Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht [1 ed.] 9783428504633, 9783428104635

Da sich die Wirtschaft immer schneller internationalisiert, häufen sich auch im Wettbewerbs- und Kartellrecht die Fälle,

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Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht [1 ed.]
 9783428504633, 9783428104635

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REGINA LAUFKÖTTER

Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht

Schriften zum Internationalen Recht Band 125

Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbsund Kartellrecht

Von Regina Laufkötter

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Laufkötter, Regina:

Parteiautonomie im internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht I Regina Laufkötter.- Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum Internationalen Recht; Bd. 125) Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10463-3

Alle Rechte vorbehalten Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany

© 2001

ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-10463-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Max Kolmerer in ehrendem Andenken

Vorwort Dürfen die Beteiligten eines internationalen wettbewerbsrechtlichen oder kartellrechtlichen Sachverhalts das anwendbare Recht wählen? Sofern diese Frage in Rechtsprechung und Lehre überhaupt gestellt wird, wird sie meist ohne den Versuch einer Begründung abgelehnt. Dem kritischen Beobachter drängen sich einige Fragen auf: • Warum wird die Rechtswahl hier abgelehnt? • Ist die Ablehnung der Rechtswahl ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele? • In welchen Bereichen bleibt Raum für eine Rechtswahl? Vorliegende Schrift versucht, hierauf eine wissenschaftlich tragfahige Antwort zu geben. Grundlage ist die durch Art. 2 I GG geschützte Rechtswahlfreiheit als Teil der Allgemeinen Handlungsfreiheit. Diese Arbeit wurde im Mai 2000 von der Juristischen Fakultät der HumboldtUniversität zu Berlin als Dissertation angenommen. Sie hätte nicht entstehen können ohne Prof. Dr. Dr. Christian Kirchner, der sich spontan bereit erklärte, dieses Thema zu betreuen, nicht ohne Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, der mich nicht auf das Zweitgutachten warten ließ, nicht ohne meinen Ehemann, der mir den PC laientauglich einrichtete und oft auf ein Familienleben verzichtete, nicht ohne Gert und Antje, die mich in dunklen Zeiten immer wieder aufrichteten, und nicht ohne Isabell und Sabine, die meinen Sohn betreuten. Ihnen und allen Freunden, die mir bei diesem Vorhaben zur Seite standen, bin ich dankbar. Dank auch meinen Eltern, die die Veröffentlichung großzügig unterstützten. Wolfenbüttel, im Januar 2001

Regina Laufkötter

IIUnaltsverzeiclunds A. Problemstellung, Ausgangspunkt und Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die bisherige Rolle der Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht: Eine kritische Würdigung ... . .. . . . . .. . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Internationales Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung . . . . . . . . . .. .. .. . . . . .. . . . . . . . .. . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Literatur .. . .. . . .. . . . . . . .. .. . . .. .. . . .. .. .. . . . .. . . . . .. . . .. .. . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . .. .. . .. . . . . . .. . . .. . .. .. . ... .. . . . . . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . .. . . . . 4. Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationales Kartellrecht . .. .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtslehre . .. . . . . . .. . . . .. . . .. . .. . . . . . .. . . . . .. . .. . .. . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . 2. Würdigung .. . . . .. .. . . . . . . .. .. .. .. . . .. . .. . .. . .. . . . . . . .. . . .. . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . III. Zusammenfassung mehrerer Statute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entwicklung eines eigenständigen Wirtschaftskollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Europäisches Wettbewerbsrecht .. .. . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . VI. Ein Blick über die Grenzen: Die Diskussion dieser Problematik in Österreich und der Schweiz .. . . . .. . .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. . . . . . . . .. .. . . . . .. . . . . .. . .. .. . . . . . . .. . I. Österreich . . .. . .. .. .. .. . .. .. . . .. . . .. .. .. .. . . . . .. . . . . .. . .. . .. . . . . .. . .. . . . . . . . . . 2. Schweiz .. . . . . .. . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . a) Wettbewerbsrecht . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kartellrecht ..... . . . . . .. .. .... . .. . .. .. . . . . . . . .. .. . . .. ... . .. . . . . . .. . . . .. . . . . 3. Fazit .................. .... . . .................. ... .................... . .. . .... . C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Parteiautonomie - ein Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Parteiautonomie und Privatautonomie: Gemeinsame Wurzel- Unterschiedliche Dimensionen . . . . .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. . . . . . . . .. . . . . .. . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . 2. Parteiautonomie als Grundrecht . . . .. . . .. . . . .. . . .. . . . . .. . . . . .. . . .. . .. .. . . . . . . . 3. Rechtsdogmatische Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Schutzbereich des Grundrechts auf Parteiautonomie am Beispiel der stillschweigenden Rechtswahl und der Fakultativität des Kollisionsrechts . . . . . . . . . . 1. Stillschweigende Rechtswahl . .. . .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. .. . . . . . .. . . . . .. . a) Besonderheiten des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsprechung...................... . .... ... ..... . .. . ....... . ........ c) Würdigung .. . .. .. . . . .. .. . .. .. . . .. . .. .. . .. . . .. .. . .. . . .. . . . . .. . . . .. .. . . . . . .. 2. Fakultativität des Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Annäherung von stillschweigender Rechtswahl und fakultativem Kollisionsrecht in der Praxis . . . . .. .. . . . .. .. .. . .. . .. . . .. .. . . .. . . . . .. . .. .. . . . . .. . . . b) Europäischer Rechtsvergleich .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. c) Würdigung .. .. .. . . .. . .. .. . . . .. . .. .. .. . .. . . . . ... . .. . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ill. Zusammenfassung .. .. .. .. .. .. .. .. . . . . .. .. .. . . . . . . . .. . . . . .. . . .. .. . . .. . . . . . . . . .. . . IV. Parteiautonomie und ihre verfassungsmäßigen Schranken in benachbarten Rechtsgebieten ... .. .. .. ....... .... .. . . .. .. .. . .. . . . . ... . .. .. .. .. .. . . .. . .. . . . .... . .

15 20 20 20 22 28 28 29 29 34 35 39 44 45 45 48 48 49 51 52 52 53 56 59 62 62 63 64 66 71 72 74 76 80 81

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Inhaltsverzeiclmis I. Internationales Schuldvertragsrecht, Artt. 27-37 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingriffsnormen .. . . . .. .. .. .. .. . .. . .. . . .. . . . .. .. . .. .. . .. . . .. . .. . . . .. . . . . .. . (I) Einheitsanknüpfung, Sonderanknüpfung und kumulative Anknüpfung .................................................... . ......... . . . . (2) Kennzeichen für Eingriffsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Berücksichtigung der Eingriffsnormen durch den nationalen Richter .................................... .. .. .. ................ . ......... b) Weitere Schranken von Parteiautonomie (ohne Bedeutung für das Wettbewerbs- und KarteUrecht) .. .. .. . . . . .. .. .. .. . .. . . . .. .. .. . .. .. . . . . . . . . .. . . . 2. Internationales Deliktsrecht .. .... .. ...... ...... .... ................ .. .. .... .. a) Rechtswahl nach Eintritt des Schadensereignisses ................. . .. . .. b) Akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts zu anderen Statuten . .. .. . c) Rechtswahl vor Eintritt des Schadensereignisses .............. . ....... .. . d) Inhaltliche Schranken der Parteiautonomie: Art.40III EGBGB .. .. ...... 3. Internationales Immaterialgüterrecht ... . ........ ... ................. . .. ..... . 4. Zusammenfassu,ng und Ergebnis .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

D. Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht . . ... . . . . . . . I. Rechtswahlfreiheit im Internationalen Wettbewerbsrecht . . . ....... . . . .. . ... . ... I. Funktionen des Wettbewerbsrechts .. .. .. . .. .. . .. .. . .. .. . .. . . . . .. . . .. .. . . . . . . . 2. Tatbestandsübergreifende Kennzeichen des UWG, die Rechtswahl ausschließen könnten .. . .. . .. .. . . . .. .. .. .. .. .. . . . . .. .. . . . .. . .. .. .. . .. . .. .. . .. .. . .. . . . . . . a) Der Schutzzweck des UWG und seiner wichtigsten Tatbestände .... . ... . b) Die geschützten Rechte-Absolute Rechte? .. . . .. .............. . .... . .... c) Generelle Drittbetroffenheit und Rechtswahlfreiheit .... . .. . ... . .. . ...... d) Konsequenz: Ein genereller Ausschluß der Rechtswahlfreiheit verstößt gegen das Übermaßverbot . . . . .. . . . .. . . . . . . .. .. .. .. .. . . . . . . .. . . .. . . . . . . .. . II. Der Ausschluß der Rechtswahlfreiheit durch § 130 II GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Normgruppen ................................ . ............. . ................ .. a) Horizontale und vertikale Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 1-27GWB) . (1) Kartellverträge, Kartellbeschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen(§§ I-13GWB), Mittelstandsempfehlungen(§22GWB), Wettbewerbsregeln (§§24-27GWB) .... ........ .. ...... .... ......... .. .... (2) Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 14- 18 GWB), unverbindliche Preisempfehlungen (§23GWB)..... .. ........................ b) Zusammenschlußkontrolle (§§35-42GWB) . ................. . ...... .. . . c) Wettbewerbsbeschränkendes Verhalten einzelner Unternehmer oder deren Vereinigungen(§§ 19-21 GWB) ................................ .. .... d) Die Rechtsfolgenseite: § 33 GWB, sowie Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach Bürgerlichem Recht ............ . ... . .... . . . ....... .. . 2. Zwischenergebnis und weiterführende Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtswahlfreiheit und Europarecht . .. .. .. . .. .. . . .. .. .. .. . .. . . .. . .. . . . . .. . . . . .. . IV. Ergebnis . . . .. . . .. .. . .. . .. . . . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. . . . . . . .. . .

82 82 85 89 99 100 101 103 104 106 109 110 114 116 116 117 120 121 130 I36 138 140 144 145 I45 147 147 148 148 153 155 156

Literaturverzeichnis .... .... .... . . . . . . . . . . . .. . . .... . ..... . ..... . ....................... .. . 158 Entscheidungsverzeichnis .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. .. . .. .. . .. .. . .. .. . . . . . .. . . 177 Sachwortverzeichnis .. .. .. .. . .. . . .. . .. .. .. . . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. .. . . .. .. . . . .. . . . . . . . . 182

Abkürzungsverzeichnis a.A. A.C. ABGB abgedr. AcP a.E. AGB AGBG Art. Aufl. ausl. AWD BAG BAGE Beschl. v. BGB BGBl. BGE BGH BGHSt BGHZ BMJ BReg. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE DB ders.: DtZ DZWir EGBGB EGV

EU

anderer Ansicht The Law Reports (Appeal Cases) Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch v. 01.06.1811 (Österreich) abgedruckt Archiv für die civilistische Praxis amEnde Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen v.09.12.1976, BGBI.I3317 Artikel Auflage ausländisch Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Beschluß vom Bürgerliches Gesetzbuch v. 18.08.1896, RGBl. 195, BGBl. 1114 Nr.400-2 Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium der Justiz Bundesregierung Deutscher Bundestag Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Der Betrieb derselbe Deutsch-deutsche Rechtszeitschrift Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch v. 18.08.1896, RGBl. 604, BGBl. III 4 Nr. 400-1 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft v. 07.02.1992, Konsolidierte Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Arnsterdam vom 02.10.1997 Europäische Union

12 EuiPRÜ

EuZW EWS FamRZ FN GG GRUR GRURint.

GWB

Hrsg. i.d.F. IGH int. IPR IPrax IPRspr.

JherJb JR JuS JW JZ LG m.w.Nachw. m. zahlr. Nachw. MDR MittDPatAnw MMR n. F. Ncpc NJW NJW-RR Nr. NZV ÖBI OGH OLG OLGZ prel.

PVÜ

Abkünungsverzeichnis Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht v. 19.06.1980, BGBI. 8611810 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote(n) Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland v. 23.05.1949, BGB1.1, BGBl.III 1 Nr. 100-1 Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. v. 26.08.1998, BGB1.12546 Herausgeber in der Fassung Internationaler Gerichtshof international Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Makarov, Gamillscheg, Müller, Dierk, Kropholler, Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts, 1952ff. Jherings Jahrbuch Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Landgericht mit weiteren Nachweisen mit zahlreichen Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilungen der deutschen Patentanwälte MultiMedia und Recht neue Fassung Nouveau code de procedure (vom 05.12.1975) Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift- Rechtsprechungs-Report Nummer Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Österreichische Blätter für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Oberster Gerichtshof Wien Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen disposizioni sulla legge in generale (preleggi: disposizioni preliminari al codice civile) (=Einleitungsbestimmungen zum italienischen Bürgerlichen Gesetzbuch) Pariser Verbandsübereinkunft

Abkürzungsverzeichnis RabelsZ RBÜ

RdA Rec. des Cours RG RGBI. RGZ RIW Rspr. Rz.

s. s.

s.a. str. STVO TB u.a. UrhG Urt.v. UWG V.

VersR vgl. W.L.R. WBL WM WRP WUA WuW WVK z. B. ZEuP ZfA ZffiR ZfRV ZHR zit. ZPO ZVglRWiss

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Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst v.09.09.1886, Pariser Fassung v.24.07.1971 (Revidierte Berner Übereinkunft), BGBI. 197311, S. 1071 Recht der Arbeit Recueil des Cours Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgericht-Rechtsprechung in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Rechtsprechung Randziffer, Randzeichen Seite siehe siehe auch streitig Straßenverkehrsordnung (in der jeweils gültigen Fassung) Tätigkeitsbericht unter anderem Urheberrechtsgesetz v.09.09.1965, BGBI.I1273 Urteil vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 07.06.1909, RGBI. 5.499 vom, von Versicherungsrecht vergleiche The Weekly Law Reports Wirtschaftsrechtliche Blätter Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapier-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Welturheberrechtsabkommen v. 06.09.1952, Pariser Fassung vom 24.07.1971, BGB1.197311, S. 1111 Wirtschaft und Wettbewerb Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozeßordnung i. d. F. v. 12.09.1950, BGBI. 535, BGBI. III 3 Nr.310-4 Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

A. Problemstellung, Ausgangspunkt und Gang der Darstellung Parteiautonomie und Internationales Wutschaftsrecht scheinen zwei unverträgliche Antinomien zu sein. So sehr Parteiautonomie das Kollisionsrecht beherrscht, so heftig wird ihr der Eingang in das Wirtschaftskollisionsrecht verweigert. Auf der einen Seite gilt Parteiautonomie heute als ein Grundprinzip des Internationalen Privatrechts;' den Parteiinteressen wird breiter Raum gewährt.2 Ihr Anwendungsbereich wird stetig erweitert, und ihre Grenzen beschränken sich auf das zum Schutz des Einzelnen (z.B. Artt. 29 und 30EGBGB), oder der Staatsinteressen (z.B. Exportverbote) Notwendige. Wenn nun Rechtswahl im allgemeinen Schuldvertrags- und Deliktsrecht tragendes Prinzip der Rechtsfindung ist, warum ist sie dann z. B. bei kartellrechtlichem Bezug generell ausgeschlossen? Der Wortlaut des § 130ITGWB scheint solches nahezulegen. Gleichzeitig drängt sich aber ein Bruch im gesetzgebensehen und richterlichen Umgang mit Parteiautonomie auf: Denn nicht nur im Internationalen Schuldvertrags- und Deliktsrecht haben die Parteien ein Interesse an der autonomen Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen, sondern auch im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht: Läßt sich z. B. der Begehungsort im Wettbewerbsrecht bzw. der Markt, auf den eingewirkt wird, im Kartellrecht bei binationalen Wettbewerbsverhältnissen noch ermitteln, so ist dies bei multinationalen Schuldverhältnissen oft kaum durchführbar. Hinzu kommt, daß noch nicht einmal hinsichtlich der objektiven Anknüpfung Einigkeit herrscht.l Schwärzt z. B. ein Unternehmer seinen Konkurrenten via Satellitenfernsehen oder Internet weltweit an, so kann das anzuwendende Recht nicht mehr eindeutig bestimmt werden. Wrrd ein global player von einem anderen global player boykottiert, so wird der Gang zum Gericht zu einem juristischen Vabanquespiel, bei dem noch nicht einmal die "Spielregeln" - nämlich das anzuwendende Recht- feststehen. 4 Die Bestimmung des anzuwendenden Rechts wird darüber 1 Dies war früher anders; zur Entwicklung der Parteiautonomie von den Anfangen bis in die Zeit nach dem II. Weltkrieg: Kronstein, S. 265-294. 2 Kegel/Schurig, § 211 1 (= S.118 ff.). 3 s. z. 8. die Ausführungen von DethloJf, JZ2000, S. 179 ff. Dies ist jedoch nicht Gegenstand der Arbeit. 4 Obwohl der internationale Wettbewerb nach dem Zweiten Weltkrieg noch in den Anfangen lag, weisen schon BGH, Urt. v. 20.12.1963 ,,Stahlexport", in: BGHZ 40, S. 396, und Beitzke, Auslandswettbewerb unter Inländern, JuS 1966, S.141, auf diesen Zustand hin.

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A. Problemstellung, Ausgangspunkt und Gang der Darstellung

hinaus häufig durch Auftreten von Normwidersprüchen (Normenmangel oder Normenhäufung) zusätzlich erschwert. Die Probleme objektiver Anknüpfung potenzieren sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, da es gerade dort auf eine zügige Bestimmbarkeil des anzuwendenden Rechts ankommt. Und gerade in Wettbewerbsstreitigkeiten werden zahlreiche Fälle im Verfügungsverfahren endgültig erledigt. Das Postulat der Anknüpfungssicherheit erhält in diesem Zusammenhang also ein hohes Gewicht.5 Hier kann Parteiautonomie einen beachtlichen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit6 unter den Beteiligten leisten.7 Bisweilen kann jedoch auch das ausländische Recht den Parteien nur gerechter oder unkomplizierter erscheinen als die heimische Rechtsordnung; man denke nur an die Möglichkeiten des amerikanischen Antitrust-Rechts, dem Verletzten den Schadensnachweis zu erleichtern.s Es kann also auch im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht ein beachtliches Parteiinteresse an der autonomen Regelung ihrer Rechtsbeziehungen geben. Dieses scheint von der bisherigen Rechtsprechung und Literatur nicht anerkannt zu sein. Zwar kollidieren im Wettbewerbs- und Kartellrecht öffentliche und private Interessen miteinander, die gewichtet werden müssen. Dabei darf aber nicht verkannt werden, daß sich in aller Regel zwei Privatparteien gegenüberstehen. Der präventive oder korrektive Ausgleich ihrer Privatinteressen nach dem Grundsatz materieller Gerechtigkeit ist der Hauptzweck, weswegen ein Zivilprozeß geführt wird.9 Da die hierzu nötigen Informationen nicht zentral vorhanden, sondern vielmehr dezentral verteilt sind, sind die jeweils Betroffenen am besten in der Lage, ihre Allokationsprobleme zu lösen. Dem trägt der Gesetzgeber schon im Rahmen der Privatautonomie Rechnung, auch wenn nicht gleiche Verhandlungsstärke vorliegt. Privatinteressen sind demnach auch im Wettbewerbs- und Kartellrecht nicht lediglich eine "zusätzliche" Dimension neben der staatlichen10; dies um so mehr, als Wirtschaftssubjekte in der Marktwirtschaft in aller Regel Privatpersonen sind, nicht aber Staaten. Das gleiche muß gelten, wenn der Sachverhalt nationale Grenzen übersteigt und deshalb mehr Gestaltungsspielraum besteht. Deshalb hat das Wrrtschaftskollisionsrecht Teil am "Allgemeinen Internationalen Privatrecht", und muß nicht von diesem abgegrenzt werden. 11 Es ist vielmehr eine Unterart desselben, so daß man es eher als s. auch Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 265 f. Zweigert, Zur Armut des IPR an sozialen Werten, RabelsZ 37 (1973), S. 442, betrachtet nicht ohne Grund die Rechtssicherheit als eines der Ziele guter Kollisionsregeln. s. a. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 5 I(= S. 31 ff.). 7 Steiner, S. 13. 8 Emmerich in: Immenga/Mestmäcker. § 35 Rz. 81 mit Hinweisen zu weiterführender Literatur. 9 Lüderitz, S. 50. 10 So aber: Drobnig, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S.2. 11 So aber: Drobnig, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 3. 5

6

A. Problemstellung, Ausgangspunkt und Gang der Darstellung

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.,Besonderen Teil" zum .,Allgemeinen Internationalen Privatrecht" bezeichnen könnte. D. h. es gelten auch hier die allgemeinen Grundsätze des Internationalen Privatrechts einschließlich der Parteiautonomie; den Besonderheiten des Wrrtschaftskollisionsrechts und staatlichen Ordnungsinteressen wird dann im Einzelfall Rechnung getragen, so z. B. durch Eingriffsnormen. Wenn nun der Gesetzgeber bzw. die Richterschaft im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht die dargelegten Parteiinteressen dennoch generell dem staatlichen Ordnungsinteresse unterordnet, können sie das zulässigerweise nur tun unter der gleichzeitigen Annahme, daß Parteiautonomie nur ein staatlich verliehenes Recht ist, selbst also stets zu legitimieren ist. Dem steht aber die soeben dargelegte Funktion der Parteiautonomie im Internationalen Schuldvertrags- und Deliktsrecht entgegen, dem durch das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen der Rechtsgestaltung durch Private und staatlicher Reglementierung Rechnung getragen wird. Wenn man aber, ausgehend von der Parteiautonomie im Internationalen Schuldvertrags- und Deliktsrecht, dieses Parteiinteresse angemessenerweise unter den grundrechtliehen Schutz des Art. 2 I GG stellt, dann stellt sich die Frage, ob ihr genereller Ausschluß im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht nicht das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verletzt. Jenseits von Parteiinteressen besteht überdies auch ein öffentliches Interesse an Parteiautonomie. Wird nämlich die subjektive Bestimmung der anzuwendenden Rechtsordnung verweigert, so wird dies auf Dauer zu einem verstärkten forum shopping führen. Wie noch zu zeigen ist, sind die Schwellen für Gerichtsstandsvereinbarungen im Internationalen Bereich sehr niedrig, so daß die Parteien im Regelfall problemlos vor ein Gericht ziehen können, dessen Internationales Privatrecht zu der gewünschten Rechtsordnung führt. Bei der Anerkennung des ausländischen Urteils in Deutschland blieben dann vom zwingenden Wettbewerbs- und Kartellrecht nur die Teilregelungen übrig, die dem ordre public angehören,§ 3281Nr. 4ZPO. Haben dagegen die Parteien auch im Internationalen Wirtschaftsrecht die Möglichkeit vor deutschen Gerichten Einfluß auf die anzuwendende Rechtsordnung zu nehmen, so führt dies zu einem Wettbewerb der Rechtsordnungen, wobei diejenige Rechtsordnung, die den Parteiinteressen am angemessensten Rechnung trägt, am häufigsten zur Entscheidung herangezogen wird. Aus nationaler Sicht birgt das den Vorteil, daß die Durchsetzung deutschen Rechts als der Iex fori nicht auf den ordre public beschränkt ist, sondern auch deutsches Eingriffsrecht zur Anwendung kommt, Art. 34 EGBGB. Ziel der Arbeit ist es zu zeigen, daß das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen objektiver Anknüpfung und Parteiautonomie also umgekehrt ist als bisher angenommen. Ausgangspunkt der Darstellung ist die Anerkennung der Parteiautonomie als Teil des Allgemeinen Selbstbestimmungsrechts, Art. 2 I GG. Parteiautonomie muß deshalb nicht vom Gesetzgeber eigens zugelassen werden, sondern ist Teil eines Grundrechts, das vom Gesetzgeber nach dem Rechtsstaatsprinzip aus Gründen des überwiegenden Gemeinwohls unter Beachtung des Über2 LaufkOtter

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A. Problemstellung, Ausgangspunkt und Gang der Darstellung

maßverbotseingeschränkt werden darf, z.B. dort, wo Rechte Dritter in Rede stehen. Die generelle Verweigerung der Rechtswahlfreiheit im Wettbewerbs- und Kartellrecht schießt jedoch über dieses Ziel weit hinaus und steht deshalb in Widerspruch zum Grundgesetz. Zwar umfaßt das "Wirtschaftskollisionsrecht" unstreitig mehr als nur das Wettbewerbs- und Kartellrecht, jedoch ist es in seiner Abgrenzung äußerst unscharf und umstritten. Den zahlreichen Versuchen einer Definition noch einen weiteren hinzuzufügen, ist nicht Gegenstand der vorliegenden wissenschaftlichen Bemühungen und diesen auch nicht dienlich. Denn der scheinbare Gegensatz zwischen Parteiautonomie und Wirtschaftskollisionsrecht zeigt sich bei Auswertung der Literatur zum Wettbewerbs- und Kartellrecht am deutlichsten. Ihn hierfür zu widerlegen, hat somit Konsequenzen für das gesamte Wirtschaftskollisionsrecht Als Nagelprobe für den grundrechtliehen Schutz der Parteiautonomie erweist sich das Internationale Kartellrecht Denn in seinem Kernbereich ist das Kartellrecht durch Normen des Ordnungswidrigkeitenrechts sanktioniert (s. nur § 81 GWB). Wie noch zu zeigen sein wird, ist es insoweit der Parteiautonomie von vornherein entzogen. Dieses Ergebnis wird von vorliegender Arbeit auch nicht in Frage gestellt. In Frage gestellt wird aber, ob deshalb Parteiautonomie im Kartellrecht generell auszuschließen ist, oder ob es auch in diesem- scheinbar durchweg dem Öffentlichen Recht nahestehenden- Rechtsgebiet Normbereiche gibt, in denen der Ausschluß von Parteiautonomie gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstößt. Dementsprechend geht es nicht um die generelle Anknüpfung im Internationalen Kartellrecht; vielmehr sind hier Normgruppen zu bilden. Denkbar ist Rechtswahl z. B. in Fragen der Kartellbindung bei Kartellverträgen oder der kartellrechtlichen Verletzungshandlungen (z. B. Diskriminierung, Boykott, o. ä.). 12 Insbesondere die Fusionskontrolle bleibt hier aber außer Betracht, da sie unstreitig staatliches Eingriffsrecht darstellt. Gerichtlich sind diese Fragen im Internationalen Kartellrecht bis dato noch nicht aufgegriffen worden. Dies hängt im wesentlichen damit zusammen, daß die Gerichte sich schon scheuen, die Anwendbarkeit ausländischen Kartelkechts ernsthaft in Erwägung zu ziehen, obwohl die Praxis ausreichend Fälle bietet, die dies nahelegen.13 Die aufgeworfene Frage und die Scheu der Praxis, sie aufzugreifen, hängen aber unmittelbar zusammen. Die Richterschaft scheint sich sehr bewußt zu sein, wie "glatt" jenes juristische Terrain ist, da auf den ersten Blick kein geschriebenes Recht vorhanden zu sein scheint und die Versuche, diese komplexe Lebenswirklichkeit normativ zu fassen (z. B. in Art. 7 EuiPRÜ), am Bestimmtheitsgebot gescheitert zu sein scheinen. Bevor der grundrechtliche Schutz der Parteiautonomie nach Art. 2 I GG nachgewiesen werden kann, muß dargelegt werden, wie in der bisherigen Rechtsprechung 12 13

Fragen des Gesellschaftsstatuts bleiben also außer Betracht. Dies kritisiert heftig Basedow, Entwicklungslinien, NJW 1989, S. 633.

A. Problemstellung, Ausgangspunkt und Gang der Darstellung

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und Lehre dieses Rechtsinstitut im Rahmen des Wettbewerbs- und Kartellrechts beschrieben und angewandt bzw. abgelehnt wurde (Kapitel B). Auf Grundlage der hierzu gewonnenen Erkenntnisse wird Parteiautonomie als Grundrecht hergeleitet, sowie sein Schutzumfang und die verfassungsmäßigen Schranken bestimmt (Kapitel C). Da Parteiautonomie bisher im Wettbewerbs- und Kartellrecht nicht Gegenstand eingehender wissenschaftlicher Auseinandersetzung war, sollen die Schranken zunächst in benachbarten Rechtsgebieten dargestellt werden, soweit sie auch für das Internationale Wettbewerbs- und Kartellrecht Geltung beanspruchen können. Im Schlußkapitel D werden dann die Auswirkungen der grundrechtliehen Einordnung der Parteiautonomie auf das Internationale Wettbewerbs- und Kartellrecht untersucht. Die soeben vorgestellte Anordnung der Kapitel ist in der Fragestellung der Arbeit angelegt. Wie Kapitel B sogleich zeigen wird, gibt es nur zwei obergerichtliche Entscheidungen, die sich -wenn auch nicht zentral- mit der Frage der Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht auseinandersetzen. Hieraus lassen sich keinerlei Schlüsse für den Stellenwert der Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht ziehen. Eine Untersuchung, die aus der bisherigen Diskussion in Rechtsprechung und Literatur Parteiautonomie als Grundrecht herleitet und daraus Schlüsse auf ihren Geltungsanspruch, insbesondere im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht zieht, erscheint deshalb hier die lauterere Vorgehensweise. Die gewählte Untersuchungsmethode trägt dazu bei, das unstreitige Rechtsinstitut Parteiautonomie allgemein und zugleich für alle Rechtsgebiete gültig unter grundrechtliehen Schutz zu stellen, seinen Schutzumfang abzugrenzen und die für das Internationale Wettbewerbs- und Kartellrecht wesentlichen Schranken herauszuarbeiten.

2*

B. Die bisherige Rolle der Parteiautonomie

im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht:

Eine kritische Würdigung

Die Untersuchung beschränkt sich auf die Rolle der Parteiautonomie in der bisherigen Rechtsprechung und Lehre zum Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht. Sie will nicht eine Zusammenfassung aller anderen Anknüpfungstheorien zum Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht bieten. Hierzu wird auf bereits veröffentlichte einschlägige Abhandlungen verwiesen.•

I. Internationales Wettbewerbsrecht 1. Rechtsprechung In der Rechtsprechung war die Rechtswahl im Internationalen Wettbewerbsrecht zunächst kein Thema, weswegen ihre Entwicklung hier nur abrißartig nachskizziert werden soll; vielmehr suchte man ausschließlich nach einem geeigneten objektiven Anknüpfungsmoment. Da das Wettbewerbsrecht generell als Teil des Allgemeinen Deliktsrechts angesehen wurde, sollte- wie dort auch -das Recht des Begehungsorts maßgeblich sein.2 Zunächst sollte dies dann das Inland sein, wenn zumindest ein Teil der Wettbewerbshandlung im Inland vorgenommen wurde.3 Jedoch wurden von Anfang an bei der Subsumtion der Sachnormen die Verhältnisse auf allen betroffenen Märkten beachtet, auch wenn sie im Ausland lagen.4 Diese Auffassung wurde kurze Zeit später in der Entscheidung "Kindersaugflaschen" aufgegeben: Danach kann der Begehungsort nicht schlechthin dem Handlungsort gleichgestellt werden, sondern es muß auf die Besonderheiten des Wettbewerbsrechts gegenüber dem allgemeinen Deliktsrecht Rücksicht genommen werden. Demnach ist der Begehungsort im Interna1 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Wirner, S. 42-140; D~utsch, Wettbewerbstatbestände mit Aus1andsbeziehung, S. 17-41; W. Weber, Wettbewerbsverletzungen; Kreuzer, Wettbewerbsverstöße; Mook, S. 39-52; Regelmann, S. 3-93; rechtsvergleichend: Troller, S.49-l06 u. Bernhard, S. 133-246. 2 Seit RG, Urt. v. 14.02.1936, in: RGZ 150, S. 268, ständige Rechtsprechung; s. a. BGH, Urt. v.13.07.1956 .,Uhrenrohwerke", in: BGHZ 21, S.270. 3 BGH, Urt. v. 13.07.1956 "Uhrenrohwerke", in: BGHZ 21, S. 270m. w. Nachw. 4 BGH, Urt. v. 13.07.1956 "Uhrenrohwerke", in: BGHZ 21, S. 274f.; BGH, Urt. v. 30.06.1961 ,,Kindersaugflaschen", in: BGHZ 35, S. 332 m. w. Nachw.; BGH, Urt. v. 20.12.1963 "Stahlexport", in: BGHZ 40, S. 399 f. mit Anmerkung Beitzke, Auslandswettbewerb unter Inländern, JuS 1966, S. 147.

I. Internationales Wettbewerbsrecht

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tionalen Wettbewerbsrecht überall da anzunehmen, wo die wettbewerbliehen Interessen einander überschneiden; es gilt also das Recht des jeweiligen Absatzmarktes.5 Bemerkenswert hinsichtlich der Parteiautonomie ist das Urteil des BGH vom 27. März 1968: Diesem liegt ein Provisionsvertrag zwischen einem deutschen Bierexporteur und einem italienischen Vermittler zugrunde, für den die Parteien die Anwendung deutschen Rechts vereinbart hatten. Der Beklagte verweigerte die Zahlung, da er die Provisionszusage als Schmiergeldabrede i. S. d. § 12 UWG für unwirksam hielt. Die Rechtswahl wurde von der Berufungsinstanz und vom BGH anerkannt. Der BGH wollte italienisches Recht ausschließlich deswegen berücksichtigen, weil er eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten der Rechtsordnung zugrundelegte, die den Vertrag wirksam sein ließ, demnach also italienisches Recht. Zwar werden in diesem Urteil dennoch Ausführungen hinsichtlich der Rechtslage nach deutschem Recht gemacht, diese erfolgten aber lediglich obiter dictum, da die Berufungsinstanz von der Anwendung deutschen Rechts ausging.6 Interessant ist auch das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 15. Mai 19867 • Dort ging es um die Frage, ob eine nicht ausdrücklich auf das Inland begrenzte Ahmahnung und strafbewehrte Unterlassungserklärung bei späteren AuslandsverstöBen herangezogen werden darf mit der Folge, daß für diese dann auch deutsches Wettbewerbsrecht angewandt werden müsse. Das OLG beleuchtete daraufhin die tatsächlichen Umstände der Unterlassungserklärung und kam zu dem Ergebnis, daß diese für Auslandsverstöße nicht gelte, da die Parteien von deutschem Wettbewerbsrecht ausgegangen seien, dieses aber in seinem Geltungsbereich auf das Inland beschränkt sei. Diese beiden Urteile zeigen, daß auch nach der Rechtsprechung Rechtswahl im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht nicht undenkbar ist. Der BGH hat sie zwar hinsichtlich der Provisionszusage nicht anerkannt; stattdessen wandte er für die Provisionszusage die Rechtsordnung an, die auf dem hypothetischen Parteiwillen beruhte,8 da nur nach dieser Rechtsordnung die Provisionszusage wirksam sein konnte. Er hat jedoch die tatsächliche Rechtswahl grundsätzlich wirksam sein lassen; denn er ging in seinen Ausführungen von ihr aus. Es wäre nach dem BGH das tatsächlich gewählte (deutsche) Recht zur Anwendung gekommen, wenn nach diesem die Provisionszusage wirksam gewesen wäre. s BGH, Urt. v. 30.06.1961 "Kindersaugflaschen", in: BGHZ 35, S. 333 f., 336f.; obiter dieturn erfolgte hierbei auch eine Distanzierung von der sog. Nußbaurn'schen Regel. Das Urteil BGH, Urt. v. 20.12.1963 "Stahlexport", in: BGHZ 40, S. 395 bestätigt die Regel vom Ort der wettbewerbliehen Interessenkollision auch für Wettbewerb unter inländischen Unternehmen auf ausländischen Märkten und nimmt damit eine endgültige Abkehr von der Nußbaum 'sehen Regel vor. 6 BGH, Urt. v. 27.03.1968 "Bierexport", in: IPRspr. 1968/69, S. 423 unter II. 7 Hans. OLG Hamburg, Urt. v. 15.05.1986 ,,IR/UV-Kombinationstrockner", in: GRUR Int. 1988,5. 299-309. 8 Der hypothetische Parteiwille war zu dieser Zeit (vor der Reform des IPR 1986) noch anerkanntermaßen Grundlage der stillschweigenden Rechtswahl; s. dazu unten S. 65 zu FN 76.

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

Das Hanseatische Oberlandesgericht wagte sich nicht ganz so weit. Zwar geht aus seiner Urteilsbegründung hervor, daß eine Rechtwahl in Erwägung gezogen wurde; jedoch könne diese nicht weiter reichen als objektiv anwendbares Recht. Bei dieser Argumentation spielt Parteiautonomie dann keine eigenständige Rolle mehr. Beide Entscheidungen spiegeln die große Unsicherheit wider, die die Rechtsprechung bei der Frage der Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht beschleicht. Eindeutige Aussagen oder gar Bekenntnisse lassen sich beiden Urteilen nicht entnehmen.

2; Literatur In der einschlägigen Literatur wurde das Thema Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbsrecht mehrfach angeschnitten, zumeist jedoch ohne es ernsthaft zu diskutieren.9 Einigkeit besteht heute lediglich auch hier in der grundsätzlich deliktischen Qualifizierung von Wettbewerbsverstößen und der daraus folgenden Anknüpfung an den Begehungsort. 10 Ob daneben oder vorrangig eine subjektive Anknüpfung durch Beachtung einer von den Parteien vorgenommenen Rechtswahl zulässig oder geboten ist, ist Gegenstand zahlreicher Meinungsverschiedenheiten,11 die im folgenden zusammenfassend dargelegt und bewertet werden. Die Ansichten reichen von einer umfassenden Ablehnung der Parteiautonomie in allen Bereichen bis zu einem mehr oder minder genau abgegrenzten Bereich ihrer Zulassung.12 Ausgehend von der grundsätzlich deliktischen Qualifizierung13 von Wettbewerbsverstößen wird die Abgrenzung dieses der Parteiautonomie zugänglichen 9 In der Stellungnahme zum IPR des Wettbewerbsrechts von Lindacher, WRP 1996, S. 645 ff., wird Rechtswahl nicht einmal erwähnt. 10 Statt aller: Tro/ler, S. 50; Spätgens, GRUR 1980, S. 474; Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 273; Schrieleer in: Jacobs/Lindacher{feplitzky, Eint. Rz. F 168; Köhler/Piper, Eint. Rz. 74-80, jeweils m. zahlr. Nachw. 11 Von Troller, S.50, wird diese Möglichkeit-leider-nicht in die Überlegungen miteinbezogen. Deshalb kommt er folgerichtig zu dem Schluß, die Frage nach dem anzuwendenden Recht im Internationalen Wettbewerbsrecht sei immer eine Frage nach dem Begehungsort Diese These kann demnach nur für die objektive Anknüpfung Gültigkeit beanspruchen. 12 Am weitesten dürfte Soergel-Lüderitz, Art. 38 EGBGB Rz. 81, gehen: Er mißt der grundsätzlichen Verfügbarkeit von Deliktsschutz Indizwirkung für das IPR zu und sieht demzufolge die Rechtswahlfreiheit im Internationalen Wettbewerbsrecht allein durch § 98 II GWB a. F. (= § 130GWB n. F.), sowie Artt. 29, 39 EGBGB beschränkt. Die dürftige Begründung dieser Argumentation läßt eine eingehende Diskussion aber kaum zu. 13 Anders v. Gamm, Wettbewerbsrecht, S. 186 Rz. 6 ff. Er sieht allein bei vertraglich geregeltem Wettbewerbsverhalten Raum für Rechtswahl, da insoweit das Schuldstatut maßgeblich sei. Der Vorrang der Parteiautonomie fande seine Grenzen in den zwingenden Rechtsnormen des inländischen Rechts, insbesondere des Kartellrechts, da dieses eine öffentlich-rechtliche Grundlage habe.

I. Internationales Wettbewerbsrecht

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Normbereichs von vielen Autoren anband der Betriebs- bzw. Marktbezogenheil des Wettbewerbsverstoßes vorgenommen. 14 Ist der Wettbewerbsverstoß nicht marktbezogen, sondern betriebs- oder personenbezogen, ist sie allgemeindeliktisch. Insoweit wird dann Rechtswahl -manchmal geradezu selbstverständlich - für zulässig gehalten. 1s So sei jedenfalls bei rein "bilateralen" Wettbewerbsverstößen eine Anknüpfung nach dem Allgemeinen Deliktsrecht angemessen, denn insoweit handele es sich um interindividuelle Schuldverhältnisse, bei denen die Anknüpfungsregeln des Allgemeinen Deliktsrechts - einschließlich Rechtswahl - zweckmäßig seien. 16 Typisches Beispiel sei der Geheimnisverrat (§§ 17-20 UWG). 17 Brannekämper nennt in diesem Zusammenhang auch die Betriebs- und Kreditgefährdung durch üble Nachrede oder Verleumdung (§§ 14, 15 UWG), die Bestechung(§ 12 UWG) 18 und das wettbewerbswidrige Ausspannen von Beschäftigten. Hier fehle es an den Besonderheiten, die unlautere Wettbewerbshandlungen sonst von allgemeinen unerlaubten Handlungen unterschieden. 19 Daß das Deliktsrecht generell materiellrechtlich vom Grundsatz der Dispositionsfreiheit beherrscht sei, zeige sich darin, daß auf Ansprüche hieraus auch im vorhinein verzichtet werden könne.20 Soweit aber darüber hinaus ein öffentliches Interesse an der Prävention deliktischen Verhaltens bestehe, gebe es in ausreichendem Maße einschlägige Normen des Straf- und Verwaltungsrechts.21 14 In der Sache nichts anderes ist die Betroffenheit von Drittinteressen durch einen Wettbewerbsverstoß, die Rechtswahl ausschließen soll, s. Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR Int. 1988, S. 329f., und Köh/er/Piper, Einl. Rz. 73. 1s Mit dieser Einschränkung: MünchKomm-Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rz. 249 i.V. m. Rz. 236f.; einige Jahre zuvor stand Kreuzer der Rechtswahl noch skeptischer gegenüber, da er das Wettbewerbsrecht grundsätzlich für zu verschieden vom allgemeinen Deliktsrecht hielt, s. Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 264f. und 279 f.; er wollte jedoch damals schon die Starrheit der zwingend objektiven Anknüpfung durch eine weite Ausweichklausel kompensieren, s. Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 280, und bei einer tatbestandliehen Nähe zu allgemeinen Delikten (z. B. bei ausschließlich bilateralen Wettbewerbsverstößen) eine Ausnahme zugunsten der Parteiautonomie machen, s. Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 281-283; F. ReichertFacilides, Parteiautonomie, S. 209; bezogen auf allgemeines Deliktsrecht W. Lorenz, Allgemeine Grundregel, S. 130-132. 16 Staudinger-v.Hoffinann, Art. 38EGBGB Rz.551. 17 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 282 und S. 285 f.; ohne auf Rechtswahl einzugehen, auch: Burnumn, DB 1964, S. 1805; Schikora, S. 251; ähnlich: Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR Int. 1988, S. 330, der aber nicht nach der Betriebsbezogenheil des Eingriffs differenzieren will, sondern nach der Marktbezogenheit, m.E.lediglich eine andere Perspektive desselben Sachverhalts, so daß das Ergebnis notwendig gleich bleibt. Schrikker in: Jacobs/Lindacher{feplitzky, Einl. Rz. F 195, leugnet dagegen die Existenz solcher Delikte, da immer in irgendeiner Weise auch die Mitbewerber, Verbraucher oder die Allgemeinheit betroffen seien. Diese Ansicht widerspricht aber dem Grundsatz angemessener Interessenberücksichtigung, wonach nicht jedes auch noch so entfernt berührte Interesse gleich stark gewichtet werden darf. Zudem widerspricht sich Schricker, ebenda Rz. F212, selbst, freilich ohne auf Rechtswahl näher einzugehen, da er sie pauschal ablehnt (s. S. 24 FN22). 18 § 12 UWG wurde mit Gesetz vom 13.08.1997 aus dem UWG gestrichen. 19 Brannekämper, WRP 1994, S.664. 20 F. Reichert-Facilides, Parteiautonomie, S. 209.

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

Einige Stimmen lehnen die Parteiautonomie jedoch auch für den dispositiven Teil des Wettbewerbsrechts ab.22 Parteiautonomie entspreche generell nicht der Interessenlage im Wettbewerbsrecht.23 Im allgemeinen Deliktsrecht stünde das Abwicklungsinteresse im Vordergrund. Im Unlauterkeitsrecht, wo nicht der Schadensersatz- sondern der Unterlassungsanspruch dominiere, seien dagegen kaum anerkennenswerte Rechtswahlinteressen ersichtlich.24 Ein immer wieder vorgetragener Argumentationskreis ist der Drittschutz. Manche Autoren erkennen zwar den oben angeführten Ausgangspunkt der allgemeindeliktischen Qualifikation des Wettbewerbsrechts an, sind aber der Ansicht, daß WettbewerbsverstöBe grundsätzlich Drittrechte berühren; auch sie lehnen demnach Rechtswahlfreiheit für das deutsche Internationale Wettbewerbsrecht generell ab. 25 Die Verhaltensnormen des UWG stünden nicht zur Disposition der Parteien, da es um Marktordnungsrecht und damit um staatliche Rechtsanwendungsinteressen gehe, sowie um das Rechtsanwendungsinteresse eines unbestimmbaren Kreises von Marktbeteiligten.26 Wahrend Neuhaus27 den Drittinteressen dadurch Rechnung trägt, daß die Rechtswahl nach außen manifestiert werden muß, spricht Reichert-Facilides von der Rechtswahl als einem Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich vorwiegend zu Lasten der Verbraucher, die er als hauptsächlich betroffen ansieht. 28 Das Allgemeininteresse an der Ordnung des Marktgeschehens im Sinne der Aufrechterhaltung eines lauteren, den guten Sitten entsprechenden Gebarens dürfe nicht der Disposition privater Parteiabreden unterworfen sein.29 Der Zweck der vom Staat zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe sei zumindest auch der Schutz der Verbraucher 21

F. Reichert-Facilides, Parteiautonomie, S. 209.

So z. B. das Max-Planck-Institut für ausl. u. int. Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf des BMJ vom Mai 1984, der in seinem Art.42 Abs. 1 die Zulässigkeit der nachträglichen Rechtswahlvereinbarung vorsah (Beier/Schrickerl Ulmer, GRURint. 1985, S.108), sowie Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR Int. 1988, S. 329f., ders.: Inlandswettbewerb mit Auslandsbezug, ÖBl 1988, S. 118 f. Parteiautonomie im Wettbewerbsrecht pauschal ablehnend: MünchKomm-lmmenga, 1. Aufl. 1983, nach Art. 12EGBGB Anh. IV Rz. 96 f.; Schricker in: Jacobs/Lindacher(l'eplitzky, Rz. F 198, u. Schricker, Werbung in Europa, Rz. 106. 23 Beier/Schricker/Ulmer, GRURint. 1985, S.108; v.Bar, IPR, Band 2, Rz.698. 24 11. Bar, IPR, Band 2, Rz. 698. Nach Gloede, GRUR 1960, S. 467, gibt eine Norm, die lediglich den Schadensersatzanspruch anführt, deutlich zu erkennen, daß sie den Bereich des Wettbewerbsrechts nicht erfassen will. zs So z. B. Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR lnt. 1988, S. 329 f.; beschränkt auf das Werberecht Schricker, Werbung in Europa, Rz. 96; dort seien stets Rechte Dritter, insbesondere der Verbraucher und der Allgemeinheit berührt. 26 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 280; MünchKomm-Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rz. 249; MünchKomm-lmmenga, 1. Aufl. 1983, nach Art. 12 EGBGB Anh. IV Rz. 97. 27 Neuhaus, IPR, S. 258. 28 F. Reichert-Facilides, Parteiautonomie, S. 211; allerdings ist das oben erwähnte Zitat von Neuhaus (s. vorherige FN) für den Bereich der Vollmachterteilung gedacht und geschrieben, was Reichert-Facilides in seinem Zitat verschweigt, ebenso wie die ausreichende Berücksichtigung der Drittinteressen durch Bekanntmachung der Rechtswahl. 29 F. Reichert-Facilides, Parteiautonomie, S. 211. 22

I. Internationales Wettbewerbsrecht

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und Mitbewerber, sowie der Wettbewerbsordnung30, z. B. wenn ein Wettbewerbsverstoß mehrere Konkurrenten gleichzeitig verletzt. Die Klage sei mithin eine "actio pro institutione":31 Dem dürfe man sich nicht durch Rechtswahl entziehen können. 32 Verbraucherschutz und Allgemeininteresse jenseits des ordre public könnten im Prozeß zwischen individuellen Wettbewerbern durch Rechtswahl umgangen werden,33 jedenfalls soweit ein großzügigeres Recht gewählt werde als das an sich berufene.34 Denn der Vorbehalt der Rechte Dritter würde allenfalls helfen, soweit eine Verbandsklage erhoben werde.35 Außerdem würde man damit den Parteien einen - auch europarechtlich bedenklichen - Wettbewerbsvorsprung vor der jeweiligen nationalen Wirtschaft verschaffen. 36 In der Diskussion zum Thema Drittschutz fällt auf, daß im allgemeinen nicht unterschieden wird zwischen Drittrechten und Drittinteressen;37 es wird auf derselben Ebene diskutiert, was dogmatisch auf verschiedene Weise zu berücksichtigen ist. Dazu mehr in Kapitel D I 2 (= S. 136 ff.). Auch wird vorgetragen, die Wahl eines großzügigeren, also dem Kläger nachteiligen Rechts lege einen Irrtum über die Rechtsfolgen einer Rechtswahl nahe, der auf Unerfahrenheit oder auf schlechter Rechtsberatung beruhe.38 Wählten die Parteien dagegen ein strengeres Recht als das an sich berufene, so könne dies in Widerspruch zu kartellrechtlichen Wertungen geraten.39 Die_ Parteien würden durch Rechtswahl inhaltlich eine Wettbewerbsbeschränkung erreichen, die ihnen mit einem normalen Vertrag kartellrechtlich untersagt wäre.40 Ebenso sei eine Beurteilung derselben Wettbewerbshandlung nach verschiedenen Rechten in Parallelprozessen alles andere als wünschenswert.41 Selbst die Möglichkeit, sich nach Begehung der Tat auf dem Boden der Iex fori zu treffen, bestünde de lege lata nicht.42 Sack, Inlandswettbewerb mit Auslandsbezug, ÖB11988, S.ll9. Fikentscher, Wirtschaftsrecht, S. 528. Mook, S. 53., spricht in diesem Zusammenhang von der Rolle des Sachwalters aller anderen Betroffenen (Konkurrenten, Verbraucher, Allgemeinheit), die der k.lagende Konkurrent einnehme. Diese .,Sachwalterschaft" sei nicht mehr möglich, wenn das anzuwendende materielle Recht nicht für die Wettbewerbshandlung gegenüber jedermann dasselbe sei. 32 Sack, Inlandswettbewerb mit Auslandsbezug, ÖBI 1988, S.119. 33 Beier/Schricker!Ulmer, GRURint. 1985, S.108; v. Bar, IPR, Band 2, Rz.698. 34 Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR lnt. 1988, S. 329. 35 Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR Int. 1988, S. 329. 36 v. Bar, IPR, Band 2, Rz. 698. 37 Einse/e, Rechtswahlfreiheit, RabelsZ 1996, S.429, ist hier eine Ausnahme. 38 Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR Int. 1988, S. 329. 39 Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR Int. 1988, S. 329. 40 Sack, Inlandswettbewerb mit Auslandsbezug, ÖBI 1988, S. 118. 41 Beier/Schricker/U/mer, GRURint. 1985, S.108; Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR Int. 1988, S.329f. 42 v. Bar, IPR, Band 2, Rz. 698. 30

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

Die Streuwirkung von Wettbewerbsverstößen wird jedoch von anderen Autoren gerade zur entgegengesetzten Argumentation herangezogen: Besonders bei Streudelikten gebe es im Wettbewerbsrecht eine Vielzahl von Klagebefugten, so daß auf eine (natürliche) Wettbewerbshandlung mehrere Rechtsordnungen zur Anwendung kommen können.43 Da die Rechtskraft des Urteils anerkanntermaßen auch im UWG, RabattG und in der ZugabeVO nur inter partes gelte, hindere die Rechtswahlvereinbarung in einem Wettbewerbsprozeß andere Klagebefugte nicht daran, ihrerseits gerichtlich gegen dieselbe Wettbewerbshandlung vorzugehen und sich dabei auf eine Rechtswahlvereinbarung nicht einzulassen.44 Das Wettbewerbsrecht favorisiere ohnehin die außergerichtliche Erledigung von Rechtsstreitigkeiten, wie z. B. die Notwendigkeit der vorherigen Ahmahnung und die Übung der Abgabe von Unterlassungserklärungen zeige.45 Allerdings solle Parteiautonomie nur insoweit zulässig sein, als die Parteien eines wettbewerbliehen Rechtsstreits über den Streitgegenstand einen Vergleich abschließen können.46 Diese Bezugnahme kann nur die materiellrechtliche Verweisung rechtfertigen, nicht aber die kollisionsrechtliche. Denn gemäß § 779 BOB werden die Möglichkeiten, sich zu vergleichen, schon durch einfaches ius cogens begrenzt, da ein Vergleich nur wirksam ist, wenn das betroffene Rechtsverhältnis der Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegL47 Vorliegend geht es aber um die Dispositionsbefugnis über die gesamte Rechtsordnung. Soweit vornehmlich Gefahren für die Wettbewerbsordnung im ganzen abgewehrt werden sollen, fehle dem Klagebefugten die Verfügungsbefugnis über das anzuwendende Recht.48 Einige Besonderheiten gibt es bei der der Wettbewerbshandlung vorgelagerten Rechtswahl: Während soeben noch auf das Allgemeine Deliktsrecht zurückgegriffen werden konnte, ist dies hier nicht mehr der Fall; denn im Allgemeinen Deliktsrecht hat die vorherige Rechtswahl - jenseits der akzessorischen Anknüpfung an das Schuldstatut- eine verschwindend geringe Bedeutung. Deshalb dürfte die durch den neuen Art. 42.1 EGBGB aufgeworfene Frage, ob damit vorherige Rechtswahl ausgeschlossen ist, hier kaum praktische Bedeutung erlangen. Anders liegt es im Wettbewerbsrecht, wo der Verletzte bzw. der Verband regelmäßig mittels Ahmahnung den Wettbewerbsverstoß für die Vergangenheit ahnden und mittels strafbewehrter Unterlassungserklärung gleichartige Verstöße für die Zukunft unterbinden will. Ist es möglich, in diesen strafbewehrten Unterlassungserklärungen auch künftiges Wettbewerbsverhalten im Ausland zu erfassen und es einem einzigen Recht, dem deutschen oder einem ausländischen zu unterstellen?49 Hier zeigt sich der überwiegendeso Teil der neueren Literatur ablehnend.5 1 Auch die Entwurfsbegründung zur KodifikaStaudinger-v. Hoffinann, Art. 38 EGBGB Rz. 549. Staudinger-v. Hoffinann, Art. 38 EGBGB Rz. 549. •s Wilde in: Gloy, § 6 Rz. 55. ol6 Wilde in: Gloy, § 6 Rz. 55; Kegel, IPR, 7. Auflage 1995, § 18 IV2 (= S. 553), für das Allgemeine Deliktsrecht. 47 Palandt-Sprau, § 779 BGB Rz. 6. 48 Staudinger-v. Hoffinann, Art. 38 EGBGB Rz. 550. 43

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I. Internationales Wettbewerbsrecht

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tion des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse dürfte kaum anders zu verstehen sein, nachdem sie schon für das Allgemeine Deliktsrecht eine vorherige Rechtswahl "mit Rücksicht auf den Schutzcharakter außervertraglicher Schuldverhältnisse und aus praktischen Erwägungen" ablehnt.S2 In der Literatur wird wie folgt argumentiert: Wenn die Parteien das anzuwendende Recht selbst bestimmen könnten, berge das die Gefahr in sich, daß ein und dieselbe Wettbewerbshandlung von demselben Gericht nach verschiedenen Wettbewerbsrechten beurteilt werden müßte,53 so daß dem kollisionsrechtlichen Ziel des inneren Entscheidungseinklangs54 nicht ausreichend Rechnung getragen würde. Dies kann nur dann gelten, wenn das Urteil zumindest eine faktische Streuwirkung hat, wie dies z. B. bei Unterlassungsklagenaufgrund unlauterer Werbemethoden der Fall ist. Daß dies aber nicht für das gesamte Wettbewerbsrecht gilt, soll durch diese Arbeit nachgewiesen werden. Zuweilen wird angeführt, Rechtswahl löse Rechtsunsicherheit bei den Parteien und Dritten aus: Jedenfalls sei erstrebenswert, Wettbewerbsverhalten möglichst nur einem Recht zu unterstellen.55 Die Wettbewerber hätten ein vorrangiges Interesse daran, schon vor Vornahme der einschlägigen Handlung sich nach der Rechtslage erkundigen zu können. Anders als dem Allgemeinen Deliktsrecht käme dem Wettbewerbsrecht ein ausgeprägter Präventivcharakter zu, der die allseitige Kenntnis der gültigen Verhaltensnormen im voraus unabdingbar mache.56 Deutsch sieht aber dieses Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit gerade darin begründet, daß die Parteien im Wettbewerbsbereich die Unsicherheit gerade nicht durch eine Rechtswahlvereinbarung beseitigen könnten, während im Internationalen Vertragsrecht solches ohne weiteres möglich sei.s7

49 Dies ist nicht der Fall, den der BGH (s. S. 21 bei FN 6) zu entscheiden hatte. Dort ging es um die Frage, ob für eine solche Rechtswahl tatsächliche Anhaltspunkte vorhanden sind. Die Frage, ob eine solche Rechtswahl dann beachtlich wäre, konnte der BGH offenlassen. Die Prüfung ihrer tatsächlichen Voraussetzungen läßt jedoch einen bejahenden Standpunkt für wahrscheinlich erscheinen. so A. A. W. Lorenz, Allgemeine Grundregel, S. 130-132, allerdings für das Allgemeine Deliktsrecht. 5I Statt aller: MünchKomm-Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rz. 249. 52 RegEntw. IPR1999, S.14. 53 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 280; MünchKomm-Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rz. 249. 54 Dieser Begriff geht auf Kahn, JherJb 40 (1898), S.68, 76ff., zuliick, der noch von "Gesetzeshannonie" sprach; er wurde von Neuhaus, IPR, S. 49, aufgegriffen und entscheidend geprägt. Wolff, S. 9 und 67, differenziert zwischen diesen beiden Begriffen nach dem zugrundeliegenden Bezugsobjekt (Gesetz bzw. richterliche Entscheidung). 55 Deutsch, Rezension, RabelsZ 27 (1962), S.181. 56 Deutsch, Wettbewerbstatbestände mit Auslandsbeziehung, S. 40 u. 49 f. 57 Deutsch, Wettbewerbstatbestände mit Auslandsbeziehung, S.40.

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

3. Zwischenergebnis Die Argumente gegen die Zulassung von Rechtswahl im Internationalen Wettbewerbsrecht sind zwar nachvollziehbar, jedoch nicht zwingend. Ihnen liegt eine Interessenabwägung pro und contra Parteiautonomie zugrunde, wobei die scheinbar besseren Gründe contra Parteiautonomie sprechen. Unberücksichtigt bleibt jedoch, daß vielen vorgebrachten Interessen auch anderweitig Rechnung getragen werden kann. Z. B. kann Drittschutz in einigen Fallen auch dadurch erreicht werden, daß eine Rechtswahl hinreichend kundgemacht werden muß, d.h. eine Rechtswahl kann Dritten nur dann entgegengehalten werden, wenn sie ihnen vorher bekanntgegeben wurde. Damit wäre zumindest dem berechtigten Drittinteresse an Publizität der Rechtswahlvereinbarung Rechnung getragen. Dies heißt nicht, daß damit jedes Drittinteresse ausreichend berücksichtigt wird. Es soll vielmehr aufzeigen, daß Drittschutz nicht als pauschaler Ausschlußgrund der Rechtswahlfreiheit entgegengehalten werden kann. Das Interesse an der Lauterkeit des Wettbewerbs wird- soweit es obersten staatlichen Interessen entspricht- durch Strafnormen geschützt. Der Überblick über den aktuellen Diskussionsstand hat gezeigt, daß Rechtswahl nur dann generell auszuschließen ist, wenn man das Wettbewerbsrecht als Mittel staatlicher Regulierung betrachtet. Unbestritten enthält es Normen, z. B. die strafbewehrten Normen, die mittels öffentlich-rechtlichem Instrumentarium durchgesetzt werden. Der Kernbereich wird jedoch mittels zwingendem Privatrecht geregelt, dessen Durchsetzung der Staat in die Hände der Marktbeteiligten bzw. Betroffenen legt. Es drängt sich deshalb die Überlegung auf zu untersuchen, inwieweit dieses Privatrecht auch international zwingend ist und gegebenenfalls kollisionsrechtlich zu differenzieren. Dies gilt umso mehr, wenn man die Parteiautonomie unter grundrechtliehen Schutz stellt. Dies ist Gegenstand der Untersuchungen in Kapitel D I (= s. 116-140). 4. Gerichtsstandsvereinbarungen Nach allgerneiner Ansicht sind Gerichtsstandsvereinbarungen im Internationalen Wettbewerbsrecht zulässig.58 Die Vereinbarung kann vor oder nach Vomahme der Wettbewerbshandlung getroffen sein; maßgeblich in dieser Hinsicht ist allein, daß sich die Vereinbarung auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis bezieht, Art. 17 I EuGVÜ. Im Anwendungsbereich des EuGVÜ ist das Wettbewerbsrecht unter den Gerichtsstand der unerlaubten Handlungen, Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, zu subsumieren,59 da dieser sehr weit auszulegen ist. Gerichtsstandsvereinbarungen sind demnach gern. Art.17I,ill i.V.m. Art.531EuGVÜ in allen internationalen Rechts51 v. Gamm, Wettbewerbsrecht, S. 195 Rz. 23; ohne dies zu problematisieren: Möllering, WRP 1990, S. 8; Köhler/Piper, Einl. Rz. 90 unter ggg). 59 BGH, Urt. v. 11.02.1988, in: GRUR 1988, S. 485; BGH, Beschl. v. 17.03.1994, in: GRUR 1994, S.531; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art.5 Rz.57.

II. Internationales Kartellrecht

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Streitigkeiten, an denen ein Unternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat oder ein· Unternehmer mit der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates beteiligt ist, zulässig, da Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ keinen ausschließlichen Gerichtsstand begründet. Dies gilt uneingeschränkt auch für Prozesse vor deutschen Gerichten, denn in ihrem Anwendungsbereich verdrängen die Vorschriften des EuGVÜ das nationale Prozeßrecht.60 Insoweit ist das internationale Recht großzügiger als das nationale Recht in Fragen der örtlichen Zuständigkeit, § 24 ll UWG i. V. m. § 40 ll ZPO. Dies gilt aber auch nur insoweit, als ausschließlich Ansprüche aus dem UWG geltend gemacht werden, und hat deshalb vor allem für Verbandsklagen Bedeutung. Denn Klagen des Verletzten selbst können in aller Regel auch auf das Allgemeine Deliktsrecht gestützt werden, so daß mit § 32 ZPO kein ausschließlicher Gerichtsstand einer Gerichtsstandsvereinbarung im Wege steht. Es können also die Parteien eines internationalen wettbewerbsrechtlichen Streites nach herrschender Meinung zwar nicht das Sachrecht wählen, aber mittels Gerichtsstandsvereinbarung das Internationale Privatrecht. Denn jedes Forum wendet seine eigenen Kollisionsnormen an. Vereinzelt geblieben ist die Meinung v. Gamm's, wonach Gerichtsstandsvereinbarungen danach zu prüfen sind, ob durch die Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit die Anwendung deutschen zwingenden Rechts, dessen Anwendung kollisionsrechtlich nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen, verhindert wird61 , denn die Frage der formellen Zuständigkeit und die Frage des anwendbaren Rechts können nicht miteinander verknüpft werden.

II. Internationales Kartellrecht Wie oben (Kapitel A, S. 18) dargelegt, ist die Frage der Parteiautonomie im Internationalen Kartellrecht von der Rechtsprechung bisher noch nicht aufgegriffen worden. Dafür hat sich die Literatur ihrer schon eingehend angenommen.

l. Die Rechtslehre Bemerkenswert ist zunächst die Tatsache, daß die Frage der Parteiautonomie im Internationalen Kartellrecht ursprünglich eine Frage nach dem Wesen der Parteiautonomie selbst war. Dies hängt damit zusammen, daß vor dem Zweiten Weltkrieg Kartelle wertneutral als ein wirtschaftliches Phänomen betrachtet wurden. Erst durch die Dekartellierungsgesetze der Alliierten änderte sich die gesellschaftliche und politische Haltung zu Kartellen; sie wurden zunehmend als volkswirtschaftlich schädlich empfunden. 60 61

OLG Koblenz, Urt. v. 17.09.1993, in: RIW1993, S. 934. v. Gamm, Wettbewerbsrecht, S. 195 Rz. 23.

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

Daß Kartellmitglieder das anzuwendende Recht selbst bestimmen konnten, galt bis dahin als selbstverständlich. Der Kern der Auseinandersetzung vor Inlcrafttreten des GWB am 1. Januar 1958 lag deshalb nicht in der Klärung der Frage, ob Parteiautonomie zulässig sein soll oder nicht, sondern ob sie ein originäres Recht der Vertragsschließenden ist oder ob sie derivativ von der objektiv auf das Vertragsverhältnis anzuwendenden Rechtsordnung zugelassen wird62. Dank der ausführlichen Darstellungen von Schwartz63 und Rehbinder64 kann sie hier auf eine reine Ergebniswiedergabe beschränkt werden. Letztendlich hat sich die Meinung durchgesetzt, Parteiautonomie sei zwar stets derivativ, d. h. sie wird nur insoweit gewährt, als sie durch die Rechtsordnung zugelassen wird; maßgebliche Rechtsordnung sei jedoch nicht die objektiv berufene Rechtsordnung, sondern die Iex fori65 . Nach Inkrafttreten des GWB66 ist dies nicht mehr in Frage gestellt worden. Die Darstellung in diesem Kapitel beschränkt sich deshalb auf die Argumentation seit der Diskussion um die Einführung eines Kartellgesetzes Mitte der 50er Jahre. Ausgangspunkt war auch nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst eine durchgängige Unterwerfung des Kartellrechts unter das Allgemeine Schuldstatut; konsequenterweise sollte deshalb grundsätzlich Parteiautonomie zulässig sein. De facto wurde jedoch die Rechtswahl als ausgeschlossen betrachtet, sei es, weil man das GWB als Öffentliches Recht qualifizierte und damit der Parteiautonomie entzog,67 sei es, weil man der Ansicht war, daß Kartellverträge gegen den deutschen ordre public verstießen, soweit sie von den Vorschriften des GWB abwichen68 • Zu letzterem ist allerdings zu bemerken, daß diese Auffassung ein weiteres Verständnis vom ordre public zugrundelegt als das Reichsgericht und ihm folgend der Bundesgerichtshof69. Schwartz, 5.195. Schwartz, S. 194- 205. 64 Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 265-268. 65 Schwartz, S. 196f. 66 Soweit in dieser Arbeit vom GWB die Rede ist, ist stets das GWB ohne die seit 26.08.1998 integrierten vergaberechtlichen Vorschriften gemeint. Bei diesen handelt es sich um hier nicht einschlägiges Verwaltungsrecht 67 Dagegen schon Kronstein, S. 287 f. 68 Dazu ausführlich und kritisch: Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 274-277, und Kronstein, S. 279-283; s. a. OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.10.1980 ,,Ausgleichsanspruch", in: IPRspr. 1980, S. 78, Würdinger, WuW 1956, S. 782, und die weiteren Nachweise bei Schwartz, S. 205 FN 59-62, sowie Vollmer, GRUR Int. 1982, S. 594, und Wiedemann-Bumiller, § 61 Rz. 8, aus neuerer Zeit. Ebenso auch Mann, Sonderanknüpfung und zwingendes Recht, S.614f., derdie Regelung des §98IIGWB a.F. (= § 130IIGWB n.F.) deswegen als überflüssig bezeichnet. 69 RG, Urt. v. 14.12.1927, in: RGZ119, 5.263; BGH, Urt. v.15.11.1956, in: BGHZ22, S. 167. Dies kommt auch in der Argumentation Bär's zum Ausdruck, wenn er zur Bestimmung international zwingender Normen denselben Maßstab anlegt wie für die Bestimmung der zum nationalen ordre public gehörenden Normen, s. Bär, Kartellrecht und IPR, S . 204 f. 62 63

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Schwartz schließlich sah§ 98IIGWB a.F. (= § 130IIGWB n.F.) als Iex specialis zu den Vorschriften des deutschen Internationalen Obligationenrechts, so daß die grundsätzlich zulässige Rechtswahl überall dort verdrängt würde, wo der Kartellvertrag Inlandsauswirkung habe;70 soweit aber ausschließlich Auslandswirkung gegeben sei, gälten weiterhin die allgemeinen Regeln,7 1 so daß Rechtswahl zulässig bleibe.72 Die Vorbehaltsklausel des Art. 30 EGBGB a. F. sei deshalb nicht einschlägig.73 Diese etatistisch-liberale Konzeption würde der Internationalität des Sachverhalts besser gerecht als die klassisch-liberale Konzeption mit ihrer Lehre vom Primat des Parteiwillens; denn letztere würde auch den internationalen Kartellvertrag stets nur einer Rechtsordnung unterstellen, während erstere, die zudem § 98 II GWB a. F. (= § 130 II GWB n. F.) entspricht, nur den inlandsmarktbezogenen Teil des internationalen Sachverhalts erfasse.74 Die neuere Diskussion konzentriert sich auf kartellrechtliche Verletzungshandlungen und grenzt insoweit das Kartellrecht meist zum Allgemeinen Deliktsrecht75 ab. Darüber hinaus wird Parteiautonomie im GWB nicht in Betracht gezogen. Grund hierfür mag sein, daß mit Einführung der Fusionskontrolle das Kartellrecht, so wie es im GWB verkörpert ist, eine andere Qualität bekam. Es stand fortan der staatliche Eingriff im Vordergrund. Entsprechend ist auch der Gedankengang: Die Parteien könnten sich nicht dadurch dem deutschen Kartellrecht entziehen, daß sie die Geltung ausländischen Rechts vereinbaren76 oder seine Anwendung erzwingen, indem sie deutsches Kartellrecht vereinbaren77 • Teilweise wird aber auch vertreten, den nicht deliktischen zwingenden Teil des Kartellrechts gesondert anzuknüpfen; im übrigen konkretisiere§ 98IIGWB a.F. (= § 13011GWB n.F.) lediglich den deliktischen Begehungsort.78 1o Schwartz, S. 180. 7' Schwartz, S. 219; s. a. S. 35 FN 97. n Schwartz, S. 207; Rechtswahl generell ablehnend: Stockmann in: Loewenheim/Belke, § 98 II GWB Rz. 6; Rehbinder in: lmmenga/Mestmäcker, § 98 II GWB Rz. 222. 73 Schwartz, S. 207; im Ergebnis ebenso: Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, 5.274-277; ders.: in: Immenga/Mestmäcker, §9811GWB Rz.229. 74 Schwartz, S. 209. 1s s. z. B. Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 238 ff. 76 LG Hamburg, Urt. v. 29.09.1971, in: RJ.W/AWD 1972, S. 132; OLG Frankfurt, Urt. v. 05.12.1991, in: WRP 1992, S. 332; Bundeskartellamt, TB 1971, S. 96, TB 1977, S. 90, TB 1978, S. 100f.; Koenigs in: GemK, § 98 II GWB Rz. 4; MünchKomm-lmmenga, nach Art. 37EGBGB Rz.15, 22; Soergel-Lüderitz, Art. 34EGBGB Rz. 33; Rehbinder in: lmmenga/ Mestmäcker, § 98 II GWB Rz. 222; Jungbluth in: Langen/Bunte, § 98 II GWB Rz. 102; Kropholler, Internationales Privatrecht, §52 VIII2b (= S.443). 77 OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.10.1980 ,,Ausgleichsanspruch", in: IPRspr. 1980, S. 78, das aber das GWB als Teil des deutschen ordre public sieht; Koenigs in: GemK, § 98 II GWB Rz. 4; Soergel-Lüderitz, Art. 34 EGBGB Rz. 33; Rehbinder in: Immenga/Mestmäcker, § 98 II GWB Rz. 222; Jungb/uth in: Langen/Bunte, § 98 II GWB Rz. 102; a. A. MünchKomm-Immenga, nach Art. 37 EGBGB Rz. 16, für Normen, die zumindest auch der materiellprivatrechtliehen Gerechtigkeit dienen; Anwendungsfälle seien die Rechtswahl im Schiedsvertrag oder die Durchsetzung der Anwendbarkeit deutschen Kartellrechts durch ein Kartellmitglied zu seinen Gunsten.

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

Beide Ansätze, sowohl der (frühere) vertragsrechtliche als auch der (heutige) deliktische, können das Kartellrecht nicht vollständig erfassen. Denn das Kartellrecht ist- wie das Wettbewerbsrecht- kein homogenes Rechtsgebiet, das sich ausschließlich dem Schuldvertragsrecht oder dem Deliktsrecht zuordnen ließe. Wie schon Schwartz79 und BäfBO in ihren Monographien zum Ausdruck brachten, ist das Kartellrecht nicht einmal einheitlich dem Privatrecht zuzuordnen, da es in den §§54 ff. GWB den Kartellbehörden hoheitliche Befugnisse verleiht und ein Verwaltungsverfahren regelt. Deshalb wird es oft undifferenziert als öffentliches EingriffsrechtS! oder als Internationales Verwaltungsrecht82 bezeichnet. Die Wurzeln des deutschen Kartellrechts liegen aber unzweifelhaft im Zivilrecht, wie vor allem die Entstehungsgeschichte und die Unterwerfung unter die ordentliche Gerichtsbarkeit (§§ 91 ff. GWB) zeigen.S3 Nach der Rechtsprechung des BGH84 ist das Kartellrecht ein Konglomerat aus Kartellprivatrecht, Kartellverwaltungsrecht und Kartellordnungswidrigkeitenrecht,8s die alle gleichberechtigt nebeneinander stehen86 und zuweilen in ein und derselben Norm enthalten sind; Musterbeispiel hierfür sei § 1 GWB, der zum einen Grundlage für ein Einschreiten der Kartellbehörde sein kann, zum anderen aber auch die Privatrechtsverhältnisse der Parteien untereinander regeln kann. Bisweilen wird auch versucht zu ermitteln, auf welchem der drei Rechtsgebiete im GWB der Schwerpunkt liegt. Zwar gibt Martinek durch seinen Vergleich mit dem AGB-Gesetz87 eine sehr privatrechtsfreundliche Analyse, jedoch ,,hinkt" dieser 78 So: Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 300; v. Gamm, Rechtswahl, NJW 1977, S.1553 f.; daß Art.98IIGWB a.F. (= § l30IIGWB n.F.) lediglichden deliktischen Begehungsort konkretisiere, vertrat auch schon Schwartz, S. 231. 79 Schwartz, S. l67f.; zustimmend: Müller-Grajf, RabelsZ 48 (1984), S. 304; Martinek, S.24f. so Bär, Kartellrecht und IPR, S. 292 f. 81 So wohl KG, Beschl. v. 05.04.1978 "Organische Pigmente", in: WuW 11/1978, S. 711; KG, Beschl. v. 01.07.1983, in: WM 1984, S.1201; Wiedemann-Bumiller, § 61 Rz. 8; K. Neumayer, Notgesetzgebung, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 2 (1958), S.46; Sandrock, Das Kollisionsrecht des unlauteren Wettbewerbs, GRUR Int. 1985, S.515; Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht, S. 10; Kevekordes, S. 134 f.; Schubert, RIW 1987, S. 732; einschränkend im Sinne einer Vermutung für den öffentlich-rechtlichen Schwerpunkt: Bär, Kartellrecht und IPR, S. 292f.; dagegen schon Steindorff, S. 148; s. a. Basedow, Wirtschaftskollisionsrecht, Rabe1sZ 52 (1988), S. 17 f.: Er bezeichnet das Wirtschaftsrecht als "ordnungspolitische Normen des Institutionenschutzes"; nur vordergründig differenzierend: v. Gamm, Rechtswahl, NJW 1977, S.1554f. 82 So: Kegel/Schurig, § 23 V3 (= S. 972-975) und§ 23 V7 (= S. 980), die bewußt dem öffentlich-rechtlichen Teil des GWB den Vorrang vor dem privatrechtliehen und dem strafrechtlichen Teil einräumen. 83 Niederleithinger, S. 10. 84 BGH, Urt. v. 04.04.1975 -,,Krankenhaus-Zusatzversicherung"-, in: WuW/E BGH 1364-1366; Martinek, S. 29. 85 Bär, Kartellrecht und IPR, S. 292f., der aber die Komponente des Öffentlichen Rechts stets den Ausschlag geben läßt, solange sie nicht deutlich untergeordnet bleibt. 86 Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S.111 und 241. 87 Martinek, S. 25.

II. Internationales Kartellrecht

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Vergleich, da im AGB-Gesetz nicht annähernd von einer Verfahrensregelung, hoheitlichen Befugnissen und Strafvorschriften die Rede sein kann. Mag auch der Regelungsanlaß des GWB in einem privatrechtliehen Vertrag, nämlich der KarteHabsprache, stehen, so sind öffentliche Ordnungsinteressen und privater Interessenausgleich doch so eng miteinander verwoben,88 daß lediglich anhand des konkreten Falls und der einschlägigen (Teil-)Regelung der Schwerpunkt ermittelt werden könnte.89 Diese Schwerpunktermittlung im Einzelfall steht der grundsätzlichen Einheit des Kartellrechts90 nicht entgegen. Eine parallele, nicht minder lebhaft geführte Diskussion entfaltet sich seit Bestehen des GWB um dessen Schutzzweck. Dient das GWB ausschließlich dem Schutz des Wettbewerbs als Institution oder ausschließlich der Sicherung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Einzelnen oder beidem, je nach Schwerpunkt der Norm? Diese Fragestellung hat jedoch in dieser Allgemeinheit9 1 keinen zusätzlichen Erkenntniswert,92 denn Ersteres führt unzweifelhaft zur Qualifikation des Kartellrechts als ausschließlich Öffentliches Recht und entzieht es damit der Parteiautonomie. Die zweite Argumentation wird heute kaum mehr vertreten, da es unbestreitbar staatliche Eingriffsbefugnisse im GWB gibt; man denke nur an das Bußgeldverfahren in§§ 81 ff. GWB. Dreh- und Angelpunkt der heutigen Diskussion um Parteiautonomie im Internationalen Kartellrecht ist vielmehr § 130 II GWB, eine spezielle Kollisionsnorm93 , die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeinen Kollisionsnormen des Internationalen Vertrags- und Deliktsrechts nach ganz herrschender Meinung verdrängt: 94 88 Martinek, S. 35, spricht von einer "Untrennbarkeit des privaten und des öffentlichen Rechts in vielen Ordnungsbereichen". 89 Dagegen versucht sich Mertens, RabelsZ 31 (1967), S. 395, an einer abstrakten Gruppierung der einzelnen Tatbestände des Kartellrechts anhand der Wolff'schen Sonderrechtstheorie. 90 Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 96. 91 Anders bei der Bildung von Normgruppen, s. dazu unten S. l41. 92 Ähnlich: Martinek, S. 31. 93 Daß §9811GWB a.F. (= § 13011GWB n.F.) eine Kollisionsnorm und keine Sachnorm ist, ist seit BGH, Beschl. v.2.07.1973 "Ölfeldrohre", in: BGHSt25, S.212, unbestritten; s. a. OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.11.1979, in: RIW 1981, S.125, sowie schon Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S.llOf. A. A.lediglich v.Bar, Internationales Wettbewerbsrecht S. 15f.: Er geht von einer klaren Trennbarkeil zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht aus unter der Prämisse, daß Internationales Öffentliches Recht kein Verweisungsrecht, sondern räumlich beschränktes Sachrecht sei. Folgerichtig ist für ihn § 98 II GWB a. F. (= § 130 II GWB n. F.) eine ,,multifunktionale Norm", nämlich einerseits öffentlich-rechtliche Sachnorm, andererseits privatrechtliche Kollisionsnorm (s. auch v. Bar, IPR, Band 1, S.197 Rz. 215; dort als Norm mit Doppelcharakter bezeichnet). 94 OLG Frankfurt, Urt. v.05.12.1991, in: WRP1992, S.332; Schwartz, S.219 (nach ihm verbleibt es aber im übrigen beim Allgemeinen Deliktsrecht, s. ebenda S. 231 ); Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 261; Koenigs in: GemK, §9811GWB Rz.4 m. w.Nachw.; MünchKomm-lmmenga, nach Art. 37 EGBGB Rz. 22; Rehbinder in: Immenga/Mestrnäcker, § 98 II GWB Rz. 220 und 227m. w. Nachw.; Stockmann in: Loewenheim/Belke, § 98 II GWB Rz. 6 m. w. Nachw.; Kegel!Schurig, § 23 V3 (= S. 975), die§ 13011GWBallerdings als Kollisionsnorm des Intematio-

3 Laufkötter

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

,,Dieses Gesetz findet Anwendung auf alle Wettbewerbsbeschränkungen, die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes auswirken, auch wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes veranlaßt werden."

Nahezu unbestritten wird § 130 li GWB für unabdingbar gehalten,95 so daß Parteiautonomie hier keine Rolle spiele, denn von der Verdrängung der allgemeinen Regeln des Internationalen Privatrechts sei auch die Rechtswahl betroffen.96 Die Parteien könnten auf die Anwendung des GWB keinen Einfluß nehmen.

2. Würdigung Die gegenwärtige Rechtslehre diskutiert eingehend die Reichweite des Auswirkungsprinzips aus § 130 li GWB. Ein anderer Zugang zur Frage der Parteiautonomie im Internationalen Kartellrecht eröffnet sich aber, wenn man die VerhältDismäßigkeit der durch das Auswirkungsprinzip bewirkten Einschränkung der Rechtswahlfreiheit in Frage stellt. Dies ist Anliegen vorliegender Arbeit. Für diese Fragestellung sind die Bemühungen um eine rechtliche Qualifikation des Kartellrechts nicht sehr hilfreich. Denn, wie im Wettbewerbsrecht, so ist auch im Kartellrecht nicht entscheidend, ob es sich um Öffentliches Recht oder Privatrecht handelt, sondern mit welchen Mitteln die staatliche Regulierung des Wettbewerbs vorgenommen werden soll. Sie kann einerseits mit den Instrumenten des Öffentlichen Rechts, z.B. im Rahmen eines Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens vorgenommen werden, andererseits mit dem Instrument des zwingenden Privatrechts. Daneben kann der Staat in Einzelbereichen des Kartellrechts auch ganz auf eine Regulierung verzichten, so z. B. dem Kartell-Innenrecht. Soweit der Gesetzgeber zur Regulierung auf zwingendes Privatrecht zurückgreift, stellt sich dann die Frage, inwieweit es international zwingend ist bzw. der Rechtswahl zugänglich ist, wobei im Blick zu behalten ist, daß die Rechtswahl nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden darf. Ausgangsp\lnkt der Untersuchung ist § 130 li GWB. Denn in dem Bereich des Kartellprivatrechts, der nicht der Sonderanknüpfung nach § 130 li GWB unterliegt, sind die kollisionsrechtlichen Grundsätze des traditionellen Internationalen Privatnalen Verwaltungsrechts auffassen; weitergehend: Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 286tf. (s. S. 35 FN 97). Grundlegend hierfür dürfte Bär, Kartellrecht und IPR, S. 183 ff., sein, der schon 1965 die Sonderanknüpfung ausländischen Kartellrechts bei Vereinbarungen (ebendaS. 183 tf.) und die Konkretisierung des Begehungsorts bei außervertraglichen Schädigungen (ebenda S. 269 tf.) vertrat. ~Statt vieler zuletzt: Merkt, RIW 1995, S. 539f.; Stockmann in: Loewenheim/Belke, § 98 II GWB Rz. 6 m. w. Nachw. und Rz. 17m. w. Nachw.; Rehbinder in: lmmenga/Mestmäcker, §98IIGWB Rz. 222 m. w.Nachw.; MünchKomm-/mmenga,nachArt.37EGBGB Rz. 15; Koenigs in: GemK, §98IIGWB Rz.4; Möschel, §4 Rz.125 (= S.84). 96 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 261; Martinek, S. 17. Hiervon ging wohl auch das LGFreiburg, Urt. v.06.12.1966, in: IPRspr. 1966/67, S.116, aus, obwohl es die kartellrechtliche Zulässigkeil nach allen in Betracht kommenden Rechtsordnungen prüfte.

III. Zusammenfassung mehrerer Statute

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rechts einschlägig.97 Daß es einen solchen Bereich gibt9B und wie weit sein Umfang ist, ist Gegenstand der Erörterung in Kapitel DII (= S.140ff.). Der Kreis zu den soeben vorgestellten dogmatischen Untersuchungen der Rechtslehre schließt sich dann wieder, wenn man feststellt, daß es sich bei den Normen, soweit sie nicht von § 130 Il GWB erfaßt werden, teilweise um Schuldvertragsrecht, teilweise um Deliktsrecht handelt. Während die Kartellabsprache selbst ein typisches vertragliches Schuldverhältnis darstellt, handelt es sich bei der Diskriminierung nach §§ 20, 21 GWB um ein typisches Delikt. Die Grenzziehung wird nicht immer so scharf möglich sein, ist aber auch nicht erforderlich, da dies in der Frage der Parteiautonomie keinen Unterschied macht, wie noch darzulegen ist.

111. Zusammenfassung mehrerer Statute Wenn die Statute des Wettbewerbs- und Kartellrechts, evtl. auch des Immaterialgüterrechts zusammengefaßt und einheitlich angeknüpft werden, ist es kein weiter Schritt mehr, diesem Rechtsgebiet Besonderheiten zuzuschreiben, die dann nicht mehr in das Konzept des Internationalen Privatrechts zu integrieren sind. Die Autoren, die dies vertreten, kommen alle zu dem Ergebnis, daß Parteiautonomie hier keine Rolle spielt. Sollte also die Zusammenfassung der Statute geboten sein, wäre ihre Auswirkung auf die Rolle der Parteiautonomie zu prüfen. Manche Autoren wollen die Differenzierung zwischen Wettbewerbsrecht und Kartellrecht ganz aufgeben und beides einheitlich nach dem Auswirkungsprinzip99 anknüpfen. Denn das UWG und das GWB mit ihrenjeweiligen Nebengesetzen hätten dieselbe Schutzrichtung, nämlich den Schutz der Wettbew~rber und der übrigen Marktteilnehmer (v. a. Verbraucher) mit jeweils anderem Schwerpunkt. Während das UWG vorwiegend den Wettbewerber schütze, diene das GWB vor allem dem Schutz des Wettbewerbs an sich. Beide Gesetze ergänzten sich derart, daß man einheitlich von einem Schutz der Gesamtordnung des wirtschaftlichen Wettbewerbs (Wettbewerbsordnung) sprechen könne. 100 97 Vgl. auch Siehr, Ausländische Eingriffsnormen, RabelsZ 52 (1988), S . 90. MünchKomm-lmmenga, nach Art. 37 EGBGB Rz. 22, billigt dies nur dem ausländischen Kartellrecht zu. A. A. Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 286-292, insb. S. 291 f., der bei fehlender Inlandsauswirkung das ausländische Recht nicht nach den allgemeinen Kollisionsregeln im Wege einer Allseitigkeilslehre anknüpfen will. Demnach soll für ausländisches Recht das Auswirkungsprinzip gelten unter der zusätzlichen Anknüpfung an die inländische Geschäftstätigkeit. 98 Von Schwartz noch als Postulat formuliert, s. Schwartz, S. 221 und 224. 99 Wengler, Die Gesetze über unlauteren Wettbewerb und das Internationale Privatrecht, RabelsZ 19 (1954), S.15f., der beiden Gesetzen den Charakter einer Marktordnung beimißt Für einheitliche Anknüpfung aber gegen das Auswirkungsprinzip: Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 270ff. 100 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 263. Nicht so weit gehen Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 1 Rz. 44f. (= S. 29) und v. Gamm, Das Verbot einer unbilligen Behinderung, NJW 1980, S. 2492; nach ihnen stehentrotzgewisser ähnlicher Wertungen beide Rechtsgebiete

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im lnt. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

Bei diesen Autoren zeichnet sich ein allgemeiner Ausschluß der Rechtswahlfreiheit ab. Während das Wettbewerbs- und Kartellrecht in sich homogen sei und damit ein einheitliches Statut bilden könne, sei solches im Verhältnis zum Allgemeinen Deliletsrecht gerade nicht gegeben. Vielmehr bestünden hier markante Unterschiede hinsichtlich des Schutzguts und des Schutzzweclcs. Das Allgemeine Deliletsrecht schütze ein subjektives Recht oder Rechtsgut eines individuellen Rechtsträgers mit ausschließlichem Zuweisungsgehalt; demgegenüber gebe es ein zuweisungsfahiges Gut als Voraussetzung eines subjektiven Rechts im Wettbewerbsrecht gerade nicht; es schütze vielmehr objektive wettbewerbliehe Verhaltensnormen ohne Rücksicht auf Schadenseintritt oder (konkrete) Interessengefährdung. 101 Ferner richte sich der Schutzzweck des Wettbewerbsrechts typischerweise auf eine Mehrzahl von Schutzsubjekten, nämlich Wettbewerber, sonstige Marletbeteiligte und die Allgemeinheit. Es komme also zu den für das Wettbewerbsrecht typischen Dreiecksbeziehungen (Verletzter, Marlctgegenseite, Konkurrent), die im Allgemeinen Deliletsrecht die Ausnahme seien.Ioo Ist die Rechtswahlfreiheit im Allgemeinen Deliletsrecht noch gegeben (dazu KapitelCll, S.l01-110), so ist sie bei dieser Sichtweise für das Wettbewerbs- und Kartellrecht notwendig ausgeschlossen. 103 Dieser soeben geschilderte Argumentationsansatz ist bedenklich: Gäbe es nämlich kein zuweisungsfahiges Rechtsgut, das durch das GWB geschützt würde, so entbehrten subjektive Rechte (wie z. B. aus § 33 GWB) jeden Sinnes. Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung bildet das dem Allgemeinen Wettbewerbsrecht übergeordnete Rechtsgut. 104 Anders als z. B. im Steuerrecht besteht diese Freiheit gegenüber dem Staat und Privaten (insbesondere den anderen Teilnehmern am Wirtschaftsleben) und kann als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2I GG) gesehen werden. 105 Sie steht jeder natürlichen und juristischen Person des Privatrechts grundsätzlich gleichermaßen zu, steht also anderen subjektiven Rechten in ihrem Zuweisungsgehalt in nichts nach. Zwar ist die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit kein Recht mit scharfen Konturen wie z. B. das Eigentumsrecht, aber auch § 823 I BGB leitet aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ebenso wie aus dem Eigentumsrecht einen Schadensersatzanspruch ab. mit ihren unterschiedlichen Schutzaufgaben grundsätzlich nebeneinander. Ähnlich auch Hefermehl, Allg. Rz. 86-88 m. w. Nachw.; er spricht sich ausdrücklich gegen eine einheitliche Behandlung beider Rechtsgebiete aus. Rittner, v. Gamm und Hefermehl, jeweils am soeben ange-

gebenen Ort, nehmen aber zum IPR nicht Stellung. 101 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 265. Daß es in so manchen kartellrechtlichen Streitigkeiten um handfeste materiellprivatrechtliche Interessen geht, zeigt Schwartz, S. 223 f. 102 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 264. 103 Die grundsätzliche Ablehnung von Parteiautonomie im Wettbewerbs- und Kartellrecht durch Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 279 f., ist deshalb konsequent, wenngleich er heute für das Wettbewerbsrecht daran nicht mehr festhält, s. S. 23 FN 15. 104 Fikentscher, Wettbewerb und Gewerblicher Rechtsschutz, S. 227. 105 Fikentscher, Wettbewerb und Gewerblicher Rechtsschutz, S. 216 und 230.

Ill. Zusammenfassung mehrerer Statute

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GWB und UWG sichern die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Einzelnen, indem sie Verhaltensregeln und Sanktionsnormen aufstellen. Der Unterschied zum Allgemeinen Deliktsrecht besteht lediglich darin, daß letzteres die Verhaltens- und Sanktionsregel in einer Norm zusammenfaßt (s. zum Beispiel § 823 BGB), während es im UWG und GWB getrennt normiert ist (s. zum Beispiel die allgemeine zivilrechtliche Sanktionsnorm in § 33 GWB). Es mag den Blick hierfür trüben, daß sich die Funktion vor allem des GWB nicht im zivilrechtliehen Bereich erschöpft, sondern darüber hinaus auch eine ordnungspolitische (Schutz des Wettbewerbs als Institution) ist106• Dies legt aber nahe, innerhalb des Wettbewerbs- und Kartellrechts zu differenzieren und nicht zwischen dem Wettbewerbs- und Kartellrecht einerseits und dem Allgemeinen Deliktsrecht andererseits (s. dazu mehr in Kapitel D). Parallel verhält es sich mit dem Schutzzweck des UWG und GWB: Nicht alle Normen sollen gleichermaßen die Konkurrenten und die Allgemeinheit schützen. So schützen§§ 20I,ll, 21 IGWB ganz überwiegend den von Boykott oder Diskriminierung betroffenen Unternehmer, 107 § 14 UWG den angeschwärzten Unternehmer, gleich, ob er Konkurrent des Täters ist oder nicht, 108 § 1 UWG in der Fallgestaltung des Verleitens zum Vertragsbruch den Vertragspartner. In all diesen Fällen spielt der Schutz des Wettbewerbs als Institution eine nur untergeordnete Rolle. In den Fällen der §§ 17-20 UWG wird ausschließlich109 der Geheimnisträger geschützt, in den Fällen des § 21 II GWB ausschließlich die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des unter Druck gesetzten Unternehmers110 sowie durch § 20 VI GWB allein das vom WirtschaftSverband nicht aufgenommene Untemehmen111 • Schutzzweck und Schutzgut des Wettbewerbs- und Kartellrechts stehen also einer Rechtswahl nicht generell entgegen. Hinzu kommt, daß sie gerade in den eben aufgeführten Fällen den für das Wettbewerbsrecht besonders wichtigen Anknüpfungsmaximen der Voraussehbarkeit des anzuwendenden Rechts, der Praktikabilität und des Entscheidungseinklangs am ehesten entspricht. 112 Letzteres wird nur relevant, soweit der Verletzte noch in weiteren Rechtsverhältnissen zum Verletzer steht. Dem eventuell betroffenen Publizitätsinteresse Dritter kann dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, daß eine vorgenommene Rechtswahl - ähnlich wie eine Vollmacht - nur insoweit geltend gemacht werden kann als sie die andere Partei kannte oder kennen mußte. Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 5 Rz. 48 (= S. 132). Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 235. 108 Dem steht nicht entgegen,·daß- in Abgrenzung zu § 824 BGB- stets zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt werden muß. Dies macht den Schutzzweck nicht institutionsbezogen; vielmehr konkretisiert es den personenbezogenen Schutzzweck. 109 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 282; a. A. Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 3 Rz. 96 (= S. 85): .,vorwiegend". 110 lmmenga in: Immenga/Mestmäcker, § 25 Rz. 54. 111 Markert in: lmmenga/Mestmäcker, §27 Rz.l. 112 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 266, unter Rückgriff auf die von Kegel/Schurig und Neuhaus (IPR) aufgestellten Grundsätze. 106 107

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

Oft wird der Parteiautonomie auch entgegengehalten, sie würde der Hauptfunktion des Wettbewerbs- und Kartellrechts nicht gerecht; diese läge nicht in der Schadenswiedergutmachung, sondern in der Unterlassung113 und Prävention. Eine solche Ausgestaltung von UWG und GWB trägt der rechtspolitischen Forderung nach der par conditio concurrentium Rechnung. Ob die Prävention tatsächlich die Hauptfunktion beider Gesetze ist, kann jedoch kaum ermittelt werden. Hierzu müßte nämlich geklärt werden, wieviele Wettbewerbshandlungen unterlassen werden, eben weil es das UWG und GWB gibt. Dies ist genauso wenig ermittelbar, wie die Antwort auf die Frage, wie häufig auf Falsches Parken verzichtet wird, weil es die STVO gibt. Jedenfalls für das Wettbewerbs- und Kartellrecht seien an dieser Theorie einige Zweifel geäußert. Dies liegt weniger an der konkreten Ausgestaltung der Gesetze, als vielmehr an der Tatsache, daß auch im Wettbewerbs- und Kartellrecht jedes Urteil stets nur inter partes wirkt (§ 325 I ZPO}. Denn im Regelfall wird neben dem in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch auch ein Schadensersatzanspruch für bereits vergangene Wettbewerbsverstöße geltend gemacht. Er muß von jedem Verletzten eigens erhoben werden. Im Extremfall kann dies dazu führen, daß ein Unternehmen gegebenenfalls mehrmaliges Falligwerden einer Ordnungsstrafe gegenüber dem ahmahnenden Konkurrenten in Kauf nimmt, um sich allen anderen Konkurrenten gegenüber den Wettbewerbsvorteil zu erhalten. Zu diesem Verhalten trägt oft der Umstand bei, daß der Ahmahnende die Androhung einer Ordnungsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung undeutlich formuliert oder ganz unterläßt, in dem er das Falligwerden der Ordnungsstrafe nicht für jeden Fall der Zuwiderhandlung androht, sondern nur für den Fall der Zuwiderhandlung, und somit die strafbewehrte Unterlassungserklärung nur einmal geltend gemacht werden kann. Dann trägt der Anspruchsgegner nur einmal das Risiko der Verwirkung der Ordnungsstrafe; er kann danach also den Wettbewerbsverstoß beliebig oft wiederholen, solange bis der Verletzte erneut eine strafbewehrte Unterlassungserklärung einfordert. De facto spricht also einiges dafür, daß nicht die (General-}Prävention, sondern die Einzelprävention durch Sanktion im Vordergrund steht. Wenn auch die Schutzrichtung des Wettbewerbs- und des Kartellprivatrechts häufig auf den ersten Blick gleich erscheint, so fallt bei näherem Hinsehen auf, daß sich UWG und GWB nur in einem sehr schmalen Bereich überschneiden, nämlich in den Fällen des Boykotts und der Diskriminierung(§ 1 UWG, §§ 20, 21 GWB)114• Doch fehlt es auch in diesen Fallen oft an einem Wettbewerbsverhältnis, da die Beteiligten auf verschiedenen Wirtschaftsstufen stehen, so daß das UWG hier nicht einschlägig ist,m wohingegen das GWB in diesen Fallen kein Wettbewerbsverhältnis voraussetzt. 116 Es ist deshalb gerade nicht naheliegend, für beide Rechtsgebiete m Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 267. Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 270. m Herrschende Meinung, s. die Nachweise bei Hefermehl, Einl. Rz. 214; zu den Ausnahmen: Hefermehl ebenda Einl. Rz. 226f. Er selbst nimmt kritisch hierzu Stellung, ebenda Einl. Rz. 247: Danach soll jeder Eingriff in die Wettbewerbsfähigkeit des anderen ausreichen. 116 Markert in: lmmenga/Mestmäcker, § 26 Rz. 150. 11•

N . Entwicklung eines eigenständigen Wirtschaftskollisionsrechts

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ein einheitliches Statut zu bilden. Vielmehr muß zwischen beiden Gesetzen und innerhalb der beiden Gesetze differenziert werden; in manchen Bereichen mag ~ich dann eine parallele bzw. doppelte Anknüpfung ergeben, zwingend ist das jedoch nicht. Noch weiter geht Sandrock, der eine einheitliche Kollisionsnorm für Internationales Wettbewerbsrecht, Internationales Kartellrecht und Internationales Immaterialgüterrecht bildet. Aus dem Umstand, daß das UWG, das GWB und das UrhG sich in einigen Teilen überschneiden, folgert er, daß es sich um einen einheitlichen Normenkomplex handele. Dieser müsse dann auch einheitlich angeknüpft werden. Sein Vorschlag geht dahin, das Territorialitätsprinzip des Immaterialgüterrechts auf das Unlauterkeltsrecht zu erstrecken und in Ausnahmefällen (begründet durch den Zweck der in Anspruch genommenen Sachnorm) auf das Auswirkungsprinzip zurückzugreifen.117 Für Rechtswahl ist bei dieser Kollisionsnorm kein Raum mehr. Aus dieser Erstreckung des Territorialitätsprinzips folgt jedoch kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Zulässigkeil und der Tragweite von Parteiautonomie. Es kann deshalb auf die Ausführungen zur Vereinbarkeil des Territorialitätsprinzips mit der Rechtswahlfreiheit im Rahmen der Betrachtung zum Immaterialgüterrecht (Kapitel C IV 3, S. llOff.) verwiesen werden. An dieser Stelle wird lediglich auf grundsätzliche Bedenken gegen eine Vereinbarkeil des Territorialitätsprinzips mit dem Auswirkungsprinzip hingewiesen.

IV. Entwicklung eines eigenständigen Wirtschaftskollisionsrechts Parallel zu den Bemühungen im traditionellen Internationalen Privatrecht, gab es in der Vergangenheit Bestrebungen, daneben ein eigenständiges Wutschaftskollisionsrecht zu errichten. 118 Wie aus der folgenden Übersicht hervorgehen wird, spielt Parteiautonomie darin keine Rolle.ll9 Sollte ein eigenständiges Wirtschaftskollisionsrecht also eine angemessene Lösung für die kollisionsrechtlichen Probleme im Wirtschaftsrecht sein, hätte dies unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtswahlfrei117 Sandrock, Das Kollisionsrecht des unlauteren Wettbewerbs, GRUR Int. 1985, S. 5ll f., 518,521 f.; kritisch dazu: Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR Int. 1988, s. 327. 118 Davon zu unterscheiden ist Steindorff, S. 22. Er postuliert kein Wirtschaftskollisionsrecht sondern internationales Einheitsrecht im grenzüberschreitenden Handel und Zahlungsveikehr. Diese Lösung ist natürlich stets der kollisionsrechtlichen vorzuziehen, da das Kollisionsrecht immer nur eine Brücke zwischen verschiedenen Rechtsordnungen sein kann, ohne deren Verschiedenheit beseitigen zu können. Steindorffist sich auch bewußt, daß er nur de lege ferenda argumentieren kann (ebendaS. 23), glaubt aber, seine Lösung in das bestehende IPR integrieren zu können (ebendaS. 35). 119 Sehr kritisch zur parteiautonomen Bestimmung des anzuwendenden Rechts im heutigen IPR deshalb: Joerges, Funktionswandel, S. l60f.

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int Wettbewerbs- u. Kartellrecht

heit. Deshalb sollen die Grundzüge dieser Lehre hier kurz dargestellt und überprüft werden. Ihre Vertreter wollen das gesamte Wirtschaftsrecht als einheitliches Rechtsgebiet auffassen und ein eigenes "Wirtschaftskollisionsrecht" neben das herkömmliche Internationale Privatrecht stellen120. Dieses folge nicht mehr den traditionellen Regeln des Internationalen Privatrechts mit seinem Ansatz beim Privatrechtsverhältnis, sondern bedürfe eines Statutistischen Ansatzes beim Gesetz (Statutentheorie).121 Grundlage der Entscheidung müsse nunmehr ein Ausgleich staatlicher Rechtsanwendungsinteressen im Sinne der comitas sein, der aber der eigenen public policy verpflichtet ist122 - eine These, die sich an die von Brainerd Currie entwickelte Lehre von der "govemmental interests analysis" anlehnt. 123 Rehbinder sieht in seiner Konzeption darüber hinaus auch die Einbeziehung der Parteiinteressen, insbesondere der Parteierwartungen, vor124 Dies wird damit begründet, daß das Internationale Privatrecht Savigny's, das von der Fungibilität aller Privatrechtsordnungen ausgeht, dem heutigen Wirtschaftsrecht nicht mehr gerecht werde125 . Das klassische Verständnis des Internationalen Privatrechts setze Rechtssätze voraus, die sich auf den Interessenausgleich zwischen Privaten beschränkten.126 Die im 19. Jahrhundert vorherrschende Idee von der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit durch vollkommene Freiheit habe sich aber als Trugschluß erwiesen. Infolgedessen habe sich nach und nach ein neomerkantilistisches Wirtschaftsrecht127 entwickelt, das nicht mehr daraufbeschränkt sei, rein private Interessen auszugleichen, sondern aktive staatliche (Mit-)Gestaltung des Wirtschaftslebens darstelle.128 Konsequenz müsse für den Bereich des Wirtschaftskollisionsrechts eine Rückkehr zur Statutentheorie seint29. 12o Rehbinder, Zur Politisierung des Internationalen Privatrechts, JZ 1973, S. 156; Schubert, RIW 1987, S. 745; Basedow, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 9f., 20 f.; ders.: Entwicklungslinien, NJW 1989, S. 632; Veelken, S. 15-27; Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, S. 6 Rz. 5; dagegen Siehr, Ausländische Eingriffsnormen, RabelsZ 52 (1988), S.47. 121 Joerges, Klassische Konzeption, RabelsZ 36 (1972), S.468; Basedow, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 9; Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, S. 16 Rz. 17 und S.43 Rz.56. 122 Joerges, Klassische Konzeption, RabelsZ 36 (1972), S. 472; Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 219; ähnlich auch Rehbinder, Zur Politisierung des Internationalen Privatrechts, JZ 1973, s. 157. 123 s. dazu Joerges, Funktionswandel, S. 43-50, (zusammengefaßt ebenda, S. 39f.) und Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, 8.23-25. 124 Rehbinder, Zur Politisierung des Internationalen Privatrechts, JZ 1973, S.157. 12s Ansätze zur Kritik schon bei Joerges, Funktionswandel, S. 16f. und 20. 126 Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 216. 127 Basedow, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S.16. 128 Rehbinder, Zur Politisierung des Internationalen Privatrechts, JZ 1973, S.154; Joerges, Klassische Konzeption, RabelsZ 36 (1972), S. 437 mit ausführlicher historischer Herleitung und S.466f.

IV. Entwicklung eines eigenständigen Wirtschaftskollisionsrechts

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Folgt man dieser Lehre, so zwingt man Richter dazu, Wirtschaftspolitik zu betreiben.130 Es stellt sich dann unmittelbar die Frage, ob hier nicht Marktversagen durch Staatsversagen ersetzt wird, denn jede staatliche Intervention in das Wirtschaftsleben setzt überlegene, zumindest aber gleichwertige Kenntnis über die optimale Ressourcenallokation voraus, die angesichts der dezentralen Informationsverteilung staatlicherseits nur in Ausnahmefallen vorhanden sein dürfte. Selbstverständlich hat nahezu jedes zivilrechtliche richterliche Urteil wirtschaftliche Auswirkungen, zumal sich im Wirtschaftsrecht Gerechtigkeitsfragen zumeist auf materieller Ebene abspielen. Jedoch ist die Urteilsgrundlage, nämlich das Zivilrecht, in wesentlichen Teilen Sache des Parlaments (sog. Gesetzes vorbehalt). Da unser Kollisionsrecht durchweg der Savigny'schen Lehre folgt, 131 verstieße es also außerdem gegen den Gesetzesvorbehalt, ein eigenständiges Wirtschaftskollisionsrecht auf der Basis staatlicher Rechtsanwendungsinteressen zu schaffen. Zudem würde der nationale Richter damit bei jeder Entscheidung massiv in die internationale Wirtschaftspolitik eingreifen. 132 Denn sie setzte eine nähere Definition der public policy voraus, die über den Umfang des ordre public (einer ebenfalls schwer konkretisierbaren Norm) weit hinausgeht. 133 Die Orientierung an der "Politik des Gesetzes" und der public policy in Bezug auf die Belange des Forumstaates und die internationale Koordination der Wettbewerbspolitik durch staatliche Gerichte ist nicht nur unbefriedigend, sondern zumindest in Deutschland auch verfassungswidrig. 134 Denn sie ist mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht vereinbar. 135 Der Begriff der "public policy" ist zudem zu unbestimmt, um justiziabel zu sein. Dadurch kann kollisionsrechtlich dem Gebot des in129 Basedow, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 9; dagegen schon Mertens, RabelsZ 31 (1967), S.400 (für den Bereich des Kartellrechts).Joerges, Funktionswandel, S. 83, der diesen Methodenwechsel zu diesem Zeitpunkt (1970) noch nicht im deutschen Kollisionsrecht vollzieht. 130 Dies hält Joerges, Vorüberlegungen, RabelsZ 43 (1979), S. 28 f. und 43, auch für notwendig. Daß die politische Neutralität des IPR nicht erst durch diese Lehre gefahrdet ist, zeigt schonMertens, RabelsZ 31 (1967), S.391f. 131 Die Abkehr von dieser Grundentscheidung durch Joerges kritisiert heftig Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S.53 Text zu FN 14. 132 Dazu ausführlich: Veelken, S. 92-106, insb. S. 105 f. m. w. Nachw. 133 Auch Currie selbst schien den Versuch einer Definition erst gar nicht zu wagen, s. Joerges, Funktionswande1, S.43-45. 134 Joerges, Vorüberlegungen, RabelsZ 43 (1979), S. 57, sieht diese Konzeption zwar auch als unbefriedigend an; sie sei jedoch unausweichlich, solange wettbewerbstheoretische Konzepte für international otientierte Wettbewerbsbeschränkungen fehlten. I3S Vgl. BVerfG, Urt.2. Senat v. 18.12.1984, in: BVerfGE68, S.87f. Dieses Urteil behandelt zwar die Verletzung der Exekutive durch das Parlament, ist aber auf eine Verletzung durch die Gerichte übertragbar; s. a. Veelken, S. 97. Die dissenting opinion von Mahrenholz (BVerfG ebenda S.127-132) betrifft diesen Aspekt der Argumentation des Senats nicht. Ähnlich auch: Meessen, Zusammenschlußkontrolle, S. 20; MünchKomm-Immenga, nach Art. 37 EGBGB Rz. 82. Basedow, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 33 f. m. w. Nachw. hält dagegen die govemmental interests analysis lediglich für ungeeignet im Kollisionsrecht, da sie auch dann zur Abwägung zwinge, wenn der ausländische Staat vielleicht ganz bewußt darauf verzichtet hat, einen eigenen Standpunkt darzulegen.

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

temationalen Entscheidungseinklangs nicht mehr Rechnung getragen werden.136 Der Gang zum Gericht wird für die Parteien unkalkulierbar137 und damit das staatliche Interesse an Rechtssicherheit, das gerade im Kollisionsrecht eine maßgebliche Rolle spielt,138 mißachtet. Tatsächlich hat diese Lehre weder in den Reformdiskussionen der achtziger Jahre um das deutsche und schweizerische Internationale Privatrecht noch in der Praxis Anklang gefunden.l39 Joerges' Einschätzung, die Rechtsprechung werde seiner, von ihm selbst als nicht leicht zu vollziehen bezeichneten Theorie eher folgen als der Savigny 'sehen Lehre140 hat sich somit als falsch erwiesen. 141 Denn die Rechtsprechung versuchte durchweg mit den traditionellen Mitteln des Personalstatuts, des Eingriffsrechts142, des Auswirkungsprinzips und des ordre public, die Fälle in den Griff zu bekommen. Von einem eigenständigen Wrrtschaftskollisionsrecht war dabei nicht die Rede. Zudem erscheint Joerges' Behauptung, es gebe schließlich noch kompliziertere Lösungen, 143 ein eher schwaches Argument zu sein, da es allein keine Lehre rechtfertigen kann.1 44 136 Dessen ist sich schon Joerges, Funktionswandel, S. 164, bewußt, hält es aber für nachrangig. Vorrang habe die Regulierung von zu sozialen Problemen gewordenen Rechtsverhältnissen. 137 Dieses Manko sieht auch Rehbinder, Zur Politisierung des Internationalen Privatrechts, JZ 1973, S.l55f. und 158, ohne es befriedigend lösen zu können. 138 Krophol/er, Internationales Privatrecht, § 5 I(= S. 31 ff.). 139 Dies kann wohl auch vom amerikanischen Vorbild, Currie's governmental interest analysis, behauptet werden, s. z. B. De Boer, Rec. des Cours, 1996 I, S. 282. 140 Joerges, Klassische Konzeption, RabelsZ 36 (1972), S. 478; angedeutet schon in ders.:, Funktionswandel, S.154 und S.16l f., für die Lehre Currie's. 141 Zwar führt Joerges, Klassische Konzeption, RabelsZ 36 (1972), S. 47&-488, eine Reihe von Urteilen auf; ihre Aussagekraft für das heutige Internationale Privatrecht ist aber schon deshalb fraglich, weil vor der Reform des EGBGB noch einem hypothetischen Parteiwillen Rechnung getragen werden konnte und die Gerichte damit vieles begründen konnten, ohne nach einem tatsächlichen Parteiwillen zu forschen. 142 Daß das Eingriffsrecht Teil des traditionellen Internationalen Privatrechts ist, demnach dort zu integrieren ist, zeigt schon Savigny, S. 33-37. Denn schon er erwähnt die ,.Gesetze von streng positiver, zwingender Natur" und versucht, sie in das internationalprivatrechtliche System nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip einzuordnen. 143 Joerges, Klassische Konzeption, RabelsZ 36 (1972), S.478. 144 Ein eigenständiges Wirtschaftskollisionsrecht und die Theorie von der Berücksichtigung staatlicher Rechtsanwendungsinteressen hängen jedoch nicht untrennbar zusammen. Schubert und Schnyder setzen das Wirtschaftsrecht mit Eingriffsrecht gleich und gelangen so zu der These, daß Artt. 27 ff. EGBGB nur auf die Regelungen verweisen, die dem gerechten Interessenausgleich zwischen den Parteien dienen, jedoch nicht auf Eingriffsnormen. Demzufolge müsse ein neben dem Internationalen Privatrecht stehendes Wirtschaftskollisionsrecht geschaffen werden (Schubert, RIW 1987, S. 745; Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, S. 19f. Rz. 21 ). Allerdings trifft Schubert zu dem Hauptproblem keine Aussage, nämlich die Eingrenzung und die Abgrenzung des Wirtschaftskollisionsrechts zum Internationalen Privatrecht, im Gegensatz zu Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, S.17 ff. Rz.1 &-24. Nachdem Schubert dieses Problem andererseits für nicht brisant hält (Schubert, RIW 1987, S. 730), drängt sich die Frage nach der Notwendigkeit eines eigenständigen Wutschaftskollisionsrechts auf. Ebenso

IV. Entwicklung eines eigenständigen Wirtschaftskollisionsrechts

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Es ist darüber hinaus fraglich, ob dieses System den heutigen Anforderungen des "Wirtschaftskollisionsrechts" besser gerecht wird als das traditionelle Internationale Privatrecht. Denn, wenn alle Staaten ein einseitiges Kollisionsrecht erlassen, hat dies zur Folge, daß jeder, der auf ausländischen Märkten tätig sein will, sich nach den strengsten ordnungspolitischen Normen zu richten hat; das ist aber jeweils das Gesetz, das die Freiheit des Rechtssubjekts, insbesondere auf privatautonome Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse, am geringsten achtet. Diese Einschränkung des Grundrechts aus Art. 2 I GG aus wirtschaftspolitischen Gründen kann aber nur dann im grenzüberschreitenden Rechtsverhältnis wirksam sein, wenn mit ihr gleichzeitig die entsprechende Beschränkung der Rechtswahlfreiheit (Parteiautonomie), ebenfalls ein Grundrecht aus Art. 2 I GG14S, einhergeht. Aus dem Dilemma der strengsten ordnungspolitischen Rechtsordnung kann nach Basedow nur internationales Einheitsrecht herausführen.' 46 Dieses macht aber nationales Kollisionsrecht überflüssig, ist also keine kollisionsrechtliche Lösung des Problems; 147 zudem erscheint internationales Einheitsrecht auf diesem Gebiet in naher Zukunft nicht realisierbar, 148 wie schon allein die Schwierigkeiten innerhalb der Europäischen Union zeigen. scheint er das Wirtschaftsrecht nicht einheitlich gesondert anzuknüpfen, sondern für jeden Teilbereich eine eigene Anknüpfung entwickeln zu wollen (Schubert, RIW 1987, S. 745; ähnlich schon Rehbinder, Zur Politisierung des Internationalen Privatrechts, JZ 1973, S.157; vgl. auch Vee/ken, S. 21). Auch wenn Schubert immer wieder von einem System spricht, führte seine Theorie de facto zu einem case law, das mit einem erheblichen Mangel an Rechtssicherheit behaftet ist, ohne die sachgerechte Entscheidungsfindung zu erleichtern. Basedow unterscheidet in seinem Lösungsansatz (Basedow, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 23-32) zwar auch zwischen klassischem Internationalen Privatrecht und Wirtschaftskollisionsrecht und befürwortet für letzteres die Sonderanknüpfung, obwohl er Wirtschaftskollisionsrecht nicht als Eingriffsrecht bezeichnet, s. S. 32 FN 81. Er teilt es aber auf in ordnungspolitische Normen des Gruppenschutzes mit ihrer engen Beschränkung auf Binnenmärkte und Normen des Institutionenschutzes, die ohne Einschränkung dem Auswirkungsprinzip folgen. Da Basedow das Wirtschaftskollisionsrecht durchweg als einseitiges Kollisionsrecht verstanden wissen will (Basedow, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S.10; dagegen: Martinek, S.46 und 94, und Siehr, Ausländische Eingriffsnormen, RabelsZ 52 (1988), S. 88), thematisiert er die Wahl ausländischen Rechts konsequenterweise nicht. Bei der Wahl deutschen Rechts durch eine unspezifizierte Rechtswahlklausel sei die Mitwahl der ordnungspolitischen Normen um so unwahrscheinlicher, je deutlicher das betreffende Gesetz seinen eigenen Anwendungsbereich regelt (Basedow, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 32). Dies ist aber durch die eindeutige Regelung des Art. 34EGBGB vor deutschen Gerichten ohnehin unproblematisch, sofern es sich um international zwingende Normen handelt, wie sie Basedow vor Augen gehabt haben dürfte. Die Antwort auf die Frage, warum im Bereich der ausländischen international zwingenden Normen die gesetzliche Regelungsdichte Einfluß auf die Auslegung einer Vertragsklausel haben soll, bleibt Basedow schuldig. 14s s. dazu S.52ff. 146 Basedow, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 34-37. 147 Im Ergebnis ähnlich: M estmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 251, der eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts befürwortet. 148 s. nur die von Basedow, Weltkartellrecht, S. 53--60, selbst beschriebenen Einwände gegen internationales Einheitsrecht auf dem Gebiet des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

Was auf den ersten Blick nach einer Abkehr vom Internationalen Privatrecht Savigny'scher Prägung aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als alter Wein in neuen Schläuchen. Selbst wenn man das Wirtschaftsrecht pauschal nach der Statutentheorie anknüpfen wollte, so ließe es sich dennoch in das vorhandene kollisionsrechtliche System integrieren 149; denn auch Art. 7 I EuiPRÜ knüpft nicht an einen Sachverhalt, sondern an eine Norm an und fügt sich dennoch nahtlos in die anderen Vorschriften des EuiPRÜ ein 150• In Wahrheit bringt die Lehre vom eigenständigen Wirtschaftskollisionsrecht also nichts Neues außer einer weiteren Abgrenzungsproblematik, nämlich der zwischen traditionellem Internationalen Privatrecht und Wirtschaftskollisionsrecht. Wie Art. 7 I EuiPRÜ beweist, können die Bedürfnisse des modernen Wirtschaftsverkehrs im traditionellen System hinreichend berücksichtigt werden151 • Diese Methode führt zudem zu der geringeren Beschneidung der Privatund Parteiautonomie im Vergleich zur Schaffung einseitigen Kollisionsrechts, so daß auch aus dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Einschränkung von Grundrechten -gemessen am rechtspolitischen Ziel der Durchsetzung eigener wirtschaftspolitischer Grundentscheidungen- an der Verfassungskonformität des eigenständigen wirtschaftlichen Kollisionsrechts gezweifelt werden kann.

V. Europäisches Wettbewerbsrecht Mit Artt. 81 ff. EGV, der EWG-Kartell-VO (VO EWG Nr.17/62) und der Fusionskontroll-VO (VO EWG Nr. 4064/89) ist lediglich das materielle Kartellrecht der EU-Mitgliedsstaaten teilweise vereinheitlicht worden. Ähnlich wie das deutsche Recht, geht auch das EG-Recht vom Auswirkungsprinzip aus (mit Ausnahmen im Kohle- und Stahlbereich). Relevanter Markt ist hier der Gemeinsame Markt, s. z. B. Art. 81 I EGV. Die kollisionsrechtliche Problematik in Fragen der Parteiautonomie besteht damit analog zum deutschen Recht. 152 Da die Regelungen des Europarechts weite Interpretationsspielräume gewähren, konzentrieren sich die Veröf149 Kritisch: Rehbinder, Zur Politisierung des Internationalen Privatrechts, JZ 1973, S. 155: Er hält zwar angesichts der Eingriffsnormen den Rückgriff auf die Statutentheorie für überflüssig; andererseits fordert er dennoch für den Bereich des Wirtschaftsrechts eine Abkehr von den traditionellen Kollisionsregeln, ohne dies näher begründen zu können. 150 Siehr, Ausländische Eingriffsnorrnen, RabelsZ 52 (1988), S. 71 rn. w. Nachw. Zum EuiPRÜ im allgerneinen und Art. 7 I EuiPRÜ im besonderen s. Kapitel C IV 1 a (= s. 82-100). 15 1 Von Schwander, S. 451, wird diese ,,hinreichende Berücksichtigung" als ,,faktisch praktizierter Methodenpluralisrnus" bezeichnet. Es ist also mit dem EuiPRÜ und der deutschen IPR-Reforrn 1986 der Weg weiter beschritten worden, den Schwander ebenda schon 1975 vorgezeichnet hat (wenn auch nur für das schweizerische IPR). Freilich kann ihm im weiteren (S.451-456) nicht immer gefolgt werden. Insbesondere begegnet sein Vorschlag, das konkrete kollisionsrechtliche Ergebnis unter dem Gesichtspunkt der materiellrechtlichen und menschlichen Vernünftigkeit zu überprüfen (ebenda S. 454), starken Bedenken aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. 152 Huber, ZGR 1981, S.511 und S.513.

VI. Blick über die Grenzen: Problematik in Österreich und der Schweiz

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fentlichungen zu diesem Thema weitgehend auf das materielle Recht und das Verfahrensrecht Zur Parteiautonomie wurde - soweit ersichtlich - bis dato noch nicht Stellung genommen.

VI. Ein Blick über die Grenzen: Die Diskussion dieser Problematik in Österreich und der Schweiz Interessant ist, daß der schweizerische und der Österreichische Gesetzgeber sich in der Frage der Rechtswahl im Internationalen Wettbewerbsrecht anders entschieden haben als die in Deutschland herrschende Lehre und Praxis. Beide Lösungen seien deshalb hier kurz dargestellt. 1. Österreich Im Gegensatz zum deutschen Recht enthält das Österreichische IPRG vom 15.06.1978, zuletzt geändert mit Wirkung zum 01.12.1998, Bestimmungen zur Anknüpfung des Wettbewerbsrechts und zur Zulässigkeit der RechtswahL Die maßgeblichen Normen lauten: §351PRG "(1) Schuldverhältnisse, die nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens vom

19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht fallen, sind nach dem Recht zu beurteilen, das die Parteien ausdrücklich oder schlüssig bestimmen(§ 11 ). (2) Soweit für diese Schuldverhältnisse eine Rechtswahl nicht getroffen oder nach diesem Bundesgesetz unbeachtlich ist, sind die §§46-49 maßgebend." §48 IPRG "(1) ...

(2) Schadensersatz- und andere Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb sind nach dem Recht des Staates zu beurteilen, auf dessen Markt sich der Wettbewerb auswirkt."

Die Rechtslage erscheint demnach recht eindeutig. Nachdem das IPRG die Rechtswahl im Internationalen Wettbewerbsrecht nicht expressis verbis ausschließt, ist von ihrer Beachtlichkeit auszugehen; subsidiär gilt das Auswirkungsprinzip. Bemerkenswert ist noch, daß § 11 II IPRG eine schlüssige Rechtswahl in einem anhängigen Verfahren für unbeachtlich erklärt. Dennoch gehen die Meinungen in Österreich auseinander. Bis dato liegt lediglich eine obergerichtliche Entscheidung vor, die sich mit diesem Problem (am Rande) befaßt hat. 153 1s1

s. dazu sogleich S. 47.

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

Die Argumente der Österreichischen Literatur sind ganz ähnlich wie in der deutschen Rechtslehre. Streitig ist schon, ob die gesetzliche Regelung nur die nachträgliche Rechtswahl umfaßt154 oder ob sie auch eine Rechtswahl vor Entstehen des wettbewerbsrechtlichen Anspruchs zulassen will, woran z. B. in der Schiffahrt ein Interesse bestehen kanntss. Der überwiegende Teil der Literatur hält eine Rechtswahlvereinbarung im Internationalen Wettbewerbsrecht für ausgeschlossen. § 35 I IPRG lasse eine Rechtswahl nur für das Schuldrecht zu; beim Wettbewerbsrecht handele es sich aber nicht um ein ,,reines" Privatrecht; es enthalte vielmehr auch Bestimmungen öffentlich-rechtlicher Natur. 156 Denn das Wettbewerbsrecht habe sich zu einem Recht mit sozialrechtlicher, das öffentlich-rechtliche, gesamtwirtschaftliche Interesse am lauteren Wettbewerb betonender Funktion entwickelt. Daraus resultiere ein Sonderanknüpfungscharakter, der grundsätzlich gegen Zulassung von Parteiautonomie spreche.1S7 Hinter diesen Staatsbelangen müsse das Rechtswahlinteresse der Parteien zurücktreten.158 Wegen des besonderen wirtschaftspolitischen Zwecks des Wettbewerbsrechts sei hier Rechtswahlmöglichkeit "absolut fehl am Platz". Sie müsse als unzulässig angesehen werden, weil sie in diesem Bereich nicht durch das Kriterium der "stärksten Beziehung" (§ 1 IPRG) gedeckt sei. 1S9 Schwind will § 48 ll IPRG selbst zu einer Eingriffsnorm erheben.t60 Auch wird geltend gemacht, die Rechtswahl berühre auch regelmäßig Rechte Dritter, so daß sie schon nach § 11 mIPRG nicht zulässig seil61 . Dieser bestimmt: "(3) Die Rechtsstellung Dritter wird durch eine nachträgliche Rechtswahl nicht beeinträchtigt."

Zur Rechtsstellung Dritter gehörten nicht nur einklagbare Rechte sondern auch sonstige rechtlich·geschützte Interessen, auch wenn diese nicht mit Individualansprüchen durchsetzbar sind. 162 Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist jedoch, daß die Autoren dieser These nicht marktbezogene, sondern betriebsbezogene Schädigungen durch Mitkonkurrenten nicht als unlauteren Wettbewerb qualifizieren, sondern dem allgemeinen Schadensersatzstatut des §48IIPRG zuordnen. Dies betrifft Tatbestände wie z. B. Verleitung zum Vertragsbruch, Abwerbung, BesteSo: Herzig, WBL 1988, S. 252. Iss Duchek/Schwind, § 48 IPRG Anm. 2. 156 Herzig, WBL 1988, S.252. 1s1 Mänhardt, S.120f. •ss F. Reichert-Facilides, Parteiautonomie, S. 211 f. •s9 Schwimann in: Rummel, §48 IPRG Rz.11; vgl. auch Schwimann, S.177. 160 Schwind, S. 235 Rz. 482. Da aber nur Sachnormen Eingriffsnormen sein können, ist dieses Argument dogmatisch nur schwer nachvollziehbar. 161 Herzig, WBL 1988, S.252. 162 F. Reichert-Facilides, Parteiautonomie, S. 211; Sack, Inlandswettbewerb mit Auslandsbezug, ÖBI 1988, S. 119; Koppensteiner, S. 20. "4

VI. Blick über die Grenzen: Problematik in Österreich und der Schweiz

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chung, Werkspionage163. Sie begründen diese These damit, daß § 48 II IPRG ausschließlich auf den Markt abstelle und deshalb nicht marktbezogene Schädigungen im Wettbewerb nicht unter diese Norm fielen. Die Rechtsprechung scheut eine eindeutige Festlegung. In der Entscheidung vom 15.01.1985 164 umging der OGH die Problematik. Zu beurteilen waren vertragliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus Vertriebsverträgen. Hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche nahm der OGH auf die Rechtswahl Bezug; hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Ansprüche griff er auf die objektive Anknüpfung des § 48 II IPRG, die zum Österreichischen Recht führte, zurück, nicht ohne ausdrücklich festzustellen, daß auch die Parteien offensichtlich von der Anwendbarkeit Österreichischen Rechts ausgingen165. In der Entscheidung vom 14.01.1986 "Hotel Sacher''166 scheint sich der OGH zunächst der herrschenden Meinung in der Literatur anzuschließen, wonach der Sonderanknüpfungscharakter des § 48 II IPRG eine Rechtswahl verbiete; er läßt aber ausdrücklich offen, ob das auch im konkreten Fall gilt. Dieser habe nämlich die Besonderheit, daß die Parteien die Rechtswahl für einen ganz bestimmten, bereits vorgefallenen Wettbewerbsverstoß träfen, ohne damit irgendwelche Drittwirkungen zu beabsichtigen. Der OGH konnte dies offenlassen, weil aus dem vorliegenden Schriftverkehr eine solche Rechtswahl nicht ersichtlich war. 167

Die Befürworter der Rechtswahl können zum einen auf den eindeutigen Gesetzestext verweisen, 168 zum anderen auf den dahinterstehenden Willen des Gesetzgebers.I69 Zudem sei durch die inter-partes-Wirkung eines Urteils in Wettbewerbsangelegenheiten170 eine Beeinträchtigung von Rechten Dritter durch eine Rechtswahl nicht gegeben. Denn die Anhängigkeit einer Klage hindere nicht einen durch einen anderen Verletzten oder eine Verbraucherschutzorganisation eingeleiteten Parallelprozeß. Schließlich könne der Verletzte auch ganz auf Klageerhebung verzichten, die Klage zurücknehmen oder einen Vergleich schließen, der vom Inhalt des objek163 Schwimann in: Rummel, § 48 IPRG Rz. 9, sowie Schwimann, S. 176. 164 OGH, Urt. v.15.01.1985, in: IPrax 1986, S. 244-247. 16S OGH, Urt. v.15.01.1985, in: IPrax 1986, S. 246. 166 OGH, Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 14.01.1986 "Hotel Sacher", in:

GRUR Int. 1986, S. 735-739. 167 OGH, Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 14.01.1986 "Hotel Sacher'', in: GRUR Int. 1986, S. 736f. 168 Das müssen selbst die entschiedenen Gegner der Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbsrecht eingestehen, wie z. B. Schwimann in: Rummel, § 48 IPRG Rz. 11; Koppensteiner, S. 20; Mänhardt/Posch, S. 90. 169 Nr. 784 der Beil. zu den Sten. Prot. des Nationalrats XIV. Gesetzgebungsperiode, Erläuterungen zu Regierungsvorlage 64, zit. nach Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S . 255 FN 144. 170 Wiltschek, GRUR Int. 1988, S. 307.

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

tiv anzuwendenden Rechts abweicht. Die Parteien können handfeste Interessen an einer Rechtswahl haben, so z. B. das Verfahren durch die Anwendung der Iex fori zu beschleunigen. 171 Letztendlich spreche das Urteil des OGH keine eindeutige Sprache, und es sei stark zu bezweifeln, ob der OGH im Ernstfall tatsächlich eine Rechtswahl der Parteien unbeachtet ließe. 172 Man muß diesem Argument allerdings entgegenhalten, daß der OGH in diesem Urteil in Leitsatz 1 insoweit eindeutig gegen die Zulässigkeil der Rechtswahl Position bezieht; jedoch ist der Leitsatz nicht Bestandteil der Entscheidung. Eine Beschränkung der Rechtswahlmöglichkeit kann sich aber aus den allgemeinen Regeln (§ 11 IPRG) ergeben oder aus der Sonderverbindung, in dessen Zusammenhang die Rechtswahl steht (z. B. Arbeitsverhältnis). 173

2. Schweiz

a) Wettbewerbsrecht Der schweizerische Gesetzgeber entschied sich für einen anderen Weg. Nach Art. 136 I des schweizerischen IPRG174 ist grundsätzlich das Recht des Staates anzuwenden, auf dessen Markt die unlautere Handlung ihre Wrrkung entfaltet; 175 jedoch können die Parteien für wettbewerbsrechtliche Ansprüche, wie für das gesamte Deliktsrecht, nachträglich die Anwendung der Iex fori vereinbaren, Art.l32IPRG. 176 Nach verbreiteter Ansicht soll eine solche Rechtswahl allen anderen Anknüpfungen vorrangig sein. 177 Art. 132 IPRG gewährt indessen keine Rechtswahl im Sinne von Parteiautonomie, sondern eine Wahl zwischen zwei verschiedenen Rechtsordnungen ähnlich dem Art. 4 II EGBGB. 178 Demgegenüber hält Schwander Art. 132 IPRG insofern für eine echte Rechtswahl, als sie dem übereinstimmenden Willensentschluß beider Parteien entspringen muß, jedoch auf die Iex fori beschränkt ist. 179 Duchek/Schwind, § 48 IPRG Anm. 2 mit weiteren Beispielen. Wiltschek, GRUR Int. 1988, S. 307. 173 Duchek/Schwind, § 48 IPRG Anm. 2m. w. Nachw. 174 In Kraft seit 01.01.1989. 175 Letztendlich dürfte dies auf die Monographie Bär's zurückzuführen sein, s. Bär, Kartellrecht und IPR, S. 204 f. für die Sonderanknüpfung und S. 375 für das Auswirkungsprinzip. 176 So die ganz herrschende Meinung: Vischer, S. 123; Baudenbacher, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR Int. 1988, S. 318; Umbricht in: Honsell/Vogt/Schnyder, Art. 132 Rz. 4 und Art. 136 Rz. 22. 177 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 257; Vischer, S. 126; Schwander in: Baudenbacher, Das UWG auf neuer Grundlage, S.166 und 173. 11s s. dazu ausführlich unten S. 62f. einschließlich Fußnoten. 179 Schwander in: Baudenbacher, Das UWG auf neuer Grundlage, S. 173. 171

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VI. Blick über die Grenzen: Problematik in Österreich und der Schweiz

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Es ist nur eine nachträgliche Rechtswahl möglich, eine vorherige Rechtswahl gilt - analog dem Allgemeinen Deliktsrecht - als nicht zustandegekommen; sie kann deshalb nicht durch bloßes Stillschweigen geheilt werden.tso Diese ,,Rechtswahlmöglichkeit" zugunsten der Iex fori löst in der Schweiz deshalb keine eingehenden Diskussionen aus,181 weil die Parteien in der Praxis dasselbe Ergebnis meistens auch dadurch erreichen können, daß sie den Inhalt ausländischen Rechts nicht nachweisen und deshalb nach der Iex fori entschieden wird, Art. 16 I 2, II IPRG. Denn bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten kann den Parteien der Nachweis des Inhalts des ausländischen Rechts auferlegt werden (Art. 16 I 3 IPRG), in anderen Streitigkeiten kann ihre Mitwirkung verlangt werden (Art. 16 I 2 IPRG). Bleibt der Inhalt unklar, wird Schweizerisches Recht angewandt (Art. 16 TI IPRG). Viel mehr Freiraum bietet dagegen die (versteckte) akzessorische Anknüpfung gern. Art.136III i.V.m. Art.l33IIIIPRG. Demnach wird der Anspruch aus unlauterem Wettbewerb akzessorisch zum vorbestehenden Rechtsverhältnis angeknüpft. Dieses kann auch ein Vertrag sein, für den nach Art. 116 IIPRG freie (und damit echte) Rechtswahl möglich ist. Jedoch muß ein innerer Konnex zwischen den akzessorisch anzuknüpfenden Ansprüchen bestehen. 182 Die akzessorische Anknüpfung ist der objektiven Anknüpfung nach Art. 136I IPRG vorrangig, 183 jedoch der Rechtswahl nach Art. 132 IPRG nachrangig.t84

b) Kartellrecht

Im Unterschied zu § 130 TI GWB hat der schweizerische Gesetzgeber die kartellrechtliche Kollisionsnorm ausdrücklich allseitig ausgestaltet, sie lautet: Art. 137 IPRG: "(1) Ansprüche aus Wettbewerbsbehinderung unterstehen dem Recht des Staates, auf dessen Markt der Geschädigte von der Behinderung unmittelbar betroffen ist. (2) Unterstehen Ansprüche aus Wettbewerbsbehinderung ausländischem Recht, so können in der Schweiz keine weitergehenden Leistungen zugesprochen werden als nach schweizerischem Recht für eine unzulässige Wettbewerbsbehinderung zuzusprechen wären."

Schwander in: Baudenbacher, Das UWG auf neuer Grundlage, S. 173. Kritisch nur Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, S. 401 Rz. 502. 182 Vischer, S. 125f. m. w. Nachw.; Schwander in: Baudenbacher, Das UWG auf neuer Grundlage, S.174; Dasser/Drolshammer in: Honsell/Vogt/Schnyder, Art. 136 Rz. 21. 183 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 257; Schwander in: Baudenbacher, Das UWG auf neu180

18 1

er Grundlage, S. 174. 184 Vischer, S. 126. 4 l.aufklltter

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B. Bisherige Rolle der Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- u. Kartellrecht

Im Gegensatz zum Wettbewerbsrecht fehlt es hier an einem Verweis auf Art. 133 lli IPRG. Eine akzessorische Anknüpfung an ein vorbestehendes Rechtsverhältnis kommt deshalb nach herrschender Lehre nicht in Betracht.185 Dem stünden vor allem der stark öffentlich-rechtliche Charakter des Kartell- und Monopolrechts mit seiner territorialen Verhaftung und ein Mangel an Fungibilität der nationalen Rechte entgegen. Auch wäre es völlig unbefriedigend, auf diesem Weg ein Kartellrecht zur Anwendung kommen zu lassen, das mangels Auswirkung im Inland gar nicht angewandt werden wollte. 186 Umstritten ist die Frage, inwieweit die Wahl der Iex fori, also schweizerischen Rechts, nach Art. 132 IPRG zulässig ist. Ein Teil der Lehre lehnt sie deshalb ab, weil hierdurch unter Umständen das Kartellrecht eines nicht betroffenen Staates zur Anwendung kommt, 187 stattdessen aber der zwingende Anwendungswille des Rechts des Marktortes ignoriert würde. 188 Zudem sei das System des IPRG so ausgebaut worden, daß eine Rechtswahl stets der ausdrücklichen Zulassung durch den Gesetzgeber bedürfe. 189 Auch lasse sich die Rechtswahlmöglichkeit hier nicht aus der Zulässigkeit der akzessorischen Anknüpfung herleiten, wie dies im Wettbewerbsrecht der Fall ist. Um der Parteiautonomie als "Grundpfeiler des internationalen Handels" dennoch gerecht zu werden, schlägt eine vermittelnde Ansicht vor, die Widerrechtlichkeit zwingend nach dem Auswirkungsprinzip zu beurteilen, für die daraus abgeleiteten zivilrechtliehen Ansprüche aber die Wahl schweizerischen Rechts zuzulassen.t90 Der Schutz Dritter und betroffener Staaten wird unter Hinweis auf deren eigene Vorgehens-und Klagemöglichkeiten nicht problematisiert.l 91

18' IPRG-Komm.- Heini, Art. 133 Rz.14; IPRG-Komm.-Vischer, Art. 137 Rz. 15, der den Ausschluß der akzessorischen Anknüpfung darüber hinaus auf die Dominanz des Marktauswirkungsprinzips stützt; Esseiva, ZVgiRWiss94 (1995), S.102f., der insbesondere durch die akzessorische Anknüpfung an das gewählte Kartellvertragsstatut eine Mißbrauchsgefahr sieht; Dasser/Drolshammer in: Honseli/Vogt/Schnyder, Art. 137 Rz. 18 m. w. Nachw.; a. A. Bär, Internationales Kartellrecht und unlauterer Wettbewerb, S. 158: Der Gesetzgeber habe lediglich keinen Anwendungfall gesehen und deshalb auf die Verweisnorm verzic:P.tet; ebenso: Stäheli, S.61f. l86 Dasser/Drolshammer in: Honseli/Vogt/Schnyder, Art.137 Rz.18. 117 Dasser/Drolshammer in: Honseli/Vogt/Schnyder, Art. 137 Rz. 23. Zweifelnd mit anderer Begründung: Bär, Internationales Kartellrecht und unlauterer Wettbewerb, S. 158 f. : Er sieht hierbei Probleme in der Vollstreckbarkeit des Urteils im Ausland. 188 Esseiva, ZVgiRWiss94 (1995), S. 102. 119 Esseiva, ZVgiRWiss94 (1995), S.lOl. 190 IPRG-Komm.-Vischer, Art. 137 Rz.14; zustimmend: Dasser/Drolshammer in: Honsell/ Vogt/Schnyder, Art.137 Rz. 23, der die damit verbundene Aufspaltung des Statuts unter Verweis auf Artt. 85, 86EGVa. F. (= Artt. 81, 82EGV n. F.) und der Bestimmung der Rechtsfolgen nach den nationalen Rechten nicht problematisiert. Dieser Verweis ist jedoch unzutreffend, da es sich bei Artt. 81, 82 EGV nicht um Kollisionsrecht, sondern um Sachrecht handelt. Zudem gilt das Primäre Gemeinschaftsrecht in den Mitgliedsstaaten unmittelbar, so daß es sich auch nicht um verschiedene Rechtsordnungen handelt. 191 Dasser/Drolshammer in: Honseli/Vogt/Schnyder, Art. 137 Rz. 23.

VI. Blick über die Grenzen: Problematik in Österreich und der Schweiz

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3. Fazit Obwohl der Gesetzeswortlaut im Österreichischen IPRG eindeutig eine Rechtswahl zuläßt, entzündet sich an dieser Problematik eine ganz ähnliche Diskussion wie in Deutschland. Die Mehrzahl der Literaturvertreter ist offenbar unzufrieden mit der gesetzgebensehen Lösung, der OGH umgeht eine eindeutige Stellungnahme. Diese Lösung ist, zugegeben, auch dogmatisch schwer einzuordnen, da im Österreichischen IPRG die Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb dem Schuldrecht zugeordnet werden und aus dieser Zuordnung die Zulässigkeit der Rechtswahl hergeleitet wird. In der Schweiz ist zwar auch eine eindeutige Regelung vorhanden, wonach die Parteien nachträglich die Anwendung der Iex fori vereinbaren können. Jedoch wird die Frage der Rechtswahlfreiheit kaum diskutiert, weil dasselbe Ergebnis von den Parteien ohnehin dadurch erreicht werden kann, daß der Inhalt des ausländischen Rechts nicht nachgewiesen wird. Nur mittelbar ist echte freie Rechtswahl möglich, nämlich durch akzessorische Anknüpfung des Wettbewerbsstatuts an das subjektiv bestimmte Vertragsstatut Diese Möglichkeit ist dagegen im Kartellrecht nicht gegeben, weswegen die Wahl der Iex fori allenfalls für zivilrechtliche Ansprüche aus kartellrechtswidrigem Verhalten zugelassen wird. Der Blick über die Grenzen hat also gezeigt, daß Rechtswahlfreiheit im Wettbewerbsrecht keineswegs undenkbar ist; es sind auch keine Anzeichen zu erkennen, daß damit in Österreich oder der Schweiz exzessiver Mißbrauch getrieben würde. Beide Staaten haben eine funktionierende marktwirtschaftliche Ordnung und kennen den Schutz des lauteren Wettbewerbs. Dies gibt umso mehr Anlaß, darüber nachzudenken, ob Rechtswahlfreiheit und Wettbewerbsrecht in Deutschland tatsächlich zwei unverträgliche Antinomien bilden (müssen) oder ob nicht die Nachbarstaaten durch ihre Lösungen der Rechtswahlfreiheit die Geltung verschaffen, die ihr zusteht.

C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht Zunächst soll der Gegenstand der Untersuchung, Parteiautonomie, näher bestimmt werden. Zu diesem Zweck wird zunächst Parteiautonomie definiert und in ihrem Kernbereich (=Grundrecht) untersucht. Anschließend wird anband von stillschweigender Rechtswahl und fakultativem Kollisionsrecht untersucht, welches Verhalten tatsächlich noch vom Schutzbereich des Art.2IGG erfaßt wird, und welches den Rahmen dieses Grundrechts sprengt. Wenn man Parteiautonomie wie hier unter den Grundrechtsschutz des Art. 2 I GG stellt, muß jede Beschränkung derselben als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung legitimiert sein. Dementsprechend werden zunächst die Schranken von Parteiautonomie in benachbarten Rechtsgebieten, nämlich dem Internationalen Schuld-, Delikts- und Immaterialgüterrecht dargestellt und auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit untersucht. Dies ist erforderlich, da zum einen oft die fehlende Vergleichbarkeit zwischen diesen Rechtsgebieten und dem Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht zur Ablehnung der Parteiautonomie herangezogen wird, zum anderen manche verfassungsmäßige Schranke in diesem Rechtsgebiet erst recht für das Internationale Wettbewerbs- und Kartellrecht gelten muß. Die allen Rechtsgebieten gemeinsame Frage lautet jedoch, inwieweit ein überwiegend öffentliches Interesse Parteiautonomie beschränken kann.

I. Parteiautonomie - ein Grundrecht Bei Parteiautonomie und Privatautonomie handelt es sich um ähnliche Rechtsinstitute mit unterschiedlichem Anwendungsbereich und Wrrkungsgrad. Ziel dieses Kapitels ist es, die gemeinsame Basis und die Unterschiede zwischen Parteiautonomie und Privatautonomie herauszuarbeiten und nachzuweisen, daß auch bei eingehender Differenzierung die Parteiautonomie am Schutz des Art. 2 I GG teilhat. Von Partei- und Privatautonomie zu unterscheiden ist die Fakultativität des Kollisionsrechts, die nur von wenigen Autoren in die Nähe der beiden soeben genannten Institute gerückt wird. In zahlreichen höchstrichterlichen Urteilen zeigt sich aber, daß der Übergang von der stillschweigenden Rechtswahl zur Fakultativität des Kollisionsrechts als nahezu fließend verstanden wird. Hat deshalb auch ein fakultatives Kollisionsrecht am Schutzumfang des Art. 2 I GG teil?

I. Parteiautonomie - ein Grundrecht

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1. Parteiautonomie und Privatautonomie: Gemeinsame Wurzel- Unterschiedliche Dimensionen Privat- und Parteiautonomie sind zwei Rechtsinstitute, auf die gerne zurückgegriffen wird, wenn es darum geht, individuelle Gestaltungen von Rechtsverhältnissen anzuerkennen. Während die Privatautonomie Teil der rechtsgeschäftliehen Betätigungsfreiheit ist, betrifft Parteiautonomie das Handeln unter verschiedenen Rechtsordnungen. Letzteres steht oft erst dann zur Debatte, wenn das Rechtsverhältnis in irgendeiner Weise streitig wird, sei es unter den Beteiligten, sei es durch einen Dritten. Dann wird aus dem privatrechtliehen Rechtsverhältnis zugleich aber auch ein Prozeßrechtsverhältnis. Was ist also Privatautonomie, was Parteiautonomie? Beide Rechtsinstitute sind eine Domäne des Zivilrechts. Sie haben gemeinsam die Anerkennung des zugrundeliegenden Parteiwillens durch die staatlichen Institutionen,1 eine Wertentscheidung des Gesetzgebers.2 Privatautonomie betrifft die Freiheit, ein privatrechtliches Rechtsverhältnis nach eigenem Willen selbst zu gestalten,3 d. h. für dieses Rechtsverhältnis eigene Regeln (griech.: nomoi) aufzustellen.4 Diese Freiheit ist grundrechtlich geschützt (Art. 2 I GG) und kann vom Gesetzgeber nur im Einzelfall -meist aus ordnungsoder sozialpolitischen Gründen - unter Beachtung des Übennaßverbots eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Man spricht kurz auch von der rechtsgeschäftliehen Gestaltungsfreiheit Parteiautonomie ist demgegenüber die Freiheit5, bei einem Rechtsverhältnis, das mehrere Staaten berührt, zu bestimmen, welches nationale Recht darauf Anwendung findet. Diese subjektiv bestimmte6 Anknüpfung wird nur unter bestimmten VorausKeller/Siehr, Einführung, S.10. Lediglich Steindorff, S. 243-245, 250, sieht darin keine Freiheit, sondern lediglich eine praktische Lösung, internationale Sachverhalte zu nationalisieren. 3 Statt aller: Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, S. 136, undMedicus, § 17 Rz.174 (= s. 74). 4 A. A. Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, S. 142, der das Gestalten als ein qualitatives minus zur Rechtssetzung begreift. Dies ist allerdings mit der Anerkennung einer freien Willensbestimmung unvereinbar. Diese ist nämlich nicht a priori durch beliebige Rechtsvorschriften beschränkt, sondern allein durch verfassungsmäßiges Gesetz, welches wiederum an den Grundrechten zu messen ist (sog. "Schranken-Schranken"). s A. A. Schmeding, RabelsZ 41 (1977), S. 304: Er definiert Parteiautonomie funktional als Regelungsinstrument staatlicher Ordnung; konsequent macht er Parteiautonomie nur da zur Regel, wo die objektiv anwendbaren Rechtsordnungen funktional gleichwertig sind, da dann der Staat - der Förderung internationaler Rechtsbeziehungen wegen - ein Interesse daran hat (s. ebendaS. 322f.). 6 Anders jedoch v. Bar, IPR, Band 1, S. 469 Rz.536, der die Anknüpfung an den Parteiwillen lediglich als Unterart der handlungsbezogenen Anknüpfung sieht. Dies kommt dem französischen Lokalisationsprinzip nahe. 1

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

setzungen von der objektiven Anknüpfung- wie z. B. Ort des Vertragsschlusses oder Staatsangehörigkeit- verdrängt, kurz: Parteiautonomie bedeutet die kollisionsrechtliche Freiheit der Rechtswahl (Verweisungsfreiheit).7 Indem ein Recht gewählt wird, wird zugleich ein anderes samt seiner zwingenden Normen ausgeschaltet.8 Die Definitionen zeigen, daß Privat- und Parteiautonomie verschiedene Freiheiten auf gemeinsamer Grundlage9 sind. Parteiautonomie ist insbesondere kein Spezialfall der Privatautonomie, sondern ist von ihr qualitativ verschieden; dies ist auch schon seit langer Zeit von der Rechtsprechung anerkannt10. Das EGBGB koppelt die Parteiautonomie nur dort noch an die Privatautonomie, wo der Sachverhalt ohne eine Rechtswahl der Parteien keine Auslandsberührung gehabt hätte und damit letztlich gar kein internationalprivatrechtlicher gewesen wäre, Art. 27 m EGBGB mit Art. 3 I 1 EGBGB; 11 denn Parteiautonomie kommt erst da zum Zuge, wo vom anzuknüpfenden Sachverhalt her mindestens zwei Rechtsordnungen kollidieren.12 Dem ist durch die Wahl eines ausländischen Rechts bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt nicht Genüge getan,13 denn dadurch wird ein Rechtsgeschäft getätigt, nämlich ein Vertrag geschlossen, nicht aber der zugrundeliegende Sachverhalt verändert. Man kann also einen rein innerstaatlichen Sachverhalt nicht durch bloße Wahl eines fremden Rechts zu einem internationalen Sachverhalt machen.14 Das hieße nämlich ,,Parteiautonomie" ausüben, um den Anwendungsbereich für Parteiautonomie zu eröffnen. Dies wird in Art. 27 m EGBGB deutlich zum Ausdruck gebracht; denn dort wird auch eine kollisionsrechtlich gemeinte Verweisung nur als materiellrechtliche anerkannt. 15 Dies liegt auch in der Konse7 So schon Haudek, S. 35; s. a. Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 53; Kroplwller, Internationales Privatrecht, § 40 I (= S. 268); in scharfer Abgrenzung zur Privatautonomie auch: Siehr, Parteiautonomie, S. 485 f. 8 Kronstein, S. 242; Gamillscheg, Ein Gesetz über das Internationale Arbeitsrecht, ZfA 14 (1983), S. 317; a. A. lediglich Schubert, RIW 1987, S. 731, der in der Parteiautonomie nicht mehr als eine materiellrechtliche Verweisungsfreiheit in den Grenzen des objektiv anwendbaren Rechts sieht. Zur Begründung führt er an, die Grenzen der Parteiautonomie dürften nicht weiter gehen, als die der Privatautonomie (Art. 2 I GG) -ein klassischer Zirkelschluß. 9 Dazu sogleich, S.56ff. 10 Siehe zur Entwicklung bis dahin im einzelnen v. Bar, IPR, Band 1, S. 540; a. A. nur Schaack, S. 19 FN 1, der unter Berufung auf den einheitlichen Begriff der "autonomie de Ia volont6" des französischen Rechts auf obige Differenzierung verzichtet. 11 v.Bar, IPR, Band 1, Rz.540. 12 Ob auf die zugrundeliegenden Tatsachen (z. B. Ort des Vertragsschlusses) von den Parteien Einfluß genommen wurde, ist dabei unerheblich, Steiner, S. 54. 13 So aber die Gesetzesbegründung der BReg in: BT-Drucks. I 0/504, S. 35. 14 So schon Haudek, S.35; s.a. StolZ, Bemerkungen, IPrax 1984, S.1; Sandrock, Unternehmenspraxis, RIW 1986, S. 846 m. w. Nachw.; a.A.: Palandt-Heldrich, Art. 27EGBGB Rz. 3. IS Gamillscheg, Ein Gesetz über das Internationale Arbeitsrecht, ZfA 14 (1983), S. 327; Siehr, Parteiautonomie, S. 504; Thode, ZffiR 1989, S.45; Kropholler, Internationales Privatrecht, §40IV3a (= S. 274); wohl auch Ferid, § 6-27,3. Staudinger-Magnus, Art. 27EGBGB Rz. 115, hält die Verweisung nur insoweit für materiellrechtlich, als sie zwingende Bestimmungen des "abgewählten" Rechts betrifft; a. A. im Sinne einer echten kollisionsrechtlichen Ver-

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quenz der Entscheidung des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des deutschen Kollisionsrechts nur dann eröffnet sein zu lassen, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt eine Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates aufweist, Art. 3 IEGBGB. 16 Nicht anders verhält es sich auf staatsvertraglicher Ebene: Wenn in der Diskussion um den Anwendungsbereich des EuiPRÜ behauptet wird, Art. 1 IEuiPRÜ erfasse bei der gebotenen weiten Auslegung- entgegen dem Wortlaut(!)- auch Falle, in denen sich die Auslandsberührung darin erschöpfe, daß allein durch die Rechtswahl der Parteien eine Berührung mit einer fremden Rechtsordnung geschaffen wird, während es sich im übrigen um einen reinen Inlandsfall handelt,17 so ist dies - wie soeben dargelegt - nicht ein Fall der Rechtswahlmöglichkeit (= Parteiautonomie) sondern der materiellen Gestaltungsmöglichkeit (=Privatautonomie). Bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt ist demnach kein Raum für Parteiautonomie, 18 sondern lediglich für Privatautonomie. Deshalb betreffen Art. 3 m EuiPRÜ und Art. 27m EGBGB nicht die Parteiautonomie, sondern die Privatautonomie. Die gemeinsame Grundlage von Privat- und Parteiautonomie liegt in ihrer Funktion: Es hat sich erwiesen, daß sich der Interessenausgleich unter privaten Akteuren, sei es gerichtlich oder außergerichtlich, am besten mittels autonomer Bestimmung der anzuwendenden Regeln herstellen läßt. Denn die Parteien verfügen grundsätzlich über die meisten Informationen. Der Staat stellt allgemeine Verfahrensregeln hierzu auf und greift ansonsten nur ein, wenn es um öffentliche Interessen geht, die auch in rein privatrechtliche Beziehungen eingreifen können, so z. B. das Verbot der Verträge zu Lasten Dritter, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz. Für die Privatautonomie ist allgemein anerkannt, daß solche Eingriffe der Legitimation bedürfen. Art und Umfang der legitimierungsbedürftigen Eingriffe sind allerdings umstritten. In der Frage der Schranken von Partei- und Privatautonomie verhält es sich also auf innerstaatlicher Ebene analog zum internationalen Recht: Wenn im internationalen Recht die Parteiautonomie und ihre Grenzen- vor allem durch Eingriffsnormen- umstritweisung: E. Lorenz, RechtswahHreiheit, RIW 1987, S. 569, 575: Der Meinungsstreit hat jedoch lediglich theoretische Bedeutung, wie Schurig, Zwingendes Recht, ,,Eingriffsnormen" und neues IPR, RabelsZ 54 (1990), S. 222, nachweist; a. A. Junker, Zwingende Bestimmungen, IPrax 1989, S. 70, der ausführlich und m. w.Nachw. zum Streit Stellung nimmt. 16 Hiermit und mit der rechtspolitischen Aufgabe des EGBGB argumentiert Kind/er, RIW 1987, S. 661, der allerdings in solchen Fällen auch die geltungserhaltende Reduktion einer kollisionsrechtlichen Verweisung als materiellrechtliche ablehnt, siehe ebenda, S.666. Die erforderliche Intensität des Auslandsbezugs ist umstritten; s. dazu Simitis, Aufgaben und Grenzen, JuS 1966, S. 211 f. 17 So durch die BReg. in: Denkschrift d. BReg. in: BT-Drucks. 10/503, S. 22, 24; A. Philip in: North, S. 94. 18 Sandrock, Untemehmenspraxis, RIW 1986, S. 846 m. w. Nachw.; W Lorenz, Schuldvertragsrecht, IPrax 1987, S. 271; Junker, Rechtswahl, IPrax 1993, S. 2; Mentzel, S. 203.

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ten sind, so ist es im nationalen Recht die Privatautonomie und ihre Begrenzung durch das ius cogens. 19 Denn auch im materiellen Recht können sich die Parteien über zahlreiche Normen einfachen zwingenden Rechts tatsächlich hinwegsetzen, sofern und solange sie sich einig sind, z. B. über Normen des Verbraucherschutzes oder des Individualarbeitsrechts.20 Andererseits gibt es zwingendes Recht, das so sehr im öffentlichen Interesse liegt, daß die Parteien auf seine Durchsetzung keinen Einfluß haben, z. B. § 134 BGB.21 Was sich im internationalen Recht bei der Frage der Rechtswahl (im Prozeß) entzündet, spiegelt sich also im nationalen Recht in der Frage nach der Parteidisposition über die Urteilsgrundlagen im Prozeß wider.22 2. Parteiautonomie als Grundrecht Der analogen Funktion entsprechend, gehen Privat- und Parteiautonomie auf dieselbe Wurzel, d. h. Grundrecht zurück, nämlich die Allgemeine Handlungsfreiheit in Gestalt der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, Art. 21GG.23 ,,Respekt vor der individuellen Entscheidung ist die Leitmaxime des nationalen und internationalen Privatrechts".24 Beide Rechtsinstitute sind also eine Spielart des Grundsatzes der privatrechtliehen Gestaltungsfreiheit,25 wobei die Parteiautonomie ein Stück weiter geht als die Privatlmtonomie. Denn sie unterstellt explizit auch das ius cogens der Parteidisposition, sofern der zugrundeliegende Sachverhalt nationalstaatliche Grenzen überschreitet. Dennoch ist auch die Parteiautonomie Teil der Allgemeinen Handlungsfreiheit und somit vom Schutzbereich des Art. 2 I GG erfaßt, wie folgende Überlegungen zeigen: Die Allgemeine Handlungsfreiheit bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG seit dem "Elfes"-Urteil26 eine Freiheit im umfassenden Sinne,27 ist also nicht in irgendeiner Hinsicht gegenständlich begrenzt. Dadurch, daß die Allgemeine Zu dieser Problematik: Würthwein, S. 106-115. Bei § 313 BGB ist zu differenzieren: Die notarielle Beurkundung eines Kaufvertrags über ein Grundstück ist zwar unabdingbare Voraussetzung für seine Wirksamkeit; seine Erfüllung heilt aber diese Voraussetzung. 21 Würthwein, S. 113. 22 Zu dieser Problematik: Würthwein, S.49-52. 23 Das Wechselspiel von Grundrechten und Privatrechtsordnung am Beispiel des Kartellrechts beschreibt zutreffend Rittner, Privatrechtliche Grundlagen, ZHR 1996, S. 195-197. 24 Simitis, Internationales Arbeitsrecht, S.153. 25 Keller/Siehr, Einführung, S. 10. 26 BVerfG, Urt. !.Senat v.16.01.1957, in: BverfGE6, S. 36f. Ferner: BVerfG, Beschl. 2. Senat v. 23.05.1980, in: BverfGE 54, S. 146; BVerfG, Beschl. 1. Senat v. 14.01.1987, in: BVerfGE 74, S. 151 f.; BVerfG, Beschl. 1. Senat v. 06.06.1989, in: BverfGE 80, S. 152-154 (mit Stellungnahme zur Gegenmeinung). 27 Statt aller: Sachs-Murswiek, Art. 2 GG, Rz.42; Seifert/Hömig, Art. 2 GG, Rz. 5; Dürig in: Maunz/Dürig et al., Art. 2 Abs. 1 Rz. 53 f.; a. A. Hesse, Rz. 428; Erichsen in: Isensee/Kirchhof, § 152 Rz.53. 19

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Handlungsfreiheit umfassend ist, gehört unstreitig auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit und im Rahmen dieser die Privatautonomie dazu.28 Hat deshalb auch die Parteiautonomie Teil am Schutz durch Art. 2IGG? Wie soeben dargelegt29 , sind Privat- und Parteiautonomie zwar verwandte Institute, jedoch nicht identisch. Man macht es sich deshalb zu einfach, wenn man sagt, Parteiautonomie sei allenfalls eine Fortsetzung der freien Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2 I GG) mit anderen Mitteln. 30 Man müßte eher sagen: Die Parteiautonomie ist eine Fortsetzung der freien Persönlichkeitsentfaltung in einer anderen Dimension. Mit beiden Institutionen wirken zwar die Parteien auf konkrete Rechte und Pflichten ein. Bei Privatautonomie tun sie es direkt, bei Parteiautonomie indirekt, indem sie mittels Rechtswahl den Rahmen bestimmen, innerhalb dessen von Privatautonomie Gebrauch gemacht werden kann. Aber Parteiautonomie enthält ein zusätzliches qualitatives Element durch die Abwahl des ius cogens. Diese erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten der wirtschaftlichen Verhältnisse korrelieren mit dem erweiterten Rechtsraum in internationalen Fällen. Er beschränkt sich nicht auf nationales Gebiet, sondern erstreckt sich auf das Gebiet mindestens zweier Staaten. Entsprechend erweitern sich die Gestaltungsmöglichkeiten, nämlich durch Abwahl der einen Rechtsordnung samt ihrer zwingenden Normen und Wahl der anderen oder einer dritten (neutralen) Rechtsordnung. Diese Möglichkeit haben rein innerstaatlich Handelnde nicht. Analog zum Zuwachs an Gestaltungsmöglichkeiten stehen den Beteiligten also grundsätzlich mehr Rechte zu, nämlich auch das Recht, sich dem nationalen zwingenden Recht zu entziehen und sich gleichzeitig dem zwingenden Recht eines anderen Staates zu unterwerfen, Art. 27 I 1 EGBGB. Dies mag überraschend klingen, meint man doch, gerade in grenzüberschreitenden Fällen seien nationale Interessen besonders schützenswert. Dies mag auch bei bestimmten Vorschriften, vor allem außerhalb des Schuldvertragsrechts, so sein; sie muß der Gesetzgeber dann international zwingend ausgestalten. Hierdurch wird die Parteiautonomie wieder eingeschränkt, so daß sich diese Gesetze am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientieren müssen. D. h. es muß dabei berücksichtigt werden, daß sich mit Überschreitung der nationalen Grenzen auch die Gestaltungsmöglichkeiten erhöhen. Denn die Parteien können, wenn nicht das Rechtsverhältnis, so doch fast immer den Gerichtsstand ein anderes Land verlagern, so daß ein anderes Internationales Privatrecht zur Anwendung kommt, und sich daraus ein anderes anzuwendendes materielles Recht ergeben kann. Diese Möglichkeiten sind ebenso Teil des Selbstbestimmungsrechts des Menschen, wie die beschränkten Gestaltungsmöglichkeiten bei innerstaatlichen Fällen. 21 Ständige Rechtsprechung seit BVerfG, Beschl. 2. Senat v. 12.11.1958, in: BVerfGE 8, S. 328; zuletzt BVerfG, Beschl. 1. Senat (1. Kammer) v. 05.08.1994, in: NJW 1994, S. 2750 m. w. Nachw. Die Literatur stimmt dem uneingeschränkt zu; s. statt aller Schmidt-Bieibtreu/ Klein, Art.2 Rz.14m. zahlr.Nachw.; Dürig in: Maunz/Dürig etal., Art. 2 Abs.l Rz.53f.; Papier in: Benda/MaihoferNogel, § 18 Rz. 75f. (= S. 832f.). 29 s. oben S. 53-55. 30 So aber: Junker, Rechtswahl, IPrax 1993, S. 2.

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Selbstbestimmung heißt: Tun und Lassen, was man will. Diese Formulierung, die ebenso an Stelle des heutigen Art. 2 I GG im Grundgesetz hätte stehen können, eröffnet eine zunächst vollkommene Freiheit, deren Grenzen - wie soeben beschrieben - zunächst rein tatsächliche sind, erst in zweiter Linie die Rechte anderer oder die verfassungsmäßige Ordnung. Der Mensch bleibt auch auf internationalem Parkett der vielzitierte homo oeconomicus, der seinen Lebensunterhalt und seine Ressourcen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu gestalten und sichern sucht. Es steht ihm deshalb frei, alle sich ihm bietenden tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, z. B. sich einer fremden Rechtsordnung zu unterwerfen. Dies geschieht im prozessualen Bereich durch die Wahl des Gerichtsstandes, im materiellen Bereich durch die Wahl des anzuwendenden Rechts. Man könnte einwenden, durch die Möglichkeit, den Gerichtsort zu wählen, sei diesen erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten Genüge getan. Dem ist jedoch nicht so. Denn zum einen gelangt nicht jedes internationale Rechtsverhältnis zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung; zum anderen wählen die Parteien mit dem Gerichtsstand nicht gleichzeitig die anzuwendende Rechtsordnung. Die Wahl eines bestimmten Gerichts oder Gerichtsortes beruht auf dem Vertrauen in die in diesem Land befindliche Gerichtsbarkeit schlechthin; sie kann der Ausbildung der Richter, der Unabhängigkeit und/oder Effizienz der Justiz oder einfach nur der Vertrautheit mit der Sprache entspringen. Daß das gewählte Gericht über die Anwendung seines eigenen Kollisionsrechts dann zu einem den Parteien genehmen materiellen Recht kommt, spielt bei der Entscheidung für einen bestimmten Gerichtsstand allenfalls eine untergeordnete Rolle. In den meisten Fällen werden die Parteien das ausländische Kollisionsrecht nicht kennen, auch dann nicht, wenn sie anwaltlieh beraten sind. 31 Deshalb werden in den meisten grenzüberschreitenden Verträgen Gerichtsstandsklauseln mit Rechtswahlklauseln verbunden. Wie bei der Allgemeinen Handlungsfreiheit schlechthin, kommt der Schutz durch Art. 2 I GG nur dann zum Tragen, wenn keine speziellen Grundrechte greifen.32 In 3t Diese- manchem Leser sicher kühn erscheinende- Behauptung beruht auf der Erkenntnis, daß derzeit schon das deutsche IPR regelmäßig nicht Gegenstand der juristischen Staatsprüfung ist. 32 In Konsequenz aus dem soeben zitierten ,,Elfes"-Urteil ist dies allgemeine Meinung. Erstmals so formuliert von BVerfG, Beschl. 2. Senat v. 12.11.1958, in: BVerfGE8, S. 328, seitdem ständige Rspr.; s.a. BVerfG, Urt.l. Senat v.08.07.1976, in: BVerfGE42, S.294; BVerfG, Urt. 2. Senat v. 19.10.1983, in: BVerfGE 65, S. 210m. zahlr. Nachw.; BVerfG, Urt. 1. Senat v.04.06.1985, in: BVerfGE70, S.123m. zahlr.Nachw.; BVerfG, Beschl. 1. Senat v.13.05.1986, in: BVerfGE 72, S. 170; BVerfG, Beschl. 1. Senat v. 14.01.1987, in: BverfGE 74, S. 152 m. w. Nachw.; zuletzt BVerfG, Beschl. 1. Senat (1. Kammer) v. 05.08.1994, in: NJW 1994, S. 2750 m. w.Nachw. Aus der Literatur: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 2 Rz. 14 m.zahlr. Nachw.; Papier in: Benda/MaihoferNogel, § 18 Rz. 75 f. (= S. 832f.); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts,§ 1 (= S.1); Stern,§ 84IV5 (= S.823) m. w.Nachw.; a. A. u.a. nochLeisner, S. 330f. (Für ihn ist Parteiautonomie lediglich "eine privatrechtliche auf der Stelle des einfachen Gesetzes stehende, Globalkompetenz zum Eingriff in eigene und fremde Grundrechte") und Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 263. Diese Ansicht dürfte angesichts der entgegenstehenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung überholt sein.

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Betracht kommen insbesondere Artt. 12, 14 GG und Art. 9 I GG. Bei der hier gestellten Frage geht es jedoch nicht um Berufsfreiheit, den Schutz von Eigentum oder die Freiheit der Gestaltung von gesellschaftsverträgen. Es geht vielmehr um das "Jedermannsrecht" der Wahl einer Rechtsordnung, nach der sich ein grenzüberschreitender Sachverhalt richten soll. Diese Rechtswahlfreiheit kann allenfalls indirekt die gesellschaftsrechtliche Vertragsfreiheit berühren, nämlich insoweit, als nach der gewählten Rechtsordnung Gesellschaftsverträge eventuell keinen wettbewerbsbeschränkenden Inhalt haben dürfen. Dieses Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen, wie es z. B. in Deutschland nach § 1GWB gilt, betrifft jedoch nicht die Freiheit, deutsches Recht zu wählen oder abzuwählen, sondern erst die privatrechtliehe Gestaltungsfreiheit innerhalb des gewählten Rechts, also Privatautonomie. Dies ist ein anderer Prüfungsgegenstand, der sich an die hier gestellte Frage anschließen kann. Im Gegensatz zur Privatautonomie ist die Parteiautonomie ausschließlich und umfassend durch Art. 2 I GG selbst, das auch Auffanggrundrecht genannt wird, geschützt. Dies liegt wohl daran, daß Privatautonomie ein Recht ist, das sehr viele Erscheinungsformen kennt, sei es z. B. durch freie Wahl des Vertragspartners, freien Gebrauch des Eigentums, Testierfreiheit, Freiheit der Berufsausübung, Inhaltsfreiheit oder Formfreiheit, um nur wenige Facetten zu nennen. Demgegenüber erschöpft sich die Parteiautonomie in der Freiheit jedes Teilnehmers am Rechtsleben, bei einem internationalen Sachverhalt die anzuwendende Rechtsordnung frei zu wählen. Ob dies gerichtlich oder außergerichtlich, bei Entstehen des Rechtsverhältnisses oder nachträglich geschieht, ist alles eine Frage der Begleitumstände, wirkt aber nicht unmittelbar auf das Schutzgut "Freiheit der Rechtswahl" ein. Diese Freiheit erhält keine andere Qualität, weil etwa ein Unternehmer von ihr Gebrauch macht. Deshalb kommen Spezialgrundrechte hier nicht zum Zuge.

3. Rechtsdogmatische Konsequenz Es ist heute vollkommen unstreitig, daß Privatautonomie als Teil des Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen33 ein (auch) durch Art. 2 I GG geschütztes Grundrecht ist.34 Privatautonomie wird nicht durch einfaches Gesetz, d. h. nicht durch das BGB, gewährt, sondern das BGB geht vom Parteiwillen als Rechtsquelle aus.1s Dem liegen die Anerkennung und der Schutz dieser Rechtsquelle als Ausdruck der Allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG, durch die Verfassung zugrunde.36 33

Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, S.l36.

s. die Nachweise S. 58 FN 32. A. A. Junker, Rechtswahl, IPrax 1993, S. 2: Die rechtsgeschäftliche Freiheit sei nach dem materiellen Recht jeden Landes von vornherein beschränkt durch die dazugehörenden zwingenden Bestimmungen. 34

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Nach obigen Ausführungen wirkt es geradezu unverständlich, daß im Gegensatz dazu nach einhelliger Meinung der Literatur die Parteiautonomie vom einfachen Kollisionsrecht zugelassen wird, die Parteien dabei quasi von einer einfachgesetzlichen "Rechtssetzungsdelegation"37 Gebrauch machen. Denn auch der Parteiautonomie liegt der Parteiwille zugrunde.38 Er ist die Rechtsquelle, nicht bloßes Anknüpfungsmoment39. Dielex fori erkennt diese Rechtsquelle an40 und stellt sie unter den Schutz des Art.2IGG41 ; deshalb werden die Parteien durch die lex fori nicht zur autonomen Rechtssetzung ermächtigt, sondern machen von einem Grundrecht, nämlich ihre privaten - auch grenzüberschreitenden - Rechtsverhältnisse selbst zu regeln, Gebrauch.42 Parteiautonomie ist somit nicht ein staatlich verliehenes- derivatives -Recht, sondern ein originäres Grundrecht.4J Dieses Grundrecht aus Art. 2 I GG haben die Parteien auch und gerade gegenüber dem einfachen Gesetzgeber, dessen Kollisionsrecht sich an den Grundrechten orientieren muß. Denn "als nationales Recht sind die Vorschriften des deutschen Internationalen Privatrechts in vollem Umfang an den Grundrechten zu messen"44 • In allen kollisionsrechtlichen Anknüpfungsfragen besteht deshalb eine grundsätzliche Vermutung für Rechtswahlfreiheit. 36 A. A. Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, S. 137, wonach die privatautonome Gestaltung von Rechtsverhältnissen schon begrifflich nach Form und möglichem Inhalt von der Rechtsordnung bestimmt sei; sie sei überhaupt nur denkbar in der Zivilrechtsordnung. Dies liegt in einer Linie mit seiner These, daß das Selbstbestimmungsrecht des Menschen kein Freiheitsrecht aus Art.2IGG sei, sondern ein Rechtsgedanke (an anderer Stelle (S.143): "Wert"). 37 Kreuur, Außenwirtschaftsrecht, S.106. Selbst der RegEntw. IPR 1999, S. 14, spricht davon, daß Rechtswahl vom Gesetzgeber zugelassen wird. 38 Junker, Rechtswahl, IPrax 1993, S. 2. 39 So aber: Keller/Siehr, Allgemeine Lehren, S. 370. 40 Insoweit übereinstimmend mit Fiessner,lnteressenjurisprudenz im IPR, S. l02: ,,Autonomie und Freiheit, wo Ordnung nicht vorgegeben ist, sind Werte, die in der westlichen Welt vor der Positivierung in Verfassung und Gesetz anerkannt sind, ...". Insoweit geht es um weit mehr als um eine bloße Hinnahme des Interesses der an einer Rechtswahl unmittelbar Beteiligten, MünchKomm-Sonnenberger, Ein!. IPR Rz. 92. 41 Daß die Parteiautonomie durch Art. 2 I GG garantiert ist, stellt schon Beitzke, Grundgesetz und IPR, S. 17, fest. Jedoch begründete er dies nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen, ·sondern damit, daß durch die Parteiautonomie schon in der Vorfrage nach dem anwendbaren Recht am ehesten der Interessenausgleich zwischen den Parteien hergestellt wird. Diese ,,Entsprechung zur materiellrechtlichen Vertragsfreiheit" rechtfertige den Schutz aus Art. 2 GG; s. a. Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 54 tmd 86. 42 Jayme, Parteiautonomie, IPrax 1991, S.429; so auch die Resolution des Institut de Droit International zur Parteiautonomie in internationalen Privatrechtsverträgen in ihrer Präambel, abgedruckt in: IPrax 1991, S.430. 43 A. A. Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 263; Mentzel, S. 75. 44 BVerfG, Beschl. I. Senat v.04.05.1971, in: BVerfGE31, S. 73; bestätigt durch BVerfG, Beschl. 1. Senat v. 22.02.1983, in: BVerfGE63, S. 195; s. a. Raape/Sturm, S.105; weitergehend: Pitschas in: Jayme/Mansel, S.lOl, wonach das Kollisionsrecht nicht nur an den Grundrechten, sondern auch an den Staatszielbestimmungen und den Organisationsnormen des Grundgesetzes, mithin an sämtlichen Verfassungsbestimmungen, zu messen ist.

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Parteiautonomie ist demnach ebensowenig eine Kollisionsnonn45 wie Privatautonomie eine materiellrechtliche Norm ist, schon gar nicht bloße "Verlegenheitslösung"46 oder schlichte Folge subjektiver Rechtsunsicherheit aufgrund schwindender Verläßlichkeit der überkommenen Kollisionsnonn47 , sondern beides sind Ausprägungen desselben Grundrechts auf Selbstbestimmung48. Auch eine Definition der Parteiautonomie als "allgemeines Prinzip"49 oder als "basic rule" - in Anlehnung an Ehrenzweig50 -wird ihr nicht gerecht. Nicht das Kollisionsrecht ist der "archimedische Punkt", von dem aus das inländische materielle Recht aus den Angeln gehoben werden kann,51 sondern die Verfassung. Angelpunkt sind nicht reale Interessen, seien sie national oder intemational52, konkret oder typisiert,53 denn solche sind stets personen- und sachbezogen. Angelpunkt ist vielmehr die der Verfassung zugrundeliegende abstrakte Wertentscheidung des Gesetzgebers, der freien Selbstbestimmung des Menschen größtmöglichen Raum einzuräumen.54 Dies bedeutet jedoch nicht, daß diese Freiheit schrankenlos ist, da Art. 21 GG Privat- und Parteiautonomie nur in den Grenzen der verfassungsmäßigen Ordnung garantiert.55 Nach dem "Elfes-Urteil" des BVerfG sind darunter alle formell und materiell verfassungsgemäßen Nonnen zu verstehen.56 Demnach können Privat- und Parteiautonomie auch durch einfaches Kollisionsrecht eingeschränkt werden, soweit dieses verfassungsgemäß ist. Dies gilt sowohl für generelle Entscheidungen des Gesetzgebers für ein bestimmtes Regelungsprinzip,57 wie z. B. die Staatsangehörigkeit als Regelanknüpfungsgrund, als auch für Einzelentscheidungen, wie z.B. das Auswirkungsprinzip in§ 130ITGWB. Es kann So aber: Keller/Siehr, Allgemeine Lehren, S. 372. So: Kegei/Schurig, § 18 I 1 c (= S. 569), und Simitis, Aufgaben und Grenzen, JuS 1966, S. 210m. w. Nachw.; ähnlich schon Steindorjf, S. 243-245, 250. 47 So: D. Reichert-Facilides, Fakultatives und zwingendes Kollisionsrecht, S. 18; ähnlich Windisch, S. 122: lediglich Mittel zur Erreichung von Rechtsfrieden unter Bevorzugung gütlicher Einigung. 48 Simitis, Aufgaben und Grenzen, JuS 1966, S. 209; ders., Internationales Arbeitsrecht, S. 164, der sich damit in Widerspruch zu seiner Qualifizierung der Parteiautonomie als "Verlegenheitslösung" (s. oben FN 46) setzt. 49 Siehr, Parteiautonomie, S.499. 50 Kühne, JZ 1973, S.407. 51 So aber: Kropholler, Internationales Privatrecht, § 401111 (= S. 270). 52 So: Flessner, Interessenjurisprudenz im IPR, S.IOO, der allerdings den verfassungsrechtlichen Aspekt nicht in seine Untersuchung einbezieht, s. a. ebenda S.49-52. Ähnlich wie Flessner argumentiert Schaack, S. 28-34, der auch auf die Interessenlage zurückgreift, dort jedoch nicht stehenbleibt, sondern die Parteiautonomie im Kollisionsrecht aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes geboten, aber auch begrenzt sieht; denn zwischen einem nationalen und einem internationalen Sachverhalt bestünde kein hinreichender Unterschied. Deshalb könnten nur solche Rechtsordnungen gewählt werden, deren Gerichte zur Streitentscheidung berufen sind. Das Selbstbestimmungsinteresse wird dabei ebenfalls auf eine konkrete Interessenahwägung reduziert. sJ Lückritz, S. 40, sowie S.48 f. 54 So ansatzweise schon Sturm, Der Eigenhändler im Außenhandel, S. 227. 55 BVerfG, Beschl. 1. Senat v. 07.02.1990, in: BVerfGE81, S.254, für Privatautonomie. 56 BVerfG, Urt.l. Senat v.16.01.1957, in: BVerfGE6, S. 38. 45

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aber auch die materiellrechtliche Ausgestaltung von Normen sein, die so grundlegend ist, daß sie einer Rechtswahl entgegensteht; so kann z. B. durch Rechtswahl nicht das Publizitätsprinzip im Immobiliarsachenrecht ausgehebelt werden. Weniger das formelle Zustandekommen der Schrankennormen ist hier interessant, als vielmehr die materielle Verfassungsmäßigkeit und hier vor allem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; 58 dazu mehr unter IV und in Kapitel D.

II. Der Schutzbereich des Grundrechts auf Parteiautonomie am Beispiel der stillschweigenden Rechtswahl und der Fakultativität des Kollisionsrechts Bevor auf die Schranken der Parteiautonomie eingegangen werden kann, muß erst geklärt werden, welches Verhalten vom Schutzbereich der Parteiautonomie umfaßt wird und welches den Rahmen der Parteiautonomie sprengt. Denn erst wenn geklärt ist, was an parteiautonomem Handeln von Art. 2 I GG erfaßt wird und was nicht, kann beurteilt werden, ob die Schranken, die der Parteiautonomie einfachgesetzlich und durch die Rechtsprechung gesetzt werden, verfassungsgemäß sind oder nicht. Dies ist maßgeblich für die Beurteilung der Auswirkung von Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht Denn viele als negativ bewertete Auswirkungen, wie z. B. die Übervorteilung der wirtschaftlich oder intellektuell unterlegenen Partei, beruhen in Wahrheit auf einem Mißbrauch der Parteiautonomie. Deshalb soll im folgenden exemplarisch anband der stillschweigenden Rechtswahl und der Fakultativität des Kollisionsrechts versucht werden, den Schutzbereich des Art. 2 I GG insoweit zu definieren.

1. Stillschweigende Rechtswahl Untersucht werden soll hier nur die echte Wahlmöglichkeit unter beliebigen Rechtsordnungen, denn dies ist die umfassendste Art von Parteiautonomie. Soweit nur eine von mehreren objektiv bestimmten Rechtsordnungen gewählt werden kann, handelt es sich um beschränkte Parteiautonomie; Fälle wie z.B. Art.4IIEGBGB59 57 BVerfG, Beschl. 1. Senat v. 04.05.1971, in: BVerfGE31, S. 73; BVerfG, Beschl. 1. Senat v. 30.11.1982, in: BVerfGE62, S. 331; BVerfG, Beschl. 1. Senat v. 22.02.1983, in: BVerfGE63, S. 195; Wengier in: BGB-RGRK, § 7i (= S. 126-128); Pitschas in: Jayme/Mansel, S. 105f. ss BVerfG, Urt. 1. Senat v. 05.08.1966, in: BVerfGE 20, S. 159; BVerfG, Urt. 1. Senat v.08.o7.1976, in: BVerfGE42, S. 294f.; BVerfG, Urt. 2. Senat v.19.10.1983, in: BVerfGE65, S.215; BVerfG, Urt. 1. Senat v. 31.05.1988, in: BVerfGE78, S.245. s9 Dem Wortlaut nach erfaßt Art.4IIEGBGB alle Fälle, in denen das Gesetz eine Rechtswahl zuläßt. Da er aber im Internationalen Schuldvertragsrecht von Art. 35 EGBGB verdrängt wird, kommt er tatsächlich nur da zur Anwendung, wo das Gesetz eine Wahl unter bestimmten Rechtsordnungen zuläßt, nämlich im Personen-, Familien- und Erbrecht (Artt.lOII Nr.l,III, V, 14II,III, 1511, 25IIEGBGB), Kropholler, Internationales Privatrecht,§ 24116 (= S.l59). Dies übersieht Steiner, S. 59.

II. Der Schutzbereich des Grundrechts auf Parteiautonomie

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oder Art. 220m 1 Nr. 2 EGBGB bleiben deshalb außer Betracht. Maßstab für die Voraussetzungen stillschweigender Rechtswahl ist Art. 27 EGBGB,60 denn die parteiautonome Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist kein Spezifikum des Schuldvertragsrechts, sondern lediglich dort kodifiziert.61 Gemäß Art. 27 I 2 EGBGB muß die Rechtswahl nicht ausdrücklich sein, sondern kann sich aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl mit dem Vertragsschluß oder nach dem Vertragsschluß vornehmen und danach bis zur letzten Tatsacheninstanz ändern. Die Reform des Internationalen Privatrechts 1986 bestätigte damit lediglich, was nach herrschender Rechtsprechung und Lehre gewohnheitsrechtlich zulässig war.62 Dies entspricht in vollem Umfang der Parteiautonomie als Grundrecht. Denn die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) setzt keine förmliche Willenserklärung voraus. Vielmehr kann jeder eine Rechtswahl in stillschweigendem Einvernehmen mit der Gegenpartei treffen. a) Besonderheiten des Wettbewerbsrechts Während im Internationalen Schuldvertragsrecht die Parteien sehr häufig eine Rechtswahlklausel bereits in den Vertrag aufnehmen, treffen die Parteien eines außervertraglichen Schuldverhältnisses, wie z. B. im Falle eines Wettbewerbsverstoßes, meist erst bei der Abwicklung aufeinander. 63 Vorprozessual kommt deshalb vor allem im Wettbewerbsrecht als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl allenfalls eine Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen einer strafbewehrten Unterlassungserklärung in Betracht. Nur selten wird in diesen Fallen aber gleichzeitig an die Rechtswahlmöglichkeit gedacht. Vereinbaren die Parteien anläßlich eines Schadensereignisses wirksam die deutsche Gerichtsbarkeit und stützen sie ihren Parteivortrag dann auch auf deutsches Recht, so ergibt sich die Rechtswahl .,mit hinreichender Si60 Ob das deutsche Recht hier als lex causae oder als lex fori berufen ist, kann offen bleiben; s. dazu Buchta, S.42 (lex causae), und Mitterer, S.52 (lex fori). 61 Auch soweit Rechtswahl im Internationalen Deliktsrecht zugelassen wird, wurde vor der Kodifikation des Internationalen Deliktsrechts 1999 in Fragen der Parteiautonomie stets auf Art. 27 I EGBGB und nicht auf Art. 4 liEGBOB Bezug genommen. Zur Begriindung wurde auf die Dispositivität des Ausgleichsanspruchs verwiesen, so daß von daher eine Parallele zum Schuldvertragsrecht vorliege (s. die Nachweise S. 102 FN 298). Die jetzige Kodifikation in Art. 42 EGBGB geht nicht über eine gesetzliche Anerkennung der Rechtswahlfreiheit hinaus. Im übrigen ist auch hier für Einzelheiten auf die Regelung des Art. 27 EGBGB zurückzugreifen. Auch im Wechselrecht ist die Parteiautonomietrotz Art. 37 Nr. 1 EGBGB anerkannt, BGH, Urt. v. 05.10.1993, in: NJW 1994, S. 187 m. zahlr. Nachw.; ähnlich wie hier: Hohloch, NZV 1988, s. 167. 62 Siehezur Praxis vor der Reform des IPR: Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S . 301-307. 63 Eine der wenigen Ausnahmen findet sich in BGH, Urt. v. 26.11 .1964, in: BGHZ 42, S. 388f. Weitere Nachweise bei Staudinger-v.Hoffinann, Art. 38EGBGB Rz.149.

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

cherheit" aus den Umständen des Falles.64 Meist ist jedoch der einzige Anhaltspunkt für eine Rechtswahl der übereinstimmende Parteivortrag hinsichtlich des anzuwendenden Rechts.

b) Die Rechtsprechung Während die vorprozessuale Rechtswahl in ihrer Wirksamkeit noch eng an das Erklärungsbewußtsein der Parteien geknüpft ist,6S stellt die Rechtsprechung, insbesondere des BGH66 , an die Ermittlung des Erklärungsbewußtseins für eine stillschweigende Rechtswahl im Prozeß nur sehr geringe Anforderungen. In zahlreichen Entscheidungsgründen wird lediglich darauf hingewiesen, die Parteien könnten eine wirksame Rechtswahl dadurch treffen, daß sie im Verlauf eines Rechtsstreits von der Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung ausgehen und die Gegenseite nicht widerspricht.67 Bisweilen reicht sogar, daß die Parteien es bei Rechtsmittelein64 Hohloch, NZV 1988, S. 167. Die Gerichtsstandsvereinbarung allein reicht hierzu nicht aus, s. Mitterer, S.90; a.A. Steinle,ZVgiRWiss 93 (1994), S.310f. v.Bar, IPR, Band 2, S.470f., will dagegen andere zusätzliche Umstände kumulativ heranziehen: Vertragsabschluß und Erfüllungsort, Staatsangehörigkeit der Parteien, Vertragssprache, Wlihrung, desweiteren langjährige geschäftliche Kontakte oder das ,,Zuschneiden" eines schriftlichen Vertrages in seiner Gesamtanlage auf ein bestimmtes nationales Recht; ähnlich auch v. H offmann, IPR, § 10 Rz. 35. Zu diesen Indizien und deren Gewichtung ausführlich: Ferid, § 6-25,3-25,16, und Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S.311 f.; gegen eine Gewichtung: v.Hoffmann, IPR, § 10 Rz. 36. 65 Siehe z. B. BGH, Urt. v.11.03.1976, in: VersR 1976, S.681; Buchta, S. 25. 66 Die unteren Instanzen sind vorsichtiger; siehe die Nachweise bei Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 314f. Wie genau man differenzieren kann und muß, zeigt anschaulich LG Freiburg, Urt. v. 06.12.1966, in: IPRspr. 1966/67, 8.111-113. 67 Zuletzt: BGH, Urt. v. 18.10.1995, in: DtZ 1995, S. 57 (Handelsvertreterrecht, interlokales Privatrecht); s. a.: BGH, Urt. v. 05.10.1993, in: NJW 1994, S. 187 (Wechselrecht); BGH, Urt. v. 21.10.1992, in: NJW 1993, S. 386 (Familienrecht); BGH, Urt. v. 28.01.1992, in: WM 1992, S. 568 (Scheckrecht); BGH, Urt. v. 27.11.1991, in: NJW 1992, S. 909 (Familienrecht); BGH, Urt. v.20.11.1990, in: NJW1991, S.635 (Deliktsrecht, ohne Begründung); BGH, Urt. v. 24.09.1986, in: BGHZ 98, S. 274 (Deliktsrecht); BGH, Urt. v. 13.06.1984, in: IPRspr. 1984, S. 284 (vertragliche Anspruche); BGH, Urt. v. 17.03.1981, in: NJW 1981, S. 1606f. (vertragliche und deliktische Anspruche); BGH Urt. v. 19.04.1962, in: IPRspr. 1962/63, Leitsatz und S. 523 f. (Devisenrecht), wo allein oben geschildertes Prozeßverhalten als hinreichender Anhaltspunkt für eine stillschweigende Rechtswahl gesehen wird. Aus der Literatur zum IPR vor der Reform 1986: Beitzke, Les obligations d6lictuelles, Rec. des Cours, 1965 II, S. 73. Eine etwas strengere Linie verfolgt noch BGH, Urt. v. 06.11.1973, in: NJW 1974, S.410 m. zahlr. Nachw.: Zwar geht hier das Gericht noch von einem materiellrechtlichen Vertrag aus; es stellt aber auch ausdrucklich fest, daß die Partei rechtlich beraten war und zudem eine räumliche und rechtliche Beziehung zum deutschen Recht vorhanden war. Zustimmend im Ergebnis, aber nicht in der Begriindung: Staudinger-v. Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rz.151 a.E. BGH, Urt. v. 07.05.1969, in: IPRspr. 1968/69, S. 61, bildet da eine bemerkenswerte Ausnahme: Eine stillschweigende Rechtswahl kraft Prozeßverhaltens sei nur anzunehmen, wenn die Frage des anwendbaren Rechts überhaupt nicht streitig geworden ist. Die Fiktion des zugrundeliegenden Parteiwillens wird dadurch aber nicht ausgeschlossen.

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legung nicht beanstanden, wenn das Gericht eine Rechtsfrage nach deutschem Recht beantwortet hat,68 obwohl die Revision ausdrücklich die fehlenden Feststellungen des Berufungsgerichts zum diesbezüglichen Erklärungsbewußtsein der Parteien gerügt hatte.69 In früheren Entscheidungen stellen RG und BGH noch ausdrücklich fest, daß der Annahme schlüssigen Prozeßverhaltens dann Grenzen gezogen sind, wenn auch Unkenntnis als Ursache dieses Verhaltens in Frage steht.70 Dies ist - soweit ersichtlich - später jedoch nicht mehr aufgegriffen worden. Diese großzügige Behandlung der stillschweigenden Rechtswahl im Prozeß71 stößt bei einem Teil der Literatur auf Ablehnung. Legt sie doch den Schluß nahe, die Richterschaft sei von einem vehementen "Heimwärtsstreben" geleitet,72 da in fast allen Fällen73 die Iex fori "gewählt" wurde und man so die Klippen des Internationalen Privatrechts elegant umschiffen konnte. 74 Vor allem die zumeist fehlende oder unzureichende Begründung der Gerichte für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl wird stark bemängelt.75 Dieses Vorgehen führe zu einer verschleierten Anerkennung eines hypothetischen Parteiwillens,76 der seit der Novelle von 1986 aus dem deutschen Internationalen Privatrecht verbannt worden ist; 77 es sei eine rei68 BGH, Urt. v. 17.12.1957, in: AWD 1958, S. 33; zustimmend: Kegel/Schurig, § 18 I 1 c (= S. 575), die allerdings objektive Indizien kumulativ anführen: Kauf in Deutschland, Preis in

DM; s.a. Hohloch, NZV 1988, S.167. 69 BGH, Urt. v.12.12.1990, in: WM 1991, S.465f. 70 So schon RG, Urt. v. 30.0l.l889, in: RGZ 23, S. 33 f. ; s. a. BGH, Urt. v. 06.11.1973, in: NJW 1974, S.410; andeutungsweise auch RG, Urt. v. 20.03.1936, in: RGZ 151, S. 199f. und BGH, Urt. v. 28.11.1963, in: BGHZ40, S. 324. Ähnlich auch Palandt-Heldrich, Art.42 EGBGB Rz. 1 (fordert Erklärungsbewußtsein und Kenntnis der Parteien über die Wah1möglichkeit). 71 Zustimmend: E. Lorenz, Rechtswahlerklärungen, RIW 1992, S. 703, und Rohe, S. 253. n Hohloch, NZV 1988, S. 166; Schack, Stillschweigende Rechtswahl, IPrax 1986, S. 273; v.Bar, IPR, Band 2, Rz.469 a. E.; Straub, IPrax 1994, S.433; ohne die Rechtsprechung zu erwähnen auch: W. Lorenz, Allgemeine Grundregel, S. 132. 73 Ausnahme: BGH, Urt. v. 17.01.1966, in: IPRspr. 1966/67, S. 10 (französisches Recht). 74 Piltz, IPrax 1994, S. 193, der mit der rigideren Handhabung der stillschweigenden Rechtswahl im Prozeß vor allem die Anwaltschaft vor Regreßansprüchen schützen will; s. auch Mansei, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S. 12; andeutungsweise auch v. Bar, IPR, Band 2, Rz. 678 a. E. 7s s. z. B. Kreuzer, Kollisionsrechtliche Probleme der Produkthaftung, IPrax 1982, S.3 und 4. 76 W. Lorenz, Allgemeine Grundregel, S. 132; ders.: Schuldvertragsrecht, IPrax 1987, S. 273. Wie schmal dieser Grat ist, zeigt deutlich OLG Neustadt/Weinstr., Urt. v. 25.11.1955, in: MDR 1956, S. 164. Ein Beispiel für eine saubere Abgrenzung zwischen ausdrücklich oder stillschweigend erklärtem und hypothetischem Parteiwillen in Theorie und Praxis findet sich bei BGH, Urteil vom 22.11.1955, in: BGHZ 19, S.II0-113, ein Gegenbeispiel: BGH, Urteil vom 17.12.1957, in: AWD 1958, S. 33 (jeweils noch zum alten Recht). Dieser Versuchung erliegen auch Kegel/Schurig, § 18 I I c und d (= S. 574f.): Mit ihrer Aufzählung typischer Indizien unterlegen sie den Parteien einen Rechtswahlwillen; konsequent stimmen sie auch der Rechtsprechung zu. 77 Thode, ZffiR 1989, S.45; ähnlich: Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S.l3; Hohloch, NZV 1988, S.l68; v. Hoffnumn, IPR, § 10 Rz.32. 5 Laufkötter

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ne und außerdem über das Ziel hinausschießende Fiktion.78 Vor allem rechtlich unzureichend beratene Parteien hätten hier das Nachsehen.79 Angesichts dieser deutlichen Position wird auch die jüngere Rechtsprechung wieder etwas vorsichtiger. Immerhin versagte das OLG Köln einer solchen .,stillschweigenden Rechtswahl" die Anerkennung mit der Begründung, ein entsprechendes Problembewußtsein der Parteien bezüglich des anwendbaren Rechts sei den Akten nicht zu entnehmen gewesen80 • Ausdrücklich gegen die Praxis deutscher Gerichte gewendet, stellt es fest, daß das Problembewußtsein des Internationalen Privatrechts viel zu gering entwickelt sei, als daß man den Beteiligten entsprechende Überlegungen einfach unterstellen könne.81 Die Parteien müßten sich einmal irgendwelche Gedanken gemacht haben, daß deutsches Recht nicht anwendbar sein könnte. Eine Wende in der höchstrichterlichen Rechtsprechung könnte sich durch das Urteil des BGH vom 28.01.1993 ankündigen. Immerhin äußerte darin der IX. Senat an der Praxis der stillschweigenden Rechtswahl durch Prozeßverhalten Zweifel, konnte aber ein eindeutiges Bekenntnis umgehen. 82 Einen weiteren Schritt in diese Richtung geht der VII. Senat in seinem Urteil vom 14.01.1999: Er stützt die Annahme einer stillschweigenden Wahl deutschen Rechts nicht auf die Tatsache, daß die Parteien im Prozeß auf der Grundlage deutschen Rechts verhandelt haben, sondern darauf, daß sie sich bei der Abfassung des streitgegenständlichen Bauvertrags an den Vorschriften deutschen Werkvertragsrechts orientiert haben und zusätzlich die VOB/B, die VOL und die deutschenDIN-Normen vereinbart habenund kommt so zu einer vorprozessualen Rechtswahl, die im Prozeß jedenfalls nicht widerrufen wurde.S3 c) Würdigung

Schon vor der Reform des Internationalen Privatrechts war die Rechtswahl allgemein als Vertrag anerkannt (.,Einigung der Parteien über das anzuwendende Recht"). 84 Wie bei jedem Vertrag, sind also auch bei der Rechtswahl im Prozeß zwei übereinstimmende rechtsgeschäftliche Willenserklärungen8s erforderlich, d. h., beide Parteien müssen bezüglich ihres Vortrags den Erklärungswillen haben, ein beMüller-Graf!, RabelsZ 48 (1984), S. 309. Schack, Rechtswahl im Prozeß?, NJW 1984, S. 2739. 80 OLG Köln, Urt. v.02.10.1992, in: IPrax 1994, S. 215. 81 Darin ist sich auch die Rechtslehre einig, s. z. B. Kreuzer, Kollisionsrechtliche Probleme der Produkthaftung, IPrax 1982, S.4; Hohloch, NZV 1988, S.167. 82 BGH, Urt. v. 28.01.1993, in: NJW 1993, S. l126. Auch der VI. Senat des BGH läßt es nicht mehr beim Stillschweigen allein bewenden, BGH, Urt. v. 19.09.1995, in: DtZ 1996, S. 27f.; anders der VIII. Senat, BGH, Urt. v.18.10.1995, in: DtZ 1995, S.57. Entschiedener ist der BGH bei der Frage der stillschweigenden Prorogation: Hierfür müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, s. BGH, Urt. v.13.07.1987, in: GRUR 1987, S. 851. 83 BGH, Urt. v.14.01.1999, in: EwiR 1999, S. 353f., mit Anmerkung Wenner. 84 Schack, Rechtswahl im Prozeß?, NJW 1984, S. 2737; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 302 und 308. 85 Mitterer, S. 56; Menne, JuS 1998. S. 714. 78 79

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stirnrotes Recht zu wählen86 (sog. realer Parteiwille). Das objektive Moment, nämlich die (gerichtliche) Argumentation auf der Basis einer bestimmten Rechtsordnung, reicht allein für einen Rechtswahlvertrag nicht aus. 87 Denn auch dies gehört zum Schutz der Privatautonomie aus Art. 2 I GG: Niemandem darf ein Erklärungswille unterstellt werden, den er gar nicht hat und den auch der Erklärungsempfänger nicht erwarten durfte,88 sog. negative Vertragsfreiheit.89 Zum Schutz der Willensbildung, die ein Teil Selbstbestimmungsrechts des Menschen ist, gehört, daß sie nicht einfach unterstellt werden kann, sondern für Dritte erkennbar nach außen getreten sein muß, um rechtsgeschäftliche Folgen auszulösen. Es genügt deshalb gerade nicht, daß die Parteien nichts gewollt haben, denn dann soll die (subsidiäre) objektive Kollisionsnorm zum Zuge kommen. 90 In diesen Fällen kann die "Rechtswahl" von der Partei, der das diesbezügliche Erklärungsbewußtsein fehlte, nach § 119 I BGB angefochten werden, bzw. ist nach der Willenstheorie kein Vertrag zustandegekommen91 • Allerdings kann man den Parteien das nötige Erklärungsbewußtsein nicht schon dann absprechen, wenn die Vereinbarung für eine der Parteien nachteilig wäre.92 Denn, wäre die Vereinbarung ergebnisneutral, könnte auf sie und ihre gerichtliche Feststellung verzichtet werden. Die Prozeßhandlung, mit welcher der Rechtswahlvertrag in den Prozeß eingeführt wurde, kann widerrufen werden.9l 86 Schack, Rechtswahl im Prozeß?, NJW 1984, S. 2738; Manse/, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S.12; Thode, ZfBR 1989, S.45; v.Bar, IPR, Band 2, Rz.461; Straub, IPrax 1994, S.433; Spickhojf, Tatortregel, 1Prax2000, S.6; a.A. v. Hoffmann, Wahl des Deliktsstatuts, IPrax 1988, S. 307, und Staudinger-v. Hojfmann, Art. 38 EGBGB Rz. 151. Buchta, S. 53 f., Mitterer, S. 137-139, Steiner, S. 124f., und Berger, JuS 1999, S. 1097, machen den Erklärungswillen nach dem objektiven Empfängerhorizont davon abhängig, ob die Partei anwaltlieh vertreten ist. Angesichts der zahlreichen höchstrichterlichen Urteile, in denen sich die Parteientrotz Anwaltszwang nicht zum anwendbaren Recht äußerten, erscheint es nicht zwingend, daß der objektive Empfängerhorizont diesbezüglich bei anwaltlicher Vertretung ein anderer ist. 87 E.Lorenz, Rechtswahlerklärungen, RIW 1992, S. 701; Menne, JuS 1998. S. 714 FN32; a. A. Spickhojf, Tatortregel, IPrax 2000, S. 7, für den Fall, daß sich die Parteien vor einem deutschen Gericht über ausländisches Recht streiten. Hier hätten sich die Parteien im Zweifel Gedanken über die Frage des anwendbaren Rechts gemacht. Der BGH greift aber auch in solchen Fällen zusätzlich auf weitere Indizien zurück, s. BGH, Urt. v. 24.11.1989, in: NJW-RR 1990, S.249. 88 So schon: Raape, S. 120 und S.61; s.a. Krophol/er, Deliktsrecht, RabelsZ 33 (1969), S. 642; Ferid, § 6-25,2. Für den Anwaltsprozeß s. oben FN 86. 89 Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 309. 90 So schon: RG, Urt. v.I0.05.1884, in: RGZ 12, S. 37. 91 Ersteres stellt die pragmatische, letzteres die dogmatische Lösung des Problems dar. Die Diskussion beider Theorien führte hier zu weit vom Thema ab. Diese beiden möglichen Folgen (s.Text) verkenntdas OLG Saarbrücken, Urt. v.l3.10.1965, in: OLGZ1966, S.145f.: Die spätere Berufung auf ein anderes anwendbares Recht als dem bisherigen Parteivortrag - stillschweigend aber irrig- zugrundegelegt, wird vom Gericht ignoriert. 92 So aber: Schack, Stillschweigende Rechtswahl, IPrax 1986, S. 274.

s•

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

Selbstverständlich können die Parteien beim Abschluß einer Rechtswahlvereinbarung durch ihren Anwalt vertreten werden.94 Soweit die Rechtswahl jedoch Wirkungen über das konkrete Prozeßrechtsverhältnis hinaus hat, z. B. gegenüber einem am Verfahren nicht beteiligten Dritten, muß die Anwaltsvollmacht über den gesetzlichen Mindestumfang nach§§ 81, 83ZPO hinausgehen. 95 Davon zu unterscheiden ist die im Prozeß vorgetragene- irrige- Rechtsüberzeugung, die auch im Anwaltsprozeß nicht ausgeschlossen ist,96 ein bestimmtes Recht sei berufen. 97 Denn dies käme einer Bestimmung des Vertragsstatuts durch rügelose Einlassung gleich, die das deutsche Recht nicht kennt.98 Vielmehr kann die übereinstimmende Erwartungshaltung der Parteien allenfalls über Art. 28 EGBGB Berücksichtigung finden, soweit sie in eine übereinstimmende Interessenlage einmündet.99 Der Meinung v. Hoffmann's, hierbei handele es sich um eine Präklusion verspäteter Rechtsausführungen ähnlich wie bei der Begründung der internationalen Zuständigkeit durch rügelose Einlassung(§ 39 ZPO), 100 kann nicht gefolgt werden. Denn hierdurch würden zwei Ebenen miteinander vermengt: Die prozessuale und die kollisionsrechtliche. Wahrend das deutsche Prozeßrecht auf der prozessualen Ebene der rügelosen Einlassung Folgen beirnißt, ist dem deutschen Kollisionsrecht solches völlig fremd. Auch kann diese Problematik nicht mit der des § 296 ZPO verglichen werden: Denn § 296 ZPO betrifft ausschließlich sachliches und prozessuales Vorbringen, 101 nicht aber rechtliches. Letzteres ist bis in die Revisionsinstanz zu keiner Zeit präkludiert.1o2 93 Buchta, S. 47. Dem liegt die Qualifikation der Rechtswahl als Doppeltatbestand zugrunde: Das Vorbringen als Prozeßhandlung untersteht dem Prozeßrecht, das zugrundeliegende Rechtsgeschäft untersteht dem Kollisionsrecht, s. Buchta, S. 46. 94 Die Problematisierung durch Buchta (Buchta, S. 82-88) erscheint bei dem eindeutigen Gesetzestext, wonach die Anwaltsvollmacht im Regelfall die Vollmacht zum Abschluß eines Vergleichs (also auch eines Vertrages) einschließt, nur schwer nachvollziehbar. 9S Neuhaus, IPR, S. 263; Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZvglRWiss86 (1987), S.13. 96 Stein/e, ZVglRWiss 93 (1994), S. 313. 97 So schon BGH, Urt. v. 13.07.1959, in: IPRspr. 1958/59, S. 7; s. a.: Schack, Rechtswahl im Prozeß?, NJW 1984, S. 2738; Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86(1987), 5.12; Reithmann/Martiny-Martiny, Rz.53 (=S. 73)mit3 Beispielenaus der Rechtsprechung vor der Reform des IPR 1986 und einem Beispiel aus der Zeit kurz danach. 98 Manse/, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S. 12. Nach Buchta, S. 73, hat die rügelose Einlassung vor einem international unzuständigen Gericht keinen Erklärungswert hinsichtlich einer Rechtswahl, da der Gesetzgeber hier aus der Vielzahl der zugrundeliegenden Motive keines herausgegriffen und dem Verhalten die entsprechende Bedeutung beigegeben hat. 99 MünchKomm-Martiny, Art. 28 EGBGB Rz. 89; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 309. •oo Staudinger-v.Hoffinann, Art.38EGBGB Rz. 151. 101 Thomas/Putzo, § 146 Rz. 2; a A. v. Hojfmann, Wahl des Deliktsstatuts, IPrax 1988, S. 307, der Ausführungen zur Zuständigkeit als Rechtsausführungen qualifiziert und dementsprechend a minore ad maius zur Präklusion der Rechtswahlausführungen nach § 296 ZPO kommt.

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Bestehen also Zweifel an einer dem Parteivortrag zugrundeliegenden Willensbildung, so ist eine stillschweigende Rechtswahl zu vemeinen. 103 Das Gericht ist dann aber auch nicht befugt, ohne Hinweis einfach nach dem objektiv anwendbaren Recht zu entscheiden,§ 278 illZP0. 104 In diesem Fall wird es automatisch zu einer Erörterung der kollisionsrechtlichen Lage kommen. Eine stillschweigende Rechtswahl ist damit faktisch ausgeschlossen. 105 Denn die Parteien geben entweder ausdrücklich zu erkennen, daß sie in Kenntnis ihrer Wahlmöglichkeiten sich für das vorgetragene Recht entschieden haben oder das Gericht muß sie auf die Möglichkeit einverständlicher Rechtswahl hinweisen. 106 Die bisherige gerichtliche Praxis läuft auf eine objektive Anknüpfung an das Prozeßverhalten der Parteien hinaus, die sich dadurch von der stillschweigenden Rechtswahl im Prozeß unterscheidet, daß auf die Feststellung eines realen Parteiwillens verzichtet wird107• Dieses prozessuale Verhalten ist aber kein Gebrauchmachen von Rechtswahlfreiheit und wird daher vom Schutzumfang des Grundrechts aus Art.2IGG nicht erfaßt. Im Gegenteil: In Fällen fehlenden Erklärungsbewußtseins kommt dann vielmehr der Schutz der negativen Vertragsfreiheit, der ebenfalls aus Art. 2 I GG besteht, zum Tragen. Diese negative Vertragsfreiheit findet jedoch nicht ihre Schranken im öffentlichen Interesse an einer besseren Entscheidung, auch wenn eine Entscheidung nach der Iex fori ohne kollisionsrechtliche Bezüge in der Regel schneller und entsprechend dem Stand der Lehre und der Rechtsprechung ergeht. 108 Da eine objektive Anknüpfung an das Pro102 Schack, Rechtswahl im Prozeß?, NJW 1984, S. 2739; ders.: Stillschweigende Rechtswahl, IPrax 1986, S. 273; Zöller-Greger, § 282 Rz. 2b (nur allgemeine rechtliche Ausführungen); a.A. ohne Begründung: v.Hoffmann, IPR, § 10 Rz. 37. 103 Schack, Stillschweigende Rechtswahl, IPrax 1986, S. 274; Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S.12. 104 BGH, Urteil vom 19.12.1975, in: MDR 1976, S. 379 f.; Fudickar, S. 96f.; Schack, Rechtswahl im Prozeß?, NJW 1984, S. 2739; Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S.l4; Zöller-Greger, §278 Rz. 10; s. a. Buchta, S. 62, der davon eine Ausnahme machen will, wenn die objektive Anknüpfung zum selben Ergebnis kommt. Im Unterschied zu §278III ZPO gebietet§ 139ZPO dem Gericht nur, sich nach einer eventuell schon vorgenommenen Rechtswahl zu erkundigen; das Ergebnis ist aber dasselbe, nämlich eine gerichtliche Erörterung der kollisionsrechtlichen Lage. 105 Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S.14; W.Lorenz, Schuldvertragsrecht, IPrax 1987,S.273; Thode,ZffiR 1989, S.46; v.Bar, IPR, Band 2, S.461 a. E.; ähnlich auch Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S.310 und 313: Er weist auf den einzig denkbaren Fall hin, daß die Parteien zuvor ein Recht ausdrücklich vereinbart haben, dies aber im Prozeß ignorieren; s.a.BGH, Urt. v.l5.01.1986, in: IPrax 1986, S.293. 106 Ähnlich formulierte es schon das Reichsgericht Urt. v. 30.01.1889, in: RGZ 23, S. 34, wo die Hinweispflicht aber auf solche Fälle beschränkt wird, in denen der Richter zugunsten einer Partei dem einheimischen Recht einen Rechtsbehelf entnimmt, den die Partei selbst nicht geltend gemacht hat. Schlosser, JR 1987, S. 161, sieht dies als Fall rechtlichen Gehörs: Will das Gericht dem Verhalten der Parteien eine Interpretation entnehmen, die sich nicht aufdrängt, muß es Gelegenheit geben, diese - ins Auge gefaßte - Interpretation zu kommentieren. 107 Hohloch, NZV 1988, S.168. 108 Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 554; Staudinger-v. Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rz. 149 a. E.

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

zeßverhalten weder einen Bezug zum Sachverhalt noch einen Bezug zum Parteiwillen voraussetzt, ist sie überdies auch dem deutschen Internationalen Privatrecht fremd 109• Der so abgegrenzte Schutzumfang der Parteiautonomie findet seine Stütze auch in dem Art. 27 EGBGB zugrundeliegenden EuiPRÜ, das nach Art. 36 EGBGB einheitlich europäisch auszulegen ist (dazu ausführlich Kapitel C IV 1 a, S. 83 f.). Denn der englischsprachige und der französischsprachige Text des zugrundeliegenden EuiPRÜ legen an die Anhaltspunkte für eine stillschweigende Rechtswahl einen höheren Maßstab an; .,demonstrated with reasonable certainty by the terms of the contract or the circumstances of the case" bzw. ,,resulter de fa~on certaine des dispositions du contrat ou des circonstances de la cause" meint mehr als nur Bezugnahme auf ein bestimmtes Recht im Prozeß.110 Hinzu kommt die sehr deutliche Klarstellung im Bericht von Giuliano/Lagarde, daß die Möglichkeit der stillschweigenden Rechtswahl keine Ermächtigung für den Richter ist, den Parteien eine Rechtswahl zu unterstellen. 111 In diesem Zusammenhang sei nur darauf hingewiesen, daß sich das Österreichische IPRG dieser Diskussion entzogen hat, indem es die in einem anhängigen Verfahren bloß schlüssig getroffene Rechtswahl für unbeachtlich erklärt (§ 11 ll IPRG). Diese Lösung hat einiges für sich, zumal sie die Rechte der Parteien nicht beschneidet, aber ihren bewußten und wohlüberlegten Gebrauch sichert.

Stillschweigende Rechtswahl vor und im Prozeß hat also nur insoweit am Schutzumfang der Parteiautonomie teil, als der erforderliche Erklärungswille für Dritte erkennbar vorliegt. Anderenfalls untersteht auch das Nichtvorliegen des Erklärungswillen grundrechtlichem Schutz. Denn beides entspringt dem nach Art. 2 I GG geschützten Selbstbestimmungsrecht.

109 Steiner, S. l40f., fordert deshalb de lege lata eine Anknüpfung des subjektiv bestimmten Vertragsstatuts an die Geltungsannahme durch die Parteien. A. A. Flessner, Fakultatives KolIisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 567, sowie Kreuzer, Kollisionsrechtliche Probleme der Produkthaftung, IPrax 1982, S. 3 und 4, die darin eine objektive Anknüpfungsregel kraft Gewohnheitsrecht sehen, zu der sich der BGH bekennen sollte; dagegen Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZvgiRWiss 86 (1987), S. 8, und Hohloch, NZV 1988, S.168; a.A. auch v.Hoffmann, Wahldes Deliktsstatuts, IPrax 1988, S.307, derzwar im Ergebnis der BGH-Rechtsprechung zustimmt, dies aber mit der Präklusion verspäteter Rechtsausführungen im Prozeß begründen will (s. oben S. 68). 110 Thode, ZffiR 1989, S. 45; Steinle, ZVgiRWiss 93 (1994), S. 309. Das EuiPRÜ ist in 6 Amtssprachen abgedruckt bei: Pirrung, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, S.306-331. 111 Giuliano/Lagarde, S.49.

II. Der Schutzbereich des Grundrechts auf Parteiautonomie

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2. Fakultativität des Kollisionsrechts Die Fakultativität des Kollisionsrechts wird zumeist im Zusammenhang mit der Zulässigkeil von Rechtswahlvereinbarungen erörtert; 112 zu Recht, denn beide Institute sind eng miteinander verknüpft. ,,Fakultativität" meint dabei zunächst nichts anderes als "Freiwilligkeit", d. h. das Internationale Privatrecht wird nicht mehr von Amts wegen angewandt, sondern ist in das Belieben der Parteien gestellt. Es wird zunächst unmittelbar das Sachrecht der Iex fori angewandt; das Kollisionsrecht wird nur dann berücksichtigt, wenn mindestens eine der Parteien sich darauf beruft. 113 "Alles hängt von den Parteien und ihrer Wachsamkeit ab". 114

Im Zuge der Reformdiskussionen in den 70er Jahren war die Fakultativität des Kollisionsrechts Gegenstand vertiefter wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Denn der Wortlaut des Art. 3 I EGBGB ist bezüglich des Offizialprinzips nicht zwingend. 115 Daß Vorschriften das anzuwendende Recht bei einem internationalen Sachverhalt bestimmen, heißt noch nicht, daß die Vorschriften selbst (also das Kollisionsrecht) zwingend sind. Im Internationalen Schuldvertragsrecht sind sie es auch nicht: Dort können die Parteien gern. Art.27IEGBGB das anwendbare Recht autonom bestimmen, so daß objektives Kollisionsrecht nicht zum Zuge kommt. Wie noch darzulegen sein wird, ist diese Rechtswahlmöglichkeit nicht auf das Schuldvertragsrecht begrenzt. Zudem kann im Zivilrecht nach dem Beibringungsgrundsatz und der Dispositionsmaxime auch ganz auf die Rechtsverfolgung und damit de facto auf den Anspruch selbst verzichtet werden; demgegenüber erscheint der "Verzicht" auf die nicht authentische Anwendung fremden Rechts als minus. 116 Deshalb ist zu prüfen, ob das fakultative Kollisionsrecht auch am Schutz der Parteiautonomie nach Art. 2 I GG teilhat.

s. z.B. v.Bar, IPR, Band 1, S.541. Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 582. Nicht ganz klar ist der Begriff der Fakultativität, den D. Reichert-Facilides, Fakultatives und zwingendes Kollisions112

113

recht, seiner Arbeit zugrundelegt Einerseits baut er auf der soeben beschriebenen Flessner'schen These auf (s. dort S. 3), andererseits empfiehlt er eine Einigung der Parteien über die Iex fori (s. dort S. 72). Letzteres wäre aber schlichte Rechtswahl (Derselbe Widerspruch tritt aufS. 82 auf, s. dort.). 114 Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 332. m D.Reichert-Facilides, Fakultatives und zwingendes Kollisionsrecht, S.46. 116 Müller-Graf!, RabelsZ 48 (1984), S. 315. Dieses Argument hat jedoch nur vordergründig Bestand, denn es besteht ein qualitativer Unterschied zwischen dem materiellen Anspruch und der anwendbaren Rechtsordnung. Letztere kann nur bestimmt werden-ein "Verzicht" ist denknotwendig ausgeschlossen.

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

a) Annäherung von stillschweigender Rechtswahl undfakultativem Kollisionsrecht in der Praxis Dieser Schluß, daß im Rahmen der Parteiautonomie das Kollisionsrecht zu einem fakultativen würde, mag der Rechtsprechung und den meisten Vertretern der Lehre befremdlich erscheinen, ist doch nach Ansicht der ganz herrschenden Meinung das fakultative Kollisionsrecht spätestens mit der Reform des Internationalen Privatrechts 1986 zur Historie geworden117• Denn seit der (Neu-)Kodifikation der allgemeinen Grundlagen und des Schuldrechts, ohne darin die Fakultativität aufzunehmen, kann man nicht mehr mit einer dahingehenden Kollisionsregel argumentieren11s. Konnte noch Müller-Graff aus dem Nichtbestehen einer positiven Regelung den Schluß ziehen, daß keine verbindlichen Rechtsregeln entgegenstünden,119 so muß man das Schweigen des Reformgesetzgebers heute als Absage an die Fakultativität werten. 12° Denn schon in der Gesetzesbegründung erklärte der Gesetzgeber das fakultative Kollisionsrecht für nicht vereinbar mit dem Interesse an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit des Rechts. 12 1 Es bleibt dann auch kein Raum mehr für eine Kollisionsregel im Sinne einer objektiven Schwerpunktbildung des Rechtsverhältnisses durch das Nähekriterium der internationalen Zuständigkeit. 122 Die Bindungskraft der gesetzlichen Normierungen erlaubt es nicht, einem generellen Abänderungsbedürfnis nachzugeben.l23 Schaut man sich aber die Rechtsprechung - auch die nach 1986 - zur stillschweigenden Rechtswahl im Prozeß näher an, so wird man entdecken, daß man in der Rechtspraxis von einem fakultativen Kollisionsrecht nicht weit entfernt ist. 124 Wie oben (S. 64f.) dargelegt, wird in zahlreichen Prozessen durch alle Instanzen fast selbstverständlich die Iex fori angewandt, nur weil keine der Parteien sich irgendwann auf ausländisches Recht berufen hat. D. h., das Sachrecht der Iex fori gilt, solange sich keine der Parteien auf ausländisches Recht beruft. Nichts anderes sagt die Lehre vom fakultativen Kollisionsrecht125 • Der gemeinsame Nenner besteht darin, daß das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Iex fori und dem nach Kollisionsnormen ermittelten Sachrecht umgedreht wird. Damit werden beide Rechtsinstitute zwar nicht 117 BGH, Urt. v.07.04.1993, in: RIW 1993, S.585f.; v.Bar, IPR, Band 2, S.541 a.E.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 7112 (= S. 46). 118 So noch: F/essner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 556f. und 579. Die dogmatische Unvereinbarkeit mit dem traditionellen Kollisionsrecht scheint dagegen für De Boer kein Problem zu sein, s. De Boer, Rec. des Cours, 1996 I, S. 329. 119 Müller-G raff, RabelsZ 48 (1984), S. 300. 12o A. A. G. Wagner, ZEuP 1999, S. 9. 121 Gesetzentwurf der BReg, in: BT-Drucks. 10/504, S.26. 122 So die Kollisionsregel nach Müller-Graff, RabelsZ 48 (1984), S. 309f. 123 Schurig,lnteressenjurisprudenz im IPR, RabelsZ 59 (1995), S.239f. 124 F/essner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S.547 und 566f. 125 Schack, Stillschweigende Rechtswahl, IPrax 1986, S. 273. De Boer, Rec. des Cours, 1996 I, S.330.

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identisch, aber sie decken sich im Teilbereich des Internationalen Schuldrechts und anderer Rechtsgebiete, wo Parteiautonomie zulässig ist. 126 Schließlich gäbe es auch viele Gründe, das "Heimwärtsstreben" der Justiz durch ein fakultatives Kollisionsrecht zu sanktionieren: Entscheidet der Richter nach der Iex fori, so ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich geringer, daß ein Gesetz, eine höchstrichterliche Entscheidung oder eine tatsächliche Praxis übersehen wird.127 Besonders die Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln nach fremdem Recht kann den Ausgang des Prozesses zu einem nicht kalkulierbaren Risiko machen. Dies gilt verstärkt in solchen Rechtsgebieten, in denen ein hohes Maß an Wertentscheidung das jeweilige Urteil trägt, wie z. B. dem Wettbewerbsrecht.128 Auch könnte auf zeitaufwendigel29 und teure Gutachten durch einschlägige Institute verzichtet werden, die ohnehin die Gefahr des gutachtlichen Präjudizes in sich bergen. 13 Kurz: Die richterliche Entscheidung nach heimischem Recht wäre von anderer- besserer- Qualität als die nach ausländischem Recht, 131 solange keine starke Verbindung des Sachverhalts zu einem ausländischen Recht gegeben ist. 132

°

t26 G. Wagner, ZEuP 1999, S. 26 f. argumentiert zwar auch aus der materiellen Dispositionsbefugnis der Parteien heraus. Nach seinem Verständnis unterscheidet sich aber die Fakultativität des Kollisionsrechts von der stillschweigenden Rechtswahl im Prozeß wesentlich im Gegenstand der Disposition. Nicht das Rechtsverhältnis unterliege der Fakultativität sondern der Streitgegenstand. Dies habe Auswirkungen vor allem auf die Bindungswirkungen außerhalb des Prozesses. (Dabei übersieht Wagner, daß auch die Rechtswahl nach Art. 27 I 3, II 1 EGBGB äußerst flexibel gehandhabt werden kann.) Auch handele es sich bei Fakultativität nicht um ein Rechtsgeschäft, sondern um eine reine Prozeßhandlung, für die die Regeln der Rechtsgeschäftslehre gerade nicht einschlägig seien. Wie sich dies mit seinem Postulat der Einverständlichkeit (s. S. 77 FN 159 und S. 78 FN 163) verbinden läßt, bleibt jedoch offen. 127 Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 550; Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 345; De Boer, Rec. des Cours, 19961, S. 306. 128 Müller-Graff, RabelsZ 48 (1984), S. 295, der darin ein Authentizitätsproblem sieht. 129 Allerdings erscheint der Zeitgewinn fraglich, wenn Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 338, feststellt, daß auch das fakultative Kollisionsrecht nicht vom Durchdenkenmüssen mehrerer Rechtsordnungen, die für eine Entscheidung in Frage kommen, befreit. 13° Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 550; Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 345; Koerner, S. 83. 13 1 Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 554; ders.: Interessenjurisprudenz im IPR, S. 59; Zweigert, Zur Armut des IPR an sozialen Werten, RabelsZ 7 (1973), S. 445. Schurig, Interessenjurisprudenz im IPR, RabelsZ 59 (1995), S. 241, will dieses Urteil auf Ausnahmefalle beschränkt wissen. Die Regel sei der Routinefall, wo die Anwendung ausländischen Rechts keinerlei Probleme mache und Gutachten nicht angefordert werden müßten. Flessners These bezweifelt auch Koerner, S. 103 f., unter Hinweis auf die Möglichkeit der Ablehnung von Gutachtern nach §406 ZPO. Ferner führe eine Nicht-Vertrautheit mit dem anzuwendenden Recht oft auch zu größerer Umsicht und gründlicherer Arbeit als der Umgang mit Routinevorschriften. D. Reichert-Facilides, Fakultatives und zwingendes Kollisionsrecht, S. 54, beschränkt diese Problematik auf die Entscheidungsgründe und kommt so zu einem geringen Parteiinteresse an qualitativ hochwertiger Justiz.

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Die Notwendigkeit der Fakultativität des Kollisionsrechts wird zuweilen aus der Kategorisierung der Berufung auf ausländisches Recht als prozessuales Angriffsund Verteidigungsmittel im Sinne des § 296 ZPO hergeleitet. 133 Jedoch kann die Berufung auf eine ganze Rechtsordnung nicht mit dem Erheben einer Einrede verglichen werden: Letzteres ist im Gesetz (§ 282 I ZPO) ausdrücklich geregelt und betrifft lediglich eine einzelne umgrenzte Rechtslage, nicht die Anwendbarkeit einer ganzen Rechtsordnung134• Diese Ausnahmeregelung ergibt nur dann einen Sinn, wenn sie auf Ausnahmen beschränkt bleibt. Sie zur Regel zu erklären, entspricht nicht der Intention des Gesetzgebers.

b) Europäischer Rechtsvergleich Auch in Frankreich kann nicht ohne weiteres von einem fakultativen Kollisionsrecht ausgegangen werden135• Denn dort ist die Frage des fakultativen Kollisionsrechts lediglich Teil einer allgemeinen zivilprozeßrechtlichen Frage; es ist schon streitig, ob überhaupt eine Rechtsregel angewandt werden darf, deren Prüfung die Parteien nicht beantragt haben, d. h. der Sachvortrag nicht auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hin angelegt war, sondern die nur beiläufig erwähnt wurde. 1l6 Dieselbe Problematik kehrt in Fällen mit Auslandsberührung wieder, da die Kollisionsnormen in ihrer prozessualen Bedeutung mit den übrigen Normen der lex fori gleichgestellt sind, was aber laut Koemer von der Literatur heftig bestritten wird.137 Selbst wenn man hier also von einer "Fakultativität" des (Kollisions-)Rechts sprechen wollte, so liegt sie auch in Frankreich nicht ganz in der Hand der Parteien, denn der Richter hat nach Art.12INcpc freies Ermessen, ob er das Kollisionsrecht dennoch anwendet oder nicht.' 38 Ausnahmen bestehen für Kollisionsnormen staatsvertragliehen Ursprungs und solche, die zwingendes Recht betreffen. Diese hat der Richter unabhängig vom Parteiwillen zu beachten.139

132

Zweigert, Zur Armut des IPR an sozialen Werten, RabelsZ 37 (19-73), S.439; Koerner,

s. 108f.

Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S.568. Müller-Graff, RabelsZ 48 (1984). S.297; G. Wagner, ZEuP 1999, S. l8f.; a.A. Koerner, S.61 f. m A.A.: Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 548f.; Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 338. 136 Zur (uneinheitlichen) französischen Rechtsprechung und zu den Stellungnahmen der Literatur ausführlich: Koerner, S. 36-40. 137 Koerner, S. 37-39. 13& Daranknüpft Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 339f. seine Kritik, ohne deshalb Frankreich ein fakultatives Kollisionsrecht absprechen zu wollen. Ebenso: De Boer, Rec. des Cours, 19961, S.410. 139 Koer~r. S. 29. Zurneueren Rechtsprechung hinsichtlich internationaler Kaufverträge s. G. Wagner, ZEuP 1999, S. 39 mit Nachw. 133

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In England wird ausländisches Recht nach wie vor als Tatsache behandelt.I40 Es muß von den Parteien vorgetragen und unter Einschaltung eines Sachverständigen nachgewiesen werden, andernfalls das Gericht den Fall nach englischem Recht entscheidet.141 Auf den ersten Blick scheint also alles auf eine Fakultativität des Kollisionsrechts hinzudeuten.142 Doch sieht man auch in England, daß man damit im Abseits europäischer Rechtsentwicklung stünde: Das EuiPRÜ wurde zwar auch in England ratifiziert, jedoch wird betont, daß dieses auf die Tatsächlichkeil ausländischen Rechts in England keinen Einfluß haben könne; denn das EuiPRÜ sei ein Übereinkommen hinsichtlich materiellen Rechts, die Frage des anwendbaren Rechts in England aber ein prozessuales Problem. 143 Bei genauer Betrachtungsweise kommt man aber auch in England nicht zu einem fakultativen Kollisionsrecht. 144 Denn das Kollisionsrecht wird vom englischen Richter stets beachtet.145 Er kommt auch ohne entsprechenden Parteivortrag zu dem Ergebnis, daß auf den konkreten Fall englisches oder ausländisches Recht (kraft Rechtswahl) anzuwenden sei. Die Behandlung des ausländischen Rechts als Tatsache, samt der damit verbundenen Darlegungs-und Beweisptlicht, führt lediglich zu einer Vermutungswirkung bezüglich des Inhalts ausländischen Rechts: Wird nichts anderes bewiesen, so geht das englische Gericht davon aus, daß das ausländische Recht mit dem englischen Recht identisch ist und wendet deshalb auf den Rechtsstreit englisches Recht an. 146 Der Schluß von ReichertFacilides, wonach Voraussetzung der Anwendung ausländischen Rechts sei, daß wenigstens eine Partei darauf bestehe,147 stimmt deshalb so nicht. Eine ähnliche Regelung hat auch die Schweiz bei der Neu-Kodifikation ihres !PRGesetzes 1987148 vorgenommen: Die Kollisionsnormen sind stets von Amts wegen zu beachten. Dies geht implizit aus dem schweizerischen IPRG hervor. 149 Lediglich die Ermittlung des Inhalts des anzuwendenden ausländischen Rechts kann in verStatt aller: Collins, Dicey and Morris, Vol. 1, S. 226. Collins, Dicey and Morris, Vol.1, S. 230. 142 De Boer, Rec. des Cours, 19961, S. 269f.; zustimmend: G. Wagner, ZEuP 1999, S.16 FN 52. G. Wagner, ebenda, S.17, schreibt dem§ 293ZPO ähnliche Wirkung zu. Indem hierduch 140 14 1

das ausländische Recht dem Beweiserfordernis unterworfen wird, wird es wie eine Tatsache behandelt. Dem ist jedoch nicht zuzstimmen, da das ausländische Recht- anders als Tatsachen- nicht vorgetragen werden muß, andererseits das Gericht hier auf den Parteivortrag nicht beschränkt ist. Im Gegenteil: Nach ganz h. M. kann eine Revision nach § 549 I ZPO auf die ungenügende Ermittlung des ausländischen Rechts von Amts wegen durch das Gericht gestützt werden. 143 Collins, Dicey and Morris, Vol. 1, S. 229; auf die daraus folgende Umgehungsmöglichkeit bezüglich des EuiPRÜ macht North/Fawcett, S. 474, aufmerksam. 144 De Boer, Rec. des Cours, 1996I, S.416, begründet dies mit der Darlegungs-und Beweispflicht der Parteien für den Inhalt ausländischen Rechts. 145 Graveson, S.16. 146 Collins, Dicey and Morris, Vol. 1, S. 238. 147 D.Reichert-Facilides, Fakultatives und zwingendes Kollisionsrecht, S. 31. 141 In Kraft seit 1. Januar 1989. 14 9 Schnyder, Das neue IPR-Gesetz, S.32.

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mögensrechtlichen Streitigkeiten gemäß Art. 16 I 3 schweiz. IPRG den Parteien auferlegt werden, sofern das ausländische Recht nicht von einem Staatsvertrag berufen wurde. Scheitert die amtswegige Ermittlung bzw. der Nachweis durch die Parteien, kommt schweizerisches Recht als Ersatzrecht zur Anwendung, Art. 16 II schweiz. IPRG. Daraus geht hervor, daß auch in der Schweiz ausländisches Recht als Recht behandelt wird. Obwohl Schnyder im Zusammenhang mit der Übertragung der Ermittlung ausländischen Rechts von einer "autonomen Fakultativregelung" 150 spricht, hat dennoch die Schweiz genausowenig wie England und Frankreich ein fakultatives Kollisionsrecht.151 Denn die Kollisionsnormen sind stets von Amts wegen anzuwenden. Lediglich die Ermittlung des Inhalts ausländischen Rechts kann in die Hand der Parteien gelegt werden. c) Würdigung

Das fakultative Kollisionsrecht ist sowohl aus verfassungsrechtlichen Gründen152 als auch aus kollisionsrechtlicher Sicht nicht mit der gegenwärtigen Rechtslage vereinbar. Verfassungsrechtlich begegnet das fakultative Kollisionsrecht schweren Bedenken. Denn zum einen wird es nicht mehr vom Schutzumfang des Art. 2 I GG erfaßt, zum anderen wird eben dieses Grundrecht durch das fakultative Kollisionsrecht übermäßig eingeschränkt. Im einzelnen: Parteiautonomie entspringt, wie bereits dargelegt, dem nach Art. 2 I GG geschützten Selbstbestimmungsrecht des Menschen. Hierzu gehört auch der rechtsgeschäftliehe Erklärungswille, der weder ignoriert noch unterlegt werden darf. Da die Fakultativität des Kollisionsrechts ("Wahl" der Iex fori durch bloßes Unterlassen der Wahl des Kollisionsrechts) jedoch kein notwendiges Willensmoment enthält, kann sie am Schutzumfang des Art. 2 I GG nicht teilhaben. Deshalb kann sie auch Parteiinteressen nicht angemessen berücksichtigen. Oft wird in der Diskussion unterstellt, die Parteien hätten ein Interesse an hoher justizieller Qualität153 . Jedoch will eine Partei, die vor Gericht zieht, ihren Anspruch durchsetzen, eine Verletzung abwehren, etc. -ganz allgemein: ,,Recht" bekommen. Ob das erstrebte Urteil von hoher juSchnyder, Das neue IPR-Gesetz, S. 33. Für die Schweiz: lPRG-Komm.-Keller/Girsberger, Art. 16 Rz. 10. tsl Trotz der eingehenden Beschäftigung der Lehre mit diesem Rechtsinstitut ist dieses lediglich von Koerner unter verfassungsrechtlichem Aspekt gewürdigt worden, s. Koerner, S. 83 f. Danach kommt der Staat bei einer fakultativen Ausgestaltung des Kollisionsrechts seiner Verfahrensgarantie aus Art. 19 IV GG nicht nach. Dies ist aber so nicht nachvollziehbar, denn Art. 19 IV GG trifft keine Aussage zu der anwendbaren Rechtsordnung; zudem ist Gegenstand des zivilrechtliehen Streits nicht die Ausübung öffentlicher Gewalt, sondern das Handeln Privater. tsJ De Boer, Rec. des Cours, 1996 I, S. 322. tso tst

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stizieller Qualität ist, erscheint demgegenüber eine rein akademische Frage, mag man darin auch ein öffentliches Interesse sehen.u4 Ob der vom Kläger erstrebte Anspruch material gerecht ist, läßt sich jedoch nach jeder Rechtsordnung beurteileniSS-in krassen Fällen hilft der heimische ordre public. Wollte man also das Selbstbestimmungsrecht in negativer Hinsicht aus Gründen des öffentlichen Interesses an hoher justizieller Qualität einschränken, so muß man auch berücksichtigen, daß andere Interessen dabei oft nicht ausreichend geschützt werden,156 so z. B. Ordnungsinteressen, Staatsinteressen, Rechtssicherheit, Systemgerechtigkeit etc. 157, ebenso wie Drittinteressen. Darüber hinaus werden tatsächlich bestehende Parteiinteressen durch das fakultative Kollisionsrecht übergangen. Dies ist auch verfassungsrechtlich relevant, da die Aufklärung der Partei über ihre rechtlichen Möglichkeiten in einem Prozeß gerade die Grundlage für ihre Willensbildung ist. Denn nur eine Partei, die um ihre Rechtswahlmöglichkeit weiß, kann Vor- und Nachteile der Anwendung ausländischen Rechts abwägen. Das heißt nicht, daß rechtliche Aufklärung verfassungsrechtlich geboten sei, s. § 139 ZPO. Jedoch darf die rechtliche Unerfahrenheit nicht durch staatliche Institutionen ausgenutzt werden, s. § 278 illZPO. Bei fakultativem Kollisionsrecht erfolgt aber in der Regel gerade keine Aufklärung der anderen Partei.158 Somit ist einer einseitigen Bestimmung der Anwendung1s9 ausländischen Lüderitz, S. 53; er unterstellt dieser Argumentation sogar Arglist (s. ebenda S. 51). Zur Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen: Savigny, S. 27; ein "Grundaxiom des IPR", so: Schurig, Interessenjurisprudenz im IPR, RabelsZ 59 ( 1995), S. 241 f., s. ausführlich: Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 52-54; kritisch: Zweigert, Zur Armut des IPR an sozialen Werten, RabelsZ 37 (1973), S.437, der sich aber kurz darauf selbst widerspricht (s. S.446); a. A. Flessner, Interessenjurisprudenz im IPR, S. 115: Die Gleichberechtigung aller Rechtsordnungen kann nicht erreicht werden, da es dafür keinen Interessenten gibt. A. A. auch Siehr, Ausländische Eingriffsnormen, RabelsZ 52 {1988), S. 88, aus praktischer Erfahrung; diese bringt lediglich Inkompatibilität zum Ausdruck, aber keine Wertung. A. A. auch De Boer, Rec. des Cours, 1996I, S. 403, aus praktischen Erwägungen. A. A. wohl auch G. Wagner, ZEuP 1999, S. 25, der in diesem Zusammenhang von "Standards der Iex fori" spricht. 156 Koerner, S. 114. 157 Schurig, Interessenjurisprudenz im IPR, RabelsZ 59 (1995), S. 237, der dort ausführlich zum Systemstreit zwischen Begriffsjurisprudenz und Interessenjurisprudenz Stellung nimmt. 158 A. A. G. Wagner, ZEuP 1999, S. 44f. unter Hinweis auf§ 139ZPO. Danach habe der Richter die Parteien im Zweifelsfall aufzufordern, sich zur IPR-Frage zu äußern, also zu erklären, nach welcher Rechtsordnung ihr Streit entschieden werden soll. 159 Die Einseitigkeit der Bestimmung der (Nicht-)Anwendung verkennt Wagner, wenn er den Vergleich zwischen fehlendem Sachvortrag zur Einwendung und der Fakultativität des Kollisionsrechts zieht. In beiden Fällen stünde die Anwendung objektiven Rechts zur Disposition der Parteien, s. G. Wagner, ZEuP 1999, S. 19. Dies unterstellt den Parteien ein Erklärungsbewußtsein, was gerade nicht vorliegt. Denn, warum soll eine Partei, die sich eines gerichtlich geltendgemachten Anspruches ausgesetzt sieht, es unterlassen, sich gegen den Anspruch zu verteidigen, wenn nicht aus Unkenntnis oder Nachlässigkeit? Beides hat mit "Disposition" nichts zu tun. Im Gegenteil: Bei bewußtem und gewollten Vortrag zur Iex fori bzw. Schweigen zum Kollisionsrecht ist bei zusätzlichen tatsächlichen Anhaltspunkten von einer 154

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

Rechts aufgrund der Interessenlage lediglich einer Partei Tür und Tor geöffnet. Einer Profitgier der Gegenpartei wäre die rechtlich weniger gut beratene Partei 160 hilflos ausgeÜefert, denn sie könnte der Anwendung ausländischen Rechts dann nicht mehr widersprechen. 161 So könnte sich die prozessuale Lage schlagartig zu ihrem Nachteil verändern und sei es in der Berufungsinstanz- eben dann, wenn sich die andere Partei auf ausländisches Recht beruft.162 Denn bei fakultativem Kollisionsrecht ist gerade nicht ein einverständliches oder auch nur paralleles Handeln notwendig.163 Eine Bindung der Parteien an die Iex fori träte erst zu einem sehr späten Zeitpunkt, nämlich nach dem Schluß der letzten mündlichen Verhandlung, ein. 164 Letztendlich schützt das fakultative Kollisionsrecht auch nur den Prozeßbeteiligten, der auf die Anwendung des Kollisionsrechts vertraut. 165 Das Vertrauen auf die Nichtanwendung des Kollisionsrechts, welches ja auch Parteiinteresse wäre, ist dagegen nicht g~schützt. Deshalb sind einige Autoren von dem "Überrumpelungseffekt"'66 abgerückt167 und verpflichten nunmehr den Richter, die kollisionsrechtliche Lage zu erörtern. Dann aber kann die Argumentation der Kostenersparnis und Verstillschweigenden Rechtswahl deutschen Sachrechts auszugehen. Des fakultativen Kollisionsrechts bedarf es in solchen Fällen nicht. 160 Demgegenüber geht Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 338 und 341, offensichtlich von einem sehr hohen Stand an Rechtskenntnis im Bereich des Kollisionsrechts aus. 16 1 Die prozessuale Ungleichheit von Parteien mit unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten will dagegen De Boer, Rec. des Cours, 19961, S. 377, als gesellschaftlich bedingt hinnehmen. Demnach wäre das fakultative Kollisionsrecht alleilfalls ein ,,Nachteil" unter vielen für die finanziell schwächere Partei (s. dazu auch unten FN 162). 162 Diesen Nachteil nimmt Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 582, in Kauf. Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 335, sieht trotzdem im fakultativen Kollisionsrecht einen Gewinn an Rechtssicherheit, was daran liege, daß nur zwei Rechte in Frage kämen: die Iex fori oder das per Kollisionsnorm ermittelte Sachrecht. Es bleibt aber dennoch die Frage offen, nach welchem Recht sich das Rechtsverhältnis vorgerichtlich beurteilt. Hierfür kommen doppelt soviele Rechte wie Gerichtsstände in Frage. Dieses Argument ist demnach nur schwer nachvollziehbar. De Boer, Rec. des Cours, 19961, S. 377-380,läßt das Umschlagen der Rechtslage zu einem späten Zeitpunkt des Prozesses durch Berufung auf das Kollisionsrecht außer Betracht und kommt deshalb zu dem Ergebnis, daß in Wahrheit der rechtlich weniger gut beratenen Partei gar kein Nachteil entstehe, solange nicht derNachweis des Inhalts des ausländischen Rechts den Parteien obliegt. 163 So aber Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 344, und G. Wagner, ZEuP1999, S.19, sowieS. 21 ff. und S. 44. 164 Koerner, S.l02. 165 Dieses Vertrauen sieht Flessner, Interessenjurisprudenz im IPR, S.125, als vorzugswürdig gegenüber dem Vertrauen auf die Anwendung der Iex fori an, weil es schützenswert sei. Dies steht jedoch in Widerspruch zu der Qualifizierung der Iex fori als das "bessere" Recht (ebenda S.59). 166 So: Schurig, Interessenjurisprudenz im IPR, RabelsZ 59 (1995), S. 243. 167 Raape/Sturm, S. 307; Flessner, Interessenjurisprudenz im IPR, S. 121 f. Für Zweigert konnte sich dieses Problem nicht aufdrängen, da er den Fall der schlichten Unkenntnis von Kollisionsrecht nicht in Betracht zog, s. Zweigert, Zur Armut des IPR an sozialen Werten, RabelsZ 37 (1973), S.445f.

II. Der Schutzbereich des Grundrechts auf Parteiautonomie

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fahrensbeschleunigung 168 keinen Bestand mehr haben; denn so muß der Richter den Parteien beide Lösungen darlegen und mit ihnen erörtern. 169 Er wird dazu häutig Gutachten heranziehen, die er möglicherweise für die spätere Entscheidung gar nicht braucht. Oder er weist nur ganz pauschal auf die Möglichkeit der Anwendung des Kollisionsrechts hin und verlagert damit die Gutachtenerstellung auf die Parteien, was am Ergebnis nicht viel ändert. 170 In jedem Fall bringt diese Art von Aufklärungspflicht den Richter stets in gefahrliehe Nähe zur nicht zulässigen Rechtsberatung. Es fehlt mithin sowohl an einem übergeordneten Gemeinwohlinteresse als auch an einem zu schützenden Parteiinteresse, das die Einschränkung der Rechtswahlfreiheit i. S. d. Art. 2 I GG rechtfertigen könnte. Auch aus kollisionsrechtlicher Sicht begegnet das fakultative Kollisionsrecht schweren Bedenken: Nicht nur, daß unkundigen Anwälten Schadensersatzansprüche drohen, weil durch die Anwendung des heimischen Sachrechts anstelle des kollisionsrechtlich berufenen ausländischen Sachrechts Schadensersatzansprüche verloren gegangen sind; 171 das "Heimwärtsstreben" führt auch zu einem Rückschritt in die Nationalstaatlichkeit in einem Bereich, wo globale Rechtsentwicklung notwendig ist.l 72 Denn erst internationales Einheitsrecht macht Kollisionsrecht überflüssig, m auch das fakultative, da die Beachtung des Einheitsrechts grundsätzlich174 nicht in das Belieben der Beitrittstaaten oder gar der Parteien vor Gericht gestellt ist. 175 Solange aber Richter nicht immer wieder gezwungen werden, nach ausländischem Recht zu urteilen, kann das internationale Einheitsrecht nicht voranschreiten.l76 Auch ist internationaler Entscheidungseinklang dann kaum noch zu verwirklichen. Die Tatsa168 Besonders von De Boer, Rec. des Cours, 19961, S. 322-324 betont. Das fakultative Kollisionsrecht soll den Richter gerade von dieser Aufklärungspflcht entbinden, s. ebendaS. 325. l69 Koerner, S. 82; ähnlich schon: Lüderitz, S. 53. 170 Schurig, Interessenjurisprudenz im IPR, RabelsZ 59 (1995), S. 243; ähnlich: Koerner, S. 104-107, die darauf hinweist, daß im Regelfall die Gutachterkosten so auf ein Vielfaches steigen; D.Reichert-Facilides, Fakultatives und zwingendes Kollisionsrecht, S. 77, nimmt das in Kauf. A.A.G. Wagner, ZEuP 1999, S.45: Er glaubt, daß die Parteien regelmäßig aufGutachten verzichten werden, wie sie es bei materiell-rechtlicher Rechtswahl auch tun würden. 171 Dies entspreche der allgemeinen Gefahr, daß eine Partei einen Prozeß nur deshalb verliert, weil sie ihn schlecht geführt hat, so: G. Wagner, ZEuP 1999, S. 28. Wagner übersieht aber, daß auch in Prozessen mit anwaltlicher Vertretung selbst in höheren Instanzen die kollisionsrechtliche Frage oft nicht gesehen wird, s. aus neuerer Zeit BGH, Urt. v. 02.10.1997 "Spielbankaffaire", in: BGHZ136, S.380ff. 172 Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 559, thematisiert dieses Problem nicht. 173 Der Gefahrdung für das IPR, die ScluJck, Stillschweigende Rechtswahl, IPrax 1986, S. 273, durch das fakultative Kollisionsrecht sieht, ist auf tatsächlicher Ebene zuzustimmen. 174 Eine Ausnahme bildet hier das Wiener UN-Übereinkommen über den internationalen Warenkauf vom 11.04.1980, s. Art. 6 des Übereinkommens. 175 Dies erkennt auch Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 342, an. 176 Dies sieht auch Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S.580.

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

ehe, daß dies ohnehin meist nur ein frommer Wunsch sei, weil er die Anerkennung des Urteils in anderen Staaten auch nicht garantieren könne, rechtfertigt es nicht, dieses Ideal über Bord zu werfen177• Schließlich ist auch die Grenzziehung zu anderen kollisionsrechtlichen Interessen, wie z. B. dem Drittschutz, dem Schutz des Schwächeren oder der Durchsetzung international zwingender Normen, ein Problem.178 Sturm ist der Ansicht, das fakultative Kollisionsrecht ermögliche einen höheren Rechtsschutz, da die lex fori nach § 549 I ZPO stets revisibel sei, das ausländische Recht aber nicht. 179 Dies ist jedoch nicht zutreffend, da zumindest im deutschen Prozeßrecht die Revision gemäß § 293 ZPO auf die ungenügende Ermittlung ausländischen Rechts gestützt werden kann, 180 was bei einer Fehlentscheidung stets auch gegeben sein dürfte. Lediglich der Rechtsfortbildung ausländischen Rechts, deren Legitimation ohnehin fraglich ist, sind Grenzen gesetzt. Die Revision kann sie nur durchsetzen, wenn sie dahingehende Anhaltspunkte in der ausländischen Rechtslehre selbst findet. Mangels Notwendigkeit geht bei fakultativem Kollisionsrecht die Kenntnis vom und das Interesse für ausländisches Recht verloren, von soziologischen Problemen ganz abgesehen. Diese sollen hier nicht weiter diskutiert werden, aber bei aller Rechtsfortbildung im Auge behalten werden. Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß das fakultative Kollisionsrecht nicht vom Schutzbereich des Rechts auf freie Wahl des anzuwendenden Rechts aus Art. 2 I GG umfaßt wird, da ein zu schützender Erklärungswille fehlt. Vielmehr schränkt es die Rechtswahlfreiheit der Parteien zugunsten der Iex fori ein, indem es einem tatsächlich nicht vorhandenem Erklärungswillen Rechtsfolgen beimißt Auch soweit Parteiinteressen hier eine Rolle spielen,181 wird man ihnen nicht oder nur einseitig gerecht. Es fehlt somit ein sachlicher Grund, so daß sich das fakultative Kollisionsrecht nicht nur als nicht zweckmäßig erweist, sondern auch als nicht verfassungskonform im Sinne der Schranken des Art. 2 I GG.

111. Zusammenfassung Partei- und Privatautonomie sind Ausfluß des Allgemeinen Selbstbestimmungsrechts (Art. 2 I GG). Dabei ist die Parteiautonomie- durch die Disposition über eine gesamte Rechtsordnung - eine Fortsetzung der Privatautonomie in einer anderen Dimension. Dies hat Einfluß auf ihre Schranken: Wahrend diese bei der Privatautonomie im einfachen ius cogens liegen, werden sie bei Parteiautonomie erst durch international zwingendes Recht gezogen. 117 Ähnlich: Müller-Graf!, RabelsZ 48 (1984), S. 305; a. A. wohl: Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 333f.; ähnlich auch G. Wagner, ZEuP 1999, S.40. 17' Kropholler, Internationales Privatrecht, § 7112 (= S. 45). 179 Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, S. 345; Raape/Sturm, S. 307. 180 Junker, Neuere Entwicklungen im IPR, RIW 1998, S. 742 m. zahlr. Nachw. 181 Flessner, Interessenjurisprudenz im IPR, S. 99.

IV. Parteiautonomie in benachbarten Rechtsgebieten

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Soweit die Rechtsprechung Parteiautonomie zuläßt, knüpft sie an ihre formgerechte Ausübung nur wenige Bedingungen. Die Rechtswahl kann auch stillschweigend und bis zum Schluß der letzten Tatsacheninstanz im Prozeß erfolgen. Dabei wird häufig vom Gericht ein dahingehender Parteiwille unterstellt, was die stillschweigende Rechtswahl im Prozeß in gefährliche Nähe zur Fakultativität des Kollisionsrechts rückt. Letztere besagt, daß das Kollisionsrecht nur auf Berufen mindestens einer Partei vom Gericht berücksichtigt wird, ansonsten das Sachrecht der Iex fori zur Anwendung kommt. Dies steht nicht mehr unter dem Schutz des Art. 2 I GG, da es die freie Selbstbestimmung in Wahrheit beschränkt. Aber auch als Schranke von Art. 2 I GG hat das fakultative Kollisionsrecht nicht Teil an der verfassungsmäßigen Ordnung.

IV. Parteiautonomie und ihre verfassungsmäßigen Schranken in benachbarten Rechtsgebieten Da Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht bis heute nicht vertieft diskutiert wurde, muß zunächst auf verwandte Rechtsgebiete, in denen Parteiautonomie eine Rolle spielt oder zumindest diskutiert wird, zurückgegriffen werden. Auch dort ist sie selbstverständlich nicht unbegrenzt; ihre Schranken müssen jedoch stets Teil der verfassungsmäßigen Ordnung sein. Problematisch ist hierbei in den meisten Fällen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Denn Art. 2 I GG eröffnet zwar eine weite Einschränkungsmöglichkeit der Parteiautonomie durch Gemeinwohlinteressen. Die Verdrängung durch Gemeinwohlinteressen kann jedoch nur insoweit verfassungsgemäß sein, als ihre Realisierung durch die Verfassung gefordert wird. 182 Die Untersuchung der Schranken von Parteiautonomie erfolgt nur insoweit, als sie auch im Wettbewerbs- und Kartellrecht auftreten, d. h. offensichtlich spezifisch schuldrechtliche oder immaterialgüterrechtliehe Schranken von Parteiautonomie bleiben außer Betracht. Ebenso soll nicht näher auf tragende Prinzipien und Besonderheiten der zu untersuchenden parallelen Rechtsgebiete eingegangen werden. Denn dies muß für das Wettbewerbs- und Kartellrecht eigenständig ermittelt werden. Im Schlußkapitel soll das Ergebnis der Einzeluntersuchungen auf seine Übertragbarkeit auf das Internationale Wettbewerbs- und Kartellrecht geprüft werden. Dies geschieht durch einen Versuch der Antwort auf die Frage, ob im Wettbewerbsund Kartellrecht besondere, von den untersuchten Rechtsgebieten abweichende Interessenlagen bestehen, die der Parteiautonomie (engere) Schranken setzen können. Personenstands-, Familien- und Erbrecht, und aus dem Schuldrecht die Verbraucher- und Arbeitsverträge stehen von der Interessenlage her in keinem engeren Zusammenhang mit dem Wettbewerbs- und Kartellrecht und werden deshalb nicht in die Untersuchung einbezogen. 182

Dürig in: Maunz/Dürig etal., Art.2Abs. I Rz.19.

6 Laufkötter

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

1. Internationales Schuldvertragsrecht, Artt. 27-37 EGBGB Das Internationale Schuldvertragsrecht war das erste Gebiet, in dem Parteiautonomie in Gestalt der Rechtswahlfreiheit gedacht und verwirklicht wurde. Jedoch ist sie auch hier nicht schrankenlos. Die Schranken, die im folgenden erörtert werden, haben erst recht Gültigkeit für das Internationale Wettbewerbs- und Kartellrecht Denn das Schuldvertragsrecht ist genuin zur Regelung privater Interessen geschaffen; es räumt also Parteiinteressen schon von seiner Grundfunktion her breitestmöglichen Raum ein. Wenn also im Internationalen Schuldvertragsrecht, das allein die Rechtsbeziehungen zwischen privaten Akteuren betrifft, die Parteiautonomie nicht schrankenlos zugestanden wird, dann muß dies erst recht für eine Rechtsmaterie gelten, in der neben der privatrechtliehen Regelung auch Aspekte des öffentlichen Interesses hereinspielen. Dies ist der Fall im Wettbewerbs- und Kartellrecht, wenn diese Rechtsmaterie eingesetzt wird, um die Freiheit und Lauterkeit des Wettbewerbs zu gewährleisten. Keine Beschränkung der Parteiautonomie im Vertragsstatut liegt jedenfalls in der inhaltlichen Ausgestaltung der Rechtswahl vor; 183 weder Art. 27 I EGBGB noch Art. 3 I EuiPRÜ geben für eine Inhaltskontrolle etwas her, zumal auch keine Maßstäbe für eine solche Kontrolle existieren. Diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers manifestiert sich auch in der Aufhebung des § 10 Nr. 8 AGBG, der ursprünglich eine Inhaltskontrolle für Rechtswahl durch AGB vorsah, sowie in den Artt. 29, 30 EGBGB/Artt.5, 6 EuiPRÜ, die lediglich den Umfang der Rechtswahl beschneiden, die Rechtswahl an sich aber unberührt lassen.

a) Eingriffsnormen Die Rechtswahlfreiheit wird am häufigsten durch sog. Eingriffsnormen eingeschränkt. Zwar werden die Eingriffsnormen nur im Rahmen des Schuldvertragsrechts, nämlich in Art. 34 EGBGB, vom Gesetzgeber angesprochen, jedoch ist dadurch ein Phänomen erlaßt, das auch in anderen Rechtsgebieten auftritt. 184 Denn jedes Suchen nach einer Kollisionsnorm muß von zwei Gedankenreihen getragen werden: "Einer internationalen, die in der Idee von der Entscheidungsharmonie umrissen ist, und einer gleichsam nationalen, die besagt, daß diese Entscheidungsharmonie nicht auf Kosten der Interessen des Forumstaates gehen dürfe"18S. Da dieses Postulat selbst zahlreiche unbestimmte Begriffe enthält, sind Eingriffsnormen bis heute ein Gordischer Knoten geblieben.l86 Ziel dieses Abschnitts ist es, in den BeHierzu ausführlich Mankowski, Anmerkung, RIW 1994, S. 422f. m. zahlr. Nachw. Martiny, Rechtsgefälle und Vereinheitlichung, ZeuP 1995, S. 73f.; Siehr, Ausländische Eingriffsnonnen, RabelsZ 52 (1988), S. 96f.; Junker, Schadensersatzptlicht, JZ 1991, S. 700. 185 Zweigert, Nichterfüllungaufgrund ausländischer Leistungsverbote, RabelsZ 14 (1942), S.287f. und 290. 186 Einen sauberen Weg durch den Begriffs- und Methodendschungel bahnt Radtke, ZVglRWiss 84 (1985). 183

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IV. Parteiautonomie in benachbarten Rechtsgebieten

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griffs- und Methodenwirrwarr bei der Annäherung an dieses Thema Klarheit zu bringen. Denn Hauptargument der Ablehnung von Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht ist die Behauptung, hierbei handele es sich durchweg um Eingriffsrecht Art. 34 EGBGB enthält zwar die Rechtsfolge von Eingriffsnormen, trägt selbst aber kaum zur Klärung der Kennzeichen und Funktion von Eingriffsnormen bei; Es handelt sich zwar um eine nationale Kollisionsnorm; jedoch ist diese wie ein völkerrechtlicher Vertrag autonom auszulegen. Wie aus Art. 36 EGBGB hervorgeht, liegt nämlich den Artt. 27-37 EGBGB das Europäische Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EuiPRÜ) zugrunde. Beim EuiPRÜ handelt es sich nicht um EG-Recht, sondern um Volkerrecht, da die Vertragsstaaten seinerzeit von einer Bezugnahme auf Art. 220 EWGV abgesehen haben. 187 Es ist als loi uniforme ausgestaltet, dadurch daß es in seinem Anwendungsbereich weder auf die Vertragsstaaten noch sonst auf Gegenseitigkeit beschränkt ist, Art. 2 EuiPRÜ.188 Während in allen anderen Vertragsstaaten das EuiPRÜ unmittelbar in nationales Recht umgesetzt wurde, besteht in Deutschland die Besonderheit, daß - trotz massiven Protestes der Europäischen Kommission189- Artt. 1-21 EuiPRÜ nicht unmittelbar anzuwendendes Recht geworden sind, Art. I II VertragsG zum EuiPRÜ. 190 Statt dessen ist das EuiPRÜ in das EGBGB inkorporiert worden, indem in Artt. 27-37 EGBGB die wesentlichen Bestimmungen des EuiPRÜ- mit einigen Änderungen des Wortlauts- wiederholt werden. 191 187 Denkschrift der BReg. in: BT-Drucks. 10/503, S. 21. Zu den Auswirkungen der Tatsache, daß nur Mitgliedsstaaten der EU diesem Übereinkommen bisher beigetreten sind, auf die Auslegung des Übereinkommens ausführlich: Junker, Auslegung, RabelsZ 55 (1991), S. 681 ff. 188 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 9 IV 3 (= S. 64). 18 9 Empfehlung der Kommission vom 15. Januar 1985, Amtsblatt d. EG Nr. L 44/42, 43 vom 14. Februar 1985. 190 BGBI. 1986 II, S. 809; ausführliche Stellungnahme zu dieser Inkorporation: Bericht der Abgeordneten Eylmann und Stiegler in: Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 10/5632, S. 37f. Zu den daraus folgenden Auslegungsproblemen ausführlich: Meyer-Sparenberg, 5.156-189. 191 Viel Verständnis hierfür äußert Pirrung (Einführung, S. 53-55). Auch No/te (IPrax 1985, S. 73), Sandrock (Untemehmenspraxis, RIW 1986, 5.842-844 m . w. Nachw.) und Junker (Auslegung, RabelsZ 55 ( 1991 }, S. 690 m. w. Nachw.) sehen hierin kein großes Problem. Zu den verschiedenen Techniken der Inkorporation von Staatsverträgen erga omnes (wie z. B. das EuiPRÜ) ausführlich: Matscher/Siehr/Delbrück. Die in der Diskussion um die Transformation geäußerten völkerrechtlichen Bedenken (Dazu näher: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, RabelsZ 47 (1983), S. 603 und S. 665-667) wegen Verstoßes gegen Art. 33 EuiPRÜ und der angestrebten Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften (Empfehlung der Kommission vom 15. Januar 1985, Amtsblatt d. EG Nr. L 44/42 vom 14. Februar 1985; Pirrung, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, S. 109) haben sich spätestens durch das Erste Brüsseler Auslegungsprotokoll zu EuiPRÜ vom 19.12.1988 als nicht stichhaltig erwiesen. Dort wird nämlich der deutschen Besonderheit Rechnung getragen (ausführlich hierzu: Tizzano, Nr. 33.). Ähnliches legt auch der Bericht von Giuliano/Lagarde, S. 73, nahe, worin es ausdrücklich für genügend gehalten wird, wenn der Vertragsstaat das Eu!PRÜ .,in geeigneter Form" in seine innerstaatlichen Rechtsvor-

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

Es sind jedochtrotzder Inkorporation neben dem Text des EuiPRÜ192 der- der EG dem Übereinkommen zur Erläuterung beigefügte - Bericht von Giuliano und Lagarde193 sowie Rechtsprechung und Schrifttum in den übrigen Beitrittstaaten194 zu berücksichtigen.l 95 Andererseits sind auch nur die betreffenden Vorschriften nach dem zugrundeliegenden EuiPRÜ auszulegen, die übernommen worden sind, so daß eine lückenlose Übernahme des EuiPRÜ in das deutsche Recht nicht vollzogen worden ist. Das gesamte EuiPRÜ bleibt aber insofern von Relevanz, als bei der Auslegung des deutschen Internationalen Privatrechts zu beachten ist, daß das EuiPRÜ nur den Beginn einer Vereinheitlichung des gesamten Internationalen Privatrechts der Vertragsstaaten darstellt196. schriftenaufnimmt (vgl. auchNolte, IPrax 1985, S. 73, Pirrung, Einführung, S.41 ). Jedoch entzündete sich der Streit gerade an der Geeignetheil der konkret gewählten Form (vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Drobnig im Anschluß an Pirrung, Einführu~~). Der Gesetzgeber sieht jedoch gerade in dieser nunmehr gewählten Form einen Beitrag zur Uberschaubarkeit des IPR (s. Begründung zum VertragsG in: BT-Drucksache 10/503, S. 5.; im Ergebnis zustimmend: Mankowski, Analogie im internationalen Schuldvertragsrecht, IPrax 1991, S. 308). 192 BGH, Urt. v. 26.10.1993, in: BGHZ 123, S. 384; MünchKomm-Martiny, Art. 36 EGBGB Rz. 7; mit ausführlicher Herleitung: Meyer-Sparenberg, S. 157. Art. 36 EGBGB verweist für die Auslegung der Artt. 27-37 EGBGB für Zweifelsfälle auf den gern. Art. 33 I EuiPRÜ in 7 Sprachen verbindlichen Wortlaut des EuiPRÜ und räumt diesem dadurch mittelbar einen Vorrang ein (MünchKomm-Martiny, Art. 36 EGBGB Rz. 8; Thode, ZffiR 1989, S.44; Junker, Auslegung, RabelsZ 55 (1991), S .693); a. A. istMeyer-Sparenberg (S.161), wonach mit Art.36EGBGB lediglich ausgesagt sei, daß die inkorporierten Normen nach den gleichen Maßstäben ausgelegt werden sollen wie im Falle der generellen Transformation des Übereinkommens. Die für transformierte Staatsverträge geltenden Interpretationsmaßstäbe der Wiener Vertragsrechtskonvention (Art. 31-33 WVK) müßten entsprechend herangezogen werden. Im Ergebnis macht das keinen Unterschied, da auch er im Zweifelsfall, d. h. bei Abweichungen gegenüber dem Original sich am Wortlaut des Vertragstextes orientiert (Meyer-Sparenberg, S. 165 f.). 193 BGH, Urt. v.26.10.1993, in: BGHZ 123, S . 385. Meyer-Sparenberg, S. 169, mißt diesem Bericht umso weniger Bedeutung zu, je mehr präzise Einzelanalysen aus den Vertragsstaaten zur Verfügung stehen. Er behält aber stets Vorrang vor den nationalen Gesetzesmaterialien. 194 BGH, Beschluß vom 02.05.1990, in: 1Prax1991, S. 257. 195 Gesetzentwurf der BReg, in: BT-Drucks. 10/504, S. 84; dies fordert nachhaltig Martiny, Rechtsgefälle. und Vereinheitlichung, ZeuP 1995, S. 71 ff., unter heftiger Kritik am BGH; s. a. MünchKomm-Martiny, Art. 36 EGBGB Rz. 21; H J. Weber, IPrax 1988, S. 82, der jedoch den Begriff der "zwingenden Bestimmung" in den Artt. 3 III, 6 I, 7 EuiPRÜ von der einheitlichen Auslegung ausnehmen will; Reinhort, RIW 1994, S. 446, 449f., der dies als funktionale rechtsvergleichende Auslegung bezeichnet (S.447). Ansonsten nahezu unstreitig, Thode, ZffiR 1989, S . 44; Magnus, IPrax 1991, S. 384; Martiny, Vertragsrechtsübereinkommen, ZeuP 1 (1993), S. 304; Palandt-Heldrich, Art. 36EGBGB Rz. 1; ausführlich: Pirrung, Internationales Privatund Verfahrensrecht, S.llO; ders.: Einführung, S.41. 196 Ursprünglich war eine Vereinheitlichung des gesamten IPR geplant, Beier/Schricker/Ulmer, GRUR Int. 1985, S.105; s. dazU und zur Entstehungsgeschichte des EuiPRÜ: Giuliano/ Lagarde, S. 36-41. Dieses Vornaben ist nun teilweise wieder aufgegriffen worden, indem ein Entwurf über das auf außervertragliche Schuldvemältnisse anwendbare Recht von der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht vorgelegt wurde (sog. Rom li), s. dazu Jayme, Entwurf, IPrax 1999, S. 298, sowie den Text des Entwurfs in IPrax 1999, 286-288. Die Um-

IV. Parteiautonomie in benachbarten Rechtsgebieten

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(1) Einheitsanknüpfung, Sonderanknüpfung und kumulative Anknüpfung Einführendes (frei erfundenes) Beispiel: Ein konfessionsloser deutscher Händler schließt mit einem irakiseben Moslem einen Vertrag über die Lieferung von Pflanzenschutzmitteln in den Irak. Sie wählen für den Vertrag das Recht des Staates Irak. In Deutschland gibt es ein Ausfuhrverbot für Pflanzenschutzmittel in den Irak. Im Irak gibt es ein Verbot für Moslems, mit Nichtgläubigen Verträge zu schließen. Die Parteien streiten sich vor einem deutschen Landgericht um die Vertragserfüllung. Muß der Richter das deutsche Ausfuhrverbot und/ oder das irakisehe Vertragsverbot beachten?l97

Inwieweit Eingriffsnormen der Parteiautonomie Schranken setzen (können), ist nicht nur in Deutschland heftig umstritten. Dabei sind zwei Problembereiche zu trennen: • Zum einen geht es um die Frage, was überhaupt eine Eingriffsnorm ist und in welcher Hinsicht sie sich von anderen Normen unterscheidet. • Zum anderen geht es um die Frage, ob und wie Eingriffsnormen zu beachten sind. Die so vorgenommene Trennung dieser beiden Fragestellungen ist Ergebnis der Lehre von der Sonderanknüpfung19B. Diese besagt, daß - im Gegensatz zur Einheitsanknüpfung - Eingriffsnormen nicht vom Vertragsstatut erfaßt werden, 199 selbst dann nicht, wenn die Vertragsparteien dies ausdrücklich wünschen,Z00 Art. 34 EGBGB und Art. 7 EuiPRÜ. Für unser Beispiel hieße das: Der Richter in Deutschland müßte weder das deutsche Ausfuhrverbot noch das irakisehe Vertragsverbot ipso iure beachten. Das deutsche Ausfuhrverbot käme nur deshalb zur Anwendung, weil Art. 34 EGBGB hierfür ausdrücklich einen kolsetzung in ein EU-Übereinkommen ist aber in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, s. RegEntw. IPR1999,S.6. 197 Der mögliche Verstoß gegen den deutschen ordre public durch die Umsetzung des irakisehen Vertragsverbots sei hier ausgeklammert. 198 Ausführlich hergeleitet bei Anderegg, S. 79f. Diese Lehre geht zurück auf Arbeiten von Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 54 (1941), S.173 und 181 f., undZweigert, Nichterfüllungaufgrund ausländischer Leistungsverbote, RabelsZ 14 (1942), S. 287ff. Kritisch hierzu Mann, Eingriffsgesetze, S. 158 f. Eine besondere Ausprägung der Sonderanknüpfungslehre vertritt Mentzel, S. 233 f.: Neben der Verweisung auf das Schuldstatut müsse eine Teilanknüpfung eingriffstypischer (Teil)Sachverhalte nach von vomherein festgelegten Anknüpfungskriterien erfolgen. Verwiesen wird für den jeweiligen Bereich dann aber nicht auf eine einzelne Norm, sondern auf die ganze Rechtsordnung unter Ausschluß anderer Rechtsordnungen. 199 OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.10.1980 ,,Ausgleichsanspruch", in: IPRspr. 1980, S. 78; Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZVgiRWiss 54 (1941), S. 178 ff., sowie 206ff.; Kreuzer, Außenwirtschaftsrecht, S.106; MünchKomm-Sonnenberger, Eini.IPR Rz. 50; Hentzen, RIW 1988, S. 509; zahlreiche weitere Nachweise bei Radtke, ZVgiRWiss 84 (1985), S.334 FN27-29. 200 A. A. Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 54 (1941), S.207.

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

lisionsrechtlichen Anwendungsbefehl enthält. Hinsichtlich des irakiseben Vertragsverbots müßte ebenso ein kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehl vorhanden sein. Beides ist unabhängig davon, ob für den Vertrag deutsches, irakisches oder ein neutrales Recht gewählt worden ist.

Es bedarf also für Eingriffsnonnen eines eigenen kollisionsrechtlichen Anwendungsbefehls.201 Denn das Internationale Privatrecht ist auf interindividuellen Interessenausgleich ausgerichtet. Es geht also um die Anwendung der Rechtsordnung, die für die Regelung der Parteibeziehungen am angemessensten erscheint. Das heißt aber andererseits auch, daß diese Regeln nur insoweit angemessen sein können, als das staatliche Interesse an der Durchsetzung bestimmter Nonnen zweitrangig ist. Wenn aber der Staat mit bestimmten Nonnen des materiellen Rechts aus übergeordneten Gemeinwohlinteressen wirtschaftlich lenkend und gestaltend tätig werden will, muß die Parteiautonomie zurücktreten, Art. 2 I GG. Die Regeln des Kollisionsrechts, auch die Parteiautonomie, können dann von unbedingten und fallbezogenen Rechtsanwendungsinteressen der beteiligten Staaten verdrängt werden. Diese Interessenkollision tritt insbesondere bei transnationalen Schuldverträgen auf, wenn diese Objekt und zugleich Instrument wirtschaftlicher Gestaltung sind; hier bedarf es im Einzelfall eigener Kollisionsregeln,202 sog. Sonderanknüpfung. Dies ergibt sich aus dem Postulat des internationalen Entscheidungseinklangs203 und dem Gedanken der internationalen Rechtshilfe: Jeder Staat ist auf Rechtshilfe anderer Staaten angewiesen, da seine Gerichtsbarkeit nicht immer ausreicht, um seinem zwingendem Recht in allen Fällen Geltung zu verleihen204. Diese Lehre von der Sonderanknüpfung setzt sich zunehmend gegen die teilweise auch von der Rechtsprechung vertretene Einheitsanknüpfung205 durch.206 201 Siehr, Ausländische Eingriffsnonnen, RabelsZ 52 (1988), S. 84 und 96-98, der die Sonderanknüpfung allerdings auf Eingriffsnonnen beschränkt, die wegen der ausländischen schützenswerten Interessen einen internationalisierungsfähigen Inhalt haben. Andere Eingriffsnormen können auf der Ebene des Sachrechts berücksichtigt werden, etwa im Falle der Unmöglichkeit der Erfüllung. 202 Ähnlich: Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht, S. 81-83, 88, der dies jedoch nicht auf Einzelfälle beschränkt. 203 Hentzen, RIW 1988, S. 509; kritisch: Joerges, Klassische Konzeption, RabelsZ 36 (1972), S.470, der stattdessen die comitas als maßgeblich für die Gerechtigkeit in internationalen Beziehungen sieht. Eine Erhebung der "comitas" zum Grundsatz des Internationalen Wirtschaftsrechts nimmt Meessen, Grundlagen, AöR 110 (1985), S. 407 ff., vor. 204 Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 54 (1941), S.181. 205 Erst mit BGH, Urt. v. 17.12.1959, in: BGHZ31, S. 367ff. löst sich die Rechtsprechung von der Einheitsanknüpfung. Nachweise bei: Kreuzer, Außenwirtschaftsrecht, S. 97; Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 342-348; MünchKomm-Martiny, Art. 34EGBGB Rz. 26 FN 85; Droste, S. 38 FN 130f.; 206 K. H. Neumayer, Anmerkung, RabelsZ 25 (1960), S. 653; Kreuzer, Außenwirtschaftsrecht, S. 97; ders.: Ausländisches Wirtschaftsrecht, S. 86; Siehr, Ausländische Eingriffsnormen, RabelsZ 52 (1988), S. 90; ders.: Parteiautonomie, S. 507; E. Lorenz, Rechtswahlfreiheit,

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Die Vertreter der Einheitslehre gehen davon aus, daß durch das Vertragsstatut alle Normen der Rechtsordnung berufen werden, die der Iex causae angehören, (deswegen auch Schuldstatutstheorie genannt). Mitberufen würden also auch alle E"mgriffsnormen dieser Rechtsordnung, nichtjedoch Eingriffsnormen dritter Staaten.207 Auf unser Beispiel angewandt, bedeutet dies: Der Richter in Deutschland muß das irakisehe Vertragsverbot beachten, weil iralcisches Recht gewählt wurde, nicht dagegen das deutsche Ausfuhrverbot.

Begründet wird dies vor allem mit dem Gebot, der Einheit des Schuldverhältnisses Rechnung zu tragen. Dem widerspreche eine Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen, die schließlich Einfluß auf die Gültigkeit eines internationalen Vertrages hätten. Eine Schranke wird dann lediglich durch den ordre public des Forumstaates gezogen.208 Diese Lehre kann heuteangesichtsdes entgegenstehenden Wortlauts der Artt. 34 EGBGB und 7 EuiPRÜ in Deutschland nur für ausländische Eingriffsnormen Geltung beanspruchen, da Art. 7 I EuiPRÜ kraft Vorbehalt nicht in deutsches Recht umgesetzt wurde. Man muß jedoch bedenken, daß die Rechtsfortbildung unter Mißachtung dieses Artikels in concreto zwar nicht völkerrechtswidrig ist, jedoch dem allgemein anerkannten Ziel des internationalen Entscheidungseinklangs nicht dienlich ist.209 Mit der Entscheidung für die Sonderanknüpfungslehre entfiele dann auch die Differenzierung zwischen statutsangehörigen und statutsfremden Eingriffsnormen. Denn wenn ohnehin Eingriffsnormen gesondert angeknüpft werden, kann die Schuldstatutszugehörigkeit keinen Ausschlag zur Anwendung geben.21o Dies ist zwar mit dem Wortlaut des Art. 34 EGBGB ohne weiteres vereinbar. Höchst problematisch wäre jedoch die Anknüpfung ausländischer Eingriffsnormen. Hierzu kann Art. 7 I EuiPRÜ einen Anhaltspunkt bieten. Aus ihm scheint eine Kumulierung beider Lehren hervorzugehen.2Il Demnach wird bei der BerücksichtiRIW 1987, S. 579; v. Bar, IPR, Band 1, S. 263; s. a. Mankowski, Seeversicherungsvertrag, RIW 1994, S. 692; Zimmer, IPrax 1993, S. 65; für das Außenwirtschaftsrecht: Remien, RabelsZ 54 (1990}, S.463. 207 Mann, Eingriffsgesetze, S. 146; Kreuzer, Außenwirtschaftsrecht, S. 96; Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 343; Basedow, Neuregelung, NJW 1986, S. 2978. 20s Mann, Eingriffsgesetze, S.151. 209 MünchKomm-Martiny, Art. 34EGBGB Rz.48. Nicht zu vernachlässigen ist auch das Argument Drostes, wonach die Einheitslehre gegen das bundesdeutsche Verfassungsrecht verstößt: Der generelle Verweis auf die Iex causae eröffnet ein so weites und vor allem nicht mehr abschätzbares Normenkonvolut, daß der Parlamentsvorbehalt nicht mehr gewahrt ist, s. Droste, S. 64 f. 210 Radtke, ZVglRWiss 84 (1985}, S. 333. 211 Diese sehr scharfsinnige Beobachtung von Kreuzer, Außenwirtschaftsrecht, S.103-106, (ders.: Ausländisches Wirtschaftsrecht, S. 69-73) ist später kaum aufgegriffen worden; s. daher nur Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 349-354 und Schubert, RIW 1987, S. 736. Sie fehlt insbesondere bei Lehmann und Droste; bei Becker findet sich ein Hinweis auf Kreuzer aufS. 82; sie ist bei Anderegg, S. 84,lediglich angerissen. In eine ähnliche Richtung ging schon der Vor-

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gung ausländischer Eingriffsnonnen, da Art. 7 I EuiPRÜ lediglich die statutsfremden Eingriffsnonnen mittels Sonderanknüpfung regelt, impliziert, daß statutsangehörige ausländische Eingriffsnonnen ohnehin anwendbar seien.212 Auch hier sei wieder obiges Beispiel bemüht: Wählen die Parteien irakisches Recht, so muß der deutsche Richter das irakisehe Vertragsverbot beachten, weil es dem Vertragsstatut angehört. Wahlen die Parteien dagegen deutsches Recht, so käme es auf den kollisionsrechtlichen Anwendungsbefehl des irakiseben Vertragsverbots an. Das deutsche Ausfuhrverbot wäre nach Art. 34 EGBGB immer zu beachten.

Die kollisionsrechtliche Berücksichtigung statutsfremden Eingriffsrechts wäre sonst großzügiger geregelt als diejenige statutsangehörigen Eingriffsrechts.213 Im Gegensatz zu Radtke, Schubert und E .Lorenz214 sind nach der hier vertretenen Ansicht beide Arten von Eingriffsnonnen auch nicht unbedingt gleich zu behandeln. Es liegt kein in sich widersprüchlicher Methodenwechsel vor,m denn es macht auch sachlich einen Unterschied, ob auf ein Schuldverhältnis Eingriffsnonnen einwirken, die derselben Rechtsordnung angehören wie diejenigen, nach denen das Schuldverhältnis ohnehin beurteilt wird, oder ob Nonnen eines anderen Staates auf das Schuldverhältnis einwirken. Demgegenüber ist es für die Parteien ohne Belang, ob letztere dem Forumstaat oder einem Drittstaat angehören. Es ist gerade die Besonderheit der Eingriffsnonnen, daß hier Nonnen und nicht Sachverhalte- wie im sonstigen IPR- angeknüpft werden,216 (s. dazu sogleich S. 89-98). Diese Kumulierung beider Theorien vermag also am ehesten den unterschiedlichen Arten von Eingriffsnonnen gerecht zu werden. Es wäre dann nicht nur Konformität mit den übrigen Beitrittstaaten gewährleistet (internationaler Entscheidungseinklang), sondern auch ein dogmatisches Fundament gegeben, das da differenziert, wo es nötig ist, und sich ansonsten nicht in unzähligen Feinheiten und Ausnahmen verliert. Die Konformität mit den übrigen Beitrittstaaten ist insbesondere in der EU wichtig, da binnenmarktähnliche Verhältnisse nur geschaffen werden können, wenn die Parteien trotz des Fortbestehens unterschiedlicher Rechtsordnungen vor jedem Gericht der EU mit der Anwendung derselben Nonnen auf ihren Streitgegenstand rechnen können.217 Da der deutsche Gesetzgeber mit dem Vorbehalt nach Art. 22 I EuiPRÜ eine bewußte Gesetzeslücke gelassen hat, ist diese im Wege der Rechtsfortbildung zu schlag einer Kollisionsnorm bei Schulte, S. 123. E. Lorenz, Rechtswahlfreiheit, RIW 1987, S. 581, weist die Kumulierung, ohne sie ausdrücklich zu erwähnen, ab. 212 Mentzel, S. 69, bezweifelt, daß auch die Eingriffsnormen der gewählten Rechtsordnung von den Parteien gewollt sind. m Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 350. 214 Schubert, RIW 1987, S. 736; E. Lorenz, Rechtswahlfreiheit, RIW 1987, S. 583. 215 So aber: Schubert, RIW 1987, S. 736. 216 Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, § 1 Rz. 10. Dies verkennt Mentze/, S. 80f. 217 Roth, Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts, RabelsZ 55 (1991 ), S. 664.

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schließen. Die Rechtsprechung ist insoweit uneinheitlich, der Gelehrtenstreit kaum überschaubar. Es darf bei aller Argumentation jedoch nicht verkannt werden, daß sich das deutsche Kollisionsrecht in das EuiPRÜ einfügen muß.218 Dies gilt gemäß Art. 18 EuiPRÜ und Art. 23 EGBGB auch für Richterrecht, soweit es den Gegenstand des EuiPRÜ umfaßt. Jedoch entbehrte Art. 22 I EuiPRÜ jeden Sinnes, wenn eine nicht identische, aber "kompatible" Konzeption zur Anwendung von Eingriffsnormen als vertragswidrig angesehen würde. Die dogmatischen Auseinandersetzungen um die richtige Anknüpfung von Eingriffsnormen sind zahlreich,219 ihre Wiedergabe im einzelnen dem Zweck dieser Arbeit nicht dienlich. Denn im Ergebnis macht es keinen Unterschied, ob die Einschränkung der Rechtswahlfreiheit zur Wahrung bestimmter inländischer Interessen durch Sonderanknüpfung oder durch Korrektur der Rechtsanwendung geschieht.220 Schon das RG zeigt, daß es unter Verzicht auf jede dogmatische Auseinandersetzung zu sachgerechten Ergebnissen kommt.221 Denn schon die Qualifizierung einer Norm als Eingriffsnorm, macht sie kollisionsrechtlich unabdingbar. Sind also die Kriterien hierfür definiert, so kann auch das Wettbewerbs- und Kartellrecht daraufhin untersucht werden und können so die Schranken der Rechtswahlfreiheit auch in diesen beiden Rechtsgebieten aufgezeigt werden.

(2) Kennzeichen für Eingriffsrecht Bei Eingriffsnormen handelt es sich um international zwingende Normen des inländischen oder ausländischen Rechts, die kraft eigenen Anwendungswillens den Sachverhalt ohne Rücksicht auf die sonstigen Normen des Internationalen Privatrechts international zwingend regeln.222 Diese Abgrenzung des einfachen ius cogens zu international zwingenden Normen ist notwendig,223 da sonst Art. 30 I EGBGB (und wohl auch Art. 29 I EGBGB) überflüssig wäre224 und das gesamte KolMartiny, Der deutsche Vorbehalt, IPrax 1987, 5 . 279. Zur Abgrenzung des schutzrechtlichen Teils vom schuldrechtlichen Teil des Urheberrechtsvertrags im einzelnen: Kleine, 5. 99-107, und Reithmann/Martiny-Hiestand, Rz. 128(}-1291. 220 Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), 5 . 345f.; Siehr, Parteiautonomie, 5. 508; Remien, RabelsZ 54 (1990), 5.466f.; einschränkend: Mentzel, 5.112. 221 RG, Urt. v. 13.11.1917, in: RGZ91, 5. 261 f.; RG, Urt. v. 28.06.1918, in: RGZ93, 5 . 184; s. auch BGH, Urt. v.12.05.1958, in: BGHZ27, 5.256. m Bydlinski, ZfRV 2 (1961), 5. 27, für österreichisches Recht; Siehr, Ausländische Eingriffsnormen, RabelsZ 52 (1988), S. 71. m Dies hat schon K. Neumayer, Notgesetzgebung, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 2 (1958), 5. 45, erkannt. A. A. anscheinend E. Lorenz, Rechtswahlfreiheit, RIW 1987, S. 578, der dann aber diese Abgrenzung de facto auch durchführt, ebenda, 5. 580. 224 BAG, Urt. v. 24.08.1989, in: BAGE63, S. 30 f. m. w. Nachw., und BAG, Urt. v. 29.10.1992, in: IPrax 1994, S. 128, unstreitig. 21a

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lisionsrecht sich nur noch auf dispositives nationales Recht bezöge.225 Nicht jede Beschränkung der Privatautonomie des internen Rechts beschneidet zugleich die kollisionsrechtliche Parteiautonomie.226 Woran man eine Eingriffsnorm erkennt, soll hier kurz anband des gegenwärtigen Meinungsstands dargestellt werden. Das Ergebnis soll dazu beitragen zu beurteilen, inwieweit es sich beim Wettbewerbsund Kartellrecht um Eingriffsrecht handelt. Welche Vorschriften international zwingend sind, sagt der Gesetzgeber nicht; Art. 7 und Art. 3m EuiPRÜ gehen lediglich von der Existenz international zwingender Normen aus. Da aber der nationale Gesetzgeber nur in wenigen Fallen, wie z. B. § 130 II GWB oder § 12 AGBG227 Normen expressis verbis international zwingend ausgestaltet hat, müssen allgemeine Kriterien gefunden werden, die schlichtes ius cogens zu international zwingendem Recht machen. Die Kriterien sind für inländische und ausländische Eingriffsnormen gleich. Denn Art. 7 II EuiPRÜ macht die Auswirkungen von zwingenden Vorschriften lediglich unter einem anderen Aspekt deutlich als Art. 71Eu1PRÜ. 228 Auch in Art. 3 illEuiPRÜ wird nicht nach ausländischem und inländischem Eingriffsrecht differenziert. Eine unterschiedliche Auslegung des Begriffes widerspräche überdies dem Postulat des internationalen Entscheidungseinklangs.229 Was nun eine zwingende Bestimmung ist und was nicht, ist gemäß Art. l8 EuiPRÜ bzw. Art. 36 EGBGB international einheitlich auszulegen.230 Dem steht auch nicht die Gesetzesbegründung entgegen, die zu beiden Absätzen von Art. 34 EGBGB n. F. 231 lediglich verschiedene Beispiele aufführt, jedoch anband derselben MerkmaIe "zwingende Bestimmungen" definiert.232 Somit ist hierfür das Recht der anderen Vertragsstaaten zu berücksichtigen (s. oben S. 83 f.), um einen isolierten nationalen Alleingang zu vermeiden, der der 225 Däubler, RIW 1987, S. 255; BAG, Urt. v. 24.08.1989, in: BAGE63, S. 30f., und BAG, Urt. v.29.10.1992, in: IPrax 1994, S.128; a.A. v.Hoffmann, Sachnormen, IPrax 1989, S.263, der in dieser Differenzierung eine Störung des Gleichgewichts von Parteiautonomie und Schutz des Schwächeren sieht. 226 Martiny, Rechtsgefälle und Vereinheitlichung, ZEuP 1995, S. 85. 227 Weitere Beispi~le bei Droste, S. 147ff. 228 Giuliano/Lagarde, S. 60; Droste, S. 144; a. A. BAG, Urt. v. 29.10.1992, in: IPrax 1994, S.129. 229 v. Hoffmann, Sachnormen, IPrax 1989, S. 264. 230 Ganz herrschende Meinung: MünchKomm-Martiny, Art. 34 EGBGB Rz. 8; Junker, ZwingendeBestimmungen,IPrax 1989, S.70und 15;Meyer-Sparenberg,S.180;Droste, S.137 m. w. Nachw. Coester, ZVglRWiss 82 (1983), S.1-30, formuliert dies als Postulat, dem Art. 7 EuiPRÜ nicht gerecht werden könne. A. A. im Sinne einer nationalen Auslegung: H.J. Weber, IPrax 1988, S. 83, der aus Artt. 34 EGBGB/7 EuiPRÜ einen entgegenstehenden Wortlaut entnimmt. 231 Zu diesem Zeitpunkt war noch die vollständige Übernahme von Art. 7 EuiPRÜ in Art. 34 EGBGB vorgesehen. 232 Gesetzentwurf der BReg, in: BT-Drucks. 10/504, S. 83 f.

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internationalen Vereinheitlichung des IPR entgegenstünde. Solange der EuGH für das EuiPRÜ noch keine Auslegungskompetenz zugewiesen bekommen hat,233 wird sich bei einem solch umstrittenen Begriff aber nur schwerlich eine einheitliche Auslegung herauskristallisieren.234 Auch aus der Rechtsvergleichung von Anderegg zu französischem und englischem Recht235 und von Junker zu diesen und weiteren europäischen Rechtsordnungen236, geht lediglich ein Sammelsurium von Einzelfällen hervor, aus denen sich kein einheitliches zugrundeliegendes Prinzip erkennen läßt, was nun eine Norm international zwingend macht. Einheitlich ist lediglich der .,Grundsatz, wonach nationale Gerichte unter gewissen Voraussetzungen anderen zwingenden Bestimmungen als denen Wirkung verleihen können, die aufgrund der Rechtswahl der Parteien odereines subsidiären Anknüpfungsmerkmals auf den Vertrag anzuwenden sind"237•

Artt. 7, 3 II1 EuiPRÜ bedürfen daher zunächst der Auslegung anband der nationalen Rechtsordnung,23B die aber im weiteren Verlauf der Rechtsentwicklung mit der Auslegung in den anderen Vertragsstaaten harmonieren muß. Dabei geht es nicht darum, Art und Umfang der zwingenden Bestimmungen zu vereinheitlichen,239 sondern lediglich die Auslegungskriterien, wonach nicht ausdrücklich zwingende Bestimmungen ermittelt werden können.240 233 Das erste und das zweite Brüsseler Protokoll von 1988, das dem EuGH diesbezüglich Entscheidungskompetenz zuweist, wurde noch nicht von allen EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert, auch von Deutschland nicht. 234 Schon der gleichermaßen verbindliche Wortlaut der sieben Vertragstexte (Art. 33 I EuiPRÜ) ist unterschiedlich. Spricht der deutsche Text in Art. 7 EuiPRÜ noch einheitlich von .,zwingenden Bestimmungen". so weichen im französischen Wortlaut Überschrift (.,lois de police") und Text (.,dispositions imperatives") voneinander ab. ,,Lois de police" ist der wesentlich engere Begriff zu .,dispositions imperatives". welcher ganz allgemein Mußvorschriften bezeichnet. In Großbritannien und Italien wird wieder einheitlich von ,,zwingenden Regeln" (,,mandatory rules" bzw. .,disposizioni/norme imperative") gesprochen; in der niederländischen Fassung heißt es aber ,,Bepalingen van bijzonder dwingend Recht" (.,besonders zwingende Rechtsvorschriften") in der Überschrift und ,,zwingende Rechtsvorschriften" (.,Bepalingen van dwingend Recht") im Text. Schon dieser kurze Überblick allein über die verschiedenen Vertragstexte zeigt, daß selbst innerhalb eines Landes (Frankreich und der Niederlande) verschiedene Begriffe verwandt werden, für das, was in der deutschen Fassung des Art. 7 I EuiPRÜ .,zwingende Bestimmungen" heißt. Junker, Revision des Art. 7 EVÜ, IPrax 2000, S. 70, schlägt deshalb eine Ergänzung des Art. 7 EuiPRÜ vor, die die Mindestanforderungen an eine zwingende Bestimmung kodifiziert. m Anderegg, l. Kapitel, S. 7-64. Die umfassende Rechtsvergleichung von Lehmann, S. 22-153, zum europäischen Recht setzt den Begriff der zwingenden Bestimmung gerade voraus, trägt also nicht zu dessen Klärung bei, s. a. Lehmann, S. 154. 236 Junker, Revision des Art. 7EVÜ, 1Prax2000, S.68f. 237 Giuliano/Lagarde, S. 58, mit ausführlicher Begründung. 238 Droste, S . 137 f., der bei diesem Schritt aber stehenbleibt 239 A. A. wohl Junker, Revision des Art. 7 EVÜ, IPrax 2000, S. 70f. 240 Meyer-Sparenberg, S. l80. Dies übersieht wohl Droste, S. 138. Noch weiter geht Lehmann, S. 216f: Es ist der sogenannte .,gemeinsame" Nenner der bis-

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Die von Art. 7 I EuiPRÜ geforderte Bestimmung der Eingriffsnormen nach deren "Natur und Gegenstand" bedarf näherer Konkretisierung. Im Bericht von Giuliano/ Lagarde heißt es hierzu, daß die Natur und der Gegenstand der in Frage stehenden Bestimmungen nach international anerkannten Kriterien gerechtfertigt sein müssen (z. B. weil es gleichartige Rechtsvorschriften in anderen Staaten gibt oder die Rechtsvorschriften einem allgemein anerkannten Interesse dienen).241 Die Aufnahme dieses Postulats in den Vertragstext scheiterte letztendlich an praktischen Erwägungen.242 Für die Einordnung einer Norm als international zwingend verliert aber dieser Parameter deshalb nicht an Bedeutung.243 Aus diesem Grund darf auch kein maßgebliches Kriterium bilden, ob und wie die betreffende ausländische Norm im deutschen Recht als Eingriffsnorm behandelt werden würde;244 denn so würden wir dem fremden Staat unser Rechtsverständnis oktroyieren. Wie weit der Anwendungswille einer im Staatsinteresse erlassenen Norm reicht, kann sinnvoll nur vom Gesetzgeber des Urheberstaats entschieden werden.245 Erster Anhaltspunkt ist also die Frage, ob der Erlaßstaat die Norm überhaupt mit einem kollisionsrechtlichen Anwendungsbefehl ausstatten wollte.246 Der Gesetzgeber ist dabei nicht auf bestimmte Normen beschränkt, etwa solche von besonderer Wichtigkeit. Er kann jede Norm international zwingend ausgestalten, gleich ob sie dem Öffentlichen Recht oder dem Privatrecht angehört.247 Beispiel für privatrechtliches herigen Präzedenzfälle, die in den Vertragsstaaten entschieden wurden, zu berücksichtigen, und zwar auch auf der Rechtsfolgenseite von Art. 7 I EuiPRÜ. 24 1 Giuliano/Lagarde, S.59. 242 Siehe dazu Giuliano/Lagarde, S. 59. 243 Magnus, IPrax 1991, S. 385. 244 E.Lorenz, Rechtswahlfreiheit, RIW 1987, S. 581; a. A. Schurig, Zwingendes Recht, ,,Eingriffsnormen" und neues IPR, RabelsZ 54 (1990), S. 237, Grossfeld!Rogers, International and Comparative Law Quarterly 32 (1983), S. 942, und v. Bar, IPR, Band 1, S. 234f. Rz. 266f. Fikentscher/Waibl, IPrax 1987, S. 86 ff. sehen darin lediglich ein Indiz für ein allgemeines Volksinteresse. 245 Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht, S. 91; E. Lorenz, Rechtswahlfreiheit, RIW 1987, s. 579. 246 Unstreitig seit Savigny, S. 34; s. statt aller: Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 54 (1941), S.178 und 183; Zweigert, Nichterfüllung aufgrund ausländischer Leistungsverbote, RabelsZ 14 (1942), S. 291; v. Bar, IPR, Band 1, S. 259; E. Lorenz, Rechtswahlfreiheit, RIW 1987, S. 579. Aus der Rspr.: BAG, Urt. v.24.08.1989, in: BAGE63, S. 31f. Für Frankreich: Kassis, S.471 Nr. 453. Daß dies methodische Unterschiede zur Folge hat, rechtfertigt Lehmann, S. 210. Bydlinski, ZfRV2 (1961), S. 27, koppelt die Beachtlichkeil des Geltungswillens (noch) zusätzlich an die räumliche Zuständigkeit und die tatsächliche Zugriffsmacht des regelnden Staates. Die Anknüpfung an das Recht kritisiert Steindorff, S. 231; er wendet sich überhaupt gegen jede kollisionsrechtliche Lösung (ebenda, S. 233). 247 Droste, S.144f. m. zahlr. Nachw. In dieselbe Richtung gehen auch die Versuche Radtkes (Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 328), Andereggs (Anderegg, S. 98, am Beispiel des Kartellrechts) und Junkers (Junker, Revision des Art. 7EVÜ, IPrax 2000, S. 70f.), die danach differenzieren, ob es bei der Norm um einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Parteien geht oder ob die Norm Staatsinter-

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ausdrückliches Eingtiffsrecht ist das deutsche AGBG in den von § 12 AGBG bestimmten Grenzen. Erfolgt die Bestimmung von Eingriffsrecht nicht ausdrücklich, so muß nach allgemeinen, im folgenden zu beschreibenden Kriterien die Eingriffsnorm bestimmt werden. Ist auch nach den allgemeinen Kriterien kein eindeutiger Anwendungswille zu ermitteln, muß von dessen Nichtvorliegen ausgegangen werden; 248 denn zum einen ist die Sonderanknüpfung einer nicht zum Vertragsstatut gehörenden Kollisionsnorm immer die Ausnahme, zum anderen kann hilfsweise auch auf die römisch-rechtliche Unklarheitenregel zurückgegriffen werden,249 d. h. derjenige, der sich auf eine Ausnahmeregelung beruft, muß ihre Anwendungsvoraussetzungen nachweisen. Ob das zur Entscheidung berufene Forum den festgestellten Anwendungswillen anerkennt, ist eine andere Frage. 250 Zur Ermittlung des kollisonsrechtlichen Anwendungsbefehls ist in einem ersten Schritt maßgeblich, ob die Norm ganz überwiegend öffentlichen Interessen dient oder dem Interesse der Vertragsparteien. Mit öffentlichen Interessen sind hier die Interessen der Öffentlichkeit gemeint. Dies geht über reine Staatsinteressen hinaus. Die Zuordnung der Norm zum Öffentlichen Recht oder zum Privatrecht, wie dies die Rechtsprechung nahelegt,251 macht hier wenig Sinn;252 denn zum einen befindet sich die in Frage stehende Norm nicht selten in einem diffusen Übergangsbereich, zum anderen hätte dies zur Folge, daß ausländische Eingriffsnormen grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. 253 Der deutsche Richter kann nämlich lediglich entessen dient, die von den betroffenen Schuldverhältnissen losgelöst sind und damit gerade keinen gerechten Interessenausgleich zwischen den Parteien bezwecken. Kohte bringt mit der Abgrenzung nach Gruppenschutz und Institutionenschutz Ähnliches zum Ausdruck (Kohte, EuZW 1990, S. 154). 248 Siehr, Ausländische Eingriffsnormen, RabelsZ 52 ( 1988), S. 91 . 249 E.Lorenz, Rechtswahlfreiheit, RIW 1987, S. 779. 250 E.Lorenz, Rechtswahlfreiheit, RIW 1987, S.578; so wohl auch v. Hoffmann, IPR, § 10 Rz. 99, der die Kompatibilität mit eigenen staatlichen Interessen ausdrücklich als Anwendungsvoraussetzung formuliert. 251 BGH, Urt. v. 17.12.1959, in: BGHZ 31, S. 371; BGH, Urt. v. 19.04.1962, in: IPRspr. 1962/63, S. 601; BGH, Urt. v.16.04.1975 "August Vierzehn", in: BGHZ64, S. 189; BGH, Urt. v.11.07.1985, in: BGHZ95, S. 265; sehr eindeutig in diesem Sinne: Sandrock-Steinschulte, A Rz. 184-193. 252 Sonnenberger, S. 388 m. w. Nachw.; MünchKomm-Martiny, Art. 34 EGBGB Rz. 11; Siehr, Ausländische Eingriffsnormen, RabelsZ 52 (1988), S. 44, 75 f. und S. 91; v. Bar, IPR, Band 1, S. 219-221 Rz. 246; Meyer-Sparenberg, S. 180f.; a. A. Droste, S.154f., der das Öffentliche Recht ausnahmslos für zwingend hält, da es durch das IPR nicht beeinßußt werden könne. Dies beruht aber auf einem unzulässigen Urnkehrschluß: Denn nicht alle Normen, die durch das IPR nicht beeinflußt werden können, sind international zwingend, sondern nur solche, die Einfluß auf privatrechtliche Sachverhalte haben können und sollen; denn nur so können sie sich vom Territorialitätsprinzip lösen und international zwingend werden, BGH, Urt. v. 17.12.1959, in: BGHZ31, S. 371; dazu auchAnderegg, S.12 und S.65. 253 Die Analyse Kreuzers (Ausländisches Wirtschaftsrecht S. 54), wonach die Grenze zwischen anwendbarem und nicht anwendbarem ausländischem Recht nicht zwischen privatem

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scheiden, ob auf den Sachverhalt deutsches Öffentliches Recht Anwendung findet. 254 Denn der Vorbehalt des Gesetzes verbietet ihm, ausländisches Öffentliches Recht ohne inländische Ermächtigungsgrundlage anzuwenden.255 Selbst wenn man in Art. 7 I EuiPRÜ eine solche sehen wollte, hilft das hier nicht weiter, weil dieser in Deutschland nicht umgesetzt wurde. Zudem wird nicht die Eingriffsnorm in ihrer gesamten Rechtsfolge angewandt, sondern lediglich soweit sie Einfluß auf privatrechtliche Rechtsverhältnisse hat.256 Die Frage, ob eventuell ausländische Nonnen zu berücksichtigen sind, kann somit nur vom Kollisionsrecht beantwortet werden257.Um die zweifellos praktizierte.Berücksichtigung ausländischer Eingriffsnormen258 zu ermöglichen, muß man sich also von der starren Kategorisierung nach Privatrecht oder Öffentlichem Recht lösen.259 Die Abgrenzung nach dem privaten oder öffentlichen Zweck der Nonn ist im Ansatz hilfreich, aber zur abschließenden Bewertung nicht hinreichend260• Der Zeitpunkt des Erlasses der Nonn, ob vor oder nach Vertragsschluß, ist kein weiterführendes Kriterium, da dieser allenfalls die materiellrechtlichen Folgen des Eingriffs und Öffentlichem Recht, sondern innerhalb des fremden Öffentlichen Rechts verläuft, trägt deshalb auch nicht zur Klärung bei. 254 v.Bar, IPR, Band 1, S. 221 f. Rz. 247f.; A. A.: Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht, S. 76f., aus völkerrechtlicher Sicht. 255 Dies hat mit dem Territorialitätsprinzip nichts zu tun, denn dieses besagt nur, daß hoheitliehe Maßnahmen notwendig auf das Staatsgebiet beschränkt sind, dessen Behörde tätig wird (Martinek, S. 26m. w. Nachw.). K. H. Neumayer greift zwar maßgeblich auf das Territorialitätsprinzip zurück, definiert dies aber anders im Sinne eine Zuordnung zur Sozialsphäre des Erlaßstaates (K. H. Neumayer, Anmerkung, RabelsZ 25 (1960), S. 654 f.). 256 So schon Neuhaus, IPR, S. 183; s. a.: E. Lorenz, Rechtswahlfreiheit, RIW 1987, S. 583; Drobnig, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S.5; Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, Rz. 298. Schurig bezeichnet Eingriffsnormen deshalb auch als "privatöffentlichrechtliche Hybridgewächse" (Schurig, Zwingendes Recht, ,,Eingriffsnormen" und neues IPR, RabelsZ 54 (1990), S.228). 2.57 Martinek, S. 26; Drobnig, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 3; Mankowski, Seeversicherungsvertrag, RIW 1994, S. 691 f. 2.58 Nachweise bei Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht, S.13-54. 2.59 So schon K. H. Neumayer, Anmerkung, RabelsZ 25 (1960), S. 654; Mann, Eingriffsgesetze, S. 145; ansatzweise Schulte, S. 120, und Staudinger-Firsching, 10./11. Aufl. 1978, vor Art. 12EGBGB Rz. 383; a.A. Droste, S.154-157. V. Hojfmonn, IPR, § 10 Rz. 97, bezeichnet den Grundsatz der Unbeachtlichkeit ausländischen Öffentlichen Rechts als allgemein überwunden. Dagegen spricht aber Hans. OLG Hamburg, Urt. v.06.05.1993, in: RIW 1994, S.687. Manche befürworten sogar die Einführung einer dritten Kategorie, s. K.Neumayer, Notgesetzgebung, Berichte der deutschen Gesellschaft für Vollcerrecht 2 (1958), S. 50 m. w. Nachw., was aber wohl eher neue Probleme aufwirft, anstelle vorhandene zu lösen. 260 BAG, Urt. v. 29.10.1992, in: IPrax 1994, S.128; Bydlinski, ZfRV2 (1961), S. 28; Kropholler, Internationales Privatrecht,§ 3113 (= S.22). Ähnlich auchMentzel, S.l4, derdie weitere Eingrenzung aber als Frage der Sonderanknüpfung sieht. Der BGH hat sich in einigen Urteilen auf diese Abgrenzung beschränkt, nämlich da, wo er den Zweck der Norm ausschließlich dem staatlichen (BGH, Urt. v.17.12.1959, in: BGHZ31, S. 371 ; BGH, Urt. v.16.04.1975 "August Vierzehn", in: BGHZ 64, S. 189) bzw. dem privaten Bereich (BGH, Urt. v. 11.07.1985, in: BGHZ95, S.165) zuordnen konnte.

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bestimmt;26 1 ebenso kann die Durchsetzung der Norm seitens des rechtsetzenden Staates mit hoheitlichen Mitteln, insbesondere durch Belegung mit Strafe,262 allenfalls ein wichtiges Indiz abgeben.263 Letztendlich ist immer danach zu fragen, wo. die Parteiautonomie, die durch die Abwahl des einfachen ius cogens inhaltlich ein Stück weiter geht als die Privatautonomie, ihre Grenze findet; dies ist da der Fall, wo der Staat eine Norm gesetzt hat, um die Interessen seiner Rechtsgemeinschaft in jedem Fall, auch im grenzüberschreitenden, durchzusetzen. Verbote bestimmter Schuldverhältnisse oder Genehmigungsvorbehalte für bestimmte Vertragstypen sprechen als gezielte regulierende Eingriffe des Staates in private Rechtsverhältnisse des Wirtschaftslebens zwar für einen auch auf öffentliche Interessen gerichteten Nonnzweck. Dem stehen zwingende Nonnen gegenüber, die vor allem dem Ausgleich widerstreitender Interessen dienen.264 Dies allein kann jedoch nicht genügen: Da die Parteiautonomie ein Grundrecht darstellt, ist zu ihrer Beschränkung stets ein ganz überwiegendes öffentliches Interesse erforderlich.265 Man muß dabei aber auch bedenken, daß das öffentliche Interesse darin bestehen kann, den Ausgleich widerstreitender privater Interessen durch eine bestimmte Lösung zu bewirken, die alle anderen denkbaren Lösungen ausschließen soll. Dies ist zum Beispiel bei den Nonnen zum Schutz der wirtschaftlich oder intellektuell unterlegenen Vertrags- oder Vergleichspartei der Fall (in Deutschland z. B. § 138 IIBGB). Insbesondere der BGH greift gerne ausschlaggebend auf die Interessenlage zurück.266 Allerdings kommt der BGH- in Vollzug der Einheitsanknüpfung- stets zu einer eindeutigen Zuordnung, an deren Eindeutigkeit und Richtigkeit man allerdings aufgrund der Komplexität der in Frage stehenden Bestimmungen zweifeln kann.267 Einen eingängigen Ansatz zur Lösung dieser Gemengelage stellt Karl Neumayer vor: Er differenziert nach dem Grad der Akzessorietät der Norm zu der RechtsMünchKomm-Martiny, Art.34EGBGB Rz.17f. m. w. Nachw. Bydlinski, ZfRV2 (1961), S. 28, für österreichisches Recht. 263 Schulte, S. 121 f., 123. 264 BAG, Urt. v.24.08.1989, in: BAGE63, S.32, undBAG, Urt.v.29.10.1992, in: 1Prax1994, S.128. 26s Im Ergebnis ebenso: Magnus, IPrax 1991, S.385; Droste, s, 156; a.A. Reich, NJW 1994, S. 2129, der sämtliche grundrechtlich materialisierten Generalklauseln des Zivilrechts als international zwingend im Sinne des Art. 34 EGBGB sieht. Dadurch werden jedoch Fragen des Eingriffsrechts mit Fragen des ordre public vermengt. 266 BGH, Urt. v. 17.12.1959, in: BGHZ 31, S. 371; BGH, Urt. v. 19.04.1962, in: IPRspr. 1962/63, S.601; BGH, Urt.v.16.04.1975 ,,August Vierzehn", in: BGHZ64, S.189; BGH, Urt. v. 11.07.1985, in: BGHZ95, S. 265; auch: Schweizerisches Bundesgericht, Urteil der I. Zivilabteilung vom 02.02.1954, in: BGE II 80, S. 62; differenzierter: Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 328 m. w. Nachw. Unter sehr genauer Unterscheidung zwischen unbeachtlichem und beachtlichem Interesse stellt auch Arukregg, S. 101-198, auf die Interessenlage ab. 267 K. H. Neumayer weist sogar ihre Falschheit nach in: K. H. Neumayer, Anmerkung, RabelsZ25 (1960), S.651-653. 261

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ordnung, der die Norm angehört.268 Danach besitzen Anordnungen, die ganz allgemein im Dienst des privaten Rechtsverkehrs schlechthin getroffen werden, eine so enge Akzessorietät269 zu "ihrer" Rechtsordnung, daß ihre Geltung deren Maßgeblichkeil überhaupt zur Bedingung hat. Dasselbe gilt für Anordnungen, die Ausdruck einer bestimmten juristischen Konstruktion sind, die bei anderer Betrachtungsweise auch anders hätte ausfallen können, ohne damit zugleich die tragenden Grundlagen der Rechtsordnung in Frage zu stellen, so z.B. § 719BGB. Soweit den Parteien die Befugnis eingeräumt wird, über die Geltung einer Rechtsordnung zu disponieren, folgt hieraus die Befugnis, über die zu dieser Rechtsordnung akzessorisch zwingenden Normen zu disponieren, die nur die Vorstellung wiedergeben, die sich ein bestimmter Gesetzgeber von dem Spannungsverhältnis zwischen Partei- und Verkehrsinteressen einerseits und von der -jegliche Privatrechtsetzung begleitenden - Idee der materialen Gerechtigkeit andererseits gemacht hat; kurz: Ist eine personale Anknüpfung erlaubt oder verlangt die Norm unabhängig von der getroffenen Rechtswahl für eine bestimmte Sozialsphäre unbedingte Geltung? All diese Normen seien jedoch von solchen des Internationalen Verwaltungsrechts zu unterscheiden; das heißt von Normen, deren Sanktionierung nicht mit Mitteln des Privatrechts (z. B. Nichtigkeit des Vertrages) geschehe, sondern mit solchen des Öffentlichen Rechts (z. B. Belegung mit Strafe). Für letztere stünden eigene Kollisionsnonnen des Internationalen Öffentlichen Rechts bereit, die durchweg einseitig seien.270 Diese Abgrenzung zwischen einfachem ius cogens und international zwingendem Recht271 überzeugt vor allem deshalb, weil die Kriterien hierzu sehr grundlegend und allgemein sind, ohne jedoch den gesamten Abgrenzungsvorgang auf unscharfe Begriffe stützen zu müssen.272 Sie kann aber in dieser Form nur Antwort auf die Frage geben, welche Norm der Iex fori im Falle einer Rechtswahl anwendbar bleibt, also das, was heute Art. 34 EGBGB regelt. Um alle Arten von Eingriffsnor268 K. Neumayer, Notgesetzgebung, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 2 (1958), s. 45 f. 269 MünchKomm-Martiny, Art. 34 EGBGB Rz.l2, spricht hier von einem engen .,Verwoben Sein" mit den übrigen vertragsrechtliehen Vorschriften. 27° K. Neumayer, Notgesetzgebung, Berichte der deutschen Gesellschaft für Vollcerrecht 2 (1958), S.40f.; dazu kritisch: Schulte, S.29f. 271 Mentzel, S. l2, hält eine solche Differenzierung für .,wenig sinnvoll". 272 Problematisch ist allerdingsNeumayers Abgrenzung zu Normen des Internationalen Verwaltungsrechts. Zum einen kann die Trennung zwischen öffentlich-rechtlicher Sanktion und privatrechtlicher Reflexwirkung nur nach der lex fori vorgenommen werden; damit würde man aber ausländischen Normen unter Umständen Gewalt antun, da deren Rechtsordnung womöglich diese Unterscheidung gar nicht kennt oder nach anderen Kriterien vornimmt. Zum anderen kann eine ausländische Norm, die z. B. mit Strafe belegt ist, trotz fehlender privatrechtlicher Wirkung, auf das Rechtsverhältnis als Tatsache einwirken, indem nämlich z. B. die zu erbringende Leistung unzumutbar oder gar unmöglich wird. Diese Abgrenzung hilft im konkreten Fall also nicht weiter; auf sie kann verzichtet werden (Schulte, S. 31). Kritisch zu K. Neumayers Abgrenzung: Mentzel, S. 27.

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men zu erfassen, muß man sich die Frage stellen, inwieweit die Norm in das jeweilige dogmatische System eingebunden ist. Es ist demnach zu untersuchen, ob die Norm gleichsam ein Baustein in der Dogmatik der derogierten Privatrechtsordnung ist. Dies ist dann der Fall, wenn einerseits ihre Nichtanwendung zu einem derartigen Bruch in der juristischen Beurteilung des Sachverhalts führt, daß man zu dem Schluß kommt, der Beurteilung liege keine einheitliche Rechtsordnung zugrunde; dies ist aber auch dann der Fall, wenn sie andererseits bei isolierter Anwendung nicht ,,kompatibel" zum Vertragsstatut ist. Eine Norm kann also nur dann Eingriffs-

norm im Sinne des Art. 7 Eu/PRÜ sein, wenn sie aus der Rechtsordnung herauslösbar ist, ohne dieselbe zu durchbrechen und ohne ihren Sinngehalt zu verlieren. Denn

nur dann kann der Gesetzgeber ihr einen Anwendungswillen zuordnen, der nicht mehr an eine bestimmte Rechtsordnung gebunden ist, sondern auch im Ausland erkennbar und umsetzbar ist. Es läßt sich nicht verallgemeinern, ab wann für den Gesetzgeber die private Vertragsgerechtigkeit oder volkswirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen, ab wann es ihm vorrangig um Sozialschutz oder um Wirtschaftspolitik geht273 und wie essentiell sein Interesse an der internationalen Geltung der Norm ist. Die Einordnung einer Norm als Eingriffsnorm kann deshalb nur grob nach den o.g. Gesichtspunkten vorgenommen werden; 274 die endgültige Beantwortung der Frage bleibt für jede Norm eine Wertentscheidung275 des Richters und damit an den Einzelfall gebunden.276

Zwischenergebnis: Die Bestimmung einer Eingriffsnorm erfolgt entweder durch ausdrücklichen Anwendungswillen des Gesetzgerbers des Erlaßstaates oder durch eine Wertentscheidung des Richters des Forumstaates anband allgemeiner Kriterien. Maßgebliche Kriterien hierfür sind das ganz überwiegende öffentliche Interesse, das mit der Norm verfolgt wird, und ihre dogmatische Unabhängigkeit von der Rechtsordnung, der sie entstammt. 273 Siehe dazu die Beispiele bei Kropholler, Internationales Privatrecht, § 3 II 3 (=S. 22 f.). Gerade diese Schwierigkeit mag K. Neumayer, Notgesetzgebung, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 2 (1958), S.45 f., zu der Suche nach anderen Parametern bewogen haben. 274 Andere verneinen jede Möglichkeit der Kategorisierung, so Coester, ZVglRWiss 82 (1983), S. 29 f., und Droste, S. 164-167, letzterer für den Bereich der privatrechtliehen Bestimmungen. 275 Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, Rz. 299. Großfeld, § 14 III (= S. 124), bezeichnet diesen Vorgang als "Qualitätskontrolle". 276 Nicht unerwähnt bleiben soll Schurig, Zwingendes Recht, ,,Eingriffsnormen" und neues IPR, RabelsZ 54 (1990), S. 228, der mittels Umkehrschluß glaubt, auf eine Definition von Eingriffsnormen verzichten zu können: Eine Norm werde nicht auf besondere Weise kollisionsrechtlich angeknüpft, weil sie ,,Eingriffsnorm" ist; sie werde allenfalls zur Eingriffsnorm, weil man sie auf besondere Weise kollisionsrechtlich anknüpft. Damit verkennt Schurig jedoch, daß es gerade Aufgabe der Rechtslehre ist, aus der Summe der Normen und Einzelfallentscheidungen eine Dogmatik herauszubilden im Dienste der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und der Einheit der Rechtsordnung (s. a. Zweigert, Nichterfüllung aufgrund ausländischer Leistungsverbote, RabelsZ 14 (1942), S. 289). 1m übrigen verwendet er selbst im folgenden den BegriffEingriffsnorm immer wieder, wenn auch mit "", ein wohl eher äußerlicher Unterschied.

7 Laufkötter

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Eine etwas andere Beurteilung ergibt sich bezüglich der Eingriffsnormen von EU-Mitgliedsstaaten: Da sie- zumindest im Bereich des Wirtschaftsrechts-die europarechtlichen Grundfreiheiten einschränken, haben sie nur dann Gültigkeit, wenn sie gemeinschaftskonform sind. Das Interesse des Mitgliedsstaates an der Durchsetzung der konkreten Regelung wird also von der Gemeinschaft anerkannt, wenngleich es auch noch nicht vergemeinschaftet ist. Die Mitgliedsstaaten sind demnach schon kraft Gemeinschaftsrechts daran gehindert, ausländisches Eingriffsrecht generell zu negieren bzw. nicht zu beachten.m Da die aufgezeigten Kennzeichen von Eingriffsnormen eine große Masse möglicherweise anzuwendender Rechtsvorschriften eröffnet, gilt es nun, diese wieder einzugrenzen. Es wird nur das Eingriffsrecht der Rechtsordnungen beachtet, die zu dem Rechtsverhältnis eine genügend enge Beziehung aufweisen.278 Bei international zwingendem Recht der Iex fori geht der Gesetzgeber davon aus, daß dies ohne weiteres der Fall ist, weswegen Art. 34 EGBGB darauf auch nicht eingeht. Es mag dahingestellt sein, ob dies auch dann der Fall ist, wenn deutsches Recht und deutscher Gerichtsstand lediglich aus Gründen der Neutralität vereinbart worden sind, oder ob hier nicht eine verfassungskonforme Auslegung i. S. d. Art. 2 I GG im Sinne einer teleologischen Reduktion angezeigt ist279 • Denn wenn nicht bei der Qualifikation so doch jedenfalls bei der Anwendung der Eingriffsnorm wird das Maß des Inlandsbezugs zusätzlich herangezogen (s. dazu sogleich). Im Falle ausländischer Eingriffsnormen muß eine genügend enge Beziehung von Fall zu Fall festgestellt werden.280 Ein Hinweis für eine genügend enge Beziehung ist jedenfalls die internationale Zuständigkeit des Erlaßstaates für das in Frage stehende Rechtsverhältnis.2B1 Maßgeblich kann aber auch die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz, der Erfüllungsort oder die Herkunft der Ware sein. Letzteres ist zum Beispiel bei Exportverboten der Fall. Entsprechend vorsichtig drückt sich auch Art. 7 I EuiPRÜ aus. Ist der Anwendungswille des Gesetzgebers ausdrücklich oder nach oben genannten Kriterien festgestellt, muß ermittelt werden, ob das Durchsetzungsinteresse für den Forumstaat beachtlich ist oder nicht.

277 Roth, Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts, RabelsZ 55 (1991), S. 663, der jedoch der Versuchung erliegt, Eingriffsrecht mit Öffentlichem Recht gleichzusetzen. 278 So schon Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 54 (1941), S.185f. 279 Ohne es so zu bezeichnen: Palandt-Heldrich, Art. 34 EGBGB Rz. 3, der im Rahmen des Art. 34 EGBGB zusätzlich das Maß des Inlandsbezugs als Maßstab schon für die Qualifizierung als Eingriffsnonn heranzieht. 230 Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 54 (1941), S.185f. mit zahlreichen Beispielen. 28 1 Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 54 (1941), S. l90.

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(3) Berücksichtigung der Eingriffsnonnen durch den nationalen Richter

Bei inländischen Eingriffsnonnen ist der Anwendungswille zugleich kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehl.282 Ist die Nonn danach erst einmal als Eingriffsnonn qualifiziert, ist der Richterper Art. 34 EGBGB zu ihrer Anwendung stets verpßichtet283. Das Maß des Inlandsbezugs beim zu entscheidenden Sachverhalt hatjedoch Einfluß auf Art und Umfang der Anwendung.284 Unter die inländischen Eingriffsnormen fallt auch das EG-Recht285, soweit es unmittelbar anwendbar ist, insbesondere also das sekundäre Gemeinschaftsrecht im Sinne des Art.249 II EGV286• Art und Maß der Anwendung ausländischer Eingriffsnonnen sind hingegen auch unter den Vertretern der Sonderanknüpfungslehre Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten. Wie im übrigen Kollisionsrecht auch, gilt ausländisches Recht im Inland nurkrafteines inländischen Anwendungsbefehls287. Ob dieser in den allgemeinen Kollisionsnormen enthalten ist (Einheitsanknüpfung), jeweils gesondert festzustellen ist (Sonderanknüpfungslehre) oder nach statutsangehörigen und statutsfremden ausländischen Eingriffsnormen differenziert werden muß (Kumulationslehre), ist dabei nur der (schon umstrittene) Ausgangspunkt.288 Nach der hier vertretenen Kumulationslehre gelten die Eingriffsnonnen des (gewählten) Schuldstatuts ohnehin; nur für die ausländischen statutsfremden Eingriffsnormen ist eine Sonderanknüpfung und damit ein gesonderter innerstaatlicher kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehl erforderlich. Dies befreit aber nicht von der Problematik, wie Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 331. Treten inländische und ausländische Eingriffsnormen in Konkurrenz zueinander, so geht die inländische schon deshalb vor (Drobnig, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S.6). 284 Kropholler, Internationales Privatrecht, §52 VIII 1 (= S. 442); Wehlau, DZWir 1994, S. 37; Kohte, EuZW 1990, S.153 f., der allerdings die scharfe Trennung zwischen Qualifikation als Eingriffsnorm und Anwendungsumfang ablehnt. Er spricht sich vielmehr für ein bewegliches System aus, wie es die Rechtsprechung bei der ordre-publie-Frage anwendet; a.A. Radt· ke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 329 und 331, der auf diese Voraussetzung ganz verzichtet; a. A. Palandt·Heldrich, Art. 34 EGBGB Rz. 3, der das Maß des Inlandsbezugs schon als Maßstab für die Qualifizierung als Eingriffsnorm wertet. 28~ MönchKomm- Martiny, Art. 34 EGBGB Rz. 21. 286 Entgegen der Auffassung des BGH (BGH; Urt. v. 28.01.1993, in: NJW 1993, S.1128; Palandt-Heldrich Art. 34 EGBGB Rz. 3) ist der Anwendungsbereich des Art. 34 EGBGB auch nicht auf "diesen Unterabschnitt" (= Artt. 27-37 EGBGB) beschränkt, wie es vielleicht sein Wortlaut nahelegen mag. Denn der zugrundeliegende Art. 7 II EuiPRÜ spricht ausdrücklich von "diesem Übereinkommen", so daß auch die an anderer Stelle inkorporierten Normen des EuiPRÜ, wie z. B. Art. 11 EGBGB nicht von Eingriffsnormen unberührt bleiben (so wohl Junker, Schadensersatzpflicht, JZ 1991, S. 700). 287 KG, Beschl. v.Ol.07. 1983, in: WM 1984, S.l201; Siehr, Ausländische Eingriffsnormen, RabelsZ 52 (1988), S. 84. An einer allgemeinen Anknüpfungsregel für ausländische Leistungsverbote versuchte sich schon Zweigert, Nichterfüllung aufgrund ausländischer Leistungsverbote, RabelsZ 14 (1942), S.295. 288 s. dazu oben S.85-89. 282 283

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ausländische Eingriffsnormen-seien sie statutsangehörig oder -fremd- zu berücksichtigen sind. Allerdings macht es in der praktischen Auswirkung nur wenig Unterschied, ob das von den Parteien angestrebte Geschäft bzw. die gesetzliche Leistungspflicht aus kollisionsrechtlichen oder materiellrechtlichen Gründen gerichtlich keinen Bestand hat289 • Denn, wenn die ausländische Eingriffsnorm nicht über eine Sonderanknüpfung zum Tragen kommt, dann doch spätestens im Rahmen des anwendbaren Statuts und bei dessen Sachnormen über das Entstehen und die Erfüllung einer Verpflichtung290 • Wettbewerbsrechtlich von Bedeutung ist deshalb vor allem die Frage, welche ausländische Normen sogenannte Eingriffsnormen bilden. 29 1 Unbenommen bleibt es den Parteien stets, zwingendes Recht mittels materiellrechtlicher Verweisung zur Geltung zu bringen. Dies ist dann in den Schranken des ius cogens des Vertragsstatuts beachtlich.292

b) Weitere Schranken von Parteiautonomie (ohne Bedeutung für das Wettbewerbs- und Kartellrecht) Wenn auch häufig bei der Ablehnung von Parteiautonomie im Wettbewerbs- und Kartellrecht mit der Drittschutzproblematik argumentiert wird, so spielen dennoch Rechte Dritter in beiden Rechtsgebieten keine Rolle. Denn im Unterschied zum Drittinteresse, liegt ein Drittrecht nur dann vor, wenn der Dritte einen eigenen Anspruch aus einem Rechtsverhältnis zu einem von zwei an einem Rechtsverhältnis Beteiligten herleitet. Meistens ist es ein Vertragsverhältnis, so z. B. das Besitzrecht eines Dritten, wenn der Eigentümer sein Eigentum veräußert oder belastet. Solche Konstellationen kommen jedoc~ weder im Wettbewerbsrecht noch im Kartellrecht vor. Denn sie setzen ein Recht mit einem positiven Zuweisungsgehalt voraus, über das verfügt werden kann. Solche Rechte kennen das Wettbewerbs- und Kartellrecht nicht. Drittschutz-Argumentationen zum Thema Rechtswahlfreiheit im Wettbewerbsund Kartellrecht sind somit Argumentationen zu Drittinteressen.293 Die allerdings gibt es reichlich in beiden Rechtsgebieten. Sie werden im Rahmen des Kollisions289 Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht, S. 74; Drobnig, Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988), S. 7; a. A. Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 54 (1941), S. 206: Der Unterschied zeige sich darin, wessen Staates ordre public maßgeblich sei, der der Iex fori oder der der Eingriffsnorm. 290 Siehr, Parteiautonomie, S. 507 f.; a. A. Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZVglRWiss 54 (1941), S. 203, 212, der eine rein faktische Berücksichtigung ausländischen Rechts ausschließt. 291 Bemerkenswert ist dabei der Ansatz von Siehr, der am Beispiel des ausländischen Exportkartells aufzeigt, daß Eingriffsrecht nicht notwendig zwingendes Recht sei, sondern auch in Fällen einschlägig sei, wo fremdes Recht gestatte, was das Vertragsstatut verbiete. Siehr, Ausländische Eingriffsnormen, RabelsZ 52 (1988), S. 44. Das Beispiel ist jedoch inzwischen durch die sechste GWB-Novelle 1998 überholt. m Am Beispiel von Erstreckungsklauseln im Außenwirtschaftsrecht Remien, RabelsZ 54 (1990), S.472-477.

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rechts über die Eingriffsnormen berücksichtigt. Denn es ist gerade Aufgabe der Eingriffsnormen, u. a. typisierten Drittinteressen Rechnung zu tragen. Ausführungen zu Drittrechten im Kollisionsrecht sind deshalb hier entbehrlich. Ebenso entbehrlich sind Ausführungen zum ordre public, zur Wahl transnationalen Rechts, zum Schutz des Wahlenden selbst und zum Rechtsmißbrauch. Diese Rechtswahlschranken sind zwar auch im Wettbewerbs- und Kartellrecht denkbar (im Unterschied zu Drittrechten), jedoch kommt ihnen dort keine nennenswerte Bedeutung zu. 294

2. Internationales Deliktsrecht Da das Wettbewerbsrecht sich als Sonderrecht aus dem Allgemeinen Deliktsrecht entwickelt hat, ist die Rechtswahlfreiheit und ihre Begrenzung hier von besonderem Interesse. Auch der Gesetzgeber nahm bei der Restkodifikation des Kollisionsrechts von einer eigenen Kollisionsregel für das Wettbewerbsrecht Abstand. Denn diese lasse sich aus den Kollisionsregeln für das Allgemeine Deliktsrecht entwickeln.295 Soweit also die Rechtswahlfreiheit aus Art. 2 I GG verfassungskonform schon im Allgemeinen Deliktsrecht beschränkt wird, wäre sie a maiore ad minus auch im Internationalen Wettbewerbsrecht ausgeschlossen. Denn letzteres ist unstreitig mehr von einem staatlichen Ordnungsinteresse geleitet als das Allgemeine Deliktsrecht, das ausschließlich auf den privaten Interessenausgleich beschränkt ist. Mit Gesetz vom 21.05.1999, in Kraft seit 01.06.1999, wurde das Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse und der Sachen kodifiziert und in das bestehende EGBGB integriert (Artt. 38-45 EGBGB). Die Kodifikation übernimmt im wesentlichen die Vorschläge des Referentenentwurfs des Deutschen Rates für IPR von 1993296 und trägt damit den bisher in der Praxis befolgten Anknüpfungsregeln Rechnung. Nach Art. 42 EGBGB wird nunmehr vom Gesetzgeber im Internationalen Deliktsrecht die Parteiautonomie zur Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Eintritt des schädigenden Ereignisses ausdrücklich zugelassen. Dies entspricht der bis dahin ganz herrschenden Recht~prechung und Lehre.297 Dogmatisch wird sie berge293 Auch der Regierungsentwurf differenziert hier nicht, RegEntw. IPR 1999, S. 10. Da die Ausführungen zwar das Wettbewerbsrecht, nicht jedoch die Rechtswahlfreiheit betreffen, ist hier nicht näher darauf einzugehen. 294 Zur Qualifikation des Kartellrechts als Teil des deutschen ordre public s. oben S. 30. 295 RegEntw. IPR 1999, S.10. 296 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Internationalen Privatrechts (außervertragliche Schuldverhältnisse und Sachen) vom 01.12.1993, abgedruckt in: Kropholler, Internationales Privatrecht, Anhang(= S. 575-577). 297 Ständige Rechtsprechung seit BGH, Urt. v. 10.06.1960, in: VersR 1960, S. 908 (aber ohne Begründung); grundlegend: BGH, Urt. v. 26.11.1964, in: BGHZ 42, S. 389; BGH,

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leitet aus der Dispositivität des Ausgleichsanspruchs;298 deshalb kann sie hinsichtlich der wählbaren Rechte nicht beschränkt sein.299 Die Begründung zum Gesetzesentwurf 1999 gibt der Rechtswahl ausdrücklich den Vorrang vor den gesetzlichen Anknüpfungen der außervertraglichen Schuldverhältnisse.300 Ware also die Parteiautonomie hinsichtlich der wählbaren Rechte eingeschränkt, käme Art. 42 EGBGB keine eigenständige Bedeutung zu; denn schon die objektiven Sonderanknüpfungen der Artt. 40 li, 41 EGBGB eröffnen dem Gerichtkraft Ausweichklausel bzw. Akzessorietät nahezu jede Rechtsordnung, die mit dem Schuldverhältnis oder den an ihm beteiligten Personen in tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang steht. Somit liegt die Bedeutung des Art. 42 EGBGB wesentlich darin, den Parteien die Wahl eines neutralen Rechts zu ermöglichen und nicht nur zu bestimmen, von welcher der objektiven Anknüpfungen der Artt. 38-45 EGBGB Gebrauch gemacht werden soll. Die Rechtswahl wird kraft kollisionsrechtlichen Vertrages vorgenommen, so der eindeutige Gesetzestext des Art.42.1 EGBGB.30l Urt. v. 06.11.1973, in: NJW 1974, S. 410 m. zahlr. Nachw.; aus neuerer Zeit: BGH, Urt. v.20.10.1992, in: NJW 1993, S.l95. Aus der Literatur statt aller: Beitzke, Les Obligations d6lictuelles, Rec. des Cours, 1965 II, S. 72; Stoll, Straßenverkehrsunfa.Ile, S. 115 FN 8 m. zahlr. Nachw.; Kreuzer, Kollisionsrechtliche Probleme der Produkthaftung, IPrax 1982, S. 4; Soergel-Lüderitz, Art. 38 EGBGB Rz. 81 m. w. Nachw.; Schlosser, JR 1987, S. 161; MünchKomm-Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rz. 57 f. m. zahlr. Nachw.; Reithmann/Martiny-Martiny, Rz. 332 (= S. 318f.); Hohloch, NZV 1988, S. 162m. zahlr. Nachw. aus der Rechtsprechung; Staudinger-v. Hojfmann, Art. 38 EGBGB Rz. 145 m. zahlr. Nachw.; Einsele, Ungerechtfertigte Bereicherung, JZ 1993, S. 1033; Kropholler, Internationales Privatrecht, §53 V 1 (= S. 463); Rohe, S. 201 f. m. zahlr. Nachw.; rechtsvergleichend: Siehr, Parteiautonomie, S. 490 m. zahlr. Nachw.; für Persönlichkeitsrechtsverletzungen: R. Wagner, S. 88 f. (nur nachträgliche Rechtswahl). Dies war dagegen noch undenkbar für Gloede, GRUR 1960, S. 467; s. auch: Bröcker, S. 75 f. 298 Kropholler, Deliktsrecht, RabelsZ 33 (1969), S. 639 f.; MünchKomm-Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rz. 58; H ohloch, NZV 1988, S. 162f. Soergel-Lüderitz, Art. 38 EGBGB Rz. 81 , spricht von einem vergleichsähnlichen Geschäft. Daß auch Ansprüche aus Unlauterem Wettbewerb darunter fallen, zeigt die unumstrittene Abmahn- und Vergleichspraxis auf diesem Gebiet, s. a. Samwer in: Gloy, § 72 Rz. 5. 299 MünchKomm-Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rz.62; Soergel-Lüderitz, Art. 38EGBGB Rz. 81. A. A. Deutsch, Internationales Unfallrecht, S. 226f., für Unfälle: Nur ein durch den Unfall oder seine Beteiligten berührtes Recht. 300 RegEntw. IPR 1999, S.14. 301 Dies entspricht der in der Literatur wohl unumstrittenen Meinung (Kropholler, Deliktsrecht, RabelsZ 33 (1969), S. 639; Kreuzer, Kollisionsrechtliche Probleme der Produkthaftung, IPrax 1982, S. 5; MünchKomm-Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rz. 59 m. w. Nachw.; Soergel-Lüderitz, Art. 38 EGBGB Rz. 81; s. dazu Hohloch, NZV 1988, S. 164; Staudinger-v. Hojfmann, Art. 38 EGBGB Rz.145 m. w. Nachw.). Der BGH ging ursprünglich von einem materiellrechtlichen schuldbegründenden bzw. schuldumschaffenden Vertrag aus (BGH, Urt. v. 26.11.1964, in: BGHZ42, S. 389; ebenso Raape, S.122f.). Ware dem so, führte die Rechtswahl zu einem deliktischen Anspruch; dies ist aber unmöglich; vielmehr kann nur ein Sachverhalt und nicht ein Rechtsgeschäft zu einem deliktischen Anspruch führen. Eine eindeutige Stellungnahme zugunsten des kollisionsrechtliche!J Verweisungsvertrags hat der BGH bis jetzt jedoch nicht vorgenommen, s. z.B. BGH, Urt. v.24.09.1986, in: BGHZ98, S.274.

IV. Parteiautonomie in benachbarten Rechtsgebieten

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Während die nachträgliche Vereinbarung in jahrzehntelanger Praxis nahezu unumstritten302 und nunmehr kodifiziert ist, begegnet die Rechtswahl vor Eintritt des schädigenden Ereignisses einigen BedenkenlOl (s. dazu unten S.106ff.).

a) Rechtswahl nach Eintritt des Schadensereignisses Da sich die Parteien eines Haftungsstreits, ebenso wie die eines wettbewerbsrechtlichen Streits, häufig vor Gericht erst kennenlemen, kommt es dementsprechend oft erst dann zu einer Rechtswahl. Wie oben, Kapitel C II 1 b (= S. 64-66), dargelegt, erfolgt diese zumeist konkludent aufgrundder Parteivorträge, die sich auf dasselbe Recht- zumeist die Iex fori- stützen. Die dort aufgeführten Probleme gelten auch hier uneingeschränkt; dies umso mehr, als sich im Deliktsrecht häufig ungleiche Verhandlungspartner gegenüberstehen (z. B. muß sich häufig der Geschädigte mit dem Versicherer des Schädigers auseinandersetzen). Auch gilt für die Wahl des Deliktsstatuts, daß diese Rechte Dritter nicht beeinträchtigen darf, Art. 42.2 EGBGB. Im Deliktsrecht ist Dritter zumeist ein Versicherer; soweit die Rechtswahl zu seinen Lasten ginge, bleibt seine Rechtsstellung davon unberührt.l04 Er kann somit durch Rechtswahl nicht einem Direktanspruch des Geschädigten ausgesetzt werden, wenn dies das objektiv anwendbare Recht nicht kennt30S oder das auf den Versicherungsvertrag des Schädigers anzuwendende Recht einen solchen Anspruch nicht vorsieht, Art.40IV EGBGB. Die Rechtswahl hat auch keinen Einfluß auf gesetzliche Ansprüche Dritter, z. B. auch nicht aus § 844 BGB; dies ist schon dogmatisch ausgeschlossen, denn diese leiten ihre Ansprüche nicht aus einem Vertragsverhältnis, sondern direkt aus dem Gesetz ab, so daß ohne ihre Einbeziehung nicht über diese Ansprüche disponiert werden kann. Es läge sonst ein (nicht zulässiger) Vertrag zu Lasten Dritter vor.306

Siehe schon Raape, S. 122; dazu auch: W Lorenz, Allgemeine Grundregel, S. 132. Sie wird dennoch von den herrschenden Meinung in der Literatur befürwortet; s. z. B. WLorenz, Allgemeine Grundregel, S.134f., de lege ferenda; Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S. 5; MünchKomm-Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rz. 61; Staudinger-v. Hoffmonn, Art. 38 Rz. 146 m. w. Nachw. Gegen vorherige Rechtswahl: Beitzke, Les obligations d~lictuelles, Rec. des Cours, 1965 II, S. 72, der aber im folgenden, S. 107ff., die akzessorische Anknüpfung an das subjektiv bestimmte Vertragsstatut mit Einschränkungen befürwortet. V. Bar, IPR, Band 2, Rz. 676 FN 176, Rz. 677, sieht vor allem Gefahren des Mißbrauchs und kann deshalb allenfalls die Wahl der Iex fori akzeptieren. Er geht aber auch schon nach altem Recht fälschlicherweise davon aus, daß auch der Versicherungsvertrag stets der Iex fori unterliege. 304 WLorenz, Allgemeine Grundregel, S.133; Hohloch, NZV 1988, S.165. 30S Hohloch, NZV 1988, S.165. 306 s. a. Staudinger-v. Hoffmonn, Art. 38 EGBGB Rz. 148. 302

JOJ

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b) Akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts zu anderen Statuten

Zwar ist die Rechtswahl vor Eintritt des Schadensereignisses umstritten, jedoch ist die Bestimmung des Deliktsstatuts akzessorisch zu anderen Statuten vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen, und zwar vorrangig zur Tatortanknüpfung in Art.40IEGBGB.307 Nach Art.4011EGBGB kann das Deliktsstatut an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien angeknüpft werden, sofern nicht- insbesondere durch eine rechtliche oder tatsächliche Beziehung der Parteien im Zusammenhang mit dem Delikt- eine wesentlich engere Verbindung zu einer anderen Rechtsordnung besteht, Art.41 I, II Nr. 1 EGBGB.l08 Der Zusammenhang zwischen Delikt und Sonderbeziehung i. S. d. Art. 41 I, II Nr. 1 EGBGB ist vor allem dann gegeben, wenn das schädigende Ereignis auf der Verletzung einer Pflicht beruht, die gerade der rechtlichen Sonderbeziehung entspringt.309 Denn hier besteht an einer einheitlichen Beurteilung des Lebenssachverhalts ein hohes lnteresse.liO Diese engere Verbindung kann auch und gerade durch ein Schuldverhältnis begründet sein, für das seinerseits das anwendbare Recht mittels Rechtswahl bestimmt wurde311 • In den allermeisten Billen dürfte es sich hierbei um ein vertragliches bzw. 307 s. nunmehr den Wortlaut der Artt. 40 II, 41 I, II Nr. 1 EGBGB der damit der bisher schon ganz herrschenden Lehre Rechnung trägt. Siehe z. B. Kropho/ler, Deliktsrecht, RabelsZ 33 (1969), S. 626 und 628-634 (grundlegend); Sto/1, Straßenverkehrsunfälle, S. 115 FN 9 m. zahlr. Nachw.; Meyer-Sparenberg, S. 188; Staudinger-v. Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rz. 137 m. zahlr. Nachw. in Rz. 135, sowie die zahlreichen Schrifttumsnachweise bei Manse/, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S. 15. Die entgegenstehenden Auffassungen von Bröcker, S. 210-212, v. Bar, IPR, Band 2, Rz. 561 und insbesondereMeyer-Sparenberg, S. 164, der auf fehlender gesetzlicher Grundlage argumentiert, dürften damit überholt sein. Weiterhin einschlägig ist jedoch Soergel-Lüderitz, Art. 38 EGBGB Rz. 81, der im Kollisionsrecht vor der Gesetzesnovelle von 1999 schon einen Anhaltspunkt zu einer allgemeinen Akzessorietät des Deliktsstatuts zum Vertragsstatut im geltenden Recht vermißte. Denn auch Artt. 41 I, II Nr. I EGBGB verlangen, daß die rechtliche oder tatsächliche Beziehung eine wesentlich engere Verbindung begründet als das Tatortrecht oder das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes. 308 Staudinger-v. Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rz. 137; Kropho/ler, Internationales Privatrecht, §53 V 3 (= S. 466), Siehr, Parteiautonomie, S. 490, und Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S.l5, sahen hierfür auch ohne Kodifikation ein Bedürfnis, vor allem aus Gründen der kollisionsrechtlichen Gerechtigkeit (v. Hoffmann und Siehr). 309 Beitzke, Les obligations delictuelles, Rec. des Cours, 1965 II, S. 109; W. Lorenz, Allgemeine Grundregel, S. 155; Palandt-Heldrich, Art. 40 EGBGB Rz. 65. Diese Einschränkung macht jetzt auch Kropho/ler, Internationales Privatrecht, §53 V 3 (= S. 466). 310 Dieses erkennt v. Bar, IPR, Band 2, Rz. 561 nicht an. Nach Schaack, S. 49, soll in solchen Fällen die akzessorische Anknüpfung dann zulässig sein, wenn die Beziehung der gewählten Rechtsordnung zur vertrags- und deliktsrechtlichen Seite des Sachverhalts identisch ist. 311 A. A. v. Bar, IPR, Band 2, Rz. 561: Er sieht darin eine Auflockerung des Deliktsstatuts, die gerade bei parteiautonom bestimmtem Vertragsstatut auf Zufälligkeit beruhe und eine- für

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quasi-vertragliches Schuldverhältnis312 handeln, da die Abwicklung eines Bereicherungsanspruches, einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder eines deliktischen Anspruchs kaum eine enge Verbindung zu einer bestimmten Rechtsordnung indiziert. Hingegen werden durch Vertrag in der Regel zahlreiche rechtliche Ansprüche und Verpflichtungen begründet, so daß schon allein durch die Vertragsdauer eine rechtliche Sonderbeziehung entstehen kann. Die akzessorische Anknüpfung kann also eine objektive oder eine subjektive Anknüpfung sein,313 je nachdem, ob das Vertragsstatut, auf das Bezug genommen wird, objektiv oder durch Rechtswahl bestimmt wurde. Die hier allein interessierende Bezugnahme auf das durch Rechtswahl bestimmte Vertragsstatut314 ist aber nur dann möglich, wenn die Parteien aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt (z. B. Kauf eines fehlerhaften Produkts) sowohl vertragliche als auch deliktische Ansprüche herleiten bzw. abwehren. Denn nach Art.41 IINr. 1 EGBGB muß die tatsächliche oder rechtliche Beziehung, an die angeknüpft werden soll, in Zusammenhang mit dem Delikt stehen. Das Deliktsstatut kann also auch nach der Kodifikation akzessorisch zu einem subjektiv bestimmten Vertragsstatut bestimmt werden,315 so daß man auf diesem Wege zu einer zulässigen Rechtswahl für zukünftige deliktische Ansprüche kommt. 316 Ob dies als echte Parteiautonomie zu bezeichnen ist, darfbezweifelt werden. Denn die akzessorische Anknüpfung wird schließlich vom Gericht vorgenommen, Art.41 IEGBGB. Das parteiautonome Moment liegt in diesen Fällen bei der Rechtswahl für die vertragliche Beziehung. Das Gericht erkennt lediglich die subjektive Bestimmung des anzuwendenden Rechts - über den Vertrag hinaus für den gesamten Lebenssachverhalt an. Für eine akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts an das Vertragsstatut ist es unschädlich, wenn der zugrundeliegende Vertrag nichtig ist. Denn zum einen ist die Anknüpfung an ein putatives Vertragsstatut im Internationalen Vertragsrecht nichts Ungewöhnliches,317 zum anderen verschieben sich durch die Nichtigkeit nicht die das Deliktsrecht seiner Ansicht nach erforderliche- räumliche Nähebeziehung nicht garantiert. Die Nähebeziehung ist aber durch die Tatsache, daß sich die Parteien für diesen Lebenssachverhalt bereits auf ein Recht geeinigt haben, im ausreichenden Maße vorhanden, s. auch Patrzek, S.49 und 51. 312 Dazu: W.Lorenz, Allgemeine Grundregel, S.157. 3l3 A. A. Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987}, S. 9, im Sinne einer lediglich objektiven Anknüpfung. 314 MünchKomm-Kreuzer, Art. 36 EGBGB Rz. 67 (mit Beispielen), weist zutreffend darauf hin, daß Akzessorietät keine Einbahnstraße ist; vielmehr kann auch das Vertragsstatut akzessorisch zum Deliktsstatut sein. m Dieser Fall wird wohl von der Entwurfsbegründung nicht gesehen, s. RegEntw. IPR 1999, S.14. 316 Deshalb ist auch nur schwer nachvollziehbar, weshalb Palandt-Heldrich, Art. 42 EGBGB Rz.l, die Akzessorietät zu einem subjektiv bestimmten Vertragsstatut "selbstverständlich" zuläßt, die vorherige Rechtswahl aber für unwirksam hält. 317 W.Lorenz, Allgemeine Grundregel, S. l57.

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kollisionsrechtlichen Interessen. Aus der rechtlichen Sonderbeziehung ist dann eine tatsächliche i.S.dArt.41 11Nr.1 EGBGB geworden. c) Rechtswahl vor Eintritt des Schadensereignisses Im Internationalen Wettbewerbsrecht ist die Rechtswahl vor Eintritt des Schadensereignisses wesentlich naheliegender als im Allgemeinen Deliktsrecht; denn hier gibt es die langjährige Praxis der Ahmahnung und der strafbewehrten Unterlassungserklärung zur Ahndung begangener und gleichzeitiger Verhinderung zukünftiger Wettbewerbsverstöße. Neben dem vertraglichen Unterlassungsanspruch besteht regelmäßig auch ein deliktischer aus dem UWG bzw. seinen Nebengesetzen. Anstelle auf die akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts an das Vertragsstatut gern. Art. 41 I, II Nr. 1 EGBGB durch das Gericht zu vertrauen, könnten so die Parteien auch gleich in der Ahmahnung und strafbewehrten Unterlassungserklärung ihre Rechtswahl auch auf die gesetzlichen deliktischen Ansprüche erstrecken. Der Vorteil für die Parteien liegt darin, daß sie sich vor dem Streitfall einigen können. Bei der nachträglichen Rechtswahl (im Prozeß) mag dies dann - aus persönlichen Gründen- schwierig sein. Die Entwurfsbegründung318 und manche Autoren lehnen jedoch die vorherige Rechtswahl ganz ab. 319 Fraglich ist somit, ob nach der Kodifikation des Internationalen Deliktsrechts überhaupt noch Raum für vorherige Rechtswahl ist. Eine analoge Anwendung des Art.42.1 EGBGB kommt nicht in Betracht, da es insoweit an einer Regelungslücke mangelt. Denn in der Entwurfsbegründung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß er an die vorherige Rechtswahl gedacht hat, und hat diese bewußt und ausdrücklich abgelehnt. Andererseits handelt es sich auch bei der vorherigen Rechtswahl um den Gebrauch einer durch Art. 21 GG geschützten Freiheit. Ihre Beschränkung muß demnach geeignet, erforderlich und verhältnismäßig zur Durchsetzung des vom Gesetzgeber formulierten Gemeinwohlinteresses, nämlich dem Schutzcharakter außervertraglicher Schuldverhältnisse und praktischen Gründen, sein. 320 Selbst wenn man außervertraglichen Schuldverhältnissen den vom Gesetzgeber nicht näher bezeichneten Schutzcharakter unterstellt, so kann dies schon unter dem 318 RegEntw. IPR 1999, S. 14. Vogelsang, NZV 1999, S. 501, sieht sich an die Gesetzesbegründung gebunden. Der Gesetzesbegründung kommt jedoch kein weiterer Geltungsanspruch zu als einem, wenn auch stark zu gewichtenden Auslegungskriterium. 3 19 So z.B Palandt-Heldrich, Art.42 EGBGB Rz.1 undS.Lorenz, NJW1999, 5.2217 (beide ohne Begründung). Kegel/Schurig, § 18IV 1 d (= S.639f.) erwähnen sie erst gar nicht. 320 Busse, RIW 1999, S. 19, hält diese Begründung für nichtssagend und deshalb für ,,keinen überzeugenden Grund, vorausschauenden Parteien die Möglichkeit zu nehmen, für den Fall eines Bereicherungsausgleiches die Anwendung des von ihnen gewünschten Rechts festzulegen". Diese Argumentation erfolgte jedoch noch bevor der Referentenentwurf Gesetz geworden ist, also de lege lata.

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Gesichtspunkt der Erforderlichkeit nicht die Versagung der Rechtswahlfreiheit begründen. Wenn es tatsächlich im Deliktsrecht Konstellationen gibt, bei denen eine typisch schwächere Vertragspartei unter staatlichen Schutz zu stellen ist, so kann dies weit weniger einschneidend durch Eingriffsnormen geschehen. Diese begrenzen nach Art. 34 EGBGB die Rechtswahlfreiheit Gedenfalls soweit deutsches Recht abgewählt wird), ohne sie ganz auszuschließen. Der "Schutzcharakter außervertraglicher Schuldverhältnisse" kann somit nicht in verfassungskonformer Weise die vorherige Rechtswahl ausschließen. Ebenso verhält es sich mit den "praktischen Gründen". Auch diese werden vom Gesetzgeber nicht näher spezifiziert; andererseits ist es nicht so, daß sie sich ohne weiteres dem Rechtsanwender aufdrängen. Tatsächlich werden auch in der Literatur zu Art. 42.1 EGBGB keine praktischen Gründe benannt. Es ist deshalb zu bezweifeln, ob solche überhaupt bestehen. Vielmehr ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber für die vorherige Rechtswahl keinen Bedarf bzw. Anwendungsfall sah. Dieser zu Beginn dieses Abschnitts beschrieben worden. Darüber hinaus und entgegen einer weit verbreiteten Ansicht321 macht selbst die -Möglichkeit der akzessorischen Anknüpfung die Prüfung der Reichweite einer möglicherweise getroffenen Rechtswahl nicht überflüssig, denn letztere ist vorrangig322, Art. 42.1 EGBGB. Dies macht sich bei solchen Ansprüchen bemerkbar, die nicht mehr akzessorisch angeknüpft werden können, weil kein Zusammenhang zwischen Delikt und besonderem Rechtsverhältnis besteht323 • Auch mag es vorkommen, daß Parteien sich zwar nicht über das Vertragsstatut einigen können oder wollen oder diese Vereinbarung nichtig ist, daß aber eine gültige Vereinbarung über das Recht vorliegt, das auf schädigende Ereignisse, die mit der Vertragsbeziehung in Zusammenhang stehen, anzuwenden ist. Es handelt sich dann um eine analog Art. 27 I 3 EGBGB zulässige TeilrechtswahL324 Als Ergebnis kann also festgehalten werden, daß die Freiheit, das auf deliktische Ansprüche anzuwendende Recht vor Eintritt des Schadensereignisses zu bestimZ. B. Bauer, S. 8f.; v.Hoffmann, IPR, § 11 Rz.45 (im Regelfall); Steiner, S.27. Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S.18; MünchKomm-Kreuzer, Art.38 EGBGB Rz.64und69;Hohloch, NZV 1988, S.164; a.A. wohl Staudinger-v.Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rz.146, der einerseits meint, die Rechtswahl sei in solchen Fällen nicht konstitutiv, im nächsten Satz aber darauf hinweist, daß die Rechtswahl eine akzessorische Anknüpfung ausschalten kann. 323 Kropholler, Deliktsrecht, RabelsZ 33 (1969), S.626; s. auch das Beispiel von Bröcker, S. 210: Ein Franzose und ein Deutscher, die einen Kaufvertrag geschlossen haben, stoßen auf der Straße mit ihren Kraftwagen zusammen. Staudinger-v.Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rz.138, nennt es "sachlicher Zusammenhang" unter Rückgriff auf Parallelen im materiellen Recht (Abgrenzung zwischen § 278 BGB und § 831 BGB). 324 Ähnlich W. Lorenz, Allgemeine Grundregel, S. 155; Staudinger-v. Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rz. 146 a. E. A. A.: Palandt-Heldrich, Art. 42 EGBGB Rz. 1, soweit das gesetzliche Schuldverhältnis selbst aufgeteilt werden soll. Dieser Fall ist vorliegend aber nicht gemeint. 321

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men, durch die Kodifikation des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse nicht beschränkt wird. Dogmatisch ist eine Analogie zu Art. 42.1 EGBGB dennoch nicht möglich, aber auch nicht nötig. Denn zum einen muß auch die vorherige Rechtswahl als Ausfluß der Allgemeinen Handlungsfreiheit vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich zugelassen werden,325 zum anderen ist Art. 42.1 EGBGB verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß er die vorherige Rechtswahl nicht ausschließt. Der Wortlaut ist insoweit nicht zwingend. Nach Ansicht einiger Autoren soll die Zulässigkeit der vorherigen Rechtswahl an ein anerkennenswertes Interesse geknüpft sein,326 insbesondere durch Beschränkung der Wahl auf solche Rechtsordnungen, die einen Bezug zum hypothetischen Schadensereignis aufweisen. 327 Dies scheint nur schwer einsichtig, da damit die Wahl eines neutralen Rechts ausgeschlossen wäre. Gerade daran kann aber- wie im Schuldvertragsrecht unstreitig- ein besonderes und anerkennenswertes Interesse bestehen.328 Weiter geht W. Lorenz, der auch bei rein tatsächlichen Beziehungen eine vorherige Rechtswahl für zulässig erachtet329• Als Beispiel hierfür bildet er den Fall der Mitnahme einer Person im Kraftfahrzeug bei einer Auslandsfahrt aus Gefalligkeit. Dies ist aber wohl eher ein typischer Fall der nachträglichen Rechtswahl; denn es wäre lebensfremd anzunehmen, Fahrer und Mitfahrer würden sich vor oder während der Fahrt Gedanken machen über das anwendbare Recht im Falle eines Verkehrsunfalls, nicht aber über ihre Rechte und Pflichten.330 Denn Letzteres führte zu einem Vertragsverhältnis. Das Beispiel macht deutlich, daß bei rein tatsächlichen Beziehungen eine vorherige Rechtswahl tatsächlich nicht stattfindet.331 Denn bei einem Gefalligkeitsv~rhältnis besteht gerade keine vertragliche oder sonstige rechtliche Verpflichtung zu einem bestimmten Tun oder Lassen.332 s. dazu oben S. 60. Z. B. W. Lorenz, Allgemeine Grundregel, S. 135; v. Hojfroonn, IPR, § 11 Rz. 45. 327 Staudinger-v. Hoffroonn, Art. 38 EGBGB Rz. 147; a. A. MünchKomm-Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rz. 62: Keine Beschränkung der wählbaren Rechte, da die Mißbrauchsgefahr nicht höher ist als im Internationalen Vertragsrecht. 328 s.a.lfoh/och, NZV 1988, S.l65 m. w.Nachw.; Soerge1-Lüderitz, Art.38EGBGB Rz.81; wohl auch: Kropho//er, Deliktsrecht, RabelsZ 33 (1969), S. 641. Von einer herrschenden Meinung kann aber keine Rede sein. 329 W. Lorenz, Allgemeine Grundregel, S. 134 und 135; in diesem Sinne wohl auch Mansel, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S. 5. 330 Deshalb scheint auch die Bestätigung seines Beispielfalls durch BGH, Urt. v.13.03.1984, in: IPrax 1985, S.l04f., weit hergeholt; s. W.Lorenz, Verkehrsunfallrecht, IPrax 1985, S. 87. 331 Deshalb wird diese Variante von Beitzke, Les obligations d.Slictuelles, Rec. des Cours, 1965 II, S.lll, von vomherein ausgeschlossen, anders jedoch beim nichtigen Vertragsverhältnis. 33 2 Auf weitere Ausführungen hierzu wird zugunsten der Rechtswahlproblematik verzichtet. S. aber hierzu: Manse/, Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZVglRWiss 86 (1987), S.l5-18. 32s

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Andererseits darf eine Rechtswahl für deliktische Ansprüche auch nicht unterstellt werden. Die Reichweite einer Rechtswahlklausel findet stets ihre Grenze am tatsächlichen Parteiwillen; denn, wenn die Parteien ausdrücklich die aus dem Vertrag entstehenden Rechtsstreitigkeiten einer bestimmten Rechtsordnung unterstellen, kann dies dokumentieren, daß man sich auf diese Lösung für deliktische Ansprüche gerade nicht geeinigt hat.333 Denn für eine Rechtswahlvereinbarung im Bereich des Deliktsrechts gelten keine anderen Auslegungsregeln als für alle anderen Rechtsgeschäfte auch, also§§ 133, 157BGB.l34 Um eine solche Rechtswahlklausel im Sinne des Parteiwillens auszulegen, kann der Prozeßvortrag der Parteien eine Hilfe sein. So problematisch eine stillschweigende Rechtswahl im Prozeß ist (s. dazu Kapitel CII 1 b, S. 64-66), kann dennoch davon ausgegangen werden, daß Parteien, die eine so spezifische Rechtswahlvereinbarung treffen und dann auch die deliktischen Ansprüche jeweils auf das gewählte Recht stützen, dies nicht aus bloßer Unkenntnis tun.335

d) Inhaltliche Schranken der Parteiautonomie: Art. 40 III EGBGB Eine inhaltliche Beschränkung der Rechtswahlmöglichkeit liegt in Art. 40 III EGBGB, wonach ein nach ausländischem Recht gewährter Schadensersatzanspruch nicht geltend gemacht werden kann, soweit er wesentlich weiter geht, als zur angemessenen Entschädigung des Verletzten erforderlich (Nr.1), offensichtlich anderen Zwecken als einer angemessenen Entschädigung des Verletzten dient (Nr. 2) oder haftungsrechtlichen Regelungen internationaler Übereinkommen widerspricht, die in Deutschland verbindlich sind (Nr. 3). Art. 38 EGBGB a. F., wonach die Geltendmachung von über das deutsche Recht hinausgehenden Ansprüchen gegen einen Deutschen ausgeschlossen wurden (sog. privilegium Germanicum), wurde aufgehoben. Diese Neuregelung war erforderlich, da Art. 38 EGBGB a. F., insbesondere durch die Anknüpfung an die deutsche Staatsangehörigkeit, gegen Art. 12 EGV verstieß336 bzw. - wie es die Entwurfsbegründung vorsichtiger formuliert- "nicht mehr heutigen internationalprivatrechtliehen Gerechtigkeitsvorstellungen"337 entsprach. Auch 333 Wehlau, DZWir 1994, S. 40; ähnlich schon: Beitzke, Les obligations delictuelles, Rec. des Cours, 1965 II, S. 108. Dies zieht Kropholler, Deliktsrecht, RabelsZ 33 (1969), S. 649, nicht in Betracht. 334 Hohloch, NZV 1988, 5. 164. 335 Diese Hypothese liegt wohl auch der Entscheidung des BGH, Urt. v. 17.03.1981, in: NJW 1981, S. 1606f., zugrunde, die aber deswegen problematisch bleibt, weil auch das Vertragsstatut nur durch Schlüsse aus dem Prozeßverhalten ermittelt wurde. 336 Sack, Grenzüberschreitende Werbe- und Absatztätigkeit, GRUR Int. 1988, S. 331; Brödermann, MDR 1992, S. 91; ausführlich: Staudinger-v. Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rz. 245; Martiny, Gemeinschaftsrecht, S. 236-238 m. w. Nachw. 337 RegEntw. IPR 1999, 5.12.

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

die Rechtsprechung versuchte, durch Art. 38 EGBGB a. F. erzielte, rechtspolitisch unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden.338 Die Entwurfsbegründung sieht den neuen Art. 40 m EGBGB - ebenso wie die h. M. Art. 38 EGBGB a. F. 339 - als besondere Ausprägung des ordre public.340 Dies ist jedoch nicht zwingend, da weder der mehrfache Schadensersatz (multiple damages) noch der Strafschadensersatz (punitive damages) noch die völkervertragliche Haftungsbegrenzung grundrechtlich geschützte Positionen angreifen.341 Geschützt wird hier allein das Vermögen des Schädigers, das am Grundrechtsschutz der Artt. 1-19 GG nicht teilhat. Andererseits ist unbedingte Anwendungswille des Gesetzgebers hinsichtlich des Art. 40 m EGBGB unübersehbar und entspricht auch den in Kapitel C IV 1 a (S. 93-98) dargestellten allgemeinen Kriterien zur Ermittlung einer Eingriffsnorm.342 Im Ergebnis macht es aber keinen Unterschied, ob Art. 40 m EGBG nach den Grundsätzen des ordre public oder über Art. 34 EGBGB als inländische Eingriffsnorm den Schaden begrenzt bzw. unter Umständen ganz ausschließt. 343

3. Internationales Immaterialgüterrecht Ebenso wie im Wettbewerbs- und Kartellrecht, ist die Rechtswahlmöglichkeit auch im Immaterialgüterrecht nicht Gegenstand eingehender wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Auf den ersten Blick scheint staatliches Ordnungsinteresse die 338 Anschaulich dargestellt in: BGH, Urt. v. 04.06.1992, in: BGHZ 118, S. 328f., und LG Berlin, Urt. v. 13.06.1989, in: RIW 1989, S. 989. 339 BGH, Urt. v. 04.06.1992, in: BGHZ 118, S. 329; in dieser Hinsicht nicht eindeutig: BGH, Beschl. v. 22.06.1983, in: BGHZ88, S. 24f.; distanzierend gegenüber EU-Mitgliedsstaaten: BGH, Beschl. v. 16.09.1993, in: BGHZ 123, S. 268-281; gegen diese Differenzierung: Stiefel/ Stürner, VersR 1987, S. 833. Die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung mag auch daran liegen, daß verschiedene Senate diese Frage entscheiden mußten. Aus der Literatur: Westphalen, Punitive Damages, RIW 1981, S. 141; Schack, Urteilsanerkennungs- und Regreßverfahren, VersR 1984, S.422; Hohloch, NZV 1988, S.166; Schütze, RIW1993, S.140. 340 RegEntw. IPR 1999, S.12; ebenso: v.Hojfmann, IPR, § 11 Rz.59 und Spickhoff, Restkodifikation des IPR, NJW 1999, S. 2213. 34l So aber Schack, Urteilsanerkennungs- und Regreßverfahren, VersR 1984, S. 423, zu Art. 38 EGBGB a. F., der vom Schutzgut her mit Art. 40 IIl EGBGB vergleichbar ist. 342 Insbesondere ist Art. 40 III EGBGB dogmatisch in kein bestimmtes System, etwa das deutsche Haftungsrecht o. ä. eingebunden, sondern er kann wie eine Ergebniskorrektur auf alle Rechtsstreitigkeiten angewandt werden. Demgegenüber ist es unbeachtlich, daß Art. 40 IIl im EGBGB steht. Es handelt sich dennoch um eine Norm des materiellen Rechts, da sie die Höhe eines Schadensersatzanspruches begrenzt. Lediglich ihr Anwendungsbereich ist auf internationale Sachverhalte beschränkt. Diese Bestimmung könnte ebenso im BGB stehen. 343 Der völlige Haftungsausschluß kann insbesondere im Rahmen des Art.40 IIl EGBGB bei einem anstößigen Haftungsgrund der Fall sein, Palandt-Heldrich, Art. 40 EGBGB Rz. 20 und 21. Der Schadensersatzanspruch wird dann aufNull reduziert; a.A. Palandt-Heldrich, ebenda, der einen Haftungsausschluß dem Grunde nach annimmt.

IV. Parteiautonomie in benachbarten Rechtsgebieten

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Parteiautonomie völlig auszuschließen. Aber auch hier muß sich der Ausschluß der Parteiautonomie am Grundrecht des Art. 2 I GG messen lassen und darf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzen. Die Problemlage ist im Immaterialgüterrecht nicht einheitlich, so daß eine Differenzierung auch zu differenzierten Ergebnissen führen kann. Wie schon dargelegt, stehen das Immaterialgüterrecht, das Wettbewerbsrecht und das Kartellrecht in engem Bezug zueinander. Dies liegt weniger an der Gemeinsamkeit des Schutzzwecks als vielmehr an der Tatsache, daß Immaterialgüterrechte ausschließliche Rechte zur wirtschaftlichen Verwertung sind. Sie gewähren deshalb zwangsläufig ein Monopol, jedenfalls solange der Inhaber keine Lizenz oder ein sonstiges Nutzungsrecht einräumt. Die Ausübung des Ausschließlichkeitsrechts muß im Einklang mit den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs stehen.344 Wieweit nun im Immaterialgüterrecht zwingendes Recht abgewählt werden kann, kann somit unmittelbar Einfluß haben auf den Umfang der Parteiautonomie im Wettbewerbsund Kartellrecht und umgekehrt. Nach der Rechtsprechung345 und ganz überwiegender Ansicht der Literatur ist für Parteiautonomie im Internationalen Immaterialgüterrecht kein Raum. In neuerer Zeit hat sich hierzu auch der Gesetzgeber in diesem Sinne geäußert und sich der herrschenden Argumentation angeschlossen.346 Der Ausschluß der Parteiautonomie wird rein pragmatisch aus dem materiellrechtlichen Territorialitätsprinzip hergeleitet:347 Wenn der Schutz des geistigen Eigentums auf das jeweilige Hoheitsgebiet beschränkt ist, müsse die Verweisung auf das Recht des jeweiligen Schutzstaates (Iex loci protectionis) zwingend sein.348 Eine Rechtswahl könne dann nur noch eine materiellrechtliche Verweisung sein.349 Bei Verwertungsverträgen beziehe sich deshalb eine Rechtswahl nur auf die vertraglichen Rechte und Pflichten, nicht jedoch auf das Schutzrecht.350 Zudem könne der Verletzungstatbestand in seinen Voraussetzungen Hefermehl, Allg. Rz. 100. BGH, Urt. v. 02.10.1997 "Spielbankaffaire", in: BGHZ 136, S. 386; für Österreich: OGH, Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 14.01.1986 "Hotel Sacher'', in: GRUR Int. 1986, s. 736. 346 RegEntw. IPR 1999, S.10; Vogelsang, NZV 1999, S.501, aus denselben Beweggründen wie S.106 FN318. 347 Zweigert/Puttfarken, GRUR Int. 1973, S. 577; MünchKomm-Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. II Rz. 14f.; Staudinger-v. Hoffnwnn, Art. 38 EGBGB Rz. 574, 591, insb. 595 m. w. Nachw.; Kropholler, Internationales Privatrecht, §53 VII2 (= S. 476). Gegen das Territorialitätsprinzip im Immaterialgüterrecht: Mann, Eingriffsgesetze, S. 146. 348 BGH, Urt. v. 17.06.1992, ,,ALF', in: BGHZ 118, S. 397; Mackensen, S. 68; Sandrock, Die kollisionsrechtliche Behandlung der Deliktshaftung, S. 397f.; MünchKomm-Kreuzer, nach Art.38 EGBGB Anh.II Rz.14f. 349 Mackensen, S.68 und 70. 35°Für das Urheberrecht: Zweigert/Puttfarken, GRUR Int. 1973, S. 577; Ulmer, Die Immaterialgüterrechte im internationalen Privatrecht, S. 49 f. Warum eine das Schutzgut einbeziehende Rechtswahl nur wünschenswert sei, wenn die Schutzrechte in allen Ländern substantiell gleichwertig sind, wird hier nicht näher begründet. 344

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

und Funktionen nicht von Inhalt und Umfang des durch Gesetz und Rechtsprechung des Schutzlands definierten Rechts getrennt werden,351 denn im Immaterialgüterrecht stehe nicht der Schadensersatzanspruch, sondern der Unterlassungsanspruch im Vordergrund. Es werde also fast ausschließlich Handlungsunrecht sanktioniert, das eng am - territorial gebundenen - Schutzumfang des Immaterialguts orientiert ist.352 Auch stehe einer Übertragung der Rechtswahlmöglichkeit im Deliktsrecht auf das Immaterialgüterrecht353 entgegen, daß es sich bei letzterem gerade nicht um die einmalige Abwicklung eines einmaligen Vorgangs handele, sondern vielmehr um ein Dauerdelikt, bei dem bis zur Einstellung der Verletzungshandlungen mit jedem Akt der Herstellung oder des Inverkehrbringens des verletzenden Gegenstandes eine weitere unerlaubte Handlung begangen wird. Dadurch entstünde jeweils ein weiteres außervertragliches Schuldverhältnis, für das eine (nachträgliche) Rechtswahl getroffen werden müßte. 35 4 Sieht man das geistige Eigentum als territorial gebunden an, so kann also seine Verletzung zwangsläufig nur nach dem Recht des verleihenden oder anerkennenden Staates beurteilt werden; denn diese Rechtsordnung definiert das Immaterialgut und legt den Schutzumfang fest. 355 Das Territorialitätsprinzip selbst wird von der Rechtsprechung nicht in Frage gestellt,356 begegnet aber in der Literatur bei nicht registergebundenen Immaterialgüterrechten, wie dem Urheberrecht, einiger Kritik.357 Dies ist aber für die Frage der Rechtswahlfreiheit unerheblich, soweit es um den Bestand und den Umfang des Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 269. Beier/Schricker!Ulmer, GRUR Int. 1985, S. 106. 353 So aber: Steindorff, S.129, 135 f. und 153, der die Verletzung gewerblicher Schutzrechte nicht vom allgemeinen Deliktsrecht unterscheiden will und deshalb das Territorialitätsprinzip im Gewerblichen Rechtsschutz nicht anerkennt. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rz. 924 f. (= S. 389), unterstellt die Verletzung des Urheberrechts dem Deliktsstatut und kommt auch zu einer Rechtswahlmöglichkeit 354 Beier/Schricker!Ulmer, GRUR lnt. 1985, S. 106 f. 355 Auf den Meinungsstreit, ob die internationalen Konventionen auch insoweit Kollisionsrecht enthalten, kommt es somit hier nicht an. 356 Zuletzt: BGH, Urt. v. 02.10.1997 ,,Spielbankaffaire", in: BGHZ 136, S. 386; s. a. BGH, Urt. v.16.06.1994 ,.Folgerecht bei Auslandsbezug", in: BGHZ 126, S.255. 357 Neuhaus, Immaterialgüterrecht, RabelsZ 40 (1976), S. 195, unter Hinweis auf die Freizügigkeit in der EU; Drobnig, Immaterialgüterrechte im Kollisionsrecht, RabelsZ 40 (1976), S. 197 und S. 200, unter Hinweis auf die Universalität des Urheberrechts. Schack, Urheberrechtsverletzung im internationalen Privatrecht, GRUR Int. 1985, S.524, bezeichnet das Territorialitätsprinzip schlicht als historisch ,.überholt"; s. a. Schack, Anmerkung, JZ 1998, S. 1019, mit besonderer Betonung der Vorhersehbarkeit durch die Beteiligten; grundlegend: Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rz. 800-808 (= S. 339-343) und Rz. 899 (= S. 379f.); Zweifel an der Geeignetheil des Territorialitätsprinzips als Anknüpfungspunkt äußert hinsichtlich des Urheberrechts auch Staudinger-v. Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rz. 574 a. E., da gerade dieses weder durch Verleihung noch durch staatlichen Hoheitsakt entsteht, sondern unmittelbar mit dem Schöpfungsakt Unter Hinweis auf den Widerspruch zu geltenden internationalen Abkommen verzichtet er jedoch auf eine Vertiefung des Gedankengangs. 351

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IV. Parteiautonomie in benachbarten Rechtsgebieten

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Schutzrechts geht. Denn es handelt sich um ein Ausschließlichkeitsrecht, ähnlich wie das Eigentum, und ist von jedermann zu beachten. Als Alternative zum Territorialitätsprinzip käme deshalb lediglich das Universalitätsprinzip mit dem Recht des Ursprungslandes3ss als Immaterialgüterstatut in Betracht, nicht aber ein gewähltes Recht. Denn es muß jedem (potentiellen) Verletzer das Handlungsunrecht, nach dem er sich zu richten hat, vorher bekannt sein.359 Um dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden, muß das Territorialitätsprinzip, soweit es zu einem Ausschluß der Rechtswahlfreiheit führt, auf das durch übergeordnetes Gemeinwohlinteresse begründete Maß beschränkt werden. So ist die Rechtswahl zwingend nur in dem Bereich der Haftungsvoraussetzungen ausgeschlossen; denn die Frage nach der Verletzung des Immaterialguts impliziert die Frage nach seinem Bestand.360 Jedoch besteht im Bereich der Haftungsfolgen, also Art und Umfang des Schadensersatzes ein solcher Zusammenhang nicht. Der Schadensersatz berührt nicht das Schutzrecht selbst, sondern nur das Vermögensinteresse des Geschädigten. Über dieses kann er sogar materiellrechtlich frei disponieren. Die Haftungsfolgen müssen schon deshalb der freien Rechtswahl zugänglich sein. 361 Zwar kommt es durch diese Lösung zu einer Aufspaltung des Statuts. Deswegen jedoch Rechtswahl auszuschließen, wäre unverhältnismäßig i. S. d. verfassungsmäßigen Schranken des Art. 2 I GG. Denn der innere Entscheidungseinklang, der mit der Einheit des Statuts verfolgt wird, dient nur zu einem geringen Teil Gemeinwohlinteressen, da es bei zivilrechtliehen Urteilen gerade auf die Akzeptanz durch die Parteien ankommt. Wenn die Parteien durch die Rechtswahl eine eventuelle Störung des inneren Entscheidungseinklangs in Kauf nehmen, gibt es weiterhin kein Gemeinwohlinteresse, was hierdurch schwerwiegend betroffen wäre. Selbst wenn sie mit einer solchen Aufspaltung ursprünglich nicht gerechnet hatten, können sie ihre Rechtswahl nach richterlichem Hinweis (§ 278 III ZPO) immer noch widerrufen. Somit ist die Rechtswahl für die Haftungsfolgen von Immaterialgüterrechtsverletzungen nach Art. 2 I GG nicht durch das Gemeinwohlinteresse am inneren Entscheidungseinklang eingeschränkt. Bei Lizenzverträgen ist zu differenzieren: der schuldrechtliche Teil des Vertrages, also die Regeln über die Entstehung, den Inhalt und die Erfüllung der einzelnen Rechte und Pflichten, die Folgen der Nichterfüllung, Leistungsstörungen und die Beendigung des Vertragsverhältnisses, richtet sich nach dem Vertragsstatut, 358 Favorisiert von Schock, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rz. 808 (= S. 342f.), s. a. Schock, Anmerkung, JZ 1998, S. 1019. 359 Ähnlich: Schock, Anmerkung, JZ 1998, 5.1018. 360 Staudinger-v.Hoffinann, Art. 38 EGBGB Rz.595. Jede Auflockerung für ausgeschlossen hält dagegen v. Bar, IPR, Band 2, Rz. 710. 361 Nirk, MittDPatAnw 1969, S. 333 (für das Patentrecht); Schock, Anmerkung, JZ 1998, S. 1019; Schock, Urheberrechtsverletzung im internationalen Privatrecht, GRUR Int. 1985, S.525; Staudinger-v.Hoffinann, Art.38 EGBGB Rz.595; a.A. BGH, Urt. v.02.10.1997 "Spielbankaffaire", in: BGHZ 136, S. 390; zustimmend: Schricker, Anmerkung, MMR 1998, S. 39; s. a. Beier/Schricker/Ulmer, GRURint. 1985, S. 106.

8 Laufkötter

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C. Parteiautonomie im deutschen Internationalen Privatrecht

s.a.Artt. 31, 321 EGBGB; hier gilt also freie Rechtswahl. 362 Diese kannjedoch eingeschränkt sein durch inländische oder ausländische Eingriffsnormen, wie z. B. § 20 I, II, 21 I GWB oder Art. 85 EGV, sowie das Außenwirtschaftsrecht.363 Anders verhält es sich beim schutzrechtlichen Teil des Lizenzvertrags, also den Fragen der Übertragbarkeit und des Rechts, seiner Entstehung und seines Erlöschens, seinem Inhalt, Umfang und der Laufzeit, sowie der Art und Weise seiner Erfüllung (arg. ex Art. 32 ll EGBGB), ferner der (Erst-)Inhaberschaft und der Formbedürftigkeit.364 Dieser Teil richtet sich nach dem Immaterialgüterstatut.365 Die Rechtswahl via akzessorischer Anknüpfung des Immaterialgüterstatuts an das Vertragsstatut zuzulassen, wäre inkonsequent. 366 Es wäre also rechtlich nicht ausgeschlossen, die Rechtsfolgen aus Verletzung von Immaterialgüterrechten und Wettbewerbsverstößen einer (einheitlichen) Rechtswahl zugänglich zu machen, wenn auch im Wettbewerbsrecht eine dahingehende Rechtswahlfreiheit besteht. Dies ist insbesondere interessant im Rahmen von strafbewehrten Unterlassungserklärungen, bei denen häufig Ansprüche aus beiden Rechtsgebieten nebeneinander geltend gemacht werden. Ebenso ist es nach der hier vertretenen Auffassung möglich, Lizenzverträge einer einzigen, frei gewählten Rechtsordnung zu unterstellen.

4. Zusammenfassung und Ergebnis Die Freiheit der Vertragsgestaltung (Privatautonomie) und die Freiheit der Rechtswahl (Parteiautonomie) haben beide Teil am Selbstbestimmungsrecht des Menschen in der Ausprägung der Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung (Art. 21 GG). Deshalb sind auch die Schranken der Parteiautonomie stets am Rechts362 So schon v. Hojfrrumn, Gewerbliche Schutzrechte, RabelsZ 40 (1976), S. 209f.; Kleine, S.64, Katzenberger, S. 252 und 259, und Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rz.1142, 1146 (= S. 466f., 468), jeweils für Urheberrechtsverträge. Reithmann/Martiny-Hiestand, Rz. 1270 (= S. 1037) und Rz.1288 (= S.l043), der die Rechtswahl den Parteien dringend anrät; Schmid, S. 80. 363 Dazu ausführlich: Reithmann/Martiny-Hiestand, Rz.l292-1301 (= S. 1045-1089). 364 Zur Abgrenzung des schutzrechtlichen Teils vom schuldrechtlichen Teil des Urheberrechtsvertrags im einzelnen: Kleine, S. 99-107, und Reithmann/Martiny-Hiestand, Rz. 1280-1291. 36~ Reithmann/Martiny-Hiestand, Rz.1269 (= S.1036) und Rz.1279-1285 (= S.1041 f.). Bei Katzenberger ist dies bei Urheberrechtsverträgen das Recht des Schutzlandes, Katzenberger, S. 239f. (zur Iex loci protectionis) und 257 f. Bei Schack ist dies bei Urheberrechtsverträgen das Recht des Ursprungslandes, Schack, Urheber- und Umebervertragsrecht, Rz. 904-916 (= S. 382-386), soweit es um Entstehung, Erstinhaberschaft und Übertragung des Urheberrechts geht. Hinsichtlich des Inhalts, der Schranken und der Dauer des Urheberrechts greift auch er auf die Iex loci protectionis zurück, s. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rz. 919-921 (= s. 387f.). 366 Kritisch auch: MünchKomm-Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. II Rz. 22 und 116, jeweils m. w. Nachw.

IV. Parteiautonomie in benachbarten Rechtsgebieten

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Staatsprinzip und dort insbesondere am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen. Mit der hier vorliegenden Untersuchung der heute von der herrschenden Meinung formulierten Schranken der Parteiautonomie hat sich herausgestellt, daß diese nur zum Teil dem Rechtsstaatsprinzip entsprechen. In den Teilgebieten des Internationalen Privatrechts, die dem Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht am nächsten stehen, zeigt sich folgendes Bild: Das Statut, das den Parteien die weiteste Gestaltungsmöglichkeit einräumt, ist das Schuldvertragsstatut Beschränkungen der Rechtswahlfreiheit hier gelten a maiore ad minus auch in allen anderen Statuten. Als allgemein anerkannte Beschränkungen der Parteiautonomie gelten sog. Eingriffsnormen; das sind Normen, die der Erlaßstaat international zwingend ausgestaltet hat. Der Rechtsanwender muß zu ihrer Bestimmung bei fehlender Kennzeichnung durch den Erlaßstaat auf allgemeine Kriterien zurückgreüen. Dies sind insbesondere das ganz überwiegend öffentliche Interesse, dem die Norm dienen soll, sowie die Unabhängigkeit von einer bestimmten juristischen Konstruktion, d. h. die Norm beansprucht für eine bestimmte Sozialsphäre unbedingte Geltung. Bei der Frage, ob der nationale Richter dem Anwendungswillen der Eingriffsnorm folgen muß, ist die Kreuzer'sche Kumulationslehre, wie sie auch aus Art. 7 EuiPRÜ hervorgeht, maßgeblich: Eingriffsnormen der Iex fori sind immer anzuwenden; ausländische statutsangehörige Eingriffsnormen ebenso; ausländische statutsfremde Eingriffsnormen nur bei kollisionsrechtlichem AnwendungsbefehL Im letzten Fall handelt es sich um Sonderanknüpfung, so daß sowohl Tatbestand als auch Rechtsfolge der Eingriffsnorm entnommen werden. Für die Verfassungsmäßigkeit von Eingriffsnonnen ist insbesondere wichtig, daß ihre Anwendung für die Parteien vorhersehbar ist. Im Internationalen Deliktsrecht ist die akzessorische Anknüpfung, sowie die nachträgliche Rechtswahlmöglichkeit durch die Parteien nunmehr gesetzlich vorgesehen, Artt. 40 II, 41 EGBGB bzw. Art. 42 EGBGB. Darüber hinaus ist auch die Rechtswahl vor Eintritt des schädigenden Ereignisses anzuerkennen, da ihre Nichtzulassung gegen Art. 2 I GG verstieße. Art. 38 EGBGB a. F. wurde mit Art. 40 m EGBGB durch eine EGV-konforme Regelung ersetzt.

Im Immaterialgüterrecht steht der Rechtswahl- jedenfalls bei den registergebundenen Schutzrechten - das Territorialitätsprinzip entgegen. Dieses berührt aber nicht Rechtswahlvereinbarungen hinsichtlich der Haftungsfolgen bei einem Verstoß gegen das Schutzrecht

D. Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbsund Kartellrecht Nachdem die Rolle der Parteiautonomie in den dem Wettbewerbs- und Kartellrecht nahestehenden Rechtsbereichen (s. Kapitel C IV) eingehend geprüft worden ist, soll hier der Einfluß dieser Ergebnisse auf das Internationale Wettbewerbs- und Kartellrecht untersucht werden. Wie oben (Kapitel B) im einzelnen dargelegt, geht die herrschende Meinung davon aus, daß Parteiautonomie im Internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht keine Rolle spielen könne, da sie für den Bereich des Kartellrechts durch die spezielle Kollisionsnorm des § 98 II GWB a. F. (= § 130 II GWB n. F.) verdrängt werde und sie für den Bereich des Wettbewerbsrechts aus parallelliegenden Gründen nicht erstrebenswert sei. Wie Kapitel Cl(= S. 52-62) gezeigt hat, basieren diese Meinungen jedoch auf einem Verständnis von Parteiautonomie, das ihr als Grundrecht nicht gerecht wird. Dies betrifft sowohl die Funktion der Parteiautonomie als auch ihre Schranken, insbesondere durch sog. Eingriffsrecht Es stellt sich deshalb hier die Frage, ob im Internationalen Wettbewerbsrecht von einer grundsätzlichen Rechtswahlfreiheit auszugehen ist und wo ihre verfassungsmäßigen Schranken liegen. Auch ist hier zu prüfen, ob § 130 II GWB nach diesen Erkenntnissen noch verfassungsgemäß ist, bzw. ob § 130 II GWB verfassungskonform ausgelegt werden kann. Dies bezieht auch die Prüfung ein, ob das "normative Eigenleben", das dem Wettbewerbs- und Kartellrecht bisweilen unterstellt wird, eine pauschale Ablehnung der Rechtswahlfreiheit in diesem Bereich rechtfertigt. Der Übersichtlichkeit halber wird bei der Beantwortung dieser Fragen nach Wettbewerbsund Kartellrecht differenziert, da verschiedene normative Regelungsstufen vorliegen. Wie sich jedoch zeigen wird, weisen beide Rechtsgebiete zahlreiche Parallelen auf.

I. Rechtswahlfreiheit im Internationalen Wettbewerbsrecht Im Internationalen Wettbewerbsrecht fehlt es an einer geschriebenen Kollisionsnorm.1 Selbst bei der Kodifikation des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse sah der Gesetzgeber von einer Kollisionsregel für das Wettbewerbsrecht ab. Denn diese lasse sich ohne weiteres aus Art.41 EGBGB herleiten.2 Anders in Österreich und der Schweiz, s. oben KapitelS VI(= S.45ff.). RegEntw. IPR 1999, S. lO. Dennoch hat der Gesetzgeber konkrete Vorstellungen, wie die (ungeschriebene) Kollisionsregel für das Internationale Wettbewerbsrecht auszusehen hat. Denn nach der Begründung (s. ebenda) soll grundsätzlich das Recht des Marletortes gelten und 1

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I. Rechtswahlfreiheit im Internationalen Wettbewerbsrecht

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Auch nach Rechtsprechung und Literatur wird das Internationale Wettbewerbsrecht als quasi "Besonderer Teil" des Internationalen Deliktsrechts qualifiziert. Dieser Unterschied zum Kartellrecht, bei dem kein Bezug zum Allgemeinen Deliktsrecht hergestellt wird, liegt in der Verschiedenheit der Schutzgüter. Das Wettbewerbsrecht ist kein Recht zum Schutz einer bestimmten Wettbewerbsordnung wie - in gewissem Umfang - das Kartellrecht Es ist vielmehr wirtschaftspolitisch neutral; sein Ziel ist nicht die Durchsetzung einer bestimmten Art von Wettbewerb, sondern die Aufstellung von Verhaltensregeln im Wettbewerb schlechthin, gleich wie er ausgestaltet ist. Er kann frei sein oder beschränkt. Das UWG setzt lediglich das Vorhandensein von Wettbewerb voraus. Im folgenden soll untersucht werden, ob und wieviel Raum für Parteiautonomie im Wettbewerbsrecht vorhanden ist. Denn hierzu äußert sich der Gesetzgeber nicht. Parteiautonomie wäre nach den Ausführungen in Kapitel C gänzlich ausgeschlossen, wenn Rechtswahl mit der Funktion des Wettbewerbsrechts unvereinbar wäre (s. unter 1.) oder das Wettbewerbsrecht in seiner Gesamtheit als Eingriffsrecht zu qualifizieren wäre. Daß dies nicht der Fall ist, geht implizit schon aus den Ausführungen in Kapitel BI (= S. 20 ff.) hervor, soll aber hier verdeutlicht werden. Anschließend soll untersucht werden, welche Normen bzw. Normgruppen des Wettbewerbsrechts Eingriffsrecht darstellen und deshalb von der Rechtswahl ausgeschlossen sind (s. unter 2 a.). Übrig bleiben Normen, die grundsätzlich einer Rechtswahl zugänglich zu sein scheinen. Sie sollen genauer betrachtet werden; es wird zu prüfen sein, ob ihnen gemeinsame Prinzipien, Strukturen oder Funktionen zugrundeliegen, die die Freiheit der Rechtswahl zulässig beschränken. Dies kann entweder in der Eigenart der geschützten Rechtsgüter liegen (s. unter2 b.) oder in der Streuwirkung deliktischen Handeins im Wettbewerb (s. unter2c.) 1. Funktionen des Wettbewerbsrechts

Das UWG war ursprünglich einheitlich kodifiziert worden, d. h. es wurden Verhaltensregeln für Unternehmen und Unternehmer zum Schutz von Mitbewerbern aufgestellt. Adressatenkreis und Schutzsubjekt waren somit sehr einheitlich. Man könnte es als Sonderprivatrecht bezeichnen, so wie es etwa das Handelsrecht für Kaufleute ist; viele bezeichnen es zwar heute noch als quasi "Besonderes Deliktsrecht";3 andererseits wird aber mit ebenso großer Selbstverständlichkeit Rechtswahl ausgeschlossen, eben weil es die Rechtsnatur des Wettbewerbsrechts nicht zulasse (s. oben S. 22-27). Beigenauerem Hinsehen zeigt sich jedoch ein differenzierteres Bild vom Wettbewerbsrecht Denn nur vordergründig schien bei der Kodifikation staatliche Ordnungspolitik keine Rolle zu spielen. Der Staat verwies nämlich schon nur bei ausschließlich bilateralen Wettbewerbsverstößen auf Art. 40 I EGBG B zurückgegriffen werden. 3 So auch, wenn auch nicht ausdrücklich: RegEntw. IPR 1999, S. 10.

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D. Parteiautonomie im Int. Wettbewerbs- und Kartellrecht

damals nicht nur auf privatrechtliche Mittel zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts, sondern sorgte mit dem Instrument des Strafrechts selbst für die Durchsetzung mancher wettbewerbsrechtlicher Normen. Staatliche Ordnungspolitik spielte also schon damals eine Rolle, wenngleich nur am Rande und von modernen Analysten nicht recht zur Kenntnis genommen. Schon von Anfang an war das Wettbewerbsrecht nicht ausschließlich Sonderprivatrecht, somit eine dahingehende Typisierung demnach nicht möglich. Sollte sich dies nach den zahlreichen Novellierungen in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts geändert haben? Das UWG, das im selben politischen und gesellschaftlichen Umfeld entstand wie das BGB, war liberal-individualistisch geprägt. Individualschutz zugunsten der Mitbewerber war zentrales, ja nahezu__ ausschließliches Anliegen der Schöpfer des UWG.4 Dem Einzelnen sollten beim wirtschaftlichen Handeln nicht mehr Schranken auferlegt werden, als zum geordneten Wirtschaftsleben unbedingt notwendig war. Bis Ende der sechziger Jahre des 20.Jahrhunderts erfuhr das UWG keine wesentlichen Änderungen durch den Gesetzgeber. Heute noch ist es geprägt durch seine Generalklauseln, die seit seinem Inkraftreten 1909 unverändert gelten. Jedoch hat sich das gesellschaftliche Umfeld, in dem auf der Grundlage des UWG Recht gesprochen wurde, gewaltig verändert. Nicht zuletzt das grundgesetzlieh verankerte Sozialstaatsprinzip hat dazu beigetragen, daß die Generalklauseln - obwohl im Wortlaut gleich geblieben -heute in der Praxis ein ganz anderes Gesicht zeigen. Unlauter i. S. d. § 1 UWG kann heute nicht mehr nur ein Verhalten sein, das sich gegen Mitbewerber richtet, sondern auch ein Verhalten, das unlauter auf den Verbraucher einwirkt. Erst in den Novellen 1965 (Einführung der Klagebefugnis der Verbraucherverbände durch § 13 II Nr. 2 UWG) und 1986 wurden der Verbraucherschutz und der Schutz der Allgemeinheit vor unlauterem Handeln im Wettbewerb formuliert; erst dann kam die gesellschaftliche Veränderung auch gesetzgeberisch zum Ausdruck. Wahrend das Schutzsubjekt um den Verbraucher und die Allgemeinheit erweitert wurde, blieb der Adressatenkreis jedoch derselbe. Kann damit noch vom Wettbewerbsrecht als Sonderprivatrecht gesprochen werden? Daß solches nicht ganz abwegig ist, zeigt sich in umgekehrter Richtung am Beispiel des Arbeitsrechts. Ursprünglich mit einigen wenigen Normen im BGB geregelt, wird es heute dominiert von zahlreichen Normen und Sondergesetzen zum Arbeitnehmerschutz, die nicht nur das Individualarbeitsrecht vollkommen umgestalteten, sondern auch kollektives Arbeitsrecht zum Schutz der Arbeitnehmer teilweise kodifizierten. Ohne dies hier eingehend untersuchen zu können, drängt sich das Bild vom Arbeitsrecht als typischem Sozialrecht-nämlich einem Recht für eine typisch unterlegene Partei - auf. 4 Dies kommt schon in der amtlichen Begründung zum UWG zum Ausdruck, zitiert bei Schricker, Prüfzeichen, GRUR 1975, S.l13; s. a. die zahlreichen Nachweise älterer Lehren bei HefermehlEinl. UWG Rz.45.

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Gleiches läßt sich vom Wettbewerbsrecht nicht behaupten. Das Wettbewerbsrecht hat sich in seiner Physiognomie nicht gewandelt (wie das Arbeitsrecht), sondern verändert.5 Es ist durch die Hereinnahme von Verbraucherschutz und Schutz der Allgemeinheit um sozialrechtliche Funktionen erweitert worden. Denn der Schutz der Mitbewerber ist auch heute im UWG nicht untergegangen, die betreffenden Normen sind nicht totes Papier. Im Gegenteil: Auch in der jüngsten Novelle hat die Klagebefugnis der Mitbewerber ihren Platz im Gesetz erhalten. Das Wettbewerbsrecht hat sich also nicht vom Sonderprivatrecht mit strafrechtlichem Einschlag zum Sozialrecht gewandelt, sondern ist heute noch grundsätzlich Sonderprivatrecht (da der Adressatenkreis und die ursprüngliche Schutzrichtung auch heute noch erkennbar sind), hat daneben aber sozialrechtliche und strafrechtliche Funktionen. Eine Typisierung ist somit heute noch weniger möglich als bei der Kodifikation. Solche Typisierungsversuche werden in heutiger Zeit auch nicht mehr unternommen, da sich diese Diskussion als fruchtlos erwiesen hat.6 Dadurch ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß das Wettbewerbsrecht eine eigene Kategorie bildet, d. h. daß die Normen des UWG und der wettbewerbliehen Nebengesetze durch ihre funktionale Vielfalt nicht mehr in den Kontext des Privatrechts und dort besonders des Deliktsrechts einzuordnen sind, so daß man sie nur noch als typisch für Wettbewerbsrecht bezeichnen kann. Auch dadurch kann, je nach Ausprägung, Parteiautonomie ausgeschlossen sein. Für eine Sonderstellung des Wettbewerbsrechts spricht, daß es heute zu einem wesentlichen Teil Richterrecht ist. Zu § 1 UWG hat die Kasuistik ganze Kategorien von Wettbewerbsverstößen hervorgebracht, mag auch die Kategorisierung selbst unter den verschiedenen Autoren umstritten sein. Zwar prägt das Richterrecht das Bild des Wettbewerbsrechts ganz erheblich, jedoch hat die Praxis das Wettbewerbsrecht dem Deliktsrecht nie ganz entfremdet. Es ist der Konstruktion der Generalklausel immanent, daß umfangreiche Kasuistik entsteht. Es handelt sich hierbei jedoch um die Subsumtion von Sachverhalten unter eine Gesetzesnorm, die deren dogmatische Einordnung als deliktische Norm nicht berührt. Z. B. ist heute anerkannt, daß "unlauter" i. S. d. § 1 UWG nicht nur gegenüber dem Mitbewerber gehandelt werden kann, sondern auch gegenüber dem Verbraucher und der Allgemeinheit. Ein Beispiel hierfür ist das Verbot der gefühlsbetonten Werbung.7 Trotz umfangreicher Kasuistik geht es aber im Wettbewerbsrecht auch heute noch- wie zum Teil im Deliktsrecht- im Kern um die Unterbindung rechtswidrigen Verhaltens. Die Entwicklung im Einzelnen ist dargestellt bei Hefermeh/, Einl. UWG Rz. 42 f. Eine Ausnahme bildetSchünemann in: Jacobs/Lindacher{feplitzky, Einl. Rz.C21-30, aus Sicht der Wertungsjurisprudenz. Er kommt zu dem Ergebnis, das Wettbewerbsrecht bezwecke reinen lnstitutionenschutz; individuelle Handlungs- und Entscheidungsfreiheiten seien hierzu lediglich Voraussetzungen, die zu gewähren seien. Dem scheint eine Überbewertung des Allgemeininteresses zugrundezuliegen. 7 Einzelheiten zum materiellen Rechts. Hefermeh/, § 1 UWG Rz. 185-188 mit zahlreichen Beispielen und Nachweisen. 5

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Selbst durch analoge Anwendung kann nicht auf die Nonn eingewirkt werden, sondern der Rechtsgedanke der Nonn strahlt hierbei auf andere Sachverhalte aus. So wird z. B. trotz der extensiven Kasuistik und der richterrechtlichen Herausbildung eines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts am Standort des § 823 I BGB im Allgemeinen Deliktsrecht nicht gezweifelt. Daneben sind in der Praxis des Wettbewerbsrechts keine Grundsätze oder Methoden entwickelt worden, die eine Integration des Wettbewerbsrechts in das BGB oder besser: HGB ausschlössen. Als Beispiel sei hier die Ahmahnung erwähnt: Es hat sich bei Wettbewerbsverstößen als zweckmäßig herausgestellt, den Verletzer abzumahnen, d. h. ihn auf seinen Wettbewerbsverstoß hinzuweisen und ihn zu einer sog. strafbewehrten Unterlassungserklärung aufzufordern. Viele Wettbewerbsstreitigkeiten werden so bereits im Vorfeld der gerichtlichen Auseinandersetzung erledigt. Die Vorteile der Schnelligkeit und des geringen Kostenaufwands sind offensichtlich. Diese Art außergerichtlicher Rechtsverfolgung ist in ihrer praktischen Bedeutung stets auf das Wettbewerbsrecht und den Gewerblichen Rechtsschutz beschränkt geblieben. Dogmatisch ist die Ahmahnung bei näherer Betrachtung jedoch nichts weiter als die Aufforderung zu einer einseitigen Verpflichtung gegenüber dem Verletzten, verbunden mit einer Ordnungsstrafe bei Nichteinhaltung der Verpflichtung. Rechtstechnisch ist dies ein einseitiges Rechtsgeschäft, für das die Regeln des Allgemeinen Teils des BGB gelten. Die Pflicht des Verletzers zur Kostentragung für die Ahmahnung ergibt sich aus den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag. Was also auf den ersten Blick typisch für das Wettbewerbsrecht scheint, läßt sich direkt aus dem BGB herleiten. Es hat sich also gezeigt, daß dem Wettbewerbsrecht erst recht in seiner heutigen ErscheinungsfonD keine einheitliche Funktion zuzuordnen ist, daß aber andererseits auch das Wettbewerbsrecht sich vom Allgemeinen Deliktsrecht dogmatisch nicht ganz losgelöst hat. 8 Ob es deshalb hinsichtlich der Rechtswahlfreiheit wie Allgemeines Deliktsrecht behandelt werden kann oder muß, ist aber damit allein nicht gesagt. 2. Tatbestandsübergreifende Kennzeichen des UWG, die Rechtswahl ausschließen könnten Nachdem festgestellt worden ist, daß die Funktionen des Wettbewerbsrechts einer Rechtswahl nicht generell entgegenstehen, soll hier nach Nonngruppen differenziert werden. Am häufigsten wird hierzu vorgetragen, bei Wettbewerbsrecht handele es sich um Eingriffsrecht, so daß Rechtswahl generell ausgeschlossen sei (s. untera.). Es wird sich herausstellen, daß dies in dieser Pauschalität nicht richtig ist, jedoch einzelne Tatbestände sehr wohl davon betroffen sein können. Im folgenden soll untersucht werden, ob den danach grundsätzlich einer Rechtswahl zugäng8

RegEntw.IPR1999, S.lO.

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Iichen Tatbeständen nicht andere Kennzeichen zueigen sind, die dennoch eine Rechtswahl ausschließen, obwohl es sich nicht um Eingriffsnonnen handelt. Es müssen Kennzeichen sein, die einer Rechtswahl diametral entgegenstehen, da es sich um die Einschränkung eines Grundrechts handelt. In Frage kommen hier eine Unvereinbarkeit einiger geschützter Rechtsgüter und der dahinter stehenden Rechte mit Rechtswahlfreiheit (s. unter b.) oder Drittbetroffenheit durch die Streuwirkung wettbewerblieber Handlungen (s. untere.) a) Der Schutzzweck des UWG und seiner wichtigsten Tatbestände Die Aufgabe des Wettbewerbsrechts besteht darin, das "Wie des Wettbewerbs" zu regeln und Mitbewerber, Verbraucher und die Allgemeinheit vor unlauterem Wettbewerb zu schützen.9 Wie schon das Eingangskapitel andeutet, kann es als allgemeiner Konsens gelten, daß das UWG dem dreifachen Zweck der Aufrechterhaltung des lauteren Wettbewerbs (im Interesse der Allgemeinheit), dem Schutz der Abnehmer (Verbraucher) vor einer Beeinträchtigung durch unlautere Wettbewerbsmaßnahmen und dem Schutz der Mitbewerber vor unmittelbar gegen sie gerichteten unlauteren wettbewerbliehen Angriffen oder gegen die Beeinträchtigung ihrer wettbewerbliehen Stellung durch andere unlautere Maßnahmen dient. 10 Wie oben dargelegt trägt das heutige UWG sozialrechtliche Züge, ohne daß man es deswegen als Sozialrecht bezeichnen könnte. Es liegt vielmehr in einer Entwicklungslinie mit dem Privatrecht insgesamt, daß heute der Verbraucherschutz, der bei Schaffung des UWG nahezu unbekannt war, im Vordergrund steht. 11 Ob diese Verlagerung des Schwerpunkts dem Ziel eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb noch entspricht oder schon über dieses hinausschießt, ist eine politische Frage, deren Erörterung hier nicht angezeigt ist. Fraglich ist, ob sich durch die Verlagerung des Schwerpunkts des Schutzzwecks des Wettbewerbsrechts, dieses generell heute als Eingriffsrecht zu qualifizieren ist, oder ob Ausgangspunkt der kollisionsrechtlichen Anknüpfung nicht das Allgemeine Deliktsrecht sein muß und nur im Einzelfall eine Eingriffsnorm vorliegt. Für letzteres spricht schon allein die Tatsache, daß der Gedanke des Schutzes der Verbraucher und der Allgemeinheit durch das Wettbewerbsrecht erst in neuerer Zeit, insbesondere durch die Novellen von 1965 und 1986 formuliert worden ist. 12 Es besteht deshalb eine Vermutung, daß nur dort, wo dieser Gedanke in den Vordergrund 9 Statt aller: Hefermehl, Ein!. UWG Rz. 42; Reimer in: Ulmer, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedsstaaten der EWG, S.18; RegEntw. UWGÄndG, WRP 1994, S. 370; Ahrens, WRP 1994, S. 654. 10 s. z.B. RegEntw. UWGÄndG 1978, WRP1978, S.284. u Die Entwicklung des UWG und seines Schutzzwecks bis heute ist zusammengefußt mit zahlreichen Nachweisen bei Hefermehl Ein! UWG Rz.l, 16-25 und Rz.40-48, 55-57, sowie bei Schünemann in: Jacobs/Lindacher(Teplitzky, Ein!. Rz. C4-22. Auf eine eigene Zusammenfassung kann somit verzichtet werden. 12 Ähnlich: Lindacher, WRP 1996, S.646.

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tritt, darauf in der Anknüpfung Rücksicht genommen werden muß. Die Verbandsklage ist zwar schon seitjeher Bestandteil des UWG, jedoch ist eine Klagebefugnis für Verbraucherverbände erst mit der Novelle von 1965 eingeführt worden. Wäre andererseits der Verbraucherschutz heute alleiniges Interesse oder doch jedenfalls Hauptinteresse des Gesetzgebers, so wäre§ 13 UWG bei der letzten Novelle 1994 anders formuliert worden. Tatsache ist aber, daß die Klagebefugnis der Mitbewerber und ihrer Verbände, sowie der Verbraucherverbände auf enumerativ aufgezählte Wettbewerbsverstöße beschränkt worden ist. Soweit dazu Generalkausein gehören, sind auch diese hinsichtlich des konkreten Verstoßes eingeschränkt (§ 1311Nr. 3 UWG). Dies läßt auch darauf schließen, daß nicht in allen Fallen von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an gerichtlicher Verfolgung ausgegangen werden kann, sondern nur bei bestimmten Wettbewerbsverstößen. Ist das öffentliche Interesse dominierend für die konkrete Regelung, so ist von einer Eingriffsnorm auszugehen, die Rechtswahl in diesem Fall ausschließt13 • Dies ist aber nicht für das gesamte UWG der RegelfalL Wie aber lassen sich Eingriffsnormen im UWG bestimmen? Ein ausdrücklicher kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehlläßt sich den Normen des UWG und seiner Nebengesetze nicht entnehmen, so daß der Rechtsanwender auch hier auf die allgemeinen Kriterien zur Bestimmung einer Eingriffsnorm (ganz überwiegendes öffentliche Interesse, dogmatische Unabhängigkeit) zurückgreifen muß. Welche Normen international zwingend sind, ist im Wettbewerbsrecht weit schwieriger zu bestimmen als im Kartellrecht Denn es gibt hier keine administrativen Befugnisse als Anhaltspunkt. Auch ist das Wettbewerbsrecht kein "dogmatisches" Recht, d. h. die Normen sind aus ihrem dogmatischen Kontext ohne Sinnverlust herauslösbar. Anders als im Allgemeinen Internationalen Privatrecht genügt es hier auch nicht, allein nach dem Anwendungsbereich der betreffenden Norm zu fragen. Denn die wichtigsten Normen des UWG- wie z. B. § 1 und§ 3 UWG- sind in ihrem Tatbestand so weit gefaßt, daß man nicht generell für sie festlegen kann, ob sie dem Schutz der Marktordnung, der Mitbewerber, der Verbraucher oder der Allgemeinheit dienen. 14 Will man diese Frage beantworten, so wird man bei den meisten Normen des UWG und seiner Nebengesetze aporetisch mit einem "sowohl ... als auch ..." enden.15 Es muß deshalb als zusätzliches Kriterium kumulativ auch vom Sachverhalt her gefragt werden, ob der konkrete Wettbewerbsverstoß sich ausschließlich gegen einen oder mehrere bestimmte Mitbewerber richtete bzw. nur eis. dazu sogleich. Dies ist nicht ganz unstreitig. Obwohl sich Werbung an einen nahezu unbestimmbaren Personenkreis wendet, hat der BGH, Urt. v. 30.11.1954, in: BGHZ 15, S. 355 f., selbst§ 3 UWG als Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BOB ausgelegt; anders dagegen BGH, Urt. v. 14.05.1974, in: GRUR 1975, S.l50f. 15 Anders . im Sinne eines Dualismus der Schutzzwecke sieht das wohl Diese/horst, WRP1995, S.4. IJ

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nen personell begrenzten Kreis schädigte oder ob mit dieser Handlung darüber hinaus auch spürbar auf einen (bestimmten) Markt eingewirkt wurde oder hätte eingewirkt werden können, sei es zu Lasten einer unbestimmten Zahl von Konkurrenten, sei es zu Lasten der Verbraucher oder der Allgemeinheit16• Diese Einwirkung darf nicht lediglich Nebeneffekt, gewissermaßen bloße Reflexwirkung sein; denn nahezu jede Wettbewerbshandlung- sei sie auch noch so zielgerichtet-hat Außenwirkung. Vielmehr muß der Wettbewerbsverstoß selbst marktbezogen sein. Die Spürbarkeil hier ist nicht zu verwechseln mit dem gleichen Begriff zur Subsumtion des § 13011 GWB. Dort ist die Schwelle schon dann überschritten, wenn nur ein Konkurrent auf dem deutschen Markt betroffen ist. 17 Im Wettbewerbsrecht geht es demgegenüber gerade um die Abgrenzung der Einwirkung auf einen oder mehrere bestimmte Verletzte im Gegensatz zur Einwirkung auf "den Markt" im Sinne eines unbestimmten Kreises Betroffener. Der so definierte Begriff der "Spürbarkeit" kommt zum Beispiel zum Ausdruck in § 13 II Nr. 1-3 UWG, wo von wesentlicher Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf demselben Markt bzw. von wesentlichen Belangen der Verbraucher die Rede ist. Die Ergebnisse hinsichtlich der Abgrenzung dürften sich mit denen nach der Kreuzer'schen RegeJ18 weitgehend decken. Diese sieht für marktbezogene Wettbewerbsverstöße das Recht des Marktortes vor, für untemehmens- bzw. personenbezogene Wettbewerbsverstöße Allgemeines Deliktsrecht; jedoch bestehen in der Frage der Zulässigkeit der Rechtswahl bei Kreuzer lnkonsequenzen.19 Die Frage nach der Marktbezogenheil des Wettbewerbsverstoßes ist jedoch für die Bestimmung von Eingriffsnormen im Wettbewerbsrecht nicht hinreichend. Sie kann lediglich die Verletzung eines öffentlichen Interesses indizieren. Es ist darüber hinaus nach einem Anhaltspunkt zu suchen, der auf den unbedingten Anwendungswillen des Gesetzgebers schließen läßt, da Eingriffsnormen stets vom Gesetz her angeknüpft werden. Anders als im Kartellrecht, das die Kartellbehörde im Dienst der Allgemeinheit einzuschreiten ermächtigt, wird das Wettbewerbsrecht nur insoweit durchgesetzt, als durch Private geklagt und auch erst auf deren Antrag vollstreckt wird. Die Kla16 Hier differenziert Staudinger-v. Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rz. 550: Selbst bei marktbezogenen Wettbewerbsverstößen könne der klagende Verband das anzuwendende Recht wählen, sofern nicht zugleich auch die Allgemeinheit von dem Wettbewerbsverstoß betroffen sei. Dies begründet er damit, daß der Verband aus eigenem Recht klage und deshalb nicht als Prozeßstandschafter über die Rechte anderer verfügen könne. Abgesehen davon, daß hierfür nur wenige Wettbewerbsverstöße in Frage kommen, übersieht v. Hoffmann, daß es bei der Frage der Rechtswahlfreiheit nicht nur um deren Verbindlichkeit für an der Wahl nicht Beteiligte geht, sondern auch um die Durchsetzung international zwingender Rechtsnormen. 17 Aus diesem Grund ist Ti/mann, BB 1994, S.l796, nicht zuzustimmen; er unterstellt dem Gesetzgeber, daß er mit der Formulierung "wesentlich" in § 13 I UWG kartellrechtliches Gedankengut in das UWG hineinbringen wollte. 18 Kreuzer, Wettbewerbsverstöße, S. 283-287. 19 Dazu S. 23 FN 15.

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gebefugnis der Verbände(§ 13 li UWG) kann zwar die Ermächtigung zugunsten der Behörde im Kartellrecht nicht ersetzen; denn letztere handelt hoheitlich, der Wettbewerbsverband nur als Interessenvertreter seiner Mitglieder. Dennoch ist es unumstritten, daß die Klagebefugnis der Mitbewerber, ihrer Verbände und der Verbraucherverbände Ausdruck des öffentlichen Interesses an der gerichtlichen Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße ist20 • Daß der mit der Befugnis aus § 13 li UWG klagende Mitbewerber oder Verband deshalb als Privatmann und zugleich als privater Hüter einer objektiven Wettbewerbsordnung auftritt, ist aber so nicht ganz korrekt. Der Verband hat keine unmittelbar öffentliche Funktion, sondern er nimmt stets seine eigenen Interessen war.21 Schließlich hat er ja auch das Prozeßrisiko zu tragen. Andererseits besteht die Besonderheit, daß der Verband nicht selbst von der Wettbewerbshandlung betroffen sein muß. Der Verband übt demnach lediglich eine Bündelungsfunktion aus. D. h. nur bei Wettbewerbsverstößen, bei denen von vomherein viele potentiell Betroffene vorhanden sind, wird dem Verband eine Klagebefugnis eingeräumt (s. dazu sogleich S. 128 f.). Es besteht kein öffentliches Interesse an der gerichtlichen Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße schlechthin, sondern nur dann, wenn tatsächlich durch diesen Verstoß eine Art Gruppenbetroffenheit besteht. Das Privatinteresse der tatsächlich oder potentiell Verletzten wird durch den klagenden Verband oder Mitbewerber gebündelt und zu einem Gruppeninteresse. Erst unter diesen Voraussetzungen nimmt sich der Staat dieser Besonderheit an und zeigt seinen Willen, auch dieses Gruppeninteresse gerichtlich geltend machen zu können. Eben weil es ein Gruppeninteresse und nicht mehr ein Einzelinteresse ist, soll die gerichtliche Durchsetzung nicht mehr allein von der Prozeßfreudigkeit des Einzelnen abhängig sein, sondern in die Obhut eines Interessenvertreters gegeben werden. Der Staat zeigt also durch die Regelung des § 13 UWG, daß er ein starkes Interesse an der gerichtlichen Geltendmachung der davon betroffenen Wettbewerbsverstöße hat. Aus dieser doch recht ungewöhnlichen Konstruktion der Verbandsklagebefugnis ist aber zugleich auch ersichtlich, daß der Staat nicht das wettbewerbliehe Fehlverhalten Einzelner zum Anlaß nimmt, selbst aktiv zu werden, denn sonst hätte er- ähnlich wie im Kartellrecht-eine Behörde zur Durchsetzung eingerichtet. Das Gruppeninteresse, das der Verband vertritt, wird jedoch nur dann vom Staat durch seine Gerichtsbarkeit mitgetragen, wenn es mit dem öffentlichen Interesse an der Reinhaltung des Wettbewerbs übereinstimmt. D. h., dem klagenden Verband wird das volle Prozeßrisiko auferlegt. So wird gesichert, daß Gruppeninteressen nicht über Allgemeininteressen die Oberhand gewinnen. Für den klagenden Verband ist die Durchsetzung des öffentlichen Interesses stets jedoch nur ein Nebeneffekt und nicht Ziel seines Handelns. Deshalb ist es verfehlt zu sagen, der Verband 20 Hefermehl, § 13 UWG Rz. 1; Lindacher, WRP 1996, S. 649f. und Lindacher, Verbandsklage, S. 380. 21 A. A. wohl Diese/horst, WRP 1995, S.4 zu FN41, der den Anschein der Wahrnehmung ausschließlich öffentlicher Interessen durch den klagenden Verband/Mitbewerber erweckt.

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trete als privater Hüter einer objektiven Wettbewerbsordnung auf. Der klagende Verband oder Mitbewerber nimmt aber rein faktisch eine öffentliche Funktion wahr. Diese, das deutsche Wettbewerbsrecht kennzeichnende, zivilrechtliche Sanktionierung, gilt als bewährtes Instrument22. Die Verbandsklagebefugnis im Wettbewerbsrecht ist somit ein privatrechtliches Instrument, mit dem der Staat sein Interesse an der Durchsetzung bestimmter Wettbewerbsnormen zum Ausdruck bringt. Dieses öffentliche Interesse an funktionsfähigem Wettbewerb beschränkt sich andererseits auf den eigenen Markt, ist also kein intemationales23. Dies entspricht der typischen Interessenlage bei Eingriffsnormen. § 13 II UWG kann deshalb einen Anhaltspunkt bieten bei der Bestimmung, wann eine Norm des UWG Eingriffsnorm ist und wann nicht. Denn § 13 UWG dient dem Interessenschutz. Das private Interesse an Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz wird dabei vorausgesetzt. Besteht Grund zur Annahme, daß nach Art des Wettbewerbsverstoßes im Regelfall viele tatsächlich und potentiell Verletzte vorhanden sind, wird auch anderen Teilnehmern am Wettbewerb und ihren Interessenvertretern ein Anspruch eingeräumt (Aktivlegitimation)24. Normen, die lediglich dem öffentlichen Interesse i. S. von Staatsinteresse dienen, kann es bei dieser Konstellation nicht geben, denn dann wäre eine Behörde zu ihrer Durchsetzung berufen. Dem entspricht auch, daß die Strafnormen des UWG keine erweiterte zivilrechtliche Klagebefugnis nach§ 13IIUWG verleihen. Denn dem öffentlichen Interesse ist mit der Strafverfolgung Genüge getan. Übrig bleibt in diesen Fallen das ausschließlich private Interesse auf Schadensersatz nach § 823 II BGB i.V. m. der verletzten Wettbewerbsnorm. Dafür spricht auch die Intention des Gesetzgebers zur jüngsten Novelle: Als nämlich in der Praxis die Klagebefugnis der Verbände zu einer exzessiven Ahmahnpraxis sogenannter Abmahn- und Gebührenvereine führte, sah man darin einen Mißbrauch.25 Denn gewollt war vom Gesetzgeber nie eine Popularklage26 • Da aber an diese Vereine von der Praxis immer geringere Voraussetzungen gestellt wurden, sah man eine Art "Popularklagerecht" auf sich zukommen. Sähe der Gesetzgeber in den hierdurch betroffenen Normen eine Durchsetzungsmöglichkeit rein öffentlicher Interessen ohne Rücksicht auf individuelle oder kollektive Betroffenheit, hätte er sich nicht veranlaßt gesehen, die Klagebefugnis der Verbände durch die Novelle vom 25.07.1994 zu beschränken. Eine andere Rolle spielt die Verbandsklage im AGB-Gesetz: Dort kommt dem Verband keine Bündelungsfunktion zu; er hat vielmehr eine ausschließliche Klagebefugnis für alle Unterlassungs- und Widerrufsansprüche, § 13IIAGBG. Diese AnRegEntw. UWGÄndG, WRP 1994, S. 376. Lindacher, Verbandsk1age, S. 381 . 24 Hefermeh/, § 13 UWG Rz. 2b. 25 RegEntw. UWGÄndG, WRP 1994, S. 370f. 26 Hefermeh/, § 13 UWG Rz. 2b. 22 23

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sprüche können also vom Einzelnen nicht geltend gemacht werden; er kann keinen Prozeß anstrengen, um die Wrrksamkeit von AGB zu beseitigen, sondern er muß warten, bis sich das Unternehmen ihm gegenüber auf AGB beruft und kann dann seine Zahlungsklage oder seine Klageerwiderung auf den Verstoß gegen das AGBG stützen. Die Verbandsklage im AGBG erschöpft sich demnach nicht in einer Bündelungsfunktion, sondern der Verband spielt eine eigenständige Rolle. Die Zulässigkeil der Verbandsklage hängt auch nicht von einer Gruppenbetroffenheit ab wie im UWG, sondern setzt allein den Gebrauch von AGB voraus; die AGB mußten z. B. auch noch keinem Vertragspartner entgegengehalten werden, um Gegenstand einer Unterlassungs- oder Widerrufsklage nach § 13 AGBG zu sein. Darüber hinaus ist das Verbandsklagerecht im AGBG auch nicht auf bestimmte Normen oder Ansprüche begrenzt. Es gilt vielmehr umfassend, denn die einzigen Ansprüche, die das AGBG selbst bereitstellt, sind der Anspruch auf Unterlassung bzw. Widerruf nach § 13IAGBG. Der Gesetzgeber brachte im AGBG klar zum Ausdruck, daß es im öffentlichen Interesse liegt, widerrechtliche AGB aus dem Verkehr zu ziehen; bewußt überläßt er diese Aufgabe nicht der Klagebereitschaft Einzelner. Vielleicht wären auch nur wenige bereit, einen solchen Prozeß zu führen, da das Privatinteresse zumeist nur einen Teil, nämlich eine bestimmte Klausel in ihrer konkreten Auswirkung, betrifft. Wie sehr die Durchsetzung des AGBG im öffentlichen Interesse liegt, kommt konsequenterweise auch dadurch zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber in § 12 AGBG dieses in seiner Gesamtheit ausdrücklich als Eingriffsrecht statuiert. Eine solche Norm existiert im UWG nicht. Umso mehr spricht dafür, die Normen im UWG, soweit sie von der Verbandsklagebefugnis erfaßt werden, auch im Wettbewerbsrecht als Eingriffsrecht zu qualifizieren, darüber hinaus aber Rechtswahlfreiheit anzunehmen.

§ 13 II UWG ist somit der Ausgangspunkt, um reines Privatrecht vom Eingriffsrecht im UWG zu trennen: Soweit wettbewerbliehe Anspruchsgrundlagen keine Klagebefugnis der Mitbewerber und ihrer Verbände oder der Verbraucherverbände eröffnen, können sie keine Eingriffsnormen i. S. d. Art. 7 Eu/PRÜ sein. Positiv formuliert: Nur soweit den Verbänden eine Klagebefugnis verliehen wird, kann es sich um Eingriffsrecht handeln. Denn die Klagebefugnis der Verbände ist das einzige Instrument des Staates, im Rahmen des UWG seinen Interessen auch gegen den Willen des konkret Verletzten Geltung zu verschaffen. Die Klagebefugnis der Verbände repräsentiert die Wahrung der Interessen Dritter und erfüllt auch damit dieselbe Funktion wie Eingriffsnormen; diese Funktion macht die davon betroffenen Normen des UWG zu international nicht abdingbarem Recht. Durch die Verleihung der Klagebefugnis an nicht notwendig unmittelbar Verletzte kommt zum Ausdruck, daß der Staat die Durchsetzung der davon betroffenen Normen nicht in das Belieben des oder der konkreten Verletzten stellen wollte, sondern in das Belieben einer Interessengemeinschaft. Diese ist zwar nicht de-

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mokratisch legitimiert, jedoch stellt sie faktisch eine BündeJung der von dem Wettbewerbsverstoß betroffenen Interessen dar.27 Die Tatsache, daß der Gesetzgeber dieses Instrument auf einige Normen beschränkt hat, sagt umgekehrt, daß er bei den anderen Normen kein international bindendes Durchsetzungsinteresse hat. Welche Normen sind danach nun als Eingriffsnormen zu werten, welche nicht? Nach§ 13II,illUWG besteht für alle Schadensersatzansprüche keine erweiterte Klagebefugnis, seien sie direkt oder indirekt durch das UWG vermittelt28 • Nebst den in§§ 1, 13 VI, 1411, 19UWG normierten, sind dies alle Anspruchsgrundlagen des BGB auf diesem Gebiet, auch wenn ihnen ein Verstoß gegen eine Strafnorm des UWG zugrundeliegt Gedacht ist hier vor allem an § 823 II BGB i. V. m. einer Strafnorm oder einer Ordnungswidrigkeit des UWG. Selbst nach einer strafrechtlichen Verfolgung bleibt nur ein ausschließlich privates Interesse am Schadensersatz übrig. Wenn aber schon das öffentliche Interesse am Schadensersatz zugunsten des Verletzten bei einer Strafnorm fehlt, so ist dies erst recht der Fall bei zivilrechtliehen Verbotsnormen. Dem entspricht auch, daß die erweiterte Klagebefugnis des § 13 UWG nur für Unterlassungsansprüche gilt. Die von § 13 Il, ill UWG erfaßten Normen sind also nicht generell Eingriffsnormen, sondern nur, soweit sie Unterlassungsansprüche gewähren. § 13 Il, m UWG versieht auch sie nicht ausnahmslos mit erweiterter Klagebefugnis, sondern nur die §§ 1, 3, 4, 6-6c, 7 und 8 UWG. Einziger nicht geregelter Unterlassungsanspruch des UWG ist demnach der aus Anschwärzung (§ 1412 UWG). Er steht nur dem unmittelbar Verletzten zu, ist demnach kein Eingriffsrecht Dies gilt jedoch nur, solange sich die Anschwärzung gegen bestimmte Wettbewerber richtet und nicht mit einem der Unterlassungsansprüche aus §§ 1-8 UWG zusammentrifft.29 In solchen Fällen setzt sich die Eingriffsnorm durch, da sie ansonsten konterkariert würde. Dann ist Rechtswahl auch für § 14 I 2 UWG ausgeschlossen. Ferner ist § 13 II, m UWG auch nicht anwendbar auf Klagen, die sich ausschließlich auf das BGB (insbes. §§ 823, 1004BGB) stützen.Jo Zum Unterlassungsanspruch gehört notwendigerweise auch der Beseitigungsanspruch, der zwar nicht eigens in 13 II, mUWG erwähnt ist, ohne den aber der Un27 Überdies ginge die Rechtswahl bei Verbänden ins Leere: Wenn sie nämlich nach ausländischem Recht Klage erheben würden, wäre zugleich ihre Klagebefugnis nach dem gewählten Recht zu beurteilen, da sie Teil der Begründetheit des Anspruchs ist. 28 BGH, Urt. v.13.11.1953, in: GRUR1954, S.165; BGH,Urt. v.22.12.1961 "DeutscheMiederwoche", in: GRUR 1962, S. 319; Schrie/cer, Klagerecht, GRUR Int. 1973, S.459 FN81. Hefermehl, § 13 UWG Rz. 4 a. E., der aus diesen beiden Urteilen Ausnahmen für den Fall herleitet, daß die Schadensfolgen einen fortwirkend rechtswidrigen Störungszustand bilden. 29 Hefermehl, § 13 UWG Rz. 28a. 30 BGH, Urt. v. 21.11.1958 "Versandbuchhandlung", in: GRUR 1959, S. 245m. w. Nachw.; BGH, Urt. v. 22.12.1961 "Deutsche Miederwoche", in: GRUR 1962, S. 319; Hefermehl, § 13 UWG Rz. 3.

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terlassungsanspruch sinnentleert wäre.31 Beides ist Teil eines einheitlichen Abwehranspruchs, der - im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch - verschuldensunabhängig ist. Auch die anderen Unterlassungsansprüche vermitteln nicht generell eine erweiterte Klagebefugnis, so daß sie nicht uneingeschränkt als Eingriffsrecht bezeichnet werden können. Hier grenzt der Gesetzgeber nach dem Kreis der tatsächlich oder potentiell Betroffenen ein. § 13 UWG soll gerade keine Popularklage eröffnen. 32 Sind ausschließlich ein oder mehrere bestimmte Mitbewerber von dem Wettbewerbsverstoß betroffen, so ist§ 13li, illUWG nicht einschlägig.33 Die Schwierigkeit, gerade bei der Generalklausel des § 1 UWG die bloße Individualbetroffenheit von der Betroffenheit der Allgemeinheit abzugrenzen, gibt keinen Anlaß, in § 1 UWG ein regelmäßig zu schützendes betroffenes öffentliches Interesse zu sehen.34 Dies zeigt sich schon darin, daß die lediglich am Rande bestehende Betroffenheit der Allgemeinheit (Mitbewerber und/oder Verbraucher) für eine erweiterte Klagebefugnis nach § 13li, m UWG nicht ausreicht.35 Zwar braucht kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien zu bestehen, insbesondere muß der Kläger nicht in seiner gewerblichen Betätigung tatsächlich beeinträchtigt sein,36 denn dann bräuchte man § 13 UWG nicht. Jedoch muß zumindest ein potentielles Wettbewerbsverhältnis gegeben sein,37 d. h. es darf nicht nur eine theoretisch denkbare abstrakte Beeinträchtigungsmöglichkeit vorliegen, sondern nur eine, die mit - wenn auch geringer - Wahrscheinlichkeit eintreten kann, und für den/die Betroffenen wirtschaftlich nicht völlig unbedeutend ist38 . Trotz dieser Einschränkung der erweiterten Klagebefugnis, sah sich der Gesetzgeber 1994 einer ausgeprägten Mißbrauchspraxis gegenüber. Deshalb beschränkte er die Klagebefugnis der Mitbewerber, deren Verbände und der VerbraucherverbänHefermehl, Einl. UWG Rz.25Ia. s. oben S.125 zu FN26. 33 BGHUrt. v.14.04.1988 "Vespa-Rollet'', in: GRUR 1988, S.621 f. Dort war allerdings die Klägerin (Inhaberin eines Alleinvertriebsrechts) unmittelbar verletzt, so daß sich ein Rückgriff auf§ 13 UWG erübrigte. Obiter Dictum äußerte der BGH (S. 621) die hier vertretene Ansicht. Ebenso BGH, Urt. v.18.10.1990 "Finnischer Schmuck", in: GRUR 1991, S. 225; a.A. He/ermehl, § 13 UWG Rz. 6. 34 So aber anscheinend Hefermehl, § 13 UWG Rz. 6 m. w. Nachw. Auch Hadding, JZ 1970, S. 311, zieht diesen Schluß nicht, obwohl er keine Gefahrdung oder Beeinträchtigung eines eigenen oder fremden materiellen Rechts für eine Verbandsklage fordert. Gleicher Ansicht: Schricker, Klagerecht, GRURint. 1973, S.459, mit guten Gründen. 35 Hefermehl, § 13 UWG Rz.l4, der sich damit zu sich selbst in Widerspruch setzt (s. voherige FN); mehr dazu s. sogleich. 36 BGH, Urt. v. 23.03.1966 "Glutamat", in: GRUR 1966, S.446. 37 So schon: BGH, Urt. v.ll.05.1954 "Cupresa-Kunstseide", in: BGHZ 13, S. 249. 38 Andeutungsweise schon: BGH, Urt. v.09.10.1959 "Bambi", in: GRUR 1960, S. 146; ausdrücklich: BGH, Urt. v. 13.02.1981 "Rechtsberatungsanschein", in: GRUR 1981, S. 530; bestätigt durch: BGH, Urt. v.22.02.1990 "Werbung im Programm", in: GRUR 1990, S. 612; He/ermehl, Ein!. UWG Rz.217 u. § 13 UWG Rz.14. 31

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de nach § 13 II, III UWG nochmals. Nunmehr ist bei Klagen von Mitbewerbern und ihren Verbänden erforderlich, daß die unlautere Wettbewerbshandlung geeignet ist, den Wettbewerb auf demselben Markt wesentlich zu beeinträchtigen, auf dem der Mitbewerber tätig ist bzw. auf dem die durch den Verband vertretenen Gewerbetreibenden tätig sind, § 13 II Nr. I u. 2 UWG. Die Auswirkungen auf das Marktgeschehen müssen so gewichtig sein, daß Allgemeininteressen ernsthaft betroffen sind. 39 In welchen Fällen eine solche Eignung vorliegt, muß der Bewertung im Einzelfall vorbehalten bleiben. Wie oben (S. 122 f.) dargelegt, ist die "wesentliche Beeinträchtigung" des § 13 UWG nicht mit der "Spürbarkeit" im GWB in Zusammenhang zu bringen. Bei Klagen von Verbraucherverbänden aus § 1 UWG wird gefordert, daß durch die angegriffene Wettbewerbshandlung wesentliche Belange der Verbraucher berührt werden,§ 13 llNr. 3 UWG. Die Klagebefugnis der Industrie- und Handelskammern, sowie der Handwerkskammern, § 1311 Nr. 4 UWG, ist zwar nicht ausdrücklich, jedoch über die Mißbrauchsklausel in § 13 IV UWG in entsprechender Weise beschränkt. Diese verbietet die Verfolgung eigensüchtiger, dem Zweck der Klagebefugnis widersprechender Ziele. 40 Als Fazit läßt sich festhalten, daß die Verbandsklagebefugnis nur solche Wettbewerbsverstöße erfaßt, die marktbezogen sind. Auf der Tatbestandsseite wird gefordert, daß die Wettbewerbshandlung tatsächlich geeignet ist, über einen abgrenzbaren Kreis von potentiell Betroffenen hinaus zu wirken. Auf der Rechtsfolgenseite darf nicht der individuelle Schadensausgleich geltendgemacht werden, sondern der notwendigerweise allseitig wirkende Unterlassungsanspruch. Denn die Unterlassung eines marktbezogenen Wettbewerbsverstoßes kann nur auf den Markt insgesamt einwirken, nicht jedoch begrenzt sein auf Einzelne; sonst wäre ja die Handlung nicht marktbezogen gewesen. Dies zeigt andererseits auch die Tauglichkeit der Bestimmung von Eingriffsnormen anband der Verbandsklagebefugnis. Denn die Verbandsklagebefugnis filtert diejenigen Wettbewerbshandlungen heraus, die den Wettbewerb auf einem ganzen Markt stören bzw. stören können. Hier steht nicht interindividueller Streit in Rede, sondern der Wettbewerb als Institution. Dieser liegt wesentlich im Staatsinteresse. Bei individuellen Klagen hingegen ist er allenfalls Nebeninteresse, denn kein Betroffener nimmt das Prozeßrisiko auf sich, wenn er sich nicht vom Prozeßgewinn einen wesentlichen persönlichen Vorteil verspricht, der selbstverständlich auch in der Beseitigung eines Nachteils liegen kann. Anders die Verbände: Sie nehmen Gruppeninteressen wahr, was auch ihre (ausschließliche) Aufgabe ist. Die Wahrnehmung des Gruppeninteresses, setzt aber notwendig die Marktbezogenheit des Wettbewerbsverstoßes voraus. Staats- und Verbandsinteresse kommen somit hier notwendigerweise zusammen. Deshalb sind die Normen des 39 40

RegEntw. UWGÄndG, WRP 1994, S.377. Hefermehl, § 13 UWG Rz.47 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung.

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UWG, soweit sie von Verbänden zum Gegenstand einer Klage gemacht werden können, Eingriffsnormen. Rechtswahl ist insoweit also ausgeschlossen. Das heißt aber auch, daß es nicht unwesentliche Bereiche des UWG gibt, die danach grundsätzlich einer Rechtswahl zugänglich wären. Muß deshalb das Allgemeine Deliktsrecht in der Frage der Parteiautonomie maßgeblich bleiben, soweit das Wettbewerbsrecht nicht international zwingende Normen enthält?41 Nicht unbedingt. Im folgenden soll das Wettbewerbsrecht aus anderen Perspektiven untersucht werden, jedoch unter derselben Fragestellung, nämlich ob und wieweit das Wettbewerbsrecht einer Rechtswahl zugänglich ist. Die Ausführungen hierzu haben ihren Schwerpunkt in dem Bereich, der soeben nicht als Eingriffsrecht festgestellt wurde, da nur in diesem Bereich Rechtswahl überhaupt noch in Frage kommt. Es soll zunächst die Eigenart der Schutzobjekte und der dahinter stehenden Rechte auf ihre Vereinbarkeit mit kollisionsrechtlicher Dispositivität geprüft werden. Danach soll untersucht werden, ob über das Eingriffsrecht hinaus eine generelle Drittbetroffenheit durch die Streuwirkung der zugrundeliegenden Wettbewerbshandlungen anzunehmen ist, und ggf. ob diese mit der Rechtswahlfreiheit vereinbar ist. b) Die geschützten Rechte -Absolute Rechte?

Im letzten Kapitel war viel vom Schutzzweck des Wettbewerbsrechts die Rede. In diesem Kapitel soll gezeigt werden, daß die hinter den Schutzobjekten stehenden Rechte zwar von jedermann respektiert werden müssen. Insoweit kann man von einer gewissen "absoluten Wirkung" sprechen, die diesen Rechten zukommt. Es wird jedoch zu zeigen sein, daß diese Rechte mit den typischen, gegen jedermann wirkenden absoluten Rechten, wie Eigentum und Besitz im Sachenrecht, nichts Wesentliches gemeinsam haben. Sachenrecht und Wettbewerbsrecht gehen hinsichtlich der Rechtswahlfreiheit grundsätzlich getrennte Wege. Sie weisen lediglich einen Berührungspunkt auf, wo es im Sachenrecht um die Abwehr von Eingriffen in das Eigentum bzw. Besitzrecht geht, repräsentiert vor allem durch §1004BGB. Schutzobjekt sind entsprechend den oben beschriebenen Schutzzwecken das Unternehmen, der Verbraucher und die Lauterkeit des Wettbewerbs. Das hinter dem Schutzobjekt Verbraucher stehende geschützte Recht ist die Entschlußfreiheit des Verbrauchers; hinter der Lauterkeit des Wettbewerbs steht die Wettbewerbsordnung. Das dem Unternehmen zugrundeliegende Recht ist im Wettbewerbsrecht-anders als im Deliktsrecht-die Freiheit der Unternehmerischen Betätigung. Im Allgemei41 Einen solchen Fall hält Burmann, OB 1964, S. 1804f., im Stahlexport-Urteil des BGH (Urt. v. 20.12.1963, in: BGHZ40, S. 391-400) für gegeben, da es sich um einen rein unternehmensbezogenen Eingriff handele. Einen parallelen Gedanken formuliert Schrie/cer, Prüfzeichen GRUR 1975, S. 116: Dort stellt er dieSachnormen des UWG und des Allgemeinen Deliktsrechts des BGB in Anspruchskonkurrenz.

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nen Deliktsrecht spricht man dagegen auch von dem Recht am Unternehmen, gleichbedeutend mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Was rechtfertigt diese Unterscheidung? Das Allgemeine Deliktsrecht regelt von seinem Ursprungsgedanken her den zivilrechtliehen Ausgleich für Eingriffe in ein absolutes Recht, wie z. B. das Eigentum; ist sein Bestand verletzt, soll Schadensersatz geleistet werden. Der deliktische Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs setzt voraus, daß der Wille der Unternehmerischen Betätigung im Unternehmen bereits seine gegenständliche Verkörperung gefunden hat. Die freie Willensbetätigung des Gewerbetreibenden reicht für den deliktischen Schutz nicht aus.42 Anders ist es im Wettbewerbsrecht Hier geht es nicht um den Bestand eines Unternehmens, sondern um seine Positionierung im Markt, bezogen auf ein bestimmtes Produkt bzw. eine bestimmte Dienstleistung.43 Wettbewerb ist ein dynamischer Prozeß, ebenso wie das Handeln des Unternehmers im Wettbewerb. Dazu gehört, daß es dort gerade keinen Bestandsschutz gibt, sondern nur momentane Marktpositionen. Die eigene Marktposition wird immer wieder von außen angegriffen. Es ist Aufgabe des Unternehmers, seinerseits die Marktposition des Konkurrenten (natürlich mit lauteren Mitteln, im wesentlichen also durch Leistungswettbewerb) anzugreifen, um seine zu halten oder auszubauen. Es geht im Wettbewerbsrecht also gerade nicht um das, was "in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert eines Betriebes ausmacht"44, sondern um den Einsatz dieser Werte im Marktgeschehen. Dort wo dieser Einsatz im Wettbewerb durch Dritte verhindert oder seiner Wirkung auf unlautere Weise beraubt wird, greift das Wettbewerbsrecht ein. Das Wettbewerbsrecht setzt gerade nicht einen Eingriff in das Unternehmen selbst voraus, wie z. B. die Vorschriften über Konkurswarenverkauf (§ 6 UWG), Räumungsverkauf (§ 8 UWG) 'oder Sonderveranstaltungen (§ 7UWG) zeigen. Geschützt sind im Wettbewerbsrecht also nicht Güter materieller oder immaterieller Art, sondern das Handeln im Wettbewerb. Dementsprechend geht es im Wettbewerbsrecht auch nur um die Freiheit der Unternehmerischen Betätigung. Ob diese Freiheit auch ein zu bewertendes Gut im Sinne des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist, kann hier dahingestellt bleiben; denn ob das geschützte Recht ein Teil eines anderen- zusammengesetzten - Rechts ist oder für sich allein steht, hat hinsichtlich des (Teil-)Rechts auf die Rechtswahlfreiheit keinen Einfluß. Wie der Schutzzweck des Wettbewerbsrechts4s so ist auch das geschützte Recht des Wettbewerbsrechts nicht homogen. Es gibt keine einzige Norm des UWG, deren 42 Nach Staudinger-Hager, § 823 Rz. D 10, soll aber auch das geplante Unternehmen vom Schutzbereich des § 823 BGB erfaßt werden (anders die Rspr., s. dort). 43 Es geht im übrigen auch nicht um die Möglichkeiten der Gewinnerzielung. Denn diese hängt nur zu einem geringen Teil von Umständen ab, die von außen zu beeinflussen sind. Wesentlich hierfür ist vielmehr die interne Kostenstruktur, da der Preis am Markt und durch den Markt gebildet wird. Die widerrechtliche Einflußnahme auf das Marktgeschehen, etwa durch Kartellabsprachen, ist aber wiederum ureigene Aufgabe des GWB. 44 So die allgemein anerkannte Definition des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nach BGH, Urt. v.28.01.1957, in: BGHZ23, S.162f.

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geschütztes Recht ausschließlich die Wettbewerbsordnung ist. Jede Norm, auch die scheinbar rein ordnungsrechtlichen §§ 4-8 UWG schützen zugleich auch die Freiheit der Unternehmerischen Betätigung des Einzelnen bzw. die Entschlußfreiheit des Verbrauchers. Denn durch die Mißachtung dieser Normen kann auch dem konkreten Mitbewerber oder dem Verbraucher ein Schaden entstehen. Daß der Gesetzgeber selbst bei diesen, auf den ersten Blick gar nicht nach Individualschutz aussehenden §§ 4-8 UWG auch Mitbewerber und Verbraucher als Individuum schützen wollte, geht aus § 13 VI UWG hervor. Er gibt allen durch eine schuldhaftbegangene rechtswidrige Wettbewerbshandlung im Sinne des § § 6--8 UWG Geschädigten einen Schadensersatzanspruch mit Ausnahme des § 1 UWG, der selbst einen Schadensersatzanspruch gewährt und des § 4 UWG (Strafvorschrift wegen wissentlich falscher Werbung). An letzterem ist der Individualschutz aber noch deutlicher zu erkennen: § 13 a UWG gewährt dem Verbraucher ein umfassendes Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch. Es hat sich also in dieser Analyse der§§ 4-8 UWG gezeigt, daß die Wettbewerbsordnung zwar in zahlreichen Normen des UWG mitgeschützt ist, jedoch nie alleiniges geschütztes Recht ist. Zumindest daneben ist immer auch der Mitbewerber in seiner Unternehmerischen Betätigungsfreiheit und/oder der Verbraucher in seiner Entschlußfreiheit geschützt. Als Zwischenergebnis läßt sich festhalten, daß das geschützte Recht des Wettbewerbsrechts ebensowenig homogen ist wie sein Schutzzweck. Es kann also auch aus dieser Perspektive hinsichtlich der Rechtswahlfreiheit im Wettbewerbsrecht kein pauschales Urteil gefällt werden, sondern es muß innerhalb des Wettbewerbsrechts nach den einzelnen geschützten Rechten differenziert werden. Die Wettbewerbsordnung, die Entschlußfreiheit des Verbrauchers und die Freiheit der Unternehmerischen Betätigung sind daraufhin zu untersuchen, ob ihre- absolute - Rechtsnatur einer Rechtswahl entgegensteht. Die Lauterkeit des Wettbewerbs liegt ausschließlich im Staatsinteresse. Entsprechend entbehrt die Wettbewerbsordnung auch jeden Zuweisungsakts zugunsten eines Einzelnen. Der Einzelne kann nämlich den Schutz der Wettbewerbsordnung nur dann gerichtlich geltend machen, wenn er durch unlauteres Wettbewerbsverhalten in seinen - subjektiven - Rechten verletzt ist. Der Einzelne erhebt also niemals eine "actio pro institutione", sondern er tritt stets in eigener Sache auf. Anders der klagende Verband: Er braucht nicht selbst vom unlauteren Wettbewerbverhalten betroffen zu sein, sondern er vertritt regelmäßig das Gruppeninteresse seiner Mitglieder, § 13 II UWG. Deshalb wird bei der Zulässigkeil der Verbandsklage auch darauf geachtet, daß die in Frage stehende Wettbewerbshandlung dieses Gruppeninteresse berührt.46 Die Lauterkeit des Wettbewerbs ist zwar ein Rechts45

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s. dazu oben S. 121 ff. s. dazu ausführlich im vorigen Kapitel.

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gut, das gegenüber jedennann wirkt, ebenso ist die Wettbewerbsordnung von jedennann im Wettbewerb gleichennaßen zu beachten. Jedoch gewährt sie keine subjektiven Rechte, sondern sie ist ausschließlich objektives Recht. Es fehlt diesem Recht jeglicher Zuweisungsgehalt. D. h. seine Wirkung ist zwar absolut, das rechtlich geschützte Interesse ist aber ein ausschließlich staatliches. Insoweit kann das Wettbewerbsrecht also einer Rechtswahl nicht zugänglich sein. Denn, soweit keinen Privatinteressen durch die Nonn Rechnung getragen wird, steht dem Einzelnen auch kein durch Art. 2 I GG zu schützendes Interesse an Rechtsgestaltungsfreiheit mittels Rechtswahl zu. Nachdem aber rein objektivrechtliche Nonnen, die tatsächlich Rechtswahl ausschlössen, im materiellrechtlichen Teil des UWG nicht vorhanden sind, ist zu untersuchen, von welcher Art die Freiheit der untemehmerischen Betätigung und die Entschlußfreiheit des Verbrauchers sind. Wenn auch ihre Natur einer Rechtswahl entgegensteht, dann wäre Parteiautonomie in der Tat für das gesamte Wettbewerbsrecht ausgeschlossen. Zu untersuchen ist zunächst das Recht der freien Unternehmerischen Betätigung. Ihm kommt insofern absolute Wirkung zu, als es von jedennann im Wettbewerb zu beachten ist. Denn der Inhaber eines Unternehmens kann von jedennann verlangen, sich so zu verhalten, daß die freie wettbewerbliehe Entfaltung seines Unternehmens nicht rechtswidrig beeinträchtigt wird. Er kann jedoch nicht verlangen, daß sein Unternehmen in seiner Entfaltung überhaupt nicht beeinträchtigt wird. Denn das wäre das Ende jeden Wettbewerbs. Die freie Unternehmerische Betätigung genießt also keinen absoluten Schutz, wie etwa das Eigentum im Sachen- und Deliktsrecht Es verleiht auch keine Herrschaftsrechte oder gar Gestaltungsmöglichkeiten, ist also auch darin zum Eigentum verschieden. Das Sachenrecht, soweit es Verfügungs(=Gestaltungs-)möglichkeiten des Eigentums regelt, kann somit für das Wettbewerbsrecht hinsichtlich der Rechtswahlfreiheit kein Maßstab sein. Die Freiheit der Unternehmerischen Betätigung ist hier ausschließlich Abwehrrecht, hat also keinen positiven Zuweisungsgehalt. Wie oben angedeutet, genießt sie im Wettbewerb keinen absoluten Schutz, sondern nur insoweit, als sie wettbewerblieh unlauteren Angriffen ausgesetzt ist. Denn es ist Kennzeichen von Wettbewerb, daß Unternehmen gegeneinander um Marktanteile ringen. Jeder Zugewinn an Marktstärke geht zu Lasten der Wettbewerber, d. h. schließt notwendigerweise eine Beeinträchtigung der Wettbewerber mit ein. Nur die wettbewerblieh unlautere Beeinträchtigung kann mit den Ansprüchen aus dem UWG abgewehrt werden, denn nur sie ist rechtswidrig in diesem Sinne. 47 Die Unlauterkeit bestimmt die Rechtswidrigkeit, d. h., daß bei Beeinträchtigung dieses Rechtsguts der Tatbestand nicht die Rechtswidrigkeit indiziert, sondern diese anband einer Interessenahwägung positiv festgestellt werden 47 Die Freiheit der Unternehmerischen Betätigung ist auch im Allgemeinen Deliktsrecht geschützt. Sie hat insoweit Teil am Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, § 823 I BGB (a. A. Hefermeh/, Allg. Rz. 114). Doch erfaßt § 823 I BGB nicht Eingriffe durch wettbewerbliebes Handeln, da insoweit das UWG vorgeht.

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muß. Die Freiheit der Unternehmerischen Betätigung ist deshalb kein absolutes Ausschlußrecht, wie etwa das Eigentum i. S. d. § 823 I BGB48 und des § 1004BGB. Gerade diese Fall- und Personenbezogenheil des Rechtsguts öffnet aber der Rechtswahlfreiheit die Tür. Denn in der gerichtlichen Auseinandersetzung geht es stets um eine konkrete Verletzungshandlung mit bestimmten Beteiligten. Nur für diesen Fall und unter diesen Personen kann die Freiheit der Unternehmerischen Betätigung genau bestimmt und abgegrenzt werden. Deshalb kann eine (nachträgliche) Rechtswahl auch keine Wirkung über diesen Einzelfall hinaus entfalten. Andererseits können die Beteiligten durchaus ein hohes Interesse daran haben, die Freiheit der Unternehmerischen Betätigung für diesen Fall nach einer anderen Rechtsordnung zu definieren und so die Reichweite des Unterlassungsanspruchs bzw. das Maß der Schadensersatzpflicht zu bestimmen. Dies gilt im übrigen nicht weniger für eine vorherige Rechtswahl, d. h. einer Rechtswahl vor der Verletzungshandlung. Als Beispiel sei hier der Unternehmenskauf genannt: Er ist regelmäßig mit einem umfangreichen Vertragswerk verbunden, in dem in aller Regel auch Wettbewerbsklauseln und andere wettbewerbliehe Regelungen enthalten sind. Insbesondere bei ausländischer Beteiligung kann ein Interesse daran bestehen, diese- wie den gesamten übrigen Vertrag- ebenfalls der ausländischen Rechtsordnung zu unterwerfen, die womöglich strenger ist als die deutsche. Sobald die Beteiligten eines Rechtsverhältnisses und die Art der Verletzungshandlung bestimmbar sind, steht auch die (begrenzte) Reichweite der Rechtswahl fest. Soweit es um das geschützte Rechtsgut der Freiheit der Unternehmerischen Betätigung geht und die Verletzungshandlung nur diejenigen Mitbewerber treffen kann, die an der Rechtswahl beteiligt sind, steht der Rechtswahlfreiheit kein Schützenswertes staatliches Rechtsdurchsetzungsinteresse entgegen. Ähnlich verhält es sich mit der Entschlußfreiheit des Verbrauchers. Es ist untrennbar mit Wettbewerb verbunden, daß sie beeintlußt wird, zuweilen sogar beeinträchtigt wird, etwa bei suggestiver Werbung. Auch hier wird die Grenze erst durch die Unlauterkeit des Wettbewerbshandeins gezogen, so daß auch hier stets eine Interessenabwägung erforderlich ist. 49 Der auf Schadensersatz klagende Verbraucher kann mit dem Verletzer also eine (nachträgliche) Rechtswahlvereinbarung treffen. Eine Rechtswahl vor der Verletzungshandlung ist dagegen denknotwendig ausgeschlossen. Im Fall des Verbraucherschutzes ist die Zahl der von einem Wettbewerbsverstoß Betroffenen nämlich gerade nicht vorher bestimmbar. Zudem kommen die Parteien regelmäßig im Vorfeld der Verletzungshandlung nicht zusammen. Jedoch auch nach48 Daß sie in Gestalt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs dennoch durch § 823 I BGB (mit)geschützt wird, ist dogmatisch etwas "unsauber". Dies läßt sich daran festmachen, daß aufgrund der soeben beschriebenen Eigenheit des Rechtsguts "eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb" der Tatbestand eben nicht die Rechtswidrigkeit indiziert wie bei den aufgezählten Rechtsgütem. 49 Im Werbebereich wird die Unlauterkeit in Form der Geeignetheit zur Irreführung festgestellt, §§3-5UWG.

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träglieh ist die Rechtswahl in Streitigkeiten mit dem Verbraucher eher unwahrscheinlich, da das wirtschaftliche Ungleichgewicht zugunsten des Verletzers in der Regel.zu groß ist. Der Verbraucher wird sich hierauf nicht einlassen, denn eine Rechtswahl käme in diesem Fall regelmäßig einem Rechtsverzicht des Verbrauchers gleich.

Fazit: Es zeigt sich also bei einer Betrachtung aus der Perspektive der geschützten Rechtsgüter und der dahinterstehenden Rechte, daß auch hier hinsichtlich der Rechtswahlfreiheit nicht zwischen dem Wettbewerbsrecht einerseits und anderen Rechtsgebieten zu differenzieren ist, sondern innerhalb des Wettbewerbsrechts. Zu klären bleibt, nach welchem Maßstab hier der Bereich der Rechtswahlfreiheit einzugrenzen ist. Ist auch hier die Klagebefugnis der Verbände nach § 13 II-V UWG eine geeignete Richtschnur? Wenn Verbände oder Vereinigungen von Gewerbetreibenden Klage erheben, klagen sie nicht als Verletzte, sondern nehmen stets Gruppeninteressen wahr. Ihre Klagebefugnis hat Einfluß auf die Bestimmung des geschützten Rechtsguts (s. oben S.132f.). Zwar wirkt die Tatsache der Verbandsklage nicht auf die konkrete Verletzungshandlung ein, jedoch wird die Interessenahwägung im Rahmen der Feststellung der Rechtswidrigkeit erheblich beeinflußt. Statt die Interessen des konkret Betroffenen, der unter Umständen dem Gericht gar nicht bekannt ist, sind nunmehr die vom Verband vertretenen Gruppeninteressen auf der Klägerseite abzuwägen. Da es sich bei Klagen nach § 13 II-V UWG durchweg um Unterlassungsklagen handelt, können sie auch präventiv erfolgen, wenn die Verletzungshandlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Wie bei der Untersuchung zum Schutzzweck des Wettbewerbsrechts, so sind auch hier die von § 13 UWG erfaßten materiellrechtlichen Nonnen des UWG keine Hilfe. Sie sind viel zu umfassend. Nach einhelliger, hier nicht nochmals zu vertiefender Erkenntnis schützen sie regelmäßig mindestens zwei der drei genannten Rechtsgüter (s. oben S.131 f.). Es kann also hieraus keine allgemeine Regel für die Einschränkung von Rechtswahlfreiheit hergeleitet werden.

Fazit: Die Tatsache, daß das UWG - abgesehen von der Wettbewerbsordnung - negative Ausschlußrechte schützt, nämlich die Freiheit der Unternehmerischen Betätigung und die Entschlußfreiheit des Verbrauchers, ist für die Frage der Rechtswahlfreiheit also neutral. Auch daß diese von jedermann zu beachten sind, schließt nicht generell Rechtswahlfreiheit aus. Dies liegt daran, daß es sich- im Unterschied zum Sachenrecht - nicht um Herrschaftsrechte mit positivem Zuweisungsgehalt und Gestaltungsmöglichkeiten handelt. Das UWG regelt kein Erfolgsunrecht, sondern lediglich Handlungsunrecht Damit steht für jedermann fest, wie er sich im Wettbewerb zu verhalten hat. Ist deswegen Rechtswahlfreiheit ausgeschlossen? Nicht unbedingt. Die Allgemeinheit der Handlungsanweisung steht einer Gestaltung durch Rechtswahl nicht notwendig entgegen, insbesondere dann nicht, wenn das UWG auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis angewandt werden soll. Dazu sogleich (s. S.136ff.).

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c) Generelle Drittbetroffenheit und Rechtswahlfreiheit

Wie eingangs der Arbeit dargelegt,so wird der Rechtswahlmöglichkeit vielfach auch entgegengehalten, sie verletze regelmäßig Rechte Dritter; zumindest stünden ihr regelmäßig zu schützende Drittinteressen entgegen. Selbstverständlich darf eine Rechtswahl nicht Rechte Dritter beschneiden, s.a. Art. 42.2 EGBGB. Dies gilt ohne Einschränkung auch für das Wettbewerbsrecht Hier besteht im Vergleich zum Schuldrecht, wo Drittrechte eine erhebliche Rolle spielen, die Besonderheit, daß der wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung nicht immer ein Vertragsverhältnis zugrundeliegt, sondern häufig eine schlichte (wettbewerblich relevante) Handlung. Die Rechtswahl kommt erst nachträglich zustande. Das Drittrecht leitet sich demnach nicht vom ursprünglichen Vertragsverhältnis ab, sondern von der Rechtslage bei objektiver Anknüpfung. Der Schutz der Rechte Dritter ist somit nicht am ursprünglichen Vertragsverhältnis der Parteien zu messen, sondern an der Rechtslage, wie sie bei objektiver Anknüpfung bestünde. Praktisch hat dies jedoch keine Auswirkungen, denn im Wettbewerbsrecht stehen keine Rechte Dritter in Frage, sondern regelmäßig Drittinteressen.51 Denn dem Wettbewerbsrecht fehlt ein Rechtsgut in Form eines Herrschaftsrechts mit Zuweisungsgehalt, das dann teilweise auf Dritte übertragen werden könnte. Inwieweit Drittinteressen die Rechtswahlfreiheit beschränken können, wurde im Rahmen des Eingriffsrechts eingehend erörtert. Denn es ist gerade die Funktion von Eingriffsnormen, typisierten Drittinteressen im Falle einer Rechtswahl ausreichend Rechnung zu tragen. Es sei hier nochmals, aus anderer Perspektive dargelegt: Der h. M. ist insoweit zuzustimmen, daß eine unlautere Wettbewerbshandlung nicht nur einen konkreten Betroffenen (meistens den Mitbewerber) trifft, sondern im Regelfall auch Dritte, nämlich Verbraucher und die Allgemeinheit52 • Dies wird vielfach kurz und prägnant als Streuwirkung der Wettbewerbshandlungen bezeichnet. Es darf aber daraus nicht der pauschale Schluß gezogen werden, im Wettbewerbsprozeß sei deshalb Rechtswahl nicht zulässig. Denn, mag auch die Wettbewerbshandlung regelmäßig Streuwirkung entfalten, so ist der Klagegegenstand nicht immer davon betroffen. Klagegegenstand ist nämlich nicht immer die Wettbewerbshandlung; diese ist nur Klagegegenstand bei Unterlassungsklagen. Daß die Unterlassung einer Wettbewerbshandlung, ebenso wie die Handlung selbst, Streuwirkung entfaltet, bedarf keiner näheren Erläuterung. Klagegegenstand kann aber auch der Anspruch auf Schadensersatz sein. Dieser Klagegegenstand entfaltet mitnichten Streuwirkung. Vielmehr geht es um einen Anspruch, der ausschließlich zwiso s. oben S.24f.. Deshalb läuft die Argumentation auf der Basis des Art. 42 EGBGB (z. 8. v. Hojfmann, IPR, § 11 Rz. 53) ins Leere. 52 Auch hier sei wieder der Vollständigkeit halber auf die Ausnahme der Anschwärzung nach§ 14 UWG hingewiesen. 51

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sehen den am Prozeß beteiligten Personen besteht. Drittinteressen oder gar Drittrechte spielen in einem wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzprozeß keine Rolle. Sie können in einem solchen Prozeß demnach der Rechtswahlfreiheit auch nicht entgegengehalten werden. Es ist nun aus dieser Perspektive zu prüfen, ob die erweiterte Klagebefugnis nach § 13 II-V UWG auch unter diesem Blickwinkel für die Unterscheidung zwischen den einer Rechtswahl zugänglichen Normen und Normen, bei denen Rechtswahl ausgeschlossen ist, herangezogen werden kann. Ansprüche, die von der erweiterten Klagebefugnis nicht erfaßt werden, sind ausnahmslos die Schadensersatzansprüche und von den Unterlassungsansprüchen nur der aus Anschwärzung, § 14 UWG. Bei den Schadensersatzansprüchen ist gerade festgestellt, daß sie notwendigerweise einen nach Personen und Schaden konkretisierten Klagegegenstand zu ihrer Durchsetzung bedürfen und dementsprechend eine Streuwirkung des Urteils, auch rein faktischer Art, nicht gegeben ist. Selbstverständlich wirkt auch ein Unterlassungsurteil nur inter partes, jedoch entfaltet seine Vollstreckung Streuwirkung, da die Unterlassung im Wettbewerb, ebenso wie die Handlung, nur in Ausnahmefallen auf bestimmte Betroffene begrenzt sein kann. Ein Fall, der deshalb auch nicht unter § 13 UWG f