zwangsläufig einen Grundrechtseingriff dar, da die Ausgestaltung notwendige Voraussetzung für den Gebrauch des Freiheitsrechts ist.53 Ihr kommt aber, selbst ohne Eingriff, Grundrechtsrelevanz zu54 insoweit, dass zumindest der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz55 und das Gebot praktischer Konkordanz zu wahren sind,56 d. h. das Gebot der möglichst weitgehenden Wirksamkeit aller betroffenen Grundrechtsinteressen.57 Sobald die zwingende Wirkung einer Norm nicht durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, ist die Ausgestaltung oder Beschränkung insoweit unverhältnismäßig und damit stets verfassungswidrig.58 2001, 213, 221, 224; Stern, Staatsrecht III/2, 1994, §  86 II 6, 912 f.; Flume, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 135, 136 f.; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, 40 ff.; P. Kirchhof, in: Riesenhuber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 83, 85, 92. 51  Zur Unwirksamkeit einer Kompetenz-Kompetenz-Klausel im Schiedsverfahren etwa BGH, NJW 2005, 1125, 1125 f. 52  G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 177, 372 f.; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 67; Canaris, in: Badura/Scholz (Hg.), FS Lerche, 1993, 873, 879 f.; Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 72 f.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 62; Hey, Freie Gestaltung, 2004, 112, 140; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 367; ders., in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181, 195; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 125 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 165; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 14; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 2 f. 53  Böckenförde, Der Staat 29, 1990, 1, 13, 19–21; Fleischer, ZHR 168, 2004, 673, 54  Kritisch hierzu Murswiek, NVwZ 2003, 1, 5 f. 55 BVerfGE 107, 395 = BVerfG, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924 f.; Althammer, ZZP 126, 2013, 3, 10; G.-P. Calliess, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 70. DJT 2014, 2014, A 43; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 774 Rn.  16; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 123, 135 f.; zur Herleitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips von Arnauld, JZ 2000, 276 f. 56  Böckenförde, Der Staat 29, 1990, 1, 13, 19–21; Canaris, JZ 1987, 993, 993; Fleischer, ZHR 168, 2004, 673, 688 f.; Hermes, NJW 1990, 1764, 1764 f.; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, 529 f.; P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 196 f., 206 f., 259 f., 263 f.; Stober, NJW 1979, 2001, 2005 f.; ähnlich Bethge, VVDStRL 57, 1998, 7, 35 f., 43 f. 57  BVerfGE 89, 214 = BVerfG, „Bürgschaftsvertrag I“, NJW 1994, 36, 38; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 21. 58  Zum materiellen Recht Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 152 f.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 38 f.; C. Engel, JZ 1995, 213, 218;

C. Grenzen der Parteiautonomie

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Einseitige Dispositionen sind zulässig, wenn eine Person nur auf eigene Rechtspositionen einwirkt.59 Sobald eine Disposition auch die Rechtspositionen anderer Menschen berührt, ist eine Änderung der Rechtslage nur bei Konsens aller betroffener Personen möglich. 60 Sobald die Disposition nicht nur Parteiinteressen betrifft, sondern auch solche von Dritten oder der Allgemeinheit, kann sie selbst bei Konsens ausgeschlossen sein. Gibt es umgekehrt kein legitimes Ziel für ein Dispositionsverbot, liegt ein ungerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen vor. 61 Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach dem konkreten Ziel, das jede einzelne Norm anstrebt. 62 Die Disposition muss nicht durch aktives Tun erfolgen, sondern eine Partei kann auch durch Nichtstun und Fristablauf über ihre Rechte disponieren, wenn die Rechtsordnung an Untätigkeit Folgen knüpft, beispielsweise, wenn eine Partei ein Versäumnisurteil gegen die andere beantragt und und diese hiergegen keine Rechtsbehelfe einlegt (§§  331 ff. ZPO).

II. Dispositionen über zwingendes materielles Recht Im deutschen Zivilrecht ergibt sich also der Umfang, in dem eine Norm einer Parteivereinbarung entgegensteht, daraus, inwieweit der Gesetzgeber in die Privat- und Parteiautonomie eingreifen möchte und dieser Eingriff zur Erreichung des Ziels zulässig, insbesondere verhältnismäßig, ist. 63 ­ anau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 73 f.; Lipp, Freiheit und Fürsorge, H 2000, 127–130; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002, 414 f.; Reinhardt, in: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Universität Bonn (Hg.), FS Schmidt-Rimpler, 1957, 115, 134–137. 59  Z. B. Patientenverfügung: Möslein, Dispositives Recht, 2011, 81, 227, 229 f. 60  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 231–233, 235 f. 61 Z.  B. EGMR, Federation of Offshore Workers Trade Union u. a. gegen Norwegen, Nr.  38190/97, ECLI:CE:ECHR:2002:0627DEC003819097; Bernhardt, in: Briner u. a. (Hg.), Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 67, 73; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 295; Haydn-­ Williams, Arbitration 67, 2001, 289, 296; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 460; Meller-Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 298; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 2, 9–11; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 79 f.; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 28 f.; allgemein Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 152 f.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 38 f.; C. Engel, JZ 1995, 213, 218; Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 73 f.; Lipp, Freiheit und Fürsorge, 2000, 127–130; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002, 414 f.; Reinhardt, in: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Universität Bonn (Hg.), FS Schmidt-Rimpler, 1957, 115, 134–137, 180–183. 62  Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 240 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 55–57, 87 f., 104. 63  Abegg, Die zwingenden Inhaltsnormen, 2004, 277 f.; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 152 f.; Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 15; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 230; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT I, 15.  Aufl., 1959, §  49 IV; Grundmann, in: Grundmann u. a. (Hg.), FS Hopt, 2010, 61, 90; ­Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 73 f.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 471 f.; Hesselink, ERCL 1, 2005, 44, 57, 73; Kähler, in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181,186–191; ders., Begriff und Rechtfertigung

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

Eine Norm, die materiellrechtlich unabdingbar ist, kann auch prozessual zwingend sein, wenn der Normgeber dies beabsichtigt. 64 In einigen Normen wird die prozessuale Unabdingbarkeit ausdrücklich angeordnet (vgl. §  1564 S.  1, 2 BGB) oder vorausgesetzt, etwa wenn das Verfahrensrecht selbst an materiellrechtliche Wertungen wie den ordre public anknüpft oder wie in §  1030 Abs.  1 ZPO auf das materielle Recht verweist.65 Darüber hinaus ist durch Auslegung zu ermitteln, ob eine materiellrechtlich zwingende Norm auch verfahrensrechtlich zwingend sein soll, vgl. etwa §  133 Abs.  3 HGB. 66 Die hinter den zwingenden materiellrechtlichen Normen stehenden Ziele wirken dann ins Verfahrensrecht hinein. 67 Eine solche Korrelation ist nicht zwingend (siehe bereits A. III.). 68 Aus dem Prozesszweck, primär die Individualrechte der Parteien zu schützen, folgt, dass Dispositionen im Verfahren in großzügigerem Maß möglich sein können als außerhalb desselben. Dies gilt insbesondere, wenn die infrage stehende Norm zum Schutz einer Partei in einer bestimmten Situation materiellrechtlich unabdingbar ist und die Schutzbedürftigkeit im Prozess entfällt. 69 Vereinzelt wird vertreten, dass materiellrechtlich zwingende Normen stets nur ex ante zwingend und somit immer ex post disponibel seien – und damit regelmäßig im Prozess, etwa durch Prozessvergleich, abbedungen werden könnten.70 Auch Normen, die materiellrechtlich Allgemeinwohlinteressen schützen, könnten im Prozess nur dem subjektiven Rechtsschutz dienen.71 Dieabdingbaren Rechts, 2012, 35, 368, 370 f., 416; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 125 f., 132 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 16, 88; M. Müller, NJW 2003, 1975–1980, 1975 Fn.  7; L. Raiser, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 101, 128; Schmidt-­ Rimpler, AcP 147, 1941, 130, 136–138; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1202; Zitelmann, Das Recht des BGB: AT, 1900, 19, ähnlich Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, 1899, 83 f. 64  Cahn, AcP 198, 1998, 35, 48–50, mit dem Beispiel §  4 Abs.  4 S.  1 TVG. 65  C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  347; ähnlich G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 86–93. 66  Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 134; Meller-Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 299; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 64. 67  Cahn, AcP 198, 1998, 35, 48–50; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 538 f.; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 64; vgl. BGH, NJW 1953, 1260, 1261; NJW 1965, 491, 492. 68  Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 139–142; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 61, 111, 116–119; M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, 2005, 153–155. 69  Z. B. BGH, FamRZ 1955, 359, 359; G.-P. Calliess, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 70. DJT 2014, 2014, A 37 f.; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 139 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 454; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 538; a. A. wohl J. M. von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, 298 f. 70  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 89–91, 111 f.; ders., in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 48 f.; ähnlich M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, 2005, 162 f. 71  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 89–91; a. A. Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 421; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 549; krit. auch Prütting, ZZP 99, 1986, 93, 96 f.

C. Grenzen der Parteiautonomie

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se Verallgemeinerung ist aber zu radikal. Es gibt im materiellen Zivilrecht sowohl allgemeinschützende als auch dritt- und individualschützende Normen. Der Grund, weswegen eine solche Norm nicht zur Parteidisposition steht, kann im Prozess Gültigkeit behalten. Auch öffentlich-rechtlich geprägte Normen, die über §§  134, 138 BGB materiellrechtliche Vereinbarungen verhindern, können prozessualen Vereinbarungen mit demselben Ergebnis entgegenstehen, abhängig stets vom dahinter stehenden Regelungsziel. Der diesen Normen zugrunde liegende Rechtsgedanke wird dann ins Prozessrecht transportiert.72 In diesen Fällen setzt sich die materiellrechtliche Unabdingbarkeit auch im Prozess durch. Es lässt sich keine allgemeine Aussage treffen, sondern es ist stets auf das Ziel der konkreten Norm abzustellen und inwieweit dieses ihre zwingende Anwendung beansprucht.73 Aus dem Grund, aus dem die Norm zwingend ist, ergibt sich dann, ob sie etwa per Prozessvergleich abbedungen werden kann oder die Parteien sich zu einem prozessualen Verhalten verpflichten können, das einer Abbedingung gleichkommt, beispielsweise der Verpflichtung zur Abgabe einer Anerkenntniserklärung.74 Eine solche verfahrensbezogene Vereinbarung kann leichter möglich sein als eine im materiellen Recht verbleibende Vereinbarung, ein Recht nicht auszuüben, doch darf dies nicht allgemein ohne Ermittlung des Normziels unterstellt werden.75 Geht es um die Zulässigkeit einer prozessualen Disposition über eine materiellrechtlich zwingende Norm, ist somit durch Auslegung zu ermitteln, ob die konkrete Norm auch gegenüber prozessualen Dispositionen im konkreten Individualrechtsstreit zwingend sein soll, d. h. das Ziel, das die Norm verfolgt, auch den Eingriff in die prozessuale Parteiautonomie notwendig macht.76

III. Dispositionen über Verfahrensrecht Verfahrensrechtliche Normen stehen ebenfalls zur Parteidisposition, solange der Gesetzgeber mit ihnen keine Ziele verfolgt, die einer Disposition entgegen72  Z. B. BGH, NJW 1953, 1830, 1830; NJW-RR 2014, 1358, 1359; OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 529, 530; ausführlich dazu etwa Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 212; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 134; vgl. bereits Oertmann, ZZP 45, 1915, 389, 409. 73  Z. B. OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 529, 530; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 421; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 61. 74  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 116–119, z. B. BGH, NJW 1994, 1056, 1057. 75  Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 538 f.; vgl. im Ausgangspunkt G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 51 f. 76  Cahn, ZEuP 1998, 973, 978 f.; ders., AcP 198, 1998, 35, 43–66; Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 161 f.; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 134; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 454; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 195 f., 224 f.; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 538 f.; E. Schmidt, NJW 1989, 1192, 1195; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 62, 86 f., 111, 120 f.; M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, 2005, 155–158, 161–163; vgl. BGH, FamRZ 1955, 359, 359; NJW 1952, 1296, 185; a. A. wohl Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 142.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

stehen.77 Ausdruck findet dieser Grundsatz in §  295 ZPO. Nach Abs.  1 können die Parteien darauf verzichten, Verfahrensfehler zu rügen. Dies gilt aber nach Abs.  2 nicht, wenn der Verfahrensfehler sich auf eine Vorschrift bezieht, über welche die Parteien nicht disponieren können.78 Regelmäßig verfolgt das Zivilprozessrecht das Ziel, den ebenfalls verfassungs- und menschenrechtlich gebotenen Justizgewährleistungsanspruch umzusetzen (1.), auf den die Parteien wiederum nur im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch Ausübung ihrer Parteiautonomie verzichten können (2.). Weder die allgemeine Handlungsfreiheit noch der Justizgewährleistungsanspruch dürfen daher im Kern berührt sein. 1. Justizgewährleistung als staatliche Aufgabe Bei verfahrensrechtlichen Parteidispositionen wird das Verhältnis der allgemeinen Handlungsfreiheit zum Justizgewährleistungsanspruch relevant. Denn das Verfahrensrecht, das Parteidispositionen im Verfahren erlaubt und zugleich einschränkt, verfolgt das verfassungsrechtlich gebotene Ziel, den Privatpersonen einen staatlichen Rahmen für ihre Rechtsstreitigkeiten zu bieten und somit Selbstjustiz verbieten zu dürfen.79 Art.  19 Abs.  4 GG gewährt gegen alle nicht-richterlichen staatlichen Eingriffe einen Anspruch auf gerichtliche Kontrolle, d. h. eine Sach- und Rechtsprüfung und -entscheidung i. S. d. Art.  92 GG.80 Daneben garantiert der nicht ausdrücklich normierte, aber verfassungsrechtlich anerkannte Justizgewährleistungs­ anspruch auch in privatrechtlichen Streitigkeiten Zugang zu einer richterlichen 77  Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 295; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 538 f.; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 23–27; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 74–76; ähnlich Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 137 f. 78  Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 39–31; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 78 f. 79  Z. B. J. Braun, Lehrbuch des Zivilprozessrechts, 2014, 16 f. 80  Zum gesamten Absatz z. B. BVerfGE 4, 7 = BVerfG, „Investitionshilfe“, NJW 1955, 17, 19; BVerfGE 96, 27, „Durchsuchungsanordnung I“, NJW 1997, 2163, 2163 f.; BVerfGE 104, 220, „Rehabilitierung bei Abschiebungshaft“, NJW 2002, 2456, 2456; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, Rn.  30; BVerfGK 4, 1, „Insolvenzverwalterliste“, NJW 2004, 2725, 1924; BVerfGE 116, 1, „Insolvenzverwalter“, NJW 2006, 2613, 2613 f.; P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 249; K. H. Schwab/­ P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 51; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 491, 494 Rn.  5, 499 Rn.  17; Detterbeck, AcP 192, 1992, 325, 333 f.; D. Lorenz, in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 143, 145 f.; E. Schumann, in: Schmidt (Hg.), FS 50 Jahre BGH, Bd.  III, 2000, 3, 11; krit. Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 310 f.; ders., NJW 2003, 2191, 2196; ebenso Art.  47 i. V. m. Art.  51 Abs.  1 S.  1 EU-Grundrechte-Charta bei der Durchführung des Unionsrechts, Eser/Kubiciel, Charta der Grundrechte, 5.  Aufl., 2019, Art.  47, Rn.  11 ff.; Gundel, in: Ehlers (Hg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4.  Aufl., 2014, 839, 863 f. Rn.  45; Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3.  Aufl., 2016, Art.  47 Rn.  17 ff.; Lipp, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 201, 202; Hess, JZ 2015, 548, 549.

C. Grenzen der Parteiautonomie

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Entscheidung.81 Der Justizgewährleistungsanspruch ist nicht explizit normiert, ergibt sich aber aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten und ist sowohl in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannt82 als auch von Art.  6 EMRK83 und Art.  47 EU-Grundrechte-Charta84 als Teil des Zugangs zu Gericht (access to justice) geschützt.85 81 Abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten, z. B. BVerfG, „554b ZPO“, NJW 1981, 39, 41; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924; BGH, NJW 1989, 1477, 1477; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 287, 292 f.; ­Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 425; Detterbeck, AcP 192, 1992, 325, 328, 333–338; Geimer, in: Habscheid/Schwab (Hg.), FS Nagel, 1987, 36, 39; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 296 f.; D. Lorenz, AöR 105, 1980, 623, 625 f., 630–633; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 491, 492 Rn.  1, 494 f. Rn.  6 –8; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 125 f.; ders., in: Matscher/Seidl-Hohenveldern (Hg.), FS Schwind, 1993, 17, 30 f.; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 31 f. zu Art.  47 EU-Grundrechte-Charta Jarass, NJW 2011, 1393, 1395; Ritgen, ZRP 2000, 371, 372; J. Schwarze, in: ­Grote u. a. (Hg.), FS Starck, 2007, 645, 649; allgemeines Prinzip, auch verbürgt in Art.  10 Allgemeine UN-Erklärung der Menschenrechte von 1948, Art.  14 Abs.  1 S.  1 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 1966 und Art.  8 I American Convention on Human Rights; R. Stürner, NJW 1979, 2334, 2336, der es teils auch aus dem Fairness-Prinzip ableitet. Ablehnend noch Lerche, ZZP 78, 1965, 1, 7–9. 82  BVerfGK 10, 275 = BVerfG, „Obligatorisches Schlichtungsverfahren“, NJW-RR 2007, 1073, 1074; BVerfGE 61, 82, „Sasbach“, NJW 1982, 2173, 2175 f.; „Streitwertfestsetzung“, NJW 1997, 311, 311 f.; BVerfGE 88, 118, „Einspruchsfrist bei Versäumnisurteil“, NJW 1993, 1635, 1635 f.; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 785 f. Rn.  29; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz, 1970, 137–139, 240 f.; Grunsky, in: Deutscher Richterbund (Hg.), Grenzen der Rechtsgewährung, 1983, 121, 127 f. 83  Gegebenenfalls i. V. m. Art.  13 EGMR: EGMR, Kudła gegen Polen, Nr.  30210/96, NJW 2001, 2694, Rn.  152–156; Sürmeli gegen Deutschland, Nr.  75529/01, NJW 2006, 2389, 2389; Lipp, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 201, 202. 84  Art.  47 EU-Grundrechte-Charta entspricht in diesen Wertungen Art.  6 EMRK: Art.  47 Abs.  2 EU-Grundrechte-Charta übernimmt die Garantien des Art.  6 Abs.  1 EMRK und ordnet ausdrücklich eine parallele Auslegung und Orientierung an der Rechtsprechung des EGMR an (Art.  52 Abs.  3 EU-Grundrechte-Charta); dazu Hess, in: Mansel u. a. (Hg.), FS Jayme, 2004, 339, 358; Lipp, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 201, 203; ­Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 551 f. Rn.  99; ähnlich Hess, JZ 2015, 548, 549; Jarass, NJW 2011, 1393, 1395. 85  EGMR, Deweer gegen Belgien, Nr.  6903/75, ECLI:CE:ECHR:1980:0227JUD000690375 Rn.  49; Brualla Gómez de la Torre gegen Spanien, Nr.  26737/95, ECLI:CE:ECHR:1997:12 19JUD002673795 Rn.  33; Khalfaoui gegen Frankreich, Nr.  34791/97, ECLI:CE:ECHR:1999:12 14JUD003479197 Rn.  36; Fogarty gegen UK, Nr.  3711/97, ECLI:CE:ECHR:2001:1121JUD 003711297 Rn.  33; Vasilescu gegen Romänien, Nr.  27053/95, ECLI:CE:ECHR:1998:0522JUD 002705395 Rn.  43; Golder gegen UK, EGMR-E 1, 146, Rn.  34–36; Briner/Schlabrendorff, in: Briner u. a. (Hg.), Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 89, 91; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 776 Rn.  17, 782 f. Rn.  25; Geimer, in: Fisch/­ Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 125 f., 161; ders., ZfRV 1992, 321, 325 f.; ders., in: Matscher/Seidl-Hohenveldern (Hg.), FS Schwind, 1993, 17, 30 f.; Hess, in: Mansel u. a. (Hg.), FS Jayme, 2004, 339, 339; Knigge/Ribbers, J Int Arb 34, 2017, 775, 778 f.; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 627 f.; Matscher, ÖZöffRVölkR 31, 1980, 1, 13 f.; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 491, 497 Rn.  11; ders., ebd., 507, 551 Rn.  98; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164 f.; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  22–24, 46;

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

Jeder Bürger hat demnach Anspruch darauf, seine subjektiven Rechte in einem rechtsförmlichen, rechtsstaatlich-fairen, öffentlichen Verfahren geltend zu machen und eine verbindliche Sach- und Rechtsprüfung und -entscheidung am Maß­stab des objektiven Rechts zu erhalten.86 Diese Entscheidung muss durch ­einen Richter i. S. d. Art.  92, 97, 101 Abs.  1 GG, Art.  6 EMRK, Art.  47 EU-­Grund­ rechte-Charta gefällt werden. Richter ist eine Entscheidungsperson, die persönlich und sachlich unabhängig sowie unparteilich-neutral im Verhältnis zu den Parteien und den Staatsgewalten ist. Ihre derartige Stellung muss verfahrensrecht­ lich abgesichert sein.87 Das Verfahren muss das Recht auf rechtliches Gehör88 E. Schumann, in: Gottwald/Prütting (Hg.), FS Schwab, 1990, 449, 451; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 29; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 42 f. 86  Z. B. BVerfG, „554b ZPO“, NJW 1981, 39, 41; BVerfGE 60, 253, „Anwaltsverschulden“, NJW 1982, 2425, 2426; BVerfGE 96, 27, „Durchsuchungsanordnung I“, NJW 1997, 2163, 2163 f.; BVerfGE 104, 220, „Rehabilitierung bei Abschiebungshaft“, NJW 2002, 2456, 2456; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924; EGMR, Mutu & Pechstein gegen Schweiz, 40575/10, 67474/10, BeckRS 2018, 23523 Rn.  175; Airey gegen Irland, Nr.  6289/73, Series A Nr.  32 Rn.  22, 24; Perez de Rada Cavanilles gegen Spanien, Nr.  28090/95, ECLI:CE:ECHR:1998:1028JUD002809095 Rn.  43–46; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 291 f.; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 782 f. Rn.  25; Detterbeck, AcP 192, 1992, 325, 328, 333–338, 344 f.; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 125 f.; P. Kirchhof, in: Isensee/ Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 697, 834 Rn.  239 f.; Lerche, ZZP 78, 1965, 1, 16 f.; D. Lorenz, AöR 105, 1980, 623, 625 f., 630–633; ders., in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 143, 152; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 623; Meier, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 679, 693 f.; Münch, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 179, 201, 211; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 491, 492 Rn.  1, 494 f. Rn.  6 –8; ders., ebd., 507, 551 Rn.  98; Sachs, ebd., 935, 977 Rn.  109; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 18, 26 f., 31 f., 51; 57– 60; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  20–24; Wach, Hb. des Deutschen Civilprozessrechts I, 1885, 178; R. Stürner, NJW 1979, 2334, 2336; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 680; zur Geschichte ausführlich G.-P. Calliess, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 70. DJT 2014, 2014, A 45– A 48; Wach, Hb. des Deutschen Civilprozessrechts I, 1885, 3–12. 87  BVerfGE 103, 111 = BVerfG, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1053; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924; EGMR, Mutu & Pechstein gegen Schweiz, 40575/10, 67474/10, BeckRS 2018, 23523 Rn.  140–144; Achterberg, in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 125, 130–136; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 623, 627 f.; Meier, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 679, 685; Münch, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 179, 201, 211; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 526 f. Rn.  43; Wilke, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 633, 671 Rn.  76; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 14 f., 24–26; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 677, 679; vgl. auch BGH, NJW 1986, 3027, 3028; NJW 2005, 436, 436; kritisch zu einer mangelnden Kontrolle: Wassermann, Der soziale Zivilprozeß, 1978, 81 f. 88  Z. B. BVerfGE 55, 1 = BVerfG, „Gerichtlicher Sachverständiger“, NJW 1980, 2698, 2698; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1926; NJW 1992, 359, 360; EuGH, Kadi u. a., C-402/05 P & C-415/05 P, ECLI:EU:C:2008:461, Rn.  335 f.; EGMR, Perez de Rada Cavanilles gegen Spanien, Nr.  28090/95, ECLI:CE:ECHR:1998:1028JUD 002809095 Rn.  40 f.; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 287; Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 420; Briner/Schlabrendorff, in: Briner u. a. (Hg.),

C. Grenzen der Parteiautonomie

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und die Waffengleichheit zwischen den Parteien wahren.89 Schließlich muss das Verfahren in einer Gesamtbetrachtung rechtsstaatlich-fair sein (Fairnessgrundsatz).90 Die Bereitstellung eines solchen Verfahrens ist verfassungsrechtlich geboten und daher geeignet, die Freiheitsrechte der Parteien einzuschränken.91 Verfahrensrechtliche Parteidispositionen sind daher stets in Abhängigkeit davon zu betrachten, ob und wieweit sie den Justizgewährleistungsanspruch einschränken.

Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 89, 97; Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 66; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 777 Rn.  18, 786 f. Rn.  30; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 136; Hess, JZ 2015, 548, 549; Hess/Pelzer, in: Steffek/Unberath (Hg.), Regulating Dispute Resolution, 2013, 209, 220; Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 618; Peukert, RabelsZ 63, 1999, 600, 611; Prütting, JZ 1985, 261, 270; Rüping, NVwZ 1985, 304, 309; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 38, 62; ­Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  53–55; R. Stürner, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 359, 367, 371 f.; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 116; ähnlich Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 52; tendenziell auch Smid, Rechtsprechung, 1990, 44, 344; zum Partizipationsgedanken und Interesse an umfänglicher Sachverhaltsaufklärung Schmitt-­ Glaeser, VVDStRL 31, 1973, 179, 247. 89  Nicht immer terminologisch klar getrennt, vgl. E. Schumann, in: Schmidt (Hg.), FS 50 Jahre BGH, Bd.  III, 2000, 3, 19 f.; Schack, ZZP 129, 2016, 393, 394; R. Stürner, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 631, 638 f.; M. Vollkommer, in: Gottwald/Prütting (Hg.), FS Schwab, 1990, 503, 516–519; Wassermann, Der soziale Zivilprozeß, 1978, 90; ausführlich dazu auch Effer-Uhe, Parteivernehmung, 2015, 241 ff. 90 Z. B. BVerfGE 46, 325 = BVerfG, „Zwangsversteigerung II“, NJW 1978, 368, 368 f.; NJW 1988, 2787, 2787; „Auslandszeuge“, NJW 1997, 999, 1000; EuGH, Steffensen, C-276/01, ECLI:EU:C:2002:605 Rn.  76 f.; Krombach, C-7/98, ECLI:EU:C:2000:164; EGMR, Dombo Beheer B.V. gegen Niederlande, Nr.  14448/88, ECLI:CE:ECHR:1993:1027JUD001444888 Rn.  33; Kress gegen Frankreich, Nr.  39594/98, ECLI:CE:ECHR:2001:0607JUD003959498 Rn.  71; Brualla Gómez de la Torre gegen Spanien, Nr.  26737/95, ECLI:CE:ECHR:1997:1219 JUD002673795 Rn.  37; Perez de Rada Cavanilles gegen Spanien, Nr.  28090/95, ECLI:CE: ECHR:1998:1028JUD002809095 Rn.  40 f.; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 302 f.; Briner/ Schlabrendorff, in: Briner u. a. (Hg.), Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 89, 92; Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 66; Benda/A. Weber, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 1, 19; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 779 Rn.  16, 19, 788 f. Rn.  33; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 125, 135 f.; Gundel, in: Ehlers (Hg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4.  Aufl., 2014, 839, 861 Rn.  43; Hess, in: Mansel u. a. (Hg.), FS Jayme, 2004, 339, 339, 346, 350; ders., JZ 2015, 548, 549; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 110; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 618, 627 f.; Peukert, RabelsZ 63, 1999, 600, 611, 614–616; E. Schumann, ZZP 96, 1983, 137, 160–164, 167 f.; ­ ­Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  22–24, 53–55; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 38, 62; R. Stürner, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 359, 366.; Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 37 f., 52. 91  Z. B. BGH, NJW 1960, 1947, 1948; NJW 1982, 888, 888; Arens, Willensmängel bei Parteihandlungen im Zivilprozeß, 1968, 37; J. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 2014, 1–3.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

2. Zulässigkeit des Verzichts auf den Justizgewährleistungsanspruch Ein Verzicht auf den Justizgewährleistungsanspruch ist gerechtfertigt durch die Freiheitsrechte der Parteien, denn Art.  2 Abs.  1, Art.  12 und Art.  14 GG garantieren im Rahmen der (prozessualen) Parteiautonomie auch, dass der staatlich verbürgte Gerichtsschutz oder Teile seiner Garantien nicht in Anspruch genommen werden müssen.92 Auch die von Art.  6 EMRK und Art.  47 EU-Grundrechte-Charta gewährten Positionen, die mit denen der Justizgewährleistung vergleichbar sind, können durch eine Parteientscheidung eingeschränkt werden. Die Parteiautonomie ist von der Konvention und der Charta geschützt und ihr Schutz als Rechtfertigungsgrund geeignet.93 Demgegenüber sind staatliche Beschränkungen des Gerichtszugangs unabhängig vom Parteiwillen aufgrund legitimer Verfahrensziele wie Effektivität, Prozessökonomie und Flexibilität zwar möglich, diese Ziele reichen an sich aber nicht aus, um den Zugang zu Gericht auszuschließen.94 Hieraus folgt, dass eine Parteientscheidung i. S. d. Grund- und Menschenrechte vorliegen muss (a). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt als absolute Grenze der Abwägung, dass keine der betroffenen verfassungsrechtlich geschützten Positionen im Kern berührt oder vollends aufgegeben wird (b–c).95

92  Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 237 f.; 240 f.; Hillgruber, in: Riesen­huber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 170; Münch, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 179, 195 f.; R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 204; zur Derogation der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte: Geimer, in: Habscheid/­ Schwab (Hg.), FS Nagel, 1987, 36, 46 f. 93  Z. B. EGMR, Deweer gegen Belgien, Nr.  6903/75, ECLI:CE:ECHR:1980:0227JUD0006 90375; Suovaniemi u. a. gegen Finnland, Nr.  31737/96, ECLI:CE:ECHR:1999:0223DEC00317 3796; EKMR, Axelsson u. a. gegen Schweden, ECLI:CE:ECHR:1990:0713DEC001196086 Nr.  2; Briner/Schlabrendorff, in: Briner u. a. (Hg.), Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 89, 91; Cahn, ZEuP 1998, 974, 978; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 158 f.; U. Haas, International Sports Law Review 2012, 43, 49 f.; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 219 f.; Hess, JZ 2015, 548, 549; Knigge/Ribbers, J Int Arb 34, 2017, 775, 779, 780; Matscher, ÖZöffRVölkR 31, 1980, 1, 21 f.; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 617; Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1084 f.; Peukert, RabelsZ 63, 1999, 600, 609; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164 f.; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  41–44; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 38; Settem, ‚Fair Hearing‘ in ECHR Article 6(1), 2016, 175; van Zelst, MJECL 25, 2018, 77, 83; rechtsvergleichend Caponi, RabelsZ 79, 2015, 117, 129. 94  Zur EMRK: Briner/Schlabrendorff, in: Briner u. a. (Hg.), Liber Amicorum B ­ öckstiegel, 2001, 89, 92 f. 95  “The very essence of the right”, vgl. EKMR, Bramelid und Malmström gegen Sweden, ECLI:CE:ECHR:1982:1012DEC000858879; EGMR, Golder gegen UK, EGMR-E 1, 146, Rn.  34–38; Belilos gegen Schweiz, Nr.  10328/83, ECLI:CE:ECHR:1988:0429JUD001032883 Rn.  69–72; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 165; Peukert, RabelsZ 63, 1999, 600, 609; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  69–71; ähnlich Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 174 f.

C. Grenzen der Parteiautonomie

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a) Voraussetzungen einer parteiautonomen Entscheidung und Materialisierungstendenzen Damit der Verzicht möglich ist, muss zunächst überhaupt eine Parteientscheidung i. S. d. verfassungsrechtlich und durch EMRK und EU-Grundrechte-­ Charta geschützten Parteiautonomie vorliegen. Die Parteien müssen sich parteiautonom und freiwillig i. S. d. Grund- und Menschenrechte einigen. Denn sonst führt die Titelschaffung zu einem nicht gerechtfertigten Eingriff in die Justizgewährleistung und zugleich in den negativen Aspekt der Freiheitsrechte, aus denen sich die Parteiautonomie ergibt.96 Da die Parteiautonomie verfassungsrechtlich garantiert, aber einfachgesetzlich auszugestalten ist, ist bei der Feststellung, ob eine solche Entscheidung vorliegt, auf die Regelungen des einfachen Rechts zurückzugreifen, insbesondere die des BGB und der ZPO.97 Eine nach einfachem Recht unwirksame Partei­ disposition ist auch verfassungsrechtlich keine von der allgemeinen Handlungsfreiheit gedeckte Verfügung.98 Weder aus der Verfassung noch aus EMRK oder EU-Grundrechte-Charta ergibt sich über das einfache Recht und seine Generalklauseln hinaus eine Pflicht, jede Parteierklärung auf ein besonderes Machtungleichgewicht in der Entscheidungssituation hin zu untersuchen. Eine solche Kontrollpflicht wird zum Teil gefordert, da das deutsche Zivil- und Zivilprozessrecht zu strikt von einer formalen Gleichheit der Parteien ausgingen und tatsächliche Ungleich­ gewichtslagen zwischen den Parteien nicht ausreichend berücksichtigten. Aus den sogenannten „Bürgschafts“99 - und „Ehevertrags“100 -Entscheidungen des BVerfG wird zum Teil hergeleitet, dass der Staat über die Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelungen zur rechtsgeschäftlichen Einigung hinaus weiterge96  D. Lorenz, in: Geis/Lorenz (Hg.), FS Maurer, 2001, 213, 219 f.; Stern, Staatsrecht III/2, 1994, §  86 II 6, 912–914. 97 Ausführlich z. B. BVerfGE 81, 242 = BVerfG, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1470; BVerfGE 89, 214, „Bürgschaftsvertrag I“, NJW 1994, 36, 38; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 165; D. Lorenz, in: Geis/Lorenz (Hg.), FS Maurer, 2001, 213, 221, 224; Stern, Staatsrecht III/2, 1994, §  86 II 6, 912 f.; Flume, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 135, 136 f.; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, 40 ff.; P. Kirchhof, in: Riesenhuber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 83, 85, 92; aus Sicht des EU-Rechts Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1084 f. 98  Zur Drohung etwa: R. Stürner, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 179, 198 f.; BGH, NJW 1966, 2399, 2399; zuletzt ECLI:DE:BGH:2016:070616 UKZR6.15.0; zur erstgenannten Entscheidung Ostler, NJW 1966, 2400, 2400 und E. Schneider, NJW 1966, 2399, 2399 f. 99  BVerfGE 89, 214 = BVerfG, „Bürgschaftsvertrag I“, NJW 1994, 36, 38 f.; „Bürgschaftsvertrag II“, NJW 1994, 2749, 2750; BVerfGE 115, 51, „Analoge Anwendung des §  79 Abs.  2 S.  3 BVerfGG“, BeckRS 2005, 31716; ähnlich zum Handelsvertreterrecht BVerfGE 81, 242, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1470 f. 100  BVerfGE 103, 89, „Unterhaltsverzichtsvertrag“, NJW 2001, 957, 958 f.; „Inhaltskontrol­ le von Eheverträgen II“, NJW 2001, 2248, 2248.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

hende Kontrollpflichten hat: Er soll sicherstellen, dass die Einigung tatsächlich von einer freien Willensentscheidung getragen wird.101 Eine freie Entscheidung wird verneint, wenn die Person aufgrund einer wirtschaftlichen, psychischen oder moralischen Zwangslage keine andere Wahl hatte, als den (prozessualen oder materiellrechtlichen) Vertrag zu schließen und daher der andere Vertragspartner faktisch seinen Inhalt bestimmt.102 Bei prozessualen Dispositionen wird besonders befürchtet, dass die formale Gleichheit der Parteien im Verfahren nicht ausreicht, um eine selbstverantwortliche Entscheidung beider Parteien zu gewährleisten. Es wird angenommen, durch die besondere Beständigkeit und Formalität des Verfahrensablaufs und der Prozesserklärungen würden mögliche Informationsdefizite schlechter ausgeglichen als in der informelleren materiellrechtlichen Entscheidungssituation.103 Denn das deutsche Zivilprozessrecht ist traditionell neutral bezogen auf den Ausgang privater Streitigkeiten.104 Es sieht die Parteien, unabhängig von ihrem Vorwissen oder Berufsstand, als formal gleich zu behandelnde Akteure an, die ihre Angelegenheiten selbstständig und selbstverantwortlich wahrnehmen.105 Es überlässt daher ihnen die Entscheidung, ob und wie sie ihren Konflikt beenden.106 Es stimmt, dass prozessunerfahrene Parteien gegenüber prozesserfahrenen Parteien aufgrund mangelnder Erfahrungen regelmäßig benachteiligt sind.107 Doch ergibt sich weder aus der Rechtsprechung des BVerfG noch der des EGMR eine grundsätzliche Pflicht, einfache zivilrechtliche Vereinbarungen oder zivilverfahrensrechtliche Vereinbarungen außerhalb des geltenden Rechts101  Z. B. Steffek/Unberath, in: dies. (Hg.), Regulating Dispute Resolution, 2013, 13, 29; ähn­lich Ritter, NotBZ 2009, 91, 92. 102 BVerfGE 81, 242 = BVerfG, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1471; siehe auch BVerwG, BeckRS 1964, 452, Rz.  18; VGH Mannheim, NVwZ-Beil. 1997, 82, 83 f.; BGH, NJW 1999, 2372, 2373; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 403 f.; Isensee, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 485, 485–487; Meller-Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 300; M. Renner, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 505, 519; W. Roth, in: Wolter u. a. (Hg.), Mannheimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 229, 239 f.; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 549; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, 45–48; M. Vollkommer/G. Vollkommer, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1243, 1244; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 724 f. 103  Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 213–215; N. Reich, ZRP 1974, 187, 193 f.; Tamm, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  1 Verbraucherschutz und Privatautonomie, Rn.  9; allgemein zu Informationsdefiziten im Verfahren Bender, ZRP 1974, 235, 236; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 479; Keet u. a., Windsor Y B Access Just 34, 2017, 73, 76, 78, 87–91. 104  Dazu bereits J. Kohler, AcP 97, 1905, 1, 6, 9. 105  Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 37–40; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 64. 106  Z. B. H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 284; krit. etwa G. Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 934 f. 107  Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 213 f.; Messer, in: Geiß u. a. (Hg.), FS BGH, 2000, 67, 81 f.; E. Schmidt, JZ 1980, 153, 157.

C. Grenzen der Parteiautonomie

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rahmens auf solche Machtgefälle hin zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren108 oder die Dispositions- und Verhandlungsmaxime in Fällen der Macht­ asymmetrie zugunsten einer allgemeinen richterlichen Ermittlungspflicht aufzugeben.109 Grundsätzlich ist es Aufgabe des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, ob ausnahmsweise eine Seite gegenüber der anderen bevorzugt werden darf,110 damit der Eingriff in die Positionen der anderen Seite gerechtfertigt sein kann, insbesondere ihre Ungleichbehandlung.111 Der deutsche Gesetzgeber wiederum hat die Gefahr von struktureller Unterlegenheit im Verfahren erkannt und im BGB und in der ZPO konkrete Maßnahmen getroffen, um solche Machtgefälle auszugleichen. Er statuiert aber keinen allgemeinen Grundsatz des Schwächerenschutzes.112 Stattdessen konkretisieren sowohl das BGB als auch die ZPO bestimmte Fälle, in denen die Parteien typischerweise nicht aufgrund eines freien Willens handeln, also eine materiellrechtliche oder prozessuale Einigung nichtig oder angreifbar ist.113 108  So aber R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 549; i. E. kritisch: Hillgruber, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 180–182; Isensee, in: Hübner/ Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 485, 497, 499–502, 505; Honsell, in: Schermaier (Hg.), FS Mayer-­ Maly, 2002, 287, 294. 109  Z. B. Bahnsen, Verbraucherschutz im Zivilprozeß, 1997, 112, 128, 163; Bender, ZRP 1974, 235, 237; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 2016, 30 f.; N. Reich, ZRP 1974, 187, 193 f.; H. Roth, JZ 2013, 637, 638; tendenziell Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 479; jüngst Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 366–370, 497 ff. 110  Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 422 f.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 281; Isensee, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 485, 512; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 697, 833 Fn.  238; Messer, in: Geiß u. a. (Hg.), FS BGH, 2000, 67, 67 f., 81 f.; M. Vollkommer, in: Gottwald/Prütting (Hg.), FS Schwab, 1990, 503, 519 f.; Peukert, RabelsZ 63, 1999, 600, 615 f.; Smid, Rechtsprechung, 1990, 346; M. Vollkommer, in: Gottwald/Prütting (Hg.), FS Schwab, 1990, 503, 505 f., 508; wohl Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 539 f. Das hat der Gesetzgeber durch die Einführung von Prozesskostenhilfe oder in §§  765a ZPO ZPO getan: BVerfGE 81, 347 = BVerfG, „Rechtsschutzgleichheit“, NJW 1991, 413, 413; BVerfGE 78, 104, „Prozesskostenhilfe“, NJW 1988, 2231, 2231 f.; weiter: Bender, ZRP 1974, 235, 235 ff. 111  Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 768 Rn.  9; Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 102 f., 115 f., 795 f. Rn.  40; E. Schumann, in: Schmidt (Hg.), FS 50 Jahre BGH, Bd.  III, 2000, 3, 20; Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 57, 102 f.; M. Vollkommer, in: Gottwald/Prütting (Hg.), FS Schwab, 1990, 503, 516–519. 112  C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  319; N. Reich, ZRP 1974, 187, 189; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 267; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  136. 113  BVerfG, „Ehegattenbürgschaft“, NJW 1996, 2021, 2021; BGH, NJW 1999, 2372, 2372; Canaris, AcP 200, 2000, 273, 296 ff.; Hillgruber, AcP 191, 1991, 69, 76; ders., in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 171–173, 175–177; Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 83, 104 f.; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 179 f.; J. Neuner, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 187, 196–198; zur Einigung im Verfahren Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 86; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  319; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 61 f. ; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 267.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

Beispielsweise hat der Gesetzgeber im materiellen Verbraucherschutz-, Arbeits- und Mietrecht viele detaillierte Einzelregelungen zum Schutz vor oder zum Ausgleich von Verhandlungsschwächen erlassen.114 Diese Regelungen sind stets als enge, nicht nur personell, sondern auch situativ geprägte Ausnahmen formuliert.115 Ähnliches gilt für das Zivilverfahrensrecht: Auch hier sieht der Gesetzgeber punktuell Ausgleichsmechanismen vor, die unterstellte Macht­ asymmetrien kompensieren sollen.116 Etwa gewährt die ZPO Prozess- und Beratungskostenhilfe bei wirtschaftlich schwachen Parteien (§§  114 ff. ZPO, §§  1 ff. BerHG) und fördert der Staat außergerichtliche niedrigschwellige Verfahren bei bestimmten Streitgegenständen, etwa über §  15a EGZPO.117 Auch kennt die ZPO einzelne besondere oder ausschließliche Gerichtsstände für bestimmte Streitigkeiten, in denen der Gesetzgeber eine Vertragspartei als schutzwürdig gegenüber der anderen einschätzt, etwa im Zwangsvollstreckungsrecht (§  765a ZPO, §§  30a-30d ZVG) oder im Bereich der Gerichtszuständigkeiten (§§  29a, 29c ZPO). Ebenso erlaubt §  38 ZPO Gerichtsstandsvereinbarungen nur zwischen Kaufleuten, aber nicht unter Beteiligung anderer Privatpersonen.118 Aus diesen Regelungen lässt sich ersehen, dass der deutsche Gesetzgeber kein allgemein verbindliches, geschlossenes Wertesystem zum Schutz geschäftsfähiger, aber sozial, wirtschaftlich oder intellektuell Schwächerer im Zivil- und Zivilverfahrensrecht etablieren möchte. Jede punktuelle Regelung ist als gesonderte Ausnahme zu betrachten. Sie ist aber nicht als Hinweis auf ein allgemeines System zum Schwächerenschutz zu deuten.119 In den nicht gesondert geregelten Fällen zielen Zivil- und Zivilverfahrensrecht gerade nicht darauf ab, eine Einigung frei von jeglichen Einflüssen nur zwischen uneingeschränkt gleichwertigen, ebenbürtigen Vertragspartnern zu ermöglichen.120 Stattdessen erlaubt die Rechtsordnung den Parteien, sich selbstverantwortlich gegebenenfalls auch 114  Herresthal, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 145, 156 f.; Franck, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 529, 549; J. Neuner, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 187, 191–193. 115  Canaris, Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, 1997, 62. 116  Bettermann, ZZP 91, 1978, 365, 392 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 61. 117  Tonner, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 861, 863; vgl. auch Hönn, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 199, 208 f. 118  Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 529 f.; Meller-Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 300; N. Reich, ZRP 1974, 187, 193 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 61, 101 f. 119  Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 284 f.; M. Wolf, Rechtsgeschäft­ liche Entscheidungsfreiheit, 1970, 12–19; ähnlich U. Huber, Studium Generale 23, 1970, 769, 781. 120  Canaris, AcP 200, 2000, 273, 278 f.; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 183 f., 202 f.; Herresthal, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 145, 153 Fn.  34; Hillgruber, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 174; U. Huber, Studium Generale 23, 1970, 769, 776; Kainer/Schweitzer, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 630, 631; P. Kirchhof, in: Riesenhuber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 83, 90; J. Neuner, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 187, 198 f.

C. Grenzen der Parteiautonomie

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zum eigenen Nachteil zu verpflichten, unabhängig davon, ob externe oder interne Faktoren diese Verpflichtung mitverursachen.121 Dies gilt für das Zivilgenauso wie für das Verfahrensrecht.122 Über die speziellen, ausdrücklich geregelten Konstellationen hinaus geht der Gesetzgeber gerade nicht davon aus, dass die Verfahrenssituation zu Entscheidungsdefiziten i. S. d. BVerfG-Rechtsprechung führt. Im Gegenteil trägt die Verfahrenssituation selbst zum Schutz einer schwächeren Partei bei: Sie ist – im Gegensatz etwa zu materiellrechtlichen Überrumpelungssituationen – durch die Förmlichkeit des Verfahrens und die ungewohnte Lage vor Gericht gewarnt. Liegen Informationsdefizite vor, ist darüber hinaus im Verfahren wahrschein­ licher als außerhalb eines solchen, dass eine rechtsunkundige Partei sich von einem Rechtsanwalt beraten lässt, wenn sie etwas nicht versteht, und damit das Defizit ausgeglichen wird.123 In Verfahren vor LG und OLG, in denen es um bestimmte Streitigkeiten und höhere Streitwerte geht (§§  23, 71 GVG), schreibt das Prozessrecht die anwaltliche Vertretung vor (§  78 Abs.  1 S.  1 ZPO).124 Dass die Rechtsordnung von besonders aufmerksamen Parteien ausgeht, sobald ein Rechtsstreit rechtshängig ist, wird von einigen Vorschriften des materiellen Rechts bestätigt (z. B. §§  291 f., 818 Abs.  4 BGB).125 Das deutsche Prozessrecht unterstellt somit, dass die Parteien zwar nicht notwendig weniger unerfahren oder überrumpelt sind als in einer materiellrechtlichen Entscheidungssituation, dass aber die Einbettung in das Verfahren und die anwaltliche Beratung diese Defizite beseitigen und übereilte Entscheidungen daher seltener zu befürchten sind.126 Soziale Schwäche wird primär auf der Ebene des Vollstreckungsschut121  Vgl. auch BVerfGE 74, 1 = BVerfG, „Hinweispflicht auf Rechtsansicht des Gerichts“, NJW 1987, 1192, 1860; BVerfGE 89, 214, „Bürgschaftsvertrag I“, NJW 1994, 36, 38 f.; „Bürgschaftsvertrag II“, NJW 1994, 2749, 2750; „Ehegattenbürgschaft“, NJW 1996, 2021, 2021; Hillgruber, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 165, 166 f., 169, 179; ders., Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, 155–158; Herresthal, in: Ziegler/Huber (Hg.), Current Problems in the Protection of Human Rights, 2013, 89, 91 f.; ders., in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 145, 154; Franck, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 529, 544; J. Neuner, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 187, 189; zur Selbstverantwortung BGH, NJW 1957, 297, 297 f. 122  H. Roth, JZ 2013, 637, 637 f. 123  Z. B. Cahn, AcP 198, 1998, 35, 58 f.; C. Kern, in: Stein/Jonas   II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  318; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 475; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 61 f.; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 267; kritisch zur Beratung durch Anwälte Cahn, AcP 198, 1998, 35, 58; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 2016, 31 f.; Habscheid, ZZP 81, 1968, 175, 187, 189; Schack, ZZP 129, 2016, 393, 405. 124  Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 135 f.; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  318; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 62; zum Gedanken des Schwächerenschutzes durch Anwaltspflicht bereits unter der CPO siehe Leipold, JZ 1982, 441, 447. 125  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 62. 126  Für Schutz durch das Prozessrecht: Bender, ZRP 1974, 235, 236; Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 529 f.; R. Stürner, AcP 210, 2010, 105, 137; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 62; krit. aber Cahn, AcP 198, 1998, 35, 58 f.; Meller-Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 300.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

zes oder durch das Sozialrecht, nicht aber bereits auf der Ebene der Parteientscheidung durch das allgemeine Zivil- und Zivilverfahrensrecht ausgeglichen.127 Für ein restriktives Verständnis der BVerfG-Rechtsprechung spricht zudem, dass auf Seiten der Gegenpartei auch deren Grundrechte zu beachten sind. Diese gebieten die rechtliche Gleichbehandlung des konkreten Vertragsschlusses mit anderen Vertragsschlüssen (Art.  3 Abs.  1 GG) und schützen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art.  20 Abs.  3 GG) resultierende Vertrauen darauf, dass Verträge, auch prozessuale Verträge, deren Unwirksamkeit nicht gesetzlich geregelt ist, grundsätzlich wirksam sind.128 Ein Eingriff in diese Rechte bedarf daher eines besonderen Rechtfertigungsgrunds.129 Die in der ZPO formal angelegte Rollenverteilung des Parteienprozesses, welche jeder Partei abverlangt, sich um ihre Rechtswahrnehmung selbst zu kümmern, bleibt daher – bis zur evidenten Unangemessenheit130 – unangetastet.131 Der Richter darf wegen seiner Neutralitätsverpflichtung keine Partei aufgrund ihrer sozialen Stellung bevorzugen, es sei denn, das einfache Recht eröffnet ihm hier Spielräume, etwa i. R. d. seiner Prozessleitungs- und Hinweispflichten gem. §§  139, 278 Abs.  1 ZPO, der Beweiswürdigung oder bei der Handhabung der Fristregelungen (§  283 ZPO).132 Eine verfassungsrechtliche Kontrolle der Dispositionsfreiheit 127  Hillgruber, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 182; J. Neuner, ebd. 187, 199; Isensee, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 485, 512. 128  Z. B. BVerfGE 81, 242 = BVerfG, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1470; BVerfGE 89, 214, „Bürgschaftsvertrag I“, NJW 1994, 36, 38 f.; „Bürgschaftsvertrag II“, NJW 1994, 2749, 2750; vgl. zuletzt BGH, ECLI:DE:BGH:2016:070616UKZR6.15.0 Rn.  55; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 177; Hillgruber, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 177; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, 58; Honsell, in: Schermaier (Hg.), FS Mayer-­ Maly, 2002, 287, 298; U. Huber, Studium Generale 23, 1970, 769, 781; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 296; Medicus, AcP 192, 1998, 35, 59 f.; W. Roth, in: Wolter u. a. (Hg.), Mannheimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 229, 244 f.; rechtsvergleichend Caponi, RabelsZ 79, 2015, 117, 135 f.; vgl. zuletzt BGH, ECLI:DE:BGH:2016:070616 UKZR6.15.0 Rn.  55–63. 129  Hillgruber, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 180–182; Isensee, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 485, 497, 499–502, 505; Honsell, in: Schermaier (Hg.), FS Mayer-Maly, 2002, 287, 294. 130 Z.B: Dauner-Lieb, AcP 210, 2010, 580, 595; Herresthal, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 145, 161 f.; U. Huber, Studium Generale 23, 1970, 769, 778 f.; Kainer/Schweitzer, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 630, 631; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 37 f. 131  Prütting/Weth, Rechtskraftdurchbrechung bei unrichtigen Titeln, 2.  Aufl., 1994, Rn.  61, sehr kritisch auch Rn.  304–307. 132  Z. B. BVerfG, NJW 1988, 2787, 2787 f.; BVerfGE 52, 131, „Arzthaftungsprozeß“, NJW 1979, 1925, 1926 f.; BVerfGE 22, 83, „Wiedereinsetzung nach Prozeßkostenhilfeantrag“, NJW 1967, 1267, 1267 f.; EGMR, Dombo Beheer B.V. gegen Niederlande, Nr.  14448/88, ECLI:CE: ECHR:1993:1027JUD001444888 Rn.  33–36; Bender, ZRP 1974, 235, 235 f.; Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 422 f.; ders., ebd. 433, 460; Jarass, NJW 2011, 1393, 1396; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 128 f.; Leipold, JZ 1982, 441, 446 f.; Messer, in: Geiß u. a. (Hg.), FS BGH, 2000, 67, 67 f.; Peukert, RabelsZ 63, 1999, 600, 615; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 64; R. Stürner, NJW 1979,

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muss über die Regelungen des einfachen Rechts hinaus möglich, aber auf Einzelfälle beschränkt bleiben.133 Es handelt sich um Fälle, in denen die Parteieinigung zu evident untragbaren Folgen für die benachteiligte Partei führt, und diese Folgen müssen ihrerseits den Kernbereich der Grundrechte berühren.134 Die benachteiligte Partei handelt nur dann nicht autonom, wenn sie grob unbillig oder verwerflich in ihrer Willensfreiheit beeinträchtigt wird, sodass sie „zweifelsfrei zum wehrlosen Objekt der Fremdbestimmung“135 gemacht wurde.136 Wie auch bei der inhaltlichen Kontrolle von Verträgen mit Machtgefälle zwischen den Parteien gem. §§  138, 242 BGB137 ist ein solches Tätigwerden des Richters bei Machtgefällen im Verfahren nur vorsichtig und in evidenten Ausnahmefällen und im Rahmen des geltenden Rechts geboten, da es kein Gebot absoluter faktischer „materieller“ Gleichstellung der Parteien gibt.138 Aus Art.  6 EMRK und Art.  47 EU-Grundrechte-Charta ergibt sich ebenfalls kein strikterer Maßstab als der nach deutschem Recht: Zwar ist ein Verzicht auf die Garantien des Gerichts nur möglich, wenn die Parteien sich der Bedeutung desselben bewusst sind.139 Die konkrete rechtliche Umsetzung des Verzichts als 2334, 2337; ders., in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 549; ders., in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 631, 633 f.; Wassermann, Der soziale Zivilprozeß, 1978, 76 f., 90, 111 f., 119; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 43 f. 133  Canaris, AcP 184, 1984, 201, 206 f.; Hermes, NJW 1990, 1764, 1767 f.; Herresthal, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 145, 158 f.; Honsell, in: Schermaier (Hg.), FS Mayer-Maly, 2002, 287, 296; Messer, in: Geiß u. a. (Hg.), FS BGH, 2000, 67, 67 f. 134  BVerfGE 89, 214 = BVerfG, „Bürgschaftsvertrag I“, NJW 1994, 36, 38 f.; „Bürgschaftsvertrag II“, NJW 1994, 2749, 2750; Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 74 f.; Honsell, in: Schermaier (Hg.), FS Mayer-Maly, 2002, 287, 297 f.; W. Roth, in: Wolter u. a. (Hg.), Mannheimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 229, 240 f., 245. 135  BGH, NJW 1999, 2372, 2372. 136  Canaris, AcP 200, 2000, 273, 286; Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 74 f.; Herresthal, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 145, 155 Fn.  41; Limbach, in: Hadding (Hg.), Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, 1999, 383, 391 f.; W. Roth, in: Wolter u. a. (Hg.), Mannheimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 229, 245. 137  Messer, in: Geiß u. a. (Hg.), FS BGH, 2000, 67, 67 f.; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 37 f. 138  BVerfGE 63, 380 = BVerfG, NJW 1983, 1599, 1599 f.; Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 433, 460; Brehm, Bindung des Richters, 1982, 219 f.; Isensee, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 485, 512; Leipold, JZ 1982, 441, 447; J. Neuner, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 187, 199; Prütting, NJW 1980, 361, 365; Schack, ZZP 129, 2016, 393, 396 f.; E. Schmidt, JZ 1980, 153, 156; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 549; ders., in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 631, 640; N. Reich, ZRP 1974, 187, 189; Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 40; J. M. von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, 303. 139  EGMR, Poitrimol gegen Frankreich, Nr.  14032/88, ECLI:CE:ECHR:1993:1123JUD00 1403288 Rn.  31; Leiningen gegen Deutschland, 59624/00, ECLI:CE:ECHR:2005:1117DEC00 5962400 Teil  B; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 617 f.; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  60–62; Shipman, CJQ 32, 2013, 470, 479; Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 39 f.; vgl. auch EKMR, D. gegen Irland, ECLI:CE:ECHR:1986:1203DEC

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

ausdrücklich oder konkludent bleibt aber dem nationalen Recht überlassen, solange dieses sicherstellt, dass der Verzicht unmissverständlich (unequivocal) und freiwillig, d. h. ohne Zwang (coercion) oder ohne sonstige Willenshindernisse (tainted by constraints) erklärt wurde.140 Der EGMR hat im Verhältnis Staat-Bürger anerkannt, dass es unterschiedlich starke Parteien mit unterschiedlichen Rechtskenntnissen gibt, abhängig etwa von der anwaltlichen Vertretung.141 Es kann die (primär staatliche) Pflicht bestehen, Ungleichgewichte oder Uninformiertheit bei nichtanwaltlich beratenen Parteien zu kompensieren, etwa durch ausdrückliche Hinweise auf die Folgen der Vereinbarung oder des Verzichts.142 Außerhalb des nationalen Vertragsrechts ist nur zurückhaltend von einer Kompensationspflicht auszugehen:143 Eine solche besteht nur bei Parteien, die unter außergewöhnlichen physischen oder sozialen Benachteiligungen leiden144 und nicht anwaltlich vertreten sind.145 Ökonomische Anreize zum Vertragsschluss stellen nur dann die genannten „constraints“ dar, wenn der andere Vertragspartner eine Monopolstellung innehat und etwa ein lebenswichtiges Gut Vertragsgegenstand ist, sodass faktisch eine Zwangslage gegeben ist.146 001148985; Jakob BOSS Söhne KG gegen Deutschland, ECLI:CE:ECHR:1991:1202DEC 001847991. 140  Vgl. etwa EGMR, Poitrimol gegen Frankreich, Nr.  14032/88, ECLI:CE:ECHR:1993: 1123JUD001403288 Rn.  31; Deweer gegen Belgien, Nr.  6903/75, ECLI:CE:ECHR:1980: 0227 JUD000690375 Rn.  49; Suovaniemi u. a. gegen Finnland, Nr.  31737/96, ECLI:CE: ECHR:1999: 0223DEC003173796; Oberschlick gegen Österreich, Nr.  11662/85, ECLI:CE:ECHR:1991: 0523JUD001166285 Rn.  51; Pfeifer und Plankl gegen Österreich, Nr.  10802/84, ECLI:CE: ECHR:1992:0225JUD001080284 Rn.  37 f.; Le Compte u. a. gegen Belgien, Nr.  6878/75; 7238/­ 75, ECLI:CE:ECHR:1981:0623JUD000687875 Rn.  59; Mutu & & Pechstein gegen Schweiz, 40575/10, 67474/10, BeckRS 2018, 23523 Rn.  96; EKMR, D. gegen Irland, ECLI:CE:ECHR: 1986:1203DEC001148985; R. gegen Schweiz, ECLI:CE:ECHR:1987: 0304DEC001088184; Axelsson u. a. gegen Schweden, ECLI:CE:ECHR:1990:0713DEC001196086 Nr.   2; Jakob BOSS Söhne KG gegen Deutschland, ECLI:CE:ECHR:1991:1202DEC001847991; Matscher, ÖZöffRVölkR 31, 1980, 1, 22; U. Haas, International Sports Law Review 2012, 43, 46 f.; Haydn-­­Williams, Arbitration 67, 2001, 289, 296; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 617 f.; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 161; Jaksic, J Int Arb 24, 2007, 159, 166 f.; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  41–45 und 60–62; Shipman, CJQ 32, 2013, 470, 477, 479; Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 39 f. 141 EGMR, Pfeifer und Plankl gegen Österreich, Nr.   10802/84, ECLI:CE:ECHR:1992: 0225JUD001080284 Rn.  38. 142 EGMR, Suovaniemi u. a. gegen Finnland, Nr.   31737/96, ECLI:CE:ECHR:1999:0223 DEC003173796; Leiningen gegen Deutschland, 59624/00, ECLI:CE:ECHR:2005:1117DEC 005962400 Teil  B; Shipman, CJQ 32, 2013, 470, 480; ebenso Prozesskostenhilfe bei finanziellem Ungleichgewicht, McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 622. 143  Anders wohl McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 632. 144  Minderjährige, körperlich Beeinträchtigte, Asylsuchende, Minderheiten, Gefangene, Opfer häuslicher Gewalt, Peroni/Timmer, International Journal of Constitutional Law 11, 2013, 1056, 1064 f.; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 622. 145 EGMR, Suovaniemi u. a. gegen Finnland, Nr.   31737/96, ECLI:CE:ECHR:1999:0223 DEC003173796. 146  Mutu & & Pechstein gegen Schweiz, 40575/10, 67474/10, BeckRS 2018, 23523 Rn.  113 f.,

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Ein etwa im Arbeits- oder Verbraucherrecht diskutiertes Ungleichgewicht, welches nicht auf physischen Unterschieden beruht, sondern auf unterschiedlicher Informiertheit und wirtschaftlicher Überlegenheit,147 indiziert nicht per se einen solchen Kompensationsbedarf. Das allgemeine nationale Recht genügt daher grundsätzlich den Anforderungen an einen Verzicht, auch wenn es natürlich weitergehende Schutzregelungen treffen darf. Aus der EMRK erwachsen aber keine derartigen Pflichten. Hieraus folgt: Haben die Parteien sich einfachgesetzlich wirksam darauf geeinigt, eine Streitigkeit durch ein anderes Verfahren als ein Gerichtsverfahren beizulegen oder einen Prozess nicht bis zum richterlichen Urteil zu verfolgen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine parteiautonome Entscheidung der Parteien i. S. d. GG vorliegt. Nur im Wege der Generalklauseln kann ausnahmsweise einem krassen Machtungleichgewicht entgegengewirkt werden. b) Kernbereich der Justizgewährleistung Ebenso wie der Kern der Parteiautonomie gewährleistet sein muss, kann auf den Wesensbereich der Justizgewährleistung nicht verzichtet werden. Die intensivste und daher unzulässige Beeinträchtigung, welche den unverzichtbaren Kern des Justizgewährleistungsanspruchs berührte, wäre die allgemein verbindliche Verpflichtung für alle Zukunft, niemals ein Gericht anzurufen.148 Ein zeitlich begrenzter Ausschluss der Klagbarkeit eines Anspruchs ist nur zulässig, solange es sich um einen zumutbaren Zeitraum handelt und die Verzögerung nicht automatisch zu einem Rechtsverlust führt.149 120; BGH, ECLI:DE:BGH:2016:070616UKZR6.15.0 Rn.  65; U. Haas, International Sports Law Review 2012, 43, 51 f. 147  Knigge/Ribbers, J Int Arb 34, 2017, 775, 782; vgl. EKMR, Axelsson u. a. gegen Schweden, ECLI:CE:ECHR:1990:0713DEC001196086. 148 BGH, NJW 1989, 1477, 1477 f.; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz, 1970, 159 f., 239; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 119 f., 150 f.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 145; Matscher, in: Habscheid/Schwab (Hg.), FS Nagel, 1987, 227, 229, 231; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 534 Rn.  58; Prütting, ZZP 99, 1986, 93, 96 f.; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 36; R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 651 f.; Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 419; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 152; Grunsky, in: Deutscher Richterbund (Hg.), Grenzen der Rechtsgewährung, 1983, 121, 126 f. 149  Z. B. BGH, NJW-RR 2009, 637, 638 f.; Kempf, ZZP 73, 1960, 342, 383 f.; H. Roth, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  253, Rn.  127 f.; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 68 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 426 f.; zu Art.  47 EU-Grundrechte-Charta: EuGH, Dokter u. a., C-28/05, ECLI:EU:C:2006:408 Rn.  75; Alassini, C-317/08 – C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  53; Menini & Rampanelli, C-65/16, ECLI:EU:C:2017:457 Rn.  53– 61; 63–65; z. B. Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 67 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  4 Rn.  14; Jarass, NJW 2011, 1393, 1395; Leible, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 381, 385; C. Mak, Amsterdam Law School Legal Studies Re­

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

Die Anforderungen an die rechtsstaatlichen Absicherungen sind umso höher, je stärker der Staat den Zugang zu einem staatlichen Gericht effektiv einschränkt, es ist also ebenfalls eine Verhältnismäßigkeitsprüfung notwendig.150 Die verbindliche, in Rechtskraft erwachsende Entscheidung des Rechtsstreits durch einen Dritten, die etwa beim Schiedsverfahren vorgesehen ist, ist die nächststärkste Form des Eingriffs, da sie eine neue, richterliche Entscheidung ausschließt. Ähnliche Intensität kann eine Regelung entfalten, die ein späteres Anrufen eines Gerichts sanktioniert. Für einen weniger starken Eingriff reicht bereits aus, dass eine staatliche Stelle den Eindruck erweckt, dass das Anrufen eines Gerichts sanktioniert wird, da dies die Parteien faktisch davon abhalten kann, Rechtsschutz zu suchen.151 Auch die speziellen Verfahrensabsicherungen, die ein gerichtliches Verfahren garantiert, müssen den Parteien stets jedenfalls zu einem Minimum offen stehen, selbst wenn ein alternatives Verfahren an die Stelle eines Gerichtsverfahrens tritt.152 Hierzu zählen insbesondere rechtliches Gehör, faires Verfahren und das Verhältnismäßigkeitsprinzip.153 Nur soweit diese Mindestrechte gewahrt sind, search Paper No.  2012-88, 11 f.; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 624; vgl. zu staatlich vorgeschriebenen Vorverfahren BVerfGK 10, 275 = BVerfG, „Obligatorisches Schlichtungsverfahren“, NJW-RR 2007, 1073, 1073 f.; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 21 f.; Grunsky, in: Deutscher Richterbund (Hg.), Grenzen der Rechtsgewährung, 1983, 121, 129; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 149; E. Schumann, ZZP 96, 1983, 137, 177; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 297; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 36; Eidenmüller, JZ 2015, 539, 543 f.; D. Lorenz, AöR 105, 1980, 623, 626. 150 Vgl. U. Haas, International Sports Law Review 2012, 43, 51; Knigge/Ribbers, J Int Arb 34, 2017, 775, 790 f.; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 627 f. 151  McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 632; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  39; ähnlich EGMR, Belilos gegen Schweiz, Nr.  10328/83, ECLI:CE:ECHR:1988:0429JUD001032883, Rn.  66 f. 152  BVerfGK 10, 275 = BVerfG, „Obligatorisches Schlichtungsverfahren“, NJW-RR 2007, 1073, 1074, 1074; siehe auch BVerfGE 14, 56, „Gemeindegerichte“, NJW 1962, 1611, 1611; ­Bruns, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 257, 257; allgemein M. Wolf, ZZP 99, 1986, 361, 388; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz, 1970, 160–162; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 172 f., 197 f.; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 174; C.-D. Schumann, NJW 1992, 2065, 2065; kurz Greger, NJW 2007, 3258, 3259; ­Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 534 Rn.  58; Hess, JZ 2015, 548, 549 f.; aus dem Rechtsstaatsprinzip herleitend Bäumerich, SchiedsVZ 2015, 237, 242; Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 39 f.; R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 649 f. 153 Z. B. BVerfGE 107, 395 = BVerfG, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924 f.; BVerfGK 10, 275, „Obligatorisches Schlichtungsverfahren“, NJW-RR 2007, 1073, 1074; BVerfGE 61, 82, „Sasbach“, NJW 1982, 2173, 2175 f.; „Streitwertfestsetzung“, NJW 1997, 311, 311 f.; BVerfGE 88, 118, „Einspruchsfrist bei Versäumnisurteil“, NJW 1993, 1635, 1635 f.; BVerfGE 14, 56, „Gemeindegerichte“, NJW 1962, 1611, 1611; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 154; BAG, NJW 1964, 268, 268 f.; vgl. auch BAG, NZA 1994, 571, 571 f.; NZA 1992, 702, 703 f.; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 295; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 477–479; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 774 Rn.  16, 785 f. Rn.  29; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz, 1970, 137–139, 240 f.; Grunsky, in: Deutscher Richterbund (Hg.), Grenzen der Rechtsgewährung, 1983, 121, 127 f.; Schenke, in: Wolter u. a. (Hg.), Mannheimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 153, 169–171;

C. Grenzen der Parteiautonomie

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ist ein Verzicht möglich. Umgekehrt kann eine Partei sich nicht dazu verpflichten, sich einem Verfahren zu unterwerfen, an welchem sie nicht die geringsten Teilnahmerechte hat,154 da dies die Individuumsqualität im Verfahren betrifft, die durch die (unverzichtbare) Menschenwürde garantiert wird.155 Im Prozess ist insbesondere das Recht auf einen Richter i. S. d. GG als unparteilichen und neutralen Entscheidenden existenziell. Ein Richter kann ein Urteil fällen, obwohl ein Richterablehnungsgrund (§  42 Abs.  1 Var.  2, Abs.  2 ZPO) vorliegt, also die richterliche Unparteilichkeit nicht gewährleistet ist, wenn die Parteien vom Befangenheitsgrund wissen und diesen nicht geltend machen (§  43 ZPO).156 Eine Disposition über die Ablehnungsgründe des §  41 ZPO ist aber nach §  43 ZPO nicht möglich, da die dort genannten Gründe den Kern des Justizgewährleistungsanspruchs berühren. Eine weitere zentrale Grenze der Parteidisposition im Prozess bildet das objektive Recht, denn das Gericht ist strikt rechtsgebunden. Dies ist u. a. Folge und Grundlage der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (vgl. Art.  97 Abs.  1 GG).157 Die Parteien können damit den Umfang der richterlichen Entscheidungspflicht und des Tatsachenstoffs i. R. d. Dispositions- und Verhandlungsmaxime festlegen, sie können aber nicht darüber bestimmen, wie der Richter das geltende Prozess- oder Sachrecht anzuwenden hat.158 Quelle der Entscheidung ist neben dem ermittelten Sachverhalt (nur) das objektive Recht, K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 29; R. Stürner, ZZP 127, 2014, 271, 323–325; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 129, 172 f.; Spindler, DVBl. 2008, 1016, 1022; Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44; C.-D. Schumann, NJW 1992, 2065, 2065; E. Schumann, in: Schmidt (Hg.), FS 50 Jahre BGH, Bd.  III, 2000, 3, 15 ff. 154  Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 420; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 132, 136. 155  Z. B. BVerfGE 86, 133 = BVerfG, „Rechtliches Gehör“, NJW 1992, 2977, 2877 Rn.  35; NJW 1992, 359, 359 f.; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924, 1928 f.; BGH, NJW 1990, 2199, 2199 f.; Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/ Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  88; Stern, Staatsrecht II, 1980, §  43 III 3, 921. 156  Musielak, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  307, Rn.  12; Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, 2006, Rn.  192. 157  Habscheid/Schlosser, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 239, 241 f.; Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, EL 87, März 2019, Art.  97 GG, Rn.  26; Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 34 f.; Morgenthaler, in: Epping u. a. (Hg.), BeckOK-GG, EL 42, 01.12.2019, Art.  97 GG, Rn.  7; Roellecke, VVDStRL 34, 1975, 7, 32–37; Smid, Rechtsprechung, 1990, 350; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 33 f.; Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, 2006, Rn.  192; Starck, VVDStRL 34, 1975, 43–88, 47 f.; Stern, Staatsrecht II, 1980, §  43 II 4, 913; krit. etwa Grunsky, Grund­ lagen des Verfahrensrechts, 1970, S.  17 f.; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 33–35; a. A. Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 151 f. 158  Z. B. BGH, BeckRS 1968, 31174829; Cahn, AcP 198, 1998, 35, 46; Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 68 Fn.  12; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 17 f.; Musielak, in: Nakamura (Hg.), FS Beys, 2003, 1093, 1099; Poelzig, Normdurch­ setzung, 2012, 439 f., 537 f.; E. Schmidt, NJW 1989, 1192, 1196; Smid, Rechtsprechung, 1990, 278 f., 349; ders., in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  9; a. A.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

konkretisiert dadurch, dass jedes richterliche Handeln dogmatisch nachvollziehbaren Regelungen unterworfen sein muss.159 Da der Grundsatz des fairen Verfahrens sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitet, ist er nicht nur in gerichtlichen, sondern in allen staatlichen160 und privaten Verfahren zu gewährleisten, deren Ergebnis vollstreckbar ist.161 Ein Kern an Fairness muss daher immer durch eine Missbrauchskontrolle gewahrt werden.162

wohl Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 209 f.; differenzierend: Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 33–35, 96 f. 159  BVerfGE 7, 183 = BVerfG, „Rechtshilfeersuchen“, NJW 1958, 97, 98; BVerfGE 14, 56, „Gemeindegerichte“, NJW 1962, 1611, 1611; BVerfGE 18, 241, „Ärztekammern“, NJW 1965, 343, 343; BVerfGE 22, 49, „Verwaltungsstrafverfahren“, NJW 1967, 1219, 1220; BVerfGE 31, 43, „Ermittlungsrichterliche Verpflichtung“, NJW 1971, 1308, 1308; BVerfGE 103, 111, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052 f.; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924, 1926; BVerfGK 4, 1, „Insolvenzverwalterliste“, NJW 2004, 2725, 2726; BVerfGE 116, 1, „Insolvenzverwalter“, NJW 2006, 2613, 2613; BVerwG, NJW 1969, 1980, 1981; Adlerstein, in: Böckstiegel (Hg.), Studien zum Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 1979, 9, 21 f.; Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur. Beiträge, 1986, 281, 284; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 288 f.; Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 140, 140 f., 144; ders., ebd. 409, 414–416; ders., AöR 92, 1967, 496, 498, 505–507, 508–512, 514–531; Bockelmann, in: Freunde, Schüler und Kollegen (Hg.), FS Smend, 1952, 23, 23 f.; Böckstiegel, NJW 1977, 463, 466; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 888 Rn.  18 Fn.  117; Detterbeck, AcP 192, 1992, 325, 329 f.; Flume, in: Freunde, Schüler und Kollegen (Hg.), FS Smend, 1952, 59, 79, 83; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 147 f., 149; Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, EL 87, März 2019, Art.  97 GG, Rn.  55 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 113, 117, 293, 301 f.; Lembcke, NVwZ 2008, 42, 43; Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, 47–49; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 491, 492 Rn.  1; ders., ebd., 507, 527 f. Rn.  4 4 f.; Pietzcker, NVwZ 1996, 313, 316; Roellecke, VVDStRL 34, 1975, 7, 38 f.; Schier, in: Henrich (Hg.), FS Firsching, 1985, 233, 239, 247 f.; K. H. Schwab/­ P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 5; Smid, Rechtsprechung, 1990, 2, 48 f., 63 f., 344, 349 f., 560; Sodan, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 681, 691 Rn.  19; Spindler, Gerichtsnahe M ­ ediation in Niedersachsen, 2006, Rn.  192; Starck, VVDStRL 34, 1975, 43–88, 63 f.; Wilke, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 633, 665 Rn.  66, 670 Rn.  75 f.; M. Wolf, ZZP 99, 1986, 361, 371 f., 372 f.; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 92 f., 100–104, 109 f., 115, 120–122, 130 (es sei denn, das Gesetz sieht eine Abweichung vom objektiven Recht vor); Wilke, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 633, 658 Rn.  49 (es sei denn, das Gesetz ist ungültig); ähnlich bereits M. Wolf, ZZP 99, 1986, 361, 371 f. 160  BVerfGE 46, 325 = BVerfG, „Zwangsversteigerung II“, NJW 1978, 368, 368 f.; ­BVerfGE 66, 107, „Parteifinanzierung“, BeckRS 1984, 03710; BVerfGE 101, 397, „Nachlasspfleger“, NJW 2000, 1709, 1709 f.; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 779 Rn.  19. 161  EGMR, Perez de Rada Cavanilles gegen Spanien, Nr.  28090/95, ECLI:CE:ECHR:1998: 1028JUD002809095 Rn.  39; BGH, NJW 1989, 1477, 1477 f.; Haydn-Williams, Arbitration 67, 2001, 289, 296. 162  Hillgruber, in: Herzog u.  a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  88; ­Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 37 f., vgl. etwa BGH, NJW 1989, 1477, 1477 f.

C. Grenzen der Parteiautonomie

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c) Verhältnismäßigkeit Ein Verzicht auf die durch den Justizanspruch verbürgten, rechtsstaatlichen Garantien (oder Aspekte derselben) ist nur zulässig, soweit er verhältnismäßig ist.163 Der Umfang des Verzichts beeinflusst das Ausmaß, in dem die Parteien von ihrer Parteiautonomie Gebrauch machen können und umgekehrt.164 Die Verfahrensart und ihre rechtsstaatlichen Gewährleistungen sowie der Inhalt der Parteivereinbarung prägen also die Gesamtabwägung.165 Der Verzicht auf die Justizgewährleistung ist quantitativ weniger intensiv, wenn die Parteien stets die Option haben, das Gericht anzurufen, oder sie nur zeitweise kein Gericht anrufen möchten, etwa bis zum gescheiterten Versuch, sich gütlich zu einigen. Der Zugang zu Gericht ist dann nicht ausgeschlossen, d. h. nicht im Kern berührt.166 Der Eingriff nimmt ab, je stärker die Parteien das Verfahren, also insbesondere Beginn, Ablauf, Ende des Verfahrens und Inhalt des Ergebnisses selbst kontrollieren und damit das Verfahren abbrechen und ein Gericht anrufen können. Umgekehrt wird der Justizgewährleistungsanspruch stärker beeinträchtigt, wenn das alternative Verfahren ähnlich verbindliche, endgültige Wirkungen wie ein gerichtliches hat und damit dazu führt, dass die Parteien im Anschluss nicht oder nur erschwert eine Sachprüfung und Entscheidung durch ein Gericht erlangen können.167 163  Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 422 f.; Taupitz, ZRP 1997, 161, 164; Hess, JZ 2015, 548, 548; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 148 f.; Hillgruber, JöR 54, 2006, 57, 72 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 64; ähnlich H. Genn, Yale Journal of Law & the Humanities 24, 2012, 397, 407; allgemeiner Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 98–92; Bleckmann, JZ 1988, 57, 61 f.; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 175 f.; ausführlich zum Grundrechtsverzicht: Hillgruber, Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, 134 ff.; Sturm, in: Leibholz (Hg.), FS Geiger, 1974, 173, 173 ff.; ­Singer, in: Erbguth u. a. (Hg.), GS Jeand’Heur, 1999, 171, 171 ff.; zu Art.  47 EU-Grundrechte-­ Charta: EuGH, Alassini, C-317/08 – C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 550 Rn.  53–57; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 624 f.; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 149; Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 67 f.; zum UK: H. G. Genn, Judging civil justice, 2010, 106–108. 164  EGMR, Deweer gegen Belgien, Nr.  6903/75, ECLI:CE:ECHR:1980:0227JUD000690 375 Rn.  49; Pfeifer und Plankl gegen Österreich, Nr.  10802/84, ECLI:CE:ECHR:1992:0225 JUD001080284Rn.  37; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, 525; P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 224–239, 282 f.; ähnlich Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 42 f.; Stadler, NJW 1998, 2479, 2486; zu knappen Gütern und ihrer staatlichen Allokation: Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 71– 73; vgl. auch BVerfGE 40, 196 = BVerfG, „Güterkraftverkehr“, NJW 1976, 179, 180; zu Sportschiedsgerichtsbarkeit U. Haas, International Sports Law Review 2012, 43, 46 f.; ­Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 161; Jaksic, J Int Arb 24, 2007, 159, 164 f.; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 627 f.; Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 40. 165  Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 37 f. 166 Ähnlich Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44. 167  Von Hoffmann, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 217, 235.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

Bei der Abwägung stehen die staatliche Kontrolle und das vorherige Verfahren in einer Wechselwirkung zueinander: Der Verzicht auf ein Gerichtsverfahren ist weniger umfassend, wenn die Parteien sich entscheiden, ihren Rechtsstreit in einem Verfahren beizulegen, das einen ähnlichen Rechtsschutz bietet wie ein Gerichtsverfahren.168 Ist stattdessen eine umfängliche nachgelagerte Kontrolle und Korrektur durch ein später anzurufendes Gericht möglich, kann das vorherige Verfahren geringere verfahrensrechtliche Garantien aufweisen. Ist umgekehrt eine nachträgliche gerichtliche Sachprüfung nur eingeschränkt möglich, muss das Verfahren seinerseits höheren Anforderungen an die rechtsstaatlichen Gewährleistungen genügen.169

D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen Parteidispositionen Aus dem Vorgesagten folgen Pflichten für staatliche Stellen, inbesondere Gerichte. Im Privatrechtsverhältnis wirken die Grund- und Menschenrechte nicht unmittelbar. Verzichten die Parteien auf ein staatliches Verfahren, folgt aber aus der mittelbaren Drittwirkung der Grund- und Menschenrechte eine Gewährleistungspflicht des Staats, sobald dieser an der Einigung in irgendeiner Weise beteiligt ist. Eine solche Einbindung geschieht insbesondere dadurch, dass der Staat sich das Verfahrensergebnis zu eigen macht, indem er einen vollstreckbaren Titel schafft (I.). Hieraus folgen Besonderheiten bei der Verfahrensausgestaltung. Da der mit der Verfahrensvereinbarung einhergehende Verzicht auf Teile der Justizgewährleistung nur durch eine verhältnismäßige parteiautonome Entscheidung der Parteien gerechtfertigt werden kann, muss die staatliche Stelle sicherstellen, dass die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung, konkretisiert durch einfaches Recht, vorliegen (II.). Zugleich steigen die Anforderungen an diese Sicherstellungs- und Kontrollpflichten, je stärker der Staat die Parteientscheidung mitbeeinflusst (III.).

168  BGH, NJW-RR 2009, 637, 638 f.; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 293; Dütz, Rechts­ staatlicher Gerichtsschutz, 1970, 240 f.; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 197 f.; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 174 f.; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 66; vgl. auch Münch, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 179, 198 f.; ähnlich Steffek/Unberath, in: dies. (Hg.), Regulating Dispute Resolution, 2013, 13, 27 f. 169  Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44 f.; Hess, JZ 2015, 548, 549 f.

D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen Parteidispositionen

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I. Mittelbare Grundrechtsbindung privater Stellen und staatliche Gewährleistungspflichten 1. Titelschaffung als staatliche Mitwirkung Entscheiden die Parteien sich, keinen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen oder ihren Rechtsstreit privat beizulegen, berührt dies den Justizgewährleistungsanspruch zunächst nicht; insbesondere wird die Möglichkeit, ein Gericht anzurufen, nicht eingeschränkt.170 Der Staat ist daher – bis zur strafund ordnungsrechtlichen Grenze – nicht verpflichtet, einzugreifen, wenn die Parteien sich privat einig sind, nicht vor Gericht zu gehen. Im Gegenteil ist ein staatlicher Eingriff in die Einigung als Ausdruck der individuellen Selbstbestimmung rechtfertigungsbedürftig.171 Nicht-staatliche Stellen oder Akteure, etwa private Schiedsgerichte, Mediatoren oder Schlichtungsstellen, sind ebenfalls keine unmittelbaren Grundrechtsadressaten.172 Sobald der Staat aber selbst in die Einigung oder ihre Folgen eingebunden ist, ändert sich diese Beurteilung. Dies ist der Fall, wenn er an der Einigung mitwirkt, insbesondere, wenn er das Verfahrensergebnis in einen vollstreckbaren Titel münden lässt. Denn dieser Titel ermächtigt die Vollstreckungsorgane zur Zwangsvollstreckung, d. h. zu einem Eingriff in die Rechtspositionen der Parteien.173 Zugleich entsteht hierdurch ein Anspruch des Vollstreckungsgläubigers 170 

Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  38. Vgl. BVerfGE 81, 242 = BVerfG, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1470; Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  87; ders., JöR 54, 2006, 57, 73; P. Kirchhof, in: Riesenhuber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 83, 85; Kreissl, SchiedsVZ 2012, 230, 235; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 67 f.; ­Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 10 f., 45; tendenziell Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz, 1970, 241; Steffek/Unberath, in: dies. (Hg.), Regulating Dispute Resolution, 2013, 13, 27 f.; siehe auch F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, 511 f.; Stommel, Die Vereinsund Verbandsgerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung der Berufsverbände, 2002, 70 f.; allgemein W. Roth, in: Wolter u. a. (Hg.), Mannheimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 229, 237 f.; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, 27 f., 32–34, 55; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 18 f.; von Arnauld, JZ 2000, 278 f.; anders wohl L ­ embcke, NVwZ 2008, 42, 44. 172 Z. B. BVerfGE 116, 135 = BVerfG, „Gleichheit im Vergaberecht“, NJW 2006, 3701, 3704 f.; ähnlich BGH, NJW 1952, 1296, 1296; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 127, 135 f.; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 173; ­Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, 55; Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44; Stober, NJW 1979, 2001, 2002, 2004 f.; Schmidt-Aßmann, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, EL 77, Juli 2016, Art.  103 Abs.  1, Rn.  49 f.; Voit, JZ 1997, 120, 122; wohl auch BGH, NJW 1992, 2299, 2299; Hodges u. a., in: dies. (Hg.), Consumer ADR in Europe, 2012, 389, 421; Aden, NJW 1993, 1964, 1964; Böckstiegel, NJW 1977, 463, 466; unklar BGH, NJW 1983, 867, 867 f. und Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 35. Ähnlich zur EMRK: Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  46. 173  Z. B. Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 426; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 239 Fn.  298; W. Roth, in: Wolter u. a. (Hg.), Mann­ heimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 229, 238; ähnlich Steffek/Unberath, in: 171 

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

gegen den Staat, die Vollstreckung in die Rechte des Vollstreckungsschuldners vorzunehmen. Damit schafft der Staat unmittelbaren Zugriff des Voll­ stre­ ckungs­gläubigers auf wesentliche Rechtspositionen des Vollstreckungsschuldners.174 Auch führt der Titel dazu, dass ein (zusätzliches) Gerichtsverfahren aus Sicht des Vollstreckungsgläubigers überflüssig wird. Faktisch wird häufig durch die Titelschaffung der Rechtsstreit beigelegt.175 Ein vollstreckbarer Titel beschränkt daher den Justizgewährleistungsanspruch, der in privatrechtlichen Streitigkeiten Zugang zu einer umfassenden richterlichen Sach- und Rechtsprüfung garantiert,176 rechtlich und faktisch.177 Eine solche staatliche Beschränkung darf nicht ohne weitere Kontrolle geschehen.178 Parallel verpflichten auch Art.  6 EMRK und Art.  47 EU-Grundrechte-Charta die Mitgliedstaaten, die Grund- und Menschenrechte ihrer Bürger zu garantieren.179 Um den Parteien effektiven, d. h. hier rechtzeitigen Rechtsschutz zu dies. (Hg.), Regulating Dispute Resolution, 2013, 13, 28; Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 68 Fn.  12; bezogen auf das Urteil: Canaris, AcP 184, 1984, 201, 219. 174  EGMR, Perez de Rada Cavanilles gegen Spanien, Nr.  28090/95, ECLI:CE:ECHR:1998: 1028JUD002809095 Rn.  39 (Gerichtsvergleich); Nordström-Janzon & Nordstöm-Lehtinen gegen Niederlande, Nr.  28101/95, ECLI:CE:ECHR:1996:1127DEC002810195; EKMR, Jakob BOSS Söhne KG gegen Deutschland, ECLI:CE:ECHR:1991:1202DEC001847991 (beide Schiedsverfahren); Haydn-Williams, Arbitration 67, 2001, 289, 297; Jaksic, J Int Arb 24, 2007, 159, 162; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  39–40; Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 39 f.; van Zelst, MJECL 25, 2018, 77, 80. 175 Ähnlich Nicklisch, in: Böckstiegel/Glossner (Hg.), FS Bülow, 1981, 159, 160; Hodges u. a., in: dies. (Hg.), Consumer ADR in Europe, 2012, 389, 418; vgl. auch Münch, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 179, 200 f. 176  Abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten, z. B. BVerfG, „554b ZPO“, NJW 1981, 39, 41; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924; BGH, NJW 1989, 1477, 1477; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 287, 292 f.; ­Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 425; Detterbeck, AcP 192, 1992, 325, 328, 333–338; Geimer, in: Habscheid/Schwab (Hg.), FS Nagel, 1987, 36, 39; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 296 f.; D. Lorenz, AöR 105, 1980, 623, 625 f., 630–633; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 491, 492 Rn.  1, 494 f. Rn.  6 –8; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 125 f.; ders., in: Matscher/Seidl-Hohenveldern (Hg.), FS Schwind, 1993, 17, 30 f.; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 31 f. 177  Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 293; vgl. Taupitz, ZRP 1997, 161, 164; Hess, JZ 2015, 548, 548; ähnlich H. Genn, Yale Journal of Law & the Humanities 24, 2012, 397, 407; K. H. Schwab, in: Sanders (Hg.), Liber Amicorum Domke, 1968, 301, 307; zu Art.  47 EU-­ Grundrechte-Charta. 178  EGMR, Perez de Rada Cavanilles gegen Spanien, Nr.  28090/95, ECLI:CE:ECHR:1998: 1028JUD002809095 Rn.  39; Nordström-Janzon & Nordstöm-Lehtinen gegen Niederlande, Nr.  28101/95, ECLI:CE:ECHR:1996:1127DEC002810195; EKMR, Jakob BOSS Söhne KG gegen Deutschland, ECLI:CE:ECHR:1991:1202DEC001847991; Haydn-Williams, Arbitration 67, 2001, 289, 297; Jaksic, J Int Arb 24, 2007, 159, 162; Ritter, NotBZ 2009, 91, 92; ­Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  39–40; Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 39 f.; van Zelst, MJECL 25, 2018, 77, 80. 179 Etwa EGMR, Mutu & Pechstein gegen Schweiz, 40575/10, 67474/10, BeckRS 2018, 23523 Rn.  66 f.; Suda gegen Tschechische Republik, Nr.  1643/06, ECLI:CE:ECHR:2010:1028 JUD000164306 Rn.  48; Suovaniemi u. a. gegen Finnland, Nr.  31737/96, ECLI:CE:ECHR:

D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen Parteidispositionen

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gewährleisten, muss diese Kontrolle spätestens in dem Verfahren möglich sein, in dem der Staat das Ergebnis des Verfahrens für vollstreckbar erklärt.180 Im Ergebnis verlangt die EMRK – ähnlich wie das GG – eine Überprüfung, ob ein wirksamer Verzicht vorliegt. Liegt dieser vor, ist abzuwägen zwischen dem Umfang, in dem auf staatlichen Rechtsschutz oder Aspekte desselben verzichtet wird, und der Selbstbestimmung der Parteien.181 2. Ausgestaltung als weitere staatliche Mitwirkung Verstärkt wird diese staatliche Kontrollpflicht dadurch, dass der Verzicht als Teil der Parteiautonomie und der allgemeinen Handlungsfreiheit ausgestaltungsbedürftig ist. Wie bei anderen positiven Ausgestaltungen von grundgesetzlich zu schützenden Instituten bestehen eine Gewährleistungspflicht des Staats und eine Bindung an die Grundrechte als objektive Werteordnung, vorgelagert auf Ebene des Gesetzgebers, nachgelagert auf Ebene der staatlichen Rechtsanwendung (Gericht oder andere staatliche Stelle).182 Der Staat darf daher nur einen Titel schaffen, wenn sichergestellt ist, dass beide Parteien die Durchführung des konkreten Verfahrens anstelle eines Gerichtsverfahrens im Rahmen ihrer Parteiautonomie vereinbart haben und der Verzicht verhältnismäßig ist.183 Einem Verfahrensabschluss, bei dem ein voll1999:0223DEC003173796; EKMR, Jakob BOSS Söhne KG gegen Deutschland, ECLI:CE: ECHR:1991:1202DEC001847991; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 150, 158 f.; Haydn-Williams, Arbitration 67, 2001, 289, 296; ­Matscher, in: Habscheid/Schwab (Hg.), FS Nagel, 1987, 227, 237; ders., ÖZöffRVölkR 31, 1980, 1, 22; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 618; Shipman, CJQ 32, 2013, 470, 470 f., 475 f.; dies., CJQ 30, 2011, 163, 177 f.; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  41–44, 81. 180  Hillgruber, in: Herzog u.  a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  88; Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 65; Hess, JZ 2015, 548, 549 f., 553; Smid, Rechtsprechung, 1990, 149 f.; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 156 f., 170 f.; Unberath, JZ 2010, 975, 980 f.; ähnlich R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 655 f.; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 781 f. Rn.  24; vgl. Hodges u. a., in: dies. (Hg.), Consumer ADR in Europe, 2012, 389, 419. 181  EGMR, Håkansson und Sturesson gegen Schweden, Nr.  11855/85, ECLI:CE:ECHR: 1990:0221JUD001185585 Rn.  66; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  47–48 und bei Fn.  60–62. 182  Böckenförde, Der Staat 29, 1990, 1, 15–18; P. Kirchhof, in: Riesenhuber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 83, 85; ders., Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 196 f., 277–282. 183  BVerfGE 81, 242 = BVerfG, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1470; BGH, NJW 1977, 1397, 1399; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz, 1970, 245 f.; Geimer, in: Fisch/ Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 119 f., 130; Hanau, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 119, 123 f.; Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/ Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  88; ders., AcP 191, 1991, 69, 75; P. Kirchhof, in: Riesen­ huber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 83, 85, 92; H. Koch, NJ 2005, 97, 100; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 20 f.; Münch, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 179, 201, 202; Stern, Staatsrecht III/2, 1994, §  86 II 6, 913 f.; ders., Staatsrecht II, 1980, §  43 III 3, 921; R. Stürner, in:

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

streckbarer Titel entsteht, muss daher stets die Prüfung vorausgehen, ob der Verzicht gesetzlich zulässig ist und die Parteien freiwillig i. S. d. einfachen Rechts handelten.184 Haben sie sich einfachgesetzlich wirksam und zulässig darauf geeinigt, auf die Justizgewährleistung zu verzichten, darf der Staat diese Einigung nur stärken und damit anerkennen, wenn weder der Justizgewährleistungsanspruch noch die Selbstbestimmung in Form der Parteiautonomie unverhältnismäßig beschränkt185 oder vollends aufgegeben wird.186 3. Einfluss der „Bürgschafts“- und „Ehevertrags“-Entscheidungen Darüber hinaus ergibt sich auch aus der oben genannten Rechtsprechung des BVerfG in den „Bürgschafts“- und „Ehevertrags“-Entscheidungen, dass der Richter im Rahmen der Auslegung der Generalklauseln verpflichtet ist, den Inhalt der Einigung zu kontrollieren und in evidenten Missbrauchsfällen zu korrigieren.187 Diese Kontrolle ist darauf beschränkt, die einfachgesetzlichen Voraussetzungen der Einigung zu prüfen und darüber hinaus – im Wege der Anwendung der Generalklauseln – sicherzustellen, dass nicht ausnahmsweise ein Fall vorliegt, in dem eine Partei grob unbillig oder verwerflich in ihrer Willensfreiheit beeinträchtigt sowie „zweifelsfrei zum wehrlosen Objekt der Fremdbestimmung“188 gemacht wurde, und dies zu evident untragbaren Folgen führte. Etwa hat ein Verzicht, ein Gericht anzurufen, nicht per se derart evident untragbare Folgen i. S. d. Rechtsprechung.189 Anderes gilt ausnahmsweise, wenn die Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 651 f.; ähnlich Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 65; Unberath, JZ 2010, 975, 980 f.; allgemeiner Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 21 f.; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, 40 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 380 f.; W. Roth, in: Wolter u. a. (Hg.), Mannheimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 229, 239; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 67 f.; zum Aktienrecht Schön, in: Habersack u. a. (Hg.), FS Ulmer, 2013, 1359, 1390 f.; zu den Besonderheiten ausländischer Gerichtsstände, die in dieser Arbeit vernachlässigt werden: Geimer, in: Habscheid/Schwab (Hg.), FS Nagel, 1987, 36, 46–48. 184  Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1084 f. 185  Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 197 f.; Stern, Staatsrecht III/2, 1994, §  86 III 2, 921; ähnlich Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44. 186 BVerfGE 14, 56 = BVerfG, „Gemeindegerichte“, NJW 1962, 1611, 1611; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 125, 135 f., 172 f., 197 f.; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 174; Hillgruber, JöR 54, 2006, 57, 73; Niedermaier, Schiedsund Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 42 Rn.  201; R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 656; C.-D. Schumann, NJW 1992, 2065, 2065; Stern, Staatsrecht II, 1980, §  43 III 3, 921; ähnlich Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 289, 292, vgl. etwa BGH, NJW 1986, 3027, 3028; BAG, NJW 1964, 268, 268. 187  Isensee, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 485, 497, 499–502, 505; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 159 f.; z. B. BGH, NJW 1991, 1046, 1046 f.; zuletzt BGH, ECLI:DE: BGH:2016:070616UKZR6.15.0 Rn.  54, 57. 188  BGH, NJW 1999, 2372, 2372. 189  Tendenziell wohl Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 537 f.

D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen Parteidispositionen

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Einigung zu einem endgültigen Verzicht auf den Kern eines rechtsstaatlichen Verfahrens führt, etwa die unterlegene Partei für alle Zukunft darauf verzichtet, ein Gericht anzurufen.190 Dies führte zu einer evident untragbaren Folge, was u. a. auch daraus ersichtlich wird, dass dies zugleich einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Schutzbereich der Justizgewährleistungsgarantie darstellte (s. o. III. 2.). Es ist also stets zu prüfen, ob über die einfachgesetzlichen Regelungen hinaus keine wirksame Einigung i. S. d. BVerfG-Rechtsprechung vorliegt. Liegt keine solche Einigung vor, ist die Beschränkung des Justizgewährleistungsanspruchs gerade nicht durch die Parteiautonomie gerechtfertigt. In diesem Fall darf diese rechtswidrige Einigung nicht staatlich verstärkt, etwa gar vollstreckbar gemacht werden, da der Staat damit in die Rechte der nicht autonom handelnden Partei eingriffe.191 4. Gewährleistungspflicht und mittelbare Drittwirkung als Konsequenz Der Staat muss somit stets die Wirksamkeit der Einigung nach einfachem Recht kontrollieren und sicherstellen, dass die existenziellen Garantien der Justiz­ gewährleistung gewahrt wurden.192 Es ist keine umfassende Neubescheidung erforderlich, aber zumindest eine effektive Prüfung dieser verfassungsrechtlich garantierten Punkte.193 Der Gesetzgeber muss damit, wenn er das Ergebnis eines Verfahrens anerkennt, zugleich ein staatliches Verfahren vorsehen, das die Erfüllung dieser Kontrollpflichten spätestens in dem Moment ermöglicht, in dem die staatliche Verstärkung bzw. Anerkennung des Verfahrensergebnisses im Raum steht, also 190  R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 651 f.; Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 419; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 152; Grunsky, in: Deutscher Richterbund (Hg.), Grenzen der Rechtsgewährung, 1983, 121, 126 f. 191  BVerfGE 115, 51 = BVerfG, „Analoge Anwendung des §  79 Abs.  2 Satz  3 BVerfGG“, BeckRS 2005, 31716, 31716 Rn.  32–38; Stern, Staatsrecht II, 1980, §  43 III 3, 921; M. Vollkommer/G. Vollkommer, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1243, 1248 f. 192  M. Vollkommer/G. Vollkommer, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1243, 1248, 1253; ähnlich K. H. Schwab, in: Sanders (Hg.), Liber Amicorum Domke, 1968, 301, 306 f. 193  Zum gesamten Absatz: BVerfGK 10, 275 = BVerfG, „Obligatorisches Schlichtungsverfahren“, NJW-RR 2007, 1073, 1073 f.; EGMR, Mutu & Pechstein gegen Schweiz, 40575/10, 67474/10, BeckRS 2018, 23523 Rn.  66 f.; Suda gegen Tschechische Republik, Nr.  1643/06, ECLI:CE:ECHR:2010:1028JUD000164306 Rn.  48; und Suovaniemi u. a. gegen Finnland, Nr.  31737/96, ECLI:CE:ECHR:1999:0223DEC003173796; EKMR, Jakob BOSS Söhne KG gegen Deutschland, ECLI:CE:ECHR:1991:1202DEC001847991; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 150, 158 f.; Haydn-Williams, Arbitration 67, 2001, 289, 296; Matscher, in: Habscheid/Schwab (Hg.), FS Nagel, 1987, 227, 237; ders., ÖZöffRVölkR 31, 1980, 1, 22; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 618; Shipman, CJQ 32, 2013, 470, 470 f., 475 f.; dies., CJQ 30, 2011, 163, 177 f.; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  41–44, 81; Unberath, JZ 2010, 975, 978.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

bei Schaffung des vollstreckbaren Titels.194 Dem Staat steht frei, wie er diese Kontrolle gestaltet. Er kann eine externe Überwachung einer privaten Stelle oder eben die Einrichtung einer „Instanz“ zur Kontrolle einrichten.195 Notwendig ist nur, dass die Einhaltung der zu gewährleistenden Mindestvorgaben überprüft wird.196 Diese Grund- und Menschenrechtsbindung ist bei der Auslegung und Anwendung der Regelungen durch Richter oder andere staatliche Stellen zu beachten und nachzuvollziehen,197 etwa gem. §§  1025 ff. ZPO oder bei der Prüfung im Vollstreckbarerklärungsverfahren. Die korrespondierenden Regelungen müssen in der konkreten Anwendung entsprechend verfassungskonform ausgelegt werden.198 Auf diesem indirekten Weg der staatlichen Gewährleistungs- und Kontrollpflichten entfalten die Verfassung, die EMRK und die EU-Grundrechte-Charta auch im privaten Verfahren Wirkung.199

194  Ähnlich etwa Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 99; Überblick über verschiedene Ansätze, dies zu regeln: Park, in: Briner u. a. (Hg.), Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 595, 597. 195  Unberath, JZ 2010, 975, 978. 196  EGMR, Kudła gegen Polen, Nr.  30210/96, NJW 2001, 2694, Rn.  157 f.; Rotaru gegen Ru-mänien, Nr.   28341/95, ECLI:CE:ECHR:2000:0504JUD002834195 Rn.   67; 29.4.1988 – Nr.  10328/83, Rn.  71 f.; Briner/Schlabrendorff, in: Briner u. a. (Hg.), Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 89, 99 f. 197  BVerfGE 7, 198 = BVerfG, „Lüth“, NJW 1958, 257, 257 f.; BVerfGE 118, 1, „Begrenzung der Rechtsanwaltsvergütung“, NJW 2007, 2098, 2103 Rn.  112 f.; Böckenförde, Der Staat 29, 1990, 1, 7–9, 15 f.; Canaris, JZ 1987, 993, 994 f.; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 31 f., 51, 645; Di Fabio, JZ 1993, 689, 691 f.; Medicus, AcP 192, 1998, 35, 47 f., 69; ähnlich Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 338 f., auch Fn.  177; zu staatlichem Informationshandeln: BVerfGE 105, 252 = BVerfG, „Glykol“, NJW 2002, 2621, 2624; ­BVerfGE 105, 279, „Osho“, NJW 2002, 2626, 2629 f.; „Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen“, NJW 2001, 1633, 1635 f.; vgl. auch BVerfG, „Arzneimittelfestbeträge“, NJW 2003, 1232, 1234 f. 198  BVerfGE 55, 1, „Gerichtlicher Sachverständiger“, NJW 1980, 2698, 2698; BVerfGK 7, 325, „Mitwirkungspflicht bei Ablehnungsgesuch“, NJW 2006, 3129, 3133; BGH, NJW 1976, 109, 110; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 374–377; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  295, Rn.  10, 12–31; i. E. ähnlich, aber stärker einfachrechtlich argumentierend G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 78 f. 199  EGMR, Deweer gegen Belgien, Nr.  6903/75, ECLI:CE:ECHR:1980:0227JUD000690 375 Rn.  49; Nordström-Janzon & Nordstöm-Lehtinen gegen Niederlande, Nr.  28101/95, ECLI:CE: ECHR:1996:1127DEC002810195; Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 67; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 150 f., 161; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 239–241; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz, 1970, 240 f.; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 173; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 150 f., 154; Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  88; Jaksic, J Int Arb 24, 2007, 159, 161 f.; Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44; Matscher, in: ­Matscher/Seidl-Hohenveldern (Hg.), FS Schwind, 1993, 71, 73 f.; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164 f.; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  46, 53–55, 60–62; K. H. Schwab, in: Sanders (Hg.), Liber Amicorum Domke, 1968, 301, 307; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 34; Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 38 f.

D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen Parteidispositionen

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II. Konkretisierung der Gewährleistungspflicht Sobald der Staat in die Einigung eingebunden wird und damit an der Beschränkung des Justizgewährleistungsanspruchs mitwirkt, muss er demnach sicherstellen, dass die Grund- und Menschenrechte der Parteien hinreichend gewahrt wurden, vor allem ihr Kerngehalt nicht berührt und ihre konkrete einfachgesetzliche Ausgestaltung und Anwendung verhältnismäßig ist. Ein Verfahren vor einer nicht-gerichtlichen Stelle muss damit einen Kern der Anforderungen an ein rechtsstaatliches bzw. rechtsstaatlich-faires und effektives Verfahren einhalten 200 und gewährleisten, dass die Parteien sich freiwillig für das Verfahren entschieden haben. Eine rein faktische Bindung stellt eine weniger intensive Beeinträchtigung dar und ist daher leichter zu rechtfertigen, es ist aber zumindest eine Willkürkontrolle sowie eine Sicherstellung der Freiwilligkeit erforderlich.201 Der Umfang dieser Gewährleistung ist je nach Verfahren unterschiedlich, auch abhängig davon, wie weit die Parteien auf Gerichtsschutz verzichten möchten.202 Ein Eingriff ist umso stärker, je eingeschränkter die spätere Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle ist oder je vager die Parteientscheidung zum Verzicht auf einzelne Garantien ist.203 Er ist umso eher gerechtfertigt, je stärker die rechtsstaatlich notwendigen Verfahrensgarantien der Parteien gewahrt wurden 204 und die Parteien sich bewusst für den Verzicht auf die einzelnen Teile derselben entschieden haben.205 Dabei ist zu differenzieren, was Inhalt der Parteidisposition ist und wie sich diese auf das Verfahren auswirkt. Verzichten die Parteien auf Teile des gericht200 BVerfGE 53, 115 = BVerfG, „Entschädigungsansprüche“, NJW 1980, 1565, 1565 f.; „Auslandszeuge“, NJW 1997, 999, 999 f.; BVerfGE 122, 248, „Rügeverkümmerung“, NJW 2009, 1469, 1473; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 768 f. Rn.  9, 775 Rn.  16; R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 649. 201  Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 174 f.; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 152; von Hoffmann, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 217, 233; ähnlich Hess, JZ 2015, 548, 549 f., 553; ders., ZZP 124, 2011, 137, 154; Münch, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, ­Jahrbuch 2008/I, 2009, 179, 201; ähnlich Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 294; Steffek/ Unberath, in: dies. (Hg.), Regulating Dispute Resolution, 2013, 13, 27; vgl. auch Prütting, JZ 1985, 261, 270; ähnlich zum Aktienrecht Schön, in: Habersack u. a. (Hg.), FS Ulmer, 2013, 1359, 1390 f. 202  Zu verpflichtender Verbrauchermediation vor Klageerhebung: EuGH, Alassini, C-317/­ 08 – C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.   63–66; zur Güteverfahren vor Klageerhebung ­BVerfGK 10, 275 = BVerfG, „Obligatorisches Schlichtungsverfahren“, NJW-RR 2007, 1073, 1073; allgemein Eidenmüller, JZ 2015, 539, 543 f. 203  Zu Art.  47 EU-Grundrechte-Charta: McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 625. 204  Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz, 1970, 240 f.; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 197 f.; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 174 f.; M. Wolf, ZZP 99, 1986, 361, 400 f. 205  Smid, Rechtsprechung, 1990, 5; de Palo, in: European Parliament (Hg.), European Parliament 2015, 2015, 280, 288; krit. Prütting, JZ 1985, 261, 270 f.; ähnlich Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 174 f.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

lichen Urteilsverfahrens, erreichen aber ein Gerichtsurteil, etwa durch ein Anerkenntnis i. S. d. §  307 ZPO oder aufgrund von Säumnis gem. §  331 ZPO, ist der Verzicht weniger umfangreich als bei der Wahl eines gänzlich alternativen Verfahrens. Denn das Gericht ist weiterhin an das Prozessrecht gebunden, welches wiederum die einzelnen Aspekte der Justizgewährleistung umsetzt.206 Wählen die Parteien statt eines Gerichtsverfahrens ein staatliches, nicht-gerichtliches Verfahren zur Streitbeilegung, etwa indem sie vor einem Notar eine vollstreckbare Urkunde über die Streitigkeit erlangen, ist der Verzicht weniger umfassend als bei der Vereinbarung eines privaten Verfahrens, das keine Gewähr der Justizgarantien bietet. Denn für jedes staatliche, nicht-gerichtliche Verfahren ergibt sich aus dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip und den Grundrechten das Recht auf rechtsstaatliches bzw. rechtsstaatlich-faires und effektives Verfahren.207 Dies beinhaltet insbesondere das Recht auf rechtliches Gehör und angemessene Teilnahme am Verfahren sowie Waffengleichheit und Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Art.  3 Abs.  1 GG bzw. Art.  103 Abs.  1 GG).208 Es gelten der Vorbehalt des Gesetzes, der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns und das Verfahren muss so gestaltet sein, dass die betroffenen Grundrechtspositionen möglichst effektiv gewahrt werden.209 Bei der Wahl eines privaten Verfahrens hängt dessen Ausgestaltung vom Parteiwillen ab. Da aber der Parteiwille niemals ohne staatliche Mitwirkung Bindung entfaltet, ergibt sich hier wiederum eine Wechselwirkung bei der Auslegung der Normen, die zum Verzicht auf die Justizgewährleistung führen. Stellt der Staat sicher, dass das alternative Streitbeilegungsverfahren adäquaten Rechtsschutz garantiert, kann umso stärker auf eine innerstaatliche Kontrolle 206  Z. B. C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  278, 330; Zöllner, AcP 190, 1990, 471, 477, 481 f. 207 BVerfGE 53, 115 = BVerfG, „Entschädigungsansprüche“, NJW 1980, 1565, 1565 f.; „Versorgungsausgleich“, NJW 1983, 2812, 2812; BVerfGE 76, 100, „§  3 HöfeVfO“, NJW 1988, 405, 405; „Auslandszeuge“, NJW 1997, 999, 999 f.; BVerfGE 101, 397, „Nachlasspfleger“, NJW 2000, 1709, 1709 f.; BVerfGE 116, 1, „Insolvenzverwalter“, NJW 2006, 2613, 2614; BVerfGE 122, 248, „Rügeverkümmerung“, NJW 2009, 1469, 1473; Briner/Schlabrendorff, in: Briner u. a. (Hg.), Liber Amicorum Böckstiegel, 2001, 89, 92 f.; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 768 f. Rn.  9, 775 Rn.  16; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 135 f.; Schier, in: Henrich (Hg.), FS Firsching, 1985, 233, 234 f.; Smid, Rechtsprechung, 1990, 48 f.; R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 649. 208  BVerfGE 69, 126 = BVerfG, NJW 1985, 1149, 1150; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 775 Rn.  16; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 135 f.; ders., ZfRV 1992, 321, 324–326; Hess, JZ 2015, 548, 548; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 519 f. Rn.  27, 522 Rn.  32; E. Schumann, in: Schmidt (Hg.), FS 50 Jahre BGH, Bd.  III, 2000, 3, 15–17; Spindler, DVBl. 2008, 1016, 1022; vgl. auch Grunsky, in: Deutscher Richterbund (Hg.), Grenzen der Rechtsgewährung, 1983, 121, 130. 209  Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 125; ders., ZfRV 1992, 321, 324 f.; P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 247–249, 251 f.

D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen Parteidispositionen

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verzichtet werden. Umgekehrt muss umso eher eine staatliche Kontrolle durchgeführt werden, wenn der adäquate Rechtsschutz nicht sichergestellt ist.210

III. Staatliche Anreize und erhöhte Kontrollpflichten 1. Staatliche Beeinflussung des Parteiwillens Bei Regelungen, die Auslegungsspielräume bieten, was den Verzicht der Parteien auf Teile des Justizgewährleistungsanspruchs betrifft, ergibt sich aus der Gewährleistungspflicht des Staates eine Auslegungspflicht in eine bestimmte Richtung. Denn der Umfang der Gewährleistungspflicht hängt auch davon ab, inwieweit der Staat den Verzicht seinerseits inhaltlich mitgestaltet. Eine solche Mitgestaltung findet stets statt dadurch, dass der Staat den Verzicht einfachgesetzlich (zwingend und dispositiv) ausgestaltet und hierdurch den Bürgern durch Gesetz verschiedene alternative Verfahren zur Verfügung stellt. Er gibt damit zugleich abstrakt-generell den Rahmen ihrer Entscheidung vor, auf einzelne Aspekte der Justizgewährleistung zu verzichten. Er begrenzt das inhalt­ liche Ausmaß der Rechte. Damit beeinflusst er zugleich den Umfang, in dem die Parteien von ihrer Parteiautonomie Gebrauch machen.211 Die staatliche Beeinflussung des Parteiwillens muss in der Abwägung und damit der folgenden Anwendung der relevanten Normen berücksichtigt werden. Die staatliche Gewährleistungspflicht hängt daher auch davon ab, inwieweit der Staat die Parteientscheidung ermöglicht, auf die Justizgewährleistung zu verzichten und durch die einfachgesetzliche Ausgestaltung ihren Inhalt beeinflusst. Die Anforderungen an staatliche Kontrollen steigen, je stärker der Staat selbst Anreize für die Parteien setzt, statt des Gerichtsverfahrens ein alternatives Verfahren in Anspruch zu nehmen. Je stärker der Staat den Eindruck erweckt, die Verfahrensrechte der Parteien würden trotz des Verzichts auf Teile des Verfahrens gewahrt, desto eher muss er auch gewährleisten, dass entweder diese Rechte auch gewahrt sind oder den Parteien vor Augen geführt wird, wie einschneidend der Verzicht ist. Denn je stärker der Staat die Parteientscheidung mitbeeinflusst, desto weniger handelt es sich um eine autonome Entscheidung, 210 Vgl. EKMR, Hedland gegen Schweden, ECLI:CE:ECHR:1997:0409DEC002411894; EGMR, Pfeifer und Plankl gegen Österreich, Nr.  10802/84, ECLI:CE:ECHR:1992: 0225JUD 001080284 Rn.  37 f.; EGMR (GK), 28.5.2002 – Nr.  35605/07, Kingsley gegen UK, ECLI:CE: ECHR:2002:0528JUD003560597, Rn.  32 a. E.; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 626, 631 f.; Hess, in: Mansel u. a. (Hg.), FS Jayme, 2004, 339, 343; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 38. 211  F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, 525; P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 224–239, 282 f.; ähnlich Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 42 f.; Stadler, NJW 1998, 2479, 2486; zu knappen Gütern und ihrer staatlichen Allokation Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 71–73; vgl. auch ­BVerfGE 40, 196 = BVerfG, „Güterkraftverkehr“, NJW 1976, 179, 180.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

sondern diese muss dem Staat mitzugerechnet werden. Zugleich steigen damit seine Gewährleistungspflichten. 2. Gesetzgebung und Gesetzesanwendung als Ebenen der Einflussnahme Der Staat kann die Parteientscheidung auf zwei Ebenen beeinflussen, nämlich auf der oben bereits angesprochenen Ebene der (ausgestaltenden) Gesetzgebung und auf der Ebene der Gesetzesanwendung. Auf der Ebene der Gesetzesanwendung kann der Staat bei der Entscheidungsfindung der Parteien mitwirken, etwa durch das Verhalten des Richters beim Abschluss eines Prozessvergleichs und bei der Kontrolle eines Schiedsspruchs oder beim Notar durch dessen Verhalten. Auf der Ebene der Gesetzgebung wirkt der Staat bereits durch die gesetzliche Ausgestaltung auf die Parteien ein. Dies ist eindeutig bei zwingenden Vorgaben, die also nicht abbedungen werden können und damit die Verzichtsmöglichkeit einfachgesetzlich verringern.212 Darüber hinaus können auch disponible Normen die Parteientscheidung steuern bei der Frage, in welchem Umfang die Parteien auf verschiedene Aspekte der Justizgewährleistung verzichten wollen.213 Etwa führen die in der Ökonomie als „Besitzeffekte“ bezeichneten Effekte dazu, dass die Parteien seltener Regelungen, die automatisch anwendbar sind und die sie damit bereits „besitzen“, individuell abbedingen oder durch eigene Regelwerke ersetzen, als auf vorhandene (dispositive) Regelungsmuster zurückzugreifen.214 Auch können Steuerungseffekte erzeugt werden durch Regelungstechniken, welche die Abwahl erschweren, etwa Formvorgaben oder besondere materiellrechtliche Erfordernisse für die Parteientscheidung.215 Diese Steuerungseffekte werden auch vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Privat­ autonomie und des Justizgewährleistungsanspruchs bei den hier zu untersuchenden Verfahren beabsichtigt oder zumindest in Kauf genommen. Dies zeigt sich an einigen Regelungen, etwa §§  253 Abs.  3 Nr.  1, 278 f. ZPO, oder an Kosten- oder Formerleichterungen durch gütliche Streitbeilegung (§  127a BGB; §  1053 Abs.  3 ZPO, Nr.  1211 Anlage 1 zu §  3 GKG).216 212 

Z. B. Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 53 f. Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 51–63; Engi, Der Staat 47, 2008, 573, 584–587; Fleischer, ZHR 168, 2004, 673, 692 f.; Unberath/Cziupka, AcP 209, 2009, 37–83, 72 f. 214  Die Zögerlichkeit, von vorhandenen Regelungen abzuweichen, wird auch als endowment effect oder status quo bias bezeichnet: Akteuren fällt es typischerweise schwerer, etwas Vorhandenes aufzugeben, als sich dieses positiv anzueignen, vgl. etwa Unberath/Cziupka, AcP 209, 2009, 37–83, 72 f.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 318 ff.; grundlegend: Korobkin, Cornell Law Review 83, 1988, 608, insb. 609–664; ders., in: Sunstein (Hg.), Be­ havioral law and economics, 2007, 116, 119–135, 137 f. 215 Ausführlich Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 435 ff.; Möslein, in: ders. (Hg.), Private Macht, 2016, 563, 569 ff.; G. Wagner, RabelsZ 74, 2010, 794, 837 f.; vgl. auch P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 209–211; Althammer, JZ 2006, 69, 72–74. 216 BVerfGE 118, 1 = BVerfG, „Begrenzung der Rechtsanwaltsvergütung“, NJW 2007, 213 

D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen Parteidispositionen

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Der Eindruck eines rechtsstaatlichen Verfahrens entsteht durch die ausdrückliche Normierung von Verfahrensgarantien, die Anordnung einer gewissen Rechtsförmlichkeit oder von besonderen prozessualen Wirkungen 217 sowie durch eine spezielle staatliche Legitimation oder Qualifikation 218 des Dritten, wie sie etwa durch Ernennung oder Akkreditierung erfolgen kann (Richter, Notar, Mediator).219 Je eher ein Verfahren objektiv so ausgestaltet ist, dass es den Eindruck besonderer Rechtsstaatlichkeit erzeugt, desto eher müssen seine Verfahrensregelungen so ausgelegt werden, dass sie die verfassungsrechtlichen Vorgaben an ein solches Verfahren umsetzen.220 Mit Blick auf den Verfahrensausgang ist darauf abzustellen, wie stark das Ergebnis einem Urteil ähnelt, und zwar nicht nur der Form nach, sondern auch bei der Frage, inwieweit das Ergebnis feststellende Elemente bezogen auf die Rechtslage enthält.221 Ebenso ist darauf abzustellen, wie nachvollziehbar die Entscheidung anhand des Rechts ist 222 und wie endgültig das Ergebnis sich aus Sicht der Parteien darstellt.223 Umgekehrt kann ein ausdrücklicher Hinweis, dass der Verfahrensausgang inhaltlich von einem richterlichen Urteil abweichen kann, ein derartiges Vertrauen verhindern (vgl. etwa §  19 Abs.  3 VSBG).224 Je intensiver die Regulierungsdichte ist, desto höher ist potenziell ihre steuernde oder verhaltenslenkende Funktion.225 Je stärker die verhaltenslenkende 2098, 2103 Rn.  112 f.; Spindler, DVBl. 2008, 1016, 1026; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 473; ähnlich P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 202 f. 217  Etwa Verjährungshemmung, -unterbrechung oder Klagehindernis, Taupitz, ZRP 1997, 161, 164; zum Verhältnis von Fairness-Empfinden und Verfahrensausgestaltung: Meier, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 679, 688 f., 691. 218  Zum deutschen Richter als notwendigem Rechtsexperten und Berufsrichter: Benda/ A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 288; Baum, in: Kaal u. a. (Hg.), FS Kirchner, 2014, 3, 6; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 14 f.; von Hoffmann, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 217, 235; Rennert, JZ 2015, 529, 537; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 126; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 680 f.; zu Laienrichtern im Verwaltungsprozess Schnellenbach, in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 341, 352–358; ähnlich wohl R. Wimmer/U. Wimmer, NJW 2007, 3242, 3246 f.; allgemeiner, nicht auf das deutsche Recht bezogen: Ishikawa, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 592, 598 f. und Izumi, Wash. U. J. L. & Pol’y 34, 2010, 71, 81; vgl. auch Meier, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 679, 687. 219  Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 61 f.; vgl. auch Meier, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 679, 685. 220 Ähnlich Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44; zu ähnlichen Überlegungen im Aktienrecht Schön, in: Habersack u. a. (Hg.), FS Ulmer, 2013, 1359, 1362 f.; aus Sicht der EMRK ebenfalls: Haydn-Williams, Arbitration 67, 2001, 289, 296. Zur Wirkung auch von Kleidung, Gebäuden und „Ritualen“ vgl. Meier, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 679, 688 f. 221  Smid, Rechtsprechung, 1990, 363 f. 222  Meier, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 679, 693 f. 223  Smid, Rechtsprechung, 1990, 365; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 174 f. 224  Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 174 f. 225  Gesetzgeber als „Dirigent“ privaten Handelns: P. Kirchhof, in: Riesenhuber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 83, 85, 92; allgemeiner Di Fabio, JZ 1993, 689, 690 f.; zu knappen Gütern: Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 71–73; zu Wettbewerbsverzerrungen

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

Funktion ist, desto höher sind die Anforderungen an die staatliche Prüfung der Derogation einzelner Verfahrensgarantien.226 Die Parteien können somit auf die Garantien des Justizgewährleistungsanspruchs in weitem Umfang verzichten. Je stärker aber die ausgestaltenden Regelungen oder ihre konkrete staatliche Anwendung den Parteiwillen in Richtung des Verfahrens steuern, desto eher darf ein solcher Verzicht nicht unterstellt, sondern muss konkret festgestellt werden. Bei der Konkretisierung dieser Feststellung ist wiederum auf die allgemeinen zivilrechtlichen Anforderungen an eine Einigung abzustellen (s. oben B. II.). Je eher der Gesetzgeber annehmen kann oder sogar darauf hinwirkt, dass die Parteien durch die staatliche Ausgestaltung ein alternatives Verfahren statt eines Gerichtsverfahrens wählen, desto stärker ist ihm dieser Parteiwille zuzurechnen und desto stärker ist die staatliche Gewährleistungsverantwortung.227 Die Parteientscheidung, die zu dem Verzicht führt, unterbricht nicht den Zurechnungszusammenhang und damit die Gewährleistungsverantwortung des Staats,228 jedenfalls soweit der Staat steuernd tätig wird, also die Parteientscheidung bewusst mitbestimmt.229 3. Parteiwillensbezogene Auslegung als Konsequenz Hieraus ergibt sich ein Wechselverhältnis von staatlicher Einflussnahme und Parteiwillen, der insbesondere bezogen auf die prozessuale Ebene bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden hat: Je stärker der Staat die Entscheidung beeinflusst, desto weniger selbstbestimmt handeln die Parteien. Dies führt wiederum dazu, dass ein Verzicht auf die Prozessgarantien weniger leicht angenommen werden darf und als weniger umfassend angesehen werden muss. Je stärker der Staat die Parteien bei der Einigung beeinflusst, sei es bei ihrem Zustandekommen, sei es bezüglich ihres Inhalts, desto konkreter muss daher die Parteientscheidung zum Ausdruck bringen, dass die Parteien tatsächlich von bestimmten rechtsstaatlichen Standards abweichen möchten. Entsteht ein besonderer Eindruck der Rechtsstaatlichkeit oder einzelner Ausformungen eines rechtsstaat­ Möslein, Dispositives Recht, 2011, 392; Faßbender, NJW 2004, 816, 817 f.; vgl. BVerfGE 40, 196 = BVerfG, „Güterkraftverkehr“, NJW 1976, 179, 180; BVerfGE 102, 197, „Spielbankgesetz Baden-Württemberg“, NVwZ 2001, 790, 793 f.; BVerwG, NJW 1989, 1749, 1751 f. 226  Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 68; Jaksic, J Int Arb 24, 2007, 159, 166; R. Stürner, ZZP 127, 2014, 271, 322; ähnlich Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 79. 227  Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 62; ähnlich bezogen auf Verwaltungshandeln: Weber-Dürler, VVDStRL 57, 1998, 57, 89–91; P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 197, 209 f., 262–265. 228  P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 194–196; Möslein, Dis­ positives Recht, 2011, 392; anders wohl Bethge, VVDStRL 57, 1998, 7, 44 (Einwilligung unterbricht stets Zurechnungszusammenhang). 229  Zu §  278 Abs.  5 ZPO: Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 473.

D. Staatliche Gewährleistungspflicht bei verfahrensrechtlichen Parteidispositionen

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lichen Verfahrens, ist mangels einer ausdrücklichen Abwahl davon auszugehen, dass die Parteien gerade nicht auf ein rechtsstaatliches Verfahren verzichten wollten.230 Somit gewinnt die Gewährleistungspflicht des Staats an Gewicht, auch ein solches rechtsstaatliches Verfahren durchzuführen bzw. nur dann einen vollstreckbaren Titel zu schaffen, wenn ein solches Verfahren vorangegangen ist. Je stärker der Staat die Parteientscheidung steuert, desto weniger nutzen die Parteien ihre Autonomie. Letzterer kommt dadurch bei der Abwägung weniger Gewicht zu. Dadurch steigen die Anforderungen an die Abbedingung der von der Justizgewährleistung erfassten Positionen.231 Dies ist in der Abwägung zu beachten, die bei der Auslegung der (ausgestaltenden) einfachgesetzlichen Normen vorzunehmen ist. Je allgemeiner, unbestimmter oder bezogen auf die Konsequenzen weniger überschaubar die Willensäußerung der Parteien ist, desto stärker muss geprüft werden, ob sie tatsächlich auf konkrete Rechte verzichten, insbesondere ob sie ausdrücklich keine anschließende richterliche Entscheidung (Verzicht auf Gerichtsverfahren) oder Gelegenheit zur Meinungsäußerung (Verzicht auf recht­ liches Gehör) wünschen.232 Je weniger deutlich der Wille geäußert wird, desto eher ist der Parteiwille so auszulegen, dass er sich an vorhandenen Verfahrensregelungen orientiert, welche die rechtsstaatlichen Mindeststandards wahren.233 War den Parteien vor der Einigung offensichtlich erkennbar, dass bestimmte rechtsstaatliche Standards nicht gelten, etwa wenn sie darauf hingewiesen wurden oder ausdrücklich darauf verzichtet haben, können die objektiven Verfahrensvorgaben – soweit die Parteiautonomie nicht gesetzlich ausgeschlossen ist – abbedungen werden.

230  BVerfG, NJW 1992, 359, 360; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 127; Detterbeck, AcP 192, 1992, 325, 329 f.; ähnlich D. Lorenz, AöR 105, 1980, 623, 641, 643 f.; Loritz, ZZP 105, 1992, 1, 8 f.; allgemeiner R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 648 f.; Hess, JZ 2015, 548, 549 f., 553; wohl BGH, NJW 1992, 2299, 2299 f.; ähnlich Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 36, 58 f.; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 293; Hess, JZ 2015, 548, 549 f., 58 f.; krit. Canaris, AcP 184, 1984, 201, 219. Ähnliches gilt, wenn der Staat auf andere Weise eine private Vereinbarung rechtlich verstärkt, allgemein Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 28 f., 35 f.; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, 52 f., 157; W. Roth, in: Wolter u. a. (Hg.), Mannheimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 229, 233; vgl. auch BGH, NJW 1989, 1477, 1477 f. 231  Ähnlich allgemeiner Möslein, Dispositives Recht, 2011, 394 f.; Unberath, ZKM 2011, 44, 45; vgl. BVerfGE 42, 143 = BVerfG, „Deutschland-Magazin“, NJW 1976, 1677, 1677; BVerfGE 54, 129, „Kunstkritik“, NJW 1980, 2069, 2069; vgl. auch BAG, NJW 1964, 268, 268. 232  Vgl. hierzu BVerfGE 81, 242 = BVerfG, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1470 f.; zum Aktienrecht Schön, in: Habersack u. a. (Hg.), FS Ulmer, 2013, 1359, 1385 f.; ähnlich auch Medicus, AcP 192, 1998, 35, 46 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 395 f. 233  Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 79; ähnlich Möslein, Dispositives Recht, 2011, 394.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

Bei der Entscheidung, ein anderes Verfahren als das gerichtliche in Anspruch zu nehmen, ist aber nicht automatisch davon auszugehen, dass die Parteien auf alle prozessualen Garantien verzichten wollen.234 Je konkreter und ausdrück­ licher die Parteien ihren Willen äußern, auf staatlichen Gerichtsschutz oder bestimmte Aspekte desselben zu verzichten, desto eher ist ein solcher Verzicht möglich und vom Staat zu beachten. Hierbei spielt eine Rolle, ob die Parteien die Verfahrensgestaltung und den Effekt eines Ergebnisses (nur nach separater Einigung bindend? vollstreckbar?) selbst mitgestalten oder beides vollends „aus der Hand“ geben (stets bindend? kein Einfluss auf Verfahren?). Im ersten Fall ist der Staat stärker verpflichtet, diese autonome Entscheidung zu respektieren und nur eine Missbrauchskontrolle bezogen auf die unveräußerlichen Rechtspositionen durchzuführen.235 4. Justizgewährleistungsbezogene Auslegung als Konsequenz Schafft der Staat also einen vollstreckbaren Titel, greift er nicht nur in den Justizgewährleistungsanspruch ein, sondern macht sich zugleich den Inhalt der Einigung oder auch das Verfahren, das zu diesem Ergebnis führt, zu eigen. Dies schafft das Vertrauen bei den Parteien, dass dem Titel ein rechtsstaatliches Verfahren vorausgegangen ist.236 Schafft oder verstärkt der Staat auf ihm zurechenbare Weise Vertrauen in dieses Ergebnis, kommen ihm erhöhte Kontroll- und Schutzpflichten bezogen auf die erzeugten schutzwürdigen Erwartungen, hier also auf die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens, zu.237 Da der Staat ermöglicht, den Verfahrensausgang zu vollstrecken, muss er sicherstellen, dass das Verfahren ein Minimum an rechtsstaatlichen Garantien wahrt.238 Je stärker der Staat darüber hinaus Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens erweckt, desto stärker ist seine Gewährleistungsverantwortung bezogen auf genau diese. Je stärker der Staat sich nicht nur das Ergebnis, sondern auch das Verfahren selbst zu eigen macht, d. h. je stärker er z. B. privaten Stellen konkrete Verfahrensregelungen vorgibt oder das Verfahren durch eine staatliche Stelle durch234 

Jaksic, J Int Arb 24, 2007, 159, 166. Steffek/Unberath, in: dies. (Hg.), Regulating Dispute Resolution, 2013, 13, 28; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 42 f.; Stadler, NJW 1998, 2479, 2486. 236  Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 491, 498 Rn.  15; ähnlich P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 316 f. 237 Ähnlich Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 150 f.; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 154; Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/ Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  88; Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 395 f.; Spindler, DVBl. 2008, 1016, 1023 f., P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, 282 f.; vgl. zur Sachlichkeitskontrolle bei Empfehlungen durch Lehrer: BGH, NJW 1985, 1623, 1623 f. 238  Vgl. BVerfGE 101, 397 = BVerfG, „Nachlasspfleger“, NJW 2000, 1709, 1709; Hess, JZ 2015, 548, 548; Bäumerich, SchiedsVZ 2015, 237, 242; Eidenmüller, JZ 2015, 539, 543. 235 

E. Zwischenergebnis zu §  1

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führen lässt, desto umfassender muss rechtliches Gehör in diesen Verfahrensschritten gewährleistet sein.239 In der Abwägung ist etwa bezogen auf das Recht auf rechtliches Gehör zu beachten, dass es nicht nur den Ausgang des Rechtsstreits betrifft, sondern auch auf das Verfahren abzielt, das zu dieser Entscheidung führt. Auch spielt eine Rolle, inwieweit der Verfahrensausgang oder einzelne Verfahrensschritte inhaltlich auf den Dritten zurückgehen, dieser also evaluativ und verbindlich feststellend tätig wird, wie etwa ein Schiedsrichter, der einen Schiedsspruch fällt. Es steigen die Anforderungen, das Ergebnis seiner Überlegungen oder Analysen mitzuteilen und vorher und nachher Gelegenheit zur Stellungnahme zu bieten, um das Verfahren zu einem rechtsstaatlichen zu machen.240 Umgekehrt können die Parteien im Rahmen ihrer Parteiautonomie wählen, die spätere richterliche Prüfungsdichte einzuschränken, die vom Justizgewährleistungsanspruch garantiert wird. Allerdings muss sichergestellt sein, dass in dem Verfahren, welches die richterliche Prüfung einschränkt und damit ersetzt, eine sachgerechte Kontrolle stattgefunden hat.241 Eine solche Kontrolle wiederum setzt ein gesetzlich geregeltes Minimum an Verfahrensstandards voraus, etwa die Gewährung rechtlichen Gehörs.242 Die Anforderungen, sicherzustellen, dass der Verzicht freiwillig und ohne äußeren Druck erfolgte, steigen, je stärker in den Zugang zu Gericht oder dessen rechtsstaatliche Gewährleistungen eingegriffen wird.243

E. Zwischenergebnis zu §  1 1. Die Parteiautonomie ist Grundprinzip des Zivilprozesses. Den Parteien in weitem Umfang Dispositionsmöglichkeiten zu lassen, leitet sich aus den Grundrechten, dem Prozesszweck des Individualschutzes und der Akzessorietät des Prozessrechts zum materiellen Recht ab. 2. Begrenzt werden die Parteidispositionen durch kollidierende Rechts­ positionen. Beim Verzicht auf Aspekte des richterlichen Urteilsverfahrens wird insbesondere der staatliche Justizgewährleistungsanspruch relevant, auf den 239  Rüping, NVwZ 1985, 304, 308 f.; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 300; zum Vereins­ recht BGH, NJW 1959, 982, 982; zum Mediationsverfahren gem. Mediationsgesetz, welches zu keinem vollstreckbaren Titel führt und daher aus dem Fokus dieser Arbeit herausfällt, vgl. Hess/Pelzer, in: Steffek/Unberath (Hg.), Regulating Dispute Resolution, 2013, 209, 220. 240  Ähnlich wohl zur Mediation: J. M. von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, 320 f. 241  Zum Fall der Nebenintervention: Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 491, 499 f. Rn.  18; ähnlich Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44. 242  Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44; zur betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle BAG, NZA 1994, 571, 571 f.; NZA 1992, 702, 704 f. 243  Knigge/Ribbers, J Int Arb 34, 2017, 775, 783; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  41–44; van Zelst, MJECL 25, 2018, 77, 84 f.

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§ 1 Parteidispositionen und Parteiautonomie im deutschen Verfahrensrecht

zugleich zum Teil verzichtet wird. Der Verzicht muss stets dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen, insbesondere müssen der Kernbereich einer parteiautonomen Entscheidung i. S. d. einfachen Rechts und der Kern der rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien gewahrt bleiben. 3. Der Verzicht auf eine staatliche Justizgewährleistung ist nicht frei von jeder Grundrechtsbindung, sobald der Staat in die Parteieinigung eingebunden wird. Er muss die Wirksamkeit der Einigung kontrollieren und sicherstellen, dass die Kerngarantien der Justizgewährleistung gewahrt wurden und die Abwägung zwischen den berührten Grundrechten verhältnismäßig ist. Diese Pflicht ergibt sich aus dem GG, aus Art.  6 EMRK und Art.  47 EU-Grundrechte-Charta. Jedes Verfahren muss rechtliches Gehör, Waffengleichheit und rechtsstaatliche Fairness gewährleisten. 4. Die Abwägung zwischen Justizgewährleistung und Privatautonomie hängt insbesondere davon ab, inwieweit die von der Justizgewährleistung umfassten Garantien gewahrt wurden und in welchem Umfang die Parteien auf diese Garantien verzichten möchten. Die Abwägung wird also maßgeblich von den ­Positionen der Justizgewährleistung und ihrer Beeinträchtigung, aber auch der Qualität des Verzichts geprägt. Je stärker ein alternatives Verfahren einem Gerichtsverfahren angenähert ist, was die Wahrung der Verfahrensrechte der Parteien betrifft, desto leichter ist ein Verzicht auf einzelne Aspekte des Justiz­ gewährleistungsanspruchs möglich. 5. Die konkreten Verfahrensschritte oder Verfahrensarten dieser Kontrolle können vom einfachen Gesetzgeber konzipiert werden, solange eine effektive Prüfung dieser Punkte gewährleistet ist. Effektiver Rechtsschutz muss spätestens in dem Verfahren gewährleistet sein, in dem der Staat das Ergebnis des Verfahrens für vollstreckbar erklärt. 6. Aus der Natur der allgemeinen Handlungsfreiheit als ausgestaltungsbedürftigem Grundrecht und der staatlichen Beeinflussung des Parteiwillens auf der gesetzgeberischen oder gesetzanwendenden Ebene folgt eine verstärkte Gewährleistungspflicht. Je stärker der Staat die Parteientscheidung mitbeeinflusst, desto weniger handelt es sich um eine autonome Entscheidung, sondern diese muss dem Staat mit zugerechnet werden. Zugleich steigen damit seine Gewährleistungspflichten, sowohl bezogen auf die Kontrolle der Parteientscheidung als auch auf die verfahrensrechtlichen Garantien. Je stärker der Staat den Eindruck erweckt, die Rechte der Parteien würden trotz des Verzichts auf Teile des Verfahrens gewahrt, desto eher muss er auch gewährleisten, dass diese Rechte tatsächlich gewahrt werden.

§  2 Vorgaben des EU-Rechts Die Spannung zwischen materiellem EU-Verbrauchervertragsrecht und nationalem Verfahrensrecht ergibt sich zunächst daraus, dass das EU-Verbrauchervertragsrecht regelmäßig vorsieht, dass der Verbraucher nicht auf seine Rechte verzichten kann und entsprechende Vereinbarungen unwirksam sind. Im Gegensatz dazu sieht das Verfahrensrecht weite Möglichkeiten auch für den Verbraucher vor, auf die Geltendmachung, Ausübung oder Verfolgung seiner Rechte zu verzichten. Dies kann zum selben Ergebnis führen wie eine solche Vereinbarung: Der Verbraucher kann seine Rechte nicht umfänglich geltend machen. Damit besteht die Gefahr, dass auf prozessualem Weg das erreicht wird, was das EU-Recht materiellrechtlich untersagt. Diese Spannung kann damit aber nur in Fällen entstehen, in denen das materielle Recht unionsrechtlicher Herkunft seine Wirkung unabhängig von Par­ teidispositionen, also zwingend, anordnet. Nur wenn das materielle EU-Verbraucherrecht eine Parteidisposition untersagt, kann es zum Konflikt kommen, sollte das nationale Verfahrensrecht weitergehende Parteidispositionen zulassen.1 Es zeigt sich, dass das EU-Recht aufgrund des Harmonisierungsgedankens, der auf die Förderung des Binnenmarkts zurückgeht, strikter Partei­ dispositionen untersagt als das autonome deutsche Recht, d. h. etwa auch per Vergleichsvertrag und unabhängig vom konkreten Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Nur im Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie kombiniert mit dem Tatbestand des §  779 BGB ist eine materiellrechtliche Disposition über zwingendes Recht möglich (A.). In den Fällen, in denen das Verfahrensrecht solche Parteidispositionen zulässt, greift das Primärrecht. Insbesondere sind das Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip zu beachten, wonach die effektive Wirkung des EU-Rechts nicht unverhältnismäßig beschränkt und das EU-Recht nicht diskriminierend im Verhältnis zum nationalen Recht durchgesetzt werden darf. Auch ist der effektive Rechtsschutz des Verbrauchers zu gewährleisten. Eine Einschränkung ist durch Interessen des Verfahrensrechts und insbesondere durch die Parteiautonomie des Verbrauchers gerechtfertigt. Allerdings ist der Begriff der Parteiautonomie unionsrechtlich zu verstehen, was dazu führt, dass dieser im Verhältnis zum deutschen Begriff „materialisiert“ wird (B.). 1 Ähnlich

Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 237.

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen und „zwingendes“ EU-Verbrauchervertragsrecht Das zwingende Recht wird häufig dem nicht-zwingenden oder dispositiven Recht gegenübergestellt. Das folgende Kapitel zeigt, dass diese Kategorisierung unscharf ist und es nicht „das“ zwingende oder „das“ dispositive Recht gibt: Jede Norm bewegt sich auf einem Spektrum von verschiedenen Graden der Abdingbarkeit, abhängig vom Kontext und davon, ob das Ziel, welches sie verfolgt, die Unwirksamkeit der konkreten Disposition verlangt (ausführlich I.). Das EU-Verbrauchervertragsrecht unterscheidet sich in der Zielsetzung von der herkömmlich im Verbraucherrecht angenommenen: Letzteres wird tradi­ tionell dem Gebiet des Schwächerenschutzes zugeordnet. Der Verbraucher als der typischerweise strukturell unterlegene Vertragspartner soll geschützt werden. Konsequenz dieses Verständnisses ist, dass Dispositionen möglich sind, wenn der Schutz des Verbrauchers bereits erreicht ist. Er bedarf keines Schutzes, wenn zu seinen Gunsten disponiert wird und wenn die Vereinbarung zu einem Zeitpunkt stattfindet, in dem er nicht mehr schutzbedürftig ist. Diese Folgerung gilt nicht beim Verbrauchervertragsrecht unionsrechtlicher Herkunft. Denn dieses verfolgt nicht nur Ziele des Schwächeren- und damit Individualschutzes. Die Normen sind darüber hinaus zwingend ausgestaltet, weil sie binnenmarktweite Rechtsangleichung und Rechtssicherheit anstreben. Diese Ziele gelten unabhängig von der situativen unterstellten Schutzbedürftigkeit des einzelnen Verbrauchers (II., III.). Eine Verbraucherrechtsnorm unionsrechtlicher Herkunft ist daher selbst dann nicht abdingbar, wenn sie als nur schwächerenschutzbezogene Norm abdingbar wäre (IV.). Diese Unabdingbarkeit wirkt sich auch auf Bereiche aus, in denen das autonome deutsche Recht Dispositionen über grundsätzlich zwingendes Recht zulässt: Im Fall der schuldrechtlichen Verpflichtung, ein Recht nicht geltend zu machen oder nicht auszuüben (V.) und bei Parteivereinbarungen, die durch einen Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB geschlossen wurden (VI. 1.). Eine Vereinbarung, die von unabdingbarem EU-Verbrauchervertragsrecht zum Nachteil des Verbrauchers abweicht, ist ausnahmsweise in einer konkreten Konstellation möglich, nämlich wenn kumulativ die Situation des §  19 VSBG und die Situation des „Tatsachenvergleichs“ i. S. d. §  779 BGB vorliegen (VI. 2.).

I. Die Pluralität der zwingenden und nicht-zwingenden Wirkungen einer Norm Entgegen dem üblichen Sprachgebrauch lassen sich Normen nicht kategorisch in „zwingend“ und „nicht-zwingend“ einteilen. Stattdessen gibt es ein breites Spektrum an Normen, die unter bestimmten Umständen Parteidispositionen verhindern. Die zwingende Wirkung hängt davon ab, welche Ziele die einzelne

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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Norm mit der zwingenden Ausgestaltung verfolgt und ob diese Ziele durch eine konkrete Vereinbarung vereitelt werden (1.). Die Gründe für eine solche zwingende Wirkung sind ebenfalls zahlreich und können sich gegenseitig ergänzen und überschneiden (2.). Das Unionsrecht nimmt eine parallele Bewertung vor. Auch bei der zwingenden Wirkung einer Norm unionsrechtlicher Herkunft ist daher herauszufinden, welche konkreten Vereinbarungen diese Norm verhindern möchte (3.). 1. Aufgabe der Binarität von zwingendem Recht und nicht-zwingendem Recht Eine Norm ist zwingend, wenn sie nicht durch Vereinbarung abbedungen werden kann. Voraussetzung einer Abbedingung ist, dass die Parteien eine potenziell abbedingende Vereinbarung treffen, in der sie inhaltlich eine andere Rechtsfolge vereinbaren, als das Gesetz für denselben Tatbestand anordnet. Ist die Norm dispositiv, setzt sich die vereinbarte Rechtsfolge durch (dazu bereits §  1, A.). Traditionell wird vom zwingenden Recht angenommen, dass es nicht abdingbar und vom nicht-zwingenden Recht, dass es abdingbar ist. Diese Einteilung stellt aber eine starke Vereinfachung dar. Bereits das Gesetz trägt solche ab- und sich gegenseitig ausschließenden Kategorien nicht. Es gibt halbzwingendes Recht, welches nur zulasten einer Partei abdingbar ist (z. B. §§  312k Abs.  1 S.  1, 554a Abs.  3 BGB) 2 und Normen, die eine Disposition erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zulassen (z. B. §§  248 Abs.  1, 276 Abs.  3, 619, 1149, 1229, 1245 Abs.  2 BGB).3 Dispositive Normen können in bestimmten Situationen unabdingbar sein, etwa wenn sie im Rahmen einer AGB-Kontrolle eine Leitbildfunktion erfüllen oder bestimmte Gerechtigkeitsvorstellungen verkörpern.4 Ebenso kann situationsbedingt eine Abbedingung nicht möglich sein, etwa wenn bestimmte Formvorschriften oder prozedurale Regelungen diese erschweren oder verhindern.5 Auch kann eine Norm international zwingend sein, 2  Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 122–124; Hesselink, ERCL 1, 2005, 44, 66 f.; Deinert, Zwingendes Recht, 2002, Rn.  4 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 80 f.; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 126 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 79 f.; J. Neuner/M. Wolf, BGB AT, 11.  Aufl., 2016, §  3 Rn.  19. 3  Hesselink, ERCL 1, 2005, 44, 57, 66; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 85–87; ders., in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181, 203; J. Neuner/M. Wolf, BGB AT, 11.  Aufl., 2016, §  3 Rn.  19; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 250 f.; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 9 f.; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 87 f.; ähnlich allgemein Unberath, NJW 2011, 1320, 1322. 4  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 82–85; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 39; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 171, 234; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 132 f.; N. Reich, ZRP 1974, 187, 189. 5  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 134; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 39 f.; 128 f., 224 f.; Deinert, Zwingendes Recht, 2002, Rn.  4 f.;

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

d. h. sich selbst dann durchsetzen, wenn in der Sache ein anderes nationales Recht anwendbar ist,6 und prozessual abbedungen werden, obwohl materiellrechtliche Vereinbarungen ausgeschlossen sind.7 Bereits diese Zusammenschau zeigt, dass die Normen, die herkömmlich unter „zwingend“ zusammengefasst werden, auf verschiedene Weisen einer Parteivereinbarung entgegenstehen können. a) Vertragsfreiheit und Privatautonomie als Grundprinzipien Eine Differenzierung in Normen mit unterschiedlichem unabdingbarem Umfang ist notwendige Folge der Privatautonomie als zentralem Prinzip des Privatund insbesondere des Vertragsrechts.8 Der Umfang der Privatautonomie, also der Umfang, in dem jeder Einzelne seine Rechtsverhältnisse selbst bestimmen kann,9 ist wesentlich für die Frage, inwieweit eine Norm abbedungen werden kann. Ausgangspunkt der Privatautonomie ist, dass der Bürger sich zumindest bezogen auf wirtschaftliche Güter aufgrund seiner privaten Willensmacht selbst verpflichten und sich seiner Freiheit begeben kann.10 Es geht dem Vertragsrecht nicht darum, eine Einigung frei von jeglichen Einflüssen nur zwischen uneingeschränkt gleichwertigen, ebenbürtigen Vertragspartnern zu ermöglichen, sondern (nur) um eine selbstverantwortliche Selbstbindung.11 Da Menschen und damit auch Vertragspartner stets unterschied­liche Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 50, 80 f., 85–87; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 79 f., 186 f.; N. Reich, ZRP 1974, 187, 189; Ringe, AcP 213, 2013, 98, 108 f. 6  Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 122–124; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 85–87; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 126; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 16 f.; ausführlich zur Problematik einer Definition A. Köhler, Eingriffsnormen, 2013, 8–39. 7  Cahn, AcP 198, 1998, 35, 35 ff.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 88. 8  Zur Vertragsfreiheit z. B. Canaris, Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, 1997, 33; Flume, BGB AT II, 4.  Aufl., 1992, §  1/8 (S.  12 f.); Grundmann, in: Grundmann u. a. (Hg.), FS Hopt, 2010, 61, 72; Hofer, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK II/1, 2007, vor §  241. Das Prinzip Vertragsfreiheit, Rn.  6; Looschelders, AcP 217, 2017, 156, 162 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 24 f.; Schmidt-Rimpler, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 3, 8–10; Steindorff, ebd., 621, 625. 9  Z. B. BVerfGE 72, 155 = BVerfG, „Ererbtes Handelsgeschäft“, NJW 1986, 1859, 1860; Coester-Waltjen, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 41, 41; Flume, BGB AT II, 4.  Aufl., 1992, §  1/1 (S.  1); ders., in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 135, 136; Looschelders, AcP 217, 2017, 156, 162 f.; Steindorff, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 621, 625. 10  Z. B. BT-Drs. 14/6040, 80; Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 132; Coester-Waltjen, JZ 2017, 1073, 1077; Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 86 f. 11  Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 16; Canaris, AcP 200, 2000, 273, 278 f.; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 183 f., 202 f.; Dauner-Lieb, AcP 210, 2010, 580, 594 f.; Herresthal, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 145, 153 Fn.  34; Hillgruber, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 174; U. Huber, Studium Generale 23, 1970, 769, 776; Kainer/Schweitzer, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 630, 631;

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Talente und Hintergrundkenntnisse haben, stehen sie sich selten völlig gleich­ stark gegenüber.12 Aber es ist auch Ausdruck der Selbstverantwortung und Selbstbestimmung, unvernünftige, risikoreiche oder nachteilige Verträge mit einem stärkeren oder besser informierten Verhandlungspartner zu schließen oder vernünftige Verträge zu unterlassen.13 Die so verstandene Vertragsfreiheit gilt aber nicht absolut.14 Die Rechtsordnung verbietet gewisse wirtschaftlich, sozial oder politisch ungewollte Geschäf­ te (§§  134, 138 Abs.  1, 139 BGB)15 oder unerwünschte Vertragsschlüsse (§  138 Abs.  2 BGB) und regelt bestimmte Gewerbe über die GewO.16 Auch schränkt das Gesetz die Vertragsfreiheit ein, wenn es davon ausgeht, dass eine Person nicht in der Lage ist, selbstbestimmt zu entscheiden, z. B. im Minderjährigenrecht und im Recht der Geschäftsunfähigen (§§  105 ff. BGB).17 Schließlich wird Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 264 f.; P. Kirchhof, in: Riesenhuber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 83, 90; J. Neuner, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 187, 198 f.; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002, 77–80; Rittner, JZ 2011, 269, 272; Schmidt-Rimpler, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 3, 5; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 35. 12  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 187; Flume, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 135, 159; Jickeli, Der langfristige Vertrag, 1996, 106 f. 13  Z. B. BVerfGE 74, 1 = BVerfG, „Hinweispflicht auf Rechtsansicht“, NJW 1987, 1192, 1860; BVerfGE 89, 214, „Bürgschaftsvertrag I“, NJW 1994, 36, 38 f.; „Bürgschaftsvertrag II“, NJW 1994, 2749, 2750; „Ehegattenbürgschaft“, NJW 1996, 2021, 2021; zur Selbstverantwortung BGH, NJW 1957, 297, 297 f.; NJW 1984, 1531, 1532; Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 196–198, 265 f.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 101; Flume, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 135, 142 f.; Hillgruber, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 165, 166 f., 169, 179; Herresthal, in: Möslein (Hg.), Private Macht, 2016, 145, 154; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 260–263, 399; Lieb, DNotZ 1989, 274, 275 f.; H. Merz, Privatautonomie heute, 1970, 11; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 55; J. Neuner, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 187, 189; L. Raiser, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 101, 120; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 35; M. Wolf, Rechts­ geschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 41–44; sehr ausdifferenziert Schmidt-Rimpler, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 3, 8–23. 14  G. Bachmann, JZ 2008, 11, 11; Canaris, Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, 1997, 125 f.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 37 f.; Hofer, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK II/1, 2007, vor §  241. Das Prinzip Vertragsfreiheit, Rn.  7–9; K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3.  Aufl., 2008, §  53 (S.  434–437); Schmidt-­ Rimpler, in: Dietz u. a. (Hg.), FS Nipperdey, 1955, 1, 7–9; ähnlich allgemeiner Claes, in: ­Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 29, 37 f.; vgl. z. B. Zitelmann, Das Recht des BGB: AT, 1900, 18 f. 15  Haferkamp, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK I, 2003, §  138, Rn.  8 –21, 30 f.; L. Raiser, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 101, 120; U. Huber, Studium Generale 23, 1970, 769, 772; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 1; Westermann, AcP 208, 2008, 141, 149 f. 16  Canaris, Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, 1997, 51 f.; T. Duve, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK I, 2003, §§  1–14, Rn.  70; Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, 2001, 281 f.; Reichel, in: Staatswissenschaftliche Fakultät Zürich (Hg.), FS Cohn, 1915, 204, 209 f.; Schmidt-Rimpler, in: Dietz u. a. (Hg.), FS Nipperdey, 1955, 1, 9 f.; Schmoeckel, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 51, 58 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 80 f. 17  Hofer, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK II/1, 2007, vor §  241. Das Prinzip Vertragsfrei-

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umgekehrt die Selbstbestimmung in Fällen begrenzt, in denen eine Abwägung mit Verkehrsinteressen notwendig wird. Ein menschliches Verhalten, dem gerade kein bewusster Erklärungs- oder Bindungswille zugrunde liegt, kann aus Gründen des Verkehrs- und Vertrauensschutzes als Erklärung gewertet werden.18 b) Abhängigkeit der Einschränkung vom konkreten Normziel Verfassungsrechtlich ergeben sich Privatautonomie und Vertragsfreiheit ebenso wie die verfahrensrechtliche Parteiautonomie aus den Freiheitsrechten, insbesondere Art.  2 Abs.  1 und Art.  14 GG. Als Ausdruck seiner individuellen Freiheit soll jeder seine Angelegenheiten in eigener Verantwortung wahrnehmen können, ohne staatlich oder durch Dritte fremdbestimmt oder bevormundet zu werden.19 Die Grundrechte, aus denen beide sich ableiten, insbesondere also die allgemeine Handlungsfreiheit, bedürfen – wie bereits bei der Parteiautonomie, §  1 B., ausgeführt – der staatlichen Ausgestaltung, d. h. es ist ein Rechtssystem notwendig, welches sie anerkennt und ausformt und damit überhaupt erst ermöglicht, aber zugleich gesetzlich einschränkt (sog. „Infrastruktur“).20 Diese „Infrastruktur“ besteht innerhalb des Vertragsrechts aus Normen, die existenzielle Voraussetzungen der Selbstbestimmung festlegen, insbesondere die Kernvorheit, Rn.  53; Jickeli, Der langfristige Vertrag, 1996, 107 f.; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 60 f. 18  L. Raiser, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 101, 124 f.; Reinhardt, in: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Universität Bonn (Hg.), FS Schmidt-Rimpler, 1957, 115, 118, 121; Rückert, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK I, 2003, vor §  1: Das BGB und seine Prinzipien, Rn.  105; Schmidt-Rimpler, in: Dietz u. a. (Hg.), FS Nipperdey, 1955, 1, 12; z. B. (i. E. ablehnend) BGH, NJW 1956, 1313, 1313; RG, JW 1915, 19, Nr.  2. 19  BVerfGE 72, 155 = BVerfG, „Ererbtes Handelsgeschäft“, NJW 1986, 1859, 1860; Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 194–197, 232 f.; Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 86 f.; Coester-Waltjen, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 41, 41; Flume, BGB AT II, 4.  Aufl., 1992, §  1/1 (S.  1); ders., in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 135, 136; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 69–108; Hillgruber, Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, 115 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 48; Rückert, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK I, 2003, vor §  1: Das BGB und seine Prinzipien, Rn.  4 4; Steindorff, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 621, 625; G. Wagner, in: Blaurock (Hg.), Obligationenrecht, 2010, 13, 14; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 19 f., 59 f. 20  Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 230 f.; Böckenförde, Der Staat 29, 1990, 1, 13; 19–21; Coester-Waltjen, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Informa­tion, 2001, 41, 41 f.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 91, 104–110; Flume, BGB AT II, 4.  Aufl., 1992, §  1/2 (S.  1 f.); ders., in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 135, 136; Grundmann, in: Grundmann u. a. (Hg.), FS Hopt, 2010, 61, 64; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 69–108; Hillgruber, Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, 121 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 206, 252 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 70 f.; Schmidt-Rimpler, AcP 147, 1941, 130, 139 f.; ders., in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 3, 18; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 15.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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aussetzungen eines Vertragsabschlusses, etwa wann eine Erklärung einer Person noch so weit zugerechnet werden kann, dass diese für jene bindend ist, und wann dies nicht der Fall ist, etwa weil die Person fremdbestimmt, betrogen oder getäuscht wurde.21 Aus diesem einfachgesetzlichen Rahmen ergeben sich der konkrete Umfang und das Ausmaß der Freiheit. Zugleich lenkt dieser Rahmen die Freiheit und kanalisiert sie somit in bestimmte Richtungen.22 Zwingendes Recht schränkt diese Freiheit ein. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt, dass ein Eingriff nur rechtmäßig ist, wenn mit ihm ein legitimer Zweck verfolgt wird.23 Einschränkungen der Privatautonomie und damit auch der Vertragsfreiheit bedürfen als Grundrechtsbeschränkungen stets eines legitimen Zwecks, damit die Einschränkung verhältnismäßig ist. Somit darf eine Norm nicht zwingend sein, ohne dass die Unabdingbarkeit durch einen legitimen Zweck gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber muss gerade mit der Unabdingbarkeit ein Ziel verfolgen, welches einen Eingriff in die Freiheitsrechte rechtfertigt, aus denen sich die Vertragsfreiheit ergibt.24 Stehen Regelungen 21  G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 267; Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 304 f.; Bruns, JZ 2007, 385, 387 f.; Canaris, Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, 1997, 47; Coester-Waltjen, AcP 190, 1990, 1, 2 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 24 f.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 27 f., 35; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 49 f., 144 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 78 f.; Kötz, Vertragsrecht, 2009, Rn.  36–38; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 60 f. 22  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 82  f.; Cziupka, Dis­positives Vertragsrecht, 2010, 91; Flume, BGB AT II, 4.  Aufl., 1992, §  1/2 (S.  2); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 69–108, 142 f.; Kähler, in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181, 195; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 24 f., 48; L. Raiser, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 101, 105 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 76 f.; K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3.  Aufl., 2008, 553; H. Merz, Privatautonomie heute, 1970, 20 Fn.  22. 23  Z. B. BVerfGE 81, 242 = BVerfG, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1470; BVerfGE 89, 214, „Bürgschaftsvertrag I“, NJW 1994, 36, 38 f.; „Bürgschaftsvertrag II“, NJW 1994, 2749, 2750; vgl. zuletzt BGH, ECLI:DE:BGH:2016:070616UKZR6.15.0 Rn.  55–63; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, 177; Hillgruber, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 165, 177; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, 58; Honsell, in: Schermaier (Hg.), FS Mayer-­Maly, 2002, 287, 298; U. Huber, Studium Generale 23, 1970, 769, 781; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 296; Medicus, AcP 192, 1998, 35, 59 f.; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002, 411–414; W. Roth, in: Wolter u. a. (Hg.), Mannheimer Fakultätstagung 50 Jahre Grundgesetz, 1999, 229, 244 f.; Steindorff, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 621, 625. 24  G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 177, 372 f.; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 67; Canaris, in: Badura/Scholz (Hg.), FS Lerche, 1993, 873, 879 f.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 62; Hey, Freie Gestaltung, 2004, 112; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 367; ders., in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181, 195; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 125 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 165; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 14; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 2 f.; umgekehrt kann auch die Wahrnehmung der allgemeinen Handlungsfreiheit den Verzicht oder die Einschränkung auf andere geschützte Rechtsposi­

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infrage, die zwingend ausgestaltet sind und eine Parteivereinbarung unwirksam werden ließen, ist zu prüfen, ob es für die Unwirksamkeit einen legitimen Grund gibt. Gibt es keinen solchen Grund, ist ein Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen nicht gerechtfertigt.25 Hieraus können sich auch zeitliche Grenzen ergeben, etwa bei präventiv wirkenden Normen, die abstrakt vorab ein Verhalten ausschließen. Soll etwa die Ausnutzung eines bestimmten Machtoder Informationsgefälles im Moment des Vertragsschlusses verhindert werden und entfällt dieses Machtgefälle hinterher, kann zu einem späteren Zeitpunkt eine ausgeglichene Abstimmung der Parteien möglich sein.26 Das Bedürfnis nach der zwingenden Wirkung entfällt dann. Je stärker ein konkretes materiellrechtliches Ergebnis notwendig ist oder ein Parteiverhalten untragbar scheint, desto weniger darf die Norm zur Disposition stehen. Dies gilt zumindest, wenn durch ihre Abbedingung das angestrebte Ergebnis verhindert oder das zu verhindernde Verhalten ermöglicht wird. Die Perspektive ist dabei die des Normgebers. Dieser muss im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative davon ausgehen, dass nicht nur die Bereitstellung der Norm notwendig ist, um das Ziel zu erreichen. Vielmehr muss die Norm auch in dem konkreten Fall unabhängig vom Willen der Parteien anwendbar bleiben.27 Das Ziel darf nicht bereits durch Marktfreiheit und Nichtregulierung erreicht werden. Dann wird eine zwingende Wirkung erforderlich.28 Vom Regelungsziel hängt also ab, in welchem Umfang eine Norm zwingend ist.29 Da der zwingende Status einer Norm stets vom Regelungsziel abhängt, hängt vom jeweiligen Ziel auch ab, wie zwingend Normen wirken, d. h. in welchem Umfang sie eine Parteivereinbarung wirkungslos sein lassen.30 tionen einschränken, hier besteht eine Wechselwirkung. Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 140; Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 72 f. 25  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 152 f.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 38 f.; C. Engel, JZ 1995, 213, 218; Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 73 f.; Lipp, Freiheit und Fürsorge, 2000, 127–130; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002, 414 f.; Reinhardt, in: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Universität Bonn (Hg.), FS Schmidt-Rimpler, 1957, 115, 134–137. 26  Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 54 f., 83 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 406 f.; ähnlich G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 106 f.; vgl. etwa zum nur generalpräventiv wirkenden Verbot der Leihmutterschaft: Dethloff, JZ 2014, 922, 926; ähnlich BGH, IPRax 2015, 261, 261 ff. 27  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 16; ausführlich auch Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 7, 53; kritisch zum Vorgehen des Gesetzgebers Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 322. 28  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 80; Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 70–73; U. Huber, Studium Generale 23, 1970, 769, 770 f. 29  Kähler, in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181,186–191; ders., Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 83 f.; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 124. 30  S.o. und vgl. schon Stammler, AcP 69, 1886, 1, 26.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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Kernelement bei der Frage, ob eine Norm eine Parteivereinbarung verhindert, ist also, ob ihr gesetzgeberisches Ziel mit der konkreten Parteivereinbarung in Konflikt steht.31 Damit der hiermit zusammenhängende Eingriff in die Vertragsfreiheit rechtmäßig ist, muss die zwingende Ausgestaltung zunächst geeignet sein, das Ziel zu fördern. Die Entscheidung, auf welche Weise, d. h. mit welchem Mittel, das Ziel erreicht werden soll, steht im Ermessen des Gesetz­ gebers, etwa auch die Frage, ob eine Norm als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet wird.32 Sie darf die Vereinbarung aber nur verhindern, soweit ihr Ziel dies erfordert.33 Eine weitergehende Unwirksamkeit der Vereinbarung verstieße als nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig gegen die Grundrechte der Betroffenen. Abhängig vom Ziel der Norm kann es daher erforderlich sein, bestimmte Parteivereinbarungen für wirkungslos zu erklären oder in Teilen zu korrigieren, andere aber nicht. Es kann gegebenenfalls eine restriktive Auslegung oder teleologische Reduktion erforderlich sein.34 Die Privatautonomie reicht also nur so weit, wie der Staat sie nicht zulässigerweise einschränkt; insoweit gilt sie aber auch.35 Somit lässt sich eine Regelung nicht pauschal in zwingend oder nicht zwingend einordnen. Die Übergänge zwischen dispositivem und nicht dispositivem Recht sind fließend.36 Es gibt eine Reihe von Regelungen, die bezogen auf bestimmte Rechtsvoraussetzungen oder -folgen nicht durch Parteivereinbarungen abgeändert werden können. Sie können und müssen, abhängig vom Eingriff in die Rechte der Betroffenen, unterschiedliche Grade der Abdingbarkeit aufweisen.37 Regelungen können bei bestimmten Personengruppen, Situationen, Zeit31  Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 14; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 104, 238 f.; Kötz, RabelsZ 58, 1994, 209, 219 f., 223, 225 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 30; Steindorff, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 621, 632; Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit, 1970, 28, 43 f.; Werp, Die Grenzen der Abdingbarkeit dispositiven Gestzesrechts, 43; tendenziell bereits Stammler, AcP 69, 1886, 1, 17 f., 23. 32  Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 108–110, 274–280; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 60 f.; A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 335 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 59, 472 f.; Schmidt-Rimpler, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 3, 24 f.; Westermann, AcP 178, 1978, 150, 170; Steindorff, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 621, 632 (auch zu ähnlichen Diskussionen in der DDR); rechtsvergleichend Marella, ERCL 2006, 257, 265–269; allgemein Camerer u. a., UPenn Law Rev 151, 2003, 1211, 1211. 33  Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 122–124; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 39 f., 228 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 80 f.; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 127. 34  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 188 f. 35  Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 69–73; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 65–67. 36  Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 44, 239; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 75; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 127. 37  Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 44; Stammler, AcP 69, 1886, 1, 14 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 30 f.; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 124; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 194, 482 f.

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punkten oder konkreten Einzelfragen dispositiv oder zwingend sein, eine Disposition absolut verbieten oder eine solche nur einschränken.38 2. Vielzahl der Gründe einer zwingenden Wirkung Im deutschen Vertragsrecht ergibt sich der Umfang, in dem eine Norm einer Parteivereinbarung entgegen steht, somit daraus, inwieweit der Gesetzgeber in die Vertragsfreiheit eingreifen möchte und dieser Eingriff zur Erreichung des Ziels zulässig, insbesondere verhältnismäßig, ist.39 Traditionell werden Ziele zwingenden Rechts in solche unterteilt, die Individual-, Allgemein- oder Verkehrsinteressen verfolgen.40 Individualinteressen beziehen sich auf die Interessen des konkreten Vertragspartners, der gegebenenfalls schützenswert sein kann, etwa weil er nicht geschäftsfähig ist (§§  104 ff. BGB). Allgemein- und Verkehrsinteressen beziehen sich demgegenüber auf ­Interessen, die gerade außerhalb der Sphären der Vertragsparteien liegen, d. h. entweder die Interessen Dritter, die mit dem Vertrag in Berührung kommen können, oder Interessen des Gemeinwohls. Als ein solches staatliches Interesse besteht jenes, die bereits erwähnte „Infrastruktur“ zu etablieren und damit Vertragsschlüsse überhaupt zu ermöglichen.41 38  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 77; Zitelmann, Das Recht des BGB: AT, 1900, 19. 39  Abegg, Die zwingenden Inhaltsnormen, 2004, 277 f.; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 152 f.; Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 15; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 230; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT I, 15.  Aufl., 1959, §  49 IV; Grundmann, in: Grundmann u. a. (Hg.), FS Hopt, 2010, 61, 90; ­Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 73 f.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 471 f.; Hesselink, ERCL 1, 2005, 44, 57, 73; Kähler, in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181, 186–191; ders., Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 35, 368, 370 f., 416; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 125 f., 132 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 16, 88; M. Müller, NJW 2003, 1975–1980, 1975 Fn.  7; L. Raiser, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 101, 128; Schmidt-Rimpler, AcP 147, 1941, 130, 136–138; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1202; ähnlich bereits Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, 1899, 83 f.; Zitelmann, Das Recht des BGB: AT, 1900, 19. 40  Z. B. Coester-Waltjen, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 41, 46; dies., JZ 2017, 1073, 1077; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 35; Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, 1971, 192–195; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 63; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 301 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 272; H. Merz, Privatautonomie heute, 1970, 14; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 18 f.; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1192; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 8; zu historischen Quellen Hofer, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK II/1, 2007, vor §  241. Das Prinzip Vertragsfreiheit, Rn.  16. 41  Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 15; Cahn, AcP 198, 1998, 35, 45 f.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 17 f.; Grigoleit, in: Basedow u. a. (Hg.), Max Planck Encyclopedia of European Private Law, 2012, 2a; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 82 f., 131 f., 292 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 64; Reinhardt, in: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Universität

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Diese Regelungsziele schließen sich nicht gegenseitig aus. Dieselbe Norm kann verschiedene Ziele verfolgen.42 Beispielsweise geht es Regelungen zum Schutz öffentlicher Güter, etwa zum Umweltschutz oder Erhalt sauberer Luft und knapper werdender Ressourcen, nicht nur um den Schutz der aktuell lebenden, die Ressourcen nutzenden Personen, sondern auch um folgende Genera­ tionen und deren Recht, Umwelt und Ressourcen noch nutzen zu können.43 Geschwindigkeitsbegrenzungen schützen im Straßenverkehr die individuellen Teilnehmer, aber auch die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Vertrauen der Allgemeinheit auf diese Sicherheit.44 Das Minderjährigenrecht verfolgt das öffentliche Interesse, standardisierend bestimmte Voraussetzungen einer Willenserklärung zu etablieren, es beschränkt aber zugleich die Vertragsfreiheit zum Schutz bestimmter Alters- oder Bevölkerungsgruppen (§§  104 ff. BGB).45 3. Parallele Bewertungen durch das EU-Recht Auch das EU-Recht kennt nicht „das“ zwingende Recht, sondern verschiedene Normen, die bestimmte Vereinbarungen abhängig vom Regelungsziel verhindern sollen. Privatautonomie und Vertragsfreiheit sind auch im EU-Recht existenzielle Grundwerte des Privat- und Vertragsrechts, die notwendig sind, um den Binnenmarkt zu stärken.46 Primärrechtlich ergeben sie sich aus den Grund-

Bonn (Hg.), FS Schmidt-Rimpler, 1957, 115, 122–125; Schmolke, Grenzen der Selbst­bindung, 2014, 528; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 8. 42  Enderlein, Rechtspaternalismus und Vertragsrecht, 1996, 16; Grundmann, in: Grundmann u. a. (Hg.), FS Hopt, 2010, 61, 66; Kähler, in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181, 197–199; K.-P. Martens, AcP 177, 1977, 113, 164–171; K. F. Röhl/ H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3.  Aufl., 2008, 420, 437; van Boom/Ogus, Erasmus Law Review 3, 2010, 1, 2 f. 43  G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 361; Basedow, in: Fuchs (Hg.), FS Immenga, 2004, 3, 9; C. Engel, JZ 1995, 213, 214; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 54; U. Huber, Studium Generale 23, 1970, 769, 770 f.; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 112 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 124 f.; Steindorff, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 621, 630 f. 44  Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 54; ähnlich zu Rauchverbot und Anschnallpflicht van Boom/Ogus, Erasmus Law Review 3, 2010, 1, 2 f. 45  Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 158 f.; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 157–161; Bruns, JZ 2007, 385, 387 f.; Coester-Waltjen, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 41, 46; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 398 f.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 144 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 60; ­K ähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 206; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 171; Weitnauer, Schutz des Schwächeren, 1975, 35; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 60 f. 46  Bruns, JZ 2007, 385, 392 f.; Comparato/Micklitz, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 121, 130–133, 149–152; C. Mak, SSRN. Journal 2847586, 2016, 3; Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 778 f.; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 1; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 241 f.; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches

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freiheiten47 und für Unternehmer aus Art.  16 EU-Grundrechte-Charta.48 Sekundärrechtlich werden sie vorausgesetzt.49 Auch der Grundsatz pacta sunt servanda ist als allgemeines Rechtsprinzip anerkannt.50 Die Möglichkeit, über bestehende Rechtsverhältnisse durch privatautonome Einigung zu disponieren, wird vorausgesetzt, etwa in der ADR-RL und der VerbrGK-RL, in der eine Disposition allerdings jeweils nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Auch in den bisher nicht rechtlich verbindlichen Vorschlägen zur Vereinheitlichung des europäischen Privatrechts wird angenommen, dass etwa ein „Erlass“, „Vergleich“, eine „Änderung bestehender Verträge“ und ihre Beendigung per Einigung möglich ist.51 Da die Privatautonomie und die Vertragsfreiheit in allen Mitgliedstaaten anerkannt sind, brauchen sie nicht ausdrücklich unionsrechtlich normiert zu werden. Das EU-Recht baut stattdessen auf den vorhandenen Vertragsrechtsstrukturen auf,52 etwa bei der Frage, ob ein Vertrag wirksam zustande gekommen Vertragsrecht, 2002, 23, 24; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 42; ähnlich allgemein L. Raiser, in: Caemmerer (Hg.), FS DJT I, 1960, 101, 133. 47  Ausführlich z. B. Kirchner, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 165, 166 f.; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2003, 178–220. 48  Vgl. etwa ErwG 52 Richtlinie 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates, ABl. EU 2015, Nr. L 326, 1; EuGH, Sky Österreich, C-283/11, ECLI:EU:C:2013:28 Rn.  42 f.; Alemo-­ Herron u. a., C-426/11, ECLI:EU:C:2013:521 Rn.  32; M. F. Starke, EU-Grundrechte und Vertragsrecht, 2016, 249 f. 49  Art.  3 Abs.  2 , Art.  9 Richtlinie 2000/31 vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. EG 2000, Nr. L 178, 1, ABl. EU, Nr. L 178, 1; Canaris, in: Badura/Scholz (Hg.), FS Lerche, 1993, 873, 890; Comparato/Micklitz, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 121, 124–128; Davies, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 53, 54, 67–69; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 650; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 21 f.; C. Mak, SSRN. Journal 2847586, 2016, 4, 17 f.; Pfeiffer, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 103, 103 f.; Riesenhuber, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 139, 145; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 2 f.; kritisch ­Leczykiewicz/Weatherhill, in: dies. (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 1, 6 f.; Weatherhill, ebd. 9, 26. 50  EuGH, Société thermale d’Eugénie-Les-Bains, C-277/05, ECLI:EU:C:2007:440 Rn.  25; Hesselink, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 131, 132 f. 51 Ausführlich Schmidt-Kessel/McNamee, in: Riesenhuber (Hg.), European Legal Methodology, 2017, 405, 418; Vogenauer, in: Grundmann u. a. (Hg.), FS Hopt, 2010, 247, 259–267 zu Art.  2:106 und Art.  10:108 I, II Principles of European Contract Law (PECL), Art.  131 Code européen des contrats: avant-projet (avant-projet), Art.  II.-1:103(3) und Art.  III.-1:108(1) Draft Common Frame of Reference (DCFR) und auf internationaler Ebene Art.  5.1.9 UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts 2004 (PICC). 52 Z. B. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über

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ist.53 Wie das deutsche geht auch das EU-Recht davon aus, dass beim Vertragsschluss beide Parteien grundsätzlich versuchen, die Vertragsbedingungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen, und daher im Ergebnis Leistung und Gegenleistung mehr oder weniger ausgewogen sind.54 Ebenso sieht auch das Unionsrecht über die Gewährleistung der formalen Vertragsfreiheit hinaus in bestimmten Bereichen eine weitergehende Regulierung des Privatrechts als notwendig an.55 Die Privatautonomie kann aber – ebenso wie im deutschen Recht – aus sachlichen Gründen eingeschränkt werden.56 Solche Gründe sind etwa Diskriminierungsverbote und solche des Verbraucherschutzes, wie er in Art.  38 EU-Grundrechte-Charta verankert ist.57 Auch hier kann der zwingende Charakter ausdrücklich angeordnet sein oder sich durch Auslegung aus dem Zweck und der Funktion der Norm ergeben.58 Dabei ist der Wortlaut einer EU-Verbraucherregelung oder ihre Umsetzung nicht auf die deutsche Terminologie beschränkt. Obwohl eine Regelung teilweise von „Vereinbarungen“ spricht (z. B. §§  312k, 476 Abs.  1 BGB), geht es z. B. nicht nur um zweiseitige Vereinbarungen, sondern es sind auch einseitige Dispositionen erfasst.59 Rechte der Verbraucher, KOM(2008) 614 endg., 7; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 24; Schmidt-Kessel/McNamee, in: Riesenhuber (Hg.), European Legal Methodology, 2017, 405, 412 f.; Schmid, ERCL 2005, 211, 216; Schulte-­ Nölke, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 85, 88; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 24 f.; ähnlich Klumpp, Staudinger, 2017, vor §§  104 ff., Rn.  211. 53  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher, KOM(2008) 614 endg., 7; Hesselink, ERPL 2010, 57, 82; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 24; Troiano, in: Schulte-­ Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 97, 98. 54  Basedow, in: Fuchs (Hg.), FS Immenga, 2004, 3, 12. 55  Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 647 f.; Leczykiewicz/Weatherhill, in: dies. (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 1, 5; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 108 f.; Micklitz, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 197, 199; Schmidt-Kessel/ McNamee, in: Riesenhuber (Hg.), European Legal Methodology, 2017, 405, 416 f. 56 EuGH, Sky Österreich, C-283/11, ECLI:EU:C:2013:28 Rn.   45; Bruns, JZ 2007, 385, 392 f.; Kirchner, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 165, 166 f. 57  ErwG 52 Pauschalreise-RL; Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 88 f.; Cahn, ZEuP 1998, 973, 979; Comparato/ Micklitz, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 121, 133–141; Grigoleit, in: Basedow u. a. (Hg.), Max Planck Encyclopedia of European Private Law, 2012, 3b; Leczykiewicz, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 171, 177 f.; Marella, ERCL 2006, 257, 261 f.; ­Möslein, Dispositives Recht, 2011, 173 f.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 81; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 2 f. 58  Hesselink, ERCL 1, 2005, 44, 69; Schmidt-Kessel/McNamee, in: Riesenhuber (Hg.), European Legal Methodology, 2017, 405, 416 f. 59  Ganz h. M., z. B. A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 355 f.; Kessal-Wulf, in: Staudinger, 2012, §  511, Rn.  4; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 1064–1066; Wendehorst, in: MünchKomm-­ BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  3; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 762; unklar

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

Im Gegensatz zum autonomen deutschen Vertragsrecht ist im EU-Recht aber eher davon auszugehen, dass auch eine Norm, die dies nicht ausdrücklich vorschreibt, nicht dispositiv ist. Dies ergibt sich aus seinem punktuellen, anlass­ bezogenen Charakter: Da die EU bei der Rechtssetzung stets konkrete, regelmäßig binnenmarktbezogene, politische Ziele verfolgt, nutzt sie auch das Privat- und Vertragsrecht vermehrt, um regulierend tätig zu werden und insofern in das nationale Vertragsrecht und die diesem zugrunde liegende Vertragsfreiheit einzugreifen. 60 Aus dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und den enumerativen Kompetenzen folgt, dass die EU stets aufgrund besonderer sachlicher Gründe und rechtsaktbezogen einschreitet. 61 Dies führt dazu, dass das Unionsrecht nur ausnahmsweise eingreift und meist Ziele verfolgt, die über die des klassischen Vertragsrechts hinausgehen, da hier ja bereits mitgliedstaatliche Regelungen vorliegen. Regelungen des EU-Rechts stehen daher häufig nicht zur Parteidisposition. 62 Im EU-Verbrauchervertragsrecht ordnen die meisten Regelungen Umgehungsverbote an, also das Verbot abweichender Gestaltungen, welche die zwingenden Regeln umgehen sollen (§§  312k Abs.  1 S.  1, 476 Abs.  1 S.  2 BGB). Dies zeigt, dass der Gesetzgeber die zwingende Wirkung wirklich umfassend versteht. 63 Rechtlich notwendig ist die ausdrückliche Normierung nicht. Ob eine Vereinbarung einer zwingenden Norm widerspricht, hängt, wie oben herausgearbeitet, stets von ihrem Regelungsziel ab. 64 Regelungen, die auf Unionsrecht zurückgehen oder dieses umsetzen, sind unionsrechtskonform so auszulegen, dass sie die Ziele des EU-Rechts nicht verinsoweit LG Fulda, NJW-RR 1987, 1460, 1461; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  7; zum VVG Klimke, Die halbzwingenden Vorschriften des VVG, 2011, 105; a. A. beim Verbraucherdarlehensvertrag wohl Mülbert/Zahn, in: Grunewald/Westermann (Hg.), FS Maier-­ Reimer, 2010, 457, 463. 60  Z. B. Micklitz, in: Niglia (Hg.), Pluralism, 2013, 29, 38 f.; M. F. Starke, EU-Grundrechte und Vertragsrecht, 2016, 50–52; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 94–96; Weatherhill, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 173, 188. 61  Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 269 f.; Kocher, ZEuP 2006, 784, 786; dies., Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 279; Micklitz, in: Niglia (Hg.), Pluralism, 2013, 29, 47; Riesenhuber, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 139, 165; Schulte-­ Nölke, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 85, 85, 91. 62  Z. B. Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 91, 95 f.; Cafaggi, in: Cafaggi/Muir Watt (Hg.), Making European Private Law, 2008, 289, 302 f.; Drexl, in: Coester u. a. (Hg.), FS Sonnenberger, 2004, 771, 772; Hassemer, in: Tietze u. a. (Hg.), Europäisches Privatrecht – Jb GjZ 2004, 2005, 121, 122 f.; Michaels, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 139, 141 f., 154 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 24 f.; Schulte-Nölke, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 85, 91; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 51 f.; Wendehorst, in: Auer u. a. (Hg.), FS Canaris, 2017, 687. 63  Vgl. etwa BT-Drs. 14/2658, 45. 64  Schürnbrand, JZ 2009, 133, 134 f.; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  14; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  2, 7; vgl. auch Faust, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  22.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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eiteln. 65 Hierbei muss das nationale Recht an die Bedürfnisse des Unionsrechts angepasst ausgelegt werden, soweit letzteres lückenhaft ist. 66 Eine Parteidisposition, welche die beabsichtigten Ziele vereiteln oder ihr Erreichen erschweren würde, ist damit unwirksam. 67 Zugleich wird das Unionsrecht, und entsprechend auch die umsetzende Norm, durch dieses konkrete Ziel begrenzt, da Normen nur soweit zwingend sein dürfen, als sie zum Erreichen des Ziels notwendig sind. Aus diesem Grund ist auch im Verbrauchervertragsrecht unionsrechtlicher Herkunft ein Teil der Normen nur halbzwingend ausgestaltet oder der zwingende Charakter auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt. 68 Wie beim autonomen deutschen Zivilrecht ist also beim unionsrechtlich geprägten Zivilrecht herauszuarbeiten, was das konkrete Regelungsziel einer Norm ist, um herauszufinden, ob sie einer konkreten Parteivereinbarung entgegensteht. Wie im autonomen deutschen Recht lässt sich im EU-Verbrauchervertragsrecht nicht pauschal von einem Regelungsziel ausgehen, sondern bei jeder Norm ist zu untersuchen, welche sich möglicherweise überschneidenden Ziele sie verfolgt. 69 Soll die Norm nur einen Interessenausgleich zwischen den Parteien erreichen, kann sie diesen mehr Dispositionsmöglichkeiten einräumen, als wenn sie daneben oder darüber hinaus auf andere Regulierungsziele abstellt.70

II. Die duale Zielsetzung des EU-Verbrauchervertragsrechts Verhindert eine Parteivereinbarung zwischen Verbraucher und Unternehmer das jeweilige Ziel der verbraucherrechtlichen Norm unionsrechtlicher Herkunft, so setzt sich die Norm gegenüber der Vereinbarung durch.71 Das Unions65 

Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 188 f. EuGH, Promusicae, C-275/06, ECLI:EU:C:2008:54 Rn.  68; Micklitz, in: Niglia (Hg.), Pluralism, 2013, 29, 47. 67  Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 90 f.; Collins, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 453, 455 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 188 f.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 79. 68  Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 248 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 202 f.; ähnlich auch Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 668–670; vgl. Art.  II.-1:102 (3) DCFR; dazu G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 13. 69 Z.  B. EuGH, Dillenkofer u. a., C-178/94, ECLI:EU:C:1996:375 Rn.  38 f.; Lurger, in: ­A rnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 127; M. F. Starke, EU-­Grundrechte und Vertragsrecht, 2016, 54. 70 EuGH, E.  Friz, C-215/08, ECLI:EU:C:2010:186 Rn.   45–50; Hirmann, C-174/12, ECLI:EU:C:2013:856 Rn.  61 f.; Promusicae, C-275/06, ECLI:EU:C:2008:54 Rn.  68; Cahn, ZEuP 1998, 973, 979; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 188 f. 71 Allgemein Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 15; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 249–262; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 53; Hey, Freie Gestaltung, 2004, 105; Jahr, in: Raiser u. a. (Hg.), Verhältnis Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, 1964, 14, 24 f.; Kähler, in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181,186–191; ders., Begriff und Recht66  Z. B.

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

recht verfolgt zum Teil ähnliche, aber nicht identische Ziele im Verbrauchervertragsrecht wie das autonome deutsche Recht. Denn im Gegensatz zum traditionellen deutschen Verbrauchervertragsrecht geht es dem EU-Recht nicht nur und nicht immer um Schwächerenschutz. Stattdessen spielt immer zumindest auch der Gedanke eine Rolle, den binnenmarktweiten Handel durch Rechtsangleichung und Schaffung von Rechtssicherheit zu fördern. Dieses gesetzgeberische Ziel kann weitergehende Parteidispositionen verhindern als Ziele des Schwächeren- oder Individualschutzes. Die Differenzierung wird häufig nicht auf den ersten Blick deutlich: Zu vielen Binnenmarktgeschäften, die das EU-Recht reguliert, existieren Regelungen zugunsten einer Vertragspartei bzw. zulasten der anderen, wie auch das Schwächerenschutzrecht deutscher Herkunft dies typischerweise vorsieht.72 Das Verbrauchervertragsrecht gehört dazu. Hinzu kommt, dass auch im EU-Verbraucherrecht der Schwächerenschutz nicht ausgeschlossen wird, er wird nur nicht als exklusives Normziel angesehen. Insgesamt tritt ein duales73 Verbrauchervertragsrechtskonzept zutage, auch wenn sich nicht immer unmittelbar eine einheitliche, kohärente Zielsetzung hinter allen verbraucherrechtlichen Regelungen ausmachen lässt.74 Denn die verschiedenen Rechtsakte sind vor verschiedenen zeitlichen Hintergründen, dem gewandelten Selbstverständnis und den gewandelten Zuständigkeiten der EU konzipiert worden.75 Es geht jedenfalls weder darum, eine Infrastruktur eines „europäischen Vertragsrechts“ zu etablieren (1.), noch stellen die aktuell geltenden Regelungen Teil eines „sozialen“ Verbraucherrechts dar (2.). Stattdessen stehen der Binnenmarkt und seine Förderung im Vordergrund (3.). Die Förderung des Binnenmarkts geschieht wiederum akteursbezogen und hieraus ergibt sich der Dualismus: Das Verbrauchervertragsrecht baut Marktverzerrungen ab, die durch unterstellt strukturelle Ungleichheiten zwischen Unternehmern und Verbrauchern verursacht werden (verbraucher- oder nachfragerbezogen, 3.). Es schafft daneben binnenmarktweite Rechtssicherheit für fertigung abdingbaren Rechts, 2012, 35, 345 f., 351 ff., 368; Mayer-Maly, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, 1995, 123, 125 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 16, 88, 175– 180; M. Müller, NJW 2003, 1975–1980, 1975 Fn.  7; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1202; Zitelmann, Das Recht des BGB: AT, 1900, 19. 72  Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 248 f. 73  Zum Begriff der „dualen Zielsetzung“ etwa G. Schulze, in: Gsell/Herresthal (Hg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 2009, 63, 65. 74  Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 97; K. Jürgen Hopt, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 246, 249–251; V. Mak, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 333, 334; Micklitz, VuR 2003, 2, 6; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 835; Weatherhill, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 173, 182. 75  Ausführlich N. Reich, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 9, 14–23.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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den redlich handelnden Unternehmer dadurch, dass es starre und möglichst weitgehend harmonisierte Marktregelungen vorsieht (unternehmer- oder anbieterbezogen, 4.). 1. Zurückhaltung der EU bei der Etablierung einer vertragsrechtlichen Infrastruktur Das EU-Recht greift zur Durchsetzung seiner Normen auf die Mittel des Privat- und Vertragsrechts zurück, auch auf vorhandene nationale Durchsetzungsmechanismen.76 Hieraus ergibt sich zugleich, dass das Unionsrecht auf der na­ tionalen „Infrastruktur“ aufbaut und nur in Spezialbereichen Fragen des Vertragsrechts harmonisiert, insbesondere in marktwichtigen Branchen und bei ebensolchen Geschäftstypen.77 Regelungen darüber, wann ein Vertrag zustande kommt, sind daher im EU-Verbrauchervertragsrecht selten.78 Die Geschäfts­ fähigkeit wird etwa nicht geregelt.79 Das Widerrufsrecht modifiziert die (endgültige) Wirksamkeit einer Willenserklärung und kann daher zur Infrastrukturregelung gezählt werden. 80 Dies ist aber nicht sein alleiniges Ziel, sondern es geht primär um den Ausgleich einer unterstellten Asymmetrie zwischen den Vertragsparteien und um Marktregulierung (sofort, 3., 4.).81

76  Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 649 f.; Grundmann/Kerber, in: Grundmann/Stuyck (Hg.), Academic Green Paper, 2002, 295, 297, 305 f.; Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A63 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 36; Schmid, ERCL 2005, 211, 216. 77  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher, KOM(2008) 614 endg., 7; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 665–667; K ­ irchner, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 165, 166 f.; Kocher, ZEuP 2006, 784, 786; Micklitz, in: Niglia (Hg.), Pluralism, 2013, 29, 38; W ­ .-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 24; A. Thole, Das europäische verbraucherschützende Widerrufsrecht in §§  355, 357 BGB, 2004, 66. 78  Pfeiffer, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  7 – Vor Art.  1, Rn.  2 2; zum Vertragsschluss im E-Commerce z. B. Art.  11 E-Commerce-RL; Troiano, in: Schulte-Nölke/ Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 97, 99. 79  Vgl. etwa zu Art.  4 Abs.  2 RL 97/7/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie – Fernabsatz-RL), ABl. EG 4.6.1997, Nr. L 144, 19; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 275 f. 80  Vgl. etwa Bruns, JZ 2007, 385, 387 f.; Coester-Waltjen, AcP 190, 1990, 1, 23; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 70–73; Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 768– 770; D. Hoffmann, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 291, 300 f.; C. Mak, SSRN 2847586, 17 f.; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 21; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 58 alle m. w. N. 81  Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 139.

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

2. Zurückhaltung der EU beim „sozialen“ Verbraucherund Schwächerenschutz Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem autonomen deutschen Verbraucherrecht und dem Verbrauchervertragsrecht unionsrechtlicher Herkunft besteht darin, dass ersteres häufig schwächerenschützend mit einer sozialstaat­ lichen Komponente ausgestaltet ist (a), letzteres vor allem Binnenmarktziele verfolgt (b). a) Verbraucherrecht als Schwächerenschutzrecht im autonomen deutschen Recht Das Verbraucherrecht wird in Deutschland parallel zum Arbeits- und Wohnraummietrecht traditionell als individual- und schwächerenschützend angesehen, teilweise ergänzt durch sozialstaatliche und marktpolitische Überlegungen. Es geht von einem Machtgefälle zwischen den Parteien aus, nicht aber von einer generellen Unfähigkeit i. S. d. §§  104 ff. BGB, sich zu binden. Soweit Verbraucherschutznormen diesem Gefälle entgegenwirken sollen, schützen sie die Interessen des individuellen Verbrauchers als dem unterstellt Schwächeren im Vertrag.82 Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Normen von Akteuren ausgehen, die der Gesetzgeber nicht als selbstverantwortlich wahrnimmt. Er will sie dann in ihrer Entscheidung „gegen sich selbst“ schützen. Eine solche beschränkte Selbstverantwortlichkeit wird im Verbraucherrecht angenommen, wenn der Verbraucher einem wirtschaftlich übermächtigen Vertragspartner gegenübersteht und er vom Vertragsschluss mit diesem sozial oder finanziell abhängt oder ihm intellektuell unterlegen ist.83 Das Gesetz schützt ihn dann davor, dass der Unternehmer seine übermächtige Stellung gegen ihn missbraucht.84 In einigen Fällen übernimmt es dann paternalistisch die „richtige“ Entscheidung für den Verbraucher.85 Im deutschen Recht wurde das Verbraucherschutz82  Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 1983, 63 f.; Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 770; N. Reich, ZRP 1974, 187, 191; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 100–120. 83  Ausführlich etwa Drexl, in: Schlechtriem (Hg.), Wandlungen des Schuldrechts, 2002, 97, 114–117; Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A38–43, A58–A61; Gsell, in: Staudinger-Eckpfeiler, 2018, Verbraucherschutz, Rn.  9; Heiderhoff, Grundstrukturen, 2004, 250 f.; J. Neuner/M. Wolf, BGB AT, 11.  Aufl., 2016, §  3 Rn.  15–18; Roethe, in: ­K rämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 93, 100–103, zu Regelungen der DDR 106 f. 84  Z. B. BT-Drs. 7/3919, 13; Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 2000, 61 f.; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 29–34, 140–144; Grundmann, AcP 202, 2002, 40, 64–66; Lando, CMLR 43, 2006, 817, 819 f.; von Hippel, JZ 1991, 452, 452 f. 85  G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 177; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 67; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 36; Enderlein, Rechtspaternalismus und Vertragsrecht, 1996, 32–34; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 13; Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 138; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 192, 200.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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recht in den 60er und 70er Jahren des 20.  Jahrhunderts als Schwächerenschutzrecht verstanden, das primär auf sozialstaatliche, weniger marktwirtschaftliche Überlegungen zurückging.86 Eingriffe in die Vertragsfreiheit gingen nach dem damaligen Verständnis primär auf Gedanken einer iustitia distributiva anstelle einer iustitia commutativa zurück.87 Marktwirtschaftliche Erwägungen waren nie vollends ausgeschlossen,88 standen aber nicht im Mittelpunkt der gesetzgeberischen Interessen oder der Rechtsprechung in Deutschland. 89 Die Folge einer dergestalt schwächeren- oder individualschützenden zwingenden Norm ist, dass eine Parteivereinbarung nicht gegen verbraucherrecht­ liche Regelungen verstößt, wenn der individuelle Verbraucher ausnahmsweise nicht schützenswert ist. Wird etwa auf bestimmte Machtgefälle im Moment des Vertragsschlusses abgestellt, kann es sein, dass dieses Machtgefälle zu einem späteren Zeitpunkt entfällt und eine ausgeglichene Abstimmung der Parteien möglich ist.90 b) „Soziale“ Erwägungen als Ausnahme im EU-Verbrauchervertragsrecht Im Gegensatz zum autonomen nationalen Recht hat das Unionsverbrauchervertragsrecht keinen „sozialen“, sondern einen vor allem wirtschafts- und marktbezogenen Fokus.91 Eine ex post-Perspektive auf die Umstände des konkreten Einzelfalls, wie das BVerfG sie etwa in den „Bürgschafts“- 92 und „Ehe86  Z. B. das erste AGBG, siehe BT-Drs. 7/3919, 9; Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 353–355; Böhm, ORDO 17, 1966, 75, 127 f.; Dreher, JZ 1997, 167, 172 f.; Gsell, JZ 2012, 809, 811; Martinek, in: Riesenhuber (Hg.), Selbstverantwortung, 2012, 247, 263; Vogt, in: Schulte-­ Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 741, 746 f.; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 476; von Hippel, Verbraucherschutz, 3.  Aufl., 1986, 270 f.; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 104 f. mit Beispielen aus anderen Rechtsordungen 110 f.; ebenso Micklitz, VuR 2003, 2, 3 f., 5, 9. 87  Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 214–218; Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 48 f., ausführlich 53–92; Canaris, AcP 200, 2000, 273, 273 ff.; Hesselink, ERPL 2010, 57, 93; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 44 f. 88 Etwa Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 1983, 51 ff.; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 13 ff. 89  Darstellung bei Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 138–144, 154–157. 90  Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 83 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 406 f.; ähnlich G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 106 f.; vgl. etwa zum nur generalpräventiv wirkenden Verbot der Leihmutterschaft: Dethloff, JZ 2014, 922, 926; ähnlich BGH, IPRax 2015, 261,261 ff. 91  Art.  169 Abs.  1 AEUV; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 65; Gsell, in: Staudinger-Eckpfeiler, 2018, Verbraucherschutz, Rn.  9; Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 771; Micklitz, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 245, 250; Tamm, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  1 Verbraucherschutz und Privatautonomie, Rn.  30–35. 92  BVerfGE 89, 214 = BVerfG, „Bürgschaftsvertrag I“, NJW 1994, 36, 38 f.; „Bürgschaftsvertrag II“, NJW 1994, 2749, 2750; BVerfGE 115, 51, „Analoge Anwendung des §  79 Abs.  2

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vertrags“-Entscheidungen93 zu §§  138, 242 BGB als typischen Entscheidungen des „sozialen“ Schwächerenschutzes einnimmt, hat das EU-Verbrauchervertragsrecht nur in seltenen Ausnahmefällen.94 Es wäre verfehlt, zu sagen, dass im Unionsrecht allgemein sozialstaatliche Erwägungen keine Rolle spielen.95 Die Anliegen des Verbraucherschutzes sind ausdrücklich in Art.  38 der EU-Grundrechte-Charta und in Art.  169 AEUV normiert, wobei diese Normen nur eine politische Agenda und Auslegungsrichtlinien vorgeben, aber keine konkreten Rechtsfolgen.96 Sie konzentrieren sich primär auf Werte wie Gesundheit, Sicherheit, Erziehung und Rechtewahrnehmung, nicht auf vertragsrechtliche Fragen.97 Der Großteil der geltenden Regelungen zum Verbrauchervertragsrecht geht nicht oder nicht nur auf Gedanken des allgemeinen Schwächerenschutzes zurück, sondern auf den Gedanken des Binnenmarktprojekts und dessen Nutzen für Anbieter und Nachfrager.98 Deutlich wird dies etwa in Art.  114 AEUV, der in Abs.  3 das Verbraucherschutzniveau als wichtigen Aspekt der HarmonisieSatz  3 BVerfGG“, BeckRS 2005, 31716, ähnlich zum Handelsvertreterrecht BVerfGE 81, 242, „Handelsvertreter“, NJW 1990, 1469, 1470 f. 93  BVerfGE 103, 89, „Inhaltkontrolle von Eheverträgen I“, NJW 2001, 957, 958 ff.; ausführlich z. B. Dethloff, Familienrecht, 32.  Aufl., 2018, §  5 Rn.  17–40. 94  Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 187 f., 356; Coester-Waltjen/Coester, in: ­A lexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 65 f.; Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 65; Pfeiffer, Soergel, 13.  Aufl., 2002, §  13, Rn.  27; Preis, ZHR 158, 1994, 567, 594; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 68 f., 130 f.; Vogt, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 741, 747 f.; Wilhelmsson, JCP 27, 2004, 317, 319 f.; ausführlich zum Unterschied: N. Reich, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 221, 227–236; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 480; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 64 f., 81; a. A. wohl Benedict, AcP 206, 2006, 56, 64; van den Bergh, in: Ott/Schäfer (Hg.), Effiziente Verhaltenssteuerung und Kooperation im Zivilrecht, 1997, 77, 78 f.; Wendehorst, in: Auer u. a. (Hg.), FS Canaris, 2017, 683, 683. 95  Azoulai u. a., in: dies. (Hg.), Constructing the Person in EU Law, 2016, 3, 6 f.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 140 f.; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 80–83, 97 f.; Tonner, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  3 Europäisches Verbraucherschutzrecht, Rn.  5–11; zur möglichen sozialstaatlichen Erwägungen zu Beginn der Harmonisierung: Micklitz, VuR 2003, 2, 5; vgl. etwa im Arbeitsrecht Collins, ERCL 1, 2005, 115, 115 ff. 96  Krebber, EUV/AEUV, 5.  Aufl., 2016, Art.  38 EU-GRCharta, Rn.  7; Mörsdorf, JZ 2010, 759, 760; Tamm, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  1 Verbraucherschutz und Privatautonomie, Rn.  41; de lege ferenda: Lando, CMLR 43, 2006, 817, 820 f. 97  N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 1, 10 f.; ­Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 148. 98  Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 675; Gsell, JZ 2012, 809, 815; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 110; V. Mak, SSRN-id2958146 2017, 5; Micklitz, VuR 2003, 2, 5; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 28; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2003, 148; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/ Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 35; G. Wagner, ZEuP 2016, 87, 101; daher kritisch Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 110; D. Hoffmann, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 291, 306 f.; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 192; a. A. Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 187 f.

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rung nennt, aber nur als Teilaspekt bei der Verwirklichung des Binnenmarkts nach Abs.  1.99 Schon zu Beginn der ersten unionsrechtlichen Regelungen zum Verbraucherrecht spielten im Rahmen des Binnenmarktprojekts auch Gedanken des Schwächerenschutzes eine Rolle.100 Dieser damals noch „sozial“ gedachte Schwächerenschutz wurde primär als notwendig angesehen, um die Gefahren zu kompensieren, die durch die von der EU angestrebte Binnenmarkt­ liberalisierung entstanden, und um einen Mindestschutzstandard zu schaffen.101 Die EU mindestharmonisierte das Verbraucherrecht ursprünglich auch, damit die Mitgliedstaaten einen höheren nationalen Schutz anstreben können, um weitergehenden Schutz zu schaffen.102 Etwas anderes gilt für jüngere Rechtsakte. Unter anderem aus der inzwischen deutlichen Tendenz zur Voll- statt Mindestharmonisierung lässt sich ablesen, dass es dem Unionsgesetzgeber nicht oder nur mittelbar darum geht, den Verbraucher als den stets schützenswerten Vertragspartner anzusehen. Im Vordergrund stehen der Binnenmarkt und dessen Förderung durch freie Entscheidungen des selbstbewusst handelnden, informierbaren Verbrauchers. Informierbar bedeutet hier, dass er nicht bereits informiert sein muss, aber grundsätzlich in der Lage ist, sich die für ihn notwendigen Informationen zu besorgen.103 99 

Z. B. Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 2015, 267. Coester, euvr 2014, 170, 172; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 76–87. 101 Grünbuch zum Verbraucherschutz in der EU, 2.10.2001, KOM(2001), 531 endg., 13 (3.3); Alpa/Andenas, Grundlagen des Europäischen Privatrechts, 2010, 201 f.; Drexl, in: ­Coester u. a. (Hg.), FS Sonnenberger, 2004, 771, 776; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2003, 135–137; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 35–38; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 99; Tamm, in: ­Domej u. a. (Hg.), Einheit des Privatrechts, 2009, 339, 351 f.; Tassikas, Dispositives Recht und Rechtswahlfreiheit als Ausnahmebereiche der EG-Grundfreiheiten, 2004, 144 f.; A. Thole, Das europäische verbraucherschützende Widerrufsrecht in §§  355, 357 BGB, 2004, 23 f.; Twigg-Flesner, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 317, 321 f. 102  V. Mak, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 333, 333; Micklitz, VuR 2003, 2, 5; N. Reich, ZEuP 1994, 381, 385; Schmoeckel, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 51, 64; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 835; kritisch daher G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 201 f. 103  Cafaggi, in: Cafaggi/Muir Watt (Hg.), Making European Private Law, 2008, 289, 292 f., 295; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 65; Dauses, RIW 1998, 750, 751; Hondius, ERPL 18, 2010, 103, 107; A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 337; Kocher, VuR 2000, 83, 91; Leczykiewicz, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 171, 177; Lurger, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 89, 95; V. Mak, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 333, 341; dies., SSRN-id2958146 2017, 5; Micklitz, VuR 2003, 2, 5; ders., in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A58 f.; N. Reich, ZEuP 1994, 381, 385; ders., in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 1, 45 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 94 f.; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 196 f.; Weatherhill, ERCL 2, 2006, 143; Wiebe, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 799, 803 f.; Wilhelmsson, JCP 27, 2004, 317, 321–324. 100 

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Zugleich ist nicht ausgeschlossen, dass das Verbraucherrecht sozialstaatliche Ziele in Einzelfällen erreichen kann: Etwa lässt sich die zwingende Ausgestaltung des Verbrauchsgüterkaufrechts als eine Zwangsversicherung lesen, welche die Kosten für das Risiko, eine mangelhafte Kaufsache zu erhalten, auf alle Verbraucher umlegt. Diese tatsächliche Wirkung ist aber vom Gesetzgeber nicht angestrebt, sondern nur ein Reflex,104 und hat daher keinen Einfluss auf die Frage, ob eine Parteivereinbarung dem Normziel entgegensteht. Ähnliches gilt für ein Widerrufsrecht: Der Unternehmer kann die durch die Frist verursachte Unsicherheit, ob der Vertrag wirksam bleibt,105 oder auch ob Verbraucher dazu angehalten werden, vorschnell einen Vertrag abzuschließen,106 in sein Produkt einpreisen. Doch eine solche Umverteilung ist nicht Ziel der Regelung, sondern nur ein möglicher Nebeneffekt.107 Inzwischen lassen sich neue Tendenzen eines „sozialen“ Privatrechts ausmachen. Einige jüngere Mitteilungen der Kommission stellen auch auf den Schutz des aufgrund von Armut, geringer Bildung, körperlich oder geistig benachteiligten Verbraucher ab, der bestimmte soziale Bedürfnisse habe.108 Auch Art.  38 EU-Grundrechte-Charta, der den Verbraucherschutz als wichtiges Anliegen in der EU-Rechtssetzung verankert, ist Zeichen dieser Tendenz.109 Auch der neuere Wunsch, eine „Union der Bürger“ zu stärken, zeigt die jüngere Entwicklung, den Unionsbürger (wieder) weniger als den verantwortungsbewussten Marktakteur, sondern als ein Individuum mit schützenswerten Rechten wahrzunehmen.110 104  Cafaggi, in: Cafaggi/Muir Watt (Hg.), Making European Private Law, 2008, 289, 295 f.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 144. Ähnlich Hofer, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK II/1, 2007, vor §  241. Das Prinzip Vertragsfreiheit, Rn.  54; Kuipers, EU law and Private International Law, 2012, 269. 105  Zu der hier nicht weiter interessierenden Wirkung des Widerrufsrechts: G. Krämer, ZIP 1997, 93, 99 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 33 ff.; R. Zimmermann, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 167, 169 f. 106  Schmoeckel, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 51, 56. 107  Kuipers, EU law and Private International Law, 2012, 264; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 205–210; ders., in: Blaurock (Hg.), Obligationenrecht, 2010, 13, 27 f. 108  Z. B. KOM(2012) 225 endg., 5; Art.  5 Abs.  3 UGP-RL; Art.  7 Richtlinie 2002/22 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstricht­ linie), ABl. EG 2002, Nr. L 108, 51; Azoulai, in: Azoulai u. a. (Hg.), Constructing the Person in EU Law, 2016, 203, 208 f.; Coester, euvr 2014, 170, 172; Gsell, JZ 2012, 809, 811, 814; Barbou des Places, in: Azoulai u. a. (Hg.), Constructing the Person in EU Law, 2016, 179, 185 ff., ins. 193; Hesselink, ERCL 4, 2008, 248, 521 ff.; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 106; dies., in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 89, 104 f. 109  W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 31; Tamm, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  1 Verbraucherschutz und Privatautonomie, Rn.  41; z. B. Krebber, EUV/AEUV, 5.  Aufl., 2016, Art.  38 EU-GRCharta, Rn.  2 f. 110  Vgl. bereits Kommission, Grünbuch, KOM(93), 576 endg., 7; Alpa/Andenas, Grundla-

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Der Fokus geht in diesen Regelungen fort von spezifischen, objektiv festgelegten Situationen, in denen strukturelle Ungleichheitslagen am Markt angenommen werden, hin zur Person.111 Beispiele für eine solche Entwicklung sind Regelungen zum Abbau von Ungleichbehandlungen von Männern und Frauen,112 zum Zugang zu Universaldienstleistungen113 sowie die Richtlinie über Prozesskostenhilfe114 , die den grenzüberschreitenden Zugang zu Gericht unabhängig von der „persönlichen wirtschaftlichen Lage“ der betroffenen Personen erleichtern soll (Art.  1 Abs.  1 der RL). Diese Vorhaben betreffen aber nicht speziell das Verbrauchervertragsrecht.115 Die Prozesskosten-RL etwa ist nicht auf Verfahren zu Verbraucher-Unternehmer-Verträgen beschränkt.116 Für solche Verträge sieht das Unionszuständigkeitsrecht sogar Sondervorschriften vor, die einen Großteil der B2C-Verträge aus dem Anwendungsbereich der Prozess­ kostenhilfe-RL herausnehmen (insbesondere Artt.  17 ff. Brüssel Ia-VO).117 Das EU-Verbrauchervertragsrecht stellt nur ausnahmsweise (etwa in Art.  5 Abs.  3 UGP-RL) darauf ab, ob der einzelne Vertragspartner aufgrund des Vertragsschlusses in finanzielle Nöte gerät oder einer besonders schützenswerten Gruppe angehört (Kinder, Senioren, körperlich Beeinträchtigte etc.).118 Es fokussiert gen des Europäischen Privatrechts, 2010, 202; Azoulai u. a., in: dies. (Hg.), Constructing the Person in EU Law, 2016, 3, 7; Azoulai, in: Azoulai u. a. (Hg.), Constructing the Person in EU Law, 2016, 203, 216 f.; Micklitz, VuR 2003, 2, 5 f.; ders., in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A60 f.; N. Reich, in: Krausz (Hg.), Liber Amicorum Calais-Auloy, 2004, 943,953 f.; Wilhelmsson, JCP 27, 2004, 317, 319 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 147; ausführlich Reichold, JZ 2004, 384, 388–390. 111  Hondius, ERPL 18, 2010, 103, 109. 112  Bruns, JZ 2007, 385, 393 f.; Collins, ERCL 1, 2005, 115, 125; Leczykiewicz, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 171, 173; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 112; N. Reich, in: Niglia (Hg.), Pluralism, 2013, 73, 86– 91; Wilhelmsson, European Law Journal 10, 2004, 712, 729; zum Antidiskriminierungsrecht allgemein Thüsing, ZGS 2005, 49, 53. 113 Z. B. die Universaldienst-RL, als Beispiel für sozialen Verbraucherschutz: Gsell, JZ 2012, 809, 811; Lurger, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 89, 104 f.; N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 1, 51; Tonner, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  3 Europäisches Verbraucherschutzrecht, Rn.  5 –11. 114  Richtlinie 2002/8 des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen, ABl. EG 2003, Nr. L 26, 41. 115  Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 268; Kocher, VuR 2000, 83, 91; Lurger, ERCL 2005, 442, 447 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 28. 116 Ähnlich Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 177. 117  Die Prozesskostenhilfe-RL ist auf Fälle anwendbar, in denen eine natürliche Person einen Prozess in einem anderen Staat als dem ihres Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufhalts führt. Die Brüssel Ia-VO sieht demgegenüber vor, dass ein Verbraucher durch eine nicht abdingbare Zuständigkeit im Staat des Wohnsitzes geschützt wird, also gerade nicht grenzüberschreitend prozessieren muss. 118  Vgl. etwa EuGH, Dietzinger, C-45/96, ECLI:EU:C:1998:111 Rn.  2 2.

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weder auf die konkrete individuelle Vertragsschlusssituation noch ihre konkreten Folgen beim Individuum.119 Der Verbraucherschutz ist damit zwar Gegenstand der aktuellen Verbraucherpolitik.120 Der Schwerpunkt des Verbrauchervertragsrechts aber liegt darin, den Binnenmarkt zu schützen oder zu stärken, nicht darin, marktfremde Ziele zu erreichen.121 3. Binnenmarktförderung als Fokus der Harmonisierung Das Unionsverbrauchervertragsrecht hat – wie auch ein Teil des autonomen nationalen Verbraucherrechts – einen primär wirtschafts- und marktbezogenen Fokus. Es verfolgt das Hauptziel der Binnenmarktförderung durch mehrere Unterziele,122 die wiederum die Zulässigkeit von Parteivereinbarungen unterschiedlich bewerten. Es lassen sich zwei Zielrichtungen ausmachen. Die erste ist verbraucherbezogen. Der einzelne Verbraucher soll zum binnenmarkweiten Konsum animiert werden und die Verbraucher als Gruppe von Marktteilnehmern sollen in bestimmten Situationen gestärkt werden, um Marktverzerrungen zu vermindern (a.). Es werden konkrete Asymmetrien im B2C-Verhältnis bekämpft (b. und c.). Darüber hinaus, und dies wird in der Diskussion häufig vernachlässigt, dient das Verbrauchervertragsrecht den Unternehmern als Markt­akteuren, indem Rechtssicherheit im binnenmarktweiten Handel geschaffen wird (dazu gleich 4.). a) Stärkung des Verbrauchervertrauens und Abbau von Marktverzerrungen Das Binnenmarktziel wird gefördert durch eine Privatperson, die häufig und EU-weit Leistungen in Anspruch nimmt.123 Private Marktteilnehmer sollen da119  Kocher, VuR 2000, 83, 83 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 36–43. 120  Alpa/Andenas, Grundlagen des Europäischen Privatrechts, 2010, 202; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 64–69; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 271; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 31; Tamm, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  1 Verbraucherschutz und Privatautonomie, Rn.  47. 121  Cafaggi, in: Cafaggi/Muir Watt (Hg.), Making European Private Law, 2008, 289, 294 f.; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 675; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 28; N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 1, 7 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 100; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 85 f.; anders wohl G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 201 f.; ähnlich bereits Micklitz, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 245, 246 f. 122  Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 105; Weatherhill, ERCL 8, 2012, 221, 224. 123 Vgl. bereits EuGH, Kommission  ./.  Deutschland, C-178/84, ECLI:EU:C:1987:126 Rn.  32; Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 358 f.; Caruso, European Law Journal 3, 1997, 3, 10 f.; Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 66; Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 772; Leczykiewicz, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 171, 177; N. Reich, Privatrecht und

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her mit zu solchem Handeln motiviert und stärker in den Markt integriert werden.124 Dazu sollen Situationen reduziert werden, in denen sie im Markt strukturell benachteiligt sind oder sich so fühlen und daher vor Geschäften zurückschrecken.125 Das EU-Verbrauchvertragsrecht soll das Vertrauen des Verbrauchers schaffen, dass unionsweit tätige Unternehmer redlich handeln und in Transaktionen ihre strukturelle Überlegenheit nicht ausnutzen können.126 Ebenso soll das Vertrauen gestärkt werden, dass das Recht den Verbraucher unterstützt, bei Problemen zu einer gerechten Lösung zu gelangen.127 So sollen die Verbraucher ihre Vorbehalte gegenüber Anbietern auch aus anderen EU-Staaten verlieren und verstärkt national und grenzüberschreitend konsumieren.128 Der verstärkte Verbraucherschutz, 1995, 5 f., 9; ders., ZEuP 1994, 381, 387; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 188 f.: G. Schulze, in: Gsell/Herresthal (Hg.), Vollharmonisierung im Privat­recht, 2009, 63, 65; zum Hintergrund dieses Gedankens bereits unter Keynes, vgl. Schmoeckel, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 51, 61. 124  Z. B. ErwG 4 VerbrGK-RL: Gsell, JZ 2012, 809, 811; Basedow, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 43, 57; Gsell, in: Staudinger-Eckpfeiler, 2018, Verbraucherschutz, Rn.  9; Heiderhoff, Grundstrukturen, 2004, 219–226, 331–333; dies., ZEuP 2003, 769, 769 f.; Micklitz, VuR 2003, 2, 5; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 11 f., 26; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 481; Schmoeckel, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 51, 62; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 835. 125  EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 35–37; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  30; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659, Rn.  47; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350, Rn.  25; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349, Rn.  40; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 65; Beale, IDP 23, 2016, 5; Caruso, European Law Journal 3, 1997, 3, 10 f.; Gsell, JZ 2012, 809, 811; Hesselink, ERPL 2010, 57, 67–69; Kocher, VuR 2000, 83, 84; V. Mak, SSRN­ id2958146 2017, 4 f.; N. Reich, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 9, 33 f.; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 29 f.; M. F. Starke, EU-Grundrechte und Vertragsrecht, 2016, 364 f.; Tamm, in: Domej u. a. (Hg.), Einheit des Privatrechts, 2009, 339, 351; Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 2015, 296 f. 126  Gsell, JZ 2012, 809, 811; Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 775; Kawakami, ERPL 21, 2013, 1255, 1259 f.; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 258; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 267; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 26 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 710; ähnlich zum Anlegerschutzrecht: Möllers, AcP 208, 2008, 1, 8 f.; ähnlich auch zur Funktion speziell der „Button-Lösung“ des §  312j Abs.  3 BGB: Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 115 f. 127  Loos, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 487, 488 f. auch mit empirisch unterstützenden Nachweisen; siehe auch N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 1, 16. 128  Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 358 f.; Caruso, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 291, 312; Eidenmüller, JZ 2009, 641, 651; Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 66 f.; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 670; Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 772; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 109 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 9, 26 f.; ders., ZEuP 1994, 381, 387; ders., in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 1, 15 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 100; Sonntag, Das BGB unter europäischem Einfluss, 2009, 176 f.

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Konsum kommt dem Markt und dem Wettbewerb insgesamt zugute.129 Auch festigt und bestätigt das Verbrauchervertrauen in das Funktionieren des Markts und seiner Regeln.130 Zugleich fördert das Überwinden oder Verringern von strukturellen Ungleichgewichtslagen, welche Auswahlentscheidungen am Markt verzerren, die Funktionsfähigkeit des Markts.131 Solche Marktverzerrungen werden auch bei Verbrauchern durch Informations- oder Verhandlungsasymmetrien und Rationalitätsdefizite verursacht.132 Denn diese Defizite lenken die Marktressourcen auf die Erzeugung von Gütern, die nicht den tatsächlichen Präferenzen der Nachfrager entsprechen.133 129  Drexl, in: Beuthien u. a. (Hg.), FS Medicus, 2009, 67, 68; Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A39 f.; N. Reich, in: Krausz (Hg.), Liber Amicorum Calais-­ Auloy, 2004, 943, 944 f.; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 337; Steindorff, EG-­ Vertrag und Privatrecht, 1996, 395 f.; Wilhelmsson, JCP 27, 2004, 317, 321–324, kritisch, ob faktisch dienlich S.  325–327; zum Vertrauen in die Kreditmärkte Schmolke, Grenzen der Selbst­ bindung, 2014, 788 und in den bargeldlosen Zahlungsverkehr Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1127. 130  Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 775 f.; Pfeiffer, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  7 – Vor Art.  1, Rn.  1–5; Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157,159; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 46. 131  G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 45; Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 87; ders., in: Fuchs (Hg.), FS ­Immenga, 2004, 3, 5–7 (kritisch zu dem Einfluss von Lobby-Gruppen); Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 29, 43; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 35; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998,111–128; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 675; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 206 f., 444; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 83; K. Jürgen Hopt, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 246, 248 f.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 119; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1205 f.; G. Wagner, in: Blaurock (Hg.), Obligationenrecht, 2010, 13, 27–29; siehe auch Micklitz, Journal of Consumer Policy 25, 2002, 379–401, 387; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 172 f.; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 8; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 44 f. 132  Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 87; ders., in: Fuchs (Hg.), FS Immenga, 2004, 3, 8; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 35; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 119; K. Jürgen Hopt, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 246, 248 f.; U. Huber, Studium Generale 23, 1970, 769, 782; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 178 f., 186 f., 192, 206 f., 444, 570 f.; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1205 f.; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 8, 16 f.; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 53; ders., in: Blaurock (Hg.), Obligationenrecht, 2010, 13, 27–29; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 124 f.; M. Wolf, Rechts­ geschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 44 f.; zum Kapitalmarktrecht: Grunewald, in: ­R iesenhuber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 311, 318 f.; zu falschen Informationen und ihrer Bekämpfung durch das UWG: Wein, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 80, 92. 133  Kötz, JuS 2003, 209, 212; H. Merz, Privatautonomie heute, 1970, 15; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 480; Schwintowski, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 31, 336 f.

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Kann die Nachfragerseite, hier der Verbraucher, den Wert des Vertragsprodukts nicht einschätzen, so reflektiert ihre Auswahlentscheidung keine Marktpräferenzen.134 Sie drückt stattdessen aus, welcher Anbieter seine Waren am besten angeboten hat, etwa durch Fehlinformation oder Ausnutzen von bestimmen Situationen.135 Die Präferenz drückt nicht aus, dass das Produkt tatsächlich das ist, was der Verbraucher benötigt. Eine solche produktorientierte Auswahl wäre wiederum für den funktionierenden Wettbewerb und die Produktoptimierung notwendig.136 Folge des Binnenmarktfokus der EU ist auch, dass das EU-Recht vermeidet, Transaktionen als solche zu verhindern oder für nichtig zu erklären, denn es möchte im Gegenteil den Handel und damit (redliche) Vertragsschlüsse fördern.137 Die Regelungen, die Verbrauchervertrauen stärken sollen, greifen daher häufig bereits vor oder bei Vertragsschluss ein.138 Sie regulieren vorvertragliches und vertragliches Handeln, welches zum Vertragsschluss führt, selten aber den Inhalt des Vertragsschlusses selbst.139 Das Verbrauchervertragsrecht will auch Mängel abbauen, die eine rationale Auswahlentscheidung der Verbraucher verhindern, um die Funktionsfähigkeit und Optimierung des Markts zu erreichen.140 Ein Teil des Verbraucherrechts 134  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 115; Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 87; ders., in: Fuchs (Hg.), FS Immenga, 2004, 3, 12; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 453 f.; Kocher, ZEuP 2006, 784, 795. 135  Adams, BB 1989, 781, 784; G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 45, 175 f.; Eidenmüller, ERCL 2011, 1, 14 f.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 208, 572; ders., in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 171, 174; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 650, 674; Kocher, ZEuP 2006, 784, 795 f.; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 258. 136  G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 45, 175 f.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 208, 572; ders., in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 171, 174; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 650, 674; Kocher, ZEuP 2006, 784, 795 f.; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 258. 137  Ferreri, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 117, 128 f. 138  Pfeiffer, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 103, 111; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 24 f. 139  Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 99; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1194; Troiano, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 97, 98. 140  G. Bachmann, JZ 2008, 11, 12 f.; Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 87; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 124; ders., in: Beuthien u. a. (Hg.), FS Medicus, 2009, 67, 82; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 803; Fleischer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 171, 174; Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1119; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 109 f., 481; Masing, Mobilisierung des Bürgers, 1997, 222; H. Merz, Privatautonomie heute, 1970, 15; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 9 f., ders., ZEuP 1994, 381, 387; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 141, 197 f.; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 478, 480; Schmolke, Grenzen der Selbstbin-

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überschneidet sich daher mit dem Recht des Unlauteren Wettbewerbs und dem Kartellrecht.141 Über den Schutz des Nachfragers und seiner Entscheidung wird zugleich der lauter handelnde Mitbewerber geschützt, dem sonst evtl. ein Geschäft entgeht, und auch die Allgemeinheit, die ein Interesse an einem funktionierenden Markt hat.142 Das Verbrauchervertragsrecht will den Markt dadurch schützen, dass die Unternehmer zu aus Unionssicht redlichem Handeln am Markt angeregt werden und damit eine gesunde Marktentwicklung ermöglicht wird.143 In der Konzeption ähnelt das EU-Verbrauchervertragsrecht auf den ersten Blick daher dem des autonomen deutschen Rechts. Es geht ebenfalls um den Ausgleich von strukturellen Machtungleichgewichtslagen zwischen den Vertragspartnern. Der Blickwinkel ist aber ein anderer: Im nationalen Verbraucher­ schutzrecht geht es um den einzelnen, sozial oder jedenfalls konkret unterlegenen Verbraucher. Demgegenüber nimmt das Unionsrecht eine wirtschaftliche oder Marktperspektive ein, die generalisiert und typisiert und Marktinteressen verfolgt.144 Diese Typisierung geht von bestimmten Asymmetrien im B2C-Verhältnis beim Vertragsschluss aus (b-c). Aus diesen Ungleichsgewichtslagen ergeben sich wiederum unterschiedliche und unerwünschte Verhandlungsposi­ tionen.145 b) Zentrale Defizite auf Verbraucherseite Das EU-Verbrauchervertragsrecht möchte also Defizite beseitigen, die im Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher bestehen können und dazu führen, dass der Verbraucher keine selbstverantwortliche und seinen tatsäch­ lichen Präferenzen entsprechende Vertragsentscheidung treffen kann. Der Verbraucher wird dabei vom Unionsrecht als grundsätzlich aktiv, mündig und aufdung, 2014, 873; ähnlich Hofer, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK II/1, 2007, vor §  241. Das Prinzip Vertragsfreiheit, Rn.  54. 141  Drexl, in: Beuthien u. a. (Hg.), FS Medicus, 2009, 67, 83; Wein, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 80, 92; D. Zimmer/Höft, ZGR 38, 2009, 662, 676 f. zum deutschen UWG. 142  Faust, in: Zimmermann (Hg.), Störungen der Willensbildung, 2007, 193, 194 f. 143 Z.B Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 775 f.; Kirchner, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 165, 168; A. Thole, Das europäische verbraucherschützende Widerrufsrecht in §§  355, 357 BGB, 2004, 161. 144  Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 675; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 234; Lurger, ERCL 2005, 442, 457; V. Mak, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 333, 341; Micklitz, VuR 2003, 2, 9; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 28; N. Reich, ZEuP 1994, 381, 385; kritisch Schmid, ERCL 1, 2005, 211, 219. 145  G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 45; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 674; Meller-­Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 249; Tamm, in: Tamm/ Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  1 Verbraucherschutz und Privatautonomie, Rn.  11.

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merksam wahrgenommen, der in bestimmten Ausnahmefällen nicht in der Lage ist, eine unverzerrte Marktentscheidung zu treffen.146 Er ist regelmäßig in der Lage, selbstbestimmt und selbstverantwortlich zu entscheiden. Die ausnahmsweise unterlegene Position, in der er sich befindet, kann durch Ausgleichs­ mechanismen beseitigt werden.147 Doch welche Faktoren schaffen diese Asymmetrien und müssen rechtlich ausgeglichen werden? Es lassen sich bestimmte Rationalitätsdefizite herausarbeiten, die typischerweise beim Verbraucher häufiger vorliegen als beim Unternehmer. (1) Informationsasymmetrien und Rationalitätsdefizite Ein Machtgefälle im Verbraucher-Unternehmer-Verhältnis liegt zunächst in den teilweise sehr unterschiedlichen Informationsständen der Parteien bei Vertragsschluss und -durchführung (sog. Informationsgefälle). Ein Verbraucher hat häufig Schwierigkeiten, technisch, rechtlich oder inhaltlich komplexe Verträge zu überblicken, mit denen er normalerweise selten zu tun hat. Diese Unübersichtlichkeit kann einen Grad erreichen, dass er entscheiden muss, ohne dass er volle Kenntnis vom Umfang der Verbindlichkeit hat, die er eingeht. Dieses Informationsdefizit verstärkt sich bei langwierigen, komplexen und kostspieligen Investitionen (Timesharing; Darlehensverträge, Versicherungsverträge u. ä.), die noch dazu besonders belastende Folgen (etwa Überschuldung) mit sich bringen können.148 Unübersichtliche Vertragsinhalte erschweren es dem Verbraucher, Angebote verschiedener Anbieter zu vergleichen. Er weiß häufig nicht, welche Teile des Vertrags in dem Vergleich eine wichtige Rolle spielen und wie sie auf die Preisgestaltung einwirken (dafür etwa §§  312c, 312g Abs.  1 BGB; §  4 FernUSG).149 Dies gilt auch für den Wert der einzelnen Rechte, die dem Verbraucher zustehen oder zustehen können, etwa der Wert eines Widerrufsrechts oder von Mängelgewährleistungsrechten. Er kann als Rechtslaie nicht einschätzen, was die ein146  Fleischer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 171, 175 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 479; Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157, 165; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 834 f. 147  Z. B. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 26–29; ­Möslein, Dispositives Recht, 2011, 268 f., 280–293. 148  Basedow, in: Fuchs (Hg.), FS Immenga, 2004, 3, 12; Ebers, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 171, 175 f.; Jickeli, Der langfristige Vertrag, 1996, 103; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 174–176; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 223, 239–243; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 27–29; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1209 f.; vgl. etwa die Auswertung bei Daiza, California Western Law Review 54, 2018, 201, 205–214. 149  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 204 f.; Gsell, JZ 2012, 809, 811; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 240; Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A39 f.

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zelnen Rechte für ihn bedeuten oder wie sie sich auf den Produktpreis auswirken.150 Aus diesem Grund kann er auch die Vertragsausgestaltung oder den Preis nicht dergestalt verhandeln, wie gleichberechtigte Vertragspartner es können. Werden Geschäfte binnenmarktweit geschlossen, verstärkt sich die Gefahr von unüberschaubaren Vertragsinhalten, da zusätzlich zu den allgemeinen Schwierigkeiten die Kenntnis der konkret den Vertrag regelnden Normen schwieriger zu erwerben ist.151 (2) Überoptimismus und Zeitinkonsistenz Mit den Stichworten „Überoptimismus“ und „Zeitinkonsistenz“ werden die eng verwandten Phänomene bezeichnet, dass Personen ihre eigenen Fähigkeiten typischerweise überschätzen und umgekehrt zukünftige Belastungen systematisch unterschätzen. Diese Unterschätzung nimmt zu, je weiter die Belastung zeitlich noch entfernt ist.152 Personen zeigen bei langwierigen Verträgen, die längerfristige Planung erfordern, die Tendenz des Überoptimismus, nämlich dass sie ihre eigenen (etwa finanziellen) Kapazitäten über- oder die mit dem Vertragsschluss einhergehenden Risiken systematisch unterschätzen, etwa bei Kreditverträgen und Verträgen über Wohnrechte.153 Bei geschäftsunerfahrenen Personen sind diese Verhaltensweisen stärker ausgeprägt, insbesondere wenn es sich um die bereits genannten langfristigen, komplexen und unübersichtlichen Verträge handelt.154 Es besteht die erhöhte Gefahr, dass sie Verträge schließen, ohne langfristige und ruinöse Folgen rational einzuschätzen oder zu über­ blicken.155 Die Informationsasymmetrie wird also noch verstärkt. 150  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 233 f.; Gansel u. a., BKR 2014, 353, 353 Fn.  6; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 874–876; H. Köhler, in: Beuthien u. a. (Hg.), FS Medicus, 2009, 225, 226; Loos, SSRN1535819 4; ders., in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 487, 490; Micklitz, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 119, 128 f.; siehe auch Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 233 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 874–876. 151  Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 873; Tassikas, Dispositives Recht und Rechtswahlfreiheit als Ausnahmebereiche der EG-Grundfreiheiten, 2004, 145. 152  Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1210. 153  Eisenberg, Stanford Law Review 47, 2011, 211, 216 f.; Jolls u. a., Stanford Law Review 50, 1998, 1471, 1524 f.; Sunstein, The University of Chicago Law Review 64, 1997, 1175, 1182–1184; Camerer u. a., UPenn Law Rev 151, 2003, 1211, 1219 f., 1237 f.; Eidenmüller, ERCL 2011, 1, 16–18. 154  Eisenberg, Stanford Law Review 47, 2011, 211, 222–225; Jolls u. a., Stanford Law Review 50, 1998, 1471, 1525; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 223, 239–243; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1209 f. 155  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 115; Basedow, in: Fuchs (Hg.), FS Immenga, 2004, 3, 12; Dauner-Lieb, AcP 210, 2010, 580, 597 f.; Eidenmüller, AcP 210, 2010, 67, 87 f.; Enderlein, Rechtspaternalismus und Vertragsrecht, 1996, 238 f.; Loacker, in: Verschraegen (Hg.), Interdisziplinäre Studien III, 2012, 45, 86 f.; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 131 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016,

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(3) Rationale Apathie und Verbraucherpassivität Selbst wenn die unterschiedliche Wissensverteilung theoretisch ausgeglichen wird, etwa durch aktive Information, können Rationalitätsgefälle bleiben, die aus der Unerfahrenheit des Verbrauchers resultieren. Transaktionen können rechtlich, technisch oder faktisch so komplex sein, dass es auch einem rationalen Laien, der sich nur einmal mit der Thematik auseinandersetzt, schwer fällt, einen Vertragsschluss und seine Folgen zu überblicken, etwa wenn die Information in schwer lesbarer, technischer oder juristischer Sprache verfasst und unübersichtlich aufbereitet ist. Aus Sicht des Verbrauchers kann es dann rational sein, passiv zu bleiben und sich das Wissen nicht zu erarbeiten, obwohl er abstrakt den Informationsbedarf erkennt.156 Dies gilt insbesondere, wenn die Informationsbeschaffung sehr aufwändig ist oder die gewonnenen Informationen nur mit erhöhtem Aufwand verlässlich verifiziert werden können.157 Die Schwierigkeiten, den Vertrag zu überblicken, steigen, wenn es sich um ein komplexes Klauselwerk in technisch-juristischer Sprache handelt, bei dem das Verhältnis der Vertragsbedingungen zueinander und damit der exakte Vertragsinhalt schwer für Laien zu überblicken ist.158 Die Aneignung der Informationen ist für den Verbraucher nur begrenzt möglich oder wirtschaftlich sinnvoll. Da er das Geschäft nur einmal abschließt, lohnt sich der Aufwand nicht, um sich in die Materie einzuarbeiten.159 Für den Verbraucher wäre es wirtschaftlich unvernünftig, die Vertragsklauseln auch für Nebenabreden im Einzelnen zu prüfen, obwohl er juristisch nicht bewandert ist und nur in einem Bruchteil aller Fälle damit rechnen muss, dass eine Klausel für ihn relevant wird.160 Auch lohnt sich für ihn bei einmaligen Transaktionen rational der Aufwand nicht, sich in diese Zusammenhänge oder Angebote verschiedener Anbieter einzuarbeiten und die Details im Einzelnen auszuhandeln. Aus Sicht eines Verbrauchers kann es vernünftig sein, untätig zu bleiben, wenn ausgehandelte Vertragsbedingungen ihm 157; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 81, 308–310; R. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2001, 181 f.; Sunstein, The University of Chicago Law Review 64, 1997, 1175, 1185. 156  Adams, BB 1989, 781, 783 f.; Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 87; R. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2001, 146 f. 157  Fleischer, ZEuP 2000, 772, 776; Kötz, JuS 2003, 209, 211 f. 158  Adams, BB 1989, 781,783 f.; Coester, euvr 2014, 170, 175 f.; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 481; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 872. 159  Z. B. Adams, BB 1989, 781, 783 f.; Kötz, JuS 2003, 209, 212; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 187 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 223, 239 f. 160  Adams, BB 1989, 781, 783 f.; Basedow, in: Fuchs (Hg.), FS Immenga, 2004, 3, 11 f.; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 334 f.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 73, 154; Jansen, ZEuP 2010, 69, 94; Kötz, JuS 2003, 209, 211 f.; Leyens/H.-B. Schäfer, AcP 210, 2010, 771, 783 f.; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 33; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 340–342; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 80 f.; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 197.

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im Verhältnis zum Aufwand nur geringen Mehrwert bringen oder die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass ein Mehrwert hieraus resultiert. Ein solches Untätigbleiben wird auch als „rationale Apathie“ bezeichnet.161 Unabhängig von der Einordnung als rational oder irrational gibt es allgemein die Tendenz, dass vorgegebene Regelungen umso eher „blind“ übernommen werden, je komplexer und undurchschaubarer die Entscheidungssituation oder der Vertragsinhalt oder seine Aufbereitung sind.162 (4) Asymmetrien in besonderen Entscheidungssituationen In manchen Situationen nimmt das Unionsrecht an, dass auch beim Handeln einer aufgeklärten und informierten Person die Vertragsparität gestört ist und gesetzlich ausgeglichen werden muss.163 Der Unternehmer kann seinen Wissensvorsprung bezogen auf psychologische Barrieren ausnutzen und auf den Verbraucher einwirken, damit dieser einen rational unerwünschten Vertrag schließt, ohne sich dieses Defizits rechtzeitig bewusst zu werden. Der Unternehmer kann hierzu den Vertragsschluss planen und den Verbraucher durch Einsatz von besonderen Vertriebsformen unvorbereitet in die Vertragsabschlusssituation bringen. Der Unternehmer kann dann diese situative Unterlegenheit steuern und ausnutzen.164 Aus EU-Sicht liegt eine Ungleichgewichtslage bei Vertragsschluss vor, wenn besonders aggressives Geschäftsgebaren (z. B. Überrumpelung) zum Vertragsschluss führt, oder bei Vertragsabschlusssitua­ tionen die Unübersichtlichkeit des Vertragsinhalts durch das Kommunikationsmedium erhöht wird (z. B. Online-Vertragsabschlüsse oder sonstige Distanzkommunikation).165 161  Basedow, in: Fuchs (Hg.), FS Immenga, 2004, 3, 11 f.; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219 f.; ders., JZ 2009, 641, 650; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 204–207; ders., ZEuP 2000, 772, 776; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 73; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 157; Kötz, JuS 2003, 209, 211–213; ders., Vertragsrecht, 2009, Rn.  245; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 33; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 340–342; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 873; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 196. 162  Eidenmüller, AcP 210, 2010, 67, 87 f.; Kötz, JuS 2003, 209, 210 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 293–297; Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 2015, 292– 295. 163  Kocher, VuR 2000, 83, 85; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 110; Wertenbruch, Soergel, 13.  Aufl., 2009, §  475, Rn.  49. 164  Ausführlich etwa Camerer u. a., UPenn Law Rev 151, 2003, 1211, 1238 f.; Eidenmüller, ERCL 2011, 1, 14; ders., AcP 210, 2010, 67, 82–85; Föhlisch, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  12 Widerrufsrechte, Rn.  1, 6; S. Lorenz, Der Schutz vor dem un­ erwünschten Vertrag, 1997, 174–176; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 27; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 766 f. 165  BT-Drs. 17/7745, 6; BT-Drs. 14/2658, 15; Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 121; Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 2000, 73 f.; Föhlisch, in: Tamm/ Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  12 Widerrufsrechte, Rn.  1, 6; Lienhard, Der asymmetrisch standardisierte Vertragsschluss, 2004, 63–65, 87 f.; S. Lorenz, Der Schutz vor

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c) Vorteilhafte Position des Unternehmers durch Fachwissen und Skaleneffekte Ein Unternehmer, der gleichgelagerte Transaktionen häufig durchführt, weist diese Defizite nicht oder in deutlich geringerem Maß auf als ein geschäftsunerfahrener Verbraucher. Hieraus entsteht die besondere Asymmetrie, die der Unternehmer bewusst zu seinem Vorteil nutzen kann und die dann im Ergebnis zu Marktverzerrungen führt. Der Unternehmer ist bezogen auf den konkreten Vertragstyp Fachperson oder hat entsprechend qualifizierte Mitarbeiter.166 Er verfügt typischerweise auch über bessere Erfahrungswerte, um Risiken oder Folgen des Vertrags genauer einzuschätzen.167 Selbst wenn er nicht über ein solches Wissen verfügt, lohnt sich für ihn die Investition in die Wissensaneignung, da er im Gegensatz zum Verbraucher viele gleichartige Geschäfte in der Materie abschließt, sodass die Kosten sich für jedes einzelne Geschäft deutlich geringer halten (sog. Skaleneffekte).168 Der Unternehmer kann das Informationsgefälle ausnutzen und für die andere Seite ungünstige Vertragsbedingungen durchsetzen, die jene bei Vertragsschluss nicht durchdringt.169 Bereits aufgrund dieser Wissens- und Einschätzungsvorteile beherrscht der Unternehmer den Vertragsinhalt faktisch.170 Wird der Verbraucher zum Vertragsschluss gedrängt oder von demselben überrascht, kann er den Vertragsinhalt regelmäßig nicht mitgestalten. Umgekehrt verwendet der Unternehmer im Massenverkehr Musterverträge, die keine Gestaltung erlauben. Eine Verhandlung findet daher häufig nicht statt.171 Die Gefahr steigt, dass der Verbraucher den Vertrag zu den gestellten Bedingungen annimmt, wenn er den Vertrag und seine Folgen nicht überblickt. Verschärfend kommt häufig hinzu, dass der Unternehmer kein Interesse daran hat, dem Verbraucher entgegenzukommen, da es sich um ein einmaliges Geschäft mit ihm handelt. Der Unternehmer ist dann, insbesondere wenn keine längere Vertragsbeziehung zu erwarten ist, nicht an einer Kundenbindung oder freundlichen Vertragsgestaltung interessiert.172 Distanzkommunikation anonymisiert und

dem unerwünschten Vertrag, 1997, 174–176; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 224–234, 240; Wiebe, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 799, 806. 166  Eidenmüller, AcP 210, 2010, 67, 80; Fleischer, ZEuP 2000, 772, 774 f.; R. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2001, 160 f., 166 f. 167  Kocher, VuR 2000, 83, 86. 168  Eidenmüller, JZ 2009, 641, 650; Fleischer, ZEuP 2000, 772, 774 f.; Grundmann, AcP 202, 2002, 40, 61 f. 169  Binder, ZGR 2007, 745, 756 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 453 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 257. 170  Kocher, VuR 2000, 83, 86. 171  Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 86. 172  Dauner-Lieb, AcP 210, 2010, 580, 597 f.; ähnlich Möslein, Dispositives Recht, 2011, 250 f.; Kähler, in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181, 20.

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automatisiert die Verständigung noch weiter und macht diese damit noch unpersönlicher.173 Aus dem Zusammenspiel von Unterlegenheit des Verbrauchers und Überlegenheit des Unternehmers ergibt sich die unterstellte Ungleichsgewichtslage, die das EU-Verbrauchervertragsrecht verhindern möchte. 4. Unternehmer- und anbieterbezogene Ziele Neben dem Ausgleich der beschriebenen Ungleichgewichtslagen zwischen Verbrauchern und Unternehmern verfolgt das Verbrauchervertragsrecht unionsrechtlicher Herkunft weitere Ziele, um den Binnenmarkt zu fördern. Diese stellen im Schwerpunkt auf den Unternehmer ab, nicht auf den Verbraucher.174 Denn es soll nicht nur der Verbraucher binnenmarktweit konsumieren, sondern Unternehmer sollen auch binnenmarktweit anbieten.175 Die EU harmonisiert das Verbrauchervertragsrecht, um allgemein die Kosten zu senken, welche durch grenzüberschreitende Transaktionen verursacht werden, insbesondere durch unvorhersehbare nationale Regelungen oder Gerichtsentscheidungen (a).176 Die Harmonisierung zielt damit nicht auf die Interessen der beiden individuellen Vertragsschließenden ab, sondern die aller Verbraucher und Unternehmer als Marktteilnehmer.177 Sowohl für Unternehmer als auch Verbraucher wird hiermit das Vertrauen in die Vertragsschlüsse und ihre Folgen und damit den Markt gestärkt (b). Merkmale sind insbesondere die der Konsolidierung und Vollharmonisierung (c) und der Typisierung und Objektivierung der Tatbestände (d) sowie die Ausgestaltung der Regeln als zwingend (e). Diese Konzeption zwingenden Rechts verringert die Produktpreise und fördert Produktvergleichbarkeit und Wettbewerb (f).178 Dieses Ziel ist aus der Sicht des EU-Rechts ein wesentliches, welches in der Diskussion aber häufig vernachlässigt wird. Es wird bei der Frage relevant, in welchem Umfang Parteivereinbarungen zulässig sein können und führt dazu, dass die Unwirksamkeit von Parteivereinbarungen umfassender gilt als im au173 

Fleischer, ZEuP 2000, 772, 774 f. Grundmann, NJW 2000, 14, 16 f. 175  Brownsword, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 159, 166; Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 59 f.; tendenziell Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 670; ablehnend Drexl, in: Schlechtriem (Hg.), Wandlungen des Schuldrechts, 2002, 97, 139–143. 176  Bull u. a., in: Akkermans u. a. (Hg.), Who does what?, 2015, 97, 103; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 27; Schwintowski, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 31, 336 f.; Crettez/ R. Deloche, European Journal of Law and Economics 21, 2006, 203, 203–214; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 91 f.; allgemein bezogen auf indirekte Netzeffekte: Engert, AcP 213, 2013, 321, 333 f., 340–344. 177 Ähnlich Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 75 f. 178  Fleischer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 171, 173 f.; ders., ZEuP 2000, 772, 778. 174 Insb.

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tonomen nationalen Verbraucherrecht, das primär als Schwächerenschutzrecht konzipiert ist. Denn es geht den Normen nicht nur darum, den konkreten Marktteilnehmer zu schützen, sondern auch den Markt und sein Funktionieren und dies über die konkrete Einigungssituation hinaus. Parallelen zu anderen Regelungsgebieten, die den Markt im Fokus haben, etwa dem UWG oder GWB, liegen daher näher als etwa zum Arbeits- oder Mietrecht, soweit diese Gebiete eher „sozialen“ Zielen verschrieben sind.179 a) Informationskosten durch unterschiedliche nationale Regelungen im Verbrauchervertragsrecht Ein wichtiger Kostenfaktor wird durch die unterschiedlichen nationalen Re­ gelungen verursacht, über welche die Akteure sich informieren müssen. Die Angleichung der nationalen Regelungen verringert diese Kosten und fördert den Handel.180 Somit stimuliert die Vereinheitlichung des Vertragsrechts den binnenmarktweiten Handel.181 Die Harmonisierung, um diese Transaktionskosten zu verringern und zugleich die oben aufgeführten weiteren Ziele der EU zu verfolgen, ist im Verbrauchervertragsrecht besonders relevant. Im B2B-Bereich können die Parteien durch das UN-Kaufrecht und die Rechtswahlmöglichkeiten des Art.  3 Rom I-VO planen, welchem Recht ihre Transaktionen unterstellt werden sollen.182 Auch kann Marktversagen im B2B-Bereich stärker durch Kartell- und Wettbe179  G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 361; Basedow, in: Fuchs (Hg.), FS Immenga, 2004, 3, 4; Faust, in: Zimmermann (Hg.), Störungen der Willensbildung, 2007, 193, 194 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 54; Hofer, in: Schmoeckel u. a. (Hg.), HKK II/1, 2007, vor §  241. Das Prinzip Vertragsfreiheit, Rn.  33 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 273 f.; Mertens, Privatrechtsschutz und vertikale Integration im internationalen Handel, 2012, 41. 180  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 59 f.; Gomez/J. José Ganuza, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 115, 125, auch mit empirischen Nachweisen; Jansen, ZEuP 2010, 69, 87; Unberath/Johnston, CMLR 44, 2007, 1237, 1242 f.; Vogenauer u. a., JZ 2005, 870, 875 f.; Modell dazu bei Crettez u. a., Eur J Law Econ 27, 2009, 129, 133 ff. 181  KOM(2008) 614 endg., 4, 7; Herings/Kanning, International Review of Law and Economics 28, 2008, 256, 258; Hondius, ERPL 18, 2010, 103, 109 f.; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/ Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 29 f.; ders., in: Gsell/Herresthal (Hg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 2009, 13, 3–41 (kritisch zur Kompetenz 37 f.); Sonntag, Das BGB unter europäischem Einfluss, 2009, 184 f.; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 196 f.; kritisch Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 89 f.; daneben tritt mittelbar das Ziel der Union, allgemein das Zivilrecht zu vereinheitlichen, Tamm, in: Domej u. a. (Hg.), Einheit des Privatrechts, 2009, 339, 351; Weatherhill, ERCL 2, 2006, 142; Vogenauer u. a., JZ 2005, 870, 871. Auch wenn die Union diesen Wunsch mitverfolgen mag, ist Harmonisierung nur um der Harmonisierung willen nicht von den EU-Kompetenzen gedeckt und darf daher nicht alleiniger Telos des Unionsrechts sein; vgl. Micklitz, in: Niglia (Hg.), Pluralism, 2013, 29, 29–31, 35 f. 182  Z. B. Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 655–664; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 201 f.

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werbsrecht statt dem Vertragsrecht begegnet werden.183 Im B2C-Bereich besteht die Gefahr, dass der Unternehmer die strukturelle Ungleichheit ausnutzt, um ein ihm günstiges Recht zu wählen, und den Verbraucher daher davon abhält, seine Rechte wahrzunehmen. Die Grundanknüpfung des Art.  4 Rom I-VO würde ebenfalls zum Recht des Staats führen, in dem der Unternehmer ansässig ist. In beiden Fällen würde der Verbraucher mit einem ihm unbekannten Recht konfrontiert.184 Art.  6 Rom I-VO sorgt dafür, dass in einem Großteil der grenzüberschreitenden Verbraucherverträge das Recht des Staats gilt, in dem der Verbraucher ansässig ist. Der Unternehmer muss sich somit auf viele nationale Rechtsordnungen einstellen, sobald er in mehreren Ländern tätig wird.185 Diese Informationslast erhöht die Transaktionskosten, insbesondere verbunden mit der Gefahr, einen Prozess vor einem ausländischen Gericht führen zu müssen.186 Dass der Unternehmer diese Transaktionskosten trägt, ist durch die ­Skaleneffekte gerechtfertigt, die sich daraus ergeben, dass er im Gegensatz zum Verbraucher viele gleichlaufende Geschäfte in jedem Land abschließt.187 Die Rechtsunsicherheit kann ihn aber davon abhalten, Handel in Mitgliedstaaten zu beginnen, deren Rechtsordnungen ihm unbekannt sind oder deren Recht schwer zugänglich ist, etwa bereits unter sprachlichen Aspekten.188 b) Vereinheitlichung zur Kostensenkung Durch vereinheitlichte Regelungen werden die Transaktionskosten gesenkt, die durch verschiedene nationale Regelungen entstehen.189 Die Standardisierung,190 zu der die harmonisierten zwingenden Regelungen führen, sorgt dafür, dass Unternehmer stärker davon ausgehen können, die Verbraucherschutzvorschriften 183 

Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 673 f. Hondius, ERPL 18, 2010, 103, 110. 185  Z. B. EuGH, Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  47; Beale, IDP 23, 2016, 5 f.; Kieninger, in: Schumann (Hg.), Hierarchie, Kooperation und Integration, 2015, 221, 228 f. 186  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 237 f.; Drexl, in: Beuthien u. a. (Hg.), FS Medicus, 2009, 67, 72; Engert, AcP 213, 2013, 321, 358 f.; Gessner, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 163, 164–166; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 201, 203; Würdinger, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 693, 696 f. 187  Gomez/J. José Ganuza, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 115, 180–182; Herings/Kanning, International Review of Law and Economics 28, 2008, 256, 257; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 1156. 188  Z. B. KOM(2008) 614 endg., 4; Gomez/J. Jose Ganuza, in: Niglia (Hg.), Pluralism, 2013, 177, 183–186; Kawakami, ERPL 21, 2013, 1255, 1259; Loos, in: Stürner (Hg.), Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht?, 2010, 47, 52 f. 189  Art.  1 Pauschalreise-RL; Herings/Kanning, International Review of Law and Economics 28, 2008, 256, 258; Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1119. 190  Zur Standardisierung durch zwingendes Recht: Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 157–161; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 238–240; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 34; ­Möslein, Dispositives Recht, 2011, 173 f.; Schmidt-Rimpler, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 3, 15 f. 184 

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anderer EU-Mitgliedstaaten zu kennen.191 Unternehmer können in anderen Mitgliedstaaten wie in ihrem Heimatstaat handeln, ohne von völlig unvorherseh­ baren Rechtsbehelfen oder Regelungen überrascht zu werden.192 Es soll im Ausgangspunkt keinen Unterschied machen, ob das Recht des Staats anwendbar ist, in dem der Unternehmer ansässig ist oder der Verbraucher.193 Damit wird nicht nur das Verbraucher-, sondern auch das Unternehmervertrauen in den EU-weiten Handel erhöht.194 Die rechtlichen Risiken sind leichter binnenmarktweit zu berechnen, wenn der rechtliche Rahmen zumindest annähernd davon unabhängig ist, in welchem Land der Unternehmer sein Produkt anbietet.195 c) Vollharmonisierung und Konsolidierung zur Kostensenkung Mit der Standardisierungsfunktion des EU-Verbrauchervertragsrechts lässt sich auch die Tendenz zur Vollharmonisierung und Konsolidierung erklären: Bei einer Mindestharmonisierung besteht stets die Unsicherheit fort, ob die Mitgliedstaaten den Verbraucherschutz überschießend regeln.196 Finden sich 191 

Weatherhill, ERCL 8, 2012, 221, 224. Caruso, European Law Journal 3, 1997, 3, 23 f. (skeptisch zur tatsächlichen Wirkung); Hesselink, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 131, 180 mit Fn.  199; Kirchner, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 165, 166; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 523 f., 257 f.; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1200; Staudenmayer, EuZW 2001, 485, 487; Twigg-Flesner, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 317, 320 f.; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 246 f. 193  Grigoleit, AcP 210, 2010, 365  f., 373 f.; Hassemer, Heteronomie und Relativität in Schuldverhältnissen, 2012, 108; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 27; Twigg-Flesner, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involve­ ment of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 317, 321; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 246 f.; krit. Beale, IDP 23, 2016, 5 f.; ebenfalls wegen verbleibenden Unterschieden aufgrund nationaler Rechtsprechung: Kuipers, EU law and Private International Law, 2012, 263 Fn.  71. 194  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 59, 70; D. Hoffmann, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 291, 309; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 173 f.; Staudenmayer, EuZW 2001, 485, 487; ähnlich zum Kapitalmarktrecht: Möllers, in: ders. (Hg.), Standardisierung, 2008, 211, 218. 195  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 59; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 159; Loos, in: Stürner (Hg.), Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht?, 2010, 47, 52–54; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 251, 523 f., 257 f. 196  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher, KOM(2008) 614 endg., 6 f.; ErwG 65 VerbrR-RL; Drexl, in: Beuthien u. a. (Hg.), FS Medicus, 2009, 67, 70 f.; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 105; Micklitz, VuR 2003, 2, 8; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 193; Schmidt-Kessel, in: Jud/Wendehorst (Hg.), Neuordnung des Verbrau­ cherprivatrechts in Europa?, 2009, 21, 27 f.; Twigg-Flesner, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 317, 321; Unberath/ Johnston, CMLR 44, 2007, 1237, 1254, krit. 1269–1271; ähnlich G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 50 f.; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 66 f.; mit empirischen Nachweisen Vogenauer u. a., JZ 2005, 870, 876; a. A.: Grigoleit, in: Basedow u. a. 192 

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Regelungen in verschiedenen, nicht aufeinander abgestimmten Rechtsakten, sind Abgrenzungsfragen zu klären, die ebenfalls Rechtsunsicherheit schaffen.197 Während also das Unionsrecht dem Verbraucher durch eine Mindestharmonisierung hilft, Vertrauen in den Markt zu haben, hilft das Unionsrecht dem Unternehmer hierbei durch eine Vollharmonisierung.198 Vollharmonisierung und Konsolidierung sind somit aus unternehmerischer Sicht einer Mindestharmonisierung vorzuziehen, aber eine Mindestharmonisierung ist für Unternehmer besser als keine Harmonisierung.199 Die Harmonisierung beschränkt sich aus der gleichen Überlegung heraus nicht auf grenzüberschreitende Verträge. Würde parallel zum UN-Kaufrecht nur das auf grenzüberschreitende Verträge anwendbare Recht harmonisiert, führte dies wieder zu neuen Kategorien und Abgrenzungen und damit zu mehr Rechtsunsicherheit.200 Je weniger Umsetzungs- und Auslegungsspielräume den Mitgliedstaaten gelassen werden, desto stärker steht dieser Aspekt der Standardisierung im Mittelpunkt.201 Dies geschieht auf Kosten der Flexibilität der Mitgliedstaaten, den Verbraucherschutz zu erhöhen, und damit auch auf Kosten eines nationalen „sozialen“ Verbraucherschutzes.202 (Hg.), Max Planck Encyclopedia of European Private Law, 2012, 1 (a. E.); kritisch Weatherhill, ERCL 2, 2006, 153–156. 197  Drexl, in: Beuthien u. a. (Hg.), FS Medicus, 2009, 67, 72; Gsell/Herresthal, in: dies. (Hg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 2009, 1, 2 f.; Kieninger, in: Schumann (Hg.), Hierarchie, Kooperation und Integration, 2015, 221, 229; Law, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 43, Rn.  9 0– 94; Micklitz, VuR 2003, 2, 6; Schmidt-Kessel, in: Jud/Wendehorst (Hg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 2009, 21, 27 f. 198  Grigoleit, AcP 210, 2010, 409; Gsell/Herresthal, in: dies. (Hg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 2009, 1, 111; D. Hoffmann, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 291, 302 f.; Kieninger, in: Schumann (Hg.), Hierarchie, Kooperation und Integration, 2015, 221, 229 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 204; Schmid, Die Instrumentalisierung des Privatrechts durch die Europäische Union, 2010, 399 f.; V. Trstenjak, in: Borić u. a. (Hg.), FS Posch II, 2011, 787, 789; auch zulasten des nationalen Schutzniveaus, Beale, IDP 23, 2016, 5 f.; van Schagen, ERCL 13, 2017, 239, 243 f.; kritisch Loos, in: Stürner (Hg.), Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht?, 2010, 47, 50 f., 58–65; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1200; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 241–262. 199 KOM(2003) 68, Rn.   24, 50; Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1119; D. Hoffmann, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 291, 302 f.; Jansen, ZEuP 2010, 69, 88; ­Müller-Graff, in: ders. (Hg.), Gemeinsames Privatrecht, 2.  Aufl., 1999, 267, 291 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 19 f.; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 213; Unberath/Johnston, CMLR 44, 2007, 1237, 1250 f.; etwa auch ErwG 1–6 und Art.  4 Pauschalreise-RL. 200  Hondius, ERPL 18, 2010, 103, 113; Twigg-Flesner, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 317, 324, 331; ähnlich Grundmann/Kerber, in: Grundmann/Stuyck (Hg.), Academic Green Paper, 2002, 295, 311–313. 201  Hondius, ERPL 18, 2010, 103, 111; Micklitz, VuR 2003, 2, 8. 202  Vgl. etwa EuGH, Romano, C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 Rn.  34–36; kritisch allgemein hierzu z. B. Beale, IDP 23, 2016, 5 f.; Gsell, in: Gsell/Herresthal (Hg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 2009, 219, 233–240; Kawakami, ERPL 21, 2013, 1255, 1260 f.; ähnlich Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 187 f.

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d) Typisierung und Objektivierung als Strukturmerkmale Transaktionskosten werden auch dadurch verursacht, dass der Ausgang eines Rechtsstreits im Ausland, wo eine ausländische Rechtsordnung gilt, für eine inländische Partei unvorhersehbarer ist als im Inland, deren Rechtsordnung ihr vertrauter ist. Regelungen, die (richterliche) Einzelfallbetrachtungen notwendig machen, sind daher aus der Sicht des Anbieters kostenintensiver als Regelungen, die vorab ihre Voraussetzungen und Folgen klar bezeichnen.203 Dies erklärt die Tendenz des EU-Verbrauchervertragsrechts, zu typisieren und objektivieren: Es soll ex ante und ohne gerichtliche Entscheidung für alle Beteiligten deutlich sein, was Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der Normen sind.204 Im Gegensatz dazu erzeugen allgemein gehaltene Vorgaben im Vorfeld Rechtsunsicherheit, insbesondere Generalklauseln und Abwägungsregeln, denn sie müssen vom Richter im Einzelfall ex post konkretisiert werden.205 Richterliche Konkretisierungen wiederum variieren national. Es entstehen national unterschiedliche Standards. Auch hinge die Bewertung eines Falls immer vom Einzelfall ab, sodass selbst bei einer Entscheidung durch den EuGH unsicher bliebe, wie andere Fälle zu behandeln wären.206 Sobald die Standardisierungsfunktion im Vordergrund steht, vermeidet das EU-Verbraucherrecht General- oder Abwägungsklauseln, wie sie das deutsche Recht etwa in §§  138, 242, 313 BGB vorsieht.207 Ebenso vermeidet es Tatbestände und Rechtsfolgen, die auf Merkmalen beruhen, die der Vertragspartner ex ante nur schwer erkennen kann. Unternehmer sollen bereits vorab die Risiken ihres rechtsgeschäftlichen Handelns überblicken und einkalkulieren können. Die Motive und das tatsächliche Situationsverständnis des Einzelnen sind meist irrelevant, es wird typisiert.208 Etwa ist der Tatbestand des Verbrauchervertrags derart gestaltet: Verbraucher- oder 203 

Z. B. Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 193. Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 70 f.; Kocher, VuR 2000, 83, 83 f.; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 766 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 30; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 193; Vogt, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 741, 753; zu dieser allgemeinen Technik etwa Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 187 f.; Hesselink, ERPL 2010, 57, 98; Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, 81 f. 205  Enneccerus/Nipperdey, BGB AT I, 15.  Aufl., 1959, §  50 I; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 19 f.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 205, 221; Hey, Freie Gestaltung, 2004, 106 f., 111; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 210; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 186 f.; ders., in: ders. (Hg.), Private Macht, 2016, 563, 568 f.; Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit, 1970, 34 f.; Grigoleit, in: Basedow u. a. (Hg.), Max Planck Encyclopedia of European Private Law, 2012, 1. 206 Allgemein Hubmann, AcP 155, 1956, 85, insb. 133 f.; optimistischer C. Mak, SSRN 2847586, 14 f. 207  Ähnlich allgemeiner Hey, Freie Gestaltung, 2004, 117 f.; Ausnahme: Missbräuchlichkeit im Rahmen einer AGB-Kontrolle gem. Artt.  3 f. Klausel-RL, dazu ausführlich unten. 208  S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 195 f., 514; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 793–796. 204 

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Unternehmersein ist kein dauerhafter Status,209 sondern hängt davon ab, in welcher Lage und Rolle jede Partei den Vertrag schließt. Es kommt nicht auf das konkrete Machtgefälle zwischen ihnen an. Aufgrund typisierter Situationen und Rollen im Vertrag werden Verbraucher ausnahmsweise anders wahrgenommen als „normale“ Vertragspartner im allgemeinen Vertragsrecht.210 Die strukturelle Schwäche von objektiv bestimmten Gruppen von Individuen wird als „unfair“ auf dem Markt wahrgenommen, unabhängig vom tatsächlichen Hintergrund.211 Das Unionsrecht möchte ein als „unausgewogen“ wahrgenommenes Verhältnis zwischen den Vertragspartnern ausgleichen.212 Das Recht stellt auf typische, objektiv feststellbare Situationen ab. Es kommt nicht auf das konkret-individuelle Schutzbedürfnis an.213 Es geht dem Unionsrecht (nur) darum, ob bei einer ex ante-Betrachtung typischerweise von einem wirtschaftlich-strukturellen Defizit auszugehen ist, welches darauf beruht, dass eine privat handelnde Person einen Vertrag mit einem professionell handelnden Menschen schließt und sie ihm aus diesem Grund typischerweise beim konkreten Geschäft oder Geschäftsabschluss unterlegen ist.214 Der „informierbare“ rationale Verbraucher stellt einen klaren, objektiven Maßstab dar, ebenso die Beurteilung der Verbrauchereigenschaft abhängig von seiner Stellung im Vertrag. Es kommt abstrakt-generell auf seinen Erwartungshorizont an.215 Es geht nicht darum, ob der konkrete Verbraucher vermögend oder gebildet ist oder zufällig über Fachwissen verfügt.216 Es reicht, wenn die zu regelnde Situation mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Mehrzahl der Fälle der Regelung bedarf.217 Durch diese Typisierung sinken die Kos209  Anders wohl Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 392, der eine „Refeudalisierung“ durch Schutzvorschriften aufgrund Status annimmt. 210  Kocher, VuR 2000, 83, 83, 87; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 36–42; Reymann, in: Domej u. a. (Hg.), Einheit des Privatrechts, 2009, 311, 324 f., 334. 211  Azoulai, in: Azoulai u. a. (Hg.), Constructing the Person in EU Law, 2016, 203, 208; Preis, ZHR 158, 1994, 567, 596 f.; vgl. Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  40. 212 Ausdrücklich z.  B. EuGH, Pereničová & Perenič, C-453/10, ECLI:EU:C:2012:144 Rn.  27 f.; Kawakami, ERPL 21, 2013, 1255, 1256. 213  N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 30; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 766 f.; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 56 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 735 f.; M.-P. Weller, Die Vertragstreue, 2012, 292 f.; 294 f.; kritisch daher Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 16. 214  Kocher, VuR 2000, 83, 83 f.; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 766 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 30; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 193; Vogt, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 741, 753. 215  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 74. 216  Alpa/Andenas, Grundlagen des Europäischen Privatrechts, 2010, 183 f.; Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 187 f., 356; Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 52–54; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 12 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 36–43; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 68 f., 130 f.; Wendehorst, in: Auer u. a. (Hg.), FS Canaris, 2017, 700 f. 217 Z. B. BVerfGE 27, 142 = BVerfG, „Kinderzuschlag für ‚Enkelpflegekinder‘“, Rn.   26;

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ten des Anbieters, herauszufinden, ob im Einzelfall tatsächlich ein Ungleichgewicht oder ein besonderes Schutzbedürfnis besteht.218 Diese Objektivierung und Typisierung fördert somit die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit für Unternehmer und senkt Transaktionskosten. Zugleich führt die Typisierung dazu, dass die Frage, ob jemand Verbraucher ist oder bestimmte Regelungen seinen Schutz anstreben, der Parteidisposition entzogen ist.219 e) Zwingende Ausgestaltung zur Schaffung von Rechtssicherheit Das Vereinheitlichungsziel und die anbieterbezogenen Harmonisierungsgründe beeinflussen die Frage, inwieweit die Regelungen zwingend ausgestaltet werden müssen. Ginge es nur um Verbraucherschutz, reichte es aus, ein konkretes Ergebnis zwingend vorzugeben, nicht aber den Weg, dieses Ergebnis zu erreichen.220 Die Rechtssicherheit, die für die Unternehmer erreicht werden soll, macht aber noch darüber hinaus die zwingende Wirkung der Normen erforderlich. Dispositive vereinheitlichte Regelungen würden wieder zu Rechtsunsicherheit führen: Die nichtvereinheitlichten nationalen Vorgaben sähen unterschiedliche Grenzen oder Voraussetzungen für die Abbedingung selbst vor. Fragen der Abdingbarkeit, also Fragen des allgemeinen Zivilrechts, müssten auch harmonisiert werden. Eine solche Harmonisierung griffe wiederum stärker in die nationalen Rechtsordnungen ein als eine Harmonisierung spezieller Einzelbereiche.221 Zwingendes Recht, welches die Rechtslage ex ante klar darstellt und nicht von der Abdingbarkeit nach nationalem Recht abhängt, schafft demgeA. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 351, 354; Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 796 f.; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 16, 71, 95 f., 514; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 243–245; Medicus, in: Bundesministerium der Justiz (Hg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1981, 479, 526 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 865, 873. 218  Kirchner, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 165, 166; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 135–146; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 127; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 267 f.; Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, 162; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 25 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 42 f.; Vogt, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 741, 753; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 44 f.; ähnlich und de lege ferenda für ein stärkeres Abstellen auf tatsächliche Schutzbedürftigkeit Gsell, JZ 2012, 809, 815. 219  Pfeiffer, Soergel, 13.  Aufl., 2002, §  13, Rn.  29; Schürnbrand, JZ 2009, 133, 135; Schinkels, ZGS 2003, 310, 314; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 369 f. 220  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 363 f. 221  Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 96; Herings/Kanning, International Review of Law and Economics 28, 2008, 256, 259 f.

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genüber Rechtssicherheit ohne diesen intensiven Eingriff in die nationalen Rechtsordnungen.222 Aus diesem Zweck folgt, dass das zwingende EU-Verbrauchervertragsrecht sich nicht nur an den einzelnen Verbraucher oder Unternehmer richtet. Vielmehr ist auch der Rechtsverkehr in Form aller potenziell unternehmerisch Anbietenden und privat Nachfragenden am Binnenmarkt Adressat der Normen.223 Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine zwingende Norm nicht nur zwingend ist, wenn eine konkrete Schutzsituation besteht, sondern dass sie immer – als Standard – anwendbar ist, unabhängig davon, ob die Betroffenen den Schutz der Norm wünschen oder benötigen.224 Auch ist ihre Anwendung weniger flexibel als in einem rein nationalen Kontext, da die binnenmarktweit einheitliche Rechtsanwendung im Vordergrund steht.225 f) Leichtere Produktvergleichbarkeit zur Kostensenkung Zugleich erhöhen die dergestalt harmonisierten Regelungen unionsweit die Vergleichbarkeit von Produkten und Dienstleistungen: Die EU-Richtlinien gleichen die Regelungen im Verbraucher-Unternehmer-Verhältnis aneinander an. Dabei orientiert sich insbesondere die VerbrGK-RL an den Regelungen des UN-Kaufrechts, sodass hier eine weitgehende Vereinheitlichung angestrebt wird.226 Alle Unternehmer im Binnenmarkt sollen sich sicher sein können, dass ihre Mitbewerber nicht durch den Rechtsrahmen in einem Mitgliedstaat bevorzugt werden.227 So werden Unterschiede verringert, die sich aus unterschiedlichen rechtlichen Schutzvorkehrungen ergeben und sich im Preis niederschlagen können. Der Wettbewerb fokussiert auf das Produkt selbst.228 Produktangebote werden vergleichbarer, weil sich die Rechtsrahmen in der EU einander annä222  KOM(2003) 68, Rn.  37 f.; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 157–161; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 34; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 231 f.; tendenziell D. Hoffmann, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 291, 309; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-­ acquis, 2011, 1, 4 f. 223  Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 358 f. 224  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 173 f. 225  Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 180; M.-P. Weller, Die Vertragstreue, 2012, 292 f. 226 Dazu etwa Grundmann, AcP 202, 2002, 40, 45  f., 49, 51; S. Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, Vor §  474, Rn.  11; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 27 f.; Tonner, in: Brömmelmeyer u. a. (Hg.), FS Schwintowski, 2017, 518, 521; vgl. auch Hesselink, ERPL 2010, 57, 73. 227  Caruso, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 291, 312; N. Reich, ZEuP 1994, 381, 385. 228  Z. B. ErwG 2–7 VerbrR-RL; 2 Klausel-RL; 3 VerbrGK-RL; N. Reich, ZEuP 1994, 381, 385; Schwintowski, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 31, 336.

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hern. Damit können die Verbraucher leichter zwischen verschiedenen Angeboten wählen. Ihre Auswahl vereinfacht es, ihre tatsächlichen Produktpräferenzen herauszufinden.229 Neben dem verbraucherbezogenen Ziel verfolgt das Unionsrecht also auch das Ziel, durch vereinheitlichte, nicht abdingbare Regelungen den Binnenmarkt zu fördern.

III. Konkrete Beispiele der dualen Zielsetzung Diese duale Zielsetzung des EU-Verbrauchervertragsrechts lässt sich exemplarisch an den Regelungen zu Informationspflichten (1.) und Widerrufsrecht (2.) der VerbrR-RL sowie der halbzwingenden Ausgestaltung des Mängelgewährleistungsrechts der VerbrGK-RL (3.) und der Inhaltskontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen nach der Klausel-RL (4.) belegen. 1. Informationspflichten und Verbraucherinformation der VerbrR-RL Die Informationspflichten sollen die Informationsasymmetrien zwischen Verbraucher und Unternehmer abbauen und Verträge verständlicher machen (a.–b.) und zugleich die Vertragsinhalte binnenmarktweit standardisieren und damit vergleichbar machen (c.–d.). a) Verbraucherinformation als zentrales Anliegen Die Informationsasymmetrien werden im EU-Verbrauchervertragsrecht regelmäßig durch formgebundene unternehmerische Informations- oder Belehrungs­ pflichten ausgeglichen 230 und häufig mit einem Widerrufsrecht kombiniert (dazu gleich, 2.). Hauptursache der strukturellen Ungleichgewichtslage, die im Ergebnis den Binnenmarkt gefährdet, ist die ungleiche Informationsverteilung 229  Caruso, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 291, 312 f.; Faust, in: Zimmermann (Hg.), Störungen der Willensbildung, 2007, 193, 194 f.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 204–207; Schulte-Nölke, ZGS 2003, 184, 185; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 312 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 138 f.; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 246 f. umgekehrt hieraus auch Anforderungen an die Beschaffenheitsinformation ableitend 187; ähnlich Schulte-Nölke, ZGS 2002, 72, 76; a. A. Hassemer, in: Tietze u. a. (Hg.), Europäisches Privatrecht – Jb GjZ 2004, 2005, 121, 133 f. 230  G. Bachmann, Private Ordnung, 2006, 175 f.; Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 160 f.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 206 f.; ders., ZEuP 2000, 772, 784; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 676; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 479; Kocher, ZEuP 2006, 784, 785; Kuipers, EU law and Private International Law, 2012, 266 f.; Micklitz, VuR 2003, 2, 10; W.-H. Roth, in: Schulte-­ Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 32 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 874–876; R. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2001, 143 f.; sogar als Grundprinzip des EU-Verbraucherrechts angesehen von N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 28.

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zwischen Unternehmer und Verbraucher. Das EU-Recht sieht die Verbraucher­ information als zentrales Anliegen zur Beseitigung dieser Defizite an.231 Der Verbraucher wird durch die erteilten Informationen in die Lage versetzt, eine informierte Entscheidung zu treffen.232 Da bereits die Entscheidungsfindung an einem Fehler krankt, wird auch bereits bei dieser angesetzt, also im Vorfeld des Vertragsschlusses. Dessen Ablauf wird durch vorvertragliche Informationspflichten teilweise reguliert.233 Informationspflichten regulieren den Vertragsinhalt nur mittelbar und greifen daher weniger in die Privatautonomie und in die mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen ein als inhaltlich zwingende Vorgaben.234 Daneben findet sich der Gedanke der Verbraucherinformation auch bei Beschaffenheitsvereinbarungen im Verbrauchsgüterkauf,235 im Transparenzgebot im AGB-Recht 236 und bei der wettbewerblichen Kontrolle der Integrität und Richtigkeit freiwilliger Angaben.237 231  Vgl. etwa EuGH, Cassis de Dijon, C-120/78, ECLI:EU:C:1979:42 Rn.  13; Gut Springen­ heide, ECLI:EU:C:1998:369 Rn.  27–29; dazu z. B. Coester, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Heinrichs, 1998, 99, 110; Dauses, RIW 1998, 750, 751; Ebers, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 171, 171; Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht, 2017, 250–252; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 479; Merkt, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 230, 245; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 10; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2003, 288 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 33 f., 93– 98; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 112–127; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1198 f. 232  Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 451; Möslein, Dis­positives Recht, 2011, 223; Lienhard, Der asymmetrisch standardisierte Vertragsschluss, 2004, 108 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 222 f. 233  Z. B. Ebers, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 171, 179; Enderlein, Rechtspaternalismus und Vertragsrecht, 1996, 237, 241 f.; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 674; Loos, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 487, 490; Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157, 167; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 257; ähnlich zum Aktienrecht Binder, ZGR 2007, 745, 763 f. 234  Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 48  f., ausführlich 53–92; ­Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 160 f.; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 676; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 479 f.; Lurger, ERCL 2005, 442, 459; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 231; ­Möslein, Dispositives Recht, 2011, 166–168; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 146; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1201 f., 1204 f.; Vogt, in: Schulte-­Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 741, 751. 235  Art.  2 Abs.  2 lit.  a , b, d, Abs.  3 VerbrGK-RL und ErwG (8) und (9) ebd.; Wilhelmsson, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 245, 255 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 88 f.; Schulte-Nölke, ZGS 2002, 72, 76. 236  Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 352. 237  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 116; Brönneke/F. Schmidt, VuR 2014, 3, 5 f.; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 653; ders., AcP 202, 2002, 40, 67 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 253 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 28; H. Roth, JZ 1999, 529, 533; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht,

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Dem Unternehmer die Informationslast aufzubürden, rechtfertigt sich nach einer wirtschaftlichen Abwägung. Er kann sie einpreisen und auf alle Vertragspartner umlegen. Zudem sind seine Kosten für die Informationsbeschaffung pro Transaktion deutlich geringer als für den Verbraucher. Dies ergibt sich aus Skaleneffekten, die daraus entstehen, dass er üblicherweise eine Reihe gleichförmiger Transaktionen mit den gleichen Informationspflichten abschließt.238 b) Transparenz bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen Je komplexer der Vertragstyp oder umfangreicher die Folgen des Vertragsschlusses sind, desto detaillierter sind die zu gebenden Informationen über die Vertragsleistung, da es darum geht, über das Produkt selbst zu informieren.239 Im Fernabsatzvertrag und bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen führt die Vertragsschlusssituation zu übereilten Entscheidungen, deren Folgen nicht stets unmittelbar überschaubar sind.240 Im Fernabsatz besteht zudem das Problem, dass der Verbraucher nicht nur den Vertrag nicht überblickt, sondern auch die erworbenen Güter nicht vollständig beurteilen kann.241 Das Informationsdefizit kann durch bestimmte Erläuterungspflichten hinsichtlich der Produktqualität zumindest verringert werden, etwa wenn es um technische oder rechtliche Einschätzungen geht.242 Durch ein festgelegtes „Mehr“ an Informationen soll der Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine rationale, ausgewogene Entscheidung zu treffen über Vertragsinhalte, die er typischerweise in der Entscheidungssituation nicht überblickt.243 Die Informationen richten die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf 2002, 23, 32; Pfeiffer, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 103, 114; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 873. 238  Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1119; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 204. 239  Kocher, ZEuP 2006, 784, 789; Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157, 164; Reymann, in: Domej u. a. (Hg.), Einheit des Privatrechts, 2009, 311, 324 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 293; W.-H. Roth, in: SchulteNölke/­Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 33. 240  Ähnlich etwa auch §  651a Abs.  3, 4 BGB und Art.  5 Pauschalreise-RL. 241  Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 293  f.; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbst­bestimmung, 2012, 292. 242  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 571; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 876; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 292. 243  Ben-Shahar/C. E. Schneider, UPenn Law Rev 159, 2011, 647, 651; Binder, ZGR 2007, 745, 756 f.; Ebers, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 171, 175 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 453 f., 479; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 258–260; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 166– 168; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 480; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 257; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1195 f., 1199; Vogt, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 741, 751; Wiebe, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 799, 806.

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konkrete Vertragsfragen oder Risiken (z. B. §  312e BGB).244 Der Gesetzgeber kann somit auch die Aufmerksamkeit durch Informationspflichten auf besonders relevant eingeschätzte Aspekte lenken 245 und die Entscheidungsgrundlage des Verbrauchers gezielt verbessern.246 An Informationspflichten wird häufig bemängelt, dass der Adressat die Informationen nicht zwangsläufig wahrnimmt oder sachgerecht verarbeitet, insbesondere wenn sie als AGB an Verträge angeschlossen sind.247 Weiterhin stellt das EU-Verbraucherrecht auf einen bestimmten Verbrauchertyp ab. Nicht alle Verbraucher entsprechen diesem Typ. Durch die Typisierung kann nicht sichergestellt werden, dass alle Verbraucher die Information verstehen. Jeder versteht die Informationen unterschiedlich gut, abhängig von Sprache, Kommunikations­ mittel, Umfang der Informationen sowie dem Alter, der gesellschaftlichen Zuordnung und Bildung.248 In einigen Bereichen wird daher eine vereinfachende Darstellung oder Kommunikation vorgeschrieben (siehe etwa Art.  6 Abs.  2 Spiegelstrich 2 VerbrGK-RL). Doch damit wird das Problem nur verringert, nicht beseitigt.249 Gerade durch zu viele Informationen kann eine undurchsichtige Situation noch unverständlicher werden. Ab einer bestimmten Fülle oder Komplexität lohnt es sich auch für den rationalen Verbraucher nicht mehr, die Informationsflut zu verarbeiten (rationale Apathie und information overload, s. o. II. 3.).250 244  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 123; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1156 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 253 f. 245  Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 399. 246  Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 48  f., ausführlich 53–92; ­Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 160 f.; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 171 f.; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 32; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 710; G. Wagner, in: Blaurock (Hg.), Obligationenrecht, 2010, 13, 27–29; Wiebe, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 799, 810; kritisch Bruns, JZ 2007, 385, 394; K. Jürgen Hopt, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 246, 249–251. 247  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 110, 117 f.; Ben-Shahar/C. E. Schneider, UPenn Law Rev 159, 2011, 647, 687–689; Coester, euvr 2014, 170, 174; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218, 221; Grundmann, in: Riesenhuber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 105, 124 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 481; Möllers, JZ 2002, 121, 130; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 800–804. 248  Bruns, JZ 2007, 385, 394; Loos, SSRN1535819 5; Wiebe, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 799, 807 f.; ausführlich Kind, Die Grenzen des Verbraucherschutzes durch Information, 513–520, 521–528. 249  Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 480; Kocher, ZEuP 2006, 784, 789; N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 1, 23–25. 250  Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 363–365; Coester-Waltjen, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 41, 48; Eidenmüller, JZ 2011, 814, 816; Fleischer, ZEuP 2000, 772, 788; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 80 f.; Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1122; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 482 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 398 f.; Koller, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 821, 824–826; Kötz, Vertragsrecht, 2009, Rn.  40 f.; Loacker, in: Verschraegen (Hg.), Interdisziplinäre Studien III, 2012, 45, 65–67; Schmolke, Grenzen der

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Noch weniger lohnt es sich dann für den einzelnen Verbraucher, das Produkt mit Konkurrenzprodukten zu vergleichen.251 In diesen Fällen scheint das Ziel einer höheren Markttransparenz verfehlt zu werden. Dies ist aber nicht zwangsläufig so. Die Informationspflichten sind trotz der realen Gefahr des information overload geeignet, um Informationsasymmetrien zu verringern und Markttransparenz für den Verbraucher zu erhöhen.252 Es geht dem EU-Recht nicht darum, den Verbraucher tatsächlich zu informieren, sondern nur darum, dass die Möglichkeit hierzu besteht. Nicht der individuelle Verbraucher muss die Produkte vergleichen, sondern dies können auch geschulte Intermediäre tun, etwa Vergleichsportale, Produkttester oder Verbraucherzentralen, die standardisierte Informationen leichter vergleichen, bewerten und verständlich aufbereiten können (sog. effective monitoring).253 c) Effektivierung durch Formerfordernisse Die Informationspflichten müssen typischerweise einer minimalen Formvorgabe genügen, nämlich der Papier- oder Textform (Art.  7 VerbrR-RL) oder durch sonstige Verkörperung im Fernabsatzverkehr (Art.  8 Abs.  1 VerbrR-RL). Diese Anforderungen fördern die effektive Umsetzung der Informationspflichten, da diese verstetigt werden: Ohne dass eine eigenständige Inhaltskontrolle durchgeführt wird, wird so gewährleistet, dass der Unternehmer seinen Informationspflichten nachkommt.254 Zumindest der aufmerksame, informierbare Verbraucher kann diese Bestandteile des Vertrags schriftlich zur Kenntnis nehmen und sich Gedanken über die Vertragsinhalte machen.255

Selbstbindung, 2014, 222 f.; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1211; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 226–230; R. Stürner, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1489, 1493 f. 251  Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 453 f.; Hofmeister, DNotZ 1993, 32, 45 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 240. 252  Fleischer, ZEuP 2000, 772, 777; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 100 f.; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 155 f. 253  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 119; Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1122; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 485; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 129 f.; N. Reich, ZRP 1974, 187, 192 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 101; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 143 f., 155 f.; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 33; kritisch zur Eignung von Intermediären R. Stürner, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1489, 1498 f. 254  A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 351; Mankowski, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 181, 187, 201; ders., JZ 2010, 662, 664; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 231. 255  Binder, AcP 207, 2007, 155, 187; Kötz, Vertragsrecht, 2009, Rn.  170; Hey, Freie Gestaltung, 2004, 130; Mankowski, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 181, 187, 206; Hofmeister, DNotZ 1993, 32, 37; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 231; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 27, 253 f.; Nobbe, in: PWW,

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Text- oder Schriftformvorgaben sollen dem Verbraucher und Unternehmer im Voraus erleichtern, den In- und Erhalt der Informationen nachzuvollziehen und hinterher ihre Vollständigkeit oder Unvollständigkeit nachzuweisen.256 Es handelt sich insbesondere um Fälle, in denen der Nachweis bestimmter Kommunikation für den Verbraucher schwierig zu erbringen ist, z. B. bei Nutzung eines Online-Formulars. Die Dokumentation der gleichen Angaben erleichtert weiterhin die Arbeit, Vertragsbedingungen zu vergleichen, zu denen ein Anbieter seine Leistungen erbringt. Damit ist es den Verbrauchern oder Informationsmediären leichter möglich, diese Angaben eines Vertrags denen eines Konkurrenzprodukts gegenüber zu stellen.257 Die unternehmerische Pflicht, etwas zu verschriftlichen, führt zugleich zu verbesserter und transparenterer Kommunikation und Information zwischen den Vertragspartnern. Verschriftlichte Informationen sind leichter einsehbar und überschaubar als mündliche Vereinbarungen. Auch wenn den Parteien weiter freisteht, wie sie den Vertrag inhaltlich ausgestalten, werden sie gezwungen, Stellung zu bestimmten inhaltlichen Fragen zu nehmen.258 Zugleich führt die Dokumentation zu einer Disziplinierung des Vertragsentwerfers, da er davor zurückschrecken wird, gesetzeswidrige oder missbräuchliche Vertragsbedingungen kundzutun und schriftlich festzuhalten.259 Darüber hinaus dient die Dokumentation, die mit der Schriftform einhergeht, auch der nachträglichen Information des Verbrauchers: Die Information wird dem Verbraucher aufbereitet und dokumentiert, was ihm zumindest später eine besser informierte Entscheidung ermöglicht, etwa bei den Fragen, ob er bestimmte Rechte ausübt oder ob er vor Gericht zieht. Die Informationen beschreiben den Vertragsgegenstand, den Vertragspartner oder klären über Rechte auf, die aus dem Vertrag folgen. Die Informationen helfen dem Verbraucher, zu verstehen, was von ihm erwartet wird, welche Möglichkeiten er hat, um das Vertragsziel zu erreichen, wie er den Vertragspartner erreicht oder wie er rechtlich gegen ihn vorgehen kann.260 So können die Informationen etwa die Grund13.  Aufl., 2018, §  492, Rn.  2; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 32; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 719 f. 256  Mankowski, JZ 2010, 662, 664; Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157, 166; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 250. 257  Mankowski, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 181, 186 f., 190; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 253 f.; Schauer, ERCL 2008, 1, 6; Schmid, Die Instrumentalisierung des Privatrechts durch die Europäische Union, 2010, 641 f. 258  Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 90 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 260–263; skeptisch, ob dies praktisch so geschieht: Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 123. 259  Malzer, DNotZ 2000, 169, 176 f.; ähnlich Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 77. 260  ErwG 16 Pauschalreise-RL; ErwG 5 VerbrR-RL; Koller, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 821, 823; R. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2001, 151 f.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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lage schaffen, um zu entscheiden, ob er am Vertrag festhalten möchte.261 Um die Rechtssicherheit zu erhöhen, müssen formbedürftige Informations- und Belehrungspflichten auch vollständig in dieser Form vorliegen. Fehlt eine Informa­ tion, ist die gesamte Information nicht formwirksam erteilt. So wird vermieden, dass in Einzelfragen Ungewissheit entsteht, ob formwirksam informiert wurde.262 d) Binnenmarktweite Vertragsstandardisierung Auf den ersten Blick sollen die Informationspflichten ein Informationsdefizit beim Verbraucher beseitigen. Im Gegensatz zu Informationspflichten nach nationalem Recht, die tatsächlich an ein solches konkretes Defizit anknüpfen, 263 entstehen die Informationspflichten aber unabhängig davon, ob der Verbraucher tatsächlich in seiner Willensbildung beeinträchtigt ist.264 Hieraus lässt sich u. a. die duale Zielsetzung des EU-Verbrauchervertragsrechts erkennen. Es kommt nicht nur auf den Verbraucher und seine informationelle Unterlegenheit an, sondern es soll auch Rechtssicherheit für den Unternehmer geschaffen werden: Dieser muss stets informieren, ohne sich zu vergewissern, ob der Verbraucher bestimmte subjektiven Kriterien erfüllt. Die Informationspflichten führen indirekt zur Typisierung und Standardisierung der Verträge, indem sich auch die der Privatautonomie überlassenen Vertragsinhalte angleichen.265 Der Vertragsinhalt selbst wird nur mittelbar reguliert. Die Vertragspartner binnenmarktweit müssen aber alle Stellung zu den­ selben Aspekten des Vertrags nehmen und dies bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses.266 Der Informationspflichtige wird somit in einem frühen Stadium dazu gebracht, diese Inhalte zu konkretisieren und zu dokumentieren.267 Dies erhöht die Transparenz für den Verbraucher und den Rechtsverkehr 261  Z. B. Ebers, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 171, 179; Grigoleit, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 223, 256 f.; Loos, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 487, 490; Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157, 167; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 389. 262 I.E. Schauer, ERCL 2008, 1, 7 f. 263  Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 453–458; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 571; K. Jürgen Hopt, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 246, 257; S. Lorenz, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 777, 784–787, 790; Möllers, JZ 2002, 121, 130; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 90–92; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 18 f.; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 54 f. 264  Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157, 169. 265  Ebers, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 171, 180 f. 266  Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 157, 453 f.; Kocher, ZEuP 2006, 784, 795; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 253 f. 267  Ebers, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 171,

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allgemein.268 Auch lenkt dies die Aufmerksamkeit beider Vertragsparteien auf bestimmte Gesichtspunkte der Transaktion.269 §  312d Abs.  1 S.  2 BGB sieht z. B. vor, dass der Unternehmer sich an den vorvertraglich gegebenen Informationen festhalten lassen muss, wenn später nicht ausdrücklich Abweichendes vereinbart wird. Ähnlich muss ein Verkäufer sich im Verbrauchsgüterkauf an Werbeaussagen festhalten lassen. Dies führt dazu, dass die Verkäufer sich nach den gesetzlichen Vorschriften richten, was die Vertragsinhalte betrifft, über die sie informieren müssen. Zur Information über das Widerrufsrecht stellt der Gesetzgeber Musterformulare zur Verfügung (Anlage 1 VerbrR-RL, Anlage 1 zu Art.  246a §  1 Abs.  2 S.  2 EGBGB270), die diese Tendenz stärken. Insgesamt gleichen sich die Vertragsinhalte langfristig aufgrund der harmonisierten Informationspflichten binnenmarktweit an.271 Dies gilt insbesondere, wenn der Vertrag nicht individuell ausgehandelt wird, also bei den typischen Verbraucherverträgen des Massenverkehrs. Die als Vertragsinhalt angebotenen Informationen werden üblicherweise nicht nachträglich abgeändert.272 Somit führt die Vereinheitlichung der Regelungen zu einer Angleichung der Produktinhalte und damit der Angebote.273 Zugleich wird (ausländischen) Konkurrenten der Marktbeitritt erleichtert: Die formgebundenen (Art.  246a §  4 EGBGB), unionsweit standardisierten Informationspflichten machen die Vertragsbedingungen leichter einsehbar und inhaltlich transparent.274 Damit wird es nicht nur für den individuellen Verbraucher,275 sondern auch für Mitbewerber derselben Produktsparte einfacher, ihre Produkte denen von Mitbewerbern gegenüberzustellen, da die Verträge 180 f.; vgl. auch Hofmeister, DNotZ 1993, 32, 24; Mankowski, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 181, 187; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 253 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 257. 268  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 206 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 408; Micklitz, VuR 2003, 2, 10; Schauer, ERCL 2008, 1, 6. 269  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 253 f.; Vogt, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 741, 751. 270  BGBl. 27.9.2013, I Nr.  58, 3663. 271  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 57 f.; Fleischer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 171, 174; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 479; Micklitz, VuR 2003, 2, 10; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 479, 480 f.; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1197; ähnlich Bruns, JZ 2007, 385, 393. 272  Coester-Waltjen, AcP 190, 1990, 1, 3. 273  Ebers, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 171, 180 f.; ähnlich W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 480; Fleischer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 171, 174; kritisch zur evtl. mitverursachten Innovationshemmung: R. Stürner, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1489, 1493. 274  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 253 f.; ähnlich Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 213 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 482 f.; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1156. 275  Z. B. EuGH, Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  70.

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zumindest bezogen auf die unionsrechtlich vorgegebenen Informationen parallel strukturiert sind. Der Marktzugang ist damit auch für Mitbewerber einfacher.276 2. Widerrufsrecht der VerbrR-RL Das zweite im EU-Verbrauchervertragsrecht übliche Instrument, um die Informationsasymmetrien im B2C-Verhältnis zu überwinden, ist, dem Verbraucher eine Überlegungsfrist in Form eines gesetzlichen Widerrufsrechts einzuräumen, etwa bei Fernabsatzverträgen (§  312c BGB) und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§  312b BGB).277 Der Verbraucher hat nach Vertragsschluss noch ein Vertragslösungsrecht oder „opt out“.278 Hintergrund ist der gesetzgeberische Gedanke, der Verbraucher solle seine Vertragsschlussentscheidung überdenken können, da er, als er die Entscheidung traf, nicht in der Lage war, autonom und wohlkalkuliert zu entscheiden.279 Um ihm eine ­autonome, wohlkalkulierte Entscheidung zu ermöglichen, greift das Recht ausnahmsweise in den Grundsatz pacta sunt servanda ein.280 Die fehlerverursachenden Umstände sind aber nicht so fehlerbelastet oder ihre Folgen so unerwünscht, dass der Vertrag stets unwirksam sein muss (a).281 Durch eine zusätzlich eingeräumte Überlegungs- und Verarbeitungsfrist kann der Verbraucher feststellen, ob er am Vertrag festhalten möchte oder er ihn ohne das bei Vertragsabschluss unterstellte Defizit dennoch geschlossen hätte.282 Dieses Wahlrecht kommt auch dem Markt zugute, da der Verbraucher bei Angeboten, die hinter seiner Erwartung zurückbleiben, wiederrufen und damit die Marktpräferenzen mitteilen kann (b). Die Verbindung von Informationspflichten und Widerrufsrechten verstärkt beide Regelungsinstrumente (c). Schließlich führt 276  Fleischer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 171, 173 f.; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1200. 277  Vgl. auch Artt. II-5:201 f. DCFR. 278  Z. B. Eidenmüller, in: Eidenmüller u.  a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 110; ­Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 33–37. 279  Z. B. Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 110; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 157; Hey, Freie Gestaltung, 2004, 132; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 135–146, 173; Möllers, JZ 2002, 121, 130; Pfeiffer, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 103, 108 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 795, 836 f., 873; Tamm, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  8 Außergeschäftsraumverträge, Rn.  2; Troiano, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 97, 98 f.; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 195; ders., ZEuP 2010, 243, 261; ders., in: Blaurock (Hg.), Obligationenrecht, 2010, 13, 29. 280  Hey, Freie Gestaltung, 2004, 106; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 222 f.; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 795; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 195; ähnlich M.-P. Weller, Die Vertragstreue, 2012, 294. 281  G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 196. 282  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 429 f., 1156; Möllers, JZ 2002, 121,130; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 33; M.-P. Weller, Die Vertragstreue, 2012, 292, 294–296.

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die Standardisierung, die durch die vollharmonisierten Widerrufsrechte eingeführt wird, zu Sicherheit bei Unternehmern, da sie binnenmarktweit Sicherheit haben, wann ein Vertragsschluss endgültig ist (d). a) Asymmetrien in der Entscheidungssituation Das Widerrufsrecht soll Umstände ausgleichen, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Entscheidungsgrundlage beeinflussen, aber durch eine kurze Überlegungszeit ihren Einfluss verlieren.283 Ein Widerrufsrecht ist daher für Vertragsabschlusssituationen vorgesehen, in denen der Unternehmer den Verbraucher überrumpelt oder emotional unter Druck setzt284 oder durch technische Ge­ gebenheiten zu einer schnellen und unüberlegten Entscheidung drängt.285 Die Regelungen zu außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen gehen von derartigen Situationen aus.286 Dass der Gefahr übereilter, eigentlich nicht gewünschter Entscheidungen begegnet werden soll, lässt sich u. a. daran erkennen, dass das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist bei Abschlusssituationen, in denen diese Gefahren vorgeblich nicht bestehen sollen, etwa bei öffentlich zugänglichen Versteigerungen i. S. v. §  156 BGB (nach §§  355, 312g Abs.  2 Nr.  10 BGB).287 Im Fernabsatz kommt ein weiteres Problem auf Verbraucherseite hinzu: Wird ein Vertrag über Distanzkommunikationsmittel, also im Fernabsatz geschlossen, können die Vertragspartner sich im Vorfeld nicht sicher vergewissern, welche Qualität die infrage stehenden Waren haben oder wie vertrauenswürdig der Vertragspartner ist. Der Verbraucher geht faktisch regelmäßig in Vorleistung.288 Im Gegensatz zu professionell Handelnden verfügt ein Verbraucher regelmäßig 283  Eidenmüller, JZ 2005, 216, 221; Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 768; Hey, Freie Gestaltung, 2004, 134; ähnlich allgemeiner Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 15–24, 223, kritisch bei Langzeitbelastungen 240 f. 284 Bzw. außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge, §   312b Abs.  1 BGB; A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 331–333; kritisch zur Sinnhaftigkeit dieser Fallgruppe: Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 141; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 281–284; aus wettbewerbsrechtlicher Sicht Schricker, RabelsZ 40, 1976, 549, 549–551. 285  BT-Drs. 14/2658, 15; ausführlich Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 224–234, 739 f.; z. B. auch Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 121; Canaris, Die Bedeutung der iusti­ tia distributiva im deutschen Vertragsrecht, 1997, 47; Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 111 f., 141 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 157; Hey, Freie Gestaltung, 2004, 132; Kötz, Vertragsrecht, 2009, Rn.  36–38, 42; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 125–128, 173. 286  Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 223 f. 287  Ausführlich zu dieser Ausnahme Schmoeckel, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 51, 52, kritisch zur Rspr. 55. 288  EuGH, Pia Messner, C-489/07, ECLI:EU:C:2009:502 Rn.  20; BGH, NJW 2005, 53, 56; Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 95 f., ausführlich 96–118; Eidenmüller, ERCL 2011, 1, 8 f.; Kötz, Vertragsrecht, 2009, Rn.  42; M. Martens, Die Entwicklung der Widerrufsrechte des Verbrauchers, 2010, 79; Rösler, Europäisches Konsumentenvertrags-

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nicht über die Hintergrundkenntnisse, um eine konkrete Art und Qualität der Waren zu vereinbaren. Aus diesem Grund räumt das Widerrufsrecht nach §§  312c, 312g, 356 Abs.  2 BGB dem Verbraucher eine Kontroll- und Überprüfungsfrist ab Erhalt der Ware ein.289 Der Verbraucher wird somit durch das Widerrufsrecht dabei unterstützt, sich über die Vertragsinhalte kundig zu machen, ohne hierdurch vom Vertragsschluss abgehalten zu werden.290 Weiterhin kann ein Vertragsgegenstand so komplex sein, dass ein Laie ihn nur nach einer Überlegungszeit inhaltlich durchdringen kann. Ist zugleich die Rechtsfolge für den Verbraucher besonders belastend oder risikoreich, greift das EU-Recht ein, etwa aufgrund der Länge der Vertragslaufzeit und des finanziellen Umfangs, wie dies im Finanz- und Immobilienbereich der Fall ist.291 Viele Verbraucher haben keine Gelegenheit, sich mit den einzelnen rechtlichen und wirtschaftlichen Details vor Vertragsschluss ausreichend auseinanderzusetzen. Damit können sie nicht überblicken, was sie bei Vertragsschluss genau erwerben und wie sich der Preis zusammensetzt.292 Für den Unternehmer ist es wirtschaftlich sinnvoll, sich die Zeit für die Ausarbeitung des Vertragswerks zu nehmen und diesen in einer Masse an gleichförmigen Verträgen vielfach zu verwenden, d. h. Skaleneffekte zu nutzen. Im Fall des komplexen und unüberschaubaren Vertrags sind der Vertragstyp und seine Ausgestaltung, nicht die Abschlusssituation, mitqualifizierend für das Widerrufsrecht; dieses soll ebenfalls Informationsasymmetrien überwinden.293 Ausgeglichen werden sollen die ungleichen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung und -aufarbeitung.294 b) Verbrauchervertrauen und Marktpräferenzen Zugleich steigert die Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, das Selbstbewusstsein des Verbrauchers, den Vertrag überhaupt einzugehen. Somit wird er durch die Möglichkeit des Widerrufs ermuntert, den Vertrag zu schließen und sich gegebenenfalls wieder von ihm zu lösen. Dies führt wiederum zu einer stärkeren Artikulierung von Verbraucherpräferenzen und kommt insgesamt dem recht, 2004, 43; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 272 f.; A. Thole, Das europäische verbraucherschützende Widerrufsrecht in §§  355, 357 BGB, 2004, 27 f. 289  Z. B. Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 111 f.; Föhlisch, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  12 Widerrufsrechte, Rn.  1, 6; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 174–177; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 223, 235 f. 290  Micklitz/Weatherhill, JCP 16, 1993, 285, 293. 291  Verbraucherdarlehensvertrag (§§  491, 495 Abs.  1 BGB) und der Teilzeit-Wohnrechtever­ trag (§§  481, 485 BGB); vgl. Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 147 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 157; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 1156. 292  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 1156; A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 333 f. 293  Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 95 f., ausführlich 96–118; Eiden­müller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 111 f. 294  Loacker, in: Verschraegen (Hg.), Interdisziplinäre Studien III, 2012, 45, 69.

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Markt und Wettbewerb zugute.295 Dabei stellt das Unionsrecht nicht auf die Motive des Verbrauchers ab.296 Es kommt nicht darauf an, dass der Verbraucher tatsächlich überrumpelt oder uninformiert ist.297 Stattdessen darf der Verbraucher sich widersprüchlich verhalten und einen gewollten Vertragsinhalt innerhalb der Frist begründungslos widerrufen.298 Durch die Gefahr, der Verbraucher könnte den Vertrag widerrufen, ohne dies begründen zu müssen, werden die Unternehmer dazu bewegt, ihre Verträge transparent und marktkonform zu gestalten.299 Der Unternehmer hat ein Interesse, Verträge so zu gestalten und den Vertragsgegenstand so zu beschreiben, dass der Verbraucher auch nach genauerer Durchsicht, Vergleich mit anderen Angeboten am Markt und einer Überlegungsfrist weiterhin am Vertrag festhalten möchte.300 Dies führt dazu, dass sich der Vertrag und seine Konkurrenzprodukte stärker an den Verbraucherpräferenzen ausrichten.301 c) Verbindung von Widerrufsrecht und Informationspflichten Widerrufsrecht und Informationspflichten setzen am gleichen Defizit an und stehen in einem Wechselverhältnis zueinander. Das Widerrufsrecht bedarf der Informationspflichten, um effektiv geltend gemacht zu werden. Umgekehrt sorgt das Widerrufsrecht für eine effektivere Durchsetzung der Informationspflichten.302 Der Verbraucher kann sein Widerrufsrecht erst sinnvoll ausüben, wenn er die dazu notwendigen Informationen über seine Rechte oder den Vertragsinhalt hat.303 Da der Verbraucher aber häufig nicht genau weiß, dass ein Informations295  Z. B. Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 120 f.; Schmid, Die Instrumentalisierung des Privatrechts durch die Europäische Union, 2010, 647; kritisch unter Verweis auf die sog. Moral-Hazard-Problematik Schmoeckel, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 51, 56; kritisch wiederum zu derselben Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 1147. 296  BGH, NJW 2016, 3512, 3517 f.; BB 2016, 2319, 2321; Duchstein, NJW 2015, 1409, 1411; Frischemeier/Jordans, DZWiR 2016, 101, 106; Herresthal, EWiR 2016, 581, 582. 297  BGH, NJW 2016, 3512, 3517 f.; Wendehorst, GPR 2015, 55, 59. 298  Petersen, JZ 2010, 315, 316; krit. H. Roth, JZ 1999, 529, 533; a. A. Frischemeier/Jordans, DZWiR 2016, 101, 106. 299  Micklitz/Weatherhill, JCP 16, 1993, 285, 293; A. Thole, Das europäische verbraucherschützende Widerrufsrecht in §§  355, 357 BGB, 2004, 161. 300  Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 793 f.; Troiano, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 97, 100. 301  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 119; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 290; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 739 f., 1146 f.; Micklitz, VuR 2003, 2, 10; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 481; ders., in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 34; ähnlich auch Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 769; i. E. als zu stark in die Vertragsfreiheit eingreifend ablehnend Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 156–181; ebenfalls ablehnend Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 784 f. 302  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 121; Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 160 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 224–234. 303  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 233–236; Hell-

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defizit besteht oder welche Rechte er hat, ist eine aktive Information notwendig.304 Das Widerrufsrecht entsteht oder die Widerrufsfrist beginnt daher abhängig davon, ob der Unternehmer seinen Informationspflichten ausreichend nachgekommen ist (vgl. etwa Art.  10 VerbrR-RL).305 Zugleich schafft es für den Unternehmer unerwünschte Unsicherheit, wenn er nicht weiß, ob der Vertrag weiterhin Bestand haben wird. Auch wird die Rückabwicklung für den Unternehmer kostspieliger, da z. B. ein Wertersatzanspruch nach mangelnder Information entfallen kann, §  357 Abs.  7 Nr.  2 BGB (Art.  14 Abs.  4 lit.  (a) (i) VerbrR-RL). Das Widerrufsrecht setzt somit Anreize, dass der Unternehmer den Verbraucher korrekt informiert und aufklärt.306 Damit können unfaire Verträge bereits dadurch vermieden werden, dass sie einen Unternehmer dazu zwingen, über unfaire Vertragsbedingungen aufzuklären. Unterlässt er die Aufklärung, entsteht eine (ihm unerwünschte) längere Widerrufsfrist. Klärt er auf, entsteht das Widerrufsrecht nicht, aber der Vertragspartner nimmt das Vertragsangebot nicht an. Im Ergebnis unterlässt der Unternehmer daher die Vertragsbedingung ganz.307 In solchen Fällen dient das Widerrufsrecht dazu, die Informationsvorschriften durchzusetzen. Zwar ist bei einer Fülle an Informationen nicht anzunehmen, dass jeder Verbraucher sie vollständig liest, versteht und gegen unredliche Inhalte vorgeht. Doch Unternehmer verwenden im Massenverkehr meist einheitliche Verträge und können nicht einschätzen, wie informiert oder streitlustig ihre Vertragspartner sind. Um den beschriebenen Disziplinierungseffekt zu erzielen, reicht es daher, wenn der Unternehmer befürchten muss, dass einer der Verbraucher den Vertrag liest und seine Rechte geltend macht.308 Verschärft wird diese Disziplinierung dadurch, dass Informations- und damit Offenlegungspflichten die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass unredliche Händler aufgedeckt und wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden.309 gardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 481 f.; Loos, SSRN1535819 4 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 874–876. 304  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 233 f.; Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 160 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 398; Oechsler, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 925, 938; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 874–876; R. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2001, 146. 305  Lurger, ERCL 2005, 442, 459. 306  S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 125–128; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 269; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 231; Micklitz, VuR 2003, 2, 10; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 795 f.; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 481; ders., in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 33 Fn.  59; ähnlich auch Mankowski, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 181, 187. 307  Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 398. 308  Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1122; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 484. 309  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 268; Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157, 160.

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d) Standardisierung und Objektivierung Auch bei den EU-Widerrufsrechten zeigt sich das zusätzliche Ziel der EU, das Vertragsrecht binnenmarktweit zu harmonisieren und den Handel durch klare, einheitliche Regelungen zu fördern. Verbraucher und Unternehmer sollen klar erkennen können, dass stets ein Widerrufsrecht besteht, ohne dass einer der beiden ex ante oder ein Richter die Voraussetzungen in einem etwaigen Rechtsstreit zusätzlich prüfen muss.310 Die Willensbildung muss also nicht tatsächlich gestört worden sein, anders als etwa im Anfechtungsrecht, das einen Anfechtungsgrund verlangt.311 Auch deswegen gibt es keinen subjektiv nachzuweisenden Widerrufsgrund. Die Motivation und das Situationsverständnis des einzelnen Verbrauchers sind irrelevant.312 Es wird auch nicht darauf abgestellt, dass der Verbraucher im Einzelfall eine irrationale Entscheidung revidiert, sondern dass er die Chance hat, seine Entscheidung zu überdenken, unabhängig davon, ob sie wirklich unvernünftig war.313 3. Inhaltlich halbzwingende Normen der VerbrGK-RL Soweit die übrigen Regelungsinstrumente nicht ausreichen, um die Asymmetrien in der Entscheidungssituation auszugleichen, sieht das Recht zwingende Vertragsinhalte vor (a). Zugleich führen diese zwingenden Vertragsinhalte zu einer binnenmarktweiten Hamonisierung und damit einer leichteren Produktvergleichbarkeit und besserem Wettbewerb (b). a) Asymmetrien in der Entscheidungssituation Zwingende inhaltliche Vertragsregelungen finden sich beim Verbrauchsgüterkauf,314 daneben auch in anderen Regelungsbereichen wie dem Reise-, Produkthaftungs- und Verbraucherdarlehensrecht.315 Das Recht gibt den Vertragsinhalt 310  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 429; Rösler, Europäisches Konsumentenvertrags­ recht, 2004, 131; ähnlich S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 195 f., 514; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 793–795; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 238 f. 311  Eidenmüller, ERCL 2011, 1, 5; Kötz, Vertragsrecht, 2009, Rn.   36–38; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 195 f., 514, 521; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 793 f.; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 236 f.; vgl. etwa auch BGH, NJW 2018, 690, 691. 312  S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 195 f., 514; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 793–796; so auch EuGH, Crailsheimer Volksbank, C-229/04, ECLI:EU:C:2005: 640 Rn.  4 4. 313  Koller, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 821, 823. 314  §  476 i. V. m. §§  434 ff. BGB, Art.  2 2 Abs.  2 VerbrGK-RL; dazu Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 40 f., spricht hier von einem „Schutz durch Typenzwang“. 315  Art.  9 ff., 13 ff. i.Vm. m. Art.  23 Pauschalreise-RL bzw. §  651m BGB; Art.  12 ProdH-RL bzw. §  14 ProdHG; Art.  22 Abs.  2 VerbrK-RL bzw. §  491 ff. BGB; Basedow, in: Gesellschaft

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insbesondere dann vor, wenn es davon ausgeht, dass eine verstärkte Information des Verbrauchers, gegebenenfalls verbunden mit einer Überlegungszeit (Widerrufsrecht), nicht ausreicht oder praktikabel erscheint, um die beschriebenen Informationsasymmetrien zu überwinden.316 Widerrufsrechte und Informationspflichten können Überrumpelungssitua­ tionen und den Gefahren von Distanzgeschäften entgegenwirken. Anders ist es bei komplexen, unüberschaubaren und langwierigen Verträgen: Hier liegt ein Informationsdefizit darin, dass der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Lasten, die auf ihn zukommen, nicht voll überblicken und nicht realistisch einschätzen kann.317 Eine Bedenkzeit von zwei Wochen oder Informationen vor Vertragsschluss können unzureichend sein, um eine Fehleinschätzung zu verhindern oder zu korrigieren. Die Information kann so ungewohnt oder vielschichtig sein oder besonderen Sachverstand erfordern, dass der Gesetzgeber gar nicht erwartet, dass der Verbraucher im Anschluss den Umgang der Gegenleistung versteht, gegebenenfalls seine Fehleinschätzung ändert und den Gegenwert der Leistung korrekt kalkuliert.318 Dies gilt insbesondere für Verträge, die so langfristig angelegt sind, dass die tatsächlichen negativen Folgen erst später fühlbar werden,319 etwa bei Verbraucherdarlehensverträgen.320 Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein Darlehensvertrag und verwandte Vertragsverhältnisse so komplex und unüberschaubar sind, dass dem Verbraucher im Zweifel nicht bewusst ist, für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 99; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 235; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 159; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 481; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 725. 316  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 109; Bruns, JZ 2007, 385, 393; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 163; Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 147 f.; Kötz, Vertragsrecht, 2009, Rn.  42 f.; Lurger, ERCL 2005, 442, 460; dies., in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 107 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 240 f.; Micklitz, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 151, 154; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 279; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 821–828, 878; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1199, 1204; Troiano, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 97, 99; Tamm, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.   Aufl., 2016, §   1 Verbraucherschutz und Privatautonomie, Rn.   12; Wein, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 80, 92–95; kritisch zur Notwendigkeit beim Verbrauchsgüterkauf: G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 37–39, 46; bejahend nur bei Verbraucherdarlehensverträgen: Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 265 f.; zum VVG: Klimke, Die halbzwingenden Vorschriften des VVG, 2011, 47–49. 317  Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 707 f., 872; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1210. 318  Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 195  f., 330; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 34. 319  Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 147 f.; Kötz, Vertragsrecht, 2009, Rn.  42; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 240 f.; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1210. 320  Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1210.

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welche Abreden einen erheblichen Unterschied für ihn machen, gerade bezogen auf die Gesamtkosten. Die zwingenden Regelungen in den §§  491 ff. BGB und den ihnen zugrunde liegenden Regelungen des EU-Rechts geben daher die Vertragsinhalte zwingend vor, die der Gesetzgeber für wichtig hält, die aber von einer Vielzahl der Verbraucher nicht bedacht würden.321 Beim Verbrauchsgüterkauf i. S. d. VerbrGK-RL könnte man zweifeln, dass diese Überlegungen zutreffen.322 Denn beim Kauf eines täglichen Verbrauchsprodukts ist nicht unmittelbar ersichtlich, warum typischerweise Fälle von Überoptimismus und Zeitinkonsistenz vorliegen oder ein Kaufvertrag ein besonders komplexer oder einem Verbraucher fremder Vertragstyp ist.323 Soweit die Normen Informationsdefizite ausgleichen sollen, gehen diese aber auf dieselben Überlegungen zurück: Der Verbraucher soll nicht auf seine Rechte verzichten, selbst wenn er dafür einen besseren Preis erhält, ohne sich im Klaren zu sein, welchen Wert der mit den Rechten einhergehende Schutz hat.324 Ihm wird aber nicht die Fähigkeit abgesprochen, den Wert oder die Eigenschaften der Kaufsache einzuschätzen. Eine Parteivereinbarung über die Beschaffenheit der Sache ist möglich, also auch über die dem Gewährleistungsrecht vorgelagerte Frage, wann eine Sache mangelhaft und damit das Mängelgewährleistungsrecht einschlägig ist.325 Ebenfalls ist die Gewährleistung ausgeschlossen, wenn der Käufer den Mangel kannte oder hätte kennen müssen und der Verkäufer nicht 321  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 240; etwa die Art der Berechnung der Zinsen oder die Zinssätze an sich, inwieweit die Vertragsparteien sich vom Vertrag lösen können oder inwieweit eine vorzeitige Rückzahlung möglich ist oder begrenzt werden kann, §§  499, 500 Abs.  1, Abs.  2, 501 f. BGB; ähnlich Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 85; Möllers, JZ 2002, 121, 131 f. zur Versicherungspflicht bei Reiseveranstaltern, §  651k BGB. 322  Drexl, in: Coester u. a. (Hg.), FS Sonnenberger, 2004, 771, 786; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 250; H. Roth, in: Lorenz (Hg.), Verbraucherschutz – Entwicklungen und Grenzen, 2012, 5, 32. 323 So Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 54–56; Hassemer, Heteronomie und Relativität in Schuldverhältnissen, 2012, 101 f.; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 310 f.; ähnlich Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 250. 324  Hassemer, Heteronomie und Relativität in Schuldverhältnissen, 2012, 107 f.; Ringe, AcP 213, 2013, 98, 107; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2003, 533 f.; z. B. etwaige Kosten der Ersatzlieferung Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 188 f.; kritisch, da paternalistisch: Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 114 mit Fn.  12; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 481 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 870 f. 325 Etwa Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 39  f.; S. Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  476, Rn.  9; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 523 f., 257 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 54, 65 f., 93 f.; Riesenhuber, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 648–370, 651 f.; dies als indirekte Informationspflicht deutend: Wilhelmsson, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 245, 255 f.; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  58, zur im Einzelfall problematischen Abgrenzung zur Umgehung Rn.  59 ff.

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arglistig handelte (Art.  2 Abs.  3 VerbrGK-RL, §  442 BGB). Dem Verbraucher wird also zugemutet, sich eine eigene Meinung über die Kaufsache zu bilden.326 Diese Unterscheidung zeigt, dass der Gesetzgeber (nur) verhindern will, dass der Verbraucher abstrakt ein mit dem Vertragsgegenstand einhergehendes rechtliches Produkt (Mängelgewährleistungsrechte) finanziell einschätzen soll. Denn hierzu hält er ihn für nicht in der Lage, sei es aus Mangel an Erfahrung, sei es aus Mangel an Verständnis.327 Der Unternehmer wiederum hat üblicherweise mehr Erfahrung und Hintergrundkenntnisse. Dies rechtfertigt es, das Informationsrisiko bezogen auf die Mängelrechte bzw. die entsprechenden Kosten auf ihn zu verlagern.328 Er kann diese Kosten darüber hinaus einpreisen und auf seine Vertragspartner umlegen.329 Zusätzlich entstehen für den Unternehmer Anreize, über besondere Beschaffenheitseigenschaften der Sache rechtzeitig zu informieren, um gegebenenfalls eine Mängelhaftung zu verhindern. Die Unabdingbarkeit der Mängelrechte unterstützt somit mittelbar eine transparente Kommunikation über den Vertragsgegenstand.330 Es geht dem Gesetzgeber nicht darum, jedwede eigene Einschätzung oder Disposition durch den Verbraucher zu verhindern.331 Einzig die abstrakte Risikoeinschätzung wird dem Verbraucher nicht zugetraut. Deshalb ist eine Disposition über die Mängelrechte nur möglich, sobald der konkrete Mangel bekannt ist. Liegt der Mangel vor und ist dem Verbraucher bekannt, kann dieser aus Sicht des Gesetzgebers einschätzen, was der Verzicht für ihn finanziell bedeutet.332 Das zeitlich begrenzt zwingende Gewährleistungsrecht soll somit eine spätere, informierte Entscheidung ermöglichen.333 326  Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 65 f., 93 f.; Schmid, Die Instrumentalisierung des Privatrechts durch die Europäische Union, 2010, 634 f. 327  Vgl. Grünbuch, KOM(93)509 endg., 65; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 73 f.; Herresthal, JZ 2006, 695, 696; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 762; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 269; Wertenbruch, Soergel, 13.  Aufl., 2009, §  475, Rn.  11. 328  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 85, 241 f.; Schinkels, ZGS 2003, 310, 313; kritisch Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 40 f. 329  Kötz, Vertragsrecht, 2009, Rn.  45. 330  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 248 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 491 f.; ähnlich bereits Schinkels, ZGS 2003, 310, 313. 331  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 39; kritisch aber W.-H. Roth, in: Schulte-­ Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 6; P. Huber, in: Gottwald u. a. (Hg.), FS Henrich, 2000, 296, 309; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 4 f. 332  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 39  f.; Faust, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  23; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 246 (ähnlich auch bei §  14 ProdHG); Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 523 f., 257 f.; Schwartze, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  14 Verbraucherschutz im Bereich des Kaufvertragsrechts, Rn.  120; kritisch (Klauselkontrolle vorzugswürdig) Riesenhuber, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 139, 166 f. 333  Riesenhuber, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 648–370, 366–368.

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b) Binnenmarktweite Rechtsangleichung Der Gedanke der Rechtsvereinheitlichung ist für den Verbrauchsgüterkaufvertrag als einem typischen Vertrag des Massenverkehrs besonders relevant: Binnenmarktweit sollen einheitliche Standards für seine Ausgestaltung, insbesondere bezogen auf die Rechte des Verbrauchers, bestehen.334 Dieser soll binnenmarktweit mit dem gleichen Rechtsschutz rechnen können, unabhängig von den einzelnen vertraglichen Vereinbarungen und Regelungen zur Vertragsdurchführung.335 Ebenso soll der Unternehmer sicher sein, dass es keine durch rechtlich unterschiedliche Regelungen verursachten Marktgefälle und damit Wettbewerbsverzerrungen gibt. Durch die zwingende Anordnung entsteht zugleich die Rechtssicherheit für Unternehmer, dass diese (Mindest-)Regelungen in allen EU-Mitgliedstaaten gelten, unabhängig davon, wie das nationale Verbraucherrecht genau ausgestaltet ist.336 4. AGB-Kontrolle der Klausel-RL Die Klausel-RL ist einer der ältesten Rechtsakte des EU-Verbrauchervertragsrechts, der noch in Kraft ist.337 Politisch stammt die Richtlinie noch aus einer Zeit, als das Verbraucherrecht in der EU noch stärker verbraucherschützend eingesetzt wurde und der Verbraucher noch nicht primär als Marktakteur wahrgenommen wurde. Ihre Regelungen stellen daher (und aus Kompetenzgründen) nur Mindestvoraussetzungen auf.338 Ausgeglichen werden soll das Defizit, dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet, einen geringeren Informationsstand besitzt und daher dem Vertragsinhalt zustimmt, ohne ihn selbst mitbestimmen zu können.339 Das Verbraucherleitbild der Klausel-RL weicht von je334 ErwG 7 VerbrGK-RL; etwa D. Hoffmann, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 291, 301. 335  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 59; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 109 f., 307 f.; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 251; Schulte-Nölke, ZGS 2003, 184, 185, umgekehrt hieraus auch Anforderungen an die Beschaffenheitsinformation ableitend 187; ähnlich ders., ZGS 2002, 72,76; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 50 f.; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 66 f.; ähnlich aber kritisch zu diesem Argument W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 481 f. 336  Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 238–240; S. Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, Vor §  474, Rn.  1; Reinhardt, in: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Universität Bonn (Hg.), FS Schmidt-Rimpler, 1957, 115, 132 f.; Schmidt-­ Rimpler, in: Baur u. a. (Hg.), FS Raiser, 1974, 3, 15 f.; Schwintowski, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 31, 336; Wertenbruch, Soergel, 13.  Aufl., 2009, §  475, Rn.  6 f. 337  Aus dem Jahr 1993, dazu auch Lurger, ERCL 2005, 442, 460. 338  KOM(2000), 248, 5; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 162. 339  Z. B. EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  25; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  25; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  29; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  46; Pannon, C-243/08,

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nem der VerbrR-RL und der VerbrGK-RL ab:340 Der Verbraucher wird darin geschützt, sich nicht aktiv zu informieren und aus einer unterlegenen Position heraus tätig zu werden. Hintergrund ist die rationale Apathie und auch die Überlegung, dass komplexe Klauselwerke ihn überfordern (a).341 Das Ziel der Binnenmarktverwirklichung ist der Klausel-RL aber nicht vollends fremd (b) und (c).342 Auch die Klausel-RL ist daher im Rahmen der dualen Zielsetzung des EU-Verbrauchervertragsrechts auszulegen.343 a) Asymmetrien in der Entscheidungssituation Die Klausel-RL von 1993 gehört zu den Instrumenten des Verbraucherschutzes, die am Anfang der Vereinheitlichung des EU-Verbraucherrechts stehen und die den Schwächerenschutz stärker in den Vordergrund rücken als spätere Rechtsakte.344 Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Verbraucher zwar Vertragspartner und Vertragsschluss frei wählen kann, aber darüber hinaus keine Möglichkeit hat, den Vertragsinhalt zu beeinflussen.345 Der Schwerpunkt liegt nicht auf ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  22; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  39; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  4 4; Barclays, C-280/13, ECLI:EU:C:2014: 279 Rn.  32; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  22; Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2012, 563 f. 340 Ähnlich Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 66; R. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2001, 146 f.; kritisch daher Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 340. 341  Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 2000, 70 f.; Caruso, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 291, 309 f.; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 65 f.; Coester-Waltjen, JZ 2017, 1073, 1077 f.; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 284, 338–340; Dreher, JZ 1997, 167, 171 f.; Hübner, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 471, 475 f., 477 f.; Jansen, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 53, 76–78; ders., ZEuP 2010, 69, 84 f.; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 126; R. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2001, 146 f.; ähnlich und kritisch zu dieser „sozialen Komponente“ Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 110; a. A. (keine soziale Komponente) G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 198. 342  Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 65; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 45–52; Leyens/H.-B. Schäfer, AcP 210, 2010, 771, 775, 786–792; Micklitz, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 491, 498 f.; Pfeiffer, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  7 – Vor Art.  1, Rn.  1; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 267; Rott, EuZW 2003, 5, 6; Unberath/ Johnston, CMLR 44, 2007, 1237, 1237, 1242 f.; s. a. Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 349 f. 343  Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 66; Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2012, 565–587; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 15 f.; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 342; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 83. 344  Hübner, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 471, 475 f. 477 f.; Jansen, ZEuP 2010, 69, 73; Micklitz, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 119, 127; kritisch Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 345; Schmid, Die Instrumentalisierung des Privatrechts durch die Europäische Union, 2010, 636. 345  Z. B. EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  25; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  25; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615

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der konkreten Verhandlungsschwäche des Verbrauchers. Stattdessen geht es um den Missbrauch der faktischen Machtstellung des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher im Vertrag dadurch, dass der Verbraucher an der Vertragsgestaltung nicht beteiligt wird. Unerheblich ist, ob der Unternehmer den Vertrag selbst entworfen hat.346 Auch bei AGB besteht die strukturelle Informationsungleichgewichtslage. Der Unternehmer kann bei der Konzeption der Vertragsbedingungen die Skaleneffekte nutzen, die durch viele gleichförmige Geschäfte entstehen. Umgekehrt stellt ein Studium der Klauseln für den Verbraucher einen ungleich höheren Aufwand dar, da er den Vertrag nur einmal schließt.347 Nutzt der Unternehmer diese rationale Apathie aus, um den Kunden zu ihn benachteiligenden Vertragsbedingungen zu bewegen, führt dies zu einer schlechten Vertrags- und Produktqualität und damit im Ergebnis zu einem Marktversagen. Dies rechtfertigt die konkret-individuelle Ergebniskontrolle.348 Es geht nicht um eine Bestrafung des Verwenders dafür, dass er seine Macht nutzt. Sondern es geht (nur) darum, diesen zu einem marktkonformen Verhalten anzuregen und zugleich den Verbraucher zu schützen.349 Die Folge einer missbräuchlichen Klausel, nämlich dass diese insgesamt unwirksam ist, geht u. a. auf generalpräventive Erwägungen zurück, die auch im früheren deutschen Recht vorherrschten.350 Der Verwender sollte davon abgehalten werden, unRn.  29; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  46; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  22; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  39; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  22; Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 2000, 111 f.; Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 51; Lieb, DNotZ 1989, 274, 291; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 110; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 259 f.; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 31 f. 346  Vgl. ErwG 9 Klausel-RL; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 149 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 16 f.; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 32 f.; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 338; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 197; ders., in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 31 f. 347  Basedow, in: Fuchs (Hg.), FS Immenga, 2004, 3, 11 f.; ders., in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, vor §§  305 ff., Rn.  6 f. 348  Basedow, in: MünchKomm-BGB, 8.   Aufl., 2019, vor §§  305 ff., Rn.  6–8; K. P. Berger, ZGS 2004, 329, 330; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 160–162, 175 mit Fn.  117; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 84, 93 f.; Leyens/H.-B. Schäfer, AcP 210, 2010, 771, 783 f.; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 340–342, 356; ­Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 84; Tassikas, Dispositives Recht und Rechtswahlfreiheit als Ausnahmebereiche der EG-Grundfreiheiten, 2004, 110; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 197. 349  S. auch ErwG 6, 9 und Art.  7 Abs.  1 Klausel-RL; EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU: C:2009:350 Rn.  26, 31; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  67 f.; Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 124; Coester-Waltjen, JZ 2017, 1073, 1077 f.; ­K ähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 384; Leyens/H.-B. Schäfer, AcP 210, 2010, 771, 784–786; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 8; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 342. 350  Z. B. BGH, NJW 1982, 2309, 2309 f.; NJW 1989, 831, 833.

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wirksame Klauseln zu entwerfen, die dann auf das gerade noch angemessene reduziert werden, aber immer noch günstiger als das dispositive Recht wären.351 Auch darüber hinaus geht es der Richtlinie um die Überwindung von Informationsasymmetrien. Überraschende Klauseln sind unwirksam, was weiter geht als ein reines Transparenzgebot.352 Klar formulierte Vertragsbedingungen dienen dem Verbraucher, selbst wenn dieser die AGB bei Vertragsschluss nicht liest.353 Tritt später ein Fall ein, in dem die per AGB abbedungenen Regeln relevant werden, ermöglicht die Richtlinie ihm hierüber, sich zu informieren und den Inhalt der Vereinbarung zu verstehen.354 b) Verbrauchervertrauen Die Klausel-RL etabliert einen binnenmarktweiten Mindeststandard. Diese Harmonisierung fördert das Vertrauen des Verbrauchers auf Schutz vor unverhältnismäßig belastenden Vertragsklauseln, unabhängig davon, welches nationale Sachrecht anwendbar ist.355 Das Vertrauen des Verbrauchers soll gestärkt werden, Verträge auch dann zu schließen, wenn er die damit verbundenen AGB nicht liest. Er soll davon ausgehen können, nur mit Klauseln konfrontiert zu werden, auf die er sich auch bewusst eingelassen hätte.356 Auch um dieses Vertrauen zu stärken, sind AGB im Zweifel zugunsten des Verbrauchers zu lesen.357 Zugleich wird der Unternehmer dazu angehalten, eindeutig formulierte Verträge zu entwerfen.358 Die Auswahl der vermutet oder stets unwirksamen Klauseln in Verbindung mit der Abwägungsklausel wirkt marktregulierend zugunsten von Verbrauchern und anderen Marktteilnehmern.359 Bis sich durch längere Übung und Rechtsprechung ein Standard entwickelt, welche AGB wirksam bleiben, wer351 

Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2012, 298–300. Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 79 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 17. 353 Kritisch Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 165 f. 354  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 166; M. Wolf, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 313, 322 f. 355  Hübner, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 471, 475 f., 477 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 384; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 8; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 83. 356  Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 94; ähnlich Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 84 f.; M. Wolf, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 313, 323 f.; kritisch zu der Förderung von Untätigkeit Jansen, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 53, 76–78. 357  M. Wolf, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 313, 325 f. 358  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 308; ähnlich Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 80 f. 359  ErwG 1–7; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 96 f.; Jansen, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 53, 54 f. 352 

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den die Unternehmer mittels der durch die nachträgliche Überprüfung verursachten Unsicherheit diszipliniert. Um „sichere“ AGB zu formulieren, gehen sie im Zweifel kaum über den gerade noch rechtlich möglichen Standard hinaus.360 Damit wird vermieden, dass die Unternehmer nur die Untergrenze des rechtlich Zulässigen einhalten. Die Vertragsqualität steigt, statt auf die noch mögliche AGB-Wirksamkeit zu sinken (kein sog. race to the bottom).361 Die klare Rechtsfolge, dass an die Stelle einer unwirksamen Klausel das dispositive Recht tritt, setzt dem Unternehmer Anreize, sich bei der Formulierung von AGB näher am Gesetzestext zu orientieren, um eine Unwirksamkeit der Klauseln zu verhindern. Dies wiederum führt zu einer stärkeren Angleichung der AGB verschiedener Verwender und damit zu einer stärkeren Standardisierung derselben Produkte.362 Verstärkt wird diese Entwicklung durch die gerichtliche Gesamtabwägung, die zu verschiedenen nationalen Standards führen kann. Dies erhöht die Disziplinierung der Unternehmer und die Angleichung der Vertragsbedingungen, denn die Unternehmer müssen sich EU-weit orientieren, um „sichere“ AGB zu entwerfen.363 Auch solche klar formulierten, ähnlich aufgebauten Vertragsbedingungen erhöhen die Produktvergleichbarkeit für Verbraucher, Intermediäre und Mitbewerber und fördern damit den Wettbewerb.364 c) Binnenmarktweite Rechtsangleichung und Rechtssicherheit Der Klausel-RL merkt man trotz ihres frühen Entstehungszeitpunkts das Interesse der EU an, die Rechtsvorschriften im Binnenmarkt über die Etablierung eines Mindeststandards hinaus anzugleichen.365 Zwar wird die Unwirksamkeit einer vorformulierten Vertragsbedingung aufgrund einer richterlichen Gesamtabwägung festgestellt, d. h. aufgrund einer nachträglichen Kontrolle. Dies erzeugt Unsicherheit am Binnenmarkt, da die richterliche Abwägungsentscheidung schwer vorhersehbar ist. Auch der EuGH stellt grundsätzlich nur abstrakte Mindestkriterien für die Einzelfallbewertung der Klauseln durch nationale

360  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 180–182; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 343; allgemein auch Adams, BB 1989, 781, 788. 361  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht,  2013, 160 f.; Leyens/H.-B. Schäfer, AcP 210, 2010, 771, 784 f.; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 356. 362  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 184 f. 363  Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 356. 364  Adams, BB 1989, 781, 787; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 92, 165, 180–182, 184 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 253, 310 f.; ähnlich Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 337 f., 360 f.; ders., in: Beuthien u. a. (Hg.), FS Medicus, 2009, 67, 88. 365  Hübner, in: Hübner/Ebke (Hg.), FS Großfeld, 1999, 471, 475 f., 477 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 384; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 8; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 83.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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Gerichte auf.366 Dies widerspricht dem Ziel der EU, durch gleiche Standards in allen Mitgliedstaaten den Binnenmarkt zu fördern.367 Doch wird der Tatbestand, der zur Kontrolle führt, also den Anwendungs­ bereich der Normen eröffnet, objektiv und typisiert bestimmt: Die Kontrolle ist bereits dann eröffnet, wenn das Merkmal der „Vorformulierung“ erfüllt ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Fall oder die Auslegung, welcher oder welche die Klausel unangemessen macht, streiterheblich ist.368 Ebenso wenig ist relevant, ob tatsächlich der Vertrag einseitig gestellt oder der Vertragsinhalt von einer Seite nicht wahrgenommen wurde.369 Abgestellt wird nur darauf, ob die Vertragsbedingungen „vorformuliert“ wurden, nicht darauf, wie tatsächlich verhandelt wurde.370 Damit unterscheidet die Prüfung sich etwa von der Inhaltskontrolle des deutschen Rechts i. S. d. §  138 BGB.371 Auch etabliert die Regel, wonach Unklarheiten stets zulasten des Verwenders gehen, einen eindeutigen Auslegungsmaßstab. Alle nationalen Gerichte legen die Klauseln also in dieselbe Richtung aus. Damit lässt sich besser vorhersehen, wie die gerichtliche Bewertung ausfallen wird.372 Ebenso stellen die Regelungen zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit starr auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab, also einen klar bestimmbaren Zeitpunkt.373 Schließlich ist die Folge einer unangemessenen Klausel klar geregelt: Diese ist insgesamt unwirksam und das dispositive Recht tritt an ihre Stelle.374 Weiterhin sieht das Unionsrecht verschiedene Mittel vor, um die Unsicherheit einer richterlichen Entscheidung ex ante zu verringern. Die Klausel-RL enthält im Anhang eine Liste mit Hinweisen zur weiteren Konkretisierung, wann Mitgliedstaaten die Unwirksamkeit einer Klausel annehmen können.375 Hierdurch soll eindeutiger werden, wann die Voraussetzungen der Generalklausel vorliegen.376 Der Anhang ist nur eine Empfehlung, anders als der nicht übernommene 366  Coester, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Heinrichs, 1998, 99, 104 f.; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 356; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 115–119. 367  Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1081; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 356. 368  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 176. 369  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 165 f.; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 261. 370  Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 261; krit. Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2012, 583 f. 371  Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 261 f., 265–269. 372  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 308; ähnlich Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 80 f. 373  Art.  4 Abs.  1 Klausel-RL; EuGH, Unicaja Banco und Caixabank, C-482/13, ECLI:EU: C:2015:21 Rn.  37; Cafaggi/Iamiceli, SSRN-id2898981, 9; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 436. 374  Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 140 f. 375  Art.  3 Abs.  3 Klausel-RL. 376  Micklitz, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 491,

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

Vorschlag einer Neuregelung in der VerbrR-RL.377 Die Mitgliedstaaten müssen die Liste nicht ins mitgliedstaatliche Recht übernehmen. Der Anhang ermöglicht ihnen aber, mehr Rechtssicherheit zu schaffen.378 Soweit die Mitgliedstaaten die Klauseln der Liste übernehmen, müssen die Gerichte bei der Auslegung einer Vertragsklausel nicht mehr auf die Ausgestaltung des nationalen Vertragsrechts zurückgreifen. Der EuGH kann umfänglich beurteilen, ob eine Klausel richtlinienwidrig ist. Durch die Übernahme der Klauseln wird somit ein Ergebnis erreicht, das einer Vollharmonisierung gleichkommt, obwohl die Richtlinie nur mindestharmonisiert.379 Der EuGH neigt zudem dazu, seine Argumentation durch Bezugnahme auf die Liste zu unterstützen. Er nutzt sie als „Informationsquelle“, spricht ihr „Hinweischarakter“ zu und entnimmt ihr eine Indikation für die Vertragswidrigkeit einer Klausel.380 Aus der Liste ergeben sich also Anhaltspunkte, welche Klauseln vor dem EuGH Bestand haben.381 Die Mitgliedstaaten müssen die Unternehmer auf die Liste zugreifen lassen, damit sie sich nach ihr richten können.382 Orientieren sich die Unternehmer bei der Entwicklung ihrer AGB an der Liste und vermeiden die dort angesprochenen Klauseln, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch der EuGH die Klauseln für wirksam erachtet. Die Liste mindert also die Rechtsunsicherheit der nachträglichen richterlichen Kontrolle und erleichtert es den Unternehmern, marktkonforme Verträge zu entwerfen. Sie können die mit der Entwicklung der Klauseln einhergehenden Zusatzkosten gegebenenfalls auf die Verbraucher umlegen.383 Dem Unternehmer kommt diese Standardisierung entgegen, jedenfalls wenn er den Vertrag entsprechend gestaltet oder die von der EU zur Verfügung gestellten Musterformulare verwendet. Er kann dann davon ausgehen, dass eine 519 f.; Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1081; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 83. 377  Caruso, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 291, 291 f. 378  EuGH, Kommission ./. Schweden, C-478/99, ECLI:EU:C:2002:281 Rn.  21 f.; Hondius, ERPL 18, 2010, 103, 111 f.; Jansen, ZEuP 2010, 69, 102 f. 379  Caruso, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 291, 291 f. 380  EuGH, Kommission ./. Schweden, C-478/99, ECLI:EU:C:2002:281 Rn.  2 2; Freiburger Kommunalbauten, C-237/02, ECLI:EU:C:2004:209 Rn.  20; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU: C:2010:685 Rn.  58; Gsell, in: Staudinger-Eckpfeiler, 2018, Verbraucherschutz, Rn.  23; Micklitz/ N. Reich, EuZW 2013, 457, 459; Micklitz, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 119, 145; Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1081 f. 381  EuGH, Invitel, C-472/10, ECLI:EU:C:2012:242 Rn.  25 f.; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 354; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 121–127, 129 f.; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 34. 382  EuGH, Kommission ./. Schweden, C-478/99, ECLI:EU:C:2002:281 Rn.  2 2 f. 383  Caruso, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 291, 309 f.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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dem Gesetz entsprechende Vertragsgestaltung weder gegen zwingendes Unionsrecht verstößt, noch bei einer AGB-Kontrolle für unwirksam erklärt werden würde, und dies unabhängig davon, welches mitgliedstaatliche Recht auf den Vertrag anwendbar ist. Dies schafft ihm unionsweit einen gewissen Grad an Rechtssicherheit.384

IV. Konsequenz der dualen Zielsetzung für Parteidispositionen Die doppelte Zielsetzung des EU-Verbrauchervertragsrechts wirkt sich bei der Diskussion aus, inwieweit Parteidispositionen zulässig sind. Sie ist ausschlag­ gebend bei der Entscheidung, ob eine Vereinbarung „zum Nachteil des Verbrauchers“ (z. B. §§  476 Abs.  1 S.  1, 312k Abs.  1 S.  1 BGB) aufgrund einer Gesamtbetrachtung festgestellt werden kann (1.) und entscheidend bei der umstrittenen Frage, ob die Parteien „zwingendes“ Verbrauchervertragsrecht abbedingen können, wenn die situative Ungleichgewichtslage ausnahmsweise nicht besteht oder nachträglich entfällt (2. und 3.). Stünde nur die verbraucherbezogene, verbraucherschützende Zielsetzung im Zentrum, müsste eine Parteidisposition zulässig sein, wenn der konkrete Verbraucher nicht an dem unterstellten Defizit leidet oder dieses beseitigt wird. Ebenfalls sprächen seine Interessen dafür, eine abweichende Vereinbarung zuzulassen, die in einer Gesamtbetrachtung zu seinem Vorteil führt, etwa wenn er auf seine Rechte gegen einen umfangreichen Preisnachlass verzichtet. Die unternehmer- und binnenmarktorientierte Zielsetzung führt aber dazu, dass eine abweichende Beurteilung notwendig ist. 1. Konzept des halbzwingenden Rechts im EU-Verbrauchervertragsrecht Die Regelungen, die auf die VerbrR-RL und die VerbrGK-RL zurückgehen, werden als „halbzwingend“ bezeichnet. Dies bezeichnet, dass sie nur Parteivereinbarungen verbieten, die zum Nachteil des Verbrauchers vom Gesetz abweichen, also dessen Rechtslage verschlechtern.385 384  Arnold, Vertrag und Verteilung, 2014, 361 f.; vgl. auch Grundmann, NJW 2000, 14, 17–19; Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A16 f. 385  Z. B. Art.  25 VerbrR-RL; §  476 BGB in Umsetzung von Art.  7 Abs.  1 31 VerbrGK-RL; dazu auch BT-Drs. 14/6040, 80; §  312k Abs.  1 S.  1 BGB, als Umsetzungsnorm zu u. a. Art.  25 VerbrR-RL, Art.  12 Richtlinie 2002/65 vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. EG 2002, Nr. L 271, 16 und zu Art.  10, 11 E-Commerce-RL; BGH, NJW-RR 2009, 709–711, 710; OLG Frankfurt, MMR 2015, 517, 517; LG Hamburg, MMR 2004, 190–192, 190; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 662 f.; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §   475, Rn.   16–21; Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157, 159; Kocher, ZEuP 2006, 784, 791; Koller, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 821, 822 f.; Schwartze, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  14 Verbraucherschutz

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

Verbrauchervorteilhafte Vereinbarungen sind demgegenüber möglich, etwa Verlängerungen der Widerrufsfrist,386 Zugangserleichterungen der Verbrauchererklärung387 oder längere Fristen im Mängelgewährleistungsrecht.388 Die Regelungen sagen nicht, wann eine Vereinbarung „zum Nachteil des Verbrauchers“ ist, wenn verschiedene, wechselbezügliche Vertragspflichten vereinbart werden, die Vor- und Nachteile enthalten. Der Maßstab einer Abweichung durch Parteivereinbarung ist in einem solchen Fall unklar und umstritten. Es stehen sich zwei Ansichten gegenüber, diejenigen, die einen Nachteil durch eine Gesamtbetrachtung des Vertrags feststellen wollen (kürzere Frist gegen Preisnachlass wäre kein Nachteil etc.)389 und diejenigen, die sich für eine Einzelbetrachtung390 jeder konkreten Abweichung vom Gesetz aussprechen.391 Eine systematische Auslegung spricht dafür, dass eine Gesamtabwägung die Ausnahme darstellt (a). Dieses Ergebnis wird durch eine Analyse der Regelungsziele bestätigt: Beide Zielrichtungen des EU-Verbrauchervertragsrechts sprechen für eine Einzelbetrachtung (b, c). a) Gesamtabwägung als Ausnahmekonzept im EU-Verbrauchervertragsrecht Das EU-Recht trifft keine allgemeine Aussage dazu, wie das Konzept der Abweichung „zum Nachteil des Verbrauchers“ zu konkretisieren ist. Eine Gesamtbetrachtung hätte den Vorteil, flexibel gegenüber einzelnen Vereinbarungen zu sein. Besonderen Konstellationen oder ungewöhnlichen Entwicklungen im konkreten Vertrag könnte besser begegnet werden und eine Zementierung der

im Bereich des Kaufvertragsrechts, Rn.  119; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  1; zum VVG: Klimke, Die halbzwingenden Vorschriften des VVG, 2011, 39; zu Art.  II-5:201 DCFR i. V. m. Art.  II-5:101(2) DCFR: G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 13. 386  Z. B. BGH, NJW-RR 2009, 709–711, 710; OLG Frankfurt, MMR 2015, 517, 517; Föhlisch, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  12 Widerrufsrechte, Rn.  11. 387  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 662 f. 388 Beispiele: LG Hamburg, MMR 2004, 190–192, 190; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  16–21; Schwartze, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  14 Verbraucherschutz im Bereich des Kaufvertragsrechts, Rn.  119; Klimke, Die halbzwingenden Vorschriften des VVG, 2011, 39 (zum VVG). 389  Für eine solche Gesamtbetrachtung: Adomeit, JZ 2003, 1053, 1054; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 421 f., 433; unklar Fritsche, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  355, Rn.  5; im Versicherungsrecht: Klimke, Die halbzwingenden Vorschriften des VVG, 2011, 62–68; Schwintowski, VuR 2007, 27, 27; OLG Koblenz, NJOZ 2008, 2471, 2473; OLG Dresden, VuR 2007, 23, 25; OLG Schleswig, VuR 2007, 22, 23; anders, aber ohne zu problematisieren BGH, NJW 1996, 1409, 1410. 390 Beispiele: LG Hamburg, MMR 2004, 190–192, 190; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  16–21; Schwartze, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  14 Verbraucherschutz im Bereich des Kaufvertragsrechts, Rn.  119; Klimke, Die halbzwingenden Vorschriften des VVG, 2011, 39 (zum VVG). 391 Ausführlich Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 796.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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Rechtslage würde verhindert.392 Für Unternehmer und einen aufmerksamen Verbraucher wäre eine solche Gesamtsaldierung von Vorteil, da der Vertrag stärker auf individuelle Bedürfnisse eingehen könnte.393 Zwei Bereiche des EU-Verbrauchervertragsrechts sehen vor, dass eine Gesamtabwägung vorzugswürdig ist: Die Regelungen zur Prüfung der Missbräuchlichkeit einer AGB i. S. d. §§  305 ff. BGB (bzw. Artt.  3 f. Klausel-RL) und jene zum Rückgriff in der Lieferkette gem. §  478 Abs.  2 S.  1 BGB (zurückgehend auf Art.  4 VerbrGK-RL). In beiden Fällen ist eine Vereinbarung wirksam, die in einer Gesamtschau des Vertrags nicht nachteilig ist.394 Die Klausel-RL nimmt die „Missbräuchlichkeit“ einer Vertragsbedingung an, wenn die Bedingung „entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht“ (Art.  3 Abs.  1). Dieses Missverhältnis ist anhand einer Gesamtabwägung festzustellen unter Berücksichtigung verschiedener Umstände (Art des Vertragsgegenstands, Umstände des Vertragsabschlusses, Gefüge im Gesamtvertrag, Zusammenhang mit anderen Verträgen, Art.  4 Klausel-RL). Laut §  478 Abs.  2 S.  1 BGB ist beim Rückgriff des Unternehmers in der Lieferkette eine Abbedingung ausnahmsweise möglich, wenn ein „gleichwertiger Ausgleich“ vereinbart wird. Aus den beiden Normen lässt sich aber kein Gesamtsystem ableiten, dass im EU-Verbrauchervertragsrecht die „Nachteiligkeit“ in halbzwingenden Normen stets in einer Gesamtschau festgestellt wird.395 Zum einen unterscheidet sich die Formulierung von §  478 Abs.  2 S.  1 BGB deutlich von §  476 Abs.  1 BGB. Der Gesetzgeber macht also deutlich, dass er keine Parallelsituation annimmt.396 Auch geht §  478 BGB auf Art.  4 VerbrGK-RL zurück, dieser trifft aber keine entsprechende Regelung. Im Gegenteil gewährt Art.  4 VerbrGK-RL den Mitgliedstaaten weiten Freiraum beim Umsetzen und ordnet weder eine halb- noch eine gänzlich zwingende Wirkung wie Art.  7 VerbrGK-RL an, auf den §  476 BGB zurückgeht.397 Aus dem Vergleich der Formulierungen lässt sich daher nicht auf die Sicht des EU-Rechts schließen, wie halbzwingende Normen wirken. §  476 Abs.  1 S.  1 BGB ist aber richtlinienkonform anhand des Regelungs392 Ähnlich

Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 411. I.E. aber ablehend Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 72. 394  Vgl. ErwG 9 VerbrGK-RL und die Umsetzung in §  478 Abs.  2 S.  1 BGB, („gleichwertiger Ausgleich“); ausdrücklich auch BT-Drs. 14/6040, 249; etwa Wertenbruch, Soergel, 13.  Aufl., 2009, §  475, Rn.  22. 395  Ausführlich zur Frage Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 421 f.; S. Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  476, Rn.  12; dazu auch Möslein, Dispositives Recht, 2011, 203 f., 209 f. 396  Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 421 f.; S. Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  476, Rn.  12; dazu auch Möslein, Dispositives Recht, 2011, 203 f., 209 f. 397  ErwG 9 VerbrGK-RL; ausdrücklich auch BT-Drs. 14/6040, 249; etwa Wertenbruch, Soergel, 13.  Aufl., 2009, §  475, Rn.  22. 393 

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zwecks von Art.  7 VerbrGK-RL auszulegen. Hinzu kommt, dass §  478 BGB Vereinbarungen im B2B-Verhältnis betrifft, nicht im B2C-Verhältnis und damit nicht die Besonderheiten des Verbrauchervertragsrechts gelten. Zum anderen zielt auch die AGB-Kontrolle nicht darauf ab, Regelungen pauschal für unwirksam zu erklären. Die Prüfung bezieht sich nicht auf bestimmte Vertragsinhalte oder Vertragstypen, sondern auf die Umstände, unter denen die Parteien über Recht disponieren, das unter anderen Umständen abdingbar wäre.398 Das AGB-Recht gibt einen (Mindest-)Rahmen vor, in dessen Grenzen eine bestimmte Art der Disposition stattfinden muss, nämlich eine Disposition in vorformulierten Standardvertragsbedingungen.399 Es geht also darum, eine bestimmte äußere Vertragsgestaltung zu kontrollieren, nicht einen bestimmten Vertragsinhalt. Der Unternehmer soll marktkonforme, transparente Verträge auch im Bereich des dispositiven Rechts entwerfen.400 Die AGB-Kontrolle reguliert also primär die Vertragskonzeption, nicht den konkreten Vertragsinhalt. Eine Gesamtabwägung ist angebracht, da es eben um die Gesamtkonzeption des Vertrags geht. Im Gegensatz dazu zielen die nicht abdingbaren Regeln der VerbrGK-RL und VerbrR-RL auf spezielle (Vor-)Vertragspflichten ab, nicht den Gesamtvertrag. Der Klausel-RL lässt sich daher nicht entnehmen, dass die Wirksamkeit einer Vereinbarung zum Vor- oder Nachteil des Verbrauchers stets, d. h. über die Klausel-RL hinaus, im Wege einer Gesamtabwägung festzustellen ist. b) Verbraucherbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts Gegen eine Gesamtabwägung spricht zudem, dass Verbraucher vom EU-Recht in den hier untersuchten Konstellationen regelmäßig bei Vertragsschluss als nicht fähig angesehen werden, den Vertragsinhalt rational einschätzen zu können. Etwa ist das Recht des Verbrauchsgüterkaufs zwingend, um das informa­ tionelle Defizit auszugleichen, das dadurch entsteht, dass der Verbraucher den Preis des Produkts inklusive der einzelnen rechtlichen Positionen, insbesondere der Mängelgewährleistungsrechte, nicht einschätzen kann. Damit wäre er folglich auch nicht in der Lage, auf bestimmte Rechte im Tausch für Vergünstigungen zu verzichten, da die Gesamtabwägung gerade beinhaltete, die Vertragsvereinbarungen und ihr Gesamtgefüge zu durchdringen.401 Das Widerrufsrecht 398  Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 2000, 58 f.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 151–158. 399  W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 32. 400  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 124; Coester-Waltjen, JZ 2017, 1073, 1077 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 384; Leyens/H.-B. Schäfer, AcP 210, 2010, 771, 785 f., 787 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 8; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 342. 401  Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 762; ähnlich wohl Saenger, in: Erman, 13.  Aufl., 2011, §  312i, Rn.  3.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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und die Informationspflichten gehen ebenso davon aus, dass bei Vertragsschluss die Entscheidungsgrundlage des Verbrauchers nicht so umfassend ist, dass er die Vertragsrisiken rational und realistisch einschätzen kann. Ihm muss daher eine Bedenkzeit gewährt werden und der Unternehmer muss die Informationsgrundlage aktiv ausgleichen.402 Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass der Verbraucher das Gesamtprodukt Vertrag nicht überblicken kann. Er ist daher nicht in der Lage, zu erfassen, wann ein Verzicht auf bestimmte Rechte im Gesamtgefüge vorteilhaft ist. Das gesetzgeberische Ziel, den Verbraucher vor „unvernünftigen“ Verträgen zu bewahren, spricht dafür, keine Gesamtabwägung zuzulassen, um festzustellen, ob eine Vereinbarung nachteilig für den Verbraucher ist. c) Unternehmerbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts Darüber hinaus spricht die Harmonisierungs- und Standardisierungsfunktion gegen eine Gesamtabwägung. Das EU-Verbrauchervertragsrecht möchte einen Mindest- oder Vollstandard an Verbraucherrechten schaffen. Damit ein binnenmarktweit einheitlicher Standard besteht, darf dieser nicht national unterschritten werden. Eine gerichtliche Gesamtbewertung der Vereinbarung, um festzustellen, welche Teile des Vertrags im Ergebnis zugunsten des Verbrauchers abbedungen wurden, schafft im Vorfeld Rechtsunsicherheit. In unterschiedlichen Ländern würden sich unterschiedliche Abgrenzungskriterien und nationale Standards entwickeln. Solche Standards und Unvorhersehbarkeiten aufgrund nationaler Unterschiede sollen aber gerade durch die Harmonisierung und die zwingende Anwendung der Regelungen vermieden werden.403 Das EU-Recht soll ex ante Rechtssicherheit durch gleiche Mindestregeln im mindestharmonisierten Verbrauchsgüterkauf404 und allgemeine Standards im vollharmonisierten Bereich der VerbrR-RL405 erreichen. Eine ex post-Betrachtung, wie sie die Klausel-RL vorsieht,406 erhöhte die Rechtsunsicherheit für die individuellen Parteien. Nähme man eine Gesamtbewertung aus einer ex ante-Perspektive vor, wäre bis zur Durchführung des Vertrags unklar, welchen Inhalt er hat, da die Wirksamkeit der Vereinbarungen auch von tatsächlichen Entwicklungen abhinge.407 402 

Troiano, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 97, 100. Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 797. 404 Ähnlich Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 797; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 210 f.; anders wohl BT-Drs. 14/6040, 249 (zum Unternehmerregress). 405  Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  7; ähnlich zu den Vorgängervorschriften Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 949 f.; a. A. bei §  495 BGB: Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 797 f. 406  K. P. Berger, in: PWW, 13.   Aufl., 2018, §  307, Rn.  9; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 233 f.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 84 f.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 438 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 212; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 18 f. 407  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 72; ähnlich Möslein, Dispositives Recht, 403 Ähnlich

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

Es ist daher keine Gesamtbewertung möglich, etwa ein besserer Preis für den Verzicht auf ein Recht. Jede Einzelregelung, etwa zu einem konkreten Mängelgewährleistungs- und Widerrufsrecht, ist als zwingender Mindeststandard anzusehen, von dem durch eine nur bei einer Gesamtbetrachtung vorteilhafte Regelung nicht abgewichen werden kann.408 c) Zwischenergebnis Es ist vorbehaltlich ausdrücklicher Normierung – wie in der Klausel-RL – jede Einzelregelung des EU-Verbrauchervertragsrechts als zwingender Mindeststandard anzusehen. Von ihr kann auch bei einer in Gesamtbetrachtung vorteilhaften Vertragsgestaltung nicht abgewichen werden.409 Eine unzulässige Abweichung von einer halbzwingenden Norm liegt vor, wenn die dem Verbraucher in einer konkreten Regelung zugestandenen oder gesicherten Rechte vermindert oder beschränkt werden. Es wird nicht abgewogen, ob der Verbraucher insgesamt Vorteile zugesprochen erhält.410 2. Unzulässigkeit von Parteidispositionen trotz Entfallen des individuellen Schutzbedürfnisses Es wird vertreten, Normen, die Schwächerenschutz anstrebten, seien nicht anwendbar, wenn ausnahmsweise der unterstellt Schwächere keines Schutzes bedarf (a). Aus den verbraucherbezogenen Zielen des EU-Rechts ergibt sich aber, dass es nur wenige Situationen gibt, in denen der individuelle Verbraucher den Schutz der Regelungen nicht benötigt (b). In diesen wenigen Situationen stehen die unternehmerbezogenen Ziele einer Parteidisposition entgegen (c).

2011, 204 f.; zur entsprechenden Frage bei der Handelsvertreter-RL: GA Poiares Maduro, Honyvem Informazioni Commerciali Srl ./. Mariella De Zotti, C-465/04, ECLI:EU:C:2005:641 Rn.  30; anders wohl Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 433. 408  Faust, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  21; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 949 f.; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  7; Wertenbruch, Soergel, 13.  Aufl., 2009, §  475, Rn.  22 f.; zu §  487 BGB: Franzen, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  487, Rn.  5; zu §  511 BGB: Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 758 f.; a. A. zu §  495 BGB Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 797 f. 409  Faust, in: Bamberger u.  a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  21; R. Koch, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  312k, Rn.  3; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 949 f.; Maume, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  312k BGB, Rn.  4; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  7; a. A. bei §  495 BGB: Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 797 f.; sonst aber ähnlich ebd. 797; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 210 f.; anders wohl BT-Drs. 14/6040, 249 (zum Unternehmerregress). 410  Faust, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  21; Kessal-­ Wulf, in: Staudinger, 2012, §  511, Rn.  3; Wertenbruch, Soergel, 13.  Aufl., 2009, §  475, Rn.  22 f.; Franzen, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  487, Rn.  5 (zu §  487 BGB); Schürnbrand, JZ 2009, 133, 134 f.; zu §  511 BGB: Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 758 f.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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a) Streitstand Im Verbrauchervertragsrecht wird vertreten, eine Parteidisposition über die unabdingbaren Normen sei möglich, sollten das situative Defizit oder die besondere Informationsasymmetrie, welche das Unionsrecht beseitigen möchte, im Einzelfall nicht vorliegen. Die Meinung baut auf der These auf, dass eine Vereinbarung grundsätzlich nicht danach bewertet wird, ob sie in einem Gesamtsaldo für den Verbraucher nachteilig ist, sondern dass auf jede konkrete Norm und die Abweichung von dieser durch Vereinbarung abzustellen ist (s. o. 1.). Beabsichtigen so zu verstehende unabdingbare Normen, in bestimmten Momenten ein Verhalten zu erzielen, erschöpfe sich ihre Zielrichtung und damit die zwingende Wirkung in dieser Situation. Ein „überschießender“ Schutz eines nicht in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigten Verbrauchers wäre im Einzelfall bevormundend und wegen Unverhältnismäßigkeit unzulässig, sodass eine teleologische Reduktion oder restriktive Auslegung erforderlich sei.411 Die Unverhältnismäßigkeit ergebe sich daraus, dass ein nicht erforderlicher Schutz ein Eingriff in die Vertragsfreiheit sei, der nicht notwendig sei, um das Ziel der Norm zu erreichen.412 Es wird daher angenommen, dass ein Verbraucher, der keine Überlegungsfrist oder Information braucht, auf sein Widerrufsrecht oder die Informationserteilung, etwa gegen einen Preisnachlass, verzichten können müsse.413 Mit dieser Auffassung ist eine Parteivereinbarung in bestimmten Einzelfällen auch dann zulässig, wenn die Vereinbarung entgegen §§  312k Abs.  1 S.  1, 476 Abs.  1 S.  1 BGB zum Nachteil des Verbrauchers vom Gesetz abweicht. Eine demnach zulässige Vereinbarung hätte den Vorteil, dass sich die vom Unternehmer einkalkulierten und eingepreisten Risiken verringerten, nachträglich aufgrund der zwingenden Normen in Anspruch genommen zu werden. Im Ergebnis sänke der Gesamtpreis der Produkte für alle Verbraucher: Der Unternehmer legte nun ein geringeres Risiko auf alle Verträge um.414 In Folge wird gezeigt, dass dieser Auffassung nicht zu folgen ist.

411 

Schürnbrand, JZ 2009, 133, 135; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  10. Hau, ZfPW 2018, 385, 386; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 427; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, 529; J. Neuner/M. Wolf, BGB AT, 11.  Aufl., 2016, §  3 Rn.  19; R. Stürner, AcP 210, 2010, 105, 136 f. 413  Ausführlich zu dem Thema: Ben-Shahar/Porat, SSRN-id3184095, 5–7; ähnlich A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 351–353, 356 f.; Mülbert/Zahn, in: Grunewald/Westermann (Hg.), FS Maier-Reimer, 2010, 457, 463; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  9 f.; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 22 f.; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 57; siehe auch M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 204 f., 209–211. 414  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 112 f.; Ben-Shahar/Porat, SSRN-id3184095, 17 f.; Canaris, AcP 200, 2000, 273, 362; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 40 f.; Drexl, in: Schlechtriem (Hg.), Wandlungen des Schuldrechts, 2002, 97, 126 f.; Hassemer, Heteronomie und Relativität in Schuldverhältnissen, 2012, 103 f.; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 272 f. 412 

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

b) Verbraucherbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts Welche Situationen kommen in Betracht, in denen das Defizit des Verbrauchers entfällt, das durch die unabdingbare Norm bekämpft wird? Es zeigt sich, dass kaum Situationen existieren, die vom Gesetzgeber nicht bereits bedacht wurden, in denen die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers entfallen kann. Notwendig ist eine Situation, in der sichergestellt ist, dass das Defizit (Überrumpelungssituation, unüberschaubare Vertragsverhältnisse, weitere Informationsasymmetrien) ausnahmsweise nicht durch das Recht zu kompensiert werden braucht.415 (1) Widerrufsrecht Beim Widerrufsrecht ist keine Situation ersichtlich, in der die verbraucherbezogenen Ziele der Norm auf anderem Weg als durch die bereits vorhandenen Regeln zum Widerruf erfüllt werden, insbesondere in §  312g Abs.  2 BGB (Art.  3 Abs.  3 VerbrR-RL). Das Widerrufsrecht soll das Defizit bekämpfen, dass der Verbraucher nur mit Überlegungszeit und nachdem er bestimmte Informationen oder die Ware erhalten hat, eine rationale, selbstverantwortliche Entscheidung über den Vertragsschluss treffen kann. Es wird angenommen, ein belehrter, d. h. informierter Verbraucher müsse auf das Widerrufsrecht verzichten können.416 Es geht beim Widerrufsrecht aber nicht nur um die Information des Verbrauchers, sondern auch darum, dem Verbraucher eine Überlegungsfrist einzuräumen. Kern des Widerrufsrechts ist damit nicht allein die Widerrufbarkeit der Willenserklärung im Vertragsschlussmoment, sondern die darüber hinausgehende Reflexionsmöglichkeit. Die hierfür vorgesehene Zeitspanne würde durch einen Verzicht abgeschnitten, obwohl sie gerade das ist, was die Norm anstrebt, um eine Entscheidung zu gewährleisten.417 Träfen die Parteien im Moment des Vertragsschlusses, in dem der Verbraucher überrumpelt oder informativ überfordert ist, eine Vereinbarung über einen Verzicht auf das Widerrufsrecht oder seine Nichtausübung, wiese diese Vereinbarung dasselbe Defizit auf wie der Vertragsschluss selbst.418 Denn die 415  Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 764, 873; Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 774; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  10; ähnlich Mülbert/Zahn, in: Grunewald/Westermann (Hg.), FS Maier-Reimer, 2010, 457, 463; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 28. 416  A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 351–353, 356 f.; R. Koch, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  312k, Rn.  7; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  9; ähnlich M ­ ülbert/Zahn, in: Grunewald/ Westermann (Hg.), FS Maier-Reimer, 2010, 457, 463. 417  Schürnbrand, JZ 2009, 133, 135. 418  Grigoleit, in: Basedow u. a. (Hg.), Max Planck Encyclopedia of European Private Law, 2012, 2a; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 170 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 865; a. A. Riesenhuber, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 139, 166; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 21.; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 58.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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Überrumpelung entfällt nicht, wenn es inhaltlich um eine konkrete Vertragsfrage geht. Die zusätzliche Vereinbarung, auf das Widerrufsrecht zu verzichten, macht den Vertrag noch komplexer und erfordert gerade eine Reflexion. Ein Verzicht kann daher nur zulässig sein, wenn sichergestellt ist, dass der Verbraucher zusätzlich zur Information eine ausreichende Überlegungszeit hatte, über den Verzicht zu entscheiden.419 Da der Unionsgesetzgeber eine konkrete Vorstellung hat, wie lang diese Reflexionszeit sein muss, nämlich so lange, wie die Widerrufsfrist läuft, liefe eine solche Überlegungszeit auf ein Widerrufsrecht zum Verzicht auf das Widerrufsrecht hinaus, womit im Ergebnis nichts gewonnen wäre. Es wird vereinzelt vertreten, der Verbraucher verfüge zum Zeitpunkt des Verzichts über eine ausreichende Entscheidungsgrundlage, wenn er selbst den Unternehmer um die Abbedingung ersuche, die Initiative also vom Verbraucher ausginge.420 Dieser Gedanke findet sich in Art.  14 Abs.  2 VerbrK-RL 421 wieder. Hiernach ist es auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers möglich, eine nach nationalem Recht vorgesehene kürzere als gesetzlich vorgesehene Widerrufsfrist zu vereinbaren, wenn hiermit die Auszahlungsfrist korreliert. Die Norm regelt allerdings eine sehr spezielle und begrenzte Konstellation (verbundene Verträge) und stellt es darüber hinaus den Mitgliedstaaten frei, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Auch in anderen Regelungen, etwa im Verbrauchsgüterkaufsrecht, sieht das Unionsrecht sehr genau vor, in welcher Hinsicht Parteivereinbarungen möglich sind, nämlich nur nach Auftreten und Kenntnisnahme eines Mangels. 422 Aus diesen gezielten Regelungen lässt sich ersehen, dass Ausnahmen zu der Unabdingbarkeit sehr konkret und rechtsaktbezogen festgelegt werden. Das EU-Verbraucherrecht weist damit keinen allgemeinen Grundsatz auf, die Initiative des Verbrauchers stelle sicher, er handele ohne die sonst unterstellten Entscheidungsschwächen. Im Gegenteil besteht allgemein die Gefahr, dass der Verbraucher den Umfang seiner Entscheidung nicht in dem Sinn versteht, wie er es täte, gälten die zwingenden Regelungen, würden also Informationen erteilt oder würde ihm eine Überlegungsfrist durch 419  Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 764; ähnlich Mülbert/Zahn, in: Grunewald/Westermann (Hg.), FS Maier-Reimer, 2010, 457, 463; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 28. 420  Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 406, 433; G. Krämer, ZIP 1997, 93, 96; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 761 f., 886 f.; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 204 f., 209–211; ähnlich zum Verbraucherdarlehensvertrag Mülbert/Zahn, in: Grunewald/Westermann (Hg.), FS Maier-Reimer, 2010, 457, 463; ähnlich (außerhalb des EU-Kontexts) BGH, NJW 2008, 3633, 3633; tendenziell auch: Smits, M-EPLI Working Paper 2011/01, 8, 11 f.; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 22 f.; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 57. 421  RL 48/2008 vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG (Verbraucherkredit-RL – VerbrK-RL), ABl. EU 22.5.2008, Nr. L 133, 66. 422  Kötz, Vertragsrecht, 2009, 43.

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das Widerrufsrecht gewährt. Insbesondere die Defizite des Überoptimismus und der Zeitinkonsistenz können ihn zu vorschnellen Schlussfolgerungen bewegen. Seine Initiative kann also genau auf diesen zu bekämpfenden Defiziten beruhen.423 Aus der Eigeninitiative lässt sich daher ebenfalls nicht schlussfolgern, der Verbraucher benötige den Schutz der Regelung nicht mehr. Insgesamt ist daher keine Situation erkennbar, in welcher der Verbraucher auf das Widerrufsrecht verzichten könnte, weil das Ziel seiner zwingenden Anordnung bereits erreicht wäre. (2) Kombination von Informationspflichten und Widerrufsrecht Informationspflichten, die sich auf ein Widerrufsrecht beziehen, müssen in Zusammenhang mit demselben gesehen werden und sind parallel zu diesen unabdingbar. Denn das Widerrufsrecht soll dann durch die Informationspflichten verstärkt oder unterstützt werden, etwa jenes nach der VerbrR-RL (vgl. Art.  246 Abs.  3 EGBGB).424 Die Informationspflichten werden hier als Grundlage angesehen, um ein Widerrufsrecht als Ergebnis einer rationalen Entscheidungsfindung auszuüben, weswegen Widerrufsrechte oder -fristen von einer Informa­ tionsmitteilung oder Belehrung mitbestimmt werden.425 Bei komplexen Transaktionen besteht stets das Risiko, dass der Verbraucher den Wert des Verzichts nicht einschätzen und mögliche gleichwertige Gegenleistungen nicht in die Vereinbarung einbringen könnte.426 Kombiniert das Gesetz Informationspflich­ ten und Widerrufsrecht, geht es davon aus, dass eine Informationsgabe nicht ausreicht, sondern eine zusätzliche Überlegungszeit erforderlich ist. Widerrufsrechte und inhaltlich zwingende Regelungen sind nicht abdingbar, weil der Gesetzgeber unterstellt, dass selbst ein voll informierter Vertragspartner im Moment des Vertragsschlusses aus verschiedenen Gründen (Überrumpelung, Überoptimismus etc.) nicht rational entscheiden kann. Für die Reflexionszeit von regelmäßig zwei Wochen ist aber die vollständige Informationsgrundlage notwendig. Soweit sich die Widerrufsfrist verlängert, sobald die Informationspflichten nicht erfüllt werden, ist die Informationspflicht parallel zum Widerrufsrecht unverzichtbar.427

423  Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 190; Rosenkranz, GPR 2018, 28, 32; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 865; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  9; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 262. 424 Vgl. Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 345. 425  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 240. 426  Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1193 f.; Schürnbrand, JZ 2009, 133, 135. 427  R. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2001, 151.

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(3) Nachvertragliche Informationen Nachvertragliche Informationspflichten sind aufgrund ihrer Dokumentationsfunktion weder bei noch nach Vertragsschluss abdingbar. Informationen, die nach Vertragsschluss erteilt werden müssen, etwa gem. Art.  8 Abs.  7 VerbrR-RL und §  312f BGB, könnten vor Erteilungspflicht, d. h. bei Vertragsschluss, oder nachträglich abbedungen werden. Beides wäre möglich, wenn der Verbraucher die Informationen bereits hat oder weiß, wo er Kenntnis von ihnen erlangen kann.428 Zumindest bei der Information, die sich an den Vertragsschluss anschließt, könnte er dann darauf verzichten, die Information tatsächlich erhalten zu müssen.429 Gegen einen solchen Verzicht spricht aber das weitere Ziel der nachvertraglichen Informationspflichten, in späteren Rechtsstreitigkeiten die Vertragsinhalte oder die Erteilung der – fehlerhaften oder vollständigen – Information unproblematisch nachzuweisen. Die Informationen sollen bei späteren Rechtsstreitigkeiten helfen, also Fällen, mit deren Eintritt der – evtl. überoptimistische – Verbraucher typischerweise nicht rechnet.430 Die leichtere Nachweisbarkeit und Auffindbarkeit der Informationen kommt beiden Parteien entgegen. Dem redlich handelnden und daher vollständig informierenden Unternehmer ist es leicht möglich, sein rechtmäßiges Handeln nachzuweisen. Das Gleiche gilt für den Verbraucher in Fällen mit einem weniger redlich handelnden oder nicht vollständig informierenden Unternehmer. (4) Vorvertragliche Informationspflichten Vorvertragliche Informationspflichten sind im Großteil der Fälle unverzichtbar. Es gibt nur zwei Ausnahmefälle, in denen sichergestellt ist, dass die Informationsasymmetrie zwischen Verbraucher und Unternehmer im Moment des Vertragsschlusses nicht besteht. Die Informationsasymmetrien und ihr Ausgleich sind Grund für die zwingende Wirkung der Regelungen.431 Inwieweit Verbraucher und Unternehmer vereinbaren können, dass der Unternehmer seinen Informationspflichten oder einem Teil derselben nicht oder abweichend vom gesetzlich Geregelten nachkommt, hängt davon ab, welcher Informationsmangel konkret bekämpft werden soll und ob situativ der Informationsbedarf entfällt.432

428 

Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  9 f. Möslein, Dispositives Recht, 2011, 195. 430  Vgl. etwa BGH, NJW 2007, 504, 506. 431  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 298 f.; K. Jürgen Hopt, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 246, 252. 432  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 78. 429 

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Bei vorvertraglichen Informationspflichten gibt es nur einen Zeitpunkt, zu dem die Parteien vereinbaren könnten, dass die Informationen nicht erteilt werden müssen, nämlich vor Vertragsschluss und vor Erteilung der vorvertraglichen Information.433 Da ein Verbraucher möglicherweise dann nicht weiß, dass er diese Rechte hat, kann er frühestens auf sie verzichten, wenn er darüber aufgeklärt wurde, dass er sie hat. Dies käme inhaltlich der Erteilung der Information gleich.434 Selbst wenn der Verbraucher annimmt, seine Rechte zu kennen, ist nicht sichergestellt, dass er sie wirklich kennt. Ginge der Gesetzgeber davon aus, dass der Verbraucher seinen Informationsmangel selbst einschätzen kann, müsste er nicht korrigierend tätig werden. Damit kann der Verbraucher auch nicht einschätzen, ob ihm Informationen fehlen. Der Verzicht litte gerade an dem Defizit, dem die Informationsgabe entgegenwirken soll.435 Dies gilt etwa für Informationspflichten im Fernabsatzgeschäft vor Erhalt der Ware. Informationen über die Ware und den Vertragsablauf sollen gerade die Asymmetrie überwinden, dass der Verbraucher vor Erhalt der Ware nicht abschätzen kann, was er erworben hat.436 Vor Erhalt der Ware kann er somit nicht auf die Informationen verzichten, die gerade sein Informationsdefizit ausgleichen sollen. Dieses verhindert eine umfängliche Willensbildung bezogen auf den Vertrag.437 Der Verzicht litte am selben Defizit, das die Informationspflichten verringern sollen. Er ist daher nicht möglich.438 Art.  246b §  1 Abs.  2 S.  1, 2 EGBGB erlauben abgesehen von wenigen Informationen, die immer zur Verfügung gestellt werden müssen, ausdrücklich einen Verweis, wo weitere Informationen zu finden sind, etwa bei Vertragsschlüssen per Telefon.439 Hieraus lässt sich aber keine Grundregel bilden, dass der Verbraucher zumindest auf die Form der Informationserteilung verzichten kann, wenn er stattdessen darauf hingewiesen wird, wo er sie findet: Der Gesetzgeber hat bereits eine Vorauswahl getroffen, welche Informationen gegeben werden müssen, er also bei dem Vertrag für essentiell ansieht. Selbst wenn der Verbraucher seine Rechte kennte, können die zu erteilenden Informationen weitere Auskünfte geben, durch die er sich ein vollständiges Bild von seinen zukünfti433 z.  B. Art.  6 VerbrR-RL, §  312d BGB; ähnlich Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312f, Rn.  31. 434  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 78; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 481 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 398; M ­ ­öslein, Dispositives Recht, 2011, 195. 435  Koller, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 821, 822; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 195. 436  Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157, 159. 437  Mota Pinto, in: Schulze u. a. (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss, 2003, 157, 159. 438  Koller, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 821, 822; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 195; anders wohl Herresthal, NJW 2019, 13, 14 f. 439  Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  4.

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gen Pflichten machen kann. Auch können die Rechtslage oder der Vertragsinhalt sich ändern, ohne dass der Verbraucher, der sich für informiert hält, dies weiß. Aus diesem Grund litte ein Verzicht auf die vorvertragliche Informationerteilung an genau dem Defizit, das diese bekämpfen soll, selbst wenn der Verbraucher die Informationen bereits anderweitig erhalten hat. Ein Hinweis auf den Ort, wo sich die Informationen befinden, genügt daher auch mit Einverständnis des Verbrauchers nicht.440 Es kann aber zwei Fälle geben, in denen es bevormundend ist, einen informierten Verbraucher dazu zu zwingen, sich erneut zu informieren, nämlich wenn er denselben Vertrag bereits zahlreiche Male mit demselben Vertragspartner geschlossen hat oder wenn er beruflich in derselben Branche tätig ist und daher auch bei privaten Transaktionen weiß, was ihn erwartet. In diesen Fällen entfällt der Bedarf nach zusätzlicher Information und es ist sichergestellt, dass dies nicht nur ein subjektiver Eindruck des Verbrauchers ist.441 Zwar bestünde im ersten Fall die Gefahr, dass sich inzwischen der Vertragsinhalt oder die Rechtslage geändert haben und damit andere Informationen erforderlich sind. In diesem Fall ist daher die erneute Information durch den Unternehmer notwendig, sodass dieser das Risiko trägt, der Verzicht sei unwirksam. Ansonsten ist dem Ziel, Informationsasymmetrien zu überwinden, in beiden Fällen bereits Genüge getan. Bezogen auf die verbraucherbezogenen Ziele der Norm erfordert diese nicht, dass ein Verzicht des Verbrauchers auf die erneute Information unzulässig ist.442 Es zeigt sich gleich, dass die unternehmerbezogenen Ziele des Unionsrechts aber auch hier das Bedürfnis nach der zwingenden Wirkung der Norm nicht entfallen lassen (c). (5) Mängelgewährleistungsrechte beim Verbrauchsgüterkauf Grundsätzlich lässt sich die Mängelgewährleistung bei Vertragsschluss nicht zum Nachteil des Verbrauchers abbedingen, §  476 Abs.  1 S.  1 BGB.443 Dies erklärt sich bereits aus dem Telos der Norm: Der Verbraucher kann bei Vertragsschluss den Wert der Gewährleistung nicht einschätzen und somit nicht informiert entscheiden. Es wird auch hier vertreten, die Norm müsse teleologisch reduziert oder restriktiv ausgelegt werden, wenn der Verbraucher ausnahmsweise dem Unternehmer fachlich ebenbürtig ist, etwa wenn von ihm die Initiative ausgeht, die Regelungen abzubedingen. Dies könnte als Zeichen gesehen werden, dass er ein mündiger Bürger und nicht in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt ist.444 Dagegen spricht, dass die VerbrGK-RL nicht jede Verein440 

R. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2001, 327. Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  10; Schön, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1191, 1209. 442 Allgemein Ben-Shahar/Porat, SSRN-id3184095, 20 f. 443  Ausdrücklich auch BT-Drs. 14/6040, 80. 444  G. Krämer, ZIP 1997, 93, 95 f., 97; tendenziell Kähler, Begriff und Rechtfertigung ab441 

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barung unterbindet. Sie lässt Verhandlungsspielraum über Art und Beschaffenheit der Ware.445 Ein fachkundiger Verbraucher kann somit seine Kenntnisse einsetzen und das Gewährleistungsrecht gar nicht erst eingreifen lassen. Das EU-Recht regelt also sehr gezielt, welche Vereinbarungen ausnahmsweise ausgeschlossen sind. Es erklärt nicht pauschal jede Entscheidung des Verbrauchers für unzulässig (s. o. III. 3.). Hat sich das konkrete Risiko später am einzelnen Vertrag verwirklicht, ist daher die Disposition eher möglich. (6) AGB-Kontrolle Die zwingende Wirkung der AGB-Kontrolle ist nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet, ergibt sich aber aus dem Zweck der Regelung.446 Die AGB-Kontrolle kann weder per AGB noch durch pauschale Individualvereinbarung ausgeschlossen werden: Eine Abbedingung per vorformulierten Vertragsbedingungen i. S. d. §  305 ff. BGB wäre unangemessen benachteiligend i. S. d. §  307 Abs.  1, 2 BGB.447 Nur durch eine konkrete Individualvereinbarung kann die Klauselkontrolle „abbedungen“ werden: Beim individuellen Aushandeln ist die Kontrolle gar nicht erst anwendbar, §  305b BGB. Der Schutzzweck der §§  305 ff. BGB verhindert aber eine Vereinbarung, mit der die Anwendung der §§  305 ff. BGB abstrakt und nicht für konkrete Einzelvereinbarungen ausgeschlossen wird.448 Daher reicht auch eine individualvertragliche, aber pauschale Vereinbarung, dass die Normen nicht gelten, nicht aus, um zu verhindern, dass einseitig gestellte, unverhältnismäßige Vertragsbedingungen der anderen Partei zukünftig diktiert werden.449 Stattdessen gehen §§  305 ff. BGB gerade davon aus, dass nur eine konkrete, auf die einzelne Vereinbarung bezogene Individualvereinbarung i. S. d. §  305b BGB den Schutz der Regelungen erübrigt.450 Eine Abbedingung der AGB-Kontrolle an sich ist somit nicht möglich. dingbaren Rechts, 2012, 433; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 761 f., 886 f.; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, 204 f., 209–211; ähnlich zum Verbraucherdarlehensvertrag: Mülbert/Zahn, in: Grunewald/Westermann (Hg.), FS Maier-­ Reimer, 2010, 457, 463. 445  Kötz, Vertragsrecht, 2009, 43. 446  Ähnlich Art.  II-9:401 DCFR. 447  G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 267; ders., in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 32 f., dort auch zur Möglichkeit der individualvertraglichen Abbedingung im B2B-Verhältnis. 448 Vgl. etwa EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.   36; auch im B2B-­Verhältnis: BGH, JurionRS 2014, 13531 Rn.  29–31; Jickeli, Der langfristige Vertrag, 1996, 108 f.; a. A. G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 32 f. 449  So auch im B2B-Verhältnis: BGH, JurionRS 2014, 13531 Rn.  29–31; a. A. G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 32 f.; ähnlich Schürnbrand, JZ 2009, 133, 135; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 267; ders., in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 32 f. 450 Vgl. EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.   35–37; Asturcom,

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(7) Zwischenergebnis Es gibt nur zwei Situationen und diese sind beschränkt auf die vorvertraglichen Informationspflichten, in denen der Gesetzgeber die Regelungen für unabdingbar erklärt und diese keine verbraucherbezogenen Ziele verfolgen. Zur Diskussion stehen einzig vorvertragliche Informationspflichten, die nicht mit einem Widerrufsrecht gekoppelt sind, d. h. solche nach Art.  246 Abs.  1 EGBGB bei Verbraucherverträgen. Der Verbraucher ist nicht schutzbedürftig, wenn er bereits mehrfach einen Vertrag mit identischem Inhalt mit demselben Unternehmer geschlossen hat oder wenn er selbst im selben Sektor tätig ist. In allen übrigen Fällen erfordern die verbraucherbezogenen Ziele die Unabdingbarkeit der Regeln. c) Unternehmerbezogene Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts In den beiden genannten Situationen wäre eine Parteivereinbarung nur möglich, wenn die Regelungen sich im Ausgleich des Informationsdefizits des Verbrauchers erschöpften. Doch erfordern die weiteren, anbieterbezogenen Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts eine abweichende Beurteilung. Das EU-Verbrauchervertragsrecht, insbesondere bei den hier relevanten Informationspflichten nach der VerbrR-RL, die nicht mit einem Widerrufsrecht verbunden sind, strebt binnenmarktweite Rechtsangleichung und damit verbunden Markttransparenz an. Dieses Ziel muss ebenso berücksichtigt werden. Durch klare und im Vorfeld verständliche Regelungen soll binnenmarktweit Sicherheit für die Unternehmer geschaffen werden, welche Rechte und Pflichten sie in B2C-Transaktionen haben. Das EU-Recht verzichtet aus diesem Grund auf Generalklauseln und gerichtliche Abwägungen. Ist es ausnahmsweise notwendig, auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, versucht es, durch objektivierte und typisierte Tatbestände so weit wie möglich im Voraus Rechtssicherheit zu schaffen, d. h. aus einer ex ante-Perspektive (s. o. II. 4., III.).451 Das EU-Verbraucherrecht geht aus dem Rechtssicherheits- und dem damit verknüpften Harmonisierungsgedanken heraus von einer typisierten „abstrakten“ Gefahr für die Gruppe der Verbraucher aus.452 Die Motivation und das Verständnis des einzelnen VerbrauC-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  30; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  47; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  25; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  40; Biuro podróży Partner, C-119/15, ECLI:EU:C:2016:987 Rn.  29. 451  A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 354; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 373; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 21, 27; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 58. 452  A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 351, 354; Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 796 f.; Medicus, in: Bundesministerium der Justiz (Hg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1981, 479, 526 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 865, 873.

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chers sind irrelevant.453 Aufgrund dieser Typisierung der Regelungen kommt es nicht auf eine konkret vorliegende Überrumpelung oder Überforderung des Verbrauchers bei Vertragsschluss an und auch nicht darauf, ob der Verbraucher wirklich dem Unternehmer unterlegen ist. Denn um festzustellen, ob der Verbraucher im Einzelfall tatsächlich überrumpelt wurde oder informativ überfordert ist, müsste ein nationales Gericht angerufen werden, um den Fall zu untersuchen und zu bewerten. Dies führte zu Unsicherheit im internationalen Rechtsverkehr und stellte den Harmonisierungsgedanken infrage. Folge wäre, dass sich nationale Kriterien dafür bildeten, welche konkreten Umstände eine Disposition erlaubten. Damit würde der Standard, wann eine (eigentlich binnenmarktweit zwingende) Regelung abbedungen werden kann, national schwanken. Im Ergebnis wäre keine Harmonisierung erreicht.454 Aus diesem Grund vermeidet das EU-Verbrauchervertragsrecht eine ex post-Kontrolle. Dieses Vorgehen durch im Vorfeld klar erkennbare Kriterien dient allen Verbrauchern und Unternehmern als Marktakteuren. Adressat sind weder der konkrete Verbraucher noch der konkrete Unternehmer, sondern ihre jeweilige Gesamtheit. Aus diesem überindividuellen Regelungsinteresse heraus ist eine Abbedingung, die davon abhängt, ob im Einzelfall das zu kompensierende Defizit vorliegt, nicht möglich.455 Da abweichend für andere Verbraucher die Informationen sowieso gegeben werden müssen, ist der Mehraufwand für Unternehmer, die Transaktionen regelmäßig zu standardisieren, auch zumutbar. Ebenso ist der Eingriff in die Selbstbestimmung des Verbrauchers gering. Er wird etwa nicht gezwungen, die Informationen zu lesen und zu verstehen; ihm muss nur die Gelegenheit hierzu gegeben werden.456 Die vor- und nachvertraglichen Informationspflichten sind auch aus diesem Grund nicht außerhalb der unionsrechtlich vorgesehenen Tatbestände abdingbar.457 Zudem werden durch die indirekten Vertragsvorgaben die Vertragsinhalte mittelbar standardisiert. Diese Angleichung vereinfacht die Produktvergleichbarkeit und verbessert damit den Wettbewerb. Eine individuelle Abdingbarkeit wäre schwierig einzukalkulieren und erschwerte den Produktvergleich. 453 Vgl. A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 354; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 195 f., 514; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 793–796. 454  Vgl. zum Widerrufsrecht EuGH, Romano, C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 Rn.  35; allgemein Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 70 f.; A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 354; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 193; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 373; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 21, 27; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 58. 455  Kessal-Wulf, in: Staudinger, 2012, §  511, Rn.  4; vgl. auch Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 75 f.; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 195 f., 514. 456  Koller, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 821, 822. 457  Vgl. zum Widerrufsrecht ausdrücklich EuGH, Romano, C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 Rn.  34–36; Koller, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 821, 822.

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Diese Überlegungen greifen bei den anderen Regelungen, die bereits aus den verbraucherbezogenen Zielsetzungen heraus Parteidispositionen entgegenstehen. Dies gilt selbst für die AGB-Kontrolle, obwohl Artt.  3 f. Klausel-RL gerade eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellen, dass keine abstrakte Kontrolle stattfinden soll. Ob eine Klausel missbräuchlich ist, erschließt sich erst aus der richterlichen Gesamtschau.458 An der Bewertung, ob eine Abbedingung möglich ist (etwa: Nichtanwendung der zwingenden AGB-Normen), ändert sich aber nichts. Der Marktbezug und der Gedanke der Harmonisierung sind in der Klausel-RL trotz des Vorgesagten präsent.459 Bei der Frage, ob die Kontrolle eingreift, ob also der Fall vorliegt, der überhaupt die Sonderregelungen veranlasst hat, wird typisiert und auf subjektive Kriterien verzichtet.460 Der Gedanke der Rechtssicherheit steht also auch im Fokus. Eine Abbedingung ist aus den gleichen Gründen nicht möglich wie bei den übrigen untersuchten Regelungen.461 d) Zwischenergebnis Es gibt nur zwei Situationen, in denen die verbraucherbezogenen Ziele des EURechts einer Parteivereinbarung über „zwingendes“ EU-Verbrauchervertragsrecht nicht entgegenstehen: Es muss sich um Informationen handeln, die nicht zugleich mit dem Widerrufsrecht zusammenhängen, d. h. insbesondere nicht die Information über das Widerrufsrecht gem. §  356 Abs.  3 S.  1 BGB i. V. m. Art.  246a §  1 Abs.  2 Nr.  1 EGBGB. Diese Informationen müssen dem Verbraucher bereits bekannt sein, d. h. entweder muss er selbst in der Branche tätig sein, in der er als Verbraucher Vertragspartner ist, oder er muss mit demselben Vertragspartner bei gleichbleibender Rechtslage und gleichbleibendem Vertragsinhalt bereits zahlreiche gleichlaufende Verträge geschlossen haben. In diesen seltenen Fällen können die Parteien die Informationspflichten dennoch nicht abbedingen, da die weiteren, anbieterbezogenen Ziele des EU-Rechts einer solchen Disposition entgegenstehen. Denn das Ziel, Rechtssicherheit durch binnenmarktweit gleichermaßen geltende Regeln zu schaffen, steht national unterschiedlichen Dispositionsmöglichkeiten entgegen. 458  Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, 233 f.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 84 f.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 438 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 212; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 18 f. 459  Art.  1 Abs.  1 Klausel-RL; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 66; Micklitz, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 491, 519 f.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 83. 460  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 176; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, 2012, 261 f., 265–269. 461  BGH, JurionRS 2014, 13531 Rn.  29–31; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 268; i. E. ähnlich zum B2C-Verhältnis ders., in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 34; Jansen, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 53, 105.

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3. Unzulässigkeit von Parteidispositionen unabhängig vom konkreten Zeitpunkt Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Meinung (a) ist auch zu einem späteren Zeitpunkt als bei Vertragsschluss keine Disposition möglich. Es handelt sich dabei um einen Spezialfall der Diskussion, nach welcher die Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts eine zwingende Regelung nur erfordern, solange der Verbraucher schutzbedürftig sei. Parallel zur gerade geführten Diskus­ sion sprechen regelmäßig schon die verbraucherbezogenen Ziele gegen eine Dis­ positionsmöglichkeit (b). Das anbieterbezogene Binnenmarktziel, das zugleich verfolgt wird, steht ihr ebenfalls nach Vertragsschluss entgegen, solange sie nicht ausdrücklich gesetzlich zugelassen ist (c). a) Streitstand Ein Teil der Literatur vertritt, dass eine Parteidisposition auch über zwingendes Recht zu einem späteren Zeitpunkt als zu Vertragsschluss stets möglich sein muss.462 Diese Meinung geht auf den Gedanken zurück, dass die Asymmetrien, die das EU-Verbrauchervertragsrecht ausgleichen soll, üblicherweise bei Vertragsschluss vorliegen und vor bestimmten Risiken bei der Vertragsdurchführung schützen sollen.463 Liegt eine konkrete Vertragssituation vor, die hinterher eher zu überschauen ist als abstrakt im Vorfeld, etwa ein Problem bei der Durchführung, soll eine spezifische, situationsbezogene Vereinbarung zulässig sein.464 Die Notwendigkeit, Parteidispositionen zu verhindern, könne zumindest dann entfallen, wenn der Vertrag nicht nur geschlossen, sondern auch durchgeführt worden ist.465 Eine nachträgliche Vereinbarungsmöglichkeit unterstütze zudem eine gütliche Parteieinigung.466 462  G.-P. Calliess, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 70. DJT 2014, 2014, A 37  f.; A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 354; Hau, ZfPW 2018, 385, 406 f.; G. Krämer, ZIP 1997, 93, 97 f.; Rieble, in: Staudinger, 2017, §  397, Rn.  215–218; Saenger, in: Erman, 13.  Aufl., 2011, §  312i, Rn.  3; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 107 f.; ders., ZEuP 2010, 243, 245; ders., in: Eiden­ müller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 22 f., 48 f.; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 57; tendenziell Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 244 f. 463  Grigoleit, in: Basedow u. a. (Hg.), Max Planck Encyclopedia of European Private Law, 2012, 2a; Eidenmüller, ERCL 2011, 1, 18; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 170 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 865; a. A. Riesenhuber, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 139, 166; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 21; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 58; ähnlich J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  61 (i. E. ablehnend). 464  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, 2013, 74; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 406 f.; R. Koch, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  312k, Rn.  6. 465  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 250 f.; Kähler, in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181, 203; ders., Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 408. 466  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 250 f.; Kähler, in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181, 203; ähnlich G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 107 f.

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Normativ wird dieser Gedanke aus §  476 Abs.  1 S.  1 BGB und §  356 Abs.  4 BGB hergeleitet.467 §  476 BGB, in Umsetzung von Art.  7 Abs.  1 VerbrGK-RL, lässt Vereinbarungen zwischen Verbraucher und Unternehmer auch zum Nachteil des Verbrauchers zu, nachdem der Verbraucher vom Mangel erfahren und diesen dem Unternehmer mitgeteilt hat.468 Gem. §  356 Abs.  4 BGB erlischt das Widerrufsrecht, wenn der Unternehmer mit Zustimmung des (hierüber informierten) Verbrauchers die geschuldete Dienstleistung vollständig erbracht hat. Insoweit ist also ein Verzicht auch zulasten des Verbrauchers möglich.469 Eine ähnliche Regelung findet sich etwa in der Handelsvertreter-RL470 . Art.  19 erlaubt privatvertragliche Abweichungen von Artt.  17 f. Handelsvertreter-RL nach Ablauf des Vertrags zum Nachteil des Handelsvertreters. Aus einer Zusammenschau dieser Normen ließe sich der Grundsatz herleiten, dass der Verbraucher die besondere Lösungsmöglichkeit durch das Widerrufsrecht, den Schutz zwingender Vertragsinhalte oder bestimmter Informationen nicht mehr nach Vertragsschluss oder zumindest nach Vertragsdurchführung braucht.471 Ein solcher Grundsatz ist allerdings sowohl aus den verbraucherbezogenen (b) wie auch den unternehmerbezogenen (c) Zielsetzungen der Normen abzulehnen. Im Gegenteil sprechen die genannten Einzelregelungen dafür, sie als Ausnahmen zum Grundsatz zu verstehen, auch nachträgliche Parteidispositionen seien nicht möglich.472 b) Verbraucherbezogene Zielsetzungen Zunächst lässt sich aus §  476 Abs.  1 S.  1 BGB kein allgemeiner Grundsatz ableiten, da die Norm einen anderen Fall regelt als die VerbrR- und Klausel-RL. Die unabdingbare Ausgestaltung der Mängelgewährleistungsrechte knüpft im Gegensatz zu den übrigen untersuchten Regelungsinstrumenten nur mittelbar an den Vertragsschluss als solchen an. Die konkreten Mängelgewährleistungsrech467  A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 351; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 195; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 48 f.; zum VVG Klimke, Die halbzwingenden Vorschriften des VVG, 2011, 49 f.; im Arbeitsrecht Simon, Unabdingbarkeit und vertraglicher Verzicht, 2008, 437 f. 468  Lehr/Wendel, EWS 1999, 321, 324; ausführlich zu den exakten Voraussetzungen Hau, ZfPW 2018, 385, 391–397. 469  Maume, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  312k BGB, Rn.  6 . 470  RL 86/653 vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (Handelsvertreter-RL), ABl. EG 1986, Nr. L 382, 17. 471  A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 351, 354 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 195; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 107 f.; ders., ZEuP 2010, 243, 245; ders., in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 22 f., 48 f.; ders., Erasmus Law Review 3, 2010, 47, 57; ähnlich Wagner-von Papp, AcP 205, 2005, 342, 355; zum VVG: Klimke, Die halbzwingenden Vorschriften des VVG, 2011, 49 f.; im Arbeitsrecht: Simon, Unabdingbarkeit und vertraglicher Verzicht, 2008, 437 f. 472  I.E. wohl Schürnbrand, JZ 2009, 133, 134 f.; a. A. tendenziell Hau, ZfPW 2018, 385, 406.

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te, über die eine Vereinbarung im Nachhinein zulässig wird, entstehen nicht bei Vertragsschluss, sondern bei Gefahrübergang.473 §  476 Abs.  1 S.  1 BGB geht auch nicht davon aus, dass pauschal alle Mängelgewährleistungsrechte zum Nachteil des Verbraucher abbedungen werden können, sobald ein konkreter Mangel auftritt.474 Stattdessen ist 476 Abs.  1 BGB auf Vereinbarungen bezogen auf den konkreten, bereits eingetretenen Mangel beschränkt. Zwar möchte die Regelung keine Parteivereinbarung per se sperren, sondern insbesondere (nachträgliche) Vergleiche ermöglichen.475 Sie knüpft aber an den Gedanken an, dass das Informationsdefizit des Verbrauchers bei Mangeleintritt dadurch reduziert wird, dass dieser den Mangel nun konkret bestimmen kann und damit den Wert der Rechte, die infrage stehen.476 Dadurch kann er analysieren, was es ihm wert ist, die Mängelgewährleistung zu beanspruchen oder auf sie zu verzichten. Aus diesen Überlegungen folgt aber, dass der Verbraucher nur auf die Rechte verzichten kann, die ihm aufgrund des konkreten Mangels zustehen. Das Informationsdefizit bezogen auf die übrigen (potenziellen) Mängel und die daraus folgenden Rechte besteht fort und damit auch ihre halbzwingende Wirkung.477 Eine unwirksame Vereinbarung kann auch nicht geheilt werden dadurch, dass im Nachhinein ein Mangel auftritt und bereits eine Vereinbarung für genau diesen Mangelfall getroffen wurde. Geschützt werden soll die Willensentscheidung des vollinformierten Verbrauchers, der vor Eintritt des Mangels das Risiko eines Rechteverlusts nicht richtig einschätzen kann.478 Es lässt sich bei den Instrumenten, die bereits am Vertragsschluss anknüpfen, nicht annehmen, dass die Situation zu einem späteren Zeitpunkt eine andere ist als bei Vertragsschluss. Die Entscheidungsdefizite, die der Gesetzgeber bekämpft, werden beseitigt dadurch, dass informiert, belehrt, die Form gewahrt oder innerhalb der Widerrufsfrist über den Vertragsschluss nachgedacht wurde. Wurden die Defizite nicht beseitigt, da der Unternehmer nicht formgemäß belehrt oder informiert hat und der Verbraucher daher nicht weiß, dass er widerrufen hätte können, krankt die nachträgliche Vereinbarung am gleichen Defizit wie bei Vertragsschluss.479 Wurde belehrt oder informiert oder ist die Widerrufsfrist abgelaufen, ist es nicht weiterführend, nachträglich auf die Information 473  Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §   439, Rn.  1; Stegmaier, NJW 2018, 2665, 2667. 474  A. A. wohl Pelzer, ZKM 2015, 43, 44, 45. 475  BT-Drs. 14/6040, 244; S. Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  476, Rn.  13; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  34. 476  Grünbuch, KOM(93)509 endg. 65; Faust, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  23; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  35 f.; Wertenbruch, Soergel, 13.  Aufl., 2009, §  475, Rn.  11. 477  Faust, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  23. 478  Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  33, 36; Wertenbruch, Soergel, 13.  Aufl., 2009, §  475, Rn.  21; ausfühlich Faust, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  23. 479  Saenger, in: Erman, 13.  Aufl., 2011, §  312i, Rn.  7.

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oder Belehrung oder auf das Widerrufsrecht zu verzichten. Ist die Widerrufsfrist nicht abgelaufen, ist aus der Sicht des EU-Rechts die freie Willensentscheidung, die auf einer Reflexionszeit aufbaut, bis Fristablauf noch nicht gewährleistet und damit auch ein Verzicht auf das Widerrufsrecht unzulässig.480 Eine Vereinbarung über das Widerrufsrecht wäre daher erst nach Ablauf der Widerrufsfrist möglich, dann aber nicht mehr weiterführend. §  476 Abs.  1 S.  1 BGB und §  356 Abs.  4 BGB regeln also sehr enge Ausnahmen. Beide Normen unterstützen die Annahme, dass das EU-Verbraucherrecht sich mit der Problematik beschäftigt und sie punktuell für zulässig erachtet, aber keinen allgemeinen Grundsatz aufstellt. c) Unternehmerbezogene Zielsetzungen Die Ziele des EU-Verbrauchervertragsrechts, die Rechtssicherheit und Einheitlichkeit der Rechtsanwendung zu verbessern, sprechen ebenfalls gegen eine nachträgliche, nicht gesetzlich vorgesehene Abbedingungsmöglichkeit.481 Eine solche würde den klaren Anwendungsbereich der Normen abhängig vom na­ tionalen Recht wieder unklar werden lassen.482 Etwa sieht das Recht mit Wi­ derrufsfristen starre Regelungen vor, um für beide Parteien klar erkennbar zu machen, ab wann der Vertrag endgültig wirksam bleibt. Eine neben den unionsrechtlich vorgesehenen Ausnahmen mögliche Vereinbarung über das Wider­ rufs­recht würde diese klare Regelung durch Einzelfallausnahmen unklar machen.483 d) Zwischenergebnis Bezogen auf die hier untersuchten Instrumente ist – vorbehaltlich einer ausdrücklichen Regelung – auch zu einem späteren Zeitpunkt keine Abbedingung möglich.

V. Unzulässigkeit indirekter Dispositionen durch schuldrechtliche Verpflichtung (pactum de non petendo) Die Parteien können, statt die Nichtanwendbarkeit einer Norm zu vereinbaren, ausmachen, einen Anspruch nicht oder zeitweise nicht geltend zu machen oder 480  Rehmke/Tiffe, VuR 2014, 135, 140 f.; ähnlich Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 876 f.; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 262; a. A. A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 358; Saenger, in: Erman, 13.  Aufl., 2011, §  312i, Rn.  6. 481  Zum Zweck der Handelsvertreter-RL: EuGH, Honyvem Informazioni Commerciali, C-465/04, ECLI:EU:C:2006:199 Rn.  18. 482  Vgl. zum Widerrufsrecht EuGH, Romano, C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 Rn.  34–36; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 167. 483 EuGH, Romano, C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 Rn.   35; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 167.

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bestimmte Gestaltungsrechte wie etwa das Widerrufsrecht484 nicht auszuüben (sog. pactum de non petendo). Eine solche Vereinbarung führt zu einem Ergebnis, das einer Disposition über das Recht oder den Anspruch gleichkommt (1.).485 Doch steht das EU-Verbrauchervertragsrecht einem pactum de non petendo in höherem Maß entgegen als das autonome deutsche Recht. Dieser ist regelmäßig ebenso unzulässig wie eine unmittelbare Disposition über die einzelnen Rechte (2.). 1. Zulässigkeit eines pactum de non petendo und Normziel als Grenze Die Privatautonomie erlaubt Parteivereinbarungen, ein Recht nicht geltend zu machen oder nicht auszuüben. Doch ist diese Möglichkeit nicht grenzenlos. Eine Verpflichtung, einen unverzichtbaren Anspruch nicht geltend zu machen, ist möglich, solange sie nicht im Ergebnis die materiellrechtlichen Ansprüche so aushöhlt, dass es die Rechtsschutzchancen der geschützten Partei unverhältnismäßig verkürzte.486 In welchem Umfang eine Norm zwingend ist und Dispositionen entgegensteht, ergibt sich aus ihrer Zielsetzung. Auch eine nur schuldrechtliche Vereinbarung ist unwirksam, wenn die Vereinbarung ein Normziel vereitelt, das gerade dadurch erreicht werden soll, dass eine Norm zwingend ist.487 In diesem Fall ist auch eine Verpflichtung, Rechte nicht geltend zu machen, unzulässig und folgt dem Schicksal einer Vereinbarung, die unmittelbar zwingendem Recht widerspricht.488 Es handelt sich dann um den Fall einer unzulässigen Umgehung.489 2. Unzulässigkeit im EU-Verbrauchervertragsrecht Im EU-Verbrauchervertragsrecht stellen solche Vereinbarungen regelmäßig unzulässige Umgehungsversuche dar. Das EU-Recht geht zwar nicht ausdrücklich darauf ein, ob eine schuldrechtliche Verpflichtung zulässig ist, ein Recht nicht 484  Ausführlich z. B. Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 452; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 106–119; zum Widerrufsrecht im EU-Recht ausdrücklich ders., ZEuP 2010, 243, 263; zu Widerrufsrecht speziell A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 387 f. 485  Z. B. BGH, NJW 1983, 2496, 2497; Trieschmann, AP LohnFG §   9 Nr.  1; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 617 f.; missverständlich Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 136. 486  Kempf, ZZP 73, 1960, 342, 279 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 117 f. 487  S. Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  476, Rn.  8; Schürnbrand, JZ 2009, 133,134 f.; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  14; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  2, 7; vgl. auch Faust, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  22. 488  Vgl. BGH, NJW 1997, 1069, 1070; NJW 1983, 2496, 2498; NJW 1998, 2274, 2277; BAG, NJW 1996, 143, 151; Armbrüster, MünchKomm, 8.  Aufl., 2018, §  134, Rn.  15 f.; Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 214; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  14. 489  BGH, NJW 1958, 1397, 1397; NJW 1997, 1069, 1070; BAG, NJW 1996, 143, 151; Trieschmann, AP LohnFG §  9 Nr.  1.

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auszuüben oder geltend zu machen. Sowohl die VerbrR-RL als auch die VerbrGK-RL sehen aber vor, dass Vereinbarungen, welche die durch die jeweilige Richtlinie gewährten Verbraucherrechte einschränken, unwirksam sind. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Einschränkung unmittelbar oder unmittelbar wirkt.490 Der Gesetzgeber versteht die zwingende Wirkung möglichst umfassend.491 Das EU-Verbrauchervertragsrecht unterstellt, dass der Verbraucher in den konkreten Situationen, in denen eine Regelung zu seinen Gunsten zwingend ist, nicht selbstverantwortlich und ungestört entscheiden kann. Er soll vor einer gestörten Entscheidung bewahrt werden. Es kommt dem EU-Verbrauchervertragsrecht darauf an, dass die Norm trotz der Vereinbarung gilt, nicht darauf, ob die Einigung unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung hat oder nur obligatorische.492 Das EU-Recht baut auf der nationalen Regelung auf. Es geht aber nicht davon aus, dass es sich in die nationale Regelungssystematik einfügen muss, sondern umgekehrt davon, dass das nationale Recht sich an seine Vorgaben anpasst. Eine rein nationale Einordnung als Verpflichtung oder Verfügung kann nicht die Wirksamkeit einer unionsrechtlichen Norm einschränken, wenn die Norm sowohl die Verpflichtung als auch die Verfügung verhindern soll. Zum Beispiel können die Parteien nicht vereinbaren, ein Widerrufsrecht nach §  312g BGB nicht auszuüben.493 Der Zweck der Regelung, die das Widerrufsrecht für zwingend erklärt, würde verfehlt. Es bestünde ein Anreiz für den Unternehmer, den Verbraucher zu dieser Verpflichtung zu bewegen und genau die Verhandlungsstärke auszunutzen, die das Widerrufsrecht ausgleichen soll.494 Damit würde die Überlegungsfrist ebenso umgangen, wie sie durch eine un­ mittelbare Vereinbarung über das Recht ausgeschaltet würde.495 Auch eine nur schuldrechtliche Verpflichtung, das Widerrufsrecht nicht auszuüben, ist daher aufgrund der zwingenden Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts unwirksam.496 Ähnliche Überlegungen gelten bei den übrigen zwingenden Regelungen im EU-Verbrauchervertragsrecht, etwa im Verbrauchsgüterkaufrecht. Die Parteien können nicht statt einer direkten, nach §  476 Abs.  1 S.  1 BGB unzulässigen Dis490 

Art.  25 Abs.  2 VerbrR-RL, Art.  7 Abs, 1 VerbrGK-RL. Vgl. etwa BT-Drs. 14/2658, 45. 492 Ähnlich Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 1065 f.; a. A. A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 351 f., 356–359; wohl davon ausgehend BT-Drs. 14/2658, 45 (zu §  5). 493  Ausführlich z. B. Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 452; zum Widerrufsrecht im EU-Recht a. A. A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 387 f.; G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 263. 494  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 1065 f.; a. A. A. Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 351 f., 356–359; zum Widerrufsrecht nach AbzG Knütel/Rolf, AcP 185, 1985, 308, 316. 495  Dazu etwa BT-Drs. 14/2658, 45 (zu §  5). 496  Bereits LG Fulda, NJW-RR 1987, 1460, 1461; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 1063 f.; das gleiche gilt für ähnliche Umgehungsgestaltungen wie die Rückdatierung des Vertrags, Hildenbrand, NJW 1998, 2940, 2941 f.; a.A. G. Wagner, ZEuP 2010, 243, 263. 491 

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position über bestimmte Mängelrechte schuldrechtlich vereinbaren, dass der Verbraucher diese Rechte nicht geltend macht. Dies ergibt sich wieder aus dem Zweck der Vorschrift: Der Verbraucher soll vor einer Entscheidung bewahrt werden, deren Umfang er nicht einschätzen kann. Er kann den Preis einer Verpflichtung, die Mängelgewährleistungsrechte nicht geltend zu machen, erst einschätzen, wenn ihm der konkrete Mangel bekannt ist, nicht aber allgemein oder bei Vertragsschluss (s. o. III. 3.). Es soll verhindert werden, dass er aufgrund einer Fehleinschätzung einen ungünstigen Vertrag schließt – unabhängig davon, ob diese Einschätzung sich auf die verpflichtende oder verfügende Ebene bezieht. Das Umgehungsverbot, das Art.  7 Abs.  1 VerbrGK-RL und §  476 Abs.  1 S.  2 BGB vorsehen und das auch mittelbare Einschränkungen der Rechte des Verbrauchers verbietet, bestätigt dieses Ergebnis.497 Der deutsche Gesetzgeber hat diesen weiten Anwendungsbereich des EURechts anerkannt, indem er etwa in §§  312k Abs.  1 S.  2, 476 Abs.  1 S.  2 BGB ausdrücklich nicht nur unmittelbar zulasten des Verbrauchers abweichende Vereinbarungen für wirkungslos erklärte, sondern auch andere Gestaltungen, die letztlich dasselbe Ziel erreichen und damit das Gebot zwingender Anwendung umgehen. Eine schuldrechtliche Verpflichtung ist als Umgehung ebenso wenig möglich wie die unmittelbare Parteidisposition über die Rechte aus der Richtlinie.

VI. Sonderfall der Disposition per Vergleichsvertrag nach der ADR-RL (§  779 BGB i. V. m. §  19 VSBG) Es gibt einen einzigen Fall im materiellen Recht, in dem eine Parteivereinbarung möglich ist, die zur Nichtanwendung von grundsätzlich unabdingbarem EU-Verbrauchervertragsrecht führt. Dazu müssen zwei Tatbestände kumulativ vorliegen: der Tatbestand des „Tatsachenvergleichs“, bei dem das autonome deutsche Recht nach §  779 BGB eine solche Disposition erlaubt und der Tatbestand des §  19 VSBG, der den Teil der ADR-RL umsetzt, in dem das EU-Recht den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, derartige Vereinbarungen zuzulassen. Das EU-Recht erlaubt den Mitgliedstaaten, im Anwendungsbereich der ADR-RL in einem speziellen Tatbestand eine Parteivereinbarung zu ermöglichen, die sonst als Verstoß gegen das zwingende Recht bewertet würde und daher unzulässig wäre (1.). Der deutsche Gesetzgeber hat diese Möglichkeit nur begrenzt in §  19 VSBG umgesetzt und geht zugleich davon aus, dass der Einigung nach §  19 VSBG ein Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB zugrunde liegt.498 497  S. Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  476, Rn.  2 ; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  42. 498  Z. B. Greger, in: Greger u. a. (Hg.), Recht der alternativen Konfliktlösung, 2.   Aufl., 2016, §  19 VSBG, Rn.  10; Hilbig-Lugani, ZZP 126, 2013, 463, 464.

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Es müssen daher kumulativ der Tatbestand des „Tatsachenvergleichs“ i. S. d. §  779 BGB und jener des §  19 VSBG (i. V. m. der ADR-RL) erfüllt sein, damit eine Disposition über grundsätzlich unabdingbares Verbrauchervertragsrecht möglich ist (2.). Diese Situation, in welcher die beiden Tatbestände zusammenkommen, stellt die einzige dar, in der im deutschen Recht materiellrechtliche Parteidispositionen über das EU-Verbrauchervertragsrecht auch zum Nachteil des Verbrauchers und außerhalb gesetzlich ausdrücklich normierter Ausnahmen zulässig sind. 1. Zielsetzungen des EU-Verbrauchervertragsrechts und gütliche Streitbeilegung Der Umfang, in dem eine Norm Parteivereinbarungen entgegensteht, hängt von der Zielsetzung der Norm ab. Der Gedanke, gütliche Parteieinigungen zu fördern, kann dazu führen, dass diese Zielsetzung sich ändert, wenn ein konkreter Konflikt im Raum steht und dieser gütlich beigelegt wird. Im EU-Verbraucherrecht klingt teilweise an, dass dieses in solchen Situationen eine gütliche Streitbeilegung durch die Parteien begrüßt.499 Doch ist eine Disposition per Vergleichsvertrag aus unionsrechtlicher Sicht grundsätzlich zu beurteilen wie jede sonstige materiellrechtliche Parteidisposition (a-b). Dispositionen sind nur möglich, wenn die Regelungen sie ausnahmsweise zulassen,500 etwa im Fall des §  476 Abs.  1 BGB, d. h. eine Vereinbarung über die Mängel­ gewährleistungsrechte auch zum Nachteil des Verbrauchers nach Kenntnis und Mitteilung des Mangels (c-d).501 a) Literaturansicht zur Abdingbarkeit per Vergleichsvertrag Es wird auch im Anwendungsbereich unabdingbaren EU-Verbrauchervertragsrechts vertreten, in der Situation des §  779 BGB seien Dispositionen über zwingendes Recht möglich. Sobald Streit oder Ungewissheit über anspruchsbegründende Tatsachen bestünde und keine Beweislastregelung zugunsten des Verbrauchers eingriffe, könnten die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben ihre Rechtsbeziehungen neu ordnen, d. h. einen Vergleichsvertrag i. S. d. §  779 BGB schließen, und dabei auch unabdingbares Recht abbedingen. Es sei gerade im Verbrauchervertragsrecht unbillig, den Verbraucher zu einem ihn psychisch und finanziell belastenden Prozess zu zwingen.502 Eine Einigung i. S. d. §  779 499  Art.  5 Unterlassungsklagen-RL; Art.  11 UGP-RL; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 378. 500  Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  7 79, Rn.  10. 501  BT-Drs. 14/6040, 244; S. Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  476, Rn.  13; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  34. 502  Maume, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §   312k BGB, Rn.  5; Saenger, in: Erman, 13.  Aufl., 2011, §  312i, Rn.  3; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  11; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  5.

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

BGB sei auch zum Nachteil des Verbrauchers möglich, wenn er ein sachliches Interesse an der Einigung habe.503 Ein solches sachliches Interesse läge insbesondere dann vor, wenn die Vereinbarung in einer Gesamtabwägung im Ergebnis vorteilhaft sei.504 b) Vorrang des EU-Verbrauchervertragsrechts vor §  779 BGB Die eben skizzierte Ansicht ist in ihrer Allgemeinheit zu weitgehend. Das Unionsrecht differenziert nicht danach, ob ein Vergleichsvertrag oder ein anderer Vertrag geschlossen wird und sieht keine Ausnahme für ersteren vor. §  779 BGB ist ein normaler Vertrag des BGB. Das EU-Recht regelt vorrangig, in welchen Konstellationen welche materiellrechtlichen Vertragsschlüsse gesonderte verbrauchervertragliche Regelungen enthalten müssen und diese zwingend sind. Das EU-Recht lässt den Mitgliedstaaten gerade keine Umsetzungsspielräume für Vertragsschlusssituationen wie die des §  779 BGB.505 Vielmehr verbietet es zusätzlich zur zwingenden Anwendung auch weitere Umgehungen.506 Die Normen selbst verdeutlichen also, dass das EU-Verbrauchervertragsrecht der Parteivereinbarung grundsätzlich nicht zugänglich sein soll – unabhängig davon, wie das nationale Recht den Vertrag einordnet.507 Aus der Sicht des EURechts ist damit irrelevant, ob das deutsche Recht in §  779 BGB eine Privilegierung der Parteieinigung vorsieht und Dispositionen über zwingendes Recht in weiterem Umfang zulässt, als wenn der Tatbestand des §  779 BGB nicht erfüllt ist.508 Die Normen, von denen nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf, verhindern eine Parteieinigung wie auch bei einem „schlichten“ Vertragsschluss, da sie ihre Zielsetzung, die Parteieinigung zu verhindern, nicht verlieren. Eine Vereinbarung per Vergleichsvertrag ist grundsätzlich im gleichen Umfang möglich wie bei sonstigen Vereinbarungen.

503  Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  7 79, Rn.  10; Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  11; Maume, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  312k BGB, Rn.  5; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  11; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  6; ähnlich auch BGH, NJW 2017, 243, 246 zum hier nicht relevanten Sonderfall der Verwirkung; darauf verweisend BGH, BeckRS 2017, 131374 Rn.  20. 504  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 250 f.; Kähler, in: Witt u. a. (Hg.), Privatisierung des Privatrechts – Jb GjZ, 2003, 181, 203; a. A. allgemein Bork, Vergleich, 1988, 409, vgl. auch BGH, NJW 2017, 243, 246; darauf verweisend BGH, BeckRS 2017, 131374 Rn.  20. 505  EuGH, Romano, C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 Rn.  34–36; vgl. auch EuGH, Heininger, C-481/99, ECLI:EU:C:2001:684 Rn.  27. 506  Z. B. Art.  25 Abs.  2 VerbrR-RL. 507 Ähnlich Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 376; vgl. auch Hey, Freie Gestaltung, 2004, 185 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 211 f.; H. Roth, JZ 2013, 637, 643. 508  Z. B. für einen Verzicht auf die Verbrauchereigenschaft Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  10; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  6.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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c) Harmonisierungsziel als Bestätigung des Ergebnisses Bestätigt wird dieses Ergebnis von der Zielsetzung des Unionsrechts, einen einheitlichen Standard im Verbrauchervertragsrecht zu schaffen. Letzteres soll die selbstverantwortliche Entscheidung des Verbrauchers gewährleisten und zugleich Rechtssicherheit durch Vereinheitlichung der geltenden Regelungen schaffen.509 So ist auch die Verbrauchereigenschaft einer Person in einem Vertrag objektiv zu bestimmen und steht nicht zur Parteidisposition.510 Das Gleiche gilt für die übrigen Regelungen des Verbrauchervertragsrechts, die typisierend und objektivierend vorgehen und gerade nicht auf den einzelnen Verbraucher und seine individuelle Schutzwürdigkeit abstellen.511 Hätte das nationale Recht die Möglichkeit, bestimmte Vertragstypen einzuführen, in denen die zwingende Wirkung nicht eingriffe, führte dies wieder zu unterschiedlichen nationalen Graden der Abdingbarkeit. Daher darf ein Vergleichsvertrag i. S. d. §  779 BGB nur enthalten, was jede Vereinbarung zwischen den Parteien zum Gegenstand haben kann.512 d) Punktuelle Regelungen im EU-Recht zu gütlichen Parteieinigungen als weitere Bestätigung des Ergebnisses Schließlich lässt sich nicht davon ausgehen, dass das EU-Recht im Bereich der gütlichen Parteieinigung bewusst eine Lücke gelassen hätte, die durch nationales Vertragsrecht geschlossen werden kann. Auch dem EU-Recht ist der Gedanke der gütlichen Streitbeilegung bekannt. Es erkennt an, dass eine gütliche Einigung dadurch befördert werden kann, dass zwingende Normen nicht immer strikte Anwendung beanspruchen.513 Daher trifft das EU-Recht selbst Aussagen zur Bindung an zwingendes Recht in bestimmten, vergleichsähnlichen Situationen, die aber anders sind als die des §  779 BGB: im Anwendungsbereich der ADR-RL. Nur in der Konstellation, welche die Richtlinie erfasst, und der entsprechenden Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber im VSBG können die Parteien damit materiellrechtlich über zwingendes Verbrauchervertragsrecht disponieren. §  779 BGB beeinflusst hierüber hinaus die Auslegung der Normen 509 

Maume, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  312k BGB, Rn.  5. Pfeiffer, Soergel, 13.  Aufl., 2002, §  13, Rn.  29; dazu auch Fuchs, AcP 196, 1996, 313, 351, 354; Hellgardt, AcP 213, 2013, 760, 796 f.; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 195 f., 514; Medicus, in: Bundesministerium der Justiz (Hg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1981, 479, 526 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 865, 873 Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 793–796. 511  Erhardt, Vermeidung und Umgehung, 2009, 70 f.; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  10; Kessal-Wulf, Staudinger, 2012, §  511, Rn.  4; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 193; vgl auch Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 75 f.; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, 195 f., 514. 512  Tendenziell zum Schwächerenschutz Bork, Vergleich, 1988, 409. 513  Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 376. 510 

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

nicht.514 Für eine Vereinbarung zwischen Verbraucher und Unternehmer ändert sich daher bei der Frage nichts, ob eine Norm mit unionsrecht­lichem Hintergrund abdingbar ist, nur weil eine Konstellation des §  779 BGB vorliegt.515 2. Zulässigkeit von Parteidispositionen im Anwendungsbereich von ADR-RL, §  779 BGB und §  19 VSBG Die ADR-RL erlaubt den Mitgliedstaaten, Dispositionen auch über zwingendes Verbrauchervertragsrecht zuzulassen (a). Das deutsche Recht geht bei der Umsetzung davon aus, dass eine Einigung nach VSBG einen Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB darstellt, sodass zunächst dessen Voraussetzungen für eine solche Disposition erfüllt sein müssen (b). Außerdem stellt §  19 VSBG weitere Voraussetzungen für die Einigung auf (c). Die Voraussetzungen beider Normen müssen kumulativ eine Parteidisposition zulassen, damit diese über EU-Verbrauchervertragsrecht möglich ist (d). a) Lockerung der Rechtsbindung nach der ADR-RL Die ADR-RL lockert unter bestimmten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die zwingende Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts in einer B2C-­ Konstellation (vgl. Artt.  7 Abs.  1 lit.  h und i, 9 Abs.  2 lit.  b Nr. iii, 11 ADR-RL, ErwG 31).516 Sie regelt nur den Fall, dass die Parteien sich vor einer Stelle einigen, die als Stelle i. S. d. ADR-RL bzw. des VSBG staatlich anerkannt wurde. Die ADR-RL regelt Verfahren zwischen Verbrauchern und Unternehmern vor einer solchen Stelle, die zu einer gütlichen Einigung und nur materiellrecht­ lichen Vereinbarung führen. In der Richtlinie geht das EU-Recht davon aus, dass es nicht unbedingt und absolut gelten muss, sondern in bestimmten Situationen Parteivereinbarungen über zwingendes EU-Verbraucherrecht erlaubt. Bereits vor Erlass der ADR-RL erkannte das EU-Recht außergerichtliche Streitlösungsmechanismen als zulässig an. Aus der Entwicklung von Streitbeilegungsmechanismen in der EU bis zur Entstehung der ADR-RL lässt sich erkennen, dass die EU es inzwischen als mögliche anzuerkennende Besonderheit des Verfahrens i. S. d. Richtlinie ansieht, dass in diesem Verfahren auch über materiellrechtlich zwingendes Recht disponiert wird: Das EU-Recht beschäftigte sich schon früh mit der Frage, ob durch solche Verfahren zwingende materiellrechtliche Regelungen unangewendet gelassen werden können. Art.  V Empfehlung 98/257/EG der Kommission vom 30.3.1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Bei­ legung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind517 sieht noch vor, dass 514 

I.E. ähnlich J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  61. J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  61. 516  Röthemeyer, in: Borowski u. a. (Hg.), VSBG, 2016, §  19, Rn.  2. 517  ABl. EG 1998, Nr. L 115, 31. 515 

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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die Schlichtung nicht dazu führen darf, dass der Verbraucher den Schutz zwingenden Rechts verliert. Im Gegensatz dazu verlangt die ADR-RL eine solche Gesetzesbindung nur bei Verfahren, die dem Verbraucher eine Lösung „auferlegen“ (Art.  11 ADR-RL). In einem verbindlichen Verfahren besteht somit eine strikte Rechtsbindung. Für deutsche Stellen sind diese Verfahren irrelevant, da dieser Teil der Richtlinie nicht ins deutsche Recht übernommen wurde. Das EU-Recht setzt sich also mit der Problematik auseinander. Aus der begrenzten Rechtsbindungsanordnung in Art.  11 ADR-RL und der weicheren Formulierung in den übrigen Regelungen (z. B. Art.  7) folgt, dass keine Rechtsbindung bestehen muss, wenn die Entscheidung nur mit Zustimmung des Verbrauchers verbindlich wird.518 Unterstützt wird dieses Argument noch dadurch, dass die Verfahren nach der ADR-RL (i. V. m. Mediations-RL) auch von Nicht-Juristen durchgeführt werden können.519 Die Richtlinie erlaubt den Parteien damit, auch über (halb-)zwingende Verbraucherregelungen zu disponieren. Das Unionsrecht und der umsetzende Gesetzgeber regeln somit, wann der Gedanke der gütlichen Einigung, der hinter den zwingenden Regelungen steht, den Gedanken der stets zwingenden Wirkung überwiegt. b) Parteidispositionen per „Tatsachenvergleich“ und §  779 BGB Die Richtlinie setzt somit nicht voraus, dass das Ergebnis eines von ihr erfassten Verfahrens der Rechtslage entsprechen muss.520 Allerdings verpflichtet sie die Mitgliedstaaten auch nicht, eine solche Disposition zuzulassen. Damit ist eine Lockerung der Rechtsbindung nur möglich, wenn weder das Unionsrecht noch das nationale Recht eine solche verlangt.521 Das VSBG, das die ADR-RL umsetzt, baut auf dem Tatbestand des §  779 BGB auf. Es geht davon aus, dass eine Einigung der Parteien i. S. d. VSBG zugleich ein Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB sein muss.522 Damit muss nach dieser Norm eine Parteidisposition zulässig sein. Es handelt sich beim Vergleichsvertrag nach §  779 BGB um einen materiellrechtlichen Vertrag, der den allgemeinen Regelungen des Vertragsrechts unterfällt.523 Für eine Parteieinigung muss damit der Gegenstand der Vereinbarung zur Parteidisposition stehen.524 Dies bedeutet wie stets bei der Frage, ob Nor518  Gössl, RIW 2016, 473, 479 f.; Kotzur, Außergerichtliche Realisierung, 2018, 254; Röthemeyer, in: Borowski u. a. (Hg.), VSBG, 2016, §  19, Rn.  2; G. Wagner, CMLR 51, 2014, 165, 176 f. 519  Gössl, RIW 2016, 473, 479 f.; G. Wagner, CMLR 51, 2014, 165, 176 f. 520  Röthemeyer, in: Borowski u. a. (Hg.), VSBG, 2016, §  19, Rn.  2. 521  Kotzur, Außergerichtliche Realisierung, 2018, 255. 522  Z. B. Stadler, Jauernig, 17.  Aufl., 2018, §  7 79, Rn.  3; ebenso Gössl, NJW 2016, 838, 840. 523  Z. B. zu Formvorgaben LG Osnabrück, BeckRS 2009, 21301; anders wohl OLG Brandenburg, BKR 2009, 510, 512. 524  Marburger, in: Staudinger, 2015, §   779, Rn.  5; Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  5 –7; ähnlich Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  8; Marburger,

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

men sich gegenüber einer Parteivereinbarung durchsetzen, dass die unabdingbare Norm das Ziel haben muss, die Einigung der Parteien zu verhindern.525 Beim Ziel der Norm geht es nicht nur darum, eine Parteivereinbarung allgemein zu verhindern, sondern darum, eine Vereinbarung in der Situation des §  779 BGB zu verhindern.526 Im Vergleichsvertrag nach §  779 BGB beseitigen die Parteien den Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis durch einen Vertrag, in dem beide nachgeben, also von ihren bisherigen Positionen abrücken.527 Der Vertrag soll eine ungewisse Rechtslage für die Parteien klären. Auch soll die Norm die gütliche Streitbeilegung fördern.528 Konflikte sollen sowohl durch Parteikonsens vermieden werden, bevor ein Prozess erforderlich wird, als auch dann, wenn letzterer schon läuft und bevor ein Urteil ergeht.529 Beim Regelungsziel der infrage stehenden Normen ist also zu fragen, ob sie auch eine Einigung verhindern sollen, wenn Ungewissheit über Anwendung einer Norm oder ihre Durchsetzbarkeit besteht und durch die Vereinbarung ein Konflikt vermieden und damit Rechtsfrieden erreicht werden kann.530 Manche Normen lassen solche Vereinbarungen ausnahmsweise zu.531 in: Staudinger, 2015, §  779, Rn.  5; Steffen, in: Ballhaus/Dehner (Hg.), RGRK, 12.  Aufl., 1978, §  779, Rn.  9; Zeising, NJ 2011, 353, 354 mit Fn.  8. 525  Breetzke, NJW 1969, 1408, 1410; Bork, Vergleich, 1988, 226 f. 392, 408; Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  13; Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKKBGB III/2, 2013, §  779, Rn.  14, 18 f.; Hofmann, in: Gamillscheg (Hg.), FS BAG, 1979, 217, 225, 228; Marburger, in: Staudinger, 2015, §  779, Rn.  38; E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 585 f.; daher etwa i. E. OLG Karlsruhe, WM 2007, 590, 592; OLG Schleswig, BKR 2006, 158, 159 f. 526 Vgl. Breetzke, NJW 1969, 1408, 1410; vgl. Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  779, Rn.  18. 527  Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  7 79, Rn.  3; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, 2014, 75. 528 Dazu und zur daraus folgenden Bezeichnung als „Feststellungsvertrag“ z. B. Häsemeyer, ZZP 108, 1995, 289, 297; Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  779, Rn.  12; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, 2014, 75; Larenz, Schuldrecht I AT, 14.  Aufl., 1987, §  7 IV; Marburger, in: Staudinger, 2015, §  779, Rn.  30; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 615 f.; kritisch zum Begriff Bork, Vergleich, 1988, 156–158. 529  Z. B. BGH, NJW 1954, 1886, 1887; BAG, NJW 1972, 702, 703; NJW 1977, 1213, 1213 f.; NJW 1980, 2325, 2325 f.; Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 130– 134; Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  779, Rn.  9; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 408; Zeising, NJ 2011, 353, 353; ähnlich auch Häsemeyer, ZZP 108, 1995, 289, 290 f., 292 f. 530  Bork, Vergleich, 1988, 392; Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  779, Rn.  4. 531  Bork, Vergleich, 1988, 391 f.; Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 132 f., 147 f., 180–189; vgl. Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  779, Rn.  19; ähnlich wohl Häsemeyer, ZZP 108 (1995), 289 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 408; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 120–122; BGH, NJW 1954, 1886, 1887; BAG, NZA 1998, 434, 436; zu §  4 HOAI (a. F.) BGH, NJW-RR 1987, 13, 13; NJW-RR 2001, 1384, 1385; zum Lohnfortzahlungsgesetz a. F. (heute §  12 EFZG): BAG, NJW

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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Eine Abbedingung ist insbesondere in einer speziellen Konstellation möglich, nämlich im Fall der sogenannten „Tatsachenvergleiche“. Tatsachenvergleiche werden so bezeichnet, weil sie die Abbedingung von grundsätzlich unabdingbaren Normen zulassen, deren Tatsachengrundlage ungewiss ist. §  779 BGB eröffnet daher die Vergleichsmöglichkeit, wenn die Parteien sich aus tatsächlichen Gründen über die Anwendbarkeit einer Norm streiten. Ist unklar, ob eine zwingende Norm anwendbar ist, kann diese Unsicherheit dazu führen, dass eine Parteivereinbarung nicht getroffen wird, obwohl sie rechtlich zulässig wäre und dann vom Rechtssystem gefördert würde. Die faktische Unsicherheit soll keine evtl. möglichen und gewünschten Einigungsversuche verhindern.532 Die Unsicherheit oder Ungewissheit muss sich gerade auf die Existenz von Tatsachen beziehen, die anspruchsbegründend sind.533 Es muss also aus tatsäch­ lichen Gründen infrage stehen, ob ein Anspruch oder Recht besteht.534 In diesem Fall erlaubt §  779 BGB aufgrund seiner streitvermeidenden Funktion eine Parteivereinbarung, mit der die Parteien sich darüber verständigen, ob die streitige ungewisse Tatsache vorliegt.535 Im Ergebnis einigen sie sich darüber, ob die Norm anwendbar ist.536 Diese Vereinbarung über die Anwendbarkeit einer Norm wird ausnahms­ weise auch bei Normen zugelassen, die allgemein nicht der Vereinbarung offen stehen.537 Eine solche Vereinbarung ist aber nur unter engen Voraussetzungen möglich.538 Zunächst ergibt sich diese Ausnahme aus dem Gedanken, dass eine Kon1972, 702, 703; NJW 1977, 1213, 1213 f.; NJW 1980, 2325, 2325 f.; z. B. Schlüter, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  397, Rn.  20. 532  BGH, NJW 1955, 630, 630 f.; BAG, AP LohnFG §  9 Nr.  1; Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 132 f.; Jauernig, ZHR 141, 1977, 224, 224 f., 228; tendenziell auch BAG, NZA 1998, 434, 436; kritisch Herschel, AP BUrlG §  13 Unabdingbarkeit Nr.  5. 533  Bork, Vergleich, 1988, 104 f.; E. Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, 2005, 105; Häsemeyer, ZZP 108, 1995, 289, 296. 534  BGH, NJW 1952, 101, 102; NJW 1955, 630, 630 f.; NJW 1976, 194, 195; NJW 1991, 1615, 1615; BVerwG, NJW 1976, 686, 687; BAG, NZA 1986, 95, 96 f.; AP LohnFG §  9 Nr.  1; Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  13; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 297 f.; ähnlich Steffen, in: Ballhaus/Dehner (Hg.), RGRK, 12.  Aufl., 1978, §  779, Rn.  9; ablehnend, aber die Praxis anerkennend J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  66 f.; Hofmann, in: Gamillscheg (Hg.), FS BAG, 1979, 217, Fn.  96. 535  BAG, NZA 1986, 95, 97; NZA 1998, 434, 346; Herschel, AP BUrlG §  13 Unabdingbarkeit Nr.  5; T. Raiser, BB 1977, 1461, 1466; K. Schmidt, JuS 1978, 736, 736 f. 536  BVerwG, NJW 1990, 2700, 2702; Bork, Vergleich, 1988, 100, 104 f.; E. Ehmann, Schuld­ anerkenntnis und Vergleich, 2005, 105. 537 BVerwG, NJW 1976, 686, 687; Trieschmann, AP LohnFG §   9 Nr.   1; ausführlich J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  66; hierzu auch Bork, Vergleich, 1988, 128 f.; Breetzke, NJW 1969, 1408, 1410; kritisch Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  32. 538  Kritisch z. B. Hofmann, in: Gamillscheg (Hg.), FS BAG, 1979, 217, 238 Fn.  96; J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  66 f.; Jauernig, ZHR 141, 1977, 224, 226–228.

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

fliktbeilegung nicht (nur) daran scheitern darf, dass die Realität ungewiss ist. Daher ist ein objektiver Maßstab anzulegen bei der Feststellung, dass eine Tatsache ungewiss ist. Ob Tatsachen vorliegen, die ausnahmsweise einen Tatsachenvergleich ermöglichen, darf nicht nur subjektiv, sondern muss bei objektiver Beurteilung ernsthaft zweifelhaft oder ernstlich ungewiss sein.539 Des Weiteren darf die Entscheidung über die Anwendung der Norm nicht dem Staat vorbehalten sein, etwa wenn es um Statusentscheidungen geht. Eine Ehe lässt sich daher z. B. weder per Vergleich schließen noch beenden.540 Ähnliches gilt für eine Vereinbarung, die Drittinteressen oder öffentliche Interessen berührt und damit einen Vertrag zulasten Dritter darstellt.541 Die Funktion der zwingenden Norm kann dann auch einem „Tatsachenvergleich“ entgegenstehen,542 die Voraussetzungen sind aber geringer als die einer nicht-vergleichsweisen Vereinbarung. Im Verbrauchervertragsrecht sind keine Rechte Dritter betroffen und die Anwendung der Normen ist, wie bereits die ADR-RL zeigt, nicht dem Staat vorbehalten. Allgemein lässt das Normziel also eine Parteivereinbarung über die (potenziell) anspruchsbegründenden Normen zu, wenn die Anwendung der Norm aufgrund der Tatsachenlage objektiv und ernstlich angezweifelt werden kann und eine Situation des §  779 BGB vorliegt.543 §  779 privilegiert und unterscheidet hier einen Vergleichsvertrag gegenüber bzw. von anderen Verträgen.544 539  BGH, NJW 1952, 101, 101, 102; NJW 1955, 630, 630 f.; NJW 1976, 194, 195; NJW-RR 2007, 263, 264; BVerwG, NJW 1975, 1751, 1751; BGH, NJW 2012, 61, 62 f.; NJW-RR 2012, 866, 869; ähnlich bereits NJW 1955, 630, 630 f. (daher i. E. verneinend); ausführlich Bork, Vergleich, 1988, 102–109; Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 143– 153; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  15; Breetzke, NJW 1969, 1408, 1410; Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  13; K. Schmidt, JuS 1978, 736, 738 (differenzierend 740). 540  BGH, NJW 1955, 182, 182; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  7 79, Rn.  11; H.-F. Müller, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  5; Steffen, in: Ballhaus/Dehner (Hg.), RGRK, 12.  Aufl., 1978, §  779, Rn.  12. 541 Ausführlich Bork, Vergleich, 1988, 319–351; Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 197 f.; Marburger, in: Staudinger, 2015, §  779, Rn.  21; z. B. Verfügung i. S. d. §  185 BGB: BAG, NJW 1981, 1059, 1060; Einordnung als Konkursforderung nach §  63 KO: BGH, NJW 1991, 1615, 1615; Treuhandverhältnisse: Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  779, Rn.  36; Erbenstellung und Umgangsrechte Rn.  6 f.; zum staat­ lichen Straf- und Strafverfolgungsanspruch als „Vertrag zulasten der Obrigkeit“, jedenfalls soweit nicht nur im Wege der Privatklage zu verfolgen Rn.  37 f.; ebenfalls differenzierend zu §§  134, 138 BGB: J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  91. 542  Breetzke, NJW 1969, 1408, 1411; jeweils i. E. verneinend BGH, NJW 1952, 101, 101 f.; BAG, NZA 1986, 95, 97; AP LohnFG §  9 Nr.  1; ähnlich BGH, NJW 2009, 438, 439 f. 543  Z. B. Herschel, AP BUrlG §  13 Unabdingbarkeit Nr.  5; Simon, Unabdingbarkeit und vertraglicher Verzicht, 2008, 36 f.; Steffen, in: Ballhaus/Dehner (Hg.), RGRK, 12.  Aufl., 1978, §  779, Rn.  11; Trieschmann, AP LohnFG §  9 Nr.  1; ausführlich Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 146–150, zu §  1 GWB speziell 165–179. 544  Simon, Unabdingbarkeit und vertraglicher Verzicht, 2008, 36 f.; Zachert, AP TVG §  4 Nr.  17.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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c) Parteidispositionen und §  19 VSBG Das VSBG, das die Richtlinie umsetzt, stellt in §  19 VSBG weitere Voraussetzungen an eine Parteieinigung per Annahme eines Schlichtungsvorschlags auf. Es ist damit enger gefasst als die ADR-RL. Dies ist zulässig, da letztere nur mindestharmonisiert. Eine Lockerung der Rechtsbindung ist somit unionsrechtlich möglich, richtet sich aber zugleich nach der deutschen Umsetzung. Die einzige Norm, die sich mit einer Rechtsbindung im Verbraucherstreitbei­ legungsverfahren befasst, ist §  19 VSBG. §  19 Abs.  1 VSBG sieht vor, dass ein Schlichtungsvorschlag, d. h. ein Vorschlag, der den Parteien vom Schlichter gemacht wird, am geltenden Recht „ausgerichtet“ sein „soll“ und insbesondere die zwingenden Verbraucherschutzregelungen beachten „soll“. Weiterhin muss die Verfahrensstelle darauf hinweisen, dass die Entscheidung von einer Gerichtsentscheidung abweichen kann.545 Der Schlichtungsvorschlag kann von den Parteien angenommen werden, wodurch ein Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB zwischen ihnen zustande kommt.546 Im Anwendungsbereich des Tatsachenvergleichs ist im Schlichtungsverfahren damit eine Lockerung der eigentlich vom VSBG angenommenen Rechtsbindung möglich. Unklar ist aber, was §  19 VSBG für eine Rechtsbindung der Parteien und des Schlichters bedeutet. „Soll“ spricht dagegen, eine strikte Rechtsbindung wie bei einer „normalen“ Parteieinigung anzunehmen,547 aber dafür, dass das geltende Recht, insbesondere das zwingende, nicht bedeutungslos wird.548 Die Formulierung des „Ausrichtens“ am geltenden Recht ist dem deutschen Zivilverfahrensrecht im ersten Moment fremd. Es gibt keine Regelung, die ähnlich gefasst ist. Sie ist der zivilverfahrensrechtlichen Diskussion aber nicht völlig unbekannt. In der Vergangenheit wurde diese Formulierung bereits in Diskussionen zur Billigkeitsentscheidung bei Schiedsverfahren verwendet: In bestimmten Konstellationen können die Parteien eines Schiedsverfahrens gem. §  1051 Abs.  3 S.  1 ZPO vereinbaren, dass das Schiedsgericht nach „Billigkeit“ und damit nicht strikt rechtsgebunden entscheidet (§  1051 Abs.  3 ZPO). Diskutiert wird bei einer solchen Vereinbarung, ob eine Rechtsbindung damit völlig aufgehoben oder nur gelockert wird. Es gibt hierzu zwei Ansichten:549 Die For545 

Gössl, RIW 2016, 473, 479 f.; G. Wagner, CMLR 51, 2014, 165, 176 f. Gössl, NJW 2016, 838, 840; Greger, in: Greger u. a. (Hg.), Recht der alternativen Konfliktlösung, 2.  Aufl., 2016, §  19 VSBG, Rn.  10; Röthemeyer, in: Roder u. a. (Hg.), VSBG, 2017, Rn.  34; ähnlich bereits Hilbig-Lugani, ZZP 126, 2013, 463, 464; vgl. auch Prütting, in: Schmidt-Kessel (Hg.), Alternative: Streitschlichtung, 2015, 157, 166 f. 547 BR-Drs. 258/15, 76; Greger, in: Greger u. a. (Hg.), Recht der alternativen Konflikt­ lösung, 2.  Aufl., 2016, §  19 VSBG, Rn.  5; Ring, VSBG, 2016, §  2 Rn.  309–311; Röthemeyer, in: Borowski u. a. (Hg.), VSBG, 2016, §  19, Rn.  6 , 40–43; ders., in: Roder u. a. (Hg.), VSBG, 2017, Rn.  33–35. 548 Vgl. Prütting, VSBG, 2017, §  19, Rn.  11. 549  Überblick über den Streit G. Schulze, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 875, 546 

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

mulierung, eine Billigkeitsentscheidung müsse „am geltenden Recht ausgerichtet sein“, wird von der ersten Ansicht verwendet, um eine Entscheidung anzunehmen, die sich grundsätzlich nach dem geltenden Recht zu richten hat, bei der allerdings ausnahmsweise das Ergebnis ein anderes sein darf, wenn die Rechtsanwendung im Einzelfall unbillig erscheint (sog. „amiable compositeur“).550 Abgegrenzt wird die Entscheidung damit von der von der anderen Ansicht geforderten, vom Recht losgelösten Billigkeitsentscheidung, die nur den ordre ­public oder die guten Sitten der lex fori zu wahren hat („ex aequo et bono“).551 Die Frage, wie §  19 VSBG auszulegen ist, wurde im Gesetzgebungsverfahren diskutiert, ohne dass der Gesetzgeber sich gegen diese und für eine eindeutige Formulierung entschieden hat.552 Allerdings ist auszuschließen, dass der Gesetzgeber eine Entscheidung „ex aequo et bono“ zulassen wollte. Die Formulierung von §  19 Abs.  1 VSBG ist eine Reaktion auf verschiedene Stimmen im Gesetzgebungsverfahren, welche die Sorge hatten, dass eine „Schattenjustiz“553 entstehen könnte, die zu einer Nichtbeachtung des Verbraucherrechts führt. Eine vollständige Lösung vom geltenden Recht anzunehmen, würde daher der Intention des Gesetzgebers widersprechen. Umgekehrt eine feste Rechtsbindung anzunehmen, wäre mit dem Wortlaut des Gesetzes und damit ebenfalls mit dem Willen des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren. Dadurch, dass der Vorschlag nur am Recht ausgerichtet sein „soll“, nicht aber sein muss, ist gerade keine strikte Rechtsbindung wie beispielsweise im Gerichtsverfahren vorgesehen. Somit muss der Vorschlag sich in der Mitte zwischen der reinen Billigkeitsentscheidung und der strikten Rechtsbindung bewegen, wobei die Worte „soll“ und „ausrichten“ die Entscheidung eher in die Nähe des Rechts als in die Nähe der vom Recht völlig gelösten Billigkeit rücken.554 Dies spricht dafür, dass grundsätzlich das Recht vom Schlichter zu beachten ist, wie es auch bei der Billigkeitsentscheidung des Schiedsrichters i. S. eines „amiable compositeur“ angenommen wird. Eine Bindung an das Recht und insbesondere das zwingende Recht bleibt also die Regel. Nur in Ausnahmefällen, die im Entscheidungsvorschlag dargelegt werden müssen, darf entsprechend vom Recht abgewichen werden. 883 f.; Stauder, SchiedsVZ 2014, 287, 289; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOKZPO, 2019, EL 30, 15.09.2018, §  1051, Rn.  12.2. 550  Hierfür etwa Münch, MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1051, Rn.  56; G. Schulze, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 875, 877 f., 885 f.; ähnlich Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 12 f. 551  Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 253 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1051, Rn.  24; Stauder, SchiedsVZ 2014, 287, 290; wohl auch BGH, RdTW 2016, 211, 214 (offenlassend). 552  Vgl. etwa Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, 30.9.2015, Wortprotokoll 18/70, 15, 21, 25. 553 Vgl. Eidenmüller/M. Engel, ZIP 2013, 1704, 1704; M. Engel, NJW 2015, 1633, 1633. 554 Ähnlich Greger, in: Greger u. a. (Hg.), Recht der alternativen Konfliktlösung, 2.  Aufl., 2016, §  19 VSBG, Rn.  5 f.; noch strikter Prütting, VSBG, 2017, §  19, Rn.  11.

A. Materiellrechtliche Parteidispositionen

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Um welche Ausnahmefälle handelt sich? Folgt man den Gedanken, die auch zum „amiable compositeur“ im Schiedsrecht angenommen werden, ist eine Ausnahme nur zulässig, wenn es für beide Parteien oder zumindest für den Verbraucher als denjenigen, der vom VSBG als strukturell unterlegen eingeschätzt wird, im Ergebnis unbillig wäre, das Recht strikt anzuwenden. Dabei lässt sich aus §  19 Abs.  3 VSBG rückschließen, welche Konstellationen der Gesetzgeber vor Augen hatte: Nach dieser Norm muss der Schlichter darauf hinweisen, dass das Ergebnis der Schlichtung von einer Gerichtsentscheidung abweichen kann. Dies bedeutet, dass die Unterschiede zum Gerichtsverfahren auch die Unterschiede im Verfahrensausgang rechtfertigen. Soweit das Schlichtungsverfahren umgekehrt wie ein Gerichtsverfahren geregelt ist, darf der Schlichter demnach nicht abweichen. Die Tatsache, dass die Entscheidung für den Verbraucher nicht bindend sein darf, ist hierbei unerheblich: §  19 VSBG wurde aus der Sorge heraus geschaffen, dass der Schlichtungsvorschlag vom Verbraucher faktisch als so endgültig wahrgenommen wird wie ein Urteil und er im Anschluss kein Gerichtsverfahren anstrengt.555 Ein verfahrensrechtlicher Unterschied zwischen Gerichtsverfahren und Schlichtungsverfahren nach dem VSBG liegt darin, dass letzteres ohne Beweiserhebung auskommen kann. Ein Schlichtungsvorschlag strikt nach Beweislastverteilung kann unbillig erscheinen. In solchen Fällen kann ausnahmsweise ein Vorschlag billig erscheinen, der die Beweislastvorgaben nicht beachtet und den Parteien einen Vorschlag unterbreitet, der nicht einer Gerichtsentscheidung in einem non liquet entspricht. Dies muss allerdings den Parteien deutlich sein, damit ihre Einigung vollinformiert stattfindet. Eine Disposition über zwingendes Recht ist also in einem VSBG-Schlichtungsverfahren möglich, wenn die Rechtslage aufgrund von Beweisunsicher­ heiten nicht eindeutig ist und der Schlichter in seinem Vorschlag ausdrücklich auf diese Unsicherheiten hinweist. Er muss die Parteien darüber informieren, dass die Entscheidung bei klarer Tatsachenlage anders ausfallen könnte und aus welchen Gründen er sich für die vorgenommene Beurteilung entschieden hat.556 Die Anknüpfung an eine ungewisse Tatsachengrundlage schafft auch eine Parallele zu den Voraussetzungen des §  779 BGB, die ebenfalls dem Schlichtungsvorschlag zugrunde liegen und nach denen ausnahmsweise eine Abbedingung zwingenden Rechts möglich ist. d) Kumulation der beiden Fälle als Voraussetzung Die Umsetzung der ADR-RL verlangt also zum einen, dass ein Verfahren vor einer Verbraucherstreitbeilegungsstelle geführt wird, welches in einem Schlich555 Vgl.

Eidenmüller/M. Engel, ZIP 2013, 1704, 1704; M. Engel, NJW 2015, 1633, 1633. („Prinzip der informierten Autonomie“) Röthemeyer, in: Roder u. a. (Hg.), VSBG, 2017, §  6 Rn.  31; Riehm, JZ 71, 2018, 866, 871. 556  Ähnlich

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tungsvorschlag gem. §  19 VSBG mündet und aus tatsächlichen Gründen Zweifel über die Anwendbarkeit EU-verbrauchervertragsrechtlicher Normen bestehen. Zum anderen müssen die Voraussetzungen für einen Tatsachenvergleich i. S. d. §  779 BGB gegeben sein, d. h. zusätzlich muss diese tatsächliche Ungewissheit sich auf anspruchsbegründende Tatsachen beziehen und ihr Vorliegen muss objektiv zweifelhaft sein. In diesem Fall muss der Schlichter die Parteien gem. §  19 Abs.  3 VSBG darauf hinweisen, dass das Ergebnis seines Schlichtungsvorschlags vom Ergebnis eines Gerichtsverfahrens abweichen kann, da dieses eine klare Tatsachenlage schaffen könnte. Auch muss er erläutern, aus welchen Gründen er sich für die vorgenommene Beurteilung entschieden hat.557 Nehmen die Parteien den Schlichtungsvorschlag an und lagen tatsächlich die Voraussetzungen für einen Verbrauchervertrag vor, kann somit eine Vereinbarung auch zum Nachteil des Verbrauchers von unabdingbarem Verbrauchervertragsrecht abweichen. 3. Zwischenergebnis zur Disposition nach §  779 BGB und §  19 VSBG Das EU-Recht in Umsetzung durch das VSBG kennt eine einzige Situation, in der die Parteien materiellrechtlich über die Anwendung zwingenden EU-Verbrauchervertragsrechts disponieren können. Es muss kumulativ die Situation des §  19 VSBG (Schlichtungsvorschlag vor einer Schlichtungsstelle gem. VSBG) und des „Tatsachenvergleichs“ gem. §  779 BGB vorliegen. Es ist eine Vereinbarung über eine zwingende Norm möglich, deren Anwendung aufgrund tatsächlicher Umstände objektiv zweifelhaft ist, wenn der Schlichter in seinem Vorschlag auf diese Umstände hinweist und erläutert, warum er zu einem Ergebnis kommt, welches möglicherweise vom Ergebnis eines Gerichtsverfahrens abweicht (zu möglichen abweichenden Beurteilungen in einer Prozesssituation gleich, §  4 B.).

VII. Zwischenergebnis zur Wirksamkeit von Parteidispositionen im materiellen Recht Der Umfang, in dem eine Norm abdingbar ist, bestimmt sich im autonomen deutschen und im EU-Recht danach, was Funktionen und Ziele der Norm sind und ob das Ergebnis der Parteivereinbarung mit diesen Funktionen oder Zielen zu vereinbaren ist. Das EU-Verbrauchervertragsrecht hat zwei Funktionen, die sich aus dem Binnenmarktziel ergeben: Die Stärkung des Verbrauchervertrauens in den binnenmarktweiten Handel durch den Abbau von Situationen, in denen ein Verbraucher einem Unternehmer typischerweise unterlegen ist, sowie die Harmo557  Ähnlich („Prinzip der informierten Autonomie“) Röthemeyer, in: Roder u. a. (Hg.), VSBG, 2017, §  6 Rn.  31; Riehm, JZ 71, 2018, 866, 871.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 167

nisierung des Verbrauchervertragsrechts, um Unternehmer zu einer binnenmarktweiten Tätigkeit zu ermutigen dadurch, dass die Rechtslage in allen Mitgliedstaaten annähernd gleich und für sie vorhersehbar ist. Die hier untersuchten halbzwingenden Regelungen sind vorbehaltlich anderslautender ausdrücklicher Normierung ein zwingender Mindeststandard, von dem auch bei einer Gesamtbetrachtung nicht abgewichen werden kann. Dies stünde dem Ziel, Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit eines Rechtsstreits zu schaffen, entgegen. Die halbzwingenden Regelungen können bei Vertragsschluss vorbehaltlich Sonderregeln nicht zu Lasten des Verbrauchers abbedungen werden, selbst wenn die Initiative zum Abbedingen vom Verbraucher ausgeht oder im konkreten Fall das Defizit, welches die Norm bekämpfen soll, nicht vorliegt. Dies ergibt sich aus dem Gedanken des Unterlegenenschutzes und dem Harmonisierungsgedanken. Soweit es keine anderslautenden Regelungen gibt, ist eine Disposition über zwingendes Verbraucherrecht auch zu einem Zeitpunkt nach Vertragsschluss nicht zulässig. Das Interesse des EU-Rechts, durch klare, vorhersehbare Regeln den Binnenmarkt zu fördern, besteht fort und würde durch eine solche Ausnahme gefährdet. Schuldrechtliche Vereinbarungen, die eine Verpflichtung des Verbrauchers enthalten, seine Rechte nicht auszuüben, sind, wenn sie faktisch dieselbe Wirkung haben wie ein (unzulässiger) Verzicht auf das entsprechende Recht, ebenfalls als Umgehung unzulässig. Ausnahmsweise ist eine Disposition bei objektiv vorliegenden Tatsachenzweifeln über die Anwendung einer zwingenden Norm möglich, wenn der Vertragsschluss i. S. d. §  779 BGB zugleich Annahme eines Schlichtungsvorschlags i. S. d. §  19 VSBG ist. Eine Disposition über die in Zweifel stehende Norm ist dann möglich, wenn der Streitmittler die Parteien über diese Zweifel und darüber, inwieweit der Schlichtungsvorschlag vom Ergebnis einer Gerichtsverhandlung mit Beweiserhebung abweichen kann, informiert hat.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht I. Parteidispositionen und Verfahrensautonomie Wie bereits beschrieben sind Parteidispositionen im deutschen Zivilverfahrensrecht in weitem Umfang zulässig (§  1). Bei der Frage, ob eine Norm des Verfahrensrechts abbedungen werden kann, gelten grundsätzlich dieselben Erwägungen wie im materiellen Recht, d. h. der Umfang, in dem eine Parteidisposi­tion zulässig ist, hängt davon ab, ob diese Disposition in Widerspruch zu dem Ziel

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

steht, das die Norm gerade mit ihrer Ausgestaltung verfolgt. Es geht allerdings um die Ziele der Norm im Verfahren. Im nationalen Recht führt das Ziel, Individualrechtsschutz zu gewährleisten, dazu, dass die Parteien in weiterem Umfang Dispositionsmöglichkeiten haben als im materiellen Recht. Die Beurteilung von prozessualen Dispositionen ändert sich, sobald EURecht mitstreitentscheidend ist. Nationales Recht ist nicht anzuwenden, wenn vorrangiges EU-Recht greift. Im EU-Recht und insbesondere im EU-Verbrauchervertragsrecht finden sich aber nur punktuell individualverfahrensrechtliche Regelungen (1.). Soweit keine solchen Regelungen einschlägig sind, greift die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten (2.). 1. Vorrangiges EU-Verfahrensrecht Aus dem Anwendungsvorrang des EU-Rechts ergibt sich, dass nationales Verfahrensrecht nur anwendbar ist, soweit keine vorrangige EU-Regelung existiert. Das Unionsrecht vereinheitlicht verschiedene Bereiche der mitgliedstaat­ lichen Rechtsordnungen. Es konzentriert sich dabei aufgrund der begrenzten Rechtssetzungskompetenzen und des Subsidiaritätsprinzips regelmäßig auf materiellrechtliche Fragen.558 Ob eine Norm eine verfahrensrechtliche Wirkung hat, ergibt sich, sollte es nicht ausdrücklich angeordnet sein, aus ihrem Regelungsziel. Vereinzelt verbietet die EU verfahrensrechtliche Parteidisposi­ tionen. Ein Verzicht auf eine EuGH-Vorlage ist zum Beispiel nicht möglich; Art.  267 AEUV ist der Parteiherrschaft entzogen.559 Umgekehrt darf daher den Parteien auch nicht abverlangt werden, die Vorlagefrage aufzuwerfen.560 Im EU-Verbrauchervertragsrecht sind nur vereinzelt inner-nationale prozessrechtliche Fragen als Annex zu materiellrechtlichen Fragen geregelt.561 Das EU-­Recht erlaubt den Mitgliedstaaten, Vereinbarungen, die in einem Verfahren nach der ADR-RL zustande kommen, zu privilegieren (dazu bereits oben A. VI.). Auch entfallen bestimmte Widerrufsrechte und Informationspflichten im Verfahren vor einem Notar (vgl. Art.  14 Abs.  6 i. V. m. Artt.  5, 10 VerbrK-RL und 558  Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 38; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 111; Law, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 43, Rn.  84; S. Wagner, ZEuS 2014, 211, 214; Zeno-Zencovich/ Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 329. 559 EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.   41, 43 f.; indirekt auch Palmisani ./. INPS, C-261/95, ECLI:EU:C:1997:351 Rn.  31; vgl. auch Da Costa u. a., C-28-30/62, Slg. 1963, 69, 81. 560 EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.   41, 43 f.; indirekt auch Palmisani ./. INPS, C-261/95, ECLI:EU:C:1997:351 Rn.  31; Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995 437 Rn.  17–19; Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  40; Da Costa u. a., C-28-30/62, Slg. 1963, 69, 81; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 201 f. 561  Vgl. etwa Art.  6 Abs.  9 VerbrR-RL; Art.  5 Abs.  3 VerbrGK-RL; Micklitz, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 151, 164; ausführlich G. Wagner, ZEuP 2016, 87, 111 f.; ähnlich Loos, SSRN1535819 8; zum alten Recht Möllers, JZ 2002, 121, 131; kritisch Lehr/Wendel, EWS 1999, 321, 324.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht

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§  495 Abs.  1 Nr.  2 i. V. m. §§  491a, 492 BGB; Art.  3 Abs.  3 lit.  i VerbrR-RL und §  312 Abs.  2 Nr.  1 lit.  b BGB).562 Daneben ist das Verfahrensrecht grenzüberschreitender Streitigkeiten – auch aus Kompetenzgründen – umfassender harmonisiert.563 Aus diesen vereinzelten Regelungen und der Aufgabenverteilung zwischen Mitgliedstaaten und EU lässt sich ersehen, dass das EU-Verbrauchervertragsrecht nur ausnahmsweise Anwendungsvorrang vor dem nationalen Verfahrensrecht beansprucht. Das EU-Verbrauchervertragsrecht überlässt die Durchsetzung des materiellen Rechts dem nationalen Recht und ist daher regelmäßig auf eine materiellrechtliche Wirkung beschränkt.564 Im Regelfall sollen die Normen somit keine oder jedenfalls keine umfassende verfahrensrechtliche Wirkung haben. 2. Verfahrensautonomie der EU-Mitgliedstaaten Soweit keine vorrangige EU-Regelung vorliegt, bleibt die verfahrensrechtliche Ausgestaltung in der Kompetenz der Mitgliedstaaten.565 Es gilt der Grundsatz der nationalen Verfahrensautonomie.566 Dieser Grundsatz stammt aus der Aufgabenverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des EURechts: Das autonome nationale Recht und die dafür vorgesehenen nationalen Institutionen müssen das harmonisierte materielle Recht effektiv um- und durchsetzen.567 Aus dem allgemeinen Grundsatz des Vertrauens in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ergibt sich zugleich eine Art Vermutung, dass die 562  Kaufhold, DNotZ 1998, 254, 254, 257, 266–268; Rott, in: Tamm/Tonner (Hg.), Verbraucherrecht, 2.  Aufl., 2016, §  16 Verbraucherschutz im Bereich der Finanzdienstleistungen, D. Verbraucherdarlehensvertrag, Rn.  108; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 747 f.; zum Schwächerenschutz durch Beurkundung z. B. H. Wagner, AcP 172, 1972, 452, 456 ff. 563  Zu weiteren Vereinheitlichungsplänen z. B. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  9. 564  EuGH, Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  25; ähnlich Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 537 f. 565  Z. B. ausdrücklich EuGH, Comet, C-45/76, Slg. 1976, 2043, 2053; Express Dairy Foods, C-130/79, ECLI:EU:C:1980:155 Rn.  12; Fromme ./. BALM, C-54/81, ECLI:EU:C:1982:142 Rn.  4; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164, Rn.  50; Melloni, C-399/11, ECLI:EU:C:2013:107 Rn.  60; Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.  65; van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.  17; Unibet, C-432/05, ECLI:EU:C:2007:163 Rn.  43 f.; auch bereits Rewe, 33/76, ECLI:EU:C:1976:188 Rn.  5; Adinolfi, in: Micklitz/de Witte (Hg.), The ECJ and the Autonomy of the Member States, 2012, 281, 281 f.; Cahn, ZEuP 1998, 973, 974 f.; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 156; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 196 f; K. Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, 21–24; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 13 f.; auch als „Soweit“-Formel bezeichnet, vgl. Krönke, Verfahrensautonomie, 2013, 3 f.; Rengelin, VVDStRL 53, 1994, 202, 225 mit Fn.  116. 566  N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 11. 567 Z.  B. EuGH, Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Petrotel, C-231/15, ECLI:EU:C: 2016:769 Rn.  23; M. Bobek, in: Barnard/Peers (Hg.), European Union Law, 2017, 143, 144 f.; Cahn, ZEuP 1998, 973, 974 f.

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nationalen Verfahrensrechtsordnungen diesen Anforderungen genügen.568 Man spricht auch von der Rechtsdurchsetzungs-, Durchführungs- oder Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten.569 Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ist im Primärrecht nicht ausdrücklich kodifiziert. Sie ist aber in der Rechtsprechung des EuGH als unionsrechtlicher Grundsatz anerkannt und wird aus den oben genannten Kompetenzbegrenzungen sowie dem Prinzip der loyalen Zusammenarbeit hergeleitet.570 Dabei darf „Verfahren“ nicht mit der deutschen Kategorie „Verfahrensrecht“ als Gegenstück zum materiellen Recht gleichgesetzt werden. Das Unionsrecht stellt primär darauf ab, ob die nationalen Regelungen funktional die Um- und Durchsetzung des materiellen Rechts fördern oder ausgestalten.571 Dieses weite Verständnis, verbunden mit der dezentralen Durchsetzungsstruktur, führt zu verschiedenen nationalen Ansätzen, um das Unionsrecht durchzusetzen.572 Aus einer binnenmarktweiten Perspektive stellt sich die Rechtsdurchsetzung daher als inkonsistent und ungleich dar, aus nationaler Sicht werden Konsistenz, Gleichheit und Integration in das nationale Recht gefördert.573 Die Verfahrensautonomie überlässt den Mitgliedstaaten also grundsätzlich die Ausgestaltung, ob und in welchem Umfang Parteidispositionen möglich sind. Eine Disposition hängt dann zum einen davon ab, dass das deutsche Verfahrensrecht sie zulässt. Zum anderen muss diese Disposition unionsrechtskonform stattfinden. Während die Verfahrensautonomie also grundsätzlich das so verstandene nationale Verfahrensrecht intakt lässt, findet es seine Grenzen in weiteren Prinzipien des EU-Primärrechts: dem Effektivitäts- und dem Äquivalenzprinzip.

568  Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 269; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 27. 569  EuGH, Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.  65; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI: EU:C:2006:675 Rn.   24; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164, Rn.   50; Banif Plus Bank, C-472/­11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  26; Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Petrotel, C-231/15, ECLI:EU:C:2016:769 Rn.  23; Cahn, ZEuP 1998, 973, 974 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 179 f.; Hodges, ERA Forum 13, 2012, 11, 19; Hondius, ERPL 18, 2010, 103, 108; Trimidas, in: O’Keeffe (Hg.), Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, 465, 465; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 38; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, 387–397; van Gerven, CMLR 37, 2000, 501, 502 f. 570 EuGH, Rewe, 33/76, ECLI:EU:C:1976:188 Rn.   5; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 203–209; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 28. 571 Ausführlich Krönke, Verfahrensautonomie, 2013, 12–16. 572  Van Gerven, CMLR 37, 2000, 501, 521 f. 573  Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 38 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 180; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 24; Temple Lang, in: O’Keeffe (Hg.), Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, 235, 256 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 12; Arenas García, in: Parra Rodríguez (Hg.), Nuevos Reglamentos comunitarios y su impacto en el derecho catalán, 2012, 69, 73–75.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht

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II. Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip und das Gebot effektiven Rechtsschutzes Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip begrenzen die Verfahrensautonomie. Sie verhindern, dass die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten die Wirkung des EU-Rechts faktisch aushebelt oder unverhältnismäßig einschränkt. Um ein Rechtsdurchsetzungsdefizit zu verhindern, hat der EuGH aus dem Primärrecht Pflichten staatlicher Stellen, insbesondere der Gerichte, hergeleitet, um das EURecht auch verfahrensrechtlich durchzusetzen. Diese Rechtsprechung vereinheitlicht die nationale Um- und Durchsetzung des Unionsrechts deutlich und prägt sie stark, auch wenn der Grundsatz der Verfahrensautonomie fortbesteht.574 Das Verfahrensrecht darf die effektive Wirkung des EU-Rechts nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen (Effektivitätsprinzip, 1.). Dabei ist auch darauf zu achten, dass das Verfahren, welches im Ergebnis die effektive Wirkung beschränkt, den Anforderungen effektiven Rechtsschutzes genügt (2.). Schließlich darf der Umfang der Disposition über EU-Recht nicht diskriminierend sein im Verhältnis zum Umfang der Disposition über autonomes nationales materielles Recht (Äquivalenzprinzip, 3.). 1. Effektivitätsprinzip Das Verfahrensrecht darf die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen (Effektivitätsprinzip). Effektive Wirkung bedeutet nicht absolute Wirkung, sondern nur Mindestwirkung im Verhältnis zum verfahrensrechtlichen Ziel der nationalen Norm (a). Bei der Analyse der verfahrensrechtlichen Ziele wird wieder die – diesmal auf der Durchsetzungsebene – doppelte Zielrichtung des Verbrauchervertragsrechts relevant: Um Marktordnungsrecht zu etablieren und durchzusetzen, wird der Verbraucher im Wege des private enforcement instrumentalisiert.575 Insbesondere in Verfahren, in denen ein Verbraucher beteiligt ist, können die materiellrechtlich bekämpften Defizite sich im Verfahren fortsetzen und eine Rechtsdurchsetzung verhindern. Dem EU-Recht geht es damit neben dem Individualschutz gerade um den Schutz des Normsystems als solchem und um seine Etablierung in den Mitgliedstaaten (b). Es lassen sich aus der doppelten Zielsetzung auch zwei Grenzen der verhältnismäßigen Beschränkung ausmachen: Personen, hier also Verbraucher, die ein Recht verliehen bekommen haben, müssen gerichtlichen Schutz für dieses Recht erlangen können (c).576 Weiterhin muss das 574  Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 180; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 17–20; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 313 f. 575  Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 287; Rott, EuZW 2003, 5, 6; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 318. 576  Grundlegend EuGH, Francovich, C-6/90, ECLI:EU:C:1991:428 Rn.  31–33; z. B. ausführlich Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 104–106.

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Recht überhaupt und einheitlich angewendet werden, es muss sich bewähren. Es muss daher die Möglichkeit geben, die Norm gerichtlich anzuwenden (d).577 Bei der Durchsetzung des EU-Rechts muss diese im deutschen Verfahrensrecht ungewohnte Zielsetzung demnach ebenfalls berücksichtigt werden. a) Konzept der effektiven Wirkung und Grenzen des nationalen Rechts Die Mitgliedstaaten müssen die effektive Um- und Durchsetzung des EURechts positiv in einem Mindestmaß gewährleisten und dürfen sie negativ nicht übermäßig beeinträchtigen. Aus diesem „Effektivitätsprinzip“ folgt zum einen eine Vorgabe an alle staatlichen Stellen, insbesondere an Behörden 578 und Gerichte,579 innerhalb ihrer verfahrensrechtlichen Befugnis aktiv die effektive Umsetzung des Unionsrechts sicherzustellen.580 Das EU-Recht fordert von ihnen primär eine Auslegung und Anwendung aller Normen, die das Unionsrecht unmittelbar implementieren – und damit letztlich der gesamten Rechtsordnung –, soweit diese im konkreten Fall der Durchsetzung der Normen dienen. Sie müssen dem Unionsrecht die umfassendste mögliche Wirkung verleihen.581 Die Grenze der Auslegungs- und Rechtsfortbildungspflicht ergibt sich aus dem nationalen Recht. Eine Auslegung oder Rechtsfortbildung contra legem ist nicht 577  Krönke, Verfahrensautonomie, 2013, 311 f.; vgl. auch Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, 243. 578  EuGH, Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.  6 4; Promusicae, C-275/06, ECLI:EU: C:2008:54 Rn.  68; Sziber, C-483/16, ECLI:EU:C:2018:367 Rn.  33. 579  EuGH, Brasserie du pêcheur ./. Bundesrepublik Deutschland und The Queen ./. Secretary of State for Transport, ex parte Factortame u. a., C-46/93, C-48/93, ECLI:EU:C:1996:79 Rn.  32, 34; Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.  65; Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU: C:2016:252 Rn.   34; auch als Vollstreckungs- oder Insolvenzgerichte, EuGH, Asturcom, C-40/­08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  59; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C: 2016:283 Rn.  51 f. 580 EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.   24; Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.  65; Cafaggi/Iamiceli, SSRN-id2898981, 6 f.; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 65 f. 581  EuGH, Marleasing, C-106/89, ECLI:EU:C:1990:395 Rn.  8; Eco Swiss, C-126/97, ECLI: EU:C:1999:269 Rn.   37, 39 f.; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  30–32; Adeneler u. a., C-212/04, ECLI:EU:C:2006:443 Rn.  115–118; Pfeiffer u. a., C-397/01, ECLI:EU:C:2004:584 Rn.  116–119; Impact, C-268/06, ECLI:EU:C:2008:223 Rn.  43, 45, 101; Pereničová & Perenič, C-453/10, ECLI:EU:C:2012:144 Rn.  30; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU: C:2009:615 Rn.   52, 54, 57; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.   62; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  32; Lucchini, C-119/05, ECLI:EU:C:2007:434 Rn.  55 f., Rn.  60; PFE, C-689/13, ECLI:EU:C:2016:199 Rn.  41; Ognyanov, C-614/14, ECLI:EU:C:2016: 514 Rn.  35; Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Petrotel, C-231/15, ECLI:EU:C: 2016:769 Rn.  23; Promusicae, C-275/06, ECLI:EU:C:2008:54 Rn.  68; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099, Rn.  50; Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C: 2009:792 Rn.  31; M. Bobek, in: Barnard/Peers (Hg.), European Union Law, 2017, 143, 159 f.; 169 f.; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 41 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  10; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 11; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 313 f.; M. Stürner, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 1071,1073 f.; Pfeiffer, ZEuP 2003, 141, 145 f.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 173

notwendig, die Abänderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung aber evtl. schon.582 Besteht im Rahmen des anwendbaren Rechts ein Auslegungsspielraum eines Gerichts bei der Anwendung der Normen, so ist es verpflichtet, die Auslegungs- oder – etwa bei Ermessensentscheidungen – die Anwendungsmöglichkeit zu wählen, welche die Effektivität des Unionsrechts am umfassendsten gewährleistet.583 Eine Ermessensentscheidung kann daher unter dem Einfluss des Unionsrechts zu einer gebundenen Entscheidung werden.584 Ausnahmsweise kann das Unionsrecht die Nichtanwendung nationalen Verfahrensrechts verlangen, wenn eine Verfahrensnorm die Wirksamkeit des Unionsrechts unverhältnismäßig beeinträchtigt.585 Teilweise wird die Pflicht zur positiven, effektivitätsfördernden Auslegung von diesem negativen, die Anwendung einer nationalen Morm ausschließenden Aspekt in der deutschen Literatur mit dem „Gebot des effet utile“ (positiv) vom Effektivitätsprinzip (negativ) abgegrenzt.586 Da die Terminologie aber nicht einheitlich und vom EuGH gar nicht verwendet wird,587 orientiert diese Untersuchung sich an der Terminologie des EuGH und verwendet nur „effektive Wirkung“. 582 EuGH, Praxair MRC, C-486/18 Rn.   36 f.; Romano, C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 Rn.  37 f.; Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  32; Impact, C-268/06, ECLI:EU:C:2008: 223 Rn.  100, 103; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  31 f.; vgl. auch Biuro podróży Partner C-119/15, 21.12.2016, ECLI:EU:C:2016:987 (Ls. 1); Althammer, ZZP 126, 2013, 3, 26 f.; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 411 f.; Kovar, in: Boev (Hg.), Mélanges Charpentier, 2009, 381, 386; N. Reich, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 301, 306–309; ders., Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 11. 583 Vgl. dazu EuGH, Lück  ./. Hauptzollamt Köln, 34/67, Slg. 1968, 364, 373; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  24, 27; Filipiak, C-314/08, ECLI:EU:C:2009:719 Rn.  83; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  32; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  27; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 39. 584 EuGH, Asbeek Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.  45 f.; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  32; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2 009:615 Rn.  53 f.; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  38; Prechal, CMLR 35, 1998, 681, 697 f.; Schebesta, ERPL 2010, 847, 852; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 313 f.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 146 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 168. 585  Zum Anwendungsvorrang z. B. EuGH, Costa ./. E.N.E.L., C-6/64, ECLI:EU:C:1964:66 = Slg. 1964, 1253, 1269–1271; Simmenthal, C-106/77, ECLI:EU:C:1978:49 Rn.  17/18–24; Factortame, C-213/89, ECLI:EU:C:1990:257 Rn.  20 f.; Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.  67; Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a. (I) ./. Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft, C-465/93, ECLI:EU:C:1995:369 Rn.  51; Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  12; Lucchini, C-119/05, ECLI:EU:C:2007:434 Rn.  60, 63; Filipiak, C-314/08, ECLI:EU:C: 2009:719 Rn.   81 f.; Winner Wetten, C-409/06, ECLI:EU:C:2010:503 Rn.   53–55; Melloni, C-399/11, ECLI:EU:C:2013:107 Rn.  58–60 (zur EU-Grundrechte-Charta); PFE, C-689/13, ECLI: EU:C: 2016:199 Rn.  39 f.; Ognyanov, C-614/14, ECLI:EU:C:2016:514 Rn.  34; M. Bobek, in: Barnard/ Peers (Hg.), European Union Law, 2017, 143, 161–165; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 40, 42–45; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  4, 7; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 65 f.; tendenziell bereits EuGH, Rewe, 33/76, ECLI:EU:C: 1976:188 Rn.  5. 586  Ausführlich etwa Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 250 f. 587  Vgl. etwa Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 250 f.; Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht, 2017, 35 f.; Nowak u. a., EU Procedural Law, 2014, Rn.  4.04.

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Führt auch die unionsrechtsfreundlichste Auslegung einer Norm nicht zur vollen Wirkung des von ihr umgesetzten Unionsrechts, akzeptiert der EuGH diese Grenze, solange zumindest die „effektive“ Wirkung des EU-Rechts gewahrt bleibt. Es gibt keine klare Definition, wann eine Norm eine solche „effektive“ Wirkung entfaltet. In der Rechtsprechung findet sich regelmäßig nur eine Formel, wann die effektive Wirkung einer Norm nicht erzielt wird. Dies ist der Fall, wenn der vom Unionsrecht Begünstigte, also etwa der Verbraucher, seine vom EU-Recht verliehenen Rechte „praktisch unmöglich“588 oder „übermäßig erschwert“ ausüben kann.589 Positiv ausgedrückt muss das nationale Verfahrensrecht ein Mindestmaß an wirksamer Um- und Durchsetzung des Unionsrechts gewährleisten.590 Effek­ tive Wirkung bedeutet nicht absolute Wirkung, sondern nur angemessene Wirkung im Verhältnis zum Umsetzungsziel.591 Sobald die Ziele der Norm nicht oder nicht voll erreicht werden, ist die effektive Wirkung beschränkt, ohne dass diese Beschränkung stets unverhältnismäßig sein muss.592 In Verhältnis gebracht werden müssen das Ziel der Unionsnorm und die Ziele des nationalen Verfahrensrechts. Das Unionsrecht muss letztere als legitim anerkennen.593 Der EuGH gestand dies bisher Zielen zu wie der Schaffung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit, der Wahrung der Verfahrensrechte der Be588  EuGH, Rewe, 33/76, ECLI:EU:C:1976:188 Rn.  5; Comet, C-45/76, Slg. 1976, 2043, 2053; Express Dairy Foods, C-130/79, ECLI:EU:C:1980:155 Rn.  12; M. Bobek, in: Barnard/Peers (Hg.), European Union Law, 2017, 143, 169 f.; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 41. 589 Z.  B. EuGH, San Giorgio, C-199/82, ECLI:EU:C:1983:318 Rn.   12; Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.   12; Unibet, C-432/05, ECLI:EU:C:2007:163 Rn.   43; Târșia, C-69/14, ECLI:EU:C:2015:662 Rn.  36; Levez ./. Jennings Ltd., C-326/96, ECLI:EU:C: 1998:577; Bulicke, C-246/09, ECLI:EU:C:2010:418 Rn.  25; Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009: 666 Rn.  47; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  26; M. Bobek, in: Micklitz/de Witte (Hg.), The ECJ and the Autonomy of the Member States, 2012, 305, 306; Eilsmans­ berger, CMLR 41, 2004, 1199, 1219; K. Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013,33 f.; Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 182 f. 590  Vgl. etwa Germelmann, Rechtskraft in der Europäischen Union, 2009, 260 f.; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 40–42; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 499; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, 436–438. 591  Z. B. Cafaggi/Iamiceli, SSRN-id2898981, 3; Storskrubb, Civil Procedure and EU Law, 2008, 14 f. 592  Z. B. EuGH, Paul u. a., C-222/02, ECLI:EU:C:2004:606 Rn.  42 f.; Ebers, Rechte, Rechts­ ­behelfe und Sanktionen, 2016, 276; Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht, 2017, 63– 66; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  7 f.; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 271 f., „relatives Maximierungsgebot“ 295; kritisch wegen der dadurch verursachten Rechtsunsicherheit Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 181; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, 158–160. 593  Hesselink, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 131, 160 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  8;

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 175

teiligten, dem Schutz des ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens und auch der Parteiautonomie.594 Verfolgt eine Norm diese Ziele, geht der EuGH regelmäßig davon aus, die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen seien in der Lage, die effektive Durchsetzung des Unionsrechts zu gewährleisten. Er erklärt Verfahrensregelungen daher nur ausnahmsweise für unionsrechtswidrig.595 Eine unverhältnismäßige Beschränkung, die eine nationale Norm unanwendbar macht, wird vom EuGH in wenigen Fällen angenommen. Die Ziele des Unionsrechts müssen also verhindert werden. Unter anderem auch im Verbrauchervertragsrecht wird dabei das unionsrechtliche Ziel relevant, das Marktrecht durch Privatpersonen durchsetzen zu lassen (sog. private enforcement). Hieraus, zusammen mit der doppelten Zielsetzung des Verbrauchervertragsrechts, ergeben sich die Grenzen der effektiven Wirkung in diesem Bereich. b) Private enforcement des Marktrechts als verfahrensrechtliche Zielsetzung des Verbrauchervertragsrechts Das EU-Verbrauchervertragsrecht verfolgt das überindividuelle Ziel, den binnenmarktweiten Handel im B2C-Bereich einheitlich zu regulieren und damit bestimmte Marktregeln zu etablieren und auszubauen. Der Verbraucher wird vom EU-Recht unmittelbar mit Individualrechten ausgestattet und in ihrer Wahrnehmung geschützt, um das EU-Recht und damit die von diesem geschaffenen Regeln zum Wirtschaftsleben und Wettbewerb durchzusetzen (sog. private enforcement).596 Krönke, Verfahrensautonomie, 2013, 224; Prechal, CMLR 35, 1998, 681, 691; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, 442–445. 594  EuGH, Târșia, C-69/14, ECLI:EU:C:2015:662 Rn.  37; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  34; Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León, C-413/12, ECLI:EU:C:2013:800 Rn.  34; Rosado Santana, C-177/10, ECLI: EU:C:2011:557 Rn.  93; Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  48; Sopropé, C-349/07, ECLI:EU:C:2008:746 Rn.  40, 50; Grundig Italiana, C-255/00, ECLI:EU:C:2002:525 Rn.  34; Recheio – Cash & Carry, C-30/02, ECLI:EU:C:2004:373 Rn.  17–22; i-21 Germany, C-392/04, ECLI:EU:C:2006:586 Rn.  58–60; Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  14; van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.  19; BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C: 2015:731 Rn.  26; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  10; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 34. 595  König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 85 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 269. 596  Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 668–670; Hess, JZ 2011, 66, 67; Hodges, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 437, 447; C. Kern, ZZP Int 12, 2007, 351, 364 f.; Loos, in: Stürner (Hg.), Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht?, 2010, 47, 47 ff.; V. Mak, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 333, 345 f.; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 275 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 272; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 304 f., 307, 310 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 7 f.; a. A. Classen, VerwArch 88, 1997, 645, 650.

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Das private enforcement geht auf die dezentrale Umsetzungsstruktur der EU zurück: Da das Unionsrecht seine Durchsetzung nicht direkt regelt, sondern sie den Mitgliedstaaten überlässt, kann es sie nicht vollumfassend sicherstellen. Es kann zu Mängeln in der nationalen Umsetzung kommen, wenn die Mitgliedstaaten entsprechende oder auch gerade keine Regelungen treffen.597 Damit eine Norm glaubwürdig ist und ihre Adressaten sie respektieren, muss sie auch durchgesetzt werden.598 Um die Mitgliedstaaten zusätzlich zur unionsrechtskonformen Rechtsumsetzung und die Normadressaten zur Normbefolgung anzuhalten, befähigt die EU die Privatperson, eigene (unionsrechtliche) Rechtspositionen vor Gericht geltend zu machen.599 Normen, die in diesem Wege des private enforcement durchgesetzt werden, greifen auf die in allen Mitgliedstaaten vorhandenen Durchsetzungsmechanismen des Privat- und Zivilprozessrechts zurück. Die nationalen Gesetzgeber brauchen bei harmonisiertem materiellem Recht nur wenige zusätzliche verfahrensrechtliche Umsetzungsschritte einzuführen. 600 Verfolgt der Verbraucher seine Rechte, animiert die drohende gerichtliche Inanspruchnahme die Unternehmer zu einem unionsrechtlich gewünschten Marktverhalten. 601 Es geht dem EU-Verbrauchervertragsrecht daher nicht nur darum, die Rechte des Verbrauchers zu schützen, sondern vielmehr auch darum, vorab (präventiv) dafür zu sorgen, dass der Unternehmer sich an das Recht hält. 602 Das Individualverfahren dient damit aus Sicht des EU-Rechts auch dem 597  Hess, JZ 2011, 66, 70; K. Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, 24 f.; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 262 f.; vgl. auch H. Roth, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), Bitburger Gespräche 2015, 2016, 39 f. 598  Z. B. G. Wagner, CMLR 51, 2014, 165, 166 f. 599  Zunächst EuGH, Van Gend en Loos, C-26/62, ECLI:EU:C:1963:1 = Slg. 1963, 3, 26 f.; Salgoil, C-13/68, ECLI:EU:C:1968:54 = Slg. 1968, 661, 690–692; Pannon, C-243/08, ECLI: EU:C:2009:350 Rn.  21; z. B. Basedow, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 43, 57; C. Calliess, NJW 2002, 3577, 2578 f.; Cseres, in: Cafaggi/Muir Watt (Hg.), Making European Private Law, 2008, 138, 142 f., 181–183; Jacobs, CMLR 41, 2004, 303, 308; Komninos, EC Private Antitrust Enforcement, 2008, 6; Masing, Mobilisierung des Bürgers, 1997, 176; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 262 f., 274; Ruffert, in: Schumann (Hg.), Hierarchie, Kooperation und Integration, 2015, 95, 113 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 470. 600  C. Calliess, NJW 2002, 3577, 3578; Grundmann, ZHR 163, 1999, 635, 649 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 185 f.; Masing, Mobilisierung des Bürgers, 1997, 45 f., 176; Nettesheim, AöR 132, 2007, 333, 355; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 274; G. Wagner, CMLR 51, 2014, 165, 170; ähnlich zum Kapitalmarktrecht Möllers, in: ders. (Hg.), Standardisierung, 2008, 211, 221, 223 f.; a. A. (Individualschutz) Classen, VerwArch 88, 1997, 645, 650. 601  Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 97 f.; Hodges, ERA Forum 13, 2012, 11, 13; Klöhn, in: Schulze (Hg.), Compensation of Private Losses, 2011, 179, 183; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 279; V. Mak, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 333, 345 f.; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 275 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 272; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 350; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 7 f. 602  Vgl. etwa EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  28; Kommission ./. Italien, C-372/99, ECLI:EU:C:2002:42 Rn.  15; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU: C:2002:705 Rn.  35; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  27; Pannon, C-243/08,

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 177

überindividuellen Ziel, die Marktordnung durchzusetzen. 603 Die hinter den Regelungen eigentlich stehenden Allgemeinwohlinteressen werden bewusst über die privaten Rechte zusätzlich abgesichert. 604 Je mehr Möglichkeiten es gibt, eine Norm gerichtlich geltend zu machen, desto wahrscheinlicher geschieht dies. Je häufiger eine Norm von einem Gericht angewendet und durchgesetzt wird, desto häufiger wird sie konkretisiert und bestätigt. 605 Ihre Wirkung in der Rechtsordnung verstärkt sich. Die sogenannte „Bewährung der Privatrechtsordnung“ oder des „objektiven Rechts“606 ist neben der Streitentscheidung und der damit einhergehenden Befriedung eine weitere von der EU beabsichtigte Wirkung der richterlichen Entscheidung. Sie wird von den Parteien zwar nicht angestrebt, stellt aber als Reflex auch Ergebnis einer solchen dar. Sie ist gerade für „junge“ und policy-orientierte Normsysteme wie die des Unionsrechts wichtig, damit dieses sich etabliert und an Glaubwürdigkeit gewinnt.607 Aus der Umsetzung im Wege des private enforcement und den materiellrechtlichen Zielen lässt sich nun ableiten, wann eine Beschränkung des EU-Verbrauchervertragsrechts unverhältnismäßig ist. c) Effektive Rechtsbehelfe als Grenze der verhältnismäßigen Beschränkung Die eine Grenze einer verfahrensrechtlichen Beschränkung der effektiven Wirkung einer Norm ergibt sich aus dem individualschützenden Ziel des EU-Verbrauchervertragsrechts. 608 ECLI: EU:C:2009:350 Rn.  31, 26; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  67 f.; allgemein Klöhn, in: Schulze (Hg.), Compensation of Private Losses, 2011, 179, 183. 603  Z. B. Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 123; Hess, JZ 2011, 66, 70; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 53; Rott, EuZW 2003, 5, 6 f.; ­Schebesta, ERPL 2010, 847, 858. 604  Dieckmann, AcP 213, 2013, 1, 7 f.; Hodges, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 437, 437 f.; Masing, Mobilisierung des Bürgers, 1997, 222; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 269; Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 188; vgl. etwa Grünbuch, KOM(93)509 endg., 15.11.1993, 86 f. 605  C. Kern, ZZP Int 12, 2007, 351, 362 f.; Klöhn, in: Schulze (Hg.), Compensation of Private Losses, 2011, 179, 195; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 388–394. 606  Z. B. Gaul, AcP 168, 1968, 27, 44, 46 f.; Gilles, in: Dammann u. a. (Hg.), GS Wolf, 2011, 377, 388; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 96; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 269 f.; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 547 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 59 f. 607  Vgl. etwa Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, 243; Gärditz, Gutachten D zum 71. DJT, 2016, D 17 f.; Klöhn, in: Schulze (Hg.), Compensation of Private Losses, 2011, 179, 195; Komninos, EC Private Antitrust Enforcement, 2008, 11–15; H. Roth, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), Bitburger Gespräche 2015, 2016, 39 f.; Storskrubb, Civil Procedure and EU Law, 2008, 296–299; weiter noch H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 26–28; krit. zu diesen Entwicklungen Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 313–326. 608  Vgl. EuGH, Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  6 4; ähnlich ­Basedow, in: Micklitz/de Witte (Hg.), The ECJ and the Autonomy of the Member States, 2012, 65, 69.

178

§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

Zunächst richtet sich die dem Effektivitätsprinzip entspringende Pflicht an die Mitgliedstaaten und damit an den Gesetzgeber. Das nationale Verfahrensrecht muss adäquate rechtsstaatliche Rechtsbehelfe zur Ausübung der vom Unionsrecht gewährten Rechte zur Verfügung stellen und Verstöße verhindern oder ahnden. 609 Primärrechtlich wird die Pflicht, einen effektiven Rechtsbehelf zu schaffen, auf Art.  19 Abs.  1 UAbs.  2 EU610 sowie das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit, Art.  4 Abs.  3 EU, gestützt. 611 Bei Verstößen müssen Folgen möglich sein, die „wirksam, angemessen und abschreckend“ sind. 612 Der Gesetzgeber kann auf das bestehende nationale Verfahrensrecht zurückgreifen, soweit dieses diesen Anforderungen genügt. Er muss also kein spezielles Verfahren einführen. 613 Die Wahl der konkreten Instrumente und ob Zuwiderhandlungen strafrechtlich, ordnungsrechtlich oder zivilrechtlich sanktioniert werden, steht dem nationalen Gesetzgeber frei, solange das angestrebte Ziel erreicht wird und das EU-Recht keine spezielle Umsetzung verlangt. 614 609  EuGH, Salgoil, C-13/68, ECLI:EU:C:1968:54 = Slg. 1968, 661, 693 f.; Von Colson und Kamann ./. Land Nordrhein-Westfalen, C-14/83, ECLI:EU:C:1984:153 Rn.  18; Francovich, C-6/90, ECLI:EU:C:1991:428 Rn.  32; Coote ./. Granada Hospitality, C-185/97, ECLI:EU:C: 1998:424 Rn.  19 f.; Unibet, C-432/05, ECLI:EU:C:2007:163 Rn.  41; Unectef ./. Heylens, C-222/ 86, ECLI:EU:C:1987:442 Rn.  14–16; Draehmpaehl ./. Urania Immobilienservice, C-180/95, ECLI:EU:C:1997:208 Rn.   24; Dillenkofer u. a., C-178/94, ECLI:EU:C:1996:375 Rn.   25 f.; Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  34; Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Petrotel, C-231/15, ECLI:EU:C:2016:769 Rn.  21–23; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 39 f.; Heinze, in: Basedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337, 337, 339; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §   ­ 3 Rn.  4 4 f., §  11 Rn.  1, 7; Nowak u. a., EU Procedural Law, 2014, Rn.  4.03; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 28; ders., in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Con­ sumer Law, 2009, 317, 320; ders., in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 301, 302; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 269 f.; Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 181–183; Snyder, The Modern Law Review 56, 1993, 19, 22; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 309 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 12. 610  Vgl. auch EuGH, i-21 Germany, C-392/04, ECLI:EU:C:2006:586 Rn.  72; Adinolfi, in: Micklitz/de Witte (Hg.), The ECJ and the Autonomy of the Member States, 2012, 281, 282 f.; N. Reich, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 301, 301 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 29. 611  EuGH, Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.  6 4; Kühne & Heitz, C-453/00, ECLI: EU:C:2004:17 Rn.  27 f.; Komninos, EC Private Antitrust Enforcement, 2008, 148; K ­ önig, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 106 f. 612  Vgl. etwa Artt.  23 f. VerbrR-RL, Art.  7 Klausel-RL, z. B. Hodges, ERA Forum 13, 2012, 11, 19. 613  Vgl. etwa EuGH, Manfredi, C-295/04, ECLI:EU:C:2006:461 Rn.   62; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  8; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 85 f., 166; zur unzureichenden Umsetzung Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, 446 f. 614  Z. B. Artt.  23 f. VerbrR-RL; Art.  7 Klausel-RL; EuGH, Rewe, 33/76, ECLI:EU:C:1976:188 Rn.  5; Von Colson und Kamann ./. Land Nordrhein-Westfalen, C-14/83, ECLI:EU:C:1984:153 Rn.  18; Dekker, C-177/88, ECLI:EU:C:1990:383 Rn.  24, 29; Francovich, C-6/90, ECLI:EU:C: 1991:428 Rn.  17; Draehmpaehl ./. Urania Immobilienservice, C-180/95, ECLI:EU:C:1997:208 Rn.  24–26; Unicaja Banco und Caixabank, C-482/13, ECLI:EU:C:2015:21 Rn.  30; Biuro

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 179

Es muss sichergestellt werden, dass die vom Unionsrecht geschützten Personen auch durch das Rechtssystem ausreichend Schutz vor Zuwiderhandlungen erlangen und diesen im Vorfeld begegnet werden kann. 615 Unverhältnismäßig ist daher ein Verfahrensrecht, welches verhindert, dass der Verbraucher in der Lage ist, einen Rechtsbehelf zu erheben, um ein Individualrecht unmittelbar geltend zu machen oder durchzusetzen. 616 Die Rechtsverfolgung oder -ausübung ist darüber hinaus „übermäßig schwierig“ i. S. d. Effektivitätsprinzips, wenn sie zwar möglich, für den typischen Verbraucher aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Umständen so schwierig ist, dass er üblicherweise darauf verzichtet. Dabei muss die unterstellte schwächere Position des Verbrauchers als des typischen Normdurchsetzenden in der Verfahrensausgestaltung besonders berücksichtigt werden. Das Gleiche gilt für den typischen Beklagten, wenn er entsprechend von einer Verteidigung absieht. 617 Aus der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, zusätzlich alternative Verfahren und Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes einzuführen, lässt sich nicht umgekehrt schlussfolgern, der Individualprozess sei für die EU irrelevant. Sobald dieser geführt wird, sorgt er für eine effektivere Durchsetzung als alternative Verfahren.618 Die Bedeutung des Individualprozesses zeigt sich auch daran, dass selbst Verfahrensausgestaltungen, die im Wege der Unterlassungsklage durch einen Verbraucherverband das EU-Verbraucherrecht durchsetzen sollen, den einzelnen Verbraucher nicht davon abhalten dürfen, zu entscheiden, ob er seine Rechte geltend macht. Nationale Regelungen, nach denen im Anschluss an eine Unterlassungsklage jede spätere Individualklage unzulässig ist, sind unionsrechtswidrig.619 Damit ein Normsystem glaubhaft ist, muss es sicherstellen, dass Zuwiderhandlungen begegnet wird. 620 Es muss daher Rechtsbehelfe vorsehen, um Verstöße gegen das Unionsrecht ausreichend zu kompensieren und eine Abschreckungswirkung vor weiteren Normverstößen zu erzielen. 621 ­ odró­ży Partner, C-119/15, ECLI:EU:C:2016:987 Rn.  30; Hellgardt, Regulierung und Privatp recht, 2016, 180, 183 f.; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 52 f., 167 f.; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 300 f.; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 20 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 270; Schebesta, ERPL 2010, 847, 858. 615 Vgl. EuGH, Kadi u.  a., C-402/05 P & C-415/05 P, ECLI:EU:C:2008:461 Rn.  368; J. Schwarze, in: Grote u. a. (Hg.), FS Starck, 2007, 645, 650. 616  EuGH, Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  27, 43; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  59, 64; M. Bobek, in: Barnard/Peers (Hg.), European Union Law, 2017, 143, 169 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  7. 617 Z. B. EuGH, Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.   52–59; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  50; Profi Credit Polska, C-176/17, ECLI:EU:C:2018:711 Rn.  67 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 33. 618  Anders wohl Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 475. 619  EuGH, Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  25, 35 f. 620  Z. B. Classen, JZ 2006, 157, 157. 621  Craig, Oxford J. Legal Stud. 12, 1992, 453, 457 f.; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 123–125.

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

d) Interesse an der Bewährung und einheitlichen Anwendung des EU-Rechts als weitere Grenze der Beschränkung Die zweite Grenze einer verfahrensrechtlichen Beschränkung der effektiven Wirkung einer Norm ergibt sich aus dem überindividuellen Ziel des EU-Verbrauchervertragsrechts. Das besondere Interesse an der Bewährung der Rechtsordnung führt dazu, dass eine Beschränkung unverhältnismäßig ist, die jed­ wede Möglichkeit einer EuGH-Vorlage ausschließt. Der Gedanke der effektiven Wirkung zielt somit nicht nur auf den effektiven Individualrechtsschutz ab, der in Deutschland als klassischer Prozesszweck gilt,622 sondern auch auf die Möglichkeit, die Norm überhaupt anzuwenden. 623 (1) Bedeutung der EuGH-Vorlage als Hintergrund Diese Zielsetzung und damit die Grenze der Verfahrensautonomie ergeben sich aus folgenden Überlegungen: Je früher eine staatliche Kontrolle stattfindet, desto häufiger können Gerichte oder Behörden eine Norm anwenden. 624 Durch häufigere Anwendung und Auslegung einer Norm wird diese stärker im Normsystem etabliert und konkretisiert. Das „letzte Wort“, wie das Unionsrecht auszulegen und anzuwenden ist, hat aber der EuGH. 625 Um eine einheit­ liche Rechtsanwendung zu gewährleisten und damit das Normsystem zu stärken, muss die Möglichkeit bestehen, dass unionsrechtliche Normen, die für die endgültige Entscheidung relevant sein können, dem EuGH vorgelegt werden. 626 Vorlageberechtigt i. S. d. Art.  267 AEUV sind im Zivilverfahren nur staatliche Gerichte, nicht aber Behörden627 oder privat Entscheidende. 628 Hieraus erwächst ein Bedürfnis des EU-Rechts, dass ein staatliches Gericht sich mit den 622 

Dazu ausführlich §  1 B. III. Krönke, Verfahrensautonomie, 2013, 311 f.; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 464; ähnlich Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, 243. 624  Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 350. 625  Vgl. etwa EuGH, Rheinmühlen Düsseldorf-Holthausen, C-166/73, ECLI:EU:C:1974:3 Rn.  5; Kühne & Heitz, C-453/00, ECLI:EU:C:2004:17 Rn.  21, 28; J. Schwarze, in: Grote u. a. (Hg.), FS Starck, 2007, 645, 647 f.; zu auch dieser Funktion des EuGH Basedow, in: Micklitz/ de Witte (Hg.), The ECJ and the Autonomy of the Member States, 2012, 65, 69, 76–79. 626 Z.  B. EuGH, Rheinmühlen Düsseldorf-Holthausen, C-166/73, ECLI:EU:C:1974:3 Rn.  5; i-21 Germany, C-392/04, ECLI:EU:C:2006:586 Rn.  59; Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C: 2008:78 Rn.  41–44; Gundel, EWS 2016, 2, 4; EuGH, A/B u. a., C-112/13, ECLI:EU:C:2014:2195 Rn.  32, 35, 37, 39; Krönke, Verfahrensautonomie, 2013, 308 f.; Leczykiewicz, ERCL 8, 2012, 47, 56; ähnlich Classen, JZ 2006, 157, 161; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 179 f.; Nowak u. a., EU Procedural Law, 2014, Rn.  4.40. 627  Vgl. dazu EuGH, Familiensache: Standesamt Stadt Niebüll, C-96/04, ECLI:EU:C:2006: 254 Rn.  14; Margarit Panicello, C-503/15, ECLI:EU:C:2017:126 Rn.  42. 628 EuGH, Nordsee  ./. Reederei Mond, C-102/81, ECLI:EU:C:1982:107 Rn.  14–16; Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  40; Denuit und Cordenier, C-125/04, ECLI:EU:C: 2005:69 Rn.  13–17; N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 317, 345 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 380. 623 

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht

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Regelungen befassen kann. 629 Dies gilt insbesondere, da eine EuGH-Vorlage durch eine erhöhte Verfahrenszahl häufiger möglich ist. Somit verstärken mehr Möglichkeiten, eine Norm gerichtlich geltend zu machen, die Effektivität dieser Norm. 630 Außergerichtliche Streitbeilegungsmechanismen wie Schiedsverfahren oder Schiedsstellen können nicht den gleichen Beitrag zur Fortentwicklung und Bestätigung des EU-Rechts leisten wie staatliche und damit vorlageberechtigte Gerichte. 631 Soweit eine Norm der Rechtsvereinheitlichung dient, erfordert daher der Effektivitätsgrundsatz, dass ein staatliches Gericht einmal im gesamten Verfahren in der Lage sein muss, die Einhaltung des EU-Rechts zu kontrollieren und zugleich eine Rechtsfrage dem EuGH zur Auslegung vor­ legen zu können.632 Aus diesem Grund ist auch die EuGH-Vorlage der Partei­ disposition entzogen. 633 Verfahrensregelungen, die gänzlich verhindern, dass ein Gericht überprüfen kann, ob das EU-Recht eingehalten wurde, beschränken damit die effektive Umsetzung des Unionsrechts erheblich, da sie eine Rechtsfortbildung verhindern. 634 Umgekehrt ist die Einheitlichkeit der nationalen Rechtsprechung kein legitimes Ziel in der Abwägung.635 (2) Möglichkeit der gerichtlichen Prüfung als Grenze einer Gesamtabwägung Aus diesen Gedanken folgt nicht, dass in jedem Verfahrensabschnitt eine vollständige gerichtliche Kontrolle und die damit verbundene EuGH-Vorlage möglich sein müssen. 636 Formalia und Fristen im Prozess sowie Anwalts- und Ge629 Vg. EuGH, Klausner Holz Niedersachsen, C-505/14, ECLI:EU:C:2015:742 Rn.   27, 44–46; Krönke, Verfahrensautonomie, 2013, 187–190; tendenziell Cahn, ZEuP 1998, 973, 980. 630 EuGH, Otis, C 199/11, ECLI:EU:C:2012:684 Rn.   41 f.; Azoulai u. a., in: dies. (Hg.), Constructing the Person in EU Law, 2016, 3, 4 f.; Basedow, in: Mansel u. a. (Hg.), FS Jayme, 2004, 3, 3 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 187; Hodges, ERA Forum 13, 2012, 11, 13, 19 f.; Jacobs, CMLR 41, 2004, 303, 308; C. Kern, ZZP Int 12, 2007, 351, 376 f.; V. Mak, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 333, 345 f.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 191; Nettesheim, AöR 132, 2007, 333, 354 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 3–10; ähnlich allgemein Hegenbarth, in: Blankenburg u. a. (Hg.), Alternativen in der Ziviljustiz, 1982, 257, 257. 631  EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  40; Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 77; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 380; dazu auch G. Wagner, CMLR 51, 2014, 165, 178. 632  EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  40; Klausner Holz Niedersachsen, C-505/14, ECLI:EU:C:2015:742 Rn.  27, 44–46; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 374; Prechal, CMLR 35, 1998, 681, 693. 633  EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  41, 43 f.; indirekt EuGH, Palmisani ./. INPS, C-261/95, ECLI:EU:C:1997:351 Rn.  31; vgl. auch EuGH, Da Costa u. a., C-2830/62, Slg. 1963, 69, 81; zum Mahnverfahren Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 504. 634  Vgl. EuGH, Duarte Hueros, C-32/12, ECLI:EU:C:2013:637 Rn.  43. 635  EuGH, Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  41; ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  43–45. 636  EuGH, Profi Credit Polska, C-176/17, ECLI:EU:C:2018:711 Rn.  59 f.; Krönke, Verfah-

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richtskosten verfolgen legitime Zwecke und beschränken die effektive Wirkung des EU-Rechts regelmäßig nicht unverhältnismäßig. 637 Solche Regelungen können aber, zusammen mit anderen Normen und ab einer bestimmten Erheblichkeitsschwelle, Hürden darstellen, ein Verfahren zu beginnen.638 In der B2C-­ Konstellation nimmt der EuGH eine mit derart unzulässigen Hürden verbundene Verfahrensausgestaltung an, wenn sie besonders formal oder kompliziert ist und zugleich rasches Handeln und Entscheiden verlangt. Wegen seiner mangelnden Rechtskenntnisse kann der Verbraucher dann faktisch seine Rechte nicht geltend machen. 639 Für ihn wird es schnell unverhältnismäßig teuer, sich anwaltlich beraten zu lassen, um die relevanten Kenntnisse zu erlangen. 640 Die Anwaltskosten können dazu führen, dass der Verbraucher keine Beratung oder Vertretung im Prozess in Anspruch nimmt.641 Umgekehrt kennt eine Privat­ person in Verfahren, in denen sie keinen Anwalt braucht, ihre Rechte nicht oder nicht umfassend, und kann sie daher nicht geltend machen. 642 Um festzustellen, ob die Hürden unverhältnismäßig sind, ist eine Gesamtwürdigung erforderlich, ob das Verfahren so hohe Anforderungen an den Verbraucher stellt, dass er typischerweise von einem Verfahren absieht.643 Zwar können beschränkende formale Verfahrensregelungen durch bestimmte Interessen des nationalen Verfahrensrechts gerechtfertigt sein, etwa Rechtsfrieden und Rechtssicherheit oder die Vermeidung von Verfahrensverschleppung. Dies ist aber eine Frage der Gesamtschau der Verfahrensregelungen, ihrer Form-, Frist- und Vertretungsvorschriften. 644 Bei der Gesamtbetrachtung des Verfahrensautonomie, 2013, 315; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 499. 637  EuGH, Clean Car Autoservice, C-472/99, ECLI:EU:C:2001:663 Rn.  27–29; Heinze, in: Basedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337, 341; Komninos, EC Private Antitrust Enforcement, 2008, 235. 638 EuGH, Aqua Med, C-266/18, ECLI:EU:C:2019:282 Rn.   53 f.; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  43; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346, Rn.  22, etwa auch Rechtsanwaltskosten, die höher als der Streitwert sind, Rn.  26; Heinze, in: Basedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337, 340 f. 639  EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  29; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099, Rn.  50; ähnlich Heinze, in: Basedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337, 340. 640 EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.   26; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  30; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C: 2012: 349 Rn.  52; Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  61. 641  EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  2 2, 24; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  32. 642  EuGH, Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  4 4. 643  EuGH, Aqua Med, C-266/18, ECLI:EU:C:2019:282 Rn.  53 f.; Baczó und Vizsnyiczai, C-567/13, ECLI:EU:C:2015:88 Rn.  53–59. 644  EuGH, Gambazzi, C-394/07, ECLI:EU:C:2009:219 Rn.  30–32; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  4 4; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 168.

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rens und der Abwägung mit den Zielen, die hinter beschränkenden Verfahrensregelungen stehen, ist aber zu berücksichtigen, ob im gesamten Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einmal eine gerichtliche Kontrolle aller streitrelevanten Unionsnormen stattfinden kann und damit zumindest die Möglichkeit der EuGH-Vorlage besteht. 645 Aus diesem Grund endschied der EuGH etwa auch, dass eine aufgehobene Instanz nach Zurückverweisung und Neubefassung nicht an die Rechtsauffassung der höheren Instanz gebunden ist, es sei keine EuGH-Vorlage notwendig. Sie muss das Unionsrecht erneut prüfen und bei abweichender Auffassung dem EuGH vorlegen. 646 Auch hieran zeigt sich, dass nationale Regelungen die Möglichkeit der EuGH-Vorlage nicht vorschnell ausschließen können. (3) Bedeutung des Verbrauchervertragsrechts und der Binnenmarktförderung als weiterer Abwägungsgesichtspunkt Wie stark die richterliche Kontrolle eingeschränkt werden kann, hängt zugleich von der Wertigkeit des Rechtsakts ab, der effektiv durchgesetzt werden soll, und von der Frage, welche Gründe auf der Seite des nationalen Verfahrensrechts vorgebracht werden. 647 Das Interesse an einer einheitlichen Anwendung steigt mit der Bedeutung des Rechtsakts für den Binnenmarkt. Das EU-Verbrauchervertragsrecht soll bestimmte Bereiche des Vertragsrechts EU-weit vereinheit­ lichen, besonders mit den vollharmonisierenden Richtlinien. Die Vorschriften des binnenmarktweiten Handels sollen in der EU einheitlich angewendet werden. 648 Der Harmonisierungsgedanke und damit auch die einheitliche Rechtsanwendung durch den EuGH spielen im Verbrauchervertragsrecht daher eine gewichtige Rolle. In Verfahren, die dem Verbrauchervertragsrecht zur effektiven Wirksamkeit verhelfen sollen, kann sich das Ergebnis der Abwägung von nationalen mit EU-­ Regelungszielen aufgrund der Bedeutung des Verbrauchervertragsrechts stark in dessen Richtung bewegen. 649 Es wird als Kernmaterie betrachtet, um den Binnenmarkt zu verwirklichen, vgl. Art.  38 EU-Grundrechte-Charta, Art.  169 645  Vgl. dazu auch EuGH, Denuit und Cordenier, C-125/04, ECLI:EU:C:2005:69 Rn.  14– 16; Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  54; Samba Diouf, C-69/10, ECLI: EU:C:2011:524 Rn.  69; Duarte Hueros, C-32/12, ECLI:EU:C:2013:637 Rn.  43; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, 446; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 374. 646 EuGH, Rheinmühlen Düsseldorf-Holthausen, C-166/73, ECLI:EU:C:1974:3 Rn.   5; Elchinov, C-173/09, ECLI:EU:C:2010:581 Rn.  32; Gundel, EWS 2016, 2, 5. 647  Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht, 2017, 69–74; K. Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, 125; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 383 f. 648 Vgl. EuGH, Walt Wilhelm u.  a.  ./.  Bundeskartellamt, C-14/68, ECLI:EU:C:1969:4 Rn.  9; Rewe, 33/76, ECLI:EU:C:1976:188 Rn.  5; Basedow, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 43, 57; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 180; K. Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, 126 f., 141. 649  Schebesta, ERPL 2010, 847, 860; vgl. etwa EuGH, C-12/11, ECLI:EU:C:2013:43 Rn.  48.

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AEUV. 650 Daher besteht aus Sicht der Union ein besonderes öffentliches Interesse, verbraucherrechtswidriges Handeln objektiv zu verhindern, um das Verbraucherrecht effektiv durchzusetzen. Hieraus erwächst zum einen das Bedürfnis, Rechtsverstößen wirksam zu begegnen. 651 Die Rechte der Gegenpartei des Verbrauchers können daher bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber dem Interesse an der Durchsetzung eher zurücktreten als in anderen Verfahren. 652 Dem EuGH geht es aber zum anderen nicht nur um den Ausgleich der konkreten strukturellen Ungleichgewichtslagen im B2C-Verhältnis, sondern auch um die objektive Anwendung speziell des EU-Verbrauchervertragsrechts.653 Dies lässt sich daran sehen, dass er bisher kein Interesse gezeigt hat, allgemeine Verfahrensvorgaben im B2C-Bereich aufzustellen. Er stellt stets auf Situationen ab, in denen eine potenzielle Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien grundsätzlich die Prüfung des EU-Verbrauchervertragsrechts verhindert, also etwa ein Verbraucher aus Unwissenheit nicht vorträgt. 654 Es geht ihm also nicht allgemein um Verbraucherschutz im Verfahren. Aus diesem Grund war etwa unproblematisch, dass ein Darlehensvertrag im B2C-Verhältnis, der möglicherweise gegen die UGP-RL, nicht aber das EU-Verbrauchervertragsrecht verstieß, im Hypothekenvollstreckungsverfahren nicht vom Gericht auf Unionsrechtswidrigkeit geprüft werden konnte, da das Verfahrensrecht eine solche Prüfung untersagte. 655 Ein nahezu identischer Fall, in dem es inhaltlich aber um einen Verstoß gegen die Klausel-RL ging, führte zu einer Prüfungspflicht.656 Der Unterschied zwischen den beiden Entscheidungen liegt nur darin, dass es nur im zweiten Fall um die Anwendung des EU-Verbrauchervertragsrechts ging, nicht aber im ersten. Dem Gericht ging es somit nicht allgemein um den Ausgleich 650  EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675, 35–37; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615, Rn.  51; C-12/11, ECLI:EU:C:2013:43 Rn.  63; BBVA, C-8/14, ECLI:EU: C:2015:731 Rn.  19; Unicaja Banco und Caixabank, C-482/13, ECLI:EU:C:2015:21 Rn.  30; ­Biuro podróży Partner, C-119/15, ECLI:EU:C:2016:987 Rn.  30; C. Calliess, in: Ehlers (Hg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4.  Aufl., 2014, 792, 792 f., Rn.  3, 5; Mörsdorf, JZ 2010, 759, 760 f., 766. 651  EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  38; Biuro podróży Partner, C-119/15, ECLI:EU:C:2016:987 Rn.  30; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C: 2010:659 Rn.  48 f.; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  31; ähnlich auch schon Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  35; Rott, EuZW 2003, 5, 6; ausführlich König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 209–211; K. Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, 141–145. 652  Etwa EuGH, C-12/11, ECLI:EU:C:2013:43 Rn.  45–49, 60–64; Cafaggi/Iamiceli, SSRN-­ id2898981, 18; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 48 f.; Schebesta, ERPL 2010, 847, 861. 876; Weatherhill, ERCL 8, 2012, 221, 226; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 166–168; ähnlich N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 22. 653  Daher kritisch Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, 243. 654  EuGH, Banco Santander, C-598/15, ECLI:EU:C:2017:945 Rn.  46 f. 655  EuGH, Bankia, C-109/17, ECLI:EU:C:2018:735 Rn.  32 f., 37 f. 656  EuGH, Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164.

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von Asymmetrien im B2C-Verhältnis oder den Schutz des Verbrauchers im Verfahren, sondern es verschärft die Anforderungen an das Verfahrensrecht nur in Fällen, in denen das EU-Verbrauchervertragsrecht streitentscheidend ist. Dies zeigt, dass das EU-Recht nicht allgemein ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Verbraucher und Unternehmer im Verfahren bekämpfen möchte, sondern es auf dasselbe nur dann ankommt, wenn zugleich das EU-Verbrauchervertragsrecht streitentscheidend ist und die unterstellte Asymmetrie seine Rechtsanwendung verhindert. (4) Vergleich mit ausschließlich individualschützenden Regelungen Auch ein Vergleich mit anderen harmonisierten Vertragsrechtsnormen zeigt, dass das Verbrauchervertragsrecht mehr als nur Individualschutz anstrebt. In der Literatur wird die Pflicht zur gerichtlichen Kontrolle individualschützend interpretiert: Der Verbraucher verlöre seine Rechte, ohne je Gelegenheit gehabt zu haben, vor Gericht vorzutragen. 657 Dieser Gedanke des Individualschutzes kann auch eine Rolle spielen (s. o. c.). Doch daneben geht es in der Rechtsprechung des EuGH auch um die Möglichkeit der EuGH-Vorlage. Das Interesse, dieselbe zu gewährleisten, besteht unabhängig vom Schutz des einzelnen Verbrauchers im Bereich des Verbrauchervertragsrechts. Der EuGH stellt nicht oder nicht ausschließlich658 darauf ab, ob die Verfahrensrechte des Verbrauchers gewahrt waren. Sehen lässt sich dies etwa in Fällen, in denen das nationale Recht verfahrensrechtliche Klageausschlussfristen vorsah, die vom EuGH auf ihre EU-Rechtskonformität untersucht wurden. Im Verbraucherrecht spielt es nur eine untergeordnete Rolle, ob der Verbraucher auf einen Fristbeginn hingewiesen wurde oder von Präklusionsregeln wusste. 659 Unabhängig von solchen Erwägungen ist die gesetzliche Ausgestaltung unionsrechtswidrig, weil sie die richterliche Prüfung beschränkte, ohne dass jemals die Möglichkeit zu einer solchen bestand. Aufgrund der Unkenntnis und Passivität des Verbrauchers braucht der Unternehmer nur abzuwarten, um die gerichtliche Kontrolle seines unionsrechtswidrigen Verhaltens zu verhindern. 660 Der EuGH ging in diesen Fällen nicht explizit darauf ein, ob der Betroffene vom Fristbeginn wusste, sondern die Regelung war auch unabhängig hiervon unwirksam. Die Kenntnis wäre aber ein Faktor, der auf Individualschutz hindeutet. Es geht dem EuGH also nicht oder nicht nur darum, den Verbraucher oder sonst Betroffenen zu warnen oder ihm Gelegenheit zur Kenntnis zu geben. Er will unabhängig von dessen Interessen sicherstellen, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte Fragen des 657  Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 499; ähnlich Heinze, EuR 2008, 654, 664. 658  Etwa EuGH, Finanmadrid, C-49/14, ECLI:EU:C:2016:98 Rn.  36, 52–54, 56 f. 659  Etwa EuGH, Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  63. 660  EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705, Rn.  32 f., 36; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 348.

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Unionsrechts beurteilen und den EuGH anrufen können.661 Ähnliche Bedeutung nimmt möglicherweise das hier nicht vertiefte Recht der staatlichen Beihilfen ein.662 Ähnlich bewertete der EuGH Verjährungsfristen im Kartellrecht, also auch einer Materie, die der Binnenmarktverwirklichung dient. 663 Umgekehrt fehlt der Gedanke, dass die Rechtsanwendung als solche und die Vorlage an den EuGH gewahrt werden müssen, in arbeitsrechtlichen Verfahren wegen Rechtsverstößen im Einstellungsverfahren. Hier stellt der EuGH, anders als im Verbrauchervertragsrecht, stets ausschließlich auf die individuelle Kenntnis und Möglichkeit des Gerichtszugangs der Betroffenen ab. Gerechtfertigt sind Ausschlussfristen wegen des Interesses des (potenziellen) Arbeitgebers, Rechtssicherheit zu haben, ob er mit Prozessen rechnen und Unterlagen zu Beweiszwecken aufbewahren muss. 664 Die Regelungen zu Klagemöglichkeiten, deren effektive Wirkung durch Ausschlussfristen beschränkt wird, sind individualschützend. Wären die Verbraucherregelungen ebenfalls rein individualschützend, müsste die Argumentation im Arbeitsrecht zum Schutz des Arbeitnehmers parallel zur Argumentation im Verbraucherrecht zum Schutz des Verbrauchers verlaufen. Dies ist aber nicht der Fall. Der EuGH ging im Arbeitsrecht nicht auf die allgemeine gerichtliche Möglichkeit ein, EU-Recht anzuwenden. 665 Er konzentrierte sich vielmehr darauf, ob die Frist angemessen gegenüber dem individuellen Arbeitnehmer war – dieser und sein Schutz standen im Zentrum der Prüfung. Die unterschiedliche, im Arbeitsrecht individualschützende Argumentation erklärt sich durch die andere kompetenzrechtliche Grundlage. Die Regelungen zum Arbeitsrecht stützen sich, anders als die im Verbrauchervertragsrecht, nicht auf die Binnenmarktklausel, sondern die Regelungen zu Antidiskriminierung und Arbeitnehmerschutz (heute: Art.   19 AEUV und Art.   157 Abs.   3 AEUV für Antidiskriminierung sowie Art.  153 Abs.  1 i. V. m. Abs.  2 lit.  b AEUV). 666 Aus der jeweils unterschiedlichen Zielsetzung der Normen erklärt sich damit auch die unterschiedliche Beurteilung, wann eine effektive Wirkung noch ausreichend gewahrt wird und wann eine unverhältnismäßige Beschränkung vorliegt.

661 Ähnlich Germelmann, Rechtskraft in der Europäischen Union, 2009, 269 f.; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 179 f. 662  Vgl. etwa EuGH, Alcan, C-24/95, ECLI:EU:C:1997:163 Rn.  42 f.; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 49. 663  EuGH, Manfredi, C-295/04, ECLI:EU:C:2006:461 Rn.  78–82. 664  EuGH, Bulicke, C-246/09, ECLI:EU:C:2010:418 Rn.  38 f., 41; Pontin, C-63/08, ECLI: EU:C: 2009:666 Rn.  60, 62–66; Preston, C-78/98, ECLI:EU:C:2000:247 Rn.  35. 665  EuGH, Bulicke, C-246/09, ECLI:EU:C:2010:418; Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009: 666; Preston, C-78/98, ECLI:EU:C:2000:247. 666  Z. B. Rodriguez Iglesias, EuGRZ 1997, 289, 291.

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(5) Fazit Bei der Förderung des Binnenmarkts steht die einheitliche Rechtsanwendung durch den EuGH besonders im Fokus. Im Verbrauchervertragsrecht, dessen Erlass auf die Binnenmarktklausel gestützt wird, ergänzt das Interesse an einer einheitlichen Rechtsanwendung den Individualschutz. Bei der Abwägung kommt daher dem Gedanken einer gerichtlichen Prüfungspflicht stärkeres Gewicht zu. Beim Unternehmer im Verbraucherrecht müssen daher gewichtigere Interessen für einen Ausschluss jeder Rechtsprüfung sprechen als im Arbeitsrecht beim Arbeitgeber. Solche Interessen sind bisher nicht erkennbar geworden, insbesondere wurden bisher keine Gründe angeführt, die im Arbeitsrecht einen solchen Ausschluss gerechtfertigt hätten. Präklusionsregelungen im EU-Verbrauchervertragsrecht sind daher grundsätzlich nur zulässig, wenn im Vorfeld die Möglichkeit bestand, dass ein Gericht sich der nachher präkludierten Rechtsfrage widmen konnte. 667 2. Effektiver Rechtsschutz Aus der Regelungstechnik des private enforcement folgt zugleich eine Verpflichtung, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Da die EU den Bürger zur Rechtsdurchsetzung mit eigenen Rechten versieht und ihre gerichtliche Geltendmachung fördert, wird sie zugleich rechtsstaatlich verpflichtet, den Individualschutz nicht nur als Mittel zum Zweck zu verwenden, sondern die Individuen und ihre Rechte im Individualverfahren tatsächlich zu schützen. 668 Diese Pflicht trifft dann auch die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der entsprechenden Regelungen. Der Gedanke des private enforcement steht daher in einer Wechselwirkung mit dem Individualrechtsschutz. Soweit Private das EU-Recht durchsetzen sollen, stellt der EuGH zusätzlich konkrete rechtsstaatliche Anforderungen an den damit verbundenen Individualprozess. 669 Das Gebot effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ergibt sich aus den umzusetzenden Rechtsakten, Artt.  6 , 13 EMRK, Art.  47 EU-Grundrechte-Charta und den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten. Es ist daher als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anerkannt. 670 Dieser Grundsatz ver667  EuGH, Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  17–19; Finanmadrid, C-49/14, ECLI:EU:C:2016:98 Rn.  53 f.; tendenziell auch Cahn, ZEuP 1998, 973, 980. 668  Craig, Oxford J. Legal Stud. 12, 1992, 453, 457 f.; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 123–125. 669  Gärditz, Gutachten D zum 71. DJT, 2016, D 21; Heinze, in: Basedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337–341, 339; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 22. 670  EuGH, Coote ./. Granada Hospitality, C-185/97, ECLI:EU:C:1998:424 Rn.   21; Agrokonsulting-04, C-93/12, ECLI:EU:C:2013:432 Rn.  48; Ordre des barreaux francophones und germanophone u. a., C-305/05, ECLI:EU:C:2007:383 Rn.  29 f.; Unibet, C-432/05, ECLI:EU:C: 2007:163 Rn.  37 f.; Winner Wetten, C-409/06, ECLI:EU:C:2010:503 Rn.  58; Otis, C 199/11,

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langt, dass die Rechte, die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen, verfahrensrechtlich effektiv abgesichert werden. 671 Hieraus erwachsen weitere Anforderungen, wie ein mitgliedstaatliches Verfahren auszugestalten ist. 672 Ist eine Privatperson Partei eines Rechtsstreits, muss diese in der Lage sein, einen Rechtsbehelf einzulegen. Dieser Rechtsbehelf muss zu einem rechtsstaatlich-­ fairen Verfahren führen. 673 Effektiver Rechtsschutz erfordert Zugang zu mindestens einer gerichtlichen Rechts- und Tatsacheninstanz. 674 Der Rechtsschutz muss rechtzeitig möglich sein, d. h. spätestens vor Vollstreckung und bevor irreparable Tatsachen geschaffen werden.675 Etwas anderes gilt, wenn leicht einstweiliger Rechtsschutz verfügbar ist, etwa im Zwangsvollstreckungsrecht. 676 Der EuGH und ein Großteil der Literatur sehen das Gebot effektiven Rechtsschutzes sowohl als Bestandteil des Effektivitätsprinzips,677 als auch als eigenen Prüfungspunkt an,678 ohne hier klar zu differenzieren. Diese Unklarheit geht darauf zurück, dass der Inhalt sich mit beiden Punkten überschneidet, etwa bei der Pflicht, einen Rechtsbehelf vorzusehen, um eine Rechtsverletzung geltend ECLI:EU:C:2012:684 Rn.  46; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 187; Hesselink, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 131, 138 f., 147, 160 f.; Kocher, ZEuP 2006, 784, 786; van Gerven, CMLR 37, 2000, 501, 503, 521; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 22; ders., in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 301–326, 322; ders., in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 317, 321; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 37; ähnlich Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 211–213. 671  EuGH, Unectef ./. Heylens, C-222/86, ECLI:EU:C:1987:442 Rn.  14 f.; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  29; Gundel, in: Ehlers (Hg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4.  Aufl., 2014, 839, 863 f. Rn.  45; Micklitz, in: Niglia (Hg.), Pluralism, 2013, 29, 48; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 24. 672  Z. B. Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 785 f. Rn.  29. 673  EuGH, Impact, C-268/06, ECLI:EU:C:2008:223 Rn.  43, 45; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  50; M. Bobek, in: Barnard/Peers (Hg.), European Union Law, 2017, 143, 169 f.; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 331. 674  EuGH, Samba Diouf, C-69/10, ECLI:EU:C:2011:524 Rn.  69; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  36. 675  EuGH, Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  49; J. Schwarze, in: Grote u. a. (Hg.), FS Starck, 2007, 645, 650. 676 Z.  B. EuGH, Unibet, C-432/05, ECLI:EU:C:2007:163 Rn.   77; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  59, 64; Kušionová, C-34/13, ECLI:EU:C:2014:2189 Rn.  53–57, 61– 67; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099, Rn.  27, 43; Heinze, EuR 2008, 654, 660; ders., in: Basedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337–341, 341. 677 Vgl. etwa EuGH, Johnston, C-222/84, ECLI:EU:C:1986:206 Rn.   13; i-21 Germany, C-392/04, ECLI:EU:C:2006:586 Rn.  58 f.; Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  49, 52, 61; Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  365 f. 678  Z. B. EuGH, Agrokonsulting-04, C-93/12, ECLI:EU:C:2013:432 Rn.  48; Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht, 2017, 45–47; Rodriguez Iglesias, EuGRZ 1997, 289, 290; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, 445; wohl auch Cafaggi/Iamiceli, SSRN-­ id2898981, 10.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 189

zu machen (s. o. 1. c). 679 Eine Unterscheidung ist aber möglich und teilweise auch notwendig: Denn der effektive Rechtsschutz der Parteien ist Teil oder Ergänzung des Effektivitätsprinzips, kann aber daneben ein Element sein, welches umgekehrt die Effektivität des sonstigen Unionsrechts einschränkt und somit in der Abwägung zu beachten ist. 680 Die rechtsstaatlichen Anforderungen gehen in denen auf, die sich aus der verfassungskonformen und EGMR-freund­ lichen Auslegung des nationalen Rechts zu Parteidispositionen ergeben (ausführlich bereits §  1 C., D.). 3. Äquivalenzprinzip Flankiert wird das Effektivitätsprinzip durch das Äquivalenzprinzip. Historisch wurde letzteres vom EuGH vor ersterem entwickelt und etablierte ein Ungleichbehandlungsverbot von EU-Recht im Verhältnis zu nationalem Recht (a und b). Es hat sich aber unter dem Einfluss des Effektivitätsprinzips positiv weiterentwickelt, sodass seine heutige Ausprägung nur in Kombination mit diesem verständlich wird: Nationale Stellen sind verpflichtet, die effektive Wirkung soweit wie möglich sicher zu stellen, soweit dies nach nationalem Recht möglich ist. Auslegungsspielräume, die sich aus dem Äquivalenzprinzip ergeben, sind aufgrund des Effektivitätsprinzips daher verpflichtend zu nutzen, um die effektivste Wirkung nach nationalem Verfahrensrecht sicherzustellen (c). a) Begriff der Ungleichbehandlung Das Äquivalenzprinzip stellt eine Ausformung des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots oder Diskriminierungsverbots im Verhältnis von nationalem Recht und Unionsrecht dar. 681 Die Mitgliedstaaten können im Rahmen ihrer Verfahrensautonomie das EU-Recht systemgerecht in ihr innerstaatliches Rechtssystem einpassen. Sie dürfen das Unionsrecht bei der Umsetzung aber nicht schlechter stellen als vergleichbares nationales Recht. 682 Denn dies führte zu679  EuGH, Johnston, C-222/84, ECLI:EU:C:1986:206 Rn.  13–19; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 253–256; K. Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, 44–46; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, 44 f.; krit. daher Kas/Micklitz, EWS 2018, 181, 201. 680 Z. B. EuGH, Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a. (I) ./. Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft, C-465/93, ECLI:EU:C:1995:369 Rn.  40–48; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 258–260; Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts, 2013, 521; V. Mak, Camb. Yearb. Eur. Legal Stud. 9, 2018, 1, 5; Pfeiffer, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  7 – Vor Art.  1, Rn.  11; Rengelin, VVDStRL 53, 1994, 202, 228 f.; Storskrubb, Civil Procedure and EU Law, 2008, 85 f., 89–91. 681 EuGH, Express Dairy Foods, C-130/79, ECLI:EU:C:1980:155 Rn.   12; Pasquini, C-34/02, ECLI:EU:C:2003:366 Rn.  70; Fromme ./. BALM, C-54/81, ECLI:EU:C:1982:142 Rn.  7; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 93. 682  Z. B. EuGH, Comet, C-45/76, Slg. 1976, 2043, 2053; Ferwerda, C-265/78, ECLI:EU:C: 1980:66 Rn.  12; San Giorgio, C-199/82, ECLI:EU:C:1983:318 Rn.  12; Pasquini, C-34/02,

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gleich zu einer Ungleichbehandlung der betroffenen Akteure, die nur daraus resultiert, dass Unionsrecht auf sie anzuwenden ist. 683 Aus diesem Grund sieht der EuGH es etwa als einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip an, wenn eine Klagefrist für Rechtsschutz aus innerstaatlichem Recht länger ist als für gleichartige Rechtsschutzbedürfnisse, die sich aus dem Unionsrecht ergeben. 684 Ähnliches gilt für ungünstigere Modalitäten, unter ­denen die Aufrechnung der Forderung gegen einen aus dem Unionsrecht resultierenden Anspruch erklärt werden kann als bei einem Anspruch nach autonom-­ nationalem Recht. 685 Ebenso ist eine Regelung unzulässig, die eine amtswegige gerichtliche Prüfung bei zwingendem Unionsrecht (damals: Gemein­schafts­ recht) verbietet, eine solche Prüfung aber bei innerstaatlichem zwingenden Recht erlaubt. 686 b) Maßstab der Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit Wie bei allen Gleichbehandlungsnormen ergibt sich aus dem Äquivalenzgebot keine generelle, absolute Gleichstellungspflicht der Unionsregelungen mit den nationalen Regelungen, die im gesamten Rechtssystem am stärksten und günstigsten durchgesetzt werden. 687 Eine unzulässige Ungleichbehandlung liegt nur vor, wenn die nationale und die EU-Regelung vergleichbar oder gleichwertig sind. Hierzu müssen die wesentlichen Merkmale der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe vergleichbar sein, es müssen ihnen etwa vergleichbare Gegenstände oder Rechtsgründe zugrunde liegen. 688 Eine Ungleichbehandlung ist umgekehrt zulässig, wenn es eine sachliche Unterscheidung zwischen dem na­ tionalen Recht und der konkreten unionsrechtlichen Regelung gibt, welche wieECLI:EU:C:2003:366 Rn.  70; Fromme ./. BALM, C-54/81, ECLI:EU:C:1982:142 Rn.  6 f.; Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.  67; Gundel, in: Ehlers (Hg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4.  Aufl., 2014, 839, 865 f. Rn.  49; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  4; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 269; Temple Lang, in: O’Keeffe (Hg.), Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, 235, 256 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 30 f. 683  EuGH, Jensen und Korn, C-132/95, ECLI:EU:C:1998:237 Rn.  49. 684  EuGH, Rewe, 33/76, ECLI:EU:C:1976:188 Rn.  5; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 41; EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  58 f. 685  EuGH, Jensen und Korn, C-132/95, ECLI:EU:C:1998:237 Rn.  46, 50. 686  EuGH, van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.  13 f. 687  EuGH, Levez ./. Jennings Ltd., C-326/96, ECLI:EU:C:1998:577 Rn.  42; Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  45; Cahn, ZEuP 1998, 973, 977; Trimidas, in: O’Keeffe (Hg.), Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, 465, 469. 688  EuGH, Comet, C-45/76, Slg. 1976, 2043, 2053; Levez ./. Jennings Ltd., C-326/96, ECLI: EU:C:1998:577 Rn.  41, 43 f.; Edilizia Industriale Siderurgica (Edis), C-231/96, ECLI:EU:C: 1998:401 Rn.   36  f.; Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.   46; Agrokonsulting-04, C-93/12, ECLI:EU:C:2013:432 Rn.  39; M. Bobek, in: Micklitz/de Witte (Hg.), The ECJ and the Autonomy of the Member States, 2012, 305, 312 f.; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 95 f.; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 40 f.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht

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derum die verfahrensrechtliche Ungleichbehandlung rechtfertigt. 689 Eine verfahrensrechtliche Andersbehandlung kann zulässig sein, wenn es sich inhaltlich um ein anderes Rechtsgebiet oder eine andere Klage- oder Verfahrensart handelt und die betroffenen staatlichen und privaten Interessen sich sachlich unterscheiden. 690 Etwa müssen verfahrensrechtliche Grundsätze des FamFG oder des Verwaltungsprozessrechts wie die Amtsermittlung nicht auf verbraucherrechtliche Fragen im Zivilprozess übertragen werden. 691 Das Gleiche gilt für Besonderheiten im Zwangsvollstreckungsverfahren im Verhältnis zum Erkenntnisverfahren. 692 Ist aber kein sachlicher Grund gegeben und ist die Behandlung, die der nationalen Norm zugutekommt, günstiger für die Rechtswahrnehmung als die der unionsrechtlichen, dann liegt ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vor. 693 Dies bedeutet für Fragen des Verbrauchervertragsrechts: Allgemeine Regelungen des Zivilprozesses, die ein formales Verfahren, Ausschlussfristen oder Passivität der Entscheidungsperson vorsehen, werden auch auf Verfahren angewendet, die über das private enforcement das Unionsverbraucherrecht durchsetzen sollen. Allerdings verlangt das Äquivalenzprinzip, dass das EU-Verbrauchervertragsrecht wie Regelungen aus den hochwertigsten Regelungsbereichen des nationalen Zivilrechts behandelt wird, also eine zwingende Regelung etwa wie das strengste zwingende Recht nach nationalem Verständnis. 694 Beschränkt das nationale Recht in anderen zivilrechtlichen Fragen die Parteiautonomie, nicht aber bei der Umsetzung von Verbraucherrecht, dann ist zu untersuchen, ob diese Ausnahme durch sachliche Unterschiede gerechtfertigt ist. Verglichen werden objektiv und abstrakt die jeweiligen Regelungen im Gesamtsystem des Verfahrens. 695 Pauschal zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern zu unterscheiden, reicht nicht aus, da kein sachlicher Grund ersichtlich ist. 696 689 EuGH, Jensen und Korn, C-132/95, ECLI:EU:C:1998:237 Rn.   51; Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  45; Baczó und Vizsnyiczai, C-567/13, ECLI:EU:C:2015:88 Rn.  45 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 31. 690 EuGH, Fromme ./. BALM, C-54/81, ECLI:EU:C:1982:142 Rn.   7; Edilizia Industriale Siderurgica (Edis), C-231/96, ECLI:EU:C:1998:401 Rn.  36–38; Biondi, CMLR 36, 1999, 1271, 1274. 691  EuGH, Târșia, C-69/14, ECLI:EU:C:2015:662 Rn.  33–35. 692  EuGH, Pohotovosť, C-470/12, ECLI:EU:C:2014:101 Rn.  49 f. 693  EuGH, Levez ./. Jennings Ltd., C-326/96, ECLI:EU:C:1998:577 Rn.  50; Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  57. 694  EuGH, Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  30; Asbeek Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.  45 f.; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009: 615 Rn.  53 f.; Banco Primus, C-421/14, ECLI:EU:C:2017:60 Rn.  42; zur Unterscheidung zu anderen Rechtsakten: EuGH, van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI:EU:C:2007:318 Rn.  29, 40; ähnlich zu Regelungen des Wettbewerbsrechts: EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C: 1999:269, Rn.  36; vgl. etwa König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 102 f. 695  EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  46. 696  EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  34; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  55; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164, Rn.  62.

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c) Positive Fortentwicklung in Kombination mit dem Effektivitätsprinzip Bei Fragen der effektiven Umsetzung kann das Effektivitäts- mit dem Äquivalenzprinzip zusammentreffen. Die Kombination beider Prinzipien kann notwendig sein, um volle effektive Wirksamkeit der Normen zu gewährleisten. Hindern Verfahrensvorschriften ein Gericht daran, die volle Wirksamkeit zu gewährleisten, können sie aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten heraus unanwendbar sein, wenn sie in anderen Gebieten nicht gelten. Dazu zählen Regelungen, die dem Gericht verbieten, von Amts wegen tätig zu werden. 697 Zugleich kann die aus dem Effektivitätsprinzip resultierende Verpflichtung, das Unionsrecht so effektiv wie möglich umzusetzen, in Verbindung mit dem Äquivalenzprinzip dazu führen, dass ein Gericht in den Grenzen der nationalen Möglichkeiten tätig werden muss, selbst wenn es dies nach autonom-nationalem Recht nicht zwingend muss, sondern ein Tätigwerden in seinem Ermessen steht. 698 Das Gericht ist verpflichtet, bei der Umsetzung von EU-Recht aktiv zu werden, wenn es in gleichartigen nationalen Fällen von Amts wegen tätig werden kann und sein Handeln der Durchsetzung des Verbraucherrechts dient. Erlaubt also das nationale Prozessrecht, dass ein Gericht von Amts wegen die Unwirksamkeit einer Vertrags- oder Gerichtsstandsvereinbarung prüft, dann muss es dies auch tun, um eine verbraucherrechtswidrige Vertrags- oder Gerichtsstandsvereinbarung zu verhindern.699 Werden Verstöße gegen zwingendes nationales Recht von Amts wegen geprüft, verlangt das Äquivalenzprinzip, zumindest das EU-Verbrauchervertragsrecht von der Wertigkeit her wie zwingendes nationales Recht zu behandeln oder wie solche Normen, die den ordre public bilden.700 697 EuGH, Factortame, C-213/89, ECLI:EU:C:1990:257 Rn.   20 f., ähnlich Trimidas, in: O’Keeffe (Hg.), Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, 465, 467 f. 698 Vgl. dazu EuGH, Lück  ./. Hauptzollamt Köln, 34/67, Slg. 1968, 364, 373; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  24, 27; Filipiak, C-314/08, ECLI:EU:C:2009:719 Rn.  83; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  32; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  27; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 39. 699  EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  35; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.   52, 54, 57; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.   62; Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  45; Banco Popular Español u. a., C-537/12 & C-116/13, ECLI:EU:C:2013:759 Rn.  60; Pereničová & Perenič, C-453/10, ECLI:EU:C:2012: 144 Rn.  30; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  63; Asbeek Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.  45 f.; Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.  35 f.; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C: 2014:2099 Rn.  28; Gundel, in: Ehlers (Hg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4.  Aufl., 2014, 839, 865 f. Rn.  49. 700  Z. B. EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  30 f.; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  48; Asbeek Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.  43–45; Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  30, 38; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  38; Karel de Grote, C-147/16, ECLI: EU:C: 2018:320 Rn.  34 f.; OTP Bank und OTP Faktoring, C-51/17, ECLI:EU:C:2018:750 Rn.  89; s. auch EuGH, Kapferer ./. Schlank und Schick, C-234/04, ECLI:EU:C:2006:178 Rn.  22; ähnlich

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Erlaubt ein Verstoß gegen solche Normen, über den Parteiantrag hinauszugehen und eine Vereinbarung von Amts wegen für unwirksam zu erklären, verlangt das Äquivalenzprinzip ein solches Vorgehen auch bei einem Verstoß gegen EU-Recht.701 Ähnliches gilt, wenn das Gericht allgemein auf fehlerhafte oder unvollständige Parteianträge oder -vorträge hinweisen kann.702 Aus dem Effektivitätsgedanken heraus wandelt eine sich aus dem Äquivalenzprinzip ergebende Ermessensentscheidung zu einer Kontrollpflicht oder zur Pflicht, Konsequenzen aus der Unwirksamkeit zu ziehen, z. B. die eigene Zuständigkeit von Amts wegen zu verneinen.703 Erlaubt das nationale Recht eine Rechtsfortbildung, kann das Effektivitätsprinzip die staatlichen Stellen zu einer solchen Wandlung oder Fortentwicklung von bestehenden Rechtsbehelfen in den Grenzen der nationalen Rechtsfortbildungsmöglichkeiten führen.704 Auch kann das Äquivalenzprinzip positiv dazu führen, dass eine vergleichbare nationale Regelung analog genommen oder ein besonderes Verfahren durchgeführt werden muss, welches für andere Rechtsfragen geschaffen wurde,705 selbst wenn dieses nach nationalem Recht nicht zwingend durchgeführt werden muss, sondern nur kann.706 Ebenso nahm der EuGH eine Pflicht zur zulässigen Rechtsfortbildung in Fällen an, in denen das nationale Recht unterschiedliche Zuständigkeiten für eine aus nationalem und im Wettbewerbsrecht EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  37; van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.  15; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 183 f.; Piers, ARIA 22, 2011, 625, 633 f.; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 40 f., 65 f.; H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293 f.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 146 f., 152; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 35 f., 385 f. 701 EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.   50–54; Pohotovosť, C-76/10, ECLI: EU:C:2010:685 Rn.  49 f., 51–53; Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  30, 38; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  38; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 70; Piers, ARIA 22, 2011, 625, 633; N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 317, 346. 702  Zu §  139 Abs.  3 ZPO: H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293 f. 703 EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.   32; Asbeek Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.  45 f.; Karel de Grote, C-147/16, ECLI:EU:C:2018:320 Rn.  36. 704  Althammer, ZZP 126, 2013, 3, 26 f.; N. Reich, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 301, 306–309; ders., Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 11; zu Schadensersatzansprüchen als Sanktionsmechanismen ders., Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 34 f., 64 f.; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 308. 705  EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  53 f.; M. Bobek, in: Micklitz/de Witte (Hg.), The ECJ and the Autonomy of the Member States, 2012, 305, 317 f.; N. Reich, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 301, 308 f. 706 EuGH, Asbeek Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.   42–46; Karel de Grote, C-147/16, ECLI:EU:C:2018:320 Rn.   36; ähnlich wohl Hess/­ Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  362; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 336–339.

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eine aus EU-Recht entspringende Anspruchsgrundlage vorsieht. Es liegt eine Ungleichbehandlung vor, wenn beide Anspruchsgrundlagen sich auf denselben Sachverhalt beziehen und das gleiche Ziel anstreben. Aus den unterschiedlichen Zuständigkeitsregelungen folgt zugleich, dass der Kläger seine Ansprüche in separaten Verfahren geltend machen muss. Dies benachteiligt den Kläger, der seine Ansprüche aus EU-Recht ebenso wie die nach nationalem Recht geltend machen will. Denn ihm entstehen nun die Kosten, der Zeiteinsatz und sonstiger Aufwand von zwei separaten Verfahren. Das nationale Gericht ist in solchen Fällen zur effektiven Umsetzung des EU-Rechts verpflichtet, seine Zuständigkeit für die Klage aus nationalem Recht auf die Klage aus EU-Recht auszudehnen.707 Ähnliches kann für eine Anpassung der Beweislastregeln oder der Ermittlungsgrundsätze gelten.708 Solche positiven Pflichten können also erforderlich sein, um die Ungleichbehandlung zu beseitigen und um die effektive Durchsetzung zu gewährleisten.709 Umgekehrt besteht aber z. B. keine Pflicht, die den unionsrechtlichen Normen zugrunde liegenden Tatbestände von Amts wegen zu ermitteln, sobald das nationale Recht eine solche Prüfung auf bestimmte Normgebiete beschränkt und dies verfahrensrechtlichen Zielen dient. Sieht etwa das nationale Recht eine amtswegige Prüfung und Bejahung der eigenen Zuständigkeit vor, ist eine Prüfungspflicht auf Normen beschränkt, aus denen sich die Zuständigkeit ergibt. Die Pflicht muss nicht auf andere Fragen ausgedehnt werden, die nicht mit der Zuständigkeit zusammenhängen.710

III. Parteidispositionen im B2C-Verhältnis Auch wenn das EU-Recht nationale Regelungen zum kontradiktorischen Verfahren und zu Parteidispositionen als Teil der Verfahrensautonomie anerkennt und daher grundsätzlich für zulässig hält, kann es zu Konflikten zwischen nationalem Verfahrensrecht und EU-Verbrauchervertragsrecht kommen. Die private „effektive“ Rechtsdurchsetzung, die das EU-Recht anstrebt, ist nicht nur auf Individualrechtsschutz ausgerichtet, sondern auch darauf, das zu etablierende Marktrecht effektiver durchzusetzen. Dies kann mit dem deutschen Zivilverfahrensrechtsverständnis in Konflikt geraten, welches das Recht nur subjektiv, also 707 

EuGH, Impact, C-268/06, ECLI:EU:C:2008:223 Rn.  51, 53. Asbeek Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.  45 f.; Dounias, C-228/98, ECLI:EU:C:2000:65 Rn.  71; Laboratoires Boiron, C-526/04, ECLI:EU:C:2006:528 Rn.  55; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  36–38; H. Gautzsch Großhandel, C-479/12, ECLI:EU:C:2014:75 Rn.  43; Heinze, EuR 2008, 654, 665 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 34. 709  Cahn, ZEuP 1998, 973, 976 f.; Schebesta, ERPL 2010, 847, 872; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 33, 168; tendenziell bereits EuGH, Rewe, 33/76, ECLI:EU:C: 1976:188 Rn.  5. 710  EuGH, van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI:EU:C:2007:318 Rn.  29 f. 708 EuGH,

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abhängig vom Parteiwillen, durchzusetzen soll (dazu oben §  1 B. III.).711 Eine Rechtsdurchsetzung, die nur so weit geht, wie die Parteien es wünschen, kann kürzer greifen kann als eine Rechtsdurchsetzung, die über den Partei­willen hinaus weitere Ziele verwirklichen soll.712 Aus dem Mittel des private enforcement folgt, dass die Prozessinitiierung den Parteien überlassen bleibt (1.) und das Unionsrecht erst eingreift, wenn ein Verfahren anhängig ist oder der Verbraucher sich für die Zukunft bindet, kein Verfahren einzuleiten. Die Parteiautonomie des Verbrauchers, wie das nationale Recht sie vorsieht, ist geeignet, die effektive Wirkung des Unionsrechts einzuschränken, solange sie die Kernelemente der effektiven Wirkung, d. h. insbesondere Zugang zu einem Gericht und Rechtsanwendung durch ein solches, wahrt. Weiterhin dürfen nationale Regelungen nicht hinter dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts zurücktreten (2.). Bei der Frage, wann eine parteiautonome Entscheidung des Verbrauchers vorliegt, greift das Unionsrecht zusätzlich ein. Die Asymmetrien, die das materielle Recht im B2C-Verhältnis beseitigen soll, werden vom EuGH auch ins Verfahrensrecht übertragen. Nur soweit auch das Verfahrensrecht diese Asymmetrien überwindet, darf eine parteiautonome Entscheidung angenommen werden, die geeignet ist, die effektive Wirkung des Unionsrechts einzuschränken (3.). 1. Abgrenzung zur Prozessinitiierungsfreiheit a) Prozessinitiierungsfreiheit Während Parteidispositionen die effektive Wirkung des EU-Rechts beschränken können, gilt dies nicht für ein unverbindliches Untätigbleiben des Ver­ brauchers, seine Rechte überhaupt wahrzunehmen. Eine solche Untätigkeit ist unerheblich. Dies ist Konsequenz der Regelungstechnik des EU-Rechts, die Rechtsdurchsetzung und damit die Rechtsdurchsetzungsentscheidung den Privatpersonen zu überlassen: Im Gegensatz zu spezieller öffentlich-rechtlicher Regulierung, etwa durch behördliche Kontrollen, ist eine privatrechtliche Regulierung bei der Normdurchsetzung darauf angewiesen, dass die betroffenen Privatpersonen von sich aus tätig werden.713 Das deutsche Zivilprozessrecht sieht damit regelmäßig keine Klagen im Allgemeininteresse vor, sondern Klagen abhängig vom Klägerbegehren.714 Dass im Zivilprozess die Initiative von den 711  Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 234 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 479; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 537 f.; H. Roth, JZ 2013, 637, 642. 712  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 233–238; Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A87 f.; Schricker, RabelsZ 40, 1976, 549, 560 f. 713  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 44, 211–213; R. Stürner, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1489, 1499; allgemeiner Neidhardt, Nationale Rechtsinstitute als Bausteine europäischen Verwaltungsrechts, 2008, 84. 714  Dazu etwa M. Engel/Hornuf, SchiedsVZ 2012, 26, 28; Grunsky, Grundlagen des Ver-

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Parteien ausgeht, ist ein allgemeiner Grundsatz des Zivilprozesses,715 der in allen Mitgliedstaaten anerkannt ist.716 Hieraus folgt, dass der Staat die Normdurchsetzung im Wege der Individualklage nicht selbst sicherstellen kann.717 Dies akzeptiert das EU-Recht als Prämisse des private enforcement: Die EU kann, um den Binnenmarkt zu stärken, auf verschiedene Rechtsgebiete zurückgreifen, die sie harmonisiert. Das Verbrauchervertragsrecht zu harmonisieren, war eine bewusste Entscheidung zugunsten des private enforcement und der nationalen Zivilverfahrensrechte.718 Mit dieser Regelung wurde zugleich entschieden, das Ermessen des Verbrauchers zu respektieren, ob und in welcher Form er seine Rechte ausübt, das Verbrauchervertragsrecht also durchsetzt. Durch den Rückgriff auf die Verfahrensrechte der Mitgliedstaaten akzeptiert die EU zugleich die Parteiinitiative als Grenze der Rechtsdurchsetzung.719 Es geht dem EU-Recht somit, soweit es die Parteien auf das Zivilverfahren verweist, jedenfalls bei der Prozessinitiierung um Individualrechtsschutz, nicht um allgemeinen „Interessenschutz“.720 b) Verbraucherapathie und flankierende Rechtsdurchsetzungsmechanismen Grundsätzlich lässt das EU-Recht somit die Regelungen zur Einleitung des Individualklageverfahrens intakt, obwohl gerade auch im Verbraucherrecht die Gefahr besteht, dass es nie zu einem Verfahren kommt: Langwierige oder zu fahrensrechts, 1970, 14; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 287; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 547 f. 715  Vgl. etwa ErwG 52 Richtlinie 2302/2015 vom 25.11.2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung 2004/2006 und der Richtlinie 83/2011 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 314/90 (Pauschalreise-RL); EuGH, Sky Österreich, C-283/11, ECLI:EU:C:2013:28 Rn.  42 f.; Alemo-Herron u. a., C-426/11, ECLI:EU:C: 2013:521 Rn.  32; EuG, Automec ./. Kommission, T-24/90, ECLI:EU:T:1992:97 Rn.  51; allgemein z. B. Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 90–92; ders., ERPL 6, 2008, 901, 911–916, 921–923; Bruns, JZ 2007, 385, 393 f.; Canaris, in: Badura/Scholz (Hg.), FS Lerche, 1993, 873, 889 f.; Herresthal, in: Ziegler/ Huber (Hg.), Current Problems in the Protection of Human Rights, 2013, 89, 91 f.; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 219 f; Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  291–294; Rittner, JZ 1990, 838, 841; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 24 f. 716  Z. B. Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  291–294; R. Stürner, in: Lorenz u. a. (Hg.), FS Heldrich, 2005, 1061, 1065 f. 717  Möslein, Dispositives Recht, 2011, 18 f. 718  Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 349  f.; ähnlich allgemeiner ­Gärditz, Gutachten D zum 71. DJT, 2016, D 18; kritisch daher H. Koch, in: Dammann u. a. (Hg.), GS Wolf, 2011, 459, 462 f. 719  Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 236 f. 720 EuGH, Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283 Rn.   71; wohl C. Calliess, NJW 2002, 3577, 3578–3580; a. A. wohl Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 479.

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schnelle Verfahren, Verfahrenskosten und psychologische Hürden,721 insbesondere bei niedrigen Streitwerten, können dazu führen, dass der Verbraucher überhaupt kein Verfahren beginnt.722 Ist absehbar, dass Fälle nicht vor Gericht kommen, entfällt die Abschreckungswirkung einer Sanktion.723 Übt ein Großteil der Verbraucher seine Rechte im Verfahren nicht aus, kann der Unternehmer in den meisten Fällen davon ausgehen, dass kein Rechtsstreit begonnen wird oder ein solcher zu seinen Gunsten endet. Muss der Unternehmer nicht damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden, hat er weniger Anreize, sich normkonform zu verhalten.724 Diese Konsequenz des private enforcement akzeptiert das EU-Recht und verpflichtet die Mitgliedstaaten nur dazu, einzelne Maßnahmen zu ergreifen, um die Rechtsdurchsetzung wahrscheinlicher zu machen: Es setzt materiellrechtliche Anreize, etwa finanzielle Vorteile bei Obsiegen, damit der Verbraucher klagt oder klagewilligere Personen beauftragt, an seiner statt vor Gericht zu gehen. Die Initiativentscheidung verbleibt aber beim Verbraucher.725 Zusätzlich sieht das EU-Recht flankierende Durchsetzungsmechanismen vor. Soweit der Verbraucher den Individualprozess nicht zur Durchsetzung seiner Rechte nutzt, versucht das EU-Recht in begrenztem Umfang andere Verfahren als den Gerichtsprozess zu fördern, die ebenfalls bei der Rechtsdurchsetzung helfen. Das EU-Recht sieht zum Abbau psychologischer und finanzieller Hürden auf verfahrensrechtlicher Ebene mit der Mediations-RL und ADR-RL (unterstützt durch die ODR-VO) vor,726 dass dem Verbraucher ein niedrig721 Ausführlich

Keet u. a., Windsor Y B Access Just 34, 2017, 73, 76, 78, 87–91. EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  33 f.; Althammer, ZZP 126, 2013, 3, 26 f.; M. Becker, in: Basedow u. a. (Hg.), FS 75 Jahre MPI Hamburg, 2001, 85, 95 f.; BenShahar, in: Eidenmüller (Hg.), Regulatory Competition, 2013, 447, 461 f.; Hess, ZZP 118, 2005, 427, 439; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 357; H. Koch, in: Dammann u. a. (Hg.), GS Wolf, 2011, 459, 463; ders., Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 54– 56; Kotzur, Außergerichtliche Realisierung, 2018, 28–31; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 316; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 811–815; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 151, 181; vgl. etwa Commission Staff Working Paper SEC(2008) 404, Rn.  2 f. 723  Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 357 f.; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, 526; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 817 f. 724 Z. B. EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.   32; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  42; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014: 2099 Rn.  48 f.; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  27; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 233 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 458; ähnlich Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 385. 725  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 237 f.; Faust, in: Zimmermann (Hg.), Störungen der Willensbildung, 2007, 193, 197 f.; Hodges, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 437, 438 f., 441; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 358–368; R. Stürner, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1489, 1500; vgl. etwa Artt.  23 f. VerbrR-RL, Art.  7 Klausel-RL; z. B. Hodges, ERA Forum 13, 2012, 11,19 726  Dazu etwa N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 1, 8; H. Roth, JZ 2013, 637, 637 f. 722 

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schwelliges Verfahren zur Rechtsdurchsetzung gewährt werden muss.727 Es soll ebenfalls eine Disziplinierung der Unternehmer erreicht werden. Diese sollen nicht damit kalkulieren können, im niedrigschwelligen Bereich nicht gerichtlich in Anspruch genommen zu werden. So müssen sie befürchten, dass der Verbraucher seine Rechte zumindest in einem anderen Verfahren als dem Prozess geltend macht. Eine außergerichtliche Rechtsverfolgung ist besser als gar keine Rechtsverfolgung, um zu erreichen, dass beide Seiten sich rechtskonform verhalten.728 Soweit der Individualprozess nicht ausreichend genutzt wird, wird die Verbraucherrechtsdurchsetzung ergänzt durch Möglichkeiten zur gerichtlichen Durchsetzung durch andere Kläger als der individuell betroffene Verbraucher, etwa Kollektiv-, Muster- oder Verbandsklagen.729 Das EU-Recht sieht ausdrücklich vor, dass es nicht bei der Rechtsdurchsetzung durch den einzelnen Verbraucher bleiben darf, sondern weitere Mechanismen zur Rechtsverfolgung möglich sein müssen.730 Die konkrete Ausgestaltung bleibt den Mitgliedstaaten überlassen.731 Um die Effektivität der zwingenden Wirkung der Normen zu 727 Ausführlich Creutzfeldt/Hodges, Nederlands-Vlaams tijdschrift voor Mediation en conflictmanagement 18, 2014, 29, 30 f.; Hodges, ERA Forum 13, 2012, 11, 19 f.; H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 24 f.; zur Umsetzung der ADR-RL Gössl, NJW 2016, 838, 838 ff.; ähnliche Gedanken bereits von Hippel, RabelsZ 37, 1973, 268, 272–277. 728  Vgl. ErwG 4–6, 15–27 ADR-RL; vgl. Kotzur, Außergerichtliche Realisierung, 2018, 266. 729  Vgl. insbesondere RL 2009/22/EG vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (kodifizierte Fassung) (Unterlassungsklagen-RL), ABl. EU 2009, L 110, 30; Art.  7 Abs.  2 Klausel-RL; im Recht des Unlauteren Wettbewerbs Artt.  11 f. Richtlinie 2005/29 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/ EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), ABl. EG 2005, Nr. L 149, 22; Hodges, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 437, 451; H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 63–93; Leible, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 381, 386; Micklitz, in: Reich/ Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 1147, 1166–1171; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 316; N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 317, 349 f., 352–355; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 352. 730  Insbesondere Unterlassungsklagen-RL, ABl. EU 2009, L 110, 30; Art.  7 Abs.  2 Klausel-­ RL; im Recht des Unlauteren Wettbewerbs Artt.  11 f. UGP-RL; Amaro u. a., Study Collective Redress, 2018, 17–45; H. Ehmann/Rust, JZ 1999, 853, 864; Grigoleit, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 223, 225 f., 250 f.; Hodges, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 437, 451; Mankowski, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 181, 206; Micklitz, in: Brömmelmeyer u. a. (Hg.), FS Schwintowski, 2017, 427, 434; ders., in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 1147, 1161, 1166–1171; ders., in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A96-A99; N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 317, 352–355.; R. Stürner, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1489, 1499; ausführlich Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 152–161. 731  Vgl. Artt.  1–8 Unterlassungsklagen-RL; Micklitz, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 1147, 1161.

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wahren, muss eine Rechtsverfolgung im Rahmen des UKlaG durch Verbraucherverbände und andere qualifizierte Einrichtungen möglich sein.732 Dieses Verfahren geschieht unabhängig von der Wirksamkeit des individuellen Vertrags und setzt nicht voraus, dass der Verbraucher von seinen Rechten weiß oder vor ein Gericht geht, um diese einzuklagen.733 Das EU-Recht geht somit nicht davon aus, dass der Verbraucher unbedingt einen Prozess führen muss, damit die effektive Durchsetzung gewährleistet ist.734 Stattdessen differenziert es zwischen dem individuellen Konflikt zwischen Verbraucher und Unternehmer, der besser per ADR als gar nicht thematisiert wird, und dem überindividuellen Element, das den dahinter stehenden Regelungen zugrunde liegt und auch auf anderem Weg als durch Individualklage vor Gericht gebracht werden kann.735 Diese Vorgaben an die Mitgliedstaaten bestätigen zugleich, dass die EU nicht allgemein davor zurückschreckt, Teile des Verfahrensrechts zu harmonisieren, wenn es zur Verfolgung der Ziele notwendig ist. Dass sie dies bisher nur punktuell macht, bestätigt vielmehr, dass sie in anderen Bereichen die Vorgaben des nationalen Verfahrensrechts als ausreichend ansieht.736 c) Disposition über den Zugang zu Gericht als Grenze Das EU-Recht setzt dem Verbraucher also (nur) Anreize, seine Interessen selbstverantwortlich zu bestimmen und seine Rechte selbstbewusst wahrzunehmen.737 Hieraus wird zum Teil geschlossen, dass prozessuale Dispositionsmöglichkeiten über die einzelnen Rechte nach nationalem Verfahrensrecht zulässig sein müssen.738 Dies wäre konsequent, läge nur das Ergebnis der Rechtsdurchsetzung, d. h. die Disziplinierung des Unternehmers, im Interesse des EU-Rechts. Daneben tritt aber das Interesse der EU an einheitlicher Rechts­ 732  Althammer, ZZP 126, 2013, 3, 26 f.; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 547 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 309 mit Fn.  32; ähnlich Micklitz/­N. Reich, EuZW 2013, 457, 460; Grigoleit, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-­acquis, 2011, 223, 225 f., 252 f.; Schauer, ERCL 2008, 1, 9 f.; skeptisch (zum US-Recht) Ben-Shahar/ ­C .  E. Schneider, UPenn Law Rev 159, 2011, 647, 730–732. 733  H. Ehmann/Rust, JZ 1999, 853, 864; Mankowski, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 181, 206. 734  Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 385; Klöhn, in: Schulze (Hg.), Compensation of Private Losses, 2011, 179, 196 f.; C. Mak, SSRN 2847586, 19 f.; ­Möslein, Dispositives Recht, 2011, 191; kritisch daher Hegenbarth, in: Blankenburg u. a. (Hg.), Alternativen in der Ziviljustiz, 1982, 257, 258 f. 735  Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 474. 736  Möslein, GPR 2004, 59, 60; ähnlich H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum ­Henckel, 2015, 283, 289. 737  Temple Lang, in: O’Keeffe (Hg.), Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, 235, 250. 738  Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 475; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 191–193; Baumgärtel, Prozeßhandlung, 2.  Aufl., 1972, 189; tendenziell Cafaggi, in: Cafaggi/ Muir Watt (Hg.), Making European Private Law, 2008, 289, 303.

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anwendung und -fortbildung: Diese wiederum schaffen zum einen für Verbraucher und Unternehmer Rechtssicherheit und dienen zum anderen der Bewährung des EU-Rechts. Eine solche Rechtsanwendung und -fortbildung wiederum ist nur möglich, wenn ein vorlageberechtigtes Gericht die Normen prüfen kann.739 Dieses besondere Interesse der EU, dass eine EuGH-Vorlage möglich ist, führt dazu, dass sich die Parteidisposition gerade nicht mehr alleine nach nationalem Verfahrensrecht richtet, sobald eine staatliche Stelle, insbesondere ein Gericht, mit dem Fall befasst ist. Die Verfahrensautonomie wird hier unionsrechtlich überformt. Zwar bleibt die Prozessinitiierungsfreiheit der Parteien unionsrechtlich unberührt. Es gibt aber eine Grenze, die sich sowohl aus dem Gedanken des effektiven Rechtsschutzes als auch dem Effektivitätsprinzip ergibt: Das Verfahrensrecht darf dem Verbraucher den Zugang zu Gericht nicht verschließen. Sobald also eine Disposition stattfindet, also eine Parteihandlung dazu führt, dass die Rechtsordnung die Partei auch zukünftig an einem Rechtsverzicht festhalten kann (zu diesem Verständnis §  1 A.), verändert sich die Bewertung durch das EU-Recht, soweit zugleich der Zugang zu einem staatlichen Gericht berührt ist. Hintergrund ist zum einen der Gedanke effektiven Rechtsschutzes, wie er sich aus Art.  47 EU-Grundrechte-Charta und Art.  6 EMRK ergibt, zum anderen die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsbehelf als Teil des Effektivitätsprinzips (s. o. 1. und 2.).740 In letzterem geht darüber hinaus das Interesse der EU auf, dass eine EuGH-Vorlage möglich sein muss. Eine Parteivereinbarung, die jedweden Zugang zu Gericht ausschlösse, wäre nicht nur eine unverhältnismäßige Beschränkung des Zugangs zu Gericht (dazu bereits §  1 C.), sondern auch eine unionsrechtlich unzulässige Parteidisposition über die EuGH-Vorlage.741 Aus dieser Kombination von Individualschutz und dem darüber hinausgehenden Interesse an der Verfahrensdurchführung folgt, dass eine Disposition über den gänzlichen Zugang zu Gericht selbst dann nicht möglich ist, wenn die infrage stehende Norm bereits durch die flankierenden Instrumente, etwa nach dem UKlaG, durchgesetzt wird. Ein Verfahrensrecht, welches einen einzelnen Verbraucher gänzlich davon abhält, seine Rechte geltend zu machen, wenn etwa eine Vertragsbestimmung bereits parallel im Wege der Unterlassungsklage geltend gemacht wird, stellt nach der Rechtsprechung des EuGH eine unverhältnismäßige Beschränkung der effektiven Wirkung dar.742 Ebenso darf das Ergebnis eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens nicht dazu führen, dass der Zugang zu Gericht – und damit eine gerichtliche Prüfung der streitentscheiden739 

Anders wohl Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 475. Micklitz, in: Niglia (Hg.), Pluralism, 2013, 29, 48. 741 Dazu EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.   41, 43 f.; indirekt EuGH, ­Palmisani ./. INPS, C-261/95, ECLI:EU:C:1997:351 Rn.  31; vgl. auch EuGH, Da Costa u. a., C-28-30/62, Slg. 1963, 69, 81. 742  EuGH, Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  25, 35 f. 740 

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 201

den Normen – von vornherein ausgeschlossen ist, wodurch auch keine Anwendung und Fortbildung des EU-Rechts im Weg der EuGH-Vorlage stattfinden kann.743 Die ADR-RL sieht daher ausdrücklich vor, dass ihre Umsetzung nie den Zugang zu Gericht ausschließen darf.744 Eine unverhältnismäßige Beschränkung der effektiven Wirkung liegt auch vor, wenn eine verbraucherrechtswidrige Rechtslage Gegenstand eines vollstreckbaren Titels ist, den der Verbraucher gegen sich gelten lassen muss, ohne dass eine inhaltliche Revidierung und Aufhebung möglich ist.745 Neben einem vollständigen, rechtlich verbindlichen Ausschluss des Gerichtszugangs ist auch eine Regelung oder Parteivereinbarung unzulässig, die demselben zumindest faktisch gleichkommt.746 Die Mitgliedstaaten dürfen es daher dem Verbraucher nicht unverhältnismäßig erschweren, seine Rechte geltend zu machen. Solche Schwierigkeiten können entstehen, wenn das Verfahrensrecht zwar Rechtsbehelfe vorsieht, ihre Einlegung aber durch weitere Anforderungen erschwert. Etwa kann ein zwingend vorgeschriebenes, langwieriges Vorverfahren das Verfahren unangemessen verzögern oder die Gerichtskosten können die Parteien so belasten, dass sie von vornherein von einem Rechtsbehelf absehen, insbesondere wenn der Streitwert nur sehr gering ist und die Kosten auch im Verhältnis zu demselben erheblich sind.747 Stellt das Verfahrensrecht Voraussetzungen auf, um ein Verfahren zu beginnen, dürfen diese den Verbraucher also nicht faktisch davon abhalten, überhaupt zu Gericht zu gehen. Aus diesem Grund sind etwa Ausschlussfristen, die dazu führen, dass ein Anspruch nach ihrem Ablauf überhaupt nicht gerichtlich geltend gemacht oder ein Rechtsverstoß nicht mehr gerügt werden kann, eine Beschränkung, die nur ausnahmsweise gerechtfertigt ist.748 Etwas anderes gilt nur, wenn das EU-Recht selbst Ausschlussfristen zulässt und die nationale Umsetzung dieser Fristvorgaben im Rahmen der Richtlinie bleibt (z. B. Art.  5 VerbrGK-RL; Art.  10 Abs.  1 VerbrR-­ RL). Dispositionen über die Verfahrenseinleitung sind – im Gegensatz zu der unverbindlichen Entscheidung des Verbrauchers, sein Recht, zu Gericht zu gehen, 743  Vgl. EuGH, Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  52–59; Tonner, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 861, 863. 744  ErwG 45, Artt.  1, 10 Abs.  1 ADR-RL; hierzu etwa Gössl, NJW 2016, 838, 839. 745  Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 120 f.; ähnliches gilt bei der Bestandskraft von Verwaltungsakten, vgl. dazu Krönke, Verfahrensautonomie, 2013, 242 f. 746  Vgl. EuGH, Rewe, 33/76, ECLI:EU:C:1976:188 Rn.  5; Comet, C-45/76, Slg. 1976, 2043, 2053; Express Dairy Foods, C-130/79, ECLI:EU:C:1980:155 Rn.  12; M. Bobek, in: Barnard/ Peers (Hg.), European Union Law, 2017, 143, 169 f.; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 41. 747  Z. B. EuGH, Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  52–59; Profi Credit Polska, C-176/17, ECLI:EU:C:2018:711 Rn.  67 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 33. 748 EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.   60, 62–66; Bulicke, C-246/09, ECLI:EU:C:2010:418 Rn.  38 f., 41, ausführlich gleich, §  3.

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nicht auszuüben – daher nur begrenzt möglich, wenn EU-Verbrauchervertragsrecht streitentscheidend ist. Das EU-Recht zwingt den Verbraucher nicht dazu, ein Verfahren einzuleiten. Das nationale Verfahrensrecht darf aber keine Regelungen aufstellen, die den Verbraucher verbindlich davon abhalten, jemals ein Verfahren zu beginnen – unabhängig davon, ob dieser sich hierzu verpflichtet hat oder durch Untätigkeit eine solche Folge herbeiführt. Sobald die Prozess­ initiierungsfreiheit also zu einer Dispositionswirkung führt, ändert sich die Bewertung durch das EU-Recht. 2. Parteidispositionen als zulässige Beschränkung des materiellen EU-Verbrauchervertragsrechts Führt ein Verbraucherverhalten dazu, dass das nationale Verfahrensrecht ihn daran hindert, Rechte unionsrechtlichen Ursprungs geltend zu machen, beschränkt dies die effektive Wirkung des EU-Rechts. a) Zulässigkeit von Parteidispositionen als Grundsatz Parteidispositionen sind allgemein geeignet, eine Beschränkung der effektiven Wirkung des Verbrauchervertragsrechts zu rechtfertigen, denn sie dienen der Förderung und Respektierung der Parteiautonomie. Die Parteiautonomie ist wichtiger Bestandteil der nationalen Verfahrensrechtsordnungen und des EURechts.749 Parteientscheidungen zu respektieren und zu stärken ist daher allgemein als verfahrensrechtliches Ziel geeignet, eine Beschränkung der effektiven Wirkung des Unionsrechts zu rechtfertigen.750 Hierzu zählt auch die Verbraucherentscheidung, untätig zu bleiben. Der Verbraucher soll seine Rechtsverhältnisse selbstverantwortlich gestalten und bestimmen.751 Der EuGH lässt daher grundsätzlich zu, dass der Verbraucher nach nationalem Verfahrensrecht prozessual auf die Geltendmachung von Rechten verzichtet, obwohl diese materiellrechtlich nicht zur Disposition stehen.752 749  Z. B. Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  291–294; R. Stürner, in: Lorenz u. a. (Hg.), FS Heldrich, 2005, 1061, 1065 f. 750  EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33, 35; Banif Plus Bank C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  27 f.; Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  25; ähnlich EuGH, Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  33–36; Coester-Waltjen/­Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 72 f.; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 121 f., 124 f. 751  Temple Lang, in: O’Keeffe (Hg.), Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, 235, 250. 752  EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33, 35; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  31, 35; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  57; Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  25; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 295; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 499 f.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 203

b) Zugang zu Gericht und Möglichkeit der EuGH-Vorlage als Grenzen Eine solche zulässige Disposition muss verhältnismäßig sein, d. h. sie darf die effektive Wirkung nicht unverhältnismäßig beschränken. Dies bedeutet, dass zumindest einmal vor Schaffung eines vollstreckbaren Titels die Möglichkeit bestehen muss, ein Gericht anzurufen. Dieses Gericht muss darüber hinaus zumindest einmal in der Lage sein, die entscheidungserheblichen Regeln des EU-Verbrauchervertragsrechts zu prüfen und gegebenenfalls dem EuGH zur Auslegung vorzulegen.753 Aus diesem Grund verpflichtet die Rechtsprechung des EuGH die mitgliedstaatlichen Gerichte, von Amts wegen die Voraussetzungen von verbrauchervertragsrechtlichen Fragen zu prüfen und die einschlägigen Normen eventuell anzuwenden.754 Verfahrensmodalitäten dürfen einer solchen Rechtsprüfung des Gerichts nicht entgegenstehen.755 Der Ablauf der Prüfung selbst bleibt aber dem nationalen Recht überlassen.756 Schließt das nationale Verfahrensrecht typischerweise eine gerichtliche Rechtsprüfung aus, beschränkt dies im Anwendungsbereich des EU-Verbrauchervertragsrechts die Effektivität des EU-Rechts unverhältnismäßig.757 Sobald ein Gericht mit der Sache befasst wird – sei es nur im Rahmen der örtlichen Zuständigkeitsprüfung – und zu befürchten ist, dass es das einzige befasste Gericht bleiben wird, muss es das Verbraucherrecht von Amts wegen prüfen. Es muss das nationale Verfahrensrecht entweder entsprechend auslegen oder alle Verfahrensregelungen unangewendet lassen, die verhindern, dass es sich mit dem EU-Verbrauchervertragsrecht befasst.758 Um nicht von vorn­ herein zu verhindern, dass das EU-Verbrauchervertragsrecht gerichtlich geprüft werden kann, sind Verfahrensregelungen nicht anwendbar, die dazu führen, dass ein Verbraucher vortragen muss, er sei Verbraucher i. S. d. EU-Rechts, oder nach denen ihm Rechte aus EU-Verbraucherrecht nur auf Antrag zuste-

753  Nicht auf Verbraucherrecht beschränkt: Komninos, EC Private Antitrust Enforcement, 2008, 223; Prechal, CMLR 35, 1998, 681, 693 f.; daher etwa Amtspflicht in EuGH, VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  56; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  44; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  47; Finanmadrid, C-49/14, ECLI:EU:C:2016:98 Rn.  45 f.; außerhalb des Verbraucherrechts etwa EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  46; vgl. auch Cahn, ZEuP 1998, 973, 976; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 168. 754  Klöhn, in: Schulze (Hg.), Compensation of Private Losses, 2011, 179, 189–192; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 836 f.; zu AGB-Recht Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 347 f.; vgl. auch Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 90 f. 755  EuGH, Rheinmühlen Düsseldorf-Holthausen, C-166/73, ECLI:EU:C:1974:3 Rn.  5. 756  Zuletzt EuGH, Aqua Med, C-266/18, ECLI:EU:C:2019:282 Rn.  48. 757  EuGH, Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  18 f.; ohne Bezugnahme auf die Vorlagemöglichkeit: Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 187 f. 758  EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  32; VB Pénzügyi Lízing, C-137/­ 08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  51.

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

hen.759 Diese Verfahrensmodalitäten würden dazu führen, dass ein Gericht EU-Verbraucherrecht nur abhängig vom Verhalten und den Kenntnissen der Parteien prüfen dürfte.760 Ein wichtiger Unterschied zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht ist seine jeweilige Stellung zur tatsächlichen Seite eines Rechtsstreits. Das materielle Recht geht von klaren Tatsachen aus, das Verfahrensrecht hingegen davon, dass Tatsachen erst noch positiv festzustellen, also noch ungewiss sind.761 Hier verläuft eine wichtige Grenze zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht. Diese Grenze teilt auch das Unionsrecht, da es an der Klärung von Tatsachenfragen weniger Interesse hat als an Rechtsfragen. Die EU modifiziert daher die Beweislastregeln oder Beweiserleichterungen nur punktuell und legt den Schwerpunkt auf solche Aspekte, die notwendig zu berücksichtigen sind, um die Anwendbarkeit des Unionsrechts nicht von vornherein auszuschließen. Parteidispositionen, welche gerade darauf aufbauen, dass bestimmte Tatbestände ungewiss sind, können daher von der Verfahrensautonomie selbst dann gedeckt sein, wenn zugleich Dispositionen über materiellrechtlich zwingendes Recht stattfinden. In diesem Fall entscheidet das Verfahrensrecht über die Anwendung der Normen auf tatsächlicher Ebene. c) Vorrangiges EU-Recht als zusätzliche Grenze Damit die Verfahrensautonomie greift, muss die Disposition die prozessuale Wirkung betreffen, und es muss sich aus EU-Sicht um Rechte handeln, deren Durchsetzung nicht unionsrechtlich harmonisiert wurde, also insbesondere solche, die im Wege des private enforcement wahrgenommen werden sollen.762 Trifft das EU-Recht bereits vorrangige Regelungen zur Disposition, ist ein Rückgriff auf das nationale Verfahrensrecht nicht möglich.763 Dies gilt etwa für einen Ver759  Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  23; Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  4 4, 46. 760  Prechal, CMLR 35, 1998, 681, 693 f.; vgl. daher EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C: 2009:350 Rn.   23 f.; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.   56; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.   44, 53–57; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  47 f.; Barclays, C-280/13, ECLI:EU:C:2014:279 Rn.  35; ähnlich bereits EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  35. 761  Guski, ZZP 131, 2018, 353, 360 f.; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 282 f.; Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 23; Windel, JR 2001, 525, 526; dazu auch etwa J. Braun, in: Bernreuther (Hg.), FS Spellenberg, 2010, 77 f., 81; Cahn, AcP 198, 1998, 35, 40 f.; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 722. 762  EuGH, Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  25; ähnlich Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 537 f. 763  Etwa nicht für die Regelungen zur EuGH-Vorlage, EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU: C:2008:78 Rn.  41, 43 f.; indirekt auch EuGH, Palmisani ./. INPS, C-261/95, ECLI:EU:C:1997: 351 Rn.  31; Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  17–19; Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  40; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 219; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 201 f.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 205

zicht auf eine EuGH-Vorlage nach Art.  267 AEUV, welcher der Parteiherrschaft entzogen ist.764 Erfüllen nationale Regelungen zur Parteientscheidung diese Vorgaben, bilden sie einen Teil der Verfahrensautonomie und sind daher im Rahmen des Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips unionsrechtlich zulässig. Da allerdings aus EU-Rechtssicht der Rechtfertigungsgrund die Parteiautonomie ist, tritt hier eine Besonderheit zutage: Die EU überlässt nämlich den Begriff der Parteiautonomie oder der autonomen Parteientscheidung nicht vollständig dem nationalen Verfahrensrecht. Stattdessen stellt sie gerade im Verbraucherrecht eigene, vorrangige Kriterien auf. Das Verständnis einer wirksamen Parteidisposition wird daher unionsrechtlich überformt.765 3. Unionsrechtliches Konzept der Parteidispositionen Voraussetzung einer Parteidisposition, die eine Beschränkung des EU-Rechts rechtfertigen kann, ist eine parteiautonome Entscheidung des Verbrauchers. Wann eine parteiautonome Entscheidung vorliegt, bemisst sich nicht nur nach nationalen Maßstäben, sondern zugleich nach unionsrechtlichen. Das nationale Recht gibt im Rahmen des Äquivalenzprinzips den Mindestmaßstab vor. Der EuGH überträgt aber die materiellrechtlichen Entscheidungsasymmetrien im B2C-Verhältnis in die verfahrensrechtlichen Entscheidungssituationen und modifiziert daher die Anforderungen, die an eine autonome Entscheidung nach nationalem Recht zu stellen sind.766 Eine wirksame Disposition liegt aus Sicht des EU-Rechts deshalb nur vor, wenn eine vom Recht unterstellte strukturelle Asymmetrie im B2C-Verhältnis im konkreten Verfahren beseitigt wurde.767 a) Gestörte Vertragsparität als Ausgangspunkt Parteidispositionen, die von einem Verbraucher getroffen werden, tragen das Risiko, dass sie aus einer Unterlegenheitsposition dem Unternehmer gegenüber erfolgen. Dies gilt ganz besonders in einem Verfahren, das von einer formalen Gleichheit der Parteien ausgeht, also keine Ausgleichsmechanismen bei Entscheidungsasymmetrien kennt. Zum einen kann die Verbraucherapathie dazu führen, dass der Verbraucher untätig bleibt, aber das Verfahrensrecht die Untätigkeit als Disposition behandelt, also eine verbindliche Rechtsfolge an diese knüpft, an welcher der Verbraucher sich festhalten lassen muss. Dies geschieht etwa durch Ausschlussfristen, nach 764  EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  41, 43 f.; vgl. auch EuGH, Palmisani ./. INPS, C-261/95, ECLI:EU:C:1997:351 Rn.  31; Da Costa u. a., C-28-30/62, Slg. 1963, 69, 81. 765 Tendenziell ähnlich Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 466 f. 766  Weatherhill, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 173, 177. 767  Cahn, ZEuP 1998, 973, 979; Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involve­ ment of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 190.

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deren Ablauf bestimmte Rechte nicht mehr geltend gemacht werden können. Zum anderen kann der Verbraucher aus Unwissenheit über die prozessualen Gegebenheiten und Regeln zu Dispositionen gebracht werden, welche er bei voller Kenntnis nicht getätigt hätte. Die effektive Durchsetzung des Verbraucherrechtsakts scheitert dann an genau den Defiziten oder aufgrund der strukturellen Ungleichheiten der Parteien, die vom materiellen Recht beseitigt werden sollen.768 Zur Vermeidung dieses Problems knüpft der EuGH an die Umstände einer Parteidisposition an: Um festzustellen, ob eine Parteidisposition vorliegt, die eine Beschränkung des EU-Rechts rechtfertigen kann, überträgt und transformiert der EuGH die Defizite, die das materielle Recht in bestimmten B2C-Konstellationen unterstellt, ins Verfahrensrecht.769 Eine aufgrund dieses Defizits getroffene Parteidisposition stellt keine parteiautonome Entscheidung i. S. d. EU-Rechts dar. Eine wirksame Disposition liegt aus Sicht des EU-Rechts deshalb nur vor, wenn ein vom Recht unterstelltes Gefälle im konkreten Fall im Verfahren beseitigt wurde.770 Unterlässt der Verbraucher eine prozessuale Handlung, darf das Gericht dies nicht unmittelbar als Verzicht, diese Handlung vorzunehmen, werten. Stattdessen muss es sich vergewissern, dass der Verbraucher bewusst nicht handelt und die Folgen dieses Verhaltens kennt.771 Dies gilt insbesondere, wenn er durch seine Untätigkeit Rechte verliert. Nur wenn eine einerseits nach nationalem Recht zulässige und andererseits nach EU-Recht selbstverantwortliche Verbraucherentscheidung vorliegt, darf das nationale Recht eine Bindung an diese Entscheidung vorsehen.772 b) Informationsasymmetrien als zentraler Ansatzpunkt auch im Verfahren Wann nimmt das EU-Recht nun eine derartige selbstverantwortliche Entscheidung des Verbrauchers an? Grundsätzlich geht das EU-Recht davon aus, dass der Verbraucher in der Lage ist, seine Rechtsverhältnisse selbstverantwortlich 768  Ähnlich EuGH, VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  47–49; ausführlich H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 58 f.; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 815–817. 769  Weatherhill, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 173, 177. 770  Cahn, ZEuP 1998, 973, 979; Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 190. 771  EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33, 35; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  28; Banco Santander, C-598/15, ECLI:EU:C:2017:945 Rn.  50; Sziber, C-483/16, ECLI:EU:C:2018:367 Rn.  50; Schebesta, ERPL 2010, 847, 862, 864; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 124 f. 772  EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33, 35; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  27 f.; Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  25; ähnlich EuGH, Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  33–36; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 72 f.; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 121 f., 124 f.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 207

zu bestimmen. Dies entspricht dem in der EU vorherrschenden Verbraucherleitbild. Ein Verbraucher ist ein informierter, selbstbestimmter Bürger. Das EURecht setzt ihm nur Anreize, seine Interessen selbstverantwortlich zu bestimmen und seine Rechte selbstbewusst wahrzunehmen, überlässt ihm dann aber die Entscheidung über die Durchsetzung.773 Der EuGH lässt daher zu, dass der Verbraucher nach nationalem Verfahrensrecht prozessual auf die Geltendmachung von Rechten verzichten kann, welche materiellrechtlich nicht zur Disposition stehen.774 Dem Verbraucherleitbild entspricht es aber auch, dass der Verbraucher in bestimmten Situationen die Entscheidungsgrundlage nicht versteht oder überblickt.775 Gerade beim Abschluss von Vereinbarungen nimmt das EU-Recht materiellrechtlich an, dass die Parteien sich ungleich gegenüber stehen und dass das Recht ausgleichend eingreifen muss.776 Demgegenüber geht das Prozessrecht im allgemeinen kontradiktorischen Zivilverfahren von zwei gleichstarken Parteien aus und sieht bei Parteidispositionen keine vergleichbaren Ausgleichsmechanismen vor. Die Gründe, die ein gesetzliches Eingreifen auf der Ebene des materiellen Rechts erfordern, können daher auch im Verfahren zu einem Entscheidungsdefizit führen, ohne bereits vom nationalen Recht notwendigerweise kompensiert zu werden.777 Zentrale Ursache für das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Verbraucher und Unternehmer in der Entscheidungsfindung, welches das EU-Recht ausgleichen möchte, ist die unterschiedliche Informationsverteilung zwischen den Parteien, die den Verbraucher benachteiligt. Ein informationeller Nachteil besteht nicht nur bezüglich des materiellen Rechts, sondern auch der Verfahrensregelungen. Die Ausgestaltung des Verfahrens kann dazu führen, dass der Verbraucher seine Rechte aufgrund mangelnder Kenntnisse nicht so überblickt und wahrnimmt, wie ein geübter Prozessierender es täte.778 Gerade auch im Verfahren kann sich daher das Ungleichgewicht zwischen Unternehmern und Verbrauchern auswirken.779 773 

Temple Lang, in: O’Keeffe (Hg.), Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, 235, 250. Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33, 35; Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  25; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 295. 775  Weatherhill, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 173, 177. 776  Cahn, ZEuP 1998, 973, 979; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 327. 777  H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293; Schebesta, ERPL 2010, 847, 861, 876; Weatherhill, ERCL 8, 2012, 221, 226; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 166–168. 778  Weatherhill, in: Grundmann u. a. (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information, 2001, 173, 177. 779 EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.   26; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  33 f.; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  22; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  44, 54 f.; Aziz, C-415/11, 774 EuGH,

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Der EuGH hat in einer Reihe von Entscheidungen herausgearbeitet, wann eine solche verfahrensrechtliche Informationsasymmetrie im B2C-Verhältnis vorliegt. Er ging zunächst bei der Klausel-RL auf die Besonderheiten im Verbraucher-Unternehmer-Verhältnis ein,780 übertrug die Argumentation später auf die übrigen EU-Rechtsakte, welche typische strukturelle Ungleichgewichtslagen in B2C-Vertragsverhältnissen auszugleichen versuchen.781 Diese Rechts­ akte ähneln sich, weil sie die formale Vertragsfreiheit beschränken, um in der konkret geregelten Vertragssituation eine unterstellte strukturelle Ungleich­ gewichtslage zwischen Verbraucher und Unternehmer auszugleichen. Das EURecht unterstellt hier, dass der Verbraucher dem Unternehmer in seiner Verhandlungsposition unterlegen ist. Diese Unterlegenheit besteht auch hinsichtlich seiner Kenntnisse über die rechtlichen Aspekte der Transaktion und der Rechtsverfolgung.782 Die Rechtsprechung lässt sich auf andere geltende und

ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  47, 56; EuGH, Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  42, 44, 46; Biuro podróży Partner, C-119/15, ECLI:EU:C:2016:987 Rn.  28; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 158; H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 57 f.; Micklitz, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 491, 525 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 166–168; Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 2015, 291 f. 780 Z.  B. EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.   25–27; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  32–34; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  23 f., 25, 27; Kásler & Káslerné Rábai, C-26/13, ECLI:EU:C:2014:282 Rn.  39; Invitel, C-472/10, ECLI:EU:C:2012:242 Rn.  33 f.; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  19–21; Pohotovosť, C-470/12, ECLI:EU:C:2014:101 Rn.  39; Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014: 1857 Rn.  36; Micklitz, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 491, 525 f.; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 339. 781  EuGH, Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  61, 63–65; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  73, 77 zur RL 87/102/EWG vom 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit; Duarte Hueros, C-32/12, ECLI:EU:C:2013:637 Rn.  39; Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  42; zur VerbrGK-RL: EuGH, Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU: C:2009:792 Rn.  21–28 zu Richtlinie 85/577 des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283 Rn.  60–66 (VerbrKr-RL). Z. B. auch Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 158; Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 95; Nowak u. a., EU Procedural Law, 2014, Rn.  4.41; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 38 f.; Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 183 f.; Whittaker, in: Leczykiewicz/­ Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 124 f.; im Arbeitsrecht EuGH, Levez ./. Jennings Ltd., C-326/96, ECLI:EU:C:1998:577 Rn.  32; allgemein angedeutet in EuGH, Courage & Crehan, C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465 Rn.  33. 782 Z.  B. EuGH, BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.   17; Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  61, 63; Kásler & Káslerné Rábai, C-26/13, ECLI:EU:C: 2014:282 Rn.  39; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  39; Mostaza Claro, C-168/ 05, ECLI: EU:C:2006:675 Rn.  25; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  46 f.; anders daher (kein Verbraucherrecht) EuGH, van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI: EU:C:2007:318 Rn.  40 f.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 209

zukünftige Rechtsakte im Verbrauchervertragsrecht übertragen, welche diese Defizite beim Verbraucher ausgleichen sollen.783 Das EU-Recht unterstellt somit, dass der Verbraucher auch dann weniger Rechtskenntnisse hat als der Unternehmer, wenn er die rechtlichen Hintergründe des Rechtsstreits und der Folgen einer Disposition einschätzen soll. Der Verbraucher kann seine Rechte nicht geltend machen, gerade weil er sie nicht kennt.784 Dies gilt insbesondere, wenn kein Anwaltszwang besteht.785 Verschärft wird die Problematik dann dadurch, dass die Streitwerte in Verbraucherstreitigkeiten häufig niedrig sind.786 Für einen Verbraucher wird anwaltliche Beratung, um die notwendigen Kenntnisse zu erlangen, unverhältnismäßig teuer.787 Damit ist die Hürde für einen Verbraucher besonders hoch, in typischen Verbraucherstreitigkeiten das Informationsdefizit aus eigenem Antrieb zu beseitigen,788 insbesondere wenn das nationale Recht keine Ausgleichs- oder Finanzierungsmechanismen vorsieht.789 Im Verfahren können diese Informationsasymmetrien wiederum von einem rechtskundigen Unternehmer ausgenutzt werden, um den Verbraucher von seiner Rechtsdurchsetzung abzuhalten. Die effektive Durchsetzung des Rechts, die durch das private enforcement verstärkt werden soll, wird dann gerade aufgrund des private enforcement geschwächt.790 783  EuGH, Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.   42; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283 Rn.   60–66; z. B. auch Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 158; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 38 f.; Rott, in: Leczykiewicz/­ Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 183 f.; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 124 f.; a. A. wohl Saare/Sein, euvr 2013, 15, 24, relativierend aber 26. 784 EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.   26; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  32; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  25, 28–30; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  27–32; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.   54; Pohotovosť, C-470/12, ECLI:EU:C:2014:101 Rn.  39; Kásler & Káslerné Rábai, C-26/13, ECLI:EU:C:2014:282 Rn.  39; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283 Rn.  60–65; ähnlich van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI:EU:C:2007:318 Rn.  40; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 159; Micklitz, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 491, 525 f. 785 Anders Röthemeyer, in: Roder u. a. (Hg.), VSBG, 2017, Rn.  74. 786  Z. B. G. Wagner, CMLR 51, 2014, 165, 178. 787  Oder Rechtsanwaltskosten höher als Streitwert, vgl. EuGH, Océano Grupo, C-240/ 98-­C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  26. 788 EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.   26; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  30; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C: 2012: 349 Rn.  52; Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  61. 789  EuGH, Baczó und Vizsnyiczai, C-567/13, ECLI:EU:C:2015:88 Rn.  55. 790 Vgl. EuGH, Biuro podróży Partner, C-119/15, ECLI:EU:C:2016:987 Rn.   28; Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  42; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C: 2012: 349 Rn.   54 f.; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.   22; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  33 f.; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  26; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 158; Micklitz, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Ver-

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Dadurch verändern sich auch die Anforderungen an eine verfahrensrechtlich zulässige Parteidisposition. Aus Sicht des EU-Rechts muss eine fehlerfreie ­Meinungsbildung vorliegen, d. h. ein typischerweise vom Recht unterstelltes Informationsdefizit muss beseitigt worden sein.791 Dabei sind die Normen aus Gründen der Rechtssicherheit und einheitlichen Auslegung durch den EuGH stets abstrakt zu bewerten, d. h. unabhängig davon, ob die Parteien im Einzelfall uninformiert sind.792 c) Beseitigung der Informationsasymmetrien als Voraussetzung einer wirksamen Disposition Das EU-Recht setzt also bei einer informationellen Ungleichgewichtslage im Verfahren an. Es geht davon aus, dass eine wirksame Parteidisposition auf Seiten des Verbrauchers nur getroffen werden kann, wenn diese Asymmetrie nicht (mehr) vorliegt. Der EuGH verlangt nicht, dass die Ungleichgewichtslagen des materiellen Rechts stets auf gleiche Weise im Prozessrecht kompensiert werden müssen. Im Gegenteil nimmt das EU-Recht ebenso wie das nationale Recht an, dass andere prozessuale Mechanismen hinreichenden Ausgleich gewähren können (§  1 D. II.). Soweit es keine konkreten unionsrechtlichen Ausgleichsmechanismen wie im materiellen Recht gibt, überlässt das EU-Recht die konkrete Beseitigung des Defizits den Mitgliedstaaten. Solche unionsrechtlichen Regelungen finden sich etwa bezüglich der Beweislast: Das EU-Recht modifiziert diese punktuell, um die Schwäche des Verbrauchers im Verfahren zu überwinden, dass dieser die dem Sachverhalt zugrunde liegenden technischen oder organisatorisch vielschichtigen Produktionsprozesse nicht überschaut und keine Einblicke in dieselben erhalten kann.793 Fehlen solche Regelungen, steht es den Mitgliedstaaten frei, wie sie die verfahrensrechtliche Informationsasymmetrie überwinden. Der EuGH kontrolliert nur das Ergebnis, also ob die unterstellte Informationsasymmetrie schluss­ endlich überwunden wurde.794 Soweit der Gesetzgeber keine speziellen Regebraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 491, 525 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 166–168; Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 2015, 291 f. 791  Cahn, ZEuP 1998, 973, 979; Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 190. 792  Z. B. EuGH, Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  65. 793  Vgl. §  477 BGB, Art.  6 Abs.  9 VerbrR-RL; Art.  7 Pauschalreise-RL; Foerste, in: Musielak/­ Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  286, Rn.  35; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 77 f.; Lindholm, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 465, 465, 469; Lurger, ERCL 2005, 442, 460; Messer, in: Geiß u. a. (Hg.), FS BGH, 2000, 67, 70 f.; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  286, Rn.  58; Schmoeckel, NJW 2016, 433, 438; ausführlich zur Beweislast Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  286, Rn.  97–103. 794 Z.  B. EuGH, Agrokonsulting-04, C-93/12, ECLI:EU:C:2013:432 Rn.   35; Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  47; Cahn, ZEuP 1998, 973, 979; Craig, Oxford J. Legal Stud. 12, 1992, 453, 456 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  3 Rn.  45, §  11

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht

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lungen zur Umsetzung dieser Vorgaben trifft, muss das fortbestehende nationale Verfahrensrecht diese Gewährleistung erfüllen.795 Das geltende Recht dann entsprechend auszulegen, ist Pflicht aller staatlichen Normanwender, d. h. insbesondere der Behörden796 und Gerichte,797 letztere auch als Vollstreckungs- oder Insolvenzgerichte.798 Innerhalb ihrer Zuständigkeit und verfahrensrechtlichen Befugnis müssen die staatlichen Stellen, die mit dem Fall befasst sind, d. h. insbesondere die Gerichte, aktiv die effektive Umsetzung des Unionsrechts sicherstellen.799 Das bedeutet für Verbraucherdispositionen, dass im Zweifel die Gerichte als die einzigen mit dem Fall befassten staatlichen Stellen im Rahmen ihrer Befugnisse sicherstellen müssen, dass der Verbraucher autonom i. S. d. EU-Rechts über seine Rechte disponiert, also eine grundsätzlich unterstellte InformationsRn.  1, 10; Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 192 f. Verletzen die Mitgliedstaaten diese Pflicht, ist eine Staatshaftung wegen unzureichender Umsetzung des EU-Rechts möglich z. B. EuGH, Francovich, C-6/90, ECLI:EU:C:1991:428 Rn.  31–37; Brasserie du pêcheur ./. Bundesrepublik Deutschland und The Queen ./. Secretary of State for Transport, ex parte Factortame u. a., C-46/93, C-48/93, ECLI:EU:C:1996:79 Rn.  32, 34; Dillenkofer u. a., C-178/94, ECLI:EU:C:1996:375 Rn.  25 f.; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 19 f.; zur begrenzten Haftung im Verbraucherrechtskontext wegen Verletzungen durch ein Gericht etwa: EuGH, Tomášová, C-168/15, ECLI:EU:C:2016:602 Rn.  19–33 795  Vgl. etwa EuGH, Manfredi, C-295/04, ECLI:EU:C:2006:461 Rn.  62; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  8; zur unzureichenden Umsetzung allgemein EuGH, Francovich, C-6/90, ECLI:EU:C:1991:428 Rn.  17; Draehmpaehl ./. Urania Immobilienservice, C-180/­ 95, ECLI:EU:C:1997:208 Rn.  24–26; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 166–168; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 20 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 270; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, 446 f. 796 EuGH, Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.   64; Promusicae, C-275/06, ECLI: EU:C: 2008:54 Rn.  68; Sziber, C-483/16, ECLI:EU:C:2018:367 Rn.  33. 797  EuGH, Brasserie du pêcheur ./. Bundesrepublik Deutschland und The Queen ./. Secretary of State for Transport, ex parte Factortame u. a., C-46/93, C-48/93, ECLI:EU:C:1996:79 Rn.  32, 34; Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.  65; Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU: C:2016:252 Rn.  34. 798  EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  59; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283 Rn.  51 f. 799  Vgl. EuGH, Marleasing, C-106/89, ECLI:EU:C:1990:395 Rn.  8; Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  37, 39 f.; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  32; Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.  65; Adeneler u. a., C-212/04, ECLI:EU:C: 2006:443 Rn.  115–118; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  24; Pfeiffer u. a., C-397/01, ECLI:EU:C:2004:584 Rn.  116–119; Impact, C-268/06, ECLI:EU:C:2008:223 Rn.  43, 45, 101; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  32; Lucchini, C-119/05, ECLI: EU:C: 2007:434 Rn.  55 f., Rn.  60; PFE, C-689/13, ECLI:EU:C:2016:199 Rn.  41; Ognyanov, C-614/14, ECLI:EU:C:2016:514 Rn.   35; Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Petrotel, C-231/15, ECLI:EU:C:2016:769 Rn.  23; Promusicae, C-275/06, ECLI:EU:C:2008:54 Rn.  68; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  50; Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  31; M. Bobek, in: Barnard/Peers (Hg.), European Union Law, 2017, 143, 159 f., 169 f.; Cafaggi/Iamiceli, SSRN-id2898981, 6 f.; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 41 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  10; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 11; ders., Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 65 f.; Rengelin, VVDStRL 53, 1994, 202, 218; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 313 f.

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

asymmetrie im konkreten Fall nicht vorliegt. 800 Denn ansonsten ist die Beschränkung der effektiven Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts nicht durch die autonome Parteientscheidung gerechtfertigt, da aus Sicht des EURechts keine solche Entscheidung vorliegt. Das Gericht muss daher sicherstellen, dass der Verbraucher die Rechtslage, seine prozessualen Befugnisse und deren Konsequenzen kennt oder – da das Leitbild das des informierbaren Verbrauchers ist – dass er die Möglichkeit hat, dieses Informationsdefizit zu beseitigen oder zumindest zu minimieren.801 Wenn das Verfahrensrecht dies zulässt, kann das Gericht an Stelle des Verbrauchers tätig werden, zum Beispiel von Amts wegen Normen für unwirksam erklären. Ist ein Tätigwerden nach nationalem Recht nicht möglich, muss das Gericht sich zumindest vergewissern, dass die Untätigkeit des Verbrauchers tatsächlich auf seinem Unwillen, nicht auf seinem Unwissen über die Folgen der Untätigkeit beruht. 802 Liegt eine derartig selbstverantwortliche und prozessual zulässige Verbraucherentscheidung vor, darf das nationale Recht eine Bindung des Richters an diese Entscheidung vorsehen.803 Der Verbraucher kann somit durch Nichtstun Rechte verlieren. Das Gericht muss aber sicherstellen, dass er sich dessen bewusst ist. 804 800  EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  27–29; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  35; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  26 f.; Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  65; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  23 f., 27–32; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  31 f. 53; Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  22; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C: 2010:685 Rn.  40–42; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  46–56; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  41–43; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  27; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  46; Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  26; Barclays, C-280/13, ECLI:EU:C:2014:279 Rn.  34; Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.   36; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014: 2099 Rn.  24, 51; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 159; Schebesta, ERPL 2010, 847, 850; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 166–168; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 337 f. 801 EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.   26; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  32; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  28 f.; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  27–32; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  54. 802 EuGH, Banco Santander, C-598/15, ECLI:EU:C:2017:945 Rn.   50; Sziber, C-483/16, ECLI:EU:C:2018:367 Rn.  50; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  28; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33, 35; Schebesta, ERPL 2010, 847, 862, 864; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 124 f.; weiter noch und daher kritisch Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 474 f. 803  EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33, 35; Banif Plus Bank C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  27 f.; Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  25; ähnlich EuGH, Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  33–36; Coester-Waltjen/­Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 72 f.; Whittaker, in: Leczykiewicz/­Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 121 f., 124 f. 804 EuGH, Banco Santander, C-598/15, ECLI:EU:C:2017:945 Rn.   50; Sziber, C-483/16, ECLI:EU:C:2018:367 Rn.  50; Schebesta, ERPL 2010, 847, 862, 864.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 213

Wie genau das Gericht handelt, hängt von der nationalen Verfahrensausgestaltung ab. Mindestvoraussetzung ist, den Verbraucher zu informieren. Kann die Untätigkeit des Verbrauchers zu einem Rechtsverlust führen, muss das Gericht sicherstellen, dass der Verbraucher weiß, was aus seiner Untätigkeit folgt. Lässt das Verfahrensrecht dies zu, muss das Gericht auf die Folgen bestimmten Prozessverhaltens hinweisen.805 Sobald es etwa darauf hingewiesen hat, dass eine Einrede erhoben werden muss, und der Verbraucher im Anschluss erklärt, die Einrede nicht erheben zu wollen, darf das nationale Verfahrensrecht das nationale Gericht hieran binden. 806 Eine solche Gerichtspflicht, von Amts wegen sicherzustellen, dass der Verbraucher die rechtlichen Folgen seiner Disposition überblickt, ergibt sich primär aus dem vorhandenen nationalen Recht und der Kombination aus Äquivalenz- und Effektivitätsprinzip. Das nationale Recht muss so ausgelegt werden, dass die Unterlegenheit des Verbrauchers weitestmöglich ausgeglichen wird und die Rechte der Gegenpartei gewahrt werden. 807 Das innerstaatliche Recht muss eine solche Kontrolle bei maximal möglicher Auslegung zulassen. 808 Maximal mögliche Auslegung bedeutet nicht nur den Einsatz aller nationaler Auslegungsmethoden, sondern auch, dass mögliche nationale Ermessensentscheidungen des Gerichts sich in die Pflicht verwandeln, der unionsrechtswidrigen Vereinbarung die Wirkung zu entziehen. Das Ermessen ist dann aufgrund höherrangigen Unionsrechts gebunden. 809 Damit besteht etwa die Pflicht, die ­eigene Zuständigkeit aufgrund einer unionsrechtswidrigen aufdrängenden Zuständigkeitsvereinbarung zu verneinen, sofern der Richter dies nach nationalem Recht kann, ihm also Ermessen zusteht.810 805 

EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33, 35. EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33, 35; Banif Plus Bank C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  27 f.; ähnlich offen EuGH, Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C: 2009:792 Rn.  33–36; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 72 f.; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 121 f., 124 f. 807 EuGH, Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.   30–34; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  62; Pereničová & Perenič, C-453/10, ECLI:EU:C:2012:144 Rn.  30. 808  EuGH, Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  27; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  32; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  28–32; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  77, 81; Invitel, C-472/10, ECLI: EU:C:2012:242 Rn.  42 f. 809  EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  30 f.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 146 f.; Micklitz/N. Reich, EuZW 2013, 457, 458; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 114 f.; H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293 f. 810  EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  35; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  52, 54, 57; Pereničová & Perenič, C-453/10, ECLI:EU:C:2012:144 Rn.   30; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.   63; Sebestyén, 806 

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

d) Bedeutung anwaltlicher Vertretung Ändern sich die richterlichen Pflichten abhängig davon, ob der Verbraucher anwaltlich vertreten ist? Durch die Vertretung durch professionelle Volljuristen811 könnte die Unterlegenheit im Verfahren bereits ausreichend ausgeglichen sein, sodass eine Hinweispflicht entfiele.812 Aus der EuGH-Rechtsprechung zur Unterlegenheit eines Verbrauchers im Prozess ergibt sich aber, dass die richterlichen Pflichten nicht abhängig vom konkreten Einzelfall entstehen, sondern aus Rechtssicherheitsgründen unabhängig davon, wie der Kenntnisstand des einzelnen Verbrauchers ist und daher auch unabhängig von der Qualität seiner Rechtsberatung.813 Diese Argumentation steht in Einklang mit dem deutschen Verständnis, etwa zu den richterlichen Hinweispflichten gem. §  139 ZPO: Gesetzgeber, Rechtsprechung und ein Großteil der Literatur teilen die Ansicht, dass, wie auch im Gesetz angelegt, nicht schematisch zwischen anwaltlich vertretener und nichtanwaltlich vertretener Partei zu unterscheiden, sondern stattdessen auf das Informationsdefizit abzustellen ist.814 Es gilt grundsätzlich in B2C-Konstellationen die Annahme, dass der Verbraucher uninformiert ist, d. h. auch die Information durch den Anwalt darf vom Gericht nicht unterstellt, sondern muss positiv verifiziert werden. Das unterstellte Informationsdefizit entfällt also nur, wenn der Verbraucher erkennbar seine Rechte kennt und nicht ausüben will, was aber auch dadurch geschehen kann, dass der Anwalt erkennbar informiert ist und den Verbraucher aufgeklärt hat.815 e) Rechte des Unternehmers als Abwägungsgesichtspunkte Der EuGH leitet aus dem unterstellten Ungleichgewicht nicht ab, dass jedes Gericht stets aktiv das EU-Verbraucherrecht durchsetzen muss und der VerC-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.  35 f.; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI: EU:C:2014:2099 Rn.  28; H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293 f. 811 Ausführlich Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 306. 812  Greger, NJW 1987, 1182, 1182 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 112; krit. aus empirischer Perspektive Jolls u. a., Stanford Law Review 50, 1998, 1471, 1504; vgl. auch etwa BGH, NJW 2009, 1589, 1590. 813  Z. B. EuGH, Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  65. 814  BT-Drs. 14/4722, 62; BGH, NJW-RR 2016, 887, 888 f.; NJW-RR 2003, 569, 570; NJWRR 1996, 441, 441; NJW 1998, 612, 612; NJW 1999, 1867, 1868; NJW 2002, 3317, 3320; OLG Brandenburg, NJW-RR 2014, 574, 575 f.; Bahnsen, Verbraucherschutz im Zivilprozeß, 1997, 46–48, 52; Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  139, Rn.  5; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 428; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 52; Schack, ZZP 129, 2016, 393, 405; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  31 f., 93; R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 204; vgl. auch Jolls u. a., Stanford Law Review 50, 1998, 1471, 1504. 815  BGH, NJW 2003, 3626, 3628 (zu unterlassenem Sachvortrag); ähnlich Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  37; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 727, 728 f.

B. Vorgaben für verfahrensrechtliche Parteidispositionen nach nationalem Recht 215

braucher jede aktive Parteirolle im Verfahren aufgeben kann. 816 Der Verbraucherschutz gilt nicht absolut. 817 Dem EuGH geht es nur um die Stärkung des unterstellt informativ unterlegenen Verbrauchers. Diesem Gedanken entspricht auch das in vielen Regelungen vorherrschende Verbraucherleitbild: Das Unionsrecht schützt den Verbraucher typisiert als verantwortungsvoll und rational handelnden, aktiven, aufmerksamen und „informierbaren“ Marktteilnehmer, will ihn also auch zu einem solchen Verhalten anhalten. 818 Dies bedeutet, dass der Verbraucher aufgrund seiner Stellung im Vertrag zwar bei bestimmten Fragen weniger wissen kann als seine Gegenseite. Er beseitigt das Defizit aber selbst, sobald ihm dies ermöglicht wird, er also die bisher fehlenden Informa­ tionen erhält.819 Dass es dem EuGH nicht um absolute Durchsetzung des Verbrauchervertragsrechts geht, lässt sich etwa auch an einer Entscheidung erkennen, in der ein Verbraucherverein Kläger war: Bei einem Verbraucherverein darf das beim Verbraucher unterstellte Informationsdefizit nicht angenommen werden. Daher muss das Gericht ein solches Defizit gerade nicht ausgleichen oder den Verein allgemein nicht in gleichem Maße bei der Rechtsdurchsetzung unterstützen wie den Verbraucher im Individualverfahren.820 816  Schebesta, ERPL 2010, 847, 854 f.; Prechal, CMLR 35, 1998, 681, 687; a. A. tendenziell GA Marco Darmon, Verholen u. a. /Sociale Verzekeringsbank Amsterdam, C-87/90 u. a., ECLI:EU:C:1991:223 Rn.  19–22. 817  EuGH, Hamilton, C-412/06, ECLI:EU:C:2008:215 Rn.  4 4; z. B. N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 33 f.; Weatherhill, ERCL 8, 2012, 221, 229–231. 818  EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  37–39; Quelle, C-404/06, ECLI:EU:C:2008:231 Rn.  34; Pia Messner, C-489/07, ECLI:EU:C:2009:502 Rn.  23 f.; C. Calliess, in: Ehlers (Hg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4.  Aufl., 2014, 792, 794 Rn.  7; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 65; Dreher, JZ 1997, 167, 171; Gsell, JZ 2012, 809, 811, 815; Lurger, in: Arnold (Hg.), Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2014, 101, 105 f.; Micklitz, VuR 2003, 2, 5; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 11 f.; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 195 f., 395; Vogt, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 741, 744 f.; kritisch hierzu etwa: Grundmann, in: Riesenhuber (Hg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007, 105, 124 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 453 f., 481; Hofmeister, DNotZ 1993, 32, 45 f.; Koller, in: Baums u. a. (Hg.), FS Huber, 2006, 821, 827; Lurger, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 89, 105 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 240; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 11 f.; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 32, 44; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 800–804; Unberath/Johnston, CMLR 44, 2007, 1237, 1281 f. 819  Z. B. EuGH, Pall ./. Dahlhausen, C-238/89, ECLI:EU:C:1990:473 Rn.  19; Binder, ZGR 2007, 745, 756 f.; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 65 f.; Coester, euvr 2014, 170, 173 f.; Dreher, JZ 1997, 167, 171; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 453 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 9; ders., ZEuP 1994, 381, 387; Reymann, in: Domej u. a. (Hg.), Einheit des Privatrechts, 2009, 311, 324 f.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 257; Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 2001, 32 f.; Wiebe, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 799, 803 f. 820  EuGH, Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León, C-413/12, ECLI:EU:C:2013:800 Rn.  48–50; Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  4 4; Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  26 f.; Kas/Micklitz, EWS 2018, 181, 182; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 168.

216

§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

Darüber hinaus sind auch die Interessen des Unternehmers zu berücksichtigen, insbesondere seine Rechte aus Art.  47 EU-Grundrechte-Charta auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren. 821 Unternehmer müssen zwar mit den Mechanismen des Zivil- und Zivilprozessrechts dazu angehalten werden, sich normkonform zu verhalten.822 Sie werden aber nicht rechtlos gestellt, denn das Verbrauchervertragsrecht soll auch ihren Interessen dienen (bereits §  2 A.). Damit muss die Beschränkung ihrer Rechte verhältnismäßig sein. 823 Würde der Richter den Prozess für den Verbraucher, nicht aber für den Unternehmer führen, verletzte dies das unternehmerische Recht auf Gleichbehandlung und ein faires Verfahren. 824 Ebenso sind Ausschlussfristen, die zugunsten der Parteien Rechtsfrieden und Rechtssicherheit nach einem angemessenen Zeitraum herstellen, vorbehaltlich des Äquivalenzprinzips auch dann zulässig, wenn sie Verbraucherrechte beschneiden. 825 Bei der Abwägung zwischen effektiver Wirkung und weiteren Zielen des Verfahrensrechts können daher verfahrensrechtliche Regelungen, die auf sich gleichberechtigt gegenüberstehenden Parteien aufbauen, abweichend auszulegen oder unanwendbar sein, dürfen aber keine der beiden Parteien unverhältnismäßig benachteiligen. Bei der Abwägung ist aber auch zu beachten, dass die Durchsetzung und Befolgung des Verbrauchervertragsrechts wegen seiner Art und Bedeutung für die Verwirklichung des Binnenmarkts ein wichtiges Anliegen der EU ist, vgl. auch Art.  38 EU-Grundrechte-Charta und Art.  169 AEUV ergibt.826 Die besondere Bedeutung des Verbraucherrechts kann daher eine Beurteilung rechtfertigen, die von den beschriebenen allgemeinen Grundsätzen abweicht.827 821 EuGH, Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.   65; Hypoteční banka, C-327/10, ECLI:EU:C:2011:745 Rn.  49; Biuro podróży Partner, C-119/15, ECLI:EU:C:2016:987 (Ls. 1); Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 262 f. 822  Temple Lang, in: O’Keeffe (Hg.), Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, 235, 250. 823  EuGH, Lindqvist, C-101/01, ECLI:EU:C:2003:596 Rn.  81; Ordre des barreaux francophones und germanophone u. a., C-305/05, ECLI:EU:C:2007:383 Rn.   28 f.; Promusicae, C-275/06, ECLI:EU:C:2008:54; Hypoteční banka, C-327/10, ECLI:EU:C:2011:745 Rn.  49; zur Möglichkeit, eine ungerechtfertige Bereicherung zu verhindern EuGH, Express Dairy Foods, C-130/79, ECLI:EU:C:1980:155 Rn.  13. 824 EuGH, Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.   65; Hypoteční banka, C-327/10, ECLI:EU:C:2011:745 Rn.  49; Biuro podróży Partner, C-119/15, ECLI:EU:C:2016:987 (Ls. 1); Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 262 f. 825  EuGH, Grundig Italiana, C-255/00, ECLI:EU:C:2002:525 Rn.  34; Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  40; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 168. 826  EuGH, Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  45; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  48 f.; van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI:EU:C:2007:318 Rn.  40; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  26, 31; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  37 f.; ähnlich auch schon EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705, Rn.  35; zu den beiden Normen Mörsdorf, JZ 2010, 759, 761. 827  Anders daher (kein Verbraucherrecht) EuGH, van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI:EU: C:2007:318 Rn.  40 f.

C. Zwischenergebnis zu §  2

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C. Zwischenergebnis zu §  2 1. Der Umfang, in dem eine Norm abdingbar ist, bestimmt sich im autonomen deutschen und im EU-Recht danach, welche Ziele der Gestzgeber mit der Norm verfolgt und ob das Ergebnis der Parteivereinbarung mit diesen Zielen zu vereinbaren ist. 2. Das EU-Verbrauchervertragsrecht verfolgt zwei Ziele, die sich aus dem Binnenmarktziel ergeben: Stärkung des Verbrauchervertrauens in den binnenmarktweiten Handel durch Abbau von Situationen, in denen ein Verbraucher einem Unternehmer typischerweise unterlegen ist, sowie die Harmonisierung des Verbrauchervertragsrechts, um den Unternehmer in seiner binnenmarktweiten Tätigkeit dadurch zu unterstützen, dass die Rechtslage in allen Mitgliedstaaten gleich und für ihn vorhersehbar ist. 3. Die untersuchten halbzwingenden Regelungen sind vorbehaltlich anderslautender ausdrücklicher Normierung ein zwingender Mindeststandard, von dem auch bei einer Gesamtbetrachtung nicht abgewichen werden kann. Dies stünde dem Ziel, Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit eines Rechtsstreits zu schaffen, entgegen. 4. Die halbzwingenden Regelungen können bei Vertragsschluss vorbehaltlich Sonderregeln nicht zu Lasten des Verbrauchers abbedungen werden, selbst wenn die Initiative zum Abbedingen vom Verbraucher ausgeht oder im konkreten Fall das Defizit, welches die Norm bekämpfen soll, nicht vorliegt. Dies ergibt sich aus dem Gedanken des Unterlegenenschutzes und dem Harmonisierungsgedanken. 5. Soweit es keine anderslautenden Regelungen gibt, ist eine Disposition über zwingendes Verbraucherrecht auch zu einem Zeitpunkt nach Vertragsschluss nicht zulässig. Das Interesse des EU-Rechts, durch klare, vorhersehbare Regeln den Binnenmarkt zu fördern, besteht fort und würde durch eine solche Ausnahme gefährdet. 6. Schuldrechtliche Vereinbarungen, die eine Verpflichtung des Verbrauchers enthalten, seine Rechte nicht auszuüben, sind, wenn sie faktisch dieselbe Wirkung haben wie ein (unzulässiger) Verzicht auf das entsprechende Recht, ebenfalls als Umgehungen unzulässig. 7. Ausnahmsweise ist eine Disposition bei objektiv vorliegenden Tatsachenzweifeln über die Anwendung einer zwingenden Norm möglich, wenn der Vertragsschluss i. S. d. §  779 BGB zugleich Annahme eines Schlichtungsvorschlags i. S. d. §  19 VSBG ist. In diesem Fall ist eine Disposition über die in Zweifel stehende Norm möglich, wenn der Streitmittler die Parteien über diese Zweifel und darüber, inwieweit der Schlichtungsvorschlag vom Ergebnis einer Gerichtsverhandlung mit Beweiserhebung abweichen kann, informiert hat. 8. Das nationale Verfahrensrecht kann Regelungen zu Parteidispositionen vorsehen, soweit die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten reicht, d. h. nur

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§ 2 Vorgaben des EU-Rechts

in den Bereichen, in denen kein Unionsrecht vorrangig anwendbar ist. Solche Regelungen sind aber an den Vorgaben des Primärrechts, insbesondere dem Äquivalenz- und Effektivitätsprinzip sowie dem Gebot effektiven Rechtsschutzes zu messen. 9. Der EU-Bürger wird mit Individualrechten ausgestattet, um u. a. die Durchsetzung des EU-Rechts zu verstärken. Ihre Durchsetzung erfolgt im Wege des private enforcement, welches die Instrumente des nationalen Zivilund Zivilverfahrensrechts nutzt. Durch das private enforcement wird dem EURecht eine zusätzliche Durchsetzungsart geschaffen. Gerichte wenden das Recht häufiger an und legen es häufiger dem EuGH vor. Dieser kann es damit häufiger einheitlich auslegen und fortbilden. 10. Das Effektivitätsprinzip verpflichtet den Gesetzgeber, adäquate Rechtsbehelfe zu schaffen, damit die vom Unionsrecht gewährten Rechte ausgeübt und Verstöße gegen das Unionsrecht verhindert und geahndet werden können. Weiterhin müssen alle staatlichen Stellen, insbesondere Gerichte, das gesamte nationale Recht einschließlich des Verfahrensrechts im Rahmen ihrer nationalen Möglichkeiten so auslegen und anwenden, dass das Unionsrecht bestmögliche Wirkung entfaltet. Eine nationale Norm bleibt ausnahmsweise unangewendet, wenn sie die effektive Wirkung einer EU-Norm unverhältnismäßig beschränkt. Ob Unverhältnismäßigkeit vorliegt, folgt aus eine Abwägung zwischen dem Ziel der Norm und den Zielen, die das nationale Verfahrensrecht verfolgt. 11. Das Verbrauchervertragsrecht soll den Binnenmarkt durch Rechtsvereinheitlichung fördern. Es besteht daher ein besonderes Bedürfnis nicht nur des Verbrauchers nach Zugang zu Gericht, sondern allgemein nach der Möglichkeit einer EuGH-Vorlage. Diese Vorlage ist nur Gerichten i. S. d. Art.  267 AEUV möglich. Daher beschränken Verfahrensregelungen die effektive Wirkung des EU-Verbraucherrechts unverhältnismäßig, wenn entweder zumindest faktisch kein Zugang zu Gericht möglich ist oder ein staatliches Gericht in keinem Moment des Verfahrens dem EuGH eine Frage zum streitrelevanten Unionsrecht vorlegen kann. 12. Aus Art.  6 EMRK und Art.  47 EU-Grundrechte-Charta folgt zusätzlich die Pflicht, Verbrauchern und Unternehmern rechtzeitigen Zugang zu einem rechtsstaatlich ausgestalteten Gerichtsverfahren zu ermöglichen. 13. Das Äquivalenzprinzip verpflichtet zur nichtdiskriminierenden Umsetzung des EU-Rechts. Das EU-Verbrauchervertragsrecht ist stets wie diejenigen nationalen Regelungen zu behandeln, die im nationalen Privatrecht als am stärksten durchsetzungswert angesehen werden, etwa international zwingende Normen oder solche, die Teil des ordre public sind. 14. Die Parteientscheidung, ein Recht nicht geltend zu machen, wird vom EU-Recht als Konsequenz des private enforcement akzeptiert. Nationale Verfahrensregelungen, die den Parteien solche Entscheidungsrechte einräumen,

C. Zwischenergebnis zu §  2

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sind unionsrechtskonform, solange die Parteientscheidung wirklich autonom geschieht. 15. Ist der Entscheidende Verbraucher, ergeben sich Besonderheiten: Dem Verbraucher unterstellt das EU-Recht eine strukturelle Unterlegenheit im Verfahren, insbesondere zur Kenntnis der Rechtslage, die ihn davon abhält, seine Rechte geltend zu machen. Das nationale Rechtssystem, im Zweifel der mit der Sache befasste Richter, muss eine solche Asymmetrie ausgleichen, sonst darf eine Parteidisposition nach nationalem Recht nicht als wirksame Disposition i. S. d. EU-Rechts angesehen werden. 16. Solange die EuGH-Vorlage möglich und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes Genüge getan ist, ist der Richter nur im Rahmen der nationalen Auslegungsspielräume zur effektivitätsoptimierenden Normanwendung verpflichtet. Insbesondere kann seine Pflicht auch durch Gegenrechte des Unternehmers eingeschränkt sein; hier ist eine Abwägung erforderlich zwischen den Verfahrensrechten des Unternehmers und dem Interesse an einem effektiven Verbraucherschutz.

Teil  II

Auswirkung auf die einzelnen Verfahren

§  3 Urteil Im folgenden Abschnitt wird gezeigt, dass der Großteil des deutschen Prozessrechts mit den Vorgaben des Unionsrechts kompatibel ist. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich in Verfahren, in denen EU-Verbrauchervertragsrecht streitentscheidend sein kann, nur ein gewisser Anpassungsbedarf. Dies gilt sowohl in Verfahren, die zu einem „klassischen“ Urteil (A.) oder einem Anerkenntnisurteil (B.) führen, als auch im Säumnisverfahren (C.). Es wird heraus­ gearbeitet, dass die Konflikte mit den Vorgaben des EU-Rechts durch unionsrechtskonforme Auslegung des geltenden Rechts und eine ebensolche Handhabung der Prozessleitungs- und Hinweispflichten des Gerichts (insb. gem. §  139 ZPO) vermieden werden.

A. Kontradiktorisches Urteil Im traditionellen Prozessablauf folgen aus der Rechtsprechung des EuGH nur geringe Modifikationen. Die Dispositionsmaxime und der Antragsgrundsatz, die insbesondere Verfahrenseinleitung und die Bestimmung des Streitgegenstands den Parteien überlassen, bleiben von dieser Rechtsprechung unberührt (I.). Dass das Gericht das Recht von Amts wegen ermitteln und anwenden muss (iura novit curia), entspricht den Forderungen des EuGH im EU-Verbrauchervertragsrecht (I.3.). Ausschlussfristen, die das Prozessrecht im Urteilsverfahren vorsieht, und Regelungen zum Eintritt der Rechtskraft nach Ablauf einer solchen Frist genügen den Anforderungen des Unionsrechts. Eine rügelose Einlassung, die ebenfalls der Verfahrensstraffung und dem Rechtsfrieden dient, darf allerdings regelmäßig nur nach entsprechendem Hinweis des Gerichts angenommen werden, selbst außerhalb des Falls des §  504 ZPO (II.). Beim Beibringungsgrundsatz, der im Gegensatz hierzu von den Parteien verlangt, dass diese die entscheidungserheblichen Tatsachen ins Verfahren einbringen, steigen die richterlichen Pflichten im Rahmen des geltenden Rechts: Ein Gericht muss bei ihm bekannten oder sich ihm aufdrängenden Tatsachen, die nicht bereits „offenkundig“ i. S. d. §  291 ZPO sind, soweit möglich eine Beweiserhebung gem. §§  142, 144 ZPO anordnen. In den übrigen Fällen muss es im Wege der Hinweis­ pflicht darauf hinwirken, dass der Verbraucher einen entsprechenden Vortrag oder Antrag nicht aus Unwissenheit über den Beibringungsgrundsatz unter-

224

§  3 Urteil

lässt (III.). Aus dem Kapitel lassen sich erste Hinweise ableiten, dass die richterliche Hinweispflicht ein Schlüsselelement bei der Umsetzung der EuGH-Vorgaben ist. Sie wird durch das EU-Recht konkretisiert, ohne dass sich ihr Charakter aber völlig wandeln muss. Hinweise auf Einwendungen oder Einreden des materiellen Rechts sind allerdings nur ausnahmsweise erforderlich, wenn die Gegenpartei nicht schutzwürdig ist (IV.).

I. Dispositionsmaxime, Antragsgrundsatz und Zugang zu Gericht Aus Sicht des EU-Rechts ist es unproblematisch, dass das deutsche Zivilprozessrecht den Parteien die Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens durch Klageerhebung (§  253 ZPO), Klagerücknahme (§  269 ZPO) und über den Streitgegenstand überlässt (Dispositionsmaxime, z. B. §  308 ZPO).1 1. Einleitung des Verfahrens, Vorverfahren und Klagerücknahme a) Einleitung des Verfahrens Aus der Regelungstechnik des private enforcement folgt, dass die EU den Verbraucher frei entscheiden lässt, ob er seine Rechte durchsetzt (s. o., §  2 B. II. 1., III. 1.).2 Dass im Zivilprozess die Initiative von den Parteien ausgeht, ist ein allgemeiner, in allen Mitgliedstaaten anerkannter Grundsatz des Zivilprozesses.3 Die EU lässt entsprechende nationale Regelungen wie den in §  253 ZPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz, dass die Parteien für die Prozesseinleitung zuständig sind, unberührt. Formalien im Prozess sowie Anwalts- und Gerichtskosten verfolgen legitime Zwecke und beschränken die effektive Wirkung des EU-Rechts regelmäßig nicht unverhältnismäßig.4 1  Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 415, 453; Lindacher, in: Schmidt-Hieber/ Wassermann (Hg.), FS Deutsche Richterakademie, 1983, 209, 210; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 538 f. 2  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 44, 211–213; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 237; R. Stürner, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1489, 1499; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 349 f.; ähnlich allgemeiner Gärditz, Gutachten D zum 71. DJT, 2016, D 18; Neidhardt, Nationale Rechtsinstitute als Bausteine europäischen Verwaltungsrechts, 2008, 84. 3 EuGH, Sky Österreich, C-283/11, ECLI:EU:C:2013:28 Rn.   42 f.; Alemo-Herron u. a., C-426/11, ECLI:EU:C:2013:521 Rn.  32; EuG, Automec ./. Kommission, T-24/90, ECLI:EU:T: 1992:97 Rn.  51; allgemein z. B. Basedow, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 85, 90–92; ders., ERPL 6, 2008, 901, 911–916, 921–923; Bruns, JZ 2007, 385, 393 f.; Canaris, in: Badura/Scholz (Hg.), FS Lerche, 1993, 873, 889 f.; Herresthal, in: Ziegler/Huber (Hg.), Current Problems in the Protection of Human Rights, 2013, 89, 91 f.; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 219 f; Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  291–294: Rittner, JZ 1990, 838, 841; W.-H. Roth, in: Schulte-­ Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 24 f.; R. Stürner, in: Lorenz u. a. (Hg.), FS Heldrich, 2005, 1061, 1065 f. 4  EuGH, Clean Car Autoservice, C-472/99, ECLI:EU:C:2001:663 Rn.  27–29; Heinze, in:

A. Kontradiktorisches Urteil

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Die EU verpflichtet die Mitgliedstaaten nur, dem Verbraucher Anreize zur Rechtewahrnehmung zu setzen5 und flankierende Maßnahmen einzuführen, etwa geringschwellige Verfahren6 und Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes7 (§  2 B. III. 1.). b) Vorverfahren und andere Modalitäten des Verfahrensbeginns Diese Prozessinitiierungsfreiheit wird freilich begrenzt durch Regelungen oder Vereinbarungen, die zu einem Ausschluss oder zu einer Beschränkung des Zugangs zu Gericht führen. Die Mitgliedstaaten dürfen es daher dem Verbraucher nicht unverhältnismäßig erschweren, seine Rechte geltend zu machen. Solche Schwierigkeiten können entstehen, wenn das Verfahrensrecht zwar Rechts­ behelfe vorsieht, ihre Einlegung aber durch weitere Anforderungen erschwert, es etwa formale Hürden aufstellt oder eine Klage von der Durchführung eines Vorverfahrens abhängig macht. In der Verbraucher-Unternehmer-Konstella­ tion kann diese Gefahr aus den oben beschriebenen strukturellen Gründen besonders schnell eintreten. 8 §  15a EGZPO sieht in wenigen Fällen vor, dass die Länder vorsehen können, ein Schlichtungsverfahren vor einer landesrechtlich eingerichteten oder anerBasedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337–341, 341; Komninos, EC Private Antitrust Enforcement, 2008, 235. 5  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 237 f.; Faust, in: Zimmermann (Hg.), Störungen der Willensbildung, 2007, 193, 197 f.; Hodges, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 437, 438 f., 441; ders., ERA Forum 13, 2012, 11, 19; R. Stürner, in: Heldrich u. a. (Hg.), FS Canaris, 2007, 1489, 1500; Temple Lang, in: O’Keeffe (Hg.), Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, 235, 250; vgl. etwa Artt.  23 f. VerbrR-RL, Art.  7 Klausel-RL. 6  Insb. ADR-RL und ODR-VO, ausführlich oben §  2 B. III. 1; Creutzfeldt/Hodges, Nederlands-Vlaams tijdschrift voor Mediation en conflictmanagement 18, 2014, 29, 30 f.; Hodges, ERA Forum 13, 2012, 11, 19 f.; zur Umsetzung der ADR-RL: Gössl, NJW 2016, 838, 838 ff.; ähnliche Gedanken bereits von Hippel, RabelsZ 37, 1973, 268, 272–277; N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 1, 8; H. Roth, JZ 2013, 637, 637 f. 7 Vgl. insbesondere Unterlassungsklagen-RL, ABl. EU 2009, L 110, 30; Art.   7 Abs.  2 Klausel-­R L; Althammer, ZZP 126, 2013, 3, 26 f.; Amaro u. a., Study Collective Redress, 2018, 17–45; Hodges, in: Brownsword u. a. (Hg.), Foundations of European Private Law, 2011, 437, 451; Leible, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 381, 386; Micklitz, in: Reich/Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 1147, 1166–1171; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 316; N. Reich, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 317, 349 f., 352–355; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 152–161, 309 mit Fn.  32; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 352. 8  EuGH, Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  4 4; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013: 164 Rn.  58; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  46, 52; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.   43; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  33 f.; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  29; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 156; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 279; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 28; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 272; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 309 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 7 f.

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§  3 Urteil

kannten Gütestelle oder sonstigen Einigungsstelle zu versuchen, ehe eine Klage zulässig ist.9 EU-Vertragsrecht kann nur in dem Fall einschlägig sein, in dem es um vermögensrechtliche Streitigkeiten geht, deren Streitwert die Summe von 750 Euro nicht übersteigt. Solche Vorverfahren sind unionsrechtlich zulässig, da sie die Einigungsbereitschaft der Parteien fördern und dem Rechtsfrieden dienen. Beide Ziele, also Rechtsfrieden und Förderung der Parteiautonomie, verstärken sich gegenseitig als legitimer Grund, der das EU-Verbrauchervertragsrecht einschränken kann.10 Solche Verfahren dürfen den Zugang zu Gericht aber nicht unverhältnismäßig beschränken, d. h. es muss weiterhin möglich sein, ein Gericht anzurufen, sollte das Verfahren nicht im Einvernehmen enden,11 d. h. zu mindestens einer Instanz und einem Gericht.12 Darüber hinaus muss der Zugang zu einem Gericht rechtzeitig möglich sein, um irreparable Rechtsverletzungen zu verhindern.13 Dies ist im Verfahren nach §  15a EGZPO gegeben, da das Verfahren nicht in einer verbindlichen Entscheidung der Gütestelle endet, sondern ent­ weder in einer Einigung der Parteien oder der Möglichkeit, Klage zu erheben. Weiterhin wird nach §  204 Abs.  1 Nr.  4 BGB durch Verfahrenseinleitung die Verjährung gehemmt, sodass auch hierüber kein Rechtsverlust zu befürchten ist.14 Zudem dürfen die Verfahrenskosten nicht erheblich im Verhältnis zum Streitwert sein und damit davon abschrecken, überhaupt ein Verfahren zu beginnen.15 Die Verfahrenskosten sind landesrechtlich geregelt, aber sehr gering bzw. die Gütestellen können davon absehen, überhaupt Gebühren zu erheben,16 sodass sie nicht prohibitiv hoch ausfallen. Schließlich können unver9  Z. B. Deckenbrock/Jordans, MDR 2013, 945, 947; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 463. 10  Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 33; krit. Röthemeyer, in: Roder u. a. (Hg.), VSBG, 2017, Rn.  74. 11  Z. B. EuGH, Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  5 4; Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Petrotel, C-231/15, ECLI:EU:C:2016:769 Rn.  21 f.; Banco Primus, C-421/14, ECLI:EU:C:2017:60 Rn.   48; siehe auch EuGH, Schneider, C-380/01, ECLI:EU:C: 2004:73 Rn.  24–26; Adinolfi, in: Micklitz/de Witte (Hg.), The ECJ and the Autonomy of the Member States, 2012, 281, 300; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 169; Schebesta, ERPL 2010, 847, 860. 12 EuGH, Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.   36; Agrokonsulting-04, C-93/12, ECLI:EU:C:2013:432 Rn.  48; so auch EuGH, Samba Diouf, C-69/10, ECLI:EU:C:2011:524 Rn.  69; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 501. 13  Z. B. Gärditz, Gutachten D zum 71. DJT, 2016, D 22; Kas/Micklitz, EWS 2018, 181, 188–190; J. Schwarze, in: Grote u. a. (Hg.), FS Starck, 2007, 645, 650. 14  Hierzu EuGH, Menini & Rampanelli, C-65/16, ECLI:EU:C:2017:457 Rn.  61; Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  67. 15  Z. B. EuGH, Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  52–59; Profi Credit Polska, C-176/17, ECLI:EU:C:2018:711 Rn.  67 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 33. 16  Greger, in: Greger u. a. (Hg.), Recht der alternativen Konfliktlösung, 2.   Aufl., 2016,

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hältnismäßig lange Verfahrenszeiten,17 hohe Kostenvorschüsse18 oder ein Anwaltszwang19 einen potenziellen Kläger faktisch davon abhalten, ein Vorverfahren zu beginnen.20 Um eine unverhältnismäßig lange Verfahrenslaufzeit zu bestimmen, lässt sich auf Art.  18 Abs.  2 Kartellschadensersatz-RL zurückgreifen: Das Hauptverfahren darf hier für Verhandlungen für maximal zwei Jahre ausgesetzt werden. Die EuGH-Rechtsprechung, nach der ein Verfahren nicht zu unverhältnismäßigen Verzögerungen oder Kosten auf Seiten des Verbrauchers führen darf, ist auf Zwischenverfahren ebenso anzuwenden wie auf vorgeschaltete Verfahren, da die gleichen Interessen betroffen sind: Auch hier können lange Verfahrenszeiten und erhöhte Kosten abschreckend wirken, ein Verfahren zu beginnen oder fortzuführen. Im B2C-Verhältnis sollte die Frist geringer sein als die in der Kartellschadensersatz-RL angesetzten zwei Jahre, die zwei professionelle Parteien im Blick hat.21 Auch dies ist bei dem Verfahren nach §  15a EGZPO der Fall. Weitere Verfahrenshürden, etwa Zugang nur über Online-Masken 22 oder sonstige formale Hürden sind nicht ersichtlich. Ebenso ist die nach Klageerhebung vorgesehene Güteverhandlung nach §  278 Abs.  2 ZPO zulässig, da hiervon die Klagemöglichkeit nicht abhängt. Hinzu kommt, dass das Verfahren abgebrochen wird und in die Hauptsache übergeleitet werden kann, sobald ersichtlich ist, dass eine Einigung der Parteien nicht möglich ist. c) Klagerücknahme Nimmt der Verbraucher eine Klage gem. §  269 Abs.  1 ZPO zurück, verhindert er, dass der Richter sich mit dem Fall beschäftigen kann. Das gleiche gilt, wenn der Unternehmer als Kläger die Klage zurücknimmt und der Verbraucher einwilligt. Die Klagerücknahme ist Gegenstück zur Klageeinleitung und ebenso wie diese dem Parteiwillen zu überlassen, wobei der Beklagte nach Beginn der mündlichen Verhandlung in sie einwilligen muss. Folge ist, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden betrachtet wird (§  269 Abs.  3 ZPO), d. h. dem KläTeil  D, Rn.  268; mit Darstellung der Landesregelungen Gruber, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  15a EGZPO, Rn.  54 mit Fn.  152. 17  I.E. verneinend EuGH, Menini & Rampanelli, C-65/16, ECLI:EU:C:2017:457 Rn.  6 4 f.; Agrokonsulting-04, C-93/12, ECLI:EU:C:2013:432 Rn.   55; ausführlich Zeno-Zencovich/­ Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 347–349. 18  Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 262 f. 19  EuGH, Menini & Rampanelli, C-65/16, ECLI:EU:C:2017:457 Rn.  6 4 f. 20  Z. B. EuGH, Coote ./. Granada Hospitality, C-185/97, ECLI:EU:C:1998:424 Rn.  19–27; i. E. verneinend: EuGH, Menini & Rampanelli, C-65/16, ECLI:EU:C:2017:457 Rn.  60 ff. 21  EuGH, Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  53; Menini & Rampanel­ li, C-65/16, ECLI:EU:C:2017:457 Rn.  53–61, 63–65; Evans, C-63/01, ECLI:EU:C:2003:650 Rn.  44–58; Multiservice, C-320/08, ECLI:EU:C:2008:510 Rn.  53–57; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 378 f. 22  EuGH, Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  58–60.

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ger steht es weiterhin frei, erneut zu klagen. Die Erklärungen, d. h. die Rücknahmeerklärung oder die Einwilligungserklärung, sind beides einseitige Prozesshandlungen, die ausdrücklich und gegenüber dem Gericht erfolgen müssen (§  269 Abs.  2 S.  1 ZPO). Unionsrechtlich problematisch wäre eine Klagerücknahme nur, wenn zu befürchten wäre, dass der Verbraucher aus Unkenntnis handelt und nicht versteht, was er tut. Aufgrund der besonderen Förmlichkeit des Verfahrens und der Einbettung in den Prozess ist nicht zu befürchten, dass der Verbraucher vorschnell eine Erklärung abgibt. Auch ist die Rechtsfolge – Klagerücknahme – leicht zu überblicken, sodass keine Gefahr besteht, ein nichtanwaltlich vertretener Verbraucher verstünde den Inhalt der Erklärung nicht. Schließlich wird auch der Zugang zu Gericht nicht berührt, da eine erneute Klage stets weiterhin möglich ist. Die Regelung des §  269 ZPO ist daher aus Sicht des EU-Rechts unproblematisch.23 2. Bestimmung des Streitgegenstands und Antragsgrundsatz Der Streitgegenstand wird im deutschen Zivilprozessrecht von den Parteianträgen bestimmt, er hängt also vom Parteiwillen ab (ne ultra petita, vgl. §  308 ZPO).24 Damit kann die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts dadurch begrenzt werden, dass ein Verbraucher nur Teile der ihm aus EU-Recht erwachsenden Ansprüche gerichtlich geltend macht. Das Gericht ist nicht befugt, von Amts wegen den Streitgegenstand zu erweitern (vgl. §  308 Abs.  1 S.  1 ZPO).25 Der EuGH sieht diese Rollenverteilung zwischen Richtern und Parteien als wichtigen Teil der nationalen Verfahrensautonomie an, der eine Beschränkung der effektiven Wirkung des Unionsrechts rechtfertigen kann.26 Solche Regelungen sind Ausdruck der mitgliedstaatlichen Auffassung vom Verhältnis zwischen Staat und Individuum und wahren die Verfahrensrechte der Gegenpartei auf ein faires Verfahren, Waffengleichheit und rechtliches Gehör.27 Darüber hinaus fördert eine klare Aufgabenverteilung den ordnungsgemäßen und effi­ zienten Ablauf des Verfahrens.28 Das Unionsrecht verlangt nicht allgemein, dass 23 

Zum gesamten Abs.: Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 246 f. Dazu etwa J. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 2014, 77 f.; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 14; Leipold, in: Stein/Jonas  III, 22.  Aufl., 2005, vor §  128, Rn.  38 f.; Musielak, in: Gottwald/Prütting (Hg.), FS Schwab, 1990, 349, 349; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 287; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 547 f. 25  Z. B. Musielak, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  308, Rn.  1. 26  EuGH, van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.  20 f.; van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI:EU:C:2007:318 Rn.  35; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  10; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 469 f.; Schebesta, ERPL 2010, 847, 857; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 537 f.; a. A. Cahn, ZEuP 1998, 973, 978 f. 27  Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 35. 28  EuGH, van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.  20 f.; van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI:EU:C:2007:318 Rn.  35; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 385 f. 24 

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die Mitgliedstaaten Normen nicht anwenden, die das Gericht auf eine passive Rolle im Prozess beschränken.29 Im Gegenteil beschränkt der EuGH den Inhalt des Rechtsstreits im Zivilrecht darauf, dass das Gericht „über die hierzu erforderlichen rechtlichen […] Grundlagen verfüg[en]“ muss.30 Das Gericht muss nur in dem Rechtsbereich tätig werden, der sich aus den Klageanträgen und dem damit verbundenen Lebenssachverhalt ergibt.31 Dies entspricht dem zweigliedrigen Streitgegenstandsverständnis der deutschen herrschenden Meinung.32 Die Begrenzung des Streitgegenstands durch die Parteien, wie sie auch im deutschen Zivilprozess gilt, beschränkt somit nicht die Effektivität des Unionsrechts.33 Eine Pflicht zur Umqualifizierung oder Erweiterung des Streitgegenstands von Amts wegen verlangt der EuGH nur i. R. d. Äquivalenzprinzips, d. h. wenn das nationale Recht dies vorsieht.34 Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise, wenn ohne die Möglichkeit, den Streitgegenstand zu erweitern, zugleich der Rechtsschutz für weitere Ansprüche gesperrt ist, etwa wegen weit verstandener entgegenstehender Rechtskraft.35 Der EuGH entschied in einem Verfahren – primär aus dem Gedanken des effektiven Rechtsschutzes heraus –, dass eine Verfahrensordnung, die bei einer Klage auf Schadensersatz weder eine Klageänderung noch eine weitere Klage mit dem Ziel zulässt, einen Teil des Kaufpreises aufgrund von Minderung zurückzuerhalten, die effektive Wirkung des Unionsrechts beschränkt, da jener Anspruch niemals vor Gericht geltend gemacht werden kann.36 Ebenso ist eine nationale Regelung 29 Z. B. EuGH, van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.   21 f.; Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 33. 30 Z.  B. EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350Rn.   32; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  32; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349, Rn.  53–57; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  46, 48; Barclays, C-280/13, ECLI:EU: C:2014: 279 Rn.  35; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283 Rn.  70; F­aber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  46; OTP Bank und OTP Faktoring, C-51/17, ECLI:EU:C:2018:750 Rn.  9 0 ; ähnlich bereits EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  35. 31  Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 32 f.; vgl. EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  45; ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  42; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 350. 32  Z. B. BGH, NJW 1992, 1172, 1173; NJW-RR 2006, 1502, 1503; GRUR 2011, 521, 522; Becker-Eberhard, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, vor §  253, Rn.  32–36. 33  EuGH, van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.  21 f.; Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  45; Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  19; Heinze, in: Basedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337–341, 340; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 468, 475 f.; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 537 f. 34  So etwa nach ungarischem Recht: EuGH, Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  38. 35 Vgl. zum spanischen Recht: EuGH, Duarte Hueros, C-32/12, ECLI:EU:C:2013:637 Rn.  43; ähnlich Piekenbrock, JZ 2018, 855, 859; vgl. C. Kohler u. a., ZEuP 2015, 335, 344 f. 36  EuGH, Duarte Hueros, C-32/12, ECLI:EU:C:2013:637 Rn.   39; C. Kohler u. a., ZEuP 2015, 335, 345; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 210 f.; Lüttringhaus,

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unanwendbar, welche die Rechtskraft einer Entscheidung auf Rechtsfragen ausdehnt, die vorher nicht gerichtlich geprüft wurden. Dies nahm der EuGH z. B. in einem Fall an, in dem ein Gericht eine einzelne AGB-Klausel auf ihre Missbräuchlichkeit prüfte. Das Verfahren verhinderte in einem Folgeprozess eine Prüfung des gesamten Vertrags, nicht nur der Klausel.37 Das deutsche Verfahrensrecht ist aber von dieser Einschränkung nicht betroffen:38 Zum einen bezieht sich der Streitgegenstand nicht auf konkrete Anspruchsgrundlagen. Stattdessen ergibt er sich aus dem Klagebegehren und dem dazugehörigen Lebenssachverhalt, sodass ein Anspruch auf Schadensersatz neben einem Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises geprüft werden kann. Soweit das Anspruchsbegehren und der Lebenssachverhalt gleich bleiben, muss das Gericht von Amts wegen die Anspruchsgrundlagen prüfen, die dem Anspruchsbegehren genügen können. Zum anderen werden sonstige Anspruchsgrundlagen, die nicht vom Klagebegehren gedeckt sind, etwa die Minderung im Fall eines Verfahrens um Rückabwicklung wegen Rücktritts,39 nicht vom Streitgegenstand und – vorbehaltlich des denklogischen Gegenteils – der materiellen Rechtskraft erfasst, sodass ein neuer Prozess möglich bleibt.40 Das deutsche Recht entspricht somit hier den Anforderungen des EU-Rechts. 3. Iura novit curia Kritisch zu betrachten sind nationale Regelungen, die einen Parteivortrag der rechtlichen Argumente und der Rechtsgrundlagen verlangen. Denn hier kann die Unkenntnis des Verbrauchers von dieser Pflicht oder auch von den Regeln selbst die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts verhindern. Solche Verfahrensausgestaltungen, wie sie in einigen Mitgliedstaaten vorhanden sind,41 beschränken nach Rechtsprechung des EuGH die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts unverhältnismäßig.42 Die Pflicht, streitentMaterialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 474 f.; weiter wohl Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 236 f. 37  EuGH, Banco Primus, C-421/14, ECLI:EU:C:2017:60 Rn.  51 f.; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen, 2016, 440. 38  Anders wohl Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 236 f. 39  BGH, NJW 2015, 2106, 2106; Thüringer OLG, OLG-NL 2003, 285, 286. 40  Thüringer OLG, OLG-NL 2003, 285, 286; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 210. 41  Zum englischen und französischen Recht etwa Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 70, 92 f., 145 f. 42  EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  26, 29; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  33–35; Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007: 575 Rn.  65–67; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  56; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  44; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  47; OTP Bank und OTP Faktoring, C-51/17, ECLI:EU:C:2018:750 Rn.  87; Banco Primus, C-421/14, ECLI:EU:C:2017:60 Rn.  43; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 160; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 273–290; Nowak u. a., EU Procedural Law, 2014,

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scheidendes Recht vortragen zu müssen, damit ein Gericht es prüfen darf, kann die effektive Wirkung des EU-Rechts beschränken. Das deutsche Recht, welches eine Rechtsprüfung und -anwendung auch des EU-Rechts von Amts wegen anordnet (iura novit curia),43 ist unionsrechtlich unproblematisch.44

II. Beschleunigungsgrundsatz und Rechtsfrieden durch Ausschlussfristen und Eintritt der Rechtskraft Der Verbraucher kann wie jede Partei darüber disponieren, Rechte geltend zu machen, indem er innerhalb einer gesetzlich vorgesehenen Frist untätig bleibt und das Verfahrensrecht nach Fristablauf Einwendungen präkludiert. Der EuGH hat eine Reihe von Kriterien für die Zulässigkeit von Präklusionsfristen aufgestellt, auch für den Fall, dass Verbrauchervertragsrecht entscheidungserheblich ist. Der Verbraucher darf nicht durch Unwissenheit Rechte verlieren. Einmal im Verfahren muss eine richterliche Rechtsprüfung und damit eine EuGH-Vorlage möglich sein (ausführlich §  2 B. II. 1. und III.). Der klassische Prozessablauf nach der ZPO genügt diesen Voraussetzungen, wenn der Richter von seinen Prozessleitungs- und Hinweispflichten unionsrechtskonform Gebrauch macht. Ausschlussfristen und Präklusionsregelungen sind allgemein zulässig (1.). Sie müssen verhältnismäßig sein, d. h. ein Gericht muss einmal eine Rechtsprüfung durchführen können und Beginn und Dauer von Fristen müssen verhältnismäßig sein, was insbesondere zumutbare Kenntnis von Fristbeginn und Folge des Ablaufs voraussetzt und dass gewisse Mindestzeiten nicht unterschritten werden (2., 3.). Der folgende Abschnitt zeigt, dass die deutschen Regelungen, die den Eintritt der Rechtskraft regeln, unionsrechtskonform sind (4.). Doch die Möglichkeit, eine Zuständigkeit durch rügelose Einlassung gem. §  39 S.  1 ZPO zu begründen, ist nur zulässig, wenn das Gericht über §§  39 S.  2, 504 ZPO hinaus durch einen Hinweis sicherstellt, dass der Verbraucher weiß, dass die Zuständigkeit erst durch die rügelose Einlassung begründet wird (5.).

Rn.  4.41; Prechal, CMLR 35, 1998, 681, 693 f.; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 122 f., 128 f. 43  Z. B. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 15; Musielak, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, Einleitung, Rn.  37 ff. 44  Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 270 f.; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 36 f.; auch zu hier nicht vertieften Besonderheiten ausländischen Rechts: Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  321–329; Schebesta, ERPL 2010, 847, 848 f.; M. Stürner, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 1071, 1077–1090; R. Stürner, in: Lorenz u. a. (Hg.), FS Heldrich, 2005, 1061, 1067–1070; ders., ZZP 123, 2010, 147, 149–152; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 115; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 385 f.

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§  3 Urteil

1. Zulässigkeit von Ausschlussfristen als Grundsatz Wie konkret die in jedem Rechtssystem auftretende Spannung zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit zu lösen ist, überlässt der EuGH der nationalen Verfahrensautonomie.45 Soweit das EU-Recht keine vorrangigen Ausschlussfristen festlegt (etwa Art.  5 VerbrGK-RL; Art.  10 Abs.  1 VerbrR-RL), sind Fristen, nach deren Ablauf die Rechte aus dem EU-Recht nicht oder nicht umfänglich geltend gemacht werden können, zulässig.46 Diese Wirkung kann auch prozessual erzielt werden, indem bestimmte Rechtsbehelfe nur innerhalb einer bestimmten Verfahrensfrist zulässig oder bestimmte Einwendungen nach Ablauf einer Frist präkludiert sind.47 Ebenso kann der Zeitraum, um Tatsachen vorzubringen, gem. §  269 ZPO begrenzt sein.48 Derartige Regelungen dürfen in Verfahren vorgesehen werden, in denen eine Seite gegenüber der anderen materiellrechtlich als strukturell unterlegen eingestuft wird. Nicht nur in B2C-Streitigkeiten, sondern auch in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten erkennt der EuGH materiellrechtliche und prozessuale Ausschluss- und Klagefristen als zulässig an.49 Voraussetzung ist, dass ein berechtigtes Interesse an der Fristsetzung besteht. Im Arbeitsrecht sind Klage- und Ausschlussfristen – vorbehaltlich des Äquivalenzprinzips50 – zulässig, wenn beim Arbeitgeber ein besonderes Interesse besteht, zu wissen, ob ein Arbeitsvertrag angegriffen werden kann51 oder ob er Unterlagen von Einstellungsgesprächen weitere Zeit aufbewahren muss.52 An Fristen, die das Verfahren strukturieren, besteht ein allgemeines Interesse: Sie sorgen für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden bei allen Beteiligten.53 Die vom Verfahren Betroffenen sollen sicher wissen, wann und in welchem Umfang bestimmte Verfahren (noch) geführt werden können.54 Weiterhin sollen sie er45  EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  38; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 40 f. 46  EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  48; Recheio – Cash & Carry, C-30/02, ECLI:EU:C:2004:373 Rn.  18; i-21 Germany, C-392/04, ECLI:EU:C:2006:586 Rn.  51; Kühne & Heitz, C-453/00, ECLI:EU:C:2004:17 Rn.  24; Grundig Italiana, C-255/00, ECLI:EU:C: 2002: 525 Rn.  34; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  10; Leczykiewicz, ERCL 8, 2012, 47, 51. 47  Krönke, Verfahrensautonomie, 2013, 245 f. 48  Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 487 f. 49  EuGH, Bulicke, C-246/09, ECLI:EU:C:2010:418 Rn.  38 f., 41; Pontin, C-63/08, ECLI: EU:C:2009:666 Rn.  60, 62–66; Preston, C-78/98, ECLI:EU:C:2000:247 Rn.  35; dazu Bertelsmann, NZA 2016, 855–862, 856 f. 50  Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 41. 51  EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  60, 62–66; Preston, C-78/98, ECLI: EU:C:2000:247 Rn.  35. 52  EuGH, Bulicke, C-246/09, ECLI:EU:C:2010:418 Rn.  38 f., 41. 53  Zur Bedeutung der Rechtssicherheit vgl. auch EuGH, Winner Wetten, C-409/06, ECLI: EU:C:2010:503 Rn.  66; Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, 243–247; auch zu Art.  6 EMRK oder Art.  47 EU-Grundrechte-Charta N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 65 f. 54  Z. B. EuGH, Edilizia Industriale Siderurgica (Edis), C-231/96, ECLI:EU:C:1998:401 Rn.  35.

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kennen können, wann sie nicht mehr mit Rechtsstreitigkeiten rechnen müssen.55 Ebenso ordnen und straffen Fristen das Verfahren und verringern Verzögerungen und sind damit für die Garantien effektiven Rechtsschutzes notwendig. In Deutschland wird das Interesse an zügigen Verfahrensabläufen durch den Beschleunigungsgrundsatz ausgedrückt.56 Der EuGH sieht damit Präklusionsregelungen bezogen auf das Verfahrensergebnis oder einzelne Verfahrensschritte als wesentliche Grundprinzipien des EU-Rechts und der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen an, sofern das Vertrauen der Parteien auf den Bestand des Ergebnisses schützenswert ist und die konkrete Ausgestaltung sowie die etwaige Fristdauer verhältnismäßig sind.57 Der Fristablauf kann dann dazu führen, dass ein Verstoß gegen EU-Recht nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden kann.58 2. Allgemeine Anforderungen an die Angemessenheit von Ausschlussfristen Ausschlussfristen, die dazu führen, dass ein Anspruch nach ihrem Ablauf nicht mehr geltend gemacht werden kann, stellen nur dann eine zulässige Beschränkung des EU-Verbrauchervertragsrechts dar, wenn sie verhältnismäßig sind.59 Das Ziel der Fristsetzung und ihre Ausgestaltung müssen angemessen sein im Verhältnis zum Rechtsschutz, der nach Fristablauf verringert bis ausgeschlossen ist. 60 Die Abwägung zwischen effektiver Wirkung der Norm und angestrebter Rechtssicherheit wird davon geprägt, inwieweit sich ein staatliches Ge55  Z. B. J. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 2014, 899 f.; Schachtschneider, VerwArch 63, 1972, 277, 306 f. 56 EuGH, BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.   36–38; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 123; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  223–227; Leczykiewicz, ERCL 8, 2012, 47, 56 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 33. 57  Z. B. EuGH, Rewe, 33/76, ECLI:EU:C:1976:188 Rn.  5; Comet, C-45/76, Slg. 1976, 2043, 2053; Palmisani ./. INPS, C-261/95, ECLI:EU:C:1997:351 Rn.  28; Preston, C-78/98, ECLI:EU:C: 2000:247 Rn.  33 f.; Kühne & Heitz, C-453/00, ECLI:EU:C:2004:17 Rn.  24; Kapferer ./. Schlank und Schick, C-234/04, ECLI:EU:C:2006:178 Rn.  20; Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C: 2008:78 Rn.  37; Fallimento Olimpiclub, C-2/08, ECLI:EU:C:2009:506 Rn.  22; BBVA, C-8/14, ECLI: EU:C:2015:731 Rn.  26; zum EuGVÜ Owusu, C-281/02, ECLI:EU:C:2005:120 Rn.  41; Biondi, CMLR 36, 1999, 1271, 1277; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  10; Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 217 f.; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 112–116, 118 f.; Kovar, in: Boev (Hg.), Mélanges Charpentier, 2009, 381, 387; Riesenhuber, System und Prinzipien, 2003, 269; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 35 f.; ausführlich auch zu Rückwirkungs- und Verschlechterungsverboten Gundel, EWS 2016, 2, 5. 58  EuGH, Manfredi, C-295/04, ECLI:EU:C:2006:461 Rn.  78–82; i-21 Germany, C-392/04, ECLI:EU:C:2006:586 Rn.  51; Gutiérrez Naranjo u. a., C-154/15, C-307/15 & C-308/15, ECLI: EU:C:2016:980 Rn.  69 ; M.A.S. und M.B., C-42/17, ECLI:EU:C:2017:936 Rn.  47; Heininger, C-481/99, ECLI:EU:C:2001:684 Rn.  46 f.; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 314. 59 EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.   60, 62–66; Bulicke, C-246/09, ECLI:EU:C:2010:418 Rn.  38 f., 41. 60  EuGH, Aqua Med, C-266/18, ECLI:EU:C:2019:282 Rn.  53; Germelmann, Rechtskraft

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§  3 Urteil

richt bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit der Rechtslage auseinandersetzen konnte. 61 Das Recht auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren darf nicht vollends ausgeschlossen werden, d. h. es muss dem Betroffenen in zumutbarer Weise möglich sein, seine Rechte in einem Verfahren geltend zu machen, das den Anforderungen von Art.  6 EMRK und Art.  47 EU-Grundrechte-Charta, insbesondere rechtlichem Gehör und dem Fairness-Prinzip entspricht. 62 Darüber hinaus darf eine Frist nicht verhindern, dass zumindest einmal ein Gericht in der Lage ist, das EU-Verbrauchervertragsrecht zu prüfen und somit den EuGH zur Auslegung anrufen kann. 63 Eine solche nationale Ausschlussfrist wäre stets unverhältnismäßig und die entsprechende Regelung, sollte keine unionskonforme Auslegung möglich sein, aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts nicht anzuwenden (dazu bereits §  2 II. 1.). Ein Richter muss sich aufgrund der besonderen Bedeutung, die dem Verbrauchervertragsrecht bei der Verwirklichung des Binnenmarkts zukommt, mit den Rechtsfragen beschäftigen können. Zugleich dürfen Fristen, die das EU-Recht selbst vorsieht, etwa gem. Art.  5 VerbrGK-RL und Art.  10 Abs.  1 VerbrR-RL, nicht umgangen werden. Dabei folgt aus dem Ausgeführten nicht, dass die Mitgliedstaaten keine Verjährungsregelungen einführen dürfen, die auch Unionsrecht betreffen. 64 Sie dürfen nur keine speziellen Verjährungsregelungen oder Ausschlussfristen für die Prüfung von EU-Verbrauchervertragsrecht einführen, die zugleich vorrangige unionsrechtliche Fristen umgehen. Verjährt ein vertraglicher Anspruch nach nationalem Recht und stellt sich die Vorfrage, ob ein per vorformulierter Klausel vereinbarter Anspruchsausschluss der Klausel-RL widerspricht, darf das nationale Recht keine spezielle Ausschlussfrist für die Prüfung der Klausel-RL vorsehen. Der Unternehmer bräuchte nur den Fristablauf abzuwarten und könnte sich dann auf die unionsrechtswidrigen AGB berufen. 65 Das Gleiche gilt für das nur nach nationalem, nicht aber nach EU-Recht vorgesehene Erlöschen des Widerrufsrechts nach einem Jahr ab Vertragsschluss.66 Der in der Hauptsache relevante Anspruch, soweit er sich nach nationalem Recht richtet, verjährt aber entsprechend nach nationalem Recht, solange hierdurch nicht zugleich die Widerrufsfrist abgeschnitten wird. Eine Verjährung eines vertraglichen Anspruchs nach weniger als einem Jahr wäre daher ausgeschlossen. in der Europäischen Union, 2009, 263 f., 272 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 362. 61  EuGH, Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  17. 62  Z. B. EuGH, Coote ./. Granada Hospitality, C-185/97, ECLI:EU:C:1998:424 Rn.  19–27; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 123; Gundel, EWS 2016, 2, 4; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  7. 63 Ähnlich Cahn, ZEuP 1998, 973, 980; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 33. 64  Z. B. EuGH, Heininger, C-481/99, ECLI:EU:C:2001:684 Rn.  46 f. 65  EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  36. 66  EuGH, Heininger, C-481/99, ECLI:EU:C:2001:684 Rn.  46 f.

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3. Spezielle Anforderungen an die Fristausgestaltung und -dauer Bestand die gerichtliche Möglichkeit, EU-Verbrauchervertragsrecht zu prüfen, hängt die Angemessenheit der Fristregelung von den Umständen des einzelnen Verfahrens ab. 67 Bei der Angemessenheitsprüfung wird das nationale Recht vom unionsrechtlichen Verständnis der autonomen Parteientscheidung überlagert: Das nationale Verfahrensrecht darf dem Verbraucher die Entscheidung überlassen, durch Fristablauf Rechte zu verlieren. Doch muss das nationale Gericht sicherstellen, dass eine wirksame Verbraucherentscheidung i. S. d. EURechts vorliegt (oben §  2 B. III.). Somit muss das Gericht aufgrund der unterstellten strukturellen Ungleichheit zwischen Verbraucher und Unternehmer ­sicherstellen, dass der Verbraucher weiß, was Folgen seines Handelns oder Nichthandelns sind. Das Gericht muss sich daher vergewissern, dass er eine Frist nicht aus Unkenntnis ablaufen lässt. 68 Nur dann ist die Frist angemessen. Hieraus folgen zwei Elemente der Angemessenheitsprüfung: die Modalitäten, mit denen eine Frist zu laufen beginnt und ihre Dauer. 69 Der Fristablauf darf nur beginnen, wenn der Verbraucher ausreichende Kenntnis vom Fristbeginn hat (a), d. h. ihm diese und die Folgen des Ablaufs in angemessener Form mitgeteilt wurden. Die Mitteilung muss darüber hinaus verständlich sein (b). Zudem muss die Frist angemessen im Verhältnis zum Ausschluss sein, den ihr Ablauf verursacht, und dem Aufwand, den ein Tätigwerden erfordert (c). Die deutschen Fristen im Gerichtsverfahren genügen diesen Anforderungen (zu den Besonderheiten der Rechtskraft und der rügelosen Einlassung sofort, 4., und 5.). a) Fristbeginn und Kenntnis des Verbrauchers Die Frist darf erst zu laufen beginnen, wenn der Betroffene die Möglichkeit der Kenntnisnahme davon hatte, dass sie existiert, wann sie zu laufen beginnt und was aus ihrem Ablauf folgt.70 Vom Verbraucher ist weniger umfänglich zu erwarten als vom professionell Handelnden, dass er über die Rechtslage informiert ist. Von ihm kann daher weniger schnelles und eigeninitiatives Handeln erwartet werden als von professionell Handelnden.71 Er muss trotzdem seine 67  EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  48; Sopropé, C-349/07, ECLI:EU:C: 2008:746 Rn.  40; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 366. 68  Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 33; krit. Röthemeyer, in: Roder u. a. (Hg.), VSBG, 2017, Rn.  74. 69  EuGH, BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.  27; vgl. etwa auch EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  50, 54–60. 70  EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  45; Océano Grupo, C-240/98­C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  26; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  32; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  28 f.; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C: 2009:350 Rn.  27–32; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  54; ­ önig, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 195; Schebesta, ERPL 2010, 847, 851. K 71  EuGH, Sopropé, C-349/07, ECLI:EU:C:2008:746 Rn.  41.

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§  3 Urteil

Rechte auf zumutbare Weise geltend machen können. Deshalb ist etwa eine Frist, die mit einem Ereignis zu laufen beginnt, welches ohne Kenntnis des Adressaten eintritt, gegenüber typischerweise rechtsunerfahrenen Parteien nicht zulässig.72 Kenntnis ist also enger zu verstehen als bei Unternehmern, bei denen ein Kennenmüssen ausreichen kann, wobei der EuGH nicht danach unterscheidet, ob der Verbraucher als Person Kenntnis erlangte oder sein Prozessvertreter für ihn. Regelungen zum Umfang und zu Folgen der Prozessvollmacht, also insbesondere §§  81, 85 ZPO, nach denen Kenntnis durch den Prozessbevollmächtigten ausreicht und Verschulden desselben auch dem Verbraucher zugerechnet werden kann, bleiben als Teil der Verfahrensautonomie vom EU-Recht unberührt.73 Hierbei ist zu trennen: Die Entscheidung eines anwaltlich vertretenen Verbrauchers darf nicht privilegiert werden, sondern das Gericht muss weiterhin die Kenntnis des Erklärenden sicherstellen (§  2 B. III.). Doch darf das nationale Prozessrecht vorsehen, dass die Kenntnis seines Prozessvertreters ausreicht. Mangelt es an dieser Kenntnis, muss die Möglichkeit bestehen, eine Fristverlängerung oder Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu erhalten, damit ein unverschuldeter Fristablauf nicht zum Rechtsverlust führt.74 Hingegen reicht die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu beantragen, in Fällen von Machtasymmetrien nicht aus, um eine Frist, die kenntnis­ unabhängig zu laufen beginnt, zu einer verhältnismäßigen zu machen. Denn das Wiedereinsetzungsverfahren erfordert, dass die betroffene (schwächere) Partei ihre Rechte kennt und aus Eigeninitiative tätig wird. Dies ist aber gerade aus Sicht des EU-Rechts bei Verbrauchern – unabhängig von der anwaltlichen Vertretung – nicht der Fall.75 Das deutsche Recht genügt diesen Anforderungen, solange das Gericht durch schriftliche Mitteilungen die Verfahrensfristen kommuniziert. Insbesondere reicht auch die Zustellung aus, durch die bei Urteilen regelmäßig die Frist bis Eintritt der Rechtskraft zu laufen beginnt, um Kenntnis des Verbrauchers sicherzustellen (§§  705, 517, 548 ZPO). Da Berufung und Revision als Notfristen (§§  517, 548 ZPO) ausgestaltet sind, ist auch Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. §  233 ZPO möglich, sodass auch hier keine Konflikte mit dem EU-Recht bestehen. Auch Fristen gem. §§  273 Abs.  2 Nr.  1, 275, 282 ZPO, die Zurückweisung von tatsächlichem Vorbringen gem. §  296 ZPO erlauben, genügen den Anforderungen, da sie gem. §  329 Abs.  2 S.  2 ZPO erst durch zuzustel72 EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.   60, 62–66; Bulicke, C-246/09, ECLI:EU:C:2010:418 Rn.  38 f., 41 (z. B. nicht: Aufgeben bei der Post statt Zugang). 73 Vgl. etwa EuGH, Camarotto & Vignone, C-52/99; C-53/99, ECLI:EU:C:2001:112 Rn.  13; EuG, Rogesa Roheisengesellschaft Saar, T-475/17, ECLI:EU:T:2017:919 Rn.  23; siehe auch EuGH, Espace Trianon & Sofibail, C-129/04, ECLI:EU:C:2005:521 Rn.  21 f., 26. 74  EuGH, Levez ./. Jennings Ltd., C-326/96, ECLI:EU:C:1998:577 Rn.  32; Leczykiewicz, ERCL 8, 2012, 47, 57 f.; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 314. 75  EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  60, 62–66.

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lende Mitteilung des Gerichts zu laufen beginnen.76 Der Verbraucher ist damit inhaltlich informiert und auch durch die äußere Form der Mitteilung ausreichend gewarnt. b) Inhaltliche Anforderungen an die Mitteilung Für den Betroffenen muss erkennbar sein, ob die Voraussetzungen einer erfolgreichen Klage oder eines erfolgreichen Rechtsbehelfs vorliegen, bevor der Rechtsbehelf präkludiert ist.77 Die Voraussetzungen für einen Rechtsbehelf dürfen daher nicht so aufwändig oder kompliziert zu erfüllen sein, dass der typische Verbraucher nicht versteht, wie er einzulegen ist.78 Läuft die Frist ab dem Zeitpunkt einer Mitteilung, muss letztere bestimmte inhaltliche Anforderungen erfüllen. Der Verbraucher muss vor Ablauf die Möglichkeit haben, von ihrem Beginn und ihrer Bedeutung zu wissen.79 Dabei muss er den Inhalt der Mitteilung verstehen können. Bei Verbrauchern ist daher etwa eine persönlich adressierte und verfasste Mitteilung zulässig, die über das Rechtsmittel, Beginn der Frist und Folgen ihres Ablaufs informiert. 80 Diese Mitteilung muss sich auf den konkreten Rechtsbehelf oder die konkrete Frist beziehen, allgemeine Ausführungen reichen nicht. Ändert sich die Rechtslage, etwa weil ein weiterer Rechtsbehelf eingeführt wurde oder die Fristdauer sich geändert hat, muss der Verbraucher auf die gleiche Weise über die Änderungen aufgeklärt werden, wie er das erste Mal informiert wurde. 81 Fristen gem. §§  273 Abs.  2 Nr.  1, 275 f., 282 ZPO genügen den Anforderungen, da sie eine formale Information durch das Gericht, welche Angaben in welcher Frist zu machen sind, 82 erfordern. Auch hat das Gericht gem. §  296 ZPO Ermessen, nachträgliches Vorbringen noch zu berücksichtigen. Schließlich kann die säumige Partei ihr verspätetes Vorbringen ausreichend entschuldigen (§  296 Abs.  1–3, jw. a. E. ZPO). Dies genügt den Anforderungen des EU-Rechts.

76  Z. B. Musielak, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  329, Rn.  15; auch Prütting, in: ebd., §  273, Rn.  28 mit Fn.  94. 77 EuGH, Palmisani  ./. INPS, C-261/95, ECLI:EU:C:1997:351 Rn.   29; ähnlich EuGH, ­Rosado Santana, C-177/10, ECLI:EU:C:2011:557 Rn.  97–99; Biondi, CMLR 36, 1999, 1271, 1278; Rodriguez Iglesias, EuGRZ 1997, 289, 292. 78  EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  2 2, oder Rechts­ anwaltskosten höher als Streitwert, Rn.  26; Kas/Micklitz, EWS 2018, 181, 199. 79 EuGH, BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.   27; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 314. 80  EuGH, BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.  36–38. 81  EuGH, BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.  36–38 (zur an den Unternehmer delegierten Mitteilungspflicht). 82  Dazu etwa OLG Köln, NJW 1974, 1003, 1003; OLG München, MDR 1978, 147, 147; OLG Frankfurt, MDR 1979, 764, 764; NJW 1991, 2090, 2090; Prütting, in: MünchKomm-­ ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  273, Rn.  16; einschränkend OLG München, MDR 1978, 147, 147.

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§  3 Urteil

c) Anforderungen an die Dauer der Frist Ausschlussfristen, auch solche bis zum Eintritt der Rechtskraft, sind schließlich nur zulässig, wenn ihre Dauer angemessen ist. 83 Auch diese Angemessenheit hängt von den konkreten Umständen der Verfahrensausgestaltung ab.84 Abwägungsgesichtspunkt ist zum einen, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der Rechtsdurchsetzung besteht oder ein besonderes Interesse der Betroffenen oder des Mitgliedstaats an einer baldigen klaren Rechtslage. Ein solches Interesse kann erfordern, dass die Frist länger oder kürzer ist als bei anders gewichteten Interessenkollisionen.85 Die Frist muss dem Betroffenen zum anderen Zeit geben, um zu verstehen, was der Fristablauf bedeutet und zu überlegen, ob er die Frist verstreichen lässt oder seine Rechte geltend macht. 86 Anschließend muss ausreichend Zeit bleiben, um den wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzureichen. 87 Von professionellen Wirtschaftsteilnehmern ist eine schnellere Reaktion zu erwarten als von Verbrauchern.88 Verfahrensfristen in laufenden Verfahren, etwa gem. §§  273 Abs.  2 Nr.  1, 275, 282 ZPO, sind anders zu bewerten als Fristen, die nach Abschluss oder vor Beginn des Verfahrens laufen: Der Verbraucher ist bereits gewarnt, in den Fall eingeführt und ihm ist die Bedeutung des Fristablaufs bewusst. Auch besteht ein Interesse der Mitgliedstaaten an Verfahrensstraffung. Die Überlegungsfrist für verfahrensgestaltende Ausschlussfristen, die weder den Beginn des Verfahrens noch seine Endgültigkeit betreffen, kann daher kürzer sein als jene, die 83 EuGH, Kapferer  ./. Schlank und Schick, C-234/04, ECLI:EU:C:2006:178 Rn.  20–23; Köbler, C-224/01, ECLI:EU:C:2003:513 Rn.  38; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.   45  f.; Fallimento Olimpiclub, C-2/08, ECLI:EU:C:2009:506 Rn.   23–33; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.   39–44; Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  16; allgemein zu Ausschlussfristen: Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  58; Rewe, 33/76, ECLI:EU:C:1976:188 Rn.  5; Heinze, in: Basedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337–341, 341; K. Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, 59 f.; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 65 f.; Rott, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 194 f.; Whittaker, ebd., 89, 123 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 168. 84  EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  48; Sopropé, C-349/07, ECLI:EU:C: 2008:746 Rn.  40. 85 EuGH, i-21 Germany, C-392/04, ECLI:EU:C:2006:586 Rn.   59; Sopropé, C-349/07, ECLI:EU:C:2008:746 Rn.  40; Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.  48; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  48 f.; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  31; Sopropé, C-349/07, ECLI:EU:C:2008:746 Rn.  40; Rosado Santana, C-177/10, ECLI: EU:C:2011:557 Rn.  93; ähnlich auch schon EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  35; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 34; zum Interesse öffentlicher Vergabeverfahren an kurzen Rechtsbehelfsfristen: EuGH, Universale-Bau u. a., C-470/99, ECLI: EU:C:2002:746 Rn.  77. 86  EuGH, Comet, C-45/76, Slg. 1976, 2043, 2053. 87 EuGH, BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.   28–31; Recheio – Cash & Carry, C-30/02, ECLI:EU:C:2004:373 Rn.  21; Samba Diouf, C-69/10, ECLI:EU:C:2011:524 Rn.  66 f. 88  EuGH, Sopropé, C-349/07, ECLI:EU:C:2008:746 Rn.  41.

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zum Eintritt der Rechtskraft führt. Die Fristlänge hängt davon ab, wie der Rest des Verfahrens ausgestaltet ist. Eine Frist von 30 Tagen zwischen der Anzeige der Verfahrenseinleitung und dem Abschluss eines Verwertungsverfahrens ist zulässig, um angemessene Gelegenheit zur Verteidigung zu geben, insbesondere, wenn im Anschluss drei Monate zur Erhebung eines Rechtsbehelfs möglich bleiben.89 Selbst eine Einspruchsfrist von zehn Tagen im laufenden Vollstreckungsverfahren kann angemessen sein, wenn vorher ein Verfahren stattgefunden hat und keine komplexen rechtlichen Überlegungen notwendig werden.90 Fristen, die das Gericht etwa nach §  271 Abs.  2 Nr.  1 ZPO anordnen kann, müssen sich also in diesem Rahmen bewegen. Es lässt sich nicht eindeutig feststellen, wie eine solche Fristsetzung in der Regel aussieht, da die Fristlänge im Ermessen des Gerichts steht und keine Statistiken existieren. Aber §  274 Abs.  3 ZPO setzt für Schriftsätze ab Ladung mindestens zwei Wochen und §  132 Abs.  1 ZPO für neues Vorbringen mindestens eine Woche ab Zustellung an. Es ist davon auszugehen, dass Fristsetzungen in den anderen Normen regelmäßig ähnliche Zeiträume verwenden und im Zweifel noch darüber hinausgehen. Mit dem EU-Recht sind solche Fristen vereinbar. 4. Sonderfall Rechtskraft als zentraler Bestandteil des Prozessrechts Für den Eintritt der Rechtskraft ist eine Frist von einem Monat, wie das deutsche Recht es regelmäßig vorsieht (§§  705, 517, 548 ZPO), verhältnismäßig. Spätestens seit der Pflicht zur gerichtlichen Rechtsbehelfsbelehrung genügt das deutsche Recht den Anforderungen an die Information des Beteiligten. a) Bedeutung der Rechtskraft Die Rechtskraft nimmt bei der staatlichen Garantie von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit aus Sicht des EuGH eine besonders herausragende Stellung ein.91 Sie gewährleistet die Beständigkeit rechtlicher Beziehungen und eine geordnete Rechtspflege dadurch, dass gerichtliche Entscheidungen nach Ausschöpfung des Rechtswegs und nach Ablauf von Rechtsmittelfristen unangreifbar werden (formale Rechtskraft). Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien sind endgültig geklärt und können in Folgeprozessen nicht infrage gestellt werden (materielle Rechtskraft).92 Durch diese Beständigkeit ist die Rechtskraft 89 

EuGH, Kušionová, C-34/13, ECLI:EU:C:2014:2189 Rn.  56 f. EuGH, BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.  36–38. 91  Z. B. EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  36; Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  46; Fallimento Olimpiclub, C-2/08, ECLI:EU:C:2009:506 Rn.  22; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 172; Heinze, EuR 2008, 654, 664 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  10; Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 77 f.; S. Wagner, ZEuS 2014, 211, 211 f. 92  Z. B. EuGH, Kapferer ./. Schlank und Schick, C-234/04, ECLI:EU:C:2006:178 Rn.  20; Köbler, C-224/01, ECLI:EU:C:2003:513 Rn.  38; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  36; Urteil, Kommission ./. Slowakei, ECLI:EU:C:2010:802 Rn.  59; Heinze, EuR 2008, 90 

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§  3 Urteil

wichtiger Teil des Rechtsstaats, enthält ein Gerechtigkeitselement und ist für eine verlässliche Rechtsfortbildung wesentlich.93 Aufgrund dieser herausragenden Bedeutung und des Interesses an ihrem Bestand überwiegen Regelungen zur Rechtskraft in der gerade beschriebenen Abwägung zu Ausschlussfristen regelmäßig.94 Dies gilt selbst dann, wenn durch eine Rechtskraftdurchbrechung ein Verstoß gegen das Unionsrecht beseitigt werden könnte.95 Um Rechtsfrieden herzustellen, ist es notwendig, dass auch eine möglicherweise rechtswidrige Situation ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr von einem Gericht oder einer sonstigen staatlichen Stelle überprüft werden kann.96 Der EuGH respektiert die materielle Rechtskraft ebenso wie die formelle: Weitere Verfahren in derselben Sache können ausgeschlossen sein. Zum Beispiel muss kein Wiederaufnahmeverfahren wegen später erst festgestellten Verstoßes gegen EU-Recht möglich sein.97 Ebenfalls ist ein späteres Gericht bei nicht offensichtlichen Verstößen im Rahmen der nationalen Grundsätze der Rechtskraft an die Vorentscheidung gebunden,98 solange diese nicht weitere, gerichtlich nicht geprüfte Streitgegenstände erfasst und präkludiert (dazu bereits oben beim Streitgegenstand, I. 2.).99 b) Rechtsmissbrauch und Kollusion als Ausnahmegründe für eine Rechtskraftdurchbrechung bei Urteilen Eine Rechtskraftdurchbrechung verlangte der EuGH bisher nur ausnahmsweise und in Fällen unionsrechtswidrig ausgezahlter Beihilfen.100 Diese Sonderbe654, 664 f.; Krönke, Verfahrensautonomie, 2013, 242–245; S. Wagner, ZEuS 2014, 211, 211 f., 222 f.; Schebesta, ERPL 2010, 847, 862; zum deutschen Recht etwa J. Braun, Lehrbuch des ­Zivilprozeßrechts, 2014, 896 f.; Prütting/Weth, Rechtskraftdurchbrechung bei unrichtigen Titeln, 2.  Aufl., 1994, Rn.  80–84; vgl. auch zur Rechtskraft jüngst: Gaul, JZ 2018, 1013, 1016 f. 93  GA Ruiz-Jarabo Colomer, AssiDomän Kraft Products u. a., C-310/97 P, ECLI:EU:C: 1999: 407 Rn.  57; z. B. J. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 2014, 898–900; Schacht­ schneider, VerwArch 63, 1972, 277, 306 (jw. zum deutschen Recht). 94  Z. B. EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  36; Eco Swiss, C-126/97, ECLI: EU:C:1999:269 Rn.  46; Banco Primus, C-421/14, ECLI:EU:C:2017:60 Rn.  49; ähnlich zur Bestandskraft von Verwaltungsakten: i-21 Germany, C-392/04, ECLI:EU:C:2006:586 Rn.  51; ausführlich auch Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 172; Heinze, EuR 2008, 654, 664 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  10; S. Wagner, ZEuS 2014, 211, 211 f. 95 EuGH, Fallimento Olimpiclub, C-2/08, ECLI:EU:C:2009:506 Rn.   23; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  36 f.; Târșia, C-69/14, ECLI:EU:C:2015:662 Rn.  48; Gutiérrez Naranjo u. a., C-154/15, C-307/15 & C-308/15, ECLI:EU:C:2016:980 Rn.  68; Heinze, EuR 2008, 654, 664 f.; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 349; S. Wagner, ZEuS 2014, 211, 211 f.; Voß, Durchbrechung der Rechtskraft, 2019, 71. 96  Habscheid, ZZP 81, 1968, 175, 186–192. 97  EuGH, Târșia, C-69/14, ECLI:EU:C:2015:662 Rn.  37 f. 98  S. Wagner, ZEuS 2014, 211, 227. 99  EuGH, Banco Primus, C-421/14, ECLI:EU:C:2017:60 Rn.  51 f. 100  EuGH, Lucchini, C-119/05, ECLI:EU:C:2007:434 Rn.  55 f.; Alcan, C-24/95, ECLI:EU:C: 1997:163 Rn.  38; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 198; Voß, Durch­ brechung der Rechtskraft, 2019, 77; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 35 f.

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handlung erklärt sich zum einen durch das besondere Interesse der Union an der Verhinderung solcher Beihilfen und zum anderen durch die involvierten Beteiligten.101 Subventionsfälle bewegen sich im Verhältnis zwischen Staat und Subventionsempfänger auf der einen und der EU auf der anderen Seite. Staat und Subventionsempfänger können zusammenwirken und durch unzureichende EU-Rechtsumsetzung, Fristablauf und sonstige Untätigkeit Rechtskraft zulasten der EU eintreten lassen, ohne dass die EU eingreifen kann. Hinter den EuGH-Entscheidungen zu unionsrechtswidrigen Beihilfen steht daher der Gedanke, dass die Rechtskraft denjenigen zugute kommt, die dieselbe herbeiführen, um das EU-Recht zu umgehen. Sowohl der Staat als auch der Subventionsempfänger sind dann aus Sicht des EU-Rechts nicht schutzwürdig und zugleich die einzigen, die von der Rechtskraft (oder auch Bestandskraft bei Verwaltungsakten) profitieren.102 Etwas anderes gilt im Verbraucher-Unternehmer-Verhältnis, da hier die Rechtskraft den Unternehmer schützt, also eine weitere Privatperson, deren Rechte die Union wahren muss und deren Vertrauen auf eine endgültige Rechtslage schützenswert ist. Im Verbraucherrecht ist daher eine Rechtskraftdurchbrechung nur bei Kollusion oder Betrug zulässig, etwa durch Gericht und Unternehmer zulasten des Verbrauchers.103 Dass in solchen Fällen eine Rechtskraftdurchbrechung möglich sein könnte, wird durch eine EuGH-Entscheidung im Verbraucherrecht angedeutet: In dieser musste ausnahmsweise die materielle Rechtskraft eingeschränkt werden, da die Erstentscheidung offensichtlich unionsrechtswidrig war und daher ein missbräuchliches Verhalten des Erstgerichts im Raum stand. Eine solche Offensichtlichkeit liegt nur bei eindeutig entgegenstehender EuGH-Entscheidung oder unzweifelhaftem Wortlaut der Richtlinie vor.104 Ausnahmsweise darf das Folgegericht dann die Regelungen zur Rechtskraft nicht anwenden, welche die Erstentscheidung im Folgeprozess für verbindlich erklären.105 Dass Fälle des Rechtsmissbrauchs eine Sonderstellung einnehmen, zeigt sich auch an der Parallele zur Staatshaftung wegen judikativen Verhaltens. Auch hier nimmt der EuGH eine Haftung nur bei offensichtlicher Unionsrechtswidrigkeit im Zeitpunkt der Entscheidung an.106 In allen übrigen 101  Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 198; auch zur Unterscheidung zur Bestandskraft von Verwaltungsakten S. Wagner, ZEuS 2014, 211, 222 f., 224 f. 102 EuGH, Levez  ./. Jennings Ltd., C-326/96, ECLI:EU:C:1998:577 Rn.   29; Rodriguez ­Iglesias, EuGRZ 1997, 289, 295; Voß, Durchbrechung der Rechtskraft, 2019, 77, 91; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 34. 103  Vgl. etwa Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  15; Voß, Durchbrechung der Rechtskraft, 2019, 99 f.; S. Wagner, ZEuS 2014, 211, 231–233. 104  Vgl. dazu EuGH, Tomášová, C-168/15, ECLI:EU:C:2016:602 Rn.  24, 26; Voß, Durchbrechung der Rechtskraft, 2019, 77, 99 f. 105  EuGH, Gutiérrez Naranjo u. a., C-154/15, C-307/15 & C-308/15, ECLI:EU:C:2016:980 Rn.  71, 74; vgl. K. Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, 50 f. 106 Dazu im Verbraucherrechtskontext etwa EuGH, Tomášová, C-168/15, ECLI:EU:C:

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§  3 Urteil

Fällen, d. h. wenn kein Anlass besteht, von einer Kollusion oder einem sonstigen Tatbestand des Rechtsmissbrauchs auszugehen, bleibt die Rechtskraft der richterlichen Entscheidung grundsätzlich unangetastet.107 c) Nichtgerichtliche Titel als Sonderfälle In den wenigen Fällen, in denen der EuGH die Rechtskraft einer Entscheidung im B2C-Verhältnis angegriffen hat, ging es um Titel, die nicht durch richterliche Entscheidung zustande kamen, etwa im Mahn- oder Schiedsverfahren.108 Der EuGH griff hier auf das Äquivalenzprinzip in Kombination mit dem Effektivitätsprinzip zurück, d. h. er verlangte nur eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts.109 Nationale Gerichte mussten rechtskräftige, unionsrechtswidrige Titel aufheben, wenn die Aufhebung im Rahmen einer nationalen Prüfungsmöglichkeit zulässig war. Aus dem Effektivitätsgrundsatz folgte die Pflicht, die nationale Regelung so auszulegen, dass eine Aufhebung erfolgte.110 Etwa musste das EU-Verbrauchervertragsrecht – ebenso wie das Wettbewerbsrecht – gleich behandelt werden wie das höchstrangige nationale zwingende Recht oder wie nationale Regelungen, die Teil des ordre public sind.111 Da in diesen Fällen auch das nationale Recht die Rechtskraft des Titels nicht als endgültig ansah, handelte es sich nicht um eine Rechtskraftdurchbrechung, sondern nur um eine Rechtsanwendung im Einklang mit den nationalen Instrumenten. Die besondere Wertigkeit des Verbrauchervertragsrechts erfordert die binnenmarktweit einheitliche Rechtsanwendung. Entscheidet etwa ein Schiedsgericht und wird dieser Schiedsspruch rechtskräftig, ohne dass ein Gericht sich inhaltlich mit ihm beschäftigen kann, verlangt das Unionsrecht – zumindest im Verbrauchervertragsrecht –, dass in irgendeiner Weise die Möglichkeit besteht, die Entscheidung einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Das Gericht muss aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes prüfen können, ob das 2016:602 Rn.  24, 26; s. auch EuGH, Târșia, C-69/14, ECLI:EU:C:2015:662 Rn.  40; Gundel, EWS 2016, 2, 3; S. Wagner, ZEuS 2014, 211, 227. 107 Dazu EuGH, Gutiérrez Naranjo u. a., C-154/15, C-307/15 & C-308/15, ECLI:EU: C:2016: 980 Rn.  71, 74. 108 EuGH, Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.   63; Finan­ madrid, C-49/14, ECLI:EU:C:2016:98 Rn.  36, 52–54, 56 f. 109 EuGH, Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.   45 f.; Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857; kritisch Micklitz/N. Reich, EuZW 2013, 457, 458. 110  EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  40; vgl. auch EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  38 f.; Banco Primus, C-421/14, ECLI:EU:C:2017:60 Rn.  47; Leczykiewicz, ERCL 8, 2012, 47, 56. 111  EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  35; Asturcom, C-40/08, ECLI: EU:C:2009:615 Rn.  38, 52, 54; parallel zu damals Art.  81 EG (jetzt Art.  101 AEUV) Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  36; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 65 f.; Schebesta, ERPL 2010, 847, 851 f.; Schillig, European Law Review 33, 2008, 336, 349; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 120 f.

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Unionsrecht eingehalten wurde, und Auslegungsfragen dem EuGH vorlegen.112 Ähnliches gilt für Mahnverfahren: Ein Verfahren, dass ohne eine solche Vorlagemöglichkeit zur Rechtskraft führt, verstößt gegen das Unionsrecht und darf etwa auch vom Vollstreckungsgericht unbeachtet bleiben.113 Im Mahnverfahren ohne vorherige richterliche Kontrolle verlangt der EuGH daher eine gerichtliche Prüfung auch nach Eintritt der Rechtskraft.114 Aus dem gleichen Grund, nämlich um eine gerichtliche Prüfung zu ermöglichen, darf ein Gericht eine Behördenentscheidung, die aufgrund eines behördlichen Vorverfahrens eine Rechtsfrage entschieden hat, nicht als bindend betrachten, sondern muss die Rechtsfrage selbst erneut prüfen.115 Etwas anderes gilt aber in beiden Fällen, wenn zu einem früheren Zeitpunkt des Verfahrens ein staatliches Gericht prüfen konnte, ob das Unionsrecht eingehalten wurde.116 d) Kenntnis des Verbrauchers vom Beginn des Fristablaufs Wichtige Voraussetzung einer verhältnismäßigen Regelung ist, dass der Verbraucher Kenntnis von Beginn und Bedeutung des Fristablaufs haben muss (s. o., 3. a und b). Jedenfalls seit in §  232 S.  1 ZPO eine umfassende Rechtsbehelfsbelehrung für die nichtanwaltlich vertretene Partei vorgesehen ist, gibt es hier keine Konflikte zwischen den Anforderungen des EuGH und dem deutschen Prozessrecht. Bei der anwaltlich vertretenen Partei ist keine solche Belehrung erforderlich, da sichergestellt ist, dass der Rechtsanwalt Kenntnis von der Entscheidung erhält. Revision und Berufung als Rechtsmittel gegen Urteile sind derartig üblich, dass ein Rechtsanwalt nicht separat hierüber aufgeklärt werden muss und seine Kenntnis von dem Urteil auch Kenntnis über die Rechtsmittel impliziert.117

112 

EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  40. Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349; Finanmadrid, C-49/14, ECLI:EU:C:2016:98 Rn.  36, 52–54; Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  375 f.; vgl. auch EuGH, Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  17. 114  EuGH, Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  63; Finanmadrid, C-49/14, ECLI:EU:C:2016:98 Rn.  36, 52–54, 56 f. 115 EuGH, Finanmadrid, C-49/14, ECLI:EU:C:2016:98 Rn.   53  f.; vgl. Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  17–19; König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 201 f.; ähnlich Cahn, ZEuP 1998, 973, 980; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 33. 116  Ähnlich, wenn auch verbraucherschutzbezogen : Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  376; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 499. 117  Vgl. BR-Drs. 308/12, 15 f., 18; BT-Drs. 17/10490, 11, wonach daher die Belehrung nur in bestimmten Fällen notwendig ist. 113 EuGH,

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e) Zulässigkeit der Monatsfrist bis Eintritt der Rechtskraft Die Monatsfrist bis Eintritt der Rechtskraft, die das deutsche Recht vorsieht, erfüllt die Anforderungen des EU-Rechts. Zur Rechtskraft entschied der EuGH bisher nur zu längeren Fristen. Solche von 60 Tagen oder zwei Monaten sind verhältnismäßig,118 ebenso wie jene von drei Monaten bis zum Eintritt der Rechtskraft eines Schiedsspruchs.119 Mit Einmonatsfristen beschäftigte der EuGH sich bisher bei der Zulässigkeit von Rechtsbehelfen gegen Verfahrensergebnisse, die nicht in Rechtskraft erwachsen120 und zum Eintritt der Bestandskraft von Verwaltungsakten.121 In beiden Fällen sind Einmonatsfristen zulässig. Die Bestandskraft eines Verwaltungsakts zementiert die Rechtslage auf ähnlich endgültige Weise wie die Rechtskraft. Die Überlegungen bei den Beteiligten, ob gegen die Entscheidung vorgegangen werden muss, sind vergleichbar. Daher dürfte auch im Prozess eine Einmonatsfrist aus Sicht des EuGH zulässig sein, selbst wenn im Anschluss durch die Rechtskraft Folgeverfahren endgültig ausgeschlossen werden. Die Regelungen des deutschen Rechts, welche die Rechtskraft richterlicher Entscheidungen behandeln, sind damit unionsrechtskonform. 5. Sonderfall Präklusion durch rügelose Einlassung Gemäß §  39 S.  1 ZPO muss der Verbraucher die Unzuständigkeit eines angerufenen Gerichts rügen, bevor er in der Sache verhandelt hat, um zu verhindern, dass sonst die Zuständigkeit dieses Gerichts begründet wird. Diese Regelung beschränkt das Unionsrecht (a) in allen Verfahren, die nicht vor einem Amtsgericht stattfinden, welches gem. §§  39 S.  2, 504 ZPO die Unkenntnis des Verbrauchers kompensiert (b und c). Das Gericht muss über diese Normen hinaus durch Hinweis sicherstellen, dass der Verbraucher weiß, dass die Zuständigkeit erst durch die rügelose Einlassung begründet wird (d). a) Präklusion als Beschränkung des Unionsrechts Zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht kann durch rügelose Einlassung umgangen werden, wenn Verbraucher und Unternehmer eine AGB-rechtswidrige Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen haben und der Unternehmer im vorgeblich prorogierten Gerichtsstand vor einem LG oder OLG Klage erhebt. Eine solche Vereinbarung ist bereits nach §  38 Abs.  1 ZPO stets unwirksam. 118  EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  39–44; Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  16 (aus anderen Gründen unionsrechtswidrig); Santex, C-327/00, ECLI:EU:C:2003:109 Rn.  54; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 151. 119  EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  4 4; ebenso bei der Bestandskraft eines Verwaltungsakts: EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  54–60. 120  Z. B. EuGH, BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.  28–31. 121  EuGH, i-21 Germany, C-392/04, ECLI:EU:C:2006:586 Rn.  60.

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Darüber hinaus verstößt sie nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auch gegen die Klausel-RL, wenn sie „die ausschließliche Zuständigkeit dem Gericht zuweist, in dessen Bezirk der Gewerbetreibende seine Niederlassung hat.“122 Rügt der Verbraucher die Unzuständigkeit des Gerichts bzw. die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht, verhandelt aber zur Sache, so wird das Gericht gem. §  39 S.  1 ZPO zuständig. Damit kann es nicht prüfen, ob die Gerichtsstandsvereinbarung unionsrechtswidrig ist: Die Frage ist nicht entscheidungsrelevant. Dies beschränkt die effektive Wirkung des Unionsrechts, hier der Klausel-RL, unverhältnismäßig, jedenfalls solange das Gericht nicht sichergestellt hat, dass der Verbraucher die Zuständigkeit nicht bewusst durch rügelose Einlassung begründet hat.123 Allgemein ist eine solche Präklusionsvorschrift, welche der Prozessbeschleunigung dient und zugleich die Parteientscheidung respektiert,124 geeignet, eine Beschränkung des EU-Rechts zu rechtfertigen. Der Verbraucher kann daher eine Zuständigkeit begründen, die sich zugleich über eine unionsrechtswidrige Vereinbarung hinwegsetzt.125 Allerdings besteht im B2C-Verhältnis das Risiko, dass der Verbraucher sich aus Unkenntnis rügelos einlässt, etwa weil er die Gerichtsstandsvereinbarung für wirksam hält und ihr nur deswegen nachkommt.126 Rügt ein Großteil der Verbraucher die Unionsrechtswidrigkeit der Vereinbarung nicht, hat der Unternehmer keine Sanktion zu befürchten, sollte er Vereinbarungen weiter in seinen AGB unterbringen. Seine Anreize sinken, sich an die Regelungen des Verbraucherrechts zu halten.127 Die effektive 122  EuGH, VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  112; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  38; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI: EU:C:2000:346 Rn.  22–24. 123 EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.   26; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  32; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  25, 28–30; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  27–32; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.   54; Pohotovosť, C-470/12, ECLI:EU:C:2014:101 Rn.  39; Kásler & Káslerné Rábai, C-26/13, ECLI:EU:C:2014:282 Rn.  39; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283 Rn.  60–65; ähnlich EuGH, van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI:EU:C:2007:318 Rn.  40; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 159; Micklitz, in: Reich/ Micklitz (Hg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4.  Aufl., 2003, 491, 525 f.; ders., in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91. 124  Heinrich, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  39, Rn.  1; Bendtsen, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  39, Rn.  1; Patzina, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  39, Rn.  1; BT-Drs. 7/268, 7. 125  Vgl. z. B. EuGH, Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  30–35; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283 Rn.   71; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 338. 126 EuGH, Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.   31; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  25, 27, 30; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 38; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 386 f. 127  Z. B. allgemeiner EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  32; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  42; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI: EU:C: 2014:2099 Rn.  48 f.; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  27.

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§  3 Urteil

Durchsetzung des Verbraucherrechtsakts scheitert somit, wenn nicht auch das Verfahrensrecht der strukturellen Ungleichheit der Parteien begegnet, die im materiellen Recht von den Regeln zur AGB-Kontrolle beseitigt werden soll.128 Die im materiellen Recht unterstellte Informationsasymmetrie setzt sich im Verfahren fort. Zugleich führt die Zuständigkeitsbegründung dazu, dass eine EuGH-Vorlage bezogen auf die (gegebenenfalls) unwirksame Gerichtsstandsvereinbarung nicht möglich ist (s. o., §  2 B. II. 1.).129 Der EuGH verlangt daher, dass die nationalen Gerichte von Amts wegen verbraucherrechtswidrige Gerichtsstandsklauseln prüfen, die ihre Zuständigkeit erst begründen, sollte die Prüfung der Klausel zu einem späteren Zeitpunkt wegen rügeloser Einlassung präkludiert sein.130 b) Hinweispflicht gem. §§  39 S.  2, 504 ZPO als ausreichende Maßnahme Problematisch ist diese Konstellation nur im Fall der Zuständigkeitsbegründung vor einem Landgericht. Denn nach §  39 S.  2 ZPO muss ein Amtsgericht die Parteien gem. §  504 ZPO darüber belehren, dass es unzuständig ist, bevor es eine Parteihandlung als zuständigkeitsbegründende Einlassung werten darf. Aus Sicht des EuGH ist eine solche Information ausreichend: Das Gericht verlangt nur, dass eine dritte, von den Vertragsparteien unabhängige Seite wie etwa das nationale Gericht aktiv wird, um die Ungleichheit zwischen Verbraucher und Unternehmer zu kompensieren.131 Daher reicht es aus, dass ein Gericht den Verbraucher über die Unionsrechtswidrigkeit informiert und ihm dann die Entscheidung überlässt, ob er den Verstoß gegen das EU-Recht hinnimmt.132 128 

Ähnlich EuGH, VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  47–49. Dazu auch Nowak u. a., EU Procedural Law, 2014, Rn.  4.41; Prechal, CMLR 35, 1998, 681, 693 f.; vgl. auch EuGH, Rheinmühlen Düsseldorf-Holthausen, C-166/73, ECLI:EU:C: 1974:3 Rn.  5. 130 Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.   24, 32; vgl. zu der Entscheidung auch N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 36 f. 131  EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  27–29; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  35; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  26 f.; Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  65; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  23 f., 27–32; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  31 f., 53; Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  22; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU: C:2010:685 Rn.  40–42; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  46 f.; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  41 f.; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  47–56; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  41–43; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C: 2013:88 Rn.  27; Aziz, C-415/11, ECLI: EU:C:2013:164 Rn.  46; Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C: 2013:340 Rn.  26; Barclays, C-280/13, ECLI:EU:C:2014:279 Rn.  34; Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.  36; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014: 2099 Rn.  24, 51; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 159; Schebesta, ERPL 2010, 847, 850; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 166–168; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 337 f. 132  Vgl. z. B. EuGH, Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  30–35; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 129 

A. Kontradiktorisches Urteil

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Eine solche Information durch das Gericht befriedigt auch das Bedürfnis des EU-Rechts, dass eine EuGH-Vorlage zumindest einmal im Verfahren möglich ist.133 Hierzu ist notwendig, dass ein Gericht das Unionsrecht einmal prüfen kann. Der Ablauf der Prüfung selbst bleibt dem nationalen Recht überlassen.134 Um auf die Unionsrechtswidrigkeit hinweisen zu können, ist logisch erforderlich, dass das Gericht vorher untersucht, ob ein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt.135 Damit ist eine Rechtsprüfung erforderlich, die gerade nicht von einem Parteiantrag abhängen kann.136 Aus der Hinweispflicht folgt eine Rechtsprüfungspflicht, ohne dass damit eine Rechtsanwendungspflicht verbunden ist. Der Hinweis nach §§  39 S.  2, 504 ZPO ist daher geeignet, die effektive Wirkung auch einer unionsrechtswidrigen Gerichtsstandsvereinbarung zu gewährleisten, unabhängig davon, ob der Verbraucher die Zuständigkeit anschließend rügt. c) Rügelose Einlassung vor dem Landgericht als Beschränkung der effektiven Wirkung Problematisch ist aber der Fall der rügelosen Einlassung vor einem Landgericht oder einem höheren Gericht. Das deutsche Recht geht hier davon aus, dass ein Hinweis nach §§  39 S.  2, 504 ZPO entbehrlich ist, da Anwaltszwang herrscht. Eine Belehrung bei anwaltlicher Beratung schien dem Gesetzgeber „nicht erforderlich“.137 Rn.  27, 34; ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  62; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283 Rn.  71; Sziber, C-483/16, ECLI:EU:C:2018: 367 Rn.  50; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 72 f.; Zeno-­Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 338; nur aus praktischen Erwägungen ablehnend Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 283. 133  Vgl. dazu EuGH, Rheinmühlen Düsseldorf-Holthausen, C-166/73, ECLI:EU:C:1974:3 Rn.  5; Komninos, EC Private Antitrust Enforcement, 2008, 223; Prechal, CMLR 35, 1998, 681, 693 f.; daher etwa Amtspflicht in EuGH, VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  56; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  4 4; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  47; Finanmadrid, C-49/14, ECLI:EU:C:2016:98 Rn.  45 f.; außerhalb des Verbraucherrechts etwa EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  46; vgl. auch Cahn, ZEuP 1998, 973, 976; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 168. 134  Zuletzt EuGH, Aqua Med, C-266/18, ECLI:EU:C:2019:282 Rn.  48. 135 EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.   62; Sziber, C-483/16, ECLI:EU:C:2018:367 Rn.  50; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 41; offen lassend z. B. EuGH, Pohotovosť, C-470/12, ECLI:EU:C:2014:101 Rn.  52 f.; a. A. wohl N. Reich, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 301–326, 313 f. 136  Vgl. EuGH, Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  18, 21; Asbeek Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.  40; Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  29; ähnlich König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 200 f.; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 117 f. 137  Z. B. BT-Drs. 7/268, 7; vgl. auch BT-Drs. VI/790, 59; Baur, in: Frotz/Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 317 f.; Greger, NJW 1987, 1182, 1182 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 112; krit. aus empirischer Perspektive Jolls u. a., Stanford Law Review 50, 1998, 1471, 1504; vgl. auch etwa BGH, NJW 2009, 1589, 1590.

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§  3 Urteil

Diese Annahme führt zu einem Konflikt mit den Anforderungen des EU-Verbrauchervertragsrechts: Zwar geht auch der EuGH davon aus, dass eine anwaltlich vertretene Partei besser informiert sein kann als eine nichtanwaltlich vertretene. Doch entfällt die unterstellte Informationsasymmetrie nicht automatisch im Anwaltsprozess oder bei anwaltlicher Vertretung.138 Die Pflicht, jene Asymmetrien positiv beseitigen zu müssen, ehe ein Verbraucher über seine Rechte disponieren kann, besteht aus Rechtssicherheitsgründen unabhängig davon, wie der Kenntnisstand des einzelnen Verbrauchers ist, und daher auch unabhängig vom Vorhandensein oder der Qualität seiner Rechtsberatung.139 Bei anwaltlicher Vertretung des Verbrauchers darf somit nicht pauschal unterstellt werden, dass die Informationsasymmetrie im B2C-Verhältnis vollständig beseitigt wurde. Solange das Gericht nicht positiv festgestellt hat, dass diese informative Unterlegenheit des Verbrauchers entfallen ist, muss es sie weiter unterstellen. Es darf damit nicht von einem autonomen Verzicht ausgehen, die Unionsrechtswidrigkeit geltend zu machen. Nimmt das Landgericht also eine rügelose Einlassung an, ohne sich zu vergewissern, ob der Verbraucher sich der Unionsrechtswidrigkeit bewusst ist, beschränkt dies die effektive Wirkung der Klausel-­ RL. d) Hinweispflicht nach §  139 ZPO zur Vermeidung der Unionsrechtswidrigkeit (1) Auslegung contra legem als Grenze Das deutsche Gericht ist verpflichtet, die effektive Wirkung des EU-Rechts so weitgehend wie möglich zu gewährleisten und dabei die gesamte Rechtsordnung effektivitätsfördernd auszulegen. Wie genau das Gericht handelt, hängt von der nationalen Verfahrensausgestaltung ab. In der Literatur wird teilweise aus der älteren Rechtsprechung des EuGH geschlossen, dass stets eine Rechtsprüfung und -anwendung von Amts wegen notwendig ist.140 Diese Ansicht ist aber nach einer Reihe von neueren Entscheidungen des EuGH nicht zwingende Folge des Effektivitäts-, sondern des Äquivalenzprinzips (ggf. in Verbindung mit dem Effektivitätsprinzip), sollte das nationale Recht eine solche Möglichkeit vorsehen.141 Ein nationales Prozessrecht, welches anordnet, das Unionsrecht von Amts wegen durchzusetzen, ist geeignet, die unterstellte Unterlegen138 Z.  B. EuGH, Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  65; Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  47; Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 90 f. 139 Z.  B. EuGH, Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  65; Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  47; Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 235. 140  Z. B. Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 283–288; Graf von Westphalen, NJW 2013, 961, 962; C. Kohler u. a., ZEuP 2011, 145–169, 153, relativierend aber 154; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 17. 141  EuGH, Baczó und Vizsnyiczai, C-567/13, ECLI:EU:C:2015:88 Rn.  37.

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heit des Verbrauchers im B2C-Rechtsstreit zu beseitigen.142 Das Zusammenspiel von Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip führt dann regelmäßig zu einer Pflicht. Kann der Richter etwa eine Klausel von Amts wegen ohne Zustimmung des Verbrauchers für nichtig erklären, muss er dies tun, solange der Verbraucher nicht ausdrücklich widerspricht und damit deutlich macht, dass er nicht nur aus Unwissenheit untätig bleibt.143 Das EU-Recht sieht also eine amtswegige Prüfung und Anwendung des Verbraucherrechts als ein zulässiges Mittel an, das unterstellte Defizit auszugleichen.144 Hieraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig, dass das Gericht das Verbraucherrecht von Amts wegen zur Entscheidungsgrundlage machen muss.145 Voraussetzung ist stets, dass das nationale Prozessrecht eine solche Rechtsanwendung vorsieht.146 Das Gericht muss nicht entgegen dem nationalen Recht tätig werden, wenn der kundige Verbraucher nicht gegen das verbraucherrechtswidrige Verhalten vorgehen möchte.147 Im deutschen Recht handelt ein Gericht, das sich ohne Zuständigkeitsrüge von Amts wegen für unzuständig erklärt, entgegen dem Wortlaut von §  39 S.  1 ZPO und damit contra legem. Eine Rechtsanwendung contra legem verlangt der EuGH aber nicht.148

142  EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  35; Asturcom, C-40/08, ECLI: EU:C:2009:615 Rn.  52, 54, 57; Pereničová & Perenič, C-453/10, ECLI:EU:C:2012:144 Rn.   30; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.   63; Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.   35 f.; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  28; H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293 f. 143 Vgl. z. B. EuGH, Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.   30–35; Zeno-­ Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 338–341. 144  EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.   32; Océano Grupo, C-240/98C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  28–32; Invitel, C-472/10, ECLI:EU:C:2012:242 Rn.  41; ähnlich Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  28. 145  EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  62; Sziber, C-483/16, ECLI:EU:C:2018:367 Rn.  50; offen lassend z. B. EuGH, Pohotovosť, C-470/12, ECLI:EU: C:2014:101 Rn.  52 f.; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012,41.; a. A. Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91 und wohl N. Reich, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 301–326, 313 f. 146  EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.   32; Océano Grupo, C-240/98C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  28–32; Invitel, C-472/10, ECLI:EU:C:2012:242 Rn.  41; ähnlich EuGH, Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  28; Komninos, EC Private Antitrust Enforcement, 2008, 223; K. Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, 2013, 80 f.; ­Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 35 f.; vgl. auch Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 157 mit Fn.  10. 147  EuGH, Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283 Rn.  71; Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  30–35; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 338; ähnlich Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 492. 148 Vgl. EuGH, Romano, C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 Rn.   34–36; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  28; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 288; Rutgers, ERCL 1, 2005, 88, 94–96.

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§  3 Urteil

(2) Hinweispflicht gem. §  139 ZPO als ausreichende Maßnahme Ausreichend ist ein Vorgehen, welches das nationale Recht intakt lässt. Dies kann über eine Hinweispflicht des Gerichts parallel zu §§  39 S.  2, 504 ZPO geschehen, die der Parteientscheidung mehr Raum gibt. Auch der EuGH zieht eine Lösung vor, welche die Verbraucherentscheidung respektiert: Kann der Richter etwa eine Klausel von Amts wegen ohne Zustimmung des Verbrauchers für nichtig erklären, muss er dies tun. Dies gilt allerdings nur, solange der Verbraucher nicht ausdrücklich widerspricht und damit deutlich macht, dass er nicht nur aus Unwissenheit untätig bleibt.149 Soweit eine solche amtswegige Rechtsanwendung nicht möglich ist – wie im Fall des §  39 S.  1 ZPO –, genügt aber auch ein richterlicher Hinweis darauf, dass die Gerichtsstandsvereinbarung gegen Unionsrecht verstößt, um die effektive Wirkung desselben zu gewährleisten. Der Verbraucher kann im Anschluss eine informierte Entscheidung treffen, ob er die Unwirksamkeit und damit die Unzuständigkeit des Gerichts gem. §  39 S.  1 ZPO rügt.150 (3) Zulässigkeit der richterlichen Hinweispflicht gem. §  139 ZPO Methodisch könnte eine solche Hinweispflicht über eine Analogie zu §§  39 S.  2, 504 ZPO, wonach ein Amtsgericht eine rügelose Einlassung erst nach einem Hinweis an den Verbraucher annehmen darf, oder analog Art.  26 Abs.  2 Brüssel Ia-VO, wonach das Gericht sich vergewissern muss, dass die Rüge nicht durch Unwissenheit unterbleibt, erreicht werden.151 Doch liegen die Voraussetzungen für keine dieser beiden Analogien vor, denn es fehlt an einer Regelungslücke: Der Richter kann bereits durch seine allgemeinen Hinweispflichten nach §  139 ZPO dafür sorgen, dass das vom Unionsrecht unterstellte Defizit nicht besteht.152 Eine Regelungslücke läge nur vor, wenn §§  39 S.  2, 504 ZPO zugleich einen Rückgriff auf §  139 ZPO ausschlössen. Dies ist aber zu verneinen. Denn §  504 ZPO ist keine Ausnahme zu einem allgemeinen Hinweisverbot, sondern die 149 Vgl. z. B. EuGH, Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.   30–35; Zeno-­ Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 338–341; a. A. wohl Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 284 f. (amtswegige Rechtsanwendung notwendig). 150  EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  33, 35; Banif Plus Bank C-472/11, 21.2.2013 ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  27 f., 34; Banco Santander, C-598/15, ECLI:EU:C:2017: 945 Rn.  50; Sziber, C-483/16, ECLI:EU:C:2018:367 Rn.  50; ähnlich offen EuGH, Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  33–36; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 72 f.; Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 94; Schebesta, ERPL 2010, 847, 862, 864; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 121 f., 124 f.; ähnlich Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 474–478; allgemeiner Tamm, Verbraucherschutzrecht, 2011, 869–872; 151 Wohl Pfeiffer, NJW 2009, 2369, 2369. 152 Hierfür Heinig, EuZW 2009, 885, 886.

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Norm stellt nur eine klarstellende Konkretisierung und Erweiterung von §  139 ZPO dar.153 Eine zusätzliche Hinweispflicht nach §  139 Abs.  1 oder Abs.  3 ZPO entfällt daher praktisch, ohne dass sie aber rechtlich unzulässig wäre.154 Sie wird daher allgemein in Ausnahmefällen für zulässig erachtet.155 Auch §  39 S.  2 ZPO verweist für den Fall der amtsgerichtlichen Zuständigkeit ausdrücklich nur auf §  504 ZPO, enthält aber zugleich keinen Hinweis darauf, dass ein inhaltlich vergleichbarer Hinweis gem. §  139 ZPO für eine höhere Instanz stets gesperrt sein soll.156 Damit ist eine Hinweispflicht nach §  139 ZPO nicht ausgeschlossen und der Richter kann einen unionsrechtskonformen Hinweis geben, ohne dass eine Analogie notwendig wird. Da der Hinweis möglich ist, scheint er das bestgeeignete Mittel zu sein, Spannungen mit dem Unionsrecht zu vermeiden. (4) Anwaltliche Vertretung als unzureichender Differenzierungsgesichtspunkt Der Gesetzgeber sah den ausdrücklichen Verweis auf §  504 ZPO für notwendig an, um sicherzustellen, dass der Beklagte auch dann Kenntnis von der Unzuständigkeit hat, wenn er nicht anwaltlich beraten ist.157 Er gibt die Differenzierung zwischen anwaltlich vertretener und nicht-anwaltlich vertretener Partei dann aber auf: §§  39 S.  2, 504 ZPO sind auch bei der anwaltlich vertretenen Partei vor dem Amtsgericht anwendbar.158 Inzwischen hat sich allgemein bei §  139 ZPO die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Hinweis auch bei einer anwaltlich vertretenen Partei erforderlich sein kann. Zwar macht die anwaltliche Vertretung ein gewisses Maß an Rechtskenntnis wahrscheinlich,159 doch darf nicht unterstellt werden, dass ein An153  C. Berger, in: Stein/Jonas, ZPO V, 23.   Aufl., 2015, §  504, Rn.  1; Deppenkemper, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  504, Rn.  1; Laumen, Rechtsgespräch, 1984, 151–153, 228; Wittschier, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  504, Rn.  1. 154  C. Berger, in: Stein/Jonas, ZPO V, 23.   Aufl., 2015, §  504, Rn.  1; Deppenkemper, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  504, Rn.  1; Laumen, Rechtsgespräch, 1984, 228; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO I, 20.  Aufl., 1978, §  39, Rn.  3; a. A. wohl Bork, in: Stein/Jonas  I, 23.  Aufl., 2014, §  39, Rn.  4; Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.  Aufl., 2019, §  39, Rn.  2; R. Stürner, Die richterliche Aufklärung, 1982, Rn.  91 (ohne Begründung). 155  LG Berlin, NJW-RR 1997, 378, 378 f.; Bork, in: Stein/Jonas  I , 23.  Aufl., 2014, §  39, Rn.  4; 156  Laumen, Rechtsgespräch, 1984, 228; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO I, 20.  Aufl., 1978, §  39, Rn.  3; zu Hinweisen bei Fragen der Internationalen Zuständigkeit analog §  39 ZPO Heinrich, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1, Rn.  15; Nissen, Das Recht auf Beweis, 2019, 462 f.; A. Staudinger, Cziupka/Rauscher, EuZPR, 4.  Aufl., 2016, Art.  26 Brüssel Ia-VO, Rn.  17; vgl. auch BGH, NJW 1997, 397, 398 f.; a. A. Bork, in: Stein/Jonas  I, 23.  Aufl., 2014, §  39, Rn.  3 f.; Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.  Aufl., 2019, §  39, Rn.  2; Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 221 (im Anschluss aber relativierend); Toussaint, in: Vorwerk/ Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  39, Rn.  16, relativierend aber ders., ebd., §  12 Rn.  16. 157  BT-Drs. 7/268, 7; C. Berger, in: Stein/Jonas, ZPO V, 23.  Aufl., 2015, §  504, Rn.  3. 158  Z. B. OLG Schleswig, BeckRS 2013, 3131; C. Berger, in: Stein/Jonas, ZPO V, 23.  Aufl., 2015, §  504, Rn.  2; Deppenkemper, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  504, Rn.  5. 159 Z. B. BVerfGE 93, 99 = BVerfG, „Rechtsmittelbelehrungen im Zivilprozeß“, NJW

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§  3 Urteil

walt die Rechtslage stets umfänglich kennt und entsprechend berät.160 Ein Hinweis wird im Gegenteil auch im Anwaltsprozess nach nationalem Verständnis notwendig, wenn ein konkretes Informationsdefizit vorliegt.161 Im Bereich der internationalen Zuständigkeit, in dem §  39 ZPO analog gilt,162 wird bereits davon ausgegangen, dass über §  39 S.  2 ZPO hinaus Hinweise nach §  139 ZPO notwendig sein können.163 (5) Abwesenheit schutzwürdiger Interessen der Gegenseite Schließlich werden auch die Rechte der Gegenpartei164 durch einen solchen Hinweis nicht verletzt: Grund für den Hinweis ist ein (unions-)rechtswidriges Verhalten des Unternehmers, der einen Gerichtsstand in seinen AGB vorgesehen hat, der den Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligt (s. o.). Der Unternehmer ist nicht in seinem rechtswidrigen Verhalten schutzwürdig. Zudem geht bereits §  39 S.  2 ZPO davon aus, dass ein richterlicher Hinweis auf die Unzuständigkeit zulässig ist. Der Hinweis nach §§  39 S.  2, 504 ZPO vor dem Amtsgericht benachteiligt die Gegenpartei auch nicht unverhältnismäßig. Der Fall des §  39 S.  2 ZPO unterscheidet sich von dem Hinweis nach §  139 ZPO durch das Landgericht nur in der Gerichtsart. Die sachliche Unterscheidung ist also nicht klägerbezogen, sondern dessen Rechtsposition im Prozess ist in beiden Fällen gleich. Somit verletzt den Unternehmer ein Hinweis nach §  139 ZPO genauso wenig in seinen Rechten wie ein Hinweis nach §§  39 S.  2, 504 ZPO. 1995, 3173, 3174; Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 39 f., 52; zweifelnd beim offensichtlich inkompetenten Anwalt: R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 654 f.; ähnlich skeptisch auch Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 433, 460 und Wassermann, Der soziale Zivilprozeß, 1978, 104. Zum Gedanken des Schwächerenschutzes durch Anwaltspflicht bereits unter der CPO siehe Leipold, JZ 1982, 441, 447. 160  Bettermann, ZZP 91, 1978, 365, 391 f.; sehr kritisch zur anwaltlichen Beratung auch Habscheid, ZZP 81, 1968, 175, 187 f. 161  BT-Drs. 14/4722, 62; BGH, NJW-RR 1996, 441, 441; NJW 1998, 612, 612; NJW 1999, 1867, 1868; NJW 2002, 3317, 3320; NJW-RR 2003, 569, 570; Bahnsen, Verbraucherschutz im Zivilprozeß, 1997, 46–48, 52; Bettermann, ZZP 91, 1978, 365, 391 f.; Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  139, Rn.  5; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007,428; Nissen, Das Recht auf Beweis, 2019, 462 f.; Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 151–157; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 52; Schack, ZZP 129, 2016, 393, 405; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  31 f., 93; R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 204; vgl. auch Jolls u. a., Stanford Law Review 50, 1998, 1471,1504. 162  BGH, NJW 1979, 1104, 1104. 163  Heinrich, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1, Rn.  15; Nissen, Das Recht auf Beweis, 2019, 462 f.; A. Staudinger, Cziupka/Rauscher, EuZPR, 4.  Aufl., 2016, Art.  26 Brüssel Ia-VO, Rn.  17; vgl. auch BGH, NJW 1997, 397, 398 f. 164  Hierzu Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 768 Rn.  9; Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2004, 102 f., 115 f.; E. Schumann, in: Schmidt (Hg.), FS 50 Jahre BGH, Bd.  III, 2000, 3, 20; Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 57, 102 f.; M. Vollkommer, in: Gottwald/Prütting (Hg.), FS Schwab, 1990, 503, 516–519.

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(6) Zwischenergebnis Ein richterlicher Hinweis nach §  139 ZPO, dass die Gerichtsstandsvereinbarung unionsrechtswidrig ist, ist somit methodisch zulässig. Aus dem Zusammenspiel von Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip folgt eine richterliche Hinweispflicht: Auslegungs- und Anwendungsspielräume, die ein Gericht oder eine andere staatliche Stelle hat, müssen genutzt werden, um die weitmöglichste Wirkung des Unionsrechts sicherzustellen (s. o. §  2 B. II. 1.).165 Im Anwaltsprozess ist demnach ein solcher Hinweis auf die Unionsrechtswidrigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht per se ausgeschlossen, sondern abhängig davon, ob ein konkretes, vom Unionsrecht unterstelltes Informationsdefizit beim Verbraucher bereits beseitigt wurde. Wie allgemein in B2C-Konstellationen, bei denen EU-Verbrauchervertragsrecht entscheidungserheblich ist, gilt die Vermutung, dass der Verbraucher uninformiert ist. Das Gericht darf daher – parallel zur gängigen allgemeinen Rechtsprechung zu §  139 ZPO166 – den Hinweis auf die unwirksame Zuständigkeitsvereinbarung nur unterlassen, wenn es sich positiv vergewissert hat, dass der Prozessbevollmächtigte und die Partei erkennbar informiert sind und ihre Rechte nicht geltend machen wollen. 167

III. Da mihi factum und Modifikationen durch den EuGH Aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben sich richterliche Pflichten, die im ersten Moment mit dem deutschen Prozessrecht und insbesondere dem Beibringungsgrundsatz unvereinbar scheinen: Der Richter darf ihm bekannte Tatsachen oder solche, die sehr wahrscheinlich vorliegen, nicht ignorieren, sondern muss sie ins Verfahren einbringen oder zumindest von Amts wegen geringe Nachforschungen einstellen (1.). Im Ergebnis lassen sich diese Vorgaben mit dem geltenden Recht vereinbaren, insbesondere durch eine sachgerechte Handhabung der bestehenden richter­ lichen Pflichten. §  291 ZPO erfasst bereits einen Teil dieser Fälle (Behandlung von offenkundigen Tatsachen, 2.). Soweit es um Tatsachen geht, die sich erst aus der Akte selbst ergeben oder die nur wahrscheinlich vorliegen, aber noch richter165  EuGH, Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  27; Pereničová & Perenič, C-453/10, ECLI:EU:C:2012:144 Rn.  30; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  32, 52, 54, 57; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  28–32; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  62, 77, 81; Invitel, C-472/10, ECLI:EU:C:2012:242 Rn.  42 f.; Pfeiffer, ZEuP 2003, 141, 145 f. 166  BGH, NJW 2003, 3626, 3628 (zu unterlassenem Sachvortrag); NJW 2007, 2414, 2416; Deppenkemper, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  504, Rn.  5; ähnlich Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  37; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 727, 728 f. 167  Z. B. Heinig, EuZW 2009, 885, 886; Pfeiffer, NJW 2009, 2369, 2369; A. Staudinger, ­Cziupka/Rauscher, EuZPR, 4.  Aufl., 2016, Art.  26 Brüssel Ia-VO, Rn.  17–19.

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§  3 Urteil

licher Nachforschungen bedürfen, erfüllt das deutsche Recht die Vorgaben des Unionsrechts nur, wenn der Richter soweit zulässig von seinen Möglichkeiten Gebrauch macht, Beweiserhebung oder -vorlage anzuordnen, und in den übrigen Fällen die Parteien auf den fehlenden Vortrag hinweist und somit sicherstellt, dass eine Disposition autonom i. S. d. Unionsrechts stattfindet, (3.) und (4.). 1. Vorgaben des EuGH zu Beibringungsgrundsatz und Tatsachenermittlung Der Beibringungsgrundsatz als Grundsatz des nationalen Verfahrensrechts und Ausdruck der Parteiautonomie ist grundsätzlich geeignet, die effektive Wirkung des Unionsrechts rechtmäßig zu beschränken (a). Dies gilt vorbehaltlich des Äquivalenzprinzips (b). Außerdem darf der Richter nicht positiv wissen, dass bestimmte Tatsachen sicher vorliegen. Ebenso wenig darf er Tatsachen ignorieren, die sehr wahrscheinlich vorliegen und sich durch unproblematische Nachforschungen feststellen lassen (c). a) Beibringungsgrundsatz als anerkannter Grundsatz des nationalen Verfahrensrechts Darf ein Gericht der Entscheidung des Rechtsstreits nur die Tatsachen zugrunde legen, welche die Parteien ins Verfahren eingebracht haben, wie der Beibringungsgrundsatz dies erfordert,168 so kann ein Versäumnis auf Seiten des Verbrauchers die effektive Durchsetzung des Unionsrechts beschränken.169 Das Gericht kann aufgrund ausbleibenden Vortrags davon abgehalten werden, die rechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen, aus denen sich bestimmte Rechtspositionen des Verbrauchers ergeben.170 Der EuGH erkennt aber die Verhandlungsmaxime oder den Beibringungsgrundsatz als verfahrensrechtlichen Grundsatz an, der geeignet ist, die effektive Wirkung des EU-Rechts einzuschränken: Den Parteien im Zivilprozess eine aktive Rolle bei der Sachverhaltsaufbereitung zuzusprechen, ist als Teil des kontradiktorischen Verfahrens ein allgemein anerkannter Grundsatz des Zivilprozesses.171 Richterliche Passivität kann insbesondere zum Schutz der 168  Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 15, 17 f.; Leipold, in: Stein/Jonas  III, 22.  Aufl., 2005, vor §  128, Rn.  146 f.; Prütting, NJW 1980, 361, 363; Steif, Ausschaltungsbefugnis, 1969, 103 f. 169  Heinze, EuR 2008, 654, 663; Komninos, EC Private Antitrust Enforcement, 2008, 222 f.; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 65 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 385 f. 170  EuGH, Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357. 171 Z. B. EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.   27–29; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  35; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006: 675 Rn.  26 f.; Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  65; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  23 f., 27–32; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  31 f., 53, 57; Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  22; Pohotovosť, C-76/10, ECLI: EU:C:2010:685 Rn.  40–42; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  46–56;

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Verteidigung der anderen Seite und damit der Waffengleichheit geboten sein.172 Die Tatsachenfeststellung stellt darüber hinaus einen Kernbereich des Verfahrensrechts dar, der diesen vom materiellen Recht unterscheidet: Das Verfahrensrecht geht von einer Situation aus, in der die Parteien ein Verfahren führen, da Ungewissheit oder Streit über die Wirklichkeit herrscht. Zumindest rechtlich möchte es diese Ungewissheit beseitigen. Das materielle Recht geht demgegenüber typischerweise von eindeutigen Tatsachen aus, beschäftigt sich also nicht mit faktischen Unsicherheiten. Verfahrensregelungen, auch solche zur Parteiautonomie, reagieren somit gerade auch auf diese Ungewissheit, während Regelungen zu materiellrechtlichen Vereinbarungen diese tatsächlichen Punkte vernachlässigen.173 Da es sich um einen solchen Kernbereich des Verfahrensrechts handelt, ist das EU-Recht großzügig mit nationalen Regelungen, welche die Tatsachenermittlung und den Tatsachenvortrag in den Händen der Parteien oder Dritter lassen. Das EU-Recht lässt daher Dispositionen über die Tatsachenermittlung zu, obwohl Dispositionen über das hiervon abhängig anwendbare Recht nicht möglich sind.174 Etwa können Dritte, d. h. Sachverständige oder Behörden, daher das Gericht nach nationalem Recht an ihre tatsächlichen Feststellungen binden.175 Wie auch im deutschen Recht vorgesehen, muss der Richter beim Sachverständigenbeweis aber überprüfen, ob die vorliegenden Fakten richtig ermittelt wurden und kein offensichtlicher Fehler oder Missbrauch vorliegt.176 Diese Möglichkeit gilt nur für die etwaige der Würdigung zugrunde liegende Tatsachenfeststellung, nicht aber für die rechtliche Würdigung, ob ein Verstoß gegen Verbraucherrecht vorliegt.177

Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  41 f., 63; Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  27; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  46; Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  26; Barclays, C-280/13, ECLI:EU:C:2014:279 Rn.  34; Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.   35  f.; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI: EU:C:2014:2099 Rn.  24, 51; Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  4 4, 46; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 159; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 65 f.; Saare/Sein, euvr 2013, 15, 26; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 147; Schebesta, ERPL 2010, 847, 850; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 166–168; Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 337 f. 172  Zeno-Zencovich/Paglietti, RDIDC 91, 2014, 321–355, 343–345. 173 Zum gesamten Absatz J. Braun, in: Bernreuther (Hg.), FS Spellenberg, 2010, 77  f.; ­Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 282 f.; Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 23; Windel, JR 2001, 525, 526; siehe auch Cahn, AcP 198, 1998, 35, 40 f.; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 722. 174  Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 238. 175 EuGH, Upjohn, C-120/97, ECLI:EU:C:1999:14 Rn.   33–36; ähnlich Arcor, C-55/06, ECLI: EU:C:2008:244 Rn.  165, 170. 176  Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 382. 177 Ähnlich Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 383 f.

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Der EuGH verlangt daher nicht, dass das Gericht anstelle des Verbrauchers von Amts wegen die Tatsachengrundlage ermittelt.178 Im Gegenteil stellt der EuGH in stetiger Rechtsprechung fest, dass das Gericht nur von Amts wegen tätig werden muss, wenn es „über die hierzu erforderlichen […] tatsächlichen Grundlagen verfügt“.179 Damit kann der Tatsachenstoff durch den Parteivortrag bestimmt werden.180 Dies gilt selbst dann, wenn durch den unterbliebenen Tatsachenvortrag zwingende Vorschriften des Unionsrechts umgangen werden.181 b) Einschränkungen durch das Äquivalenzprinzip Allerdings gilt das Vorgesagte nur vorbehaltlich des Äquivalenzprinzips: Eine Gerichtspflicht, auch außerhalb des Parteivortrags tätig zu werden, besteht, wenn sie vom nationalen Recht vorgesehen ist.182 So gilt im deutschen Recht der Verhandlungsgrundsatz in bestimmten Fragen nicht, sondern der Richter muss von Amts wegen Tatsachenfeststellungen treffen, etwa ob die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen oder ordnungsgemäß geladen wurde (§§  214 ff. ZPO).183 Daher dürfte das deutsche Recht nicht vorsehen, dass die Sachurteilsvoraussetzungen bei einem Rechtsstreit, bei dem EU-Recht streitentscheidend ist, von den Parteien in den Prozess eingebracht werden müssen.184 Ähnlich darf die Art 178  Schebesta, ERPL 2010, 847, 854 f.; Prechal, CMLR 35, 1998, 681, 687; a. A. tendenziell GA Marco Darmon, Verholen u. a. /Sociale Verzekeringsbank Amsterdam, C-87/90 u. a., ECLI:EU:C:1991:223 Rn.  19–22; Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 232; a. A. Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 105 f. 179  EuGH, OTP Bank und OTP Faktoring, C-51/17, ECLI:EU:C:2018:750 Rn.  9 0; Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  46; Barclays, C-280/13, ECLI:EU:C:2014:279 Rn.  34 f.; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  24; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.   46, 48; Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.   27; Asbeek ­Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.  40; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  43, 53–57; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  48 f., 56; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  27–32; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  32, 53; ähnlich bereits EuGH, Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  35. 180  Heinze, in: Basedow u.  a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts  I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337–341, 340; ders., EuR 2008, 654, 663 f.; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 469; Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 217 f.; unklar Basedow, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, vor §§  305 ff., Rn.  49–52, 54. 181  Cahn, ZEuP 1998, 973, 975. 182 EuGH, Baczó und Vizsnyiczai, C-567/13, ECLI:EU:C:2015:88 Rn.   37; Beispiele zu Ausnahmen zur Parteiherrschaft der ZPO etwa bei Bettermann, ZZP 91, 1978, 365, 385 f. 183  Z. B. BGH, NJW 1951, 441, 441 f.; NJW 1987, 2875, 2875 f.; NJW-RR 1992, 1338, 1339; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  295, Rn.  11; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 70 f.; Wöstmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  1, Rn.  22; Habscheid, ZZP 81, 1968, 175, 180–182; Heinrich, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1, Rn. 15. 184  EuGH, Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.  31; Jőrös, C-397/11, ECLI: EU:C:2013:340 Rn.  29 f. Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 70; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 168 f.; rechtsvergleichend etwa Hess/Taelman, in: European

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der Beweisführung, etwa Strengbeweis oder Freibeweis, das EU-Recht nicht gegenüber dem nationalen Recht diskriminieren.185 Da das deutsche Verfahrensrecht nicht nach Fällen mit und ohne EU-Rechtsbezug unterscheidet, steht die deutsche Praxis nicht in Konflikt mit dem Äquivalenzprinzip. c) Einschränkungen durch das Effektivitätsprinzip bei sich aufdrängenden und leicht verifizierbaren Tatsachen Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem Effektivitätsprinzip, wenn zwar kein Tatsachenvortrag der Parteien vorliegt, sich aber aus den Akten oder anderen dem Gericht bekannten Umständen ergibt, dass bestimmte Tatsachen sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen. Ein nationales Gericht muss Tatsachen beachten, die sich aus den vorliegenden Akten ergeben, selbst wenn die Parteien sie nicht vorgetragen haben.186 Zudem kann der Richter zu geringen Ermittlungen verpflichtet sein: Streitstoff, dessen Vorliegen sich aufdrängt, darf vom Gericht nicht ignoriert werden, wenn es durch ein einfaches Auskunftsersuchen bei den Parteien die benötigten Tatsachen ermitteln kann.187 Wichtige Instrumente sind die Behandlung von offenkundigen Tatsachen (§  291 ZPO) und die gerichtliche Anordnung von bestimmten Beweismitteln (§§  142, 144 ZPO) sowie die Hinweispflichten zu unvollständigem Tatsachenvortrag nach §  139 Abs.  1 S.  2 ZPO. 2. Offenkundigkeit gem. §  291 ZPO bei sich aufdrängenden Tatsachen Eine Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung zumindest bezogen auf solche Tatsachen, die dem Richter aus anderen Verfahren bekannt sind, erfolgt über §  291 ZPO: Gemäß §  291 ZPO entfällt die Beweisbedürftigkeit und die Darlegungslast bei Tatsachen, die beim Gericht offenkundig sind (a). §  291 ZPO erfasst aber weder Tatsachen, die sich erst aus den Verfahrensakten ergeben, noch Tatsachen, deren Vorliegen nur wahrscheinlich ist (b). a) Befreiung von Beweisführungs- und Darlegungslast als Folge des §  291 ZPO Es ist umstritten, ob §  291 ZPO nur eine Beweisführung entbehrlich macht oder auch die Darlegungspflichten der Parteien entfallen lässt. Richtigerweise Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  296–304. 185  H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293 f. 186  EuGH, Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  30, 35 f.; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 167. 187  EuGH, Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  4 4; wohl auch EuGH, VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  51, 56 zur „nicht ausgehandelten“ Klausel. Weiter Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 169 (noch ohne die Entscheidung „Faber“); Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 232.

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§  3 Urteil

führt §  291 ZPO dazu, dass offenkundige Tatsachen vom Gericht nicht nur als bewiesen, sondern auch als vorgebracht behandelt werden müssen, d. h. die Norm bezieht sich auch auf die Darlegungslast.188 Der Hintergrund ist der folgende: Der Beibringungsgrundsatz verlangt grundsätzlich von den Parteien sowohl die Darlegung als auch anschließende Beweisführung von streitrelevanten Tatsachen. Sie müssen diese erst durch Vortrag ins Verfahren einbringen. Ist die Tatsache anschließend beweisbedürftig, stellt sich nun die Frage der Beweisführungslast. Da §  291 ZPO nur vom „Beweis“ spricht, wird vertreten, dass die Norm nur von der Beweisführung befreit. Damit müssten die Parteien eine Tatsache vortragen, ehe ein Gericht sie nach §  291 ZPO für gegeben erachten könnte.189 Gegen diese Wortlautauslegung spricht aber die grundsätzliche Parallele von Behauptungs- und Beweisführungslast: Der Gesetzgeber regelt Darlegungs- oder Behauptungslast üblicherweise zusammen mit der Beweislastverteilung und geht davon aus, dass beide parallel laufen. Befreit das Gesetz ausdrücklich von der Beweisführungslast, ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mangels ausdrücklicher Sonderregelung implizit die Darlegungslast miterfasst.190 Auch im Fall des §  291 ZPO ist damit mangels ausdrücklicher separater Regelung der Darlegungslast von diesem Gleichlauf auszugehen. Unterstützt wird diese Annahme durch eine Zusammenschau der Norm mit §  288 ZPO und §  138 Abs.  3 ZPO. Nach diesen Regelungen können die Parteien nur bezogen auf beweisbedürftige Tatsachen ein Geständnis ablegen oder Vortrag unstreitig stellen.191 Offenkundige Tatsachen, die nach beiden Meinungen nicht beweisbedürftig sind, erlauben weder ein Geständnis noch eine sonstige Disposition über ihre Einbringung ins Verfahren.192 Es wäre widersprüchlich, könnten die Parteien zwar kein Geständnis ablegen, sich aber entscheiden, eine offenkundige Tatsache nicht vorzutragen – und damit doch über ihre Einbrin188 BAG, NZA 1998, 661, 661 f.;OLG Frankfurt, BeckRS 1977, 01662; AG Dortmund, BeckRS 2004, 31058405; Bacher, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  291, Rn.  9; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  291, Rn.  18; Laumen, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 11.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  6; vgl. auch BSG, NJW 1979, 1063, 1063; a. A. Greger, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 289, 293 f., differenzierend 294 (anders für allgemein bekannte Tatsachen); weiter differenzierend ders., in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  2a; offen lassend M. Huber, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  4. 189  Greger, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 289, 293 f., differenzierend 294; weiter differenzierend ders., in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  2a. 190  Prütting, Beweislast, 1983, 46 f.; J. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 2014, §  46 I. 3.; wohl zustimmend M. Huber, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  4; für den Fall der Vermutungen etwa Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, 1966, 88–90, 95–100. 191  BAG, NZA 1998, 661, 663; tendenziell bereits BAG, NZA 1997, 155, 156; Bacher, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  291, Rn.  9. 192  Z. B. Bacher, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  291, Rn.  18; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  288, Rn.  4, 36.

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gung ins Verfahren disponieren.193 Damit muss auch die Darlegungslast entfallen, sollte der Tatbestand des §  291 ZPO erfüllt sein. Insgesamt sprechen somit die Gesetzessystematik und die allgemeine Regelungstechnik dafür, dass §  291 ZPO auch die Beweisführungs- oder Darlegungslast bei offenkundigen Tatsachen entfallen lässt.194 Allerdings muss der Richter, um das Recht auf rechtliches Gehör der Gegenpartei zu wahren, die Gegenpartei nach §  139 ZPO auf die Offenkundigkeit hinweisen und dazu anhören.195 b) Beschränkung auf positive Kenntnis und Tatsachen aus anderen Verfahren Offenkundig sind „allgemeinkundige“ Tatsachen, d. h. Tatsachen, die sich aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben oder für jedermann unmittelbar einsichtig sind, und solche, die „gerichtskundig“ sind, d. h. Tatsachen, die dem Gericht im Rahmen seiner amtlichen Tätigkeit, insbesondere aus anderen Verfahren, bekannt wurden.196 Es reicht nicht aus, dass eine Tatsache dem Richter erst aus der Fallakte selbst bekannt wird. Dieser muss außerhalb desselben Verfahrens erstmalig davon erfahren haben, etwa aufgrund von Tätigkeit in anderen Verfahren.197 Soweit der EuGH verlangt, dass Amtsermittlungen im Rahmen des geltenden Rechts durchgeführt werden, findet diese Pflicht hier eine Grenze, die nicht mit unionsrechtskonformer Auslegung verschoben werden kann: Die Beschränkung des §  291 ZPO auf außerhalb des Verfahrens bekannt gewordene Tatsa193  Laumen, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 11.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  6; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  291, Rn.  18. 194 BAG, NZA 1998, 661, 661; OLG Frankfurt, BeckRS 1977, 01662; AG Dortmund, BeckRS 2004, 31058405; Bacher, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  291, Rn.  9; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  291, Rn.  18; Laumen, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 11.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  6; vgl. auch BSG, NJW 1979, 1063, 1063; für allgemein bekannte Tatsachen Greger, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 289, 294. 195  BVerfGE 10, 177 = BVerfG, „Gerichtskundige Tatsachen“, NJW 1960, 31, 31 f.; BGH, NJW 2007, 3211, 3211; BAG, NZA-RR 2011, 378, 380; AG Dortmund, BeckRS 2004, 31058405; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  291, Rn.  14; Bacher, in: Vorwerk/ Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  291, Rn.  10; Greger, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 289, 295; ders., in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  3; Laumen, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 11.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  7; Reichold, in: Thomas/Putzo (Hg.), ZPO, 40.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  5. 196 Z. B. BVerfGE 10, 177 = BVerfG, „Gerichtskundige Tatsachen“, NJW 1960, 31, 31; BGH, NJW 1954, 1656, 1657; NJW-RR 1988, 172, 173; NJW 1987, 1021, 1021; NJW 1998, 3498, 3499; (jw. durch Akten aus anderem Verfahren bekannt); z. B. Nissen, Das Recht auf Beweis, 2019, 239–241; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  291, Rn.  9; Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  2, 5; M. Huber, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  2; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  5. 197  BGH, NJW 1954, 1656, 1657; NJW 1998, 3498, 3498 f.; NJW-RR 1988, 172, 173; NJW 1987, 1021, 1021; BVerwG, BeckRS 2014, 54533 Rn.  7; zum Streit etwa: Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  291, Rn.  9; unklar Reichold, in: Thomas/Putzo (Hg.), ZPO, 40.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  2.

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§  3 Urteil

chen begründet sich darin, dass die Norm eine Ausnahme zum Beibringungsgrundsatz darstellt und daher nur zurückhaltend verwendet werden darf.198 Der Richter soll nicht gezwungen sein, formell Beweis über Tatsachen zu erheben, von denen er bereits in anderer Funktion als Richter Kenntnis erhalten hat.199 Weiterhin soll §  291 ZPO den Richtigkeitsanspruch richterlicher Urteile stärken.200 Es geht dem Gesetzgeber in §  291 ZPO also um Prozessökonomie. Um eine überflüssige Beweiserhebung zu vermeiden, wird der Beibringungsgrundsatz eingeschränkt, nicht aber aufgegeben.201 Neben der Konsequenz, dass eine indirekte Obliegenheit des Richters entstünde, seinerseits Nachforschungen anzustellen und dies den Beibringungsgrundsatz stark einschränkte,202 verwischte eine weitere Amtsermittlung die Grenze zum Urkunds- und Zeugenbeweis und dem für diese Beweismittel notwendigen Beweisverfahren.203 Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Richter Tatsachen aus der Akte als „gerichtskundig“ verwendete, die eines solchen Beweises und damit eines entsprechenden Beweisantrags der Parteien sowie einer Beweisaufnahme vor Gericht bedürften.204 Eine solche Ermittlungspflicht würde damit nicht nur den Beibringungsgrundsatz, sondern auch den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (vgl. §  355 Abs.  1 ZPO) aushebeln.205 Soweit der Richter also Hinweise darauf in der Akte findet, dass eine Regelung des EU-Verbrauchervertragsrechts tatbestandlich gegeben ist, darf er diese dennoch nicht als „gerichtskundig“ behandeln. Das gleiche gilt allgemein für die Feststellung fach­ licher Zusammenhänge und Schlüsse, die der Richter nicht alleine vornehmen darf, etwa die Bewertung durch einen Sachverständigen.206

198 

Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  2, 5. NJW 1954, 1656, 1656 f.; Bacher, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  291, Rn.  1; Greger, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 289, 292 (allgemein zu §  291); McCorkle, Allgemeinkundigkeit, 2018, 139–141, 144 f.; Stackmann, NJW 2010, 1409, 1409 f.; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  1; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  291, Rn.  1. 200  BAG, NZA 1998, 661, 663. 201  Z. B. BAG, NJW 1977, 1213, 695; Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  2, 5. 202  M. Huber, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  2 ; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  5. 203  Etwa BGH, NJW-RR 2011, 568, 568; Nissen, Das Recht auf Beweis, 2019, 242. 204  M. Huber, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  2 ; Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.   Aufl., 2019, §   291, Rn.   5; Laumen, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 11.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  3; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  6; wohl C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  291, Rn.  9. 205  BGH, NJW-RR 2011, 568, 568; J. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 2014, 135; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  234; Nissen, Das Recht auf Beweis, 2019, 242. 206  BGH, NJW 2004, 1163, 1164; Greger, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 289, 296; ders., in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  1b, 2. 199  BGH,

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Eine weitere Grenze des §  291 ZPO, die ebenfalls dazu führt, dass die Rechtsprechung des EuGH nicht umfassend über diese Norm umgesetzt werden kann, ist der Fall, dass keine Tatsachenkenntnis vorliegt, sondern nur die Vermutung des Richters, dass eine Tatsache vorliegt, die zur Anwendung von EU-Verbrauchervertragsrecht führte. Ausreichend ist, dass der Richter ursprünglich Kenntnis hatte und durch Akteneinsicht die Erinnerung auffrischt: Weiß der Richter, eben weil er einst positiv Kenntnis hatte, dass es die Tatsache gibt und er sie bereits kannte, ist §  291 ZPO einschlägig.207 Geht der Richter demgegenüber davon aus, dass sich die zu beurteilende Tatsache durch Lektüre anderer Akten wahrscheinlich feststellen lässt, hat er diese Akten aber nie gesehen, handelt es sich demgegenüber nur um eine Annahme, nicht um Kenntnis.208 Eine solche ist nicht mehr von §  291 ZPO erfasst.209 3. Richterliche Pflichten gem. §§  139 Abs.  1 S.  2 , 142, 144 ZPO bei sich aus der Akte ergebenden Tatsachen Von §  291 ZPO nicht erfasst sind also solche Tatsachen, die sich nur aus der Verfahrensakte ergeben oder eine besondere Sachkunde wie etwa durch Sachverständigenbeweis erfordern. Der EuGH verlangt hier aber auch nicht, dass die Mitgliedstaaten den Beibringungsgrundsatz vollends aufgeben, sondern nur, dass das mitgliedstaatliche Gericht im Rahmen der Möglichkeiten des geltenden Rechts darauf hinwirkt, dass Sachverhaltsaufklärung zugunsten des Verbrauchers betrieben werden kann.210 Es zeigt sich, dass das deutsche Recht genügend Instrumente vorsieht, um die Anforderungen des EuGH umzusetzen. Ein Rückgriff auf die richterlichen Hinweispflichten (a) und Beweiserhebungsmöglichkeiten (b) ist ausreichend. Bleibt der Verbraucher bewusst völlig untätig oder verzichtet auf Beweisantritt, respektiert das Unionsrecht diese Entscheidung (c). 207  H.-J. Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 2015, Kap.  2 Rn.  25; Greger, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  1a f.; Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  5; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  291, Rn.  9; M. Huber, in: ­Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  2; 242 f.; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  5 f. 208  BVerwG, BeckRS 2014, 54533 Rn.  7; Bacher, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  291, Rn.  6.2; Greger, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  291, Rn.  1b; ­Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  291, Rn.  9; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  291, Rn.  77. 209 BAG, NZA-RR 2011, 378, 380; ausführlich z.  B. McCorkle, Allgemeinkundigkeit, 2018, 131–136. 210 EuGH, Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.   40; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 213; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 481 f.; a. A. wohl Dutta, ZZP 126, 2013, 153,169 f.; Looschelders, in: Limperg u. a. (Hg.), FS 200 Jahre Heymanns Verlag, 2015, 93, 97; Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 248, relativierend aber 235 f.

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a) Richterliche Hinweispflicht gem. §  139 ZPO und ihre Grenzen Zunächst kann der Richter die Parteien gem. §  139 Abs.  1 S.  2 ZPO auf unvollständigen Tatsachenvortrag hinweisen, sollte sich aus der Akte das Vorliegen einer Tatsache ergeben. Er kann es danach ins Belieben der Parteien stellen, ob sie ihn komplettieren, d. h. ob sie vortragen oder falls notwendig den Beweis erbringen oder überhaupt erst einen Beweisantrag stellen.211 Ein solcher Hinweis steht in Einklang mit dem deutschen Recht und der geltenden Rechtspraxis: Die Verhandlungsmaxime wird allgemein im deutschen Recht durch richterliche Mitwirkungspflichten modifiziert, ohne dass daraus eine Aufklärungspflicht wird:212 Der Richter muss, sobald der Tatsachenvortrag unvollständig ist, hierauf hinweisen und darauf hinwirken, dass dieser Mangel behoben werden kann, sollten die Parteien dies wünschen.213 Das gleiche gilt für unvollständige oder unverständliche Parteianträge, auf deren Konkretisierung das Gericht hinarbeiten muss.214 Die Hinweispflicht entsteht nicht, sollte das Parteivorbringen nicht nur ergänzungsbedürftig, sondern gänzlich substanzlos sein. Allerdings sind die Anforderungen an den Parteivortrag extrem gering: Es reicht, dass die Partei sich konkludent auch auf die beweisbedürftige Tatsache bezieht.215 b) Gerichtliche Beweiserhebungsmöglichkeiten und ihre Grenzen Schließt sich an den Hinweis der Tatsachenvortrag an oder bezieht sich eine der Parteien auf die relevanten Tatsachen, kann das Gericht gem. §  142 Abs.  1 ZPO (Urkundenvorlegung) oder §  144 Abs.  1 ZPO (Inaugenscheinnahme und Sach211  Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 238; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 213 f.; Pfeiffer, LMK 2010, 311868; zum deutschen Recht allgemein: Deubner, in: Lüke/Jauernig (Hg.), FS Schiedermair, 1976, 79, 82. 212  Z. B. Bettermann, ZZP 91, 1978, 365, 390 f.; H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 98–100; Leipold, in: Stein/Jonas  III, 22.  Aufl., 2005, vor §  128, Rn.  147, 150; R. Stürner, Aufklärungspflicht, 1977, 67 f. 213  Birk, NJW 1985, 1489, 1491; Deubner, in: Lüke/Jauernig (Hg.), FS Schiedermair, 1976, 79, 85 f.; ders., NJW 1982, 1710, 1711; Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 105; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 278–280; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 481 f.; Nissen, Das Recht auf Beweis, 2019, 465 f.; Prütting, NJW 1980, 361, 364; ähnlich Stackmann, NJW 2010, 1409, 1410. 214  Z. B. BGH, NJW 1968, 1233, 1234; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 2543, 2543; NW-RR 1995, 636, 636; Deubner, in: Lüke/Jauernig (Hg.), FS Schiedermair, 1976, 79, 82; Nissen, Das Recht auf Beweis, 2019, 468; Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 134 f.; allgemein zu §  139 Stadler, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  139, Rn.  7; ausführlich auch C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  216 f. 215  Zum gesamten Absatz BGH, NJW 2017, 3304, 3306; NJW 2013, 1003, 1004; NJW 1982, 1708, 1710; NJW 1968, 1233, 1234; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 636, 636; R. Stürner, Die richterliche Aufklärung, 1982, Rn.  61; weiter noch Deubner, NJW 1982, 1710, 1711; Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 166–169; Stadler, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  139, Rn.  7.

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verständigenbestellung) die Beweiserhebung von Amts wegen anordnen.216 Im Rahmen des §  144 ZPO ist sogar keine Bezugnahme auf das Beweismittel selbst erforderlich.217 Ebenso kann das Gericht die Parteien gem. §  448 ZPO von Amts wegen vernehmen. Der Beibringungsgrundsatz wird auch in diesen Fällen vom deutschen Recht selbst eingeschränkt.218 Aus dem Äquivalenzprinzip i. V. m. dem Effektivitätsprinzip folgt, dass das richterliche Ermessen in diesem Fall reduziert ist und das Gericht die jeweilige Beweiserhebung anordnen muss. Ausgenommen ist nur der Zeugenbeweis.219 c) Völlige Untätigkeit oder bewusster Verzicht des Verbrauchers als Grenzen Nur in Fällen des völlig unsubstantiierten Vorbringens und des Zeugenbeweises und in Fällen, in denen der Verbraucher bewusst keinen Beweis antreten will, können somit Tatsachen, aus denen sich die Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts ergibt, dem Richter bekannt sein, ohne dass er in der Lage ist, diese Tatsachen im Verfahren zu behandeln. Hier keinen Beweis zu erheben, ist aber unionsrechtlich zulässig: Der EuGH verlangt nicht, dass eine völlige Untätigkeit des Verbrauchers durch den Richter ausgeglichen werden muss.220 Verzichtet der Verbraucher nach dem Hinweis auf die Konkretisierung oder einen Beweisantrag, so akzeptiert das Unionsrecht diese Disposition als von der Parteiautonomie gedeckt. Ebenso verlangt der EuGH keine Rechtsfortbildung contra legem.221 Eine Hinweispflicht auch bei völlig unsubstantiiertem Vorbringen oder sonstige weitere Untersuchungspflichten sind somit nicht notwendig.222 Handhabt der Richter die genannten Normen in unionsrechtskonformer Weise, sind keine Änderungen des Prozessrechts hinsichtlich gerichtlich bekannter Tatsachen erforderlich.

216 BGH, NJW 2007, 2989, 2991 f.; Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 105; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 213 f.; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 482–485; Nissen, Das Recht auf Beweis, 2019, 476–481; R. Stürner, Die richterliche Aufklärung, 1982, Rn.  1. 217 BGH, NJW 2017, 3304, 3307; Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.   Aufl., 2016, §  144, Rn.  2; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 230. 218  Z. B. Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  144, Rn.  2 ; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 228 f. 219  Z. B. R. Stürner, Aufklärungspflicht, 1977, 67 f.; zum richterlichen Ermessen bei den genannten Normen etwa Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  144, Rn.  3–5; Wöstmann, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  142, Rn.  6. 220  Vgl. EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  62; Kušionová, C-34/13, ECLI:EU:C:2014:2189 Rn.  56.; Saare/Sein, euvr 2013, 15, 26. 221  Vgl. EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  28; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 288; Rutgers, ERCL 1, 2005, 88, 94– 96. 222 Ähnlich Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 484; Saare/­Sein, euvr 2013, 15, 25.

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§  3 Urteil

Schließlich ist es zulässig, dass das Verfahrensrecht weiterhin Parteidispositionen über den Beweis vorsieht, wie das deutsche Recht es tut: Eine Partei kann bei nicht offenkundigen Tatsachen i. S. d. §  291 ZPO darauf verzichten, sie in den Rechtsstreit einzubringen, oder das Gericht durch ein Geständnis gem. §  288 ZPO binden.223 Der EuGH respektiert hier die Entscheidung des Verbrauchers, seine Rechte nicht geltend zu machen. Das staatliche Gericht muss nur sicherstellen, dass er parteiautonom i. S. d. EuGH-Rechtsprechung handelt (§  2 B. III.). Durch den richterlichen Hinweis ist dies geschehen. Weitere Handlungen des Gerichts sind nicht erforderlich. 4. Hinweispflicht gem. §  139 Abs.  1 S.  2 ZPO bei leicht feststellbaren Tatsachen Von §  291 ZPO ebenfalls nicht erfasst sind solche Tatsachen, die sich nicht eindeutig aus dem Verfahren ergeben. Der EuGH verlangt zwar nicht, dass ein Gericht ohne jeden Anhaltspunkt von Amts wegen Tatsachen ermittelt, aus denen sich ergeben kann, dass dem Verbraucher bestimmte Rechte zustehen.224 Allerdings verlangt er, dass der Richter nicht über Tatsachen hinweggeht, die sehr wahrscheinlich vorliegen und die durch geringen Nachforschungsaufwand, etwa ein unproblematisches Auskunftsersuchen bei den Parteien, sicher festgestellt werden können.225 Der Richter muss also in geringem Umfang ermitteln: Er darf nicht „sehenden Auges“ missachten, dass ein bestimmter Tatbestand erfüllt ist. Er muss die ihm vorliegenden Unterlagen auswerten.226 Liegt nach Auswertung der Unterlagen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein bestimmter Tatbestand vor, z. B. ob ein Vertrag auf Seiten einer Partei zu privaten Zwecken geschlossen wurde und damit ein Verbrauchervertrag vorliegt, und ist die Restunsicherheit durch einfache Nachfrage bei den Parteien zu beseitigen, muss das Gericht entsprechend ermitteln.227 Der EuGH trifft allerdings keine Feststellungen, wie dieses einfache Auskunftsersuchen abzulaufen hat und ob die Parteien verpflichtet sind, ihm nachzukommen. Auch gibt er neben dem einfachen Auskunftsersuchen keine weiteren richterlichen Handlungspflichten vor. Die Ermittlungspflicht des Gerichts bleibt also auf die Aktenauswertung und einfache Kommunikation zwischen den Parteien beschränkt. Aus Sicht des EuGH ist wieder vor allem relevant, dass der Verbraucher nicht untätig bleibt, weil er nicht weiß, dass er vortragen oder 223  Z. B. dazu Brehm, Bindung des Richters, 1982, 32 f.; Cahn, AcP 198, 1998, 35, 35 f.; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 208 f.; Smid, Rechtsprechung, 1990, 349. 224  EuGH, Banco Santander, C-598/15, ECLI:EU:C:2017:945 Rn.  48; z. B. Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 148–150; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 121–123, 128 f. 225  EuGH, Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  4 4; wohl auch EuGH, VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  51, 56 zur „nicht ausgehandelten“ Klausel. 226  Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 170; N. Reich, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 301–326, 316; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 148 f. 227  EuGH, Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  4 4.

A. Kontradiktorisches Urteil

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Beweis antreten muss.228 Die konkrete Umsetzung bleibt daher weiterhin dem nationalen Verfahrensrecht überlassen, solange dieses sicherstellt, dass der Richter die wahrscheinlichen Tatsachen nicht sehenden Auges ignoriert. Das Verfahrensrecht kann also weiterhin Parteidispositionen vorsehen dergestalt, dass eine Partei bei wahrscheinlichen, aber nicht offenkundigen Tatsachen darauf verzichten kann, sie in den Rechtsstreit einzubringen.229 Damit genügt es wie auch bei sich aus den Akten ergebenden Tatsachen, dass der Richter über §  139 ZPO die Parteien auf unvollständigen (nicht aber völlig unsubstantiierten) Tatsachenvortrag hinweist und es danach ins Belieben der Parteien stellt, ob sie vortragen oder den Beweis erbringen oder überhaupt erst einen Beweisantrag stellen.230 Die „Nachforschung“, welche der EuGH verlangt, findet damit statt, wenn ein Hinweis gem. §  139 ZPO auf unvollständigen Tatsachenvortrag stattfindet. Er erlaubt dem Verbraucher, autonom zu entscheiden, ob er zusätzlich vorträgt oder Beweis anbietet.231

IV. Erstes Resümee zu Umfang und Grenzen richterlicher Hinweispflichten Aus dem gerade Untersuchten zeichnen sich erste Grundsätze ab, wann der Richter in der EU-Verbraucherrechtssituation einen Hinweis nach §  139 ZPO geben muss: Es geht um Fälle, in denen der Verbraucher nicht völlig untätig bleibt, aber in denen das Verfahrensrecht vom Verbraucher zusätzliche Aktivitäten verlangt, etwa einen bestimmten Vortrag oder Antrag, damit das Gericht eine Rechtsprüfung des EU-Verbrauchervertragsrechts vornehmen kann. Es geht also um den Abbau verfahrensrechtlicher Hürden durch richterliche Hinweise (1.). Die Hinweispflicht entfällt nicht automatisch bei anwaltlicher Vertretung (2.). Auf materiellrechtliche Gestaltungsrechte unionsrechtlicher Herkunft muss ein Gericht dagegen nur hinweisen, wenn der Unternehmer ausnahmsweise nicht schutzwürdig ist (3.). 1. Verfahrensrechtliche Hürden als Gegenstand der Hinweispflichten Soweit es um verfahrensrechtliche, nicht materiellrechtliche Rechtsbehelfe geht, die ein Tätigwerden des Verbrauchers erfordern, damit die Prüfung des EU-Verbrauchervertragsrechts möglich ist, ist allgemein den Anforderungen des EuGH 228 EuGH, Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.   30–34; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  62; Pereničová & Perenič, C-453/10, ECLI:EU:C:2012:144 Rn.  30. 229  Z. B. dazu Cahn, AcP 198, 1998, 35, 35 f.; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 208 f.; Smid, Rechtsprechung, 1990, 349; Brehm, Bindung des Richters, 1982, 32 f. 230  Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 238; Hidding, Zugang zum Recht, 2019, 155; zum deutschen Recht allgemein: Deubner, in: Lüke/Jauernig (Hg.), FS Schiedermair, 1976, 79, 82. 231 Ähnlich Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 213 f.; weiter wohl Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 105 f.

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§  3 Urteil

genüge getan, wenn das Gericht den Verbraucher i. R. d. §  139 ZPO darauf aufmerksam macht, dass der Antrag noch unvollständig ist oder einer Abänderung bedarf.232 Dies wahrt die effektive Wirkung des EU-Rechts: Um auf solche Rechte hinweisen zu können, ist erforderlich, dass das Gericht vorher untersucht, ob diese Rechte einschlägig sein können. Damit ist auch eine Rechtsprüfung notwendig, die gerade nicht von einem Parteiantrag abhängen kann.233 Darüber hinaus wird die Informationsasymmetrie überwunden, die den Verbraucher davon abhalten kann, seine Rechte so geltend zu machen, wie er es bei ausgeglichener Informationslage täte. Diese Hinweispflicht ist im deutschen Recht angelegt. Der Richter ist im deutschen Prozess nicht vollkommen passiv, sondern soll das Verfahren aktiv mitgestalten und hierbei auch Parteianträge anregen.234 §  139 ZPO dient auch dem Ziel, die prozessuale Waffengleichheit zu verwirklichen.235 Wie aber gesehen, verlangt bereits das GG, dass nicht nur die formale Waffengleichheit hergestellt wird, sondern in gewissen Fällen Verhandlungsungleichgewichte kompensiert werden müssen (§  1 C. III.). §  139 ZPO und die allgemeinen richterlichen Prozessleitungspflichten sind daher auch nach deutschem Recht in einem solchen, in Einzelfällen über die formale Waffengleichheit hinausgehenden Sinn zu verstehen.236 Diese Kompensationspflicht wird damit durch das Unionsrecht verstärkt und konkretisiert, nicht aber erst begründet. 2. Anwaltliche Vertretung Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich eine weitere Konkretisierung eines im autonom deutschen Recht kontroversen Themas: Die Hinweispflicht entfällt nicht, sollte der Verbraucher anwaltlich vertreten sein (§  2 B. III. 3. d).237 232  EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  62; Sziber, C-483/16, ECLI:EU:C:2018:367 Rn.  50; Coester-Waltjen/Coester, in: Alexander u. a. (Hg.), FS Köhler, 2014, 63, 72 f.; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 477 f. 233  Vgl. EuGH, Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  18, 21; Asbeek Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.  40; Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  29; ähnlich König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 200 f.; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 117 f. 234  Ausführlich etwa R. Stürner, Die richterliche Aufklärung, 1982, Rn.  11. 235  Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  139, Rn.  2 ; Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 278; Stadler, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  139, Rn.  5. 236  BVerfGE 42, 64 = BVerfG, „Zwangsversteigerung“, NJW 1976, 1391, 1391, 1392  f.; BGH, NJW-RR 2016, 887, 888 f.; OLG Frankfurt, NJOZ 2007, 1715, 1717; OLG Brandenburg, NJW-RR 2014, 574, 575 f.; vgl. auch BVerfGE 46, 325 = BVerfG, „Zwangsversteigerung II“, NJW 1978, 368, 369; BVerfGE 49, 220, „Zwangsversteigerung III“, NJW 1979, 534, 535; ausführlich auch Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 278–280; Laumen, Rechtsgespräch, 1984, 127–134; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  216 f. 237  Z. B. EuGH, Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  65.

A. Kontradiktorisches Urteil

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Dies entspricht dem Wortlaut des §  139 ZPO und der deutschen Rechtsprechung, die beide nicht davon ausgehen, eine Hinweispflicht entfiele stets bei anwaltlicher Vertretung. Im Gegenteil gilt §  139 ZPO auch im Prozess vor dem LG und OLG, in dem Anwaltszwang herrscht (§  78 ZPO). Die anwaltliche Vertretung macht ein gewisses Maß an Rechtskenntnis wahrscheinlich, 238 garantiert sie aber nicht.239 Ein Hinweis wird im Gegenteil auch im Anwaltsprozess nach nationalem Verständnis notwendig, wenn ein konkretes Informationsdefizit vorliegt.240 Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich grundsätzlich in B2C-Konstellationen die Annahme, dass der Verbraucher uninformiert ist. Der Richter darf also die Information durch den Anwalt nicht unterstellen. Das angenommene Informationsdefizit entfällt nur, wenn der Verbraucher erkennbar seine Rechte kennt und nicht ausüben will. Ist der Verbraucher von einem Anwalt vertreten, der ihn erkennbar aufklärt, entfällt die Hinweispflicht,241 in den übrigen Fällen besteht sie fort. 3. Hinweispflicht auf materiellrechtliche Gesichtspunkte als Ausnahmefall Das Unionsrecht verlangt diese Hinweise nur bezogen auf das Verfahrensrecht und solange hier das unterstellte Ungleichgewicht nicht bereits auf anderem Wege beseitigt wird. Von diesen Grundsätzen zu trennen ist die Frage, ob ein richterlicher Hinweis sich auch auf Fragen des materiellen Rechts beziehen kann, etwa auf weitere, dem Verbraucher zustehende Rechte oder die Möglichkeit, ein Gestaltungsrecht auszuüben.242 238 Z. B. BVerfGE 93, 99 = BVerfG, „Rechtsmittelbelehrungen im Zivilprozeß“, NJW 1995, 3173, 3174; Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 39 f., 52; zweifelnd beim offensichtlich inkompetenten Anwalt: R. Stürner, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 647, 654 f.; ähnlich skeptisch auch Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 433, 460; Wassermann, Der soziale Zivilprozeß, 1978, 104. Zum Gedanken des Schwächerenschutzes durch Anwaltspflicht bereits unter der CPO: Leipold, JZ 1982, 441, 447. 239  Bettermann, ZZP 91, 1978, 365, 391 f.; Laumen, Rechtsgespräch, 1984, 198 f.; R. Stürner, Die richterliche Aufklärung, 1982, Rn.  16 f.; sehr kritisch zur anwaltlichen Beratung auch Cahn, AcP 198, 1998, 35, 58; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 2016, 31 f.; Habscheid, ZZP 81, 1968, 175, 187–189; Schack, ZZP 129, 2016, 393, 405. 240  BT-Drs. 14/4722, 62; BGH, NJW-RR 1996, 441, 441; NJW 1998, 612, 612; NJW 1999, 1867,1868; NJW 2002, 3317, 3320; NJW-RR 2003, 569, 570; Bahnsen, Verbraucherschutz im Zivilprozeß, 1997, 46–48, 52; Bettermann, ZZP 91, 1978, 365, 391 f.; Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  139, Rn.  5; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 428; Laumen, Rechtsgespräch, 1984, 198–201; Nissen, Das Recht auf Beweis, 2019, 462 f.; Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 151–157; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 52; Schack, ZZP 129, 2016, 393,405; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  31 f., 93; R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 204; krit. aber ders., Die richterliche Aufklärung, 1982, Rn.  18; vgl. auch Jolls u. a., Stanford Law Review 50, 1998, 1471, 1504. 241  BGH, NJW 2003, 3626, 3628 (zu unterlassenem Sachvortrag); ähnlich Laumen, Rechtsgespräch, 1984, 201 f.; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  37; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 727, 728 f. 242  Hierfür etwa Deubner, in: Lüke/Jauernig (Hg.), FS Schiedermair, 1976, 79, 80–84.

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§  3 Urteil

Eine solche Hinweispflicht kann nur ausnahmsweise entstehen. Zunächst achtet das EU-Recht die Dispositionsmaxime und die Begrenzung des Verfahrens durch den Streitgegenstand im deutschen Verständnis (s. o. I.). Eine Hinweispflicht kann sich damit höchstens auf Fragen beziehen, die bereits von letzterem umfasst werden.243 Das Gericht ist aber allgemein verpflichtet, alle vom Klagebegehren und Sachverhalt gedeckten, in Betracht kommenden Ansprüche von Amts wegen zu prüfen. Insoweit bedarf es also gar keines Hinweises.244 Es besteht keine Pflicht, auf weitere, vom Streitgegenstand nicht erfasste Ansprüche, die der Verbraucher noch geltend machen könnte, hinzuweisen.245 Vom Streitgegenstand erfasst wäre bei einem Rechtsstreit über Rechte aus einem Verbrauchervertrag etwa, ob der Vertrag zustande gekommen ist, nicht aber, ob Schadensersatzansprüche bestünden. Doch selbst im ersten Fall verlangt das EU-Recht nicht, dass auf ein bestehendes Widerrufsrecht, das den Vertrag zu Fall bringen könnte, hingewiesen wird. Denn dies würde die Grundsätze des kontradiktorischen Verfahrens aufgegeben: Ein Gericht muss nicht den Prozess für den Verbraucher führen oder von Amts wegen Rechtsbehelfe prüfen, welche die Parteien zusätzlich geltend machen müssten.246 Im Gegenteil lässt das Unionsrecht zu, dass ein Verbraucher über die Geltendmachung seiner Rechte disponiert, indem er sie nicht gerichtlich verfolgt oder bewusst materiellrechtlich vorgesehene Ausschluss- oder Widerrufsfristen verstreichen lässt (ausführlich oben §  2 A. III. 2.).247 Zwar muss die Unterlegenheit des Verbrauchers im Verfahren ausgeglichen werden, hierbei müssen aber die Rechte der Gegenpartei und der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens gewahrt werden, soweit sie sich auf die materielle Rechtslage beziehen.248 Denn im materiellen Recht sieht das Unionsrecht selbst andere Ausgleichsmechanismen vor.

243  Z. B. Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 186 f.; ähnlich Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 478 f.; weiter wohl Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 101 f. 244  Ausführlich dazu Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 184 f. 245  Allgemein zum deutschen Recht: Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 186 f., 199; vgl. auch Fälle bei R. Stürner, Die richterliche Aufklärung, 1982, Rn.  55–58. 246  Kehrberger, Materialisierung des Zivilprozessrechts, 2019, 276 f.; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 117 f.; allgemein Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 174 f.; R. Stürner, Die richterliche Aufklärung, 1982, Rn.  77 f.; a. A. wohl Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler ­Zivilprozess, 2007, 283; Leczykiewicz, ERCL 8, 2012, 47, 48 Fn.  1; Rott, in: Leczykiewicz/ Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 181, 188; a. A. Laumen, Rechtsgespräch, 1984, 221 f. 247  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 429 f., 1156; Möllers, JZ 2002, 121,130; W.-H. Roth, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 33; M.-P. Weller, Die Vertragstreue, 2012, 292, 294–296. 248 EuGH, Banif Plus Bank, C-472/11, ECLI:EU:C:2013:88 Rn.   30–34; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  62; Pereničová & Perenič, C-453/10, ECLI:EU:C:2012:144 Rn.  30.

A. Kontradiktorisches Urteil

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Damit verpflichtet die gerade beschriebene Rechtsprechung des EuGH den Richter nicht pauschal, auf ein bestehendes Widerrufsrecht oder sonstige Positionen des materiellen Rechts hinzuweisen. Eine solche Hinweispflicht verstieße gegen das Neutralitätsgebot des Richters.249 Den Richter als unparteiliche, neutrale Entscheidungsperson verfahrensrechtlich abzusichern ist ein Aspekt der Verfahrensautonomie, den das Unionsrecht anerkennt und der die Einschränkung des Unionsrechts rechtfertigen kann.250 Eine Hinweispflicht kann daher nur entstehen, wenn durch den Hinweis die prozessualen Rechte des Unternehmers nicht verletzt werden, d. h. wenn dieser seinerseits nicht schutzwürdig ist. Das Widerrufsrecht überlässt grundsätzlich dem Verbraucher die Entscheidung, ob es ausgeübt und damit der Vertrag rückabgewickelt wird.251 Das EU-Recht sorgt auch materiellrechtlich dafür, dass der Verbraucher über seine Rechte informiert ist, insbesondere durch die Informationspflichten des Unternehmers über Existenz, Beginn und Ausübungsmodalitäten des Widerrufsrechts.252 Unterlässt der Unternehmer die Information, sieht das EU-Recht bereits materiellrechtlich besondere Rechtsfolgen vor. Insbesondere setzt es Anreize, doch noch korrekt zu informieren dadurch, dass die Widerrufsfrist sonst länger läuft.253 Ist dann ein Prozess anhängig und der Verbraucher immer noch nicht über sein Widerrufsrecht informiert, ist der Unternehmer nicht schutzwürdig darin, dass der Verbraucher uninformiert bleibt. Damit ist ein Hinweis nach §  139 ZPO zulässig, entweder gegenüber dem Unternehmer, dass dieser seiner Informationspflicht nachzukommen hat oder gegenüber dem Verbraucher, dass dieser das Widerrufsrecht noch ausüben kann.254 Da diese richterliche Möglichkeit besteht, ergibt sich aber zugleich aus dem Effektivitätsprinzip eine Pflicht, von ihr Gebrauch zu machen.255 Mögliche nationale Spielräume des Gerichts 249  Hierzu vgl. BVerfGE 63, 380 = BVerfG, NJW 1983, 1599, 1599 f.; Brehm, Bindung des Richters, 1982, 219 f.; Prütting, NJW 1980, 361, 364 f.; Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984, 40; J. M. von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, 303; ähnlich Birk, NJW 1985, 1489, 1493; a. A. aber dennoch ablehnend Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 174 f. 250 EuGH, Wells, C-201/02, ECLI:EU:C:2004:12 Rn.   65; Hypoteční banka, C-327/10, ECLI:EU:C:2011:745 Rn.  49; Biuro podróży Partner, C-119/15, ECLI:EU:C:2016:987 (Ls. 1); Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 262 f. 251  Schürnbrand, JZ 2009, 133, 135. 252  Bar-Gill/Ben-Shahar, CMLR 50, 2013, 109, 121; Eidenmüller, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 109, 160 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 224–234. 253  Etwa Art.  10 VerbrR-RL; Lurger, ERCL 2005, 442, 459; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 269; Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2005, 231; Micklitz, VuR 2003, 2, 10; Rieländer, AcP 216, 2016, 763, 795 f.; W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 481; ders., in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 23, 33 Fn.  59; ähnlich Mankowski, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 181, 187. 254  Ähnlich abstellend auf Schutzwürdigkeitsaspekte Prütting, NJW 1980, 361, 365. 255  Z. B. EuGH, Marleasing, C-106/89, ECLI:EU:C:1990:395 Rn.  8; Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  37, 39 f.; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346

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§  3 Urteil

verwandeln sich hier in eine Pflicht, die unionsrechtswidrige Rechtslage zu beseitigen.256 Nur in diesen Fällen, in denen der Unternehmer nicht schutzwürdig ist und eine Informationsasymmetrie zwischen den Parteien besteht, kann daher eine Hinweispflicht auf Fragen des materiellen Rechts entstehen.

V. Zwischenergebnis Das Prozessrecht ist im regulären Urteilsverfahren mit den Vorgaben des EU-­ Verbrauchervertragsrechts zu vereinbaren. Soweit das Prozessrecht eine Gerichtsstandsbegründung durch rügelose Einlassung vorsieht, muss der Richter – im Zweifel durch seine Hinweispflicht gem. §  139 ZPO – darauf achten, dass der Verbraucher nicht aus Unkenntnis die Zuständigkeit begründet, sondern bewusst darauf verzichtet, die Unzuständigkeit geltend zu machen. Ebenso muss der Richter, sollten sich ihm aus der Akte nicht vorgetragene Tatsachen aufdrängen oder ihr Vorliegen sehr wahrscheinlich sein, durch unionsrechtskonforme Handhabung von §§  139, 142, 144 ZPO dafür Sorge tragen, dass diese Tatsachen nicht aus Unkenntnis des Verbrauchers unberücksichtigt bleiben.

B. Anerkenntnisurteil Durch Anerkenntnis eines Anspruchs nach §  307 ZPO kann eine Partei eine richterliche Entscheidung erlangen, in der sie dem Anerkenntnis gemäß verurteilt wird. Die Anerkenntniserklärung ist eine Prozesserklärung. Gibt der Verbraucher diese Erklärung ab, werden Regelungen des EU-Verbrauchervertragsrechts, die sich mit der Wirksamkeit von Verbrauchererklärungen beschäftigen, nicht relevant (I.). Das Urteil erwächst in Rechtskraft und kann vom Ergebnis Rn.  30, 32; Pfeiffer u. a., C-397/01, ECLI:EU:C:2004:584 Rn.  116–119; Adeneler u. a., C-212/04, ECLI:EU:C:2006:443 Rn.  115–118; Lucchini, C-119/05, ECLI:EU:C:2007:434 Rn.  55 f.; Impact, C-268/06, ECLI:EU:C:2008:223 Rn.  43, 45, 101; Promusicae, C-275/06, ECLI:EU:C: 2008:54 Rn.  68; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  32, 60; Martín Martín, C-227/08, ECLI:EU:C:2009:792 Rn.  31; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  52, 54, 57; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  62; Pereničová & Perenič, C-453/10, ECLI:EU:C: 2012:144 Rn.  30; PFE, C-689/13, ECLI:EU:C:2016:199 Rn.  41; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.   50; Ognyanov, C-614/14, ECLI:EU:C:2016:514 Rn.  35; Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Petrotel, C-231/15, ECLI:EU:C:2016: 769 Rn.  23; M. Bobek, in: Barnard/Peers (Hg.), European Union Law, 2017, 143, 159 f., 169 f.; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 41 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  10; Pfeiffer, ZEuP 2003, 141, 145 f.; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 11; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, 313 f.; M. Stürner, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 1071,1073 f. 256  EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  30 f.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 146 f.; Micklitz/N. Reich, EuZW 2013, 457, 458; Whittaker, in: Leczykiewicz/Weatherhill (Hg.), The Involvement of EU Law in Private Law Relationships, 2013, 89, 114 f.

B. Anerkenntnisurteil

271

eines „normalen“, streitigen Urteils abweichen, da keine richterliche Prüfung, ob der Anspruch tatsächlich besteht oder einklagbar ist, stattfindet.257 Somit kann prima facie die Prüfung von zwingendem EU-Verbrauchervertragsrecht umgangen werden.258 Doch verhindert das Äquivalenzprinzip in Kombination mit dem Effektivitätsprinzip ein solches Ergebnis: Ein Anerkenntnisurteil ist zu versagen, wenn dieses den deutschen ordre public verletzt. Die Regelungen des EU-Verbrauchervertragsrechts müssen als Teil des ordre public eingeordnet werden, sodass ein Verstoß gegen sie zugleich den Erlass eines Anerkenntnis­ urteils verhindert (II.).

I. Anerkenntniserklärung als Prozesshandlung Voraussetzung eines Anerkenntnisurteils ist eine wirksame Anerkenntniserklärung. Deren Wirksamkeit muss vom Gericht geprüft werden, ehe ein entsprechendes Urteil ergehen kann. Verbrauchervertragliche Regelungen spielen hier keine Rolle (1.). Auch besteht die erforderliche Dispositionsbefugnis bei B2C-Verträgen (2.) und die Erklärung berührt das materielle Recht nicht (3.). 1. Zustandekommen der Erklärung ohne Einfluss des EU-Verbrauchervertragsrechts Eine Anerkenntniserklärung ist eine einseitige Prozesshandlung.259 Ihre Wirksamkeit richtet sich primär nach dem Prozessrecht, etwa muss die erklärende Person partei- und postulationsfähig sein (§§  50 f., 78 ff. ZPO) und die Erklärung muss in der mündlichen Verhandlung oder schriftsätzlich abgegeben werden.260 Da die Erklärungen im Verfahren abgegeben werden und auf dieses einwirken, besteht ein erhöhtes Bedürfnis nach Bestandsschutz und Rechtssicherheit an der Wirksamkeit der Handlung.261 Rückgriffe auf Regeln des materiellen Rechts sind dennoch möglich, soweit sie die gleichen Ziele wie die von Prozess­ erklärungen verfolgen.262 257  Z. B. BGH, NJW 1981, 2193, 2193; Arens, Willensmängel bei Parteihandlungen im Zivilprozeß, 1968, 205–208; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, S.  15 f., krit. 16 Fn.  3; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 208; Musielak, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  307, Rn.  12; Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, 2006, Rn.   192; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 108 f. krit. hierzu J. Braun, in: Bernreuther (Hg.), FS Spellenberg, 2010, 71. 258  Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 247, 257. 259 Teilweise daher auch als „Prozesshandlung im engeren Sinn“ bezeichnet, etwa K. H. Schwab, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 503, 503–505. 260  Z. B. BGH, NJW 1991, 1743, 1743 f.; NJW 2014, 1231, 1233 (Rn.  22 a. E.); Henckel, Prozeß­ recht und materielles Recht, 1970, 76; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, 264; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  24; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 76; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn. 264, 318, 336. 261  Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 211 Fn.  26. 262  BGH, NJW 1972, 1622, 1623 f.; NJW 1986, 1438, 1439; Jacoby, Der Musterprozeßver-

272

§  3 Urteil

Damit könnte theoretisch auch ein Rückgriff auf EU-Verbrauchervertragsrecht möglich sein. Bei der Anerkenntniserklärung handelt es sich aber nicht um eine Erklärung, bei der Vorgaben des EU-Verbrauchervertragsrechts relevant werden, da letzteres tatbestandlich nicht einschlägig ist. Alle Regelungen, die einen Vertrag voraussetzen, scheiden aus, da es sich um eine einseitige Erklärung handelt. Damit kommt nur die Klausel-RL als anwendbar in Betracht. Diese kontrolliert auch einseitige Erklärungen.263 Allerdings ist eine Voraussetzung der Anerkenntniserklärung, dass sie im Prozess und bezogen auf den konkreten Rechtsstreit sowie einen konkreten Anspruch abgegeben wird (Bestimmtheitsgrundsatz).264 Aus diesem Grund ist die Anerkenntniserklärung nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert i. S. d. Klausel-RL und entsprechend nicht nach dieser kontrollfähig. Die Wirksamkeit einer Anerkennt­ niserklärung gem. §  307 ZPO richtet sich damit nicht nach den Regeln des EU-Verbrauchervertragsrechts. 2. Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand Weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit der Erklärung ist, dass die Parteien über den infrage stehenden Anspruch dispositionsbefugt sind. Dies bedeutet nicht, dass eine Anerkenntniserklärung im Bereich zwingenden Rechts unmöglich ist. Es geht um die Dispositions- oder Verfügungsbefugnis über den Streitgegenstand. Der Verfügungsbefugnis entzogen ist dieser aber nicht bereits dann, wenn die streitentscheidenden Normen unabdingbar sind oder der Anspruch unübertragbar265 ist. Der Begriff ist nur Ausdruck dafür, dass der Streitgegenstand zwingend der staatlichen Gerichtsbefassung zugeordnet sein muss, wie dies etwa bei bestimmten Statusfragen der Fall ist (vgl. §  1564 BGB, Art.  17 trag, 2000, 154 f.; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  337; K. H. Schwab, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 503, 511–513; Musielak, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, Einleitung, Rn.  66; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 297–300, 311; ­Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, 137–139; weiter noch G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 281–284 (immer BGB anwendbar). 263  Z. B. BGH, NJW 1987, 904, 904; NJW 1991, 1677, 1677; NJW 2002, 138, 139; NJW-RR 2006, 490, 490; Bork, ZIP 2008, 2053; Becker-Eberhard, in: Saenger u. a. (Hg.), FS Werner, 2009, 532, 536; Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Prozessvereinbarungen, P 62; ders., ebd., Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 32; W. Münzberg, in: Stein/ Jonas  VII, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  117 f., 125, 128; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  101; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 132 f., 780 f.; Schlosser, in: Staudinger, 2013, §  305, Rn.  14; R. Stürner, ZZP 93, 1980, 233, 235; krit. Bachner, DNotZ 2008, 644, 650; Bork, ZIP 2009, 1261, 1262; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, 138–140, 184; ders., DNotZ 1990, 531, 544; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 168 f. 264  Z. B. C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  333; Mentis, Schranken prozessualer Klauseln in AGB, 1994, 33–41; R. Neuner, Privatrecht und Prozessrecht, 1970 (Neudr. 1925), 110; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  66 Rn.  7; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, 142 f. 265  Missverständlich daher BGH, NJW 2009, 438, 439 f.

B. Anerkenntnisurteil

273

Abs.  2 EGBGB).266 Weder das EU-Recht noch das deutsche Verfahrensrecht sehen das Verbrauchervertragsrecht als eine Materie an, die ausschließlich von den Gerichten adjudiziert werden darf, selbst wenn es inhaltlich um zwingende Normen geht, etwa die Regelungen der VerbrGK-RL oder der VerbrR-RL.267 Für das deutsche Recht ergibt sich dies etwa im Schiedsverfahrensrecht aus §§  1059 f. ZPO, die überflüssig wären, wäre nur im Bereich dispositiver Normen ein Schiedsverfahren zulässig.268 Auf Seiten des EU-Rechts zeigt die ADR-Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten kein gerichtliches Entscheidungsmonopol im Verbrauchervertragsrecht vorsehen sollen.269 Auch hat der EuGH zunächst indirekt – in der grundsätzlichen Hinnahme von Schiedsvereinbarungen –, dann ausdrücklich anerkannt, dass die Parteien ihren Streit auf andere Weise als durch gerichtliche Entscheidung beilegen können, solange der Gerichtsweg nicht völlig oder für einen unzumutbar langen Zeitraum ausgeschlossen wird und der Zeitablauf nicht zu einem Rechtsverlust führt.270 Streitentscheidendes zwingendes Recht schließt somit die Dispositionsbefugnis nicht aus. 3. Unabhängigkeit der Erklärung vom materiellen Recht Abhängig vom Parteiwillen kann zugleich eine materiellrechtliche Vereinbarung getroffen werden, die neben der prozessualen steht, d. h. neben der prozessualen Anerkenntniserklärung kann auch ein materiellrechtliches Anerkenntnis gem. §  781 BGB erklärt werden. Die beiden Institute bleiben aber unabhängig voneinander.271 Zustandekommen und Folgen des materiellrechtlichen Anerkenntnisses richten sich nach materiellem Recht (Trennungsprinzip).272 266  Breetzke, NJW 1969, 1408, 1410; Blomeyer, Zivilprozessrecht, 1963, §   124, 705 f.; ­ runsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 80; Henckel, Prozeßrecht und materielles G Recht, 1970, 135; Oertmann, ZZP 47, 1918, 105, 126 f.; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 721 f.; Unberath, NJW 2011, 1320, 1322; J. M. von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, 298 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 108 f. 267  Zum gesamten Absatz BGH, NJW 1994, 1056, 1057; NJW 2004, 2898, 2899 f.; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 150 f.; Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, 2001, 14 f.; Meller-­ Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 299; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 191; Schlosser, in: Stein/Jonas  X, 23.  Aufl., 2014, §  1030, Rn.  5; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 108 f. 268  BGH, NJW 2004, 2898, 2899 f. 269  Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1030, Rn.  5. 270 Z.  B. EuGH, Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  54; G. Wagner, ZVglRWiss 114, 2015, 494, 500 f.; vgl. auch Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  371 f., 379 ff. 271  Z. B. J. Haas, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis, 2011, 172 f.; Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 162 f.; Rauscher, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, Einleitung, Rn.  415; B. Thomas, ZZP 89, 1976, 80, 80. 272  Z. B. BGH, NJW 1981, 2193, 2193; J. Haas, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis, 2011, 172 f.; Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 162 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 108 f.; krit. hierzu Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 16 Fn.  3.

274

§  3 Urteil

Hier ist eine Disposition über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht nur in wenigen Fällen möglich (s. o., §  2 A.). Die Wirksamkeit der Erklärung nach §  307 ZPO ist hiervon grundsätzlich unabhängig (aber sofort II.).

II. Ordre public und Äquivalenzprinzip Durch das rechtskräftige Anerkenntnisurteil wird eine weitere Rechtsverfolgung ausgeschlossen. Dies beschränkt die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts, da dieses nicht vom Richter geprüft und bei Verstößen nicht gegen dieselben vorgegangen werden kann.273 In der Literatur wird zwar einer solchen Einschränkung des EU-Verbrauchervertragsrecht widersprochen: Der Verbraucher sei ja nicht gezwungen, seine Rechte geltend zu machen und könnte daher auch eine Anerkenntniserklärung abgeben. Ebenso wenig, wie das Unionsrecht den Klagebeginn zwingend vorsähe, könnte es daher das Verfahrensende bestimmen.274 Hier wird aber der bereits angesprochene Unterschied zwischen faktischem Nichtausüben und rechtlicher Bindung relevant: Unproblematisch ist es, eine unverbindliche Situation bezogen auf die Rechtsfragen herbeizuführen. Eine Klagerücknahme oder ein Verzicht, die beide nicht zu einem Sachurteil führen, sind unproblematisch, da der Verbraucher später weiterhin seine Rechte geltend machen kann. Ein Anerkenntnisurteil verhindert aber gerade, dass diese Folge möglich ist. Damit führt die Verbrauchererklärung dazu, dass das Unionsrecht von einem Richter nicht geprüft werden kann und dies beschränkt die effektive Wirkung. Hinzu kommt die mitgliedstaatliche Pflicht, die weitmögliche Wirkung des Unionsrechts sicherzustellen, sobald eine staatliche Stelle hierzu die Möglichkeit hat. Solange ein Gericht nicht angerufen wurde, besteht diese Möglichkeit grundsätzlich nicht. Dies ändert sich aber, sobald ein Gericht tätig wird. Die Mitgliedstaaten haben dann entsprechende Gewährleistungspflichten (dazu bereits ausführlich §  2 B.). Im Fall des Anerkenntnisses wurde ein Gericht angerufen. Damit besteht eine entsprechende Gerichtspflicht, sicherzustellen, dass kein Verstoß gegen Unionsrecht gerichtlich bestätigt oder fortgeführt wird. Die effektive Wirkung kann bereits durch Rückgriff auf das Äquivalenzprinzip und eine entsprechende effektivitätsfördernde Auslegung sichergestellt werden: Ein Grundsatz der Prozesshandlungslehre ist, dass die Prozesshandlung unwirksam ist, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten oder den ordre public verstößt.275 Zwar ist das Anerkenntnisurteil unabhängig davon, ob der materiellrechtliche Anspruch tatsächlich besteht. Doch stellt der 273 

Allgemein zu Umgehungsgefahren B. Thomas, ZZP 89, 1976, 80, f. Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht, 2019, 386 f. 275  Z. B. BGH, NJW 1953, 1830, 1830; NJW-RR 2014, 1358, 1359; OLG Koblenz, NJWRR 2000, 529, 530; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 134; C. Kern, in: Stein/ Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  318, 336; weiter noch B. Thomas, ZZP 89, 1976, 80, 85 f. 274 

B. Anerkenntnisurteil

275

ordre public-Vorbehalt eine gewisse Verbindung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht her: Der Richter muss vor Erlass eines Anerkenntnisurteils prüfen, dass der Anspruch weder gesetzes-, noch sitten- oder ordre public-widrig ist.276 Es greift das Äquivalenzprinzip in Kombination mit dem Effektivitätsprinzip: Solange es keine Rechtsfortbildung contra legem darstellt, verlangt der EuGH, zumindest das EU-Verbrauchervertragsrecht von der Wertigkeit her wie die nationalen Normen zu behandeln, die den ordre public oder zwingendes Recht bilden (ausführlich §  2 B. II. 3.).277 Eine solche Auslegung ist mit dem deutschen Recht vereinbar: Der deutsche ordre public kommt in einer Vielzahl von Vorschriften vor, insbesondere in denen des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (z. B. Art.  6 EGBGB, §§  328 Abs.  1 Nr.  4, 1053 Abs.  1 S.  2, 1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b) ZPO, §  109 Abs.  1 Nr.  4 FamFG), wobei der Begriff nicht stets identisch zu verstehen ist. Er stellt u. a. die absolute Grenze der Anerkennung oder Akzeptanz von Rechtslagen dar, die nach anderem als dem eigenen Recht entstanden sind, d. h. insbesondere Urteile ausländischer Gerichte oder die Folgen der Anwendung ausländischen Rechts. Ein Anerkenntnisurteil, das unabhängig von der materiellen Rechtslage gefällt wird, steht ebenfalls unter dem ordre public-Vorbehalt, denn eine Entscheidung, die nicht nach ausländischem, sondern nach gar keinem konkreten Recht gebildet wird, muss zumindest dem gleichen Maßstab unterfallen. Einigkeit besteht, dass der ordre public zwar einen Kern nationaler zwingender Normen umfasst,278 nicht aber alle zwingenden Normen des nationalen Rechts.279 Stattdessen muss es sich um Normen handeln, die gerade in der Situation, die 276  BGH, NJW 1953, 1830, 1830; NJW-RR 2014, 1358, 1359; OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 529, 530; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 212; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 134; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 196; Musielak, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  307, Rn.  1, 12, 22; E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 584 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 108 f. 277  Z. B. EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  30 f.; Pohotovosť, C-76/10, ECLI:EU:C:2010:685 Rn.  48; Asbeek Brusse, de Man Garabito ./. Jahani, C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341 Rn.  43–45; Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  30, 38; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  38; Karel de Grote, C-147/16, ECLI: EU:C: 2018:320 Rn.  34 f.; OTP Bank und OTP Faktoring, C-51/17, ECLI:EU:C:2018:750 Rn.  89; s. auch Kapferer ./. Schlank und Schick, C-234/04, ECLI:EU:C:2006:178 Rn.  22; ähnlich im Wettbewerbsrecht EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  37; van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.  15; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 258; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 183 f.; Piers, ARIA 22, 2011, 625, 633 f.; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 40 f., 65 f.; H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293 f.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 146 f., 152; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 35 f., 385 f. 278  Mann, in: Jakobs u. a. (Hg.), FS Flume, 1978, 593, 612 f.; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1051, Rn.  57; G. Schulze, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 875, 881 f.; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1051, Rn.  9. 279  Z. B. Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 25 f., anders 46 f.; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1042, Rn.  76; Oertmann, ZZP 47, 1918, 105, 128 f.; Pfeiffer, NJW

276

§  3 Urteil

infrage steht, angewendet werden sollen und sich nicht auf den Fall beschränken, in dem ein nationaler Richter nach nationalem Recht entscheidet.280 Problematisch bei der Subsumtion ist nur, dass es grundsätzlich nicht um die Normanwendung als solche geht, sondern dass nur das Ergebnis der Anwendung für die Rechtsordnung unerträglich sein muss.281 Inwieweit ein Normverstoß ein Ergebnis beeinflusst, hängt wiederum davon ab, welche Funktion und entsprechend welchen Anwendungsbereich die einschlägige Norm hat. Sie kann nur bestimmte Ergebnisse erzielen oder bestimmte Ergebnisse verbieten. Dann ist die ordre public-Prüfung darauf beschränkt, das Ergebnis mit dem angestrebten Ergebnis der Norm abzugleichen. Etwas anderes gilt aber für Normen, die Personen zu einem bestimmten Verhalten unabhängig vom Ergebnis bewegen sollen. In diesem Fall muss das Gericht auch bei der Anerkenntnisentscheidung darauf achten, dass diese Normen eingehalten werden, da die Normanwendung an sich das Ergebnis der Rechtsanwendung ist. Aus diesem Grund können Wertungen, die im deutschen Recht über §§  138, 242 BGB Einfluss auf die richterliche Entscheidung nehmen, Teil des deutschen ordre public sein.282 Das Ergebnis einer Entscheidung, in der diese Wertungen nicht beachtet wurden, widerspricht ihm aber nicht stets. Diese Unterscheidung zwischen Normen, die nur ein Ergebnis verhindern oder anstreben, und solchen, die ein bestimmtes Verhalten durch die Anwendung selbst erreichen sollen, ist im EU-Recht besonders relevant. Denn das EURecht hat zumindest im Verbrauchervertragsrecht zwei Ziele: den Schutz des Verbrauchers als des strukturell Unterlegenen und die Etablierung des Binnenmarkts durch formale Regelungen, die Rechtssicherheit durch ihre einheitliche Anwendung bieten (§  2 A. III. 3., 4.). Im Gegensatz hierzu zielen die deutschen Vorschriften des Verbrauchervertragsrechts und die der AGB-Kontrolle, soweit sie über die Regelungen der Klausel-RL hinausgehen, nur auf den ersten Aspekt ab: den Ausgleich bestimmter Asymmetrien. Bei den untersuchten Regelungen des EU-Verbrauchervertragsrechts ist nicht nur das Ergebnis der Normanwendung das Ziel der Norm, sondern auch die Normanwendung als solche, unabhängig vom Ergebnis dieser Anwendung (§  2 A. III.). Hinzu kommt die Normbestätigung, die nur durch eine EuGH-Vorlage erreicht werden kann. Könnten die Parteien ein Urteil erlangen, das losgelöst von jeder Rechtsbindung ist, könnte ein später mit der gleichen Frage befasster Richter, etwa bei einem Folgeverfahren, diese wegen entgegenstehender Rechtskraft gar nicht erst prüfen. Damit hätte er von vornherein keine Möglichkeit, bei Auslegungsfragen den

2012, 1169, 1171 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X, 23.  Aufl., 2014, §  1051, Rn.  25; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1051, Rn.  6. 280  Oertmann, ZZP 47, 1918, 105, 128 f. 281  Z. B. Pfeiffer, NJW 2012, 1169, 1172 f. 282  G. Schulze, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 875, 881 f.

C. Versäumnisurteil

277

EuGH anzurufen. Dann wäre aber die effektive Wirkung in Form der einheitlichen Auslegung und Fortbildung des EU-Rechts beeinträchtigt. Führt ein Anerkenntnisurteil dazu, dass eine EU-verbrauchervertragsrechtswidrige Situation verstetigt wird, verletzt dies damit den deutschen ordre public. Ein Anerkenntnisurteil darf nicht erlassen werden. Ein weiterer Rückgriff auf das Effektivitätsprinzip ist nicht mehr notwendig.

III. Zwischenergebnis Das Verfahren, das zu einem Anerkenntnisurteil führt, ist unionsrechtlich unproblematisch. Sollte das Urteil eine EU-verbrauchervertragsrechtswidrige Situation verstetigen, verstößt dies gegen den deutschen ordre public, sodass der Richter den Erlass des Urteils verweigern muss.

C. Versäumnisurteil Das Verfahren, welches zum Versäumnisurteil führt, steht in Einklang mit den Vorgaben des EuGH (I.). Die Rechtsprechung zu sich aufdrängenden oder leicht verifizierbaren Tatsachen zugunsten des säumigen Beklagten muss durch die oben herausgearbeiteten Regelungen umgesetzt werden. Unproblematisch sind offenkundige Tatsachen nach den oben gefundenen Erkenntnissen, da diese auch im Versäumnisurteil automatisch in der Schlüssigkeitsprüfung berücksichtigt werden müssen. Tatsachen, die nicht ins Verfahren eingebracht wurden, aber leicht feststellbar sind, oder die sich erst aus der Akte ergeben, können über §  335 Abs.  1 Nr.  1 ZPO i. V. m. einem richterlichen Hinweis berücksichtigt werden, bei völliger Untätigkeit des Verbrauchers ist aber der Erlass eines Versäumnisurteils zulässig (II.).

I. Unionsrechtskonformität der allgemeinen Verfahrensausgestaltung 1. Verhältnismäßigkeit des Versäumnisverfahrens Das EU-Recht erkennt es als typisches Ziel des Verfahrensrechts an, durch formale Vorgaben eine Verfahrensstraffung herbeizuführen und Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Deshalb darf das nationale Recht besondere, auch negative Folgen an verfahrensrechtliche Versäumnisse knüpfen, selbst wenn hierdurch die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts beschränkt wird.283 283 Z.  B. EuGH, BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.   36–38, 123; Leczykiewicz, ERCL 8, 2012, 47, 56 f.; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 33.

278

§  3 Urteil

Dabei ist die Folge, welche die ZPO in §§  331 ff. ZPO anordnet, verhältnismäßig: Bei Säumnis des Beklagten oder wenn dieser nicht rechtzeitig die Verteidigungsbereitschaft gem. §  276 ZPO erklärt, ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzusehen und der Beklagte auf Antrag zu verurteilen, wenn der Klageantrag auf Grundlage des Klägervorbringens schlüssig ist (§  331 Abs.  1 S.  1, Abs.  2 ZPO). Dies bedeutet, dass das Gericht weiterhin eine umfängliche Rechtsprüfung vornimmt und nur beim Tatsachen­ vortrag an den des Klägers gebunden ist. Somit wird die Möglichkeit der EuGH-Vorlage nicht von vorneherein ausgeschlossen und eine Parteidisposi­ tion über das anwendbare EU-Verbrauchervertragsrecht findet auch nicht statt (dazu bereits A. II. 1.). Folge ist ein Versäumnisurteil, das bei Verstreichen der Einspruchsfrist zu einem „normalen“ rechtskräftigen Urteil wird. 2. Verfahrensausgestaltung in Gesamtbetrachtung Auch die konkrete Verfahrensausgestaltung ist bei einer Gesamtbetrachtung nicht unverhältnismäßig. Aus dem Gedanken des private enforcement folgt nicht nur, dass es im Ermessen der Privatperson steht, seine Rechte zu verfolgen, sondern auch, dass sie auf Verteidigung verzichten kann. Das EU-Recht lässt damit zu, dass ein Verbraucher sich bewusst entscheidet, ein negatives und unionsrechtswidriges Urteil zu empfangen (s. o., §  2 B. III.). Es muss nur sichergestellt sein, dass es sich um eine bewusste Entscheidung des Verbrauchers handelte, dieser es also nicht nur aus Unwissenheit unterlässt, zu erscheinen oder seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen (§§  331 Abs.  3, 276 ZPO). Zugleich verpflichtet das Unionsrecht den Richter nicht, eine völlige Untätigkeit des Verbrauchers aktiv auszugleichen.284 Die besondere Formalität der Ladung zur mündlichen Verhandlung und die Zustellung der Klageschrift, mit der auf die Verteidigungsanzeige hingewiesen wird, zeigen dem Verbraucher die Ernsthaftigkeit der Situation und informieren ihn über das Risiko der Säumnis und darüber, welche Schritte er einleiten muss, um eine solche zu vermeiden. Darüber hinaus ist auch die Frist, in welcher der Verbraucher seine Verteidigungsbereitschaft anzeigen muss, und die bis zur mündlichen Verhandlung gesetzt wird, verhältnismäßig. Die Verteidigungsanzeige muss innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen ergehen (§  276 Abs.  1 S.  1 ZPO). Die gerichtliche Mitteilung ist mit einer Belehrung nach §  276 Abs.  2 S.  1, 2 ZPO zu versehen, welche die Voraussetzungen dieser Anzeige und die Folge ihres Unterlassens benennen muss.285 Damit hat der beklagte Verbraucher Kenntnis von den Folgen einer Untätigkeit. Dass dies auch gewährleistet ist, wird durch die Prüfung des §  335 Abs.  1 ZPO umgesetzt, wonach ein 284  Saare/Sein, euvr 2013, 15, 26; vgl. etwa EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  62; Kušionová, C-34/13, ECLI:EU:C:2014:2189 Rn.  56. 285  Z. B. Bartels, in: Stein/Jonas, ZPO V, 23.  Aufl., 2015, §  331, Rn.  50.

C. Versäumnisurteil

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Versäumnisurteil nur bei rechtzeitiger Ladung, Zustellung der Klageschrift und im Übrigen ausreichender zeitgerechter Information des Beklagten erlassen werden darf. Auch die Einspruchsfrist von zwei Wochen gem. §  339 ZPO ist unionsrechtskonform. Zum einen handelt es sich um eine Notfrist, sodass Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. §  233 ZPO möglich ist (vgl. zu dieser Voraussetzung oben A. 3.). Zum anderen beginnt sie ab Zustellung des Versäumnisurteils (§  339 Abs.  1 ZPO) und das Gericht muss gem. §  340 Abs.  3 S.  4 ZPO auf die Folgen einer Fristversäumung hinweisen. Bereits im Vorfeld hatte der Verbraucher Gelegenheit, sich mit dem Inhalt des Rechtsstreits auseinander zu setzen und er hatte sich trotz möglicher Verteidigung gegen eine solche entschieden. Er bedarf daher keiner außergewöhnlich langen Überlegungsfrist, um sich zu entscheiden, Einspruch einzulegen. Die zwei Wochen ab Zustellung sind daher ausreichend. Schließlich ist gem. §  340 Abs.  3 S.  2, 3 i. V. m. §  296 ZPO eine Fristverlängerung für die inhaltlichen Ausführungen möglich, die ein Gericht unionsrechtskonform handhaben kann, wenn ein Verbraucher aus Unwissenheit in der Einspruchsfrist nicht die notwendigen Angaben macht. Insgesamt ist somit das Verfahren, das zu einem Versäumnisurteil führt, unionsrechtskonform. Problematisch könnte bei der Ausgestaltung des Versäumnisverfahrens nur die auch im normalen Erkenntnisverfahren diskutierte Behandlung von Tatsachen sein, die sich aus der Akte ergeben oder sehr wahrscheinlich vorliegen, aber vom Antragssteller nicht vorgetragen werden.

II. Behandlung von gerichtsbekannten und leicht feststellbaren Tatsachen i. R. d. §§  291, 335 Nr.  1 ZPO Ergeben sich aus der Akte Tatsachen, aufgrund derer der Richter Kenntnis davon hat, dass der Klägervortrag nicht richtig oder unvollständig ist, kollidiert der Erlass eines Versäumnisurteils nach §  331 ZPO mit der EuGH-Rechtsprechung zu Tatsachen, die dem Gericht bekannt sind (ausführlich oben, A. IV.).286 Denn diese Tatsachen sind nicht offenkundig i. S. d. §  291 ZPO. Offenkundige Tatsachen sind unproblematisch, denn diese sind auch im Versäumnisverfahren nicht vom Parteivortrag abhängig.287 Die Säumnis des Beklagten und die damit verbundene Geständnisfiktion hat die gleichen Voraussetzungen wie ein Geständnis nach §  288 ZPO: Es ist nur über beweisbedürftige Tatsachen möglich. Der Richter muss daher offenkundige Tatsachen i. S. d. §  291 ZPO bei der Schlüssigkeitsprüfung verwerten.288 286  EuGH, Jőrös, C-397/11, ECLI:EU:C:2013:340 Rn.  30, 35 f.; Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 167; N. Reich, in: Bernitz u. a. (Hg.), General Principles, 2013, 301–326, 316; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 148 f. 287  Bartels, in: Stein/Jonas, ZPO V, 23.  Aufl., 2015, §  331, Rn.  8 . 288  Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  291, Rn.  18.

280

§  3 Urteil

Problematischer ist die Behandlung von Streitstoff, der sich erst aus der Akte ergibt oder dessen Vorliegen sich aufdrängt und vom Gericht in das Verfahren eingebracht werden soll, wenn es durch eine einfache Nachforschung, etwa ein Auskunftsersuchen bei den Parteien, die benötigten Tatsachen erfährt (s. o., A. IV. 4.).289 Dabei verlangt der EuGH nicht allgemein, dass das Gericht mit Ermittlungen anfängt, die über diese einfachen Nachforschungen hinausgehen. Nur soweit aber das nationale Recht eine solche Ermittlung zulässt, ist es so auszulegen, dass es den Anforderungen des EU-Rechts entspricht. Eine solche Auslegung ist bei §  335 Abs.  1 Nr.  1 ZPO vorzunehmen. Danach muss ein Gericht den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils zurückweisen, „wenn die erschienene Partei die vom Gericht wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstandes erforderte Nachweisung nicht zu beschaffen vermag“. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass Tatsachen, die durch einfache Nachforschung ermittelt werden können, insbesondere ein Auskunftsersuchen bei den Parteien, eine amtswegige Tätigkeit des Gerichts erfordern. Es muss, soweit das nationale Recht dies ermöglicht, zumindest einen Hinweis geben und eine Beweiserhebung anordnen (s. o.). Das Gericht ist daher gem. §§  335 Abs.  1 Nr.  1, 139, 278 Abs.  1 ZPO verpflichtet, beim Kläger nachzufragen, ob etwa der infrage stehende Vertrag ein Verbrauchervertrag ist, d. h. zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher i. S. d. VerbrR-RL geschlossen wurde, sollten sich diese Eigenschaften der Vertragspartner aufdrängen.290 Der Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils ist zurückzuweisen, sollte der Kläger eine Antwort verweigern. Soweit der Kläger hierauf keine Antwort geben kann, handelt es sich nicht mehr um Tatsachen, die durch unproblematische Nachforschungen verifiziert werden können. Auch die Anordnung etwa der Urkundenvorlage (§  142 Abs.  1 ZPO) kann frühestens in der mündlichen Verhandlung befolgt werden. Erscheint der Kläger nicht und ist vorlageverpflichtet, hat das Gericht durch den Hinweis oder die Anordnung seine Pflicht getan. Damit besteht keine weitere Amtsermittlungspflicht mehr und §  335 Abs.  1 Nr.  1 ZPO ist nicht einschlägig. In diesem Fall darf das Gericht den Klägervortrag als Grundlage der Schlüssigkeitsprüfung nehmen.

III. Zwischenergebnis Das Säumnisverfahren ist ebenfalls unionsrechtskonform. Sollte sich der Tatsachenvortrag aus der Akte ergeben oder entscheidungsrelevante Tatsachen sehr 289  EuGH, Faber, C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 Rn.  4 4; wohl auch EuGH, VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  51, 56 zur „nicht ausgehandelten“ Klausel. Weiter Dutta, ZZP 126, 2013, 153, 169. 290  Ähnlich außerhalb des Verbraucherrechtskontexts: Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 143–145.

D. Zwischenergebnis zu §  3

281

wahrscheinlich vorliegen, muss der Richter hierauf hinweisen, §  139 ZPO, oder kann Beweisvorlage gem. §§  142, 144 ZPO anordnen. Bleibt der säumige Verbraucher, sollte er Adressat dieser Anordnung oder des Hinweises sein, untätig, darf ein dem materiellen EU-Verbrauchvertragsrecht widersprechendes Urteil im Einklang mit §§  331 ff. ZPO ergehen.

D. Zwischenergebnis zu §  3 1. Die deutschen Regelungen zur Dispositionsmaxime, insbesondere zur Einleitung des Verfahrens, zu Güte- (§  278 Abs.  2 ZPO) oder Schlichtungsverfahren (§  15a EGZPO), zur Klagerücknahme (§  269 ZPO) und zur Bestimmung des Streitgegenstands sind aus unionsrechtlicher Sicht unproblematisch. 2. Der Grundsatz iura novit curia erfüllt die Vorgaben des Unionsrechts zur amtswegigen Rechtsanwendung. 3. Die Ausschlussfristen, die der Verfahrensstraffung, der Rechtssicherheit oder dem Rechtsfrieden dienen, sind unionsrechtskonform. Es ist vor dem Ausschluss stets möglich, einen Verstoß gegen das Unionsrecht gerichtlich geltend zu machen. Auch sind die Kenntnis von Beginn und Folgen des Fristablaufs durch das Verfahrensrecht ausreichend sichergestellt. Schließlich sind die jeweiligen Fristlängen verhältnismäßig. Dies gilt insbesondere auch für die Monatsfrist bis zum Eintritt der Rechtskraft. Die Zuständigkeitsbegründung durch rügelose Einlassung darf allerdings nur bejaht werden, wenn der Richter durch Hinweis gem. §  139 ZPO sicherstellt, dass der Verbraucher nicht aus Unkenntnis die Zuständigkeit begründet, sondern bewusst darauf verzichtet, die Unzuständigkeit geltend zu machen. 4. Der Beibringungsgrundsatz hinsichtlich Tatsachen wird durch das Unionsrecht leicht modifiziert: Der Richter muss, sollten ihm nicht-offenkundige, nicht vorgetragene Tatsachen bekannt sein, über §  139 ZPO dafür sorgen, dass der Verbraucher nicht den Tatsachenvortrag aus Unkenntnis unterlässt und gegebenenfalls nach §§  142, 144 ZPO anordnen, dass Beweis erhoben wird. Ist der Vortrag vollends unsubstantiiert oder unterlässt der Verbraucher bewusst entsprechenden Vortrag, ist es unionsrechtlich zulässig, dass der Richter die Tatsachen nicht verwendet. 5. Ergibt sich aus den Akten, dass bestimmte Tatsachen wahrscheinlich vorliegen, und lässt sich ihre Existenz durch eine leichte Nachforschung feststellen, muss der Richter über §  139 ZPO dafür sorgen, dass der Verbraucher Gelegenheit zum Tatsachenvortrag erhält. 6. Das Verfahren, das zu einem Anerkenntnisurteil führt, ist unionsrechtlich unproblematisch. Aus dem Äquivalenzprinzip ergibt sich, dass ein Gericht den Erlass eines solchen Urteils verweigern muss, sollte damit eine EU-verbrau-

282

§  3 Urteil

cherrechtswidrige Lage verstetigt werden, da dieser Verstoß zugleich einen ­ordre public-Verstoß i. S. d. deutschen Rechts darstellt. 7. Das Verfahren, das zu einem Versäumnisurteil führt, ist unionsrechtskonform. Liegen dem Richter Tatsachen vor oder ist ihr Vorliegen wahrscheinlich, muss er gem. §  139 ZPO darauf hinweisen und kann Beweisvorlage gem. §§  142, 144 ZPO anordnen. Bleibt der säumige Verbraucher, sollte er Adressat dieser Anordnung oder des Hinweises sein, untätig, ist es unionsrechtskonform, dass ein dem materiellen EU-Verbrauchvertragsrecht widersprechendes Urteil im Einklang mit §§  331 ff. ZPO ergeht.

§  4 Prozessvergleich Die Parteien können sich entscheiden, ein anhängiges1 Verfahren dadurch zu beenden, dass sie sich über zumindest einen Teil des Streitgegenstands2 ver­ gleichen und so einen Prozessvergleich schließen. Damit ordnen sie ihre ­Rechtsverhältnisse materiellrechtlich neu.3 Sie müssen sich einigen und die Erklärungen gegenüber dem Gericht abgeben.4 Beschluss und Protokoll, die konstitutiv für das Zustandekommen sind bilden die Grundlage der Zwangsvollstreckung, d. h. den Vollstreckungstitel.5 Ein Prozessvergleich kann grundsätzlich ein Verbrauchervertrag sein, da bei seinem Abschluss auf das materielle Recht zurückgegriffen wird. Tatbestandlich sind aber in der Situation des Prozessvergleichs nur die Klausel-RL und der VerbrGK-RL einschlägig (A.). Unabhängig davon, ob sich das Zustandekommen des Prozessvergleichs nach EU-Recht oder nach nationalem Prozessrecht richtet, ist die Frage zu beurteilen, ob durch den Prozessvergleich zwingendes Recht abbedungen werden kann. Aus der besonderen prozessualen Natur des Prozessvergleichs folgt, dass Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht in größerem Umfang möglich sind als im Anwendungsbereich des §  779 BGB ohne prozessuale Einbettung: Ein Tatsachenvergleich ist möglich. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten bleibt insoweit vom Unionsrecht unberührt (B.).

1 Dazu Atteslander-Dürrenmatt, Prozessvergleich, 2006, 61 f. mit Fn.  9; J. F. Hoffmann, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, EL 31, 01.12.2018, §  794, Rn.  3; Bonin, Der Prozeßvergleich, 1957, 38 f.; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 83; J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, 129; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  13, Rn.  6 –8. 2 Z. B. BGH, NJW 1961, 1817, 1817; Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.   Aufl., 2017, §  779, Rn.  15; Häsemeyer, ZZP 108, 1995, 289, 315; Walker, in: Schuschke/Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  3; Smid, Rechtsprechung, 1990, 339 f.; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 270 Fn.  40. 3  Z. B. BGH, NJW 2003, 3345, 3346; Breetzke, NJW 1969, 1408, 1409; zum Verwaltungsgerichtsverfahren Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 146 f. 4 Und gegebenenfalls gegenüber weiteren Beteiligten, gegenüber denen der Vergleich wirken soll; allgemein dazu etwa Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  278, Rn.  42 f.; u. a. zum Verwaltungsgerichtsverfahren: Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 97 f. 5  BT-Drs. 14/4722, 82; krit. zur Formulierung der Begründung Schlosser, in: Gottwald/ Roth (Hg.), FS Schumann, 2001, 389, 391.

284

§  4 Prozessvergleich

Die richterlichen Pflichten beim Abschluss des Prozessvergleichs werden maßgeblich von Verfassung und EU-Recht geprägt. Vorgesehen ist der Prozessvergleich zur Verfahrensbeendigung im regulären Prozess, im Güteverfahren gem. §  278 Abs.  5 ZPO, im PKH-Verfahren (§  118 Abs.  1 S.  3 ZPO) und im selbstständigen Beweisverfahren (§  492 Abs.  3 ZPO). Nur in einigen Grenz­ fällen wird der Richter hierbei als „Richter“ i. S. d. Art.  92 GG tätig. Da seine Pflichten einheitlich geregelt sind, folgt hieraus, dass er nur einen Vergleich protokollieren oder feststellen kann, der mit dem materiellen Recht in Einklang steht. Auch ist er, sollte er aktiv auf die Parteien einwirken, verpflichtet, recht­ liche Erwägungen oder in einigen Fällen sogar solche zur Zweckmäßigkeit mit den Parteien zu erörtern (C.).

A. Prozessvergleich als EU-Verbrauchervertrag Der Prozessvergleich ist im B2C-Verhältnis grundsätzlich zugleich ein Verbrauchervertrag. Dies ergibt sich aus der „Doppelnatur“ des Prozessvergleichs, wonach die Parteien stets auch einen Vertrag nach §  779 BGB schließen müssen. Sobald der Tatbestand des EU-Verbrauchervertragsrechts erfüllt ist, kann es daher auch die prozessuale Vereinbarung modifizieren. Zwar soll das EU-Verbrauchervertragsrecht im Schwerpunkt materiellrechtliche Vertragsschlüsse regeln, sodass seine Anwendung auf Prozessverträge nicht selbstverständlich sein muss. Im deutschen Recht ergibt sie sich aus einer überschießenden Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber. 6 Allerdings modifiziert die besondere prozessuale Einbindung einige Regelungen: Der Tatbestand von Regelungen, die an die situative Entstehung der Verbraucherrechte anknüpfen, ist aufgrund der besonderen prozessualen Situation regelmäßig nicht gegeben (I.). Die AGB-Kontrolle i. S. d. Klausel-RL bleibt anwendbar (II.). Die Informationspflichten und Widerrufsrechte insbesondere der VerbrR-RL in der Situation des Prozessvergleichs entstehen nicht (III.).

I. Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts Das Zustandekommen des Prozessvergleichs wird prozessual speziell geregelt, subsidiär ist ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen zum Vertragsschluss (§§  145 ff. BGB) möglich. Ein Prozessvergleich kann sich daher nach den Vorschriften des BGB und damit dem EU-Verbrauchervertragsrecht richten. Es lässt sich aber nicht generalisieren: Der Anwendungsbereich jeder Norm und die Möglichkeiten, die das Prozessrecht lassen, müssen bei jedem Rechtsakt

6 

Vgl. etwa Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 234.

A. Prozessvergleich als EU-Verbrauchervertrag

285

s­eparat bestimmt werden. Für das Zustandekommen des Vertrags treffen die Klausel- und die VerbrR-RL Spezialregelungen. Aus der Doppelnatur des Prozessvergleichs ergibt sich, dass ein Vertrag gem. §  779 BGB vorliegen und dessen Voraussetzungen gegeben sein müssen (1.). Allerdings wird das Zustandekommen durch prozessuale Spezialregelungen verdrängt. Somit wird zwar grundsätzlich ein Prozessvergleich als Verbrauchervertrag i. S. d. EU-Verbrauchervertragsrechts behandelt, doch können Regelungen, die an das Zustandekommen des Vertragsschlusses anknüpfen, durch das Prozessrecht verdrängt werden (2.). 1. Doppelnatur des Prozessvergleichs als Ausgangspunkt Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten könnte die Anwendung des EU-­ Verbrauchervertragsrechts nur verdrängen, wenn das Prozessrecht selbst spe­ zielle Verfahrensregeln zum Zustandekommen des Prozessvergleichs vorsähe. Dies ist aber nicht so. Der Prozessvergleich wird in der ZPO nicht definiert, sondern vorausgesetzt, insbesondere in §§  118 Abs.  1 S.  3, 278 Abs.  6 , 492 Abs.  3, 794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO. §  779 BGB wurde wiederum vor dem Hintergrund geschaffen, dass er gerade 779 und §   794 Abs.   1 auch in prozessualen Konstellationen greifen soll.7 §   Nr.  4 wurden also je in Hinblick auf die andere (bzw. ihre Vorgängerregelungen) konzipiert und die in der ZPO verwendete Bezeichnung „Vergleich“ baut auf dem Tatbestand des zivilrechtlichen Vergleichsvertrags auf. Voraussetzung des Prozessvergleichs ist daher, dass im Verfahren eine Vereinbarung getroffen wird, die darauf ausgerichtet ist, den Prozess oder das sonstige anhängige Verfahren zu beenden und einen Vollstreckungstitel zu schaffen, die aber zugleich einen Vertrag i. S. d. §  779 BGB darstellt. Die Vereinbarung vereint somit materiell- und prozessrechtliche Elemente.8 Diese materiellrechtlichen und prozessualen Elemente lassen sich nicht trennen, wie dies bei materieller und prozessualer Anerkenntniserklärung möglich ist (dazu §  3 B.), sondern stehen in einem Wechselverhältnis. Der prozessuale (prozessbeendende) Teil der Vereinbarung kann nicht vom materiellrechtlichen separat betrachtet werden. Es handelt sich um einen einheitlichen Prozessvertrag mit der Folge, dass die materiellrechtliche Unwirksamkeit automatisch zur prozessualen Unwirksamkeit führt. Diese Besonderheit wird auch mit der „Doppelnatur“ des Prozessvergleichs bezeichnet.9 7  Zur prozessbezogenen Funktion auch vor Geltung der ZPO und des BGB: Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  779, Rn.  42. 8  Bonin, Der Prozeßvergleich, 1957, 9 f.; Bork, Vergleich, 1988, 448 f.; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 213 f.; ders., ZZP 118, 2005, 265, 302; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 86; J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  122; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  4. 9  Z. B. BT-Drs. 14/4722, 82; BGH, NJW 1955, 182, 182; NJW 1971, 159, 159; NJW 1985,

286

§  4 Prozessvergleich

2. Anwendbarkeit von prozessualen und materiellrechtlichen Regelungen als Folge Aus der Doppelnatur des Prozessvergleichs folgt, dass die Parteien einen Vertrag i. S. d. §  779 BGB schließen müssen, d. h. nach den Regelungen des materiellen Rechts (vgl. §§  145 ff. BGB).10 Anwendbar sind etwa die Auslegungsregeln (§§  133, 157 BGB) und §§  134, 138, 242 BGB11 sowie die Regelungen zu Bedingung oder Anfechtung.12 Damit sind grundsätzlich auch die Regelungen des EU-Verbrauchervertragsrechts zu beachten, soweit sie tatbestandlich einschlägig sind. Ein Prozessvergleich kann somit zugleich einen Verbrauchervertrag darstellen, der den entsprechenden Regelungen des BGB unterfällt. Soweit das EU-Verbrauchervertragsrecht unmittelbar den Vertragsinhalt betrifft, ergibt sich dies bereits daraus, dass nur der materiellrechtliche Bereich des Prozessvergleichs betroffen ist. Eine Einigung zwischen den Parteien, die zu einem neuen EU-Verbrauchervertrag i. S. d. §§  474 ff., 433 ff. BGB und zugleich einem Prozessvergleich gem. §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO führt, hat daher etwa die von den Normen vorgeschriebenen zwingenden Inhalte.13 Auch können Informationspflichten und Widerrufsrechte entstehen.14

1962, 1963; NJW 2011, 2141, 2141; NJW 2014, 394, 395; NJW 2015, 2965, 2965 f.; Atteslander-­ Dürrenmatt, Prozessvergleich, 2006, 19; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  53; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 213 f.; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 39 f.; J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  123; C. Kern, in: Stein/ Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  360; Lehmann, Der Prozessvergleich, 1911, 49 ff., 144, 230 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 478; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  7, 73; Steffen, in: Ballhaus/Dehner (Hg.), RGRK, 12.  Aufl., 1978, §  779, Rn.  55; Walker, in: Schuschke/Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  2. 10  Z. B. zum Prozessvergleich BGH, NJW 1972, 1622, 1623; NJW 1986, 1438, 1439; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 282, 297 f., 311; Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 154 f.; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  337; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 478 f.; Musielak, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, Einleitung, Rn.  66; ­Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  66 Rn.  1, 10; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, 136–154; K. H. Schwab, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 503, 511–513; weiter noch G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 281–284. 11  Z. B. BGH, NJW 2015, 952, 953; BeckRS 2001, 2384; r + s 2011, 37–40, 38; NJW 1952, 26, 26; OLG Saarbrücken, BeckRS 2011, 2353; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  336; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 161, 279. 12 Z.  B. BGH, NJW 1969, 925, 925; J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  88–96; Mende, Die in den Prozessvergleich aufgenommene Klagerücknahme, 1976, 61–73. 13  I.E. ähnlich J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  7 79, Rn.  61. 14  Z. B. BGH, NJW-RR 2008, 643, 644 f.; LG Osnabrück, BeckRS 2009, 21301; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  10; Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  11; J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  114; vgl. auch OLG Karlsruhe, WM 2007, 590, 591 f. (i. E. Informationspflichten und AGB-Prüfung verneinend).

A. Prozessvergleich als EU-Verbrauchervertrag

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Etwas anderes gilt nur, soweit die ZPO vorrangige Spezialregelungen zum Zustandekommen des Prozessvergleichs vorsieht, etwa die Protokollierung gem. §  160 Abs.  3 Nr.  1 ZPO (Protokollvergleich) oder die richterliche Feststellung durch Beschluss gem. §  278 Abs.  6 ZPO (Beschlussvergleich). Das EURecht beansprucht hier auch nicht zwangsläufig seinen Anwendungsvorrang, sondern könnte der Verfahrensautonomie Platz machen. Um festzustellen, inwieweit das Verfahrensrecht das materielle Recht verdrängt, ist eine Untersuchung jedes einzelnen Rechtsakts notwendig; es lässt sich nicht generalisieren.

II. AGB-Kontrolle Die AGB-Kontrolle stellt eine Konkretisierung von allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts dar. Sie soll möglichst umfassend und nicht nur im materiellen Vertragsrecht greifen. Daher sind Vertragsbedingungen auch dann kontrollfähig, wenn der Vertrag in der Situation des Prozessvergleichs geschlossen wird (1.). Die Kontrolle wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Richter die Bedingungen vorschlägt (2.). Die Folge einer unwirksamen Klausel unterscheidet sich von jener im materiellen Recht: Die Rechtsnatur des Prozessvergleichs führt dazu, dass die Unwirksamkeit einer Klausel die Unwirksamkeit des gesamten Vergleichsvertrags mit sich zieht (3.). 1. Anwendbarkeit der §§  305 ff. BGB Ob ein Prozessvergleich, bei dem entweder der Unternehmer oder der Richter auf vorformulierte Vertragsbedingungen zurückgreift, der AGB-Kontrolle unterfällt, wird in der Literatur selten angedacht.15 Teilweise wird aus Gerichtsentscheidungen zu Gerichtsstands- und Schiedsklauseln rückgeschlossen, dass Prozessvereinbarungen stets der AGB-Kontrolle unterliegen.16 Diese Aussage lässt sich aber nicht derart pauschal machen: Gerichtsstands- und Schiedsklauseln treffen zwar Vereinbarungen mit prozessualer Wirkung. Doch da sie außerhalb eines anhängigen Verfahrens geschlossen wurden, richtet sich ihr Zustandekommen nach den Regelungen des materiellen Rechts, d. h. bei deutschem Vertragsstatut insbesondere nach den §§  104 ff., 134, 138, 145 ff. BGB und damit auch §§  305 ff. BGB.17 Demgegenüber sind auf das Zustandekommen des Pro15  Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  7 79, Rn.  10; OLG Karlsruhe, WM 2007, 590, 591 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 132 f.; offen lassend zum Grundbuchverfahren OLG München, NJW-RR 2013, 1174, 1175. 16 Etwa Basedow, in: MünchKomm-BGB, 8.   Aufl., 2019, §   305, Rn.   9 f.; J. Becker, in: ­Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  305, Rn.  12; Heinze, AcP 211, 2011, 105, 118; Jacobs, in: Rolfs u. a. (Hg.), BeckOK-ArbR, 55. Ed., 1.3.2020 §  305, Rn.  21; Schlosser, in: Staudinger, 2013, §  305, Rn.  14; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 40–134. 17  BGH, NJW 1952, 26, 26; NJW 1972, 1622, 1623 f.; NJW 1986, 1438, 1439; NJW 1989, 1431, 1432; anderer Schwerpunkt, aber im Ergebnis ähnlich: BGH, NJW 1968, 1233, 1233; ausführlich Arens, Willensmängel bei Parteihandlungen im Zivilprozeß, 1968, 98–100;

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§  4 Prozessvergleich

zessvergleichs als einem Prozessvertrag, der im Verfahren zustande kommt, spezielle prozessuale Regelungen anwendbar (s. o., I. 2.).18 Freilich zeigt sich, dass die AGB-Kontrolle i. S. d. Klausel-RL auch den Prozessvergleich erfasst (a–d). a) AGB-Kontrolle als Konkretisierung allgemeiner Grundsätze des Vertragsrechts Die prozessualen Sonderregelungen schließen eine AGB-Prüfung nicht aus: Bei Prozessvereinbarungen wie dem Prozessvergleich muss mangels Spezialregelung auf allgemeine Grundsätze des Zivilrechts zurückgegriffen werden. Die AGB-Kontrolle ist in Deutschland inzwischen vom EU-Recht geprägt. Ursprünglich wurde sie aus dem Gedanken des §  242 BGB entwickelt. Sie soll allgemeine Vertragsgerechtigkeit sicherstellen. Vertragsgerechtigkeit soll aber auch in Verfahrensvereinbarungen herrschen.19 Die AGB-Kontrolle stellt damit eine Konkretisierung allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze dar, die auch für Verfahrensvereinbarungen gelten. Hinzu kommt, dass der Prozessvergleich eine materiell- und eine prozessrechtliche Natur hat (s. o. I. 1.). Der Inhalt des Vergleichsvertrags gem. §  779 BGB richtet sich, anders als sein Zustandekommen, nach dem materiellen Recht. Die AGB-Kontrolle wiederum soll sicherstellen, dass der Inhalt des Vertrags ein Minimum an fairen Vertragsbedingungen enthält. Der Zweck der §§  305 ff. BGB entfällt also nicht von vornherein, nur weil der Vertrag schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung geschlossen wurde.20 Dies spricht dafür, die Vereinbarung, die zu einem Prozessvergleich führt, nicht von der AGB-Kontrolle auszunehmen. b) Umfassender Anwendungsbereich der Klausel-RL In der Klausel-RL finden sich weder bestätigende noch widerlegende Hinweise darauf, ob Vereinbarungen eines Prozessvergleichs kontrollfähig sein sollen. C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  339, 340, 342; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1029, Rn.  12–14; Rauscher, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, Einleitung, Rn.  437; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  66 Rn.  13; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 94–95, 279; zur Gerichtsstandsvereinbarung Bork, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, §  38, Rn.  50 f.; Heinrich, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  38, Rn.  3; zu Schiedsvereinbarungen Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  6; ähnlich schon Oertmann, ZZP 45, 1915, 389, 402 f. 18  Z. B. BGH, NJW 1991, 1743, 1743 f.; NJW 2014, 1231, 1233 (Rn.  2 2 a. E.); Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 76; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  264; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  24. 19  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 113, 131 f.; ähnlich bereits Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, 87; ähnlich zum Mahnverfahren und §  138 BGB: Schlosser, IPRax 2012, 507, 508. 20  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 165 f.; zu §  7 79 BGB allgemein: Hau, ZfPW 2018, 385, 400.

A. Prozessvergleich als EU-Verbrauchervertrag

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Der weite Anwendungsbereich der Richtlinie spricht dafür, dass der Richtliniengeber ihn möglichst umfassend verstehen und daher auch Prozessvereinbarungen nicht von vornherein ausnehmen möchte: Die Richtlinie schreibt vor, dass die Mitgliedstaaten Verfahren vorsehen, um die unwirksamen Klauseln im Individualverfahren und in Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes zu rügen (Artt.  6 f. Klausel-RL). Im Anhang sieht sie die Missbräuchlichkeit für bestimmte Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen vor. Dies zeigt, dass die Richtlinie Vereinbarungen mit verfahrensrechtlicher Wirkung nicht ausnimmt. Zudem geht die Richtlinie von einem umfassenden Anwendungsbereich aus, der gerade nicht nur auf das „klassische“ Vertragsverhältnis reduziert ist: Die Richtlinie spricht nicht nur davon, die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats angleichen zu wollen, sondern auch die Verwaltungsvorschriften oder, wie die englische Sprachfassung formuliert, „laws, regulations and administrative provisions“21 (Art.  1 Abs.  1 Klausel-RL). Darüber hinaus gilt die Richtlinie für die gewerbliche Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Rahmen (ErwG 14). Weiterhin geht ErwG 11 davon aus, dass der Verbraucher „bei mündlichen und bei schriftlichen Verträgen“ und „unabhängig davon, ob die Klauseln in einem oder in mehreren Dokumenten enthalten sind“, zu schützen ist. Die Richtlinie soll also unabhängig davon anwendbar sein, in welchem rechtlichen Zusammenhang und in welcher Form die Einigung erfolgt. Art.  3 Abs.  2 Klausel-RL bestätigt diese Lesart: Nach der Norm muss eine Vertragsklausel „immer dann“ als nicht individuell ausgehandelt betrachtet werden, wenn sie die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt. Eine Ausnahme muss also besonders benannt werden und fehlt für die Prozesssituation. Auch dies spricht dafür, dass die Richtlinie unabhängig von der konkreten Einbettung der Vereinbarung grundsätzlich anwendbar bleibt. c) Zweck der AGB-Kontrolle Schließlich spricht der Telos der Bestimmungen dafür, einen umfassenden Anwendungsbereich anzunehmen, der nur ausnahmsweise und ausdrücklich beschränkt werden kann. Die Bestimmungen der Richtlinie zielen darauf ab, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen.22 Damit soll die Privatautonomie der Handelnden in Fällen gesichert werden, in denen sie aufgrund der einseitigen Vorformulierung in Gefahr 21  Spanisch: disposiciones legales, reglamentarias y administrativas; französisch: dispositions législatives, réglementaires et administratives; italienisch: disposizioni legislative, regolamentari e amministrative; niederländisch: wettelijke en bestuursrechtelijke bepalingen. 22 Z. B. EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.   35–37; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  30; VB Pénzügyi Lízing, C-137/08, ECLI:EU:C:2010:659 Rn.  47; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  25; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  40.

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§  4 Prozessvergleich

scheint. Diese Gefahr kann im Verfahren geringer sein, wenn eine prozesstypische, misstrauensgeprägte, streitige Situation vorliegt. Dann können die Parteien Individualvereinbarungen treffen. Die Umstände, die der Vergleichsschluss erfordert, insbesondere die Protokollierung durch den Richter, erleichtern eine solche Individualvereinbarung. Der Richter muss sich gesondert mit der Vereinbarung beschäftigen. Sollte aber eine Situation vorliegen, in der einer Partei vorformulierte Vertragsbedingungen präsentiert werden, die diese nicht aushandeln kann, bedarf diese Partei desselben Schutzes wie außerhalb der Verfahrenssituation.23 d) Parallele zur Rechtsprechung zu anderen Prozessvereinbarungen und -erklärungen Schließlich sprechen die deutsche und die EuGH-Rechtsprechung dafür, dass die Klausel-RL im Zweifel auch auf Prozessvergleichsvereinbarungen anzuwenden ist: Der EuGH kontrolliert notarielle Unterwerfungserklärungen und außerhalb des Verfahrens getroffene Verfahrensvereinbarungen, ohne Problembewusstsein dafür zu zeigen, dass eine prozessuale Vereinbarung besonders zu behandeln sein könnte.24 Der EuGH geht also von einem umfassenden Anwendungsbereich der Richtlinie aus, ohne auf Besonderheiten von nationalen verfahrensrechtlichen Erwägungen abzustellen.25 Auch die deutsche Rechtsprechung kontrolliert vorformulierte notarielle Unterwerfungserklärungen aufgrund ihres materiellrechtlichen Bezugs nach §§  305 ff. BGB, obwohl sie diese als einseitige Prozesserklärungen und damit noch strikter als prozeduralen Normen unterworfen ansieht.26 Dies spricht dafür, Prozessverträge erst recht als kontrollfähig nach §§  305 ff. BGB anzusehen.27 e) Zwischenergebnis Vereinbarungen, die im Verfahren getroffen werden, unterfallen grundsätzlich ebenso der AGB-Kontrolle wie solche, die außerhalb des Verfahrens zustande kommen.28 In einer Prozessvergleichssituation ist daher die Klauselkontrolle 23 Ähnlich

G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 132 f. EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675; Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857. 25  Vgl. ähnlich Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 148 f. 26 Dazu R. Stürner, ZZP 93, 1980, 233, 235; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  128; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 132 f.; krit. Bachner, DNotZ 2008, 644, 650; Bork, ZIP 2009, 1261, 1262; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, 138–140; ders., DNotZ 1990, 531, 544. 27  Wohl AG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2012, 65741; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 161, 279. 28 Ähnlich G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 132 f. 24 Vgl.

A. Prozessvergleich als EU-Verbrauchervertrag

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nach §§  305 ff. BGB grundsätzlich eröffnet, wenn vorformulierte Vertragsbedingungen verwendet werden.29 Ob und unter welchen Umständen der Tatbestand eröffnet ist, ist eine Folgefrage. 2. Tatbestandsmerkmal des „Stellers“ und „Verwenders“ bei vom Richter eingebrachten AGB Bringt der Unternehmer in der Vergleichssituation vorformulierte Vertragsbedingungen in den Vergleichsvertrag ein, ist er Steller und Verwender der AGB. Es kommen hierfür die Situation des Protokollvergleichs und die des Beschlussvergleichs auf Vorschlag der Parteien (§  278 Abs.  6 ZPO) in Betracht. Unerheblich ist, ob die Erklärung mündlich oder schriftlich abgegeben wurde und in einem zusammenhängenden Dokument enthalten ist oder separat niedergelegt wurde.30 Gemäß §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB gelten AGB darüber hinaus als vom Unternehmer gestellt, wenn sie nicht vom Verbraucher in den Vertrag eingebracht wurden. Damit finden die für den „Verwender“ ungünstigeren Regeln (etwa §  305c Abs.  1 BGB) auch dann Anwendung, wenn die AGB tatsächlich von einem Dritten gestellt wurden. Die Rechtsprechung, wonach die Norm auch von Notaren eingebrachte AGB erfasst, ist auch auf solche Klauseln zu übertragen, die der Richter in den Prozessvergleich einbringt. Bringt das Gericht, entweder in der mündlichen Verhandlung als Erörterungsvorschlag oder im schriftlichen Verfahren nach §  278 Abs.  6 ZPO, Vorschläge für die Formulierung des Vergleichs ein und übernehmen die Parteien diese, gilt der Unternehmer gem. §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB als Verwender.31 a) Wortlaut als Ausgangspunkt In der Literatur wird diese Thematik bisher nicht diskutiert. In der Praxis kommt es aber häufig vor, dass der Richter bei der Vergleichsgestaltung auf Mustertexte aus Hand- und Formularbüchern zurückgreift oder sich am Wortlaut früherer Vergleiche orientiert,32 sodass der Wortlaut der Vorschrift erfüllt ist. Unterstützt wird die Auslegung dadurch, dass ein Dritter nach §  310 Abs.  3 Nr.  1 bereits immer dann als „Verwender“ in Betracht kommt, wenn er mit dem Vertrag eigene Interessen verfolgt und damit echter Vertragsbeteiligter, nicht aber Vertragspartner ist.33 §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB wird also weit verstanden, der Wortlaut nicht situationsbedingt teleologisch reduziert. 29  i. E. Informationspflichten und AGB-Prüfung verneinend: OLG Karlsruhe, WM 2007, 590, 591 f.; so auch Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  10. 30  Vgl. etwa ErwG 11 Klausel-RL. 31  Offen lassend: AG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2012, 65741. 32 Empirisch Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 103 f., 114–127. 33  BGH, NJW 2017, 1540, 1541 f.

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§  4 Prozessvergleich

b) Vergleichbarkeit von Notar und Richter Die Unterschiede zwischen der Situation der notariellen Unterwerfungserklärung und der eines Prozessvergleichs rechtfertigen keine sachliche Differenzierung und damit eine teleologische Reduktion von §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB. Ein Notar handelt ebenfalls als Hoheitsträger und neutraler Rechtsanwender. Er ist allerdings Teil der vorbeugenden Rechtspflege. Dies bedeutet, dass die Parteien ihn aufsuchen, wenn sie am Anfang ihres Rechtsverhältnisses stehen und dieses sich noch entwickelt.34 Im Gegensatz dazu befinden sich die Parteien bei Abschluss eines Prozessvergleichs im anhängigen Verfahren, d. h. es ist zu einem Streit gekommen, die Parteien haben die Entwicklung des Rechtsverhältnisses über einen gewissen Zeitraum mitverfolgt und schätzen ihren Gegner anders ein.35 Hinzu kommt, dass ein Notar bei „massentypischen“ Rechtsgeschäften meist auf dieselben Formulare zurückgreift und gegebenenfalls vom Unternehmer beauftragt wurde, wie der Vertrag ausgestaltet sein muss. Im Gegensatz dazu wird das Gericht angerufen, um als neutrale Instanz den Streit zu entscheiden. Eine sachliche Differenzierung zwischen den beiden Situationen wäre also möglich. Sie reicht aber nicht aus, um eine andere Bewertung der Situation herbeizuführen, da umgekehrt die Gemeinsamkeiten überwiegen: Das Gericht kann genau wie der Notar jeden Vertrag eigenständig oder in Zusammenarbeit mit den Parteien konzipieren. Eine AGB-Prüfung entfällt, sobald die Vertragsbedingungen individuell ausgehandelt wurden. Greift das Gericht aber auf vorformulierte Vertragsbedingungen zurück, etwa um sich diese Arbeit zu sparen, ist die Situation nicht anders als die des Notars bei Massengeschäften, da gerade nicht auf die individuelle Situation eingegangen wird.36 Der Verbraucher hat weniger Möglichkeiten als der geschäftserfahrenere Unternehmer, die Vertragsbedingungen auf die Schnelle zu durchschauen und zu überblicken, was die Folge seiner Erklärung ist. Durch die besondere Autorität, die ein Richter im Verfahren in Anspruch nimmt, kann der Verbraucher sich unter Druck gesetzt fühlen, das Vertragsangebot anzunehmen, ohne individuelle Wünsche in den Vertrag einzubringen.37 Der Unternehmer ist demgegenüber prozesserfahrener, sodass der Druck auf ihn geringer ist. Ihm ist daher zuzumuten, dafür zu sorgen, dass auch im Vergleichsvertrag faire Vertragsbedingungen i. S. d. Klausel-RL vorliegen. Diese Überlegungen sprechen neben dem Wortlaut des §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB dafür, dass die Rechtsprechung zum „Stellen“ von AGB durch Dritte auch den Fall erfasst, dass ein Richter die AGB stellt. 34 

Baur, in: Frotz/Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 318. Baur, in: Frotz/Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 318. 36  Anders wohl Baur, in: Frotz/Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 318. 37  Zur richterlichen Steuerung und dem Hinwirken auf eine gütliche Einigung etwa: Arndt, NJW 1967, 1585, 1587; Musielak, in: Nakamura (Hg.), FS Beys, 2003, 1093, 1103; Prütting, ZZP 124, 2011, 163, 164; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  4. 35 

A. Prozessvergleich als EU-Verbrauchervertrag

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c) Einschränkende Berücksichtigung von ErwG 16 Damit sind nicht alle richterlich vorgeschlagenen Vergleiche automatisch kon­ trollfähig oder gar AGB-rechtswidrig. Aber grundsätzlich ist die Kontrolle eröffnet, ob AGB vorliegen und ob diese den Anforderungen der §§  307 ff. BGB genügen. Dass die AGB-Kontrolle möglich ist, bedeutet nicht, dass die besondere Bedeutung des Verfahrens nicht dennoch berücksichtigt werden könnte. Das EU-Recht ließe dem deutschen Recht hier Spielräume, die allerdings bei der deutschen Umsetzung der Klausel-RL nicht genutzt wurden. ErwG 16 der Klausel-RL sieht vor, dass bei der Beurteilung von Treu und Glauben besonders zu berücksichtigen ist, welches „Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien bestand, ob auf den Verbraucher in irgendeiner Weise eingewirkt wurde, seine Zustimmung zu der Klausel zu geben, […]“. Damit lässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten Spielraum bei der Beurteilung, ob eine vorformulierte Klausel vorliegt und nach welchen Maßgaben eine Vereinbarung als unangemessen einzustufen ist.38 Auch der EuGH differenziert nach der konkreten Abschlusssituation und danach, ob der Verbraucher die Möglichkeit hatte, die Verwendung missbräuchlicher Klauseln selbstständig zu beenden.39 Im Gegensatz zur Klausel-RL berücksichtigt das deutsche Recht bei der Abwägung, ob eine Klausel missbräuchlich gem. §  307 BGB ist, die Abschlusssituation nicht. Die Abwägung geht davon aus, dass ein Vertragsschluss unter Einbeziehung von AGB stattgefunden hat. Der Wortlaut des §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB ist eindeutig bei der Frage, wann eine Klausel als vom Unternehmer gestellt gilt und – wie gesehen – ist eine teleologische Reduktion auch nicht angebracht. Insoweit geht das deutsche Recht weiter als das EURecht, was aber zulässig ist, da es sich um einen nur mindestharmonisierenden Rechtsakt handelt. Allerdings kann faktisch der Tatbestand der §§  305 f. nicht erfüllt sein, wenn der Richter erläutert, warum er diesen Vorschlag macht, und Verbraucher und Unternehmer die Möglichkeit haben, zwischen verschiedenen Formulierungen zu wählen. Damit steht der Vertragsinhalt ernsthaft zur Parteidisposition und ist nicht vorformuliert. Ein Richter, der die Erörterungspflicht des §  278 Abs.  2 S.  2 ZPO ernst nimmt, schlägt daher selten AGB i. S. d. §§  305 ff. BGB vor. In den übrigen Fällen ist eine AGB-Prüfung ebenso geboten wie in den Fällen, in denen ein normaler B2C-Vertrag geschlossen wird.

38 Ähnlich Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 144 f.; vgl. EuGH, Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rn.  68; Basedow, in: Müller u. a. (Hg.), FS Hirsch, 2008, 51, 58. 39 EuGH, Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.   27 f.; Aziz, C-415/11, ECLI: EU:C:2013:164 Rn.  68.

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3. Folge einer unwirksamen Klausel Ist eine Klausel in einem Vergleichsvertrag unwirksam, führt dies zu seiner Gesamtunwirksamkeit gem. §  306 Abs.  3 BGB. Entgegen der Grundregel des §  306 Abs.  1 BGB bleibt bei einer unwirksamen Klausel nicht der Rest des Vergleichvertrags wirksam. Dies liegt an der besonderen Stellung des §  779 BGB, da sein Tatbestand an die prozessuale Ungewissheit und das gegenseitige Nachgeben anknüpft. Das Gesamtgefüge der Einigung wird durch eine einzelne unwirksame Vereinbarung gestört. Regelmäßig stehen die Vereinbarungen in Wechselwirkung mit dem konkreten, zu beendenden Rechtsstreit. Der Vergleichsvertrag bildet also ein Gesamtgefüge, in dem jede Vereinbarung Teil des gegenseitigen Nachgebens i. S. d. §  779 BGB ist. Es wäre daher unbillig, wenn eine Partei gerade auch wegen der unwirksamen Vereinbarung nachgegeben hätte, und dann trotz der Unwirksamkeit an den Rest des Vertrags samt seiner prozessbeendigenden Wirkung gebunden bliebe. Daher führt die Unwirksamkeit einer Vereinbarung gem. §  306 Abs.  3 BGB regelmäßig zur Gesamtunwirksamkeit des gesamten Prozessvergleichs.40 Zugleich entfällt die prozessbeendende Wirkung und der Prozess muss insgesamt fortgesetzt werden.41 Diese Folge ist sachgemäß, da sie zugleich eine disziplinierende Wirkung nicht nur auf den Unternehmer, sondern auch auf den Richter hat. Dieser wird durch einen unwirksamen Vergleichsschluss nicht vom Verfahren „befreit“, sodass er besondere Anreize im Vorfeld hat, nur rechtmäßige, wirksame Vergleichsschlüsse zu fördern.

III. Informationspflichten und Widerrufsrechte Informationspflichten und Widerrufsrechte können aus zwei Gründen entstehen: vertragsinhaltsbezogen und vertragsabschlussbezogen. Die VerbrR-RL knüpft die Entstehung an die Vertragsabschlusssituation an: Widerrufsrechte und Informationspflichten entstehen bei Verträgen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden. Obwohl beide Tatbestände zunächst gegeben zu sein scheinen, ist weder ein Vertrag, der im Gerichtssaal zustande kommt, „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen“ (1.), noch sind die schriftsätzlichen Erklärungen, die gem. §  278 Abs.  6 ZPO zu einem Vergleichsschluss führen können, Erklärungen „im Fernabsatz“ 40  Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 302 f.; allgemein z. B. Mende, Die in den Prozessvergleich aufgenommene Klagerücknahme, 1976, 73–80. 41  Z. B. Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  7 79, Rn.  49, 74; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 84; Häsemeyer, ZZP 108, 1995, 289, 316; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 90 f.; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  58, 71; Steffen, in: Ballhaus/Dehner (Hg.), RGRK, 12.  Aufl., 1978, §  779, Rn.  65; Walker, in: Schuschke/­ Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  18 f.; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, 190 f.; Zeising, WM 2011, 774, 779 f.; ebenso im Verwaltungsrecht: ­Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 172.

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(2.). Diese Ergebnisse lassen sich für andere Widerrufsrechte und Informationspflichten verallgemeinern (3.). 1. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und die Situation des Protokollvergleichs Ein Vergleich kann in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben werden (Protokollvergleich), d. h. es muss die Form der gerichtlichen Protokollierung gem. §§  160 ff. ZPO eingehalten sein (§  160 Abs.  3 Nr.  1 ZPO).42 Unerheblich ist, ob der Protokollierung mündliche oder schriftliche Erklärungen vorausgegangen sind (vgl. §  278 Abs.  6 ZPO). Diese Formvorgabe ist zwingend und wesentlich.43 Wird die Form nicht eingehalten, ist der Vergleich aus prozessualen Gründen unwirksam.44 Diese Form des Vergleichs ist die ursprüngliche. Alle Normen, die sich auf den Prozessvergleich beziehen, erfassen zumindest den Vergleichsschluss auf diese Weise.45 Subsumiert man die Situation des Vergleichsschlusses in der mündlichen Verhandlung unter die Definition der „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge“ (Art.  2 Nr.  9 lit.  a und b VerbrR-RL, §  312b Abs.  1, 2 BGB), so ist diese auf den ersten Blick einschlägig:46 Der Unternehmer übt seine gewerbliche Tätigkeit im Gerichtssaal nicht dauerhaft aus. Dies ist für den Verbraucher erkennbar.47 Allerdings erklärt Art.  3 Abs.  3 lit.  i VerbrR-RL selbst, dass die Richtlinie hier keine Anwendung findet: Sie gilt nicht für Verträge, „die nach dem Recht der Mitgliedstaaten vor einem öffentlichen Amtsträger geschlossen werden, der gesetzlich zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet ist und durch umfassende rechtliche Aufklärung sicherzustellen hat, dass der Verbraucher den Vertrag nur aufgrund gründlicher rechtlicher Prüfung und in Kenntnis seiner rechtlichen Tragweite abschließt“. Ein Richter ist ein solcher Amtsträger. Die Ausnahme ist auch vor dem Hintergrund der Verfahrensautonomie der Mit42  Z. B. Atteslander-Dürrenmatt, Prozessvergleich, 2006, 63 f.; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  54, 59; Häsemeyer, ZZP 108, 1995, 289, 314 f.; Steffen, in: Ballhaus/Dehner (Hg.), RGRK, 12.  Aufl., 1978, §  779, Rn.  56; zum Verwaltungsgerichtsverfahren Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 102. 43  OLG Oldenburg, MDR 1958, 850, 850; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  7 79, Rn.  5 4, 59. 44  Bonin, Der Prozeßvergleich, 1957, 42; Bork, Vergleich, 1988, 449; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  54, 59; Walker, in: Schuschke/Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  9. 45 Z. B. zum Güterichter: Bacher, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §   278, Rn.   29; zum selbstständigen Beweisverfahren M. Huber, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  492, Rn.  4; Schreiber, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  492, Rn.  5. 46  Mediger, NZM 2015, 185, 189; wohl auch Hau, NZM 2015, 435, 440; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  71. 47  Zu diesem Kriterium: EuGH, Verbraucherzentrale Berlin, C-485/17, ECLI:EU:C:2018: 642 Rn.  43, 47.

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gliedstaaten sinnvoll: Stufte die Richtlinie einen Gerichtssaal als derartigen Ort ein, überformte sie das gesamte Prozessrecht der Mitgliedstaaten stark materiellrechtlich. Die EU griffe damit in die Organisation und den Ablauf des Prozesses erheblich ein. Die Kommunikation im Gerichtssaal und wie diese Kommunikation zwischen Gericht und Parteien stattzufinden hat, ist Kern jedes Prozessrechts und spiegelt die nationale Prozessrechtskultur und die Rollenverteilung zwischen Parteien und Gericht wider.48 Für den Rechtsuchenden ist zudem eine geordnete Rechtspflege mit effizienten Ablaufstrukturen notwendig. Diese Werte werden vom EU-Recht anerkannt.49 Auch besteht aus Sicht des EU-Rechts kein besonderes Interesse an einer Harmonisierung der Verfahrenskommunikation. Für grenzüberschreitende Fragen, d. h. die Fragen, die aus Sicht der EU binnenmarktrelevant sind, ist das Zuständigkeits-, Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht bereits harmonisiert, um Rechtssicherheit in diesen Fragen zu bringen, insbesondere durch die Brüssel Ia-VO/EuGVVO. Die EU verfolgt mit der VerbrR-RL oder den anderen Verbraucherrechts-RL keine Amibitionen, im nationalen Prozessrecht die Verfahrensabläufe zu vereinheitlichen. Eine Anwendung könnte sich damit nur daraus ergeben, dass der deutsche Gesetzgeber bewusst den Anwendungsbereich der Richtlinie für das deutsche Recht erweitert hat. Dies wäre zulässig, da das EU-Recht nur im Anwendungsbereich der Richtlinie das nationale Recht vollharmonisiert, es aber möglich ist, die Richtlinie auf weitere Situationen auszudehnen. Der Gesetzgeber wollte aber den Anwendungsbereich von §  312b BGB nicht erweitern, insbesondere nicht auf Prozesssituationen.50 Im Gegenteil hat er sich darauf beschränkt, die Definitionen der Richtlinie ins BGB zu übernehmen.51 Er wollte also nur deren Anwendungsbereich spiegeln. Hinzu kommt, dass eine solche erweiterte Anwendung der Richtlinie einen Bruch mit dem bisherigen Prozessrecht herstellte: Die Parteien rechnen typischerweise damit, dass die Verfahrensregeln der ZPO anwendbar sind, nicht aber damit, zusätzlich umfangreiche Belehrungen nach dem BGB erteilen zu müssen. Zusätzliche Anforderungen oder auch ein zusätzliches Widerrufsrecht würden gerade Rechtsunsicherheit schaffen. Wollte der Gesetzgeber eine so grundlegende Änderung im Prozessrecht vornehmen, hätte er dies nicht implizit getan, sondern ausdrücklich und mit Verweis auf die ZPO. 48  Vgl. etwa EuGH, van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.  20 f.; van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI:EU:C:2007:318 Rn.  35; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  10; Schebesta, ERPL 2010, 847, 857; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 537 f.; a. A. Cahn, ZEuP 1998, 973, 978 f. 49  EuGH, van Schijndel u. a., C-430/93, C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441 Rn.  20 f.; van der Weerd u. a., C-222/05, ECLI:EU:C:2007:318 Rn.  35; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 385 f. 50  Wohl auch J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  7 79, Rn.  114; anders Mediger, NZM 2015, 185, 189; wohl auch Hau, NZM 2015, 435, 440. 51  Vgl. BR-Drs. 817/12, 37; 79 f.; BT-Drs 17/12637, 49 f.

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Schließlich spricht der Zweck von Widerrufsrecht und Informationspflichten für ein solches Verständnis: Der Gerichtssaal ist kein Ort, an dem der Verbraucher davon überrascht wird, dass ihm ein Prozessvergleich angetragen wird.52 Im Gegenteil ist die Prozesssituation eine solche, in der mit einem Vergleichsversuch zu rechnen ist. Darüber hinaus ist der Verbraucher in dieser Situation nicht der besonderen Gefahr missbräuchlicher Vertragsschlusspraktiken ausgesetzt: Die Anwesenheit des Richters und gegebenenfalls der Anwälte führt dazu, dass der Unternehmer den Verbraucher weder emotional noch auf andere Weise unter Druck setzen kann, um ihn zu einem Vertragsschluss zu bewegen.53 §  312b Abs.  1 BGB ist daher nicht auf die Situation des Prozessvergleichs anzuwenden.54 2. Fernabsatzverträge und Beschlussvergleich Ebenfalls nicht bei einen Vergleichsschluss per Schriftsatzaustausch nach §  278 Abs.  6 ZPO einschlägig sind die Regelungen für den Vertragsschluss im Fern­ absatz, obwohl der Tatbestand zunächst vorzuliegen scheint. §  278 Abs.  6 S.  1 ZPO sieht zwei Möglichkeiten des Vergleichsschlusses im schriftlichen Verfahren vor: Die Parteien können dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder umgekehrt einen Vergleichsvorschlag annehmen, der vom Gericht vorgeschlagen wurde. Die jeweilige Erklärung muss nicht nur gegenüber der anderen Partei, sondern auch dem Gericht abgegeben werden. Bei beiden Vergleichsschlussmöglichkeiten ist keine Protokollierung notwendig (aber zulässig, vgl. §  278 Abs.  6 ZPO). Findet keine Zuprotokollgabe statt, stellt das Gericht gem. §  278 Abs.  6 S.  2 ZPO das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs durch Beschluss fest. Der Vergleich wird dann durch den Gerichtsbeschluss wirksam.55 Im selbstständigen Beweisverfahren, dem PKH-Verfahren und dem Verfahren vor dem Güterichter spricht der Wortlaut dagegen, dass auch der Beschlussvergleich eine zulässige Vergleichsform darstellt. §§  118 Abs.  1 S.  3, 492 Abs.  3 ZPO verwenden im Zusammenhang mit dem Vergleich nur die Formulierung „zu Protokoll“ oder „protokollieren“, wenn die Parteien persönlich erscheinen. Allerdings gelten in allen Verfahren dieselben Interessen, auf die §  278 Abs.  6 ZPO zurückgeht: Es sollen allgemein gütliche Einigungen zwischen den Parteien gefördert werden. Daher sollen die Parteien für eine gütliche Streitbeilegung nicht extra anwesend sein 52  Zu diesem Zweck BR-Drs. 817/12, 79; BT-Drs 17/12637, 49; ebenso J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  114. 53  BR-Drs. 817/12, 79; BT-Drs 17/12637, 49; zum Prozessrecht allgemein Baur, in: Frotz/ Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 317 f.; skeptisch Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 476; Knauss, ZRP 2009, 206, 208. 54  I.E. auch J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  7 79, Rn.  114. 55  Z. B. zum gesamten Absatz Nungeßer, NZA 2005, 1027, 1028; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  81 f., 85,89; Zeising, NJ 2011, 353, 357.

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müssen. Auch der Beschlussvergleich ist daher in den genannten Verfahren analog §  278 Abs.  6 ZPO zulässig.56 Bei wortwörtlicher Subsumtion scheinen die Voraussetzungen des §  312c Abs.  2 BGB zwar vorzuliegen: Verbraucher und Unternehmer schließen den Vertrag ausschließlich mittels Fernkommunikation, wozu auch Briefe zählen (§  312c Abs.  2 Var.  1 BGB), und die durch das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) forcierte elektronische Kommunikation.57 Weder das Gericht noch die Schriftsatzkommunikation mit demselben stellen ein Fernabsatzvertriebssystem i. S. d. §  312c Abs.  1 a. E. BGB dar, auch wenn das Gericht typischerweise die Kommunikation weiterleitet. Denn Primärzweck des Gerichts ist nicht, Kommunikationsdienstleistungen zu erbringen. Im Gegenteil stellen die Erklärungen gegenüber dem Gericht Prozesshandlungen dar, d. h. sie müssen besonderen formalen Anforderungen genügen,58 die unabhängig vom Fern­ kommunikationsmedium sind. Hinzu kommt, dass die Parteien den Beschlussvergleich mittels eines Dritten, des Richters, schließen, ohne dass dieser im Namen einer der Parteien handelt. Der Vergleich kommt damit nicht durch die Einigung der Parteien zustande, sondern durch Gerichtsbeschluss. Der Beschluss ergeht damit im Gericht, nicht im Fernabsatz, auch wenn er den Parteien mitgeteilt werden muss, nachdem er ergangen ist. Damit ist schon das Tatbestandsmerkmal des Fernabsatzvertrags nicht erfüllt.59 3. Verallgemeinerung für Informationspflichten Auch darüber hinaus darf in der Situation des Prozessvergleichs nicht verlangt werden, dass der Unternehmer seinen Informationspflichten bei oder vor Vertragsschluss nachkommt,60 etwa bei Informationspflichten, die an den Vertrags­ typ anknüpfen (z. B. Teilzeit-Wohnrechtevertrag). Ebenso entfallen die parallel geregelten Widerrufsrechte. 61 56  BT-Drs. 11/3621, 24; LG Lüneburg, NJW-RR 2003, 1506, 1506; OLG Braunschweig, ECLI:DE:OLGBS:2017:0321.1UF106.16.0A; Bork, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, §  118, Rn.  33; M. Huber, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  492, Rn.  4; Fischer, ebd., §  118, Rn.  5; Schreiber, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  492, Rn.  5; Wache, ebd., §  118, Rn.  13; Pukall, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  492, Rn.  6; Kießling, ebd., §  118 Rn.  12; einschränkend Bacher, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  278, Rn.  29. 57  Dazu §  31a BRAO. 58  Z. B. Musielak, in: Nakamura (Hg.), FS Beys, 2003, 1093, 1100. 59  Zum daher zulässigen Ausschluss im Prozessvergleich nach französischem und italienischem Recht Caponi, RabelsZ 79, 2015, 117, 137. 60  J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  7 79, Rn.  115; allgemein zur Sinnhaftigkeit einer Überlegungszeit nach einem Vergleichsschluss: Camerer u. a., UPenn Law Rev 151, 2003, 1211, 1243 f. 61  J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  7 79, Rn.  115; allgemeiner: Camerer u. a., UPenn Law Rev 151, 2003, 1211, 1243 f.

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Das EU-Recht ist hier nicht anwendbar: Art.  3 Abs.  2 lit.  e VerbrK-RL und Art.  3 Abs.  2 lit.  e Wohnimmobilienkredit-RL62 nehmen gerichtliche Vergleiche vollends von den Regelungen der Richtlinien aus.63 Der Zweck von Widerrufsrecht und Informationspflichten greift hier nicht, denn der Vertragsschluss ist für den Verbraucher nichts Neues oder Unerwartetes: Verbraucher und Unternehmer haben bereits einen Vertrag geschlossen, aus dem die Streitigkeit resultiert. Für diesen Vertrag hat der Unternehmer bereits informiert. Der Vergleichsvertrag bezieht sich typischerweise auf den vorherigen Vertragsschluss. Die typische misstrauensgeprägte Situation im Prozess führt dazu, dass der Verbraucher nicht leichtfertig auf einen Vertrag eingeht. Somit gibt das EU-Recht hier der Verfahrensautonomie Raum und überlässt den Ablauf und das konkrete Zustandekommen von Vergleichsverhandlungen den Mitgliedstaaten. 64 Entsprechend entfallen die Informationspflichten und ein Verbraucherwiderrufsrecht beim Verbraucherdarlehensvertrag gem. §  491 Abs.  4 BGB, wenn der Vertrag durch Prozessvergleich (Protokoll- oder Beschlussvergleich) geschlossen wurde. 65 Eine vergleichbare Regelung fehlt bei der Wohnimmobilienkredit-­ RL. Dies liegt aber nicht daran, dass der Gesetzgeber hier die Situation des Prozessvergleichs anders als §  491 Abs.  4 BGB regeln wollte: Die Richtlinie ist nicht unmittelbar anwendbar, sodass eine gesonderte Regelung sich wieder nur aus einer zusätzlichen Anwendung durch den deutschen Gesetzgeber ergeben könnte. Aus der Nichtregelung des Gesetzgebers lässt sich aber nicht schließen, dass dieser die Richtlinie über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinaus im Prozessrecht für anwendbar erklären wollte. Es widerspräche dem Zweck des §  278 Abs.  1, 2, 6 ZPO bzw. den anderen Regelungen zu Vergleichsabschlüssen: Diese sollen den Abschluss eines Prozessvergleichs im Verfahren und eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits fördern.66 Verlangte das Recht vom Unternehmer, dass er bei jedem Prozessvergleich seinen Informationspflichten nachkäme, käme es nicht mehr zu Vergleichsschlüssen. Dem Unternehmer bliebe keine Flexibilität, auf die Inhalte des Verfahrens einzugehen. Dies widerspräche dem Zweck der Regelungen, eine gütliche Einigung zu fördern. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Regelungen implizit erweitern und damit den Zweck des §  278 Abs.  6 ZPO praktisch aushebeln wollte. 62 RL 2014/17/EU vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr.  1093/2010, ABl. EU 2014, Nr. L 60, 34. 63  Z. B. Schürnbrand/C. A. Weber, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  491, Rn.  99 f. 64 Vgl. J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  7 79, Rn.  115; Schürnbrand/C. A. Weber, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  491, Rn.  99 f. 65  Dazu auch J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  7 79, Rn.  115. 66 Z. B. BT-Drs. 14/4722, 83; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 400; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 224 f.; historisch-international rechtsvergleichend Seagle, Weltgeschichte des Rechts, 3.  Aufl., 1969, 88 f.

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Da das Unionsrecht seinerseits diese Frage dem nationalen Verfahrensrecht überlässt und es den Regeln der ZPO zuwiderlaufen würde, in Vergleichsverhandlungen zugleich umfangreiche Informationspflichten zu verlangen und ein Widerrufsrecht entstehen zu lassen, ist §  491 Abs.  4 BGB analog auf die übrigen Informationspflichten und Widerrufsrechte anzuwenden. 67 Diese entfallen, wenn im Vergleichsprotokoll bzw. im Gerichtsbeschluss der Vertrag zustande kommt und die wesentlichen Vertragsinhalte enthält, die das Unionsrecht fordert. Eine zusätzliche Information ist nicht notwendig und ein Widerrufsrecht entsteht nicht. Etwas anderes gilt nur, wenn das EU-Recht in (zukünftigen) Rechtsakten ausdrücklich etwas anderes vorsieht.

IV. Zwischenergebnis Soweit das EU-Verbrauchervertragsrecht unmittelbar den Vertragsinhalt betrifft, bleibt es auch beim Inhalt des Prozessvergleichs relevant. Der Vergleichs­ inhalt kann auf seine AGB-Rechtswidrigkeit kontrolliert werden: Soweit der Unternehmer oder der Richter vorformulierte Vergleichsbedingungen vorschlagen, ist die Kontrolle nach §§  307 ff., 310 Abs.  3 Nr.  1 BGB eröffnet. Die besondere Vergleichssituation ist nur zu berücksichtigen insofern, dass Klauseln regelmäßig dann nicht „vorformuliert“ i. S. d. §  305 Abs.  1 S.  1 BGB sind, wenn der Richter beim Vorschlag der AGB in der mündlichen Verhandlung oder im schriftlichen Verfahren deutlich macht, dass der Verbraucher keine Pflicht hat, die Vereinbarung so wie vorgegeben oder überhaupt zu schließen und einzelne Klauseln erläutert. Folge einer missbräuchlichen Klausel ist die Unwirksamkeit des gesamten Vergleichs, da dieser aus einer Gesamtabwägung des Vertragsinhalts resultiert und daher auch insgesamt hinfällig wird. Weder geschehen die Kommunikation und der Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren gem. §  278 Abs.  6 ZPO „im Fernabsatz“ i. S. d. §  312c BGB, noch ist ein Vergleichsschluss in der mündlichen Verhandlung als „außerhalb von Geschäftsräumen“ geschlossen zu qualifizieren (§  312b BGB). Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich nicht auf diese prozessualen Situationen. Der deutsche Gesetzgeber hätte zwar eine überschießende Anwendung anordnen können, aus den Gesetzgebungsmaterialien und der Gesetzessystematik ergibt sich aber, dass er dies nicht beabsichtigte. Auch darüber hinaus entfallen Informationspflichten und Widerrufsrechte in der Situation des Prozessvergleichs analog §  491 Abs.  4 BGB, wenn der Vertrag per Vergleich zustande kommt und das Protokoll oder der Beschluss die wesentlichen Vertragsinformationen enthält.

67  J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  7 79, Rn.  115; allgemeiner: Camerer u. a., UPenn Law Rev 151, 2003, 1211, 1243 f.

B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich 301

B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich Unabhängig davon, ob das Zustandekommen des Prozessvergleichs sich nach EU-Recht oder nach nationalem Prozessrecht richtet, ist die Frage zu beurteilen, ob durch den Prozessvergleich zwingendes Recht abbedungen werden kann. Dabei geht es primär um Situationen, in denen die Parteien eine Vereinbarung über das bereits bestehende Rechtsverhältnis treffen, das Anlass für den Rechtsstreit geboten hat, und dieses inhaltlich ändern möchten. Diese Frage stellt sich etwa beim Verbrauchsgüterkauf und den Regelungen der VerbrGK-RL. Diese ordnet für den Kaufvertrag inhaltlich zwingende Regelungen an, die nur ausnahmsweise von den Parteien abbedungen werden können, nämlich bezogen auf die Mängelrechte zu Mängeln, von denen Verbraucher und Unternehmer bereits Kenntnis haben (§  2 A. III. 3.). In der Situation des Prozessvergleichs ändert sich diese Beurteilung. Dieser ist nicht bei streitgegenständ­ lichem zwingendem Recht ausgeschlossen (I.), doch bleiben die zwingenden Regelungen unabdingbar (II.). Eine Ausnahme gilt für den Tatbestand des „Tatsachenvergleichs“: Hier greift die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, ohne dass das Unionsrecht vorrangige Regelungen getroffen hat. Eine Rückausnahme bilden wiederum die speziellen Regelungen zur Beweislast; hier verdrängt das vorrangig anwendbare EU-Recht das nationale Verfahrensrecht.

I. Zulässigkeit und Vergleichsbefugnis Damit die Parteien einen Vergleich schließen können, muss dessen Inhalt zur Parteidisposition stehen. Dies wird auch als die Vergleichs- oder Dispositionsbefugnis der Parteien bezeichnet. 68 Sowohl nach deutschem (1.) als auch nach EU-Recht (2.) besteht diese Vergleichsbefugnis, auch wenn zwingende Normen den Inhalt des Vergleichsvertrags mitbestimmen. 1. Vergleichsbefugnis nach deutschem Recht Die Vergleichs- oder Dispositionsbefugnis regelt, was abstrakt Gegenstand eines Vergleichs sein kann (vgl. bereits die ähnliche Frage beim Anerkenntnisurteil, §  3 B.). Es geht darum, ob die Parteien über den Streit- oder einen darüber hinausgehenden Vergleichsgegenstand69 verfügen können oder ob eine Entscheidung in dieser Materie den Gerichten vorbehalten ist.70 §  106 VwGO, der 68  Vgl. BGH, NJW 2009, 438, 439 f.; Atteslander-Dürrenmatt, Prozessvergleich, 2006, 61 f. mit Fn.  9; Zeising, NJ 2011, 353, 355. 69  Zu §  106 VwGO: Löwer, VerwArch 56, 1965, 142, 150; ähnlich Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 76. 70  Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 80; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 416; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, 190.

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§  4 Prozessvergleich

im Verwaltungsgerichtsverfahren einen Vergleich parallel zur ZPO zulässt,71 formuliert dementsprechend, dass über den Gegenstand der Klage verfügt werden können muss. „Gegenstand der Klage“ ist weit zu verstehen und geht über den Streitgegenstand hinaus. Auch im Verwaltungsprozess müssen Behörde und Bürger bei Vergleichsschluss in der Lage sein, eine Materie unabhängig vom Gericht zu entscheiden. Etwa muss die Behörde sachlich in der Lage sein, gegenüber dem Bürger einen Verwaltungsakt zu erlassen.72 Die Verfügungsbefugnis ist etwa bei Statusfragen ausgeschlossen. Eine Ehe kann nicht durch Partei-, sondern nur durch staatlichen Hoheitsakt begründet oder geschieden werden.73 Ebenfalls nicht vergleichsfähig ist die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels nach §  328 ZPO.74 Auch hier besteht ein staatliches Eyntscheidungsmonopol, soweit dieses nicht ausdrücklich aufgehoben wurde (vgl. etwa Art.  36 Abs.  1 EuGVVO/Brüssel Ia-VO). Fragen des Verbrauchervertragsrechts sind nicht von der so verstandenen Verfügungs- oder Vergleichsbefugnis ausgenommen. 2. Vergleichsbefugnis nach EU-Recht Das EU-Recht geht in einer Reihe von Regelungen davon aus, dass die Parteien ihr Recht nicht in einem Gerichtsverfahren durchsetzen müssen. Es beschäftigt sich sowohl mit Verfahrensvereinbarungen, die an die Stelle eines Gerichts­ verfahrens treten, als auch mit Vereinbarungen, die in einem laufenden Verfahren getroffen werden und das Verfahren anders als durch richterliche Entscheidung beenden. Insbesondere die in ein Gerichtsverfahren eingebettete gütliche Einigung (Prozessvergleich) ist ein in allen Mitgliedstaaten und von der EU anerkanntes Streitbeilegungsinstrument. Im harmonisierten Internationalen Verfahrensrecht finden sich ausdrückliche Regelungen zur Anerkennung vollstreckungsfähiger Urkunden und Vergleiche.75 Ebenso sieht die Kartellschadensersatz-RL76 in Artt.  18 f. ausdrücklich die Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung vor. 71 

Breetzke, NJW 1969, 1408, 1409. NJW 1962, 1636, 1636; Löwer, VerwArch 56, 1965, 142, 148–152; ähnlich ­Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 132 f. 73  Vgl. BGH, NJW 1954, 1886, 1887 f.; Bonin, Der Prozeßvergleich, 1957, 15–18; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 81; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 217 f.; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  35; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  131 Rn.  18; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 62 f.; ähnlich auch zu §  101 Abs.  1 SGG: Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  779, Rn.  19. 74  W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  15; Schlosser, in: Böckstiegel/­ Glossner (Hg.), FS Bülow, 1981, 189, 195. 75 Z.  B. Artt.  58 f. Brüssel Ia-VO; Art.  23a Small Claims-VO; Art.  46 Brüssel IIa-VO; Artt.  59 f. EuPartVO. 76  Richtlinie 2014/104 vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadens72 BVerwG,

B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich 303

II. Dispositionsmöglichkeit über den Vergleichsinhalt In der Diskussion um die Vergleichsbefugnis wird auch thematisiert, welchen zulässigen Inhalt ein Vergleich haben kann. Es geht darum, ob die Parteien durch Vergleich einen Vertrag schließen können, den sie außerhalb der Vergleichssituation nicht schließen könnten,77 da er zwingendem Recht widerspricht. Etwa geht es darum, ob sie Mängelrechte beim Verbrauchsgüterkauf abbedingen können, die nicht materiellrechtlich disponibel sind. Bei dieser Frage handelt es nicht um die gerade beschriebene Vergleichsbefugnis, die nur fehlt, wenn ausnahmsweise der Streitgegenstand der Gerichtsentscheidung vorbehalten ist, sondern darum, ob Dispositionen per Prozessvergleich möglich sind, die materiellrechtlich nicht zulässig sind. Im deutschen Recht und zum Verbrauchervertragsrecht unionsrechtlicher Herkunft wird einerseits vertreten, dass Dispositionen zulasten des Verbrauchers per Prozessvergleich genauso wenig möglich seien wie materiellrechtlich.78 Doch wird auch andererseits argumentiert, §  476 BGB drücke einen allgemeinen Grundsatz aus: In einer Prozesssituation entfiele das Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Nach Entstehung der Streitigkeit sei eine für diesen einzeln gesehen nachteilige, aber in einer Gesamtbetrachtung vorteilhafte Vereinbarung daher möglich,79 zumindest wenn ein sachliches Interesse des Verbrauchers an der für ihn nachteiligen Abweichung bestehe.80 Auch der deutsche Gesetzgeber geht in einer Reihe von Umsetzungsgesetzen davon aus, dass das EU-Recht eine prozessuale Disposition, die über die materiellrechtlichen Dispositionsmöglichkeiten hinausgeht, für zulässig hält. Insbesondere zwingendes Recht soll per Prozessvergleich abbedungen werden können.81 In der Diskussion wird nationalrechtlich, nicht aber unionsrechtlich argumentiert. Da die Regelungen aber auf EU-Richtlinien zurückgehen, ist zuersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der EU, ABl. EU 2014, Nr. L 349, 1. 77  BGH, NJW 1954, 1886, 1887 f.; Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006, 278 f.; Marburger, in: Staudinger, 2015, §  779, Rn.  5; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 33. 78  Bahnsen, Verbraucherschutz im Zivilprozeß, 1997, 61–63; Breetzke, NJW 1969, 1408, 1409; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  35; E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 585 f.; krit. auch Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 163; ähnlich auch bereits Esser, in: Nipperdey (Hg.), FS Lehmann, 1956, 713, 725 f. 79  Z. B. Maume, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  312k BGB, Rn.  5; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312i, Rn.  11; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 48 f.; ähnlich allgemeiner Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 409. 80  Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.   Aufl., 2017, §  779, Rn.  11, unter Berufung auf OLG Karlsruhe, WM 2007, 590, 592; OLG Brandenburg, WM 2010, 115, die aber beide nicht wirklich Stellung zu der Frage nehmen; ähnlich, aber außerhalb des Bereichs des §  476 Abs.  1 BGB: LG Essen, DAR 2013, 649, 651 f. 81  Vgl. §  33f Abs.  1 S.  4 GWB, dazu BT-Drs. 18/10207, 56.

304

§  4 Prozessvergleich

nächst auf die Bewertung des EU-Rechts abzustellen. In diesem findet sich keine vorrangige Regelung zum Prozessvergleich, die Anwendungsvorrang genösse. Damit kann das nationale Verfahrensrecht Dispositionen vorsehen (1). Das deutsche Recht erlaubt Dispositionen durch Prozessvergleich nur, wenn die zwingende Norm diese Einigung nicht verhindern soll. Dies ist im Schwächerenschutzrecht in der Prozesssituation häufig gegeben, wenn materiellrechtlich ansonsten keine Disposition möglich ist (2.). Das EU-Verbrauchervertragsrecht erlaubt solche Dispositionen aber nicht, dies ergibt sich zum einen daraus, dass die unterstellte strukturelle Asymmetrie im B2C-Verhältnis auch im Prozess nicht ausgeglichen wird, zum anderen aus den überindividuellen, binnenmarktbezogenen Zielen des EU-Verbrauchervertragsrechts (3.). Eine Ausnahme gilt in Einklang mit dem deutschen Recht im Fall des Tatsachenvergleichs: Hier sind Dispositionen möglich, wiederum eingeschränkt durch die Rückausnahme, dass das Unionsrecht vorrangige Regelungen zur Beweislastverteilung getroffen hat (4.). 1. Nationale Verfahrensautonomie aufgrund mangelnder vorrangiger EU-Regelungen Eine Abbedingung zwingenden EU-Verbrauchervertragsrechts ist selbstverständlich möglich, wenn diese bereits materiellrechtlich zulässig ist. Etwa können im Verbrauchsgüterkaufrecht die Gewährleistungsrechte bezogen auf einen konkreten Mangel nach Kenntnis von demselben abbedungen werden, §  476 Abs.  1 S.  1 BGB. Eine prozessuale Vereinbarung gerät nicht in Konflikt mit dem materiellen Recht. 82 Soweit das EU-Recht keine Regeln zur verfahrensrechtlichen Disposition trifft, ist eine Abbedingung im Rahmen der Verfahrensautonomie durch das nationale Recht grundsätzlich zulässig. Das EU-Recht lässt offen, ob verfahrensrechtliche Dispositionen weiter gehen dürfen als materiellrechtliche.83 Im EU-Recht findet sich ein konkreter Hinweis auf Dispositionen nur in der ADR-RL. Die ADR-RL ist nicht einschlägig, da ein Prozessvergleich vor Gericht geschlossen wird und ein Gericht keine Stelle i. S. d. ADR-RL sein kann. Die Richtlinie trifft keine Regelungen zu Verfahren, die in einem vollstreckbaren Titeln münden, allerdings erlaubt sie in anderen (alternativen) Verfahren, dass die Parteien über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht disponieren (dazu bereits §  2 A. VI.). Das EU-Recht schweigt dazu, ob in einem Gerichtsverfahren nach nationalem Recht ein strengerer oder schwächerer Maßstab gilt. Aus den Regelungen der ADR-RL lässt sich aber zumindest entnehmen, dass das EU-Recht in bestimmten verfahrensrechtlichen Situationen auch die Disposition über zwin82  83 

Ausführlich hierzu etwa LG Essen, DAR 2013, 649, 651 f. Weitbrecht, NJW 2017, 1574, 1576.

B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich 305

gendes EU-Verbrauchervertragsrecht für möglich hält, der Maßstab also anders als bei einer rein materiellrechtlichen Einigung sein kann. Die hier relevanten Verbrauchervertrags-Richtlinien treffen keine konkreten Angaben, aus denen sich ergeben könnte, dass sie auch prozessuale Vereinbarungen regeln oder nicht regeln möchten. In ErwG 12 VerbrGK-RL wird erwähnt, dass eine „gütliche Einigung“ ermöglicht werden soll. Diese Möglichkeit besteht nur für die Mangelabhilfemöglichkeiten des Verkäufers nach Mitteilung eines konkreten Mangels. Die Norm geht nicht davon aus, dass die gütliche Einigung losgelöst vom materiellen Recht oder in ein besonderes Verfahren eingebettet sein muss. Stattdessen erlaubt das materielle Recht selbst die Vereinbarung.84 Die Richtlinie schweigt dazu, inwieweit das Verfahrensrecht großzügigere Dispositionen erlauben kann. Auch die VerbrR-RL trifft zwar vereinzelt Regelungen verfahrensrechtlicher Natur, 85 nimmt aber keine Stellung zu verfahrensrechtlichen Dispositionen. Hieraus lässt sich für nur materiellrechtliche Einigungen schließen, dass weitergehende Dispositionen im Zweifel nicht möglich sind. Das EU-Recht möchte das materielle Recht und die einheitliche Rechtsanwendung gerade durch den zwingenden Charakter der Regelungen harmonisieren (ausführlich §  2 A. II. 4.). Im Gegensatz dazu will die EU das nationale Verfahrensrecht nur in Ausnahmefällen harmonisieren und greift stattdessen auf das nationale Zivilverfahrensrecht zurück (§  2 B. II. 1.). Dieser eingeschränkte Harmonisierungswille spricht dafür, dass die hier untersuchten Richtlinien keine Regelungen zu Dispositionen im Individualverfahren treffen möchten. Somit kann die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten greifen. Die Regelungsziele der Normen können zwar über das Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip eine Einschränkung des nationalen Verfahrensrechts verlangen. Das nationale Verfahrensrecht wird aber nicht durch den Anwendungsvorrang des EU-Sekundärrechts verdrängt. 2. Dispositionen im Prozessvergleich nach deutschem Recht Das deutsche Recht sieht nicht vor, dass zwingende Normen per Prozessvergleich stets abbedungen werden können. Stattdessen ist jeweils auf die konkrete zwingende Norm abzustellen und ob sie die Einigung per Prozessvergleich verhindern soll (bereits §  2 A. I.). Zum außergerichtlichen Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB wurde der Frage, ob in demselben Dispositionen über zwingendes Recht getroffen werden kön84  ErwG 12: In Fällen von Vertragswidrigkeit kann der Verkäufer dem Verbraucher zur Erzielung einer gütlichen Einigung stets jede zur Verfügung stehende Abhilfemöglichkeit anbieten. Die Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des betreffenden Vorschlags bleibt dem Verbraucher anheimgestellt. 85  Vgl. Artt.  11 Abs.  4, 23 VerbrR-RL.

306

§  4 Prozessvergleich

nen, bereits nachgegangen (§  2 A. VI.): Ein Vergleichsvertrag kann mit einem bestimmten Inhalt geschlossen werden, wenn die Parteien sich wirksam einigen können. Widerspricht der Inhalt der Einigung zwingendem Recht, ist diese unwirksam.86 Er widerspricht zwingendem Recht aber nur, wenn dieses gerade auch die Vergleichseinigung verhindern soll.87 Wird eine Disposition vereinbart, welche die Regelung verhindern möchte, ist die Vereinbarung unwirksam. Diese Überlegungen gelten auch für den Prozessvergleich. Allerdings muss das Ziel des zwingenden Rechts gerade der Disposition in der Prozessvergleichssituation entgegenstehen.88 Wie allgemein bei Prozessvereinbarungen sind daher sittenwidrige Vereinbarungen nach §  138 BGB ausgeschlossen. 89 Ebenso kann keine Rechtsfolge vereinbart werden, die das anwendbare Recht nicht kennt, etwa kann keine neue Gesellschaftsform außerhalb des numerus clausus gebildet werden,90 wobei in Statusfragen bereits die Vergleichsbefugnis im oben angesprochenen Verständnis (I.) fehlt. Aus einigen Normen des materiellen Rechts geht ausdrücklich hervor, dass sie Vergleiche und Prozessvergleiche nur unter bestimmten Umständen zulassen.91 Der Prozessvergleich, der unter Mitwirkung des Richters zustande kommt, wird teilweise großzügiger behandelt als der nur materiellrechtliche Vergleich (vgl. etwa §§  1585c S.  3, 1629 Abs.  3 S.  2, 1822 Nr.  12 BGB, ggf. i. V. m. §  1908i Abs.  1 BGB).92 Dem Prozessvergleich und der Situation seines Zustande­ kommens werden also besondere Bedeutungen zugemessen.93 Denn das Prozessrecht geht ähnlich wie das materielle Recht in §  779 BGB davon aus, dass es vergleichsfreundlich auszulegen ist: Den Parteien soll auch im Prozess die Möglichkeit der gütlichen Einigung erleichtert werden.94 Deshalb sind zwingende 86 

Z. B. Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 298. Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 138 ff.; E. Schumann, in: Canaris/ Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 585 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 117 f., 121 f. 88  Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 138 ff.; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 193 f., 224 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 121 f. 89  Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 201; Häsemeyer, ZZP 85, 1972, 207, 217 f.; E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 585 f.; ähnlich Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 30 f., 33; Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 165. 90  Cahn, AcP 198, 1998, 35, 46; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  15. 91  Breetzke, NJW 1969, 1408, 1412; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 417 f.; ähnlich Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  11; Wendehorst, in: Münch­Komm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312i, Rn.  11. 92 Ausführlich Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  7 79, Rn.  15. 93  Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 416; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 224 f.; anders wohl Marburger, in: Staudinger, 2015, §  779, Rn.  37; Herschel, AP BUrlG §  13 Unabdingbarkeit Nr.  5. 94 Z. B. BT-Drs. 14/4722, 83; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 400; Mende, Die in den Prozessvergleich aufgenommene Klagerücknahme, 1976, 5–7; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 24 f.; historisch-international: Seagle, Weltgeschichte des Rechts, 3.  Aufl., 1969, 88 f.; krit. Herschel, AP BUrlG §  13 Unabdingbarkeit Nr.  5. 87 

B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich 307

Normen tendenziell so auszulegen, dass sie einer Abbedingung durch Prozessvergleich nicht entgegenstehen. Der Grundsatz, dass eine Norm per Prozessvergleich abbedungen werden kann, wenn sie einer gütlichen Einigung in der Prozesssituation nicht entgegensteht, gilt auch bei Normen, die Schwächerenschutz anstreben. Allgemein können Normen, die eine schwächere Partei vor einem Machtmissbrauch der Gegenseite schützen sollen, nach Entstehung des Konflikts leichter abbedungen werden als in seinem Vorfeld.95 Der Schutzbedarf entfällt insbesondere häufig aufgrund der prozessualen Einbettung, da das Zivilprozessrecht seinerseits Schutzmechanismen für strukturell schwächere Parteien vorsieht. Die unter­ legene Partei ist sich bewusst, dass es um rechtlich relevante Verhaltensweisen geht. Sie kann anwaltlichen Rat einholen. Die Formalität des Verfahrens, die richterliche Mitwirkung beim Vergleich, die anwaltliche Vertretung und die formale Einbettung in das Verfahren gleichen strukturelle Ungleichgewichts­ lagen aus und verhindern Missbrauch durch eine Partei.96 Schränkt die Norm materiellrechtlich die Privatautonomie ein, um eine strukturelle Unterlegenheit des Verbrauchers auszugleichen, entfällt dann im Prozess der Grund, die Parteiautonomie einzuschränken. Der Verbraucher (und die Gegenpartei) können autonom entscheiden, ob eine richterliche Entscheidung gewünscht wird oder die Belastungen durch den Prozess durch eine möglicherweise weniger vorteilhafte Einigung verkürzt werden.97 Auch können beide Parteien Interesse daran haben, sich zu versöhnen und Fragen, die nicht streitgegenständlich sind, in die Lösung einzubeziehen.98 Ob eine Einigung eine Versöhnung herbeiführt oder herbeiführen soll, ist ebenfalls ein subjektiver Faktor, den die Parteien autonom als wünschenswert einschätzen können.99 Anderes gilt, wenn der Schutz weiterhin notwendig ist100 oder wenn neben dem Schwächerenschutz weitere Interessen verfolgt werden, die im Prozess fortbestehen.101 Dann sind Dispositionen weiterhin unmöglich. Insbesondere 95  Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 400, 409; ähnlich wohl Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 2016, 73. 96  Baur, in: Frotz/Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 317 f.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 400; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 61 f.; a. A. Herschel, AP BUrlG §  13 Unabdingbarkeit Nr.  5. 97  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 61; Hau, ZfPW 2018, 385, 403 f.; im Arbeitsrecht etwa BAG, NJW 1977, 1213, 1214; NJW 1981, 1059, 1060. 98  Knauss, ZRP 2009, 206, 207; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 473 f. 99  Struck, JuS 1975, 762, 762–764. 100  Bahnsen, Verbraucherschutz im Zivilprozeß, 1997, 61–63; Breetzke, NJW 1969, 1408, 1409; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  35; E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 585 f.; krit. auch Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 163; ähnlich auch bereits Esser, in: Nipperdey (Hg.), FS Lehmann, 1956, 713, 725 f. 101  Z. B. BAG, AP BUrlG §  13 Unabdingbarkeit Nr.  5; Breetzke, NJW 1969, 1408, 1412; Herschel, AP BUrlG §  13 Unabdingbarkeit Nr.  5; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 141 f.

308

§  4 Prozessvergleich

kann die Normauslegung sich im Bereich des regulierenden Privatrechts und des private enforcement ändern.102 Das deutsche Recht kennt somit keinen Grundsatz, dass ein Prozessvergleich stets oder umgekehrt nur im Bereich dispositiven Rechts möglich ist. Stattdessen ist beim konkreten Vergleichsvertrag darauf abzustellen, welche Normen abbedungen werden sollen und ob das Normziel dieser Abbedingung entgegensteht. 3. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht Nach Ansicht des deutschen Gesetzgebers soll die Möglichkeit des §  476 Abs.  1 BGB, eine Disposition nach Kenntnis des Mangels zu treffen, ermöglichen, dass Verbraucher und Unternehmer sich i. S. d. §  779 BGB, aber auch i. S. d. Prozessvergleichs vergleichen.103 Der deutsche Gesetzgeber unterscheidet bei der Umsetzung nicht zwischen materiellrechtlichen und prozessualen Dispositionen. Er behandelt sie gleich. Dies spricht dafür, dass er bei Erlass der Regelung nicht die Unterscheidung zwischen den beiden Arten der Dispositionen vor Augen hatte und damit auch nicht annahm, das Unionsrecht erlaube letztere großzügiger als erstere. Die Regelung durch den deutschen Gesetzgeber weist zugleich darauf hin, dass er nicht von einer allgemeinen Vergleichsmöglichkeit zulasten des Verbrauchers ausgeht: Er nimmt eine solche Vergleichsmöglichkeit nur in den gesetzlich beschriebenen Fällen an, nämlich nach Eintritt des Mangels und Kenntnis des Verbrauchers von selbigem. Zugleich begrenzt er den Inhalt der nachteiligen Vereinbarung auf die Rechte, die aus dem konkreten Mangel erwachsen. Die mögliche nachträgliche Disposition zulasten des Verbrauchers ist also der Ausnahmefall, nicht die allgemeine Regel. Dieses Ergebnis wird durch die weitere Normanwendung und -auslegung gestützt. Voraussetzung eines Prozessvergleichs ist ein wirksamer Vertrag nach §  779 BGB. Die besondere Unsicherheit, die §  779 BGB in der Situation des Prozessvergleichs voraussetzt, bezieht sich auf die Durchsetzung im konkreten Verfahren.104 Die Einigung darf allgemein nicht gegen zwingendes Recht verstoßen, wenn dieses gerade diese Einigung trotz der Unsicherheit verhindern soll. Soweit eine Norm nur den Verbraucher in seiner Entscheidungsfreiheit schützen will, kann dessen Schutzbedürftigkeit entfallen (s. o. 2.). Er ist durch den Prozessbeginn gewarnt und hat sich mit dem Sachverhalt tatsächlich und rechtlich auseinandergesetzt.105 Es wird daher angenommen, dass er sich ausrei102 

Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 485. BT-Drs. 14/4060, 244; LG Essen, DAR 2013, 649, 651 f.; Faust, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  23; S. Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  476, Rn.  13; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  35. 104  M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 287 f. 105  LG Essen, DAR 2013, 649, 651 f.; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-­ acquis, 2011, 1, 48 f. 103 

B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich 309

chend informieren konnte und die unterstellten Informationsasymmetrien nicht mehr vorliegen.106 Besteht nun ein sachliches Interesse des Verbrauchers an einer für ihn nachteiligen Abweichung, müsse es dem Verbraucher möglich sein, seine Rechte nach seinem bestmöglichen Interesse geltend zu machen.107 Der Verbraucher müsste konsequenterweise einen Prozessvergleich schließen können, der zwar einzelne Regelungen, die ihn schützen, abbedingt, insgesamt aber seinem Interesse dienen.108 Ansonsten würde der Verbraucher in den Prozess oder im Prozess bis zur richterlichen Entscheidung getrieben, um seine Rechte wahrzunehmen.109 Allerdings lässt sich ein solcher Ausgleich struktureller Asymmetrien nicht pauschal unterstellen. Das EU-Recht geht etwa im Verbrauchsgüterkaufrecht nicht davon aus, dass das Defizit des Verbrauchers stets nach einem bestimmten Zeitraum entfällt, sollte er hinreichend Gelegenheit zum Nachdenken haben. Auch nachträgliche Dispositionen sind nur ausnahmsweise möglich.110 Diese Konzeption spricht bereits dagegen, dass die Schutzbedürftigkeit, von der die Normen ausgehen, im Prozess allgemein entfällt.111 Darüber hinaus sind die indirekten verfahrensrechtlichen Ziele des EU-Verbraucherrechts zu beachten. Diese Ziele gehen über den Individualschutz des Verbrauchers hinaus:112 Der Unternehmer soll zu einem marktkonformen Verhalten animiert werden. Der Verbraucher soll dazu bewegt werden, dieses marktkonforme Verhalten ihm gegenüber i. S. d. private enforcement durchzusetzen (s. o. §  2 B. III. 1.). Besteht das Bedürfnis an der Durchsetzung dieses marktkonformen Verhaltens auch in der Situation des Prozessvergleichs?113 Gegen ein solches Bedürfnis spricht, dass Verbraucher und Unternehmer stets konsensual durch Klagerücknahme von der Rechtsverfolgung absehen und sich außerprozessual einigen kön106  LG Essen, DAR 2013, 649, 651 f.; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-­ acquis, 2011, 1, 48 f.; tendenziell J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  61. 107  Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  7 79, Rn.  11; ähnlich, aber außerhalb des Bereichs des §  476 Abs.  1 BGB: LG Essen, DAR 2013, 649, 651 f. 108  Faust, in: Bamberger u.  a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  24; ­Maume, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  312k BGB, Rn.  5. 109  Faust, in: Bamberger u.  a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  476 BGB, Rn.  24.; ­Maume, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  312k BGB, Rn.  5; Saenger, in: Erman, 13.  Aufl., 2011, §  312i, Rn.  3; Thüsing, in: Staudinger, 2019, §  312k, Rn.  12; G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 48 f.; Wendehorst, in: MünchKomm-­ BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  5. 110 Vgl. EuGH, Heininger, C-481/99, ECLI:EU:C:2001:684 Rn.   47; ähnlich J. F. Hoffmann, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.03.2020, §  779, Rn.  61; Wendehorst, in: MünchKomm-­ BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  5. 111  G. Wagner, in: Eidenmüller u. a. (Hg.), Verbraucher-acquis, 2011, 1, 48 f. 112 Ähnlich Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 311. 113  Allgemein zum regulierenden Privatrecht und Frage offen lassend Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 311, 417.

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§  4 Prozessvergleich

nen.114 Doch ist die Situation eine andere als die außerhalb eines Verfahrens: Der Unternehmer weiß, dass der Verbraucher „gewarnt“ und ein Richter präsent ist. Es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sich marktkonform verhält.115 Umgekehrt hält eine Klagerücknahme den Verbraucher aber nicht davon ab, erneut Klage zu erheben, während der Prozessvergleich eine solche verhindert. Schließlich wird beim Prozessvergleich verhindert, dass ein Gericht sich mit der Rechtssache befasst oder zumindest, dass es den Rechtsstreit entscheidet. Damit könnte der Prozessvergleich allgemein ungeeignet sein, das private enforcement zu fördern.116 Dafür, dass das Bedürfnis an der Rechtsdurchsetzung weiter besteht, spricht, dass das private enforcement sich nur wirksam entfalten kann, wenn damit zu rechnen ist, dass im Verfahren die Rechte des Verbrauchers weiter gewahrt bleiben. Selbstverständlich besteht keine Möglichkeit zu verhindern, dass Verbraucher und Unternehmer sich privat absprechen und Rechte nicht geltend machen oder nicht verfolgen. Der Staat kann, solange er die privatrechtliche Ausgestaltung respektiert, keine Rechtsdurchsetzung durch den konkreten Verbraucher erzwingen. Stattdessen sieht er kollektive Rechtsschutzmöglichkeiten vor (s. o. §  2 B. III. 1.). Umgekehrt darf der Staat nicht aktiv eine Vereinbarung für verbindlich erklären, die ein marktwidriges Verhalten fördert. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber natürlich hofft, dass der Unternehmer sich gegenüber dem Verbraucher rechtskonform verhält. Die Rechtsordnung greift nur in den Fällen ein, in denen er dies nicht tut. Die Anreize, die das EURecht dem Unternehmer setzen will, um sich dergestalt zu verhalten, enden daher nicht, sobald ein Prozess beginnt, auch nicht gegenüber dem einzelnen Verbraucher. Dies würde dem unredlichen Unternehmer Anreize setzen, den Verbraucher in eine Prozesssituation zu bringen, um sich zu vergleichen und den Vergleich zu vollstrecken, der außerhalb des Prozesses nicht möglich gewesen wäre. Diese Überlegungen sprechen dafür, Vereinbarungen zulasten des Verbrauchers bei einem Vergleichsvertrag i. S. d. §  779 BGB im Prozess nicht anders zu behandeln als solche Vereinbarungen außerhalb des Prozesses. Die Ziele des EU-Rechts verhindern damit grundsätzlich eine Disposition über zwingende Normen, die nicht bereits materiellrechtlich möglich sind. Die zwingenden EU-Verbrauchervertragsrechtsnormen entsprechen daher den zwingenden nationalen Normen, die auch per Prozessvergleich nicht abbedungen werden können. Eine Vergleichsmöglichkeit zulasten des Verbrauchers, die materiellrechtlich ausgeschlossen ist, ist auch im Rahmen eines Prozessvergleichs nicht möglich.117 114 Ähnlich

Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  5. So wohl LG Essen, DAR 2013, 649, 651 f. 116  Tendenziell wohl Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 311. 117  Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  41, 46; H. Roth, JZ 2013, 637, 643; Wertenbruch, Soergel, 13.  Aufl., 2009, §  475, Rn.  20; ähnlich Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 454. 115 

B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich 311

4. Tatsachenvergleich als Ausnahme Etwas anderes gilt beim Tatsachenvergleich: Hier sind nach deutschem Recht Dispositionen in weiterem Umfang möglich (a). Da der Tatsachenvergleich an Tatsachenunsicherheit im Prozess anknüpft, d. h. eine Verfahrensfrage, die den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, gelten keine vorrangigen EU-Regelungen (b). Das EU-Recht erlaubt daher im Wege des Tatsachenvergleichs Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht (c), solange keine vorrangigen Regelungen zur Tatsachenfeststellung bestehen (d) und die autonome Entscheidung des Verbrauchers sichergestellt ist (e). a) Dispositionsmöglichkeiten im Fall des Tatsachenvergleichs Beim Tatsachenvergleich erlaubt §  779 BGB Parteidispositionen über zwingendes Recht, die außerhalb seines Tatbestands nicht möglich sind. Ein Tatsachenvergleich ist möglich, wenn die Anwendung der zwingenden Norm wegen der unsicheren Tatsachengrundlage objektiv zweifelhaft ist und sich damit der Vergleichsinhalt selbst, in dem über zwingende Normen disponiert wird, im Bereich des ernstlich Zweifelhaften bewegt (ausführlich bereits §  2 A. VI.).118 Der Vertrag muss geschlossen werden, um gerade den Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis oder die Unsicherheit, einen Anspruch durchsetzen zu können, zu beseitigen (§  779 Abs.  1 i. V. m. Abs.  2 BGB). Bei diesem Tatbestandsmerkmal zeigt sich der bereits angesprochene Unterschied zu rein materiellrechtlichen Fragen: Das materielle Recht geht von einer klaren Rechts- und Tatsachengrundlage aus (s. o., §  1 B. IV., §  2 B. III.). Die Unsicherheit oder Ungewissheit, die §  779 BGB voraussetzt, ist daher im Prozess für die Parteien regelmäßig gegeben.119 Tatsachenvergleiche können auch außerhalb des Prozesses geschlossen werden. Im Prozess sind sie aber besonders relevant: Weil bestimmte Tatsachen objektiv zweifelhaft sind, kann es zum Prozess gekommen sein. Das Prozessrecht in seiner kontradiktorischen Gestaltung geht davon aus, dass der Ausgang des Verfahrens unklar ist und von der Tatsachengrundlage sowie vom Richter- und Parteiverhalten abhängt.120 Eben wegen dieser Ungewissheit kann die Situation entstehen, die §  779 BGB vor Augen hat und in der eine gütliche Einigung gefördert werden soll (§  2 A. VI.).121 Besonders belastend kann die Ungewissheit über den Prozessausgang sein aufgrund von Beweisproblemen. Tatsachenvergleiche dienen hier gerade der 118 

H. Roth, JZ 2013, 637, 643. Häsemeyer, ZZP 108, 1995, 289, 296; Zeising, NJ 2011, 353, 359. 120  J. Braun, in: Bernreuther (Hg.), FS Spellenberg, 2010, 77 f.; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 282 f.; Jurczyk, Materialisierung des Zivilverfahrensrechts, 2019, 23; Windel, JR 2001, 525, 526; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 287 f. 121  Breetzke, NJW 1969, 1408, 1408, 1410; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 141 f.; krit. zur h. M. Cahn, AcP 198, 1998, 35, 48–51. 119 

312

§  4 Prozessvergleich

prozessunerfahrenen Partei.122 Die Beweiserhebung, um die Zweifel zu beseitigen, kann aufwendig und kostspielig sein. Sollten die Parteien stattdessen den Wunsch haben, den Streit gütlich beizulegen, zwingt die Rechtsordnung sie nicht zur Fortführung des Prozesses und zu einer Entscheidung nach Beweislast.123 Tatsachenvergleiche, bei denen der Tatsachenzweifel dazu führt, dass die Anwendung einer zwingenden Norm unklar ist, sind auch daher entgegen dem Ziel der möglicherweise anwendbaren zwingenden Norm möglich.124 Hier lässt das deutsche Prozessrecht Dispositionen über das materielle Recht hinaus zu (ausführlich bereits §  2 A. VI.).125 b) Tatsachenvergleich als Teil der Verfahrensautonomie Das Unionsrecht respektiert diese nationale Besonderheit, da die gütliche Prozessbeendigung per Prozessvergleich Teil der Verfahrensautonomie darstellt. Es handelt sich um eine speziell verfahrensrechtliche Problematik, da sie an die Ungewissheit anknüpft, die in rein materiellrechtlichen Regelungen nicht besteht, sondern nur bei der Durchsetzung aufgrund der Tatsachenlage relevant wird.126 Allein wegen der Ungewissheit über die Faktenlage ist auch die Rechtslage unklar und nur diese Unsicherheit rechtfertigt die Dispositionsmöglichkeit. Da die Dispositionsbefugnis beim Prozessvergleich im deutschen Recht an die Unklarheit der Tatsachen anknüpft, handelt es sich damit um eine verfahrensrechtliche Besonderheit, die vom EU-Recht respektiert werden kann und die eine Privilegierung des Prozessvergleichs rechtfertigt.127 c) Zulässige Einschränkung der effektiven Wirkung Durch einen solchen Tatsachenvergleich im Bereich des Verbrauchervertragsrechts wird die Effektivität der EU-Normen eingeschränkt: Die Parteien können vereinbaren, dass eine zwingende Norm unionsrechtlicher Herkunft nicht gilt, obwohl sie möglicherweise gegolten hätte. Diese Einschränkung ist aber gerechtfertigt: Das EU-Recht respektiert die vom Verfahrensrecht beabsichtigte Folge, nämlich Rechtsfrieden im Bereich des Zweifelhaften durch Parteivereinbarungen zu ermöglichen und zugleich die informierte Parteientscheidung zu stärken. 122 

Ähnlich wohl Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 2016, 73. Z. B. BGH, NJW 1955, 630; NJW 1976, 194, 195; Breetzke, NJW 1969, 1408, 1411 f. 124  Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012, 409; H. Roth, JZ 2013, 637, 643; tendenziell Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 416–418. 125  Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 417 f. 126  H. Roth, JZ 2013, 637, 643; Esser, in: Nipperdey (Hg.), FS Lehmann, 1956, 713, 717. 127  Allgemein ähnlich Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 418 f.; vgl. auch Hau, Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag, 2003, 21; Kasper, JZ 1995, 746, 750; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 35. 123 

B. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Prozessvergleich 313

Zugleich ist die Beschränkung des Unionsrechts nicht besonders stark. Das Interesse des EU-Verbrauchervertragsrechts liegt vor allem auf der einheitlichen Rechtsanwendung. Das nationale Verfahrensrecht darf dieselbe nicht von vornherein ausschließen. Anders sieht es bei Tatsachenfragen aus: Nur soweit sich aufdrängt, dass bestimmte Tatsachen vorliegen müssten und diese durch einfache Ermittlungsschritte des Gerichts, etwa durch Nachfrage bei den Parteien, festgestellt werden könnten, muss das Gericht tätig werden (§  3 A. IV.). Dieser Maßstab muss auch bei der Frage gelten, ob die Grundlagen für einen Tatsachenvergleich vorliegen. Soweit ein Tatbestandsmerkmal ernsthaft zweifelhaft ist sowie sich nicht aufdrängt und durch einfache gerichtliche Maßnahmen verifiziert werden kann, ist somit grundsätzlich ein Tatsachenvergleich über zwingendes EU-Verbraucherrecht möglich.128 d) Beweislastregeln oder Vermutungen im EU-Recht als Rückausnahme Die Bewertung des Tatsachenvergleichs ändert sich, wenn das EU-Recht ausnahmsweise verfahrensrechtliche Regelungen getroffen hat. Über den Anwendungsvorrang des EU-Rechts verdrängen sie das nationale Verfahrensrecht und die nationale Verfahrensautonomie. Die EU hat im Verbraucherrecht vereinzelt geregelt, wie mit Tatsachenzweifeln umzugehen ist, indem sie etwa Beweislastumkehr- oder Vermutungsregeln aufgestellt hat. So wird im Verbrauchsgüterkauf vermutet, dass ein Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, wenn er sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang zeigt (§  477 BGB). Im autonomen deutschen Recht wird angenommen, dass solche Vermutungen oder Beweislastregeln beim Vergleich berücksichtigt werden können, aber die Vergleichsmöglichkeit i. S. d. Tatsachenvergleichs nicht per se ausschließen.129 Etwas anderes gilt bei Vermutungen wie der des §  477 BGB. Die Regelung ist zwar aus nationaler Sicht als eine materiellrechtliche zu qualifizieren. Sie stellt sich aber aus Sicht des Unionsrechts als eine verfahrensrechtliche dar, welche die effektive Durchsetzung des Rechts zum Ziel hat: Der Verbraucher soll nicht durch Beweisprobleme, die zentral für seine Mängelgewährleistungsrechte sind, davon abgehalten werden, diese geltend zu machen. Die Beschaffenheit der Ware vor Gefahrübergang und die Herstellungs- und Lieferprozesse entziehen sich seinem Zugriff und möglicherweise seinem Verständnis. Deshalb wird die Beweislast zum Unternehmer bewegt. Dieser verfügt eher über diese Einblicke und dieses Verständnis. Er kann die Beschaffenheit der Sache vor Versand eher dokumentieren.130 128  Ähnlich wohl H. Roth, JZ 2013, 637, 643; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  6. 129  M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 277 f. 130  Looschelders, in: Limperg u. a. (Hg.), FS 200 Jahre Heymanns Verlag, 2015, 93, 101; G. Wagner, ZEuP 2016, 87, 111 f.; kritisch wegen der Gefahr ungerechtfertigter Inanspruchnahme Lehr/Wendel, EWS 1999, 321, 324.

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§  4 Prozessvergleich

Soweit eine Entscheidung des EU-Rechts getroffen wurde, wie im Prozess mit Tatbestandsungewissheit umzugehen ist, greift die nationale Verfahrensautonomie nicht, die bei Tatbestandszweifeln einen Prozessvergleich über zwingendes Recht ermöglicht. Damit ist ein Vergleich, der ausnahmsweise die Disposition über zwingendes Recht zulässt, über die Grenzen des materiellen Rechts hinaus gesperrt, jedenfalls soweit er an die „objektiven Zweifel“ anknüpft, die gerade vom EU-Recht in der Beweisregel behandelt werden. Treffen die Parteien eine Vereinbarung, die im Ergebnis diese Beweislastverteilung oder Vermutung aushebelt, liegt ein unzulässiger Umgehungsversuch vor. Die Parteidisposition ist auch bei ernsthaften Tatsachenzweifeln i. S. d. Tatsachenvergleichs nicht zulasten des Verbrauchers möglich.131 e) Parteiautonome Entscheidung des Verbrauchers als weitere Voraussetzung Schließlich ist eine Einigung im Prozessvergleich nur möglich, wenn der Verbraucher – wie bei allen Prozesserklärungen, welche die effektive Wirkung des EU-Rechts beschränken – eine informierte Parteientscheidung trifft. Er muss sich über die Folge und den Umfang der Erklärung bewusst sein, ehe er die Willenserklärung, die zum Vergleichsabschluss führt, abgibt. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich eine Vermutung, dass der Verbraucher als prozessunerfahrene Person im Zweifel keine Kenntnisse über seine Rechte und den Ablauf des Verfahrens aufweist. Dies gilt unabhängig von seiner anwaltlichen Vertretung. Damit besteht die Gefahr, dass er aus Unwissenheit auf seine Rechte nicht verzichtet. Aus Sicht des EuGH handelt es sich dann nicht um einen privatautonomen Verzicht, der die Beschränkung der effektiven Wirkung des Unionsrechts rechtfertigen kann (§  2 B. III.). Sobald dieses Informationsdefizit aber beseitigt ist, d. h. sobald sichergestellt ist, dass der Verbraucher die Folgen des Vergleichsschlusses überblickt, ist eine Abbedingung einer zwingenden EU-Verbrauchervertragsnorm auch zulasten des Verbrauchers möglich. Voraussetzung ist natürlich weiterhin, dass objektiv zweifelhaft ist, ob die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm vorliegen. Wie die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Verbraucher autonom i. S. d. EuGH-Rechtsprechung entscheidet, bleibt der Verfahrensautonomie überlassen. Sowohl die Gegenpartei als auch das Gericht können hierbei aktiv mitwirken. Eine systemkonforme Lösung für das deutsche Rechte wäre, dass der Richter aktiv, gegebenenfalls durch Nachfragen und Hinweise, das Informa­ tionsdefizit beseitigt. Eine solche Hinweispflicht kann im deutschen Recht allgemein nach §  278 Abs.  2 S.  2 ZPO und, sobald die Güteverhandlung i. S. d. §  278 Abs.  2 S.  1 ZPO abgeschlossen ist, gem. §  139 Abs.  3 i. V. m. §  278 Abs.  1 ZPO 131  Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312k, Rn.  6; tendenziell Maume, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  312k BGB, Rn.  5; anders außerhalb der B2C-Konstellation: P. Gottwald, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 137, 152 f.

C. Pflichten des Gerichts

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bestehen.132 Doch bevor diese Frage abschließend beantwortet werden kann, müssen die richterlichen Pflichten beim Prozessvergleich allgemein untersucht werden. Dem widmet sich der folgende Abschnitt.

C. Pflichten des Gerichts Folgen eines wirksamen Prozessvergleichs sind die Beendigung des Prozesses und ein vollstreckbarer Titel.133 Bevor dieser Titel entsteht, gibt es nur eine ­Stelle, die ihn auf inhaltliche Richtigkeit untersuchen kann: den Richter. Der Richter als Hoheitsträger ist an Recht und Gesetz gebunden.134 Unklar ist, was hieraus für den Prozessvergleich folgt. Das Gesetz regelt etwaige Prüfungs- und Mitwirkungspflichten bei der Protokollierung nicht.135 Um die richterlichen Pflichten konkretisieren zu können, ist zunächst die verfassungsrechtliche Stellung des Richters beim Prozessvergleich herauszuarbeiten. Denn beim Prozessvergleich wird ein Richter in einigen Situationen „rechtsprechend“ i. S. d. GG tätig (I.). In diesen Konstellationen ergibt sich eine Rechtsbindung bereits aus seiner verfahrensrechtlichen Stellung als unabhängige, hoheitlich entscheidende Person. Ein Richter, der „rechtsprechend“ tätig wird, ist an das Recht gebunden.136 Er darf nur einen rechtskonformen Prozessvergleich protokollieren oder sein Zustandekommen feststellen. Aus der Verfassung und dem EU-Recht folgen darüber hinaus richterliche Hinweis- und Aufklärungspflichten. Die Anforderungen an diese Pflichten steigen, je aktiver der Richter auf die Parteien ein- und auf den Vergleichsschluss hinwirkt (II. 1.). Da der Gesetzgeber bei allen Arten des Prozessvergleichs den Protokollvergleich als Vorbild nahm und die Prüfungspflichten entsprechend wie bei diesem ausgestaltete, entstehen diese richterlichen Pflichten bei ihnen gleichermaßen, können aber noch weiter gehen, soweit der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nichts gilt (II. 2.). 132  Vgl. zu §  278 Abs.  2 S.  2 ZPO: BT-Drs. 14/1477, 83; ähnlich OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 529, 530; Müller-Teckhoff, MDR 2014, 249, 251 f.; allgemein Beck, MDR 2018, 1474, 1474 f.; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 91 f.; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  9; ähnlich Hess, Perspektiven der gerichtsinternen Mediation, ZZP 104 (2011), 137–162, 150; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 477 f.; H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293; zu Hinweispflichten bei Vergleichsverhandlungen auch E. Schumann, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 175, 177; tendenziell Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 162. 133  Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 96. 134  Assmann, in: Schütze/Wieczorek (Hg.), ZPO Bd.  4, 4.  Aufl., 2012, §  278, Rn.  8; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 150; Schier, in: Henrich (Hg.), FS Firsching, 1985, 233, 235 f.; A. Staudinger, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 659, 668. 135  C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 725; vgl. Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 52; noch allgemeiner Pecher, ZZP 97, 1984, 139, 139. 136  M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 273.

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§  4 Prozessvergleich

I. Begriff der Rechtsprechung i. S. d. GG Verstünde man unter Rechtsprechung alle Tätigkeiten eines Richters, die zu einem vollstreckbaren Titel führen, fiele der Prozessvergleich darunter: Er ­ mündet in einem vollstreckbaren Titel, der (auch) aufgrund richterlichen Tätigwerdens im Prozess entsteht. Allerdings folgt aus der Anbindung an ein richterliches Tätigwerden nicht automatisch, dass „Rechtsprechung“ i. S. d. GG vorliegt. Auch ein Richter kann nichtrichterlich handeln.137 Nur umgekehrt ist eine rechtsprechende Tätigkeit den Gerichten bzw. Richtern vorbehalten (Rechtsprechungsmonopol, Art.  92 GG),138 d. h. „rechtsprechende“ Verfahren durch Stellen, die keine Gerichte sind, sind verfassungswidrig, da sie gegen Art.  92 GG und das dort normierte Rechtsprechungsmonopol der Gerichte verstoßen. Da die Anknüpfung an die Tätigkeit eines Richters alleine nicht ausreicht, haben sich in der Rechtsprechung des BVerfG verschiedene Ansätze herausgebildet, den Begriff der Rechtsprechung zu konkretisieren. Diese lassen sich in zwei Argumentationslinien einteilen. Einerseits stellt das Gericht formal-funktionale Voraussetzungen bezogen auf den entscheidenden Richter und das Verfahren auf (1.), andererseits ordnet es bestimmte hoheitliche Tätigkeiten als „Rechtsprechung“ ein, wenn diese Tätigkeiten notwendigerweise oder historisch anerkannt der Rechtsprechung zugeordnet werden müssen (2.). Baut man auf diesen beiden Konzepten auf, zeigt sich, dass das Verfahren, das zu einem Prozessvergleich führt, nur als Rechtsprechung zu qualifizieren ist, wenn die Trennung zum Entscheidungsverfahren nicht eindeutig vorgenommen werden kann. Dies ist notwendig, um die Unabhängigkeit des Richters zu wahren. In den übrigen Fällen des Prozessvergleichs liegt keine „Rechtsprechung“ i. S. d. GG vor.

137  Z. B. BVerfGE 22, 49 = BVerfG, „Verwaltungsstrafverfahren“, NJW 1967, 1219, 1220; BVerfGE 38, 139, BeckRS 1974, 104420; BVerfGE 103, 111, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052; BVerwG, NJW 1976, 1224, 1224 f.; BGH, NJW 1991, 426, 426 f.; Achterberg, in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 125, 128; Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur. Beiträge, 1986, 281, 289; Bettermann, AöR 92, 1967, 496, 497, 501 f., 505 f.; H. Koch, NJ 2005, 97, 100; Lefringhausen, Abgrenzung der Rechtsprechung, 1961, 2–4, 165–184, 201 f.; Smid, Rechtsprechung, 1990, 38 f., 97; Sodan, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 681, 692 f. Rn.  22; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 83; Wilke, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 633, 669 Rn.  73. 138  BVerfGE 22, 49 = BVerfG, „Verwaltungsstrafverfahren“, NJW 1967, 1219, 1220; „Versorgungsausgleich“, NJW 1983, 2812, 2812; BVerfGE 76, 100, „§  3 HöfeVfO“, NJW 1988, 405, 405; BVerfGE 103, 111, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052; Achterberg, in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 125, 128; Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur. Beiträge, 1986, 281, 285 f., 289; Bettermann, AöR 92, 1967, 496, 496 f.; E. Schumann, in: Schmidt (Hg.), FS 50 Jahre BGH, Bd.  III, 2000, 3, 7; M. Wolf, ZZP 99, 1986, 361, 381 f.; Lembcke, NVwZ 2008, 42, 43; anders wohl Lefringhausen, Abgrenzung der Rechtsprechung, 1961, 185, 194 f., 223 f.; R. Wimmer/U. Wimmer, NJW 2007, 3242, 3244.

C. Pflichten des Gerichts

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1. Funktional-formaler Rechtsprechungsbegriff „Rechtsprechung“ im Sinne des GG erfasst zunächst die richterlichen Tätigkeiten, die das Grundgesetz den Gerichten ausdrücklich zuordnet.139 „Rechtsprechung“ erfasst weiterhin Tätigkeiten eines Richters, die in einem gerichtsförmigen Verfahren stattfinden und darauf ausgerichtet sind, eine verbindliche140 hoheitliche Entscheidung darüber, was rechtens ist, zu fällen, welcher das objektive Recht als Maßstab zugrunde liegt.141 Diese Entscheidung muss nach Eintritt von bestimmten formellen Voraussetzungen rechtskräftig werden, d. h. rechtlich endgültig verbindlich.142 Darüber hin139  Z. B. Art.  13 Abs.  2 , 14 Abs.  3 S.  4, 15 S.  2 , 18 S.  2 , 19 Abs.  4, 21 Abs.  2 S.  2 , 34 S.  3, 104 Abs.  2, Abs.  3, 126, 132 Abs.  3 GG; BVerfG, „Versorgungsausgleich“, NJW 1983, 2812, 2812; BVerfGE 22, 49, „Verwaltungsstrafverfahren“, NJW 1967, 1219, 1220; BVerfGE 76, 100, „§  3 HöfeVfO“, NJW 1988, 405, 405; BVerfGK 4, 1, „Insolvenzverwalterliste“, NJW 2004, 2725, 2726; Achterberg, in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 125, 129 f.; Detterbeck, in: Sachs (Hg.), GG, 7.  Aufl., 2014, Art.  92, Rn.  6 –8; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 528 Rn.  45. 140 Z. B. BVerfGE 103, 111 = BVerfG, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1053; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924 (Ausnahme: außerordentliche Rechtsbehelfe; vorbehaltlich fundamentaler Rechtsverstöße); Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 526 f. Rn.  43; Wilke, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 633, 671 Rn.  76; R. Wimmer/U. Wimmer, NJW 2007, 3242, 3243; vgl. auch BGH, NJW 2005, 436, 436. 141 Z.  B. BVerfGE 116, 1 = BVerfG, „Insolvenzverwalter“, NJW 2006, 2613, 2614 f.; ­BVerfGK 4, 1, „Insolvenzverwalterliste“, NJW 2004, 2725, 2726; BVerfGE 103, 111, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052; BVerwG, NJW 1969, 1980, 1981; Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur. Beiträge, 1986, 281, 284; Bettermann, AöR 92, 1967, 496, 498, 505; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 888 Rn.  18 Fn.  117; Flume, in: Freunde, Schüler und Kollegen (Hg.), FS Smend, 1952, 59, 79, 83; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 147 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 113, 117, 293, 301 f.; Lembcke, NVwZ 2008, 42, 43; Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, 47–49; ­Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 527 Rn.  44; ­Pietzcker, NVwZ 1996, 313, 316; Schier, in: Henrich (Hg.), FS Firsching, 1985, 233, 239; Smid, Rechtsprechung, 1990, 48 f., 344, 560; Sodan, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 681, 691 Rn.  19; Starck, VVDStRL 34, 1975, 43–88, 65 f.; Stern, Staatsrecht II, 1980, §  42 II; Wilke, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 633, 665 Rn.  66; M. Wolf, ZZP 99, 1986, 361, 371 f.; es sei denn, das Gesetz sieht eine Abweichung vom objektiven Recht vor: Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 92 f., 109 f.; ähnlich bereits M. Wolf, ZZP 99, 1986, 361, 371 f. 142  Vgl. Art.  19 Abs.  4 GG; insbesondere mit Schwerpunkt auf der Rechtskraft: BVerfGE 7, 183 = BVerfG, „Rechtshilfeersuchen“, NJW 1958, 97, 98; BVerfGE 31, 43, „Ermittlungsrichterliche Verpflichtung“, NJW 1971, 1308, 1308; BVerfGE 60, 253, „Anwaltsverschulden“, NJW 1982, 2425, 2426; BVerfGE 103, 111, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052 f.; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924; BVerfGK 4, 1, „Insolvenzverwalterliste“, NJW 2004, 2725, 2726; z. B. BVerwG, NJW 1976, 1224, 1225; Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur. Beiträge, 1986, 281, 285 f.; Bettermann, AöR 92, 1967, 496, 505; Bockelmann, in: Freunde, Schüler und Kollegen (Hg.), FS Smend, 1952, 23, 37; Grunsky, in: Deutscher Richterbund (Hg.), Grenzen der Rechtsgewährung, 1983, 121, 126 f.; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 147 f., 149; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 293; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 528 Rn.  45; Sodan, in: Degenhart

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§  4 Prozessvergleich

aus143 muss die entscheidende Person den Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Artt.  92, 97 GG genügen144 und das Verfahren muss gesetzlich so ausgeformt sein, dass es die Rechte der Betroffenen in besonderem Maße prüft und wahrt. Es muss eine inhaltliche Sach- und Rechtsprüfung stattfinden. Ein unabhängiges Gericht (Art.  97 Abs.  1 GG) muss auf Grundlage des objektiven Rechts und mittels eines fairen und geordneten, effektiven Rechtsschutz gewährenden Verfahrens entscheiden.145 Durch die Verfahrensausgestaltung muss sichergestellt sein, dass die Entscheidung möglichst „richtig“ im Sinne des objektiven Rechts ist.146 Entscheidende Merkmale der Rechtsprechung sind daher: die Letztverbindlichkeit der Entscheidung, die verfahrensrechtlich festgelegte Stellung des hoheitlich tätigen Dritten als neutraler, unabhängiger und unparteilicher Letztendscheider und die rechtsstaatliche Ausformung des Verfahrens.147 Den rechtsstaatlichen Anu. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 681, 691 Rn.  19; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 5; Smid, Rechtsprechung, 1990, 2, 5, 37 f.; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 115; Wassermann, in: Schmidt-Hieber/Wassermann (Hg.), FS Deutsche Richterakademie, 1983, 19, 20 f.; M. Wolf, ZZP 99, 1986, 361, 370 f., 373 f., 383. 143  Auch andere hoheitliche Entscheidungen können unanfechtbar werden, etwa ein Verwaltungsakt, sobald er bestandskräftig geworden ist, BVerfGE 107, 395 = BVerfG, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924; M. Wolf, ZZP 99, 1986, 361, 368 f.; ­Lefringhausen, Abgrenzung der Rechtsprechung, 1961, 87 f. 144  BVerfGE 7, 183 = BVerfG, „Rechtshilfeersuchen“, NJW 1958, 97, 98; BVerfGE 22, 49, „Verwaltungsstrafverfahren“, NJW 1967, 1219, 1220; BVerfGE 31, 43, „Ermittlungsrichterliche Verpflichtung“, NJW 1971, 1308, 1308; BVerfGE 103, 111, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052 f.; BVerfGE 18, 241, „Ärztekammern“, NJW 1965, 343; vgl. auch §  1 GVG; Detterbeck, in: Sachs (Hg.), GG, 7.  Aufl., 2014, Art.  97, Rn.  1; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 528 Rn.  45; Schier, in: Henrich (Hg.), FS Firsching, 1985, 233, 247 f.; Sodan, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 681, 691 Rn.  19; Wilke, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 633, 671 Rn.  76; Bettermann, AöR 92, 1967, 496, 506 f., 508–512; Adlerstein, in: Böckstiegel (Hg.), Studien zum Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 1979, 9, 21 f. 145  BVerfGE 107, 395 = BVerfG, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924 f.; BVerfGK 4, 1, „Insolvenzverwalterliste“, NJW 2004, 2725, 2726; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 288 f.; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 149; Degenhart, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 761, 774 Rn.  16; Detterbeck, AcP 192, 1992, 325, 329 f.; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 491, 492 Rn.  1, 499 f. Rn.  18; Smid, Rechtsprechung, 1990, 350; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 288 f.; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 115; Wilke, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 633, 670 Rn.  75 f. 146  BVerfGE 103, 111 = BVerfG, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924, 1926; BVerfGK 4, 1, „Insolvenzverwalterliste“, NJW 2004, 2725, 2726; Smid, Rechtsprechung, 1990, 2; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 147–149; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 528 Rn.  45; Guckelberger, NVwZ 2011, 390, 394; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 115, 130; Wilke, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 633, 670 Rn.  75 f.; M. Wolf, ZZP 99, 1986, 361, 370 f., 372 f.; Bockelmann, in: Freunde, Schüler und Kollegen (Hg.), FS Smend, 1952, 23, 23 f. 147  Arndt, AöR 21, 1932, 183, 214 f. (noch zur Weimarer Reichsverfassung); Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 100–104.

C. Pflichten des Gerichts

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forderungen genügt ein Verfahren nur, wenn es die speziellen Prozess- oder Justizgrundrechte der Bürger garantiert, insbesondere den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.  103 Abs.  1 GG) und das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art.  101 Abs.  1 GG).148 Die Unabhängigkeit setzt voraus, dass der Richter seine Entscheidung unbeeinflusst und eigenständig trifft, insbesondere im System der Gewaltenteilung, gegenüber der Politik und gegenüber den Parteien.149 Ein Prozessvergleich wird unter richterlicher Mitwirkung geschlossen, sei es durch Protokollierung oder Beschluss des Richters in der Hauptsache, sei es durch den Güterichter nach §  278 Abs.  5 ZPO oder den Richter im Prozess­ kostenhilfe- oder selbstständigen Beweisverfahren. Wirkt der Richter auf eine Einigung hin, entscheidet er nicht in der Sache, sodass diese nur vermittelnde Tätigkeit nicht zur rechtsprechenden zählt.150 Im Fall eines Vergleichs muss der Richter im Sitzungsprotokoll oder per Beschluss feststellen, dass das Verfahren beendet ist. Diese Feststellung erwächst nicht in Rechtskraft. Sollte der Vergleich unwirksam sein, ist das Verfahren nicht beendet. Die Feststellung beinhaltet somit keine verbindliche Entscheidung. Die auf einen Vergleich hinwirkende richterliche Tätigkeit fällt daher grundsätzlich nicht unter die Rechtsprechung i. S. d. GG.151 In Einzelfällen kann allerdings der Übergang von rechtsprechender Tätigkeit zum Hinwirken auf eine Parteieinigung fließend sein, etwa wenn der Richter das Ergebnis einer Beweisaufnahme bespricht, die zum einen seiner Entscheidungsvorbereitung dient, die zum anderen aber die Parteien zu einem Vergleich bewegen kann. Es würde die richterliche Unabhängigkeit einschränken, müsste 148  BVerfGE 60, 253 = BVerfG, „Anwaltsverschulden“, NJW 1982, 2425, 2426; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1924; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 57–60. 149 BVerfGE 103, 111 = BVerfG, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052; vgl. BVerfGE 14, 56, „Gemeindegerichte“, NJW 1962, 1611, 1611; Bettermann, AöR 92, 1967, 496, 514–531; ders., in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 414 f.; Böckstiegel, NJW 1977, 463, 466; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 110; Pietzcker, NVwZ 1996, 313, 316; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, 5; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 106, 120–122. 150  Hess, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 67. DJT 2008, 2008, F19 f.; H. Koch, NJ 2005, 97, 100 f.; Pitschas, NVwZ 2004, 396, 402; Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, 2006, Rn.  18; ders., DVBl. 2008, 1016, 1021; zur gerichtsnahen Mediation i. S. d. §  278 Abs.  5 S.  2 ZPO a. F.: Prütting, ZZP 124, 2011, 163, 164 f.; ders., in: Henssler u. a. (Hg.), FS Busse, 2005, 263, 269 f.; allgemein Münch, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 179, 200; Volkmann, SchiedsVZ 2004, 245, 246; vgl. auch Eckpunkt 9 „Eckpunktepapier des Deutschen Richterbundes zur gerichtsinternen und gerichtsnahen Mediation im Zivilprozess und im Verfahren vor den Arbeitsgerichten“ Nr.  12/09 vom November 2009; a. A. J. von Bargen, DVBl. 2004, 474. 151  Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, 2006, Rn.  18, 214; ähnlich Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 116; R. Wimmer/U. Wimmer, NJW 2007, 3242, 3244; Guckelberger, NVwZ 2011, 390, 394 f.; Esser, in: Nipperdey (Hg.), FS Lehmann, 1956, 713, 724, 729 f.; a. A. Pitschas, Impulsreferat Bundeskongress gerichtliche Mediation 2007, 35, 37, zitiert nach Hess, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 67. DJT 2008, 2008, F23 Fn.  95.

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§  4 Prozessvergleich

der Richter stets befürchten, nicht mehr „rechtsprechend“ zu handeln, sobald er seinen Erörterungspflichten gem. §§  136 Abs.  3, 278 Abs.  2 S.  2 ZPO nachkommt. Dies könnte dazu führen, dass er sich bei Gesprächen mit den Parteien eher zurückhält, um nicht vorschnell als nicht-richterlich handelnd zu haften. Der Richter und das richterliche Haftungsregime sind aber gerade so ausgestaltet, dass der Richter bei seiner rechtsprechenden Tätigkeit nur ausnahmsweise haftet, um ihn nicht in seinen Entscheidungen zur Verfahrensleitung zu beschränken.152 In unklaren Fällen ist daher im Zweifel anzunehmen, dass die Tätigkeit des Richters zumindest auch der Entscheidungsfindung oder -vorbereitung dient und damit Rechtsprechung i. S. d. GG darstellt.153 Da beide Tätigkeiten häufig faktisch ineinander übergehen, ist eine solche einheitliche Behandlung auch sinnvoll und eine Trennung künstlich.154 Nur sobald der Richter oder auch die Parteien bei der Erörterung eindeutig nicht mehr Fragen thematisieren, die zur Urteilsfindung relevant sind, ist die Grenze aber überschritten und es liegt keine Rechtsprechung i. S. d. GG vor. 2. Funktionaler oder historisch-funktionaler Rechtsprechungsbegriff Entgegen einzelnen Literaturansichten155 fällt ein Richter, der auf einen Prozessvergleich hinwirkt, und nicht bereits vom funktional-formalen Rechtsprechungsbegriff erfasst wird, auch nicht aufgrund eines historisch-funktionalen Verständnisses unter den verfassungsrechtlichen Rechtsprechungsbegriff. Ein historisch-funktionales Verständnis der „Rechtsprechung“ ist vom BVerfG anerkannt worden und baut auf der Annahme auf, dass die Verfassung weitere richterliche Tätigkeiten als die oben genannten voraussetzt.156 Diese lassen sich in zwei Kategorien teilen: Zum einen fallen richterliche Tätigkeiten hierunter, bei denen es gerade darauf ankommt, dass Richter in ihrer Funktion als solche agieren.157 Das heißt, dass eine persönlich und sachlich unabhängige 152  Vgl. BGH, NJW 2003, 3052, 3053; NJW 2011, 1072, 1073 f.; zu §  839 Abs.  2 S.  1 BGB und seinem Zweck, die Rechtskraft richterlicher Urteile zu schützen: Papier/Shirvani, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  839, Rn.  322 f. 153 Weiter noch Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, 2006, Rn.   18, 214; ­Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 116; Guckelberger, NVwZ 2011, 390, 394 f.; vgl. auch Walter, ZZP 103, 1990, 141, 146. 154  M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 273 f. 155  Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  35, 37; Hess, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 67. DJT 2008, 2008, F20 f.; unklar R. Wimmer/­ U. Wimmer, NJW 2007, 3242, 3246; ablehnend Prütting, JZ 2008, 847, 849 f.; anders aber ders., in: Henssler u. a. (Hg.), FS Busse, 2005, 263, 269 f. 156  Z. B. BVerfGE 7, 183 = BVerfG, „Rechtshilfeersuchen“, NJW 1958, 97, 98; BVerfGE 31, 43, „Ermittlungsrichterliche Verpflichtung“, NJW 1971, 1308, 1308; BVerfGE 103, 111, „Wahl­prüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1925; ausführlich Achterberg, in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 125, 134 f. 157  BVerfGE 7, 183 = BVerfG, „Rechtshilfeersuchen“, NJW 1958, 97, 98; BVerfGE 31, 43,

C. Pflichten des Gerichts

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Instanz bestimmte hoheitliche Entscheidungen in einem gerichtsförmigen, neutralen Verfahren treffen muss.158 Der Kernbereich solcher Tätigkeiten, die traditionell den Richtern zugeordnet sind und von deren Zugehörigkeit zur Rechtsprechung der Verfassungsgesetzgeber ausging,159 erfasst Rechtsbereiche, die dem Richter zugewiesen wurden, weil Bürger oder Parlamente misstrauisch gegenüber der Regierung (oder den Landesherren) und den ihr unterstellten Beamten waren. Die Entscheidung wurde daher diesen entzogen und einer neutralen Instanz übertragen.160 Eine solche Situation ist in der des Prozessvergleichsabschlusses nicht gegeben: Es geht um einen Rechtsstreit zwischen Privaten, nicht um den Schutz des Bürgers vor dem Staat. Zum anderen kann eine richterliche Tätigkeit zur „Rechtsprechung“ aufgrund eines historisch-funktionalen Verständnisses zählen, wenn die Handlung eines Richters nicht sinnvoll von seiner rechtsprechenden Tätigkeit getrennt werden kann. Dies wird angenommen für im Verfahren zu treffende organisatorische Anordnungen, die richterlichen Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Zwangsvollstreckung.161 Abgesehen von den ausdrücklich vom BVerfG anerkannten Fallgruppen ist unklar, nach welchen Kriterien zu bestimmen ist, ob eine richterliche Tätigkeit zur Rechtsprechung zu zählen ist. Richterliche Tätigkeiten sind nur zurückhaltend historisch-funktional zur Rechtsprechung zuzuordnen, solange sie nicht zu den anerkannten Fallgruppen gehören.162 Das richterliche Hinwirken auf die gütliche Einigung außerhalb der oben angesprochenen Grauzone beim Protokollvergleich, die noch als Rechtsprechung „Ermittlungsrichterliche Verpflichtung“, NJW 1971, 1308, 1308; BVerfGE 103, 111, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052; Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur. Beiträge, 1986, 281, 293 f. 158  BVerfGE 103, 111 = BVerfG, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1048; BVerfGE 107, 395, „Rechtsschutz gegen den Richter I“, NJW 2003, 1924, 1925; Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 429 f. 159  BVerfG, „Versorgungsausgleich“, NJW 1983, 2812, 2812; BVerfGE 76, 100, „§  3 Höfe­ VfO“, NJW 1988, 405, 405; Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 286 f.; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 147 f. 160  Arndt, AöR 21, 1932, 183, 202–208, 213 f. (noch zur Weimarer Reichsverfassung); Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur. Beiträge, 1986, 281, 285 f., 287; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 528 Rn.  45; Wassermann, in: Schmidt-Hieber/ Wassermann (Hg.), FS Deutsche Richterakademie, 1983, 19, 22; ausführlich Lefringhausen, Abgrenzung der Rechtsprechung, 1961, 149–154. 161 I.E. daher ablehnend bei der Bestellung des Insolvenzverwalters: BVerfGE 116, 1 = BVerfG, „Insolvenzverwalter“, NJW 2006, 2613, 2613 f.; beim Wehrbeauftragten: BVerwG, NJW 1973, 1059, 1059 f.; ausführlich etwa Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur. Beiträge, 1986, 281, 289; Detterbeck, in: Sachs (Hg.), GG, 7.  Aufl., 2014, Art.  97, Rn.  11a; Papier, in: Isensee/ Kirchhof (Hg.), Hb. Staatsrecht VIII, 3.  Aufl., 2010, 507, 527 Rn.  4 4; ders., NJW 2001, 1089, 1090; Sodan, in: Degenhart u. a. (Hg.), Hb. Staatsrecht V, 3.  Aufl., 2007, 681, 692 f. Rn.  22; Smid, Rechtsprechung, 1990, 151, 209; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 83–86. 162  Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 83–85; a. A. wohl Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur. Beiträge, 1986, 281, 293 f.

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§  4 Prozessvergleich

qualifiziert werden muss, müsste somit als überkommene richterliche Tätigkeit anerkannt sein oder untrennbar mit der Richtertätigkeit in Zusammenhang stehen. Dieser Annahme ist nicht zu folgen: Das Schlichtungsziel als richterliche Aufgabe war zwar bereits im 19.  Jahrhundert vor Inkrafttreten der CPO 1877 anerkannt und wurde nie gänzlich von der Tätigkeit des Richters getrennt, wie sich an §§  278 f., 794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO (und ihren Vorgängernormen) zeigt.163 Allerdings wurde dieses Ziel umgekehrt nicht stets als untrennbar mit der richterlichen Tätigkeit verbunden angesehen.164 Stattdessen wurde mehrfach diskutiert, Regelungen zu richterlichen Schlichtungstätigkeiten einzuführen oder abzuschaffen.165 Weiterhin gibt es eine Reihe gesetzlich nicht dem Richter zugewiesener alternativer Streitbeilegungsverfahren, etwa in §  15a EGZPO, im MediationsG und im VSBG. Die ZPO bewertet den Prozessvergleich rechtlich ebenso wie das Ergebnis der Tätigkeit der Gütestelle nach §  15a EGZPO. Die entsprechenden Regelungen verlangen dem handelnden Dritten die gleiche Tätigkeit ab wie dem auf eine gütliche Einigung hinwirkenden Richter.166 Das Hinwirken auf die Einigung ist dem Richter somit nicht als ureigene Aufgabe zugewiesen und verlangt nicht zwingend die funktionale Verbindung mit dem Gerichtsverfahren.167

II. Konsequenzen für die richterliche Mitwirkung beim Abschluss eines Prozessvergleichs Der folgende Abschnitt zeigt, dass der Richter, solange er passiv bleibt und bloß die Vergleichserklärungen der Parteien „empfängt“, befugt und verpflichtet ist, die Protokollierung zu verweigern, wenn der Prozessvergleich dem materiellen Recht widerspricht. Auch muss er darauf hinweisen, wie gegen einen fehlerhaften Prozessvergleich vorgegangen werden kann. Wirkt er aktiv auf eine Parteieinigung hin, hat er darüber hinaus weitere Erläuterungspflichten, und zwar unabhängig von anwaltlicher Vertretung der Parteien (1.). Bei den anderen Ver163  Hess, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 67. DJT 2008, 2008, F22; ders., ZZP 124, 2011, 137, 147 f.; H. Koch, NJ 2005, 97, 98; Spindler, DVBl. 2008, 1016, 1021; J. von Bargen, DVBl. 2004, 474; von Hoffmann, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 217, 218–220; ähnlich Habscheid, NJW 1962, 5, 7; etwas anderer Akzent (tritt mehr und mehr in den Vordergrund): Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 74. 164  Vgl. etwa Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  7 79, Rn.  51. 165 Ausführlich Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  278, Rn.  6; siehe auch BGH, NJW 1967, 2054, 2056. 166  Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 417; Greger, JZ 1997, 1077, 1079; enger Spindler, DVBl. 2008, 1016, 1022; R. Wimmer/U. Wimmer, NJW 2007, 3242, 3244; vgl. auch BVerfGE 103, 111 = BVerfG, „Wahlprüfung Hessen“, NJW 2001, 1048, 1052; a. A. Hess, ZZP 124, 2011, 137, 148. 167  Prütting, JZ 2008, 847, 849 f.; ähnlich Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, 2006, Rn.  18; ders., DVBl. 2008, 1016, 1021; anders Greger, NJW 2007, 3258, 3258 f.; Probst, JR 2008, 364, 368; Volkmann, SchiedsVZ 2004, 245, 246; J. M. von Bargen, Gerichts­ interne Mediation, 2008, 149, 227; J. von Bargen, Die Verwaltung 43, 2010, 405, 413.

C. Pflichten des Gerichts

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gleichsarten ging der Gesetzgeber davon aus, dass die richterlichen Pflichten denen beim Protokollvergleich entsprechen. Ist kein kontradiktorisches Verfahren vorgesehen, können die Hinweispflichten noch weiter gehen (2.). 1. Rechte und Pflichten des Richters beim Protokollvergleich Der Richter als Hoheitsträger ist an Recht und Gesetz gebunden.168 Unklar ist, was hieraus für den Prozessvergleich folgt. Das Gesetz regelt etwaige Prüfungspflichten bei der Protokollierung nicht.169 Aus den verfassungsrechtlichen Erwägungen zum Verzicht auf Aspekte des Justizgewährleistungsanspruchs (§  1 D.) ergibt sich eine Unterscheidung danach, wie stark der Richter auf die Parteien einigend einwirkt. Ein passiver Richter darf keinen rechtswidrigen Prozessvergleich protokollieren (a–b) und muss sicherstellen, dass die Parteien sich bewusst sind, welchen Umfang und welche Folgen ihre Erklärung hat (c). Ein Richter, der aktiv auf die Parteien einwirkt, hat erhöhte Hinweis- und Erläuterungspflichten (d). Dies gilt grundsätzlich unabhängig von der anwaltlichen Vertretung der Parteien (e). a) Zulässigkeit der Protokollierungsverweigerung Zunächst darf der Richter entgegen vereinzelter Stimmen in der Literatur eine inhaltliche Prüfung des Vergleichs vornehmen, wenn er denselben zu Protokoll nimmt, und die Protokollierung verweigern.170 (1) Unergiebigkeit des Gesetzestextes Der Protokollvergleich, bei dem der Richter den Inhalt des Vergleichsvertrags in der mündlichen Verhandlung nach den Regeln der ZPO zu Protokoll gibt, ist die älteste und ursprüngliche Form des Prozessvergleichs. Die Literatur über die etwaigen Prüfungs- und Hinweispflichten des Richters ist hier die umfangreichste. Eine ausdrückliche Regelung fehlt allerdings. §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO setzt (nur) voraus, dass der Vergleich nach den Regelungen zum richterlichen Protokoll in der mündlichen Verhandlung zustande gekommen sein muss, d. h. gem. §§  159, 160 Abs.  3 Nr.  1 ff. ZPO. Auch §  127a BGB, der anordnet, dass der Prozessvergleich die Form der notariellen Beurkundung ersetzt,171 verweist nur 168  Assmann, in: Schütze/Wieczorek (Hg.), ZPO Bd.  4, 4.  Aufl., 2012, §  278, Rn.  8; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 150; Schier, in: Henrich (Hg.), FS Firsching, 1985, 233, 235 f.; A. Staudinger, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 659, 668. 169  C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 725; vgl. Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 52; noch allgemeiner Pecher, ZZP 97, 1984, 139. 170  So aber wohl Breetzke, NJW 1969, 1408, 1412; J. Braun, in: Bernreuther (Hg.), FS Spellenberg, 2010, 71. 171 Historischer Überblick zu dieser Funktion etwa: Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-­BGB III/2, 2013, §  779, Rn.  31 f.; Smid, Rechtsprechung, 1990, 200.

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§  4 Prozessvergleich

auf das Zustandekommen nach den Regelungen der ZPO, stellt also auf den formalen Vorgang ab. Ob der Richter die Protokollierung wegen Materiellrechtswidrigkeit verweigern darf, bleibt offen.172 (2) Unergiebigkeit des Vergleichs mit §  156 FamFG und §  1053 ZPO Auch eine systematische Betrachtung mit anderen zivilverfahrensrechtlichen Vergleichsregelungen, etwa denen im FamFG und beim Schiedsvergleich, ist unergiebig. Aus §  156 FamFG könnte man rückschließen, dass beim allgemeinen Prozessvergleich keine inhaltliche Prüfung zulässig ist: Ein Vergleich in Kindschaftssachen wird nur wirksam, wenn das Familiengericht ihn ausdrücklich billigt. Das Gericht billigt den Vergleich, wenn dieser dem Kindeswohl nicht widerspricht (§  156 Abs.  2 FamFG). Eine vergleichbare Prüfungsregelung zum Prozessvergleich der ZPO fehlt. Im Gegenschluss könnte eine Prüfungspflicht daher auf Fälle beschränkt sein, in denen schutzwürdige Dritte betroffen sind, etwa Kinder.173 §  156 Abs.  2 FamFG wurde aber nicht geschaffen, um Aussagen über den Inhalt des normalen Prozessvergleichs zu treffen. Die Norm ordnet unabhängig von der Prüfungspflicht eine zusätzliche Kindeswohlprüfung an, um die Interessen des Kindes in einer Einigung, die es mitbetrifft, zu wahren.174 Die Norm behandelt also eine speziell familienrechtliche Sachlage und trifft keine Aussage über eine allgemeine Rechtsprüfung bei anderen Vergleichsformen.175 Auch ein Blick auf die Regelungen zum Schiedsvergleich ist nicht weiterführend. Beim Schiedsvergleich ist der Schiedsrichter dazu verpflichtet, nur eine ordre public-Prüfung vorzunehmen. Er muss im Übrigen den Vergleich als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut festhalten, §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO. Auch dieser Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut ersetzt die notarielle Beurkundung, §  1053 Abs.  3 ZPO. Prozessvergleich und Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut werden also ähnliche Wirkungen zugeschrieben. Damit könnte auch der Prüfungsumfang parallel geregelt sein, mit der Folge, dass auch der Prozessvergleich nur auf ordre public-Konformität kontrolliert werden dürfte.176 Umgekehrt lässt sich aus der mangelnden Parallelregelung ebenso rückschließen, dass gerade keine solche Prüfungspflicht gewollt ist, da eine vergleichbare Norm beim Prozessvergleich i. S. d. §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO fehlt.177 172 Z.  B. gegen ein Verweigerungsrecht Breetzke, NJW 1969, 1408, 1412; anders wohl Cahn, AcP 198, 1998, 35, 62 f. 173  Wohl ähnlich Atteslander-Dürrenmatt, Prozessvergleich, 2006, 61 f. mit Fn.  9. 174  Z. B. Eva Schumann, MünchKomm-FamFG, 3.  Aufl., 2018, §  156, Rn.  18 f. 175 Ähnlich Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 74–76. 176  Breetzke, NJW 1969, 1408, 1412; E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 585 f.; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 65; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 283 f.; offen lassend G. Hager, Konflikt und Konsens, 2001, 122. 177 Tendenziell Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 153.

C. Pflichten des Gerichts

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Blickt man auf die Entstehung von §  1053 ZPO, zeigt sich, dass keine inhaltliche Regelung zum Prozessvergleich beabsichtigt war, also beide Schlussfolgerungen nicht stimmen: Die Regelung zum Schiedsvergleich wurde eingeführt, um das Schiedsrecht zu reformieren und zu modernisieren und Schiedsvergleiche international verkehrsfähig zu machen. Nach altem Recht wurde der Schiedsvergleich parallel zu einem Prozessvergleich behandelt und stellte daher keinen Schiedsspruch dar, der nach der New York Convention in den übrigen Mitgliedstaaten hätte anerkannt und vollstreckt werden können. Um diese Probleme zu beseitigen, wurde der Schiedsvergleich in §  1053 ZPO neu und anders geregelt. Er führt zu einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, der wie ein regulärer Schiedsspruch wirkt und entsprechend anerkannt und vollstreckt werden kann.178 Der Gesetzgeber und die dem Gesetzgebungsverfahren vorhergehende Expertenkommission orientierten sich an schiedsrechtlichen Regelungen nationalen und supranationalen Ursprungs, nicht aber an denen des nationalen Prozessrechts.179 Der Gesetzgeber wollte daher mit der Regelung zum Schiedsvergleich nicht zugleich Aussagen zum Prozessvergleich treffen.180 Aus §  1053 Abs.  1 ZPO lässt sich also ebenfalls kein Rückschluss auf den Prozessvergleich ziehen. Der Vergleich mit anderen Normen führt somit zu keinem eindeutigen Ergebnis, welche konkreten Pflichten der Richter beim Protokollvergleich hat. (3) Prüfungsmöglichkeit aufgrund der Gesamtwertung der ZPO Das Gesamtgefüge und die Wertungen der ZPO zur Parteiautonomie sprechen gegen ein Prüfungsverbot: Regelmäßig ist eine richterliche Prüfung zumindest in begrenztem Umfang möglich. Etwa beim Anerkenntnisurteil gem. §  307 ZPO darf der Richter keine inhaltliche Prüfung vornehmen, ob der anerkannte Anspruch materiellrechtlich vorliegt. Er ist auf eine Prüfung der öffentlichen Ordnung bzw. der guten Sitten beschränkt, hierzu aber verpflichtet (§  3 B.).181 Dieser Gedanke, der auch in §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO ausgedrückt wird, spricht dafür, dem Richter zumindest eine beschränkte Möglichkeit zu geben, die Protokollierung zu verweigern.

178 

Z. B. Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 276. Etwa BT-Drs. 13/5274, 54 f.; Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht, 1994, 175–178. 180  Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 64–66; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  42. 181  Vgl. auch M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 289; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 69; A. Staudinger, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 659, 668. 179 

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§  4 Prozessvergleich

(4) Verweigerungsrecht aufgrund der richterlichen Stellung Für das Recht, die Protokollierung bei rechtswidrigem Inhalt zu verweigern, spricht ferner die Stellung des Richters: Soweit er „rechtsprechend“ tätig ist (oben I. 1.), ist er aufgrund seiner Unabhängigkeit an das objektive Recht gebunden. Er muss daher fähig sein, seine Mitwirkung zu verweigern, wenn diese sonst eine rechtswidrige Lage schaffte. Er bleibt aber selbst dann, wenn er nicht „rechtsprechend“ tätig wird, als Teil des Staats dem Recht und den allgemeinen Verfahrensgarantien verpflichtet (§  1. D.).182 Das Vertrauen in die Justiz litte, wäre der Richter „sehenden Auges“ verpflichtet, einen rechtswidrigen Vergleich zu protokollieren und damit aktiv einen materiellrechtswidrigen Titel zu schaffen.183 Die richterliche Kontrolle, die ein Prozess allgemein gewährleistet, könnte damit bewusst umgangen werden. Dies wäre für das allgemeine Vertrauen nicht nur in die Justiz, sondern in die gesamte Rechtsordnung unerwünscht.184 Das Recht könnte hierdurch sogar Anreize schaffen, einen Prozess nur mit dem Ziel zu beginnen, einen rechtsmissbräuchlichen Titel im Wege des Prozessvergleichs zu erlangen. Solchen Anreizen ist zu begegnen, insbesondere wenn das dem Streit zugrunde liegende materielle Recht Mechanismen vorsieht, um konkrete individual- oder allgemeinschützende Ziele zu erreichen, die nicht zur Parteidisposition stehen.185 Dies gilt umso mehr, als eine weitere gerichtliche Prüfung nur im Zwangsvollstreckungsverfahren oder bei Antrag auf Prozessfortsetzung durch den Richter selbst möglich ist, der Prozessvergleich also funktional an die Stelle eines Urteils tritt.186 (5) Bestätigung durch Materialien zum Beschlussvergleich Bestätigt wird dieses erste Ergebnis, nämlich dass der Richter die Protokollierung verweigern darf, durch die Gesetzgebungsmaterialien zum Beschlussvergleich gem. §  278 Abs.  6 ZPO: Der Gesetzgeber geht beim Beschlussvergleich davon aus, dass ein Richter den Vergleich auf gewisse inhaltliche Fehler prüfen muss. Dabei unterscheidet der Gesetzgeber den Beschlussvergleich nicht ausdrücklich vom Protokollvergleich, sondern geht von einem einheitlichen Standard aus.187 182  Smid, Rechtsprechung, 1990, 5; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 270; Prütting, ZZP 124, 2011, 163, 164. 183  M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 268 Fn.  32. 184  Z. B. Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, 1985, 201; Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 167 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 477; E. Schumann, in: Canaris/ Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 585 f.; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 546; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 265; a. A. Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 159 f. 185  E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 585 f. 186  Hermann, in: Rückert u. a. (Hg.), HKK-BGB III/2, 2013, §  7 79, Rn.  31 f. 187  Müller-Teckhoff, MDR 2014, 249, 250; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 60; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 725.

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(6) Zwischenergebnis In einem ersten Schritt lässt sich daher feststellen, dass es keine Pflicht des Richters geben kann, einen Prozessvergleich zu protokollieren, den er für rechts­ widrig hält. Die Protokollierung steht in seinem Ermessen.188 Aufgrund seiner Gesetzesbindung muss er die Protokollierung im Fall der Rechtswidrigkeit verweigern.189 b) Inhaltliche Prüfungspflicht Ist der Richter der Meinung, der Vergleichsinhalt sei rechtswidrig, muss der Richter also die Protokollierung verweigern. Doch welchen Prüfungsmaßstab muss er anlegen? Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass die normalerweise bestehende Rechtsbindung des Richters in der Situation des Prozessvergleichs stark bis nahezu völlig gelockert ist und nur in Fällen offensichtlicher, krasser Rechtsverstöße eine Protokollierung zu unterbleiben hat.190 Der andere Teil der Literatur nimmt an, dass ausnahmsweise die Rechtsbindung gelockert werden könne, allgemein aber das objektive Recht der Maßstab bleibt und ein rechtswidriger Vergleich nicht protokolliert werden darf.191 Hintergrund der unterschiedlichen Ergebnisse ist, dass die einzelnen Meinungen versuchen, verschiedene Grundsätze des Zivilprozesses miteinander in Einklang zu bringen, diese aber jeweils unterschiedlich gewichten.192 (1) Prozessökonomie als unzulässiges Kriterium Soweit die Effektivität des Verfahrens oder die Prozessökonomie als Prinzip herangezogen werden, um eine inhaltliche Prüfungspflicht des Richters zu verneinen, überzeugt dies nicht.193 Selbstverständlich beschleunigt es die Verfahrensbeendigung und Titelschaffung, wenn der Richter nur eine rudimentäre 188 

Vgl. auch BGH, NJW 2011, 3451, 3452; Breetzke, NJW 1969, 1408, 1410. Z. B. Breetzke, NJW 1969, 1408, 1410; Müller-Teckhoff, MDR 2014, 249, 250 f.; C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 345; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  46 (aber über §  4 BeurkG), 49. 190  Atteslander-Dürrenmatt, Prozessvergleich, 2006, 64; Breetzke, NJW 1969, 1408, 1412; E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 585 f.; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 283 f.; unklar Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 42; offen lassend G. Hager, Konflikt und Konsens, 2001, 122. 191  Assmann, in: Schütze/Wieczorek (Hg.), ZPO Bd.  4, 4.  Aufl., 2012, §  278, Rn.  8; Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 165; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 150; Schier, in: Henrich (Hg.), FS Firsching, 1985, 233, 238; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 551 f. (Ausnahmen andenkend bei geringwertigen Streitigkeiten ohne grundsätzliche Bedeutung). 192 Ähnlich Kauffmann, MDR 2004, 1035, 1037; Rogowski, in: Blankenburg u. a. (Hg.), Alternativen in der Ziviljustiz, 1982, 171, 180; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 268. 193  Zur Effizienz des Prozesses durch gütliche Streitbeilegung: BT-Drs. 14/4722, 58, 62; zu ökonomischen Erwägungen, einen Vergleich vorzuschlagen: M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 282 f. Fn.  78. 189 

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§  4 Prozessvergleich

Prüfung durchführen darf und den Vergleich ansonsten ohne inhaltliche Untersuchung protokollieren muss.194 Doch im Zivilprozess geht es nicht um Verfahrensbeendigung durch Prozessvergleichsschluss um jeden Preis.195 Der Gedanke der Prozessökonomie kann niemals den Primärzweck des Verfahrens aushebeln, d. h. effektiven Rechtsschutz und damit den Zugang zu einer Rechtsprüfung durch ein Gericht. Die Prozessökonomie kann daher kein materiellrechtswidriges Verfahrensergebnis rechtfertigen, sondern höchstens andere Erwägungen stützen.196 Ebenso wenig hat der Prozessvergleich das Ziel, dem Richter die Arbeit zu erleichtern oder ihn von einer Rechtsprüfung zu befreien.197 (2) Gütliche Streitbeilegung als rechtsgebundene Einigung Eine Lockerung könnte sich einzig aus dem Ziel, eine gütliche Streitbeilegung zu fördern, ergeben. Dieses Ziel muss zunächst in die Ziele des Zivilprozesses eingeordnet werden. Dabei zeigt sich, dass die gütliche Streitbeilegung nur im Sinne einer dem Recht entsprechenden Einigung vom Zivilprozessrecht gewünscht und gefördert wird, also gerade nicht dazu dienen kann, eine Abkehr vom Recht zu rechtfertigen. Allgemein geht es im Prozess zwar um effektiven Individualrechtsschutz. Zugleich dient der Prozess aber auch der Befriedung und endgültigen Beilegung des Konflikts zwischen den Parteien (§ B. III.).198 Die gütliche Streitbeilegung, wie sie durch Prozessvergleich erreicht werden kann, dient wie auch das Urteil diesem zweiten Ziel, aber mit einem anderen Schwerpunkt: Es geht nicht um die Entscheidung des Rechtsstreits in richtig oder falsch, rechtmäßig oder nicht, sondern um eine gütliche und parteiautonome Einigung.199 Dieser Gedanke der gütlichen und parteibestimmten Streitbeilegung findet etwa Ausdruck in §  278 Abs.  1 ZPO, wonach der Richter die Par194  Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 161 f.; ausführlich hierzu P. Gottwald, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 137, 143 f.; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 720 f. 195  Arndt, NJW 1967, 1585, 1585; Greger, in: Heinemann u. a. (Hg.), FS Vollkommer, 2006, 3, 11; P. Gottwald, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 137, 155; Kauffmann, MDR 2004, 1035, 1037; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 266, 282. 196  Kauffmann, MDR 2004, 1035, 1037; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 477; ­Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 88; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 282; a. A. wohl Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 161 f. 197  Arndt, NJW 1967, 1585, 1586 f.; Knauss, ZRP 2009, 206, 207; R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 204; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  4. 198  Arndt, NJW 1967, 1585, 1585 f.; H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 148; R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 204; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 269; skeptisch C. Thole, in: Stein/ Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  12; vorsichtig auch Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, 246. 199  Arndt, NJW 1967, 1585, 1586; Knauss, ZRP 2009, 206, 207; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 263 f.; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 721; vgl. hierzu auch Smid, Rechtsprechung, 1990, 202 f.

C. Pflichten des Gerichts

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teien zu jeder Zeit des Verfahrens zu einer gütlichen Einigung anhalten soll, ist aber bereits lange im deutschen Verfahrensrecht als richterliche Aufgabe anerkannt.200 Aus dem Gedanken der „gütlichen“, nicht der rechtlich „richtigen“ Beilegung des Konflikts ließe sich schlussfolgern, dass Rechtsfrieden unabhängig vom Recht erreicht werde dadurch, dass die Parteien den Ausgang ihres Verfahrens selbstständig und ohne staatliche Intervention bestimmen, also von ihrer Privat- und Parteiautonomie Gebrauch machen. Der Teil der Literatur, der diesen Aspekt der Streitbeilegung betont, kommt zum Ergebnis, dass die Parteien im Prozess i. R. d. §  278 Abs.  1 ZPO, insbesondere durch Abschluss eines Prozessvergleichs, eine Lösung finden sollen, die ihren Interessen unabhängig von der Rechtslage am ehesten gerecht wird.201 Hieraus wird gefolgert, dass der Richter in der Vergleichsphase keinen Einfluss auf die Entscheidungsfindung nehmen darf, umgekehrt aber auch nicht dafür einzustehen hat, dass das geltende Recht aktiv durchgesetzt wird. Er hat den Inhalt des Vergleichs der Parteientscheidung zu überlassen. Sein Prüfungsmaßstab sei auf eine grobe Missbrauchsprüfung beschränkt.202 Das deutsche Verfahrensrecht geht aber nicht davon aus, dass eine solche gütliche Einigung unabhängig von der dem Streit zugrunde liegenden Rechtslage stattfinden soll. Im Gesetz findet sich keine Regelung außerhalb bestimmter gesonderter Verfahren wie denen nach dem VSBG (dazu bereits §  2 B. VI.), welche die gütliche Beilegung oder Einigung im Prozess ausdrücklich vom geltenden Recht oder den vom Prozess allgemein angestrebten Interessen trennt. Im Gegenteil führen die Einbettung in den Prozess und das richterliche Mitwirken beim Prozessvergleich dazu, dass das Grundziel des Prozesses, nämlich der Individualrechtsschutz, fortgilt.203 Gegen eine Lösung vom Recht spricht auch der Grundsatz der materiellrechtsfreundlichen Auslegung des Prozessrechts, d. h. des Vorrangs der Auslegung, die der Verwirklichung des materiellen Rechts 200  Assmann, in: Schütze/Wieczorek (Hg.), ZPO Bd.  4, 4.  Aufl., 2012, §  278, Rn.  12; Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 167; Greger, in: Heinemann u. a. (Hg.), FS Vollkommer, 2006, 3, 3 f.; P. Gottwald, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 137, 144; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 473; Münch, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hg.), 50. Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2008/I, 2009, 179, 194; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 268 f.; vgl. auch BTDrs. 14/3750, 57: mit dem Zitat „Schlichten ist besser als richten“; Kasper, JZ 1995, 746, 749 f. 201  J. Braun, in: Bernreuther (Hg.), FS Spellenberg, 2010, 70; P. Gottwald, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 137, 145 f.; Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 162 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 453; Meller-Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 300 f.; kritisch hierzu R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 549; ders., DRiZ 1976, 202, 205. 202  Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 162; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 261, 265; wohl Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 42. 203  Kauffmann, MDR 2004, 1035, 1037; Prütting, ZZP 124, 2011, 163, 167 f.; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 546; ders., DRiZ 1976, 202, 204; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 268 Fn.  32; wohl auch Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, 246 f.

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§  4 Prozessvergleich

am wenigstens im Wege steht (bereits §  1 B. IV).204 Schließlich ist zweifelhaft, ob ein Vergleichsgespräch losgelöst vom Recht wirklich sinnvoll möglich ist und aufgrund der Rechtslösung tatsächlich zu verstärktem Rechtsfrieden führt.205 (3) Verfassungsrechtlicher Rechtsprechungsbegriff und richterliche Rechtsbindung Wie der Streit zwischen diesen Meinungen entschieden werden muss, ergibt sich aus den Anforderungen, die bereits die Verfassung an das Gericht stellt (§  1 D.): Der Richter muss stets prüfen, ob die Parteien sich wirksam geeinigt haben, d. h. ob ihr Verzicht auf eine richterliche Entscheidung wirklich privatautonom geschah, bevor er einen vollstreckbaren Titel schafft. Die Privatautonomie geht auf die allgemeine Handlungsfreiheit i. S. d. Art.  2 Abs.  1 GG zurück und wird einfachgesetzlich ausgestaltet. Beim Prozessvergleich wird diese Ausgestaltung aufgrund seiner Doppelnatur nicht nur durch die Regelungen des Prozessrechts vorgenommen, sondern auch durch die des materiellen Rechts. Das Gericht muss daher sicherstellen, dass die Parteien korrespondierende Willenserklärungen i. S. d. BGB (materiellrechtlicher Vertrag gem. §  779 BGB) und i. S. d. Prozessrechts (Prozessvertrag zur Prozessbeendigung) abgegeben haben.206 Privatund Parteiautonomie werden aber nicht nur durch die Regeln zum Zustandekommen des Vertrags konkretisiert, sondern auch durch andere Regeln, welche ein Verhandlungsungleichgewicht kompensieren wollen, etwa durch inhaltlich zwingende Regeln.207 Wie bereits herausgearbeitet, gibt es Normen, bei denen der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sie auch im Prozess zwingend gelten und eine parteiautonome Entscheidung ermöglichen oder ausgestalten.208 Das Recht kann nicht den Zweck haben, Rechtsfrieden auf Kosten der Ziele der Rechtsordnung zu erreichen, wenn es bereits positiv erklärt hat, diese Ziele über die Parteiautonomie zu stellen. Somit muss auch geprüft werden, ob die Parteien überhaupt vergleichsbefugt sind in dem Sinn, dass eine Entscheidung nicht ausschließlich den Gerichten vorbehalten ist, etwa bei einer Ehescheidung oder sonstigen Statussachen (oben B. I.).209 Darüber hinaus müssen Gerichte auch in 204  H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 286; E. Schumann, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1209, 1220; ders., in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 175, 181 f.; krit. zu einer Lockerung der Rechtsbindung auch Rogowski, in: Blankenburg u. a. (Hg.), Alternativen in der Ziviljustiz, 1982, 171, 181. 205 Hierzu R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 205; ders., in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 359, 375. 206 Ähnlich R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 550; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 45. 207  Zum Mietrecht und Arbeitsrecht etwa M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 279 f. 208 Wohl Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 59 f. 209  Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 80; Blomeyer, Zivilprozessrecht, 1963, §  124, 705 f.; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 135.

C. Pflichten des Gerichts

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der Situation des Prozessvergleichs positiv kontrollieren, ob ausnahmsweise eine krass gestörte Verhandlungsungleichgewichtslage vorliegt, wie dies in den „Bürgschafts“- und „Ehevertrags“-Entscheidungen des BVerfG bejaht wurde (dazu §  1 C. 2., D. I. 3.), und gegebenenfalls einen Vertragsschluss gem. §  138 BGB verneinen.210 Diese Anforderungen ergeben sich aus dem autonomen deutschen Recht und der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Aus der besonderen Prozesssituation in der mündlichen Verhandlung kann sich dabei ein gewisser disziplinierender Effekt auf die Parteien ergeben, dass sie vor dem Gericht keine rechtswidrigen Vergleichsinhalte diskutieren. Diese Wahrscheinlichkeit, dass ein Prozessvergleich „richtig“ i. S. d. Rechtsordnung ist, reicht aber nicht aus, um sicherzustellen, dass die Parteien wirklich selbstverantwortlich i. S. d. einfachen Rechts handeln. Das einfache Recht hat gerade auch Situationen im Blick, in denen eine Partei die Folgen ihrer Erklärung nicht stets überschauen kann. Ungleiche Verhandlungsstärke aufgrund unterschiedlicher Informationshorizonte kann auch den Abschluss eines Prozessvergleichs beeinflussen.211 Der Richter muss im Rahmen seiner Gewährleistungspflicht (dazu §  1 D.) beim Verzicht auf die Justizgewährleistung stets diese zwingenden Normen prüfen, damit der Verzicht auf die Justizgewährleistung nicht unverhältnismäßig wird.212 Wird ein Richter „rechtsprechend“ i. S. d. GG tätig, ergibt sich diese Rechtsbindung auch bereits aus seiner besonderen verfahrensrechtlichen Stellung als unabhängige, hoheitlich entscheidende Person. Wie herausgearbeitet (oben I. 1.), kann die Phase, in welcher der Richter den Sach- und Streitstand mit den Parteien erörtert (§§  136 Abs.  3, 139 Abs.  1 ZPO), schwierig von der Phase zu trennen sein, in welcher er auf eine gütliche Streitbeilegung hinarbeitet und hierzu Sach- und Streitstand erörtert (§  278 Abs.  2 S.  2 ZPO). In diesen Fällen ist der Richter im Zweifel als „rechtsprechend“ anzusehen, d. h. er ist an das objektive Recht gebunden.213 In diesen Fällen ist er schon aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Stellung verpflichtet, einen Vergleich darauf zu kontrollieren, dass er dem Recht entspricht.

210 Ähnlich Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 80 f.; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 550. 211  Zum gesamten Absatz etwa Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 476; Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 166 f.; Knauss, ZRP 2009, 206, 208; zum begrenzten Informationshorizont auch des Richters: M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 277. 212  M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 273–275, 281, 286 f.; wohl auch Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 58. 213 Ähnlich Prütting, ZZP 124, 2011, 163, 166, 167 f.; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 273.

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§  4 Prozessvergleich

(4) Zwischenergebnis Der Richter muss stets prüfen, ob der Inhalt des Vergleichs zwingendem Recht entspricht, da auch dieses in seiner Umsetzung im BGB die Privat- und Parteiautonomie ausgestaltet.214 Ausnahmsweise kann im oben beschriebenen Fall des Tatsachenvergleichs eine gewisse Dispositionsbefugnis der Parteien bestehen. Die Meinung, welche den Richter parallel zum Anerkenntnisurteil nur zu einer Ergebniskontrolle i. R. d. ordre public ermächtigt, 215 müsste konsequenterweise die zwingenden Verbraucherrechtsnormen als Teil des ordre public qualifizieren, wie der EuGH es aus dem Äquivalenzprinzip herleitet (s. o., §  3 B. II.). Nach der hier vertretenen Ansicht kommt es nicht darauf an, ob es sich um zwingende Verbraucherrechtsnormen unionsrechtlicher Herkunft handelt oder andere zwingende Normen, solange diese in der Vergleichssituation zwingend gelten sollen. Der Richter muss im Fall eines Verstoßes die Protokollierung verweigern. c) Hinweispflicht bei passivem Richter Der Prozessvergleich beendet das Verfahren. Selbst ein unwirksamer, aber formal korrekt protokollierter Prozessvergleich erzeugt den Eindruck, dass das Verfahren beendet ist. Zugleich entsteht ein vollstreckbarer Titel, sodass unmittelbar mit der Zwangsvollstreckung begonnen werden kann. Natürlich ist die Gefahr, dass der Prozessvergleich rechtswidrig ist, dadurch gering, dass der Richter vorher die Pflicht hat, ihn wie herausgearbeitet auf Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht zu kontrollieren. Ein Fehler kann aber nicht völlig ausgeschlossen werden, sodass dem Verbraucher die Möglichkeit einer rechtlichen Kontrolle offen stehen muss. Ist nicht sicher, ob der Verbraucher die Folgen eines Vergleichsschlusses überblickt, ergibt sich daher aus der Rechtsprechung des EuGH zumindest eine begrenzte Pflicht, die passive Richterrolle aufzugeben. Dies gilt jedenfalls, soweit EU-Verbrauchervertragsrecht einschlägig ist. Die EuGH-Rechtsprechung verlangt nicht von den EU-Mitgliedstaaten, dass sie ihr Richterbild ändern und die Dispositionsmaxime oder den Grundsatz der Waffengleichheit aufgeben (s. o., §  3 A. I., §  2 B. I.). Der Richter muss nur eingreifen, wenn er unsicher ist, ob die Informationsgrundlage der Parteien zur Entscheidungsfindung ausreicht. Ob eine Einigung und damit ein wirksamer Verzicht auf ein richterliches Urteil vorliegen, ist als Eingriff in die Justizgewährleistung bereits nach autonomem deutschem Recht vom Gericht von Amts 214  Z. B. auch Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 189; Schier, in: Henrich (Hg.), FS Firsching, 1985, 233, 238. 215  E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 585 f.; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 69 f., 87 f.

C. Pflichten des Gerichts

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wegen zu prüfen (§  1 D. und gerade b).216 Die Prüfungspflicht wird unionsrechtlich überformt: Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich eine Vermutung, dass der Verbraucher als prozessunerfahrene Person im Zweifel keine Kenntnisse über seine Rechte und den Ablauf des Verfahrens aufweist (§  2 B. III.). Damit besteht die Gefahr, dass er aus Unwissenheit seine Rechte nicht umfänglich durchsetzt und damit faktisch auf sie verzichtet. In einer B2C-Konstellation ist typisiert davon auszugehen, dass der Verbraucher die Rechtsfolgen des Vergleichsschlusses nicht überblickt und damit nicht selbstverantwortlich entscheidet. Aus Sicht des EuGH handelt es sich damit nicht um einen privatautonomen Verzicht, der die Beschränkung der effektiven Wirkung des Unionsrechts rechtfertigen kann (ausführlich bereits §  2 B. III.). Aus dem Informa­tionsdefizit folgt damit letztendlich eine unverhältnismäßige Beschränkung der effektiven Wirkung des EU-Rechts, der die Mitgliedstaaten begegnen müssen. Wie sie die Vorgaben des EuGH umsetzen, steht ihnen offen. Möglich wäre, Vergleiche zwischen Verbrauchern und Unternehmern im Prozess zu verbieten, also die Vergleichsbefugnis einzuschränken (oben B. I.). Dies widerspräche aber dem Ausgangspunkt des deutschen Prozesses, die Parteiautonomie zu respektieren, wann und unter welchen Gesichtspunkten ein Verfahren konsensual beendet wird. Eine eher systemkonforme Lösung ist, dass der Richter das Informationsdefizit aktiv beseitigen muss, gegebenenfalls durch Nachfragen und Hinweise. Eine solche Hinweispflicht besteht im deutschen Recht allgemein nach §  278 Abs.  2 S.  2 ZPO und, sobald die Güteverhandlung i. S. d. §  278 Abs.  2 S.  1 ZPO abgeschlossen ist, gem. §  139 Abs.  3 i. V. m. §  278 Abs.  1 ZPO.217 Eine Hinweispflicht beim Prozessvergleich ergibt sich auch nach der Rechtsprechung des BGH aus der Nähe zur notariellen Beurkundung: Der Prozessvergleich ersetzt die notarielle Form (§  127a BGB). Diese Ersetzung ist nur möglich, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass eine richterliche Protokollierung die gleiche Sicherheit bietet wie die notarielle Beratung bei der notariellen Be­ urkundung. Diese wiederum ist privilegiert, weil die beurkundende Stelle gegebenenfalls vorhandene Wissensdefizite durch Hinweise und Belehrungen ausgleichen soll.218 Damit die Privilegierung beim Prozessvergleich auf einer vergleichbaren Interessenlage aufbaut, muss der Richter sicherstellen, dass die 216 

E. Schumann, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 175, 183. zu §  278 Abs.  2 S.  2 ZPO: BT-Drs. 14/1477, 83; ähnlich OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 529, 530; Müller-Teckhoff, MDR 2014, 249, 251 f.; allgemein Beck, MDR 2018, 1474, 1474 f.; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 91 f.; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  9; ähnlich Hess, ZZP 124, 2011, 137, 150; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 477 f.; H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293; zu Hinweispflichten bei Vergleichsverhandlungen auch E. Schumann, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 175, 177; tendenziell Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 162. 218  M. Zimmer, NJW 2011, 3453, 3544; wohl Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 90 f., 95. 217  Vgl.

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§  4 Prozessvergleich

Parteien vor Gericht ähnlich informiert Erklärungen abgeben wie vor einem Notar.219 Den genauen Umfang der Pflichten lässt der BGH offen. Doch zumindest ist es damit rechtskonform, wenn der der Richter den vorhandenen Informationsmängeln bezogen auf den Vergleichsschluss entgegenwirkt. Da bei Vertragsschluss im Prozess zugleich das Verbraucherwiderrufsrecht nicht entsteht (oben A. III.), muss er sicherstellen, dass diese Folge den Parteien bewusst ist.220 So können sie eine autonome Entscheidung treffen und wissen, dass sie indirekt auf das Widerrufsrecht verzichten.221 Weiterhin muss der Richter, um sicher zu sein, dass die Parteien wirklich wussten, was die Einigung im Prozessvergleich für Folgen hat, herausfinden, ob sie wissen, was seine Folgen sind und wie gegen einen fehlerhaften Prozessvergleich vorgegangen wird. Diese Folgen sind, da sie sich nicht im Gesetz finden, für einen Verbraucher nicht ohne weiteres erkennbar und überschaubar: Ist der Prozessvergleich unwirksam, entfällt die prozessbeendigende Wirkung, die er allgemein hat.222 Der Prozess wurde somit nicht wirksam beendet, sondern muss fortgesetzt werden.223 Das Gericht stellt implizit in den Begründungs­ erwägungen oder als Zwischenurteil die Unwirksamkeit des Vergleichs fest.224 Zudem kann Feststellungsklage erhoben werden, in der die Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich festgestellt werden kann.225 Eine Vollstreckungsgegenklage gemäß §  767 ZPO wegen der Unwirksamkeit des Vergleichs scheitert am mangelnden Rechtsschutzbedürfnis.226 Etwas anderes kann gelten, wenn der Vertrag nach §  779 BGB nachträglich mit ex nunc-Wirkung geändert wird, etwa durch Rücktritt oder Anpassung nach §  313 BGB. Dann ist Vollstreckungsgegenklage zu erheben.227 Geht es allerdings um Folgen aus dem Ver219 BGH, NJW 2011, 3451, 3452 f.; Hidding, Zugang zum Recht, 2019, 151; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 95. 220  Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 155 f.; vgl. M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 274 f. 221  Hau, NZM 2015, 435, 440; Pfeiffer, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.   Aufl., 2013, Teil  7 – Vor Art.  1, Rn.  32 (im Mietrecht). 222  Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 84. 223 Z. B. BGH, NJW 1971, 467, 467; NJW 1971, 159, 160; BAG, NJW 1957, 1127, 1127; Arens, Willensmängel bei Parteihandlungen im Zivilprozeß, 1968, 107 f., 117 f.; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  49, 74; Häsemeyer, ZZP 108, 1995, 289, 316; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 90 f.; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  58, 71; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  58 f.; Steffen, in: Ballhaus/Dehner (Hg.), RGRK, 12.  Aufl., 1978, §  779, Rn.  65; Walker, in: Schuschke/Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  18 f.; ebenso im Verwaltungsrecht: Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 172. 224  H.-F. Müller, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  7 79, Rn.  38. 225  BGH, NJW 1981, 823, 824 f.; NJW 1971, 159, 159; H.-F. Müller, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  38. 226 Z.  B. BGH, NJW 1971, 467, 467; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  74; ­Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 93; H.-F. Müller, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  38; krit. W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  69. 227  Walker, in: Schuschke/Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  18 f.

C. Pflichten des Gerichts

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gleich, etwa wenn die Parteien sich im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs geeinigt und zugleich einen weiteren Verbrauchervertrag geschlossen haben, ist ein neuer Prozess notwendig, da der Streitgegenstand ein anderer ist.228 Diese Folgen sind für einen Laien schwer erkennbar. Der Richter muss daher auf sie hinweisen, also darauf, dass Fortsetzung des Prozesses beantragt werden muss, um Fehler des Vergleichsschlusses geltend zu machen, sowie gegebenenfalls Rechtsbehelfe der Zwangsvollstreckung einschlägig sind.229 Eine solche unionsrechtlich bestimmte Hinweispflicht stellt keinen Bruch mit dem bisherigen Zivilprozessrecht dar; etwa muss der Richter nach §  232 ZPO auf die Rechtsbehelfe gegen anfechtbare richterliche Entscheidungen hinweisen und der Hinweis auf die Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung ist bereits als von §  139 Abs.  1 S.  2 ZPO erfasst anerkannt.230 Die möglichen „Waffen“ gegen den Prozessvergleich, d. h. Verfahrensfortsetzung und die Mittel der Zwangsvollstreckung zu erwähnen, ist nur eine konsequente Fortführung dieser Gedanken. Derartige richterliche Pflichten stehen nicht in Widerspruch mit den zu §  139 ZPO entwickelten Grundsätzen, wonach der Richter die Waffengleichheit der Parteien wahren und neutral bleiben muss (bereits oben, §  3 A. V.).231 Denn es geht nicht darum, dass der Richter den Verbraucher einseitig über seine Rechte aufklärt und berät, wie oder gar dass er diese geltend machen soll, oder er für diesen handelt.232 Er soll nur dem Informationsdefizit entgegenwirken, das aus dem strukturellen Ungleichgewicht zwischen Unternehmer und Verbraucher bei den Vergleichsverhandlungen im Verfahren entsteht. Dies ist dem Recht nicht neu: Allgemein soll der Richter gem. §  139 ZPO auf Punkte hinweisen, die eine Partei erkennbar übersehen hat.233 Dies ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Verpflichtung, Waffen- durch Chancengleichheit herzustellen.234 228 

Häsemeyer, ZZP 108, 1995, 289, 316. P. Gottwald, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 137, 154; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  93; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  9; wohl auch Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur, Beiträge, 1986, 307, 311. 230  BGH, NJW 2006, 695, 695. 231  Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  45; siehe auch Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur, Beiträge, 1986, 307, 311. 232  Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 129; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 275; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.   3, 4.   Aufl., 2012, §   139, Rn.   11–14; wohl ­Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 63, weiter wohl 114; R. Stürner, Die richterliche Aufklärung, 1982, Rn.  103; zur Befangenheit wegen Verletzung dieser Neutralitätspflicht E. Schumann, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 175, 184 f. 233  Z. B. BGH, NJW-RR 2007, 412, 412 f.; Bender, ZRP 1974, 235, 236; Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 529 f.; Rogowski, in: Blankenburg u. a. (Hg.), Alternativen in der Ziviljustiz, 1982, 171, 172; Schack, ZZP 129, 2016, 393, 405; E. Schumann, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 175, 184; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 62; krit. Cahn, AcP 198, 1998, 35, 58 f. 234  Vgl. BGH, NJW-RR 2016, 887, 888 f.; OLG Frankfurt, NJOZ 2007, 1715, 1717; OLG Brandenburg, NJW-RR 2014, 574, 575 f.; ausführlich auch Kehrberger, Materialisierung des 229 Ähnlich

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§  4 Prozessvergleich

Es geht nicht darum, die Waffengleichheit der Parteien aufzuheben, sondern diese überhaupt erst herzustellen und daher eine informierte Disposition zu ermöglichen.235 Erfüllt der Richter diese Pflichten nicht, ist aus Sicht des EuGH 236 nicht gewährleistet, dass der Verbraucher wirklich bewusst auf seine Rechte verzichtet. Aus Sicht des EU-Rechts liegt damit kein wirksamer Verzicht vor (ausführlich bereits §   2 B. III.). Im B2C-Verhältnis ist hierbei in Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung davon auszugehen, dass ein Verhandlungsungleichgewicht vorliegt (zur anwaltlichen Vertretung gleich, e), solange nicht positiv sichergestellt ist, dass es ausnahmsweise nicht besteht. d) Erweiterte Hinweispflicht bei aktivem Richter Allgemein gibt es über §  278 Abs.  1 ZPO (Förderung der gütlichen Einigung) hinaus keine konkrete richterliche Pflicht, auf einen Prozessvergleich hinzu­ arbeiten. Der Richter hat somit keine Pflicht, einen Vergleichsvorschlag zu entwickeln; dies bleibt den Parteien überlassen.237 Ist der Richter in den Vergleichsverhandlungen nicht passiv, können aber auch seine inhaltlichen Pflichten weiter gehen als gerade beschrieben: Lenkt er den Vergleichsabschluss, ist wegen seiner zentralen Rolle im Prozess regelmäßig davon auszugehen, dass er Abschluss und Inhalt des Vergleichs maßgeblich prägt.238 Macht der Richter einen Vergleichsvorschlag, muss dieser rechtmäßig sein; das ergibt sich bereits aus der oben herausgearbeiteten Rechtsbindung.239 Wie auch der passive Richter ist er dazu verpflichtet, auf die Folgen eines Vergleichsschlusses hinzuweisen, um zu gewährleisten, dass der Verzicht auf ein Urteil wirklich von der Entscheidungsfreiheit der Parteien gedeckt ist (s. o. c). Er schafft darüber hinaus die Erwartung, als unabhängiger und neutraler Vorschlagender bereits in seinen Vorschlägen eine Abwägung vorgenommen zu haben, wie die Erfolgschancen des Prozesses sind Zivilprozessrechts, 2019, 278–280; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  216 f. 235  Assmann, in: Schütze/Wieczorek (Hg.), ZPO Bd.  4, 4.  Aufl., 2012, §  278, Rn.  7; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 150; E. Schumann, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 175, 177; ­Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 110; zu dieser Funktion bereits Peters, Richterliche Hinweispflichten und Beweisinitiativen im Zivilprozess, 1983, 110; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  2; vgl. auch OLG Hamburg, BeckRS 1988, 30859476. 236 Z.  B. EuGH, Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.   33, 35; Sales Sinués, C-381/14, ECLI:EU:C:2016:252 Rn.  25, 35 f. 237  Vgl. etwa BVerfG, NJW 1988, 2787, 2787; Bork, Vergleich, 1988, 268; Schier, in: Henrich (Hg.), FS Firsching, 1985, 233, 239 f.; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 41; Smid, Rechtsprechung, 1990, 156 f. 238  Z. B. Cohn, JZ 1959, 463, 463; P. Gottwald, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 137, 155; Ortloff, NVwZ 2012, 1057, 1057 f.; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 275; krit. hierzu R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 205. 239  Z. B. Hess, ZZP 124, 2011, 137, 150.

C. Pflichten des Gerichts

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und wie bestimmte Verhandlungsungleichgewichte auszugleichen sind. Die Parteien gehen somit davon aus, dass er die nach dem aktuellen Prozessstand und der Rechtslage zu erwartende, „gerechteste“ Lösung vorschlägt. Die Reaktion der Parteien hängt somit wesentlich von seinem Verhalten ab.240 Der Staat beeinflusst die Parteieinigung, weswegen sie ihm in stärkerem Maß als bei einem passiven Richter zuzurechnen ist und der aktive Richter daher eine größere inhaltliche Verantwortung trägt (zum gesamten Absatz ausführlich §  1 D.). Aus dieser Rolle ergibt sich die Pflicht, die Erwartungen der Parteien in die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens nicht zu enttäuschen. Schlägt der Richter aktiv, ohne weitere Erörterungen, eine Formulierung oder den Inhalt des Vergleichs vor, erwarten die Parteien, dass dieser Vergleich dann nicht nur dem materiellen Recht entspricht, 241 sondern auch ihre Interessen gleichermaßen wahrt, d. h. etwa auch Punkte berücksichtigt, die der Verbraucher selbst vielleicht in einem Vergleichsschluss nicht berücksichtigt hätte. Damit die Parteien, bevor sie sich entscheiden, einschätzen können, ob diese Erwartungen erfüllt werden, muss der Richter seinen Vorschlag positiv erläutern und gegebenenfalls ausführen, in welchem Umfang eine vergleichsweise Streitbeilegung rechtlich möglich, nachteilig oder angebracht wäre.242 Aus dem Vorgesagten ergibt sich nicht die Pflicht, eine vollumfängliche rechtliche Bewertung des Rechtsstreits und seines Ausgangs vorwegzunehmen und diese den Parteien mitzuteilen, denn dies kann auch wiederum die Eindrücke der Parteien und damit deren Entscheidungsgrundlage fälschlich verzerren. Gerade wenn die Entscheidung des Gerichts noch vom Ergebnis einer Beweiserhebung oder von Beweislastregeln abhängt, muss hierauf hingewiesen werden und eine Einschätzung nur auf Grundlage des aktuellen Sachstands getroffen werden.243 Es bestehen besondere Erörterungspflichten des Richters, etwa darauf hinzuweisen, dass das Ergebnis der Beweisaufnahme noch offen oder ein Tatsachenvergleich möglich ist, der über eine zwingende Norm disponiert.244 Schlägt der Richter einen solchen Tatsachenvergleich vor, ist aber nicht erkennbar, dass die Parteien sich dieser Ausnahme von der Anwendung zwingenden Rechts be240  Arndt, NJW 1967, 1585, 1587; Musielak, in: Nakamura (Hg.), FS Beys, 2003, 1093, 1103; Prütting, ZZP 124, 2011, 163, 164; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  4. 241  Vgl. auch Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 477. 242  Bork, Vergleich, 1988, 268; Cohn, JZ 1959, 463, 463; P. Gottwald, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 137, 154 f.; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 150; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  80; ders., Rechtsprechung, 1990, 338; ähnlich Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 114; R. Stürner, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 545, 549; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  4; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 270 f. 243  M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 275, 278 f.; weiter R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 204 mit Fn.  22. 244 Ähnlich Breetzke, NJW 1969, 1408, 1409.

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§  4 Prozessvergleich

wusst sind, muss er auf diese Besonderheit hinweisen. Nur so können die Parteien autonom entscheiden, ob sie lieber einen Vergleich schließen oder eine Beweisaufnahme abwarten (ausführlich bereits §  1 D.). Damit werden die richterlichen Hinweis- und Aufklärungspflichten weiter denen eines Notars angenähert, auch wenn sie ihnen formal nicht entsprechen.245 Begrenzt werden sie durch die Dispositions- und die Verhandlungsmaxime, nach denen die Parteien den Gegenstand und die Tatsachen des Prozesses beherrschen, und den Grundsatz des fairen Verfahrens, der insbesondere durch die Waffengleichheit und Gleichbehandlung der Parteien geprägt wird. Der Richter darf seine Neutralitätspflicht nicht verletzen und muss das Ziel, den Vergleichsvorschlag, vor Augen haben.246 Also darf der Richter keine weiteren Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorschlagen. Dies ginge über das Ziel, einen Vergleich zu schließen, hinaus.247 Auch könnte ein solches Vorgehen die Pflicht zur Gleichbehandlung der Parteien verletzen und dem Gedanken des Prozessvergleichs widersprechen, der die parteiautonome Entscheidung ins Zentrum stellt.248 Der Richter darf daher auch keine der Parteien einseitig bevorzugen, etwa dem Verbraucher konkrete Ratschläge geben, was seine Rechte sind und ihn aktiv zu einer bestimmten Erklärung bewegen.249 Aus der Erörterungspflicht folgt somit nur eine Pflicht, ausgewogen über die Überlegungen aufzuklären, die hinter dem Vergleichsvorschlag stehen, und seine Vor- und Nachteile für beide Parteien gleichermaßen darzulegen.250 Kommt der Richter einer solchen Hinweispflicht nicht nach und wurde das unterstellte Defizit nicht auf andere Weise beseitigt, haben die Parteien nicht parteiautonom in den Vergleichsschluss eingewilligt. Der Vergleichsvertrag – und damit der gesamte Prozessvergleich – ist damit unwirksam.251

245  Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  14; Müller-­ Teckhoff, MDR 2014, 249, 252 f.; weiter (gleichgestellt) Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006, 8 f.; Hertel, in: Staudinger, 2017, §  127a, Rn.  32–34; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 727; wohl auch Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 54. 246  Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.   Aufl., 2016, §  139, Rn.  8; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  4; unklar Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 430 f. 247 Dazu auch BGH, NJW 2004, 164, 164 f.; Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.   Aufl., 2016, §  139, Rn.  8; Prütting, ZZP 124, 2011, 163, 164; Stadler, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  139, Rn.  5. 248  Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 63. 249  Z. B. Kauffmann, MDR 2004, 1035, 1038  f.; Stackmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  42, Rn.  59; ähnlich Prütting, ZZP 124, 2011, 163, 164; großzügiger wohl im Verwaltungsprozess: Eisenlohr, Prozeßvergleich, 1998, 74. 250  OVG Berlin, NVwZ 1997, 141, 141; R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 204; Smid, in: Wiec­ zorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  77–80; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 727. 251  M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 274 f.; offen lassend C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rech-

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Diese Erörterungspflicht ist mit den aktuellen Regelungen der ZPO vereinbar. Soweit es um die Erörterung des Sach- und Rechtsstands geht, um einen Vergleichsschluss zu fördern, ist bereits jetzt der Richter dazu angehalten, eine Einschätzung über die Rechtslage zu geben und durch die Erörterungs- und Hinweispflichten das gesamte Verfahren für die Parteien transparenter zu machen und hiermit die Akzeptanz des Verfahrens zu erhöhen.252 Er ist nicht gleich dem Vorwurf der Befangenheit ausgesetzt, wenn er gewisse Unkenntnisse der Parteien ausgleicht: Er kann Bedenken gegen bestimmte Anträge äußern, 253 bestimmte Anträge anregen 254 und bestimmte Rechtsirrtümer der Parteien ausräumen.255 Bei Erörterungen, die einen Vergleichsschluss im Blick haben, ist ein umfangreiches Rechtsgespräch möglich,256 und sobald in der Rechtsordnung der Ausgleich bestimmter Verhandlungsungleichgewichte angelegt ist, können diese prozessual durch Hinweise auszugleichen sein.257 Diese Pflichten werden nur verallgemeinert, sollte eine B2C-Konstellation vorliegen und EU-Verbrauchervertragsrecht streitentscheidend sein. e) Relevanz anwaltlicher Vertretung Die Hinweispflichten bestehen auch dann, wenn der Verbraucher anwaltlich vertreten ist. Obwohl vertreten wird, dass durch die Vertretung durch Voll­ juristen 258 die Unterlegenheit im Verfahren bereits ausreichend ausgeglichen sei, sodass eine Hinweispflicht entfiele, 259 ergibt sich aus der EuGH-Rechtsprechung zur Unterlegenheit eines Verbrauchers im Prozess, dass die Hinweispflichten nicht abhängig vom konkreten Einzelfall entstehen. Um Rechtssicherberger, 2005, 719, 730 f.; offen lassend C. Thole, in: Stein/Jonas  IV, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  11. 252  BT-Drs. 14/4722, 58, 61; BT-Drs. 14/3750, 35, 37, 39; z. B. Hirtz, NJW 2014, 2529, 2530; Musielak, in: Gottwald/Prütting (Hg.), FS Schwab, 1990, 349, 351 f.; E. Schumann, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 175, 177; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  77–81; a. A. wohl Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 37–40. 253  OLG Stuttgart, MDR 2000, 50, 50. 254  OLG Frankfurt, NJW 1976, 2025, 2025; Stackmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  42, Rn.  59. 255  P. Gottwald, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 137, 152 f. 256  Assmann, in: Schütze/Wieczorek (Hg.), ZPO Bd.  4, 4.  Aufl., 2012, §  278, Rn.  7; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  45. 257 Vgl. zum Wohnraummietrecht: OLG Hamburg, BeckRS 1988, 30859476; vgl. auch zum zulässigen Hinweis auf die Verjährung in Vergleichsverhandlungen: BGH, NJW 1998, 612, 612; anders, aber ausdrücklich außerhalb von Vergleichsverhandlungen: BGH, NJW 2004, 164, 164 f.; ausführlich etwa Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  62 f. 258 Ausführlich Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 306. 259  Greger, NJW 1987, 1182, 1182 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 112; krit. aus empirischer Perspektive Jolls u. a., Stanford Law Review 50, 1998, 1471, 1504; H. Koch, Verbraucherprozessrecht, 2.  Aufl., 2019, 59 f.; vgl. auch etwa BGH, NJW 2009, 1589, 1590.

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heit und -vorhersehbarkeit zu schaffen, sind sie unabhängig vom Kenntnisstand des einzelnen Verbrauchers und daher auch unabhängig von der Qualität seiner Rechtsberatung (dazu bereits §  3 A. VI.).260 Diese Argumentation steht in Einklang mit dem deutschen Verständnis von §  139 ZPO: Gesetzgeber, Rechtsprechung und der Großteil der Literatur gehen davon aus, dass, wie auch im Gesetz angelegt, nicht schematisch zwischen anwaltlich vertretener und nichtanwaltlich vertretener Partei zu unterscheiden, sondern stattdessen auf das Informa­ tionsdefizit abzustellen ist.261 Eine Hinweispflicht entfällt, wenn der Prozess­ bevollmächtigte und die Partei erkennbar informiert sind und ihre Rechte nicht geltend machen wollen.262 Von einem Hinweis ist nur abzusehen, wenn der Verbraucher erkennbar seine Rechte kennt und nicht ausüben will. Allerdings gilt hier wie allgemein die Annahme des EuGH, dass der Verbraucher uninformiert ist, d. h. auch die Information durch den Anwalt darf vom Gericht nicht unterstellt, sondern muss positiv verifiziert werden. 2. Rechte und Pflichten des Richters bei den weiteren Arten des Prozessvergleichs Die gerade herausgearbeitete Bewertung zu richterlichen Pflichten beim Protokollvergleich ist auf die anderen Abschlussarten des Prozessvergleichs zu übertragen. Zwar ergibt sich eine solche Rechtsbindung nicht aus der Verfassung. Doch sowohl beim Vergleichsschluss per Beschluss (§  278 Abs.  6 ZPO), vor dem Güterichter, im selbstständigen Beweis- als auch im PHK-Verfahren geht der Gesetzgeber vom selben, einheitlichen inhaltlichen Maßstab wie beim Protokollvergleich aus. Die Hinweis- und Erörterungspflichten sind allerdings großzügiger beim Güterichter und im PKH-Verfahren, da hier der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nicht strikt gilt (b und c). a) Beschlussvergleich Die rechtliche Bewertung ändert sich beim Beschlussvergleich im Verhältnis zum Protokollvergleich nicht. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Inhalt und Voraussetzungen des Beschlussvergleichs denen des Protokollvergleichs ent260 

Z. B. EuGH, Rampion & Godard, C-429/05, ECLI:EU:C:2007:575 Rn.  65. 14/4722, 62; BGH, NJW-RR 2003, 569, 570; NJW-RR 1996, 441, 441; NJW 1998, 612, 612; NJW 1999, 1867, 1868; NJW 2002, 3317, 3320; Bahnsen, Verbraucherschutz im Zivilprozeß, 1997, 46–48, 52; Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  139, Rn.  5; ­Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 428; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 52; Schack, ZZP 129, 2016, 393, 405; Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  31 f., 93; R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 204; vgl. auch Jolls u. a., Stanford Law Review 50, 1998, 1471, 1504. 262  BGH, NJW 2003, 3626, 3628 (zu unterlassenem Sachvortrag); ähnlich Smid, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  3, 4.  Aufl., 2012, §  139, Rn.  37; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 727, 728 f. 261  BT-Drs.

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sprechen.263 Beide Vergleichsarten sind parallel konzipiert: Auch der im schriftlichen Verfahren abgeschlossene Beschlussvergleich hat eine Doppelnatur und erwächst nicht in Rechtskraft.264 Die Interessen von Gericht und Parteien sind dieselben.265 Soweit der Richter den Vorschlag selbst macht, muss er wie ein aktiver Richter behandelt werden. Empfängt er nur die Vergleichserklärungen der Parteien, bleibt er passiv und ist entsprechend verpflichtet. Die Gesetzgebungsmaterialien unterstützen die beim Protokollvergleich herausgearbeitete Auslegung beim Beschlussvergleich. Nach diesen muss das Gericht nicht nur den Inhalt des Vergleichs, sondern auch sein Zustandekommen positiv feststellen und insbesondere prüfen, dass er nicht gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstößt, da dies die öffentliche Ordnung verletzen würde.266 Diese Formulierung wird zum Teil so interpretiert, dass ein Gericht nur Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, die guten Sitten und die Strafgesetze prüfen darf.267 Diese beschränkende Auslegung ist aber nicht von der Formulierung des Gesetzgebers gedeckt: Sie stellt auf das Zustandekommen und „insbesondere“ die Gesetzes- und Sittenkonformität ab. Die Aufzählung ist also nur beispielhaft und nicht abschließend für materiellrechtliche Unwirksamkeitsgründe wie §§  134, 138 BGB.268 Die nicht weiter ausgeführte Formulierung in der BT-Drucksache macht damit deutlich, dass der Gesetzgeber den oben angesprochenen Streit zur Rolle des Richters beim Prozessvergleich weder in die eine noch in die andere Richtung entscheiden wollte. Er stellt nur klar, dass das Gericht beim Beschlussvergleich materiellrechtliche Prüfungspflichten hat, insbesondere zum Zustandekommen.269 Der Maßstab ist also derselbe wie beim Protokollvergleich. Der Richter muss die Voraussetzungen von §  779 BGB und das Zustandekommen des Prozessvertrags nach den Regeln der ZPO kontrollieren.270 Wie beim Protokollvergleich 263  BT-Drs. 15/3482, 17; Hess, ZZP 124, 2011, 137, 162; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 729 f.; wohl Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 103; anders tendenziell BAG, NZA 2012, 919, 920 (keine Prüfungspflicht). 264  Z. B. Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006, 15 f.; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 306; Müller-Teckhoff, MDR 2014, 249, 249 f.; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  95; anders wohl Schlosser, in: Gottwald/Roth (Hg.), FS Schumann, 2001, 389, 395 f., 398. 265  Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  48. 266  BT-Drs. 15/3482, 17; a. A. Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 154. 267  OLG Karlsruhe, NJW-RR 2011, 7, 8; Foerste, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  278, Rn.  18; C. Thole, in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  9 0. 268  Müller-Teckhoff, MDR 2014, 249, 250; Siemon, NJW 2011, 426, 427; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 51. 269 LAG Sachsen-Anhalt, BeckRS 2005, 40134; Müller-Teckhoff, MDR 2014, 249, 250; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 51 f.; Schlosser, in: Gottwald/ Roth (Hg.), FS Schumann, 2001, 389, 392 f. 270  Müller-Teckhoff, MDR 2014, 249, 250; Schlosser, in: Gottwald/Roth (Hg.), FS Schumann, 2001, 389, 393.

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§  4 Prozessvergleich

muss er den Beschluss eines rechtswidrigen Prozessvergleichs im schriftlichen Verfahren verweigern 271 und hat die herausgearbeiteten Hinweispflichten. Schlägt er seinerseits einen Vergleich vor oder wirkt aktiv auf den Vorschlag durch die Parteien hin, muss er die Parteien wie unter 1. d) herausgearbeitet informieren. Denn aus seinem Vorschlag resultiert besonderes Vertrauen, dass der Vergleich eine ausgewogene und rechtmäßige Lösung darstellt.272 b) Güterichter gem. §  278 Abs.  5 ZPO Obwohl die strukturellen Unterschiede zwischen einem im Prozess und einem in einer Güteverhandlung geschlossenen Vergleich eine anders geartete Rechtsbindung des Richters rechtfertigen könnten, hat der Gesetzgeber beide inhaltlich gleich konzipiert. Einzig bei den Hinweispflichten gibt es einen Unterschied: Der Güterichter kann noch stärker Zweckmäßigkeitserwägungen einfließen lassen. In der Güteverhandlung gem. §  278 Abs.  5 ZPO kann ein Prozessvergleich in den Formen des Protokoll- und Beschlussvergleichs wie in der Hauptsache geschlossen werden.273 Der Güterichter, der gem. §  278 Abs.  5 ZPO für eine gesonderte Güteverhandlung bestimmt wird, unterscheidet sich vom Richter in der Hauptsache dadurch, dass er nicht entscheidungsbefugt ist und dies den Parteien durch die klare prozessuale Trennung vom Hauptsacheverfahren auch bewusst ist.274 Die einvernehmliche Streitbeilegung ist Hauptziel des gesonderten Güteverfahrens. Eine richterliche Streitentscheidung ist nicht möglich.275 Damit handelt der Richter nicht „rechtsprechend“ i. S. d. GG, sodass die Verfassung geringere Anforderungen an seine Pflichten, insbesondere auch die Bindung an das objektive Recht, stellt. Somit wären geringere richterliche Pflichten möglich.276 Doch lassen die Gesetzgebungsmaterialien nicht erkennen, dass die Anforderungen an einen Prozessvergleich sich ändern, wenn der Richter gem. §  278 Abs.  5 ZPO handelt. Im Gegenteil geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Prozessvergleich, der in der Güteverhandlung geschlossen wird, nach denselben Maßgaben geschlossen wird wie jener in der Haupt­sache.277 271  Schlosser, in: Gottwald/Roth (Hg.), FS Schumann, 2001, 389, 393 f. mit Fn.  10; S ­ chramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 53. 272  Schlosser, in: Gottwald/Roth (Hg.), FS Schumann, 2001, 389, 394; H. Roth, JZ 2013, 637, 640; offen lassend Müller-Teckhoff, MDR 2014, 249, 250. 273  Greger, in: Greger u. a. (Hg.), Recht der alternativen Konfliktlösung, 2.   Aufl., 2016, Teil  E , Rn.  131; C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 351. 274  Z. B. Ortloff, NVwZ 2012, 1057, 1058; H. Roth, JZ 2013, 637, 640 f.; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 110; C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 359; vgl. etwa zum Verfahren Foerste, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  278, Rn.  14. 275  Greger, in: Heinemann u. a. (Hg.), FS Vollkommer, 2006, 3, 7 f.; C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 348. 276 Indirekt M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 274. 277  Vgl. etwa BT-Drs. 14/4722, 62; M. Ahrens, NJW 2012, 2465, 2470; C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 350 f.; wohl Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 108 f.

C. Pflichten des Gerichts

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Diese gesetzgeberische Wertung ist auch sinnvoll: Die verfassungsrechtlichen Wertungen, dass der Staat einen vollstreckbaren Titel schafft, sich dessen Inhalt damit zu eigen macht und zugleich die Parteien auf einen Teil ihres Justizgewährleistungsanspruchs verzichten, gelten auch in dieser Situation. Sie führen ebenfalls dazu, dass der Staat, hier der Richter, positiv kontrollieren muss, ob dieser Verzicht von der allgemeinen Handlungsfreiheit und ihrer einfachgesetzlichen Konkretisierung und Ausgestaltung gedeckt ist.278 Auch das EU-Recht verlangt, dass die Parteien eine autonome Entscheidung i. S. d. EU-Rechts getroffen haben und die Mitgliedstaaten dies sicherstellen. Der Güterichter muss daher im B2C-Verhältnis wie auch der Hauptsacherichter dafür sorgen, dass den Parteien der Umfang ihres Verzichts auf die Justizgewährleistung bewusst ist und sie wissen, wie sie gegen einen (rechtswidrigen) Prozessvergleich vor­ gehen.279 Gegen eine gelockerte Rechtsbindung spricht darüber hinaus, dass der Güterichter weiterhin als Richter und eingebunden in den Justizapparat tätig wird, selbst wenn er nicht „rechtsprechend“ i. S. d. GG handelt. Das Vertrauen in die Justiz und damit in die gesamte Rechtsordnung könnte auch in Fällen des Güterichters erschüttert werden, wäre eine Umgehung zwingenden Rechts möglich.280 Der Güterichter handelt somit ebenfalls nicht losgelöst vom Recht und muss den Beschluss nach §  278 Abs.  6 ZPO oder die Protokollierung eines rechtswidrigen Vergleichs verweigern.281 Arbeitet der Richter aktiv auf eine einvernehmliche Lösung hin, nimmt er ebenfalls das Vertrauen in Anspruch, dass seine Vorschläge oder Hinweise auf eine rechtmäßige und umfassende Lösung abzielen.282 Damit unterstützt der Sinn der Regelungen die Meinung des Gesetzgebers, dass die Anforderungen, die an den Richter im Hauptsacheverfahren gestellt werden, auch für den Richter in der separaten Güteverhandlung gelten, er also mindestens dieselben Prüfungs- und Hinweispflichten hat.283 Soweit keine Beweisaufnahme erfolgt, kann der Güterichter mit Hinweis auf ihr Fehlen aber flexiblere Lösungen vorschlagen als ein Hauptsacherichter. Da kein kontradiktorischer Verfahrensablauf vorgeschrieben ist, kann er auch mehr Hintergründe und Interessen des Falls mit den Parteien erörtern, ohne 278 

C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 358. C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 358 f.; a. A.: Greger, in: Greger u. a. (Hg.), Recht der alternativen Konfliktlösung, 2.  Aufl., 2016, Teil  E , Rn.  136. 280  Assmann, in: Schütze/Wieczorek (Hg.), ZPO Bd.  4, 4.  Aufl., 2012, §  278, Rn.  74; Greger, in: Greger u. a. (Hg.), Recht der alternativen Konfliktlösung, 2.  Aufl., 2016, Teil  E , Rn.  136; C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 347. 281  Greger, in: Greger u. a. (Hg.), Recht der alternativen Konfliktlösung, 2.   Aufl., 2016, Teil  E , Rn.  136; Kreissl, SchiedsVZ 2012, 230, 236; C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 345, 359. 282  Ähnlich Wortmeldung Ahrens, zitiert nach Heese, ZZP 127, 2014, 371, 371 f.; Assmann, in: Schütze/Wieczorek (Hg.), ZPO Bd.  4, 4.  Aufl., 2012, §  278, Rn.  73–75. 283  Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 111 f.; C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 345 f., 358 f.; vgl. auch Fritz, ZKM 2015, 10, 11 f. 279 Tendenziell

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§  4 Prozessvergleich

dass sofort die Gefahr der Befangenheit oder Neutralitätsverletzung bestünde.284 Dies führt nicht dazu, dass eine Disposition über zwingendes Recht über die herausgearbeiteten Grenzen hinaus möglich ist, sondern nur dazu, dass mehr Zweckmäßigkeitserwägungen möglich sind. Auch kann der Richter eher eine rechtliche Einschätzung des Rechtsstreits geben, je deutlicher er macht, dass er nicht als Hauptsacherichter und ohne Entscheidungsbefugnis handelt (dazu bereits §  1 D.).285 c) PKH-Verfahren und selbstständiges Beweisverfahren Sowohl im selbstständigen Beweisverfahren als auch im Prozesskostenhilfe-­ Verfahren ist der Abschluss eines Prozessvergleichs möglich. Für beide Verfahren definiert der Gesetzgeber den Vergleich nicht separat, sondern baut, wie sich auch aus §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO ergibt, auf dem allgemeinen Begriff des Prozessvergleichs, insbesondere dem Protokollvergleich, auf.286 Aus dieser Parallele ergibt sich, dass die inhaltlichen Maßstäbe und die Anforderungen an die richterliche Tätigkeit denen beim Prozessvergleich im Prozess entsprechen sollen.287 Aus diesem Grund kann auch nur die Protokollierung des Vergleichs im PKH-Verfahren dem Rechtspfleger gem. §  20 Nr.  4 lit.  a RPflG übertragen werden, d. h. der prozedurale Vorgang der Niederschrift. Nicht erfasst ist demgegenüber das materiellrechtliche Hinwirken auf und Empfangen von Parteierklärungen oder die Feststellung, das Verfahren sei beendet.288 §  20 Nr.  4 lit.  a RPflG lässt die Übertragung auf den Rechtspfleger gerade nur für die Beurkundung des Vergleichs zu.289 Ein Unterschied ergibt sich beim PHK-Verfahren – nicht aber im selbstständigen Beweisverfahren – allerdings daraus, dass in ersterem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt.290 Der Richter darf daher wie der Richter in der Güteverhandlung stärker selbstständig nachforschen und den Sachverhalt ermitteln.

284  Vgl. BGH, NJW 1998, 612, 612; anders, aber ausdrücklich außerhalb von Vergleichsverhandlungen: BGH, NJW 2004, 164, 164 f.; ähnlich auch C. Thole, ZZP 127, 2014, 339, 358; ders., in: Stein/Jonas  I V, 23.  Aufl., 2018, §  278, Rn.  33, 77. 285 Ähnlich R. Stürner, DRiZ 1976, 202, 204. 286  Vgl. BT-Drs. 11/3621; BT-Drs. 8/3068. 287 Davon ausgehend etwa auch LG Lüneburg, NJW-RR 2003, 1506, 1506; Wache, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  118, Rn.  13. 288  OLG Köln, Rpfleger 1986, 493, 493; Steinert u. a., Zivilprozess, 9.  Aufl., 2011, Kap.  2 Rn.  104 f., 110; a. A. Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 156 f. 289 Dazu Bork, in: Stein/Jonas   II, 23.  Aufl., 2016, §  118, Rn.  33; C. Wolf, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 719, 728. 290  Bork, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, §  118, Rn.  14.

D. Zwischenergebnis zu §  4

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3. Zwischenergebnis Der Richter darf keinen rechtswidrigen Vergleich protokollieren oder gem. §  278 Abs.  6 ZPO beschließen. Er muss prüfen, ob ein Prozessvergleich materiell- und prozessrechtlich wirksam zustande gekommen ist. Um sicherzustellen, dass den Parteien der Umfang der Disposition bewusst ist, muss er einen Verbraucher in einem Verfahren, in dem EU-Recht streitentscheidend ist, darüber aufklären, was die Folgen und seine Rechte sind. Dies gilt unabhängig davon, ob er anwaltlich vertreten ist. Die Hinweise sind notwendig, um die effektive Durchsetzung des EU-Rechts zu sichern. Diese Durchsetzung verlangt, dass das unterstellte Informationsdefizit des Verbrauchers positiv im Verfahren ausgeglichen wird. Arbeitet der Richter aktiv auf einen Vergleichsschluss hin, in der mündlichen Verhandlung wie im schriftlichen Verfahren, treffen ihn weitere Hinweispflichten, da die Parteien darauf vertrauen, dass er ihnen einen rechtmäßigen und ausgewogenen Vergleich präsentiert. Dieses Vertrauen muss entweder durch richterliche Hinweise beseitigt oder es darf nicht enttäuscht werden. Allerdings darf die Waffengleichheit der Parteien nicht verletzt werden. Etwa darf der Richter keine Rechtsratschläge geben und auf zusätzliche Angriffs- und Verteidigungsmittel hinweisen. Der gleiche Maßstab gilt auch im selbstständigen Beweisverfahren. Im Güteverfahren nach §  278 Abs.  5 ZPO und im PKH-Verfahren gem. §  118 Abs.  1 S.  3 ZPO kann der Richter etwas flexibler Nachfragen und Hinweise geben, da die beiden Verfahren nicht strikt kontradiktorisch ausgestaltet sind.

D. Zwischenergebnis zu §  4 1. Die verbrauchervertraglichen Vorschriften, etwa jene der VerbrGK-RL, sind grundsätzlich auch bei einem Prozessvergleich anwendbar. Ein Prozessvergleich, bei dem Unternehmer oder Richter vorformulierte Vergleichsbedingungen i. S. d. §  305 BGB verwenden, unterfällt der AGB-Kontrolle; gem. §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB gelten die Bedingungen als vom Unternehmer gestellt, solange der Verbraucher sie nicht eingebracht hat. Die Unwirksamkeit einer Vereinbarung führt aufgrund der Gesamtbetrachtung, die für §  779 BGB erforderlich ist, zur Gesamtunwirksamkeit des Vergleichs. 2. Die Informationspflichten und das Widerrufsrecht der VerbrR-RL (§§  312a ff. BGB) entstehen in der Situation des Prozessvergleichs nicht. Der Gerichtssaal stellt keinen Ort „außerhalb von Geschäftsräumen“ und der Schriftsatzaustausch keine Kommunikation „im Fernabsatz“ dar. Analog §  491 Abs.  4 BGB entstehen auch keine sonstigen EU-verbrauchervertraglichen Informa­ tionspflichten und Widerrufsrechte, wenn der Vertrag per Prozessvergleich zu-

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§  4 Prozessvergleich

stande kommt und das Protokoll oder der Beschluss die wesentlichen Vertragsinformationen enthält 3. Eine prozessuale Disposition über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht ist beim Prozessvergleich – im Gegensatz zum rein materiellrechtlichen Vergleichsvertrag – dann möglich, wenn nach deutschem Recht eine Situation des Tatsachenvergleichs vorliegt und keine unionsrechtlichen Beweislastregeln existieren. Hier greift die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Das deutsche Recht lässt eine solche Disposition zu. 4. Der Richter muss die Protokollierung oder den Beschluss des Zustandekommens des Vergleichs verweigern, wenn der Prozessvergleich rechtswidrig ist. Dies ergibt sich aus dem besonderen Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des Justizhandelns und der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Justizgewährleistung. Diese Pflicht gilt daher unabhängig davon, ob EU-Verbraucherrechts­ normen involviert sind. 5. Der Richter muss, sollte EU-Verbrauchervertragsrecht streitentscheidend sein, gem. §§  278, 139 ZPO auf Folgen des Prozessvergleichsschlusses hinweisen und darauf, wie die Parteien im Fall von Rechtsmängeln diese geltend machen können. Beides ist notwendig, um sicherzustellen, dass der Verbraucher weiß, was er erklärt. Auch wird damit die EuGH-Rechtsprechung zu Verhandlungsungleichgewichten in B2C-Konstellationen umgesetzt, welche die effektive Durchsetzung des EU-Verbraucherrechts verhindern können. 6. Ist der Richter aktiv am Zustandekommen des Prozessvergleichs beteiligt, muss er darüber hinaus auf die Vor- und Nachteile und weitere Folgen eines Prozessvergleichsschlusses hinweisen, da er besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, einen rechtmäßigen und interessengerechten Vorschlag zu machen. 7. Diese Vorgaben gelten für alle Arten des Prozessvergleichs. In der Güteverhandlung gem. §  278 Abs.  5 ZPO und im PKH-Verfahren kann der aktive Richter stärker auf die Parteien zugehen. Er kann die Interessenlagen, die hinter dem Streit stehen, eher herausarbeiten und beim Vergleichsschluss berücksichtigen.

§  5 Schiedsspruch Beim Schiedsverfahren einigen sich die Parteien per Schiedsvereinbarung darauf, die Entscheidung des Rechtsstreits oder eines Teilaspekts desselben verbindlich einem Dritten, dem Schiedsrichter, zu überantworten. Diese Schiedsvereinbarung führt dazu, dass sich ein staatliches Gericht auf Rüge des Be­ klagten für unzuständig erklären muss, wenn im Anwendungsbereich der Vereinbarung ein Gericht angerufen wird (§  1032 Abs.  1 ZPO). Der folgende Abschnitt wird zeigen, dass eine Schiedsvereinbarung in weitem Umfang als „Verbrauchervertrag“ zu behandeln ist, mit der Folge, dass sie, soweit der Anwendungsbereich des EU-Verbrauchervertragsrechts eröffnet ist, dessen Grenzen unterfällt (A.). Auch Vereinbarungen über die Rechtsbindung des Schlichters sind solche Verbraucherverträge. Dispositionen über das EU-Verbrauchervertragsrecht dadurch, dass der Schiedsrichter von der Rechtsbindung befreit wird, sind im Anwendungsbereich des EU-Verbrauchervertragsrechts nicht möglich, dies ergibt sich aus dem Äquivalenzprinzip i. V. m. dem Effektivitätsprinzip (B.). Auch der Schiedsvergleich ist als Verbrauchervertrag zu behandeln. Er lässt nur Dispositionen zu, die bereits materiellrechtlich zulässig sind (C.). Aus dem Schiedsrichtervertrag folgen für den Schiedsrichter Pflichten ähnlich denen eines staatlichen Richters. Es zeigt sich, dass die richterliche Kontrolle eines Schiedsspruchs hinsichtlich des Erfordernisses des „begründeten“ Antrags und der Dreimonatsfrist gem. §  1059 Abs.  3 ZPO unionsrechtskonform angepasst werden muss (D.). Beim Schiedsvergleich muss das Schiedsgericht nur eine ordre public-Prüfung vornehmen. Diese verhindert einen EU-verbraucherrechtswidrigen Vergleich oder eine derartige Schiedsvereinbarung. Für das staatliche Gericht besteht kein Unterschied zwischen einem „normalen“ Schiedsspruch und einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut. Der Notar hat im selben Umfang Prüfungspflichten wie das Schiedsgericht, doch muss in unionsrechts- und verfassungskonformer Rechtsfortbildung ein Rechtsbehelf gegen seine Entscheidung zugelassen werden (E.)

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§  5 Schiedsspruch

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge I. Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts Das deutsche Recht geht davon aus, dass die Parteien Verfahren wählen können, die anstelle eines Gerichtsverfahrens zu einem vollstreckbaren Titel führen, um ihre Rechtsstreitigkeit beizulegen, d. h. insbesondere Schiedsverfahren.1 Weder das deutsche (1.) noch das EU-Recht (2.) sehen verbrauchervertragliche Streitigkeiten als eine Materie an, die ausschließlich von den Gerichten adjudiziert werden darf, selbst wenn zwingende Normen streitgegenständlich sind. 1. Zulässigkeit im B2C-Verhältnis nach nationalem Recht Im Anschluss an eine frühere Fassung des Schiedsrechts wird vereinzelt angenommen, eine Schiedsvereinbarung mit einem Verbraucher sei gem. §  138 Abs.  1 BGB sittenwidrig und damit unwirksam, wenn die Unterlegenheit einer Partei bewusst ausgenutzt wird, um sie zur Zustimmung zu bewegen.2 Ein Schiedsverfahren sei stets nachteilig für den Verbraucher, da dieser keine Prozess­ kostenhilfe beantragen könne, ihm der Schutz richterlicher Hinweispflichten entzogen und nicht sichergestellt werde, dass das ihn schützende zwingende Recht angewendet wird.3 Ebenso wird vertreten, jede Verpflichtung, bei einem Mangel i. S. d. VerbrGK-RL zunächst ein separates Verfahren durchzuführen, sei eine Verkürzung der Rechte des Verbrauchers gem. §  476 Abs.  1 BGB und damit unwirksam. Damit seien Schiedsvereinbarungen im EU-Verbrauchervertragsrecht der Parteidisposition entzogen und entsprechend unwirksam.4 Dieser Ansicht ist aber nicht zu folgen. Schiedsvereinbarungen sind allgemein zulässig, auch im Anwendungsbereich zwingenden Verbrauchervertragsrechts. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind sie unproblematisch: Der Justizgewährleistungsanspruch ist nicht unverhältnismäßig eingeschränkt, weil über z. B. §§  1032 f., 1059 f. ZPO stets die Möglichkeit besteht, gerichtlichen Rechtsschutz zu erhalten (§  1 B., C.).5 Der Gesetzgeber schätzt den Rechtsschutz eines Schiedsverfahrens als dem eines Gerichtsprozesses gleichwertig ein. 6 Ge1  Z. B. Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  7 79, Rn.  14; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 196; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 63; M. Wolf, ZZP 89, 1976, 260, 267. 2  BT-Drs. 13/5274, 34; tendenziell K. Schmidt, ZHR 162, 1998, 265, 281 f.; vgl. zum alten Recht: BGH, NJW 1989, 1477, 1477. 3  Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 530. 4 Vgl. Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §  475, Rn.  46. 5  Zum unbeschränkten Rechtsmittel- oder Klageverzicht: Oertmann, ZZP 45, 1915, 389, 423; Rauscher, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, Einleitung, 346; H. Roth, in: Stein/­ Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  253, Rn.  129; a. A. Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 66 f.; differenziert Kempf, ZZP 73, 1960, 342, 376–278; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 153 f., 455. 6  BT-Drs. 13/5274, 34; A.-G. Zimmermann, Parteivereinbarungen über die Qualifikationen von Schiedsrichtern, 6.

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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mäß §  1030 ZPO sind Schiedsvereinbarungen in vermögensrechtlichen Streitigkeiten daher grundsätzlich zulässig. In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten sind sie zulässig, soweit die Parteien materiellrechtlich vergleichsbefugt sind.7 Dies bedeutet, dass der Streitgegenstand schiedsfähig sein muss, d. h. dass der Staat keine Einwände gegen eine private endgültige Entscheidung hat und dass er sich kein Entscheidungsmonopol für den Streitgegenstand vorbehält (vgl. bereits §  3 B. I. und §  4 B. I.).8 Letzteres besteht insbesondere bei Gestaltungsurteilen, die auch Dritte betreffen, etwa Statusentscheidungen im Familienrecht (z. B. §  1564 BGB, Art.  17 Abs.  2 EGBGB).9 Der Begriff der Vergleichsfähigkeit erinnert an die frühere Fassung der Regelung, §  1025 ZPO a. F. Nach altem Recht hing die Schieds­ fähigkeit davon ab, ob der Streit einem Vergleich zugänglich war. Hierbei war umstritten, ob bereits in der Zulässigkeitsprüfung zu untersuchen war, ob ein Vergleich i. S. d. §  779 BGB möglich war, oder ob es nur auf die objektive Verfügbarkeit des Streitgegenstands ankam.10 Der Gesetzgeber hat durch die Neufassung die zweite Auffassung bestätigt, nach der es in der Zulässigkeit nur auf das genannte Entscheidungsmonopol ankommt. Dieses kann der Staat sich vorbehalten.11 Liegt kein ausdrücklicher Vorbehalt vor, lässt sich aus einer eingeschränkten materiellrechtlichen Dispositionsbefugnis ein gewisser Rückschluss ziehen, allerdings nur, wenn die Einschränkung sich gerade prozessual fortsetzen soll.12 Dass das Schiedsgericht auch zwingendes Recht anwenden könnte, kann nicht die Schiedsfähigkeit ausschließen, denn dann wären §§  1059 f. ZPO überflüssig.13 Auch ist nicht davon 7 

G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 62 f. 13/5274, 34 f.; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 146; Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 59 f.; Münch, ZZP 128, 2015, 307, 309 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1030, Rn.  2; K. Schmidt, ZHR 162, 1998, 265, 267 f.; P. Schmitz, RNotZ 2003, 591, 595; Voit, JZ 1997, 120, 124; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 100. 9  BT-Drs. 13/5274, 34 f.; BGH, NJW 1994, 1056, 1057; NJW 2004, 2898, 2899 f.; Blomeyer, Zivilprozessrecht, 1963, §  124, 705 f.; Breetzke, NJW 1969, 1408, 1410; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 150 f.; Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, 2001, 14 f.; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 80; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 135; Meller-­ Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 299; Möslein, Dispositives Recht, 2011, 191; Oertmann, ZZP 47, 1918, 105, 126 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1030, Rn.  5; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 721 f.; Unberath, NJW 2011, 1320, 1322; J. M. von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, 298 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 108 f.; unklar insoweit Walter, ZZP 103, 1990, 141, 154. 10  Z. B. BGH, NJW 1996, 1753, 1754; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 299 f.; Schlosser, in: Böckstiegel/Glossner (Hg.), FS Bülow, 1981, 189, 191; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 100; Streitdarstellung etwa bei Bork, Vergleich, 1988, 450 f.; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, 132; Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 59–67. 11  Vgl. BT-Drs. 13/5274, 34 f.; BGH, NJW 1996, 1753, 1753 f.; NJW 2004, 2898, 2899 f.; Bork, Vergleich, 1988, 450 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1030, Rn.  2; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 100. 12  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 101. 13  BGH, NJW 2004, 2898, 2899 f. 8 BT-Drs.

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§  5 Schiedsspruch

auszugehen, dass jede strukturelle Ungleichgewichtslage sich stets prozessual fortsetzt: Der Gesetzgeber hat in Gebieten des Schwächerenschutzrechts punktuelle Regelungen getroffen, etwa im Miet- und Arbeitsrecht (§  101 Abs.  2 ArbGG, §  1030 Abs.  2 ZPO). Daraus lässt sich schließen, dass er nicht allgemein die Schiedsfähigkeit davon abhängig macht, ob eine Partei besonders schutzbedürftig ist.14 Aber auch für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten ist nicht darauf abzustellen, ob ein Vergleich gem. §  779 BGB wirksam sein kann: Es handelt sich nur um die Zulässigkeitsprüfung, die nicht von einer situativen, materiellrechtlichen Wertung geprägt sein soll. Es geht daher nicht um den konkreten Tatbestand des §  779 BGB, sondern nur darum, ob abstrakt die Vergleichsfähigkeit besteht, d. h. die Parteien objektiv über den Streitgegenstand verfügen können.15 Der Unterschied zwischen vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten besteht somit in §  1030 Abs.  1 ZPO nur darin, dass die Schiedsfähigkeit bei ersteren unterstellt wird und nur ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen verhält es sich umgekehrt.16 Ob es sich um vermögensrechtliche Ansprüche handelt, bestimmt sich nach dem prozessualen Anspruchsbegriff: Es kommt darauf an, ob der Streitgegenstand sich aus Vermögensrechten ableitet oder auf eine vermögenswerte Leistung abzielt.17 Im Verbrauchervertragsrecht geht es typischerweise um vertragliche und damit um vermögensrechtliche Streitigkeiten, etwa Ansprüche auf Vertragserfüllung oder wegen Vertragspflichtverletzungen. Verbrauchervertragliche Streitigkeiten betreffen keine höchstpersönlichen Rechte oder Statusbeziehungen. Sie sind damit allgemein schiedsfähig.18 Auch darüber hinaus ergibt sich aus einer Zusammenschau der Normen, dass der Gesetzgeber Schiedsverfahren im Verbrauchervertragsrecht für zulässig erachtet, obwohl er sich des Problems der strukturellen Unterlegenheit bewusst ist: §  1031 Abs.  5 ZPO sieht eine spezielle Formvorschrift vor, sollte an der Vereinbarung ein Verbraucher beteiligt sein. Er regelt also das Verbraucherrecht besonders, sieht es aber als möglichen Gegenstand eines Schiedsverfahrens an 14  Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 161 f.; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 89–91, 117–120. 15  BT-Drs. 13/5274, 34 f.; Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht, 1994, 90–92; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 146 f.; K. Schmidt, ZHR 162, 1998, 265, 270 f.; G. Wagner, ZVglRWiss 114, 2015, 494, 497 f. 16  BT-Drs. 13/5274, 35; P. Schmitz, RNotZ 2003, 591, 595; G. Wagner, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 1025, 1032; ders., Prozeßverträge, 1998, 100, 584. 17  Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1030, Rn.  2 ; P. Schmitz, RNotZ 2003, 591, 595. 18  Z. B. BGH, NJW 2005, 1125, 1125 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  176 Rn.  14; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1030, Rn.  4; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1030, Rn.  2; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 117–120.

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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und dies im Gegensatz zu den bereits genannten anderen Bereichen des Schwächerenschutzrechts.19 Weiterhin verhindert §  38 ZPO Gerichtsstandsvereinbarungen mit Beteiligung eines Verbrauchers gerade auch, um Missbrauch im B2C-Verhältnis zu verhindern.20 Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass Schiedsvereinbarungen zulasten einer unterstellt schwächeren Partei in bestimmten Fällen untersagt werden müssen. Unerheblich ist auch, dass zwingende örtliche Gerichtsstände (etwa §  29c ZPO) indirekt abbedungen werden können. Die Regelungen der örtlichen Zuständigkeit staatlicher Gerichte sind unabhängig von denen zur Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens.21 Da also bewusst nicht das gesamte Gerichtsstandsoder Schiedsrecht, sondern nur die Form der Schiedsvereinbarung in einer B2C-­ Konstellation speziell ausgestaltet wurde, bestehen keine allgemeinen Bedenken gegen die Zulässigkeit von Verbraucherschiedsverfahren.22 Das Gesetz geht damit von der allgemeinen Schiedsfähigkeit von B2C-Streitigkeiten aus.23 2. Zulässigkeit im B2C-Verhältnis nach Unionsrecht Im EU-Recht ergibt sich nichts Abweichendes. Anfang des Verfahrens und dessen Umfang stehen zur Parteidisposition, daher auch die Entscheidung, das Verfahren oder bestimmte Verfahrensfragen nicht oder eingeschränkt gerichtlich entscheiden zu lassen. Der EuGH hat zunächst indirekt – in der grundsätzlichen Hinnahme von Schiedsvereinbarungen –, dann ausdrücklich entschieden, dass die Parteien ihren Streit auf andere Weise als durch gerichtliche Entscheidung beilegen können, solange der Gerichtsweg nicht völlig oder für einen unzumutbar langen Zeitraum ausgeschlossen wird und der Zeitablauf nicht zu einem Rechtsverlust führt, etwa durch Ablauf der Verjährungsfristen.24 19  Wohnraummietrecht, §  1030 Abs.  2 ZPO, Arbeitsrecht, §§  4, 101 ArbGG und bei Wertpapierdienstleistungen, §  101 WpHG; Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 532 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 98 f.; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 87–89; zum früheren Wertpapierrecht: Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91. 20  Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A90 f. 21  Dazu etwa Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 537 f.; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 161 f.; G. Wagner, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 1025, 1040. 22  Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 532, 534; Stern, Staatsrecht III/2, 1994, §  86 III 3, 925; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 77; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 90 f.; vgl. BT-Drs. 13/5274, 34 f.; a. A. wohl Raeschke-Kessler, WM 1998, 1205, 1208. 23  Zum gesamten Absatz BGH, NJW 1994, 1056, 1057; NJW 2004, 2898, 2899 f.; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 150 f.; Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, 2001, 14 f.; Meller-­ Hannich, in: Kern/Lilie (Hg.), FS Fischer, 2010, 297, 299; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1030, Rn.  5; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 108 f.; siehe auch Möslein, Dispositives Recht, 2011, 191. 24 Z.  B. EuGH, Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.   54; G. Wagner, ZVglRWiss 114, 2015, 494, 500 f.; vgl. auch Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.),

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Zwar sieht Empfehlung 98/257/EG25 vor, dass ein alternatives Verbraucherverfahren nicht vereinbart werden darf, das den Weg zu den staatlichen Gerichten ausschließt, bevor die Streitigkeit entstanden ist.26 Die Empfehlung ist aber nicht bindend. Auch zeigt die später erlassene ADR-RL, dass die Mitgliedstaaten kein gerichtliches Entscheidungsmonopol im Verbrauchervertragsrecht vorsehen sollen. Schließlich sieht der Anhang der Klausel-RL eine Regelung vor, unter welchen Umständen eine Schiedsvereinbarung missbräuchlich i. S. d. RL sein kann. Wie bereits beschrieben, ist dieser Teil der Richtlinie nicht verbindlich, solange ein Mitgliedstaat ihn nicht freiwillig übernimmt. Ihm kann daher höchstens eine Indizwirkung zukommen (dazu §  2 A. III. 4.). Nimmt man eine solche Indizwirkung an, lässt sich aus der Regelung rückschließen, dass nur bestimmte Schiedsvereinbarungen einer AGB-Kontrolle nicht standhalten. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass das EU-Recht Schiedsvereinbarungen grundsätzlich für zulässig hält.27 Eine Schiedsvereinbarung ist auch nicht EU-primärrechtswidrig. Das EURecht verbietet eine Schiedsvereinbarung nur dann, wenn das Verfahren so ausgestaltet ist, dass jede gerichtliche Prüfung des der Entscheidung zugrunde liegenden EU-Verbraucherrechts und daher jede EuGH-Vorlage von vornherein ausgeschlossen ist (dazu §  1 C. und §  2 B. II. 1.). Diese Gefahr besteht im deutschen Schiedsverfahren nicht: §§  1059 Abs.  1 Nr.  2 lit.  b, 1060 Abs.  2 ZPO sehen u. a. die Möglichkeit vor, dass das Gericht eine ordre public-Kontrolle vornimmt. Damit sind Schiedsvereinbarungen im B2C-Verhältnis grundsätzlich auch aus Sicht des Unionsrechts zulässig. Auch das Äquivalenzprinzip verlangt nicht, dass eine Streitigkeit, in welcher EU-Verbrauchervertragsrecht entscheidungserheblich werden kann, von der Schiedsfähigkeit ausgeschlossen wird. Dies wäre nur der Fall, wenn es keine sachgemäße Differenzierung zwischen Streitigkeiten im EU-Verbraucherrecht und solchen mit staatlichem Entscheidungsmonopol gäbe. Es geht aber bei letzteren nicht allgemein um streitentscheidendes zwingendes Recht. Ein Entscheidungsmonopol besteht nur ausnahmsweise, insbesondere bei Statusfragen. Das staatliche Entscheidungsmonopol geht also gerade nicht darauf zurück, dass die Regelungen materiellrechtlich zwingend sind, sondern darauf, dass ein Gericht Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  371 f., 379 ff. 25  Empfehlung 98/257/EG vom 30.3.1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, ABl. EG 1998, Nr. L 115, 31. 26  Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1099 f. 27 Vgl. EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.   38 f.; Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.  36; BGH, NJW 2005, 1125, 1127; G. Wagner, ZVglRWiss 114, 2015, 494, 500 f.; vgl. auch Hess/Taelman, in: European Commission (Hg.), Study National Procedural Laws Strand 2 (Equivalence and Effectiveness), 2017, 158, Rn.  371 f., 379 ff.

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das Rechtsverhältnis begründen oder verändern muss. Im Verbrauchervertragsrecht besteht kein solches Rechtsverhältnis, denn dasselbe, der Verbrauchervertrag, soll auch aus Sicht des EU-Rechts von den Parteien begründet und beendet werden. 3. Problem der Umgehung zwingenden Rechts oder des effektiven Rechtsschutzes Schiedsverfahren sind somit im Verbrauchervertragsrecht nationalen und unionsrechtlichen Ursprungs zulässig. Der Gegenansicht ist aber zuzugestehen, dass die realistische Gefahr bestehen kann, die Parteien vereinbarten ein Verfahren, um zwingendes Recht oder effektiven Rechtsschutz des Verbrauchers zu umgehen.28 Es darf aber nicht pauschal unterstellt werden, dass jedes B2C-Schiedsverfahren stets hierauf ausgerichtet sei.29 Eine Schiedsvereinbarung kann (auch) im B2C-Verhältnis im Einzelfall unwirksam sein, wenn sie sittenwidrig gem. §  138 BGB ist. Dies ist der Fall, wenn die Vereinbarung nur getroffen wird, um den Verbraucher um den Schutz eines Gerichtsverfahrens und um die Anwendung zwingenden Verbraucherrechts zu bringen.30 Grund der Unwirksamkeit ist dann nicht das zwingende Recht, sondern die sittenwidrige schädigende Absicht des Unternehmers.31 Die Vereinbarung ist also nicht automatisch gesetzeswidrig, weil eine zwingend geltende Norm von einer anderen Stelle als einem Gericht angewendet wird. Eine solche Ausnahme ist auch vom EU-Recht anerkannt: Dieses kennt den Grundsatz des Rechtsmissbrauchs, um eine Vereinbarung ausnahmsweise einzuschränken. Es lässt den Einwand etwa bei Erfüllungsortsvereinbarungen zu, die in keinem Zusammenhang mit der tatsächlichen Vertragsausführung stehen und eine Partei bewusst benachteiligen sollen.32 Diese Fälle können aber nur ausnahmsweise eine grundsätzlich zulässige Vereinbarung zu Fall bringen.33 28  Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 278  f.; Oertmann, ZZP 45, 1915, 389, 410–412; G. Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 934 f., 937 f.; a. A. Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1030, Rn.  5. 29  Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 149; tendenziell aber G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 112 f., 455. 30  Mentis, Schranken prozessualer Klauseln in AGB, 1994, 77; Oertmann, ZZP 45, 1915, 389, 410–412; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 153 f.; ähnlich Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 79. 31  Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 149; Mentis, Schranken prozessualer Klauseln in AGB, 1994, 78; Oertmann, ZZP 45, 1915, 389, 410–412; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1030, Rn.  8; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 455; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 282. 32  EuGH, MSG ./. Les Gravières Rhénanes, C-106/95, ECLI:EU:C:1997:70 Rn.  33–35; vgl. auch Turner, C-159/02, ECLI:EU:C:2004:228 Rn.  31; ausführlich z. B. Reuß, Forum Shopp­ing in der Insolvenz, 2011, 231 ff.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 226 f. 33  Z. B. auch Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 278 f.

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Ebenso ergibt sich aus Art.  6 EMRK, Art.  47 EU-Grundrechte-Charta und dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch die staatliche Pflicht, sicherzustellen, dass das Schiedsverfahren den Kern der Verfahrensrechte einhält und ein Verzicht auf Aspekte der Rechte eindeutig, frei und in vollem Bewusstsein erklärt worden sein muss.34 Auch müssen bestimmte rechtsstaatliche Mindeststandards im Schiedsverfahren gewahrt worden sein, insbesondere die Neutralität und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts, die Gewährung recht­ lichen Gehörs, eines Rechtsbeistands und der Gleichbehandlung der Parteien.35 Aus den zwingenden Regelungen zum Schiedsverfahren ergibt sich, dass der Kernbestand der Verfahrensgarantien im deutschen Recht nicht abbedungen werden kann.36 Der Schiedsrichter muss Befangenheitsgründe offenlegen und ein Ablehnungsverfahren muss möglich sein (§§  1036 f. ZPO). Bei der Benennung der Schiedsrichter gibt es Mechanismen, um zu verhindern, dass diese einseitig von einer Partei bestellt werden (§  1034 ZPO). Auch verlangt die ZPO zwingend, dass die genannten Verfahrensgarantien eingehalten werden (§  1042 Abs.  1, 2 ZPO). Es darf damit nicht jedes Schiedsverfahren unter „Generalverdacht“ gestellt werden, dass diese Umgehung des zwingenden Rechts oder des effektiven Rechtsschutzes sein einziger Zweck wäre. Im Gegenteil ist grundsätzlich zu unterstellen, dass ein Schiedsverfahren Rechtsschutz bietet, der vergleichbar mit dem der staatlichen Gerichtsbarkeit ist.37 Etwas anderes kann nur in besonderen Zwangssituationen und bei Vereinbarung eines unfairen, den Rechts34  EGMR, Deweer gegen Belgien, Nr.  6903/75, ECLI:CE:ECHR:1980:0227JUD000690375 Rn.  49; Suovaniemi u. a. gegen Finnland, Nr.  31737/96, ECLI:CE:ECHR:1999:0223DEC00 3173796; Oberschlick gegen Österreich, Nr.  11662/85, ECLI:CE:ECHR:1991: 0523JUD001166 285 Rn.  51; EKMR, R. gegen Schweiz, ECLI:CE:ECHR:1987:0304DEC001088184; EGMR, Pfeifer und Plankl gegen Österreich, Nr.  10802/84, ECLI:CE:ECHR:1992:0225JUD0010 80284 Rn.  37 f.; Poitrimol gegen Frankreich, Nr.  14032/88, ECLI:CE:ECHR:1993:1123JUD 001403288 Rn.  31; Le Compte u. a. gegen Belgien, Nr.  6878/75; 7238/75, ECLI:CE:ECHR:1981: 0623JUD000687875 Rn.  59; EKMR, Axelsson u. a. gegen Schweden, ECLI:CE:ECHR:1990: 0713DEC001196086 Nr.  2; EGMR, Mutu & Pechstein gegen Schweiz, 40575/10, 67474/10, BeckRS 2018, 23523 Rn.  96; Matscher, ÖZöffRVölkR 31, 1980, 1, 22; zu Sportschiedsgerichtsbarkeit U. Haas, International Sports Law Review 2012, 43, 46 f.; Haydn-Williams, Arbitra­ tion 67, 2001, 289, 296; Hess, JZ 2015, 548, 549; McGregor, EJIL 26, 2015, 607, 617; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 161; Jaksic, J Int Arb 24, 2007, 159, 166 f.; Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1082 f.; Schiavetta, JILT 2004, bei Fn.  41–45 und 60–62; Shipman, CJQ 32, 2013, 470, 477. 35  BGH, NJW 1969, 750, 750 f.; NJW 1971, 139, 139 f.; NJW 1976, 109, 110 f.; Ansay, in: Hilbig-Lugani u. a. (Hg.), FS Coester-Waltjen, 2015, 325, 328 f.; Detterbeck, in: Sachs (Hg.), GG, 7.  Aufl., 2014, Art.  97, Rn.  11a; Stern, Staatsrecht II, 1980, §  43 III 3, 921 f.; Werner, Sport und Recht, 1968, 15; ähnlich zur Schlichtung R. Stürner, ZZP 127, 2014, 271, 319; ähnlich zur alten Rechtslage Bettermann, in: Merten u. a. (Hg.), Bettermann. Schriften, 1988, 409, 422 f. 36 Zur sonstigen AGB-Rechtswidrigkeit: Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1084 f.; ähnlich Heinrichs, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 527, 543. 37  Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1030, Rn.  8 .

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schutz in gravierender Weise beschränkenden Verfahrens angenommen werden, nicht aber im Regelfall.38

II. Anwendbarkeit der §§  305 ff. BGB und der Klausel-RL Die Schiedsabrede kann in vorformulierten Vertragsbedingungen getroffen werden. Die Klausel-RL ist, wie sich zeigen wird, hier anwendbar, d. h. die AGB-Kontrolle ist eröffnet. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich das Zustandekommen von Schiedsvereinbarungen – vorbehaltlich Sondervorschriften – nach den allgemeinen Regelungen des BGB zum Vertragsschluss richtet (1.). Auch sind Schiedsvereinbarungen kontrollfähig i. S. d. §§  305 ff. BGB und der Klausel-RL (2. und 3.). Zwar sind keine speziellen Klauselverbote einschlägig (4.), doch ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH, dass Schiedsvereinbarungen im B2C-Verhältnis regelmäßig AGB-rechtswidrig sind (5.). 1. Allgemeine Anwendbarkeit Die Anwendbarkeit der §§  305 ff. BGB ergibt sich bereits daraus, dass die Regelungen des BGB zum Vertragsschluss auf Schiedsvereinbarungen anwendbar sind.39 Eine Schiedsvereinbarung stellt zwar einen Prozessvertrag dar, da sie prozessuale Wirkung entfaltet: Ihre Folge ist, dass der Schiedsrichter an die Stelle des Richters tritt und statt seiner den Rechtsstreit entscheidet. Der Schiedsspruch wirkt wie ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil (§  1055 ZPO) und kann von staatlichen Gerichten nur eingeschränkt überprüft werden. Weiterhin führt eine wirksame Schiedsvereinbarung dazu, dass ein staatliches Gericht auf Rüge des Beklagten die Klage als unzulässig abweisen muss.40 Dennoch richtet sich das Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung, wie stets bei Verfahrensvereinbarungen, die außerhalb eines Gerichtsverfahrens geschlossen werden, nach den allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts, d. h. bei deutschem Vertragsstatut 38  Z. B. BGH, NJW 2005, 1125, 1127; Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 533. 39  Z. B. BGH, NJW 1984, 2408, 2408 f.; NJW 2005, 1125, 1126; NJW-RR 2007, 1466, 1466; BAG, NZA 2008, 219, 221; OLG Brandenburg, BeckRS 2011, 07366; Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, 2001, 16; Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 212; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 132; a. A. speziell zur Schiedsklausel Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1042, Rn.  84 (Vorrang der prozessualen Spezialregelungen); Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 209–211 (daher analoge Anwendung). 40  Zum gesamten Absatz z. B. BGH, NJW 1976, 109, 110; NJW 1987, 651, 652; Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 310 f.; R. Münzberg, Die Schranken der Parteivereinbarungen in der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 1970, 24 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  176 Rn.  9; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  1 f., 51; P. Schmitz, RNotZ 2003, 591, 593; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 11 f., 578–582; offen lassend Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 126 f.

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§  5 Schiedsspruch

insbesondere nach den §§  104 ff., 134, 138, 145 ff. BGB, soweit die ZPO keine Sonderregeln vorsieht.41 Zum Zustandekommen sieht die ZPO in §  1031 Abs.  5 ZPO eine besondere Formvorschrift bei Beteiligung eines Verbrauchers vor, nicht aber weitere Regelungen bezogen auf den materiellrechtlichen Gehalt der Erklärung. §  1031 Abs.  5 ZPO zeigt, dass der Gesetzgeber Schiedsverfahren mit Verbraucherbeteiligung nur unter erschwerten Umständen, aber grundsätzlich zulässt.42 Zugleich bestätigt die Regelung die Zulässigkeit der Vereinbarung per AGB: Das Gesetz verlangt nur eine eigenhändige Unterzeichnung, nicht eine Individualvereinbarung.43 Damit werden auch die §§  305 ff. BGB nicht verdrängt.44 Aus der Möglichkeit der Vereinbarung lässt sich aber nicht umgekehrt schließen, dass ein Schiedsverfahren stets per AGB vereinbart werden könne, da der Verbraucher bereits über §  1031 Abs.  5 ZPO hinreichend geschützt sei.45 Die Formvorgabe hindert nicht, die Vereinbarung als einseitig gestellte Klausel i. S. d. §  305 ff. BGB zu qualifizieren. Auch schließt die eigenhändige Unterschrift die Voraussetzungen der §§  305 ff. BGB nicht aus.46 Folgt die eigenhändig zu unterzeichnende, separate Urkunde einem Vertrag mit weiterem Klauselwerk oder Verbraucherinformationen, besteht die Gefahr, dass die gesonderte Vereinbarung vom Verbraucher genauso wenig gelesen oder durchdrungen wird wie der Rest des Dokuments.47 Aus §  309 Nr.  14 BGB, der Klauseln bei der Vereinbarung bestimmter Schlichtungsverfahren für unzulässig erklärt, lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber Vereinbarungen, die im B2C-Verhältnis den Zugang zum Gericht erschweren, zwar nicht stets, aber häufig für unzulässig hält. Zudem schuf der Gesetzgeber §  38 ZPO, um missbräuchlichen AGB-Praktiken bei Gerichtsstandsvereinba41  Sonderregeln §§  38 Abs.  3, 1051 Abs.  1 S.  2 , Abs.  3 S.  1; z. B. BGH, NJW 2015, 952, 953; BeckRS 2001, 2384; r + s 2011, 37–40, 38; BeckRS 1966, 31180113; NJW 1952, 26, 26; OLG Saarbrücken, BeckRS 2011, 2353; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 76; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  277; Rauscher, in: MünchKomm-­ ZPO, 5.  Aufl., 2016, Einleitung, Rn.  431; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, Rn.  17; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 722; weiter noch G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 279, 285. 42 Ähnlich Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91. 43  Statt vieler BGH, NJW 2005, 1125, 1126; Fehrenbach, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.02.2020, §  307 – Schiedsgerichtsklauseln, Rn.  81 f.; Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Schiedsklauseln, S 5; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1031, Rn.  27. 44  BGH, NJW 2005, 1125, 1126; NJW-RR 2007, 1466, 1466; Graf von Westphalen, in: Graf von Westphalen/Thüsing (Hg.), Vertragsrecht und AGB, 2020, EL 44, Schiedsgerichtsklauseln, Rn.  9, 13; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 237. 45  Statt vieler BGH, NJW 2005, 1125, 1126; C. Duve/Sattler, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 81, 101; Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 534; Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91. 46  Krit. zur praktischen Häufigkeit aber G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 135. 47  Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 531 f.

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rungen vorzubeugen.48 Somit hält der Gesetzgeber in Einklang mit der Rechtsprechung49 Schiedsvereinbarungen grundsätzlich für zulässig, aber für kontrollfähig nach §§  305 ff. BGB.50 Das gleiche Ergebnis ergibt sich auf Unionsrechtsebene aus dem Anhang 1 der Klausel-RL, die Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen in lit.  q nur in bestimmten Fällen als AGB-rechtswidrig einstuft. Auch der EuGH kontrollierte Schiedsklauseln oder statuierte die Pflicht der mitgliedstaatlichen Gerichte, die Vereinbarung zu kontrollieren, ohne hier zu problematisieren, ob eine Schiedsklausel als Verfahrensvereinbarung der Kontrolle entzogen ist. Er entschied also unabhängig davon, ob das innerstaatliche Verfahrensrecht zum Zustandekommen Sonderregelungen vorsah.51 Damit ist kein Rückgriff auf das Äquivalenz- oder Effektivitätsprinzip notwendig. Die Klausel-RL will ausdrücklich Schiedsvereinbarungen erfassen und verdrängt die Verfahrensautonomie in diesem Aspekt. 2. Kontrollfähigkeit gem. §  307 Abs.  3 BGB Eine AGB-Kontrolle findet statt, wenn die Parteien eine vorformulierte Vereinbarung i. S. d. §  305 BGB treffen, die von Rechtsvorschriften abweicht (§  307 Abs.  3 BGB). Dies ist bei Schiedsverfahren gegeben: Eine wirksame Schiedsvereinbarung führt zur Unzulässigkeit der Klage vor Gericht (§  1032 Abs.  1 ZPO).52 Dies weicht vom gesetzlichen Regelfall ab. Die Kontrollfähigkeit ist also grundsätzlich gegeben.53 3. Überraschende Klausel i. S. d. §  305c BGB Eine Vereinbarung in allgemeinen Geschäftsbedingungen ist überraschend i. S. d. §  305c Abs.  1 BGB, wenn der Verbraucher nicht mit der Klausel rechnen muss, entweder vom Erscheinungsbild her54 oder inhaltlich. Inhaltlich überra48 

Medicus, in: Leser (Hg.), FS Kitagawa, 1992, 471, 476. Zur Kontrollfähigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen: BGH, NJW 1987, 2867, 2867; NJW 2005, 1125, 1127; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 241; Pfeiffer, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  7 – Art.  6 , Rn.  45. 50  Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 135–141; zum Schiedsverfahren z. B. BGH, NJW 2005, 1125, 1126 f.; zum Klageverzicht z. B. BAG, NZA 2008, 219, 221 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11 Rn.  16. 51  EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  40; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  38 f. (krit. G. Wagner, SchiedsVZ 2007, 49–51, 50 f.); Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.  36; Prechal, CMLR 35, 1998, 693 f., 695 f.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, 199 f.; Micklitz, in: Micklitz u. a. (Hg.), Understanding EU Consumer Law, 2009, 119, 148; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 145– 148. 52  So zur Schlichtungsvereinbarung BGH, NJW 1999, 647, 647. 53  C. Duve/Sattler, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 81, 100 f.; vgl. etwa BGH, NJW 1992, 575, 576 f. 54  Z. B. zu Schiedsvereinbarungen J.-P. Lachmann/A. Lachmann, BB 2000, 1633, 1637. 49 

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§  5 Schiedsspruch

schend ist die Klausel, wenn der durchschnittliche Verbraucher nicht mit ihrem Inhalt rechnen würde.55 Schiedsvereinbarungen, die der Form des §  1031 Abs.  5 BGB entsprechen, sind typischerweise nicht überraschend: Die Vereinbarung muss in einer separaten, eigenhändig zu unterzeichnenden Urkunde enthalten sein oder es muss eine notarielle Belehrung stattgefunden haben. Beide Vor­ gaben richten die Aufmerksamkeit des Verbrauchers inhaltlich und faktisch auf die Vereinbarung.56 4. Spezielle Klauselverbote a) Keine Einschlägigkeit von §  309 Nr.  14 BGB §  309 Nr.  14 BGB sieht eine Vereinbarung in AGB als stets unzulässig an, die „eine Bestimmung [vorsieht], wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Verwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat“. Die Regelung wurde zusammen mit der Umsetzung der ADR-RL (insbesondere durch das VSBG) erlassen und zielt auf Schlichtungs- und Mediationsverfahren ab.57 §  309 Nr.  14 BGB erfasst darüber hinaus alle Verfahren, die in einer „gütlichen Einigung“ auf eine „außergerichtliche Streitbeilegung“ abzielen. Ziel der Regelung ist es, den Verbraucher nicht in seiner Wahl zu beschränken, ein Gericht anzurufen, nicht einmal durch einen nur zeitlich beschränkten Klageausschluss.58 Schiedsvereinbarungen sind aber bereits vom Wortlaut nicht erfasst, da sie auf eine endgültige Streitentscheidung durch einen Dritten abzielen, nicht auf eine gütliche Einigung zwischen den Parteien.59

55  Z. B. BGH, NJW 1982, 2309, 2309 f.; NJW 1995, 2553, 2554; Pfeiffer, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  7 – Art.  5, Rn.  8 –11; Jacoby, Der Musterprozeßvertrag, 2000, 213; Tochtermann, ZKM 2008, 57, 57; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 185. 56  BGH, NJW 2005, 1125, 1127; C. Duve/Sattler, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 81, 100; Kahl, ZZP Int 22, 2017, 361, 370; J.-P. Lachmann/A. Lachmann, BB 2000, 1633, 1637; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1029, Rn.  22; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 248 f.; G. Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 933 f.; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 185 f.; a. A. wohl Raeschke-Kessler, WM 1998, 1205, 1209 f. 57  Z. B. Gössl, NJW 2016, 838, 840; Greger, SchiedsVZ 2016, 306, 306; Weiler, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.10.2019, §  309 Nr.  14, Rn.  25; Wurmnest, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  309 Nr.  14, Rn.  3. 58  Fehrenbach, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.02.2020, §  307 – Schlichtungsklauseln, Rn.  21; Greger, SchiedsVZ 2016, 306, 306 f. 59  Z. B. Gössl, NJW 2016, 838, 840; Weiler, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.10.2019, §  309 Nr.  14, Rn.  26; Wurmnest, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  309 Nr.  14, Rn.  4, 14.

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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b) Keine analoge Anwendung von §  309 Nr.  14 BGB §  309 Nr.  14 BGB ist auch nicht analog auf Schiedsvereinbarungen anzuwenden, da die Voraussetzungen einer solchen Analogie nicht vorliegen. Da §  309 Nr.  14 BGB an außergerichtliche Verfahren anknüpft, die eine „gütliche“ Einigung versuchen, stellt sich die Frage, ob die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens, die gerade auf eine bindende Entscheidung und damit keine „gütliche“ Einigung hinausläuft, erst recht AGB-rechtswidrig sein müsste. Sie belässt den Parteien noch weniger Kontrolle über das Verfahren als eine Schlichtungsvereinbarung. Eine Analogie setzt aber eine planwidrige Regelungslücke voraus, welche bezogen auf die Klauseln ohne Wertungsmöglichkeiten nicht existiert: Die Möglichkeit einer Schiedsvereinbarung im B2C-Verhältnis war dem Gesetzgeber bei Erlass der Norm 2015 bekannt. §  1031 Abs.  5 ZPO sieht besondere Formvorschriften vor, gerade um den Verbraucher vor „aufgezwungenen“ Schiedsverfahren zu bewahren. Auch gibt es eine Reihe von Gerichtsentscheidungen,60 die sich mit der Problematik der AGB-Rechtswidrigkeit von Schiedsvereinbarungen auseinandersetzen. Der Gesetzgeber wollte, obwohl ihm die Problematik also bekannt war, mit dem Gesetz, das §  309 Nr.  14 BGB einführte, die Regelungen zum Schiedsverfahren unberührt lassen.61 Der Gesetzgeber war sich also der Problematik bewusst und regelte sie bewusst nicht bzw. auf andere Weise in §  1031 Abs.  5 ZPO. Mangels planwidriger Regelungslücke liegen die Voraussetzungen einer Analogie daher nicht vor. 5. Unangemessene Benachteiligung gemäß §  307 Abs.  1, 2 BGB Nicht jede Schiedsvereinbarung benachteiligt den Verbraucher unangemessen i. S. d. §  307 Abs.  1, 2 BGB. Doch zeigt der folgende Abschnitt, dass eine Schiedsvereinbarung mit einem Verbraucher häufig einer AGB-Kontrolle nicht standhält. Dies gilt – neben einseitig den Unternehmer bevorzugenden Verfahrens­ ausgestaltungen (b) – für Fälle, in denen dem Verbraucher durch das Schiedsverfahren abschreckend hohe Kosten entstehen, entweder durch das Verfahren selbst oder durch Fahrtkosten an einen entfernten Schiedsort (c). Darüber hinaus ist eine Schiedsvereinbarung vorwiegend für den Verbraucher nicht klar und nicht verständlich i. S. d. §  307 Abs.  2 BGB (d). Hieraus folgt die Unwirksamkeit der Vereinbarung. Darüber hinaus muss das Schiedsgericht die Parteien 60  Z. B. BGH, NJW 2005, 1125, 1125 f.; NJW-RR 2007, 1466, 1466; OLG Brandenburg, BeckRS 2011, 07366; EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615; Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857; J.-P. Lachmann/A. Lachmann, BB 2000, 1633, 1638; Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 535 f., 537 f.; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 257 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X, 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  45; P. Schmitz, RNotZ 2003, 591, 604; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1031, Rn.  6; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 279 f. 61  Gössl, NJW 2016, 838, 839.

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darauf hinweisen, dass der Verbraucher tätig werden muss, sollte dessen Vorbringen sonst präkludiert werden (e). Eine Hinweispflicht entsteht auch, wenn der Verbraucher gem. §  1034 Abs.  2 S.  1 ZPO ein Gericht ersuchen muss, die Schiedsrichter entgegen einer rechtswidrigen Vereinbarung zu ernennen (f). a) Überblick über die Voraussetzungen der unangemessenen Benachteiligung Grundsätzlich bleibt die Auslegung, ob eine Vereinbarung missbräuchlich i. S. d. Klausel-RL ist, eine Frage nationalen Rechts. 62 Allerdings hat der EuGH eine Reihe von Vorgaben gemacht, aus denen sich Anhaltspunkte ergeben, wann Vereinbarungen diese Voraussetzungen aus Sicht des EU-Rechts erfüllen. 63 Insbesondere dient ihm die Liste in Anhang 1 der Klausel-RL, soweit die Mitgliedstaaten sie nicht übernommen haben, als Indikator, wann eine Klausel missbräuchlich ist. 64 Teilweise kann auf die Rechtsprechung nicht nur zu Schieds-, sondern auch Gerichtsstandsvereinbarungen zugegriffen werden. Hier finden sich vergleichbare Ausführungen zu für den Verbraucher unfairen Verfahrensausgestaltungen, etwa bezogen auf den Ort des Verfahrens, die sich auf Schiedsklauseln übertragen lassen. 65 Gemäß §  307 Abs.  1 S.  1 BGB ist eine AGB-Klausel unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders, also hier den Verbraucher, entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine solche Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wenn die Klausel wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§  307 Abs.  2 BGB). Gesetzliches Leitbild bildet das dispositive Schiedsrecht, also etwa die Regeln zur Konstituierung des Schiedsgerichts. 66 Es ist eine Gesamtabwägung erforderlich, welche die Folge der (potenziell wirksamen) Vereinbarung der Lage ohne Vereinbarung gegenüberstellen muss. Hierbei ist darauf abzustellen, ob und inwieweit der Vertrag eine für den Verbraucher weniger günstige Rechtslage schafft, als sie das geltende nationale Recht vorsieht, und mit welchen Mitteln der Verbraucher nach nationalem Recht dagegen vorgehen kann. 67 Eine Gesamtbetrachtung nicht nur der Schiedsvereinbarung, sondern derselben im Gesamtgefüge mit dem restlichen 62 

EuGH, Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Leitsatz und Rn.  27. EuGH, Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.  33; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283; Constructora Principado, C-226/12, ECLI:EU:C: 2014:10 Rn.  25. 64 Vgl. Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 239–241; N. Reich, ERCL 2007, 41, 43; weiter Thode, DNotZ 2007, 404, 405 f. 65  N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 39 f. 66  Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 201 f. 67  EuGH, Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.  27; Aziz, C-415/11, ECLI:EU: C:2013:164 Rn.  68. 63  Z. B.

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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Vertrag ist ebenfalls möglich. 68 Allerdings gilt für die Rechtsfolge allgemein der Grundsatz, dass Schiedsvereinbarung und restlicher Vertrag zwei separate Vereinbarungen darstellen, vgl. §  1040 Abs.  1 S.  2 ZPO, die unabhängig von ­einander wirksam sind. Es kann gerade Sinn der Vereinbarung sein, die Kontrolle der übrigen Klauseln dem Schiedsgericht zu überantworten. 69 Eine Gesamtunwirksamkeit ist daher die Ausnahme. b) Wahrung effektiven Rechtsschutzes und des Fairness-Prinzips In Anhang 1 der Richtlinie sieht lit.  q vor, dass Schiedsverfahren missbräuchlich sind, in denen zum Nachteil des Verbrauchers von den staatlich normierten Vorschriften eines fairen Verfahrens abgewichen wird. Hieraus lässt sich umgekehrt schließen, dass das EU-Recht wie das deutsche Recht nur auf bestimmte Weise ausgestaltete Schiedsklauseln für missbräuchlich hält.70 Soweit gesetzlich zwingende Spezialregelungen bestehen, etwa §  1042 Abs.  1 und 2 ZPO (Gleichbehandlung, rechtliches Gehör, Rechtsbeistand), ist eine abweichende Vereinbarung per AGB sowieso unwirksam. Die vorformulierten Vereinbarungen müssen aber ansonsten dafür sorgen, dass das Verfahren insgesamt dem Fairness-Prinzip und den Grundsätzen effektiven Rechtsschutzes genügt. AGB-­ rechtswidrig ist jede Vereinbarung, die den Verbraucher durch die Verfahrensausgestaltung faktisch davon abhält, seine Rechte geltend zu machen.71 Je stärker die Vereinbarung den Rechtsschutz beschneidet, desto schwieriger bis unmöglich ist es, diese Beschneidung auszugleichen.72 Damit lässt sich auch aus Sicht des deutschen Rechts zunächst feststellen, dass Schiedsklauseln in Verbraucherverträgen nicht allgemein unwirksam gem. §  307 Abs.  1, 2 BGB sind,73 sondern vom Gesetzgeber als grundsätzlich gleichwertig zum gerichtlichen Rechtsschutz angesehen werden, insbesondere wenn sie die gesetzlichen Verfahrensregeln übernehmen.74 Weder verstößt die bloße Ver68  BGH, NJW 1992, 575, 576; etwa J. Becker, in: Bamberger u. a. (Hg.), BeckOK, EL 53, 01.02.2020, §  309 Nr.  14, Rn.  10; Piers, ARIA 22, 2011, 625, 635. 69  Z. B. OLG Hamm, SchiedsVZ 2014, 38, 43; Fehrenbach, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.02.2020, §  307 – Schiedsgerichtsklauseln, Rn.  20; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  46; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 146–149. 70 BGH, NJW 2005, 1125, 1127; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 39 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  50; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 274 f. 71  Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1088 f.; G. Wagner/ Quinke, JZ 2005, 932, 934; anders wohl G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 157 f. 72  Z. B. BGH, NJW 1984, 2408, 2409; BAG, NZA 2008, 219, 222; allgemeiner Piers, ARIA 22, 2011, 625, 635. 73  A. A. Grziwotz, MDR 2001, 305, 308; Thode, DNotZ 2007, 404, 405 f. 74  BGH, NJW 2005, 1125, 1126; NJW-RR 2007, 1466, 1466; OLG Brandenburg, BeckRS 2011, 07366; J.-P. Lachmann/A. Lachmann, BB 2000, 1633, 1638; Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 535 f., 537 f.; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 257 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  45; P. Schmitz,

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§  5 Schiedsspruch

einbarung gegen ein Leitbild des Zivilprozesses, noch muss der Verwender ein besonderes Bedürfnis nach einem Schiedsverfahren zeigen.75 Unzulässig sind demgegenüber Verfahrensausgestaltungen, die den Verbraucher von der Geltendmachung seiner Rechte abhalten.76 Hierbei kann bereits die Schiedsvereinbarung selbst zu einer unfairen Verfahrensausgestaltung führen, wenn nur der Verwender, nicht aber der Verbraucher zwischen staatlichem und schiedsgerichtlichem Rechtsschutz wählen kann.77 c) Kosten des Verfahrens und Schiedsort Eine weitere unangemessene Benachteiligung kann sich daraus ergeben, dass die Kosten für das Schiedsverfahren unabhängig vom Unterliegen oder Obsiegen oder im Vorfeld eines Prozesses beide Parteien treffen. Dies kann einen Verbraucher als Einmalprozessierer bei geringen Streitwerten besonders belasten, insbesondere da keine Prozesskostenhilfe beantragt werden kann.78 Das Gleiche gilt bei einem Anwaltszwang und den hiermit verbundenen Kosten. Eine Vereinbarung ist nur dann verhältnismäßig i. S.d §  307 Abs.  1, 2 BGB, wenn der Verbraucher zugleich mit der Vereinbarung von den Verfahrenskosten oder dem Großteil derselben freigestellt wird.79 Ein weiterer kostenerhöhender Nachteil kann sich aus der Wahl des Schiedsorts ergeben. Dem Verbraucher kann zugemutet werden, gewisse Entfernungen für Rechtsschutz zu überwinden. Unzulässig ist aber ein Schiedsort, der so weit entfernt ist, dass er den Verbraucher faktisch von der Rechtewahrnehmung RNotZ 2003, 591, 604; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 279 f.; a. A. wohl Heinrichs, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 527, 543. 75  BGH, NJW 2005, 1125, 1126; NJW-RR 2007, 1466, 1466; C. Duve/Sattler, in: Schulte-­ Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 81, 102 f.; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 217; a. A. Graf von Westphalen, in: Graf von Westphalen/Thüsing (Hg.), Vertragsrecht und AGB, 2020, EL 44, Schiedsgerichtsklauseln, Rn.  13; Heinrichs, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 527, 543. 76  Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1042, Rn.  100; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 596. 77  BGH, BB 1998, 2335, 2335; Graf von Westphalen, in: Graf von Westphalen/Thüsing (Hg.), Vertragsrecht und AGB, 2020, EL 44, Schiedsgerichtsklauseln, Rn.  20; a. A. Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  47. 78 Ausführlich Kahl, ZZP Int 22, 2017, 361, 376 f. 79  C. Duve/Sattler, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 81, 104– 107; M. Engel/Hornuf, SchiedsVZ 2012, 26, 28; Fehrenbach, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.02.2020, §  307 – Schiedsgerichtsklauseln, Rn.  84 f.; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 258–265; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 39 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  45; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 260 f.; G. Wagner, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 1025, 1039; G. Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 936 f.; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 56–58; ähnlich Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1088 f.

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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abhält, insbesondere wenn er in einem anderen Staat liegt und damit eine ausländische lex fori gilt. Hier können zusätzliche Kostenerwägungen mit einfließen, insbesondere, ob die Anreisekosten im Verhältnis zum Streitwert verhältnismäßig sind.80 Missbräuchlich ist ein solcher Schiedsstand, wenn die Wahl einseitig den Unternehmer bevorzugt, da er am Schiedsort seine Niederlassung hat oder das Recht des Niederlassungsorts anwendbar ist.81 d) Nicht klare und nicht verständliche Regelung, §  307 Abs.  1 S.  2 BGB Regelmäßig ist eine Schiedsvereinbarung unwirksam gem. §  307 Abs.  1 S.  2 BGB. Hiernach benachteiligen nicht klare oder nicht verständliche Vereinbarungen den Verbraucher unangemessen. Der prozessuale Bestimmtheitsgrundsatz, der in §  1029 ZPO kodifiziert ist, verdrängt diese Kontrolle allerdings, soweit das Rechtsverhältnis, das streitgegenständlich sein soll, nicht hinreichend bestimmbar ist.82 §  307 Abs.  1 S.  2 BGB soll dafür sorgen, dass der Verbraucher entweder bei Vertragsschluss oder im Fall der rationalen Apathie später überblicken kann, wozu er sich im Vertrag verpflichtet. 83 Bei Vereinbarungen, die komplexe Regelungen für ein Schiedsverfahren beinhalten oder etwa die Verfahrensregeln einer Schiedsinstitution wie der DIS inkorporieren, kann die Grenze des §  307 Abs.  1 S.  2 BGB in Standard-B2C-Verträgen schneller überschritten sein, als wenn es sich um einfache B2C-Schiedsklauseln handelt. Verbraucher sind mit dem Konzept des Schiedsverfahrens und Details dazu schnell inhaltlich überfordert. Diese Überforderung kann nicht dadurch beseitigt werden, dass der Unternehmer den Verbraucher in den AGB über die Unterschiede zu einem Gerichtsverfahren aufklärt. Auch über den Ablauf eines Gerichtsverfahrens ist der Verbraucher nach der Rechtsprechung des EuGH nicht informiert (§  2 B. III.). Somit wird durch eine solche Aufklärung nicht sichergestellt, dass der Verbraucher tatsächlich nachvollziehen kann, in welchem Umfang er sich bindet.84 Umgekehrt ist eine schlichte Schiedsklausel ohne Erläuterung für den Verbraucher unklar, da er das Schiedsverfahrensrecht noch weniger kennt als den Gerichtsprozess und mit 80 

Z. B. Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 75 f. C. Duve/Sattler, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 81, 106 f.; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 275 f.; Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1090; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 39 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  45; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 277; vgl. auch M ­ icklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91; G. Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 937; G. Wagner, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 1025, 1039, 1047 (zu Scheidungssachen und EuEheVO). 82  Anders wohl OLG Hamm, SchiedsVZ 2014, 38, 38, 42. 83  Zur Klausel-RL: EuGH, Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Rn.  33; Radlinger und Radlingerová, C-377/14, ECLI:EU:C:2016:283; Constructora Principado, C-226/12, ECLI:EU:C:2014:10 Rn.  25. 84  Sebestyén, C-342/13, ECLI:EU:C:2014:1857 Leitsatz und Rn.  34. 81 

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dem Begriff „Schiedsrichter“ eher Fußballspiele als Rechtsschutzmöglichkeiten verbindet.85 Da aber für Verbraucher die Risiken und damit der Wert eines Verzichts auf gerichtlichen Rechtsschutz im Vorfeld der Streitigkeit schwer zu verstehen und überblicken sind, sind Schiedsvereinbarungen regelmäßig wegen ­ihrer Unklarheit für den Verbraucher missbräuchlich und AGB-rechtswidrig gem. §  307 Abs.  1 S.  2 BGB.86 e) Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung und rügelose Einlassung Ist die Schiedsvereinbarung unwirksam, ist das hierin vereinbarte Schiedsverfahren unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn sich der Verbraucher, der durch die Norm geschützt werden soll, auf die Schiedsabrede beruft und nur der Unternehmer die Unwirksamkeit geltend macht. 87 Allerdings kann ein Schiedsgericht zuständig werden, wenn der Verbraucher die unwirksame Schiedsvereinbarung nicht rügt. Hier stellt sich eine Problematik parallel zur rügelosen Einlassung nach §  39 S.  1 ZPO bei unwirksamen Gerichtsstandsklauseln (dazu §  3 A. II. 5.). Eine unwirksame Schiedsvereinbarung kann bereits formunwirksam gem. §§  1031 Abs.  5 ZPO, 125 BGB sein. 88 Eine Heilung ist aber durch rügelose Einlassung gem. §  1031 Abs.  6 ZPO möglich, solange überhaupt eine – wenn auch formunwirksame – Schiedsvereinbarung vorlag.89 Es zeigt sich, dass die deutschen Regelungen zur rügelosen Einlassung bei Formunwirksamkeit gem. §  1031 Abs.  5 ZPO aus Sicht des Unionsrechts unproblematisch sind (1). Ist die Vereinbarung aber AGB-rechtswidrig, verlangt das Effektivitätsprinzip, dass das Schiedsgericht sich erst für zuständig erklärt, wenn es etwa durch einen Hinweis sichergestellt hat, dass der Verbraucher bewusst die Unwirksamkeit nicht geltend macht (2). (1) Formunwirksamkeit und rügelose Einlassung gem. §  1031 Abs.  6 ZPO §  1031 Abs.  5 ZPO sieht eine spezielle Formvorschrift für Schiedsvereinbarungen vor, an denen ein Verbraucher i. S. d. §  13 BGB beteiligt ist. Diese Vorschrift ist unabdingbar, auch von Seiten des Verbrauchers.90 Die Vereinbarung muss in einer separaten, von den Parteien eigenhändig unterzeichneten Urkunde nie85 Ähnlich Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1085 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 157 f. 86  Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 441; Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1090 f.; a. A. wohl Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1029, Rn.  22; G. Wagner, ZKM 2011, 29, 30 f.; möglich etwa gem. BGH, NJW 2005, 1125, 1126 f. 87  BGH, SchiedsVZ 2011, 227, 228; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 189. 88  BT-Drs. 13/5274, 36. 89  Z. B. Haarmann, in: Grundmann u. a. (Hg.), FS Hopt, 2010, 2777, 2780. 90  BT-Drs. 13/5274, 36; BGH, SchiedsVZ 2011, 227, 227 f.

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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dergelegt sein. Die Unterzeichnung kann durch die elektronische Form gem. §  126a BGB ersetzt werden (§  1031 Abs.  5 S.  1, 2 ZPO). Auf dem Dokument dürfen gem. S.  3 nur Vereinbarungen zum Schiedsverfahren zu finden sein. Die notarielle Form ist privilegiert: Notariell beurkundete Dokumente dürfen sich inhaltlich auch mit anderen Fragen beschäftigen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die notarielle Belehrung bei der Beurkundung ausreicht, um den Verbraucher auf die Gefahren eines Schiedsverfahrens ebenso aufmerksam zu machen, wie eine separate Urkunde dies vollbringt.91 Ein Formverstoß führt dazu, dass die Vereinbarung gem. §  125 BGB unwirksam und ein Schiedsverfahren unzulässig ist.92 Die Formunwirksamkeit nach §  1031 Abs.  5 ZPO wird durch rügelose Einlassung gem. §  1031 Abs.  6 ZPO geheilt, wenn der Beklagte deutlich gemacht hat, dass er sich nicht nur mit der Zuständigkeitsrüge verteidigt, sondern auch zur Sache verhandelt.93 Die Präklusion im Schiedsverfahren sorgt dafür, dass die präkludierten Gründe im Aufhebungsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können.94 Die ZPO verlangt nicht, dass der Schiedsrichter den Verbraucher ausdrücklich auf die Rügeobliegenheit hinweist. Es fehlt eine Vorschrift entsprechend dem §  504 ZPO. Auch schließt §  1031 Abs.  6 ZPO unmittelbar an §  1031 Abs.  5 ZPO an, der die Formvorgabe für Verbraucherschiedsvereinbarungen aufstellt. Der Gesetzgeber kann somit nicht vergessen haben, gesonderte Regelungen zur Heilung des Formverstoßes i. S. d. Abs.  5 zu treffen, sondern wollte diese wie die übrigen Formverstöße regeln. Zudem muss der Kläger in der Klageschrift ausdrücklich auf die Schiedsvereinbarung hinweisen (§  1044 S.  2 ZPO).95 Der Gesetzgeber hat hierdurch sichergestellt, dass der Beklagte von der Bedeutung der Vereinbarung erfährt. Das Gesetz sieht keine weitere Pflicht des Schiedsrichters vor, sondern diesem soll bei der rügelosen Einlassung eine passive Rolle zukommen.96 Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass der Verbraucher durch die genannten

91  BT-Drs. 13/5274, 36; BGH, SchiedsVZ 2011, 227, 227 f.; J.-P. Lachmann/A. Lachmann, BB 2000, 1633, 1635; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 188 f.; P. Schmitz, RNotZ 2003, 591, 601; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 149–163. 92  BGH, SchiedsVZ 2011, 227, 228; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 189. 93  BGH, NJW-RR 2005, 1659, 1660; SchiedsVZ 2011, 227, 228; Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 531 f.; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1031, Rn.  10, 65–67; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1031, Rn.  29, 33. 94  H.M., z. B. BT-Drs. 13/5274, 44; OLG Stuttgart, SchiedsVZ 2003, 84, 84; OLG Frankfurt, ECLI:DE:OLGHE:2015:0910.26SCH1.15.00 Rn.  66; OLG München, SchiedsVZ 2011, 167, 168; KG, SchiedsVZ 2009, 179, 181; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1040, Rn.  42; C. Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1027, Rn.  13. 95  Ausdrücklich als ausreichend bezeichnet in BT-Drs. 13/5274, 37. 96 Vgl. Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 37–40.

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§  5 Schiedsspruch

Regelungen ausreichend geschützt ist, um die Rüge auch ohne schiedsrichterlichen Hinweis zu erheben.97 Da die Vorschrift nicht auf EU-Recht zurückgeht, besteht von dessen Seite kein Anlass, hier besondere Vorgaben zu machen. Die Mitgliedstaaten sind frei, Formvorschriften und ihre Heilungsmöglichkeiten aufzustellen. (2) Unwirksamkeit aus EU-Verbrauchervertragsrecht und rügelose Einlassung gem. §  1040 Abs.  2 ZPO Etwas anderes gilt für Unwirksamkeitsgründe, die sich aus dem EU-Verbrauchervertragsrecht ergeben. Die Unwirksamkeit der Schiedsabrede aus anderen als Formgründen, d. h. auch bei Verstoß gegen die Klausel-RL, wird durch rügelose Einlassung gem. §  1040 Abs.  2 ZPO geheilt, wenn keine der Parteien die Unwirksamkeit der Vereinbarung bei Klagebeantwortung rügt oder bei genügend entschuldigter Verspätung später vorbringt (§  1040 Abs.  2 S.  1, 4 ZPO). Das EU-Recht erlaubt den Mitgliedstaaten, Präklusionsregelungen vorzusehen, solange diese verhältnismäßig sind und der Rechtsverlust nicht kenntnis­ unabhängig durch bloßen Zeitablauf eintritt (s. o. §  3 A. II. 5.). Darüber hinaus respektiert es die Entscheidung des Verbrauchers, seine Rechte im Verfahren nicht geltend zu machen. Dies gilt aber nur für eine selbstbestimmte Entscheidung i. S. d. Unionsrechts. §  1040 Abs.  2 ZPO ist entsprechend unionsrechtskonform auszulegen.98 Entgegen der wohl überwiegenden Meinung im Schrifttum ist es deshalb nicht irrelevant, ob der Verbraucher im Rahmen der Präklusion über Erklärungsbewusstsein verfügt.99 Stattdessen muss letzteres vorliegen, und es muss i. S. d. Unionsrechts vorliegen: Auch aus dem Effektivitätsprinzip folgt nur – aber immerhin – die staatliche Pflicht, sicherzustellen, dass die Defizite, die materiellrechtlich beseitigt werden sollen, auch prozessual nicht vorliegen und die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts beschränken. Dabei geht das EU-Recht weiter als das deutsche Prozessrecht: Das EU-Recht unterstellt, ein Verbraucher mache seine Rechte im Verfahren nicht geltend, weil er nicht weiß, dass er sie geltend machen muss (§  2 B. III.). Es verlangt daher, dass dem Defizit aktiv begegnet wird. Wird durch das Schiedsgericht nicht sichergestellt, dass der Verbraucher von der AGB-Rechtswidrigkeit der Schiedsvereinbarung 97  Ähnlich wohl Kahl, ZZP Int 22, 2017, 361, 379; Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 531 f. 98  Ähnlich zu §  1027 ZPO Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 41. 99 So Graf von Westphalen, in: Graf von Westphalen/Thüsing (Hg.), Vertragsrecht und AGB, 2020, EL 44, Schiedsgerichtsklauseln, Rn.  8; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1040, Rn.  39; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 328 f.; Triebel/Hafner, SchiedsVZ 2009, 313, 316, die kein Erklärungsbewusstsein verlangen; für Erklärungsbewusstsein i. R. d. §  1027 ZPO aber etwa Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1027, Rn.  4.

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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und daher seiner Rügemöglichkeit und -obliegenheit erfährt, darf auch das Gericht in der Entscheidung nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO nicht davon ausgehen, dass der Verbraucher sich der Rügemöglichkeit bewusst war. Präklusion tritt daher nicht ein; der Schiedsspruch ist aufhebbar nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO.100 Da das Schiedsgericht schiedsvertraglich verpflichtet ist, einen unaufhebbaren Schiedsspruch zu erlassen, ist es gehalten, die bewusste Entscheidung des Verbrauchers herbeizuführen. Hierfür ist ausreichend, aber auch notwendig, dass das Schiedsgericht den Verbraucher analog §  139 ZPO auf klare und verständliche Weise über die Rügemöglichkeit informiert. Diese Analogie ist nicht contra legem, sondern wird auch in anderen schiedsrechtlichen Fällen angenommen.101 Die Hinweispflicht ergibt sich damit aus dem Äquivalenzprinzip zusammen mit dem positiven Effektivitätsprinzip: Spielräume des nationalen Rechts sind hiernach effektivitätsfördernd auszulegen (s. o. §  2 B. II. 3.). Macht der Verbraucher nach Hinweis und entsprechend angemessener Überlegungszeit vom Rügerecht keinen Gebrauch, verstößt es nicht gegen das Ef­ fektivitätsprinzip, dass die Rüge im Schiedsverfahren und anschließend im Aufhebungsverfahren präkludiert ist. Im Gegenteil sind dann die selbstverantwortliche Parteientscheidung und das Vertrauen der anderen Partei auf die Beständigkeit der Verfahrensregelung schützenswert.102 Findet keine solche Information statt, darf eine Rüge nicht als verspätet zurückgewiesen werden, sondern muss vom Schiedsgericht als „entschuldigt“ i. S. d. §  1040 Abs.  2 S.  4 ZPO behandelt werden.103 f) Unwirksame Vereinbarung der Besetzung des Schiedsgerichts und Vorrang des §  1034 Abs.  2 ZPO Besonderheiten ergeben sich bei einer Vereinbarung per AGB, die bereits gegen §  1034 Abs.  2 S.  1 ZPO verstößt, also dem Unternehmer ein Übergewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts gibt. Eine Unwirksamkeit führte dazu, dass das Gericht von Anfang an nicht richtig besetzt worden und daher ein Schiedsspruch nach §§  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  d, 1060 Abs.  2 ZPO aufzuheben wäre. Es wird vertreten, dass eine solche Vereinbarung in AGB über die gesetzlichen 100  Ähnlich zu §   1027 ZPO: Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1027, Rn.  4. 101 Zur Anwendung im Schiedsverfahren z. B. BGH, NJW 1983, 867, 868 (a. E.); OLG München, BeckRS 2009, 86918; OLG Stuttgart, SchiedsVZ 2011, 49, 53; Spohnheimer, Gestaltungsfreiheit bei antezipiertem Legalanerkenntnis, 2010, 274 f.; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1042, Rn.  13; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 52 f. 102  Zum Vertrauensschutz bei anderen unionsrechtswidrigen Vereinbarungen: W.-H. Roth, in: Grundmann u. a. (Hg.), FS Hopt, 2010, 2881, 2893 f. 103 Ähnlich Kahl, ZZP Int 22, 2017, 361, 381; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 299 f.

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Spezialregelungen hinaus stets unwirksam sein soll.104 Stattdessen ist aber, ähnlich wie bei per AGB vereinbarten, gem. §  38 Abs.  1 ZPO unwirksamen Gerichtsstandsvereinbarungen (§  3 A. II. 5.), nicht von einer Unwirksamkeit, sondern einer Hinweispflicht des Gerichts auszugehen. Für die Auffassung, nach der eine solche Vereinbarung AGB-rechtswidrig ist, spricht der Anhang der Klausel-RL, der andeutet, dass eine Vereinbarung, die zulasten des Verbrauchers von den gesetzlichen Bestimmungen abweicht, üblicherweise missbräuchlich i. S. d. Richtlinie ist (lit.  q Anhang des Klausel-­ RL).105 Missbräuchlich und damit unwirksam wäre auch die Regelung des §  1034 Abs.  2 S.  1 ZPO, nach der ein Schiedsgericht nicht einseitig von einer Partei oder von einer Partei mit einer übergewichtigen Stellung im Vertrag bestimmt werden darf und dies die andere Partei benachteiligt.106 Gegen die Unwirksamkeit spricht, dass der Anhang der Richtlinie in Deutschland nicht verbindlich ist und zudem §§  1034–1039 ZPO Spezialregelungen zur Bildung des Schiedsgerichts treffen. Diese Normen regeln auch, wie die Parteien mit Befangenheitsgründen oder sonstigen rechtlichen Hindernissen in der Person des Schiedsrichters umgehen können. Bei einer unfairen Besetzungsvereinbarung sieht §  1034 Abs.  2 S.  1 ZPO speziell ein Verfahren vor Gericht vor, um die Schiedsrichter abweichend von der erfolgten Ernennung oder der vereinbarten Ernennungsregelung zu ernennen. Dieses würde bei einer AGB-Vereinbarung, die von vornherein unwirksam wäre, außer Kraft gesetzt.107 Auf der anderen Seite besteht – wie auch bei der unwirksamen Gerichtsstandsvereinbarung (§  3 A. II. 5.) – die Gefahr, dass eine Vereinbarung per AGB vom Verbraucher nicht wahrgenommen oder verstanden wird und es ihm wegen seiner mangelnden Rechtskenntnis nicht möglich ist, von der Antragsmöglichkeit zu erfahren. §  1034 Abs.  2 S.  2 ZPO präkludiert aber die Antragsmöglichkeit nach zwei Wochen ab Bekanntgabe der Besetzung. Das AGB-Recht greift nur dort korrigierend ein, wo eine parteiautonome Entscheidung möglich ist. Es korrigiert aber kein allgemein zwingendes Recht,108 auch kein zwingendes Verfahrensrecht. Dies spricht dafür, §  1034 Abs.  2 ZPO weiterhin als vorrangig zu betrachten.109 Allerdings verlangt das Effektivitätsprinzip eine unionsrechtskonforme Auslegung der Fristregelung. Das Unionsrecht fordert nicht, dass die Rollenverteilung zwischen Gericht und Parteien aufgegeben wird, sondern nur, dass das Gericht das unterstellte Infor104 

P. Schmitz, RNotZ 2003, 591, 605. Düsseldorf, NJW-RR 1997, 372, 374; Graf von Westphalen, in: Graf von Westphalen/Thüsing (Hg.), Vertragsrecht und AGB, 2020, EL 44, Schiedsgerichtsklauseln, Rn.  24 f.; Heinrichs, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 527, 543; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 155. 106  Heinrichs, in: Krämer u. a. (Hg.), Liber Amicorum Reich, 1997, 527, 543. 107  Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  45. 108  A. A. Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 231 f. 109  So auch BGH, NJW-RR 2007, 1466, 1466; krit. hierzu Piers, ARIA 22, 2011, 625, 646. 105  OLG

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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mationsdefizit des Verbrauchers ausgleicht (dazu bereits §  2. B. III., z. B. auch §  3 A. III.; §  4 C. II.). Hieraus folgt keine amtswegige Prüfung und Ungültigkeitserklärung der Klausel,110 sondern nur eine Hinweispflicht des Gerichts oder des Schiedsgerichts, dass der Antrag gestellt werden muss, ähnlich wie auch bei einer unwirksamen Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarung (dazu oben bereits e) und §  3 A. II. 5.). Parallel zu den Ergebnissen bei per AGB vereinbarten unwirksamen Schiedsvereinbarungen (gerade e) besteht eine schiedsrichterliche Pflicht analog §  139 ZPO, auf die Möglichkeit, die unwirksame Besetzung gerichtlich geltend zu machen, hinzuweisen. Weiterhin ist „Bekanntgabe“ der Besetzung, nach der die zweiwöchige Antragsfrist zu laufen beginnt, so zu lesen, dass das Schiedsgericht mit der Bekanntgabe sicherstellen muss, dass der Verbraucher sich über die Fristen und Rechtsbehelfe im Klaren ist oder sich zumindest Klarheit verschaffen kann. Also kann ein zusätzlicher Hinweis erforderlich sein, um sicherzustellen, dass die Frist nicht aus Unwissenheit verstreicht. Verstreicht die Frist aus Unwissenheit, liegt ein Aufhebungsgrund vor, nämlich die falsche Besetzung des Schiedsgerichts gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  d ZPO. Lässt der Verbraucher die Frist aber bewusst, d. h. nach Hinweis oder ausdrücklicher Erklärung, verstreichen, ist umgekehrt seine Entscheidung zu respektieren, das so konstituierte Schiedsgericht über den Streit entscheiden zu lassen. 6. Zwischenergebnis Im Regelfall sind Schiedsvereinbarungen im Verbraucher-Unternehmer-Verhältnis unwirksam. Ist eine Vereinbarung ausnahmsweise klar formuliert, muss sie sicherstellen, dass das Verfahren fair ausgestaltet ist, vor allem dem Verbraucher nur einen geringen Teil der Kosten auferlegt und der Ort des Schiedsverfahrens für den Verbraucher nicht schwer zu erreichen ist. Soweit das nationale Recht Präklusionsvorschriften vorsieht, muss das Schiedsgericht analog §  139 ZPO dafür sorgen, dass der Verbraucher vom Risiko des Rechtsverlusts durch Zeitablauf weiß.

III. Anwendbarkeit der Informationspflichten Die Informationspflichten sind, wie sich zeigt, auch bei Schiedsvereinbarungen zu erfüllen. Generell sind die Regeln der Rechtsgeschäftslehre auf außerhalb eines Verfahrens geschlossene Vereinbarungen anwendbar, hieraus ergibt sich die grunsdsätzliche Anwendbarkeit (1). Auch der sachliche Anwendungs­bereich der Regelungen ist eröffnet, obwohl der Wortlaut auf den ersten Blick dagegen spricht: §  312 Abs.  1 BGB erfasst nur Vereinbarungen über „entgeltliche Leistungen“. Eine unionsrechtskonforme und teleologische Auslegung der Rege110 

So aber U. Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175, 178 f.

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lungen zeigt aber, dass der Ausschluss nur außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge erfasst, die überhaupt keine entgeltliche Leistung des Unternehmers enthalten, also etwa den seltenen Fall einer Schenkung (2.). 1. Allgemeine Anwendbarkeit der Informationspflichten der VerbrR-RL auf Schiedsvereinbarungen Das nationale Recht behandelt das Zustandekommen von Verfahrensvereinbarungen, die außerhalb des Verfahrens geschlossen werden, wie allgemeine Verträge. Aus dem Äquivalenzprinzip ergäbe sich daher bereits, dass auch die unionsrechtlichen Vorgaben zu Vertragsschlüssen auf Schiedsvereinbarungen anwendbar sind. Aber auch aus der Zielsetzung der Informationspflichten ergibt sich diese Anwendbarkeit: Die Regeln knüpfen an die konkrete Abschlusssituation an, unabhängig davon, welche Wirkung der Vertrag auf prozessualer oder materiellrechtlicher Ebene hat. Die Regelungen sollen die unterstellte Unterlegenheit des Verbrauchers in dieser Abschlusssituation ausgleichen und den Binnenmarkt durch klare, vorhersehbare Regelungen fördern (dazu §  2 A. II. 4. und III. 1.). Beide Ziele werden verfehlt durch eine Differenzierung danach, welche Wirkung der Vertrag hat: Der Verbraucher ist bei einer prozessualen Wirkung eines Vertrags ebenso informationell unterlegen wie bei einer materiellrechtlichen. Die Asymmetrie, welche die Informationspflichten ausgleichen sollen, besteht also unabhängig von der prozessualen oder materiellrechtlichen Wirkung (dazu §  2 A. III. 1.).111 Auch für den Unternehmer herrscht stärkere Klarheit, wenn die Pflichten stets abhängig von der Abschlusssituation und unabhängig von anderen rechtlichen Folgen entstehen. Auf die rechtlichen Folgen abzustellen, schüfe Unsicherheit im Binnenmarkt, da unterschiedliche Rechtsordnungen bestimmten, ob die Vereinbarung prozessuale Folgen hätte. Der Unternehmer müsste diese Unterschiede bereits bei Vertragsschluss bei allen in Betracht kommenden Rechtsordnungen kennen, um den Verbraucher rechtzeitig zu informieren. Dieser Mehraufwand ist weder in seinem Interesse noch in dem der Richtlinie (dazu §  2 A. II. 4., III. 1.). Schließlich spricht der Gedanke des effektiven Rechtsschutzes dafür, dass der Unternehmer den Verbraucher über die Folgen einer Schiedsvereinbarung informiert, damit dieser entweder vor Vertragsschluss oder zumindest im Streitfall seine prozessualen Möglichkeiten durchdringen kann.

111  Ähnlich zu Bürgschaftsverträgen und Schuldbeitritten: Schirmbacher, in: Spindler u. a. (Hg.), Recht der elektronischen Medien, 4.  Aufl., 2019, §  312, Rn.  29.

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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2. Problem der entgeltlichen Leistung des Unternehmers i. S. d. §  312 Abs.  1 BGB Eine Anwendung der Informationspflichten der VerbrR-RL auf Schiedsvereinbarungen, die den Großteil der hier untersuchten Regelungen ausmacht, scheitert beim ersten Lesen daran, dass nach §  312 Abs.  1 BGB Schiedsvereinbarungen von den Verbrauchervertragsregelungen ausgenommen scheinen. Nach ­dieser Norm sind die Vorschriften des BGB, aus denen sich die Informationspflichten ergeben, nur auf Verbraucherverträge anwendbar, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens stellt keine solche Leistung dar: Wird ein Schiedsverfahren vereinbart, wird im Streitfall ein weiterer Vertrag zwischen beiden Parteien auf der einen und dem Schiedsgericht auf der anderen Seite geschlossen. Dieser weitere Vertrag ist meist entgeltlich im Verhältnis der Parteien gegenüber dem Dritten. Die Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien selbst enthält aber keine derartige entgeltliche Leistung. Wäre eine synallagmatische Verknüpfung zwischen Leistung und (entgeltlicher) Gegenleistung erforderlich, wäre eine Schiedsvereinbarung damit nicht vom Anwendungsbereich der Norm erfasst. Es zeigt sich aber, dass §  312 Abs.  1 BGB zu weit gefasst und auf außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge beschränkt ist (a). Aber auch bei solchen Verträgen muss nur eine kausale Verknüpfung der Schiedsvereinbarung mit irgendeiner entgeltlichen Verpflichtung des Verbrauchers bestehen (b). a) Relevanz der „entgeltlichen Leistung“ nur für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge Die Voraussetzung der „entgeltlichen Leistung des Unternehmers“ gem. §  312 Abs.  1 BGB ist aus unionsrechtlicher Sicht problematisch: Die VerbrR-RL, die in §§  312 ff. BGB umgesetzt wird, erfasst in Art.  3 Abs.  1 VerbrR-RL zunächst alle Verträge unabhängig von ihrer Entgeltlichkeit. Hiervon nimmt Art.  3 Abs.  3 VerbrR-RL nur bestimmte, hier nicht einschlägige Vertragstypen aus.112 Die gesonderte Voraussetzung, dass die Leistung des Unternehmers „entgeltlich“ sein muss, kann sich nur aus Art.  3 Abs.  4 VerbrR-RL ergeben. Die Norm erlaubt, dass die Mitgliedstaaten solche außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnehmen, „bei denen die vom Verbraucher zu zahlende Gegenleistung 50 EUR nicht überschreitet“. Weiterhin schließt Art.  5 VerbrR-RL in Abs.  3 die Informationspflichten bei Verträgen aus, die weder im Fernabsatz noch außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen ­w urden und bei denen es sich um sofort erfüllte Geschäfte des täglichen Lebens handelt. Letztere Ausnahme scheidet von vornherein aus, da eine Schiedsvereinbarung für einen Verbraucher kein Geschäft des täglichen Lebens ist. 112  Brönneke/F. Schmidt, VuR 2014, 3, 3; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.   Aufl., 2019, §  312, Rn.  93–95; dies., NJW 2014, 577, 580.

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§  312 Abs.  1 BGB ist teleologisch zu reduzieren und erfasst nur außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge. Die Formulierung des §  312 Abs.  1 BGB beruht auf einem Missverständnis des Gesetzgebers: Dieser sieht die Regelung in §  312 Abs.  1 BGB unter Verweis auf Art.  3 Abs.  4 und Art.  2 Nrn.  5, 6 VerbrR-RL als richtlinienkonform an.113 Die letzten beiden Nummern wiederum definieren Kauf- und Dienstleistungsverträge i. S. d. Richtlinie und sehen vor, dass diese entgeltliche Gegenleistungen enthalten. Die Definitionen beeinflussen aber nicht den allgemeinen Anwendungsbereich der Richtlinie. Dieser ist nicht auf Kauf- und Dienstleistungsverträge beschränkt. Zugleich verweist der deutsche Gesetzgeber auf Art.  6 VerbrR-RL, der nicht nur für Kauf- und Dienstleistungsverträge gilt. Er führt zu diesem aus, dass die Richtlinie nur entgeltliche Kauf- und Dienstverträge erfasst.114 Hieraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung nur den Anwendungsbereich der VerbrR-RL spiegeln wollte und davon ausging, dass dieser entsprechend begrenzt ist. Nun ist richtig, dass die Mehrzahl der Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern aus einer unternehmerischen Leistung und einer entgeltlichen Gegenleistung des Verbrauchers besteht.115 Allerdings existieren auch Verträge ohne derartiges Synallagma, auf welche die Richtlinie ihrer eigenen Definition nach (Art.  3 Abs.  1 VerbrR-RL) angewendet werden soll. Aus den Ausführungen des Gesetzgebers lässt sich schließen, dass dieser diese Fälle nicht vor Augen hatte und das Gesetz daher irrtümlich zu weit formulierte. Da die 50-Euro-Ausnahme der VerbrR-RL also nur für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge gelten kann, nicht aber für sonstige Verträge, verlangen letztere daher keine entgeltliche Leistung des Unternehmers, damit §§  312 ff. BGB anwendbar sind. Eine Schiedsvereinbarung, die etwa im Fernabsatz geschlossen wurde, d. h. aufgrund der Schriftform des §  1030 Abs.  5 ZPO per Brief (§  312c Abs.  2 Var.  1 BGB), ist daher unabhängig vom Streitentscheid, wie die entgeltliche Leistung des Unternehmers zu bestimmen ist, stets von der VerbrR-RL erfasst. Damit entstehen die Informationspflichten stets. §  312 Abs.  1 BGB ist entsprechend teleologisch zu reduzieren.116 b) Schiedsvereinbarung als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Vereinbarung Die Entgeltlichkeit der Leistung des Unternehmers wird also nur relevant bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Alle übrigen Verträge sind von der Möglichkeit des Art.  3 Abs.  4 VerbrR-RL, eine Ausnahme vorzusehen, nicht erfasst. 113 

BT-Drs. 17/12637, 45; BT-Drs. 17/13951, 71 f. BT-Drs. 17/13951, 72. 115  Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312, Rn.  36. 116 Weiter Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312, Rn.  36 f. 114 

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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Soweit eine Verfahrensvereinbarung außerhalb von Geschäftsräumen i. S. d. §  312b BGB geschlossen wurde, ist §  312 Abs.  1 BGB von Art.  3 Abs.  4 VerbrR-RL unionsrechtskonform auszulegen, d. h. es geht nicht um die Entgeltlichkeit der Unternehmerleistung, sondern darum, dass die Gegenleistung des Verbrauchers höchstens 50 Euro beträgt. Die Gesetzesbegründung zeigt, dass der Gesetzgeber hier von der Öffnungsklausel des Abs.  4 Gebrauch machen, dessen Grenzen aber nicht überschreiten, sondern die Höchstsumme noch reduzieren wollte.117 §  312 Abs.  1 BGB ist daher zunächst so zu lesen, dass er nur auf außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge anwendbar ist, bei denen ein Verbraucher keine oder eine monetär wertlose Gegenleistung erbringt.118 Diese muss weiterhin eine Gegenleistung zu einer Leistung des Unternehmers sein. Die Schiedsvereinbarung ist hier nicht als vom Hauptvertrag zu trennender Vertrag zu betrachten, dessen Leistung und Gegenleistung unabhängig vom Hauptvertrag einzustufen sind. Das im Schiedsrecht geltende Trennungsprinzip, nach dem die Schiedsvereinbarung einen vom Restvertrag zu trennenden, selbstständigen Vertrag darstellt (vgl. §  1040 Abs.  1 S.  2 ZPO),119 findet somit keine Anwendung, wenn es darum geht, die Entgeltlichkeit von Leistung und Gegenleistung festzustellen. Gegen eine derartige Trennung spricht der Telos der VerbrR-RL: Diese geht von einem weiten und umfassenden Anwendungsbereich aus und nicht auf prozessuale Besonderheiten ein. Stattdessen soll der Verbraucher vor riskanten Vertragsschlüssen geschützt oder zumindest auf ihre Risiken hingewiesen werden. Ausnahmsweise schränkt die Richtlinie ihren sachlichen Anwendungsbereich ein: Geringwertige Verträge, bei denen das Verlustrisiko des Verbrauchers gering ist, d. h. maximal 50 Euro beträgt, können ausgenommen werden. Dies ist der Hintergrund der nationalen Öffnungsklausel. Dieser Sinn, die Ausnahme auf Verträge mit geringem Verlustrisiko zu beschränken, würde verfehlt, könnte der Vertrag in einzelne Leistungen aufgespalten werden, die jeweils unter 50 Euro bleiben, sich aber zu einem hohen Verlustrisiko aufsummieren. Hinzu tritt der Gedanke der Rechtssicherheit für den unternehmerischen Rechtsverkehr durch klare, vorhersehbare Regelungen, ob die VerbrR-RL anwendbar ist (§  2 A. II. 4.). Die Richtlinie beschränkt die Ausnahme des Art.  3 Abs.  4 VerbrR-RL auf 50 Euro, weil dies einen eindeutigen Maßstab setzt. Der Unternehmer hat aber nur Sicherheit, welchen Wert die ihm zustehende Gegenleistung hat, wenn sie einfach zu berechnen ist und keine Abwägungen erfordert. Sie ist einfach zu berechnen, wenn vom Gesamtvertrag die Leistungen und Gegenleistungen zusammengerechnet werden, also nicht herausgearbeitet wer117 

BT-Drs. 17/12637, 45. Schirmbacher, in: Spindler u. a. (Hg.), Recht der elektronischen Medien, 4.  Aufl., 2019, §  312, Rn.  27 f. 119  Z. B. Haarmann, in: Grundmann u. a. (Hg.), FS Hopt, 2010, 2777, 2782; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1040, Rn.  1, 3. 118 Ähnlich

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§  5 Schiedsspruch

den muss, welche Einzelleistungen von welchen Gegenleistungen abhängen. Auch die von der Richtlinie angestrebte Rechtssicherheit spricht daher für eine Gesamtbetrachtung des Vertrags.120 Sobald der Verbraucher im Gesamtvertrag irgendeine entgeltliche Gegenleistung erbringt, reicht dies somit aus, um die Informationspflichten nach §§  312 ff. BGB auch bezogen auf die Schiedsvereinbarung entstehen zu lassen. Damit genügt es etwa, dass die Schiedsvereinbarung nur geschlossen wird, wenn sie von einer entgeltlichen anderen Leistung des Verbrauchers abhängt121 oder letztere gegenüber einem Dritten erbracht wird.122 Ausgeschlossen sind nur die praktisch seltenen Fälle, in denen der Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen unentgeltlich handelt, etwa beim Abschluss eines Schenkungsvertrags und dessen sofortiger Erfüllung gem. §  518 Abs.  2 BGB. §  312 Abs.  1 BGB ist entsprechend zu lesen: Es kommt nicht auf die konkrete, synallagmatische entgeltliche Gegenleistung des Unternehmers an, sondern die Gesamtschau aller Gegenleistungen. c) Zwischenergebnis Die Informationspflichten entstehen auch bei den hier untersuchten Verfahrensvereinbarungen wie bei nur materiellrechtlich wirkenden Verträgen. Dies folgt nicht erst aus dem Äquivalenzprinzip, sondern das Unionsrecht beansprucht unmittelbar und unabhängig von der Qualifikation der Vereinbarung Anwendung. Nach §  312 Abs.  1 BGB sind nur Verträge ausgenommen, in denen der Unternehmer überhaupt keine entgeltliche Leistung erbringt.

IV. Widerruf der Schiedsvereinbarung und „prozessuale Überholung“ Die Entstehung eines verbrauchervertragsrechtlichen Widerrufsrechts ist im Ausgangspunkt genauso zu beurteilen wie die der Informationspflichten. Knüpft ein Widerrufsrecht an den Vertragstyp an, etwa den Verbraucherdarlehensvertrag, erstreckt es sich nicht auf den unabhängig von diesem zu beurteilenden Schiedsvertrag. Soweit allerdings aufgrund der Umstände des Vertragsschlusses, d. h. insbesondere bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und im Fernabsatz, ein Widerrufsrecht entsteht, erfasst es auch die Schiedsvereinbarung, die in der Situation zustande gekommen ist. Aus dem nationalen Verfahrensrecht kann sich eine Grenze zum Ausüben des Widerrufsrechts ergeben, welche die effektive Wirkung des Unionsrechts 120  Ähnlich zum gesamten Absatz: R. Koch, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  312, Rn.  6; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312, Rn.  37. 121  R. Koch, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  312, Rn.  6; Schirmbacher, in: Spindler u. a. (Hg.), Recht der elektronischen Medien, 4.  Aufl., 2019, §  312, Rn.  28; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, 8.  Aufl., 2019, §  312, Rn.  36 f. 122  R. Koch, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  312, Rn.  6 .

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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beschränkt: Der Fall der prozessualen Überholung. Diese kann die nachträgliche Aufhebbarkeit einer Schiedsvereinbarung dadurch, dass der Verbraucher ein Verbraucherwiderrufsrecht ausübt, zeitlich begrenzen. Bei Schiedsvereinbarungen ist anerkannt, dass sie angefochten werden können, wenn ein Anfechtungsgrund vorliegt und keine prozessuale Überholung eingetreten ist (1.). Die Diskussion zur prozessualen Überholung wird auch auf Aufhebungsvereinbarungen der Parteien und Kündigung aus wichtigem Grund übertragen.123 Parallel ist daher im Grundsatz auch die Widerrufbarkeit der Schiedsvereinbarung gem. §  312g BGB zu handhaben, denn das Ergebnis ist dasselbe: Die Nichtbindung an die ursprüngliche Vereinbarung aufgrund einer Erklärung einer der Parteien. Damit kann die Ausübung des Widerrufsrechts eingeschränkt werden, wenn der Unternehmer seinen Informations- und Belehrungspflichten nicht oder nicht formgerecht nachgekommen ist und daher die Widerrufsfrist auf ein Jahr verlängert wird, in dieser Zeit aber der Streit entsteht und das Verfahren durchgeführt, aber die Vereinbarung widerrufen wird. Soweit ein Schiedsspruch endgültig rechtskräftig wird, ist prozessuale Überholung von der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten gedeckt. Der Schiedsrichter muss aber analog §  139 ZPO darauf hinweisen, dass prozessuale Überholung eintreten kann, damit eine Präklusion gem. §  1040 ZPO möglich ist (2.). 1. Grundsätze der prozessualen Überholung im Schiedsverfahren Prozessuale Überholung tritt ein, wenn eine endgültige Veränderung der Prozesslage eingetreten ist, die nicht oder nur ausnahmsweise nachträglich rückgängig gemacht werden kann.124 Hiernach richtet sich im deutschen Recht u. a. die zeitliche Grenze der Anfechtbarkeit, einer Bedingung oder des Widerrufs einer Prozessvertragserklärung.125 In diesen Fällen tritt das Interesse an materieller Gerechtigkeit hinter dem Interesse zurück, eine klare und endgültige Rechtslage zu erhalten, wie sie insbesondere durch die Rechtskraft erreicht wird.126 Es muss sichergestellt sein, dass bestimmte abgeschlossene Verfahrenslagen nicht nachträglich entfallen, etwa indem die Parteien ihre Erklärungen beliebig rückgängig machen können.127 123  Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 215; Schlosser, in: Stein/Jonas   X, 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  98–102. 124  Z. B. Arens, Willensmängel bei Parteihandlungen im Zivilprozeß, 1968, 95; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 77 f.; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  311 f.; Orfanides, Die Berücksichtigung von Willensmängeln, 1982, 203 f., 207; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 722; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  66 Rn.  14, 16; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 296 f., weiter noch 302. 125  Zur Anfechtung z. B. BGH, NJW 1955, 709, 709; BeckRS 1966, 31180113. 126  BVerfG, NJW-RR 1993, 232, 233; NJW 1993, 1125, 1125; Prütting/Weth, Rechtskraftdurchbrechung bei unrichtigen Titeln, 2.  Aufl., 1994, Rn.  80–84. 127 Vgl. Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 40; ausführlich Goldschmidt, Der Prozess als Rechts-

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§  5 Schiedsspruch

Nach h. M. tritt die prozessuale Überholung etwa der Anfechtbarkeit der Schiedsvereinbarung ein, wenn das Schiedsverfahren beginnt und zum ersten Mal zur Sache verhandelt wird. Danach steht die prozessuale Lage fest, da Fehler in der Schiedsvereinbarung durch rügelose Einlassung gem. §  1040 Abs.  2 S.  1 ZPO geheilt werden.128 Etwas anderes gilt nur, wenn die verspätete Rüge genügend entschuldigt ist. Eine solche genügende Entschuldigung wird bei der Anfechtung angenommen, wenn der Anfechtungsgrund dem Anfechtenden erst nach dem Zeitpunkt des §  1040 Abs.  2 S.  1 ZPO bekannt wird, die Anfechtungsfrist davon abhängig weiter läuft und es daher unbillig wäre, ihn auf die Präklusion zu verweisen, d. h. insbesondere in Fällen des §  123 Abs.  1 BGB. In diesen Fällen ist eine spätere Anfechtung möglich, die das Schiedsverfahren rückwirkend unzulässig werden lässt und den Einwand der unwirksamen Schiedsvereinbarung nicht präkludiert.129 Ist die Rüge also nicht bereits nach §  1040 Abs.  2 ZPO präkludiert, tritt prozessuale Überholung ein, wenn die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht mehr gerichtlich gem. §§  1059 f. ZPO geltend gemacht werden kann.130 Dieser Zeitpunkt tritt ein, wenn die Fristen gem. §  1059 Abs.  3 ZPO abgelaufen sind, nach denen ein Antrag auf Aufhebung nicht gestellt werden kann, und wenn die Vollstreckbarerklärung nicht mehr wegen Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung verwehrt werden kann (§  1060 Abs.  2 S.  3 ZPO i. V. m. §  1059 Abs.  3 ZPO).131 Die nach §  1055 ZPO eintretende Rechtskraft entfällt im Fall der Aufhebung rückwirkend.132 §  1059 Abs.  2 S.  1 lit.  a ZPO legt u. a. ausdrücklich als Unwirksamkeitsgrund die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung fest. Entscheidet ein Gericht über die Aufhebungs- und Vollstreckungsmöglichkeiten und wird diese Entscheidung rechtskräftig, tritt hiermit prozessuale Überholung ein. 2. Behandlung des Widerrufsrechts Diese Grundsätze sind prinzipiell auf den Widerruf der Schiedsvereinbarung zu übertragen. Soweit die materiellrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, lage, 2.  Aufl., 1986, 268, 277–280; vgl. auch im Kontext der bedingten Rücknahme eines Rechtsmittels BGH, NJW-RR 2008, 85, 86. 128  BGH, NJW 1955, 709, 709; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1029, Rn.  98– 102. 129  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 299 f.; ähnlich Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 77 f. 130  BT-Drs. 13/5274, 44; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 299 f.; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 289; anders wohl Mörsdorf, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 15.02.2020, §  355, Rn.  9 0. 131  Baumgärtel, Prozeßhandlung, 2.   Aufl., 1972, 239 f.; Habscheid, KTS 1964, 79, 80; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 299 f. 132  Z. B. Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.   Aufl., 2017, §  1055, Rn.  3; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1055, Rn.  3.

A. Schiedsvereinbarungen als Verbraucherverträge

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ist die Schiedsvereinbarung grundsätzlich widerrufbar, bis prozessuale Überholung eingetreten ist. Unproblematisch ist ein Widerruf der Schiedsvereinbarung möglich, bevor das Schiedsgericht konstituiert und bevor zum ersten Mal vom Beklagten im Sinne des §  1040 Abs.  2 S.  1 ZPO zur Sache verhandelt wurde. Problematisch ist, ob der Verbraucher mit dem Vorbringen, er habe die Schiedsvereinbarung wirksam widerrufen, präkludiert ist, wenn er zur Sache verhandelt, ohne die wegen Widerrufs unwirksame Schiedsvereinbarung zu rügen. Bei der Anfechtung wird auf die Kenntnis der Partei vom Anfechtungsrecht abgestellt und ob diese die Kenntnis erst nach dem Zeitpunkt des §  1040 Abs.  2 S.  1 ZPO erlangt hat. Zudem verlangt die Anfechtung nach §§  119, 123 BGB, dass die konkrete Willensbildung des Handelnden gestört wurde. Grund, die Anfechtung weiterhin zuzulassen, ist der Gedanke, dass es unbillig wäre, den Handelnden an seiner (nicht freien) Willenserklärung festzuhalten.133 Das Widerrufsrecht verlangt demgegenüber nicht, dass die Willensentscheidung des Verbrauchers tatsächlich gestört wurde – es ist keine Fehlentscheidung des Verbrauchers notwendig. Das EU-Verbraucherrecht gesteht dem Verbraucher zu, den Vertrag nachträglich zu beseitigen, unabhängig davon, ob er einen legitimen Grund hat, seine Meinung nach Vertragsschluss zu ändern. Allerdings drückt das EU-Recht in den Widerrufsfristen aus, wann es eine Entscheidung des Verbrauchers für endgültig hält. Die Frist verlängert sich, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht umfassend darüber belehrt oder informiert hat, dass ihm das Widerrufsrecht zusteht. Bis zum Ablauf dieser Frist geht das EU-Recht davon aus, dass der Verbraucher seine Meinung nicht endgültig gebildet hat, sondern die Freiheit haben muss, seine Meinung zu ändern. Auf Seiten des Unternehmers schafft dies zugleich die Rechtssicherheit, dass er nach Ablauf der Frist Sicherheit über den Bestand der Vereinbarung hat. Zusätzlich soll die Frist den Unternehmer dazu anhalten, vollständig und formgerecht zu belehren und zu informieren (ausführlich §  2 A. III. 1., 2. c). Verlangte man nun beim Widerrufsrecht, dass der Verbraucher es bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Verfahren geltend macht, verkürzte dies die ­Widerrufsfrist. Die Parteien können aber die Länge der Widerrufsfrist nur in wenigen, gesetzlich angeordneten Ausnahmefällen abändern.134 Verlangte die Regelung des §  1040 Abs.  2 ZPO, dass das Widerrufsrecht ab einem bestimmten verfahrensrechtlichen Zeitpunkt stets präkludiert wäre, stellte dies zugleich eine Disposition über das Widerrufsrecht bzw. die Länge der Widerrufsfrist dar und damit eine unverhältnismäßige Beschränkung dessen effektiver Wirkung. Aus diesem Grund kann die Unwirksamkeit aufgrund Widerrufs nicht stets gem. §  1040 Abs.  2 ZPO präkludiert sein. Es darf nicht davon abhängen, ob der 133 

134 

36.

Z. B. Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1040, Rn.  7. Vgl. Art.  16 VerbrR-RL und EuGH, Romano, C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 Rn.  34–

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§  5 Schiedsspruch

Verbraucher vom Widerrufsrecht wusste oder nicht – denn das EU-Recht stellt bei der Entstehung des Rechts nicht auf die tatsächlichen Kenntnismöglichkeiten des Verbrauchers ab, sondern berücksichtigt die Kenntnismöglichkeit typisiert bei der Länge der Widerrufsfrist. Zu unterscheiden ist stattdessen, ob der Verbraucher die Schiedsvereinbarung vor oder nach dem Zeitpunkt des §  1040 Abs.  2 ZPO widerruft. Das Unionsrecht erlaubt den Mitgliedstaaten, Präklusionsregelungen vorzusehen, die der Sicherheit des Verfahrensablaufs dienen, solange diese Regelungen verhältnismäßig sind und der Rechtsverlust nicht kenntnisunabhängig durch bloßen Zeitablauf eintritt. Darüber hinaus akzeptiert es die Entscheidung des Verbrauchers, seine Rechte im Verfahren nicht geltend zu machen, solange sichergestellt ist, dass es sich um eine selbstbestimmte Entscheidung handelt. Aus diesem Grund kann auch die positive Kombination des Äquivalenzprinzips mit dem Effektivitätsprinzip (§  2 B.) durch verfahrensrechtliche Interessen begrenzt werden. Im B2C-Verhältnis besteht die besondere Gefahr, dass der Verbraucher seine Rechte im Verfahren nicht geltend macht, weil er nicht weiß, dass er sie geltend machen muss. Hat der Verbraucher die Schiedsvereinbarung widerrufen, rügt dies aber nicht im Schiedsverfahren, muss daher sichergestellt sein, dass er dies aufgrund einer bewussten und überlegten Entscheidung macht, die nicht an den vom EU-Recht unterstellten Defiziten leidet. Das Schiedsgericht muss daher den Verbraucher analog §  139 ZPO darüber informieren, dass er im Fall des Widerrufs die Unwirksamkeit der Vereinbarung rügen muss. Macht der Verbraucher nach entsprechend angemessener Überlegungszeit vom Rügerecht keinen Gebrauch, hat das EU-Recht keinen Einwand gegen die Präklusion. Im Gegenteil sind dann die selbstverantwortliche Parteientscheidung und das Vertrauen der anderen Partei auf die Beständigkeit der Verfahrensregelung ihrerseits schützenswert.135 Fragt der Schiedsrichter nicht beim Verbraucher nach oder vergewissert sich nicht auf andere Weise, dass der Verbraucher vom Widerrufsrecht wusste, muss eine verspätete Rüge weiterhin geltend gemacht werden können. Die Verspätung muss dann als „entschuldigt“ i. S. d. §  1040 Abs.  2 S.  4 ZPO behandelt werden.136 Wird nicht sichergestellt, dass der Verbraucher von der Rügeobliegenheit weiß, muss er so behandelt werden, als wisse er nichts davon. Dies führt dazu, dass die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung auch in den Verfahren nach §§  1059 f. ZPO geltend gemacht werden kann, ähnlich wie die Anfechtung, deren Anfechtungsgrund erst nach Erlass des Schiedsspruchs bekannt wird.

135  Zum Vertrauensschutz bei anderen unionsrechtswidrigen Vereinbarungen: W.-H. Roth, in: Grundmann u. a. (Hg.), FS Hopt, 2010, 2881, 2893 f. 136 Ähnlich G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 299 f.

B. Befreiung des Schiedsrichters von der Rechtsbindung als Verbrauchervertrag

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Parallel hierzu ist der Fall zu behandeln, dass der Verbraucher nach dem Zeitpunkt des §  1040 Abs.  2 S.  1 ZPO widerruft. Auch hier kann eine Präklusion nur eintreten, wenn sichergestellt wurde, dass er seine Rügeobliegenheit kannte und bewusst darauf verzichtete, dieser nachzukommen. Prozessuale Überholung tritt nur ein, wenn auf unionsrechtskonforme Weise eine Rügepräklusion stattgefunden hat oder der Schiedsspruch nicht mehr vor dem staatlichen Gericht angegriffen werden kann.137

B. Befreiung des Schiedsrichters von der Rechtsbindung als Verbrauchervertrag und als Disposition über EUVerbrauchervertragsrecht Durch die Wahl eines Schiedsverfahrens kann eine Disposition über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht stattfinden dadurch, dass die Parteien das Schiedsgericht gemäß §  1051 Abs.  3 S.  1 ZPO dazu ermächtigen, nach Billigkeitsgesichtspunkten und damit nicht anhand des sonst anwendbaren Rechts zu entscheiden.138 Die Ermächtigung muss ausdrücklich sein. Fehlt eine solche ausdrückliche Ermächtigung, muss das Schiedsgericht sich an das anwendbare Recht halten.139 Die Parteivereinbarung gem. §  1051 Abs.  3 S.  1 ZPO stellt wie die Schiedsvereinbarung nach A. einen Verbrauchervertrag dar (I.). Die beschriebenen Dispositionsmöglichkeiten der Parteien sind aber nicht unbegrenzt. Das Äquivalenzprinzip i. V. m. dem Effektivitätsprinzip führt dazu, dass keine Disposition über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht möglich ist (II.).

I. Vereinbarung zur Billigskeitsentscheidung als Verbrauchervertrag Das Zustandekommen einer Vereinbarung gem. §  1051 Abs.  3 ZPO wird durch das nationale und EU-Verbrauchervertragsrecht eingeschränkt. Die Formvorschriften einer Schiedsvereinbarung (§  1031 Abs.  5 ZPO) mit Beteiligung eines 137 

Zum gesonderten Fall des Widerrufs des dem Streit zugrunde liegenden Vertrags §  8. Z. B. Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1051, Rn.  50; zur allgemeinen Zulässigkeit: Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 33–46. 139  BT-Drs. 13/5274, 53; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 60 f.; Habscheid, NJW 1962, 5, 7; Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  88; Jaksic, J Int Arb 24, 2007, 159, 166; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1051, Rn.  4 4 f.; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1051, Rn.  6; Stauder, SchiedsVZ 2014, 287, 288; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, EL 30, 15.09.2018, §  1051, Rn.  12; bereits dazu Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 19–25; Mann, in: Jakobs u. a. (Hg.), FS Flume, 1978, 593, 605; Oertmann, ZZP 47, 1918, 105, 120–123; anders noch Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 18 f.; K. H. Schwab, in: Sanders (Hg.), Liber Amicorum Domke, 1968, 301, 302 f. 138 

380

§  5 Schiedsspruch

Verbrauchers gelten analog für die Ermächtigungsvereinbarung (1.). Vereinbarungen, die indirekt die Rechtsbindung des Schiedsgerichts lockern, sind zumindest nicht per AGB zu vereinbaren (2.). 1. Entsprechende Anwendung von §  1031 Abs.  5 ZPO in VerbraucherUnternehmer-Streitigkeiten §  1051 Abs.  3 ZPO ist auf internationale und damit professionelle Schiedsverfahren ausgerichtet. Er schließt Verbraucherstreitigkeiten aber nicht aus. Der Gesetzgeber dachte beim Schaffen der Norm an die Möglichkeit einer Sonderregelung für Verbraucherstreitigkeiten.140 Er unterließ eine solche Regelung aber. Daraus lässt sich schließen, dass grundsätzlich auch zwischen Verbraucher und Unternehmer ein Schiedsverfahren vereinbart werden kann, in dem das Schiedsgericht nach Billigkeit i. S. d. §  1051 Abs.  3 ZPO entscheiden darf.141 Umstritten ist, ob die Ermächtigung an der Form des §  1031 Abs.  5 ZPO teilhaben muss. Dagegen spricht, dass das Gesetz dies nicht vorsieht, obwohl im Gesetzgebungsprozess Überlegungen zum Verbraucherschutz im Schiedsverfahren angestellt wurden.142 Allerdings handelt es sich bei der Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung um eine fast ebenso existenzielle Vereinbarung wie die Schiedsvereinbarung: Sie verändert nicht nur den Verfahrensablauf, sondern auch den Entscheidungsmaßstab und damit den gesamten Charakter des Schiedsverfahrens und -gerichts.143 Auch der Gesetzgeber stuft sie als wichtiger ein als eine reine Verfahrensmodalität, wie sich daraus ersehen lässt, dass er eine „ausdrückliche“ Erklärung verlangt. Er sieht die Regelung also als gefährlich für die Parteien an, und dies selbst dann, wenn sie professionell handeln und verfahrenserfahren sind. Die Ausdrücklichkeit dient der Warnung und ähnelt daher funktional dem Formerfordernis des §  1031 Abs.  5 ZPO. Die besondere Gefährlichkeit, welche eine Warnung selbst bei professionell handelnden Parteien erforderlich macht, spricht dafür, die Ermächtigung als mindestens ebenso wichtig einzustufen wie die Schiedsvereinbarung selbst. Da der Verbraucher schon bei der Schiedsvereinbarung durch die Formvorgabe geschützt wird, müssen auch die Anforderungen an die Billigkeitsvereinbarungen mit Verbraucherbeteiligung der Formanforderung des §  1031 Abs.  5 ZPO entsprechen.144

140 

BT-Drs. 13/5274, 53. Unberath, ZKM 2011, 44, 45; ohne Begründung G. Schulze, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 875, 880; offen lassend Pfeiffer, NJW 2012, 1169, 1172 f. 142  Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1051, Rn.  24; etwa Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht, 1994, 101 f. zu §  1031 Abs.  5 ZPO. 143  Anders wohl Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 48 f. 144  Ähnlich bereits Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 48 f. 141 Vgl.

B. Befreiung des Schiedsrichters von der Rechtsbindungals Verbrauchervertrag

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2. Vereinbarung der Billigkeitsentscheidung in AGB Die Ermächtigung nach §  1051 Abs.  3 ZPO kann trotz der Formvorschrift analog §  1031 Abs.  5 ZPO per AGB vereinbart werden. Eine Vereinbarung, die den Schiedsrichter zur Billigkeitsentscheidung im B2C-Verhältnis ermächtigt, ist aber AGB-rechtswidrig: Es stellt eine erhebliche Abweichung von den staatlich normierten Vorstellungen eines fairen Verfahrens dar, die den Verbraucher erheblich im Verhältnis zum Unternehmer benachteiligt. Denn der Verbraucher kann noch weniger als der Unternehmer einschätzen, wie das Schiedsgericht entscheidet, da er weniger erfahren in der Prozess- oder Schiedsverfahrensführung ist. Damit wird seine Unterlegenheit im Verfahren zusätzlich verstärkt und seine Möglichkeit, sich zu verteidigen, noch weiter eingeschränkt. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. §  307 Abs.  1, 2 BGB dar, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt.145 Darüber hinaus kann eine ähnliche Vereinbarung, die das gleiche Ziel erreichen kann, missbräuchlich nach §  307 Abs.  1, 2 BGB sein, etwa wenn der Vertrag eine Vielzahl von missbräuchlichen Klauseln aufweist und zugleich vereinbart wird, dass der Schiedsrichter ein juristischer Laie sein darf. Dann entsteht aus der Verbindung dieser Aspekte die Gefahr, dass eine Entscheidung ohne korrekte Rechtsanwendung getroffen wird und die Rechte des Verbrauchers nicht angemessen gewahrt werden. Diese Gefahr führt zur Missbräuchlichkeit der Klausel, sodass eine solche Vereinbarung ebenfalls unwirksam ist.146

II. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht Entscheidung nach „Billigkeit“ bedeutet, dass keine Rechtsbindung besteht (1.), sodass eine Disposition über zwingendes Recht möglich wäre. Allerdings können die Normen, die Teil des ordre public bilden, nicht abbedungen werden. Aus dem Effektivitätsprinzip in Verbindung mit dem Äquivalenzprinzip folgt, dass die zwingenden Normen des EU-Verbrauchervertragsrechts als Teil des ordre public zu qualifizieren sind. Es kann damit nicht über sie disponiert werden (2.) 1. Maßstab der Billigkeitsentscheidung Die exakten Folgen einer solchen Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung sind umstritten. Es ist unklar, inwieweit die Bindung an das anwendbare Recht 145  Zum gesamten Absatz: Graf von Westphalen, in: Graf von Westphalen/Thüsing (Hg.), Vertragsrecht und AGB, 2020, EL 44, Schiedsgerichtsklauseln, Rn.  26; Mäsch, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 529, 537; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 541; G. Schulze, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 875, 880; weiter noch Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1051, Rn.  24. 146 BGH, NJW 1992, 575, 577; J.-P. Lachmann/A. Lachmann, BB 2000, 1633, 1639; G. Wagner, in: Bachmann u. a. (Hg.), FS Schlosser, 2005, 1025, 1046.

382

§  5 Schiedsspruch

aufgehoben werden kann. Die beiden vertretenen Ansätze gehen auf entsprechende Regelungen aus dem Ausland zurück. Zum einen wird angenommen, dass der Schiedsrichter gänzlich von einer Rechtsbindung befreit wird. Er ist nur an die guten Sitten und die öffentliche Ordnung der lex fori gebunden (sog. Entscheidung „ex aequo et bono“).147 Zum anderen wird eine solche völlige Befreiung abgelehnt. Stattdessen müsse der Schiedsrichter weiterhin das anwendbare Recht prüfen und dürfe hiervon nur abweichen, wenn ausnahmsweise das Ergebnis der Rechtsanwendung ungerecht oder unsachlich erscheint (sog. Entscheidung als „amiable compositeur“)148 .149 Einhelligkeit besteht darüber, dass der ordre public die Grenze der Billigkeitsentscheidung wie bei jeder Schiedsgerichtsentscheidung bildet, d. h. der Kernbestand der Grundwertungen, die der deutschen Rechtsordnung zugrunde liegen.150 Der Gesetzgeber definiert die Billigkeit nicht, sondern stellt sie der Rechtsbindung des staatlichen Richters gegenüber. Billigkeit könne diese ersetzen, da sie in Schiedsverfahren, insbesondere in internationalen Streitigkeiten, nicht immer angebracht erscheint.151 Aus dieser Begründung lässt sich schließen, dass Billigkeit keine Rechtsbindung oder Rechtsorientierung verlangt, abgesehen von den Regelungen des ordre public. Es lässt sich nur annehmen, dass eine Entscheidung umso wahrscheinlicher ordre public-konform ist, als sie sich am anwendbaren Recht orientiert – denn vom geltenden Recht wird angenommen, dass dieses stets der Billigkeit entspricht.152 Grundsätzlich verlangt die Billigkeitsentscheidung also keine, auch keine eingeschränkte, Rechtsbindung. 2. Besonderheiten bei zwingendem EU-Verbrauchervertragsrecht Die Billigkeitsentscheidung kann von den zwingenden Vorgaben des EU-Verbrauchervertragsrechts gelöst gefällt werden, soweit letzteres nicht zum deutschen ordre public gehört. Die Billigkeitsentscheidung bleibt bezogen auf die zum ordre public gehörenden Normen eine Rechtsentscheidung, d. h. die Vereinbarung ist insoweit ohne Wirkung.153 147  Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 253 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1051, Rn.  24; Stauder, SchiedsVZ 2014, 287, 290; wohl auch BGH, RdTW 2016, 211, 214 (offenlassend). 148  Hierfür etwa Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1051, Rn.  56; G. Schulze, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 875, 877 f., 885 f.; ähnlich Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 12 f. 149  Überblick über den Streit: G. Schulze, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 875, 883 f.; Stauder, SchiedsVZ 2014, 287, 289; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOKZPO, 2019, EL 30, 15.09.2018, §  1051, Rn.  12.2. 150  Ausführlich bereits Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 38 f. 151  BT-Drs. 13/5274, 53. 152  Dazu auch Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 39 f. 153  BT-Drucks. 13/5274, 53; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1051, Rn.  6; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1051, Rn.  46, 55; ders., ebd., §  1042, Rn.  76, 84; Pfeiffer, NJW 2012, 1169, 1171 f.; Stauder, SchiedsVZ 2014, 287, 290; Unberath,

B. Befreiung des Schiedsrichters von der Rechtsbindungals Verbrauchervertrag

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Wie bereits beim Anerkenntnisurteil herausgearbeitet (§  3 B. II.), ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH in Einklang mit der deutschen Dogmatik zum ordre public, dass die zwingenden Regeln des EU-Verbrauchervertragsrechts stets Teil desselben bilden. Eine abweichende Auslegung würde die effektive Wirkung des Unionsrechts unverhältnismäßig beschränken, u. a. weil sonst keine EuGH-Vorlage möglich wäre. Könnten die Parteien eine von jeder Rechtsbindung losgelöste Entscheidung erlangen, könnte ein später mit der Sache befasster Richter das zwingende Recht gar nicht erst prüfen, da es nicht Maßstab der Entscheidung wäre. Damit hätte er von vornherein keine Möglichkeit, bei Auslegungsfragen den EuGH anzurufen. Dann wäre aber die effektive Wirkung des EU-Rechts beeinträchtigt (§  2 B. II. 1.). Somit können die Parteien nur dann auf die Rechtsbindung des Schiedsgerichts verzichten, wenn sie bereits materiellrechtlich auf ihre Rechte verzichten können, etwa im Fall der Mängelgewährleistungsrechte nach Kenntnis und Mitteilung des konkreten Mangels. Eine Befreiung nach §  19 VSBG (i. V. m. der ADR-RL) scheidet aus: Zum einen wäre eine Befreiung nach Art.  11 ADR-RL für Fälle wie die des Schiedsverfahrens ausgeschlossen. Zum anderen hat der deutsche Gesetzgeber Schiedsverfahren vom VSBG ausgenommen. Damit können Schiedsgerichte keine anerkannten Stellen i. S. d. VSBG sein und könnten selbst dann nicht an der Privilegierung des §  19 VSBG teilhaben, wenn die ADR-RL dies zuließe.154 Soweit das EU-Recht selbst nicht abdingbar ist, verlangt das Äquivalenzprinzip in Verbindung mit dem positiven Aspekt des Effektivitätsprinzips, dass die zwingenden Regelungen des EU-Verbrauchervertragsrechts zum deutschen ordre public gehören, den das Schiedsgericht bei seiner Entscheidung stets beachten muss (§  2 B. III.).155 Die Parteien können den Schiedsrichter damit nicht von der Rechtsbindung an zwingende Normen des EU-Verbrauchervertragsrechts befreien, da diese Normen als Teil des ordre public stets angewendet werden müssen. Aus dem zwingenden Charakter des EU-Verbrauchervertragsrechts folgt zugleich, dass die Rechtsbindung des Schiedsrichters auch nicht durch unterlassene Rüge gem. §  1027 ZPO gelockert werden kann. Nach dieser Norm kann sich eine Partei nur auf einen Verfahrensverstoß durch das Schiedsgericht berufen, wenn sie den Fehler rechtzeitig rügt.156 Die Norm setzt voraus, dass die Regelungen, auf die sich eine nichtrügende Partei berufen muss, disponibel sind ZKM 2011, 44, 45; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, EL 30, 15.09.2018, §  1051, Rn.  12; ähnlich Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 25 f. 154  Z. B. Gössl, NJW 2016, 838, 840; G. Wagner, CMLR 51, 2014, 165, 176 f.; a. A. wohl Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 2016, 190 (ohne Begründung). 155  Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 281 f.; bewusst offen lassend Pfeiffer, NJW 2012, 1169, 1172 f. 156 BT-Drs. 13/5274, 32; C. Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1027, Rn.  10.

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§  5 Schiedsspruch

(S.  1).157 Dies ist die Rechtsbindung des Schiedsgerichts an die EU-Verbrauchervertragsrechtsnormen nicht.158 Eine Präklusion ist somit nicht möglich.

C. Schiedsvergleich und Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut Im Schiedsverfahren ist nach Konstitution des Schiedsgerichts159 ein Vergleichsschluss i. S. d. §  779 BGB möglich, der das Verfahren beendet (§  1053 Abs.  1 S.  1 ZPO). Dieser wird auf Antrag als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom Schiedsgericht erlassen und wie jeder Schiedsspruch behandelt (§  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO).160 Er wird daher nach der gerichtlichen oder notariellen Vollstreckbarerklärung wie ein Schiedsspruch rechtskräftig. Da der Schiedsvergleich nur wirksam ist, wenn ein Vertrag i. S. d. §  779 BGB vorliegt, handelt es sich bei der Vereinbarung im B2C-Verhältnis stets um einen Verbrauchervertrag, in dem die materiellrechtlichen Vorschriften größtenteils anwendbar sind (I.).

I. Schiedsvergleich als Verbrauchervertrag Trotz der namentlichen Parallele zum Prozessvergleich ist der Schiedsvergleich anders konstruiert und hat keine Doppelnatur, sondern besteht aus einem materiellrechtlichen Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB und einem Verfahrensantrag (1.). Es muss ein Schiedsspruch erlassen werden können, d. h. das Schiedsgericht muss bereits wirksam konstituiert sein und der Anspruch schiedsfähig sein wie jeder Anspruch, über den ein Schiedsgericht entscheidet (2.). Aus der mangelnden Doppelnatur folgt, dass ein Schiedsvergleich genau wie ein Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB einen normalen Verbrauchervertrag ohne verfahrensrechtliche Modifikationen darstellt (3.). 1. Vergleichsvertrag ohne Doppelnatur Die Rechtsnatur des Schiedsvergleichs ist umstritten: Die wohl überwiegende und zustimmungswürdige Ansicht geht davon aus, dass der Schiedsvergleich nur einen außerhalb des Verfahrens vereinbarten, materiellrechtlichen Vertrag nach §  779 BGB darstellt.161 Die Gegenmeinung geht wie beim Prozessvergleich

157 

Ausdrücklich auch BT-Drs. 13/5274, 32. Z. B. C. Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1027, Rn.  7; a. A. wohl Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91. 159  Z. B. Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  13 f., 18. 160  §  1053 ZPO; z. B. Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  38 f. 161  Z. B. Bilda, DB 2004, 171, 171; Prütting, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 10.  Aufl., 2018, §  1053, Rn.  6; Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 935. 158 

C. Schiedsvergleich und Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut

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von einer Doppelnatur aus, die prozessuale und materiellrechtliche Elemente untrennbar verbindet.162 Der Streit stammt aus der Zeit vor der Reform des Schiedsrechts 1998.163 Gedanke der Neuregelung war, dass die bisherige Konstruktion auf internationaler Ebene zu Vollstreckungsproblemen führte. Der Schiedsvergleich wurde damals parallel zu einem Prozessvergleich behandelt. Er stellte daher keinen Schiedsspruch dar, der nach der New York Convention in den übrigen Mitgliedstaaten hätte anerkannt und vollstreckt werden können. Um diese Probleme zu beseitigen, wurde der Schiedsvergleich in §  1053 ZPO neu geregelt. Er führt zu einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, der wie ein regulärer Schiedsspruch wirkt und entsprechend anerkannt und vollstreckt werden kann.164 Aufgrund dieser Ausgestaltung beschränkt sich die Tätigkeit des Schiedsgerichts gerade nicht wie die Tätigkeit des Richters beim Prozess­ vergleich auf die Protokollierung oder den Beschluss des Vergleichs, sondern das Schiedsgericht wird als Schiedsgericht tätig. Die Parteien können das Schiedsgericht zwar inhaltlich binden, sie können aber durch ihre Einigung den Schiedsspruch nicht ersetzen oder schaffen. Aus diesem Grund stellt ein Schiedsvergleich keinen Prozessvertrag wie der Prozessvergleich dar, in dem prozessuale und materiellrechtliche Wirkung untrennbar miteinander verknüpft sind: Die Parteien können sich unabhängig vom Mitwirken des Schiedsgerichts einigen und nur, wenn sie diese Einigung dem Schiedsgericht mitteilen, ist dieses zur Verfahrensbeendigung verpflichtet (§§  1053 Abs.  1 S.  1, 1056 Abs.  2 Nr.  2 ZPO).165 Somit ist die Einigung der Parteien nur eine außerhalb des Verfahrens getroffene Vereinbarung i. S. d. §  779 BGB, die Vorwirkungen für das Schiedsverfahren entfaltet.166 Folge der nur materiellrechtlichen Natur der Vereinbarung ist, dass sich ihr Zustandekommen nach den Vorschriften des BGB richtet, nicht denen des Prozessrechts.167 Die Vorgaben des §  779 BGB müssen also erfüllt sein.168 Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erwächst wie 162 

K. H. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7.  Aufl., 2005, Kap.  23 Rn.  6. Z. B. Baur, Der schiedsrichterliche Vergleich, 1971, Rn.  13 f., 27 f.; vgl. Bilda, DB 2004, 171, 171. 164  Z. B. Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 276. 165  Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 64–66; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  42. 166  Z. B. Bilda, DB 2004, 171, 171; Bredow, SchiedsVZ 2010, 295, 298; P. Gottwald, in: ­Breidenbach (Hg.), FS Schlosser, 2001, 31, 37 f.; Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 39 f.; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  8 –19, 21, 41; Prütting, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 10.  Aufl., 2018, §  1053, Rn.  6; Schröter, SchiedsVZ 2006, 298, 303; Saenger, MDR 1999, 662, 663; Thümmel, in: Schütze (Hg.), FS Geimer, 2017, 745, 752; a. A. (nur materiellrechtliche Wirkung) wohl Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 934. 167  Z. B. Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006, 256 f.; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  12. 168  Grziwotz, MDR 2001, 305, 306; Prütting, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 10.  Aufl., 2018, §  1053, Rn.  6; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  1, 4, 8; Waßmuth, Richtigkeitskontrolle und Rechtskraft des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wort163 

386

§  5 Schiedsspruch

ein gewöhnlicher Schiedsspruch in Rechtskraft und ist vollstreckbar, wenn er von einem staatlichen Gericht oder einem Notar gem. §§  1053 Abs.  4, 1060 ZPO für vollstreckbar erklärt wurde.169 Der materiellrechtliche Vertrag kann die Rechtskraft nicht rückwirkend beseitigen. Dies ist gerade Folge daraus, dass Vergleichsvertrag und Schiedsspruch nicht untrennbar i. S. einer Doppelnatur miteinander verknüpft sind, sondern zwei nur über die schiedsrichterliche Verpflichtung miteinander verbundene Akte darstellen.170 2. Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut und Schiedsfähigkeit Damit ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut i. S. d. §  1053 Abs.  1 ZPO erlassen werden kann, muss das Schiedsgericht prozessual in der Lage sein, einen Schiedsspruch zu erlassen. Es muss ein Schiedsverfahren anhängig sein, das Schiedsgericht muss sich konstituiert haben und es muss eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegen, die den Streit zwischen den Parteien abdeckt.171 Damit das Schiedsgericht den Schiedsspruch erlassen kann, muss der Gegenstand dieses Schiedsspruchs schiedsfähig i. S. d. §  1030 ZPO und von der Parteivereinbarung gedeckt sein.172 Hierbei ist auf die oben erarbeiteten allgemeinen Voraussetzungen für die Schiedsfähigkeit zu verweisen: Es muss sich um eine Streitigkeit handeln, die nicht den staatlichen Gerichten vorbehalten ist.173 Dies ist im EU-Verbrauchervertragsrecht unproblematisch (s. o. A. I. 1.). 3. Besonderheiten bei der Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts Auf §  779 BGB sind die §§  305 ff. BGB stets anwendbar (s. o., §  2 A. VI.), es ergeben sich keine Unterschiede zum materiellen Recht. Auch die Informationspflichten und Widerrufsrechte entstehen genauso wie bei einem normalen Vertragsschluss.174 Im Gegensatz zu oben, bei der Schiedsvereinbarung (A. III. 2.), laut, 2013, 59 f., 64–69; für §  779 BGB analog: Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 935 f.; a. A. Bredow, SchiedsVZ 2010, 295, 297; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  2, aber weiter Rn.  3; Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 277. 169  Kritisch dazu: Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 306. 170  Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, 167; Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 64; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  39, 41; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  12. 171  Bilda, DB 2004, 171, 171; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  28 f.; Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 278. 172  BT-Drs. 13/5274, 55; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  3; Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 278; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  18.1; auch bereits Baur, Der schiedsrichterliche Vergleich, 1971, Rn.  28–33, 36; a. A.: Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 941 f. 173  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 62 f.; kritisch zum alten Recht Baur, Der schiedsrichterliche Vergleich, 1971, Rn.  40. 174  Ähnlich zu Willensmängeln Orfanides, ZZP 100, 1987, 63, 71–74; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, 191.

C. Schiedsvergleich und Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut

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stellt sich die Frage der Entgeltlichkeit nicht, denn der Inhalt der Vereinbarung, d. h. des Vergleichsvertrags, ist entweder die Änderung des streitigen B2C-Vertrags oder sein Neuabschluss, d. h. es liegt stets eine entgeltliche Gegenleistung des Unternehmers vor. Eine Besonderheit ergibt sich allerdings: Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut ersetzt nach §  1053 Abs.  3 ZPO die notarielle Form. Dies führt aber nicht zur Privilegierung des §  312 Abs.  2 Nr.  1 lit.  b BGB. Nach h. M. muss der Schiedsspruch nicht für vollstreckbar erklärt werden, um die Wirkung des §  1053 Abs.  3 ZPO zu haben, da der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut ein vollwertiger Schiedsspruch nach §  1055 ZPO ist.175 Etwas anderes gilt nur bei offenkundigem Missbrauch, also wenn der Schiedsvergleich genutzt wird, um geltendes Recht zu umgehen und einen Vertrag kostengünstig beurkundet zu erhalten.176 Das EU-Recht sieht keine Sonderregelung für Schiedsvergleiche vor. Damit existiert auch keine Sonderregelung, dass dieselben die notarielle Form oder geringere Formen wie die Textform ersetzen können. Die Mitgliedstaaten haben hier keine Befugnis, weitere Formerleichterungen vorzusehen; die VerbrR-RL ist vollharmonisierend. Die gesetzlich vorgesehene Ausnahme, die bei einer notariellen Belehrung Informationspflichten und Widerrufsrechte reduziert (§  312 Abs.  2 Nr.  1 lit.  b BGB), erfasst daher nur die notarielle Belehrung im EU-Rechtssinn. Somit kommt dem Schiedsvergleich und dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut nicht die gleiche unionsrechtliche Wirkung zu, da sie vom EU-Recht nicht diese Wirkung zugemessen erhalten. §  1053 Abs.  3 ZPO greift nicht.177 Deshalb wird der Unternehmer im Schiedsvergleich nicht von seinen Informationspflichten befreit, wenn der Schiedsvergleich per Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen i. S. d. §§  312b f. BGB geschlossen wird.

II. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Schiedsvergleich Der Schiedsvergleich stellt eine materiellrechtliche Parteivereinbarung dar, aufgrund derer das Schiedsverfahren vom Schiedsgericht für beendet erklärt werden muss (§  1053 Abs.  1 S.  1 ZPO). Auf Antrag beider Parteien muss das Schiedsgericht gem. §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO auf Grundlage des Vergleichs einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen. Dieser Antrag ist eine nicht

175  Schröter, SchiedsVZ 2006, 298, 303 f.; Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 938 f. 176  H.-F. Müller, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  7 79, Rn.  41; ­Schröter, SchiedsVZ 2006, 298, 302. 177  Allgemein für eine restriktive Auslegung der Norm: Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  7.

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§  5 Schiedsspruch

widerrufbare Verfahrenserklärung, die sich daher nach den prozessualen Vorschriften richtet.178 Empfänger der Erklärung ist nur das Schiedsgericht.179 Über welchen Inhalt die Parteien sich vergleichen können, richtet sich nur nach den Vorgaben des §  779 BGB. Eine Normauslegung muss ergeben, dass die abbedungenen Regelungen einer Vereinbarung im Wege des Vergleichsvertrags nicht entgegenstehen (ausführlich oben §  2 A. I., VI.).180 Der mögliche Vergleichsinhalt ist rein materiellrechtlich zu betrachten. Die Verfahrensautonomie, die beim Prozessvergleich weitere Dispositionen erlaubt (§  4 B.), greift nicht beim Schiedsvergleich, der bezogen auf den Vergleichsinhalt gerade nicht an einen verfahrensrechtlichen, sondern nur an den materiellrechtlichen Tatbestand anknüpft.181 Im materiellen Recht erlaubt das EU-Recht keine Abweichungen, weder nachträglich noch in den Fällen der sogenannten „Tatsachenvergleiche“ (§  2 A. VI.). Einzige Ausnahme bilden Vereinbarungen, die in einem Verfahren nach dem VSBG gem. §  19 VSBG getroffen wurden. Ein Schieds­ gericht oder eine Schiedsorganisation können bei der Durchführung eines Schiedsverfahrens keine Verbraucherschlichtungsstelle gem. §  2 VSBG sein: Das von letzterer durchgeführte Verfahren darf nicht darauf ausgerichtet sein, eine verbindliche Entscheidung zu treffen. Da das Schiedsgericht aber grundsätzlich eine für die Parteien verbindliche Entscheidung fällt und der Schiedsvergleich eine Ausnahme hierzu darstellt, kann ein Schiedsverfahren kein Verfahren i. S. d. VSBG sein.

III. Zwischenergebnis Die Parteivereinbarung, die zum Schiedsvergleich führt, ist ein materiellrechtlicher Vertrag i. S. d. §  779 BGB und daher im B2C-Verhältnis ein Verbrauchervertrag. Die Informationspflichten und Widerrufsrechte entstehen genauso wie bei jedem materiellrechtlichen Vertrag, wenn die entsprechenden Tatbestände (§§  312a ff. BGB) vorliegen.182 Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut ersetzt im EU-Verbrauchervertragsrecht entgegen §  1053 Abs.  3 ZPO nicht die notarielle Form. Er genießt damit nicht die unionsrechtlich zulässigen Privilegierungen derselben, etwa gem. §  312 Abs.  2 Nr.  1 lit.  b BGB. Der Unternehmer wird deshalb beim Schiedsvergleich nicht von seinen Informationspflichten be178  Z. B. Prütting, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 10.  Aufl., 2018, §  1053, Rn.  8; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  3; Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 277. 179  Prütting, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 10.  Aufl., 2018, §  1053, Rn.  8 . 180  Baur, Der schiedsrichterliche Vergleich, 1971, Rn.  40; großzügiger wohl Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 839. 181  Ähnlich zur (unzulässigen) Disposition über §  50 AktG: P. Schmitz, RNotZ 2003, 591, 595. 182  Ähnlich zu Willensmängeln Orfanides, ZZP 100, 1987, 63, 71–74; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, 191.

D. Kontrolle des Schiedsspruchs

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freit, wenn der Schiedsvergleich per Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen i. S. d. §§  312b f. BGB geschlossen wird. Die Parteien können sich beim Schiedsvergleich nur im Rahmen des materiellen Rechts einigen und daher nicht über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht disponieren. Ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut darf nur erlassen werden, wenn der Gegenstand des Vergleichs schiedsfähig ist, die Voraussetzungen des §  1059 Abs.  2 ZPO und die des §  779 BGB für einen wirksamen Vergleichsvertrag vorliegen. Ist der Schiedsspruch einmal in der Welt, kann er nur über §§  1059 f. ZPO angegriffen werden.

D. Kontrolle des Schiedsspruchs Der Schiedsspruch wird vom Schiedsgericht und vom staatlichen Gericht überprüft. Aus dem Schiedsrichtervertrag ergibt sich die schiedsrichterliche Pflicht, einen Schiedsspruch zu erlassen, der nicht aufgehoben werden kann. Hieraus folgen Pflichten ähnlich denen eines staatlichen Richters. Eine Aufhebbarkeit wegen Unionsrechtswidrigkeit vermeidet der Schiedsrichter, indem er ähnlich wie der Richter in der Hauptverhandlung bestimmten Hinweispflichten analog §  139 ZPO nachkommt (I.). Die richterliche Kontrolle der Wirksamkeit der Schiedsabrede vor Erlass des Schiedsspruchs ist unionsrechtlich unproblematisch (II. 1.). Im Aufhebungsund Vollstreckbarerklärungsverfahren wegen EU-Verbrauchervertragsrechtswidrigkeit der Schiedsvereinbarung gem. §§  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a, 1060 Abs.  2 ZPO müssen die geltenden Regelungen unionsrechtskonform angepasst und gehandhabt werden, da das Erfordernis des „begründeten“ Antrags und die Dreimonatsfrist gem. §  1059 Abs.  3 ZPO, die nicht als Notfrist ausgestaltet ist, die effektive Wirkung des Unionsrechts sonst unverhältnismäßig beschränken (II. 2., 3.). Beim sonstigen Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen EU-Verbrauchervertragsrecht ist keine weitere Anpassung notwendig. Es greift stets der ordre public-Vorbehalt (III.).

I. Schiedsrichterliche Kontrolle Der Schiedsrichter handelt nicht „rechtsprechend“ i. S. d. GG: Er übt keine staatliche Hoheitsgewalt aus, eine Voraussetzung des verfassungsrechtlichen Rechtsprechungsbegriffs (vgl. §  4 C. I.).183 Damit macht das GG keine unmittel183  Z. B. Detterbeck, in: Sachs (Hg.), GG, 7.  Aufl., 2014, Art.  92, Rn.  29; Geimer, in: Fisch/ Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 118 f., 121 f.; Schmidt-­ Aßmann, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, EL 77, Juli 2016, Art.  103 Abs.  1, Rn.  49 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 118; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, 1968, 106; K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß,

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baren Vorgaben, wie der Schiedsrichter im Verfahren aufzutreten hat. Seine Entscheidungsmacht ergibt sich aus der Parteivereinbarung, ihm das Verfahren zur Entscheidung zu überantworten, und dem zwischen ihm und den Parteien abgeschlossenen Schiedsrichtervertrag.184 Aus letzterem folgt die Pflicht, einen Schiedsspruch zu erlassen, der von der Schiedsabrede gedeckt und vollstreckbar, insbesondere nicht aufhebbar ist.185 Diese Vertragspflichten prägen die Prüfungs- und Aufklärungspflichten im Schiedsverfahren. Denn damit verpflichtet sich der Schiedsrichter zugleich, die rechtsstaatlichen Garantien einzuhalten, deren Verletzung den Schiedsspruch aufhebbar machten, d. h. die Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsversagungsgründe gem. §§  1059 f. ZPO zu vermeiden. Mittelbar entfalten dadurch die Grundrechte Wirkung im Schiedsverfahren (dazu bereits §  1 D. I.). Zunächst stellt die Schiedsvereinbarung einen nicht unerheblichen Verzicht auf Aspekte des Justizgewährleistungsanspruchs dar.186 Der Verfahrensausgang ist für die Parteien sehr begrenzt kontrollierbar, da der Schiedsrichter wie ein Richter verbindlich über den Streit entscheidet. Die Entscheidung kann nur zeitlich und inhaltlich beschränkt aufgehoben werden187 und tritt funktional an die Stelle eines rechtskäftigen gerichtlichen Urteils.188 Rechtsbehelfe sind nur gegen die gerichtliche Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsentscheidung möglich. Der Verzicht der Parteien auf die Justiz­ gewährleistung ist somit nahezu umfassend, wodurch auf der anderen Seite die Anforderungen an die Verfahrensgarantien im Schiedsverfahren und an die Freiwilligkeit des Verzichts steigen.189 1984, 14 f.; Spohnheimer, Gestaltungsfreiheit bei antezipiertem Legalanerkenntnis, 2010, 7; Stern, Staatsrecht II, 1980, §  43 III 3, 921. 184  Z. B. Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 37–40. 185  Z. B. Mann, in: Jakobs u. a. (Hg.), FS Flume, 1978, 593, 605; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, vor §  1025, Rn.  31. 186  Hess, JZ 2015, 548, 549; Herb, Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007, 219–221; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 479; Podimata, in: University of Athens (Hg.), FS Kerameus, 2009, 1079, 1084 f.; R. Stürner, in: Lorenz u. a. (Hg.), FS Heldrich, 2005, 1061, 1063; vgl. auch Artt.  18 f. RL 2014/24/EU vom 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (Vergabe-RL); dazu auch Weitbrecht, NJW 2017, 1574, 1576. 187  Smid, Rechtsprechung, 1990, 364; Stern, Staatsrecht II, 1980, §  43 III 3, 921. 188  Caponi, in: Adolphsen u. a. (Hg.), FS Gottwald, 2014, 65, 133; U. Haas, International Sports Law Review 2012, 43, 53; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 174; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, 1968, 115; Prütting, in: Henssler u. a. (Hg.), FS Busse, 2005, 263, 267 f.; Stern, Staatsrecht II, 1980, §  43 III 3; Stober, NJW 1979, 2001, 2001 f.; Tochter­ mann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 35; Unberath, NJW 2011, 1320, 1320. Daher auch als „Rechtsprechung im materiellen Sinne“ bezeichnet: BGH, NJW 1969, 750, 750 f.; NJW 1976, 109, 110; Achterberg, in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 125, 139; zur genauen Diskussion der Rechtskraft von Schiedssprüchen vgl. etwa Loritz, ZZP 105, 1992, 1, 3. 189  Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113,

D. Kontrolle des Schiedsspruchs

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Aus dem Justizgewährleistungsanspruch und der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Möglichkeiten, auf selbigen parteiautonom zu verzichten, folgt zugleich eine Pflicht des Schiedsgerichts, die Wirksamkeit der Schiedsabrede zu prüfen: Das staatliche Gericht, das §§  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a, 1060 ZPO prüft, muss seinerseits sicherstellen, dass die Disposition des Verbrauchers autonom i. S. d. einfachen Rechts stattgefunden hat, damit ein wirksamer Verzicht i. S. d. allgemeinen Handlungsfreiheit vorliegt. Daher muss es sicherstellen, dass der Verbraucher sich der Folgen seines Verhaltens im Schiedsverfahren bewusst war. Dieses Bewusstsein kann im Schiedsverfahren aber nur durch die Gegenpartei oder den Schiedsrichter selbst geschaffen werden. Der Schiedsrichter muss daher die Prüfung des staatlichen Gerichts antizipieren und seinerseits bei der Prüfung der Schiedsabrede i. R. d. §  1040 Abs.  1 S.  1 ZPO dafür sorgen, dass das Partei­ bewusstsein vorhanden ist, die Unwirksamkeit der Schiedsabrede ­gegebenenfalls zu rügen. Hieraus und aus der richterähnlichen Stellung des Schiedsrichters im Verfahren ergibt sich, dass er Hinweispflichten hat wie ein Richter im Fall von asymmetrischer Machtverteilung zwischen den Parteien (dazu ausführlich §  3 A. III.–V.).190 Im Schiedsverfahren ergibt sich daher aus der Pflicht, eine nicht aufhebbare Entscheidung zu fällen, eine Hinweispflicht analog §  139 ZPO, die darauf ausgerichtet ist, die autonome Entscheidung des Verbrauchers nach ­Maßgaben des Unionsrechts zu gewährleisten (s. bereits oben A. II. 5. e und f), IV. 2.).191 Um die Vertragspflicht zu erfüllen, einen nicht-aufhebbaren Schiedsspruch zu erlassen, muss das Schiedsgericht auch g­ ewährleisten, dass die Verfahrensgarantien in ähnlichem Umfang gelten wie in einem Gerichtsverfahren, insbesondere fairer Verfahrensablauf, ordnungs­gemäße und nachvollziehbare Entscheidungsfindung, Waffengleichheit und recht­liches Gehör.192 Aus der Vereinbarung zwischen Parteien und Schiedsrichter folgt schließlich auch stillschweigend, dass letzterer sich an das Recht zu halten hat, es sei denn, er wird ausdrücklich und zulässigerweise hiervon befreit. Eine Befreiung von der Rechtsbindung ist bezogen auf zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht nicht möglich, sodass dasselbe stets umfänglich und korrekt anzuwenden ist (oben B. II. 2.).193 Auch gehören die zwingenden EU-Verbraucherrechtsregelun117; ähnlich Unberath, ZKM 2011, 44, 45; kritisch auch Detterbeck, in: Sachs (Hg.), GG, 7.  Aufl., 2014, Art.  92, Rn.  29; vgl. dazu im Ergebnis ähnlich BGH, NJW 1992, 2299, 2299. 190 Ähnlich Benda/A. Weber, ZZP 96, 1983, 285, 294. 191  Vgl. auch Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 154 f. 192  BGH, NJW 1992, 2299, 2299; Achterberg, in: Erichsen u. a. (Hg.), FS Menger, 1985, 125, 139 f.; Benda/A. Weber, in: Gilles (Hg.), VII. Internationaler Kongreß für Prozeßrecht, 1983, 1, 10; dies., ZZP 96, 1983, 285, 294; Geimer, in: Fisch/Schlosser (Hg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 123–125, 182 f.; Habscheid, NJW 1962, 5, 7; Hillgruber, in: Herzog u. a. (Hg.), Maunz/Dürig, GG, März 2019, Art.  92, Rn.  88; Jaksic, J Int Arb 24, 2007, 159, 166; ähnlich Laschet, in: Habscheid/Schwab (Hg.), FS Nagel, 1987, 167, 182; zu Vereinsgerichten Stern, Staatsrecht II, 1980, §  43 III 3, 923. 193  Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 98; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrens-

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§  5 Schiedsspruch

gen, jedenfalls soweit sie nicht die Schiedsvereinbarung selbst betreffen, zum ordre public i. S. d. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO. Diese Einordnung ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH, die eine solche Qualifikation des EU-­ Verbraucherrechts als Teil des nationalen ordre public verlangt (dazu ausführlich §  2 B. II. 3., §  3 B. II.). Wendet das Schiedsgericht das EU-Verbraucherrecht nicht oder falsch an, führt dies zur Aufhebung des Schiedsspruchs nach §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO (dazu sogleich, II.) und damit wieder zu einer Vertragspflichtverletzung des Schiedsrichters aus dem Schiedsrichtervertrag mit den Parteien.194 Aus dem Schiedsrichtervertrag ergibt sich daher die Pflicht, das EU-Verbrauchervertragsrecht korrekt und umfassend anzuwenden.

II. Richterliche Kontrolle der EU-Rechtmäßigkeit der Schiedsvereinbarung Ob eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegt, kann vom Gericht geprüft werden, bevor (1.) und nachdem der Schiedsspruch (2.) erlassen wurde.195 Eine solche gerichtliche Prüfung muss verfassungsrechtlich möglich sein: Ein Verzicht auf den Justizgewährleistungsanspruch darf nicht dazu führen, dass ein Gericht nicht prüfen darf, ob eine freiwillige Vereinbarung vorliegt. Auch eine auf dasselbe Ergebnis abzielende Verpflichtung, etwa einen Antrag auf Unzulässigerklärung der Schiedsvereinbarung oder eine entsprechende Verfahrensrüge nicht zu erheben, ist unverhältnismäßig und damit unwirksam (zum gesamten Absatz bereits §  1 C. III.).196 Denn der aus dem Schiedsverfahren resultierende Titel, der Schiedsspruch, erwächst endgültig in Rechtskraft, wenn er von einem staatlichen Gericht auf Parteiantrag für vollstreckbar erklärt wurde. Er hat bereits vorher gem. §  1055 ZPO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Diese Wirkung kann aber bei erfolgreichem Aufhebungsverfahren gem. §§  1059 f. ZPO rückwirkend entfallen.197 Aus der staatlichen Gewährleistungspflicht folgt die Pflicht des Richters als die staatliche Stelle, die hierzu in der Lage ist, zu verhindern, dass ein Schiedsspruch in der Welt bleibt, der einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Justizgewährleistungsanspruch darstellt (§  1 D.). Ebenso folgt aus dem EU-Recht die staatliche Pflicht, zu verhindern, dass die effektive Wirkung des EU-Rechts unverhältnismäßig beschränkt wird (§  2 B. II. 1.). vereinbarungen, 2013, 151; vgl. allgemein zur Rechtsbindung bereits Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 9–22; Oertmann, ZZP 47, 1918, 105, 127 f., 144 f.; sowie Mann, in: ­Jakobs u. a. (Hg.), FS Flume, 1978, 593, 605; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, vor §  1025, Rn.  31. 194  Mann, in: Jakobs u. a. (Hg.), FS Flume, 1978, 593, 605; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, vor §  1025, Rn.  31. 195 Ausführlich U. Haas, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 188, 188 f. 196  Offen lassend Münch, LMK 2014, 361719. 197  Bettermann, AöR 92, 1967, 496, 540 f.

D. Kontrolle des Schiedsspruchs

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1. Prüfung vor Erlass des Schiedsspruchs Bevor der Schiedsspruch endgültig rechtskräftig und vollstreckbar wird, gibt es drei Möglichkeiten, dass sich ein Gericht mit der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung befasst. Ein staatliches Gericht kann angerufen werden, solange noch kein Schiedsspruch erlassen wurde. Geht es um einen Streitgegenstand, der von der Schiedsklausel gedeckt ist, muss das Gericht auf Parteieinrede die Wirksamkeit der Schiedsklausel untersuchen und sich gegebenenfalls für un­ zuständig erklären (§  1032 Abs.  1 ZPO).198 Ebenso kann ein Gericht bis zur Bildung des Schiedsgerichts ersucht werden, die Unzulässigkeit des Verfahrens festzustellen (§  1032 Abs.  2 ZPO). Schließlich kann ein Gericht gem. §  1040 Abs.  3 S.  2 ZPO angerufen werden, um einen Zwischenentscheid des Schiedsgerichts zu überprüfen, in dem dieses sich für zuständig erklärt hat. Diese Verfahren können parallel zum Schiedsverfahren geführt werden (§§  1032 Abs.  3, 1040 Abs.  3 S.  3 ZPO).199 Die Frage, ob eine Vereinbarung wirksam zustande gekommen und damit das Schiedsgericht zuständig ist, kann ein staatliches Gericht gem. §  1032 ZPO stets prüfen. Es handelt sich um zwingendes Verfahrensrecht. Die Parteien können die Entscheidung nicht letztverbindlich dem Schiedsgericht übertragen (keine Disposition über die Kompetenz-Kompetenz).200 Damit findet stets eine Prüfung statt, ob die Schiedsabrede EU-verbraucherrechtswidrig ist, sodass kein Konflikt mit dem EU-Recht besteht. Erhebt keine der Parteien im staatlichen Verfahren bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung die Einrede, dass eine Schiedsvereinbarung vorliegt, so wird die Gerichtszuständigkeit durch rügelose Einlassung begründet.201 Die Parteien können also durch übereinstimmendes Nichtstun eine unwirksame Schiedsklausel wirkungslos sein lassen. Es gibt keine gerichtliche Pflicht, ohne Rüge die eigene Zuständigkeit nach §  1032 ZPO anzuzweifeln.202 Auch dies ist aus Sicht des EU-Rechts unproblematisch. Zum einen erfordert die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers keine andere Beurteilung, denn die ihn möglicherweise benachteiligende Regelung wird faktisch zu seinen Gunsten abbedungen. Zum anderen besteht kein Grund, die Norm vor Gericht zu bringen, da sie ihre marktstörende Wirkung nicht entfaltet.

198 

Z. B. BGH, SchiedsVZ 2011, 227, 227 f. U. Haas, in: Bittner u. a. (Hg.), FS Rechberger, 2005, 188, 191 f. 200  Z. B. BGH, NJW 2014, 3655, 3658; Gaul, in: Berger u. a. (Hg.), FS Sandrock, 2000, 287; Münch, LMK 2014, 361719. 201  C. Duve/Sattler, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 81, 97; Münch, in: Schütze (Hg.), FS Geimer, 2017, 461, 473. 202  Etwa BGH, NJW 2014, 3655, 3657; anders wohl Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91 f.; de lege ferenda: Gaul, in: Berger u. a. (Hg.), FS Sandrock, 2000, 288 f.; Wolff, in: Effer-Uhe u. a. (Hg.), Einheit der Prozessrechtswissenschaft, 2016, 419 ff. 199 

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§  5 Schiedsspruch

2. Aufhebungsverfahren gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO War die Schiedsvereinbarung unwirksam, etwa gem. §  307 Abs.  1 BGB (s. o., A. II.), kann dies nach Erlass des Schiedsspruchs nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO gerichtlich geprüft werden. Eine unwirksame Schiedsvereinbarung führt zur Aufhebung des Schiedsspruchs.203 Die deutsche Verfahrensausgestaltung, um die Unwirksamkeit geltend zu machen, ist aus Sicht des EU-Rechts problematisch. Zum einen darf der Verbraucher nur dann wegen verspäteten Vorbringens präkludiert sein, wenn im Verfahren sichergestellt wurde, dass der Verzicht, die Unwirksamkeit der Klausel zu rügen, bewusst geschah (dazu a). Zum anderen können die formalen Voraussetzungen des Aufhebungsverfahrens gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  1, Abs.  3 ZPO die effektive Wirkung der unionsrechtlichen Regelungen beschränken: Der Verbraucher muss die Aufhebung des Schiedsspruchs innerhalb von drei Monaten ab Empfang des Schiedsspruchs beantragen und den Antrag begründen. Diese beiden Anforderungen stellen verfahrensrechtliche Hürden dar, die den Verbraucher von der effektiven Durchsetzung seiner Rechte abhalten. Die entsprechenden Regelungen müssen unionsrechtskonform ausgelegt und gegebenenfalls unangewendet gelassen werden, wenn es um eine Schiedsvereinbarung geht, die gegen EU-Recht verstößt (b und c). Werden die Normen entsprechend angewendet, ist in einer Gesamtwürdigung das Aufhebungsver­fahren unionsrechtskonform (d). Ein systemwidriger Rückgriff auf die ordre public-Klausel des §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO ist nicht notwendig, um die Vorgaben des Unionsrechts umzusetzen (e). a) Präklusion durch rügelose Einlassung Die Möglichkeit der Zuständigkeitsbegründung durch rügelose Einlassung ist nicht per se unionsrechtswidrig. Ist der Verbraucher aufgrund rügeloser Einlassung mit dem Vorbringen präkludiert, die Schiedsvereinbarung sei unwirksam, beschränkt dies aber die effektive Wirkung des Unionsrechts. Die verfahrensrechtliche Pflicht des Verbrauchers, von sich aus im Schiedsverfahren und später vor Gericht aktiv zu werden, um die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung zu rügen, wird von einigen Stimmen in der Literatur zu Recht als mit der Rechtsprechung des EuGH zum Effektivitätsprinzip in Konflikt stehend angesehen. Die Passivität des Verbrauchers kann verhindern, dass die Regelungen zum EU-Verbrauchervertragsrecht, insbesondere §§  305 ff., 312g BGB, von einem Gericht geprüft werden können.204 Aus der in §  2 B. angeführten EuGH-Rechtsprechung wird 203 

Allgemein BGH, NJW 1992, 575, 576. wohl Graf von Westphalen, in: Graf von Westphalen/Thüsing (Hg.), Vertragsrecht und AGB, 2020, EL 44, Schiedsgerichtsklauseln, Rn.  15; Piers, ARIA 22, 2011, 625, 629; ähn204  So

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teilweise eine gerichtliche Pflicht hergeleitet, unabhängig von einer rügelosen Einlassung die EU-rechtliche Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zu kontrollieren.205 Allerdings geht es dem EuGH bei der verfahrensrechtlichen Durchsetzung zwingenden Verbraucherrechts nicht um dessen Durchsetzung um jeden Preis und gegen den Willen des Verbrauchers. Entscheidet der Verbraucher selbstverantwortlich, seine Rechte nicht geltend zu machen, ist dies aus EU-Sicht zu akzeptieren.206 Er kann sich nur nicht dazu verpflichten (dazu §  1 A.). Die Parteidisposition rechtfertigt die Beschränkung der effektiven Wirkung des EURechts aber nur, wenn das Entscheidungsdefizit, das im B2C-Verhältnis vom EU-Recht unterstellt wird, nicht für diese Entscheidung kausal war und sie damit nicht selbstbestimmt i. S. d. EU-Rechts gefällt wurde. Dieses Defizit darf auch nicht dazu führen, dass ein staatliches Gericht zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens in der Lage ist, das EU-Recht zu prüfen und dem EuGH vorzulegen (ausführlich §  2 B. II. 1.). Beide Gefahren bestehen beim deutschen Schiedsrecht nicht, wenn der Schiedsrichter wie oben herausgearbeitet darauf achtet, dass der Verbraucher selbstbestimmt und autonom i. S. d. EU-Rechts auf das Rügerecht verzichtet. Denn dann verliert der Verbraucher sein Rügerecht nur, wenn er vom Schiedsrichter analog §  139 ZPO darauf hingewiesen wurde, dass er die Rüge erheben muss und er informiert entscheidet (oben A. II. 5. e, f, IV. 2., und hier I.).207 Ebenso muss das staatliche Gericht bei der Frage einer Präklusion prüfen, ob ein schiedsrichterlicher Hinweis ausreichte und der Verbraucher informiert war. Denn das Gericht ist sowohl verfassungs- als auch unionsrechtlich verpflichtet, festzustellen, ob der Verbraucher eine bewusste Entscheidung getroffen hat. Ob ein Hinweis notwendig war, verlangt denklogisch vorher eine Prüfung der Anwendbarkeit der EU-Normen, auf die potenziell hinzuweisen ist.208 Es besteht im Rahmen dieser Prüfung die Möglichkeit, bei Auslegungszweifeln den EuGH anzurufen, sodass dem Interesse an der einheitlichen Fortbildung des EU-Rechts genügt wird (dazu §  2 B. II. 1.). Die Möglichkeit, die Zuständigkeit des Schiedsgerichts durch rügelose Einlassung zu begründen und damit eine gerichtliche Prüfung nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO zu beschränken, ist in dem beschriebenen Rahmen mit dem EU-Recht vereinbar.

lich zu Gerichtsstandvereinbarungen Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91; vgl. auch G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 95. 205  So etwa Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 78, 81; Piers, ARIA 22, 2011, 625, 629, 646–648; zu Gerichtsstandvereinbarungen Micklitz, in: Deputation DJT (Hg.), Gutachten 69. DJT, 2012, A91. 206  Vgl. EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  62 f. 207 Ähnlich Piers, ARIA 22, 2011, 625, 646–648; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 95; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 41. 208  C. Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1027, Rn.  14.

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§  5 Schiedsspruch

b) Antrags- und Begründungserfordernis nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO Aus EU-Sicht stellt das Antrags- und Begründungserfordernis des §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO eine verfahrensrechtliche Beschränkung der effektiven Wirkung des EU-Verbraucherrechts dar, die eine Anpassung des deutschen Rechts verlangt. Das Antrags- und Begründungserfordernis ist als solches nicht unionsrechtswidrig: Es liegt in der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, den genauen Ablauf des Individualrechtsschutzes zu regeln. Formalia und Fristen zur Strukturierung des Prozesses zu verlangen, ist von der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten gedeckt und beschränkt die effektive Wirkung des EU-Rechts oder das Recht auf effektiven Rechtsschutz regelmäßig nicht unverhältnismäßig.209 Ausnahmsweise ist Unverhältnismäßigkeit anzunehmen, wenn die Anforderungen den Verbraucher effektiv davon abhalten, seine Rechte geltend zu machen (ausführlich §  2 B. II. 1.). Ob das mit dem Antrag verbundene Begründungserfordernis die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts unverhältnismäßig beschränkt, hängt davon ab, welche Voraussetzungen der Verbraucher erfüllen muss, um die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung geltend zu machen. Verlangt das deutsche Recht ein „mehr“ an Begründung, als einfach die Aufhebung zu beantragen, wird der Verbraucher als rechts- und prozessunerfahrene Partei unverhältnismäßig benachteiligt. Wann ein „begründeter“ Antrag i. S. d. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO vorliegt, ist umstritten.210 Die Gesetzesbegründung gibt hierzu nur wenig und indirekt Auskunft: In anderem Kontext, nämlich bei der Frage, ob eine mündliche Verhandlung notwendig ist, erwähnt sie, dass die Aufhebungsgründe „geltend gemacht“ werden müssen.211 Aus dem Wortlaut und dieser schwachen Konkretisierung lässt sich nur schließen, dass das Gesetz formal über die Spezifizierung des Streitgegenstands hinaus ein „mehr“ an Begründung verlangt.212 Unklar bleibt, wie viel an „mehr“ dies bedeutet. Vergleicht man die Norm mit anderen Regelungen der ZPO, findet sich ein Antragsbegründungserfordernis in §  551 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 ZPO bei der Revision und in §  520 Abs.  3 S.  2 ZPO bei der Berufung, sodass eine Parallele gezogen werden könnte.213 Hiernach umfasst die Begründung die bestimmte Bezeich209 Etwa EuGH, Clean Car Autoservice, C-472/99, ECLI:EU:C:2001:663 Rn.   27–29; Heinze, in: Basedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337–341, 341; Komninos, EC Private Antitrust Enforcement, 2008, 235. 210  Z. B. KG, SchiedsVZ 2009, 179, 180; Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 458; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.   Aufl., 2019, §   1059, Rn.   33; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  51; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1059, Rn.  23. 211  BT-Drs. 13/5274, 64 f. (nicht aber bei §  1059-Entwurf, etwa ebd. 59). 212  Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 458; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  51. 213 KG, SchiedsVZ 2009, 179, 180; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.   Aufl., 2019, §  1059, Rn.  23; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1059, Rn.  33.

D. Kontrolle des Schiedsspruchs

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nung der Umstände der Rechtsverletzung oder zumindest konkrete Anhaltspunkte oder Tatsachen, aus denen sich ein Verfahrensverstoß ergeben kann. Zugleich muss der Antragsteller sich in der Begründung mit den tragenden Gründen des Urteils, das er angreift, auseinandersetzen und hieran die Rechtsverletzung darlegen.214 Allerdings ist zweifelhaft, ob der Gesetzgeber sich an diesen Regelungen orientiert hat. Zum einen sind die Wertungen hinter den Normen andere, da sie unterschiedliche Situationen betreffen: Das Aufhebungsverfahren i. S. d. §  1059 ZPO ist keine weitere Rechtsmittelinstanz zum Schiedsverfahren, also nicht unmittelbar mit Revision und Berufung vergleichbar. Stattdessen handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, der nur eine eng begrenzte Kontrolle des rechtskräftigen Schiedsspruchs erlaubt.215 Zum anderen lässt sich der Gesetzgebungsgeschichte keine Parallele zu Berufung und Revision im deutschen Prozessrecht entnehmen. Im Gegenteil wollte der Gesetzgeber bei der Reform des Schiedsrechts in weitem Umfang eine Parallele zum UNCITRAL-Modellgesetz216 herstellen, um das deutsche Schiedswesen national und international attraktiver zu machen.217 Die Parallele besteht daher höchstens zu Art.  34 Abs.  2 lit.  a des Modellgesetzes, auf den §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO zurückgeht, nicht aber §§  551 Abs.  3 S.  1 Nr.  2, 520 Abs.  3 S.  2 ZPO. Die Regelung des Modellgesetzes verlangt, dass die antragstellende Partei Beweis für den Aufhebungsgrund erbringt, im Original „furnishes proof“. „Proof“ wiederum ist tatsachen-, nicht rechtsbezogen.218 Hieraus lässt sich schließen, dass das Modellgesetz zwar Tatsachenvortrag verlangt, nicht aber unbedingt Rechtsausführungen.219 Dafür, dass diese Anforderungen auch auf §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO zu übertragen sind, spricht, dass iuria novit curia ein allgemeiner Grundsatz des deutschen Zivilverfahrensrechts ist, der auch im Aufhebungsverfahren nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO gilt.220 Im Gegensatz zum Modellgesetz verlangt ein „begründeter“ Antrag allerdings weniger als ein volles Beweisangebot. Die Gesetzesbegründung geht auch nur darauf ein, dass die Aufhebungsgründe vom Modellgesetz übernommen wurden, nicht aber ihre 214 

Z. B. BGH, NJW 2000, 364, 364. Z. B. Gaul, in: Berger u. a. (Hg.), FS Sandrock, 2000, 289 f.; Münch, in: MünchKomm-­ ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  1 mit Fn.  1; Schlosser, ZZP 92, 1979, 125, 139–141; F. Schmidt, SchiedsVZ 2013, 32, 37; Pfeiffer, LMK 2018, 410818. 216  UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration (1985), adopted by the United Nations Commission on International Trade Law on 21 June 1985, UN-doc. A/40/17, annex I. 217  BT-Drs. 13/5274, 1; z. B. Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 457 f. 218  Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §   1059, Rn.  68; a. A. ­Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 459, 460. 219  Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §   1059, Rn.  68; a. A. wohl Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 459. 220  Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  51. 215 

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prozedurale Geltendmachung.221 Dies spricht dafür, dass Tatsachenausführungen notwendig sind, die zumindest Anhaltspunkte für die Aufhebungsgründe enthalten, aber nicht bereits eine vollständige, lückenlose Beweisführung (oder ein entsprechendes Beweisangebot) notwendig ist.222 Auch ist kein detailliertes Auseinandersetzen mit den Gründen des angegriffenen Schiedsspruchs erforderlich.223 Entgegen einer Meinung im Schrifttum 224 muss nicht vom Antragsteller spezifiziert werden, auf welchen Aufhebungsgrund sich welcher Tatsachenvortrag bezieht. Eine „falsche“ Zuordnung präkludierte dann den Aufhebungsgrund. Zum einen spiegelt eine solche Zuordnungspflicht sich nicht unmittelbar im Wortlaut wider. Bei der Zuordnung handelt es sich zudem um eine Rechtsfrage und damit um eine Aufgabe des Gerichts. Aus dem Antragserfordernis ergibt sich nur, dass der Antragsteller deutlich machen muss, dass ein Antrag nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO gestellt wird. Auf welchen Aufhebungsgrund nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO sich der Antrag letztendlich stützt, ist eine Frage der Begründetheit.225 Ein „begründeter Antrag“ muss damit nur konkrete Tatsachen andeuten, aus denen sich die Aufhebungsgründe nach Nr.  1 ergeben können.226 Für die Zulässigkeit des Antrags genügt dies. Der Antrag des Verbrauchers muss somit enthalten, dass er Aufhebung des Schiedsspruchs aufgrund unwirksamer Schiedsvereinbarung verlangt, etwa weil die Schiedsvereinbarung eine unzulässige AGB i. S. d. §§  305 ff. BGB darstellt. Ob tatsächlich AGB-Rechtswidrigkeit vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit, d. h. in der Antragsbegründung müssen gegebenenfalls weitere Tatsachen mit entsprechendem Beweisangebot vorgebracht werden. Diese formalen Anforderungen sind mit den Vorgaben des EU-Rechts nur kompatibel, wenn der Richter den Verbraucher bei der Geltendmachung des Antrags über diese Vorgaben informiert. Ansonsten hielte die Verfahrensausgestaltung den Verbraucher unverhältnismäßig davon ab, seine Rechte geltend zu machen: Denn auch bei der hier vertretenen großzügigen Lesart von §  1059 Abs.  2 lit.  1 ZPO verlangt die Norm vom Verbraucher, dass er seine Rechte und das Prozessrecht kennt. Er muss wissen, dass mehr verlangt wird, als ein Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs und ihm muss bewusst sein, dass die Schiedsvereinbarung unionsrechtswidrig ist, um entsprechend „begründet“ 221 

BT-Drs. 13/5274, 59. Ähnlich wohl BGH, NJW 1999, 2974, 2975 („ansatzweise“); OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 01974 („Richtung … erkennbar“); strikter Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 359. 223 Ähnlich Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  51. 224 So Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 460. 225 Ähnlich BayObLG, SchiedsVZ 2004, 319, 319; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1059, Rn.  23; a. A. Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 460. 226 Ähnlich BGH, NJW 2001, 373, 373; NJW 2002, 2031, 3031, 3032; OLG München, NJOZ 2016, 327, 330; SchiedsVZ 2012, 107, 110; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  51; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1059, Rn.  68. 222 

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vorzutragen. Die Begründungspflicht abzulehnen, widerspräche aber dem Wortlaut der Norm und Willen des Gesetzgebers und wäre damit eine unzulässige Rechtsfortbildung contra legem. Nun ergibt sich entgegen einer Literaturmeinung aus der EuGH-Rechtsprechung nicht stets die Gerichtspflicht, von Amts wegen EU-Verbraucherrechtsnormen anzuwenden, auch nicht im Verfahren nach §  1059 Abs.  2 ZPO.227 Allerdings muss der Richter im Rahmen des geltenden Rechts aktiv werden, um das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Verbraucher und Unternehmer auszugleichen, das in der unterschiedlichen Informationsverteilung auch zur Rechtslage besteht. Insbesondere muss in jedem Verfahren zumindest einmal, bevor ein Titel rechtskräftig wird, die Möglichkeit bestehen, das EU-Recht zu prüfen 228 und gegebenenfalls dem EuGH vorzulegen (ausführlich §  2 B. II. 1.). Eine amtswegige Rechtsanwendung ist ein, aber nicht der einzige Weg, die effektive Wirkung des Unionsrechts zu gewährleisten. Es genügt, wenn der Richter dafür sorgt, dass der Verbraucher von seinen Rechten erfährt. Dabei muss der Richter nicht selbst die Tatsachen ermitteln. Es reicht aus, dass er dieser Hinweispflicht auf Grundlage der ihm vorliegenden, sich aus der Akte ergebenden Informationen nachkommt. Eine solche Hinweispflicht ist auch mit dem deutschen Recht vereinbar.229 Es besteht eine Parallele zu einer Hinweispflicht nach §  139 Abs.  3 ZPO bei Zulässigkeitsmängeln (oben §  3 IV.).230 Beginnt ein Verbraucher ein Aufhebungsverfahren, ist ausreichend, aber auch notwendig, dass der Richter, sollten ihm Anhaltspunkte für die Unionsrechtswidrigkeit der Schiedsvereinbarungen vorliegen, darauf hinweist, dass gegebenenfalls noch der begründete Antrag i. S. d. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO gestellt werden könnte, um den Schiedsspruch aufzuheben. Folgt man der hier herausgearbeiteten Auslegung und sorgt der Richter über §  139 ZPO für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Parteien, so ist das Begründungserfordernis des Antrags nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO mit dem EU-Recht auch in B2C-Konstellationen zu vereinbaren. c) Frist gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a, Abs.  3 ZPO Schließlich muss der Antrag nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO innerhalb von drei Monaten 231 ab Empfang des Schiedsspruchs bei Gericht eingereicht worden 227 Anders

Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 78, 81; Piers, ARIA 22, 2011, 625, 629, 646–648. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11, Rn.  16. 229  Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1059, Rn.  23; H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293 f.; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1059, Rn.  33; a. A. Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 460 f. 230  Vgl. BGH, NJW-RR 2001, 284, 284 f.; Fritsche, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  139, Rn.  49; Spohnheimer, Gestaltungsfreiheit bei antezipiertem Legalanerkenntnis, 2010, 271; allgemein Rensen, Die richterliche Hinweispflicht, 2002, 193–196. 231  Gegebenenfalls mit Verlängerung um höchstens einen Monat gemäß Abs.  3 S.  3. 228 Ähnlich

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sein. Auch diese Regelung muss unionsrechtskonform angepasst werden, damit sie die effektive Wirkung des Unionsrechts nicht unverhältnismäßig beschränkt. Grundsätzlich beschränken Ausschlussfristen die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts, sind aber gerechtfertigt durch das hinter den Fristen stehende Bedürfnis nach Rechtssicherheit. Die konkrete Fristenregelung muss aber verhältnismäßig sein.232 Die Verhältnismäßigkeit ergibt sich aus den Umständen, unter denen die Frist zu laufen beginnt, und ihrer Länge (ausführlich bereits §  3 A. II.).233 Vorliegend führt der Fristablauf zur endgültigen Rechtskraft des Schiedsspruchs jedenfalls bezogen auf die Aufhebungsgründe des §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO, d. h. die Beschränkung ist erheblich. Endgültig meint, dass der Schiedsspruch gem. §  1055 ZPO bereits bei Erlass rechtskräftig wird, aber eine Aufhebung die Rechtskraft rückwirkend beseitigt.234 Mit Ablauf der Aufhebungsfrist gilt die Rechtskraft endgültig. Ihr Eintritt dient auch dem vom EU-Recht anerkannten Ziel, eine definitive Rechtslage und damit Rechtsfrieden zu schaffen.235 Eine Antragsfrist von drei Monaten ist hierfür in ihrer Länge unproblematisch: Der EuGH hat bereits mehrfach entschieden, dass Zwei- oder Drei­ monatsfristen bis zum Eintritt der Rechtskraft ausreichen, um dem Verbraucher Gelegenheit zu geben, sich angemessen darauf vorzubereiten, seine Rechte geltend zu machen.236 Dies gilt auch für eine Dreimonatsfrist, die zur endgültigen Rechtskraft eines Schiedsspruchs führt.237 Doch muss auch die Ausgestaltung des Beginns des Fristablaufs den Vorgaben des EuGH entsprechen. Die Frist darf nicht kenntnisunabhängig zu laufen beginnen, wobei der Betroffene Kenntnis davon haben musste, dass sie existiert, 232  EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  38; N. Reich, Individueller und kollektiver Rechtsschutz, 2012, 40 f. 233  Z. B. EuGH, Rewe, 33/76, ECLI:EU:C:1976:188 Rn.  5; Comet, C-45/76, Slg. 1976, 2043, 2053; Palmisani ./. INPS, C-261/95, ECLI:EU:C:1997:351 Rn.  28; Kühne & Heitz, C-453/00, ECLI:EU:C:2004:17 Rn.  24; Kapferer ./. Schlank und Schick, C-234/04, ECLI:EU:C:2006:178 Rn.  20; Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  37; Fallimento Olimpiclub, C-2/08, ECLI: EU:C:2009:506 Rn.  22; BBVA, C-8/14, ECLI:EU:C:2015:731 Rn.  26; zum EuGVÜ Owusu, C-281/02, ECLI:EU:C:2005:120 Rn.  41; Germelmann, Rechtskraft in der Europäischen Union, 2009, 263 f., 272 f.; Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 78; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, 362. 234  Z. B. Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, 119; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1059, Rn.  86; Schütze, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  11, 4.  Aufl., 2014, §  1055, Rn.  15; Spohnheimer, Gestaltungsfreiheit bei antezipiertem Legalanerkenntnis, 2010, 434. 235  Vgl. etwa Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 453; Häsemeyer, AcP 188, 1988, 140, 148 f., 152; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 2007, 113 f. mit Fn.  456. 236  EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  39–44; Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  16 (aus anderen Gründen unionsrechtswidrig); Santex, C-327/00, ECLI:EU:C:2003:109 Rn.  54; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 2016, 151. 237  EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  4 4; ebenso bei Bestandskraft eines Verwaltungsakts: EuGH, Kempter, C-2/06, ECLI:EU:C:2008:78 Rn.  54–60.

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wann sie zu laufen beginnt und was aus ihrem Ablauf folgt.238 Auch muss erkennbar sein, ob die Voraussetzungen eines erfolgreichen Rechtsbehelfs vorliegen, bevor dieser präkludiert ist.239 Vom Verbraucher ist weniger umfänglich als vom professionell Handelnden zu erwarten, dass er über die Rechtslage informiert ist. Eine Frist, die mit einem Ereignis zu laufen beginnt, welches ohne Kenntnis des Adressaten eintritt, ist damit gegenüber üblicherweise rechtsunerfahrenen Parteien unzulässig.240 Problematisch ist zunächst, dass die Frist nicht mit Kenntnis, sondern „Empfang“ zu laufen beginnt. Im Gegensatz zum ursprünglichen Gesetzesentwurf ist „Empfang“ des Schiedsspruchs nicht als förmliche Zustellung i. S. d. §  166 ZPO zu verstehen, sondern der Schiedsspruch muss dem Verbraucher nur „zugegangen“ sein.241 „Zugang“ nach deutschem Recht geht von Kenntnisnahme, aber nur im Sinne einer Kenntnisnahmemöglichkeit aus.242 Der EuGH hat immer wieder betont, dass eine Frist im B2C-Verhältnis nicht kenntnisunabhängig zu laufen beginnen darf. Gemildert werden kann diese Voraussetzung, wenn für den Fristbeginn die Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben ist und zugleich Fristverlängerung oder Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand möglich sind, sollte die Kenntnisnahme unverschuldet unterbleiben (s. o. bereits §  3 A. II.). Folge einer Auslegung nach dem deutschen „Zugangs“-Verständnis muss damit sein, dass bei Zugang ohne Kenntnisnahme Fristverlängerung oder Wiedereinsetzung möglich ist. Doch handelt es sich bei der Frist nach §  1059 Abs.  3 ZPO nicht um eine Notfrist. Damit ist keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. §§  233 ff. ZPO möglich.243 Nach der Rechtsprechung des EuGH im Arbeitsrecht stellt die Unmöglichkeit, dem Arbeitnehmer Wiedereinsetzung 238  EuGH, Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  45; Océano Grupo, C-240/98C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  26; Cofidis, C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 Rn.  32; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  28 f.; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C: 2009:350 Rn.  27–32; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 Rn.  54; ­ önig, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz, 2011, 195; Schebesta, ERPL 2010, 847, 851. K 239 EuGH, Palmisani  ./. INPS, C-261/95, ECLI:EU:C:1997:351 Rn.  29; ähnlich EuGH, ­Rosado Santana, C-177/10, ECLI:EU:C:2011:557 ECLI:EU:C:2011:557 Rn.  97–99; Biondi, CMLR 36, 1999, 1271, 1278; Rodriguez Iglesias, EuGRZ 1997, 289, 292. 240 EuGH, Pontin, C-63/08, ECLI:EU:C:2009:666 Rn.   60, 62–66; Bulicke, C-246/09, ECLI:EU:C:2010:418 Rn.  38 f., 41 (z. B. nicht: Aufgeben bei der Post statt Zugang). 241  Vgl. noch BT-Drs. 13/5274, 60; BGH, NJW 2001, 3787, 3788; OLG Düsseldorf, SchiedsVZ 2008, 156, 157; Gaul, in: Berger u. a. (Hg.), FS Sandrock, 2000, 291; ders., in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 881, 902; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  60; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1059, Rn.  36; offen lassend BGH, NJW 2001, 3787, 3788. 242  Z. B. BGH, NJW 2004, 1320, 1320; NJW-RR 2011, 1184, 1185; J. Neuner/M. Wolf, BGB AT, 11.  Aufl., 2016, §  33 Rn.  12 f. 243  Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  58; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1059, Rn.  23; s. auch Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 283; krit. zu dieser Regelung Gaul, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 881, 902 f.

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bei unverschuldetem Ablauf einer Ausschlussfrist zu gewähren, regelmäßig eine unverhältnismäßige Beschränkung der vom EU-Recht gewährten Rechte dar.244 Das gleiche muss für das EU-Verbrauchervertragsrecht gelten. Es wird kein effektiver Rechtsschutz gewährleistet, wenn bei unverschuldetem Fristversäumnis keine Möglichkeit besteht, die endgültige Rechtskraft abzuwehren.245 Insbesondere kann dem Verbraucher hierdurch unmöglich gemacht werden, den unionsrechtswidrigen Schiedsspruch aufheben zu lassen, bevor er Kenntnis von seinen Rechten hatte. Verschärft wird die Situation dadurch, dass das Aufhebungsverfahren nach Erlass des Schiedsspruchs die einzige Gelegenheit ist, die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und damit die Entscheidung des Verbrauchers, auf die Justizgewährleistung zu verzichten, gerichtlich kontrollieren zu lassen. Die Gründe des §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO werden nach Fristablauf auch gem. §  1060 Abs.  2 ZPO präkludiert. Nach den drei Monaten ist eine gerichtliche Kontrolle im Vollstreckungsverfahren ausgeschlossen (dazu gleich 3.). Auch wenn der endgültige Eintritt der Rechtskraft der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dient, ist es unverhältnismäßig, in Fällen des unverschuldeten Versäumnisses keine Wiedereinsetzung zu ermöglichen. Ein solches Versäumnis liegt unter anderem vor, wenn der Verbraucher unverschuldet keine Kenntnis von seinen Rechten hatte, es kann aber auch aus anderen Gründen vorliegen. Die Endgültigkeit der Frist nach §  1059 Abs.  3 ZPO ist damit bezogen auf die Aufhebungsgründe des §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO im Fall der unverschuldeten Unkenntnis oder Versäumnis unionsrechtswidrig. Die Unionsrechtswidrigkeit kann aber beseitigt werden, wenn im Rahmen des nationalen Rechts eine unionsrechtskonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung möglich und damit geboten ist. Die unionsrechtskonforme Auslegung verlangt (nur), dass unter Ausschöpfung aller nationalen Auslegungsmethoden diejenige gewählt wird, die dazu führt, dass die Norm nicht unionsrechtswidrig ist. Ebenso kann eine Rechtsfortbildung nur im Rahmen der nationalen Möglichkeiten verlangt werden. Genügt beides nicht den Anforderungen des EURechts, steht die nationale Norm in Widerspruch zum Unionsrecht und ist im Fall der Unverhältnimäßigkeit aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar.246 Zunächst lässt sich der „Empfang“ des Schiedsspruchs unionsrechtskonform lesen: Empfang ist, im Gegensatz zu „Zustellung“ oder „Zugang“, nicht juristisch konkretisiert und lässt Auslegungsspielräume zu.247 Aus den Gesetzgebungsmaterialien geht nur hervor, dass keine förmliche Zustellung notwendig 244  EuGH, Levez ./. Jennings Ltd., C-326/96, ECLI:EU:C:1998:577 Rn.  32; Leczykiewicz, ERCL 8, 2012, 47, 57 f.; Poelzig, Normdurchsetzung, 2012, 314. 245  Gaul, in: Berger u. a. (Hg.), FS Sandrock, 2000, 291. 246  Ausführlich zur unionsrechtskonformen Rechtsfortbildung und ihren Grenzen: Klöpfner/Rüthers, AcP 209, 2009, 1, 33–35. 247  Ausführlich BGH, NJW 2001, 3787, 3788.

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ist, denn eine solche war ursprünglich im Gesetzesvorschlag vorgesehen und wurde bewusst nicht übernommen.248 In einer B2C-Konstellation kann „Empfang“ durch den Verbraucher unionsrechtskonform zu lesen sein dergestalt, dass „Empfang“ nur dann gegeben ist, wenn der Verbraucher tatsächlich den Schiedsspruch zur Kenntnis nimmt und darüber informiert wird, was seine Rechte und Rechtsschutzmöglichkeiten sind. Solange diese Kenntnis nicht gegeben ist, beginnt dann entsprechend die Frist des §  1059 Abs.  3 ZPO gar nicht erst zu laufen. Das Aufhebungsverfahren ist weiterhin möglich. Das Unionsrecht verlangt nicht, dass der Unternehmer genauso behandelt wird. Es hat aber auch keine Einwände gegen eine Gleichstellung, die auch dem deutschen Verfahrensrecht, insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz, entspricht. Die Norm sollte daher, zumindest soweit EU-Verbrauchervertragsrecht entscheidungserheblich ist, gleichermaßen auf Verbraucher und Unternehmer angewendet und ausgelegt werden. Zudem müsste Wiedereinsetzung oder Fristverlängerung auch in den übrigen Fällen eines unverschuldeten Fristversäumnisses möglich sein. Hier scheitert eine Auslegung an deren Grenzen: Der Wortlaut von §  233 ZPO, der die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung von einer als Notfrist bezeichneten Frist oder den enumerativ genannten weiteren Fristen abhängig macht, ist eindeutig. Auch der Wortlaut von §  1059 Abs.  3 ZPO, der die Frist nicht als Notfrist bezeichnet, lässt keine Auslegungsspielräume zu. Eine Auslegung, dass die Frist für das Aufhebungsverfahren unter §  233 ZPO fällt, ist damit nicht möglich. Ebenfalls scheitert eine unionsrechtskonforme analoge Anwendung von §  233 ZPO, da die Voraussetzungen einer Analogie nicht vorliegen. Grundsätzlich ist §  233 ZPO analogiefähig: Wiedereinsetzung wird bei einigen Anschlussfristen analog §  233 ZPO gewährt.249 Allerdings müsste dafür zunächst eine planwidrige Regelungslücke vorliegen, und hieran fehlt es: Die Fristregelung orientiert sich an der Regelung des UNCITRAL-Modellgesetzes, 250 welches wiederum zu einer Wiedereinsetzung keine Stellung nimmt.251 Auch die Gesetzesbegründung schweigt zu Wiedereinsetzungsfragen. Sie hebt aber hervor, dass der Fristablauf ausnahmslos gilt. Selbst Restitutionsgründe (nach §  1041 ZPO a. F.) verlangten keine abweichende Beurteilung, da über die Klage nach §  826 BGB ausreichend Rechtsschutz bestünde.252 Die einzige Ausnahme, welche die Norm zulässt, ist die Parteivereinbarung (§  1059 Abs.  3 S.  1 ZPO).253 248 

Vgl. die ursprüngliche Version in BT-Drs. 13/5274, 11, 60. Z. B. BGH, NJW 1952, 425, 425; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2003, 1299, 1300; etwa Stackmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  233, Rn.  22–24. 250  BT-Drs. 13/5274, 60. 251  Z. B. Explanatory Note, Text of the Model Law (amended in 2006), Wien, UNCITRAL, 2008, 34 f. 252  BT-Drs. 13/5274, 60; sehr kritisch hierzu Gaul, in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 881, 902 f. 253  Dazu BT-Drs. 13/9124, 47. 249 

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Aus diesen sehr spezifischen Regelungen lässt sich ersehen, dass der Gesetzgeber sich mit Fragen der Fristlänge und möglichen Verlängerungen derselben auseinandergesetzt hat und sich bewusst dagegen entschied, weitere Verlängerungsmöglichkeiten vorzusehen. Damit ist die Regelungslücke nicht planwidrig. Die Frist ist bewusst nicht als Notfrist konzipiert.254 Nach nationaler Methodik ist weder eine unionsrechtskonforme Auslegung noch eine ebensolche Rechtsfortbildung möglich. Die Norm verstößt damit in Kombination mit §  233 ZPO, der Wiedereinsetzung nur bei Notfristen vorsieht, gegen das Effektivitätsprinzip, welches die effektive Wirkung der konkreten Normen schützt, die die Schiedsvereinbarung für unwirksam erklären. Es greift der Anwendungsvorrang des EU-Rechts. Versäumt der Verbraucher unverschuldet die Frist, ist §  233 ZPO in seiner Beschränkung auf Notfristen bei §  1059 Abs.  3 ZPO nicht anwendbar, soweit die Norm die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung verhindert. Auch hier verlangt das Unionsrecht nicht, die Regelungen gleichermaßen auf Unternehmer und Verbraucher anzuwenden, da vom Unternehmer eher erwartet werden kann, sich rechtzeitig über die Rechtslage zu informieren. Aus den bereits oben angestellten Gleichbehandlungserwägungen heraus sollte §  233 ZPO zugunsten von Unternehmern entsprechend reduziert werden. d) Unwirksamkeit der Schiedsklausel und ordre public, §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO Die Unwirksamkeit der Schiedsklausel fällt nicht unter den Tatbestand des ordre public i. S. d. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO, sodass keine Aufhebung nach dieser Norm verlangt werden kann. Es wird vertreten, aus der Rechtsprechung des EuGH zu AGB-rechtswidrigen Schiedsvereinbarungen ergäbe sich die Pflicht jedes mitgliedstaatlichen Gerichts, den Verstoß gegen die Klausel-RL von Amts wegen zu prüfen und als Teil des nationalen ordre public gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO zu subsumieren, mit der Folge, dass der Schiedsspruch aufzuheben sei.255 Der Vorteil einer solchen Subsumtion der EU-verbraucherrechtswidrigen Schiedsvereinbarung als ordre public-Verstoß wäre, dass der Verbraucher keinen „begründeten Antrag“ stellen, sondern das Gericht von Amts wegen tätig werden müsste. Eine solche Subsumtion ist aber gesperrt. Sie hängt vom Verhältnis von §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a zu Nr.  2 lit.  b ZPO ab. Die sehr spezifische Nennung der Schiedsvereinbarung in §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO als speziell geregelter Aufhebungsgrund gegenüber dem allgemeinen ordre public-Vorbehalt in §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO zeigt, dass letzterer subsidiär gilt. Er greift 254 Ähnlich 255 

Gaul, in: Berger u. a. (Hg.), FS Sandrock, 2000, 291 f. Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 78, 81; Piers, ARIA 22, 2011, 625, 646–648.

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also nicht, wenn §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO bereits erfüllt ist.256 Für eine Betrachtung als vorrangige Spezialregelung spricht zudem, dass die Anforderung des „begründeten Antrags“ und die unterschiedliche Behandlung der Gründe nach Nr.  1 und Nr.  2 im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach §  1060 Abs.  2 S.  3 ZPO sinnfrei wären, könnten die Gründe des Nr.  1 in Nr.  2 lit.  b hineingelesen werden. Nr.  2 erfordert keinen solchen Antrag und die Gründe sind nicht nach Ablauf der drei Monate präkludiert gem. §  1060 Abs.  2 S.  3 ZPO. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO stellt daher lex specialis zumindest gegenüber Nr.  2 lit.  b dar und regelt typisiert, unter welchen Umständen eine unwirksame Schieds­ klausel (nur) zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen darf.257 Die Anerkennung eines Schiedsspruchs trotz einer nach §  307 BGB unwirksamen oder gem. §§  312 ff., 355 BGB durch Widerruf entfallenen Schiedsvereinbarung stellt daher nicht per se einen Verstoß gegen den ordre public dar.258 Selbstverständlich kann der ordre public-Vorbehalt aus anderen Gründen greifen, etwa wenn die Unwirksamkeit der Klausel sowohl dem Schiedsrichter als auch dem Unternehmer bekannt war und sie sich bewusst dagegen entschieden haben, den Verbraucher hierauf aufmerksam zu machen. Hier kann der Tatbestand des §  826 BGB einschlägig sein, oder auch §  263 StGB, der als Restitutionsgrund im Zivilprozess (§  580 Nr.  4 ZPO) im Schiedsverfahren Teil des ordre public i. S. d. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO ist.259 In derartigen Fällen kann der ordre public greifen. Grund ist dann nicht die Unwirksamkeit der Schiedsklausel, sondern ihre Unwirksamkeit gepaart mit weiteren Umständen, welche die Grundwerte der deutschen Rechtsordnung berühren.260 Das Unionsrecht verlangt keine Anwendung des ordre public-Vorbehalts bei einer unwirksamen Schiedsvereinbarung. Die Literatur leitet die Aufhebungspflicht aus EuGH-Entscheidungen ab, in denen der ordre public-Vorbehalt nach ausländischem Recht die einzige Möglichkeit blieb, nach der das nationale Gericht den Schiedsspruch aufheben konnte. In diesen Entscheidungen griff das Äquivalenzprinzip, gepaart mit dem positiven Aspekt des Effektivitätsprinzips, 256  Z. B. OLG Frankfurt, ECLI:DE:OLGHE:2015:0122.26SCH19.14.00; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  4 4; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1060, Rn.  7; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1059, Rn.  33; wohl auch BT-Drs. 13/5274, 59 f. (zur fehlenden Begründung); anders zu §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  d und Nr.  2 lit.  b bei arglistiger Täuschung BGH, NJW 2001, 373, 373; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1060, Rn.  11. 257 Ähnlich Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 265. 258  Ähnlich auch OLG Frankfurt, ECLI:DE:OLGHE:2015:0122.26SCH19.14.00 Rn.  21; Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 464; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  48; Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1059, Rn.  33; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 313–316. 259  BT-Drs. 13/5274, 61. 260 Ähnlich Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1059, Rn.  48; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 308 f.; Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 27.

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§  5 Schiedsspruch

ein. Das EU-Verbrauchervertragsrecht musste als Teil des nationalen ordre ­public verstanden werden (ausführlich §  2 B. III.). Im deutschen Recht ist aber §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO als spezieller Aufhebungsgrund konzipiert und der ordre public-Vorbehalt als allgemeiner Aufhebungsgrund gesondert geregelt. Das EU-Recht verlangt nicht, dass die Aufhebung auf den ordre public-­ Vorbehalt gestützt wird, solange eine Aufhebung nach nationaler Methodik in unionsrechtskonformer Weise möglich ist.261 Das Äquivalenzprinzip verlangt nur eine Gleichbehandlung sachlich vergleichbarer Normen. Normen, die nach deutschem Recht die Schiedsvereinbarung zu Fall bringen, etwa §  1031 Abs.  5 ZPO, fallen nicht unter den ordre public, sondern unter §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO.262 Das Effektivitätsprinzip verlangt weiter, dass das Gericht sich in irgendeinem Moment des Verfahrens mit den EU-Verbraucherrechtsnormen beschäftigen kann. Es verlangt aber nicht, dass es sie entgegen dem nationalen Recht stets von Amts wegen anwendet. Ausreichend ist, wenn das Gericht im Rahmen seiner Hinweispflicht eine Rechtsprüfung vornimmt und nach dem Hinweis dem Verbraucher die Entscheidung überlässt. Verzichtet der Verbraucher bewusst darauf, sein Recht auf Aufhebung geltend zu machen, verlangt das EU-Recht nicht zwingend die Aufhebung des Schiedsspruchs.263 Unionsrechtlich geboten ist nur die oben beschriebene Auslegung des §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO, aus der sich eine Hinweispflicht des Gerichts und die geringeren formalen Anforderungen an den Antrag ergeben. Folgt man dieser Auslegung, genügt diese Norm den Vorgaben des EU-Rechts, ohne dass der ordre public-Vorbehalt systemwidrig verwendet werden muss. e) Gesamtabwägung der Ausgestaltung von §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO Handhabt das Gericht die Regelungen wie herausgearbeitet, ergibt sich keine unverhältnismäßige Beschränkung der effektiven Wirkung des EU-Rechts aus einer Gesamtbetrachtung der drei Voraussetzungen und ihrer Einbettung im Gesamtverfahren.264 Legt man §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO dergestalt aus, dass keine zu hohen formalen Anforderungen an den Aufhebungsantrag gestellt werden, eine Präklusion nur bei selbstverantwortlichem Rügeverzicht möglich ist und ist eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei unverschuldetem Fristablauf möglich, so beschränkt die restliche Ausgestaltung die effektive Wirkung des Verbraucherrechts nicht. 261 Vgl. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11, Rn.  16; Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 78, 81; Piers, ARIA 22, 2011, 625, 646–648. 262 Ähnlich Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 342. 263  A. A. wohl Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, §  11, Rn.  16. 264 Hierzu etwa EuGH, Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  22; Gambazzi, C-394/07, ECLI:EU:C:2009:219 Rn.  30–32; Pohotovosť, C-76/10, ECLI: EU:C:2010:685 Rn.  4 4; Wilman, Private Enforcement of EU Law, 2015, Rn.  36, 168.

D. Kontrolle des Schiedsspruchs

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Würden die Begründungserfordernisse zu formalistisch gesehen, könnte eine besonders formale und komplizierte Verfahrensausgestaltung ein solcher Hinderungsgrund sein. Insbesondere wenn besondere Rechtskenntnisse vom Verbraucher verlangt würden, die einen Anwalt stets erforderlich machten, könnte diese Verfahrensausgestaltung den Verbraucher davon abhalten, überhaupt Rechtsrat einzuholen und damit gegen den Schiedsspruch vorzugehen.265 Solche Rechtskenntnisse würden aber nur vorausgesetzt, müsste der Verbraucher die konkreten Aufhebungsgründe substantiiert benennen. Eine Auslegung der Norm ergibt aber, dass dieser Interpretation nicht zu folgen ist, sondern die Anforderungen an den „begründeten“ Antrag deutlich geringer liegen (s. o., b). In einer Gesamtbetrachtung ist das Aufhebungsverfahren bei unwirksamer Schiedsvereinbarung daher nicht zusätzlich zu den oben gefundenen Ergebnissen unionsrechtswidrig. 3. Aufhebung im Vollstreckbarerklärungsverfahren gem. §  1060 Abs.  2 ZPO Eine weitere Möglichkeit der richterlichen Kontrolle der Schiedsvereinbarung bietet das Verfahren nach §  1060 ZPO, in dem ein Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wird. Eine Vollstreckung muss nach Abs.  2 versagt und der Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn ein Aufhebungsgrund des §  1059 Abs.  2 ZPO vorliegt 266 – damit auch der Grund, dass die Schiedsvereinbarung unwirksam ist, etwa gem. §  307 BGB oder wegen Widerrufs gem. §  312g BGB. a) Präklusion nach §§  1060 Abs.  2 S.  3, 1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a, Abs.  3 ZPO Problematisch ist, dass nach §  1060 Abs.  2 S.  3 ZPO die Aufhebungsgründe nach §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO präkludiert sind, wenn die Aufhebungsfrist nach §  1059 Abs.  3 ZPO abgelaufen ist.267 Diese Parallele ist vom Gesetzgeber gewollt, um den Schuldner zum Handeln zu bewegen, wenn er den Schiedsspruch wegen der in §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO genannten Gründe, etwa der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung, aufheben lassen möchte. Sonst müsste er nur das Vollstreckbarerklärungsverfahren abwarten und der Schiedsspruch würde auch ohne seine Mitwirkung aufgehoben.268 Dies bedeutet, dass ein Schiedsspruch, der auf einer EU-verbraucherrechtswidrigen Schiedsvereinbarung beruht, nach drei Monaten endgültig rechtskräftig würde. Die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung führt danach nicht mehr zur Aufhebung des Schiedsspruchs. 265  EuGH, Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  29; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  50; Banco Español de Crédito, C-618/10, ECLI: EU:C:2012:349 Rn.  52 f.; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  22, 24. 266 Rechtsvergleichend Piers, ARIA 22, 2011, 625, 633. 267  Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 283. 268  BT-Drs. 13/5274, 61; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1060, Rn.  21.

408

§  5 Schiedsspruch

Diese Präklusion ist damit ebenso unionsrechtswidrig wie die Ausschlussfrist im Aufhebungsverfahren nach §  1059 Abs.  3 ZPO. Grundsätzlich ist die Länge der Frist nach unionsrechtlichen Maßstäben unproblematisch: Der EuGH billigt zwei- oder dreimonatige Fristen bis zum endgültigen Eintritt der Rechtskraft auch im Schiedsverfahren.269 Allerdings gilt dies nur für Fristen, die nach den Anforderungen des EuGH zu laufen beginnen. Spätestens bei Beginn der Frist muss der Verbraucher Kenntnis haben vom Beginn der Frist, den Folgen ihres Ablaufs und seinen Möglichkeiten, hiergegen vorzugehen. Ein solcher Fristbeginn ist, wie bereits (2. c) gesehen, bei der Frist nach §  1059 Abs.  3 ZPO nicht notwendig gegeben, da diese auch abläuft, wenn der Verbraucher nicht nach den Anforderungen des EuGH über seine Rechte unterrichtet wurde und es unverschuldet versäumt, rechtzeitig den Aufhebungsantrag zu stellen. Auch i. R. d. §  1060 Abs.  2 ZPO muss der Begriff des „Empfangens“ des Schiedsspruchs, nach dem gem. §  1059 Abs.  3 ZPO die Frist zu laufen beginnt, unionsrechtskonform gelesen werden, dass die Frist nur zu laufen beginnt, wenn der Verbraucher die entsprechenden Informationen erhalten hat (oben 2. c).270 Problematisch ist auch im Verfahren nach §  1060 Abs.  2 ZPO, dass die unverschuldete Versäumnis des Fristablaufs nicht berücksichtigt werden kann, um die Präklusion aufzuhalten. Dies ist ebenfalls unionsrechtswidrig (s. o., 2. c). ­Parallel zu §  1059 Abs.  3 ZPO greift auch bei §  1060 Abs.  2 S.  3 ZPO im Fall der unverschuldeten Fristversäumnis durch den Verbraucher der Anwendungsvorrang des Unionsrechts. S.  3 ist dann nicht anwendbar. b) Ordre public, §§  1060 Abs.  2 S.  3, 1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO Wie bereits ausgeführt, kann der ordre public-Vorbehalt i. S. d. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO nicht so gelesen werden, dass er den Fall der unwirksamen Schiedsvereinbarung erfasst, sollte die Präklusionsfrist des §  1059 Abs.  3 ZPO abgelaufen sein. Deshalb ist keine Aufhebung unabhängig von der Frist des §  1060 Abs.  2 S.  3 ZPO wegen ordre public-Verstoßes möglich. Die Auffassung von Teilen der Literatur, die §§  305 ff., 312g BGB zwingend als Teil des ordre public lesen, ist als contra legem abzulehnen: Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen, um eine unwirksame Schiedsvereinbarung geltend zu machen, speziell geregelt und gesonderte Verfahrens- und Präklusionsregeln aufgestellt. Den gleichen Aufhebungsgrund ohne dieselben Antragsvoraussetzungen und ohne die Präklusion ebenso in den ordre public zu lesen, würde diese gesetzgeberische Wertung ignorieren (s. o., 2. d). 269  Vgl. EuGH, Eco Swiss, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn.  4 4; Peterbroeck, C-312/93, ECLI:EU:C:1995:437 Rn.  16 (aus anderen Gründen unionsrechtswidrig); Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  39–44; Santex, C-327/00, ECLI:EU:C:2003:109 Rn.  54. 270  Ähnlich allgemein zum deutschen Recht auch Gaul, in: Berger u. a. (Hg.), FS Sandrock, 2000, 292 f.

D. Kontrolle des Schiedsspruchs

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III. Richterliche Prüfung der sonstigen EU-Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs Der Schiedsrichter ist an das geltende Recht gebunden und kann auch durch Parteientscheidung im B2C-Verhältnis nicht von der Bindung an die zwingenden Verbrauchervertragsrechtsregelungen unionsrechtlicher Herkunft befreit werden (s. o., B. II.). Wurde ein Schiedsspruch unionsrechtswidrig und damit fehlerhaft erlassen, kann der Verbraucher seine Aufhebung beantragen (§  1059 ZPO). Außerdem besteht bei bestimmten Aufhebungsgründen die Möglichkeit, dass ein Gericht die Vollstreckbarerklärung gem. §  1060 Abs.  2 ZPO verweigert und den Schiedsspruch aufhebt. 1. Prüfung vor Erlass des Schiedsspruchs Vor Erlass des Schiedsspruchs ist eine richterliche Prüfung des Streitgegenstands ausnahmsweise möglich. Es kann nach §  1032 Abs.  1 ZPO ein Gericht angerufen werden, ohne dass die Zuständigkeit gerügt wird, und es kann einstweiliger Rechtsschutz nach §  1033 ZPO beantragt werden. Das gerichtliche und das schiedsgerichtliche Verfahren laufen dann als separate Verfahren nebeneinander, d. h. es wird nicht kontrolliert, ob der Schiedsrichter sich an das anwendbare Recht hält. 2. Nach Erlass des Schiedsspruchs, §§  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b, 1060 Abs.  2 ZPO Der Schiedsspruch kann nur in beschränktem Maß darauf kontrolliert werden, ob er inhaltlich mit dem EU-Recht übereinstimmt: im Aufhebungs- und im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach §§  1059 f. ZPO. Beide Verfahren stellen keine ordentlichen Rechtsmittel i. S. einer Berufung oder Revision dar, in denen eine erneute Tatsachen- und/oder Rechtsprüfung stattfände.271 Stattdessen ist eine révision au fond ausgeschlossen. Die inhaltliche Prüfung ist auf eine Verletzung der wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts (ordre public) beschränkt. Mit dieser Regelung möchte der Gesetzgeber in Anlehnung an das UNCITRAL-Modellgesetz die Effektivität des Schiedsverfahrens steigern dadurch, dass die Parteien schnell eindeutig wissen, ob der Schiedsspruch bestehen bleibt und vollstreckt werden kann.272 a) Zwingendes Recht und ordre public nach deutschem Verständnis Eine Kontrolle, ob die zwingenden Regelungen des EU-Verbrauchervertragsrechts eingehalten wurden, ist nur möglich, wenn diese Regelungen Teil der deutschen öffentlichen Ordnung, d. h. des ordre public i. S. d. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 271 

Z. B. Gaul, in: Berger u. a. (Hg.), FS Sandrock, 2000, 289 f. Piers, ARIA 22, 2011, 625, 633.

272 Rechtsvergleichend

410

§  5 Schiedsspruch

lit.  b ZPO sind. In diesem Fall kann über §  1059 Abs.  1 ZPO Aufhebung des Schiedsspruchs verlangt werden. Gem. §  1060 Abs.  2 S.  1 ZPO ist der Schiedsspruch beim Vollstreckbarerklärungsverfahren von Amts wegen aufzuheben. Der Begriff der öffentlichen Ordnung oder des ordre public ist dabei nicht identisch mit dem, wie er in anderen Regelungen verwendet wird, etwa in §§  328 Abs.  1 Nr.  4, 1053 Abs.  1 S.  2 ZPO, Art.  6 EGBGB.273 Unter dem ordre public sind die wesentlichen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung zu verstehen, wie sie insbesondere durch die Grundrechte ausgedrückt werden.274 Der ordre public erfasst nicht alle zwingenden Normen,275 sondern nur den Kern nationaler zwingender Normen, 276 die gerade in der Situation, die infrage steht, angewendet werden sollen und sich nicht auf den Fall beschränken, in dem ein nationaler Richter entscheidet.277 Wie bereits gesehen, fallen Verstöße gegen Regelungen, welche die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung betreffen, als solche nicht hierunter: §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO trifft hierfür eine vorrangige Spezialregelung (anders aber i. R. d. §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO, siehe gleich E. I. II.). Der exakte Inhalt des ordre public i. S. d. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO ist schwierig zu konkretisieren. Es können sowohl verfahrens- als auch materiellrechtliche Verstöße durch das Schiedsgericht den ordre public betreffen.278 Unstreitig ergibt sich aus dem Verbot der révision au fond, dass nicht jeder Verstoß gegen Rechtsnormen zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen darf.279 Stattdessen ist zunächst nur das Ergebnis der Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs kontrollfähig, wie sich auch aus dem Wortlaut von §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO ergibt.280 Grund der Ergebniskontrolle ist, dass ein später anerkennendes Gericht keine vollumfängliche inhaltliche Kontrolle der Schiedsentscheidung vornehmen soll. Diese verlöre dann ihre Funktion als Alternative zur gerichtlichen Prüfung.281 273 

Ausführlich etwa Horn, SchiedsVZ 2008, 209, 210–216. etwa BT-Drs. 13/5274, 59; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5.  Aufl., 2012, Rn.  540; G. H. Roth, Der Vorbehalt des Ordre Public, 1967, 139; Schlosser, in: Stein/­ Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1061, Rn.  340. 275  Z. B. Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 25 f., anders 46 f.; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1042, Rn.  76; Oertmann, ZZP 47, 1918, 105, 128 f.; Pfeiffer, NJW 2012, 1169, 1171 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas  X, 23.  Aufl., 2014, §  1051, Rn.  25; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1051, Rn.  6; Pfeiffer, NJW 2012, 1169, 1171 f. 276  Mann, in: Jakobs u. a. (Hg.), FS Flume, 1978, 593, 612 f.; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1051, Rn.  57; G. Schulze, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 875, 881 f.; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1051, Rn.  9. 277  Oertmann, ZZP 47, 1918, 105, 128 f. 278  BGH, RdTW 2016, 211, 211 f. 279  Z. B. Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 280 f.; Habscheid, KTS 1964, 79, 83; Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 25–27; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 308 f. 280  Z. B. BGH, NJW 1958, 1538, 1538; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 98. 281  Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 26 f. 274  Vgl.

D. Kontrolle des Schiedsspruchs

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Unstreitig kann ein Schiedsspruch nach §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO aufgehoben werden, in welchem sich das Schiedsgericht bewusst nicht an das geltende Recht hält, also etwa ausdrücklich zwingendes Recht nicht anwendet oder nur nach Billigkeit entscheidet.282 Auch wenn der Schiedsrichter nur fahrlässig handelt, ist der Verstoß gegen §  1051 Abs.  1 ZPO (Bindung an das geltende Recht) so erheblich, dass eine Aufhebung über §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  d ZPO (Verstoß gegen Parteivereinbarung) und Nr.  2 lit.  b (ordre public) möglich ist.283 Eine im B2C-Verhältnis unwirksame Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung nach §  1051 Abs.  3 ZPO (oben B.), der das Schiedsgericht nachkommt, führt daher stets zur Aufhebung. Über diesen klaren Fall hinaus löst nicht jeder Verstoß gegen eine einfachgesetzlich zwingende Norm den ordre public-Vorbehalt aus,284 sondern die Norm, gegen die verstoßen wurde, muss ausnahmsweise beanspruchen, von so überragender Bedeutung für die deutsche Rechtsordnung und ihre Wert- und Gerechtigkeitsentscheidungen zu sein, dass sie stets Anwendung beansprucht. Nur dann gehört sie zum ordre public i. S. d. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO.285 Die Anwendung hängt also wieder davon ab, ob die Norm stets zwingend gelten soll und nicht kategorisch davon, ob sie nur öffentlichen oder auch privaten Interessen dient (ausführlich §  2 A. I.).286 b) Ordre public und zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht Obwohl gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO nur das Ergebnis der Anwendung für die deutsche Rechtsordnung unerträglich sein muss, 287 reicht ein Verstoß gegen EU-Verbrauchervertragsrecht als solcher aus. Eine Ergebniskontrolle entfällt. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH: Zum einen verlangt das Äquivalenzprinzip, dass die Regelungen unionsrechtlicher Herkunft so behandelt werden wie gleichartige höchstrangige Regelungen des nationalen Rechts. Abgesehen von den Regelungen zur Wirksamkeit der Vereinbarung, die gerade nicht „gleichartig“ sind, da sie auch im nationalen Recht nicht unter den 282 

Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, 308 f. München, SchiedsVZ 2005, 308, 309 f.; Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 51 f.; Stauder, SchiedsVZ 2014, 287, 287; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1051, Rn.  5; a. A. Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1051, Rn.  25. 284  Anders wohl Mann, in: Jakobs u. a. (Hg.), FS Flume, 1978, 593, 612. 285  Z. B. BGH, NJW 1990, 3210, 3210; NJW 2009, 1215, 1215; BeckRS 2013, 256; NJW 2014, 1597, 1597; OLG Schleswig, SchiedsVZ 2010, 276, 276 f.; OLG Frankfurt, SchiedsVZ 2014, 154, 158; OLG München, BeckRS 2015, 18689; Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 268–270; Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 26 f.; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1059, Rn.  41. 286  Vgl. bereits BGH, NJW 1958, 1538, 249; Horn, SchiedsVZ 2008, 209, 210 f.; Kessler, Bindung des Schiedsgerichts, 1964, 28; mit Bezug auf §  134 BGB: Schlosser, in: Böckstiegel/ Glossner (Hg.), FS Bülow, 1981, 189, 193. 287  Z. B. Pfeiffer, NJW 2012, 1169, 1172 f. 283 OLG

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§  5 Schiedsspruch

ordre public fallen, sind die zwingenden EU-Verbraucherrechtsnormen als solche zu lesen, die über den ordre public auch im Schiedsverfahren Anwendung verlangen (ausführlich bereits §  2 B. II. 3.).288 Darüber hinaus verlangt das Effektivitätsprinzip, dass die staatlichen Gerichte zumindest einmal, bevor der Titel vollstreckbar ist, die Möglichkeit haben, die Regelungen zu prüfen. Die Prüfung dient dem Individualschutz und dem Interesse der EU, dass zumindest einmal eine EuGH-Vorlage möglich ist. Diese erlaubt eine einheitliche Anwendung und Fortbildung des EU-Rechts und fördert das Vertrauen in das EURecht. Die anderen Aufhebungsgründe des §  1059 Abs.  2 ZPO erlauben keine materiellrechtliche Prüfung, sodass der ordre public der einzige gangbare Weg ist. Dies ist auch dogmatisch möglich: Bei den hier untersuchten Regelungen des EU-Verbrauchervertragsrechts ist nicht nur das Ergebnis der Normanwendung das Ziel der Norm, sondern auch die Normanwendung als solche, unabhängig vom Willen der Parteien und unabhängig vom Ergebnis dieser Anwendung. Damit stellt bereits ein Normverstoß einen Ergebnisverstoß dar in dem Sinne, dass das Ergebnis der Norm, nämlich die Normanwendung, verfehlt wird (§  2 A. II. 4., §  3 B. II.). Auch dient eine Qualifikation des zwingenden EU-Verbrauchervertragsrechts als Teil des nationalen ordre public der ebenfalls vom Unionsrecht angestrebten Rechtssicherheit für Unternehmer (ausführlich bereits Teil §  2 A. II. 4.): Die ordre public-Prüfung verlangt allgemein eine richterliche Einzelfallabwägung. Durch eine eindeutige Einordnung unter den ordre public wird es vorhersehbarer für beide Parteien, ob der Schiedsspruch Bestand hat. Für die Annahme eines ordre public-Verstoßes, sollte der Schiedsspruch EU-Verbrauchervertragsrecht widersprechen, spricht zuletzt, dass die Gefahr der Aufhebbarkeit Unternehmer und Schiedsrichter „diszipliniert“, auf einen unionsrechtskonformen Schiedsspruch hinzuarbeiten. Dieser disziplinierende Effekt ist vom Unionsrecht ebenfalls erwünscht (oben §  2 A. II. 3.). Damit fallen die Regelungen der VerbrR-RL, der VerbrGK-RL und der Klausel-RL, soweit sie nicht die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung betreffen, unter den deutschen ordre public i. S. d. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO. Ein Verstoß führt stets zur Aufhebungsmöglichkeit.289 c) Antrags- und Fristerfordernis Im Gegensatz zu §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO muss der Verbraucher keine Antragsoder Begründungserfordernisse erfüllen, damit eine gerichtliche Prüfung möglich ist. Die in Nr.  2 ZPO genannten Aufhebungsgründe sind von Amts wegen zu prüfen.290 288 

Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 339 f. Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen, 2013, 342. 290  N. Reich, ERCL 2007, 41, 60. 289 Ähnlich

E. Kontrolle des Schiedsvergleichs und des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut

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Beim Aufhebungsgrund nach Nr.  2 lit.  b könnte problematisch sein, dass der Aufhebungsantrag innerhalb von drei Monaten nach Empfang des Schiedsspruchs gestellt werden muss. Wie bereits ausgeführt, ist eine Dreimonatsfrist aus Sicht des EU-Rechts eine verhältnismäßige Beschränkung der effektiven Wirkung der zwingenden Normen, die durch die damit verbundene Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden, den die Rechtskraft schafft, gerechtfertigt ist (ausführlich bereits oben II. 2. und §  3 A. II. 4.).291 Insbesondere ist die Beschränkung der effektiven Wirkung nicht so umfassend wie bei den Aufhebungsgründen des §  1059 Abs.  2 Nr.  1 ZPO, da im Vollstreckungsverfahren die Gründe nach Nr.  2 gerade nicht nach Ablauf der Dreimonatsfrist präkludiert sind.292 Somit besteht die Möglichkeit, dass ein Richter eine Rechtsprüfung vornimmt, bevor der Titel vollstreckbar ist und bevor es zu irreparablen Rechts­ einbußen kommen kann. Dies genügt dem Unionsrecht. Deshalb ist die Dreimonatsfrist nach §  1059 Abs.  3 ZPO, wie sie vom deutschen Gesetzgeber ausgestaltet wurde, in den Fällen, in denen Aufhebung über den ordre public verlangt werden kann, unionsrechtskonform.293

E. Kontrolle des Schiedsvergleichs und des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut Beim Erlass des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut ist das Schiedsgericht nur nach einer ordre public-Prüfung verpflichtet, denselben zu erlassen. Diese Prüfung erfasst, weiter gehend als die ordre public-Prüfung des Gerichts gem. §   1059 Abs.   2 Nr.   2 lit.   b ZPO, auch die Unionsrechtswidrigkeit der Schiedsvereinbarung (I.). Für das staatliche Gericht besteht kein Unterschied zwischen einem „normalen“ Schiedsspruch und einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, der Prüfungsumfang ist bei §§  1059 f. ZPO derselbe (II.). Der Notar darf den Schiedsspruch nur für vollstreckbar erklären, wenn dieser nicht ordre public-widrig ist. Der Prüfungsumfang korrespondiert mit dem des Schiedsgerichts (III. 1.). Allerdings verstößt die gesetzliche Regelung, dass gegen seine Entscheidungen kein Rechtsbehelf möglich ist, gegen EU- und Verfassungsrecht. Diese Lücke muss in unionsrechts- und verfassungskonformer Rechtsfortbildung geschlossen werden (III. 2.).

291 

Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 77 f. Ebbing, Private Zivilgerichte, 2003, 283. 293  H. Roth, in: Münch (Hg.), Liber Amicorum Henckel, 2015, 283, 293  f.; wohl auch C. Duve/Sattler, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 81, 97. 292 Vgl.

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§  5 Schiedsspruch

I. Schiedsrichterliche Kontrolle und Inhalt des ordre public i. S. d. §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO Ein Schiedsvergleich setzt ein Schiedsverfahren voraus. Damit besteht zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern ein Vertrag, der letzteren allgemein verpflichtet, keinen aufhebbaren Schiedsspruch zu erlassen. Wie jedes Schiedsgericht muss es daher prüfen, ob es überhaupt zuständig ist, d. h. eine wirksame Vereinbarung vorliegt und der Streitgegenstand schiedsfähig ist etc. (s. o., D. I.). Es ergeben sich hier keine Unterschiede zu einem normalen Schiedsspruch. Besonderheiten für die inhaltlichen Prüfungsbefugnisse ergeben sich beim Erlass des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut aus §  1053 Abs.  1 S.  1 ZPO. Das Schiedsgericht hat hiernach das Verfahren bei einem Vergleichsvertrag der Schiedsparteien zu beenden. Das Gesetz konkretisiert in §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO die vertragliche Pflicht des Schiedsrichters: Das Schiedsgericht muss den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen, es sei denn, dieser verstößt gegen die öffentliche Ordnung (ordre public, dazu bereits kurz §  4 C. II. 1. a).294 Das Schiedsgericht darf damit nur prüfen, ob die Situation des §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO vorliegt, d. h. ob ein Schiedsverfahren über den Vergleichsgegenstand möglich ist und die Parteien einen Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB (auch) über den Streitgegenstand des Schiedsverfahrens geschlossen haben.295 Ob der Vergleich inhaltlich wirksam ist, ob dieser etwa gegen zwingendes Recht verstößt, kann das Schiedsgericht über die oben angesprochene „äußere“ Wirksamkeit hinaus nur als Teil des ordre public i. S. d. §  1053 Abs.  1 S.  2 a. E. ZPO prüfen.296 Dabei ist der Begriff der öffentlichen Ordnung gem. §  1053 Abs.  1 S.  1 ZPO weiter als der des §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO, der die Versagung der gerichtlichen Vollstreckbarerklärung regelt. Insbesondere sind beim Erlass des Schiedsvergleichs die Vollstreckungsversagungsgründe, welche die Wirksamkeit der Schiedsabrede erfassen, nicht vom ordre public ausgenommen. Ob die „öffentliche Ordnung“ identisch ist mit dem Begriff in §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO, ist umstritten.297 Ebenso ist bei beiden Normen unklar, wie 294  Prütting, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 10.  Aufl., 2018, §  1053, Rn.  6; Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 278; Thümmel, in: Schütze (Hg.), FS Geimer, 2017, 745, 753; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  19. 295  Bilda, DB 2004, 171, 171, 173; Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006, 290 f.; Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 39 f.; Spohnheimer, in: Geimer/ Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 937 f.; Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 262 f. 296  Bilda, DB 2004, 171, 173; Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 39 f.; Münch, in: MünchKomm-­ ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  26 f., 29; ähnlich bereits Baur, Der schiedsrichterliche Vergleich, 1971, Rn.  15; a. A. wohl Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 937 f., 945. 297 Gleichstellung: P. Gottwald, in: Breidenbach (Hg.), FS Schlosser, 2001, 31, 38 f.; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  10; Thümmel, in: Schütze (Hg.), FS

E. Kontrolle des Schiedsvergleichs und des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut

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der Begriff zu konkretisieren ist (siehe bereits oben D. III. 2.).298 Der ordre public-Vorbehalt des §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO hat mehrere Wirkungen und Wirkrichtungen. Letztere unterscheiden sich hierbei teilweise von denen des §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO. Eine Parallele besteht im Verbot der révision au fond: Der Schiedsvergleich muss nicht deckungsgleich mit dem materiellen Recht sein, damit das Schiedsgericht einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen kann. Deshalb kann nicht jeder Verstoß gegen zwingendes Recht zu einer Pflicht des Schiedsgerichts führen, den Erlass des Schiedsspruchs zu verweigern.299 Ein Unterschied zu §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO besteht darin, dass §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO einen von der gerichtlichen Vollstreckbarerklärung unabhängigen Maßstab für die Vollstreckbarerklärung durch einen Notar darstellt (§  1053 Abs.  4 S.  2 ZPO). Dabei dürfen die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung durch einen Notar nicht großzügiger sein als die durch ein staatliches Gericht gem. §§  1059 f. ZPO, da die Wirkungen dieselben sind.300 Der ordre public ist aber nur ein Aspekt neben anderen, nach denen ein staatliches Gericht die Vollstreckbarerklärung verweigern muss. Der ordre public i. S. d. §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO muss daher auch die Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsversagungsgründe erfassen, die neben dem ordre public in §  1059 Abs.  2 ZPO genannt werden.301 Er erfasst daher auch, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegt, ob der Streitgegenstand schiedsfähig ist,302 ob die Verfahrensrechte der Beteiligten ausreichend gewahrt wurden (§  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  b, d ZPO) und dass kein Verstoß gegen international zwingendes Recht i. S. d. anerkennungsrechtlichen ordre public vorliegt.303 Der Maßstab des §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO unterscheidet sich also von dem des §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO und erfasst mindestens alle Aufhebungsgründe von §  1059 Abs.  2 ZPO.304 Geimer, 2017, 745, 753; unklar BT-Drs. BT-Drs. 13/5274, 55, anders aber 54; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  18, dann aber weiter in Rn.  18.1; weiter: Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 44–46, 48 f., 54 f.; Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 944 f.; vermittelnd Waßmuth, Richtigkeitskontrolle und Rechtskraft des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut, 2013, 36–39, 42 f. („Vermutung“ für Gleichstellung). 298  Für eine Gleichstellung etwa P. Gottwald, in: Breidenbach (Hg.), FS Schlosser, 2001, 31,38 f.; ohne Begründung Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  10; Thümmel, in: Schütze (Hg.), FS Geimer, 2017, 745, 753; unklar BT-Drs. 13/5274, 54 vs. 55. 299  Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006, 270 f.; Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 57 f., 67; Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 279. 300  Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 44–46, 48 f., 54 f. 301  Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 44–46, 48 f., 54 f.; Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 261. 302  Unklar BT-Drs. 13/5274, 54 (weites Verständnis) vs. 55 (enges Verständnis). 303  Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 44–46, 48 f., 54 f. 304  Bilda, DB 2004, 171, 174; Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006, 271 f.; Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 44–46, 48 f.

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§  5 Schiedsspruch

Vergegenwärtigt man sich die Unterschiede zwischen einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut und einem Schiedsspruch aufgrund schiedsrichterlicher Entscheidung, sprechen diese dafür, den ordre public i. S. d. §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO noch weiter zu verstehen. Auch der Wortlaut der Norm stellt auf den „Inhalt des Vergleichs“ ab, nicht nur auf das Ergebnis der Anerkennung wie in §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO. Der ordre public-Vorbehalt der Norm verbietet somit zwar eine révision au fond, ist aber stärker materiellrechtlich geprägt als jener gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO.305 Bei Erlass eines normalen Schiedsspruchs ist das Schiedsgericht grundsätzlich an das geltende Recht gebunden, während es beim Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zum Erlass gezwungen ist, sobald eine Einigung i. S. d. §  1053 Abs.  1 S.  1 ZPO vorliegt. Diese Einigung ist somit konstitutiv für die Möglichkeit des Schiedsgerichts, keinen „normalen“ Schiedsspruch, sondern einen mit vereinbartem Wortlaut zu erlassen. Damit darf das Schiedsgericht letzteren nur erlassen, wenn es vorher prüft, dass die Parteien sich wirksam i. S. d. §  1053 Abs.  1 S.  1 ZPO geeinigt haben, d. h. ob formal ein wirksamer Vergleichsvertrag i. S. d. §  779 ZPO geschlossen wurde.306 Bei einer Einigung über EU-Verbrauchervertragsrecht darf ein Schiedsgericht den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut daher nicht erlassen, wenn die Parteieinigung gegen zwingendes Verbrauchervertragsrecht verstößt. Denn §  779 BGB kann die Parteien nicht von der zwingenden Wirkung dieser Normen befreien.307 Eines Rückgriffs auf das Äquivalenzprinzip in Kombination mit dem positiven Aspekt des Effektivitätsprinzips, nach dem alle zwingenden Regelungen des EU-Verbrauchervertragsrechts als Teil des ordre public des §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO zu verstehen sind, bedarf es hier nicht, denn die Verpflichtung ergibt sich bereits ohne denselben. Das Schiedsgericht ist damit i. R. d. §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO verpflichtet, zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht zu prüfen. Bei einem Verstoß hiergegen muss es den Erlass eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut verweigern.308 305  Bilda, DB 2004, 171, 173, 177; Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 46 f.; Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006, 270, 273 f.; Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 39 f.; vgl. zur Relativität des Begriffs auch beim Anwaltsvergleich: Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 295; ähnlich wohl A. Staudinger, in: Schulte-Nölke u. a. (Hg.), FS Graf von Westphalen, 2010, 659, 667; a. A. wohl Waßmuth, Richtigkeitskontrolle und Rechtskraft des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut, 2013, 43–52. 306  Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 944 f.; krit. daher Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 305 f. 307  Dazu bereits §  2 A. VI.; siehe auch Mankowski, ZZP 114, 2001, 37, 62; Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 944 f.; Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, 2012, 260 f., 262; wohl a. A. Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  24, 26 f. 308  Z. B. Bilda, DB 2004, 171, 173.

E. Kontrolle des Schiedsvergleichs und des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut

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II. Richterliche Kontrolle nach §§  1059 f. ZPO Solange das Schiedsgericht keinen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen hat, ist das Schiedsverfahren bei einem unwirksamen Vergleichsschluss nicht wirksam beendet. Die Unwirksamkeit ist direkt vor dem Schiedsgericht geltend zu machen. Daneben können die Parteien Feststellungsklage auf Unwirksamkeit des Schiedsvergleichs vor einem staatlichen Gericht erheben.309 Die richterliche Kontrollbefugnis ändert sich, sobald der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut einmal erlassen ist: Er wird wie ein durch das Schieds­ gericht entschiedener Schiedsspruch behandelt (§  1053 Abs.  2 S.  2 ZPO), d. h. er hat insbesondere die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils gem. §  1055 ZPO. Da der Schiedsvergleich anders als ein Prozessvergleich keine Doppelnatur aufweist, wirken Fehler des Vergleichsvertrags nicht unmittelbar auf die Wirksamkeit des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut ein. Ebenso haben inhaltliche Fehler bei Erlass des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut keinen Einfluss auf seine Existenz. Damit bleibt er zunächst wirksam und muss über §§  1059 f. ZPO angegriffen werden.310 Für einen Richter stellt sich der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut wie ein normaler Schiedsspruch dar, d. h. er kann den Schiedsspruch nur gem. §§  1059 f. ZPO auf seine inhaltliche Wirksamkeit prüfen.311 Es besteht insbesondere keine zusätzliche richterliche Verpflichtung, zu prüfen, ob der Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB wirksam zustande gekommen ist,312 da der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut keine Doppelnatur hat: Der Vertrag nach §  779 BGB ist unabhängig vom Schiedsspruch und daher für das Gericht im Verfahren gem. §§  1059 f. ZPO irrelevant.313 Es ergeben sich keine Besonderheiten zur allgemeinen Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen (s. o. D. II. und III.).

309  Z. B. Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  16 f.; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  2; zum alten Recht OLG Hamburg, MDR 1966, 851. 310 Dazu BGH, NJW 2001, 373, 373  f.; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  40; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  3, 5; Voit, in: Musielak/ Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  15; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  21. 311  Z. B. BGH, NJW 2001, 373, 373; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  40, 41; Saenger, MDR 1999, 662, 663; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5.  Aufl., 2012, Rn.  600; a. A. (nur ordre public i. S. d. §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO): P. Gottwald, in: Breidenbach (Hg.), FS Schlosser, 2001, 31, 39. 312  Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 937 f., 945. 313  Z. B. BGH, NJW 2001, 373, 373; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  12, 15; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  21; Saenger, MDR 1999, 662, 663; Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 281; Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 938, 944; Bredow, SchiedsVZ 2010, 295, 298, 300 f.; K. H. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7.  Aufl., 2005, Kap.  23 Rn.  13; krit. daher Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 306.

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§  5 Schiedsspruch

III. Notarielle Kontrolle nach §  1053 Abs.  4 ZPO Der Notar ist verpflichtet, die ordre public-Widrigkeit eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut zu prüfen und damit die Vollstreckbarkeit zu verweigern, wenn ein Verstoß gegen EU-Verbrauchervertragsrecht vorliegt (1.). Die gesetzliche Regelung, dass gegen diese Entscheidungen keine Rechtsbehelfe möglich sind, ist verfassungs- und unionsrechtswidrig und erfordert eine unions- und verfassungskonforme Rechtsfortbildung (2.). 1. Prüfungspflicht Nach §  1053 Abs.  4 ZPO kann mit Zustimmung beider Parteien statt des Gerichts ein Notar den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut für vollstreckbar erklären. Es handelt sich um eine besondere Form des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs gem. §  794 Abs.  1 Nr.  4 lit.  a ZPO.314 Aus dem Wort „kann“ ergibt sich, dass der Notar nicht verpflichtet ist, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.315 Weiterhin muss er die Vollstreckung verweigern, wenn der Schiedsspruch mit der öffentlichen Ordnung i. S. d. §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO unvereinbar ist. Der Prüfungsumfang ist derselbe wie der des Schiedsgerichts, da §  1053 Abs.  4 ZPO auf §  1053 Abs.  1 S.  2 ZPO verweist. Hieraus folgt die Pflicht des Notars, zu prüfen, dass kein Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften unionsrechtlicher Herkunft vorliegt (s. o., I.).316 2. Fehlender Rechtsbehelf gegen Vollstreckbarerklärung und effektiver Rechtsschutz Problematisch ist die Folge, sollte ein Notar einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut irrtümlich für vollstreckbar erklären, obwohl ein Verstoß gegen zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht gegeben ist. Denn das Gesetz sieht keinen Rechtsbehelf gegen die notarielle Vollstreckbarerklärung vor.317 Entgegen einem Teil der Literatur ist diese Rechtslage unions- und verfassungswidrig (a und b), sodass in verfassungs- und unionsrechtskonformer Rechtsfortbildung analog §  1065 Abs.  1 ZPO Beschwerde zum BGH ermöglicht werden muss (c). 314  Z. B. Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  7; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  22; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  14; Walker, in: Schuschke/Walker, 6.  Aufl. 2015, §  794 Rn.  42; Armbrüster/Greis, DNotZ 2016, 818, 819; a. A. Münch, in: MünchKomm-ZPO 3, 5.  Aufl., 2017, §  1053 Rn.  52–54. 315  Z. B. Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.   Aufl., 2019, §  1053, Rn.  10; Wilske/­ Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  24. 316  Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  8 . 317  Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  56; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  8; Scheuch, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 10.  Aufl., 2018, §  794, Rn.  39.

E. Kontrolle des Schiedsvergleichs und des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut

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a) Streitstand Ein Teil der Literatur nimmt hin, dass die Vollstreckbarerklärungsentscheidung durch den Notar nicht angreifbar ist.318 Der Schiedsspruch darf vom Notar nur für vollstreckbar erklärt werden, wenn ein gemeinsamer Parteiantrag vorliegt, die Parteien also bewusst auf die richterliche Kontrolle verzichten. Dieser Konsens rechtfertige das Verfahren.319 Darüber hinaus sei die Aufhebung des Schiedsspruchs nach §  1059 ZPO weiterhin möglich, da das Aufhebungsverfahren nicht wie bei einer gerichtlichen Vollstreckbarerklärung nach §  1059 Abs.  3 S.  4 ZPO ausgeschlossen sei.320 Schließlich nehme der Notar eine genuin richterliche Aufgabe wahr und handle daher als Richter. Zugang zur Justiz werde gewährt.321 Der übrige Teil der Literatur ist der Meinung, dass gegen die Vollstreckbarerklärung ein Gericht angerufen werden können muss.322 Versagt der Notar die Vollstreckbarerklärung, ist dies für die Parteien folgenlos, denn sie können weiterhin ein Gericht anrufen und dieses um Vollstreckbarerklärung ersuchen (§  1060 ZPO).323 Gegen die Vollstreckbarerklärung durch den Notar soll analog §  1065 Abs.  1 ZPO Rechtsbeschwerde zum BGH möglich sein. §  1065 Abs.  1 ZPO erlaubt diesen Rechtsbehelf gegen die oberlandesgerichtlichen Entscheidungen zur Vollstreckbarkeit nach §§  1059 f., 1062 Abs.  1 Nr.  4 ZPO. Der Notar wird wie ein OLG in der Instanzenkette eingeordnet.324

318  Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.   Aufl., 2019, §  1053, Rn.  12; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.   Aufl., 2019, §   1053, Rn.   14; Scheuch, in: Prütting/Gehrlein (Hg.), ZPO, 10.  Aufl., 2018, §  794, Rn.  39; Walker, in: Schuschke/Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  42. 319  Armbrüster/Greis, DNotZ 2016, 818, 827; tendenziell auch Spohnheimer, in: Geimer/ Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 938. 320  Armbrüster/Greis, DNotZ 2016, 818, 827 f.; Bredow, SchiedsVZ 2010, 295, 301; Frage der Rechtsbehelfe offen lassend: Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  8. 321  Armbrüster/Greis, DNotZ 2016, 818, 819; Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 283; ebenso Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  19, der aber in Rn.  20 dennoch einen Rechtsbehelf fordert. 322  Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  20; P. Gottwald, in: Breidenbach (Hg.), FS Schlosser, 2001, 31, 42; J.-P. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.  Aufl., 2008, Rn.  1841; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  56; Schlosser, in: Stein/Jonas   X, 23.   Aufl., 2014, §   1053, Rn.   33; K. H. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7.   Aufl., 2005, Kap.   29 Rn.   6; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  26; offen Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  8. 323  A. A. Schütze, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  11, 4.  Aufl., 2014, §  1053, Rn.  33 (Beschwerde, nicht aber gegen Vollstreckbarerklärung). 324  Münch, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2017, §  1053, Rn.  56; Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  8; krit. hierzu J.-P. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.  Aufl., 2008, Rn.  1841.

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§  5 Schiedsspruch

b) Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit des fehlenden Rechtsbehelfs Der zweitgenannten Literaturansicht ist zu folgen. Ein Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärungsentscheidung des Notars ist sowohl unions- als auch verfassungsrechtlich geboten. Dies ergibt sich aus einer Reihe von Gründen. Zunächst handelt der Notar auch im Rahmen von §  1053 Abs.  4 ZPO nicht als Richter, sodass seine Entscheidung gem. Art.  19 Abs.  4 GG gerichtlich überprüfbar sein muss. Der verfassungsrechtliche Rechtsprechungsbegriff ist nicht erfüllt. Hierauf deutet bereits die Gesetzesbegründung hin, welche die Zuständigkeit der Notare zur Vollstreckbarerklärung regelt, „um die Gerichte zu entlasten“325 – also zwischen gerichtlicher und notarieller Tätigkeit unterscheidet. Auch nimmt der Notar zwar eine Aufgabe wahr, die üblicherweise dem Richter vorhalten ist.326 Doch folgt aus der statistischen Häufigkeit, dass ein Richter einen Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt, nicht eine „genuin richterliche“327 Aufgabe, aus dem Ergebnis eines Verfahrens einen vollstreckbaren Titel zu machen. Der Notar kann auch i. R. d. vollstreckbaren notariellen Urkunde und beim Anwaltsvergleich einen vollstreckbaren Titel schaffen. Ebenso können Streitbeilegungsstellen i. R. d. §  15a EGZPO oder nach Landesrecht gem. §  801 ZPO vom Gesetzgeber dazu berechtigt sein. Die Vollstreckbarerklärung des Ergebnisses einer privaten Streitbeilegung ist somit nicht notwendig und ausschließlich dem Richter vorbehalten (zum Begriff der Rechtsprechung ausführlich bereits §  4 C. I.). Um eine Qualifikation als Richter vorzunehmen, ist darauf abzustellen, wie sich die Rolle der zentralen hoheitlich tätigen Person, hier des Notars, aus verfahrensrechtlicher Perspektive darstellt, wie seine Stellung also verfahrensrechtlich festgelegt ist. Es muss sich um eine Stellung als hoheitlich tätiger Dritter handeln, der neutral, unabhängig und unparteilich die Letztentscheidung trifft, und dies in einem rechtsstaatlich ausgeformten Verfahren (ausführlich bereits §  4 C. I.). Mangels gesonderter Verfahrensregelungen sind gem. §  2 Abs.  1 BNotO die allgemeinen Vorgaben für Notare einschlägig.328 Der Notar trifft seine Entscheidung über die Vollstreckbarkeit damit als hoheitlich tätiger Dritter, dessen Stellung verfahrensrechtlich festgelegt ist. Aber seine Stellung ist gerade nicht als Teil der Rechtsprechung ausgestaltet, sondern als Teil der fürsorgenden Rechtspflege.329 Er hat daher etwa in bestimmten Fällen bei Gefahr der Parteilichkeit das Amt abzulehnen (§§  3 BeurkG, 14 Abs.  1 S.  2, Abs.  3 S.  2 BNotO), die Gründe sind aber nicht identisch mit den Ausschluss- und Ablehnungs325 

BT-Drs. 13/5274, 55. Armbrüster/Greis, DNotZ 2016, 818, 821 f. 327  Begriff etwa Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  9. 328  A. A., i. E. aber doch Armbrüster/Greis, DNotZ 2016, 818, 823 f. 329  Vgl. hierzu auch Smid, Rechtsprechung, 1990, 200, 205 f., 226 f.; a. A. Geimer, in: Zöller/ Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  19. 326 

E. Kontrolle des Schiedsvergleichs und des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut

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gründen für Richter gem. §§  41 f. ZPO.330 Die Haftung des Notars richtet sich nach §  19 BNotO.331 Die Gebühren sind in einer separaten Gebührenordnung geregelt. Auch ist die verfahrensrechtliche Stellung im Übrigen nicht darauf angelegt, richterlich tätig zu sein. Stattdessen hat der Notar eine stärker beratende und fürsorgende Rolle. Aus der verfahrensrechtlichen Stellung des Notars im Verfahren nach §  1053 Abs.  4 ZPO ergibt sich daher, dass dieser nicht „rechtsprechend“ wie ein Richter handelt.332 Dass die Parteien einvernehmlich den Notar um Vollstreckbarerklärung ersuchen, rechtfertigt zudem nicht, pauschal einen konkludenten Verzicht auf die Justizgewährleistung anzunehmen.333 Es ist nicht von vornherein gewährleistet, dass die Parteien sich bewusst sind, dass sie mit dem Antrag nach §  1053 Abs.  4 ZPO auf Rechtsmittel gegen die notarielle Entscheidung verzichten, auch wenn eine notarielle Belehrung und Befragung im Vorfeld die Gefahr einer uninformierten Entscheidung verringert. Inhaltlich handelt es sich um einen Verzicht auf die Rechte aus Art.  19 Abs.  4 GG. Ein solcher pauschaler Verzicht ist unverhältnismäßig: Durch die Vollstreckbarerklärung wird unmittelbar der Zugriff auf die Rechtsgüter des Schuldners gewährt und ein gegebenenfalls rechtswidriger, aber rechtskräftiger Titel in seiner Wirkung einem Urteil gleichgestellt, ohne dass jemals Zugang zu Gericht bestand (ausführlich hierzu §  1 C., D.). Es kann damit auch nicht kontrolliert werden, ob der Verzicht der Parteien wirklich parteiautonom stattfand und daher durch die allgemeine Handlungsfreiheit gerechtfertigt ist. Eine solche Prüfung muss aber staatlich gewährleistet sein (ebenfalls §  1 C., D.). Die Schwere des Eingriff wird nicht dadurch verringert, dass die Parteien gem. §  1059 Abs.  1, 3 S.  4 ZPO Aufhebung des Schiedsspruchs

330  Armbrüster/Greis, DNotZ 2016, 818, 820 f.; Leske, Die notarielle Unparteilichkeit, 2004, 17–40; a. A. (konsequent) Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  14; Schütze, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  11, 4.  Aufl., 2014, §  1053, Rn.  31; wohl auch Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  24. 331  Z. B. Reithmann, ZNotP 2006, 242, 242, 243. 332  Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  14; Leske, Die notarielle Unparteilichkeit, 2004, 87 f.; ähnlich Reithmann, ZNotP 2006, 242, 242, 243; Smid, Rechtsprechung, 1990, 200; K. H. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7.  Aufl., 2005, Kap.  29 Rn.  5; vgl. auch EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  47 f.; a. A. Armbrüster/Greis, DNotZ 2016, 818, 819; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  9; Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 283; ders., in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  11, 4.  Aufl., 2014, §  1053, Rn.  31; Schlosser, in: Stein/­ Jonas  X, 23.  Aufl., 2014, §  1053, Rn.  32; vgl. aus EU-rechtlicher Sicht auch EuGH, WB, C-658/17, ECLI:EU:C:2019:444 Rn.  59–61. 333  Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, 171 f.; so aber Schütze, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  11, 4.  Aufl., 2014, §  1053, Rn.  33; ders., in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 283; wohl tendenziell Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 938.

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§  5 Schiedsspruch

beantragen können.334 Denn das Verfahren läuft parallel und verhindert die Schaffung des Titels nach §  1053 Abs.  4 ZPO nicht.335 Insbesondere wenn ein Verbraucher betroffen ist, kann darüber hinaus bei diesem der Eindruck entstehen, dass nach der Vollstreckbarerklärung, gegen die kein Rechtsbehelf möglich ist, allgemein keine Rechtsbehelfe mehr existieren, um den Schiedsspruch aufheben zu lassen. Ist der Titel einmal in der Welt, besteht die Gefahr, dass direkt mit dem Vollstreckungsverfahren begonnen wird. Damit sind die Rechtspositionen des Schuldners unmittelbar bedroht. Gegen diese Gefahr, die durch die Titulierung geschaffen wird, muss gem. Art.  19 Abs.  4 GG ein Gericht angerufen werden können (ausführlich zum Verzicht auf die Justizgewährleistung bereits §  1 B.–D.).336 Schließlich verlangt auch das Unionsrecht, dass sich zumindest einmal im gesamten Verfahren ein Gericht mit den Vorschriften des EU-Verbrauchervertragsrechts auseinandersetzen kann. Dies leitet der EuGH zum einen aus dem Individualschutz der EU-Grundrechte-Charta ab, zum anderen aber auch aus dem überindividuellen Interesse der EU daran, dass eine EuGH-Vorlage zumindest einmal im gesamten Verfahren bis zur Titelschaffung möglich sein muss (ausführlich §  2 B. II. 1., 2.). c) Verfassungs- und unionsrechtskonforme Analogie des §  1065 Abs.  1 ZPO als Konsequenz Im Rahmen der national zulässigen Rechtsauslegung oder -fortbildung ist nur letztere eine Option: Die Auslegung der Normen scheitert, weil es schlicht keine auslegungsfähige Norm gibt, die einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Notars zuließe.337 Stattdessen ist §  1065 Abs.  1 ZPO analog anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor: Im Gesetzgebungsverfahren wurde die Problematik, dass gegen die notarielle Vollstreckbarerklärung ein Rechtsbehelf möglich sein muss, nicht diskutiert. Stattdessen ging es dem Gesetzgeber primär darum, das UNCITRAL-Modellgesetz weitmöglich in das deutsche Recht zu übernehmen, um die deutsche Schiedsgerichtsbarkeit international konkurrenzfähig zu machen. §  1053 Abs.  4 ZPO wurde zusätzlich eingeführt, um den Schiedsvergleich leichter und schneller für vollstreckbar erklären zu lassen als bis dahin.338 Es ging dem Gesetzgeber damit um die Effizienz des Verfahrens. Hieraus lässt sich aber nicht schließen, dass der Gesetzgeber – un334  So aber Saenger, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  8; dazu allgemein Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  14; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  26. 335  Armbrüster/Greis, DNotZ 2016, 818, 827 f.; Bredow, SchiedsVZ 2010, 295, 301. 336  Z. B. J.-P. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.  Aufl., 2008, Rn.  1841. 337  Vgl. §§  1053 Abs.  4, 1065 Abs.  1 ZPO. 338  Z. B. Ehricke, ZZP 113, 2000, 453, 457 f.; Saenger, MDR 1999, 662, 662; Schütze, in: Rauscher/Mansel (Hg.), FS Lorenz, 2001, 275, 286.

F. Zwischenergebnis zu §  5

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zulässigerweise – die Effizienz über die Grundrechte der Parteien gestellt hätte. Vielmehr zeigt dies, dass er das Problem des fehlenden Rechtsbehelfs nicht gesehen und bedacht hat. Denn aus dem mangelnden Problembewusstsein kann ihm nicht unterstellt werden, er wollte §  1053 Abs.  4 ZPO in Verstoß gegen höherrangiges Recht erlassen. Die Regelungslücke ist damit planwidrig. §  1065 Abs.  1 ZPO regelt eine vergleichbare Interessenlage: Rechtsschutz gegen die Vollstreckbarerklärung nach §  1060 Abs.  1 ZPO. Es geht somit um dieselbe Rechtsfrage. Der Umfang der richterlichen Kontrolle ist ebenfalls vergleichbar, da die ordre public-Gründe des §  1053 Abs.  4 i. V. m. Abs.  1 S.  2 ZPO zumindest auch die Aufhebungsgründe des §  1060 Abs.  2 ZPO umfassen (oben I. 2.). Rechtsschutz gegen §  1060 ZPO hat also inhaltlich dieselbe Richtung wie Rechtsschutz gegen §  1053 Abs.  4 ZPO. Da somit eine analoge Anwendung von §  1065 Abs.  1 ZPO möglich ist und diese sowohl die Verfassungs- als auch die Unionsrechtswidrigkeit beseitigt, ist sie zugleich geboten. Gegen die Entscheidung des Notars, den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut für vollstreckbar zu erklären, ist somit die Beschwerde analog §  1065 Abs.  1 ZPO möglich. Da für die Entscheidung nach §  1060 Abs.  1 ZPO gem. §  1062 Abs.  1 Nr.  4 ZPO die OLG-Zuständigkeit besteht, ist es sinnvoll, einheitlich auch gegen die Entscheidung des Notars die Beschwerde zum BGH zuzulassen.339 Da sich die Analogie aus Verfassungswie Unionsrecht gleichermaßen ergibt, ist sie nicht auf den Verbraucher beschränkt, sondern erfasst alle Parteien und greift auch zugunsten des Unternehmers.

F. Zwischenergebnis zu §  5 1. Vereinbarungen, den Rechtsstreit einem Schiedsverfahren zu überantworten, sind bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs zulässig, unabhängig davon, ob zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht streitentscheidend ist. Rechtsfragen im EU-Verbrauchervertragsrecht sind schiedsfähig, da kein staatliches Entscheidungsmonopol besteht.

339  Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, 171 f.; P. Gottwald, in: Breidenbach (Hg.), FS Schlosser, 2001, 31, 42; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  20; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  1053, Rn.  26; K. Müller, RNotZ 2010, 167, 176; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  1053, Rn.  14; ähnlich, nur über §  796c Abs.  2 S.  2 ZPO analog: Schlosser, in: Stein/Jonas  X , 23.  Aufl., 2014, §  1053, Rn.  33; nur gegen Versagung Schütze, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  11, 4.  Aufl., 2014, §  1053, Rn.  33; ders., SchiedsVZ 2009, 241, 245; ähnlich J.-P. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.  Aufl., 2008, Rn.  841.

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§  5 Schiedsspruch

2. §§  305 ff. BGB sind auf Schiedsvereinbarungen anwendbar, da das Unionsrecht dies bereits selbst vorsieht und damit etwaige Verfahrensregelungen verdrängt. 3. Im Regelfall sind Schiedsvereinbarungen im B2C-Verhältnis unwirksam, da sie unklar formuliert i. S. d. §  307 Abs.  1 S.  2 BGB sind. Ist eine Vereinbarung ausnahmsweise nicht unklar formuliert, muss sie sicherstellen, dass das Verfahren fair ausgestaltet ist, dass dem Verbraucher nur ein geringer Teil der Kosten auferlegt wird und dass der Ort des Schiedsverfahrens für den Verbraucher nicht schwer zu erreichen ist. 4. Unterlassenes Vorbringen im Schiedsverfahren, etwa die Rüge der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung und die unwirksame Zusammensetzung des Schiedsgerichts, führt nur zu einer Präklusion, wenn das Schiedsgericht sichergestellt hat, dass der Verbraucher sich bewusst war, was die Folgen seines Nichtstuns sind. Das unterstellte Informationsdefizit gegenüber dem Unternehmer bezogen auf die Unkenntnis der Rechts- und Prozesslage muss ausgeglichen werden. Nur wenn das Defizit ausdrücklich nicht besteht, liegt eine Parteientscheidung i. S. d. EuGH-Rechtsprechung vor, die eine Beschränkung der effektiven Wirkung des EU-Rechts rechtfertigen kann. 5. Informationspflichten und Widerrufsrechte entstehen bei Schiedsvereinbarungen wie bei nur materiellrechtlich wirkenden Verträgen, wenn ihre situativen Voraussetzungen vorliegen. Eine Schiedsvereinbarung ist keine unternehmerische „unentgeltliche Leistung“ i. S. d. §  312 Abs.  1 BGB, solange der Unternehmer irgendeine entgeltliche Leistung erbringt. 6. Das Widerrufsrecht bei Schiedsvereinbarungen kann durch prozessuale Überholung erlöschen, allerdings gem. §   1040 Abs.   2 ZPO nur, wenn das Schiedsgericht den Verbraucher darüber informiert, dass er Rüge erheben muss. Informiert das Schiedsgericht den Verbraucher nicht entsprechend, ist die Rüge nicht präkludiert, da der Verbraucher entschuldigt i. S. d. §  1040 Abs.  2 S.  4 ZPO ist. 7. Eine Vereinbarung, mit der ein Schiedsrichter von der grundsätzlich bestehenden Rechtsbindung befreit werden soll (§  1051 Abs.  3 ZPO), unterfällt im B2C-Verhältnis der Formvorschrift des §  1031 Abs.  5 ZPO. Eine Befreiung per AGB ist unwirksam. Auch eine Individualvereinbarung ist bezogen auf zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht nicht zulässig, da letzteres Teil des nationalen ordre public ist. 8. Der Schiedsvergleich besteht aus einem materiellrechtlichen Vergleichsvertrag und darauf aufbauenden prozessualen Handlungen der Parteien und des Schiedsgerichts. Er hat keine Doppelnatur. Zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht kann wie allgemein bei §  779 BGB nicht abbedungen werden. 9. Beim Schiedsvergleich entstehen Informationspflichten und das Widerrufsrechte wie bei jedem materiellrechtlichen Vertrag. Entgegen §  1053 Abs.  3 ZPO ersetzt der Schiedsvergleich nicht die notarielle Form i. S. d. §  312 Abs.  2

F. Zwischenergebnis zu §  5

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Nr.  1 lit.  b BGB, sodass Informationspflichten und Widerrufsrechte nicht nach dieser Norm reduziert werden. 10. Das Verfahren, um Aufhebung des Schiedsspruchs wegen EU-Verbraucherrechtswidrigkeit einer Schiedsvereinbarung zu verlangen, bedarf einer unionsrechtskonformen Anpassung: a. Ist eine Schiedsvereinbarung unwirksam und genügt ein Antrag des Verbrauchers auf Aufhebung des Schiedsspruchs wegen Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO dem dort enthaltenen Begründungserfordernis nicht, muss der Richter analog §  139 ZPO sicherstellen, dass der Verbraucher seine Rechte nicht aus Unkenntnis der Rechtslage nicht ausreichend geltend macht. b. Die Ausschlussfrist des §  1059 Abs.  3 ZPO beginnt nur zu laufen, wenn der Verbraucher Kenntnis vom Fristbeginn und von den Folgen des Fristablaufs hatte. „Empfangen“ ist unionsrechtskonform zu lesen. Die Frist beginnt nur, wenn der Verbraucher weiß, dass der Fristablauf zum Ausschluss der Aufhebung führt, wie die Frist berechnet wird und welche Rechte und Rechtsbehelfsmöglichkeiten ihm zustehen. Aus Gleichberechtigungsgesichtspunkten heraus ist der Unternehmer bei streitentscheidendem Unionsrecht ebenso zu behandeln. c. Weiterhin muss bei §  1059 Abs.  3 ZPO Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei unverschuldeter Fristversäumnis möglich sein, da sonst das Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt wird. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts greift hier. Das gleiche gilt für den Ausschluss im Aufhebungsverfahren, §  1060 Abs.  2 S.  3 ZPO. 11. Eine Unionsrechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, die nicht die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung betrifft, verletzt den ordre public gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO und muss von Amts wegen geprüft werden. Die Dreimonatsfrist des Abs.  3 ist, da sie nicht auch zu einer Präklusion im Vollstreckbarerklärungsverfahren (§  1060 Abs.  2 ZPO) führt, unionsrechtlich zulässig. 12. Schiedsgericht, staatliches Gericht i. R. d. bereits herausgearbeiteten Maßgaben und Notar nach §  1053 Abs.  4 ZPO müssen in ihrer jeweiligen Rolle beim Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut die zwingenden Verbraucherregelungen unionsrechtlicher Herkunft als Teil des ordre public beachten und bei einem Verstoß gegen dieselben den Erlass des Schiedsspruchs oder seine Vollstreckbarerklärung verweigern. 13. Gegen die Entscheidung des Notars, einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut für vollstreckbar zu erklären, ist wie beim Gericht die Beschwerde zum BGH analog §  1065 Abs.  1 ZPO möglich. Die Analogie ist erforderlich, um den Parteien Zugang zu Gericht zu gewährleisten.

§  6 Vollstreckbare Urkunde Die Parteien können vor einem Notar eine Erklärung abgeben, mit der sie sich bezogen auf konkrete Ansprüche der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen. Diese Erklärung hält der Notar in einer Urkunde nach den Regeln des BeurkG fest.1 Der titulierte Anspruch kann vollstreckt werden, ohne dass er inhaltlich weiter geprüft wird.2 Es zeigt sich, dass diese Ausgestaltung allgemein mit dem Unionsrecht zu vereinen ist, solange die AGB-Kontrolle nach der Klausel-RL auch Unterwerfungserklärungen erfasst und die Titulierung eines unionsrechtswidrigen Anspruchs zur Unwirksamkeit der Beurkundung führt (A.). Der Notar muss die Beurkundung im Fall der Nichtigkeit, also auch bei Unionsrechtswidrigkeit des Anspruchs, verweigern. Ist er sich der Unionsrechtswidrigkeit nicht sicher, reicht aus, dass er die Parteien umfassend belehrt und damit dafür sorgt, dass eine gerichtliche Kontrolle nicht an der Unwissenheit des Verbrauchers scheitert (B.).

A. Unterwerfungserklärung als „Verbrauchervertrag“ und Dispositionen über EU-Verbrauchervertragsrecht Eine Unterwerfungserklärung ist bezogen auf Ansprüche im B2C-Verhältnis zulässig und unionsrechtskonform (I.). Ihre Wirksamkeit richtet sich trotz ihrer Rechtsnatur als einseitige Prozesserklärung auch nach den Regelungen des materiellen Rechts (II. 1.). Von den Regelungen des EU-Verbrauchervertragsrechts sind daher die der Klausel-RL zu beachten. Die übrigen Rechtsakte greifen tatbestandlich nicht (II. 2. und 3.). Da der materiellrechtliche Anspruch von der Erklärung unberührt bleibt, findet durch die Unterwerfungserklärung nur eine faktische Disposition über EU-Verbrauchervertragsrecht statt. Dennoch führt ein unionsrechtswidriger Anspruch dazu, dass eine Beurkundung der auf ihn bezogenen Unterwerfung in die Zwangsvollstreckung nichtig ist (III.). 1  W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  125; Wolfsteiner, in: Münch­ Komm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  151; ders., DNotZ 1990, 531, 532. 2  Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.   Aufl., 2016, §  794, Rn.  146; ders., DNotZ 1990, 531, 532; ausführlich auch ders., DNotZ 2000, 169, 180.

A. Unterwerfungserklärung als „Verbrauchervertrag“

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I. Allgemeine Zulässigkeit von Unterwerfungserklärungen im B2C-Verhältnis Die Unterwerfung hinsichtlich eines Anspruchs aus einem B2C-Rechtsverhältnis ist nach autonom-deutschem und EU-Recht zulässig (1.–3.). 1. Vergleichsbefugnis gem. §  794 Abs.  1 Nr.  5 ZPO Gegenstand der Unterwerfungserklärung können nur Forderungen sein, die dem Vergleich zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet sind oder die das Wohnraummietrecht betreffen (§  794 Abs.  1 Nr.  5 ZPO).3 Der Unterwerfungsschuldner muss also verfügungsbefugt über die Forderung sein. Wie beim Schiedsverfahren und beim Prozessvergleich darf nicht ausnahmsweise ihre Titulierung der staatlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten sein, wie dies etwa bei Statusfragen der Fall ist (bereits §  3 B. I., §  4 B. I., §  5 A. I.).4 Damit können Unterwerfungserklärungen sich auch auf Forderungen des Verbrauchervertragsrechts beziehen. 2. Zulässigkeit im B2C-Vehältnis nach deutschem Recht Entgegen einer Literaturansicht sind Unterwerfungserklärungen zulässig, wenn die Erklärung von einem Verbraucher zugunsten eines Unternehmers abgegeben wird. Es wird vertreten, dass eine solche Unterwerfungserklärung im B2C-Verhältnis stets unwirksam sei, da die besondere Gefahr der sofortigen Vollstreckung den Verbraucher unverhältnismäßig belaste: Der Verbraucher würde hierdurch in eine aktive Klagerolle gezwungen, sollte der dem Titel zugrunde liegende Anspruch nicht bestehen. Während er im normalen Verfahren keiner Vollstreckung ausgesetzt sei, bis der Unternehmer das Bestehen des Anspruchs in einem Gerichtsverfahren durchgesetzt hat, sei nun umgekehrt er gezwungen, sich im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§§  767, 797 Abs.  4 ZPO) gegen die Vollstreckung zu wehren. Aufgrund dieser besonderen Gefahr und Belastung seien Unterwerfungserklärungen eines Verbrauchers im B2C-Verhältnis stets unwirksam.5 Diese Meinung ist abzulehnen. Zwar besteht das beschriebene Risiko, dass vollstreckt wird, wenn der Verbraucher nicht aktiv etwas hiergegen unternimmt. Allerdings existiert diese Gefahr bei jedem Unterwerfungsschuldner, 3  Lackmann, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  794, Rn.  32; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  129; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, 21. 4 BT-Drs. 13/341, 21; W. Münzberg, ZZP 104, 1991, 227, 235; ders., in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  108, 129; Walker, in: Schuschke/Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  50. 5  Bachner, DNotZ 2008, 644, 650 f.

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nicht nur bei Verbrauchern. Durch die notarielle Belehrung ist aber gewährleistet, dass jeder, auch der Verbraucher, sich bewusst ist, was er erklärt. 6 §  17 Abs.  2a S.  2 BeurkG hebt hervor, dass die Belehrung von Verbrauchern in Verbraucherverträgen besonders notwendig ist. Der Notar muss sicherstellen, dass der Verbraucher ausreichend Zeit hat, zu verstehen, worum es in der Beurkundung geht.7 Der Gesetzgeber hat also erkannt, dass Verbraucher besonders auf eine umfassende Belehrung angewiesen sind. Er sieht aber die notarielle Belehrung als geeignet an, Informationsasymmetrien auszuräumen. Über die Belehrung selbst hinaus wird dem Erklärenden und damit auch einem Verbraucher die Ernsthaftigkeit der Erklärung besonders vor Augen geführt durch das „retardierende Element“8 , einen Termin bei einem Notar zu vereinbaren, hierfür zusätzliche Kosten aufzubringen und ein formelles Belehrungsverfahren vor diesem zu durchlaufen.9 Auch werden die Parteien vor einem neutralen, kundigen Dritten wie dem Notar regelmäßig zögern, bewusst rechtswidrige oder unredliche Erklärungen abzugeben.10 Es ist zudem von den Freiheitsrechten jedes Einzelnen gedeckt, freiwillig vorläufig auf den Schutz eines Gerichtsverfahrens zu verzichten und sein Vermögen der Gefahr der sofortigen Zwangsvollstreckung auszusetzen. Erforderlich ist nur, dass die Erklärung tatsächlich freiwillig i. S. d. Art.  2 Abs.  1 GG und des die Norm konkretisierenden einfachen Rechts ist (ausführlich §  1 B. II., C., D. I.). Eine Erklärung, die den Verfahrensvorgaben des BeurkG entspricht, ist insbesondere aufgrund von §  17 Abs.  1, 2a S.  2 BeurkG bei Verbrauchern unbedenklich: Die Mitwirkung des Notars sorgt dafür, dass diese Umfang und Folgen ihrer Erklärung durchdringen.11 Es besteht auch keine Gefahr, dass die Parteien die Erklärung ohne Anwesenheit des Notars und außerhalb des damit gewährten Schutzes abgeben: Es ist keine verfügende Parteierklärung im Vorfeld des notariellen Verfahrens möglich, d. h. die Parteien können die Unterwerfungserklärung nicht zu einem früheren Zeitpunkt abgeben und dann den Notar zur Beurkundung aufsuchen. Denn die Parteien können über die Amtsbefugnisse und -pflichten des Notars 6 

Vgl. etwa Becker-Eberhard, in: Saenger u. a. (Hg.), FS Werner, 2009, 532, 535 f. BT-Drs. 14/9266, 51; BGH, NJW 2015, 2646, 2645 f.; Armbrüster, in: Armbrüster u. a. (Hg.), BeurkG und DONot, 7.  Aufl., 2015, §  17, Rn.  146–149; Redeker, Verbraucherschutz im Beurkundungsverfahren, 2017, 27–30; K. Winkler, in: ders. (Hg.), BeurkG, 18.  Aufl., 2017, §  17, Rn.  105 f. 8  Mankowski, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 181, 189; H. Wagner, AcP 172, 1972, 452, 464. 9 BT-Drs. 13/341, 20; Bachner, DNotZ 2008, 644, 651; Mankowski, in: Schulte-Nölke/ Schulze (Hg.), Europäisches Vertragsrecht, 2002, 181, 189; krit. ders., Beseitigungsrechte, 2003, 1142. 10  Krit. zur Realität Limmer, in: Rheinische Notarkammer u. a. (Hg.), FS des Rheinischen Notariats, 1998, 15, 42; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 219 f. 11  Ausführlich zu den notariellen Belehrungspflichten etwa Armbrüster, in: Armbrüster u. a. (Hg.), BeurkG und DONot, 7.  Aufl., 2015, §  17, Rn.  48–50. 7  Z. B.

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nicht disponieren und letztere verlangen eine Belehrung vor Beurkundung.12 Einzig problematisch wäre eine Vereinbarung zwischen den Parteien, in welcher der Verbraucher sich verpflichtet, vor dem Notar eine entsprechende Erklärung abzugeben. Allgemein sind solche Verpflichtungserklärungen möglich. Im B2C-Verhältnis stellen sie aber eine Umgehung von §  17 Abs.  1, 2a S.  2 BeurkG dar, die nicht ohne Korrektur möglich ist: Die Erklärung führt zu rechtlich komplizierten Folgen. Insbesondere verpflichtet sich der Verbraucher zur Abgabe einer Erklärung, die eine sofortige Zwangsvollstreckung in sein Vermögen erlaubt, ohne dass vorher ein Gerichtsprozess notwendig ist. Die Gefahr einer solchen Erklärung soll dadurch gebannt werden, dass ein Notar im Vorfeld belehrt. Eine Verpflichtung würde gerade diesen besonderen Schutz umgehen, da unabhängig von der Belehrung die Unterwerfung zu erklären wäre. Aus diesem Grund darf eine solche Verpflichtungserklärung nur abgegeben werden, wenn ein Notar den Verbraucher zuvor über das Risiko der Verpflichtung aufgeklärt hat.13 In diesem gesetzlichen Rahmen sind Unterwerfungserklärungen auch im B2C-Verhältnis zulässig. 3. Unionsrechtliche Zulässigkeit im B2C-Vehältnis Das Unionsrecht sieht vollstreckbare Urkunden im B2C-Verhältnis als grundsätzlich zulässig an. Das internationale Verfahrensrecht der EU kennt die Schaffung eines Vollstreckungstitels außerhalb eines Gerichtsverfahrens: Gem. Artt.  58–60 Brüssel Ia-VO sind auch vollstreckbare Urkunden und gerichtliche Vergleiche unionsweit vollstreckbar, ohne dass differenziert wird, ob eine der beiden Parteien Verbraucher i. S. d. Art.  17 Brüssel Ia-VO ist. Das EU-Verfahrensrecht geht also allgemein davon aus, dass außergerichtliche, nach nationalem Verfahrensrecht zustande gekommene Vollstreckungstitel einem Urteil gleichkommen können und vom Vollstreckungsstaat nicht anders behandelt werden müssen, nur weil ein Verbraucher beteiligt war. Ebenfalls stellt der EuGH in einer Reihe von Entscheidungen die Zulässigkeit solcher Titel nicht grundsätzlich in Frage. Er prüft nur ihre Vereinbarkeit mit dem Verbraucherrecht im Einzelfall:14 Unterwerfungserklärungen sind unzulässig, wenn zugleich die Möglichkeit des Verbrauchers, eine Zwangsvollstreckung durch gerichtlichen Schutz abzuwenden, ausgeschlossen ist und dieser nur nachträglichen Rechtsschutz, d. h. nach Abschluss des Vollstreckungsverfahren, erlangen kann.15 Dies ist im deutschen Recht nicht der Fall. Zum einen berührt die Beurkundung den materiellrechtlichen Anspruch nicht. Der Weg 12  Z. B. OLG Hamm, MDR 1988, 328, 238; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  107; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531, 532. 13  Ähnlich im AGB-Recht: Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 32. 14  Etwa EuGH, Kuhar ./. Addiko Bank, C-407/18, ECLI:EU:C:2019:537. 15  EuGH, Kuhar ./. Addiko Bank, C-407/18, ECLI:EU:C:2019:537 Rn.  61 f., 68 (zur notari-

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zu Gericht bleibt möglich.16 Zum anderen besteht die Möglichkeit, über §§  732, 795, 797 IV. i. V. m. 767 ZPO die Vollstreckung abzuwehren, wenn der titulierte Anspruch nicht mit dem materiellen Recht übereinstimmt.17 Aus Sicht des EU-Rechts genügt dieser Rechtsschutz, solange irreparable Situationen verhindert werden können. Dies wird im deutschen Recht zusätzlich durch einstweiligen Rechtsschutz in der Zwangsvollstreckung sichergestellt, §§  707, 716, 769, 916 ff., 936 ff. ZPO.18 Weiterhin muss gewährleistet sein, dass die beurkundende Person, also der Notar, das unterstellte Ungleichgewicht zwischen Verbraucher und Unternehmer durch Belehrungen ausgleichen kann.19 Auch diese Voraussetzung erfüllt das deutsche Recht gem. §  17 BeurkG, insb. §  17 Abs.  2a BeurkG. Notarielle Unterwerfungserklärungen durch einen Verbraucher sind damit grundsätzlich unionsrechtskonform.

II. Anwendbarkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts auf die Unterwerfungserklärung Bei der notariellen Unterwerfungserklärung handelt es sich um eine einseitige prozessuale Erklärung.20 Aus dieser rechtlichen Einordnung folgt nicht, dass ein Rückgriff auf das materielle Recht und damit die Anwendung des Verbrauchervertragsrechts ausgeschlossen ist (1.). Eine AGB-Kontrolle ist regelmäßig eröffnet. Der Unternehmer gilt auch dann als Verwender, wenn die Klauseln vom Notar in den Vertrag eingebracht wurden. Allerdings sind Unterwerfungserklärungen regelmäßig AGB-rechtskonform, etwas anderes gilt nur für ellen Beurkundung nach slowenischem Recht); ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI: EU:C:2015:637 Rn.  60 f. (zur notariellen Beurkundung nach ungarischem Recht). 16  BGH, NJW 1985, 2423, 2424; NJW 1997, 2887, 2888; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  105, 117 f., 125; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  90, 92; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  151; vgl. zu ähnlichen Regelungen im ungarischem Recht: EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  60 f. 17  BGH, NJW 1997, 2887, 2888; NJW 1985, 2423, 2424; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  129; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  135, 201; zum darüber hinausgehenden Vollstreckungsschutz aus verfassungsrechtlichen Gründen (Suizidgefahr) vgl. BVerfG, NJW 2019, 2995, 2995 f.; Schuschke, NZM 2011, 304, 304–308. 18  EuGH, Unibet, C-432/05, ECLI:EU:C:2007:163 Rn.  7 7; Aziz, C-415/11, ECLI:EU:C: 2013:164 Rn.  59, 64; Kušionová, C-34/13, ECLI:EU:C:2014:2189 Rn.  53–57, 61–67; Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  27, 43; Heinze, EuR 2008, 654, 660; ders., in: Basedow u. a. (Hg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts I, 2011, „Effektivitätsgrundsatz“, 337–341, 341; ohne Unionsrechtsbezüge Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 177 f. 19  EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  5 4–58. 20 BGH, NJW 1990, 258, 259; W. Münzberg, in: Stein/Jonas   VII, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  125; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  89; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  151; ders., DNotZ 1990, 531, 532.

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Verpflichtungen, zukünftig eine solche Erklärung abzugeben (2.). Widerrufsrecht und Informationspflichten entstehen nur hinsichtlich des materiellen Anspruchs, nicht der Unterwerfungserklärung. Sie entstehen aufgrund der Einbettung in das notarielle Verfahren materiellrechtlich gegebenenfalls gar nicht erst (3.). 1. Rechtsnatur als einseitige Prozesserklärung und Rückgriff auf das materielle Recht Unterwerfungserklärungen sind einseitige Prozesserklärungen (a). Ihr Zustandekommen richtet sich dennoch nach den Regeln des materiellen Rechts, soweit keine Spezialregelungen existieren (b). a) Rechtsnatur als einseitige Prozesserklärung Die vollstreckbare Urkunde entsteht durch die Unterwerfungserklärung des Unterwerfungsschuldners, die in einer notariellen Urkunde durch die Urkundsperson nach den Regeln des BeurkG festgehalten wird.21 Die Einordnung als einseitige Prozesserklärung ist in der Literatur angezweifelt worden, da die Rechtsprechung bedingte Unterwerfungserklärungen zulässt und bei formularmäßig verwendeten Erklärungen eine Kontrolle nach §§  305 ff. BGB durchführt.22 Eine einseitige prozessuale Erklärung unterstünde aber nicht den Grundsätzen des materiellen, sondern nur des Prozessrechts. Sie sei daher weder bedingbar noch der Klauselkontrolle unterworfen.23 Umgekehrt sei eine Einordnung als Prozessvertrag anstelle einer einseitigen Erklärung auch vorzugswürdig, da die Erklärung der Parteien immer in Hinblick auf eine materiellrechtliche Vereinbarung abgegeben würde, die über §  139 BGB mit der Unterwerfungsklärung verknüpft werden sollte.24 Schließlich sei die harte prozessuale Bindung nicht notwendig zum Schutz der Parteien. Die flexiblere Anwendung der Vorschriften des BGB, etwa der Anfechtung, sei vorzugswürdig, um die Parteien angemessen bei Willensmängeln zu schützen.25 Ob eine Prozesserklärung vorliegt, ist von der Frage zu trennen, ob eine einseitige Erklärung oder eine Vereinbarung gegeben ist. Von dieser Unterscheidung hängt wiederum nur teilweise die Frage ab, welche Regeln auf ihr Zustan21 BGH, NJW 1990, 258, 259; W. Münzberg, in: Stein/Jonas   VII, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  125; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  89; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  151; ders., DNotZ 1990, 531, 532. 22  BGH, NJW 1987, 904, 904; NJW 1991, 1677, 1677; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  117 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  184 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 780 f.; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 168 f. 23  W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  125. 24  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 779 f. 25  G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 781–783, 785.

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dekommen anwendbar sind. Denn es gibt keine umfangreiche Regelung im deutschen Recht, wie eine Prozesserklärung abzugeben ist. Vielmehr sind Rückgriffe auf Grundsätze oder Regelungen des BGB möglich und notwendig, soweit Spezialregelungen fehlen.26 Abgegrenzt werden muss die Prozesserklärung zunächst von einer nur materiellrechtlichen Erklärung. Eine Prozesserklärung liegt vor, wenn die Vereinbarung auf eine prozessuale Wirkung abzielt, d. h. wenn sie darauf ausgerichtet ist, den Verfahrensverlauf, wie er ohne die Vereinbarung stattgefunden hätte, abzuändern. Die Parteien müssen also durch die Vereinbarung das Zivilverfahren gestalten wollen.27 Ob eine solche Vereinbarung zulässig ist und ob sie die beabsichtigte Wirkung so entfaltet, wie die Parteien es sich vorstellen, ist eine Folgefrage.28 Die Unterwerfungserklärung ermöglicht die Zwangsvollstreckung ohne vorausgehendes richterliches Erkenntnisverfahren.29 Damit ist sie eine prozessuale Erklärung: Sie hat verfahrensrechtliche Wirkung und soll diese haben.30 Weiterhin erklärt eine Partei die Unterwerfung gegenüber der Urkundsperson, die sie niederschreibt.31 Die Gegenpartei muss die Erklärung nicht annehmen.32 Der Gläubiger hat nur einen Anspruch auf Ausfertigung. Mit Erhalt der Ausfertigung ist die Erklärung nicht mehr frei widerruflich.33 Damit ist keine Einigung notwendig. Die Erklärung ist also nur eine einseitige und nicht Teil eines Vertragsschlusses. Sollten die Parteien sich daneben auch materiellrechtlich einigen, ist die Unterwerfungserklärung möglicherweise für den materiellrechtlichen Vertrag relevant. Sie ist aber unabhängig von diesem wirksam.34 Es handelt sich damit um eine einseitige Prozesserklärung, nicht um einen Prozessvertrag. 26 

Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 40. gesamten Absatz z. B. Baumgärtel, Prozeßhandlung, 2.  Aufl., 1972, 261; C. Kern, in: Stein/Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  335, 337, 348; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, 2014, 78; Orfanides, Die Berücksichtigung von Willensmängeln, 1982, 201; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 52 f., 56; K. H. Schwab, in: Prütting (Hg.), FS Baumgärtel, 1990, 503, 504; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 720; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 27–30, 36–38; i. E. ähnlich Häsemeyer, ZZP 118, 2005, 265, 295, 308; Musielak, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, Einleitung, Rn.  66. 28  Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, 1968, 52 f., 56; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 29 f.; ähnlich bereits Oertmann, ZZP 45, 1915, 389, 414. 29  Z. B. W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  105; R. Stürner, ZZP 93, 1980, 233, 234; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  151. 30  Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 40. 31  Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531, 534; vgl. auch BGH, NJW 1985, 2423, 2424. 32  Z. B. Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  145, 151, 208. 33  Zum Anspruch auf Aushändigung einer Ausfertigung an den Gläubiger: OLG Schleswig, ECLI:DE:OLGSH:1983:0427.2W26.83.0A; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 1404, 1404; LG München II, ECLI:DE:LGMUEN2:1979:0425.8T582.79.0A; LG Kempten, MittBayNot 1986, 142, 142; Schippers, DNotZ 2006, 743. 34  Z. B. BGH, NJW 1997, 2887, 2888; NJW 1985, 2423, 2424; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  106. 27  Zum

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b) Prozesserklärung und Rückgriff auf materielles Recht Aus der Qualifikation als einseitige Prozesserklärung folgt nicht, dass jeder Rückgriff auf Regelungen des materiellen Rechts ausgeschlossen ist. Damit eine vollstreckbare Urkunde entsteht, muss der Schuldner gegenüber dem Notar erklären, dass er sich bezogen auf die konkrete Schuld der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Die Erklärung ist eine einseitige Prozesserklärung, allerdings ist Erklärungsempfänger der Notar.35 Damit gelten andere Regeln als für Erklärungen vor Gericht.36 Ähnlich wie bei Prozessvereinbarungen die Voraussetzungen der Erklärungen davon abhängen, in welcher Situation diese abgegeben werden, sind auch bei einseitigen Prozesserklärungen der Kontext und das konkrete Verfahren, auf das sie sich beziehen, ausschlaggebend.37 Die Unterwerfungserklärung richtet sich nach dem Verfahren, das im BeurkG hierfür vorgesehen ist.38 Es ist zunächst eine wirksame Erklärung erforderlich. Da die Erklärung auf die Schaffung eines vollstreckbaren Titels abstellt, muss sie den Anspruch individualisierbar und bestimmbar erkennen lassen und gegebenenfalls weitere Informationen enthalten, die für das Vollstreckungsorgan notwendig sind, um die formalen Voraussetzungen zu prüfen, etwa die Zuständigkeit des Notars.39 Eine inhaltlich darüber hinausgehende Beschreibung des Schuldgrunds ist nicht erforderlich.40 Die Erklärung muss klar zum Ausdruck bringen, dass eine Vollstreckung ohne Urteil gestattet sein soll.41 Darüber hinaus muss gesichert sein, dass die Erklärung nicht mit Willensmängeln behaftet ist (§  17 BeurkG).42 Dabei ist eine Rückkoppelung an das materielle Recht notwendig, die von §  17 BeurkG vorausgesetzt wird.43 Aus 35 

Walker, in: Schuschke/Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  61. Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 38 f., 41; so aber wohl G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 779 f. 37  Bous, Rpfleger 2006, 357, 359; Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 41; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  152; ähnlich auch BGH, NJW 2003, 1594, 1595; NJW 2004, 839, 840. 38  Bous, Rpfleger 2006, 357, 359; Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 44 f.; Reithmann, DNotZ 1975, 324, 343 f.; ders., Vorsorgende Rechtspflege, 1989, 91. 39 BT-Drs. 13/341, 20; BGH, NJW 2015, 1181, 1182; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  106; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  168–175; krit. R. Stürner, ZZP 93, 1980, 233, 234. 40  BGH, NJW 1997, 2887, 2888; WM 1978, 577, 577 f.; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  116. 41  Lackmann, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  794, Rn.  35; W. Münzberg, in: Stein/Jonas   VII, 22.   Aufl., 2002, §   794, Rn.   120; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  194. 42  Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531, 533 f. 43  Z. B. BGH, NJW 1987, 904, 904; NJW 1991, 1677, 1677; NJW 2002, 138, 139; NJW-RR 2006, 490, 490; Bork, ZIP 2008, 2053; Becker-Eberhard, in: Saenger u. a. (Hg.), FS Werner, 2009, 532, 536; Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Prozessvereinbarungen, P 62; ders., ebd. Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung Z 32; W. Münzberg, in: Stein/ Jonas  VII, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  117 f., 125, 128; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  101; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 132 f., 780 f.; 36 

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den unmittelbaren materiellrechtlichen Auswirkungen und der Einbettung in einen materiellrechtlichen Vertrag folgt, dass bestimmte Grundsätze des BGB, etwa §§  134, 123, 142 BGB, trotz der Qualifikation als Prozesserklärung anwendbar bleiben.44 Allgemein ist daher auch auf das EU-Verbrauchervertragsrecht zurückzugreifen, soweit dessen Tatbestände vorliegen. 2. AGB-Kontrolle Eine AGB-Kontrolle gem. §§  305 ff. BGB ist stets möglich. Dieselbe ist insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei der Unterwerfungserklärung um eine einseitige Erklärung handelt (a). Der Unternehmer gilt auch dann als Verwender der AGB, wenn dieselben vom Notar eingebracht wurden (b). Eine Unterwerfungserklärung ist aber nur dann AGB-rechtswidrig, wenn sie die Rechtsschutzmöglichkeiten des Verbrauchers unzumutbar beschneidet, was bei einer „normalen“ Unterwerfungserklärung nach deutschem Recht nicht der Fall ist (c). Regelmäßig AGB-rechtswidrig ist eine Verpflichtung, sich zukünftig der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen (d). a) Anwendbarkeit der §§  305 ff. BGB In ständiger Rechtsprechung werden die Unterwerfungserklärungen auf ihre Vereinbarkeit mit §§  305 ff. BGB kontrolliert, ungeachtet dessen, dass es sich um einseitige Prozesserklärungen handelt.45 Die Anwendung folgt nicht unmittelbar aus dem BGB, sondern daraus, dass §  17 BeurkG Anleihen am materiellen Recht nimmt und somit einen Rückgriff nicht nur erlaubt, sondern auch erfordert.46 Für Unterwerfungserklärungen Schlosser, in: Staudinger, 2013, §  305, Rn.  14; R. Stürner, ZZP 93, 1980, 233, 235; krit. Bachner, DNotZ 2008, 644, 650; Bork, ZIP 2009, 1261, 1262; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  138–140, 184; ders., DNotZ 1990, 531, 544; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 168 f. 44  Z. B. wenn das Verbotsgesetz auch die Unterwerfungserklärung erfassen möchte: BGH, NJW 1999, 51, 52; NJW 2003, 1594, 1595; NJW 1978, 1480, 1480; allgemein Bous, Rpfleger 2006, 357, 359; Becker-Eberhard, in: Saenger u. a. (Hg.), FS Werner, 2009, 532, 536; unklar hier Walker, in: Schuschke/Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  61; zur Bedingung und zu künftig entstehenden Ansprüchen: W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  117 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  184 f. 45  Z. B. BGH, NJW 1987, 904, 904; NJW 1991, 1677, 1677; NJW 2002, 138, 139; NJW-RR 2006, 490, 490; NJW 2010, 2041, 2042 f.; OLG Köln, NJW-RR 1999, 22, 22 f.; Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 32; ders., ebd., Teil  5 – Prozessvereinbarungen, P 62; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  117 f., 125, 128 (krit. Rn.  116–118); Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  101; Schlosser, in: Staudinger, 2013, §  305, Rn.  14; R. Stürner, ZZP 93, 1980, 233, 235; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 132 f., 780 f.; krit. Bachner, DNotZ 2008, 644, 650; Bork, ZIP 2008, 2053; ders., ZIP 2009, 1261, 1262; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 168 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  138–140, 184. 46  Z. B. BGH, NJW 1987, 904, 904; NJW 1991, 1677, 1677; NJW 2002, 138, 139; NJW-RR

A. Unterwerfungserklärung als „Verbrauchervertrag“

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folgte damit die Anwendung der Klausel-RL bereits aus dem Äquivalenzprinzip. Doch nimmt der EuGH bei Unterwerfungserkärungen ohne Diskussion ihrer Rechtsnatur eine AGB-Kontrolle vor.47 Er geht somit davon aus, dass die Klausel-RL stets unabhängig davon anwendbar ist, ob die Erklärung als prozessual oder materiellrechtlich einzuordnen ist (dazu bereits bei Schiedsvereinbarungen §  5 A. II.). Unerheblich ist auch, dass es sich um eine einseitige Erklärung handelt: „Vertrag“ i. S. d. RL ist funktional auszulegen und erfasst auch einseitige Erklärungen. Dieses Verständnis ergibt sich bereits aus Anh. Nr.  1 lit.  n der RL, der die Vollmachterteilung, ebenfalls ein einseitiges Rechtsgeschäft, als von der RL erfasst ansieht (zum im Unionsrecht weit zu verstehenden Vertragsbegriff bereits oben, §  2 A. I. 3.).48 Es besteht dasselbe materiellrechtliche Schutzbedürfnis wie bei korrespondierenden Erklärungen, wenn solche einseitigen Erklärungen in einem Vertragswerk vorformuliert und einseitig vorgegeben wurden, ohne dass der Vertragspartner des Verwenders Einfluss auf den Inhalt nehmen konnte.49 Der Empfänger der Erklärung erhält diese ebenfalls vorgegeben.50 Der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle ist daher entsprechend weit gefasst, Ausnahmen für ihre Anwendbarkeit sind ausdrücklich genannt.51 Ein Rückgriff auf das Äquivalenzprinzip ist somit nicht notwendig, da der Anwendungsvorrang des Unionsrechts greift. Der Tatbestand des §  307 Abs.  3 BGB, der für die Kontrollfähigkeit einer Vereinbarung die Abweichung von einer Rechtsvorschrift verlangt, ist ebenfalls erfüllt. Gesetzlicher Regelfall ist, dass ein Anspruch erst nach gerichtlicher Entscheidung tituliert werden kann. Einen Titel durch Parteierklärung zu schaffen, weicht von diesem Fall ab.52 2006, 490, 490; Becker-Eberhard, in: Saenger u. a. (Hg.), FS Werner, 2009, 532, 536; Bork, ZIP 2008, 2053; Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 32; ders., ebd., Teil  5 – Prozessvereinbarungen, P 62; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  117 f., 125, 128; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  101; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 132 f., 780 f.; Schlosser, in: Staudinger, 2013, §  305, Rn.  14; R. Stürner, ZZP 93, 1980, 233, 235; krit. Bachner, DNotZ 2008, 644, 650; Bork, ZIP 2009, 1261, 1262; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  138–140, 184; ders., DNotZ 1990, 531, 544; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 168 f. 47 EuGH, Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.   50; Kušionová, C-34/13, ECLI:EU:C:2014:2189; Freiburger Kommunalbauten, C-237/02, ECLI:EU:C:2004:209; Kas/Micklitz, EWS 2018, 181, 198. 48  Pfeiffer, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  7 – Art.  1, Rn.  9; R. Stürner, ZZP 93, 1980, 233, 235. 49  Baur, in: Frotz/Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 318; Bork, ZIP 2008, 2053. 50  Bork, ZIP 2008, 2053; Mankowski, JZ 2010, 662, 667; R. Stürner, ZZP 93, 1980, 233, 235; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 132 f. 51 Bereits Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur, Beiträge, 1986, 307, 313; M. Wolf, in: Grunsky u. a. (Hg.), FS Baur, 1981, 147, 150 f. 52  Bork, ZIP 2008, 2052; Mentis, Schranken prozessualer Klauseln in AGB, 1994, 276 f.; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  128.

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§  6 Vollstreckbare Urkunde

b) Unternehmer als „Steller“ und „Verwender“ bei notariell entworfenen Klauseln Entwirft der Notar die Vertragsklauseln, gelten diese regelmäßig als vom Unternehmer „gestellt“. Letzterer ist dann „Verwender“ i. S. d. §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB. Nach dieser Norm gelten AGB im B2C-Verhältnis als vom Unternehmer gestellt, wenn sie nicht vom Verbraucher in den Vertrag eingebracht wurden. Bereits vor Inkrafttreten der Klausel-RL wurde zum deutschen Recht diskutiert, ob von Notaren entworfene Standardklauseln der Inhaltskontrolle unterfallen. Umstritten war, ob vom Notar entworfene Klauseln, die dieser mehrfach verwendete, dem Unternehmer in bestimmten Fällen zuzurechnen waren, etwa dadurch, dass eine Geschäftsbeziehung zwischen Verwender und Notar bestand53 oder er auf einer Einbeziehung der AGB beharrte.54 Seit Umsetzung der Klausel-RL und Einführung von §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB, welcher richtlinienkonform gerade nicht davon ausgeht, dass die Klauseln von ihrem Verwender entworfen worden sein müssen, unterfallen auch von Dritten entwickelte, mehrfach von diesem verwendete Klauseln der Inhaltskontrolle. Dies gilt selbst dann, wenn an diesen Dritten vom Recht besondere Neutralitätserfordernisse gestellt werden wie an den Notar nach dem BeurkG (§§  6 f. BeurkG).55 Damit ein Aushandeln i. S. d. §§  305, 305b BGB vorliegt, reicht die Belehrung durch den Notar nicht aus. Denn die Belehrung hat nicht zwangsläufig zur Folge, dass die Klauseln zur Disposition gestellt und damit ausgehandelt werden.56 Eine solche Behandlung ist auch sachgerecht, da die Klausel-RL der einseitigen Vertragsgestaltung entgegenwirken und für den Unternehmer Rechts­ sicherheit schaffen soll, wann eine AGB-Kontrolle notwendig ist: Der Unternehmer ist regelmäßig derjenige, der im Massenverkehr den Ablauf des Vertragsschlusses beim Notar bestimmt und organisiert. Er hat im Gegensatz zum Verbraucher im Vorfeld des Vertragsschlusses die Möglichkeit, den Notar zu instruieren, wie der Vertrag konzipiert werden soll. Er hat es daher in der Hand, 53 

Habersack, AcP 189, 1989, 403, 417–420. NJW 1992, 2160, 2161; NJW 2002, 138, 139; Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 2000, 116 f.; krit. Medicus, Zur gerichtlichen Inhaltskontrolle notarieller Verträge, 1989, 13 f. 55  BT-Drs. 13/2713, 7; BGH, NJW 2002, 138, 139; Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 2000, 106–109; Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 32; Kaufhold, DNotZ 1998, 254, 260 f., 263 f.; C. Kern, DNotZ-Sonderheft 2016, 46, 48; N. Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, 1995, 16 f.; krit. Bork, ZIP 2009, 1261, 1262; a. A. K. Winkler, in: ders. (Hg.), BeurkG, 18.  Aufl., 2017, §  4, Rn.  20. 56  Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 2000, 106–109; Bork, ZIP 2008, 2052; Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 32; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 163–165; wohl großzügiger Limmer, in: Rheinische Notarkammer u. a. (Hg.), FS des Rheinischen Notariats, 1998, 15, 47 f. 54  BGH,

A. Unterwerfungserklärung als „Verbrauchervertrag“

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individuelle Vereinbarungen auszuhandeln oder den Notar dazu zu bringen, solche Individualverhandlungen anzustoßen.57 Sorgt der Unternehmer für ein derartiges Aushandeln, entgeht er der Kontrolle. Ersucht er den Notar darum und dieser verwendet vorgefertigte Klauseln, kann er gegebenenfalls beim Notar Regress nehmen. Ebenso werden dem Unternehmer Anreize gesetzt, darauf hinzuwirken, dass der Notar ausgewogene Klauseln i. S. d. §§  307 ff. BGB stellt. Die vom EU-Recht ebenfalls angestrebte Disziplinierung der Unternehmer, die Verträge, die ihnen nützen, marktkonform zu konzipieren, wird damit besonders effektiv durchgesetzt (ausführlich bereits §  2 A. III. 4.). Im Gegensatz dazu fehlen dem Verbraucher schon aus Unwissenheit diese vorgelagerten Einwirkungsmöglichkeiten.58 Diese Ungleichgewichtslage wird dadurch ausgeglichen, dass auch vom Notar eingebrachte Klauseln als vom Unternehmer gestellt behandelt werden. c) Keine allgemeine AGB-Rechtswidrigkeit Die AGB-Rechtswidrigkeit führt zur Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung.59 Die grundsätzliche Kontrollfähigkeit von Unterwerfungserklärungen bedeutet jedoch nicht, dass jede in AGB enthaltene Erklärung eines Verbrauchers, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen, automatisch unwirksam wäre.60 Zum einen hat der Notar über den Vertragsinhalt zu belehren. Erfolgt die Belehrung, ist die Unterwerfungserklärung regelmäßig nicht überraschend i. S. d. §  305c Abs.  1 BGB. 61 Zum anderen ist die Unterwerfungserklärung in Darlehens- und Sicherungsverträgen üblich, sodass damit gerechnet werden kann. 62 Auch ist kein absolutes Klauselverbot einschlägig: Die vollstreckbare Urkunde verändert nicht die Beweislastverteilung zwischen Verbraucher und Unternehmer, sodass das einzig in Betracht kommende Verbot des §  309 Nr.  12 BGB nicht einschlägig ist. 63 57  Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 2000, 106–109; Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 32; Limmer, in: Rheinische Notarkammer u. a. (Hg.), FS des Rheinischen Notariats, 1998, 15, 47 f. 58  Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 2000, 116 f. 59  Z. B. BGH, NJW 2010, 2041, 2042 f.; Preuß, in: Armbrüster u. a. (Hg.), BeurkG und DONot, 7.  Aufl., 2015, §  4, Rn.  13; Armbrüster, in: Armbrüster u. a. (Hg.), BeurkG und DONot, 7.  Aufl., 2015, §  17, Rn.  48. 60  Ausführlich etwa BGH, NJW 1987, 904, 906; NJW 2010, 2041, 2041–2143; anders noch LG Hamburg, NJW 2008, 2784, 2786; vgl. auch ausführliche Prüfung bei BGH, NJW 2002, 138, 139 f. 61  BGH, NJW 2002, 138, 139; Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 32. 62  BGH, NJW-RR 2006, 490, 491; Bork, ZIP 2008, 2052; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  102. 63  BGH, NJW 2002, 138, 139; BGH, NJW 2010, 2041, 2043; Bork, ZIP 2008, 2056; Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 33;

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§  6 Vollstreckbare Urkunde

Schließlich benachteiligt nicht jede formularmäßig abgegebene Unterwerfungserklärung den Vertragspartner des Verwenders unverhältnismäßig i. S. d. §  307 Abs.  1 S.  1 BGB. Auch im B2C-Verhältnis ist hiervon nicht auszugehen (siehe bereits oben, I. 2., 3.).64 Der Verbraucher wird zwar faktisch dazu gezwungen, aktiv zu werden, sollte der titulierte Anspruch nicht bestehen, und Vollstreckungsgegenklage nach §  767 ZPO oder Titelgegenklage analog §  767 ZPO zu erheben oder einstweiligen Rechtsschutz zu suchen (dazu bereits oben, I. 2.). Dies stellt ihn schlechter, als er ohne die Unterwerfungserklärung stünde. 65 Zugleich besteht aber auf Unternehmerseite regelmäßig ein Interesse an einer zügigen, unproblematischen Durchsetzung seiner Ansprüche, jedenfalls soweit der Anspruch besteht, der diese Einschränkung rechtfertigt. 66 Auch für den Fall, dass der Anspruch im titulierten Umfang nicht vorliegt, werden dem Verbraucher seine Rechtsschutzmöglichkeiten nicht unzumutbar abgeschnitten. 67 Das EU-Recht geht nicht davon aus, dass der Verbraucher stets beschwert ist, sobald er seine passive Rolle bei der Rechtewahrnehmung verliert. Stattdessen verlangt es von ihm, dass er in zumutbaren Grenzen seine Rechte selbst geltend macht. Die Unterwerfung darf nur im Gesamtgefüge des Vertrags nicht dazu führen, dass der Verbraucher keine Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes hat und der Zugriff auf sein Vermögen daher zu irreparablen Einbußen führen kann. 68 Ebenso darf kein Ungleichgewicht in dem Sinn vorliegen, dass nur dem Unternehmer bestimmte Rechtsbehelfe zustehen. 69 Solange diese beiden Punkte nicht hinzukommen, genügen der allgemeine Rechtsschutz nach §  767 ZPO (analog) sowie die Möglichkeiten des einst­weiligen Rechtsschutzes.70 Unterwerfungserklärung sind damit nicht grundsätzlich AGB-rechtswidrig. Heinze, AcP 211, 2011, 105, 120; krit. W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  128; a. A. noch LG Hamburg, NJW 2008, 2784, 2786. 64  A. A. Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 35 f. 65 EuGH, Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.   45; Bork, ZIP 2008, 2053; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 354 f.; wohl Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 35 f.; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  128. 66  Z. B. dazu Smid, Rechtsprechung, 1990, 226 f.; zur Ausnahme etwa BGH, NJW 2002, 138, 140. 67  Bork, ZIP 2008, 2053 f.; ders., ZIP 2009, 1261, 1263. 68  EuGH, Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.  50. 69 EuGH, Sánchez Morcillo & Abril García, C-169/14, ECLI:EU:C:2014:2099 Rn.   35, 44–46; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  140. 70  Zum gesamten Absatz Bork, ZIP 2008, 2053–2055; ders., ZIP 2009, 1261, 1263; Mentis, Schranken prozessualer Klauseln in AGB, 1994, 276 f.; Sternke, Prozessuale Klauseln in AGB, 1993, 168 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 142, 148 f., 155 f.; Walker, in: Schuschke/Walker (Hg.), Vollstreckung, 6.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  59; krit. Bachner, DNotZ 2008, 644, 650 f.; ebenso zur Verpflichtung der Abgabe der Erklärung Heinze, AcP 211, 2011, 105, 118; W ­ olfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  139, 142.

A. Unterwerfungserklärung als „Verbrauchervertrag“

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d) Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung Verpflichtungen, die im Vorfeld der Unterwerfungserklärung abgegeben werden und auf dieselbe hinauslaufen sollen, sind regelmäßig AGB-rechtswidrig: Unzulässig nach §  309 Nr.  14 BGB sind zunächst Vereinbarungen in AGB, in denen verpflichtend vor Erhebung einer Klage zunächst der Versuch einer Einigung vor einem Notar durchgeführt werden muss.71 Darüber hinaus ist eine Verpflichtung, eine Unterwerfungserklärung abzugeben, nur möglich, wenn der Verbraucher vorher notariell über die Folgen belehrt und aufgeklärt wurde (oben I. 2.). In diesem Fall ist die Verpflichtung nicht überraschend i. S. d. §  305c Abs.  1 BGB. Sie ist aber regelmäßig unklar i. S. d. §  307 Abs.  1 S.  2 BGB. Denn auch vom mündigen, informierbaren Verbraucher kann nicht erwartet werden, dass er sich unmittelbar nach der Belehrung im Klaren darüber ist, was es rechtlich bedeutet, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen und (lediglich) auf die Rechtsmittel der Zwangsvollstreckung angewiesen zu sein. Die Gefahr bei AGB-Klauselwerken, dass der Verbraucher den Vertrag schließt, obwohl er mit einer einzelnen Klausel nicht einverstanden ist, besteht auch bezogen auf diese Verpflichtung. Der Notar kann somit zwar dafür Sorge tragen, dass die Klausel, die zu einem späteren Verfahren vor dem Notar führt, den Verbraucher nicht überrascht. Seine Anwesenheit und Belehrung sorgt aber nicht dafür, dass der Verbraucher eine autonome Entscheidung fällt, sodass die Gefahr fortbesteht, der das AGB-Recht begegnen soll. Aus diesem Grund ist eine solche Vereinbarung nur möglich, wenn sie real zur Disposition der Parteien stand – d. h. in Fällen, in denen §§  305 ff. BGB nach §  305b BGB nicht anwendbar sind.72 3. Informationspflichten und Widerrufsrechte Die notarielle Unterwerfungserklärung löst aus Sicht des EU-Rechts keine Informationspflichten aus. Nur der materiellrechtliche Anspruch, den sie tituliert, kann in einen materiellrechtlichen Vertrag eingebettet sein, bei welchem Informationspflichten entstehen. Die Informationspflichten sind aber eventuell reduziert: Wurde auch der Vertrag vor dem Notar geschlossen, führt dessen Belehrung gem. §  312 Abs.  2 Nr.  1 lit.  b Var.  2 BGB dazu, dass die Informationspflichten regelmäßig entfallen.73 Ähnliches gilt für das Widerrufsrecht: Auch dieses entsteht nur hinsichtlich des vertraglichen Anspruchs, in dessen sofortige Vollstreckung der Schuldner sich vor dem Notar unterwirft, soweit das Widerrufsrecht nicht in derselben 71 

Z. B. allgemein Weiler, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.10.2019, §  309 Nr.  14, Rn.  27. Hau, in: Wolf u. a. (Hg.), AGB-Recht, 6.  Aufl., 2013, Teil  5 – Vollstreckungsunterwerfung, Z 32. 73 Zur Parallele beim Verbraucherdarlehensvertrag: Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 747 f. 72 Ähnlich

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§  6 Vollstreckbare Urkunde

Situation aufgrund notarieller Belehrung gar nicht erst entsteht (§  312 Abs.  2 Nr.  1 lit.  b Var.  2 BGB).74

III. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Unterwerfungserklärung Durch die Unterwerfungserklärung findet nur eine faktische Disposition über zwingendes Recht statt, da die vollstreckbare Urkunde vom materiellen Recht unabhängig bleibt (1.). Allerdings besteht der Grundsatz, dass die Titulierung gesetzeswidriger Ansprüche, auch solcher des Verbraucherrechts, zur Nichtigkeit der Urkunde führt. Aus dem Äquivalenzprinzip ergibt sich daher die Pflicht, Verstöße gegen das EU-Verbrauchervertragsrecht entsprechend zu behandeln (2.). Eine Rückausnahme besteht in dem Fall, dass der Notar als Streitmittler i. S. d. VSBG tätig wird und einen Schlichtungsvorschlag nach den Grundsätzen des §  19 VSBG macht (3.). 1. Wirksamkeit von dem materiellen Recht widersprechenden Unterwerfungserklärungen als Grundsatz Durch die Unterwerfungserklärung findet grundsätzlich keine Disposition über das EU-Verbrauchervertragsrecht statt: Der Schuldgrund, d. h. der materiellrechtliche Anspruch, welcher der Vollstreckung zugrunde liegt, bleibt rechtlich unabhängig vom Inhalt der Urkunde.75 Er muss nur insoweit genannt werden, wie er notwendig ist, um die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen, d. h. er muss hinreichend bestimmt und individualisierbar sein.76 Der Titel verändert das materielle Recht also nicht:77 Selbst wenn kein wirksamer Vertrag zwischen Unterwerfungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger besteht, berührt dies nicht die formelle Wirksamkeit und daher die Vollstreckbarkeit.78 Wurde die Erklärung formal korrekt abgegeben und die Urkunde vom Notar entsprechend aufgesetzt, ist es für die Vollstreckbarkeit unerheblich, ob die materiellrechtlichen Beziehungen gesetzeskonform sind.79 Erforderlich ist nur, dass der Unter74  Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  143; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung, 2014, 747 f. 75  BGH, NJW 1985, 2423, 2424; NJW 1997, 2887, 2888; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  105, 117 f., 125; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  90, 92; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  151. 76  W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  116–118. 77 BGH, NJW 1990, 258, 259; NJW 1999, 51, 51; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  130. 78  BGH, NJW 1978, 1480, 1480; NJW 1985, 2423, 2423; NJW 1992, 2160, 2160; NJW 1997, 2887, 2888; NJW 1999, 51, 52; NJW 2009, 1887, 1888; Lackmann, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  794, Rn.  35; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  137, 262. 79  BGH, NJW 2009, 1887, 1888 (unklar noch BGH, NJW 1999, 51, 52); Münch, Vollstreck-

A. Unterwerfungserklärung als „Verbrauchervertrag“

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werfungsgegenstand zulässig i. S. d. §  794 Abs.  1 Nr.  5 ZPO ist (s. o., I. 1.). Besteht der Anspruch nicht oder nicht wie tituliert, kann der Gläubiger dennoch vollstrecken und der Schuldner muss sich dagegen mit den Mitteln der Zwangsvollstreckung wehren (§§  795, 732, §§  767 i. V. m. 797 Abs.  4 ZPO).80 2. Unwirksamkeit bei sitten- und gesetzeswidrigen Ansprüchen und Einfluss des Äquivalenzprinzips Trotz dieses allgemeinen Grundsatzes sind Unterwerfungserklärungen bei Ansprüchen, die EU-Verbrauchervertragsrecht widersprechen, nichtig. Dies ergibt sich aus dem deutschen Recht i. V. m. dem Äquivalenzprinzip. Der Titel ist stets unwirksam, wenn der zugrunde liegende Anspruch sittenoder gesetzeswidrig dergestalt ist, dass das Gesetz, gegen das verstoßen wird, nicht nur das materiellrechtliche Rechtsgeschäft selbst verhindern soll, sondern auch seinen Erfolg.81 Auch im deutschen Recht setzt sich die Unwirksamkeit des materiellen Rechts also dann bei der Unterwerfungserklärung fort, wenn die rechtswidrige Rechtslage nicht verstärkt oder durchgesetzt werden soll. Dies gilt insbesondere auch nach deutscher Rechtsprechung für Regelungen des nationalen Verbrauchervertragsrechts, da diese den Verbraucher vor Vermögensschäden durch eine verbraucherrechtswidrige Rechtslage schützen sollen. 82 Die Unterwerfungserklärung ist in diesem Fall nichtig, was die Unwirksamkeit der Urkunde nach sich zieht. 83 Liegt ein Verstoß gegen zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht vor, greift hier das Äquivalenzprinzip (§  2 B. II. 3.): EU-Verbraucherrechtsregelungen werden wie die gesetzlichen Verbote behandelt, die befolgt werden müssen, da ein Verstoß zur Unwirksamkeit des Titels führt.84 Ein inhaltlicher Verstoß gegen diese Regelungen kann also nicht wirksam tituliert werden.

bare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 168; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  129; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  137, 215, 264. 80  BT-Drs. 13/341, 20; BGH, NJW 1997, 2887, 2888; NJW 1992, 2160, 2160; NJW 1985, 2423, 2424; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  129; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  135, 201. 81  BGH, NJW 1999, 51, 52; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2000, 548, 548; ähnlich BGH, NJW 2009, 1887, 1888. 82  BGH, NJW 1999, 51, 52 kritisch zum „Verbraucherschutz“ [sic]: Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  137. 83  BGH, NJW 1999, 51, 51; NJW 2009, 1887, 1888; Usinger, DNotZ 2008, 884, 884; krit. Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  206. 84  Etwa BGH, NJW 1999, 51, 51; vgl. etwa (außerhalb des Verbraucherkontexts): EuGH, Möllendorf & Möllendorf-Niehuus, C-117/06, ECLI:EU:C:2007:596; dazu Usinger, DNotZ 2008, 884, 884 f., 887.

442

§  6 Vollstreckbare Urkunde

Ist der Titel wegen Gesetzes- oder Sittenverstoßes nichtig, so kann der Vollstreckungsschuldner sich mit der Titelgegenklage, die nach h. M. analog §§  767, 797 Abs.  4 ZPO zulässig ist, gegen die Zwangsvollstreckung wehren.85 3. Zulässigkeit der Dispositionen über zwingendes Recht im Verfahren nach §  19 VSBG Ein Notar, der eine notarielle Urkunde als Streitmittler i. S. d. VSBG und als Ergebnis eines Schlichtungsvorschlags i. S. d. §  19 VSBG aufsetzt, kann den Parteien in den Fällen, die in §  2 A. VI. herausgearbeitet wurden, Abweichungen vom geltenden Recht erlauben. Notare, die als Streitmittler vor einer Streitbeilegungsstelle i. S. d. VSBG auftreten und zugleich eine vollstreckbare Urkunde erstellen, werden vom VSBG erfasst. Ein in einem VSBG-Verfahren entstandener Schlichtungsvorschlag fällt unter §  19 VSBG.86 Es handelt sich tatbestandlich um die Fälle, in denen eine Entscheidung nach Beweislastregeln ausnahmsweise unbillig wäre, da der Beweis im Verfahren nach §  19 VSBG nicht möglich ist oder sehr umständlich zu erbringen wäre. In diesem Fall darf der Streitmittler (dann: Notar) ausnahmsweise einen Vergleichsvorschlag machen, der gerade aufgrund dieser Beweisschwierigkeiten vom zwingenden Recht abweicht und stattdessen der Billigkeit entspricht (ausführlich §  2 A. VI.). Er muss allerdings offenlegen, wie er zum Ergebnis kommt, und darauf hinweisen, dass eine Gerichtsverhandlung aufgrund der dort zu lösenden Beweisfrage anders ausfallen kann, §  19 Abs.  3 VSBG. Da das EU-Recht eine Ausnahme erlaubt, fallen die einschlägigen EU-Normen, deren Anwendung in Zweifel steht, nicht unter die Regelungen des ordre public oder der Sittengesetze, da kein Rechtsverstoß vorliegt. Eine Disposition über zwingendes Recht führt in diesem Fall dazu, dass der Titel und der ihm zugrundeliegende materiellrechtliche Anspruch übereinstimmen. Eine Vollstreckungsgegenklage gem. §§  767, 797 Abs.  4 ZPO scheitert daran, dass der Titel dem materiellen Recht entspricht.

IV. Zwischenergebnis Die Unterwerfungserklärung bezogen auf einen Anspruch aus einem B2C-Rechtsverhältnis ist sowohl nach deutschem als auch EU-Recht zulässig: Es bestehen Möglichkeiten, ein Gericht zur Klärung der materiellen Rechtslage und zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes anzurufen. Die Unterwerfungserklärung unterfällt der AGB-Kontrolle i. S. d. Klausel-RL. Vom Notar eingebrachte Klauseln werden als vom Unternehmer gestellt angesehen. Ver85 

BGH, NJW 2010, 2041, 2041 f.; krit. Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531, 544. aber kritischer zu Anreizen für die Notare: Kotzur, Außergerichtliche Realisierung, 2018, 304 f. 86  Ähnlich,

B. Inhaltliche Kontrolle durch den Notar

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stößt der materiellrechtliche Anspruch gegen Unionsrecht, ist die Beurkundung nichtig; dies ergibt sich aus dem Äquivalenzprinzip, da sitten- und gesetzeswidrige Ansprüche bereits nach autonomen Recht diese Folge nach sich ziehen.

B. Inhaltliche Kontrolle durch den Notar Die notariellen Pflichten bei der Beurkundung ergeben sich aus dem einfachen Recht, welches wiederum verfassungs- und unionsrechtskonform auszulegen ist. Es besteht eine Beurkundungspflicht, es sei denn, die Titulierung selbst ist nichtig. (I.). Dies ist auch verfassungs- und unionsrechtskonform (II. und III.), da regelmäßig ein Verstoß gegen Unionsrecht zu Nichtigkeit führt. Bei Zweifeln ist eine Belehrung ausreichend, da dieselbe eine autonome Parteientscheidung sichert und ein Gang zu Gericht nicht ausgeschlossen wird.

I. Beurkundungspflicht unabhängig vom materiellen Recht als Ausgangspunkt Den Notar trifft eine Reihe von Amtspflichten. Er muss innerhalb seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form tätig werden.87 Das Unterwerfungsverfahren ist bewusst so konzipiert, dass es nicht auf die materielle Rechtslage ankommt. Die Entscheidung über letztere bleibt den Gerichten überlassen.88 Die notarielle Urkunde ist darauf ausgerichtet, dem Rechtsverkehr eine schnelle und unproblematische Vollstreckung zu ermöglichen, ohne dass eine weitere inhaltliche Prüfung vorgenommen wird. 89 Dieser Hintergrund führt dazu, dass der Notar gem. §  15 Abs.  1 S.  1 BNotO zur Eröffnung des Beurkundungsverfahrens90 mit dem Ziel der Beurkundung verpflichtet ist. Eine Ablehnung ist nach der Norm nur ausnahmsweise, bei „ausreichendem Grund“ zulässig. Als solch ein Grund kommen verfahrensrechtliche Gründe in Betracht, etwa ein Mitwirkungsverbot gem. §   3 BeurkG oder Befangenheitsgründe gem. §   16 Abs.  2 BNotO.91 Daneben greifen in einem engen Rahmen materiellrechtliche Gründe, insbesondere dass mit der Titulierung erkennbar rechtswidrige oder 87 

W. Münzberg, in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  794, Rn.  107. BGH, NJW 1979, 928, 928; Reithmann, in: Bracker/Seybold (Hg.), BNotO, 9.  Aufl., 2011, §  15, Rn.  50; J. Weber, NJW 2015, 2619, 2619; J. Winkler, RNotZ 2019, 117, 118; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  214, 255. 89  Malzer, DNotZ 2000, 169, 180; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, 175 f.; Smid, Rechtsprechung, 1990,226 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  146; ders., DNotZ 1990, 531, 532. 90  Reithmann, in: Bracker/Seybold (Hg.), BNotO, 9.  Aufl., 2011, §  15, Rn.  17. 91  Z. B. Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur, Beiträge, 1986, 307, 314 f.; Grziwotz, BeurkG, 3.  Aufl., 2018, §  4, Rn.  13; Preuß, in: Armbrüster u. a. (Hg.), BeurkG und DONot, 7.  Aufl., 2015, §  4, Rn.  6 f. 88 Z.  B.

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§  6 Vollstreckbare Urkunde

unredliche Zwecke i. S. d. §  4 BeurkG, §  14 Abs.  2 S.  1 BNotO verfolgt würden. Diese machen eine Beurkundung mit den Amtspflichten des Notars unvereinbar.92 Es muss sich um offensichtliche, fundamentale Fehler handeln, damit der Notar die Beurkundung ablehnen darf, etwa wenn der Gläubiger dem Notar einen unredlichen Zweck gesteht.93 Ein solcher rechtswidriger Zweck liegt nicht bereits vor, wenn der Anspruch materiellrechtlich nicht existiert, sondern es müssen subjektive Komponenten, etwa eine Betrugsabsicht, hinzukommen.94 Der Notar muss vom Vorliegen dieser Gründe überzeugt sein. Hat er nur Zweifel, ist aber nicht überzeugt, kann er die Beurkundung ebenfalls ablehnen, er hat insofern Ermessen.95 Hat der Notar allgemein nur Zweifel daran, ob der Titel dem materiellen Recht entspricht, muss er diese Zweifel als Teil seiner Belehrungspflichten i. R. d. §  17 Abs.  2 BeurkG äußern, dann aber die Beurkundung vornehmen.96 Von dieser Pflicht gibt es eine weitere gewichtige Ausnahme: Der Notar hat die sich aus der Redlichkeit der Amtsführung (§  14 Abs.  2 BNotO) ergebende Amtspflicht, keinen nichtigen Titel zu schaffen. Er muss in diesem Fall die Beurkundung gem. §  4 BeurkG verweigern.97 Diese einfachgesetzliche Ausgestaltung ist verfassungskonform (II.). Sie ist auch mit den Vorgaben des Unionsrechts zu vereinen: Der Notar muss im Fall der Nichtigkeit die Beurkundung verweigern, da ein Verstoß gegen Unionsrecht stets die Nichtigkeit mit sich bringt. Bei Unsicherheit über die Rechtslage ist eine Belehrung über die Zweifel ausreichend (III.).

II. Verfassungsrechtliche Position Als Amtsträger ist der Notar unmittelbar hoheitlich tätig und an die Grundrechte gebunden.98 Die Verfassung verlangt nicht über die einfachgesetzlichen 92  Grziwotz, BeurkG, 3.  Aufl., 2018, §  4, Rn.  13–23; K. Winkler, in: ders. (Hg.), BeurkG, 18.  Aufl., 2017, §  4, Rn.  3 f. 93  Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, 2001, 46  f.; Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 41; W. Münzberg, ZZP 104, 1991, 227, 236; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  205 f.; vgl. Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 243 f. 94  Z. B. BayObLG, DNotZ 1998, 194, 195 f.; Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 41; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  166, 214, 255. 95  Z. B. LG Wuppertal, MittBayNot 1994, 273, 273 f.; K. Winkler, in: ders. (Hg.), BeurkG, 18.  Aufl., 2017, §  4, Rn.  4 f. 96  Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, 2001, 46 f.; Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 197; Reithmann, in: Bracker/Seybold (Hg.), BNotO, 9.  Aufl., 2011, §  15, Rn.  54; differenzierend Grziwotz, BeurkG, 3.  Aufl., 2018, §  4, Rn.  25, 30; a. A. (geringere Hinweispflicht) Riemenschneider, in: Grziwotz/Koeble (Hg.), Handbuch Bauträgerrecht, 2004, 3.  Teil, Rn.  179 f. 97  Z. B. Hertel, in: Staudinger, 2017, BeurkG, Rn.   4 48 f.; K. Winkler, in: ders. (Hg.), BeurkG, 18.  Aufl., 2017, §  4, Rn.  8 f.; Preuß, in: Armbrüster u. a. (Hg.), BeurkG und DONot, 7.  Aufl., 2015, §  4, Rn.  12, 14; Usinger, DNotZ 2008, 884, 884 f. 98  Ausführlich etwa Ritter, NotBZ 2009, 91, 91 f.

B. Inhaltliche Kontrolle durch den Notar

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Vorgaben hinaus, dass der Notar die Beurkundung verweigert, wenn der Anspruch materiellrechtlich nicht existiert. Sie gebietet nur, dass die Parteien wissen, worauf sie verzichten. Diese Wertung geht darauf zurück, dass die Unterwerfungserklärung vom materiellen Recht unabhängig ist. Die Unterwerfungserklärung ändert somit nichts an dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger, hier Verbraucher und Unternehmer. Sollte der Titel nicht mit dem materiellen Recht übereinstimmen, ist der Titel materiellrechtswidrig und kann als solcher im Zwangsvollstreckungsverfahren angegriffen werden (dazu oben A. III. 1.). Die vollstreckbare Urkunde und der zugrundeliegende Anspruch bleiben getrennt und erwachsen nicht in Rechtskraft, sodass ein Gericht eine volle inhaltliche Prüfung des materiellen Rechts vornehmen kann. Somit ist der Eingriff in die Justizgewährleistung durch die faktische, aber nicht rechtliche Ausschlusswirkung nicht so umfangreich wie etwa bei einem Schiedsverfahren.99 Die notarielle Unterwerfungserklärung führt aber dennoch zu einem Verzicht auf bestimmte Aspekte der Justizgewährleistung, da ein Gerichtsverfahren überflüssig wird: Ohne weitere inhaltliche Sachprüfung ist eine Vollstreckung möglich, d. h. der staatliche Zugriff auf die Rechtsgüter des Vollstreckungsschuldners, sodass der notarielle Akt die gerichtliche Entscheidung faktisch ersetzt.100 Gerechtfertigt ist dieser Eingriff durch die Parteiautonomie (dazu §  1 C.).101 Der Notar ist zugleich die einzige hoheitlich tätige Stelle, die bei der Titelschaffung involviert ist.102 Selbst in späteren Gerichtsverfahren reduziert die Beurkundung die richterliche Prüfungsmöglichkeit. Der Beurkundung der Erklärung kommt eine besondere Beweiskraft zu (§§  415 Abs.  1, 418 Abs.  1 ZPO): In einem späteren Verfahren ist ein Bestreiten der Einigung ausgeschlossen.103 Der Notar muss im Rahmen seiner Amtspflicht daher sicherstellen, dass die zu beurkundende Erklärung frei von Willensmängeln i. S. d. einfachen Rechts zustande gekommen ist.104 Wie hoch die Prüfungsdichte des Notars sein muss, hängt davon ab, inwieweit dieser besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, dass die beurkundete Erklärung rechtmäßig ist, und damit die staatlichen Gewährleistungspflichten, 99  Detterbeck, in: Sachs (Hg.), GG, 7.  Aufl., 2014, Art.  92, Rn.  29; Malzer, DNotZ 2000, 169, 180. 100  Malzer, DNotZ 2000, 169, 180; Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 173 f.; Waldhoff, ZZP 127, 2014, 3, 10 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  146. 101  Ritter, NotBZ 2009, 91, 92; W. Münzberg, ZZP 104, 1991, 227, 233. 102  §  1 BNotO; BVerfG, NJW 2012, 2639, 2640 f.; Bormann, in: Bruns u. a. (Hg.), FS Stürner I-2, 2013, 983, 983; Waldhoff, ZZP 127, 2014, 3, 8 f., 15; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  146. 103  Z. B. BGH, NJW-RR 2006, 847, 848; vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 97 f.; daher durch die Beurkundung eine Beschränkung des rechtlichen Gehörs annehmend: Waldhoff, ZZP 127, 2014, 3, 10. 104  Waldhoff, ZZP 127, 2014, 3, 12.

446

§  6 Vollstreckbare Urkunde

die er umzusetzen hat, steigen (dazu Teil  1 D.). Den Parteien ist zwar erkennbar, dass der Notar kein Richter, sondern Teil der vorsorgenden Rechtspflege105 ist. Allerdings erzeugt der Staat besonderes anderes Vertrauen in die Fähigkeiten eines Notars: Er sieht neben der Ausbildung zum Volljuristen eine besondere Eignungsprüfung vor. Auch regelt er die Tätigkeit des Notars gesetzlich (Zuständigkeit, Gebühren etc.) und zeichnet sie besonders aus (Wappen, Siegel etc.).106 Als Organ der Rechtspflege, das besondere hoheitliche Aufgaben wahrnimmt und für Fehler speziell gem. §  19 BNotO haftet, wird er als derart ge­ eignet angesehen, das objektive Recht zu gewährleisten, dass eine weitere Kontrolle des materiellen Rechts unterbleibt.107 Diese Einschätzung wird auch durch die besondere Position des Notars den Parteien kommuniziert. Durch ausdrückliche Regelungen zu Qualifikation, Neutralität und Unparteilichkeit108 erzeugt der Staat Vertrauen, dass die notarielle Tätigkeit besonderen Rechtsstaatlichkeitsanforderungen genügt.109 Es wird der Eindruck erweckt, dass der Notar durch Belehrung und Aufklärung in besonderer Weise den Schutz des sich unterwerfenden Schuldners sicherstellt110 und der Notar nur rechtmäßige Urkunden schafft.111 Aus diesem Vertrauen resultiert die Pflicht, sicherzustellen, dass die Parteien ihre Erklärungen in vollem Bewusstsein ihrer Folgen und des Umfangs des Verzichts abgeben.112 Der Notar muss die Parteien umfassend belehren dergestalt, dass die Vertragsparität hergestellt und informationelle Machtgleichheit erzielt wird, insbesondere gem. §  17 BeurkG.113 Da der Notar diese Pflicht hat, ist die rechtliche Ausgestaltung des Verzichts auf Aspekte des Justizgewährleistungsanspruchs verfassungsgemäß, solange er ihr nachkommt.

105 

Zum Begriff z. B. BVerfG, NJW 2012, 2639, 2641. Ritter, NotBZ 2009, 91, 91; Waldhoff, ZZP 127, 2014, 3, 18–21; ähnlich auch Smid, Rechtsprechung, 1990, 205 f.; Gaier, DNotZ-Sonderheft 2016, 25, 28. 107  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 209; Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 177 f. 108  Waldhoff, ZZP 127, 2014, 3, 15 f.; Gaier, DNotZ-Sonderheft 2016, 25, 30. 109  Malzer, DNotZ 2000, 169, 175. 110  BT-Drs. 13/314, 20; vgl. auch Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, 2012, 246–249; Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur, Beiträge, 1986, 307, 307; K. Wagner, DNotZ 2000, 421, 429. 111 BT-Drs. 13/314, 55; krit. Baur, in: Frotz/Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 322; ­Mankowski, JZ 2010, 662, 666 f. 112  BGH, NJW 1995, 330, 331; NJW 1996, 1675, 1675; NJW-RR 2007, 895, 895; vgl. auch EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  54–58; ähnlich, aber krit. zur Praxis Baur, in: Frotz/Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 322. 113  Limmer, in: Rheinische Notarkammer u. a. (Hg.), FS des Rheinischen Notariats, 1998, 15, 39; Reithmann, DNotZ 1975, 324, 343 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  145, 202–207. 106 

B. Inhaltliche Kontrolle durch den Notar

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III. Besonderheiten bei Verstoß gegen EU-Verbrauchervertragsrecht Allgemein besteht kein Ablehnungsrecht und erst recht keine Ablehnungspflicht, wenn der zu titulierende Anspruch gegen zwingendes Recht verstößt, auch zwingendes Recht unionsrechtlicher Herkunft.114 Hierzu gibt es aber eine Ausnahme: Der Notar hat die Amtspflicht, keinen nichtigen Titel zu schaffen. Er muss daher die Beurkundung einer Erklärung gem. §  4 BeurkG verweigern, die auf Geschäfte gerichtet ist, die unwirksam sind oder unwirksame Klauseln enthalten.115 Sowohl AGB-rechtswidrige Unterwerfungserklärungen als auch solche, die einen unionsrechtswidrigen Anspruch titulieren, sind nichtig (s. o.). In Konsequenz muss der Notar die Beurkundung verweigern.116 Kann er nicht sicher sein, ob das der Beurkundung zugrunde liegende Geschäft unionsrechtswidrig ist, etwa weil es widersprüchliche Rechtsprechung gibt, so muss er gem. §  17 Abs.  2, Abs.  2a S.  2 BeurkG über seine Zweifel belehren und, sollten die Beteiligten auf der Beurkundung bestehen, dieselbe samt einem Hinweis auf die Belehrung und die darauf folgenden Parteireaktionen vornehmen.117 In Grenzfällen steht ihm Beurteilungsermessen zu, in dessen Rahmen er die Beurkundung verweigern kann.118 Auch im Fall des §  17 Abs.  2a S.  2 BeurkG ist nicht erforderlich, dass der Verbraucher wirklich alles verstanden hat, sondern nur, dass der Notar ihm die Möglichkeit gegeben hat – es besteht insofern keine Erfolgsverpflichtung des Notars.119 Diese gesetzliche Ausgestaltung ist unionsrechtskonform: Eine Unterwerfungserklärung, die sich auf einen unionsrechtswidrigen Anspruch bezieht, beschränkt die effektive Wirkung des EU-Rechts, da faktisch vollstreckt werden kann, ohne dass eine weitere staatliche Stelle involviert werden muss. Die infrage stehenden Rechte werden nicht gerichtlich überprüft, selbst wenn damit eine 114  Reithmann, in: Bracker/Seybold (Hg.), BNotO, 9.  Aufl., 2011, §  15, Rn.  5 4 f.; Riemenschneider, in: Grziwotz/Koeble (Hg.), Handbuch Bauträgerrecht, 2004, 3.  Teil, Rn.  179; zweifelnd W. Münzberg, ZZP 104, 1991, 227, 235 f. 115  Z. B. Hertel, in: Staudinger, 2017, BeurkG, Rn.  4 49; Preuß, in: Armbrüster u. a. (Hg.), BeurkG und DONot, 7.  Aufl., 2015, §  4, Rn.  13; K. Winkler, in: ders. (Hg.), BeurkG, 18.  Aufl., 2017, §  4, Rn.  8 f. 116  Kas/Micklitz, EWS 2018, 181, 198; Hertel, in: Staudinger, 2017, BeurkG, Rn.   449; Pieken­brock, GPR 2016, 137, 138; allgemein: BGH, NJW 1992, 3237, 3237; BeckRS 1972 30395943; Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur, Beiträge, 1986, 307, 312; Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 208–210; Schröder, DNotZ 2005, 596, 604 f.; T. Starke, in: Heckschen u. a. (Hg.), Beck’sches Notar-Handbuch, 6.  Aufl., 2015, Teil  L , Rn.  60. 117 BGH, DNotZ 2016, 711, 719 f.; NJW 1992, 3237, 3237; Hertel, in: Staudinger, 2017, ­BeurkG, Rn.  456. 118  Hertel, in: Staudinger, 2017, BeurkG, Rn.  456. 119  Z. B. Redeker, Verbraucherschutz im Beurkundungsverfahren, 2017, 30 f.; K. Winkler, in: ders. (Hg.), BeurkG, 18.  Aufl., 2017, §  17, Rn.  106; wohl auch Grziwotz, BeurkG, 3.  Aufl., 2018, §  17, Rn.  78; einschränkend für die Zwei-Wochen-Frist des §  17 Abs.  2a S.  2 Nr.  2 ­BeurkG: Hertel, in: Staudinger, 2017, BeurkG, Rn.  520; ebenso BGH, NJW 2013, 1451, 1451.

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§  6 Vollstreckbare Urkunde

unionsrechtswidrige Lage fortbesteht.120 Zwar berührt die Beurkundung den materiellrechtlichen Anspruch nicht, sodass der Weg zu Gericht theoretisch weiterhin möglich ist.121 Die effektive Wirkung und insbesondere das Interesse daran, dass potentiell eine Rechtsfrage durch ein Gericht untersucht und dem EuGH vorgelegt werden kann, bleiben also zunächst unberührt. Dennoch wird durch den Titel die Gefahr geschaffen, dass der Gläubiger sofort zur Zwangsvollstreckung übergeht und damit der materiellrechtliche Anspruch nie einer Prüfung durch Gerichte zugeführt wird.122 Verstärkt wird diese Gefahr im Fall eines Unterwerfungsschuldners, der auch Verbraucher ist. Die typische Unterlegenheit im Verfahren, insbesondere resultierend aus rationaler Apathie und Unkenntnis seiner Rechte, kann ihn davon abhalten, ein separates Verfahren anzustrengen (bereits §  2 B. III. 1.). Die Unkenntnis der Rechte wird noch verstärkt dadurch, dass der Notar ein besonderes Vertrauen schafft, als staatliche, besonders qualifizierte Stelle nur rechtskonforme Titel zu schaffen. Aus diesem Grund steigt die Gefahr, dass der Verbraucher von Rechtsbehelfen absieht.123 Diese Folge schränkt die effektive Wirksamkeit des materiellen Rechts ein. Der Notar ist zugleich die einzige staatliche Stelle, die mit dem materiellrechtlichen Anspruch überhaupt in Berührung kommt, ehe der vollstreckbare Titel existiert. Das EU-Recht verlangt daher von ihm, das für ihn einschlägige Verfahrensrecht so zu handhaben, dass die möglichst effektivste Wirkung des Unionsrechts sichergestellt wird (ausführlich bereits §  2 B. II. 1.).124 Soweit er im Rahmen des geltenden Rechts in der Lage ist, zu verhindern, dass eine EU-verbraucherrechtswidrige Rechtslage bestätigt oder verstetigt wird, muss er diese Möglichkeit nutzen. Anders als ein Gericht hat der Notar, da er nicht rechtsprechend tätig wird, nicht die Möglichkeit, eine Auslegungsfrage dem EuGH vorzulegen. Hieraus folgt, dass eine Belehrung wie durch den Richter gem. §  139 ZPO nicht ausreicht, sondern weitergehendes Tätigwerden notwendig ist, sollte die Unionsrechtswidrigkeit sicher feststehen. Der Notar darf somit keinen Titel schaffen, der dem EU-Verbrauchervertragsrecht widerspricht. Er muss in solchen Fällen die Beurkundung ablehnen.125 Dies steht in Einklang 120 

EuGH, Alassini, C-317/08-C320/08, ECLI:EU:C:2010:146 Rn.  52. Vgl. EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  60 f. (zur notariellen Beurkundung nach ungarischem Recht). 122  Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  164 f. 123  C. Kern, DNotZ-Sonderheft 2016, 46, 51; tendenziell Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 98 f. 124  Kas/Micklitz, EWS 2018, 181, 198. 125  Kas/Micklitz, EWS 2018, 181, 198; ähnlich ohne EU-Bezug Baur, in: Grunsky u. a. (Hg.), Baur, Beiträge, 1986, 307, 316; Grziwotz, BeurkG, 3.  Aufl., 2018, §  4, Rn.  25; C. Kern, DNotZ-Sonderheft 2016, 46, 51 f.; W. Münzberg, ZZP 104, 1991, 227, 236; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 90 f.; J. Winkler, RNotZ 2019, 117, Rn.  9; ähnlich zur Verfassungswidrigkeit Ritter, NotBZ 2009, 91, 94; vgl. auch (außerhalb des Verbraucherrechtskontexts): EuGH, Möllendorf & Möllendorf-Niehuus, C-117/06, ECLI:EU:C:2007:596 121 

B. Inhaltliche Kontrolle durch den Notar

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mit den Grundsätzen des deutschen Rechts, nach welchen der Notar die Schaffung eines nichtigen Titels verweigern muss. Das Unionsrecht verlangt aber nicht, dass der Notar auch in Fällen, in denen er Unionsrechtswidrigkeit nicht sicher feststellen kann, eine Beurkundung verweigern muss. Dies wäre sowohl aus deutscher als auch unionsrechtlicher Perspektive problematisch: Zum einen ist der Notar – als ein Aspekt des Justizgewährleistungsanspruchs – verpflichtet, rechtmäßige Beurkundungen vorzunehmen.126 Zum andere verhinderte umgekehrt eine Verweigerungspflicht eine möglicherweise unionsrechtskonforme Rechtslage. Eine unionsrechtskonforme B2C-Beziehung möchte das EU-Recht aber wiederum fördern (ausführlich §  2 A. III. 3., 4.). Durch die ausführliche Pflicht, mit den Parteien die Rechtslage zu erörtern, ist zugleich sichergestellt, dass diese von der Unsicherheit wissen und daher gerichtlichen Rechtsschutz und damit Rechtssicherheit herbeiführen können.127 Solange diese Möglichkeit besteht und die Parteien wissen, worauf sie sich einlassen, ist die Schaffung einer möglicherweise unionsrechtswidrigen Urkunde zulässig.128 Der Notar kann daher von seinem Ermessen Gebrauch machen und in den Fällen, in denen sich die Unionsrechtswidrigkeit nicht eindeutig feststellen lässt, selbst entscheiden, ob er die Beurkundung verweigert oder belehrt und sie anschließend vornimmt.129

IV. Zwischenergebnis Der Notar muss die Beurkundung verweigern, sollten die Unterwerfungserklärung oder der derselben zugrundeliegende Anspruch gegen Unionsrecht verstoßen. Dies ergibt sich aus der Amtspflicht des Notars gem. §  4 BeurkG, §  14 Abs.  2 BNotO, keine nichtigen Titel zu schaffen. Ist er unsicher, ob Unionsrechtswidrigkeit vorliegt, ist es mit dem Unionsrecht zu vereinbaren, dass er die Parteien gem. §  17 Abs.  2 BeurkG über seine Zweifel belehrt und dieselben mit ihnen erörtert. Danach darf er aber die Beurkundung vornehmen.

insb. Rn.  50; dazu Schmucker, DNotZ 2008, 695, 696 f., 699 f.; Usinger, DNotZ 2008, 884, 884 f. 126  Z. B. Ritter, NotBZ 2009, 91, 93. 127  Z. B. ausführlich Hertel, in: Staudinger, 2017, BeurkG, Rn.  456 f.; Armbrüster, in: Armbrüster u. a. (Hg.), BeurkG und DONot, 7.  Aufl., 2015, §  17, Rn.  30–27. 128  Vgl. etwa EuGH, Kuhar ./. Addiko Bank, C-407/18, ECLI:EU:C:2019:537 Rn.  61 f., 68; ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  60 f.; ähnlich allgemein zum deutschen Recht Ritter, NotBZ 2009, 91, 93. 129 Zu diesem Ermessensspielraum z.  B. LG Wuppertal, MittBayNot 1994, 273, 273 f.; K. Winkler, in: ders. (Hg.), BeurkG, 18.  Aufl., 2017, §  4, Rn.  4 f.

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§  6 Vollstreckbare Urkunde

C. Zwischenergebnis zu §  6 1. Eine notarielle Unterwerfungserklärung kann AGB-rechtswidrig sein. Der Titel ist dann unwirksam. Hiergegen ist die Titelgegenklage (§§  767, 797 Abs.  4 ZPO analog) statthaft. 2. Ein Notar, der zugleich Schlichtungsstelle i. S. d. VSBG ist, kann einen Schlichtungsvorschlag nach §  19 VSBG machen, der zwingendes Recht nicht anwendbar sein lässt (dazu bereits §  2 B. IV.). Ein solcher Titel entspricht aber gerade dem materiellen Recht gem. §  19 VSBG und der ADR-RL. Allgemein ist die Titulierung eines Anspruchs, der gegen EU-Verbrauchervertragsrecht verstößt, nichtig. 3. Der Notar muss die Beurkundung verweigern, wenn diese zu einem nichtigen Titel führte. Damit besteht die Verweigerungspflicht auch bei einem Verstoß gegen EU-Verbrauchervertragsrecht sowohl der Unterwerfungserklärung als auch des dieser zugrundeliegenden Anspruchs. Bei Unsicherheit über die Unionsrechtswidrigkeit muss er die Parteien umfassend hierüber belehren, kann aber im Anschluss die Beurkundung vornehmen.

§  7 Anwaltsvergleich Beim Anwaltsvergleich vergleichen sich die Parteien, vertreten durch ihre Rechtsanwälte. Mindestens eine Partei erklärt, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Diese Erklärungen müssen in einer einheitlichen Urkunde festgehalten werden. Der Vergleich muss bei einem potenziellen Prozessgericht niedergelegt und von diesem auf Antrag einer Partei für vollstreckbar erklärt werden (§§  796a f. ZPO). Alternativ kann ein Notar die Aufgaben des Gerichts übernehmen, §  796c ZPO.1 Beim Abschluss des Anwaltsvergleichs bleiben die Parteien an die Vorgaben des materiellen Rechts gebunden. Prozessuale Überholung eines Widerrufrechts scheidet aus, da die Entscheidung des Gerichts nicht inhaltlich und die des Notars überhaupt nicht in Rechtskraft erwächst (A. I.–III.). Eine Disposi­ tion über zwingendes Recht ist genauso beschränkt wie jede materiellrechtliche Vereinbarung (A. IV.). Sowohl Richter als auch Notar müssen eine umfängliche inhaltliche Kontrolle bezogen auf das EU-Verbrauchervertragsrecht vornehmen (B.).

A. Anwaltsvergleich als Verbrauchervertrag und Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht Die Einigung der Parteien beim Anwaltsvergleich muss den materiellrecht­ lichen Anforderungen von §  779 BGB genügen. Dies führt dazu, dass diese Einigung genauso an die Vorgaben des materiellen Rechts gebunden ist wie jeder „schlichte“ Vergleichsvertrag (I.). Damit ist die AGB-Kontrolle eröffnet. Ebenso sind zulässigkeitshindernde Vereinbarungen, eine Einigung per Anwaltsvergleich zu versuchen, AGB-rechtswidrig (II.). Da der Inhalt des Anwaltsvergleichs nicht in Rechtskraft erwächst, ist eine spätere Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts nicht durch „prozessuale Überholung“ ausgeschlossen (III.). Dispositionen über zwingendes Recht sind wie stets beim Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB nicht möglich, wenn sie nicht materiellrechtlich zugelassen sind (IV.). 1  Zum gesamten Absatz etwa Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  796a, Rn.  6 –10; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  76.

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§  7 Anwaltsvergleich

I. Anwendbarkeit des materiellen Rechts Beim Anwaltsvergleich schließen die wirksam bevollmächtigten Anwälte der Parteien in deren Namen einen Vergleich nach §  779 BGB2 und zumindest eine der Parteien erklärt die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung für einen aus diesem Vergleich resultierenden Anspruch.3 Die Einigung der Rechtanwälte stellt somit einen außergerichtlichen Vergleich i. S. d. §  779 BGB in Kombination mit einer Unterwerfungserklärung dar, letztere bedingt dadurch, dass ein Notar oder ein Gericht den Anspruch auf Antrag für vollstreckbar erklärt gem. §  796b f. ZPO.4 Es handelt sich also um ein zweistufiges Verfahren.5 Die nur materiellrechtliche Einigung wird zu einer Prozessvereinbarung dadurch, dass sie auf eine Vollstreckbarerklärung ausgerichtet ist, einen gerichtlichen oder notariellen Hoheitsakt der ZPO. 6 Dennoch hat der Anwaltsvergleich einen rein materiellrechtlichen Vergleichsvertrag nach §  779 BGB zur Grundlage. Dieser Vergleichsvertrag stellt genauso einen Verbrauchervertrag dar wie jeder materiellrechtliche Vertrag gem. §  779 BGB. Liegen die Tatbestandsmerkmale vor, d. h. insbesondere bei bestimmten Vertragstypen und gem. §§  312a ff. BGB, entstehen daher die Informationspflichten und Widerrufsrechte wie bei jedem schlichten Verbrauchervertrag.7 Ein Verbrauchsgüterkaufvertrag hat die zwingend vorgeschriebenen Inhalte gem. §§  474 ff., 434 ff. BGB. Aus der Formulierung des §  796a Abs.  1 ZPO, der die „Niederlegung“ des Anwaltsvergleichs verlangt, ergibt sich, dass die Vergleichserklärungen verkörpert sein müssen, also dass zumindest Textform verlangt wird.8 Im Gegensatz zum Prozessvergleich ersetzt der Anwaltsvergleich aber keine darüber hinausgehenden Formerfordernisse.9 Beim Anwaltsvergleich ändern sich die Formvorgaben, insbesondere zur Erteilung der Informationen, daher nicht.

2  OLG Saarbrücken, NJW-RR 2005, 1302, 1302 f.; Leutner/M. Hacker, NJW 2012, 1318, 1318; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  78; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 282 f. 3  Z. B. BT-Drs. 13/5274, 29; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  796a, Rn.  3; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 282 f.; Musielak, in: Nakamura (Hg.), FS Beys, 2003, 1093, 110; Nerlich, MDR 1997, 416, 416; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  796a, Rn.  3 f. 4  BT-Drs. 13/5274, 29; K. Müller, RNotZ 2010, 167, 173; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  76; Trittmann/C. Merz, IPRax 2001, 178. 5  Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 281. 6  Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  146. 7  Ähnlich zu Willensmängeln Orfanides, ZZP 100, 1987, 63, 71–74; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, 191. 8  Z. B. Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  7 79, Rn.  76; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 15.  Aufl., 2018, §  796a, Rn.  4. 9  Z. B. Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.   Aufl., 2019, §  796a, Rn.  8; Leutner/­ Hacke, NJW 2012, 1318, 1319; H.-F. Müller, in: Erman, 15.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  40; Nerlich, MDR 1997, 416, 417; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 15.  Aufl., 2018, §  796a, Rn.  4.

A. Anwaltsvergleich als Verbrauchervertrag und Dispositionen

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II. Besonderheiten bei Vereinbarungen in AGB Auch die §§  305 ff. BGB sind auf einen Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB stets anwendbar. Der Antrag an das Gericht oder den Notar gem. §§  796b f. ZPO kann nicht als vorformulierte Vertragsbestimmung i. S. d. §  305 Abs.  1 BGB abgegeben werden, da er stets bestimmt sein muss und daher den konkreten Anwaltsvergleichsvertrag benennen muss. Unwirksam ist gem. §  309 Nr.  14 BGB auch eine – individualvertraglich zulässige – Vereinbarung per AGB, einen Anwaltsvergleich versucht zu haben, ehe ein Gericht angerufen werden kann: §  309 Nr.  14 BGB sieht eine Vereinbarung in AGB stets als unzulässige Klausel an, die „eine Bestimmung [vorsieht], wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Verwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat“. Die Regelung wurde zusammen mit der Umsetzung der ADR-RL (insbesondere durch das VSBG) erlassen und zielt auf Schlichtungs- und Mediationsverfahren nach dieser Richt­ linie und dem VSBG ab.10 Beide Verfahren münden nicht in einen Titel, d. h. die Gefahr der Vollstreckung ist geringer als beim Anwaltsvergleich. Über das VSBG hinausgehend erfasst §  309 Nr.  14 BGB alle Verfahren, die in einer „gütlichen Einigung“ auf eine „außergerichtliche Streitbeilegung“ abzielen. Ziel der Regelung ist es, den Verbraucher nicht in seiner Wahl zu beschränken, ein Gericht anzurufen, nicht einmal durch einen nur zeitlich beschränkten Klageausschluss.11 Auch die Verpflichtung, vor Erhebung einer Klage zunächst eine Einigung mit den Anwälten i. S. d. Anwaltsvergleichs zu versuchen, ist von der Norm erfasst.12 Eine entsprechende Vereinbarung kann daher nicht in AGB getroffen werden.

III. Keine prozessuale Überholung aufgrund begrenzter Rechtskraft des vollstreckbaren Anwaltsvergleichs Widerruft der Verbraucher den per Anwaltsvergleich zustande gekommenen Vertrag, tritt anders als beim vollstreckbar erklärten Schiedsspruch keine „prozessuale Überholung“13 ein. Dies liegt daran, dass der Anwaltsvergleich durch 10  Z. B. Gössl, NJW 2016, 838, 840; Weiler, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.10.2019, §  309 Nr.  14, Rn.  24. 11  Fehrenbach, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.02.2020, §  307 – Schlichtungsklauseln, Rn.  21. 12  Z. B. Weiler, in: Gsell u. a. (Hg.), BeckOGK, 01.10.2019, §  309 Nr.  14, Rn.  26. 13  Zum Begriff s. o. §  5 A. IV., auch Arens, Willensmängel bei Parteihandlungen im Zivilprozeß, 1968, 95; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 77 f.; C. Kern, in: Stein/ Jonas  II, 23.  Aufl., 2016, vor §  128, Rn.  311 f.; Orfanides, Die Berücksichtigung von Willensmängeln, 1982, 203 f.; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 722; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  66 Rn.  14, 16; G. Wagner, Prozeßverträge, 1998, 296 f., weiter noch 302.

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§  7 Anwaltsvergleich

die Titulierung entgegen einem zum Teil vertretenen Ansatz nicht in Rechtskraft erwächst. Beim Gericht ist die Rechtskraft auf die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beschränkt (1.), die Entscheidung des Notars wird gar nicht rechtskräftig (2.). 1. Begrenzte Rechtskraft der gerichtlichen Vollstreckbarerklärung Die Entscheidung des Gerichts über die Vollstreckbarerklärung trifft dieses zwar als Gericht (d. h. „rechtsprechend“).14 Die Entscheidung wird damit grundsätzlich rechtskräftig.15 Umstritten ist, in welchem Umfang diese Rechtskraft besteht, nämlich ob diese sich auf die Entscheidung der Vollstreckbarkeit beschränkt oder auch die damit einhergehenden Vorfragen, etwa die Wirksamkeit des Vergleichsvertrags, umfasst.16 Für eine umfassende Rechtskraft spricht, dass das Gericht die Wirksamkeit des Vergleichsvertrags prüft. Aus dem Umfang der Prüfung könnte auch der Umfang der Rechtskraft folgen.17 Dieser Schluss ist aber nicht zwingend.18 In den Gesetzgebungsmaterialien finden sich keine Hinweise zum Umfang der Rechtskraft. Doch zeigt bereits die Ausformung des Verfahrens, dass der Gesetzgeber nicht davon ausging, das Verfahren einem ordentlichen Gerichtsverfahren gleichzustellen. Er nahm nicht an, dass das Verfahren geeignet ist, endgültig über das Bestehen eines Vergleichsvertrags und damit die Rechte der Parteien zu entscheiden: Es handelt sich um kein übliches Klageverfahren, sondern nur ein Antragsverfahren zur Vollstreckbarerklärung des Vergleichs. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar und ergeht durch Beschluss (§  796b Abs.  2 S.  2 und S.  3 ZPO). Würde das Rechtsverhältnis der Parteien endgültig durch das Gericht festgestellt, wäre diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung problematisch, gerade bezogen auf das Recht auf rechtliches Gehör beider Parteien (dazu bereits §  1 C.).19 Wollte der Gesetzgeber weder das Vollstreckbarerklärungsverfahren noch sein Ergebnis mit einem ordentlichen Gerichtsverfahren gleichsetzen, sollte auch das Ergebnis dieses „geringeren“ Verfahrens nur geringe Wirkung haben. 14 

BT-Drs. 13/5274, 30. Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  796a, Rn.  24; Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  100; Kindl, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  796b, Rn.  3; zu anderen richterlichen Entscheidungen etwa BGH, NJW 2018, 235, 235 mit Anm. Gössl. 16  OLG Schleswig, ECLI:DE:OLGSH:2016:1219.11W20.16.0A Rn.  8; Herget, in: Zöller/ Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  767, Rn.  20. 17  OLG Schleswig, ECLI:DE:OLGSH:2016:1219.11W20.16.0A Rn.   8; K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  78; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  796a, Rn.  24. 18  J. F. Hoffmann, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, EL 31, §  796b, Rn.  4. 19  J. F. Hoffmann, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, EL 31, §  796b, Rn.  4; ähnlich W. Münzberg, NJW 1999, 1357, 1357 f., 1358 f. 15 

A. Anwaltsvergleich als Verbrauchervertrag und Dispositionen

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Damit ist die Rechtskraft auf den Antragsgegenstand, d. h. die Vollstreckbarerklärung, zu begrenzen.20 Schließlich spricht auch eine Parallele zum Prozessvergleich dafür, die Rechtskraft nur auf die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung zu beschränken: Der Prozessvergleich wird ebenfalls unter Mitwirkung eines Richters geschaffen und von diesem inhaltlich geprüft, er erwächst allerdings nicht in Rechtskraft. Dies liegt daran, dass es keine richterliche Entscheidung über den Inhalt des Prozessvergleichs gibt, sondern sein Inhalt der Parteivereinbarung überlassen bleibt und der Richter nur die Protokollierung vornehmen oder verweigern kann. Die gleichen Optionen bestehen beim Beschlussvergleich. Eine ähnliche Situation liegt beim Anwaltsvergleich vor: Der Richter entscheidet anhand konkreter gesetzlicher Kriterien über die Vollstreckbarkeit des Vergleichs und kann dieselbe nur vornehmen oder ablehnen. Der Unterschied besteht darin, dass für die Vollstreckbarerklärung ein gesondertes Verfahren vorgesehen ist. Die Rechtskraft sollte daher auf den wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Vergleichen und damit den Verfahrensgegenstand beschränkt bleiben. Damit erwächst nur die Vollstreckbarerklärung in Rechtskraft, nicht aber die Vorfrage, ob ein Vergleichsvertrag zustande gekommen ist.21 Da der Inhalt des Anwaltsvergleichs durch die Titulierung somit nicht in Rechtskraft erwächst, tritt keine „prozessuale Überholung“ ein. Sollte der Titel bereits existieren, stimmt er nach Widerruf nicht mehr mit dem materiellen Recht überein, sodass die Vollstreckungsgegenklage statthaft ist.22 2. Keine Rechtskraft der notariellen Vollstreckbarerklärung Es wird – wie auch im Rahmen des §  1053 Abs.  4 ZPO – vertreten, dass der Notar dadurch, dass er eine Aufgabe wahrnimmt, die auch von Richtern wahrgenommen wird, selbst „rechtsprechend“ i. S. d. GG handelt.23 Diese Meinung ist abzulehnen. Hierfür sprechen ähnliche Gründe wie bei §  1053 Abs.  4 ZPO: Die Einordnung als „rechtsprechend“ richtet sich danach, ob die verfahrensrechtliche Rolle, die der Notar einnimmt, der eines Richters entspricht. Dem ist nicht so; 20 

W. Münzberg, NJW 1999, 1357, 1358 f. Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  100; J. F. Hoffmann, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, EL 31, §  796b, Rn.  4; Kindl, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  796b, Rn.  3; W. Münzberg, NJW 1999, 1357, 1358 f.; ders., in: Stein/Jonas  V II, 22.  Aufl., 2002, §  796b, Rn.  5; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  796b, Rn.  4; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531, 534; a. A. OLG Köln, NJW 1997, 1450, 1451. 22  Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.   Aufl., 2016, §  794, Rn.  143; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  79. 23  OLG Schleswig, ECLI:DE:OLGSH:2016:1219.11W20.16.0A Rn.  7; Geimer, in: Zöller/ Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  796c, Rn.  1; J. F. Hoffmann, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, EL 31, §  796c, Rn.  3; Leutner/M. Hacker, NJW 2012, 1318, 1321; K. Müller, RNotZ 2010, 167, 174 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  796c, Rn.  6; M. Zimmer, NotBZ 2000, 175, 175. 21 

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§  7 Anwaltsvergleich

die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Rolle des Notars ist eine der fürsorgenden Rechtspflege, nicht aber der Rechtsprechung (s. o., §  5 E. III., §  6 B. I.). Aus dem Gesetz und den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich nichts anderes. Zwar verweist §  796c Abs.  1 ZPO auf die richterlichen Aufgaben und erklärt die hierfür einschlägigen Normen für entsprechend anwendbar (§  796c Abs.  1 S.  2 ZPO i. V. m. §§  796a f. ZPO). Es handelt sich nicht um eine Gleichstellung, sondern eben nur eine entsprechende Anwendung.24 Der Unterschied wird dadurch deutlich, dass die Verfahrensregeln für den Notar (§  796c Abs.  2 ZPO) weiterhin ausdrücklich anders sind als die des Gerichts (§  796b Abs.  2 ZPO), etwa bezogen auf Rechtsbehelfe und Anhörung der Gegenpartei. Die verfahrensrechtliche Einbettung, und auf diese ist abzustellen, ist somit bewusst eine andere. Dass diese Unterscheidung gewollt ist, wird durch die Gesetzgebungsmaterialien bestätigt: Zwar wird im Rahmen des §  796b ZPO erwähnt, dass es sich bei der Vollstreckbarerklärung um eine richterliche Aufgabe handelt. Hintergrund dieses Satzes ist aber die Abgrenzung der Aufgaben des Richters von denen des Rechtspflegers. Es geht also nur um die funktionale Zuständigkeit. Der Satz stellt klar, dass die Vollstreckbarerklärung nicht an letzteren übertragen werden kann.25 Der Satz regelt aber nicht, dass die Aufgabe nur von einem „rechtsprechenden“ Organ wahrgenommen werden darf. Außerdem wurde §  796c ZPO geschaffen, um die Gerichte zu entlasten. Der Rechtsbehelf gem. §  796c Abs.  2 ZPO wurde geschaffen, weil der Notar gerade nicht als Richter tätig wird.26 Schließlich erwähnt die Gesetzesbegründung auch die „Amtspflichten“ des Notars.27 Der Gesetzgeber trennt somit sehr bewusst zwischen Gericht und Notar und will die beiden funktional nicht gleichstellen. Der Notar wird daher nicht „rechtsprechend“, sondern rechtsfürsorgend tätig.28 Seine Entscheidung über die Vollstreckbarkeit erwächst nicht in Rechtskraft.29

IV. Dispositionen über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht durch Anwaltsvergleich Damit ein vollstreckbarer Titel entsteht, muss der Vergleich bei Gericht niedergelegt und vom potenziellen Prozessgericht oder einem Notar auf Antrag einer 24  A. A.: J. F. Hoffmann, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, EL 31, §   796c, Rn.  3; Leutner/M. Hacker, NJW 2012, 1318, 1321; K. Müller, RNotZ 2010, 167, 174 f.; Wolf­ steiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  796c, Rn.  6. 25  BT-Drs. 13/5274, 30. 26  BT-Drs. 13/5274, 30; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 284 f. 27  BT-Drs. 13/5274, 30. 28 Ähnlich Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 284 f.; wohl auch Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.  Aufl., 2019, §  796c, Rn.  3 f.; Trittmann/C. Merz, IPRax 2001, 180; vgl. auch EuGH, WB, C-658/17, ECLI:EU:C:2019:444 Rn.  59–61. 29  W. Münzberg, NJW 1999, 1357, 1359.

B. Inhaltliche Kontrolle durch Anwälte, Notar und Gericht

457

Partei für vollstreckbar erklärt werden (§§  796a–796c ZPO).30 Die Unterwerfungserklärung muss tatbestandlich parallel zur notariellen Unterwerfungserklärung behandelt werden.31 Damit der Titel für vollstreckbar erklärt werden kann, muss ein wirksamer Vergleichsvertrag i. S. d. §  779 BGB geschlossen worden sein, §  796a Abs.  3 Var.  1 ZPO.32 Hieraus folgt, dass eine Disposition über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht nur dann möglich ist, wenn das materielle Recht diese Möglichkeit vorsieht (oben §  2 A. IV., VI.). Materiellrechtlich ist ein Vergleich zulasten des Verbrauchers bei entgegenstehendem zwingendem EU-Verbrauchervertragsrecht nicht möglich, wenn nicht ausnahmsweise die Situation des §  19 VSBG vorliegt.

B. Inhaltliche Kontrolle durch Anwälte, Notar und Gericht Beim Anwaltsvergleich geben die beiden Anwälte im Namen der Parteien, die sie vertreten, die Vergleichserklärungen ab. Hierbei sind sie aus ihren jeweiligen Mandatsverträgen verpflichtet, umfassend rechtlich zu prüfen, ob der Vergleichsvertrag wirksam ist, und von unwirksamen Vergleichsabschlüssen abzuraten (I.). Bei Niederlegung des Vergleichs bei Gericht findet keine inhaltliche Kontrolle statt. Doch darf ein Gericht den Anwaltsvergleich nicht für vollstreckbar erklären, wenn er materiellrechtswidrig ist, also auch, wenn er gegen EU-Verbrauchervertragsrecht verstößt (II.). Ebenso hat der Notar, der nicht „rechtsprechend“ tätig wird, bei Inverwahrungsnahme keine Prüfungspflicht, muss aber die Vollstreckbarerklärung verweigern, wenn dieser materiellrechtswidrig ist (III.).

I. Pflichten der Anwälte Der Anwaltsvergleich bedarf der Mitwirkung von zwei Anwälten i. S. d. §§  4 ff., 206 f. BRAO und dem EuRAG33.34 Aus dem Anwaltsvertrag zwischen der jeweiligen Partei und ihrem Rechtsanwalt ergibt sich für diese jeweils die Pflicht, die Interessen der Parteien wahrzunehmen und umfassend über die Rechtslage zu beraten. Sind sie mit dem Abschluss eines Anwaltsvergleichs beauftragt, ha30 Z.  B. BT-Drs. 13/5274, 29; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  76; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 282 f. 31  BT-Drs. 13/5274, 29; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 284 f. 32  OLG Saarbrücken, NJW-RR 2005, 1302, 1302 f.; Leutner/M. Hacker, NJW 2012, 1318, 1318; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  78; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 282 f. 33  Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9.3.2000, BGBl. I, 182, 1349, zul. geändert durch Art.  6 des Gesetzes vom 30.10.2017, BGBl. I, 3618. 34  Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 939 f.; Trittmann/C. Merz, IPRax 2001, 178 f.; unklar über die Rolle der Anwälte Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 66.

458

§  7 Anwaltsvergleich

ben sie aus dem Vertragsverhältnis auch die Pflicht, einen wirksamen, rechtmäßigen 35 und für die Partei interessengerechten Vergleichsvertrag i. S. d. §  779 BGB auszuhandeln. Hierzu haben sie ihre Partei umfassend über die Vor- und Nachteile des Vergleichs im Verhältnis zu einem Rechtsstreit aufzuklären und den Ausgang eines solchen zu prüfen.36 Soweit eine der Parteien sich wegen eines Anspruchs der sofortigen Vollstreckung unterwirft, §  796a Abs.  1 ZPO, muss der zuständige Rechtsanwalt zudem dafür sorgen, dass diese Erklärung für den Mandanten sinnvoll und interessengerecht ist. Die sofortige Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in einen Anspruch, der materiellrechtlich nicht existiert, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Der Anwalt muss hier von einem Vergleich abraten.

II. Pflichten des Gerichts Das Gericht kann beim Anwaltsvergleich in zwei Schritten mitwirken. Zum einen muss der Vergleich beim zuständigen Gericht, d. h. dem Amtsgericht, bei dem eine der beiden Parteien den allgemeinen Gerichtsstand hat, niedergelegt werden, §  796a Abs.  1 ZPO. Bei dieser Niederlegung findet von Seiten des Gerichts nur eine formale Prüfung statt, ob der Form nach ein Anwaltsvergleich i. S. d. §  796a Abs.  1 ZPO vorliegt, es zuständig ist und das Datum plausibel erscheint.37 Nach §§  796b Abs.  1, 796a Abs.  3 ZPO kann auf Parteiantrag dasselbe Gericht den Anwaltsvergleich für vollstreckbar erklären, es sei denn, dieser ist unwirksam oder seine Anerkennung verstieße gegen die öffentliche Ordnung. Die gerichtliche Vollstreckbarerklärung stellt Rechtsprechung dar, ähnlich der Vollstreckbarkeitserklärung eines Schiedsspruchs.38 Das wirksame Zustandekommen des Vergleichs bezieht sich auf die formalen Voraussetzungen des §  796a Abs.  1 ZPO und die inhaltlichen des Abs.  2 (kein Vergleich über die Abgabe einer Willenserklärung oder Bestand eines Wohnraummietverhältnisses), darüber hinaus auf andere materiellrechtliche Wirksamkeitsmängel, d. h. die Norm erfordert eine umfängliche Prüfung, ob ein wirksamer Vergleichsvertrag i. S. d. §  779 BGB geschlossen wurde.39 In dieser Prüfung ist bereits darauf zu achten, dass die zwingenden Regelungen des 35 

Ausführlich etwa Kasper, JZ 1995, 746, 752 f. Anwaltspflichten bei Vergleichsverhandlungen: BGH, BeckRS 2012, 3733; NJWRR 1996, 567, 567 f.; Offermann-Burckart, FPR 2012, 550, 551 f.; allgemein etwa Borgmann, NJW 2010, 1924, 1924 f. 37  Trittmann/C. Merz, IPRax 2001, 179; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.   Aufl., 2016, §  796a, Rn.  10. 38  Vgl. BT-Drs. 13/5274, 30. 39  Z. B. OLG Brandenburg, NJW 2014, 643, 643; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  796a, Rn.  21, 23; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 284, 295; J. F. Hoffmann, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, EL 31, §  796a, Rn.  13; Schramm, Pflichten und 36  Zur

B. Inhaltliche Kontrolle durch Anwälte, Notar und Gericht

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EU-Verbrauchervertragsrechts eingehalten wurden, also keine missbräuchlichen Vertragsbedingungen i. S. d. §§  305 ff. BGB vereinbart oder halbzwingende Normen unzulässigerweise zulasten des Verbrauchers abbedungen wurden. Ist dies der Fall, ist die Vollstreckbarerklärung zu verweigern. Eine Titulierung ist bereits unmöglich, wenn der Vergleichsvertrag gem. §  779 BGB nach den allgemeinen Regeln des BGB unwirksam ist. Darüber hinaus sieht §  796a Abs.  3 ZPO vor, dass die Vollstreckbarerklärung abzulehnen ist, wenn der Vergleich zwar nicht unwirksam ist, aber gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt. Somit ergäbe sich aus dem Äquivalenzprinzip zusammen mit dem Effektivitätsprinzip, dass die zwingenden Normen des EU-Verbrauchervertragsrechts in den ordre public i. S. d. §  796a Abs.  3 ZPO hineinzulesen wären und bei Verstoß eine Vollstreckbarerklärung zu versagen wäre.40 Der Rückgriff auf den ordre public ist aber bei anfänglichen Unwirksamkeitsgründen inländischer Vergleiche nicht notwendig. Die ordre public-­Kontrolle ist erforderlich, da über die rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs bei der Anwendung ausländischen Rechts oder ausländischen Anwaltsvergleichen eine Kontrolle auch über die korrekte Anwendung des ausländischen Rechts hinaus möglich sein muss.41

III. Pflichten des Notars Nach §  796c ZPO kann auch ein Notar den Anwaltsvergleich für vollstreckbar erklären, wenn er ihn vorher in Verwahrung genommen hat. Umstritten ist, ob er bereits bei der Inverwahrungsnahme die Pflicht hat, den Vergleich inhaltlich darauf zu prüfen, ob er für vollstreckbar erklärt werden kann. Diese Pflicht wird darauf gestützt, dass er im Parteiinteresse die Kosten der (sinnlosen) Verwahrung vermeiden soll.42 Gegen diese Prüfungspflicht spricht, dass die Verwahrung beim Notar im Verfahrensablauf der Nieder­ legung bei Gericht gleichgestellt sein soll. Zu diesem Zeitpunkt soll die Vergleichsurkunde nur aus Beweisgründen an einer festen Stelle sicher zu lokalisieren sein; es geht nicht bereits um inhaltliche Fragen.43 Wie das Gericht bei der Niederlegung ist der Notar bei der Inverwahrungsnahme auf formale Fragen Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 63; Trittmann/C. Merz, IPRax 2001, 179; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  796a, Rn.  14; M. Zimmer, NotBZ 2000, 175, 177. 40  Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  7 79, Rn.  78 (auch zum Fall des ausländischen Vergleichs); Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 284. 41  Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  7 79, Rn.  78 Fn.  592; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  796a, Rn.  11; a. A. Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  796a, Rn.  21; J. F. Hoffmann, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, EL 31, §  796a, Rn.  13; Leutner/M. Hacker, NJW 2012, 1318, 1320. 42  K. Müller, RNotZ 2010, 167, 175; M. Zimmer, NotBZ 2000, 175, 175 f. 43  Leutner/M. Hacker, NJW 2012, 1318, 1321; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  796c, Rn.  3.

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§  7 Anwaltsvergleich

beschränkt. Zusätzlich zu Zuständigkeit, Form und Datum muss er noch prüfen, ob beide Parteien tatsächlich die Verwahrung beim Notar wollten, ihre Zustimmung hierzu also vorliegt.44 Bei der Vollstreckbarerklärung entspricht der Prüfungsmaßstab des Notars dem des Gerichts. Das ergibt sich aus der Verweisung auf §  796a Abs.  3 ZPO (dazu s. o., II.).45 Ein Unterschied besteht in der Wirkung: Da der Notar nicht „rechtsprechend“ tätig wird, erwächst seine Entscheidung auch nicht bezogen auf die Vollstreckbarkeit in Rechtskraft.46

C. Zwischenergebnis zu §  7 1. Der Anwaltsvergleich kommt durch einen materiellrechtlichen Vergleichsvertrag und durch darauf aufbauende prozessuale Handlungen der Parteien und des Schiedsgerichts, Gerichts oder Notars zustande. Die Disposition über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht ist wie allgemein bei §  779 BGB materiellrechtlich ausgeschlossen. 2. Die gerichtliche Vollstreckbarerklärung, nicht aber die Vorfrage, ob ein wirksamer Vergleich vorliegt, erwächst in Rechtskraft. Da der Notar nicht „rechtsprechend“ handelt, erwächst seine Entscheidung nicht in Rechtskraft. Prozessuale Überholung eines Widerrufsrechts ist damit ausgeschlossen. 3. Die Anwälte müssen im Rahmen ihrer Rechtsberatungspflicht auf die korrekte Anwendung des Unionsrechts achten und über den rechtlichen Hintergrund aufklären. 4. Das Gericht muss bei der Vollstreckbarerklärung gem. §  796a Abs.  3 ZPO das Zustandekommen des Vergleichsvertrags gem. §  779 BGB prüfen, was auch die EU-Rechtskonformität beinhaltet. Darüber hinaus ist das zwingende EU-Verbrauchervertragsrecht Teil des ordre public i. S. d. §  796a Abs.  3 ZPO. Der Notar muss gem. §  796c Abs.  1 S.  2 ZPO inhaltlich eine Prüfung durchführen wie ein Gericht gem. §  796a Abs.  3 ZPO.

44  Trittmann/C. Merz, IPRax 2001, 179; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.   Aufl., 2016, §  796c, Rn.  4. 45  OLG Schleswig, ECLI:DE:OLGSH:2016:1219.11W20.16.0A Rn.   7; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 284 f.; Trittmann/C. Merz, IPRax 2001, 180. 46  W. Münzberg, NJW 1999, 1357, 1359.

§  8 Zwangsvollstreckungsverfahren Im Vollstreckungsverfahren kann die effektive Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts aus zwei Gründen eingeschränkt werden: Zum einen durch die Formalisierung des Verfahrens, die nur minimale materiellrechtliche Prüfungsbefugnisse vorsieht, zum anderen durch Präklusionsvorschriften bei dem Rechtsbehelf, der eine materiellrechtliche Kontrolle zulässt, d. h. der Vollstreckungsgegenklage gem. §  767 ZPO. Der folgende Abschnitt zeigt, dass ein dergestalt auf formale Prüfungspunkte beschränktes Vollstreckungsverfahren unionsrechtskonform ist. Dies gilt insbesondere, da eine materiellrechtliche Prüfung über entsprechende Rechtsbehelfe zulässig und einstweiliger Rechtsschutz vorhanden ist (A.). Problematisch bei der Klage nach §  767 ZPO sind Fälle, in denen der Verbraucher nach Titulierung ein auf EU-Verbrauchervertragsrecht zurückgehendes Gestaltungsrecht ausübt und §  767 Abs.  2 ZPO ihn mit Vorbringen hierzu präkludiert. In unionsrechtskonformer Auslegung ist bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Präklusion nicht darauf abzustellen, wann der Rechtsgrund des Gestaltungsrechts entsteht, sondern wann dasselbe ausgeübt wird (B.).

A. Klauselverfahren und Vollstreckung Das Klauselverfahren (I.) und die anschließende Vollstreckung (II.) sind geprägt von dem Grundsatz, dass der materiellrechtliche Anspruch nicht geprüft wird. Letzteres bleibt der Klage gem. §  767 ZPO bei materiellrechtlichen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch oder jener analog §  767 ZPO bei materiellrechtlichen Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Titels vorbehalten.1 Diese Ausgestaltung beschränkt zwar die effektive Wirkung des Unionsrechts, ist aber gerechtfertigt durch die Verfahrensautonomie und das mit den Regelungen verfolgte Interesse, eine schnelle Zwangsvollstreckung zu ermöglichen (III.). 1  BGH, NJW 1994, 460, 461 f.; NZM 2001, 1078, 1080; NJW-RR 2004, 1718, 1719; NJW 2009, 1887, 1888; OLG Frankfurt, NJW-RR 1995, 703, 703; MittRhNotK 1997, 269, 269; OLG München, NJOZ 2016, 750, 751; OLG Nürnberg, BeckRS 2017, 134724; Baur, in: Frotz/Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 319; Eichel, in: Aichberger-Beig u. a. (Hg.), Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht, 2011, 149, 157; Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 41; W. Münzberg, ZZP 104, 1991, 227, 235 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  164 f.

462

§  8 Zwangsvollstreckungsverfahren

I. Klauselverfahren Die Zwangsvollstreckung ist nur möglich, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels vorliegt. Eine vollstreckbare Ausfertigung benötigt eine Vollstreckungsklausel gem. §§  724 ff. ZPO. Erst im Anschluss kann das jeweils zuständige Organ der Zwangsvollstreckung (insb. Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht) auf die Rechtsgüter des Verbrauchers zugreifen. Im Klauselverfahren werden materiellrechtliche Einwendungen gegen den Anspruch nur ausnahmsweise geprüft, wenn ein „evidenter“, also offensicht­ licher Nachweis dieser Einwendung vorliegt.2 Dies gilt selbst in Fällen, in denen der Titel unwirksam ist, solange sich die Unwirksamkeit erst aus einer materiellrechtlichen Prüfung ergibt.3 Ein entsprechender Nachweis liegt nur vor, wenn für die klauselerteilende Stelle ohne weitere Nachforschungen offensichtlich ist, dass der titulierte Anspruch materiellrechtlich nicht existiert, etwa wenn der Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde (wie ein Gerichtsurteil) erbracht werden kann, der Gläubiger zugesteht, dass der Anspruch (etwa durch Bezahlung) erloschen ist oder die Klauselerteilungsstelle zugleich Empfangsstelle der Zahlung war.4 Eine materiellrechtliche Einwendung könnte etwa darin bestehen, dass der Verbraucher seine Vertragserklärungen widerruft und das auf Unionsrecht zurückgehende Widerrufsrecht noch nicht durch Fristablauf erloschen ist, etwa weil der Unternehmer nicht ausreichend informiert hat. Doch hier erlaubt das nationale Recht keine entsprechende Prüfung, da sich die Voraussetzungen und Folgen des Widerrufs nicht durch einen „absolut liquiden“ Nachweis belegen lassen: Es lässt sich nicht derart offensichtlich nachweisen, dass der Anspruch nicht mehr besteht. Im Fall der Widerrufserklärung müssten der Urkunds­ beamte der Geschäftsstelle,5 gegebenenfalls der Rechtspfleger6 oder der Notar,7 nicht nur die Abgabe und den Zugang der Erklärung prüfen, sondern den Ver2  Z. B. BGH, NJW 2009, 1887, 1888; NJOZ 2005, 3298, 3299; NJW 1992, 2160, 2160; BayObLG, DNotZ 1998, 194, 195 f.; DNotZ 1997, 77, 77, 79; OLG Frankfurt, DNotZ 1990, 105, 105 f.; MittRhNotK 1997, 269, 269 f.; ganz strikt: LG Stralsund, ECLI:DE:LGSTRAL: 2012:0330.2T30.78.79.12.0A; Bork, ZIP 2009, 1261, 1262; Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 41; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531, 553, 542; ders., in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  164 f., 256; krit. zu jeder Prüfungsbefugnis Ulrici, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOKZPO, 2019, §  724, Rn.  29. 3  BGH, NJW 1998, 2830, 2832; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531, 535; ders., in: MünchKomm-­ ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  256; zur vollstreckbaren Urkunde: Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 169 f. 4  BayObLG, DNotZ 1997, 77, 79; DNotZ 1998, 194, 195 f.; LG Koblenz, DNotZ 1972, 190, 190; Lindemeier, RNotZ 2009, 37, 41. 5  §  724 Abs.  2 ZPO, dazu etwa Nierwetberg, Rpfleger 2005, 292, 292 f. 6  §  20 Nr.  12 RPflG, ebenfalls Nierwetberg, Rpfleger 2005, 292, 293. 7  §  797 Abs.  2 S.  1 ZPO.

A. Klauselverfahren und Vollstreckung

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trag auch darauf untersuchen, ob er ein Verbraucherwiderrufsrecht entstehen lässt und ob das Widerrufsrecht fristgemäß ausgeübt wurde. Letzteres wiederum erfordert regelmäßig eine Prüfung der Informationspflichten und ob der Unternehmer diesen nachgekommen ist. Der „offensichtliche Nachweis“, dass der titulierte Anspruch nicht oder nicht so wie tituliert besteht, ist aber vor dem Hintergrund der Effizienz der Zwangsvollstreckung zu lesen. Das Vollstreckungsverfahren soll gerade nicht durch materiellrechtliche Prüfungen oder Nachforschungen verlangsamt werden.8 Deshalb können der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle oder der Rechtspfleger den Titel mit der Klausel versehen, obwohl beide keine volljuristische Ausbildung haben und nicht in der Lage ­wären, eine umfassende Rechtsprüfung wie ein Richter vorzunehmen.9 Der Notar wäre dazu in der Lage, wird aber bei der Klauselerteilung dem Urkundsbeamten gleichgestellt und hat daher im selben Umfang Prüfungsbefugnisse wie dieser.10 Widerruft der Verbraucher nach Entstehung des Titels eine Erklärung, wodurch der Titel oder der diesem zugrunde liegende Anspruch in Frage gestellt wird, darf die Klauselerteilung dennoch nicht verweigert werden. Das gleiche gilt für den Fall, dass Mängelgewährleistungsrechte geltend gemacht werden oder dass eine notarielle Unterwerfungserklärung AGB-rechtswidrig ist. Auch diese Unwirksamkeit erfordert jeweils eine Abwägung und rechtliche Analyse, die im Klauselverfahren gerade ausgeschlossen ist.11 Etwas anderes gilt nur, wenn ein richterliches Urteil den Titel für rechtswidrig erklärt; hierin unterscheidet der Fall sich aber nicht von Fällen außerhalb des EU-Verbraucherrechts.

II. Vollstreckungsverfahren Auch bei Maßnahmen der Zwangsvollstreckung ist für das Vollstreckungsorgan nur der Titel, nicht aber der materiellrechtliche Anspruch maßgeblich.12 Durch das Klauselverfahren sollen die Organe der Zwangsvollstreckung entlastet werden und gerade keine Prüfung wie bei der Klauselerteilung durchführen.13 Die zuständigen Vollstreckungsorgane dürfen die Zwangsvollstreckung 8  BGH, NJW-RR 2004, 1718, 1719; NJOZ 2005, 3298, 3299; Bork, ZIP 2009, 1261, 1262; Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 187. 9  Vgl. zum Rechtspfleger: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18.  Aufl., 2018, §  25, Rn.  4. 10  BGH, NJW-RR 2004, 1718, 1719; NJW 2009, 1887, 1888; Bork, ZIP 2009, 1261, 1262; Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 231–219, 227–233, 235 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  256. 11  BGH, NJW 2009, 1887, 1887; Bork, ZIP 2008, 2050; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  256; vgl. auch BGH, NJW 1998, 2830, 2832; ähnlich allgemeiner Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 189–191. 12  BGH, JR 1956, 185, 185; GRUR 2014, 605, 605 f. 13  Z. B. Gaul, ZZP 110, 1997, 3, 3 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.   Aufl., 2016, §  724, Rn.  4; ders., ebd. §  794, Rn.  257.

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daher nur bei groben, offensichtlich die Vollstreckung hindernden Rechtsfehlern verweigern.14 Sie dürfen keine Prüfung des hinter dem Titel stehenden Anspruchs vornehmen.15 Auch müssen sie davon ausgehen, dass der Titel formal besteht.16 Geprüft werden darf nur, ob ein formal wirksam mit einer Klausel versehener Titel vorliegt und sein Inhalt vollstreckbar, insbesondere hinreichend bestimmt ist.17 Eine inhaltliche Kontrolle der Klausel wiederum findet nicht statt.18 Die Zwangsvollstreckung auf Grundlage eines mangelhaften Titels, der aber mit einer ordnungsgemäßen Klausel versehen ist, ist rechtmäßig.19

III. EU-Recht Diese begrenzte Prüfungspflicht beschränkt die effektive Wirksamkeit des EU-Verbrauchervertragsrechts. Die Beschränkung ist aber gerechtfertigt durch die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten und das unionsrechtlich anerkannte Ziel, durch eine nur formale Prüfungspflicht der Vollstreckungsorgane ein rasches Vollstreckungsverfahren zu ermöglichen.20 Die Einschränkung ist dadurch verhältnismäßig, dass vorher stets eine inhaltliche Prüfung stattgefunden hat (s. o. §§  3 –7) und der Verbraucher weiterhin die Möglichkeit hat, ein Gericht anzurufen und eine solche Prüfung durchführen zu lassen.21 Insbesondere muss es auch nach Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens möglich sein, Rechtsschutz gegen dasselbe zu erlangen mit dem Argument, der Titel sei unionsrechtswidrig. Nicht notwendig ist demgegenüber, dass das nationale Recht eine völlige Untätigkeit des Verbrauchers – auch nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren – ausgleichen muss.22 Diese Anforderungen erfüllt das deut14 

Z.B OLG München, Rpfleger 2016, 96, 96 (Datumsfehler). Z. B. BGH, NJW 1990, 1662, 1663; NJW 1994, 460, 461; NZM 2001, 1078, 1078; Becker-­ Eberhard, in: Gaul/Schilken (Hg.), Zwangsvollstreckungsrecht, 12.  Aufl., 2010, §  16, Rn.  5; Kindl, in: Saenger-ZPO, 8.  Aufl., 2019, vor §§  704–945, Rn.  2; ähnlich Gaul, in: Gaul/Schilken (Hg.), Zwangsvollstreckungsrecht, 12.  Aufl., 2010, §  7, Rn.  6 (zum Notwehrrecht). 16  Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  257. 17  Z. B. OLG München, NJOZ 2016, 750, 751; Baur, in: Frotz/Ogris (Hg.), FS Demelius, 1973, 315, 319; Lackmann, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  724, Rn.  6. 18  Z. B. Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 246–262; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  724, Rn.  4. 19  Z. B. BGH, NJW-RR 2012, 1146, 1147; Fischer, Rpfleger 2007, 12, 17; Gaul, in: Gaul/ Schilken (Hg.), Zwangsvollstreckungsrecht, 12.  Aufl., 2010, §  7, Rn.  1; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 241 f.; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  724, Rn.  6 , 257. 20  Vgl. EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.  57, 59–63, 65; Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 Rn.  59 (nur wenn ordre public-Prüfung möglich); anders noch Trstenjak, Schlussanträge Asturcom, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:305 Rn.  62–64; Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 77 f. 21 EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.   57, 63, 65; Kuhar ./. Addiko Bank, C-407/18, ECLI:EU:C:2019:537 Rn.  57 f.; Piekenbrock, JZ 2018, 855, 137; vgl. auch Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 499 f. 22 EuGH, ERSTE Bank Hungary, C-32/14, ECLI:EU:C:2015:637 Rn.   62; Kušionová, 15 

B. Präklusion materiellrechtlicher Einwendungen im Vollstreckungsverfahren

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sche Recht durch die Möglichkeit der Vollstreckungsgegenklage (§  767 ZPO) und den Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes (§§  707, 712 ff., 916 ff., 936 ff. ZPO).23

B. Präklusion materiellrechtlicher Einwendungen im Vollstreckungsverfahren Nach §  767 ZPO können materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch in einem separaten Klageverfahren geltend gemacht werden. Bei Titeln, die in Rechtskraft erwachsen, sind allerdings solche Einwendungen ausgeschlossen, die im Hauptverfahren hätten vorgebracht werden können (§  767 Abs.  2 ZPO, gegebenenfalls entsprechend bei anderen Titeln). Grundsätzlich wird in Deutschland bei Gestaltungsrechten der Zeitpunkt der Präklusion danach bestimmt, wann das Recht entstand, nicht wann es ausgeübt wurde (I.). Relevant wird die Problematik nur bei rechtskraftfähigen Titel, d. h. insbesondere Urteil und Schiedsspruch (II.). Eine solche Präklusion führte zu einer ­unionsrechtswidrigen Verkürzung der im EU-Verbrauchervertragsrecht vorgesehenen Fristen und damit der Rechte des Verbrauchers, sollte derselbe nach Titulierung von einem Gestaltungsrecht Gebrauch machen. In unionsrechtskonformer Auslegung ist bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Präklusion nicht darauf abzustellen, wann der Rechtsgrund des Gestaltungsrechts entstand, sondern wann dasselbe ausgeübt wurde (III.). Dies gilt nicht nur für ein Widerrufsrecht (III. 1.), sondern auch auf Unionsrecht zurückgehende Mängelgewährleistungsrechte (III. 2.) und die Einrede des nichterfüllten Vertrags im Fall des Nacherfüllungsanspruchs (III. 3.).

I. Problemaufriss der Präklusion gem. §  767 Abs.  2 ZPO Für materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch im Zwangsvollstreckungsverfahren ist die Vollstreckungsklage gem. §  767 ZPO einschlägig.24 Materiellrechtliche Prüfungen sollen aus den übrigen RechtsbeC-34/13, ECLI:EU:C:2014:2189 Rn.  56; ähnlich Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 498–500. 23  Piekenbrock, JZ 2018, 855, 138; ähnlich Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 494 f. 24  Die Klage wegen sittenwidriger Titelerschleichung und Vollstreckung gem. §  826 BGB wird mangels Besonderheiten im B2C-Verhältnis vernachlässigt, dazu etwa Gaul, in: Berger u. a. (Hg.), FS Sandrock, 2000, 291–293; ders., in: Stürner u. a. (Hg.), FS Leipold, 2009, 881, 883–887; zum Schiedsvergleich Bilda, DB 2004, 171, 175. Zur Titelgegenklage analog §  767 ZPO, z. B. BGH, NJW 1990, 1662, 1663; NJW 2002, 138, 139; NJW-RR 2004, 472, 473 f.; anders noch BGH, NJW 1955, 182, 183; NJW-RR 1987, 1149, 1149; vgl. Paulus, in: Wieczorek/ Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  66, 90.

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helfen wie der Erinnerung (§  766 ZPO) und Klauselerinnerung (§  732 ZPO) herausgehalten werden.25 Die Klage gem. §  767 ZPO ist somit die einzige Möglichkeit, nach Titulierung die Materiellrechtswidrigkeit des titulierten Anspruchs geltend zu machen. Für Urteile sieht §  767 Abs.  2 ZPO eine Präklusion vor: Einwendungen sind nur zulässig, wenn sie nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind. Der Gedanke der Präklusion wird allgemein auf rechtskraftfähige ­Titel ausgedehnt.26 Bei Gestaltungsrechten nimmt die Rechtsprechung regel­ mäßig an, dass die Präklusion eintritt, wenn das Recht vor dem relevanten Zeitpunkt ausgeübt werden konnte, unabhängig davon, wann es ausgeübt wurde oder ob Kenntnis von der Existenz des Rechts bestand.27 Widerruft der Verbraucher nach dem Präklusionszeitpunkt seine Erklärung, die konstitutiv für den titulierten Anspruch ist, geht dieser Widerruf ins Leere, wenn er mit dem Vorbringen im Vollstreckungsverfahren präkludiert ist. Dies ist der Fall, wenn das Widerrufsrecht – wie regelmäßig im Verbrauchervertragsrecht – bereits bei Vertragsschluss entstand. Das gleiche gilt für die Ausübung von Mängelrechten aus einem Verbrauchsgüterkaufvertrag. Damit werden faktisch die unionsrechtlich gewährten Rechte verkürzt, da die unionsrechtlich vorgesehenen Fristen, um die Rechte geltend zu machen, nicht bis zu ihrem Ablauf genutzt werden können.28 Es liegt damit eine Beschränkung der effektiven Wirkung des Unionsrechts vor. Abzugrenzen ist die Präklusion nach §  767 Abs.  2 ZPO von der „prozessualen Überholung“, die dadurch eintritt, dass das Verfahren vollendete Tatsachen schafft: In den Fällen, in denen eine solche Überholung angenommen wurde, richtete das materielle Recht sich gegen die Verfahrensvereinbarung, also insbesondere die Schiedsvereinbarung. Ihre Unwirksamkeit ist, sollte nicht bereits vorher Präklusion eingetreten sein, im Verfahren nach §  1059 Abs.  1 Nr.  1 lit.  a ZPO geltend zu machen (ausführlich bereits §  5 A. IV. 2.). Aus Sicht des Unions25  BGH, NJW-RR 2007, 1724, 1724; NJW-RR 2006, 567, 567; NJW 1992, 2160, 2161; NJW 1994, 460, 461; Bork, ZIP 2008, 2050; Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  794, Rn.  256; ders., DNotZ 1990, 531, 538 f. 26  Z. B. Herget, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  767, Rn.  14, 20; vgl. §  797 Abs.  4 ZPO bei der vollstreckbaren Urkunde; Becker-Eberhard, in: Saenger u. a. (Hg.), FS Werner, 2009, 532, 537 f.; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  9 0; Pecher, ZZP 97, 1984, 139, 160, 166; zum Schiedsvergleich Grziwotz, MDR 2001, 305, 306; Waßmuth, Richtigkeitskontrolle und Rechtskraft des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut, 2013, 132; zum Beschlussvergleich Atteslander-Dürrenmatt, Prozessvergleich, 2006, 64 f. 27  Z. B. BGH, NJW 1961, 1067, 1067; NJW 1996, 57, 58 f.; NJW-RR 2006, 229, 230 f.; NJW 2014, 2045, 2046 f.; Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.  Aufl., 2019, §  767, Rn.  52; Überblick bei Makowsky, JuS 2014, 901, 903 f.; K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  77. 28  Z. B. K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  8 0, 82; Hönn, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 199, 210 f.; ähnlich: E. Schumann, in: Canaris/ Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 593 f.

B. Präklusion materiellrechtlicher Einwendungen im Vollstreckungsverfahren

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rechts besteht der erhebliche Unterschied darin, dass die Regelungen zum Widerruf der Schiedsvereinbarung („als Verbrauchervertrag“) nur dann zum Tragen kommen, wenn das nationale Recht einen Rückgriff auf das materielle Recht vorsieht. Soweit das Verfahrensrecht diesem vorgehende Spezialregelungen vorsieht, kann die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten das materielle Recht verdrängen. Aus diesem Grund kann die „prozessuale Überholung“ bei der Schiedsvereinbarung, die durch verfahrensrechtliche Interessen gerechtfertigt ist, die effektive Wirkung des Unionsrechts einschränken (ausführlich bereits §  5 A. IV. 2.). Hiervon zu trennen ist die Behandlung des materiellrecht­ lichen Anspruchs, der dem Titel zugrundeliegt, aber nicht konstituierend für das Verfahren ist, welches zum Titel führt.

II. Relevanz für die untersuchten Titel Diese Problematik ist nur für zwei hier relevante Titel einschlägig, für Urteile und Schiedssprüche. Für Urteile sieht §  767 Abs.  2 ZPO eine Präklusion ausdrücklich vor: Einwendungen sind nur zulässig, wenn sie nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind. Der Gedanke wird allgemein auf rechtskraftfähige Titel ausgedehnt.29 Rechtskräftig wird der Schiedsspruch, der gem. §  1055 ZPO zwischen den Parteien die Wirkungen eines Urteils hat. Das gleiche gilt für den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, da er einen vollwertigen Schiedsspruch darstellt.30 Beim endgültig rechtskräftigen, nach §  1060 Abs.  1 ZPO für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch sind daher nach §§  795, 767 Abs.  2 ZPO solche Einwendungen präkludiert, die vor dem Gericht gem. §  1060 Abs.  2 ZPO hätten geltend gemacht werden können.31 Für die vollstreckbare Urkunde sieht §  797 Abs.  4 ZPO ausdrücklich vor, dass §  767 Abs.  2 ZPO nicht greift. Der Anspruch, in den vollstreckt werden soll, erwächst durch die Titulierung nicht in Rechtskraft.32 Auch die übrigen Titel 29  Z. B. Herget, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  767, Rn.  14, 20; Becker-­ Eberhard, in: Saenger u. a. (Hg.), FS Werner, 2009, 532, 537 f.; Paulus, in: Wieczorek/Schütze (Hg.), ZPO, Bd.  9, 4.  Aufl., 2015, §  794, Rn.  90; Pecher, ZZP 97, 1984, 139, 160, 166; zum Schiedsvergleich Grziwotz, MDR 2001, 305, 306; Waßmuth, Richtigkeitskontrolle und Rechtskraft des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut, 2013, 132; zum Beschlussvergleich Atteslander-Dürrenmatt, Prozessvergleich, 2006, 64 f.; a. A. (Rechtskraft) Schlosser, in: Gottwald/Roth (Hg.), FS Schumann, 2001, 389, 401. 30  Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006, 297 f.; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 295 f.; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 65; Waßmuth, Richtigkeitskontrolle und Rechtskraft des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut, 2013, 137; ähnlich (allgemein) Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 948 f.; Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, 2001, 48. 31  Z. B. BGH, NJW 1961, 1067, 1068 f.; NJW 1990, 3210, 3210; NJW-RR 2008, 659, 661 f.; ZfIR 2015, 304, 304 f. Rn.  11; Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, 194–196; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, 77 f. 32  Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531, 534.

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dieser Untersuchung erwachsen nicht in Rechtskraft und werden entsprechend behandelt: Weder der Prozessvergleich noch die notarielle Entscheidung über die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs oder des Anwaltsvergleichs mit vereinbartem Wortlaut nach §  1053 Abs.  4 ZPO werden rechtskräftig.33 Beim Anwaltsvergleich ist die Rechtskraft auf die Vollstreckbarkeit beschränkt, d. h. materiellrechtliche Vorfragen sind nicht erfasst (s. o., §  7 A. III.).34 Sollte einer dieser Titel im Zeitpunkt des Widerrufs bereits existieren, stimmt er nach Erklärung desselben nicht mehr mit dem materiellen Recht überein, sodass die Vollstreckungsgegenklage ohne die Präklusion des Abs.  2 statthaft ist.35

III. Präklusion von Mängelgewährleistungs- und Widerrufsrechten unionsrechtlicher Herkunft Folgt man der vorherrschenden Rechtsprechung in Deutschland, tritt Präklu­ sion bei Gestaltungsrechten ein, wenn das Recht vor dem relevanten Zeitpunkt (etwa dem Schluss der mündlichen Verhandlung) ausgeübt werden konnte, unabhängig davon, wann etwa der Verbraucher es ausübte oder ob er von Existenz des Rechts wusste.36 Diese Meinung gerät in Konflikt mit dem Effektivitätsprinzip und den hier untersuchten Regeln des EU-Verbrauchervertragsrechts, insbesondere mit dem Widerrufsrecht der VerbrR-RL (1.), den Mängelgewährleistungsrechten der Ver­ br­GK-RL, die teilweise als Gestaltungsrechte ausgeformt sind (2.) und mit dem Nacherfüllungsanspruch, soweit dieser auf die VerbrGK-RL zurückgeht (3.). Es zeigt sich, dass stattdessen auf den Zeitpunkt der Ausübung des Rechts, nicht 33  Vgl. auch BGH, NJW 1996, 1753, 1754; Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 285; ähnlich wohl OLG Brandenburg, NJW 2014, 643, 643; Trittmann/C. Merz, IPRax 2001, 180; a. A. zum Anwaltsvergleich wohl K. Müller, RNotZ 2010, 167, 174. 34  Gaul, in: Gaul/Schilken (Hg.), Zwangsvollstreckungsrecht, 12.   Aufl., 2010, §   40, Rn.  100; Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7.  Aufl., 2017, §  779, Rn.  100; Kindl, in: Saenger-­ ZPO, 8.  Aufl., 2019, §  796a, Rn.  7; Leutner/M. Hacker, NJW 2012, 1318, 1320 f.; W. Münzberg, in: Stein/Jonas  VII, 22.  Aufl., 2002, §  796b, Rn.  4; Seiler, in: Thomas/Putzo (Hg.), ZPO, 40.  Aufl., 2019, §  796b, Rn.  4; Voit, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  796a, Rn.  10; ähnlich Trittmann/C. Merz, IPRax 2001, 179; anders wohl LG Halle, NJW 1999, 3567, 3567; OLG Köln, NJW 1997, 1450, 1451; Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  796a, Rn.  22, 24, der dann aber die Argumentation zu Widerrufsrecht etc. überträgt. 35  Wolfsteiner, in: MünchKomm-ZPO, 5.   Aufl., 2016, §  794, Rn.  143; Gröschler, Soergel, 13.  Aufl., 2016, §  779, Rn.  79. 36  Z. B. BGH, NJW 1961, 1067, 1067; NJW 1996, 57, 58 f.; NJW-RR 2006, 229, 230 f.; NJW 2014, 2045, 2046 f.; Überblick bei Makowsky, JuS 2014, 901, 903 f.; K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  77; krit. Gaul, in: Gaul/Schilken (Hg.), Zwangsvollstreckungsrecht, 12.  Aufl., 2010, §  40, Rn.  62–65; P. Gottwald, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  322, Rn.  158; Lackmann, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  767, Rn.  36 f.; vgl. auch BGH, NJW 1985, 2481, 2482; ganz anders W. Münzberg, in: Stein/­Jonas   V II, 22.  Aufl., 2002, §  767, Rn.  32–39; unklar Hartmann, in: BLAH-ZPO, 77.  Aufl., 2019, §  767, Rn.  52.

B. Präklusion materiellrechtlicher Einwendungen im Vollstreckungsverfahren

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den Moment seiner Entstehung abzustellen ist, sobald das ausgeübte Recht auf EU-Verbrauchervertragsrecht zurückgeht. 1. Widerrufsrecht nach VerbrR-RL Eine Präklusion führte dazu, dass die materiellrechtliche, vom Unionsrecht vorgegebene Widerrufsfrist des Verbrauchers durch die prozessuale Ausgestaltung gesetzlich unverhältnismäßig verkürzt würde.37 Verkürzt wird damit das Recht des Verbrauchers, sich bis zum Ablauf der Frist vom Vertrag zu lösen.38 Gerechtfertigt wird diese Einschränkung durch §  767 Abs.  2 ZPO mit dem Gedanken, dass das Gestaltungsrecht im relevanten Zeitpunkt bereits bestand und daher ausgeübt werden konnte; der Berechtigte soll also dazu angehalten werden, seine Rechte allgemein geltend zu machen.39 Problematisch ist an dieser Argumentation, dass die Überlegungsfrist des Widerrufsrechts bewusst die Länge hat, die der EU-Gesetzgeber vorsieht. Es kommt damit nicht darauf an, ob der Verbraucher bereits in der Lage war, das Widerrufsrecht vor dem Präklusionszeitpunkt auszuüben, sondern das Unionsrecht schützt ihn darin, das Widerrufsrecht während des Zeitraums, in dem die Widerrufsfrist läuft, ausüben zu können.40 Es geht darum, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers zu schützen.41 Darüber hinaus soll der Unternehmer diszipliniert werden, etwa seine Informationspflichten zu erfüllen (s. o. §  2. A. III. 2.).42 Weiterhin möchte das Unionsrecht die Widerrufsfristen harmonisieren und die Rechtsunsicherheit beseitigen, dass die konkrete Länge von nationalen Besonderheiten oder der Kenntnis des Verbrauchers von der Existenz des Rechts abhängt. Diese Wertungen gelten unabhängig von prozessualen Besonderheiten (ausführlich bereits oben, §  2. A. II. 4., III. 2.). Die Präklusion führt darüber hinaus dazu, dass Normen in Verbindung mit dem Widerrufsrecht niemals gerichtlich kontrolliert werden können, denn der Titel, der in Frage steht, beschäftigt sich gerade nicht damit, ob die Ausübung rechtmäßig war oder überhaupt ein Widerrufsrecht bestand (dazu §  2 B. II. 1.). Somit beschränkt die Präklusion die Wirkung des EU-Verbrauchervertragsrechts unverhältnismäßig.43 37 Ähnlich:

E. Schumann, in: Canaris/Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 593 f. Z. B. K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  80, 82; Hönn, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 199, 210 f. 39  Klimke, ZZP 126, 2013, 43, 46; zum Verbraucherwiderrufsrecht: BGH, NJW 1996, 57, 58 f.; krit. Lackmann, in: Musielak/Voit (Hg.), ZPO, 16.  Aufl., 2019, §  767, Rn.  35–37. 40 Etwa K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  8 0, 82; a. A. Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 497. 41  Fischer, VuR 2004, 322, 326. 42  LG Darmstadt, NJOZ 2011, 644, 645. 43  I.E. etwa LG Darmstadt, NJOZ 2011, 644, 645; Fischer, VuR 2004, 322, 326; Hönn, in: Lüke u. a. (Hg.), FS Ishikawa, 2001, 199, 210 f.; K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-­ ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  80, 82; tendenziell Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 495 f. 38 

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§  8 Zwangsvollstreckungsverfahren

Diese Beschränkung lässt sich aber im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung dadurch beseitigen, dass mit der wohl h. A. für den Zeitpunkt der Präklusion bei unionsrechtlich gewährten Gestaltungsrechten darauf abgestellt wird, wann der Verbraucher die entsprechende Erklärung abgab, also den Widerruf geltend machte. Ausschlaggebend für die Präklusion ist somit nicht die Ent­ stehung des Rechtsgrunds, sondern das Ausüben des Rechts.44 Konsequenz ist, dass ein Widerrufsrecht nur dann präkludiert ist, wenn es vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung (bei Urteilen) oder vor Vollstreckbarerklärung gem. §  1060 ZPO ausgeübt wurde. Nur dieses ist, sollte es vorher nicht geltend gemacht worden sein, im Verfahren nach §  767 Abs.  2 ZPO präkludiert.45 2. Rücktritt und Minderung nach VerbrGK-RL Rücktritt und Minderung bei mangelhafter Leistung im Verbrauchsgüterkauf sind ebenfalls Gestaltungsrechte des Verbrauchers. Eine nachträgliche Disposition über ihre Ausübung ist nur zulässig, wenn der konkrete Mangel bereits bekannt war. In einem Fall des bekannten Mangels wäre eine Präklusion zulässig, da der Verbraucher aus Sicht des EU-Rechts auch über die Mängelrechte selbst disponieren kann (vgl. §  476 Abs.  1 S.  1 BGB, oben §  2 A. III. 3.).46 Etwas anderes gilt für eine allgemeine Disposition über die Mängelgewährleistungsrechte. Diese ist nicht möglich (oben, §  2 A. IV.). Ließe man eine Präklusion durch die Titelschaffung zu, obwohl der Verbraucher die Mängelrechte noch nicht geltend gemacht hat, führte die Präklusion faktisch zu einer Disposition über die Rechte bzw. zu einer Verkürzung der rechtlich vorgesehenen Zweijahresfrist zu ihrer Geltendmachung.47 Es bestehen keine ausreichenden systematischen Unterschiede zwischen dem Widerrufsrecht und den Mängelgewährleistungsrechten, die eine Differenzierung rechtfertigten.48 Die VerbrGK-RL wirkt zwar nur mindestharmonisierend, die VerbrR-RL vollharmonisierend. Hieraus lässt sich aber bezogen auf 44  OLG Stuttgart, NJW 1994, 1225, 1225; LG Darmstadt, NJOZ 2011, 644, 645; Fischer, VuR 2004, 322, 326; Herget, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  767, Rn.  14; G. Krämer, ZIP 1997, 93, 94 f.; Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 496; Piekenbrock, JZ 2018, 855, 856; K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  81 f.; Woitkewitsch, MDR 2006, 241, 243; ähnlich Pfeiffer, LMK 2008, 250684; zur Aufrechnung BGH, NJW-RR 2011, 213, 214; Habscheid, KTS 1964, 79, 85; zum Anwaltsvergleich Geimer, in: Zöller/Geimer (Hg.), ZPO, 33.  Aufl., 2019, §  796a, Rn.  22; all­ gemein zur Ausübung von Gestaltungsrechten und Präklusion: E. Schumann, in: Canaris/ Diederichsen (Hg.), FS Larenz, 1983, 571, 593 f.; offen lassend Makowsky, JuS 2014, 901, 904. 45  Hacke, ADR-Vertrag, 2001, 295 f.; Schramm, Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, 2015, 65; Waßmuth, Richtigkeitskontrolle und Rechtskraft des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut, 2013, 137; ähnlich (allgemein): Spohnheimer, in: Geimer/Schütze (Hg.), FS Kaissis, 2012, 933, 948 f.; Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, 2001, 48. 46  Klimke, ZZP 126, 2013, 43, 57. 47  Art.  5 Abs.  1 VerbrGK-RL; Klimke, ZZP 126, 2013, 43, 55 f. 48  Piekenbrock, JZ 2018, 855, 857 f.

B. Präklusion materiellrechtlicher Einwendungen im Vollstreckungsverfahren

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die Fristen, welche die Rechte des Verbrauchers begrenzen, nicht folgern, dass nationale Abweichungen großzügiger möglich sind: Gem. Art.   5 Abs.   1 VerbrGK-­RL haftet der Verkäufer strikt innerhalb der Zweijahresfrist. Etwaige Verjährungsfristen nach nationalem Recht müssen entsprechend angepasst werden (Art.  5 Abs.  1 VerbrGK-RL). Freiraum haben die Mitgliedstaaten nur bei der Frage, in welchem Zeitraum der Verbraucher ab Kenntnis von der Vertragswidrigkeit seine Rechte geltend machen muss (Art.  5 Abs.  2 VerbrGK-RL). Diesen letzten Punkt hat der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung ins materielle Recht nicht übernommen.49 Hieraus lässt sich folgern, dass auch keine faktische Disposition über die Gestaltungsrechte vom EU-Recht zugelassen ist. Im Gegenteil zeigt die punktuelle Zulässigkeit der Disposition über die Mängelrechte, dass der Unionsgesetzgeber keine weiteren Dispositionen zulässt, auch keine verfahrensrechtlichen. Die Präklusion gem. §  767 Abs.  2 ZPO beschränkt aber die effektive Wirkung der Mängelgewährleistungsrechte und verkürzt die Zweijahresfrist, die dem Verbraucher gewährt wird, um seine Rechte geltend zu machen. Weiterhin geht der Unionsgesetzgeber davon aus, dass der Verbraucher im Prozess zwar seine Rechte geltend machen muss, ihm aber nicht unterstellt werden kann, dass er im Verfahren Klarheit über die Rechtslage hat. Insbesondere wenn sich Mängel erst nach der Titelschaffung zeigen, aber auch wenn vorher aus anderen Gründen keine Kenntnis von den Mängeln oder den daraus resultierenden Rechten vorlag, führte die Präklusion zu einem Ausschluss der Rechte, den das Unionsrecht nicht vorsieht.50 Es besteht im Verfahren niemals die Möglichkeit, dass das Recht von einem Gericht geprüft wird. Da die Fristregelungen des Art.  5 Abs.  1 VerbrGK-RL auch im Verfahrensrecht gelten sollen, ist diese nationalrechtliche Verkürzung damit unionsrechtswidrig.51 Das geltende Recht kann aber parallel zum Widerrufsrecht unionsrechtskonform ausgelegt werden: Für die Präklusion von Vorbringen, ein Rücktritts- und Minderungsrecht wäre geltend gemacht worden, ist nicht auf die Entstehung des Rechts, d. h. den Zeitpunkt des Gefahrübergangs,52 sondern seine Ausübung abzustellen.53 Alternativ und im Einklang mit dem EU-Recht könnte man auf die Kenntnis des Verbrauchers vom Mangel abstellen.54 Hiergegen spricht aber Art.  5 Abs.  2 49 

Vgl. BT-Drs. 14/6040, 244 f. Klimke, ZZP 126, 2013, 43, 47  f.; K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  82. 51  Klimke, ZZP 126, 2013, 43, 57; vorsichtiger Piekenbrock, JZ 2018, 855, 856. 52  Z. B. Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §   439, Rn.  1; Stegmaier, NJW 2018, 2665, 2667. 53  Klimke, ZZP 126, 2013, 43, 59, 61; allgemein Gaul, in: Gaul/Schilken (Hg.), Zwangsvollstreckungsrecht, 12.  Aufl., 2010, §  40, Rn.  80; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, 45. 54  Ähnlich zur Kenntnis des Verbrauchers: Klimke, ZZP 126, 2013, 43, 58 f.; wohl auch Lüttringhaus, Materialisierung im Europäischen Binnenmarkt, 2018, 496 f. 50 Ähnlich

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§  8 Zwangsvollstreckungsverfahren

VerbrGK-RL, der ausnahmsweise nationale Verkürzungen der Zweijahresfristen betrifft: Die Mitgliedstaaten können eine gewisse Präklusion vorsehen, nämlich dass der Verbraucher seine Rechte innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnis der Vertragswidrigkeit (d. h. der Mangelhaftigkeit i. S. d. §§   434 f. BGB) geltend machen muss. Aus dieser konkreten Ausnahmeregelung lässt sich rückschließen, dass eine Präklusion innerhalb dieser Zweimonatsfrist damit nicht möglich ist. Der deutsche Gesetzgeber hat aber die Möglichkeit der Fristverkürzung materiellrechtlich nicht umgesetzt, sodass es systemwidrig und wohl auch gegen seinen Willen wäre, eine solche zusätzlich in das Zwangsvollstreckungsverfahren und §  767 Abs.  2 ZPO hineinzulesen. Damit ist es systemund unionsrechtskonform, wie beim Widerrufsrecht schlicht auf den Zeitpunkt der Ausübung abzustellen. Die Alternative wäre, stattdessen (ebenfalls unionsrechtskonform) danach zu differenzieren, ob die Rechte innerhalb der zwei Monate nach Kenntnis ausgeübt wurden und dann auf den Moment abzustellen, in dem der Verbraucher die Mängelgewährleistungsrechte geltend gemacht hat. Im Fall, dass die Rechte zu einem späteren Zeitpunkt ausgeübt wurden, wäre stets auf den Moment abzustellen, in dem das Recht entstanden wäre, also den Moment des Gefahrübergangs.55 Diese Differenzierung, die einen zusätzlichen entscheidenden Zeitpunkt neben dem des §  767 Abs.  2 ZPO einführt, findet keine Entsprechung im deutschen Recht. 3. Nacherfüllungsanspruch nach VerbrGK-RL und Einrede des nichterfüllten Vertrags, §  320 BGB Schließlich stellt sich die Frage, ob der Nacherfüllungsanspruch nach §  439 BGB, soweit er ebenfalls auf die VerbrGK-RL zurückgeht, parallel zu Rücktritt und Minderung behandelt werden muss. Dies führte dazu, dass eine Präklusion gem. §  767 Abs.  2 ZPO davon abhinge, wann das Recht geltend gemacht wurde, das aus dem Nacherfüllungsanspruch entstammt und geltend gemacht werden muss. Es handelt sich dabei um die Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. §  320 Abs.  1 BGB. Der Anspruch auf Nacherfüllung entsteht von Gesetzes wegen im Fall der mangelhaften Leistung bei Gefahrübergang.56 Der Verbraucher kann, sollte er auf Zahlung in Anspruch genommen werden, die Einrede des nichterfüllten Vertrags (§  320 Abs.  1 BGB) erheben, die sich darauf stützt, dass der Unternehmer nachzuerfüllen hat.57 Macht er diese Einrede erst nach Titulierung des 55  Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §   439, Rn.  1; Stegmaier, NJW 2018, 2665, 2667. 56  Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Martinek (Hg.), Staudinger, 2013, §   439, Rn.  1; Stegmaier, NJW 2018, 2665, 2667. 57  Zur Zulässigkeit der Klage aus §  767 Abs.  2 ZPO bei der Einrede des nichterfüllten Vertrags z. B. BGH, NJW-RR 2004, 1135, 1135; Preuß, in: Vorwerk/Wolf (Hg.), BeckOK-ZPO, 2019, §  767, Rn.  25; K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  68.

B. Präklusion materiellrechtlicher Einwendungen im Vollstreckungsverfahren

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Zahlungsanspruchs im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend, wäre er parallel zu den bereits untersuchten Gestaltungsrechten gem. §  767 Abs.  2 ZPO hiermit präkludiert. Auch bei der Einrede des nichterfüllten Vertrags stellt die Rechtsprechung und überwiegende Lehre auf die Entstehung, nicht die Geltendmachung der Einrede oder Einwendung ab.58 Das Unionsrecht behandelt Nacherfüllung, Minderung und Rücktritt jedoch gleich und geht jeweils nur davon aus, dass der Verbraucher vom Unternehmer „verlangen“ kann, dass dieser sich entsprechend verhält.59 Die Unterscheidung zwischen Gestaltungsrecht und Einwendung, die dann als Gegenrecht geltend gemacht wird, ist somit vom EU-Recht nicht vorgesehen. Dies spricht dafür, dass die oben angestellten Überlegungen auch für den Nacherfüllungsanspruch gelten und auch bezogen auf den Nacherfüllungsanspruch keine Präklusion anzunehmen ist, bis der Verbraucher diesen Anspruch dem Unternehmer gegenüber geltend gemacht hat. Die Situation ist insofern eine andere, als dass der Nacherfüllungsanspruch nur Grundlage des Leistungsverweigerungsrechts ist. Durch das Nacherfüllungsverlangen wird nicht dem titulierten Anspruch auf Kaufpreiszahlung der Boden entzogen. Das Recht des Verbrauchers, Nacherfüllung zu verlangen, wird nur indirekt berührt. Sein unionsrechtliches Recht auf Nacherfüllung könnte er weiterhin in einem Folgeprozess geltend machen. Das Recht aus Art.  3 Abs.  1 VerbrGK-RL wird also nicht durch die Präklusionsregeln vollends abgeschnitten. Allerdings besteht bei einer solchen Ausgestaltung die Gefahr, dass der Verbraucher keinen Folgeprozess einleitet, selbst wenn er von der Möglichkeit erfährt (Problem der Verbraucherapathie, s. o. §  2 A. II. 3., B. III. 3.). Damit würde durch die Präklusion dem Unternehmer etwas zugesprochen, das ihm nach EU-Recht noch nicht zusteht: Er hat mangelhaft geliefert, erhält aber den vollen Kaufpreis, dessen Leistung aufgrund von §  320 BGB i. V. m. dem Nacherfüllungsanspruch noch verweigert werden kann. §  320 BGB dient allgemein der Disziplinierung des Unternehmers (bzw. des Vertragspartners), vertragsgemäß zu leisten oder zumindest vertragsgemäß nachzuerfüllen. 60 Er dient damit im Verbrauchsgüterkauf der Durchsetzung des Unionsrechts und des Nacherfüllungsanspruchs aus Art.  3 Abs.  1 VerbrGK-RL. Durch die Gefahr, dass der Verbraucher kein separates Verfahren einleitet und damit faktisch die unionsrechtswidrige Rechtslage zementiert wird, führt die Präklusion zu einer Beschränkung dieses Durchsetzungsmechanismus und damit des Unionsrechts. Die Einrede verliert somit ihren unionsrechtlich aufgeladenen Durchsetzungszweck. Zudem ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH die Pflicht, dass ein staatliches Gericht, das rechtlich befugt ist, die Uni58 Z.  B. OLG Karlsruhe, GRUR 1988, 718–720, 718; Gaul, in: Gaul/Schilken (Hg.), Zwangsvollstreckungsrecht, 12.  Aufl., 2010, §  40, Rn.  53; K. Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, 5.  Aufl., 2016, §  767, Rn.  79. 59  Art.  3 Abs.  3, 5 VerbrGK-RL, ErwG 10 ebd. 60  BGH, NJW 2017, 1100, 1101.

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§  8 Zwangsvollstreckungsverfahren

onsrechtswidrigkeit festzustellen und zu beseitigen, auch dazu verpflichtet ist, dies zu tun, soweit sich das nationale Recht entsprechend auslegen lässt (oben §  2 B. II. 1.). 61 Anderes gilt, wenn der Verbraucher sich bewusst entscheidet, seine Rechte nicht geltend zu machen, was voraussetzt, dass er Kenntnis von seinen Rechten hat. Diese Überlegungen sprechen dafür, dass die Einrede des nichterfüllten Vertrags, soweit sie sich auf einen Gegenanspruch aus Unionsrecht bezieht und diesen durchzusetzen hilft, zu behandeln ist wie ein unmittelbar aus dem Unionsrecht stammendes Gestaltungsrecht. Damit kommt es für den Zeitpunkt der Präklusion i. S. d. §  767 Abs.  2 ZPO auf die Ausübung, nicht die Entstehung des Rechts an.

C. Zwischenergebnis zu §  8 1. Weder im Klauselerteilungsverfahren noch bei Maßnahmen der Zwangsvollstreckung muss eine materiellrechtliche Prüfung des Anspruchs oder der Titelentstehung vorgenommen werden, dies bleibt §  767 ZPO und §  767 ZPO analog vorbehalten. Die Rechte des Verbrauchers werden auch aus Sicht des Unionsrechts im Verfahren, das zum Titel führt, und durch die anschließenden Rechtsbehelfe der Zwangsvollstreckung ausreichend gewahrt. 2. Präklusion gem. §  767 Abs.  2 ZPO kommt nur bei rechtskraftfähigen Titeln in Betracht, d. h. insbesondere bei Urteilen und Schiedssprüchen. 3. Es ist unionsrechtswidrig, wenn der Verbraucher ein vor Titelschaffung entstandenes Widerrufsrecht nach Titelschaffung ausübt und hiermit gem. §  767 Abs.  2 ZPO präkludiert ist. Für die Präklusion ist stattdessen in unionsrechtskonformer Auslegung auf den Zeitpunkt der Erklärung, nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Rechts abzustellen. 4. Ebenso ist in unionsrechtskonformer Auslegung bei der Präklusion auf den Moment abzustellen, in dem der Verbraucher ein vor Titelschaffung entstandenes Mängelbeseitigungsrecht, das auf EU-Verbrauchervertragsrecht zurückgeht, d. h. Rücktritt und Minderung, geltend macht, nicht aber auf den Zeitpunkt, in dem das Recht entsteht. 5. Schließlich ist i. R. d. §  767 Abs.  2 ZPO auch bei der Einrede des nichterfüllten Vertrags (§  320 Abs.  1 BGB), die sich auf einen Nacherfüllungsanspruch i. S. d. VerbrGK-RL stützt, auf den Zeitpunkt der Erhebung der Einrede, nicht auf ihre Entstehung abzustellen. 61 Vgl. dazu EuGH, Lück  ./. Hauptzollamt Köln, 34/67, Slg. 1968, 364, 373; Pannon, C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 Rn.  24, 27; Filipiak, C-314/08, ECLI:EU:C:2009:719 Rn.  83; Océano Grupo, C-240/98-C-244/98, ECLI:EU:C:2000:346 Rn.  32; Mostaza Claro, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 Rn.  27; Galetta, EuR-Bei 2012, 37, 39.

Gesamtergebnis Die Untersuchung hat herausgearbeitet, wie sich materielles, nicht-disponibles Verbrauchervertragsrecht unionsrechtlicher Herkunft und die verfahrensrechtlichen Regeln zur Parteiautonomie zueinander verhalten. Von besonderer Bedeutung ist, dass das Unionsrecht das Konzept der Parteidisposition anders, „materialisierter“, versteht als das deutsche Recht. Die deutschen Gerichte müssen gewährleisten, dass ein Verbraucher in diesem gewandelten Verständnis über seine Rechte disponiert, da sonst die effektive Wirkung des Unionsrechts unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Eine systemkonforme Lösung ist, dass die involvierten Gerichte über ihre Erörterungs- und Hinweispflichten gem. §§  139, 278 Abs.  2 S.  2 ZPO die Kenntnis des Verbrauchers sicherstellen, dass er über seine Rechte disponiert. Das EU-Verbrauchervertragsrecht wirkt zweifach auf das Verfahrensrecht ein: Verfahrensvereinbarungen zwischen Verbraucher und Unternehmer sind regelmäßig auch Verbraucherverträge i. S. d. materiellen Rechts, sodass etwa eine AGB-Kontrolle möglich ist und Informationspflichten und Widerrufsrechte entstehen können. Nur ausnahmsweise verdrängt die Verfahrensautonomie das EU-Verbrauchervertragsrecht. Darüber hinaus verhindern das Effek­ tivitäts- und Äquivalenzprinzip regelmäßig (zur Ausnahme §  4) verfahrensrechtliche Dispositionen über materiellrechtlich zwingendes Recht. Das im B2C-­Bereich vom EuGH ebenfalls verbraucherrechtlich aufgeladene Recht auf effektiven Rechtsschutz gem. Art.  47 EU-Grundrechte-Charte erfordert darüber hinaus gewisse Anpassungen von Rechtsbehelfen und Fristen in einzelnen Verfahren, die außerhalb eines Prozesses zu vollstreckbaren Titeln führen. Die Ergebnisse lassen sich in den folgenden Thesen festhalten:

Zu Teil  I: Parteidispositionen im deutschen Verfahrensrecht und Vorgaben des EU-Verbrauchervertragsrechts Zu §  1: Parteidispositionen und Parteiautonomie 1. Den Parteien in weitem Umfang Dispositionsmöglichkeiten zu lassen, ist Folge der Parteiautonomie, eines verfassungsrechtlich geschützten Grundprinzips des Zivilprozessrechts, und dem Prozessziel des Individualschutzes. Verzichten die Parteien auf Aspekte des richterlichen Urteilsverfahrens, und damit auf

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Gesamtergebnis

­ eile des ebenfalls verfassungsrechtlich garantierten JustizgewährleistungsanT spruchs, muss der Verzicht stets dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Insbesondere müssen der Kernbereich einer parteiautonomen Entscheidung i. S. d. einfachen Rechts und der Kern der rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien gewahrt bleiben. 2. Aus dem GG, Art.  6 EMRK und Art.  47 EU-Grundrechte-Charta ergibt sich eine staatliche Gewährleistungspflicht, sobald der Staat in die Parteieinigung eingebunden wird: Er muss die Wirksamkeit der Einigung kontrollieren und sicherstellen, dass die existenziellen Garantien der Justizgewährleistung gewahrt wurden und die Abwägung zwischen den berührten Grundrechten verhältnismäßig ist. Die konkreten Verfahrensschritte oder Verfahrensarten dieser Kontrolle können vom einfachen Gesetzgeber konzipiert werden. Dies ergibt sich aus der Natur der allgemeinen Handlungsfreiheit als ausgestaltungsbedürftigem Grundrecht. 3. Die Gewährleistungspflicht nimmt zu, sowohl bezogen auf die Kontrolle der Parteientscheidung als auch auf die verfahrensrechtlichen Garantien, je stärker der Staat den Parteiwillen auf der gesetzgeberischen oder gesetzesanwendenden Ebene beeinflusst. Denn dann handelt es sich umso weniger um eine autonome Entscheidung und sie muss dem Staat mit zugerechnet werden. Zu §  2 : Vorgaben des EU-Rechts 4. Privat- und Parteiautonomie sind im deutschen und EU-Privatrecht anerkannt und damit auch die Möglichkeit eines Privaten, über seine Rechte zu ­disponieren. Zwingende Normen dürfen die Privatautonomie nur einschränken, wenn sie ein legitimes Ziel verfolgen, das der Disposition entgegensteht. Das EU-Verbrauchervertragsrecht verfolgt mit der zwingenden Ausgestaltung zwei Ziele: Das Verbrauchervertrauen in den binnenmarktweiten Handel wird gestärkt durch den Abbau von Situationen, in denen ein Verbraucher einem Unternehmer typischerweise unterlegen ist. Die binnenmarktweite Tätigkeit des Unternehmers wird durch die Einführung von harmonisierten Regeln unterstützt, um diesem Rechtssicherheit über die binnenmarktweite Rechtslage zu verschaffen. Aus dem unternehmerbezogenen Ziel folgt, dass die untersuchten halbzwingenden Normen vorbehaltlich ausdrücklicher Normierung als zwingender Mindeststandard anzusehen sind, von dem weder bei einer Gesamtnoch einer ex post-Betrachtung abgewichen werden kann. 5. Ausnahmsweise sind materiellrechtliche Dispositionen im Wege eines Vergleichsvertrags gem. §  779 BGB zulässig, wenn der Tatbestand eines „Tatsachen­ vergleichs“ nach deutschem Recht mit dem des §  19 VSBG zusammenkommt. In diesem Fall erlauben das kumulativ anwendbare autonom-nationale und das Unionsrecht eine Disposition auch über ansonsten stets zwingendes Recht.

Gesamtergebnis

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6. Die EU nutzt den Verbraucher und die Rechtsdurchsetzung durch ihn, um den Binnenmarkt zu fördern (private enforcement). Er soll nicht nur binnenmarktweit Leistungen in Anspruch nehmen und die Unternehmer disziplinieren, das Recht einzuhalten, sondern durch zusätzliche Rechtsdurchsetzung die einheitliche Anwendung und Etablierung des EU-Rechts stärken. Mit diesem Ziel kollidieren die Verfahrensregeln des Individualprozesses, die einen Verbraucher von der Geltendmachung seiner Rechte im Prozess rechtlich oder faktisch abhalten. 7. Aus der Stärkung des Individualprozesses folgt eine Stärkung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz. Auch das Effektivitätsprinzip verpflichtet den Gesetzgeber, adäquate Rechtsbehelfe zu schaffen, damit die vom Unionsrecht gewährten Rechte ausgeübt sowie Verstöße dagegen verhindert werden können und zumindest einmal im Verfahren eine EuGH-Vorlage möglich ist. Weiterhin müssen alle staatlichen Stellen, insbesondere Gerichte, das gesamte nationale Recht einschließlich des Verfahrensrechts im Rahmen ihrer nationalen Möglichkeiten so auslegen und anwenden, dass das Unionsrecht bestmögliche Wirkung entfaltet. 8. Das Äquivalenzprinzip verpflichtet zur nichtdiskriminierenden Umsetzung des EU-Rechts im Verhältnis zu gleichartigen nationalen Regelungen. Das EU-Verbrauchervertragsrecht ist wie die nationalen Regelungen zu behandeln, die als am durchsetzungswertesten im nationalen Privatrecht angesehen werden, etwa international zwingende Normen oder solche, die Teil des ordre ­public sind. 9. Das Unionsrecht „materialisiert“ die verfahrensrechtlichen Parteidisposi­ tionen eines Verbrauchers. Zwar akzeptiert es die Parteientscheidung, ein Recht nicht geltend zu machen, als Konsequenz des private enforcement. Doch es unterstellt, dass der Verbraucher auch im Verfahren typischerweise strukturell unterlegen ist, insbesondere seine Rechte nicht kennt, und diese daher nicht ausreichend geltend machen kann. Wo immer den Mitgliedstaaten hier Umsetzungs­ spielräume bleiben, muss das nationale Recht eine solche Asymmetrie aktiv ausgleichen. 10. Die Verfahrensautonomie kann, soweit kein vorrangiges Sekundärrecht anwendbar ist, Einschränkungen der effektiven Wirkung des Unionsrechts rechtfertigen. Sie greift insbesondere dann, wenn Normen daran anknüpfen, dass Teile des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Lebenssachverhalts nicht feststehen. Hier verläuft eine Linie zwischen Prozessrecht und materiellem Recht. Letzteres geht von einem eindeutigen Lebenssachverhalt aus. Nationale Regelungen zu Tatbestandsunsicherheiten sind daher eher einschränkbar als solche zu Rechtsfragen.

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Gesamtergebnis

Zu Teil  II: Auswirkung auf die einzelnen Verfahren Zu §  3: Urteil 11. Die deutschen Regelungen zur Dispositionsmaxime, insbesondere zur Einleitung des Verfahrens, aber auch zu Güte- (§  278 Abs.  2 ZPO) oder Schlichtungsverfahren (§  15a EGZPO) und Klagerücknahme (§  269 ZPO) und zur Bestimmung des Streitgegenstands, sowie der Grundsatz iura novit curia stehen in Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts. 12. Prozessuale Ausschlussfristen, die insbesondere der Verfahrensbeschleunigung oder dem Rechtsfrieden dienen, sind unionsrechtskonform: Es ist vor dem Ausschluss stets möglich, einen Verstoß gegen das Unionsrecht gerichtlich geltend zu machen, die Kenntnis der Beteiligten ist sichergestellt und die Fristlängen sind verhältnismäßig. Dies gilt auch für die Monatsfrist bis zum Eintritt der Rechtskraft. 13. Problematisch ist die Zuständigkeitsbegründung durch rügelose Einlassung: Sie darf auch über §  504 S.  1 ZPO hinaus nur angenommen werden, wenn der Richter durch Hinweis gem. §  139 ZPO sicherstellt, dass der Verbraucher nicht aus Unkenntnis darauf verzichtet, die Unzuständigkeit geltend zu machen. 14. Der Beibringungsgrundsatz ist unionsrechtskonform, wenn der Richter, sollten ihm nicht vorgetragene Tatsachen bekannt sein oder sie sich ihm aufdrängen, soweit sie nicht offenkundig sind, über §  139 ZPO dafür sorgt, dass der Verbraucher den Tatsachenvortrag nicht aus Unkenntnis unterlässt. Er muss gegebenenfalls nach §§  142, 144 ZPO anordnen, dass Beweis erhoben wird. Ist der Vortrag vollends unsubstantiiert oder unterlässt der Verbraucher bewusst den entsprechenden Vortrag, ist es unionsrechtlich zulässig, dass der Richter die Tatsachen nicht verwendet. 15. Eine richterliche Hinweispflicht besteht nur hinsichtlich verfahrensrechtlicher Hürden, die bei einem Rechtslaien nicht als bekannt vorausgesetzt werden können, nicht aber hinsichtlich materiellrechtlicher Gestaltungsrechte. Auf diese muss der Richter nur hinweisen, wenn der Unternehmer nicht schutzwürdig ist. 16. Das Verfahren, das zu einem Anerkenntnisurteil führt, ist unionsrechtskonform, da sich bereits aus dem Äquivalenzprinzip ergibt, dass kein Urteil erlassen werden darf, welches eine EU-verbraucherrechtswidrige Lage verstetigt. Dieser Verstoß stellte zugleich einen ordre public-Verstoß i. S. d. deutschen Rechts dar, bei dem der Richter den Erlass des Urteils verweigern muss. 17. Das Verfahren, das zu einem Versäumnisurteil führt, ist unionsrechtskonform, soweit der Richter von seinen Möglichkeiten nach §§  139, 142, 144 ZPO hinsichtlich sich aufdrängender Tatsachen Gebrauch macht. Er muss keine völlige Passivität des Verbrauchers ausgleichen.

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Zu §  4: Prozessvergleich 18. Ein Prozessvergleich, bei dem Unternehmer oder Richter vorformulierte Vergleichsbedingungen i. S. d. §  305 BGB verwenden, unterfällt der AGB-Kontrolle. AGB gelten regelmäßig gem. §  310 Abs.  3 Nr.  1 BGB als vom Unternehmer gestellt. Die Unwirksamkeit einer Vereinbarung führt aufgrund der Gesamtbetrachtung, die für §  779 BGB erforderlich ist, entgegen §  306 Abs.  1 BGB zur Gesamtunwirksamkeit des Vergleichs. 19. Die Informationspflichten, die darauf bezogenen Formvorgaben und das Widerrufsrecht der VerbrR-RL (§§  312a ff. BGB) entstehen in der Situation des Prozessvergleichs nicht, da der Gerichtssaal kein Ort „außerhalb von Geschäftsräumen“ und der Schriftsatzaustausch keine Kommunikation „im Fernabsatz“ ist. Analog §  491 Abs.  4 BGB entstehen auch keine sonstigen EU-verbrauchervertraglichen Informationspflichten und Widerrufsrechte, wenn der Vertrag per Prozessvergleich zustande kommt und das Protokoll oder der Beschluss die wesentlichen Vertragsinformationen enthält. 20. Die Verfahrensautonomie erlaubt eine prozessuale Disposition über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht beim Prozessvergleich – im Gegensatz zum rein materiellrechtlichen Vergleichsvertrag – in der Situation des „Tatsachenvergleichs“, solange die EU keine vorrangigen Beweisregeln erlassen hat. 21. Der Richter, der in der streitigen mündlichen Verhandlung im Rahmen seiner allgemeinen Erörterungspflicht auch auf Vergleichsschlüsse hinarbeitet, handelt in Zweifelsfällen „rechtsprechend“ i. S. d. Art.  92 GG. Aus dieser verfassungsrechtlichen Stellung folgt, dass er bereits nach autonomem deutschem Recht die Protokollierung oder den Beschluss des Zustandekommens eines rechtswidrigen Prozessvergleichs verweigern muss. Wirkt er aktiv auf das Zustandekommen des Prozessvergleich hin, muss er zudem auf die Vor- und Nachteile und weitere Folgen eines Prozessvergleichsschlusses hinweisen, da er besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, einen rechtmäßigen und interessengerechten Vorschlag zu machen. Darüber hinaus verlangt das Effektivitäts­ prinzip, dass er im B2C-Verhältnis gem. §§  278, 139 ZPO auf Folgen des Prozessvergleichsschlusses hinweist und darauf, wie die Parteien im Fall von Rechtsmängeln diese geltend machen können. Diese Vorgaben gelten für alle Arten des Prozessvergleichs, da der Gesetzgeber alle Vergleichsformen einheitlich am Protokollvergleich orientiert hat. Zu §  5: Schiedsspruch 22. Vereinbarungen, den Rechtsstreit einem Schiedsverfahren zu überantworten, sind bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs zulässig, unabhängig davon, ob zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht streitentscheidend ist. Sie unterliegen allerdings der AGB-Kontrolle gem. §§  305 ff. BGB wie alle Verfahrensvereinbarungen, die außerhalb eines Verfahrens getroffen wurden, und sind regel-

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mäßig AGB-rechtswidrig. Sie sind häufig unklar formuliert i. S. d. §  307 Abs.  1 S.  2 BGB und müssen darüber hinaus sicherstellen, dass das Verfahren fair ausgestaltet ist, dass dem Verbraucher nur ein geringer Teil der Kosten auferlegt wird und dass der Ort des Schiedsverfahrens für den Verbraucher leicht zu erreichen ist. 23. Informationspflichten und Widerrufsrechte entstehen wie bei nur materiellrechtlich wirkenden Verträgen, wenn die situativen Voraussetzungen vorliegen. Solange der Unternehmer irgendeine entgeltliche Leistung im Gesamtvertrag erbringt, ist der Anwendungsbereich des Verbrauchervertragsrechts auch nicht nach §  312 Abs.  1 BGB ausgeschlossen. Das Widerrufsrecht kann aber durch prozessuale Überholung gem. §  1040 Abs.  2 ZPO erlöschen, wenn der Verbraucher darüber informiert ist, dass er Rüge gem. §  1040 Abs.  2 ZPO erheben muss. Hier greift die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. 24. Beim Schiedsspruch gelten grundsätzlich Präklusionsvorschriften, etwa gem. §§  1034 Abs.  2 S.  2, 1040 Abs.  2 S.  1, 4 ZPO, nur dann, wenn das Schieds­ gericht sichergestellt hat, dass der Verbraucher sich bewusst war, was die Folgen seines Nichtstuns sind. Bloß dann liegt eine Parteientscheidung i. S. d. EuGH-­ Rechtsprechung vor, die eine Beschränkung der effektiven Wirkung des EURechts rechtfertigen kann. 25. Eine Vereinbarung, mit der ein Schiedsrichter von seiner Rechtsbindung befreit wird (§  1051 Abs.  3 ZPO), unterfällt im B2C-Verhältnis der Formvorschrift des §  1031 Abs.  5 ZPO. Eine Befreiung per AGB ist unwirksam. Auch eine Disposition über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht ist unzulässig, da letzteres Teil des nationalen ordre public ist. 26. Der Schiedsvergleich hat keine Doppelnatur. Daher ist zwingendes EU-­ Verbrauchervertragsrecht wie allgemein im Tatbestand des §  779 BGB unabdingbar. Es entstehen damit auch die Informationspflichten und das Widerrufsrecht wie bei jedem materiellrechtlichen Vertrag. Entgegen §  1053 Abs.  3 ZPO ersetzt der Schiedsvergleich nicht die notarielle Form i. S. d. §  312 Abs.  2 Nr.  1 lit.  b BGB, sodass Informationspflichten und Widerrufsrechte nicht nach dieser Norm reduziert werden. 27. Im Aufhebungsverfahren wegen Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a ZPO muss der Richter sicherstellen, dass der Verbraucher seine Rechte nicht aus Unkenntnis der Rechtslage nicht ausreichend geltend macht, insbesondere bezogen auf das Begründungserfordernis des Antrags. Die Ausschlussfrist des §  1059 Abs.  3 ZPO beginnt nur dann zu laufen, wenn der Verbraucher Kenntnis von Fristbeginn und Folgen des Ablaufs hatte. „Empfangen“ ist unionsrechtskonform zu lesen und liegt nur vor, wenn der Verbraucher weiß, dass der Fristablauf zum Ausschluss der Aufhebung führt, wie die Frist berechnet wird und welche Rechte und Rechtsbehelfsmöglichkeiten ihm zustehen. Auch ergibt sich aus dem Recht auf effektiven Rechts-

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schutz, dass Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei unverschuldeter Fristversäumnis möglich sein muss. 28. Eine Unionsrechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, die nicht die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung betrifft, verletzt stets den von Amts wegen zu prüfenden ordre public gem. §  1059 Abs.  2 Nr.  2 lit.  b ZPO. Die Dreimonatsfrist des Abs.  3 ist, da sie nicht auch zu einer Präklusion im Vollstreckbarerklärungsverfahren (§  1060 Abs.  2 ZPO) führt, unionsrechtskonform. 29. Schiedsgericht und Notar nach §  1053 Abs.  4 ZPO müssen in ihrer jeweiligen Rolle beim Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut die zwingenden Verbraucherregelungen unionsrechtlicher Herkunft als Teil des ordre public beachten und bei einem Verstoß gegen dieselben den Erlass des Schiedsspruchs oder seine Vollstreckbarerklärung verweigern. Gegen die Entscheidung des Notars, einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut für vollstreckbar zu erklären, ist wie beim Gericht die Beschwerde zum BGH analog §  1065 Abs.  1 ZPO möglich. Die Analogie ist erforderlich, um den Parteien Zugang zu Gericht zu gewährleisten. Zu §  6: Vollstreckbare Urkunde 30. Eine notarielle Unterwerfungserklärung bleibt abstrakt vom materiellen Recht, kann aber selbst aufgrund eines Verstoßes gegen §§  305 ff. BGB unwirksam sein. Gegen die Vollstreckung aus dieser Urkunde ist die Titelgegenklage (analog §§  767, 797 Abs.  4 ZPO) statthaft. 31. Die Erklärung in einer notariellen Urkunde, mit welcher der Schuldner sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, ist aufgrund der Abstraktheit von der materiellen Rechtslage aus Sicht des EU-Rechts unbedenklich. Die Titulierung eines Anspruchs, der gegen EU-Verbrauchervertragsrecht verstößt, ist aufgrund des Äquivalenzprinzips nichtig. Faktische oder rechtliche Dispositionen über zwingendes Verbrauchervertragsrecht sind damit nicht möglich, es sei denn, ein Notar handelt zugleich als Schlichtungsstelle i. S. d. VSBG und erfüllt den Tatbestand des §  19 VSBG. 32. Wird neben der Unterwerfungserklärung gegenüber dem Notar auch der Hauptvertrag geschlossen, entfallen Widerrufsrecht und Informationspflichten, wenn der Notar gem. §  312 Abs.  2 Nr.  1 lit.  b BGB aufklärt. 33. Der Notar muss die Beurkundung verweigern, wenn diese zu einem nichtigen Titel führte. Damit besteht die Verweigerungspflicht auch bei einem Verstoß gegen EU-Verbrauchervertragsrecht sowohl der Unterwerfungserklärung als auch des dieser zugrundeliegenden Anspruchs. Bei Unsicherheit über die Unionsrechtswidrigkeit muss er die Parteien umfassend hierüber belehren, kann aber im Anschluss die Beurkundung vornehmen.

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Zu §  7: Anwaltsvergleich 34. Der Anwaltsvergleich setzt das Zustandekommen eines Vergleichsvertrags gem. §  779 BGB voraus, also einen materiellrechtlich zulässigen Verbrauchervertrag. Die Disposition über zwingendes EU-Verbrauchervertragsrecht ist damit materiellrechtlich ausgeschlossen. Eine AGB-Kontrolle ist möglich. Informationspflichten und Widerrufsrechte entstehen, wenn ihr Tatbestand erfüllt ist. 35. Das Gericht und der gegebenenfalls involvierte Notar müssen jeweils gem. §  796a ff. ZPO prüfen, dass das EU-Verbrauchervertragsrecht eingehalten wurde. Darüber hinaus ist das zwingende EU-Verbrauchervertragsrecht Teil des ordre public i. S. d. §  796a Abs.  3 ZPO. Die gerichtliche Vollstreckbarerklärung, nicht aber die Vorfrage, ob ein wirksamer Vergleich vorliegt, erwächst in Rechtskraft. Da der Notar nicht „rechtsprechend“ handelt, wird die Vollstreckbarerklärung durch ihn nicht rechtskräftig. Zu §  8: Vollstreckungsverfahren 36. Weder im Klauselverfahren noch bei den einzelnen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung muss eine materiellrechtliche Prüfung des Anspruchs oder der Titelentstehung vorgenommen werden, dies bleibt der Vollstreckungsgegenklage gem. §  767 ZPO bzw. der Titelgegenklage analog §  767 ZPO vorbehalten. 37. Präklusion gem. §  767 Abs.  2 ZPO kommt nur bei den in Rechtskraft erwachsenden Titeln Urteil und Schiedsspruch in Betracht. Übt der Verbraucher ein vor Titelschaffung entstandenes Widerrufsrecht nach Titelschaffung aus, ist er hiermit nicht gem. §  767 Abs.  2 ZPO präkludiert, da für die Präklusion auf den Zeitpunkt der Erklärung, nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Rechts abzustellen ist. Ansonsten würde die Widerrufsfrist der VerbrR-RL auf unzulässige Weise verkürzt. Parallele Wertungen gelten für die Erklärungen zu Minderung und Rücktritt aus Mängelgewährleistungsrechten der VerbrGK-RL und auch zur Einrede des nichterfüllten Vertrags, wenn der Verbraucher die Kaufpreiszahlung nach §  320 Abs.  1 BGB wegen ausstehender Nacherfüllung verweigert.

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Stichwortverzeichnis §  19 VSBG Parteidispositionen  163 ADR – Mittelbare Drittwirkung  53 – Mittelbare Grundrechtsbindung  49 – staatliche Gewährleistung  53 ADR-RL – Tatsachenvergleich 159 – Vergleichsvertrag 154 – zwingendes Recht  158 AGB-Kontrolle 124 – Anwaltsvergleich 453 – Billigkeitsentscheidung 381 – Disposition 144 – Informationasymmetrie 126 – Prozessvergleich 287 – Rationale Apathie  125 – Rechtsangleichung 128 – Rechtssicherheit 128 – Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 386 – Schiedsvereinbarung 355 – Unterwerfungserklärung  434, 437 – Verbrauchervertrauen 127 – Verzicht 144 – vom Notar eingebrachte AGB  292, 436 – vom Richter eingebrachte AGB  291 Aktiver Richter – Prozessvergleich 336 Akzessorietät des Verfahrensrechts  23 Anerkenntniserklärung – Dispositionsbefugnis 272 – Einfluss des EU-Verbrauchervertragsrechts 271 – Rechtsnatur 271 – Verhältnis zum materiellen Recht  273 Anerkenntnisurteil 270 – ordre public  274

Antragserfordernis – Wiedereinsetzung 396 Antragsgrundsatz – EU-Recht 228 Anwaltliche Vertretung – Parteidisposition 214 – Richterliche Hinweispflichten  266 – Rügelose Einlassung  251 Anwaltsvergleich 451 – AGB-Kontrolle 453 – anwaltliche Kontrolle  457 – EU-Verbrauchervertragsrecht 451 – gerichtliche Kontrolle  458 – notarielle Kontrolle  459 – Rechtskraft 454 – Vergleichsvertrag 452 – Widerrufsrecht 453 Äquivalenzprinzip 189 – Beibringungsgrundsatz 256 – Effektivitätsprinzip 192 – Gleichwertigkeit 190 – ordre public  274 – positive Fortentwicklung  192 – Ungleichbehandlung 189 – Unterwerfungserklärung  441, 447 Aufdrängende Tatsachen – §  291 ZPO  257 – Effektivitätsprinzip 261 – Offenkundigkeit 257 – richtliche Pflichten  261 Aufhebung des Schiedsspruch – Gesamtbetrachtung des Verfahrens  406 – Antragserfordernis 396 – Antragsfrist 399 – Begründungserfordernis 396 – ordre public  404, 409 – Vollstreckbarerklärungsverfahren 407

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Stichwortverzeichnis

Auslegung der Parteivereinbarung – Justizgewährleistung 62 – staatliche Einflussnahme  62 Ausschlussfristen – Effektivitätsprinzip 232 – faires Verfahren  233 – rechtsstaatliches Gerichtsverfahren  233 außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge – entgeltliche Leistung  371 – Informationspflichten 109 – Protokollvergleich 295 – Prozessvergleich 295 – Schiedsvereinbarung 372 Beibringungsgrundsatz 18 – Äquivalenzprinzip 256 – aufdrängende Tatsachen  257 – Effektivitätsprinzip  253, 257 – Offenkundigkeit 257 Beschleunigungsgrundsatz – Effektivitätsprinzip 231 Beschlussvergleich – Fernabsatzverträge 297 – richterliche Pflichten  326, 340 Bewährung des Rechts – Effektivitätsprinzip 180 – EuGH-Vorlage 180 Billigkeitsentscheidung – AGB-Kontrolle 381 – Disposition über EU-Verbraucher­ vertragsrecht 381 – EU-Verbrauchervertragsrecht 379 – Formvorschrift 380 – Maßstab 381 – Schiedsvereinbarung 379 Binnenmarkt – EU-Verbrauchervertragsrecht 88 Binnenmarktregulierung – EU-Verbrauchervertragsrecht 88 Bürgschafts-Entscheidungen 52 Da mihi factum – Äquivalenzprinzip 256 – aufdrängende Tatsachen  257 – Effektivitätsprinzip  253, 257 Disposition – AGB-Kontrolle 144 – Anwaltsvergleich 456

– Informationspflicht 140 – Mängelgewährleistungsrechte 143 – nachträglich 148 – Prozessvergleich 301 – Schiedsvergleich 387 – Unternehmenbezogene Ziele des EU-Rechts 145 – Unterwerfungserklärung 440 – Widerrufsrecht 138 Dispositionsmaxime – Begriff 17 – EU-Recht 224 – private enforcement  224 – Prozessinitiierungsfreiheit 224 Dispositives Recht – Normziel 70 Disziplinierung der Unternehmen – Informationspflichten 119 – Widerrufsrecht 119 Duale Zielsetzung und Parteidispositionen 131 Effektive Rechtsbehelfe – effektive Wirkung  177 Effektive Wirkung des EU-Rechts  174 – Bewährung des Rechts  180 – effektive Rechtsbehelfe  177 – Harmonisierungsziel 180 Effektiver Rechtsschutz – notarielle Vollstreckbarerklärung (Schiedsrecht) 418 – private enforcement  187 Effektivitätsprinzip 171 – Antragsgrundsatz 228 – Äquivalenzprinzip 192 – Ausschlussfristen 232 – Beibringungsgrundsatz  253, 257 – Beschleunigungsgrundsatz 232 – Binnenmarkt 183 – Grenze 172 – iura novit curia  230 – Parteivortrag zur Rechtslage  230 – private enforcement  175 – Prozessinitiierungsfreiheit 195 – richterliche Kontrolle  181 – Tatsachenvergleich 311 – unionsrechtsfreundliche Auslegung  172 – Verbrauchervertragsrecht 183 – Verfahrensautonomie 171

Stichwortverzeichnis

– Vorverfahren 225 – Wirkung 172 – Zwangsvollstreckung 464 Ehevertrags-Entscheidungen 52 Entgeltliche Leistung – außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge  371 EuGH-Vorlage – Bewährung des Rechts  180 – effektive Wirkung  180 – Effektivitätsprinzip 180 – Harmonisierungsziel 180 EU-Recht – Privatautonomie 76 – Regulierung durch Privatrecht  77 – Verbraucherrecht 79 – Zwingendes Recht  74 EU-Verbraucherrecht – Gütliche Streitbeilegung  155 EU-Verbrauchervertragsrecht – soziale Erwägungen  83 – Binnemarktförderung 88 – Binnenmarktregulierung 88 – Duale Zielsetzung  79 – Informationspflichten 107 – Objektivierung 103 – Private enforcement  175 – Prozessvergleich 284 – Schwächerenschutz 82 – Typisierung 103 – Unternehmer-/Anbieterfreundlichkeit 98 – Verbraucherinformation 107 – Vergleichsvertrag 156 – vertragsrechtliche Infrastruktur  81 – Widerrufsrecht 115 – Ziele 79 – Zwingende Wirkung  105 Faires Verfahren – Ausschlussfristen 234 – Schiedsvereinbarung 361 Fernabsatzverträge – Beschlussvergleich 297 – Informationspflichten 109 – Prozessvergleich 297 Formerfordernisse – Informationspflichten 111 – Produktvergleich 112

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Fristen – Anforderungen an Dauer  238 – Anforderungen an Fristbeginn  235 – Anforderungen an Kenntnis  237 – Anforderungen des EU-Verbraucher­ vertragsrechts 235 Gerichtliche Beweiserhebung  262 Gerichtliche Hinweispflichten – Grenzen 262 – Anwaltliche Vertretung  266 – EU-Recht 265 – Fragen des materiellen Rechts  267 Gerichtliche Kontrolle – Anwaltsvergleich 458 – Effektivitätsprinzip 181 – Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 417 – Schiedsspruch  392, 409 – während der Schiedsverfahrens  393, 409 Gerichtliche Pflichten – Beschlussvergleich  326, 340 – Bewusster Verzicht des Verbrauchers  263 – Güterichter 342 – PKH-Verfahren 344 – Protokollvergleich 323 – Prozessvergleich  315, 330 Gerichtsbekannte Tatsachen – Versäumnisurteil 279 Grundgesetz – Rechtsprechung 317 Güterichter – gerichtliche Pflichten  342 Gütestellen – Zugang zu Gericht  225 Gütliche Streitbeilegung – EU-Verbraucherrecht 155 – Prozessziel 328 Halbzwingende Normen  66, 120 – Informationsasymmetrien 120 Harmonisierung – AGB-Kontrolle 128 – Effektive Wirkung  180 Indirekte Disposition  151 Individualrechtsschutz

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Stichwortverzeichnis

– Parteiautonomie 21 – private enforcement  187 – Prozesszweck 21 Informationsasymmetrie 93 – AGB-Kontrolle 126 – EU-Recht 96 – Parteidisposition 205 – Widerrufsrecht 116 Informationskosten und Rechtsvereinheitlichung 99 Informationspflichten 107 – außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge  109 – Disposition 140 – Disziplinierung der Unternehmen  119 – entgeltliche Leistung  371 – Fernabsatzverträge 109 – Formerfordernisse 111 – indirekte Harmonisierung  113 – Prozessvergleich  294, 298 – Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 386 – Schiedsvereinbarung 369 – Unterwerfungserklärung 439 – Vertragsstandardisierung 113 – Widerrufsrecht 118 Iura novit curia – Aufhebungsverfahren Schiedsspruch 397 – Prozess 230 Justizgewährleistung – Grundlagen 30 – Kernbereich 43 – mittelbare Grundrechtsbindung Privater 49 – Parteidispositionen  30, 34 – Schiedsgericht 391 – Verhältnismäßigkeit 47 Klagefristen – Effektivitätsprinzip 232 Klagerücknahme – Parteidisposition 227 Klauselerteilung – inhaltliche Kontrolle  462 Klausel-RL 124 – Anhang 129

Leicht feststellbare Tatsachen  264 Mängelgewährleistungsrechte – Disposition 143 – Verzicht 143 Marktverzerrungen und Verbraucher­ recht 88 Materialisierungstendenzen – Parteidispositionen 35 Materiellrechtsfreundlichkeit des Verfahrensrechts 23 Mediationsstelle – Mittelbare Grundrechtsbindung  49 Minderung – Vollstreckungsgegenklage 470 Mittelbare Drittwirkung – ADR 53 – private Streitbeilegungsverfahren  53 Mittelbare Grundrechtsbindung – Justizgewährleistung 49 – ADR 49 – Mediationsstelle 49 – Schiedsgericht 49 – Schlichtungsstelle 49 Nacherfüllungsanspruch – Vollstreckungsgegenklage 472 Nachträgliche Disposition – Unternehmensbezogene Ziele  151 – Verbraucherverzogene Ziele  149 – Widerrufsrecht 138 – Unternehmensbezogene Ziele  151 – Verbraucherverzogene Ziele  149 Nachvertragliche Informationspflicht – Disposition 141 Ne ultra petita – EU-Recht 228 – Parteiautonomie 228 Notar – Schlichtung 442 – Stellung im Vollstreckbarerklärungs­ verfahren 420 Notarielle Kontrolle – Anwaltsvergleich 459 – Beurkundungspflicht 443 – Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 418 – Unterwerfungserklärung  443, 445 – Verfassungsrecht 444

Stichwortverzeichnis

Notarielle Vollstreckbarerklärung – Analogie §  1065 I ZPO  422 – effektiver Rechtsschutz im Schiedsrecht 418 – Rechtsbehelf 418 – Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 418 – Verfassungswidrigkeit 420 Offenkundigkeit – aufdrängende Tatsachen  257 – Darlegungs- und Beweisführungslast  257 – Grenzen 259 – Tatsachen aus anderen Verfahren  259 – Versäumnisurteil 279 Ordre public – Anerkenntnis 274 – Äquivalenzprinzip  274, 383, 405 – Aufhebung des Schiedsspruchs  404, 409 – Billigkeitsentscheidung 382 – Effektivitätsprinzip 405 – EU-Verbrauchervertragsrecht 275 – Inhalt 275 – Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 414 – Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs  404, 408 – zwingendes Recht  409, 411 Pactum de non petendo  151 – ADR-RL 154 – Vergleichsvertrag 154 Parteiautonomie – einfachrechtliche Ausgestaltung  20, 25 – Grenzen 25 – Grundlagen 17 – Individualrechtsschutz 21 – Klagerücknahme 227 – Privatautonomie 23 – Prozessinitiierung 224 – Verfassungsrecht 19 – Zivilprozess 17 Parteidisposition  15, 26 , 27 – anwaltliche Vertretung  214 – Ausgleich Informationsasymmetrien  210 – Begriff 15 – gestörte Vertragsparität  205

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– Informationsasymmetrie 205 – Unionsrechtliches Konzept  205 – Zugang zu Gericht  199 – §  19 VSBG  163 – ADR-RL 163 – EU-Recht 195 – EU-Verbrauchervertragsrecht 131 – halbzwingende Regelungen  131 – Justizgewährleistungsanspruch 30 – Materialisierungstendenzen 35 – private enforcement  195 – Schwächerenschutz 136 – unternehmensbezogene Zielsetzung  135 – verbraucherbezogene Zielsetzung  134 – Verfahrensrecht 29 – Verfahrensrecht und EU-Recht  195 – verfassungsrechtliche Voraussetzungen 35 – VSBG 163 Parteiwille und staatliche Einfluss­ nahme 60 – Auslegung 60 – Wechselwirkung 60 Passiver Richter – Prozessvergleich 332 PKH-Verfahren – richterliche Pflichten  344 Präklusion – Vollstreckungsgegenklage  465, 468 – Aufhebung des Schiedsspruchs  394 – Rügelose Einlassung  244 – Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs 407 – Vollstreckungsverfahren 465 Privatautonomie – EU-Recht 76 – Grundlagen 68 – Parteiautonomie 23 – Verfassungsrecht 19 – zwingendes Recht  68 Private enforcement  175 – Dispositionsmaxime 224 – effektiver Rechtsschutz  187 – EU-Verbrauchervertragsrecht 175 – Individualrechtsschutz 187 – Versäumnisurteil 278 Private Streitbeilegungsverfahren – Mittelbare Drittwirkung  53

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Stichwortverzeichnis

– staatliche Gewährleistung  53 Produktvergleich – Formerfordernisse 112 – zwingende Wirkung  106 Protokollvergleich – außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge  295 – Richterliche Pflichten  323 Prozesserklärung – Verhältnis zum materiellen Recht  433 Prozessinitiierungsfreiheit 195 Prozessökonomie – Prozessvergleich 327 – Streitbeilegung 327 Prozessuale Überholung – Anwaltsvergleich 453 – Schiedsverfahren 375 – Widerrufsrecht 374 Prozessvergleich 283 – AGB-Kontrolle 287 – aktiver Richter  336 – anwaltliche Vertretung  339 – Disposition über zwingendes Recht  301, 305 – Doppelnatur 285 – EU-Verbrauchervertrag 284 – Fernabsatzverträge 297 – Folge unwirksamer Klauseln  294 – Güterichter 342 – Informationspflichten 294 – inhaltliche Prüfung  327 – Marktrecht 309 – passiver Richter  332 – Prozessökonomie 327 – Rechtsprechung 317 – Richterliche Pflichten  315, 322 – richterliche Rechtsbindung  330 – Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers  308 – Sittenwidrigkeit 306 – Tatsachenvergleich 311 – Verfahrensautonomie 301 – Vergleichsbefugnis 301 – Widerrufsrecht 294 – Bewährung des objektiven Rechts  21 – Gütliche Streitbeilegung  328 Prozesszweck – Konfliktbehandlung 22 – öffentlichrechtliche Ziele  22

Rationale Apathie  95 Rationale Apathie – AGB-Kontrolle 125 Rationalitätsdefizite 93 Rechtsangleichung – AGB-Kontrolle 128 Rechtsbindung – ADR-RL 158 – Schlichtung 158 – VSBG 158 Rechtskraft – Anwaltsvergleich 454 – Bedeutung 239 – Effektivitätsprinzip 239 – Kenntnis des Verbrauchers  243 – nichtgerichtliche Titel  242 – notarielle Vollstreckbarerklärung (Anwaltsvergleich) 455 – Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 386 Rechtskraftsdurchbrechung 240 Rechtsprechung – funktional-formeller Begriff  317 – historisch-funktionaler Begriff  320 – notarielle Tätigkeit  420 – Prozessvergleich 317 – Schiedsrichter 389 – Verfassungsrechtlich 316 Rechtsstaatliches Gerichtsverfahren – Ausschlussfristen 234 Regulierung durch Privatrecht – deutsches Privatrecht  75 – EU-Recht 77 Rücktritt – Vollstreckungsgegenklage 470 Rügelose Einlassung – Anwaltliche Vertretung  251 – Effektivitätsprinzip 244 – Präklusion 244 – Richterliche Hinweispflicht  246, 248, 250 Schiedsverfahren  364, 366, 394 Schiedsfähigkeit 348 Schiedsgericht – Mittelbare Grundrechtsbindung  49 Schiedsrichterliche Hinweispflicht – Widerrufsrecht 378

Stichwortverzeichnis

Schiedsrichterliche Pflichten – Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 414 – Schiedsvertrag 391 Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 384 – AGB-Kontrolle 386 – Antrag 387 – Informationspflichten 386 – Kontrolle zwingendes EU-Recht  416 – notarielle Kontrolle  418 – notarielle Vollstreckbarerklärung  418 – ordre public  414 – Rechtskraft 386 – richterliche Kontrolle  417 – schiedsrichterliche Kontrolle  414 – Widerrufsrecht 386 Schiedsspruch 347 – Kontrolle 389 – richterliche Kontrolle  392 – schiedsrichterliche Kontrolle  389 Schiedsvereinbarung – AGB-Kontrolle 355 – außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge  372 – Billigkeitsentscheidung 379 – effektiver Rechtsschutz  353 – EU-Verbrauchervertragsrecht 351 – faires Verfahren  361 – Kosten 362 – Schiedsfähigkeit 348 – Schiedsort 362 – spezielle Klauselverbote  358 – Umgehung zwingenden Rechts  353 – Verbrauchervertragsrecht 348 – Widerrufsrecht 374 – Zulässigkeit im B2C-Verhältnis  348 Schiedsverfahren – prozessuale Überholung  375 – rügelose Einlassung  364, 394 Schiedsvergleich 384 Schlichtung – Notar 442 – Rechtsbindung 158 – Tatsachenvergleich 159 – Mittelbare Grundrechtsbindung  49 Schwächerenschutz – EU-Verbrauchervertragsrecht 82 Skaleneffekte 97

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sozialer Verbraucherschutz  83 staatliche Gewährleistung – ADR 53 – private Streitbeilegungsverfahren  53 – staatliche Anreize  57 staatliche Mitwirkung – ADR 51 – private Streitbeilegungsverfahren  51 Streitgegenstand – Parteiautonomie 228 Tatsachenvergleich 159 – ADR-RL 159 – Beweislastregeln 313 – Effektivitätsprinzip 312 – Parteidisposition 159 – Prozessvergleich 311 – Vermutungen 313 Überoptimistmus 94 Unterwerfungserklärung 426 – AGB-Kontrolle  434, 437 – Äquivalenzprinzip  441, 447 – einseitige Prozesserklärung  432 – Erörterungspflicht 449 – EU-Verbraucherrecht  426, 427 – faktische Disposition  440 – Informationspflichten 439 – notarielle Kontrolle  443 – notarielle Pflichten  445 – Rechtsnatur 431 – Vergleichsbefugnis 427 – Verpflichtung zur Erklärung  439 – VSBG 442 – Widerrufsrecht 439 Unwirksame Besetzung des Schiedsgerichts 367 Urteil 223 Verbraucherapathie – ADR 197 – kollektiver Rechtsschutz  198 – UKlaG 198 Verbraucherinformation 107 Verbraucherpassivität 95 Verbraucherrecht – Ausgleich von Defiziten  92 – Gegenrechte des Unternehmers  214 – halbzwingende Normen  120

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Stichwortverzeichnis

– indirekte Disposition  151 – pactum de non petendo  151 – Schiedsvereinbarung 348 Verbrauchervertrauen 88 – AGB-Kontrolle 127 – Widerrufsrecht 117 – Binnenmarktangleichung 124 Verbrauchsgüterkauf – halbzwingende Normen  120 Verfahrensrecht – Materiellrechtsfreundlichkeit 23 Verfassungsrecht – Rechtsprechung 317 – Parteiautonomie 19 – Schiedsrichter 389 – zwingendes Recht  71 Verfügungsgrundsatz 17 Vergleichsvertrag – EU-Verbrauchervertragsrecht 156 – Pactum de non petendo  154 – Abdingbarkeit 155 – ADR-RL 154 – Disposition 155 – Verzicht 155 Verhandlungsgrundsatz 18 Verjährungsfristen – Effektivitätsprinzip 234 Versäumnisurteil – Effektivitätsprinzip 278 – EU-Recht 277 – gerichtsbekannte Tatsachen  279 – Offenkundigkeit 279 – private enforcement  278 Verzicht – AGB-Kontrolle 144 – Informationspflicht 140 – Mängelgewährleistungsrechte 143 – nachträglich 148 – nachvertragliche Informationspflicht  141 – unternehmensbezogene Ziele des EU-Rechts 145 – vorvertragliche Informationspflicht  141 Vollharmonisierung 100 Vollstreckbare Urkunde  426 Vollstreckbarerklärung des Schieds­ spruchs – ordre public  404, 408 – Präklusion 407

Vollstreckungsgegenklage – Minderung 470 – Nacherfüllungsanspruch 472 – Präklusion von EU-Recht  468 – Präklusion 465 – Rücktritt 470 – Widerrufsrecht 469 Vollstreckungsverfahren – inhaltliche Kontrolle  463 – Präklusion 465 Vorverfahren – §  15a EGZPO  225 – Zugang zu Gericht  225 vorvertragliche Informationspflicht – Disposition 141 – Verzicht 141 VSBG – Rechtsbindung 158 – Unterwerfungserklärung 442 – zwingendes Recht  158 Widerrufsrecht 115 – prozessuale Überholung  374 – Anwaltsvergleich 453 – Disposition 138 – Disziplinierung der Unternehmen  119 – EU-Verbrauchervertragsrecht 115 – Harmonisierung 120 – Informationspflichten 118 – Klauselerteilung 463 – nachträgliche Abbedingung  138 – nachträgliche Disposition  138 – Prozessvergleich  294, 298 – Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 386 – Schiedsvereinbarung 374 – Skaleneffekte 117 – Unterwerfungserklärung 439 – Verbrauchervertrauen 117 – Verzicht 138 – Vollstreckungsgegenklage 469 Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand – Schiedsspruchkontrolle 402 Zeitinkonsistenz 94 Zugang zu Gericht – Disposition 199 – Güteverhandlung 227

Stichwortverzeichnis

– Schlichtungsverfahren 225 – Vorverfahren 225 Zwangsvollstreckung – Effektivitätsprinzip 464 – Klauselerteilung 462 – Klauselverfahren 462 Zwingende Wirkung – Harmonisierung 105 – Produktvergleichbarkeit 106 – Rechtssicherheit 105 Zwingendes Recht  66

– ADR-RL 158 – Arten 66 – EU-Recht 76 – Gründe 74 – Grundrechte 71 – Normziel 70 – ordre public  409 – Pluralität 66 – Privatautonomie 68 – Verfassungsrecht 71 – VSBG 158

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