Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht [1 ed.] 9783428549931, 9783428149933

Im Internationalen Zivilverfahrensrecht umschreibt der Begriff der Parteiautonomie die Freiheit der Parteien, mittelbar

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Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht [1 ed.]
 9783428549931, 9783428149933

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Schriften zum Prozessrecht Band 240

Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht

Von Matthias Abendroth

Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS ABENDROTH

Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht

Schriften zum Prozessrecht Band 240

Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht

Von Matthias Abendroth

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2015/2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbH, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-14993-3 (Print) ISBN 978-3-428-54993-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-84993-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Oktober 2014 abgeschlossen und im Wintersemester 2015/2016 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Sie entstand größtenteils während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Privat- und Prozessrecht der Georg-August-Universität Göttingen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Februar 2016 berücksichtigt. Danken möchte ich zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Volker Lipp, für die Anregung zum Thema dieser Arbeit und deren Betreuung, aber auch für die ausgesprochen lehrreiche Zeit an seinem Lehrstuhl. Herrn Prof. Dr. Joachim Münch möchte ich für die Erstellung des Zweitgutachtens danken. Meiner Familie und meinen Freunden danke ich für die vielfältige Unterstützung während meiner gesamten Promotionszeit. Mein besonderer Dank gilt dabei meinen Eltern, die mir zeit meines Lebens zur Seite standen und mir stets jede erdenkliche Unterstützung haben zukommen lassen. Ich danke schließlich Johanna und meiner Tochter Charlotte für ihren liebevollen Rückhalt, ihre unermüdliche Unterstützung und ihre Geduld. Ohne sie wäre ein Gelingen der Arbeit schlichtweg undenkbar gewesen. Ihnen ist daher diese Arbeit gewidmet. Hamburg, im April 2016

Matthias Abendroth

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einführung und Grundlegung

25

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 § 2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 A. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Verhältnis zur Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Verhältnis zur örtlichen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 IV. Zuständigkeitsinteressen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Parteiinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Gerichtsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Staatsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Kollisionsrechtliche Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 C. Europäisches Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Entstehung des Europäischen Zivilverfahrensrechts im Überblick . . . . . . . . 33 II. Kompetenzen im Europäischen Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. „Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich“

38

2. „Grenzüberschreitender Bezug“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Auslegung des Europäischen Zivilverfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Auslegungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 d) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 § 3 Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 A. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 B. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

8

Inhaltsverzeichnis C. Eingrenzung des Gegenstands der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Sonstige Einflussmöglichkeiten der Parteien auf die internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Dogmatische Einordnung von Gerichtsstandsvereinbarung und rügeloser Einlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

Teil 2 Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

53

§ 4 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 § 5 Sachlicher Anwendungsbereich der Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 A. Zivil- und Handelssache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B. Ausgeschlossene Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 § 6 Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 B. Das Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 C. Allgemeine Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 D. Besondere Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 E. Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen . . . . . . 66 F. Ausschließliche Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 § 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Wohnsitz einer Partei im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats . . . . . . . . . . . . 72 II. Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts . . . . . . . . 72 III. Sonderregelung des Art. 23 Abs. 3 Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 IV. Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Problembeschreibung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Ausschluss von reinen Inlandssachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Ausschluss von Drittstaatensachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Qualitative Anforderungen an zuständigkeitsrelevanten Auslandsbezug 82 a) Interne Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 85 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4. Konsequenzen für die praktische Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 V. Teleologische Extension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Problembeschreibung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Inhaltsverzeichnis

9

2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 VI. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Problembeschreibung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 B. Wirksamkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Allgemein zur Auslegung der Formanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Schriftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Schriftlich bestätigte Mündlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Parteigepflogenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Handelsbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5. Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . 111 a) Schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung . . . . . . . . . . . 111 b) Parteigepflogenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Handelsbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Einbeziehung fremdsprachiger Gerichtsstandsklauseln . . . . . . . . . . . . 117 6. Umgehung der Form durch Erfüllungsortvereinbarungen . . . . . . . . . . . . 120 a) Grundkonzeption des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Zuständigkeitsbegründende Wirkung von Erfüllungsortvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 c) Voraussetzungen für Erfüllungsortvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . 123 d) Umgehungsgefahr für Formanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Materielle Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Rückgriff auf nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Bedeutung der Rechtsnatur einer Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . 135 c) Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts als normative Grundlage 136 (1) Prorogationsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (a) Akzessorische Anknüpfung am Vertragsstatut des Hauptvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (b) Eigenständige Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Gesondert anzuknüpfende Teilfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (a) Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (b) Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

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Inhaltsverzeichnis bb) Verfahrensrecht des angerufenen Gerichts als normative Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (1) Unmittelbare Anwendung des nationalen Vertragsrechts der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (2) Kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Vertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Grenzfälle des europäischen Vereinbarungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Sprachrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Ungeschriebene Missbrauchskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Zulässigkeit einer ungeschriebenen Missbrauchskontrolle . . . . . . 153 (1) Auslegung des Art. 23 Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (2) Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) Prüfungsmaßstab der ungeschriebenen Missbrauchskontrolle . . . 159 cc) Besonderheiten für Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Sachlicher Anwendungsbereich der Klauselrichtlinie . . . . . . . 162 (2) Klauselrichtlinie und Gerichtsstandsklauseln aus Sicht des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (3) Konfliktpotenzial der Klauselrichtlinie hinsichtlich der Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (4) Verhältnis der Klauselrichtlinie zur Brüssel I-VO . . . . . . . . . . 167 (5) Konsequenzen für die Anwendung der Brüssel I-VO . . . . . . . 171 III. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Problembeschreibung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 C. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I. Überblick über die Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Bestimmtes Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Bestimmtes Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Problembeschreibung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 D. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I. Prorogations- und Derogationseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 II. Einschränkungen nach Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 III. Bindungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Bindung des angerufenen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Inhaltsverzeichnis

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2. Kompetenz-Kompetenz des prorogierten Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3. Subjektive Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4. Forum non conveniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 IV. Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Anti-suit injunction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Konzeption des Rechtsinstruments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Zulässigkeit in der Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Schadensersatz wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung

202

a) Konzeption des Rechtsinstruments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Zulässigkeit in der Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Konzeption des Rechtsinstruments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Zulässigkeit in der Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4. Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Konzeption des Rechtsinstruments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Zulässigkeit in der Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 E. Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen . . . . . . 205 I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Versicherungssache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3. Verbrauchersache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4. Arbeitssache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Zuständigkeitssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 1. Versicherungssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Verbrauchersachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Arbeitssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 III. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Nach der Entstehung der Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Zugunsten der schutzbedürftigen Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Gemeinsamer Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . 216 4. Versicherungsnehmer mit Wohnsitz in einem Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . 218 5. Bestimmte Risiken bei See- und Luftfahrtversicherungen sowie Großrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 § 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Grenzüberschreitender Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 II. Bedeutung des Wohnsitzes der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B. Einlassung auf das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

12

Inhaltsverzeichnis C. Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I. Begründung der Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Rüge der mangelnden Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Hilfsweises Verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Problembeschreibung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Ausschließliche Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Belehrung über Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Nationale Belehrungspflichten der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Belehrungspflicht aufgrund der Klauselrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 4. Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 5. Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen 235 a) Problembeschreibung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

§ 9 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

Teil 3 Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

242

§ 10 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 § 11 Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 A. Anwendungsbereich des HGÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 B. Anforderungen an eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . 245 I. Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Materielle Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 C. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 § 12 Die Änderungen innerhalb der Brüssel Ia-VO im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 A. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 B. Zuständigkeitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 I. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 II. Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 III. Besondere Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 IV. Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen . . 254

Inhaltsverzeichnis

13

V. Ausschließliche Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 VI. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 VII. Rügelose Einlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 C. Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 257 D. Einstweilige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 E. Abschaffung des Exequaturverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 § 13 Auswirkungen auf die bisherige Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . 261 A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I. Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts . . . . . . . . 261 II. Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 III. Teleologische Extension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 B. Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 II. Materielle Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Reichweite der kollisionsrechtlichen Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Sachnorm- oder Gesamtverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3. Alternative Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 4. Ungeschriebene Missbrauchskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 5. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 C. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 I. Gestaltungsmöglichkeiten und Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 II. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 D. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Prorogations- und Derogationseffekte sowie Einschränkungen der Wirkung 274 II. Bindungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Bindung des angerufenen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Kompetenz-Kompetenz des angerufenen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 a) Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Konsequenzen für das nicht vereinbarte Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 aa) Problembeschreibung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 3. Subjektive Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 4. Forum non conveniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 § 14 Auswirkungen auf die bisherige Rechtslage für rügelose Einlassungen . . . . . . . . . . 281 A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 B. Einlassung auf das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

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Inhaltsverzeichnis C. Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. Begründung der Zuständigkeit und Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. Belehrung über die Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Schaffung und Umfang der richterlichen Belehrungspflicht . . . . . . . . . . 282 2. Konsequenzen eines Verstoßes gegen die richterliche Belehrungspflicht 283 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

§ 15 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

Teil 4 Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

286

§ 16 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 § 17 Sachlicher Anwendungsbereich der EuUntVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 A. Unterhaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 B. Familienverhältnis als Grundlage der Unterhaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 C. Ungeschriebene Beschränkung auf Zivilsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 § 18 Zuständigkeitssystem der EuUntVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 B. Das Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 C. Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 D. Auffang- und Notzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 § 19 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 4 EuUntVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 I. Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts . . . . . . . . 297 II. Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 1. Ausschluss von reinen Inlandssachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 2. Kein Ausschluss von Drittstaatensachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 3. Qualitative Anforderungen an den grenzüberschreitenden Bezug . . . . . . 299 4. Konsequenzen für die praktische Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 III. Teleologische Extension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 IV. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 B. Wirksamkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 I. Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 II. Materielle Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 III. Ungeschriebene Missbrauchskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 IV. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

Inhaltsverzeichnis

15

C. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 I. Beschränkte Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 1. Anknüpfungskriterien der Wahlmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 a) Gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 c) Gericht in Ehesachen und letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 2. Verhältnis zwischen Wahlmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 3. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 4. Regelungsziel der Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 5. Verbleibende Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 II. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 III. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 D. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I. Prorogations- und Derogationseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 II. Bindungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 1. Bindung des angerufenen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 2. Subjektive Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 III. Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 E. Ausschluss des Kindesunterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 I. Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 II. Reichweite des Ausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 § 20 Rügelose Einlassung nach Art. 5 EuUntVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 B. Einlassung auf das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 C. Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 I. Begründung der Zuständigkeit und ihre ausdrückliche Einschränkung . . . . 325 II. Ungeschriebene Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 1. Belehrung über Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 3. Kindesunterhalt i.S.d. Art. 4 Abs. 3 EuUntVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 § 21 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

Teil 5 Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

329

§ 22 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

16

Inhaltsverzeichnis

§ 23 Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 A. Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 B. Verfahren über die elterliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 § 24 Zuständigkeitssystem der Brüssel IIa-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 B. Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 I. Allgemeine Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 II. Gegenantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 III. Umwandlungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 IV. Ausschließlichkeit der Art. 3, 4 und 5 Brüssel IIa-VO und Restzuständigkeit 335 C. Verfahren über die elterliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 I. Allgemeine Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 II. Aufrechterhaltung der Zuständigkeit bei Umgangsrechtsstreitigkeiten . . . . 337 III. Besonderheiten bei Kindesentführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 IV. Auffang- und Restzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 V. Verweisungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 § 25 Gerichtsstandsvereinbarung oder rügelose Einlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 A. Gemeinsamer Antrag, Art. 3 Abs. 1 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO . . . . . 340 I. Relevanz des Parteiwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 II. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 B. Anerkennung des neuen gewöhnlichen Aufenthalts, Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO 342 I. Relevanz des Parteiwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 II. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 C. Vereinbarung über die Zuständigkeit, Art. 12 Brüssel IIa-VO . . . . . . . . . . . . . . . 344 I. Relevanz des Parteiwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 1. Anerkennung im Zusammenhang mit einer anhängigen Ehesache . . . . . 344 a) Verbindung der Ehesache zur elterlichen Verantwortung . . . . . . . . . . . 345 b) Elterliche Verantwortung zumindest bei einem der Ehegatten . . . . . . 345 c) Anerkennung der Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 aa) Kreis der anerkennungsfähigen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 bb) Art und Weise der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 cc) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 d) Einklang mit dem Wohl des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2. Anerkennung in isolierten Verfahren über die elterliche Verantwortung

351

a) Wesentliche Bindung des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 b) Anerkennung der Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 c) Einklang mit dem Wohl des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 II. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

Inhaltsverzeichnis

17

§ 26 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

Teil 6 Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

357

§ 27 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 § 28 Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 A. Erbsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 B. Ausgeschlossene Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 § 29 Zuständigkeitssystem der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 B. Allgemeine Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 C. Sondervorschriften für Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 D. Subsidiäre Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 E. Notzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 F. Besondere Zuständigkeit für bestimmte erbrechtliche Erklärungen . . . . . . . . . . . 365 § 30 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 A. Rechtswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 B. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 I. Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts . . . . . . . . 367 II. Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 1. Ausschluss von reinen Inlandssachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 2. Kein Ausschluss von Drittstaatensachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 3. Qualitative Anforderungen an den grenzüberschreitenden Bezug . . . . . . 368 4. Konsequenzen für die praktische Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 III. Teleologische Extension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 IV. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 C. Wirksamkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 I. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 II. Materielle Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 1. Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 2. Rückgriff auf nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 3. Kreis der „betroffenen Personen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 III. Ungeschriebene Missbrauchskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 IV. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 D. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 I. Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 II. Bestimmtheit und Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376

18

Inhaltsverzeichnis E. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 I. Prorogations- und Derogationseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 II. Bindungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 1. Bindung des angerufenen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 2. Subjektive Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 III. Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378

§ 31 Rügelose Einlassung nach Art. 9 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 A. Ausübung der Zuständigkeit des Art. 7 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 B. Einlassung auf das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 C. Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 I. Begründung der Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 II. Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 § 32 Ausdrückliche Anerkennung nach Art. 7 lit. c) EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 A. Rechtswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 B. Ausdrückliche Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 C. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 § 33 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382

Teil 7 Schlussbetrachtung und Ausblick

384

§ 34 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 § 35 Reichweite und Ausgestaltung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie . . . . 384 § 36 Wiederkehrende Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 A. Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 B. Rügelose Einlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 § 37 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. Abs. AC AcP AEUV a.F. AGB Alt. amtl. Anh. Anm. Art. AWD BAG BB Bd. Begr. BGB BGBl. BGH BGHZ BJIBFL BRAK BR-Drucks. Brüssel I-Übk Brüssel I-VO Brüssel Ia-VO

Brüssel II-Übk

anderer Auffassung Amtsblatt Absatz Law Reports: Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternative amtlich Anhang Anmerkung Artikel Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater Band Begründer Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Butterworths Journal of International Banking and Finance Law Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrat-Drucksache Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (auch bekannt als EuGVÜ) Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (auch bekannt als EuGVVO 2001) Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12. Dezember 2012 (auch bekannt als EuGVVO 2012) Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 EUV über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen vom 28. Mai 1998 (auch bekannt als EuEheÜbk)

20 Brüssel II-VO

Abkürzungsverzeichnis

Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten vom 29. 5. 2000, ABl. (EG) 2000, Nr. L 160/19 (auch bekannt als EuEheVO 2000) Brüssel IIa-VO Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 vom 27. November 2003 (auch bekannt als EuEheVO 2003) Bsp. Beispiel bspw. beispielsweise BT-Drucks. Bundestag-Drucksache bzw. beziehungsweise C.A. Court of Appeal / Court of Appeals CISG Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf / United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods CLJ The Cambridge Law Journal CMLR Common Market Law Review DAVorm Der Amtsvormund DB Der Betrieb d. h. das heißt DNotI Deutsches Notarinstitut DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift dt. deutsch ecolex Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ELR European Law Review endg. endgültig engl. englisch ERPL European Review of Private Law EU Europäische Union EuBewVO Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen vom 28. Mai 2001 EuErbVO Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 4. Juli 2012 EuGFVO Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (auch bekannt als EuBagatellVO) EuGH Europäischer Gerichtshof

Abkürzungsverzeichnis EuInsVO

EuLF EuMahnVO EuR EuUntVO

EUV EuVTVO

EuZPR EuZustÜbk

EuZustVO

EuZVR EuZW EWG EWHC f. FamFG FamFR FamRBint FamRZ ff. FF Fn. FPR franz. FuR GA ggfs. GPR GRURInt GRUR-RR GVG Hdb.

21

Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2000 zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 583/2011, ABl. (EU) 2011, Nr. L 160/52 The European Legal Forum Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens vom 12. Dezember 2006 Zeitschrift Europarecht Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008 Vertrag über die Europäische Union Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vom 21. April 2004 Europäisches Zivilprozessrecht Übereinkommen aufgrund Artikel K.3 EUV über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen vom 26. Juli 1997 Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 13. November 2007 Europäisches Zivilverfahrensrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft England & Wales High Court folgend(e) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familienrecht und Familienverfahrensrecht Familien-Rechtsberater international Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht, Erbrecht, Verfahrensrecht, Öffentlichem Recht folgende FORUM Familienrecht Fußnote Familie, Partnerschaft, Recht – Zeitschrift für die Anwaltspraxis französisch Familie und Recht – Die Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht Generalanwalt gegebenenfalls Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report Gerichtsverfassungsgesetz Handbuch

22 HGÜ

Abkürzungsverzeichnis

Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 23. Juni 2005 HKÜ Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 Hk-ZPO Handkommentar zur ZPO H.L. House of Lords h.M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber hrsg. v. herausgegeben von Hs. Halbsatz HUntProt 2007 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 HUntÜ 2007 Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23. November 2007 ICLQ International & Comparative Law Quarterly i. d. F. in der Fassung IHR Internationales Handelsrecht IJPL International Journal of Procedural Law int. international IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRG (schweizerisches) Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht i.S.d. im Sinne des i.S.v. im Sinne von i.V.m. in Verbindung mit IZPR Internationales Zivilprozessrecht IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht JAmt Das Jugendamt – Zeitschrift für Jugendhilfe und Familienrecht JbPraxSchiedsg Jahrbuch für Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit JPIL Journal of Private International Law JR Juristische Rundschau JURA Juristische Ausbildung JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KOM Kommission KSÜ Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 LAG Landesarbeitsgericht LG Landgericht lit. litera (Buchstabe) LQR The Law Quarterly Review LugÜ 1988 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988

Abkürzungsverzeichnis LugÜ 2007

23

Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 MDR Monatsschrift für Deutsches Recht MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern MPI Max Planck Institut für ausländisches und internationales Privatrecht MSA Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 MüKo Münchener Kommentar m.w.N. mit weiteren Nachweisen NJIL Nordic Journal of International Law NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR NJW-Rechtssprechungs-Report Zivilrecht No. Nummer Nr. Nummer NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Österr. AnwBl. Österreichisches Anwaltsblatt OGH Der Oberste Gerichtshof OLG Oberlandesgericht Q.B. Law Reports: Queen’s Bench RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RCDIP Revue critique de droit international privé RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer RNotZ Rheinische Notar-Zeitschrift Rom I-Übk Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 Rom I-VO Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 17. Juni 2008 Rom II-VO Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 11. Juli 2007 Rom III-VO Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts vom 20. Dezember 2010 Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung S. Seite Slg. Sammlung sog. sogenannt u. a. unter anderem / und andere Übk Übereinkommen

24 UKHL Urt. v. verb. veröffentl. VersR vgl. VuR wbl WLR WM YPIL z. B. ZErb ZEuP ZEV ZfBR ZfRV ZHR ZPO ZRP zust. ZVglRWiss ZZP ZZPInt

Abkürzungsverzeichnis United Kingdom House of Lords Urteil vom verbunden veröffentlicht Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht vergleiche Verbraucher und Recht – Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht wirtschaftsrechtliche blätter Weekly Law Reports Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Yearbook of Private International Law zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zustimmend Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International

*** Die im Abkürzungsverzeichnis nicht aufgeführten Abkürzungen finden sich in Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8. Aufl. 2015.

Teil 1

Einführung und Grundlegung § 1 Einleitung Die internationale Zuständigkeit ist die „Kardinalfrage“ einer jeden grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeit.1 Mit ihr sind nicht nur faktische Vorteile wie die räumliche Nähe zum Gericht oder die Gerichtssprache verbunden. Vielmehr entscheidet die internationale Zuständigkeit zugleich über das anwendbare Zivilverfahrensrecht und durch das am Gerichtsort geltende Kollisionsrecht mittelbar über das anwendbare materielle Recht.2 Im Europäischen Zivilverfahrensrecht versuchen die diversen Zuständigkeitssysteme dem gerecht zu werden, indem sie einen angemessenen Ausgleich zwischen den gegenläufigen Parteiinteressen und sonstigen Zuständigkeitsinteressen anstreben. Allerdings kann selbst das ausgeklügelste Zuständigkeitssystem nicht in jedem konkreten Einzelfall zuständigkeitsrechtliche Gerechtigkeit verwirklichen oder gar den Zuständigkeitsinteressen beider Verfahrensparteien optimal dienen.3 Denn die Vorschriften eines solchen Zuständigkeitssystems sind generell-abstrakte Regelungen, welche stets nur das Ergebnis einer typisierten Abwägung der verschiedenen Zuständigkeitsinteressen darstellen.4 Um den Zuständigkeitsinteressen der beteiligten Parteien besser gerecht zu werden und die unvermeidbare Starrheit eines normativen Zuständigkeitssystems aufzulockern, berücksichtigen daher nicht nur eine Vielzahl von nationalen Zivilverfahrensrechten unter bestimmten Voraussetzungen den Parteiwillen bei der Wahl gerichtlicher Zuständigkeiten, sondern auch das Europäische Zivilverfahrensrecht.5 Derzeit kann sogar davon gesprochen werden, dass im Europäischen Zivilverfahrensrecht der Trend hin zur zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie geht.6 Dies wird sicherlich 1 Kropholler, in: Hdb. IZVR I, Kap. III Rn. 16; vgl. auch: Kegel/Schurig, § 22 II, S. 1050; Andrae, Internationales Familienrecht, § 2 Rn. 1; Hau, in: Festschrift von Hoffmann, S. 617. 2 Linke/Hau, IZVR, Rn. 4.25; Adolphsen, EuZVR, S. 52 ff.; Juenger, RabelsZ 35 (1971), 284 (284 f.). 3 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 1; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 2; Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (215 f.). 4 Geimer, IZPR, Rn. 1596; M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, S. 1; Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 1. 5 Geimer, IZPR, Rn. 1597. Dazu rechtsvergleichend: F. Sandrock, Vereinbarung eines neutralen internationalen Gerichtsstandes, S. 95 ff.; Boccafoschi, Zuständigkeits- und Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 1 ff. 6 R. Magnus, IPRax 2013, 393 (394); vgl. auch: Queirolo/De Maestri, EuLF 2011, 61.

26

Teil 1: Einführung und Grundlegung

den grenzüberschreitenden Rechts- und Wirtschaftsverkehr freuen, der regelmäßig durch Gerichtsstandsvereinbarungen versucht,7 die starren Zuständigkeitsvorschriften der jeweiligen Zuständigkeitssysteme zu korrigieren und eine klare sowie verbindliche Regelung der internationalen Zuständigkeit zu schaffen (sog. forum planning oder forum fixing).8 Angesichts der Vielzahl von internationalen, europäischen und nationalen Rechtsquellen ist der Gebrauch dieser Korrekturmöglichkeit allerdings zur juristischen Herausforderung geworden. Hinzu kommt, dass bei der Anwendung der jeweiligen Regelungen eine Vielzahl von Streitfragen beantwortet werden müssen. Dies gilt im Besonderen für die verschiedenen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht, da hier selbst grundlegende Fragen bisher noch nicht hinreichend geklärt sind.9 Mit der fortschreitenden Ausdehnung des Europäischen Zivilverfahrensrechts wird die Beantwortung dieser grundlegenden Fragen zur zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie immer wichtiger. Dies gilt umso mehr, als immer öfter darüber erbittert gestritten wird, wo man überhaupt streiten darf.10 Die vorliegende Untersuchung hat es sich daher zum Ziel gemacht diese drängenden Fragen zu beantworten. Bevor Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung genauer umrissen werden, sollen jedoch die für das weitere Verständnis wesentlichen Grundlagen kurz zusammengefasst werden.

§ 2 Grundlagen A. Internationale Zuständigkeit I. Begriff Die internationale Zuständigkeit bestimmt, ob ein Rechtsstreit mit Auslandsbeziehung von inländischen oder ausländischen Gerichten (und Behörden) entschieden

7

Zur praktischen Bedeutung von Gerichtsstandsvereinbarungen etwa: Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (37); Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (62); U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664; Briggs, YPIL 12 (2010), 311 (324); Kröll, ZZP 113 (2000), 135; Mankowski, IPRax 2009, 23; Merrett, ICLQ 58 (2009), 545; Pfeiffer, in: Festschrift Schütze, S. 671; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271; Saenger, ZZP 110 (1997), 477; Schaper/Eberlein, RIW 2012, 43 (44). Siehe zudem: Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 2; Hess/Mack, JAmt 2007, 229 (230). 8 Geimer, IZPR, Rn. 1597; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.2; Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295; Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56; Samtleben, RabelsZ 46 (1982), 716 (716 f.); Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 1. Vgl. auch: Fentiman, Commercial Litigation, Rn. 2.01 ff. 9 Briggs, YPIL 12 (2010), 311 (311 f.). Vgl. auch: M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577; Leipold, in: Symposium Schwab, S. 51 (52). 10 Schack, in: Festschrift Nakamura, S. 491 (493); Mankowski, IPRax 2009, 23.

§ 2 Grundlagen

27

werden soll.11 Sie legt also den erforderlichen Inlandsbezug fest, der die Entscheidung des Rechtsstreits gerade durch die inländischen Gerichte rechtfertigt.12 Dabei steht es jedem Staat im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit frei, in welchem Umfang er seinen Gerichten die internationale Zuständigkeit zuspricht.13 Dies beschwört die Gefahr von positiven und negativen Kompetenzkonflikten herauf, da einerseits mehrere Staaten zugleich ihre Gerichte für international zuständig erklären können und andererseits auch kein Staat eine internationale Zuständigkeit für eine bestimmte Streitssache vorsehen kann.14 Während ein negativer Kompetenzkonflikt die Gefahr einer Rechtsverweigerung begründet, lädt ein positiver Kompetenzkonflikt zum forum shopping ein, da sich ein Kläger unter verschiedenen international zuständigen Gerichten regelmäßig für das ihn günstigste Gericht entscheiden wird.15 Infolgedessen sollte ein nationaler Gesetzgeber eine internationale Zuständigkeitsharmonie anstreben, indem er seine Vorschriften für die internationale Zuständigkeit so konzipiert, „dass sie einem übernationalen Gesetzgeber als Modell dienen könnten“.16 In der Europäischen Union hat diese rechtspolitische Aufgabe mittlerweile der europäische Gesetzgeber übernommen und zu einem großen Teil die internationale Zuständigkeit im Europäischen Zivilverfahrensrecht geregelt.17 II. Verhältnis zur Gerichtsbarkeit Die internationale Zuständigkeit ist zunächst von der Gerichtsbarkeit zu unterscheiden.18 Mit Gerichtsbarkeit ist die aus der staatlichen Souveränität fließende Befugnis gemeint, überhaupt Recht zu sprechen (sog. Gerichtsgewalt oder facultas iurisdictionis).19 Die Gerichtsbarkeit ist damit Voraussetzung der internationalen

11 BGHZ 44, 46 (46 f.) = NJW 1965, 1665; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 220; Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 69 ff.; Geimer, IZPR, Rn. 844 f.; Kropholler, IPR, § 58 I, S. 606. 12 von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 28. 13 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 31 Rn. 1; Schack, IZVR, § 8 Rn. 215; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 220 f.; J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 83; von Hoffmann, IPRax 1982, 217. 14 Dazu ausführlich: Schütze, DIZPR, Kap. III Rn. 112 ff.; Geimer, IZPR, Rn. 848 f. 15 Zum Begriff und den Motiven des forum shoppings etwa: Schack, IZVR, § 8 Rn. 251; Coester-Waltjen, in: Autonomie und Prozessrecht, S. 225 (226 f.); McGuire, ZfRV 2005, 83 (87); Siehr, ZfRV 1984, 124 (126 ff.); Juenger, RabelsZ 46 (1982), 708 ff. 16 von Hoffmann, IPRax 1982, 217 m.w.N. 17 Hau, in: Festschrift von Hoffmann, S. 617 (624). 18 Grundlegend: Pagenstecher, RabelsZ 11 (1937), 337 ff.; Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 78 ff.; Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (207 ff.). Siehe zudem: Schack, IZVR, § 6 Rn. 155; Walchshöfer, ZZP 80 (1967), 165 (168 ff.). 19 MüKoZPO/Patzina, § 12 ZPO Rn. 61; Geimer, IZPR, Rn. 371; Schütze, DIZPR, Kap. II Rn. 68; Schack, IZVR, § 6 Rn. 155; Adolphsen, EuZVR, S. 47.

28

Teil 1: Einführung und Grundlegung

Zuständigkeit.20 Denn nur wenn ein Staat überhaupt zur Rechtsprechung befugt ist, kann er seine Gerichte auch ermächtigen, in Rechtsstreitigkeiten mit Auslandsbeziehung Recht zu sprechen. III. Verhältnis zur örtlichen Zuständigkeit Die internationale Zuständigkeit ist zudem von der örtlichen Zuständigkeit zu unterscheiden,21 wenngleich beide miteinander eng verwandt sind.22 Denn der internationalen und örtlichen Zuständigkeit ist gemein, dass es ihnen um die räumliche Zuweisung eines Rechtsstreits zu einem Gericht geht. Während allerdings die internationale Zuständigkeit einen Rechtsstreit der Gesamtheit der inländischen Gerichte zuweist, geht es der örtlichen Zuständigkeit um die interne Zuweisung des Rechtsstreits zu einem bestimmten inländischen Gericht.23 Obwohl damit das Vorliegen der internationalen und örtlichen Zuständigkeit gesondert geprüft werden muss, hat etwa der deutsche Gesetzgeber weitgehend von einer gesonderten Regelung der internationalen Zuständigkeit abgesehen.24 Die Verwandtschaft von internationaler und örtlicher Zuständigkeit hat vielmehr dazu geführt, dass die Zuständigkeitsvorschriften der ZPO grundsätzlich als doppelfunktional angesehen werden, d. h. sowohl die örtliche Zuständigkeit als auch die internationale Zuständigkeit bestimmen.25 IV. Zuständigkeitsinteressen im Überblick Wie ein Gesetzgeber die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte konkret ausgestaltet, hängt vom Ergebnis seiner Abwägung der verschiedenen Zuständigkeitsinteressen ab.26 Stellt man auf den Träger des Interesses ab, lassen sich die Zuständigkeitsinteressen in Partei-, Gerichts- und Staatsinteressen einordnen.27

20

(208).

Schack, IZVR, § 6 Rn. 155; Geimer, IZPR, Rn. 846; Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201

21 BGHZ 44, 46 (47) = NJW 1965, 1665; Geimer, IZPR, Rn. 847; Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 43 ff. 22 Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 75 ff.; Schack, IZVR, § 8 Rn. 217. 23 Statt aller: Geimer, IZPR, Rn. 847; Schack, IZVR, § 8 Rn. 217. 24 Dazu etwa: MüKoZPO/Patzina, § 12 ZPO Rn. 89; Geimer, IZPR, Rn. 946. 25 Ausführlich zur Doppelfunktionalität: Geimer, IZPR, Rn. 946 ff.; M. Weller, Ordrepublic-Kontrolle, S. 35 ff. 26 Schack, IZVR, § 8 Rn. 229; Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 105 f. 27 J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 110.

§ 2 Grundlagen

29

1. Parteiinteressen Der gewöhnliche Zivilprozess dient primär den Parteien zur Durchsetzung ihrer subjektiven Rechte.28 Dies wollen sie dabei möglichst erfolgreich, schnell und kostengünstig erreichen. Es liegt daher im Interesse der Parteien, wenn ein Gericht für zuständig erklärt wird, dass sie ohne weiteres erreichen können, dessen Sprache sie sprechen und in dessen Nähe sich die Beweismittel, der Streitgegenstand und das vollstreckungstaugliche Vermögen befindet.29 Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass aufgrund des regelmäßig kontradiktatorischen Charakters eines Zivilverfahrens die Parteiinteressen auch entgegengesetzt sein können.30 2. Gerichtsinteressen Das Ziel der Gerichte ist es, das Recht richtig anzuwenden. Infolgedessen liegt es im Interesse der Gerichte, wenn durch die Ausgestaltung der internationalen Zuständigkeit die Anwendung von ausländischem Sachrecht vermieden wird. Denn ein Gericht kennt sein eigenes Recht und kann es daher auch mit einer höheren „Treffsicherheit“ anwenden, als ein ihm unbekanntes fremdes Recht.31 Als ein weiteres Anliegen der Rechtspflege kann es angesehen werden, dass gerichtliche Entscheidungen schnell und kostengünstig erlassen werden. Dem Interesse der Gerichte können daher neben der Rechtsnähe auch die Gesichtspunkte der Sach- und Beweisnähe zugeordnet werden.32 3. Staatsinteressen Im Interesse des Staates liegt zunächst die Sicherung des Rechtsfriedens, die Wahrung der Rechtssicherheit und die Bewährung der objektiven Rechtsordnung.33 Hieran hat sich auch die Ausgestaltung der internationalen Zuständigkeit zu orientieren. Darüber hinaus kann es dem Staat auf den Schutz bestimmter Personengruppen (z. B. Verbraucher) oder auf die Entscheidung bestimmter Rechtsstreitigkeiten durch seine Gerichte (z. B. Rechtsstreitigkeiten über den personen- oder fa28 Siehe nur: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 238 ff.; Wagner, Prozeßverträge, S. 59, und M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, S. 26 f., jeweils m.w.N. 29 J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 112 ff.; Schack, IZVR, § 8 Rn. 230 ff.; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, S. 106 ff. 30 Vgl. Schack, IZVR, § 8 Rn. 230. 31 Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 110; J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 504 ff.; Schack, IZVR, § 8 Rn. 235. 32 J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 486; Schack, IZVR, § 8 Rn. 235; Heldrich, in: Festschrift Ficker, S. 205 (212). 33 Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 106; Schack, IZVR, § 8 Rn. 236; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 253 ff. und 270 ff.; vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 1 Rn. 9 ff.; Gaul, AcP 168 (1968), 27 (46 f.).

30

Teil 1: Einführung und Grundlegung

milienrechtlichen Status) ankommen.34 Schließlich liegt auch eine internationale Zuständigkeitsharmonie im Interesse eines Staates, da hierdurch Kompetenzkonflikte vermieden und die Urteilsanerkennung im Ausland wahrscheinlicher wird.35

B. Parteiautonomie Der Begriff der Parteiautonomie wird überwiegend im Internationalen Privatrecht verwendet. Aber auch im Internationalen Verfahrensrecht ist dieser Begriff mittlerweile anzutreffen.36 Im Folgenden wird daher ein kurzer Überblick über die Parteiautonomie im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht gegeben. I. Kollisionsrechtliche Parteiautonomie Im Kollisionsrecht umschreibt der Begriff der Parteiautonomie die Freiheit der Rechtswahl.37 Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie ist dabei von der sachrechtlichen Privatautonomie zu unterscheiden. Denn die sachrechtliche Privatautonomie betrifft nicht die Freiheit bei der Wahl des anwendbaren Rechts, sondern die Ausschöpfung von Freiheiten, die innerhalb eines anwendbaren Rechts den Parteien zur Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse gelassen werden.38 Allerdings lässt sich die kollisionsrechtliche Parteiautonomie ebenso wie die sachrechtliche Privatautonomie auf die Menschen- und Grundrechte der Parteien zurückführen.39 Es verwundert daher nicht, wenn die Parteiautonomie als das „kollisonsrechtliche Pendant“ zur sachrechtlichen Privatautonomie angesehen wird.40 Freilich folgt aus den mit den Menschen- und Grundrechten der Parteien einhergehenden persönlichen Freiheiten nicht zugleich die positivrechtliche Regelung der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie.41 Vielmehr vermag allein der nationale und europäische Gesetzgeber dem Parteiwillen bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts eine Bedeutung beizumessen.42 Ob und in welchem Umfang er dies 34

Schack, IZVR, § 8 Rn. 237 f. Heldrich, in: Festschrift Ficker, S. 205 (218 ff.); Schack, IZVR, § 8 Rn. 239. 36 Grundlegend: Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 ff. 37 Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR, § 33, S. 251 f.; Rauscher, IPR, § 3 Rn. 289. 38 Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (550); Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (851). 39 Jayme, in: Kollisionsrecht in der EU, S. 63 (65); Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (851 f.); M.-P. Weller, IPRax 2011, 429 (431 f.); Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32 (50 f.); ausführlich zur sachrechtlichen Privatautonomie: Flume, BGB AT, Bd. 2, § 1, S. 1 ff. 40 So etwa: Leible, in: Festschrift Jayme, S. 484; Staudinger/Magnus, Art. 27 EGBGB Rn. 23. 41 Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR, § 33, S. 255 f.; Leible, in: Festschrift Jayme, S. 485 (487); Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (852). 42 Kropholler, IPR, § 40 III, S. 295 f. 35

§ 2 Grundlagen

31

macht, hängt entscheidend von den Besonderheiten des betroffenen Rechtsgebiets ab. Auch insofern besteht ein gewisser Zusammenhang von sachrechtlicher Privatautonomie und kollisionsrechtlicher Parteiautonomie. Denn ein Rechtsgebiet wird der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie eher dann zugänglich sein, wenn es auch die sachrechtliche Privatautonomie großzügig gewährt und gerade nicht den Parteien bei der Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse enge Grenzen zieht.43 Demgemäß ist die kollisionsrechtliche Parteiautonomie beispielsweise im Schuldvertragsrecht anders ausgestaltet als etwa im Unterhalts- oder Erbrecht.44 II. Zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie Demgegenüber erscheint es fernliegend, den Parteien auch die Freiheit zuzugestehen, das anwendbare Zivilverfahrensrecht zu wählen.45 Das Internationale Zivilverfahrensrecht wird vielmehr seit jeher durch das sog. lex fori-Prinzip beherrscht.46 Hiernach wendet ein Gericht sein eigenes Zivilverfahrensrecht an (forum regit processum), selbst wenn das Verfahren einen Auslandsbezug aufweist oder gar das Gericht im Rahmen der Sachentscheidung ein ausländisches Recht anwendet.47 Obwohl das lex fori-Prinzip in den meisten Rechtsordnungen lediglich als eine ungeschriebene Anknüpfungsregel anzutreffen ist und seine innere Berechtigung als nicht gesichert gilt, wird es nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit – wohl vor allem aus Praktikabilitätserwägungen heraus – nahezu einhellig anerkannt.48 Dennoch lässt sich auch im Internationalen Zivilverfahrensrecht eine gewisse Freiheit der Parteien bei der Wahl des anwendbaren Verfahrensrechts erkennen. Denn die Parteien können über die Wahl des international zuständigen Gerichts mittelbar das anwendbare Verfahrensrecht bestimmen.49 Darüber hinaus beeinflusst die Zuständigkeitswahl sogar die Bestimmung des anwendbaren Sachrechts, da die Parteien mit dem zuständigen Gericht zugleich das anwendbare Kollisionsrecht

43

Rauscher, IPR, § 3 Rn. 289; Kropholler, IPR, § 40 III, S. 296. Vgl. Lipp, in: Liber Amicorum, S. 847 (852); Kropholler, IPR, § 40 IV, S. 297 ff. 45 Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549; Maultzsch, in: Festschrift von Hoffmann, S. 304 (305); noch weitergehend etwa Riezler, IZPR, § 5, S. 43: „Keinesfalls können die Parteien wirksam vereinbaren, das Gericht solle im Rechtsstreit nach den Prozeßregeln eines anderen Staates verfahren als desjenigen, dem es angehört.“ 46 Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 14 ff. 47 BGH NJW 1985, 552 (553); Geimer, IZPR, Rn. 319; Rauscher, IPR, § 12 Rn. 1555; von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 5; Schack, IZVR, § 2 Rn. 45; Kegel/Schurig, § 22 III, S. 1055 f.; Stadler, in: 50 Jahre BGH, S. 645 (649 f.). 48 Dazu ausführlich: Wagner, Prozeßverträge, S. 348 f. und 353 ff.; Geimer, IZPR, Rn. 319 ff.; von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 6 ff.; Adolphsen, EuZVR, S. 54; kritisch: Schack, IZVR, § 2 Rn. 46. 49 Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (549 f.); Maultzsch, in: Festschrift von Hoffmann, S. 304 (305); Hess, EuZPR, § 6 Rn. 128. 44

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Teil 1: Einführung und Grundlegung

indirekt wählen.50 In Anlehnung an die kollisionsrechtliche Parteiautonomie sollte daher auch im Internationalen Zivilverfahrensrecht von einer zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie gesprochen werden.51 Ihre innere Rechtfertigung findet die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie ebenso wie die kollisionsrechtliche Parteiautonomie in den Menschen- und Grundrechten der Parteien und den damit einhergehenden Freiheitsrechten.52 Sie kann dabei zudem als eine Fortführung der Dispositionsmaxime im Zivilverfahrensrecht angesehen werden, welche ihrerseits als prozessuales Pendant zur sachrechtlichen Privatautonomie gilt.53 Die Freiheit des Einzelnen, sein künftiges prozessuales Rechtsverhältnis nach seinem Willen selbst zu gestalten, erfasst daher konsequenterweise nicht nur die Bestimmung über Anfang, Gegenstand und Ende des Zivilverfahrens, sondern auch die Wahl des zuständigen Gerichts.54 Dies gilt umso mehr, als der gewöhnliche Zivilprozess primär den Parteien zur Durchsetzung ihrer subjektiven Rechte dient, welche vielfach in Ausübung der sachrechtlichen Privatautonomie begründet und ausgestaltet werden.55 Selbstverständlich gilt für die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie wiederum, dass allein der nationale und europäische Gesetzgeber die Wahl des international zuständigen Gerichts den Parteien ermöglichen kann. Aus den durch die Menschenund Grundrechte gewährleisteten Freiheitsrechten folgt keine bestimmte positivrechtliche Regelung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie. Auch insofern erscheint es naheliegend, dass der Umfang der positivrechtlichen Gestattung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie von den Besonderheiten der jeweiligen Zivilverfahrensrechte abhängt. Da der gewöhnliche Zivilprozess primär den Parteien zur Durchsetzung ihrer subjektiven Rechte dient, scheint dabei ebenfalls ein gewisser Zusammenhang zur sachrechtlichen Privatautonomie zu bestehen. So wird etwa die zugunsten der am Handelsverkehr beteiligten Personen großzügig eingeräumte sachrechtliche Privatautonomie im deutschen Zivilverfahrensrecht fortgeführt,

50 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 220 f.; Adolphsen, EuZVR, S. 52 ff.; Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (549 f.); Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (852); Hess, EuZPR, § 6 Rn. 128; Schack, IZVR, § 8 Rn. 245. 51 So etwa: Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (549 f.); M. Weller, Ordrepublic-Kontrolle, S. 22 ff.; vgl. zudem: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 1; Mankowski, in: Festschrift Heldrich, S. 867 (890 f.); Geimer, IZPR, Rn. 305 f. 52 M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, S. 22 ff.; Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (852 f.). 53 M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, S. 26 f.; R. Stürner, in: Festschrift Heldrich, S. 1061 (1063 f.); Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 76 Rn. 1; Lüke, Zivilprozessrecht, § 2 Rn. 6. 54 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 2. 55 M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, S. 26 f. m.w.N. Ausführlich zum Zweck des Zivilprozesses: Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 1 Rn. 5 ff.

§ 2 Grundlagen

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indem Kaufleuten durch § 38 Abs. 1 ZPO eine parteiautonome Zuständigkeitswahl ermöglicht wird.56

C. Europäisches Zivilverfahrensrecht I. Entstehung des Europäischen Zivilverfahrensrechts im Überblick Eine wichtige Voraussetzung bei der Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums ohne Binnengrenzen in Europa ist die Gewährleistung eines effizienten Rechtsschutzes bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.57 Dennoch wurde dem Europäischen Zivilverfahrensrecht, dessen Hauptaufgabe gerade in der Erleichterung der grenzüberschreitenden Prozessführung lag, über viele Jahre vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt.58 Das sog. Brüsseler Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (Brüssel I-Übk),59 welches nach sorgsamen und mehrjährigen Vorarbeiten auf der Grundlage des Art. 220 des EWG-Vertrages60 abgeschlossen wurde,61 sollte vielmehr für viele Jahre nahezu ausschließlich das Europäische Zivilverfahrensrecht regeln und repräsentieren.62 Im Europäischen Wirtschaftsraum wurde hierdurch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten für den weiten Bereich des Zivil- und Handelsrechts ein einheitliches Zuständigkeitssystem geschaffen und die Anerkennung von Urteilen im Binnenmarkt erleichtert (sog. convention double).63 Das Brüssel I-Übk legte damit nicht nur das Fundament des heutigen Europäischen Zivilverfahrensrechts, sondern wurde aufgrund der großen Akzeptanz in der Rechtspraxis zum Vorbild für andere völkerrechtliche Übereinkommen.64 56 Zur sachrechtlichen Privatautonomie im Handelsrecht: Kindler, GK Handels- und GesR, § 1 Rn. 13. 57 Hess, EuZPR, § 1 Rn. 1; Hess, IPRax 2001, 389 (390); Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/ S, Vor Art. 1 EuGVO Rn. 1; Kropholler/von Hein, Einl. EuGVO Rn. 14; Frattini, ZEuP 2006, 225; Rehm, in: Festschrift Heldrich, S. 955 (956). 58 Rehm, in: Festschrift Heldrich, S. 955 (957). 59 Insgesamt wurde das Brüssel I-Übk viermal aufgrund verschiedener Beitrittsübereinkommen überarbeitet und neugefasst, zuletzt durch das Beitrittsübereinkommen vom 29. 11. 1996, ABl. (EG) 1997, Nr. C 15/1, konsolidierte Fassung ABl. (EG) 1998, Nr. C 27/1. 60 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957, abgedruckt in BGBl. II, 1957, S. 755 ff. 61 Hess, NJW 2000, 23 (24); Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Bd. I, Art. 81 AEUV Rn. 4. 62 Rehm, in: Festschrift Heldrich, S. 955 (957); vgl. Coester-Waltjen, JURA 2006, 914, welche in diesem Zusammenhang das Brüssel I-Übk als „Flaggschiff“ des Europäischen Zivilprozessrechts bezeichnet. 63 Hess, EuZPR, § 2 Rn. 3; Hess, NJW 2000, 23 (24); Coester-Waltjen, JURA 2006, 914 (915); Schack, IZVR, § 3 Rn. 84. 64 Hess, EuZPR, § 2 Rn. 3; Rauscher/Staudinger, Einl Brüssel Ia-VO Rn. 2; Schack, IZVR, § 3 Rn. 84.

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Teil 1: Einführung und Grundlegung

Mit Verwirklichung der Europäischen Union durch den Vertrag von Maastricht65 wurde die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen nach dessen Art. K. 1 Nr. 6 zur Angelegenheit des gemeinsamen Interesses erklärt und die zwischenstaatliche Kooperation der „dritten Säule“ hierauf erstreckt.66 Das primäre Harmonisierungsinstrument blieb aber gemäß Art. K. 3 Abs. 2 lit. c) EUV i. d. F. des Vertrages von Maastricht die überkommene Handlungsform des völkerrechtlichen Übereinkommens.67 In der Folgezeit wurden auf dieser Grundlage die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen intensiviert und insbesondere das Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken (EuZustÜbk) und das Brüsseler Übereinkommen in Ehesachen (Brüssel II-Übk) vorbereitet.68 Durch den Vertrag von Amsterdam69 kam es zu einer grundlegenden Veränderung der Kompetenzen in Europa, sodass die vorbereiteten Übereinkommen nicht mehr durch die Mitgliedstaaten ratifiziert wurden und in Kraft treten konnten. Dem europäischen Gesetzgeber war nämlich mit Art. 61 lit. c) EGV i.V.m. Art. 65 EGV jeweils i. d. F. des Vertrages von Amsterdam eine eigene Kompetenz zugewachsen, wodurch der Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen von der „dritten Säule“ in die „erste Säule“ überführt wurde.70 Fortan war es ihm somit erlaubt, ohne schwergängige Ratifikation Harmonisierungsmaßnahmen in den Handlungsformen des Art. 249 EGV i. d. F. des Vertrages von Amsterdam für das Internationale Zivilverfahrensrecht zu erlassen.71 Mit der Sondertagung des Europäischen Rates in Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999 wurde zudem unmittelbar nach Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam die Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraums zur vorrangigen Gemeinschaftsaufgabe erklärt und ein erstes Maßnahmenprogramm72 verabschiedet.73 Damit bahnten sich bereits die Reform und die Effektuierung des Europäischen Zivilverfahrensrechts anhand der programmatischen Schwerpunkte des Zugangs zum Recht, der wechselseitigen Anerkennung 65

Vertrag über die Europäische Union vom 7. 2. 1992, ABl. (EG) 1992, Nr. C 191/1. Drappatz, Überführung des IZVR, S. 26. 67 Hess, NJW 2000, 23 (25 f.). 68 Hess, NJW 2000, 23 (26); Hess, IPRax 2006, 348 (349); Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/ S, Vor Art. 1 EuGVO Rn. 10. 69 Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte vom 2. 10. 1997, ABl. (EG) 1997, Nr. C 340/1. 70 Hess, EuZPR, § 2 Rn. 9; Betlem/Hondius, ERPL 9 (2001), S. 3 (4 f.); Streinz/Leible, EUV/EGV (1. Aufl. 2003), Art. 65 EGV Rn. 1; Basedow, in: Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 19 (24); Schack, IZVR, § 3 Rn. 113. 71 Hess, EuZPR, § 2 Rn. 20; Hess, IPRax 2001, 389 (390); Kropholler/von Hein, Einl. EuGVO Rn. 22; Frattini, ZEuP 2006, 225 (226); Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (326). 72 Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. (EG) 2001, Nr. C 12/1. 73 Schmahl, in: Groeben/Schwarze, Bd. 1, Vorb. zu Art. 61 bis 69 EGV Rn. 19; zuvor wurde bereits mit dem „Wiener Aktionsplan“ (ABl. (EG) 1999, Nr. C 19/1) der umfassende Gebrauch der neuen Kompetenzen deutlich gemacht, vgl. Rauscher/Pabst, Einl EG-VollstrTitelVO Rn. 4. 66

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gerichtlicher Entscheidungen und der größeren Konvergenz des Zivilverfahrensrechts an.74 In der Tat nutzte der europäische Gesetzgeber die neue Rechtsetzungskompetenz umgehend und ausgiebig, sodass das Europäische Zivilverfahrensrecht seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam zu einem der dynamischsten Rechtsetzungsgebiete des Europäischen Unionsrechts gehört.75 Von den zahlreich geschaffenen internationalverfahrensrechtlichen Rechtsinstrumenten ist zunächst die europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (Brüssel I-VO) hervorzuheben, da diese das bis dahin als Kernbereich des Europäischen Zivilverfahrensrechts geltende Brüssel I-Übk in einen Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft überführte und dabei teilweise revidierte.76 Da das Brüssel I-Übk bzw. die Brüssel I-VO nach Art. 1 Abs. 2 verschiedene Rechtsgebiete ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, wurden frühzeitig auf der Grundlage bereits vorbereiteter Übereinkommen in Ehe- und Kindschaftssachen mit der Brüssel II-VO und in Insolvenzsachen mit der EuInsVO ergänzende Verordnungen geschaffen. Flankiert wurden die benannten Rechtsinstrumente unter anderem durch die Verordnungen auf dem Gebiet der Zustellung von Schriftstücken (EuZustVO) und der Zusammenarbeit bei der Beweisaufnahme (EuBewVO). In Umsetzung des programmatischen Zieles der wechselseitigen Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen im europäischen Rechtsraum wurde erstmalig mit den Art. 40 ff. Brüssel IIa-VO für Entscheidungen über das Umgangsrecht und für Anordnungen über die Rückgabe entführter Kinder auf ein Exequaturverfahren verzichtet.77 Mit der Verordnung zum europäischen Vollstreckungstitel (EuVTVO) wurde sodann für unbestrittene Forderungen das Exequaturverfahren nach Art. 32, 38 ff. Brüssel I-VO abgeschafft und damit das „Herkunftslandprinzip“ in das Europäische Zivilverfahrensrecht eingeführt.78 Durch das sog. „Haager Programm“79 wurde in Fortführung der Tagung von Tampere eine neue politische Agenda geschaffen und die besondere Bedeutung der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen erneut hervorgehoben, 74

Hess, EuZPR, § 2 Rn. 35 f., der im Zusammenhang mit der Sondertagung in Tampere vom „fundamentalen Wendepunkt für das Europäische Zivilprozessrecht“ spricht; ähnlich: Frattini, ZEuP 2006, 225. Die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates zu der Sondertagung in Tampere sind in NJW 2000, 1925 abgedruckt. 75 Hess, EuZPR, § 2 Rn. 6; Rehm, in: Festschrift Heldrich, S. 955 (960 f.); Netzer, Status Quo und Konsolidierung, S. 3; zu den jüngsten Entwicklungen: Hau/Eichel, GPR 2012, 94 (94 ff.); kritisch: Schack, ZEuP 1999, 805 ff.; Mansel, in: Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 1 (3 f.). 76 Hess, EuZPR, § 1 Rn. 2; Kropholler/von Hein, Einl. EuGVO Rn. 1 und 22 ff.; Piltz, NJW 2002, 789 (790); Mansel, in: Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 1; CoesterWaltjen, JURA 2006, 914 (915); ausführlich: Kohler, in: Festschrift Geimer, S. 461 ff. 77 Schack, IZVR, § 3 Rn. 120. 78 Hess, EuZPR, § 10 Rn. 2; Hess, IPRax 2006, 389 (391); Rauscher/Staudinger, Einl Brüssel Ia-VO Rn. 6a; Schack, IZVR, § 3 Rn. 121; Netzer, Status Quo und Konsolidierung, S. 5; Bach, ZRP 2011, 97, der insofern von einer „kleinen Revolution“ spricht. 79 Haager Programm, ABl. (EU) 2005, Nr. C 53/1.

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obschon der politische Fokus fortan auch die Vergemeinschaftung des Internationalen Privatrechts erfasste.80 Die Verordnung zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens (EuMahnVO) und die Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (EuGFVO) wurden sodann verabschiedet, welche hierbei nicht nur auf das Exequaturverfahren verzichteten, sondern zugleich erstmalig originär europäische Erkenntnisverfahren schufen.81 Weiterhin wurde mit der Verordnung in Unterhaltssachen (EuUntVO) ein umfassendes, in sich geschlossenes System für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen entwickelt, welche in ihrem Anwendungsbereich die Brüssel I-VO ersetzt, auf ein Exequaturverfahren verzichtet und eine Verweisungsnorm zur Bestimmung des anwendbaren Rechts enthält.82 Nachdem der Vertrag von Nizza83 die in Europa bestehende Kompetenzsituation zwischenzeitlich nur leicht verändert hat, kam es mit dem Vertrag von Lissabon84 zu einer größeren Umgestaltung der kompetenziellen Lage.85 Insbesondere wurde der bestehende Art. 65 EGV in die neue Kompetenzvorschrift des Art. 81 AEUV übergeleitet, wobei der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen hervorgehoben, die Binnenmarktfunktionalität durch den Einschub der Formulierung „insbesondere“ teilweise relativiert und mit den abschließend aufgeführten Handlungsfeldern die politischen Maßnahmenprogramme bestätigt worden.86 Inwieweit mit diesen Veränderungen ein weiterer Harmonisierungsschub für das Europäische Zivilverfahrensrecht einhergeht, bleibt abzuwarten.87 Das „Stockholmer Programm“88 führt jedenfalls politisch die bisherigen Rechtsentwicklungen fort, indem es neben der Angleichung des Internationalen Privatrechts weiterhin die Ausweitung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen fordert und damit die Abschaffung des Exequaturverfahrens fortführen will.89 Insofern ist jedoch neu, dass der Europäische Rat auch die 80

Hess, EuZPR, § 2 Rn. 39; Schack, IZVR, § 3 Rn. 125; R. Wagner, EuZW 2006, 424. Rauscher/Varga, Einl EG-BagatellVO Rn. 1; Bach, ZRP 2011, 97; Netzer, Status Quo und Konsolidierung, S. 7; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305. 82 R. Wagner, NJW 2009, 1911 (1912); Kohler/Pintens, FamRZ 2009, 1529. 83 Vertrag von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte vom 26. 2. 2001, ABl. (EG) 2001, Nr. C 80/1. 84 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13. 12. 2007, ABl. (EU) 2007, Nr. C 306/1. 85 Rauscher/Staudinger, Einl Brüssel Ia-VO Rn. 1. 86 Hess, EuZPR, § 2 Rn. 92 ff.; Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 1; Rauscher/Staudinger, Einl Brüssel Ia-VO Rn. 1; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2010, 1 (2 und 25). 87 Hess, EuZPR, § 2 Rn. 41, der von einer gewissen Verlangsamung der Rechtssetzungsdynamik ausgeht; a.A.: Stein/Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 1 EuGVVO Rn. 86. 88 Stockholmer Programm, ABl. (EU) 2010, Nr. C 115/1. 89 Ausführlich hierzu: R. Wagner, IPRax 2010, 97 ff. 81

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Evaluation und inhaltliche Revision der europäischen Rechtsinstrumente auf die politische Agenda setzt.90 Mit der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) ist nach längerer Entstehungsgeschichte sodann eine Verordnung im Europäischen Zivilverfahrensrecht verabschiedet worden, welche sich ausweislich der Präambel erstmals auf die neue Kompetenzvorschrift des Art. 81 AEUV stützt. Bereits zuvor leitete die Kommission die Revision der Brüssel I-VO ein, indem sie basierend auf verschiedenen empirischen Studien einen Bericht über die Anwendung der Brüssel I-VO erließ,91 welchem sie ein Grünbuch mit diversen Verbesserungsvorschlägen beifügte.92 Im damit eingeleiteten Konsultationsverfahren gingen insgesamt 130 Kommentare und Stellungnahmen der interessierten Öffentlichkeit ein, die im ersten Vorschlag der Kommission für eine Neufassung der Brüssel I-VO ausdrücklich Berücksichtigung fanden.93 Im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments wurde dieser erste Vorschlag für die Neufassung der Brüssel I-VO sodann überarbeitet und in mancherlei Hinsicht abgeändert.94 Dieser abgeänderte Vorschlag bildete schließlich die Grundlage für den Erlass der sog. Brüssel Ia-VO vom 12. Dezember 2012, wodurch zugleich die mehrjährigen Arbeiten an der Revision des Kernbereichs des Europäischen Zivilverfahrensrechts vorerst abgeschlossen wurden. Die Brüssel Ia-VO und die EuErbVO gelten im Wesentlichen seit dem 10. Januar 2015 bzw. 17. August 2015.95 II. Kompetenzen im Europäischen Zivilverfahrensrecht Bei den hier näher zu untersuchenden Rechtsinstrumenten stützte sich der Verordnungsgeber ausweislich der jeweiligen Präambeln insbesondere auf Art. 61 lit. c) und Art. 67 Abs. 1 EGV oder Art. 81 Abs. 2 AEUV. Die einzelnen Voraussetzungen für den Erlass von Maßnahmen im Sinne des Art. 61 lit. c) EGV konkretisiert Art. 65 EGV, wenngleich die dogmatische Einordnung von Art. 61 lit. c) EGV und Art. 65 EGV unterschiedlich ausfällt.96 Demnach sind die beanspruchten Kompetenzen nur 90

Hess, EuZPR, § 2 Rn. 41. Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg. unter Verweis auf die Studien von Hess/Pfeiffer/Schlosser, Nuyts und GHK Consulting. 92 Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg. 93 Kommissionsvorschlag Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg., S. 4 f.; hierzu ausführlich: Hess, IPRax 2011, 125 ff.; Stein/Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 1 EuGVVO Rn. 18 f.; Bach, ZRP 2011, 97 ff; R. Wagner, NJW 2012, 1333 (1334 ff.). 94 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) vom 15. 10. 2012, A7 – 320/2012. 95 Vgl. Art. 81 Brüssel Ia-VO und Art. 84 EuErbVO. 96 Zur dogmatischen Einordnung von Art. 61 lit. c) EGV und Art. 65 EGV als gemeinsame Kompetenzgrundlage: Rossi, in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 65 EGV Rn. 1; 91

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dann dem Verordnungsgeber zugewiesen, wenn es sich bei den erlassenen Regelungen um Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen „mit grenzüberschreitenden Bezügen“ handelt, die „für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich“ sind.97 An diese Voraussetzungen knüpft auch Art. 81 AEUV an. Ob und inwieweit durch die Aufnahme dieser Ausübungsvoraussetzungen die Kompetenz des Art. 65 EGV bzw. Art. 81 AEUVeingeschränkt wird, ist umstritten und soll nachfolgend behandelt werden.98 1. „Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich“ Die Ausübung der Kompetenz des Art. 65 EGV setzt voraus, dass die Maßnahme „für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist“. Aufgrund der kritischen Haltung verschiedener Mitgliedstaaten gegenüber einer zu weit gefassten Kompetenz des Verordnungsgebers auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen wollte man durch diese Voraussetzung vor allem die nicht beispielhaft aufgezählten Regelungsmaterien final klarer beschränken.99 Fraglich ist jedoch, ob und inwieweit diese Intention tatsächlich zu einer Kompetenzbeschränkung für den Verordnungsgeber geführt hat. Für die Bestimmung des Binnenmarktes kann insbesondere auf die Legaldefinition des Art. 14 Abs. 2 EGV zurückgegriffen werden.100 Hiernach umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist. Durch die Formulierung „Raum ohne Binnengrenzen“ und den Bezug zur Personenverkehrsfreiheit des Art. 18 EGV wird zum Ausdruck gebracht, dass das Ziel des Binnenmarktes nicht auf die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums beschränkt ist, sondern vielmehr darüber hinausgeht und auch die Schaffung eines „Europas der Bürger“ umfasst.101 Für ein derartiges Verständnis a.A.: Streinz/Leible, EUV/EGV (1. Aufl. 2003), Art. 65 EGV Rn. 3, der in Art. 65 EGV eine bloße Kompetenzausfüllungsnorm sieht; wohl auch: Hess, EuZPR, § 2 Rn. 7; demgegenüber wird auch die Einordnung des Art. 61 lit. c) EGVals bloße Zielvorgabe vertreten, vgl. Schmahl, in: Groeben/Schwarze, Bd. 1, Art. 61 EGV Rn. 1. 97 Streinz/Leible, EUV/EGV (1. Aufl. 2003), Art. 65 EGV Rn. 21. 98 Ob und inwieweit die Kompetenzen des Verordnungsgebers weitergehenden Grenzen unterliegen (etwa durch das Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip oder die Personenverkehrsfreiheit) bleibt im Folgenden unbeachtet. Insofern wird auf die Ausführungen von Hess, EuZPR, § 2 Rn. 85 ff., und Drappatz, Überführung des IZVR, S. 104 ff. verwiesen. 99 Dohrn, Kompetenzen der EG, S. 93; Röben, in: Grabitz/Hilf, Bd. II (40. EL 2009), Art. 65 EGV Rn. 2; Kohler, IPRax 2003, 401 (403). 100 Daneben wird der Binnenmarkt nach Art. 3 Abs. 1 lit. c) EGV „durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet“. 101 Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 14 EGV Rn. 25 f.; R. Wagner, RabelsZ 68 (2004), 119 (137); Staudinger/Spellenberg, Einl zur Brüssel IIa-VO Rn. 13 ff.; Drappatz, Überführung des IZVR, S. 96 f.; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (658 f.); Hess,

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spricht zudem, dass nach Art. 61 EGV für die Kompetenzausübung der „schrittweise Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ zum Ziel erklärt wird. Nach dem Verständnis des Rates der Europäischen Union und der Europäischen Kommission soll dieses Ziel bei der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen durch die „Schaffung eines europäischen Rechtsraums, der den Unionsbürgern greifbare Vorteile bringt“, umgesetzt werden.102 Das weite Verständnis des Binnenmarktes wird zudem durch die Entstehungsgeschichte der Art. 61, 65 EGV untermauert, wenn auch nicht zwingend erwiesen. Denn die ehemals im Vertrag von Maastricht bestehende intergouvernementale justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen sollte auch nicht unmittelbar binnenmarktbezogene Rechtsfragen koordinieren, um einen effektiven Rechtsrahmen für den wirtschaftsrechtlich dominierten Binnenmarkt zu schaffen und jegliche störende Rückwirkungen auf diesen zu vermeiden.103 Durch den Vertrag von Amsterdam wurde diese Angelegenheit des gemeinsamen Interesses zur Gemeinschaftsaufgabe erklärt. Dies wiederum legt auch die Vergemeinschaftung der zugrunde liegenden Zielsetzung nahe, was auch die deutlichen Widerstände einiger Mitgliedstaaten gegen die neuen Kompetenzen der Art. 61, 65 EGV zu begründen vermag.104 Der in Art. 14 Abs. 1 EGV und Art. 65 EGV genutzte Begriff der Erforderlichkeit stellt nicht nur einen Bezug auf die allgemeine Verhältnismäßigkeitsschranke des Art. 5 Abs. 3 EGV dar, sondern dokumentiert auch den weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Verordnungsgebers bei der Frage der Binnenmarktfinalität einer geplanten Maßnahme.105 Insofern bescheinigt das Attribut „reibungslos“, dass die Anforderungen für eine Beeinträchtigung des Binnenmarktes dabei nicht allzu hoch sind, um die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 65 EGV zu bejahen.106 EuZPR, § 2 Rn. 10; Conti, Grenzüberschreitenden Durchsetzung, S. 26 f.; Remien, CMLR 38 (2001), 53 (74); so insbesondere auch die Denkschrift zum Vertrag von Amsterdam, BT-Drucks 13/9339, S. 152 (Art. 73 m): „Der Begriff des Binnenmarktes darf hier nicht eng wirtschaftlich ausgelegt werden, sondern ist im Sinne des Artikels 7a insbesondere im Hinblick auf die Personenfreizügigkeit umfassend zu verstehen, wie auch die in den einzelnen Buchstaben aufgezählten Materien zeigen.“; a.A.: Schack, RabelsZ 65 (2001), 615 (618); vgl. Rauscher/ Rauscher, Einl Brüssel IIa-VO Rn. 3. 102 Aktionsplan der Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vom 3. 12. 1998 („Wiener Aktionsplan“), ABl. (EG) 1999, Nr. C 19/1 (4), Rn. 16; vgl. auch Dohrn, Kompetenzen der EG, S. 89 f. 103 Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (658); Mansel, in: Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 1 (6 f.); vgl. Drappatz, Überführung des IZVR, S. 94; vgl. auch R. Wagner, RabelsZ 68 (2004), 119 (135), der darauf hinweist, dass aufgrund dieser Art der Zusammenarbeit das nicht in Kraft getretene Brüssel II-Übk vorbereitet wurde. 104 Mansel, in: Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 1 (7); a.A.: Beaumont, ICLQ 48 (1999), 223 (227 f.). 105 Dohrn, Kompetenzen der EG, S. 99 f.; Röben, in: Grabitz/Hilf, Bd. II (40. EL 2009), Art. 65 EGV Rn. 2; R. Wagner, RabelsZ 68 (2004), 119 (138). 106 Leible/Staudinger, EuLF 2000/01, 225 (228 f.); Hess, IPRax 2001, 389 (394); Dohrn, Kompetenzen der EG, S. 107; R. Wagner, RabelsZ 68 (2004), 119 (138); Drappatz, Über-

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Teil 1: Einführung und Grundlegung

Vielfach wird daher eine bloß mittelbare Unterstützungsfunktion für den Binnenmarkt als ausreichend für die Anwendbarkeit des Art. 65 EGV erachtet.107 Dieses weite Verständnis der Kompetenzausübungsbeschränkung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes spiegelt sich seit dem Vertrag von Nizza ebenfalls im Vertragstext des EGV wider. Der neu eingefügte Art. 67 Abs. 5 EGV geht nämlich implizit davon aus, dass die Kompetenzgrundlage des Art. 65 EGV auch Maßnahmen mit familienrechtlichen Aspekten erfasst.108 Eine zu Art. 67 Abs. 5 EGV vergleichbare Regelung sieht auch der Vertrag von Lissabon vor, da Art. 81 Abs. 3 AEUVebenfalls implizit davon ausgeht, dass Maßnahmen zum Familienrecht von der Kompetenzgrundlage erfasst sind. Mit dem Vertrag von Lissabon kam es zudem zu einer Änderung hinsichtlich der Kompetenzausübungsvoraussetzung des Binnenmarktes. Nach Art. 81 Abs. 2 AEUV besteht die Kompetenz neuerdings nämlich schon dann, wenn dies „insbesondere“ für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist. Die weit auszulegende Kompetenzausübungsbeschränkung des Binnenmarktbezugs wurde daher durch die Einfügung des Wortes „insbesondere“ sogar noch relativiert.109 Demgemäß kann konstatiert werden, dass das Erfordernis des Binnenmarktbezuges in Art. 65 EGV und Art. 81 AEUV zu keiner weitgehenden Beschränkung der Kompetenzen des Verordnungsgebers führt. Vielmehr ist der Binnenmarktbezug weit zu verstehen und eine bloß mittelbare Unterstützungsfunktion für den Binnenmarkt als ausreichend zu erachten. Insbesondere können auch Maßnahmen mit nicht unmittelbar wirtschaftlichem Charakter wie etwa im Familienrecht oder Erbrecht von der Gesetzgebungskompetenz umfasst sein.

führung des IZVR, S. 96, der treffend anführt, dass fortan nicht mehr hingenommen werden kann, dass der Binnenmarkt lediglich irgendwie funktioniert, sondern sich seine Funktionsweise einem Optimalzustand anzunähern hat, der eben als „reibungslos“ zu bezeichnen ist. A.A.: Tebbens, in: Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 171 (176), der die Bezeichnung „ordnungsgemäß“ anstatt „reibungslos“ im Vergleich zu den übrigen Sprachfassungen für zutreffender hält. 107 Leible/Staudinger, EuLF 2000/01, 225 (229); Dohrn, Kompetenzen der EG, S. 107 und 110; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (658); Mansel, in: Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 1 (7); Mansel, in: Festschrift Ansay, S. 185 (191 f.); a.A.: Tebbens, in: Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 171 (176). 108 Dohrn, Kompetenzen der EG, S. 110 f.; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung, S. 28; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (683); R. Wagner, RabelsZ 68 (2004), 119 (137 f.); Linke, in: Festschrift Geimer, S. 529 (545). 109 Hess, EuZPR, § 2 Rn. 94; Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 1; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung, S. 28; Rauscher/Staudinger, Einl Brüssel Ia-VO Rn. 1; Jayme/Kohler, IPRax 2007, 493 (495); Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2010, 1 (25); Martiny, FPR 2008, 187 (189), spricht sogar von der weitgehenden Beseitigung des Binnenmarkerfordernisses; kritisch: Kindler, IPRax 2010, 44 (48).

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2. „Grenzüberschreitender Bezug“ Die Kompetenzausübung nach Art. 65 EGV und Art. 81 AEUV ist ferner daran gebunden, dass die zu erlassende Maßnahme grenzüberschreitende Bezüge hat. Im Gegensatz zum Kollisionsrecht ist dem Verfahrensrecht die Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte nicht immanent.110 Im Folgenden wird daher geklärt, was unter grenzüberschreitenden Bezügen zu verstehen ist und ob daraus konkrete Anforderungen für den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der verschiedenen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht herzuleiten sind. Das Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs wird weder im EGV noch im AEUV näher umschrieben. Diese Unbestimmtheit hat dazu geführt, dass das Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs unterschiedlich gedeutet wird, ja sogar in der Vergangenheit zum Streitpunkt zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten geworden ist.111 So war man bei der Europäischen Kommission zunächst der Auffassung, dass aufgrund des Art. 65 EGV nicht nur Vorschriften erlassen werden können, die „einzig bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten, d. h. bei Fällen mit konkretem grenzüberschreitenden Bezug, zur Anwendung kommen könnten“.112 Überdies sei eine Unterscheidung von grenzüberschreitenden und innerstaatlichen Streitigkeiten schwierig und vor dem Hintergrund, dass „jede gerichtliche Entscheidung potenziell grenzüberschreitenden Charakter annehmen kann“, zweifelhaft.113 Vielmehr könne das Verfahrensrecht bereits „seinem Wesen nach“ grenzüberschreitende Bezüge haben, „unabhängig davon, ob der konkrete Rechtsstreit einen Auslandsbezug aufweist oder nicht“.114 Bereits die Beseitigung von Unterschieden könne in den nationalen Zivilverfahrensrechten nämlich den erforderlichen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen, weil damit in allen Mitgliedstaaten ein effizientes Verfahren eingeführt wird.115 Nach dieser Auffassung ist

110

Kohler, IPRax 2003, 401 (403); Remien, CMLR 38 (2001), 53 (74). Hess, EuZPR, § 2 Rn. 11 ff.; Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Bd. I, Art. 81 AEUV Rn. 26; R. Wagner, EuZW 2006, 424; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305 (306), die den Streitpunkt als „Kompetenzgerangel“ bezeichnen. Vgl. auch die Forderung der BRAK an die Bundesregierung, „das nationale Gerichtsverfahren vor Kompetenzüberschreitungen des EUGesetzgebers stärker zu schützen“, vgl. BRAK, EuZW 2005, 615. 112 Kommissionsvorschlag EuMahnVO, KOM(2004) 173 endg., S. 7; Frattini, ZEuP 2006, 225 (231 f.), der bereits im Rahmen der Europäischen Prozesskostenhilferichtlinie (ABl. (EG) 2003, Nr. L 26/41) den Konflikt zwischen Kommission und Rat der EU begründet sieht. 113 Kommissionsvorschlag EuMahnVO, KOM(2004) 173 endg., S. 8; vgl. auch Kerameus, RabelsZ 66 (2002), 1 (15); Rehm, in: Festschrift Heldrich, S. 955 (965). 114 Kommissionsvorschlag EuGFVO, KOM(2005) 87 endg., S. 6. 115 Kommissionsvorschlag EuGFVO, KOM(2005) 87 endg., S. 6. 111

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Teil 1: Einführung und Grundlegung

das Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs weit zu verstehen und bereits bei bloß potenziellen Auslandsbezügen zu bejahen.116 Diesem weiten Verständnis ist aber die Mehrheit der Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union entgegengetreten, indem sie tatsächliche und unmittelbare grenzüberschreitende Bezüge forderten.117 Rechtlich ist dem jedenfalls insofern beizupflichten, als dass bloß potenzielle Auslandsbezüge bereits kaum mit dem Wortlaut sowie mit Sinn und Zweck des Art. 65 EGV zu vereinbaren sind, da somit dem Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs keine praktisch bedeutsame Funktion mehr zukäme.118 Zweck dieser Kompetenzausübungsvoraussetzung war es aber gerade, zu verdeutlichen, dass Art. 65 EGV „insbesondere keine Kompetenznorm zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Zivilprozessrechts, gar einer europäischen ZPO ist, sondern in erster Linie der Verzahnung der nationalen Zivilverfahren dient“.119 Vor dem Hintergrund des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes erscheint eine weite Auslegung zwar wünschenswert, jedoch würde insofern übersehen, dass das Kriterium des grenzüberschreitenden Bezugs eine vom Binnenmarkterfordernis gesonderte Kompetenzausübungsvoraussetzung darstellt.120 Überdies wäre die weite Interpretation der Europäischen Kommission auch mit Blick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung des Art. 5 Abs. 1 EGV und das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV zumindest bedenklich.121 Diese rechtlichen und vor allem rechtspolitischen Streitigkeiten innerhalb des europäischen Gesetzgebers konnten schließlich im Herbst 2005 dahingehend beigelegt werden, dass die Europäische Kommission das Erfordernis eines unmittelbaren grenzüberschreitenden Bezugs für Art. 65 EGV generell akzeptierte und sich 116 Zust. Schollmeyer, IPRax 2002, 478 (478 f.); Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (724); vgl. auch: Hess, EuZPR, § 2 Rn. 11; Netzer, Status Quo und Konsolidierung, S. 14; Pabst, Entscheidungszuständigkeit, S. 40. 117 Vermerk des Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (Zahlungsbefehl) vom 17. 09. 2004, 12283/04 JUSTCIV 119 CODEC 988, S. 1 f.; Vermerk des Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (Zahlungsbefehl) vom 11. 10. 2004, 12899/04 JUST CIV 134 CODEC 1063, S. 1; Vermerk des Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (geringfügige Forderungen) vom 30. 09. 2005, 12503/05 JUSTCIV 165 CODEC 617, S. 2; vgl. auch Gutachten des Juristischen Dienstes vom 30. 06. 2005, 10748/05 JUR 291 JUSTCIV 130 CODEC 579, Rn. 21 und 33. 118 Hess, EuZPR, § 2 Rn. 12; Netzer, Status Quo und Konsolidierung, S. 14; Jahn, NJW 2007, 2890 (2892); Sujecki, ZEuP 2006, 125 (131); wohl auch Rehm, in: Festschrift Heldrich, S. 955 (963), der jedoch darauf hinweist, dass mit wachsender Verflechtung im Europäischen Binnenmarkt das Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs künftig nahezu automatisch existieren wird. 119 Streinz/Leible, EUV/EGV (1. Aufl. 2003), Art. 6 EGV Rn. 22; Rossi, in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 65 EGV Rn. 7; Kodek, in: Festschrift Rechberger, S. 283 (286); Betlem/Hondius, ERPL 9 (2001), S. 3 (10), die darauf hinweisen, dass das Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs maßgeblich auf die Regierung von England (sog. „Blairdeficit“) zurückzuführen sei; ähnlich: Cuypers, GPR 2009, 34 (35). 120 Fiorini, ICLQ 57 (2008), 449 (461); Rauscher/Varga, Einl EG-BagatellVO Rn. 18 und Art. 3 EG-BagatellVO Rn. 1. 121 Hess, EuZPR, § 2 Rn. 12; Netzer, Status Quo und Konsolidierung, S. 15.

§ 2 Grundlagen

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damit dem engen Verständnis des grenzüberschreitenden Bezugs anschloss.122 Die Kompetenzausübungsbeschränkung des grenzüberschreitenden Bezugs ist mithin eng auszulegen, sodass unmittelbare Auslandsbezüge erforderlich sind. Fraglich bleibt indes, wann ein solcher unmittelbar grenzüberschreitender Bezug im konkreten Fall vorliegt und es sich somit nicht mehr um einen reinen Inlandssachverhalt handelt. Insofern könnte der Verweis auf den Binnenmarkt darauf hindeuten, dass der grenzüberschreitende Bezug jedenfalls zu einem anderen Mitgliedstaat bestehen muss, sodass reine Drittstaatensachverhalte nicht für die Bejahung der Kompetenz genügen würden.123 Für den Anwendungsbereich des Brüssel IÜbk, welches aber nicht auf der Kompetenzgrundlage des Art. 65 EGV beruht,124 hat der EuGH allerdings einer solchen Argumentation eine Absage erteilt, da sich Hemmnisse für das Funktionieren des Binnenmarktes allein aus den unterschiedlichen nationalen Regelungen für Rechtsstreitigkeiten mit einem Auslandsbezug ergeben können.125 Ausdrücklich abgelehnt hat er damit für das Brüssel I-Übk das Erfordernis eines Bezugs zu einem anderen Mitgliedstaat.126 Dieser Gedankengang kann auch auf Art. 65 EGV bzw. Art. 81 AEUV übertragen werden, zumal das Binnenmarkterfordernis auch weit zu verstehen ist.127 Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass die Kompetenzausübungsvoraussetzung des grenzüberschreitenden Bezugs zwar einen unmittelbaren Auslandsbezug erfordert und damit rein innerstaatliche Sachverhalte, d. h. Sachverhalte ohne jeglichen Auslandsbezug, von der Kompetenz des Verordnungsgebers ausschließt. Jedoch stellt Art. 65 EGV bzw. Art. 81 AEUV keine weiteren Anforderungen an den Auslandsbezug. Insbesondere können dabei auch Drittstaatensachverhalte genügen. Daher wird verschiedentlich etwas missverständlich davon gesprochen, dass das Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs im Ausgangspunkt weit zu verstehen ist, obwohl ein unmittelbarer Auslandsbezug gefordert wird.128

122 Vgl. Übermittlungsvermerk von Lord Falconer und Franco Frattini vom 07. 12. 2005, 15470/05 JUSTCIV 229, S. 1; Hess, EuZPR, § 2 Rn. 13; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305 (306). 123 Vgl. Leible/Staudinger, EuLF 2000/01, 225 (229); Mansel, in: Festschrift Ansay, S. 185 (195); Remien, CMLR 38 (2001), 53 (75); Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung, S. 29. 124 Mansel, in: Festschrift Ansay, S. 185 (195). 125 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 34. 126 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 35. 127 Weber, RabelsZ 75 (2011), 619 (622 f.); Mansel, in: Festschrift Ansay, S. 185 (195); weitergehend: Hess, EuZPR, § 2 Rn. 14, der durch das Urteil des EuGH auch das Erfordernis des unmittelbar grenzüberschreitenden Bezugs in Frage stellt. 128 Schmahl, in: Groeben/Schwarze, Bd. 1, Art. 65 EGV Rn. 4; Rossi, in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 65 EGV Rn. 7; ebenso zum AEUV: Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 12.

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Teil 1: Einführung und Grundlegung

III. Auslegung des Europäischen Zivilverfahrensrechts 1. Auslegungsmethode Die Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht enthalten eine Vielzahl juristischer Begriffe, die in den Mitgliedstaaten mitunter sehr verschieden verstanden werden.129 Bei der Anwendung der europäischen Verordnungen drängt sich somit häufig die Frage nach dem konkreten Begriffsverständnis auf. Dies gilt es, im Wege der Auslegung festzustellen. Allerdings stehen sich insofern zwei Auslegungsmethoden gegenüber. Denn es ist einerseits denkbar, den Begriff anhand eines mitgliedstaatlichen Rechts (lex fori oder lex causae) auszulegen und damit einem nationalen Begriffsverständnis zu folgen.130 Andererseits kann aber auch unabhängig von den verschiedenen nationalen Begriffsverständnissen eine verordnungsautonome Auslegung des Begriffs erfolgen. Welcher der beiden Auslegungsmethoden der Vorzug zu geben ist, kann jedenfalls nicht pauschal für alle auslegungsbedürftigen Begriffe in allen Verordnungen des Europäischen Zivilverfahrensrechts beantwortet werden. In einzelnen Verordnungen hat sich nämlich der Verordnungsgeber dazu positioniert, welche Auslegungsmethode anzuwenden ist. Enthält eine Verordnung etwa eine Definition eines Begriffs, so spricht dies für ein verordnungsautonomes Konzept und gegen einen Rückgriff auf ein nationales Begriffsverständnis.131 Demgegenüber scheidet aber eine verordnungsautonome Auslegung immer dann aus, wenn der Verordnungsgeber ausdrücklich auf das Recht eines Mitgliedstaates verweist.132 Für die Mehrzahl der juristischen Begriffe enthalten die verschiedenen Verordnungen jedoch keine Definition und keine ausdrückliche Verweisung, sodass das Verhältnis beider Auslegungsmethoden zueinander durch den Rechtsanwender erst geklärt werden muss. Mit der herrschenden Meinung und insbesondere im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH kann er dabei in der Regel von einem verordnungsautonomen Begriffsverständnis ausgehen.133 Denn nur eine verordnungsau129

Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (428). Vgl. Rauscher, IPR, § 12 Rn. 1575. 131 Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 4. Vgl. etwa: Art. 2 EuUntVO, Art. 2 Brüssel IIa-VO, Art. 3 EuErbVO und Art. 2 Brüssel Ia-VO. 132 Vgl. etwa: Art. 59 Abs. 1 Brüssel I-VO (Wohnsitz) und Art. 3 Abs. 2 Brüssel IIa-VO (domicile). 133 Siehe nur: EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 25. 10. 2011 (eDate Advertising), verb. Rs. C-509/09 und C-161/10, Slg. 2011, I-10269, Rn. 38; EuGH, Urt. v. 16. 7. 2009 (Zuid-Chemie), Rs. C-189/08, Slg. 2009, I-6917, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Draka NK Cables u. a.), Rs. C-167/08, Slg. 2009, I-3477, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 2. 10. 2008 (Hassett und Doherty), Rs. C-372/07, Slg. 2008, I-7403, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (Reisch Montage), Rs. C-103/05, Slg. 2006, I-6827, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 31; EuGH, Urt. v. 15. 1. 2004 (Blijdenstein), Rs. C-433/01, Slg. 2004, I-981, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 20. 3. 1997 (Farrell), Rs. C-295/95, Slg. 1997, I-1683, Rn. 12 f.; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), 130

§ 2 Grundlagen

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tonome Auslegung gewährleistet eine einheitliche Anwendung der Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht.134 Freilich spielt auch im Rahmen der verordnungsautonomen Auslegung das nationale Begriffsverständnis eine Rolle (sog. rechtsvergleichende Methode).135 So stellte der EuGH bereits frühzeitig fest, dass innerhalb der verordnungsautonomen Auslegung auch „die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen ergeben, herangezogen werden müssen“.136 Eine verordnungsautonome Auslegung scheidet allerdings dann aus, wenn sie sich schlichtweg nicht verwirklichen lässt oder der bisherige Stand der Harmonisierung dies erforderlich macht.137 2. Auslegungskriterien Im Rahmen der verordnungsautonomen Auslegung kann auf die vier klassischen Auslegungskriterien zurückgegriffen werden, d. h. auf den Wortlaut, die Systematik, die Entstehungsgeschichte sowie den Sinn und Zweck.138 Aufgrund der unionsrechtlichen Provenienz des Europäischen Zivilverfahrensrechts sind allerdings einige Besonderheiten bei der Anwendung dieser Auslegungskriterien zu beachten. a) Grammatikalische Auslegung So ist im Rahmen der grammatikalischen Auslegung zu beachten, dass sämtliche Sprachfassungen gleichrangig nebeneinander bestehen.139 Folglich verbietet es sich

Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 14. 10. 1976 (LTU), Rs. C-29/76, Slg. 1976, 1541, Rn. 5; BGH NJW-RR 2008, 156 (156 f.); Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 6; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Der Unterhaltsprozess, Kap. 6 Rn. 18; Hess, IPRax 2006, 348 (352). Siehe aber auch: EuGH, Urt. v. 6. 10. 1976 (Tessili Italiana Como), Rs. C-12/76, Slg. 1976, 1473, Rn. 10 f., wonach noch keiner der beiden Auslegungsmethoden der Vorrang eingeräumt wurde. 134 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 20. 3. 1997 (Farrell), Rs. C-295/95, Slg. 1997, I-1683, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 13; M. Gebauer, in: Gebauer/ Wiedmann, Kap. 4 Rn. 8; Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (589 f.); Hess, IPRax 2006, 348 (352). 135 Rauscher, IPR, § 12 Rn. 1579; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 18; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (441 ff.); Hess, IPRax 2006, 348 (352 f.). 136 EuGH, Urt. v. 14. 10. 1976 (LTU), Rs. C-29/76, Slg. 1976, 1541, Rn. 5. 137 Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 7 m.w.N.; Rauscher, IPR, § 12 Rn. 1576. 138 Ausführlich zum Ganzen: Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 13 ff.; Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (590 ff.); Hess, IPRax 2006, 348 (353 ff.). 139 Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 14; Basedow, in: Hdb. IZVR I, Kap. II Rn. 48; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 18; Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (590 f.).

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Teil 1: Einführung und Grundlegung

im Zweifelsfall, nur auf den Wortlaut einer Sprachfassung abzustellen.140 Angesichts der sprachlichen Vielfalt in der Europäischen Union bleibt es freilich ein Idealbild, bei der grammatikalischen Auslegung sämtliche Sprachfassungen heranzuziehen.141 Vielmehr begnügt man sich regelmäßig mit einem Blick in die englische und französische Sprachfassung.142 b) Systematische Auslegung Bei der systematischen Auslegung sind nicht nur der allgemeine Aufbau und die Stellung einer Regelung innerhalb einer europäischen Verordnung zu berücksichtigen, sondern auch die systematischen Bezüge zu anderen Rechtsakten. Dabei ist insbesondere an parallele Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht zu denken.143 Ebenso können aber auch andere unionsrechtliche Rechtsakte und multilaterale Übereinkommen bei der systematischen Auslegung eine Rolle spielen, sofern sie inhaltlich vergleichbare Regelungen enthalten.144 c) Historische Auslegung Die historische Auslegung der Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht wird durch eine Vielzahl von erläuternden Berichten erleichtert,145 da diesen Berichten oftmals der Wille des historischen Verordnungsgebers entnommen werden kann.146 Überdies existieren vergleichbare Berichte auch für multilaterale Übereinkommen, die mitunter im Wege der systematischen Auslegung heranzuziehen sind.147

140 EuGH, Urt. v. 17. 9. 2009 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse), Rs. C-347/08, Slg. 2009, I-8661, Rn. 26; Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 14; Rauscher, IPR, § 12 Rn. 1577; Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (590 f.). 141 Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (590 f.); Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 14. 142 Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (590 f.). 143 Hess, IPRax 2006, 348 (355) m.w.N. 144 Zum Auslegungszusammenhang zwischen der Brüssel I-VO und der Rom I-VO: Bitter, IPRax 2008, 96 ff. 145 Vgl. etwa zum Brüssel I-Übk: Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1; SchlosserBericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71; Evrigenis/Kerameus-Bericht, ABl. (EG) 1986, Nr. C 298/1; Almeida Cruz/Desantes Real/Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1990, Nr. C 189/35; zum Brüssel II-Übk: Borrás-Bericht, ABl. (EG) 1998, Nr. C 221/27; zum Rom I-Übk: Giuliano/ Lagarde-Bericht, ABl. (EG) 1980, Nr. C 282/1. 146 Rauscher, IPR, § 12 Rn. 1578; Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (591 f.); Hess, IPRax 2006, 348 (354); Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (444); Basedow, in: Hdb. IZVR I, Kap. II Rn. 49. 147 Vgl. etwa zum LugÜ 1988: Jenard/Möller-Bericht, ABl. (EG) 1990, Nr. C 189/57; Pocar-Bericht, ABl. (EU) 2009, Nr. C 319/1; zum HGÜ: Hartley/Dogauchi-Bericht.

§ 3 Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung

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d) Teleologische Auslegung Innerhalb der Auslegung des Europäischen Zivilverfahrensrechts kommt schließlich der teleologischen Auslegung eine besondere Bedeutung zu.148 Zur Ermittlung des einschlägigen Regelungszweckes kann dabei nicht nur auf die bereits erwähnten erläuternden Berichte zurückgegriffen werden.149 Die wesentlichen Grundgedanken einer Verordnung und deren Ziele offenbart der Verordnungsgeber mittlerweile nämlich auch in den jeweils einer Verordnung vorangestellten Erwägungsgründen.150 Um den jeweiligen Regelungszweck möglichst effektiv zu verwirklichen, spielt überdies das unionsrechtliche Gebot der praktischen Wirksamkeit (effet utile) im Rahmen der teleologischen Auslegung eine wichtige Rolle.151 Dies hob auch der EuGH wiederholt hervor, indem er die Sicherstellung der vollen Wirksamkeit zu einem Ziel der verordnungsautonomen Auslegung erklärte.152

§ 3 Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung A. Gegenstand der Untersuchung Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird der Frage nachgegangen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie im Europäischen Zivilverfahrensrecht gewährt wird. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen daher die verschiedenen Vorschriften zur Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung. Denn durch diese beiden Rechtsinstitute wird den Parteien traditionell die Möglichkeit zugestanden, die internationale Zuständigkeit parteiautonom zu beeinflussen.153 Die Untersuchung begnügt sich jedoch nicht nur mit diesen traditionellen Einflussmöglichkeiten der Parteien. Vielmehr werden auch die anderweitigen funktionalen Äquivalente zur Einflussnahme auf die internationale Zuständigkeit untersucht, wie etwa die gemeinsame Antragstellung (Art. 3 Abs. 1 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO) und die sog. Anerkennung (Art. 12 Brüssel IIa-VO bzw. Art. 7 lit. c) EuErbVO). 148 Basedow, in: Hdb. IZVR I, Kap. II Rn. 51; Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 41; Hess, IPRax 2006, 348 (356); Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (592). 149 Rauscher, IPR, § 12 Rn. 1578. 150 Hess, IPRax 2006, 348 (357); Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (592). 151 Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 18; Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (592 f.); Hess, IPRax 2006, 348 (356); vgl. Schroeder, GK Europarecht, § 5 Rn. 1 m.w.N. 152 EuGH, Urt. v. 20. 3. 1997 (Farrell), Rs. C-295/95, Slg. 1997, I-1683, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 12. 1. 1997 (Rutten), Rs. C-383/95, Slg. 1997, I-57, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1993 (Mulox IBC), Rs. C-125/92, Slg. 1993, 4075, Rn. 10. 153 Ausführlich zu den traditionellen Einflussmöglichkeiten der Parteien: Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (550 ff.).

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Teil 1: Einführung und Grundlegung

Von den verschiedenen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht wird dabei schwerpunktmäßig die Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO betrachtet. Die Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO stellt den Kernbereich des Europäischen Zivilverfahrensrechts dar und dient zugleich als zentrales Referenzinstrument für andere Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht.154 So regelt sie etwa weitgehend die internationale Zuständigkeit für die EuMahnVO und EuGFVO.155 Infolgedessen bedarf es auch keiner gesonderten Untersuchung dieser beiden zuletzt genannten Verordnungen, da sie eben keine speziellen Zuständigkeitsvorschriften zur Regelung der Gerichtsstandsvereinbarung, der rügelosen Einlassung oder sonstiger Akte parteiautonomer Zuständigkeitsbegründung enthalten.156 Demgegenüber enthalten die EuUntVO, die Brüssel IIa-VO und die EuErbVO eigenständige Regelungen der internationalen Zuständigkeit, sodass neben der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO auch diese Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht intensiv betrachtet werden. Nicht untersucht werden allerdings die EuVTVO und die EuInsVO. Dies ist vor allem der besonderen Regelungsmaterie dieser Verordnungen geschuldet. So behandelt die EuVTVO überwiegend anerkennungs- und vollstreckungsrechtliche Fragen und schließt eine Überprüfung der internationalen Zuständigkeit im Bestätigungsverfahren grundsätzlich aus. Soweit sie dies ausnahmsweise nicht macht, erklärt sie die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO für maßgeblich (Art. 6 Abs. 1 lit. b) EuVTVO). Folglich bedarf es auch für diese Ausnahmefälle keiner gesonderten Untersuchung. Gesondert zu beantwortende Fragen werfen auch Insolvenzfälle mit Auslandsbezug auf, sodass die Regelungen der EuInsVO zur internationalen Zuständigkeit hier ebenfalls nicht näher betrachtet werden.157 Ebenso wenig werden die dem Internationalen Verfahrensrecht ebenfalls angehörenden Schiedsvereinbarungen vorliegend untersucht, obschon auch diese den Parteien ein strategisches forum planning ermöglichen und daher Parallelen zu Gerichtsstandsvereinbarungen aufweisen.158 Denn die Schiedsgerichtsbarkeit wird gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. d) Brüssel I-VO bzw. Art. 1 Abs. 2 lit. d) Brüssel Ia-VO ausdrücklich vom Kernbereich des Europäischen Zivilverfahrensrechts ausgenommen.

154

Hess, IPRax 2011, 125 (127); M. Weller, GPR 2012, 34. Vgl. Art. 6 EuMahnVO; Kropholler/von Hein, Art. 6 EuMVVO Rn. 1 und Art. 4 EuGFVO Rn. 1; Adolphsen, EuZVR, S. 265 und 276; Mayr/Czernich, Rn. 420; Hess, IPRax 2011, 125 (127). 156 Vgl. Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 4 und Art. 24 EuGVO Rn. 4. 157 Vgl. dazu etwa: Gruber, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Anh. I EuInsVO Einführung Rn. 6 ff. Zur internationalen Zuständigkeit bei insolvenzbezogenen Annexverfahren ausführlich: M. Stürner, IPRax 2005, 416 ff. 158 Vgl. etwa: MüKoZPO/Münch, § 1031 ZPO Rn. 4 f. 155

§ 3 Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung

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Die vorliegende Untersuchung ist auf die zuvor genannten europäischen Regelwerke ausgerichtet und blendet die nationalen Regelungen zur zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie, allen voran die der §§ 38 ff. ZPO, bewusst aus. Im europäischen Kontext wäre nämlich eine rechtsvergleichende Betrachtung der verschiedenen nationalen Regelungen angezeigt gewesen, was den Umfang der vorliegenden Untersuchung freilich gesprengt hätte.

B. Ziel der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung verfolgt verschiedene Ziele. Zum einen soll sie einen Überblick über die Reichweite der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie im Europäischen Zivilverfahrensrecht geben und den Versuch unternehmen, die verschiedenen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht diesbezüglich in ein System zu bringen. Angesichts der zahlreichen derzeit bestehenden Unsicherheiten zu diesem Themenkomplex will die Untersuchung damit zugleich den praktischen Bedürfnissen der Rechtsanwender genügen. Denn diese Unsicherheiten beschränken sich nicht nur auf verschiedene Detailfragen. Vielmehr ist auch der Umgang mit grundlegenden Fragen derzeit durch ein hohes Maß an Unsicherheit geprägt.159 So ist beispielsweise unklar, nach welchem Recht sich die materiellrechtliche Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung richtet oder ob es im Rahmen der rügelosen Einlassung einer richterlichen Belehrung bedarf. Infolgedessen will die vorliegende Untersuchung die einschlägigen Probleme nicht nur adressieren, sondern auch einer systemgerechten Lösung zuführen. Soweit eine solche Lösung de lege lata nicht umsetzbar ist, hebt die Untersuchung dies hervor und offenbart damit den bestehenden Reformbedarf.

C. Eingrenzung des Gegenstands der Untersuchung I. Sonstige Einflussmöglichkeiten der Parteien auf die internationale Zuständigkeit Zur Erreichung des mit der Untersuchung angestrebten Zieles ist es allerdings weder notwendig noch sinnvoll, sämtliche Fragestellungen zur parteiautonomen Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht umfassend darzustellen und zu beantworten. Vielmehr soll primär der herausragenden Bedeutung der Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung für die Rechtspraxis entsprochen und der Fokus der Untersuchung auf diese beiden Rechtsinstitute sowie die damit vergleichbaren Akte parteiautonomer Zuständigkeitsbegründung gelegt werden. Die sonstigen traditionellen Einflussmöglichkeiten der Parteien auf die internationale Zuständigkeit, wie etwa die willentliche Herbeiführung der Zustän159

Vgl. Briggs, YPIL 12 (2010), 311 (311 f.).

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Teil 1: Einführung und Grundlegung

digkeitsvoraussetzungen oder die Wahl zwischen mehreren internationalen Gerichtsständen, bleiben demgegenüber im Wesentlichen unberücksichtigt.160 Allerdings ist es zur umfassenden Untersuchung von Gerichtsstandsvereinbarungen unerlässlich, auch einige Ausführungen zur Erfüllungsortvereinbarung und deren Verhältnis zur Gerichtsstandsvereinbarung zu machen.161 II. Dogmatische Einordnung von Gerichtsstandsvereinbarung und rügeloser Einlassung Obwohl die Gerichtsstandsvereinbarung und die rügelose Einlassung im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehen, soll deren dogmatische Einordnung hier nicht weiter vertieft werden. Zwar schärft eine dogmatische Einordnung stets den Blick auf verschiedene Anwendungsvoraussetzungen und Wirkungen der jeweiligen Rechtsinstitute.162 Jedoch können und sollten allein aus der Rechtsnatur keine konkreten Rechtsfolgen abgeleitet werden.163 Für die Zwecke der Untersuchung genügt daher eine kurze Bestandsaufnahme der einschlägigen Ansichten. Zumindest in Deutschland ist die dogmatische Einordnung der Gerichtsstandsvereinbarung schon seit geraumer Zeit umstritten.164 Dabei stehen sich im Wesentlichen zwei Ansichten gegenüber. Zum einen wird die Gerichtsstandsvereinbarung als ein Prozessvertrag angesehen.165 Zur Begründung dieser Ansicht wird vorgetragen, dass die unmittelbare Hauptwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf die Zuständigkeitsordnung gerichtet sei und damit auf prozessualem Gebiet liege.166 Zum anderen wird die Gerichtsstandsvereinbarung aber auch als ein materiell-rechtlicher Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen angesehen.167 Denn 160

Dazu etwa: Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (550 ff.). Siehe dazu unter Teil 2, § 7, B.I.6. 162 Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (299 f.); Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 8 und 67. 163 Musielak, GK ZPO, § 2 Rn. 53; Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (299 f.). Vgl. auch Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 17, der deshalb den Streit um die Rechtsnatur der rügelosen Einlassung für wenig ergiebig erachtet. 164 Siehe dazu etwa: Hausmann, in: Festschrift Lorenz, S. 359 (360 f.); Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (297 ff.) m.w.N. Ein ähnlicher Meinungsstreit existiert wohl auch im italienischen Recht, vgl. Boccafoschi, Zuständigkeits- und Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 3 f. und 60 ff. 165 Zöller/Vollkommer, § 38 ZPO Rn. 4; Stein/Jonas/Bork, § 38 ZPO Rn. 50; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, § 37 Rn. 2; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.8; Geimer, IZPR, Rn. 1677; Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem § 38 ZPO Rn. 2; Wagner, Prozeßverträge, S. 557; Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 71; G. Roth, ZZP 93 (1980), 163 f. 166 Statt aller: Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 37 Rn. 2. 167 BGHZ 49, 384 (385 ff.) = NJW 1968, 1233; BGH NJW 1971, 323 (324); BGHZ 57, 72 (75) = NJW 1972, 391 (393); BGHZ 59, 23 (26 f.) = NJW 1972, 1622 (1623); BGH NJW 1986, 1438 (1439); BGH NJW 1989, 1431 (1432); BGH NJW 1997, 2885 (2886); Musielak/Voit/ Heinrich, § 38 ZPO Rn. 3; Schack, IZVR, § 9 Rn. 495. 161

§ 3 Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung

51

zumindest eine vorprozessuale Gerichtsstandsvereinbarung entfalte keine unmittelbare Wirkung im Prozess.168 Ebenso wird die rügelose Einlassung dogmatisch unterschiedlich eingeordnet.169 Einerseits wird in der rügelosen Einlassung eine besondere Ausformung des Präklusionsprinzips gesehen.170 Indem die rügelose Einlassung einer Partei im Prozess nach einer bestimmten zeitlichen Grenze die Möglichkeit der Zuständigkeitsrüge nimmt, ähnele sie nämlich dem Mechanismus und der Funktion (Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sowie Schutz der Beteiligten vor unnötigem Aufwand) einer Präklusionsvorschrift.171 Andererseits wird sie aber auch als eine besondere Form der Gerichtsstandsvereinbarung angesehen.172 Denn in der rügelosen Einlassung des Beklagten sei eine stillschweigende Annahme des in der Klage enthaltenen Angebots des Klägers auf Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung zu erblicken.173 Der zuletzt genannten Ansicht entspricht auch die Rechtsprechung des EuGH, der die rügelose Einlassung als eine stillschweigende Gerichtsstandsvereinbarung ansieht.174

D. Gang der Untersuchung Für jede der hier analysierten Verordnungen wird gesondert der Frage nachgegangen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie gewährt wird. Um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht deutlich herauszustellen, erfolgt die Untersuchung nach einem einheitlichen Un168

Statt aller: BGHZ 49, 384 (386 f.) = NJW 1968, 1233. Grundlegend: Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 67 ff. 170 MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 1; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 3; Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 2 ff.; Schack, IZVR, § 9 Rn. 552; SchulteBeckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 100 ff.; Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit, S. 51 f.; Lenenbach, RabelsZ 62 (1998), 162 (164 f.); wohl auch: Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 24 EuGVVO Rn. 1 ff. 171 Statt aller: Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 101. 172 BGH NJW 1993, 1270 (1272); Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 2; Calvo Caravaca/Carrascosa González, in: Magnus/Mankowski, Art. 24 Brussels I Regulation Rn. 1; Musielak/Voit/Stadler, Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 148; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 566 ff.; Klöpfer, GPR 2013, 112 (113); Staudinger, IPRax 2011, 548 (549); Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473 (492); vgl. auch: Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (38). 173 Statt aller: Calvo Caravaca/Carrascosa González, in: Magnus/Mankowski, Art. 24 Brussels I Regulation Rn. 9. 174 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 21 und 33; EuGH, Urt. v. 7. 3. 1985 (Spitzley), Rs. C-48/84, Slg. 1985, 787, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 8. 169

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Teil 1: Einführung und Grundlegung

tersuchungsschema. Nach einer kurzen Einleitung wird jeweils zunächst der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung dargestellt. Da eine Regelung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie immer ein Bestandteil der jeweiligen Zuständigkeitsordnungen ist, schließt sich an die Ausführungen zum sachlichen Anwendungsbereich ein kurzer Überblick über das Zuständigkeitssystem der untersuchten Verordnung an, wobei auch die zugrunde gelegten Zuständigkeitsinteressen angesprochen werden. Erst hiernach wird sich ausführlich und umfassend den diversen Regelungen zur zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie zugewandt. Den Abschluss eines jeden Teils bildet sodann ein kurzes Fazit, indem die konzeptionelle Ausgestaltung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie in der jeweiligen Verordnung zusammengefasst wird. Da die bisherige Brüssel I-VO im Europäischen Zivilverfahrensrecht eine zentrale Stellung einnimmt, bildet sie den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung (Teil 2). Auf der Grundlage der dabei gefundenen Ergebnisse wird im Anschluss daran gezielt gefragt, welche Auswirkungen die Neufassung der Brüssel IVO auf die bisherigen Regelungen zur zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie hat (Teil 3). Im anschließenden Teil wird sodann die EuUntVO untersucht, welche nunmehr für grenzüberschreitende Unterhaltssachen den rechtlichen Rahmen bildet (Teil 4). Hiernach wird sich der Frage zugewendet, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie in der Brüssel IIa-VO gewährt wird (Teil 5). Im darauffolgenden Teil stehen die Regelungen zur zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie in der EuErbVO im Mittelpunkt des Untersuchungsinteresses, wobei auch hier nach dem gewohnten Untersuchungsschema vorgegangen wird (Teil 6). Den Abschluss der vorliegenden Untersuchung bildet die Schlussbetrachtung, welche die wesentlichen Ergebnisse nochmals systematisch zusammenfasst und dabei auch einen Ausblick auf die weiteren Entwicklungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht wagt (Teil 7).

Teil 2

Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO § 4 Einleitung In der heutigen globalisierten Welt nimmt die Verflechtung der nationalen Lebens- und Wirtschaftsräume immer mehr zu.175 Es kommt daher nicht selten vor, dass Zivil- und Handelssachen eine Auslandsberührung aufweisen. Dies gilt regional in der Europäischen Union umso mehr, als hier gerade ein Raum ohne Binnengrenzen geschaffen wird, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Bei einer Vielzahl von zivil- und handelsrechtlichen Streitigkeiten steht daher eine Anwendung der Brüssel I-VO im Raum, wenngleich diese sicherlich noch nicht zum Tagesgeschäft der vertragsgestaltenden, beratenden und entscheidenden Rechtspraxis geworden ist.176 Insofern bestimmt sich insbesondere die internationale Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte immer häufiger nach den Vorschriften der Brüssel I-VO. Einen Bestandteil des Zuständigkeitssystems der Brüssel I-VO bildet dabei Art. 23 Brüssel I-VO und Art. 24 Brüssel I-VO, welche eine einheitliche europäische Regelung der Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung enthalten. Hierdurch wird die „Vertragsfreiheit der Parteien“ hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstandes gewahrt bzw. der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie Raum gegeben.177 Vor allem die Regelung der Gerichtsstandsvereinbarung war aufgrund ihrer rechtlichen Komplexität und der hohen Praxisrelevanz im heutigen Wirtschaftsleben vielfach Gegenstand von Entscheidungen des EuGH und der Diskussion in der Literatur.178 Aber auch die praktische Bedeutung der Regelung der rügelosen Einlassung sollte nicht unterschätzt werden.179 Bevor diese Regelungen nachfolgend dargestellt und bewertet 175

Rn. 1. 176

Vgl. etwa: Schack, IZVR, § 1 Rn. 14; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 1

Hess, in: Heidelberg-Bericht, S. 19, Rn. 48. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 24. 6. 1986 (Anterist), Rs. C-22/85, Slg. 1986, 1951, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 9. 11. 1978 (Meeth), Rs. C-23/78, Slg. 1978, 2133, Rn. 5; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 2. 178 Siehe nur: Hess, EuZPR, § 6 Rn. 130; Kropholler/Pfeifer, in: Festschrift Nagel, S. 157 (158). 179 Vgl. etwa: MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 1. 177

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

werden, wird jedoch noch ein kurzer Überblick über den sachlichen Anwendungsbereich und das Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO gegeben.

§ 5 Sachlicher Anwendungsbereich der Brüssel I-VO Mit dem Ziel, die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen, kommt nicht nur ein bedeutender Zweck der Brüssel I-VO zum Ausdruck,180 sondern auch der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung. Gemäß Art. 1 Abs. 1 Brüssel I-VO ist die Verordnung nämlich in Zivilund Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Während der in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Brüssel I-VO enthaltene Ausschluss von Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten einen lediglich deklaratorischen Charakter hat, handelt es sich bei Art. 1 Abs. 2 Brüssel I-VO um einen echten Ausnahmekatalog, der verschiedene, regelmäßig zivilrechtliche Materien erst vom sachlichen Anwendungsbereich ausnimmt.181

A. Zivil- und Handelssache Durch die Verwendung des Begriffs der Zivil- und Handelssache in Art. 1 Abs. 1 Brüssel I-VO sollen öffentlich-rechtliche Verfahren vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen werden.182 Wie die Abgrenzung von zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten im Einzelnen zu erfolgen hat, ist angesichts der fehlenden Definition des Begriffs der Zivil- und Handelssache allerdings fraglich.183 In dieser inhaltlichen Unbestimmtheit entspricht die Brüssel I-VO dem vorangegangenen Brüssel I-Übk, welches ebenfalls den Inhalt und die Reichweite des Begriffs der Zivil- und Handelssache nicht näher bestimmt.184 Da die Brüssel I-VO das Brüssel I-Übk ersetzt, gilt aus Gründen der Kontinuität die bisherige Auslegung des Brüssel I-Übk durch den EuGH auch heute noch, soweit die Bestimmungen der

180

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO. Stein/Jonas/Wagner, Art. 1 EuGVVO Rn. 28; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 1; Kropholler/von Hein, Art. 1 EuGVO Rn. 2; Schack, IZVR, § 3 Rn. 102. 182 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 2 g. 183 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 1; Kropholler/von Hein, Art. 1 EuGVO Rn. 2. 184 EuGH, Urt. v. 15. 2. 2007 (Lechouritou u. a.), Rs. C-292/05, Slg. 2007, I-1519, Rn. 28. Auch wurde das Problem der Qualifikation nicht durch Bestimmung des zur Auslegung dieses Begriffs anzuwendenden Gesetzes gelöst, vgl. zum inhaltsgleichen Art. 1 Abs. 1 Brüssel I-Übk den Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (9). 181

§ 5 Sachlicher Anwendungsbereich der Brüssel I-VO

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Brüssel I-VO als gleichwertig angesehen werden können.185 Dies ist zumindest bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Fall, sodass für die Auslegung des Begriffs der Zivil- und Handelssache auf die Entscheidungen des EuGH zum Brüssel I-Übk zurückgegriffen werden kann.186 Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO impliziert zunächst, dass der Begriff der Zivil- und Handelssache losgelöst von den unterschiedlichen Konzeptionen der Mitgliedstaaten zur Abgrenzung von Zivilrecht und öffentlichem Recht und der damit verbundenen jeweiligen Gerichts- bzw. Rechtswegzuständigkeit zu verstehen ist.187 Damit wird zumindest im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereichs die Frage, ob die Auslegung der Verordnung autonom oder anhand eines mitgliedstaatlichen Rechts erfolgen soll,188 bereits vom Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 Brüssel I-VO zugunsten der verordnungsautonomen Auslegung beantwortet. Weitergehende Hinweise für die Abgrenzung zur öffentlich-rechtlichen Streitigkeit hält der Normtext allerdings nicht bereit. Jedenfalls kommt der gesondert erwähnten Handelssache insofern keine eigenständige Bedeutung zu, weil die Handelssache lediglich einen Unterfall der Zivilsache darstellt.189 Auch der EuGH legt den Begriff der Zivil- und Handelssache in ständiger Rechtsprechung verordnungsautonom aus.190 Zur Begründung verweist er zusätzlich darauf, dass nur durch eine verordnungsautonome Auslegung sichergestellt sei, dass sich aus der Brüssel I-VO für die Mitgliedstaaten und die betroffenen Personen europaweit einheitliche Rechte und Pflichten ergeben.191 Die verordnungsautonome Auslegung nimmt der EuGH sodann in erster Linie nach der Natur der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen oder nach dem Gegenstand des Rechtsstreits vor, wobei er die Zielsetzungen und Systematik der Brüssel I-VO sowie der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen

185 Erwägungsgrund Nr. 19 zur Brüssel I-VO; EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Draka NK Cables u. a.), Rs. C-167/08, Slg. 2009, I-3477, Rn. 20. 186 Hess, EuZPR, § 6 Rn. 3. 187 EuGH, Urt. v. 14. 10. 1976 (LTU), Rs. C-29/76, Slg. 1976, 1541, Rn. 3; EuGH, Urt. v. 22. 2. 1979 (Gourdain), Rs. C-133/78, Slg. 1979, 733, Rn. 3; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 4; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 1. 188 Kropholler/von Hein, Einl. EuGVO Rn. 69. 189 Stein/Jonas/Wagner, Art. 1 EuGVVO Rn. 10; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 1. 190 EuGH, Urt. v. 14. 10. 1976 (LTU), Rs. C-29/76, Slg. 1976, 1541, Rn. 3; EuGH, Urt. v. 22. 2. 1979 (Gourdain), Rs. C-133/78, Slg. 1979, 733, Rn. 3; EuGH, Urt. v. 16. 12. 1980 (Rüffer), Rs. C-814/79, Slg. 1980, 3807, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 21. 4. 1993 (Sonntag), Rs. C-172/91, Slg. 1993, I-1963, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 14. 11. 2002 (Baten), Rs. C-271/00, Slg. 2002, I-10489, Rn. 28; EuGH, Urt. v. 15. 5. 2003 (Préservatrice foncière TIARD), Rs. C-266/01; Slg. 2003, I-4867, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 15. 2. 2007 (Lechouritou u. a.), Rs. C-292/ 05, Slg. 2007, I-1519, Rn. 29. 191 Statt aller: EuGH, Urt. v. 15. 2. 2007 (Lechouritou u. a.), Rs. C-292/05, Slg. 2007, I-1519, Rn. 29.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Rechtsordnungen ergeben, berücksichtigt.192 Hierbei bescheinigt der EuGH unter Zuhilfenahme der Erwägungsgründe Nr. 2, 7 und 15 zur Brüssel I-VO dem Verordnungsgeber die Absicht, den Begriff der Zivil- und Handelssache weit gefasst haben zu wollen.193 Mit Blick auf die einheitliche Anwendung der Brüssel I-VO hat die verordnungsautonome und weite Auslegung des Begriffs der Zivil- und Handelssache in der deutschen Literatur überwiegend Zustimmung erfahren.194 Da die Zielsetzungen und die Systematik der Brüssel I-VO für die Abgrenzung von Zivilrecht und öffentlichem Recht wenig aussagekräftig sind und auch die nationalen Rechtsordnungen die Abgrenzung mitunter sehr verschieden vornehmen, bereitet die verordnungsautonome Auslegung des Begriffs im Einzelfall jedoch Schwierigkeiten.195 Im Ausgangspunkt hat der EuGH einen Rechtsstreit jedenfalls dann als öffentlich-rechtliche Streitigkeit qualifiziert und vom Anwendungsbereich der Brüssel I-VO ausgeschlossen, wenn er durch eine Behörde im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse geführt wird.196 Daher kann man zumindest bei Streitigkeiten zwischen Privatpersonen regelmäßig davon ausgehen, dass diese vom Anwendungsbereich der Brüssel I-VO umfasst sind.197

B. Ausgeschlossene Rechtsgebiete Obwohl die Verfasser des Brüssel I-Übk die Ideallösung in der umfassenden Anwendbarkeit des Übereinkommens auf alle Zivil- und Handelssachen gesehen haben, nahmen sie verschiedene Rechtsgebiete vom sachlichen Anwendungsbereich aus.198 Die Gründe für den Ausschluss der zumeist zivilrechtlichen Materien waren verschieden. So wagte man sich im Bereich des Personenstandes, der Rechts- und Handlungsfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung sowie des ehelichen Güterrechts und Erbrechts angesichts der zwischen den nationalen Rechtssystemen bestehenden erheblichen Unterschiede noch nicht an eine Vereinheitlichung der Anerkennungs192 So bspw. EuGH, Urt. v. 14. 11. 2002 (Baten), Rs. C-271/00, Slg. 2002, I-10489, Rn. 28 und 29. 193 EuGH, Urt. v. 10. 9. 2009 (German Graphics Graphische Maschinen GmbH), Rs. C-292/ 08, Slg. 2009, I-8421, Rn. 22 f.; vgl. Hess, EuZPR, § 6 Rn. 4. 194 Kropholler/von Hein, Art. 1 EuGVO Rn. 2 f.; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 1 Brüssel I-VO, Rn. 2; Schack, IZVR, § 3 Rn. 102; Lorenz/Unberath, in: Festschrift Schlosser, S. 513 (520 f.). 195 Geimer, IPRax 2003, 512 (514); Kropholler/von Hein, Art. 1 EuGVO Rn. 4; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 1 EuGVVO Rn. 7 f.; zum mehrstufigen Vorgehen des EuGH: Hess, EuZPR, § 6 Rn. 9. 196 EuGH, Urt. v. 14. 10. 1976 (LTU), Rs. C-29/76, Slg. 1976, 1541, Rn. 4; Schack, IZVR, § 3 Rn. 102; weitergehende Darstellung der Abgrenzung u. a. bei: Kropholler/von Hein, Art. 1 EuGVO Rn. 6 ff.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 1 EuGVVO Rn. 9 ff.; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 1 EuGVVO Rn. 10 ff. 197 Dies zur Faustformel erklärend: Mankowski, NZA 2009, 584 (585). 198 So der Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (10).

§ 5 Sachlicher Anwendungsbereich der Brüssel I-VO

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und Vollstreckungsregelungen heran.199 Demgegenüber waren der Ausschluss von Insolvenzverfahren und der Schiedsgerichtsbarkeit vor allem dem Umstand geschuldet, dass hier an besonderen Übereinkommen gearbeitet wurde oder solche bereits existierten.200 Schließlich sah man im Bereich der sozialen Sicherheit einerseits aus fehlender praktischer Relevanz und andererseits aufgrund der schwierigen Abgrenzung zwischen Zivilrecht und öffentlichem Recht von einer Aufnahme in den sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-Übk ab.201 An dem Ausschluss dieser Rechtsgebiete hielt der Verordnungsgeber im Rahmen der Brüssel I-VO fest. Maßgeblicher Grund für die Beibehaltung des Ausschlusses dürfte neben der angestrebten Kontinuität zwischen dem Brüssel I-Übk und der Brüssel I-VO vor allem die Überlegung gewesen sein, dass hierdurch Konflikte mit bestehenden oder künftigen Verordnungen oder Abkommen, die den Besonderheiten dieser Rechtsgebiete besser gerecht werden können, vermieden werden.202 Die in Art. 1 Abs. 2 Brüssel I-VO verwendeten Begriffe sind ebenfalls nicht näher bestimmt. Im Interesse eines weitgehend einheitlichen Anwendungsbereichs der Verordnung ist hier ebenfalls im Wege einer verordnungsautonomen Auslegung vorzugehen.203 Insofern kann man heutzutage aber nicht mehr ohne weiteres aus der weiten Auslegung des Begriffs der Zivil- und Handelssache und der damit verbundenen weiten Fassung des sachlichen Anwendungsbereichs der Brüssel I-VO auf eine restriktive Auslegung der Ausnahmetatbestände schließen. Denn auch andere europäische Rechtsakte beseitigen im Interesse des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes Unterschiede zwischen einzelstaatlichen Vorschriften und vermeiden damit miteinander unvereinbare Entscheidungen in den Mitgliedstaaten.204 Vielmehr ist an Stelle der ehemals restriktiven (vertikalen) Begrenzung des Anwendungsbereichs der Brüssel I-VO eine systematische (horizontale) Abgrenzung der Brüssel I-VO zu parallelen Rechtsakten europäischer Provenienz getreten.205

199 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (10); Schack, IZVR, § 3 Rn. 103; Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473 (477). 200 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (11 und 13). 201 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (12); Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473 (477 f.). 202 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 19 zur Brüssel I-VO und Kropholler/von Hein, Art. 1 EuGVO Rn. 16. 203 EuGH, Urt. v. 22. 2. 1979 (Gourdain), Rs. C-133/78, Slg 1979, 733, Rn. 3; zust.: Kropholler/von Hein, Art. 1 EuGVO Rn. 16; Stein/Jonas/Wagner, Art. 1 EuGVVO Rn. 28; Schack, IZVR, § 3 Rn. 103. 204 Vgl. die für eine weite Auslegung des Anwendungsbereichs der Brüssel I-VO herangezogenen Erwägungsgründe Nr. 2 und 15 zur Brüssel I-VO. 205 Vgl. Hess, EuZPR, § 6 Rn. 15; so auch EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Draka NK Cables u. a.), Rs. C-167/08, Slg. 2009, I-3477, Rn. 22 ff., der bei der Auslegung des in Art. 1 Abs. 2 lit. b) Brüssel I-VO enthaltenen Ausnahmetatbestandes insbesondere auch auf die Erwägungsgründe der EuInsVO eingeht.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Diese Abgrenzung kann dabei mitunter Schwierigkeiten bereiten.206 Hierauf wird bei den hier näher behandelten Rechtsakten gegebenenfalls noch näher eingegangen. Abschließend ist jedoch noch darauf hinzuweisen, dass ein Ausschluss nach Art. 1 Abs. 2 Brüssel I-VO immer nur dann in Betracht kommt, wenn das jeweils ausgeschlossene Rechtsgebiet gerade den Gegenstand des Rechtsstreits bildet und nicht eine bloße Vorfrage hierzu darstellt.207

§ 6 Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO A. Überblick Das mit „Zuständigkeit“ überschriebene Kapitel II der Brüssel I-VO enthält in seinen verschiedenen Abschnitten die das Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO bildenden Vorschriften. Innerhalb des Zuständigkeitssystems wird zwischen allgemeinen, besonderen und ausschließlichen Zuständigkeiten unterschieden. Damit folgt es bewährten Mustern des kontinentaleuropäischen, insbesondere des deutschen Zivilprozessrechts.208 Die allgemeine Zuständigkeit wird dabei gemäß Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit am Wohnsitz des Beklagten angeknüpft. Von dieser allgemeinen Zuständigkeit der Gerichte am Beklagtenwohnsitz kann nach Art. 3 Abs. 1 Brüssel I-VO nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 des Kapitels II abgewichen werden. Der 2. Abschnitt enthält insofern besondere Zuständigkeiten, welche konkurrierend neben die allgemeine Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO treten. Damit wird dem Kläger ein Wahlrecht zwischen den verschiedenen aufgeführten Gerichtsständen eröffnet.209 Den besonderen Zuständigkeiten des 2. Abschnittes folgen die Regelungen für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen der Abschnitte 3 bis 5. Diese Regelungen nehmen eine gewisse Sonderstellung im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO ein, da es sich bei ihnen um in sich geschlossene Regelungssysteme handelt, welche die Zuständigkeiten im jeweiligen Gebiet „selbstständig und erschöpfend“

206

Ausführlich hierzu: Hess, EuZPR, § 6 Rn. 16 ff.; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 5 ff.; Kropholler/von Hein, Art. 1 EuGVO Rn. 16 ff. 207 EuGH, Urt. v. 25. 7. 1991 (Rich), Rs. C-190/89, Slg. 1991, I-3855, Rn. 26 f.; EuGH, Urt. v. 20. 1. 1994 (Owens Bank), Rs. C-129/92, Slg. 1994, I-117, Rn. 34; EuGH, Urt. v. 15. 5. 2003 (Préservatrice foncière TIARD), Rs. C-266/01, Slg. 2003, I-4867, Rn. 42; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 13; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 5. 208 Hess, EuZPR, § 6 Rn. 31; Stein/Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 2. 209 Stein/Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 2; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 31; Kropholler/von Hein, vor Art. 2 EuGVO Rn. 1.

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regeln.210 Die Regelungen in diesen Abschnitten verdrängen damit die allgemeinen und besonderen Zuständigkeiten.211 Weiterhin sieht der 6. Abschnitt bzw. Art. 22 Brüssel I-VO noch verschiedene ausschließliche Zuständigkeiten vor, welche sowohl die allgemeinen und besonderen Zuständigkeiten als auch die speziellen Zuständigkeitsregimes für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen verdrängen.212 Ein Wahlrecht des Klägers kommt insoweit allenfalls dann in Betracht, wenn mehrere ausschließliche Zuständigkeiten konkurrieren.213 Hieran schließen sich die Regelungen der Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung an, die zusammen den mit „Vereinbarung über die Zuständigkeit“ überschriebenen 7. Abschnitt des Zuständigkeitskapitels bilden. Das Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO wird schließlich durch die Vorschriften zur Prüfung der Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Verfahrens, zur Rechtshängigkeit und zu im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie zu einstweiligen Maßnahmen abgeschlossen, welche sich innerhalb der Abschnitte 8 bis 9 befinden.

B. Das Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem Das Prinzip der Rechtssicherheit wird vom EuGH in ständiger Rechtsprechung als eines der Ziele des Brüssel I-Übk anerkannt.214 Bereits der Jenard-Bericht hob ausdrücklich die Bedeutung der Rechtssicherheit für die Zuständigkeitsvorschriften des Brüssel I-Übk hervor.215 Es verwundert daher nicht, dass das Prinzip der Rechtssicherheit durch die Formulierung „im hohen Maße vorhersehbar“ auch im Rahmen der Erwägungsgründe zur Brüssel I-VO eine Erwähnung gefunden hat.216

210 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 4; Stein/ Jonas/Wagner, Art. 8 EuGVVO Rn. 1; für Versicherungssachen: Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (30). 211 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 4. 212 Kropholler/von Hein, Art. 22 EuGVO Rn. 2; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 2 und 4. 213 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 1. 214 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 38; EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002 (Besix), Rs. C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 28. 9. 1999 (GIE Groupe Concorde u. a.), Rs. C-440/97, Slg. 1999, I-6307, Rn. 23; EuGH, Urt. v. 29. 6. 1994 (Custom Made Commercial), Rs. C-288/92, Slg. 1994, I-2913, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 20. 1. 1994 (Owens Bank), Rs. C-129/92, Slg. 1994, I-117, Rn. 32. 215 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (15); vgl. dazu auch: Hess, IPRax 2006, 348 (359). 216 Erwägungsgrund Nr. 11 zur Brüssel I-VO; instruktiv: Pontier/Burg, S. 92 ff.; Hess, IPRax 2006, 348 (359); Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (593).

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Der Verordnungsgeber fordert damit die Beachtung der Rechtssicherheit bei der teleologischen Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften offen ein.217 Nach bisheriger Rechtsprechung sollte die Stärkung der Rechtssicherheit insbesondere den Parteien des Rechtsstreits zugutekommen.218 Insbesondere soll ein Kläger ohne Schwierigkeiten feststellen können, welches Gericht er anrufen, und ein Beklagter bei vernünftiger Betrachtung vorhersehen können, vor welchem Gericht er verklagt werden kann.219 Dies hob der EuGH speziell für die von der allgemeinen Zuständigkeit abweichenden Zuständigkeitsvorschriften hervor.220 Der Voraussehbarkeit des zuständigen Gerichts kommt damit eine zentrale Bedeutung für die zu beachtende Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO zu. Darüber hinaus leitet der EuGH aus dem Prinzip der Rechtssicherheit verschiedentlich die vielfach proklamierte „Vermeidung der Häufung von Gerichtsständen in Bezug auf ein und dasselbe Rechtsverhältnis“ ab,221 obschon dies – wohl angesichts der Auswirkungen auf die Urteilsfreizügigkeit – auch zu einem eigenständigen Ziel der Brüssel I-Übk erklärt wurde.222 An diese Rechtsprechung knüpft der EuGH auch in seinen neueren Entscheidungen zur Brüssel I-VO an, indem er auf die bisherige Rechtsprechung ausdrücklich oder unter Zuhilfenahme der Erwägungsgründe rekurriert.223 217

Hess, IPRax 2006, 348 (356 f.); Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (592). Siehe Präambel des Brüssel I-Übk: „IN DEM BESTREBEN, innerhalb der Gemeinschaft den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen zu verstärken.“. Vgl. zudem: Pontier/ Burg, S. 92 f. 219 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 39 f.; EuGH, Urt. v. 10. 6. 2004 (Kronhofer), Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002 (Besix), Rs. C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Rn. 25 f.; EuGH, Urt. v. 5. 2. 2004 (DFDS Torline), Rs. C-18/02, Slg. 2004, I-1417, Rn. 36; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1993 (Mulox IBC), Rs. C-125/92, Slg. 1993, 4075, Rn. 11. 220 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 40; EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002 (Besix), Rs. C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 28. 9. 1999 (GIE Groupe Concorde u. a.), Rs. C-440/97, Slg. 1999, I-6307, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 17. 6. 1992 (Handte), Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967, Rn. 18. 221 EuGH, Urt. v. 22. 3. 1983 (Peters Bauunternehmung), Rs. C-34/82, Slg. 1983, 987, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (Roche Nederland), Rs. C-539/03, Slg. 2006, 6569, Rn. 37; vgl. auch: Stein/Jonas/Wagner, vor Art. 2 EuGVVO Rn. 17. 222 EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 44; EuGH, Urt. v. 5. 2. 2004 (DFDS Torline), Rs. C-18/02, Slg. 2004, I-1417, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1993 (Mulox IBC), Rs. C-125/92, Slg. 1993, I-4075, Rn. 11; vgl. auch Pontier/Burg, S. 98. 223 EuGH, Urt. v. 25. 10. 2012 (Folien Fischer und Fofitec), Rs. C-133/11, ECLI:EU:C:2012:664, Rn. 33; EuGH, Urt. v. 1. 12. 2011 (Painer), Rs. C-145/10, Slg. 2011, I-12533, Rn. 75; EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 44; EuGH, Urt. v. 12. 5. 2011 (Berliner Verkehrsbetriebe), Rs. C-144/10, Slg. 2011, I-3961, Rn. 33; EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Falco Privatstiftung und Rabitsch), Rs. C-533/07, Slg. 2009, I-3327, Rn. 22; EuGH, Urt. v. 11. 10. 2007 (Freeport), Rs. C-98/06, Slg. 2007, I-8319, Rn. 36; EuGH, Urt. v. 3. 5. 2007 (Color Drack), Rs. C-386/05, Slg. 2007, I-3699, Rn. 19 f.; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (Reisch Montage), Rs. C-103/05, Slg. 2006, I-6827, Rn. 25. 218

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C. Allgemeine Zuständigkeit Die allgemeine Zuständigkeit ist in Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO geregelt. Hiernach ist eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Die allgemeine Zuständigkeit folgt damit dem im kontinentaleuropäischen Rechtskreis weithin anerkannten Leitprinzip des Zuständigkeitsrechts actor sequitur forum rei.224 Bereits im Rahmen des Brüssel I-Übk hatte der EuGH in ständiger Rechtsprechung die in Art. 2 Abs. 1 Brüssel IVO zum Ausdruck kommende Anknüpfung an den Beklagtenwohnsitz zum Grundprinzip der Zuständigkeit erklärt und die besonderen Zuständigkeiten als bloße Ausnahme davon erachtet.225 Der Verordnungsgeber erhebt dieses Verständnis mit Erwägungsgrund Nr. 11 nunmehr zum teleologischen und systematischen Hintergrund der Brüssel I-VO.226 Aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis leitet der EuGH zudem eine einschränkende Auslegung der von der allgemeinen Zuständigkeit abweichenden besonderen Zuständigkeitsvorschriften ab.227 Dem hat das Schrifttum weitgehend zugestimmt.228 224 Hess, EuZPR, § 6 Rn. 34; Hess, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 53 (54); Gsell, IPRax 2002, 484; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 19; Kropholler/von Hein, Art. 2 EuGVO Rn. 1; Stein/Jonas/Wagner, Art. 2 EuGVVO Rn. 1. 225 Siehe nur: EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 32; EuGH, Urt. v. 10. 6. 2004 (Kronhofer), Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Rn. 12 f.; EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002 (Besix), Rs. C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Rn. 52 f.; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 35 ff.; EuGH, Urt. v. 27. 10. 1998 (Réunion européenne u. a.), Rs. C-51/97, Slg. 1998, I-6511, Rn. 16; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 14 f.; EuGH, Urt. v. 27. 9. 1988 (Kalfelis), Rs. C-189/87, Slg. 1988, 5565, Rn. 7 f. und 19; EuGH, Urt. v. 30. 11. 1976 (Bier), Rs. C-21/76, Slg. 1976, 1735, Rn. 8/12. 226 Vgl. dazu auch: Hess, IPRax 2006, 348 (357); Kropholler, in: 75 Jahre MPI, S. 583 (592); Kropholler/von Hein, Einl. EuGVO Rn. 77. 227 EuGH, Urt. v. 12. 7. 2012 (Solvay), Rs. C-616/10, ECLI:EU:C:2012:445, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 16. 7. 2009 (Zuid-Chemie), Rs. C-189/08, Slg. 2009, I-6917, Rn. 21 f.; EuGH, Urt. v. 2. 10. 2008 (Hassett und Doherty), Rs. C-372/07, Slg. 2008, I-7403, Rn. 18 f.; EuGH, Urt. v. 22. 5. 2008 (Laboratoires Glaxosmithkline), Rs. C-462/06, Slg. 2008, I-3965, Rn. 28; EuGH, Urt. v. 11. 10. 2007 (Freeport), Rs. C-98/06, Slg. 2007, I-8319, Rn. 34 f.; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (Reisch Montage), C-103/05, Slg. 2006, I-6827, Rn. 23; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 32; EuGH, Urt. v. 10. 6. 2004 (Kronhofer), Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002 (Besix), Rs. C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Rn. 54; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 49; EuGH, Urt. v. 27. 10. 1998 (Réunion européenne u. a.), Rs. C-51/97, Slg. 1998, I-6511, Rn. 16; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 19. 9. 1995 (Marinari), Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 16; EuGH, Urt. v. 17. 6. 1992 (Handte), Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 15. 2. 1989 (Six Constructions), Rs. C-32/88, Slg. 1989, 341, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 27. 9. 1988 (Kalfelis), Rs. C-189/87, Slg. 1988, 5565, Rn. 8 und 19; EuGH, Urt. v. 21. 6. 1978 (Bertrand), Rs. C-150/77, Slg. 1978, 1431, Rn. 17. 228 Hess, EuZPR, § 6 Rn. 35; Hess, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 53 (55); Kropholler/ von Hein, vor Art. 5 EuGVO Rn. 3; Stein/Jonas/Wagner, Art. 6 EuGVVO Rn. 3; Jenard-Be-

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Bei der Begründung dieses zuständigkeitsrechtlichen Grundprinzips sollte man sich allerdings nicht auf einen apodiktischen Verweis auf das übergeordnete Gerechtigkeitspostulat der althergebrachten und weithin anerkannten Regel actor sequitur forum rei beschränken.229 Vielmehr kann auf die verschiedenen Erwägungen zurückgegriffen werden, die in der Abwägung zueinander zu diesem Grundprinzip führen.230 Der Beklagte ist besonders schutzbedürftig, weil sich die Gerichtsgewalt in erster Linie gegen ihn richtet und er insbesondere einem Einlassungszwang in Bezug auf das Verfahren unterliegt.231 Diese Schutzbedürftigkeit besteht im internationalen Rechtsverkehr sogar in einem besonderen Maße, da es für den Beklagten prinzipiell schwieriger ist, sich vor einem ausländischen Gericht zu verteidigen als vor dem Gericht einer fremden Stadt innerhalb des eigenen Landes.232 Zudem hat es der Kläger in der Hand, den Beklagten nach entsprechender Vorbereitung seiner Prozessführung mit einer Klage zu überziehen und damit den status quo anzugreifen, sodass ihm auch die Last, vor einem fremden Gericht klagen zu müssen, auferlegt werden kann.233 Die zuständigkeitsrechtliche Grundanknüpfung am Beklagtenwohnsitz dient daher vorwiegend dem Interesse des Beklagten, indem es diesem die Verteidigung erleichtert.234 Darüber hinaus kann die Zuständigkeitsregel des Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO aber auch als ein Gegengewicht zu den Erleichterungen verstanden werden, die die Brüssel I-VO bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen einräumt.235 Zudem kann die grundsätzliche Anricht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (23); mit Blick auf die teilweise vom EuGH praktizierte weite Auslegung von besonderen Gerichtsständen aber kritisch: Mankowski, IPRax 2007, 404 (413); Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 3; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 1. 229 So aber: Schwenzer, IPRax 1989, 274 (275 f.); vgl. demgegenüber aber auch: Spellenberg, IPRax 1981, 75 (76); Geimer, in: Festschrift Schwind, S. 17 (21); ausführliche Kritik der Regel etwa bei: J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 229 ff.; Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S. 85 ff. 230 Vgl. Hess, EuZPR, § 6 Rn. 36; Hess, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 53 (55); Geimer, IZPR, Rn. 1126 f.; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 599 ff. 231 Schack, IZVR, § 8 Rn. 222; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 36; kritisch: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 599 f.; a.A.: J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 236 f. 232 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (18). 233 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 600; Schack, IZVR, § 8 Rn. 222; LG Karlsruhe, JZ 1989, 690 (693); von Hoffmann, IPRax 1982, 217 (218); a.A.: J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 236 f. 234 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (18); EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002 (Besix), Rs. C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Rn. 52; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 35; EuGH, Urt. v. 17. 6. 1992 (Handte), Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967, Rn. 14; Stein/Jonas/Wagner, Art. 2 EuGVVO Rn. 1; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 1; Kropholler/von Hein, Art. 2 EuGVO Rn. 1; kritisch: Hess, EuZPR, § 6 Rn. 36; a.A.: Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S. 14 f. 235 Vgl. EuGH, Urt. v. 4. 7. 1985 (AS-Autoteile Service), Rs. C-220/84, Slg. 1985, 2267, Rn. 15.

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knüpfung an den Beklagtenwohnsitz auch aus Gründen der Rechtssicherheit überzeugen, da hierdurch ein sicheres und verlässliches Anknüpfungskriterium geschaffen wird.236 Ferner wird durch die Anknüpfung am Beklagtenwohnsitz auch dem Vollstreckungsinteresse des Klägers genügt, da am Lebensmittelpunkt einer Person regelmäßig auch der Schwerpunkt des vollstreckungstauglichen Vermögens vorgefunden werden kann.237 Schließlich kann in der Beschränkung der Wahlmöglichkeiten des Klägers gleichzeitig ein rechtspolitisches Streben gesehen werden, forum shopping im europäischen Rechtsraum einzuschränken.238

D. Besondere Zuständigkeiten In den besonderen Zuständigkeiten der Art. 5 bis 7 Brüssel I-VO sind alternative Anknüpfungskriterien enthalten, sodass der durch die allgemeine Zuständigkeit des Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO gewährte Beklagtenschutz hierdurch eine gewisse Durchbrechung erfährt.239 Diese Abweichung vom weithin anerkannten zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzip actor sequitur forum rei erscheint daher rechtfertigungsbedürftig.240 Als Rechtfertigungsgrund für die besonderen Zuständigkeiten des Art. 5 Brüssel I-VO kann vor allem die geordnete Rechtspflege und die sachgerechte Gestaltung des Prozesses angesehen werden, da „in bestimmten Fällen zwischen der Klage und dem zur Entscheidung hierüber berufenen Gericht eine besonders enge Verknüpfung besteht“.241 Mit Blick auf die Vertrags- und Deliktsstreitigkeiten stellte der EuGH 236 EuGH, Urt. v. 15. 2. 1989 (Six Constructions), Rs. C-32/88, Slg. 1989, 341, Rn. 20; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 36; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 602 f. 237 Schack, IZVR, § 8 Rn. 222; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 34; Schlussanträge des GA Colomer vom 14. 3. 2006 in: Rs. C-103/05 (Reisch Montage), Slg. 2006, I-6827, Rn. 21; Gsell, IPRax 2002, 484 (490); Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 602; kritisch: J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 237 f. 238 EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (Roche Nederland), Rs. C-539/03, Slg. 2006, 6569, Rn. 38; EuGH, Urt. v. 11. 1. 1990 (Dumez France und Tracoba), Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 27. 9. 1988 (Kalfelis), Rs. C-189/87, Slg. 1988, 5565, Rn. 9; so auch Hess, EuZPR, § 6 Rn. 36; Hess, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 53 (55). 239 Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 2. 240 M.-P. Weller, ZGR 2012, 606 (614); Hess, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 53 (55). 241 EuGH, Urt. v. 6. 10. 1976 (Industrie Tessili Italiana Como), Rs. C-12/76, Slg. 1976, 1473, Rn. 13; vgl. auch: Erwägungsgrund Nr. 11 und 12 zur Brüssel I-VO; EuGH, Urt. v. 25. 10. 2012 (Folien Fischer und Fofitec), Rs. C-133/11, ECLI:EU:C:2012:664, Rn. 37; EuGH, Urt. v. 25. 10. 2011 (eDate Advertising), verb. Rs. C-509/09 und C-161/10, Slg. 2011, I-10269, Rn. 40; EuGH, Urt. v. 16. 7. 2009 (Zuid-Chemie), Rs. C-189/08, Slg. 2009, I-6917, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 10. 6. 2004 (Kronhofer), Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Rn. 15; EuGH, Urt. v. 1. 10. 2002 (Henkel), Rs. C-167/00, Slg. 2002, I-8111, Rn. 46; EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002 (Besix), Rs. C-256/ 00, Slg. 2002, I-1699, Rn. 30; EuGH, Urt. v. 27. 10. 1998 (Réunion europénne u. a.), Rs. C-51/ 97, Slg. 1998, I-6511, Rn. 27; EuGH, Urt. v. 7. 3. 1995 (Shevill u. a.), Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 19. 9. 1995 (Marinari), Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Rn. 10;

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

etwa fest, dass die alternativen Anknüpfungskriterien eine solche enge Verknüpfung gewähren, weil sie „nämlich besonders wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten geeignet sind, über den Rechtsstreit zu entscheiden“.242 Diese Sach- und Beweisnähe wird auch im Schrifttum vielfach als maßgebliche Rechtfertigung für die Abweichung vom zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzip angeführt, wenngleich diese bei verschiedenen Anknüpfungskriterien zugleich erheblich bezweifelt wird.243 Auch der EuGH wies darauf hin, dass die jeweiligen Anknüpfungskriterien der besonderen Zuständigkeiten nicht stets das Vorliegen einer engen oder gar der engsten Verbindung zwischen der Klage und dem Gericht gewährleisten, da diese eben klar und eindeutig sein müssen.244 Die vorgebrachten Zweifel können daher unter Verweis auf die Anforderungen der Rechtssicherheit bzw. Voraussehbarkeit als nicht durchschlagend angesehen werden.245 Zudem lassen sie den distributiven Charakter internationaler Zuständigkeitsregeln für die konfligierenden Parteiinteressen außer Acht, infolgedessen eine gewisse Rigidität hinsichtlich der normativen Begründung in Randbereichen hingenommen werden muss.246 Die Berücksichtigung legitimer Klägerinteressen sollte ferner nicht dazu führen, dass der durch das zuständigkeitsrechtliche Grundprinzip betonte Beklagtenschutz in das Gegenteil verkehrt wird, indem die EuGH, Urt. v. 29. 6. 1994 (Custom Made Commercial), Rs. C-288/92, Slg. 1994, I-2913, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 22. 3. 1983 (Peters Bauunternehmung), Rs. C-34/82, Slg. 1983, 987, Rn. 11; EuGH, Urt. v. 22. 11. 1978 (Somafer), Rs. C-33/78, Slg. 1978, 2183, Rn. 7; EuGH, Urt. v. 11. 1. 1990 (Dumez France und Tracoba), Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 30. 11. 1976 (Bier), Rs. C-21/76, Slg. 1976, 1735, Rn. 8/12; siehe auch Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (22). 242 EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002 (Besix), Rs. C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Rn. 31; vgl. auch: EuGH, Urt. v. 11. 3. 2010 (Wood Floor Solutions Andreas Domberger), Rs. C-19/09, Slg. 2010, I-2121, Rn. 22; EuGH, Urt. v. 25. 2. 2010 (Car Trim), Rs. C-381/08, Slg. 2010, I-1255, Rn. 48; EuGH, Urt. v. 16. 7. 2009 (Zuid-Chemie), Rs. C-189/08, Slg. 2009, I-6917, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 9. 7. 2009 (Rehder), Rs. C-204/08, Slg. 2009, I-6073, Rn. 32; EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Falco Privatstiftung und Rabitsch), Rs. C-533/07, Slg. 2009, I-3327, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 3. 5. 2007 (Color Drack), Rs. C-386/05, Slg. 2007, I-3699, Rn. 22; EuGH, Urt. v. 10. 6. 2004 (Kronhofer), Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 5. 2. 2004 (DFDS Torline), Rs. C-18/02, Slg. 2004, I-1417, Rn. 27; EuGH, Urt. v. 1. 10. 2002 (Henkel), Rs. C-167/00, Slg. 2002, I-8111, Rn. 46; EuGH, Urt. v. 30. 11. 1976 (Bier), Rs. C-21/76, Slg. 1976, 1735, Rn. 15/19. 243 Stein/Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 Rn. 3 und 13; Hau, JZ 2008, 974 (978); Hess, EuZPR, § 6 Rn. 66; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 74; MüKoZPO/Gottwald, Art. 5 EuGVO Rn. 53; kritisch: Stadler, in: Festschrift Musielak, S. 569 (577 f.); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 7 f.; Mankowski, in: Festschrift Heldrich, S. 867 (873); Gsell, IPRax 2002, 484 (489); Schack, ZEuP 1998, 931 (935 f.); Spellenberg, IPRax 1981, 75 (76 f.). 244 EuGH, Urt. v. 29. 6. 1994 (Custom Made Commercial), Rs. C-288/92, Slg. 1994, I-2913, Rn. 13 ff.; EuGH, Urt. v. 10. 06. 2004 (Kronhofer), Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Rn. 19 f. 245 Mankowski, in: Festschrift Heldrich, S. 867 (870); Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 8; Stein/Jonas/Wagner, Art. 5 EuGVVO Rn. 2. 246 Stein/Jonas/Wagner, Art. 5 EuGVVO Rn. 2 und 9; Mankowski, in: Festschrift Heldrich, S. 867 (870); Hau, JZ 2008, 974 (978).

§ 6 Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO

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besonderen Zuständigkeiten eine Vielzahl von reinen Klägergerichtsständen schaffen.247 Die besonderen Zuständigkeiten des Art. 6 Brüssel I-VO können demgegenüber vor allem mit dem Gedanken des Sachzusammenhangs gerechtfertigt werden.248 Die damit einhergehende Verfahrenskonzentration bei einem Gericht dient nicht nur der Verfahrensökonomie,249 sondern vermeidet außerdem einander widersprechende Entscheidungen.250 Damit fördert sie eine geordnete Rechtspflege.251 Mit Blick auf den Wortlaut des Art. 6 Nr. 1 Brüssel I-VO haben diese Erwägungen sogar eine ausdrückliche Bestätigung im Normtext erfahren.252 Darüber hinaus werden aber auch zusätzliche Rechtfertigungsgründe angeführt. So wird beispielsweise die besondere Zuständigkeit für Deliktsstreitigkeiten mit dem Gleichlauf von gerichtlicher Prüfungskompetenz und anwendbarem Recht begründet.253 Ähnlich wird auch bei der besonderen Zuständigkeit für Vertragsstreitigkeiten argumentiert, indem diese als prozessuale Folge des materiellen Rechts oder zumindest der tatsächlichen Lokalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten des Beklagten angesehen wird.254 Als Rechtfertigung der besonderen Zuständigkeit für 247 Schack, IZVR, § 8 Rn. 286 f.; Schack, ZEuP 1998, 931 (933 f.); Lorenz/Unberath, in: Festschrift Schlosser, S. 513 (517 f.); kritisch: Gsell, IPRax 2002, 484 (490). 248 EuGH, Urt. v. 15. 5. 1990 (Hagen), Rs. C-365/88, Slg. 1990, I-1845, Rn. 11; EuGH, Urt. v. 27. 9. 1988 (Kalfelis), Rs. C-189/87, Slg. 1988, 5565, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 27. 10. 1998 (Réunion européenne u. a.), Rs. C-51/97, Slg. 1998, I-6511, Rn. 47 f.; EuGH, Urt. v. 26. 5. 2005 (GIE Réunion européenne u. a.), Rs. C-77/04, Slg. 2005, I-4509, Rn. 30; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (Roche Nederland u. a.), Rs. C-539/03, Slg. 2006, I-6535, Rn. 20 f.; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 84; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 6 EuGVVO Rn. 1 f.; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 6 Brüssel I-VO Rn. 1; Schack, IZVR, § 8 Rn. 388 ff.; so bereits: Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473 (484 f.). 249 Stein/Jonas/Wagner, Art. 6 EuGVVO Rn. 9; Mankowski, in: Festschrift Heldrich, S. 867 (874). 250 EuGH, Urt. v. 12. 7. 2012 (Solvay), Rs. C-616/10, ECLI:EU:C:2012:445, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 1. 12. 2011 (Painer), Rs. C-145/10, Slg. 2011, I-12533, Rn. 77; EuGH, Urt. v. 11. 10. 2007 (Freeport), Rs. C-98/06, Slg. 2007, I-8319, Rn. 39; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (Roche Nederland u. a.), Rs. C-539/03, Slg. 2006, I-6535, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 27. 10. 1998 (Réunion européenne u. a.), Rs. C-51/97, Slg. 1998, I-6511, Rn. 48; EuGH, Urt. v. 27. 9. 1988 (Kalfelis), Rs. C-189/87, Slg. 1988, 5565, Rn. 12; vgl. Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (27); Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 6 Brüssel I-VO Rn. 1; Kropholler/von Hein, Art. 6 EuGVO Rn. 1; Stein/Jonas/Wagner, Art. 6 EuGVVO Rn. 2. 251 EuGH, Urt. v. 12. 7. 2012 (Solvay), Rs. C-616/10, ECLI:EU:C:2012:445, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 1. 12. 2011 (Painer), Rs. C-145/10, Slg. 2011, I-12533, Rn. 77; EuGH, Urt. v. 11. 10. 2007 (Freeport), Rs. C-98/06, Slg. 2007, I-8319, Rn. 39. 252 EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (Roche Nederland u. a.), Rs. C-539/03, Slg. 2006, I-6535, Rn. 21. 253 Stein/Jonas/Wagner, Art. 5 EuGVVO Rn. 119; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 66; Mankowski, in: Festschrift Heldrich, S. 867 (885). 254 Spellenberg, IPRax 1981, 75 (77); Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 678; kritisch: J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 324 f.; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 8; Gsell, IPRax 2002, 484 (487 f.).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Vertragsstreitigkeiten wird auch gelegentlich die Privatautonomie angeführt, da es sich um eine gegenüber einer anderen Partei freiwillig eingegangene Verpflichtung handelt.255 Teilweise beruhen die besonderen Zuständigkeiten aber auch auf speziellen Wertungen, wie etwa der Geschädigtenschutz bei Adhäsionsverfahren (Art. 5 Nr. 4 Brüssel I-VO) oder die Privilegierung von Helfern bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit Berge- und Hilfslohn (Art. 5 Nr. 7 Brüssel I-VO).256 Allerdings lehnte es der EuGH jüngst ab, den verstärkten Schutz der schwächeren Partei in Deliktsstreitigkeiten als Rechtfertigung der besonderen Zuständigkeit des Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO anzusehen.257

E. Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen Den besonderen Zuständigkeiten des 2. Abschnittes folgen spezielle Zuständigkeitsvorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen. Diese Zuständigkeitsvorschriften nehmen eine Sonderstellung im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO ein, da sie als „selbstständige und erschöpfende“ Regelungen einen Rückgriff auf die Vorschriften des 1. und 2. Abschnittes verbieten und ihrerseits grundsätzlich nur durch die Regelung des Art. 22 Brüssel I-VO verdrängt werden.258 Maßgebend für die Schaffung dieser speziellen Zuständigkeiten war dabei der Wille des Verordnungsgebers, die typischerweise als schwächer angesehene Partei (Versicherungsnehmer, Verbraucher und Arbeitnehmer) zu schützen.259 Die jeweils abschließenden Zuständigkeitsvorschriften in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen folgen dabei einem einheitlichen Muster.260 Zunächst wird der schutzbedürftigen Partei durch spezielle Vorschriften die Möglichkeit zu-

255

M.-P. Weller, ZGR 2012, 606 (614). Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 93; Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 348. 257 EuGH, Urt. v. 25. 10. 2012 (Folien Fischer und Fofitec), Rs. C-133/11, ECLI:EU:C:2012:664, Rn. 46. 258 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (29 f.); Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 8 Brüssel I-VO Rn. 1; Kropholler/von Hein, vor Art. 8 EuGVO Rn. 1 und Art. 22 EuGVO Rn. 2; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 4; Geimer, in: Festschrift Heldrich, S. 627 (630). 259 Erwägungsgrund Nr. 13 zur Brüssel I-VO; Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (28 f.), der insbesondere auf „soziale Erwägungen zum Schutz bestimmter Personenkreise“ verweist. 260 Mankowski, RIW 2010, 667; Usunier, YPIL 9 (2007), 541 (559); Schack, IZVR, § 8 Rn. 322 und 327; Geimer, in: Festschrift Heldrich, S. 627 (631 f.). 256

§ 6 Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO

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gestanden, für eine Klage unter verschiedenen Gerichten zu wählen.261 Demgegenüber können Klagen gegen die schutzbedürftige Partei grundsätzlich nur vor den Gerichten des Mitgliedstaates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet sich ihr Wohnsitz befindet.262 Damit behält der Verordnungsgeber nicht nur das zuständigkeitsrechtliche Grundprinzip des Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO in den jeweiligen Sondervorschriften bei, sondern er unterstreicht damit zugleich deren abschließenden Charakter sowie die besondere Bedeutung des zuständigkeitsrechtlichen Beklagtenschutzes.263 Gleichzeitig relativiert er jedoch den Beklagtenschutz, indem er für die schutzbedürftige Partei einen Klägergerichtsstand (forum actoris) an dessen Wohnsitz schafft.264 Die damit einhergehende zuständigkeitsrechtliche Bevorzugung der schutzbedürftigen Person wird weiterhin dadurch abgesichert, dass Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO nur in den Grenzen der Art. 13, 17 und 21 Brüssel I-VO rechtliche Wirkung entfalten.265 Darüber hinaus kann bei einer Verletzung dieser Zuständigkeitssondervorschriften sogar ausnahmsweise die Anerkennung der Entscheidung versagt werden (Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO).266 Dies verdeutlicht erneut den Ausnahmecharakter der Sondervorschriften und betont, dass der Verordnungsgeber den Schutz der schwächeren Partei äußerst wirksam ausgestalten wollte.267 Die Notwendigkeit des Schutzes einer schwächeren Partei im europäischen Zuständigkeitsrecht stellt – soweit ersichtlich – heutzutage im Schrifttum niemand ernstlich in Frage, obschon die konkrete Ausgestaltung der Sondervorschriften mitunter stark kritisiert wird.268 Auch der EuGH zog bereits frühzeitig den Willen des Verordnungsgebers, die generell schwächere beziehungsweise rechtlich weniger erfahrene Person zu schützen, bei der Auslegung der Sondervorschriften aus-

261

(559). 262

Siehe: Art. 9 bis 11, Art. 16 und Art. 19 Brüssel I-VO; Usunier, YPIL 9 (2007), 541

Siehe: Art. 12 Abs. 1, Art. 16 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 Brüssel I-VO. Mankowski, RIW 2010, 667 (670); vgl. auch Richter, RIW 2006, 578 (579). 264 Vgl. Mankowski, RIW 2010, 667; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 94; siehe aber: EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 40, der darauf hinweist, dass der ausnahmsweise Klägergerichtsstand am Wohnsitz des Klägers nur eine zusätzliche Wahlmöglichkeit neben dem Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz als dem Grundprinzip des Brüssel I-Übk darstellt. 265 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 79; Usunier, YPIL (2007), 541 (559); vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO. 266 Die Schutzvorschriften des 5. Abschnittes zugunsten der Arbeitnehmer sind von dem Versagungsgrund des Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO jedoch nicht erfasst; kritisch daher: Hess, EuZPR, § 6 Rn. 215. 267 So bereits für das Brüssel I-Übk: Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473 (486); Geimer, in Festschrift Heldrich, S. 627 (643); Kropholler/von Hein, vor Art. 8 EuGVO Rn. 4. 268 So z. B.: Geimer, in: Festschrift Heldrich, S. 627 (627 und 633); Schack, IZVR, § 8 Rn. 313 ff. 263

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

drücklich heran.269 Aus dem Zusammenspiel dieses Schutzzwecks und der ebenfalls vom EuGH praktizierten einschränkenden Auslegung der von der allgemeinen Zuständigkeit abweichenden besonderen Zuständigkeitsvorschriften stellte der EuGH fest, dass diese besonderen Zuständigkeiten eng auszulegen sind und insbesondere nicht auf Personen erstreckt werden dürften, die dieses Schutzes nicht bedürfen.270 Außerdem leitete er aus dem Schutzzweck ab, dass die gewährten Abweichungen von diesen Sondervorschriften eng ausgelegt werden müssen, um das Ziel des Schutzes der schwächeren Partei zu erreichen.271 Diese Rechtsprechung des EuGH hat im Schrifttum überwiegend Zustimmung erfahren. So konnte insbesondere die enge Auslegung der verschiedenen Zuständigkeitsvorschriften mit Blick auf das systematische Konzept der Zuständigkeitsvorschriften und den Schutzzweck der Sondervorschriften überzeugen.272 Aber auch die enge Auslegung der verschiedenen Regelungen, welche eine Abweichung von den Schutzvorschriften ermöglichen, wurde begrüßt.273 Darüber hinaus werden die Sondervorschriften auch mit zusätzlichen oder alternativen Erwägungen untermauert. So sollen beispielsweise die Schutzvorschriften insbesondere das Verfahrensgrundrecht auf Zugang zum Gericht für die schwächere Partei gewährleisten.274 Andere sehen aber auch die Stärkung des Vertrauens der Verbraucher in den Binnenmarkt bei grenzüberschreitenden Transaktionen als ein Motiv der Sondervor269 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a.), Rs. C-201/82, Slg. 1983, 2503, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 39 und 64 f.; EuGH, Urt. v. 11. 7. 2002 (Gabriel), Rs. C-96/00, Slg. 2002, I-6367, Rn. 39; EuGH, Urt. v. 26. 5. 2005 (GIE Réunion Européenne u. a.), Rs. C-77/04, Slg. 2005, I-4509, Rn. 17. Aus der jüngeren Vergangenheit etwa: EuGH, Urt. v. 19. 7. 2012 (Mahamdia), Rs. C-154/11, ECLI:EU:C:2012:491, Rn. 44 und 46; EuGH, Urt. v. 7. 12. 2010 (Pammer), Rs. C-585/08, Slg. 2010, I-12527, Rn. 57 f.; EuGH, Urt. v. 17. 9. 2009 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse), Rs. C-347/08, Slg. 2009, I-8661, Rn. 40; EuGH, Urt. v. 22. 5. 2008 (Laboratoires Glaxosmithkline), Rs. C-462/06, Slg. 2008, I-3965, Rn. 17. 270 EuGH, Urt. v. 6. 9. 2012 (Mühlleitner), Rs. C-190/11, ECLI:EU:C:2012:542, Rn. 27 ff.; EuGH, Urt. v. 14. 5. 2009 (Ilsinger), Rs. C-180/06, Slg. 2009, I-3961, Rn. 47; EuGH, Urt. v. 17. 9. 2009 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse), Rs. C-347/08, Slg. 2009, I-8661, Rn. 41; EuGH, Urt. v. 26. 5. 2005 (GIE Réunion Européenne u. a.), Rs. C-77/04, Slg. 2005, I-4509, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 32 ff.; EuGH, Urt. v. 11. 7. 2002 (Gabriel), Rs. C-96/00, Slg. 2002, I-6367, Rn. 39; EuGH, Urt. v. 14. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 65; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 15; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 21. 6. 1978 (Bertrand), Rs. C-150/77, Slg. 1978, 1431, Rn. 19/22. 271 EuGH, Urt. v. 12. 5. 2005 (Société financière und industrielle du Peloux), Rs. C-122/03, Slg. 2005, I-3707, Rn. 31. 272 Siehe nur: Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 15 – 17 Brüssel I-VO Rn. 2 und Art. 15 Brüssel I-VO Rn. 15; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 98; Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 6. 273 Stein/Jonas/Wagner, Art. 13 EuGVVO Rn. 3. 274 Usunier, YPIL 9 (2007), 541 (561).

§ 6 Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO

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schriften an.275 Hinsichtlich der Zuständigkeitsvorschriften in Arbeitssachen wird zudem der objektive Sachbezug des Klagegrundes zum Ort der Klageerhebung als entscheidender Grund für die Schaffung der Sonderzuständigkeit angesehen.276

F. Ausschließliche Zuständigkeiten Der 6. Abschnitt des Kapitels II der Brüssel I-VO enthält die ausschließlichen Zuständigkeiten. Die in Art. 22 Brüssel I-VO enumerativ aufgezählten ausschließlichen Zuständigkeiten verdrängen nicht nur die allgemeinen und besonderen Zuständigkeiten der Verordnung, sondern ebenso die Sonderzuständigkeiten für schutzbedürftige Personen.277 Der Verordnungsgeber misst dabei der Beachtung der ausschließlichen Zuständigkeiten eine besondere Bedeutung zu. Dies kommt etwa durch die Beschränkung der Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO, die fehlende zuständigkeitsbegründende Wirkung einer rügelosen Einlassung nach Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO, die Verpflichtung zur Prüfung von Amts wegen nach Art. 25 Brüssel I-VO oder den Versagungsgrund für die Anerkennung einer Entscheidung nach Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO zum Ausdruck.278 Der maßgebliche Grund für die Schaffung dieser besonders bedeutsamen Zuständigkeiten ergibt sich nicht unmittelbar aus den Erwägungsgründen zur Brüssel IVO. Erwägungsgrund Nr. 11 zur Brüssel I-VO weist lediglich darauf hin, dass dieser wohl im Streitgegenstand zu finden ist. Der für die historische und teleologische Auslegung bedeutsame Jenard-Bericht führt zur Begründung der ausschließlichen Zuständigkeiten überdies an, dass diese aus Gründen einer geordneten Rechtspflege, zur Wahrung der Rechtssicherheit und Souveränität eines Vertragsstaats erforderlich sind.279 Der EuGH stellte ebenfalls frühzeitig fest, dass die von den ausschließlichen Zuständigkeiten erfassten Streitgegenstände sich allesamt durch eine besondere Beziehung zu einem Mitgliedstaat auszeichnen, sodass die Gerichte dieses Mitgliedstaats am besten in der Lage sind, sich Kenntnis über die jeweiligen Sachverhalte zu verschaffen und die mitunter komplizierten Regeln und Gebräuche anzu-

275 Hess, EuZPR, § 6 Rn. 98; Heiderhoff, IPRax 2005, 230 (230 f.); Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 15 – 17 Brüssel I-VO Rn. 1. 276 Lorenz/Unberath, in: Festschrift Schlosser, S. 513 (518) unter Verweis auf die Entwicklung der Sondervorschriften für Arbeitssachen aus Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-Übk und die dazu ergangene Rspr. des EuGH. 277 Kropholler/von Hein, Art. 22 EuGVO Rn. 2. 278 Stein/Jonas/Wagner, Art. 22 EuGVVO Rn. 3; Kropholler/von Hein, Art. 22 EuGVO Rn. 3. 279 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (35 f.).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

wenden.280 Dementsprechend und um eine Abweichung von der allgemeinen Zuständigkeit sowie die Einschränkung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie gering zu halten, legt der EuGH den Anwendungsbereich der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 Brüssel I-VO eng aus.281 Darin hat der EuGH vom Schrifttum grundsätzlich Zustimmung erfahren.282 Denn auch das Schrifttum erkennt an, dass Materien von besonderer Schwierigkeit oder Komplexität existieren, welche in besonderem Maße nach einem beweis- und rechtsnahen Gericht verlangen.283 Folglich werden die ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 Brüssel I-VO auch überwiegend als sinnvoll erachtet, da die erfassten Streitgegenstände eben derartige besondere Materien darstellen.284 Einzelne ausschließliche Zuständigkeiten werden aber auch auf Souveränitätserwägungen oder auf ein besonderes öffentliches Interesse gestützt.285 Auch die Wahrung der Rechtssicherheit und die Vermeidung

280 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1977 (Sanders), Rs. C-73/77, Slg. 1977, 2383, Rn. 12/15; EuGH, Urt. v. 15. 11. 1983 (Duijnstee), Rs. C-288/82, Slg. 1983, 3663, Rn. 22; EuGH, Urt. v. 15. 1. 1985 (Rösler), Rs. C-241/83, Slg. 1985, 99, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 4. 7. 1985 (AS-Autoteile Service), Rs. C-220/84, Slg. 1985, 2267, Rn. 16; EuGH, Urt. v. 6. 7. 1988 (Scherrens), Rs. C-158/87, Slg. 1988, 3791, Rn. 9 f.; EuGH, Urt. v. 10. 1. 1990 (Reichert und Kockler), Rs. C-115/88, Slg. 1990, I-27, Rn. 10; EuGH, Urt. v. 26. 2. 1992 (Hacker), Rs. C-280/90, Slg. 1992, I-1111, Rn. 9; EuGH, Urt. v. 26. 3. 1992 (Reichert und Kockler), Rs. C-261/90, Slg. 1992, I-2149, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 17. 5. 1994 (Webb), Rs. C-294/92, Slg. 1994, I-1717, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 27. 1. 2000 (Dansommer), Rs. C-8/98, Slg. 2000, I-393, Rn. 27; EuGH, Urt. v. 13. 10. 2005 (Klein), Rs. C-73/04, Slg. 2005, I-8667, Rn. 16; EuGH, Urt. v. 18. 5. 2006 (CEZ), Rs. C-343/04, Slg. 2006, I-4557, Rn. 28 f.; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (GAT), Rs. C-4/03, Slg. 2006, I-6509, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 12. 5. 2011 (Berliner Verkehrsbetriebe), Rs. C-144/10, Slg. 2011, I-3961, Rn. 36; vgl. auch Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (35). 281 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1977 (Sanders), Rs. C-73/77, Slg. 1977, 2383, Rn. 17/18; EuGH, Urt. v. 10. 1. 1990 (Reichert und Kockler), Rs. C-115/88, Slg. 1990, I-27, Rn. 9; EuGH, Urt. v. 9. 6. 1994 (Lieber), Rs. C-292/93, Slg. 1994, I-2535, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 27. 1. 2000 (Dansommer), Rs. C-8/98, Slg. 2000, I-393, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 5. 4. 2001 (Gaillard), Rs. C-518/ 99, Slg. 2001, I-2771, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 13. 10. 2005 (Klein), Rs. C-73/04, Slg. 2005, I-8667, Rn. 15; EuGH, Urt. v. 18. 5. 2006 (CEZ), Rs. C-343/04, Slg. 2006, I-4557, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 26. 3. 1992 (Reichert und Kockler), Rs. C-261/90, Slg. 1992, I-2149, Rn. 25; EuGH, Urt. v. 2. 10. 2008 (Hassett und Doherty), Rs. C-372/07, Slg. 2008, I-7403, Rn. 19 f.; EuGH, Urt. v. 12. 5. 2011 (Berliner Verkehrsbetriebe), Rs. C-144/10, Slg. 2011, I-3961, Rn. 30 f. 282 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 1; Kropholler/von Hein, Art. 22 EuGVO Rn. 2; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 22 EuGVVO Rn. 5; Stein/Jonas/Wagner, Art. 22 EuGVVO Rn. 6; M.-P. Weller, ZGR 2012, 606 (623). 283 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 2; Kropholler/von Hein, Art. 22 EuGVO Rn. 10 und 43; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 111, 117 und 120; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 22 EuGVVO Rn. 11, 57, 83 und 105; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 22 EuGVVO Rn. 38, 216, 221 und 265; M.-P. Weller, ZGR 2012, 606 (622). 284 Kritisch jedoch: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 22 EuGVVO Rn. 38. 285 Usunier, YPIL 9 (2007), 541 (562 ff.); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 2; Mankowski, in: Festschrift Heldrich, S. 867 (888); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 22 EuGVVO Rn. 264; Kropholler/von Hein, Art. 22 EuGVO Rn. 59; vgl. auch EuGH, Urt. v. 26. 3. 1992 (Reichert und Kockler), Rs. C-261/90, Slg. 1992,

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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einander widersprechender Entscheidungen werden mitunter als maßgebliche Gründe ausgemacht.286 Soweit der Grund der ausschließlichen Zuständigkeit allein in Souveränitätserwägungen gesehen wird, werden jedoch rechtspolitische Bedenken geäußert, da diese im europäischen Justizraum keinen unbesehenen Vorrang vor Parteiinteressen genießen.287

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich Im Gegensatz zu dem einheitlich für die Brüssel I-VO zu bestimmenden sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich enthält Art. 23 Brüssel I-VO eine selbstständige Regelung seines räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs.288 Dies wird bereits durch die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-VO deutlich, welcher die Sonderstellung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 23 Brüssel I-VO gegenüber den allgemeinen Vorschriften der Brüssel I-VO unterstreicht.289 Da Art. 23 Brüssel I-VO in seinem Anwendungsbereich das nationale Recht in Bezug auf Gerichtsstandsvereinbarungen verdrängt, ist mit der Frage nach dem räumlich-persönlichen Anwendungsbereich des Art. 23 Brüssel I-VO zugleich die Frage des verbleibenden Anwendungsbereichs der nationalen Vorschriften für Gerichtsstandsvereinbarungen angesprochen.290

I-2149, Rn. 26. Kritisch: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 22 EuGVVO Rn. 39, 108 und 220; Rauscher, NJW 1985, 892 (894). 286 EuGH, Urt. v. 12. 5. 2011 (Berliner Verkehrsbetriebe), Rs. C-144/10, Slg. 2011, I-3961, Rn. 40; EuGH, Urt. v. 2. 10. 2008 (Hassett und Doherty), Rs. C-372/07, Slg. 2008, I-7403, Rn. 20 M.-P. Weller, ZGR 2012, 606 (622); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 28; Würdinger, ZZPInt 13 (2008), 147 (150); Schillig, IPRax 2005, 208 (213). 287 Hess, EuZPR, § 6 Rn. 114. 288 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 10; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 4 Brüssel I-VO Rn. 3; Czernich, wbl 2004, 458 (460); Bülow, RabelsZ 38 (1974), 262 (267); Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 55; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 131 f.; Baumgärtel, in: Festschrift Kegel, S. 285 (292). 289 Stein/Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 9; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 4 Brüssel I-VO Rn. 3. 290 Vgl. Schack, IZVR, § 9 Rn. 498.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

I. Wohnsitz einer Partei im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO muss mindestens eine der beteiligten Parteien ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben.291 Im Gegensatz zum allgemeinen Gerichtsstand in Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO wird somit nicht an den Wohnsitz des Beklagten angeknüpft. Diese Abweichung vom Grundprinzip des Zuständigkeitssystems der Brüssel I-VO wird damit erklärt, dass nur hierdurch dem Interesse der Rechtssicherheit genügt werden kann. Denn anderenfalls wäre der Anwendungsbereich des Art. 23 Brüssel I-VO von dem im Zeitpunkt des Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung ungewissen Umstand der späteren Parteirolle abhängig.292 Nach dem Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO genügt es daher, wenn entweder der Kläger oder der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, selbst wenn die jeweils andere Partei ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet des gleichen Mitgliedstaats oder lediglich im Hoheitsgebiet eines Drittstaats hat.293 II. Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts Weiterhin verlangt Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO, dass die Parteien mit der Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats wählen, wobei der vom Verordnungsgeber genutzte Singular nicht wörtlich zu verstehen ist.294 Vielmehr ist es den Parteien möglich, „zwei oder mehrere Gerichte zur Entscheidung über mögliche Rechtsstreitigkeiten zu bestimmen“, da Art. 23 Brüssel I-VO „auf der Anerkennung der Parteiautonomie im Bereich von Vereinbarungen über die gerichtliche Zuständigkeit für Entscheidungen von Rechtsstreitigkeiten beruht“.295 Vom Anwendungsbereich des Art. 23 Brüssel I-VO schließt demnach der Wortlaut nur solche Gerichtsstandsvereinbarungen aus, welche die Zuständigkeit eines drittstaatlichen Gerichts begründen.296 Mangels Rege291

Die Bestimmung des Wohnsitzes erfolgt nach Art. 59 und 60 Brüssel I-VO. Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 19; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 11; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 2; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 1; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 101; zur gleichwertigen Voraussetzung in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-Übk: Kropholler/Pfeifer, in: Festschrift Nagel, S. 157 (159); Samtleben, NJW 1974, 1590 (1593); Coester-Waltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (111 f.); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6371. 293 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 11 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 13. 07. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 42. 294 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 3c. 295 EuGH, Urt. v. 09. 11. 1978 (Meeth), Rs. C-23/78, Slg. 1978, 2133 Rn. 5. 296 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 12; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 3a unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 09. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 19; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 40; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 133. 292

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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lungskompetenz wäre der Verordnungsgeber auch gar nicht in der Lage gewesen, einem drittstaatlichen Gericht die Verpflichtung aufzubürden, eine solche Gerichtsstandsvereinbarung anzuerkennen.297 Die Zuständigkeit des drittstaatlichen Gerichts bestimmt sich vielmehr nach den dort geltenden nationalen Bestimmungen. Mit Gericht ist dabei nur ein staatlicher Spruchkörper zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten gemeint, was nicht zuletzt durch den Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-VO in Art. 1 Abs. 2 lit. d) Brüssel I-VO unterstrichen wird.298 III. Sonderregelung des Art. 23 Abs. 3 Brüssel I-VO Eine begrenzte Erweiterung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs enthält Art. 23 Abs. 3 Brüssel I-VO.299 Hiernach ist nämlich die Derogationskomponente einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts auch dann zu beachten, wenn beide Parteien keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben. Solange das prorogierte Gericht sich nicht rechtskräftig für unzuständig erklärt hat, können die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten also nicht entscheiden. Die Sonderregelung des Art. 23 Abs. 3 Brüssel I-VO führt somit zwar nicht dazu, dass die Prorogation einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Brüssel I-VO zu beurteilen ist.300 Jedoch stellt sie über die Anerkennung des Derogationseffekts sicher, dass die Gültigkeit der getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung zunächst durch das prorogierte Gericht beurteilt und nicht durch interferierende Entscheidungen der übrigen mitgliedstaatlichen Gerichte gefährdet wird.301

297 U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 36; Briggs, Agreements on Jurisdiction, Rn. 7.98; Hartley, Commercial Litigation, S. 195; Schaper/Eberlein, RIW 2012, 43 (45). 298 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 3d; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 102. 299 Zum historischen Ursprung und der praktischen Bedeutung dieser Sonderregelung: Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (359); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 26; Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (124), Rn. 177. 300 Schack, IZVR (5. Aufl.), § 9 Rn. 528; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 12; dies kritisierend: Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (360). 301 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 26; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 8; Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (360); Hess, EuZPR, § 6 Rn. 133; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 12; Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (124), Rn. 177.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

IV. Teleologische Reduktion 1. Problembeschreibung und Meinungsstand Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO wird jedoch vielfach zu weitreichend empfunden. Denn die Regelung erfasst nach ihrem Wortlaut beispielsweise auch Vereinbarungen, die ausschließlich die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts zum Gegenstand haben, ohne dass darin gleichzeitig eine Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit erblickt werden kann.302 Ein derart weites Verständnis des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs widerspricht allerdings offenkundig dem in Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO dokumentierten Ziel des Verordnungsgebers, „die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen“.303 Um diesen Widerspruch zu lösen, entstand bereits im Rahmen des Brüssel I-Übk eine Diskussion über die teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs. Die Diskussion hatte dabei bald nicht mehr nur den Ausschluss der „isolierten örtlichen Zuständigkeitsvereinbarungen“ zum Gegenstand, welcher heute nach allgemeiner Ansicht angenommen wird.304 Vielmehr sollten generell „reine Inlandssachverhalte“ und sogar darüber hinaus „Drittstaatensachverhalte“ vom räumlichpersönlichen Anwendungsbereich ausgeschlossen werden. Unter einem „reinen Inlandssachverhalt“ ist dabei eine Fallkonstellation zu verstehen, in der sämtliche Parteien ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats haben, dessen Gerichte sie für zuständig erklären, selbst wenn der zugrunde liegende Sachverhalt keinerlei Bezüge zu einem anderen Mitglied- oder Drittstaat hat.305 Demgegenüber hat die Fallkonstellation eines „Drittstaatensachverhalts“ zwar Auslandsbezüge. Diese bestehen jedoch allein zu einem Dritt- bzw. Nichtmitgliedstaat.306 Die hier einschlägige Diskussion ist dabei nicht auf Art. 23 Brüssel I-VO beschränkt, sondern ist etwa auch im Anwendungsbereich von Art. 2 Brüssel I-VO zu finden.307 Allerdings ist die Diskussion hauptsächlich im Anwendungsbereich von Art. 23 Brüssel I-VO von praktischer Bedeutung, da die mitgliedstaatlichen zivilprozessualen Regelungen mitunter andere Anforderungen an die Wirksamkeit einer

302

Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1864; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 6; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 36; Stein/ Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 18; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 2. 303 Frauenberger-Pfeiler, in: Festschrift Rechberger, S. 125 (127). 304 Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1864; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 36. 305 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 13; Stein/ Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 2. 306 Junker, IZPR, § 7 Rn. 20; Schack, IZVR, § 8 Rn. 271. 307 Siehe nur: Stein/Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 7 f.; Thomas/Putzo/ Hüßtege (34. Aufl. 2013), Vorbem. EuGVVO Rn. 10 ff.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

75

internationalen Gerichtsstandsvereinbarung stellen.308 Demgegenüber gilt der in Art. 2 Brüssel I-VO zum Ausdruck kommende Grundsatz actor sequitur forum rei in den autonomen Zivilprozessordnungen aller Mitgliedstaaten.309 Ferner verweist Art. 2 Brüssel I-VO wegen der örtlichen Zuständigkeit ohnehin auf das nationale Recht, sodass sich auch insoweit die Abgrenzung kaum auswirkt.310 Da die teleologische Reduktion einer Rechtsnorm voraussetzt, dass die Rechtsnorm nach ihrem Wortlaut auch solche Lebenssachverhalte erfassen kann, die nach dem Willen des Normgebers nicht erfasst werden sollten,311 ist im Folgenden nach den maßgeblichen Erwägungen für die geforderte Nichtanwendbarkeit des Art. 23 Brüssel I-VO bei reinen Inlandssachverhalten und Drittstaatensachverhalten zu fragen. a) Ausschluss von reinen Inlandssachverhalten Die weit überwiegende Meinung bejaht eine teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO bei reinen Inlandssachverhalten.312 Der Ausschluss wird dabei auf verschiedene Erwägungen gestützt. So wird für die teleologische Reduktion des Art. 23 Brüssel I-VO mitunter die im Erwägungsgrund Nr. 3 zur Brüssel I-VO zum Ausdruck gebrachte Ermächtigungsgrundlage des Art. 65 EGV (nunmehr Art. 81 AEUV) angeführt.313 Der Verordnungsgeber sei nämlich ausweislich dieser Ermächtigungsgrundlage nur 308 Siehe etwa die rechtsvergleichenden Untersuchungen von F. Sandrock, Vereinbarung eines neutralen internationalen Gerichtsstandes, S. 95 ff.; wohl auch Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 117. 309 M. Gebauer, ZEuP 2001, 943 (954 f.); Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 14; Coester-Waltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (107), die jedoch unter anderem darauf hinweist, dass etwa im englischen Recht durch die sog. „doctrine of forum non conveniens“ und die damit einhergehende Einschränkung des zuständigkeitsbegründenden Grundsatzes „actor sequitur forum rei“ eine praktische Bedeutung der Diskussion durchaus in Betracht kommt. 310 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 13; Stein/ Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 7. 311 Rüthers/Fischer/Birk, § 23 Rn. 902; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, § 11 Rn. 493 ff. 312 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 6; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 21; Schack, IZVR, § 9 Rn. 527; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1865; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 2; Junker, IZPR, § 7 Rn. 21 f.; Mark/Gärtner, MDR 2009, 837 (838); Mankowski, RIW 2005, 561 (564); Czernich, wbl 2004, 458 (461); OGH IPRax 2006, 607 (607); zum Brüssel I-Übk: Samtleben, NJW 1974, 1590 (1593); Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (689); Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (479); Baumgärtel, in: Festschrift Kegel, S. 285 (292); ausführlich: Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 54 ff.; vgl. auch Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (8 und 37 f.); zum LugÜ 1988: OLG Hamm IPRax 1999, 244 (245). 313 Kropholler/von Hein, vor Art. 2 EuGVO Rn. 6 f. und Art. 23 EuGVO Rn. 2; Stein/Jonas/ Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 7; Pabst, in: EuZPR, S. 199 (205); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6375; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 6; Mankowski, NZA 2009, 584 (587).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

„in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug“ zum Erlass von Maßnahmen zur Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften befugt, sodass die Erfassung reiner Inlandssachverhalte kompetenzrechtlich gar nicht gewollt oder möglich sein könne.314 Das Erfordernis eines Auslandsbezugs werde zudem in den für die historische Auslegung bedeutsamen erläuternden Berichten bestätigt.315 Dies werde ebenso in vielen Zuständigkeitsregelungen der Brüssel I-VO durch deren spezielle Anwendungsvoraussetzungen implizit bestätigt.316 Daneben wird auch auf Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO hingewiesen, wonach gerade „die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit“ als Regelungsgegenstand angesprochen sind, sodass bereits hierdurch die ungeschriebene Voraussetzung eines zuständigkeitsrelevanten Auslandsbezugs verdeutlicht werde.317 Verschiedentlich wird aber auch schlicht auf den Sinn und Zweck abgestellt und behauptet, dass die Brüssel I-VO reine Inlandssachverhalte nicht erfassen wolle.318 Da die Brüssel I-VO im Rahmen ihres Anwendungsbereichs den nationalen Zuständigkeitsvorschriften vorgeht,319 wäre zudem mit einem derart weiten Verständnis des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs eine entsprechende Einschränkung der jeweiligen nationalen Bestimmungen verbunden.320 Infolgedessen wird schließlich darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten sicherlich nicht gewollt hätten, dass ihr nationales Zuständigkeitsrecht nahezu bedeutungslos wird.321 Die teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs bei reinen Inlandssachverhalten ist aber auch auf Ablehnung gestoßen.322 Der Wortlaut der Norm sei klar und eindeutig.323 Insbesondere werde das Erfordernis eines Auslandsbezugs nicht unmittelbar in der Brüssel I-VO zum Ausdruck gebracht, was 314

Siehe nur: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6375. Stein/Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 7 unter Verweis auf Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (8), und Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (81). 316 Kropholler/von Hein, vor Art. 2 EuGVO Rn. 6; wohl auch Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 6, der auf den Gesamtkontext der Brüssel I-VO verweist; ähnlich auch: Czernich, wbl 2004, 458 (461). 317 Schack, IZVR, § 8 Rn. 270 unter Verweis auf den Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (8), und den Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (81); Czernich, wbl 2004, 458 (461). 318 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 6; Mankowski, NZA 2009, 584 (587); Schack, IZVR, § 9 Rn. 527. 319 Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Vorbem. EuGVVO Rn. 4; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6388. 320 Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (351). 321 Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 55; Schack, IZVR, § 8 Rn. 269 und § 9 Rn. 526; a.A.: Hau, IPRax 1999, 24, der darauf hinweist, dass es für eine nach autonomen Gesichtspunkten vorzunehmende Auslegung kaum relevant sein dürfte, ob dadurch legislatorische Arbeit auf nationaler Ebene hinfällig wird. 322 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 107 ff. und Art. 23 EuGVVO Rn. 36 ff.; zum Brüssel I-Übk: Aull, IPRax 1999, 226 (227); Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (139). 323 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 104 unter Verweis auf Erwägungsgrund Nr. 8 zur Brüssel I-VO; Aull, IPRax 1999, 226 (227). 315

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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gerade der Vergleich zu Art. 1 HGÜ verdeutlicht.324 Auch fehle im Verordnungstext der Brüssel I-VO eine der Regelung des Art. 3 Abs. 3 Rom I-Übereinkommen (nunmehr: Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO) entsprechende Beschränkung des Wirkungsumfangs einer Gerichtsstandsvereinbarung für reine Inlandssachverhalte.325 Ferner würde eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von Art. 23 Brüssel IVO „nur zu Verwirrungen führen“, da selbst den Befürwortern einer solchen teleologischen Reduktion bisher keine brauchbare Abgrenzung der reinen Inlandssachverhalte von den Sachverhalten mit Auslandsbezügen gelungen sei.326 Schließlich liefe eine teleologische Reduktion dem Zweck einer Gerichtsstandsvereinbarung, einen verlässlichen Gerichtsstand für potenzielle Streitigkeiten im Voraus zu bestimmen, zuwider. Denn ex ante könne nicht zuverlässig prognostiziert werden, ob ein Sachverhalt grenzüberschreitende Bezüge entwickelt oder existierende grenzüberschreitende Bezüge des Sachverhalts auch künftig bestehen bleiben.327 Bereits im Rahmen des Brüssel I-Übk hat auch der EuGH unter Verweis auf den Jenard-Bericht festgestellt, dass die Anwendung der Zuständigkeitsregeln einen Auslandsbezug verlangt und damit eine gewisse Klärung für die Rechtspraxis gebracht.328 Damit befürwortet auch der EuGH im Ergebnis eine teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs bei reinen Inlandssachverhalten. Allerdings ist er dabei eine weitergehende Begründung schuldig geblieben. An dieser Rechtsprechung hält der EuGH auch im Rahmen der Brüssel I-VO ausdrücklich fest.329 Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erfordert daher auch der Anwendungsbereich des Art. 23 Brüssel I-VO einen grenzüberschreitenden Bezug, was der EuGH nunmehr beiläufig bestätigte.330 Eine Antwort auf die Frage, wie ein reiner Inlandssachverhalt von einem Sachverhalt mit grenzüberschreitenden Bezug abzugrenzen ist, gibt der EuGH allerdings nicht.331

324

Rn. 6.

Dies zugestehend: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO

325 Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (139); Frauenberger-Pfeiler, in: Festschrift Rechberger, S. 125 (134 ff.). 326 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 104; Aull, IPRax 1999, 226 (227); siehe auch: Kropholler/von Hein, vor Art. 2 EuGVO Rn. 7, der aufgrund dieser Abgrenzungsschwierigkeiten zumindest davon absieht, eine Auslandsberührung als selbstständige Anwendungsvoraussetzung für die gesamte Brüssel I-VO zu fordern. 327 Frauenberger-Pfeiler, in: Festschrift Rechberger, S. 125 (129); Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 39; dies zugestehend: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 23. 328 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 25 unter Verweis auf den Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (8). 329 EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 29. 330 EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 17. 331 Dazu sogleich ausführlich unter Teil 2, § 7, A.IV.2.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

b) Ausschluss von Drittstaatensachverhalten Vor allem im Rahmen des Brüssel I-Übk wurde vielfach vertreten, dass zur Anwendung der Gerichtsstandsregelung nicht jede Art einer Auslandsberührung genüge, sondern der Auslandsbezug gerade zu einem anderen Vertragsstaat bestehen müsse.332 Dieser Ansicht ist auch überwiegend die gerichtliche Praxis der Vertragsstaaten gefolgt.333 Als Hauptargument diente insofern der Regelungszweck des Brüssel I-Übk, welcher darin zu sehen sei, „innerhalb der Gemeinschaft den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen zu verstärken“, wie dies auch in der Präambel zum Brüssel I-Übk dokumentiert wird und die Entstehungsgeschichte des Übereinkommens zeige.334 Dass der Wortlaut des Art. 17 Brüssel I-Übk zu weit geraten sei und entsprechend dem Regelungszweck korrigiert werde müsse, werde schließlich ja bereits durch den Umstand verdeutlicht, dass von ihm sogar reine Inlandssachverhalte erfasst sind.335 Bereits im Geltungsbereich des Brüssel I-Übk mehrten sich jedoch auch zunehmend die Stimmen, welche die gesteigerten Anforderungen an den Auslandsbezug ablehnten.336 So zeige sich in der zunehmenden Europäisierung des Internationalen Verfahrens- und Privatrechts, dass die generelle Entwicklung dieses Rechtsgebiets stärker auf eine umfassende Rechtsvereinheitlichung gerichtet ist, als ausschließlich die innergemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen zu reglementieren, selbst wenn dies bei der Abfassung des Brüssel I-Übk im Vordergrund gestanden haben mag.337 Überdies regele das Brüssel I-Übk in seiner Zuständigkeitsordnung „die Art und Intensität der Verbindung der Parteien oder des Rechtsstreits zu den Vertragsstaaten ausdrücklich und sehr dezidiert“, was grundsätzlich gegen die 332

Samtleben, NJW 1974, 1590 (1593 f.); Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (690); Piltz, NJW 1979, 1071 (1072); Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 143; Baumgärtel, in: Festschrift Kegel, S. 285 (292 f.); Kohler, IPRax 1983, 265 (266); F. Sandrock, Vereinbarung eines neutralen internationalen Gerichtsstandes, S. 275. 333 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6376; Bsp. aus der dt. Rspr.: BGH NJW 1986, 1438 (1439); BGH NJW 1989, 1431 (1432); BGH NJW 1993, 1070 (1071); BGH NJW 1997, 397 (398); OLG Düsseldorf NJW 1991, 1492; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1145 (1146); OLG München IPRax 1991, 46 (47); OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 567 (568); OLG Saarbrücken NJW 2000, 670; zum LugÜ 1988: OLG Hamm IPRax 1999, 244 (245); a.A.: OLG München RIW 1989, 901. 334 OLG München IPRax 1991, 46 (47 f.); Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 144; Baumgärtel, in: Festschrift Kegel, S. 285 (292); vgl. auch OLG Hamm IPRax 1999, 244 (245). 335 Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (700). 336 Geimer, IPRax 1991, 31 ff.; Kropholler, in: Festschrift Ferid, S. 239 (242); CoesterWaltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (109 ff. und 112); Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, ZZPInt 6 (2001), 3 (18); M. Gebauer, ZEuP 2001, 943 (953 f.); Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (139 f.); Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (481); Franzen, RIW 2000, 81 (83); Jayme, in: Europäisches Kollisionsrecht, S. 33 (39). 337 Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (139 f.); Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (481); CoesterWaltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (109); vgl. auch Geimer, IPRax 1991, 31 (34), und Kropholler, in: Festschrift Ferid, S. 239 (242).

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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Schaffung von ungeschriebenen Voraussetzungen spräche, zumal das Brüssel I-Übk für zwingend erforderlich erachtete Berührungen zu einem anderen Vertragsstaat an anderer Stelle auch explizit benenne.338 Ferner ginge mit der Einführung dieser zusätzlichen ungeschriebenen Anwendungsgrenze eine komplizierte Rechtsanwendungsprozedur einher, welche einem klaren und überschaubaren Zuständigkeitsrecht entgegenstünde.339 Diese umständliche Prüfung konterkariere insbesondere das definitionsgemäße Ziel einer Gerichtsstandsvereinbarung, verlässliche und vorhersehbare Zuständigkeiten für zukünftige Streitigkeiten zu bestimmen.340 Der EuGH bezog ebenfalls in dieser Diskussion Stellung, wenn auch nicht ausdrücklich zur Regelung der Gerichtsstandsvereinbarung.341 So entschied er in der Rechtssache Group Josi, dass die Zuständigkeitsvorschriften des Brüssel I-Übk auch auf einen Rechtsstreit grundsätzlich anwendbar seien, in dem der Kläger in einem Drittland ansässig ist, solange der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat.342 Für den Anwendungsbereich des Art. 2 Brüssel I-Übk bestätigte der EuGH in der Rechtssache Owusu die vorgenannte Entscheidung, indem er klarstellte, dass der Auslandsbezug des fraglichen Rechtsverhältnisses nicht zwingend daraus resultieren müsse, „dass durch den Grund der Streitigkeit oder den jeweiligen Wohnsitz der Parteien mehrere Vertragsstaaten mit einbezogen sind“.343 Als maßgebliche Argumente führte der EuGH insofern den Wortlaut und die Systematik der Zuständigkeitsregelungen des Brüssel I-Übk an.344 Ferner könne bereits das alleinige Bestehen eines Auslandsbezugs Fragen hinsichtlich der Festlegung der internationalen Zuständigkeit aufwerfen.345 Hierdurch können sich im Falle einer unterschiedlichen Handhabung durch nationale Zuständigkeitsvorschriften Schwierigkeiten bei der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen ergeben, sodass bereits die Rechtsvereinheitlichung der

338 Coester-Waltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (109), welche insofern exemplarisch auf Art. 5 und 6 Brüssel I-Übk verweist. 339 M. Gebauer, ZEuP 2001, 943 (953); Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, ZZPInt 6 (2001), 3 (12); Geimer, IPRax 1991, 31 (32). 340 Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, ZZPInt 6 (2001), 3 (14). 341 In der Rechtssache Coreck (EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 17) stellte der EuGH lediglich fest, dass die ausdrücklich in Art. 17 Brüssel I-Übk genannten Voraussetzungen für den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich als „Genauigkeitserfordernisse“ zu interpretieren sind. Über die Frage, ob daneben noch andere ungeschriebene Voraussetzungen erfüllt sein müssen, hat er hingegen keine klare Aussage getroffen, a.A. wohl: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 4 (und dabei in Fn. 9); Czernich, wbl 2004, 458 (461); OLG Celle WM 2003, 325 (327). 342 EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 59. 343 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 26. 344 EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 37 ff.; EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 24 und 28. 345 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 26.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Zuständigkeitsvorschriften als solche durch das grundlegende Ziel des Brüssel IÜbk, die Freizügigkeit von Urteilen zu erleichtern, gedeckt sei.346 Mit der Überführung des Brüssel I-Übk in die Brüssel I-VO wurde die Diskussion nachhaltig beeinflusst und teilweise durch weitere Argumente bereichert. Insbesondere sei mit dem Wegfall des zweiten Absatzes der Präambel des Brüssel I-Übk die letzte Stütze im Normtext für das Erfordernis eines Vertragsstaatenbezugs ersatzlos gestrichen worden.347 Nun dokumentiere der Normtext in den Erwägungsgründen Nr. 2 und 8 zur Brüssel I-VO vielmehr eindeutig das Ziel einer umfassenden Vereinheitlichung des Zuständigkeitsrechts ohne jedwede Beschränkung auf den innergemeinschaftlichen Rechtsverkehr.348 Überdies belege auch der neugefasste Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-VO, dass die Regelung des Art. 23 Brüssel I-VO auch dann anwendbar sei, wenn kein weiterer Bezug zu einem Mitgliedstaat vorliegt.349 Diese Veränderungen und die bereits bekannten Argumente, welche dem weiteren Erfordernis eines innergemeinschaftlichen Bezugs fehlende Praktikabilität und erhebliche Rechtsunsicherheit attestieren,350 führten zusammen mit der Rechtsprechung des EuGH letztlich dazu,351 dass die herrschende Meinung im Rahmen der Brüssel I-VO weitere territoriale Anforderungen an den Auslandsbezug ablehnt.352 Sogar einige ehemalige Befürworter eines solchen innergemeinschaftlichen Bezugs konnten somit umgestimmt werden.353 Diese herrschende Meinung wird schließlich auch durch die Rechtsprechung des EuGH zur Brüssel I-VO gestützt, welche ausdrücklich die bisherige Rechtsprechung aufrechterhält, indem zwar ein Auslandsbezug für 346

EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 33 f. Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 5a; Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224 (225); M. Gebauer, ZEuP 2001, 943 (954). 348 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 16; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 5a; Mankowski, RIW 2005, 561 (564); Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224 (225); von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 213; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6378; M. Gebauer, ZEuP 2001, 943 (954); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 30; Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (325). 349 Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (327 f.); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 16. 350 Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224 (224 f.); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 5 f.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 112 ff.; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 17. 351 OLG Celle WM 2003, 326 (327); Junker, IZPR, § 8 Rn. 25; Mankowski, RIW 2005, 561 (564); Czernich, wbl 2004, 458 (461). 352 BGH NJW-RR 2005, 1593 (1594); Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 2; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 5; Stein/ Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 15 f.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 111 ff. und Art. 23 EuGVVO Rn. 29 f.; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 9; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6376 ff.; Boccafoschi, Zuständigkeits- und Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 85 ff.; Mark/Gärtner, MDR 2009, 837 (839); Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, ZZPInt 6 (2001), 3 (18); Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224 (224 f.); Mankowski, RIW 2005, 561 (564); Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (325); Pabst, in: EuZPR, S. 199 (205). 353 So etwa: Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (349 f.); Piltz, NJW 2002, 789 (790). 347

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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erforderlich gehalten wird, dieser jedoch nicht zwingend zu einem anderen Mitgliedstaat bestehen muss.354 2. Stellungnahme Mit der herrschenden Meinung ist die teleologische Reduktion des räumlichpersönlichen Anwendungsbereichs bei reinen Inlandssachverhalten zu befürworten und der Ausschluss von Drittstaatensachverhalten abzulehnen. Zwar erscheint es äußerst fragwürdig, dass der Verordnungsgeber bei der Formulierung des Art. 23 Brüssel I-VO die hier befürwortete Einschränkung des Anwendungsbereichs übersehen hat, da ihm die Diskussion über die teleologische Reduktion bereits aus dem Brüssel I-Übk bekannt gewesen sein müsste und sich mit Art. 2 des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen von 1965 oder Art. 1 Abs. 1 des Rom I-Übk Vorbilder für eine entsprechende gesetzliche Einschränkung hätten finden lassen können. Angesichts des weitreichenden normativen Gestaltungsspielraums erscheint es jedoch nicht überzeugend, darin ein kaum mit der teleologischen Reduktion des Art. 23 Brüssel I-VO vereinbares „beredtes Schweigen“ des Verordnungsgebers zu erblicken. Vielmehr ist Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO grundsätzlich einer teleologischen Reduktion zugänglich. Der entscheidende Grund für die teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs ist dabei in der Ermächtigungsgrundlage des Art. 65 EGV bzw. des Art. 81 AEUV zu sehen. Zugunsten der mitgliedstaatlichen Souveränitätsinteressen kann der Verordnungsgeber hiernach nämlich nur in „Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug“ Maßnahmen erlassen. Dies wiederum erfordert einen tatsächlichen und unmittelbaren Auslandsbezug.355 Eine wortlautgetreue Anwendung des Art. 23 Brüssel I-VO bei einem „reinen Inlandssachverhalt“ würde somit zu einem Verstoß gegen die kompetenzrechtlichen Vorgaben führen, obwohl die Ermächtigungsgrundlage in Erwägungsgrund Nr. 3 zur Brüssel I-VO noch hervorgehoben und dessen Beachtung damit bei der teleologischen Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften offen eingefordert wird.356 Angesichts der Kompetenzbeschränkung in Art. 65 EGV bzw. in Art. 81 AEUV sind zudem die mit einer teleologischen Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 23 Brüssel I-VO verbundenen praktischen Schwierigkeiten für den Rechtsanwender hinzunehmen, obschon diese dem in Erwägungsgrund Nr. 11 zur Brüssel IVO dokumentierten Prinzip der Rechtssicherheit im europäischen Zuständigkeitsrecht zuwiderlaufen.357 354 EuGH-Gutachten 1/03, Slg. 2006, I-1145, Rn. 144 f.; EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 29 ff.; EuGH, Urt. v. 19. 7. 2012 (Mahamdia), Rs. C-154/11, ECLI:EU:C:2012:491, Rn. 39 f. 355 Dazu ausführlich oben unter Teil 1, § 2, C.II. 356 Zur Auslegung des EuZVR ausführlich oben unter Teil 1, § 2, C.III. 357 Zum Prinzip der Rechtssicherheit ausführlich oben unter Teil 2, § 6, B. A.A.: Geimer, in Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 104 und 112, welcher jedoch entgegen der h.M.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Da die Ermächtigungsgrundlage allerdings keine zusätzlichen territorialen Anforderungen an den grenzüberschreitenden Bezug stellt und das kompetenzrechtliche Erfordernis des Binnenmarktbezugs ebenso wenig zu einer weitergehenden territorialen Kompetenzbeschränkung führt,358 kann Art. 23 Brüssel I-VO bei einem Drittstaatensachverhalt Anwendung finden. Die mit einer teleologischen Reduktion einhergehenden Einbußen an Rechtssicherheit können daher nicht mit kompetenzrechtlichen Erwägungen gerechtfertigt werden. Auch die historische Auslegung des Art. 23 Brüssel I-VO spricht nicht für eine teleologische Reduktion. Zwar existierte bei Abfassung der Brüssel I-Übk der Regelungszweck, „innerhalb der Gemeinschaft den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen zu verstärken“, was grundsätzlich für den Ausschluss von „Drittstaatensachverhalten“ spricht.359 Jedoch wäre es mit Blick auf die voranschreitende europäische Rechtsvereinheitlichung geradezu anachronistisch, den bei Abfassung des Brüssel I-Übk existierenden Regelungszweck unbesehen in die heutige Auslegung zu übertragen.360 Dementsprechend findet sich heute in den Erwägungsgründen eben auch kein Hinweis mehr darauf, dass nur der innergemeinschaftliche Rechtsverkehr geregelt werden soll. Vielmehr sprechen die Erwägungsgründe Nr. 2 und 8 zur Brüssel I-VO für das Ziel einer umfassenden Vereinheitlichung des Zuständigkeitsrechts und gegen den Ausschluss von Drittstaatensachverhalten.361 3. Qualitative Anforderungen an zuständigkeitsrelevanten Auslandsbezug Folgt man zu Recht der Auffassung, welche Art. 23 Brüssel I-VO bei reinen Inlandssachverhalten im Wege der teleologischen Reduktion nicht für anwendbar hält, ist weiterhin diskussionswürdig, welche Anforderungen an den für die Anwendbarkeit des Art. 23 Brüssel I-VO erforderlichen grenzüberschreitenden Bezug zu stellen sind. Im Wesentlichen ist damit also die Frage zu klären, welche qualitativen Anforderungen der erforderliche Auslandsbezug erfüllen muss, damit nicht mehr von einem reinen Inlandssachverhalt gesprochen werden kann.362 zu Recht darauf hinweist, dass das Prinzip der Rechtssicherheit eben nicht nur gegen den Ausschluss von Drittstaatensachverhalten angeführt werden kann. 358 Dazu ausführlich oben unter Teil 1, § 2, C.II. In diesem Sinne führt auch der EuGH in der Rechtssache Owusu aus, dass bereits die Vereinheitlichung der Zuständigkeitsvorschriften für Rechtsstreitigkeiten mit bloßem Auslandsbezug geeignet sind, Hemmnisse für das Funktionieren des Binnenmarktes zu beseitigen, EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 34. 359 So ausdrücklich die Präambel des Brüssel I-Übk. 360 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6377; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (139 f.); Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (481); Coester-Waltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (108 f.); Geimer, IPRax 1991, 31 (34). 361 Statt aller: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 16; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 5a. 362 Vgl. etwa Czernich, wbl 2004, 458 (461).

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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Soweit insofern im Schrifttum überhaupt Stellung bezogen wird, bestehen auch hier mitunter verschiedene Ansichten. Haben die an einer Gerichtsstandsvereinbarung beteiligten Parteien ihren jeweiligen Wohnsitz in verschiedenen Staaten, wobei gemäß Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO zumindest einer der Staaten ein Mitgliedstaat sein muss, wird einheitlich der zuständigkeitsrelevante Auslandsbezug angenommen und damit Art. 23 Brüssel I-VO angewendet.363 Diese allgemeine Ansicht wird zudem durch die bereits angeführte Definition des reinen Inlandssachverhalts bestätigt, welche eben voraussetzt, dass die beteiligten Parteien ihren Wohnsitz in demselben Mitgliedstaat haben.364 Sobald die Parteien jedoch beide ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben und ein Gericht dieses Mitgliedstaats – sog. „interne Gerichtsstandsvereinbarungen“ – oder eines anderen Mitgliedstaats – sog. „grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarungen“ – für zuständig erklären, wird die Frage nach den qualitativen Anforderungen an den Auslandsbezug bereits nicht mehr einheitlich beantwortet.365 a) Interne Gerichtsstandsvereinbarungen In der Konstellation einer internen Gerichtsstandsvereinbarung sieht eine Ansicht den erforderlichen grenzüberschreitenden Bezug nur dann als gegeben an, wenn durch die Gerichtsstandsvereinbarung zumindest eine andere nach der Brüssel I-VO vorgesehene mitgliedstaatliche Zuständigkeit derogiert wird.366 Insofern wurde vor allem in der Vergangenheit vielfach die einprägsame Formel genutzt, dass das forum prorogatum und ein forum derogatum in verschiedenen Mitgliedstaaten liegen müssen.367 Denn die „Internationalität einer Gerichtsstandsvereinbarung“ und somit die Qualität des grenzüberschreitenden Bezugs müsse immer im Zusammenhang mit den verschiedenen Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO beurteilt werden.368 Im Einklang mit den gewandelten Ansichten bezüglich der territorialen Anforderungen an den grenzüberschreitenden Bezug wird es mittlerweile allerdings zunehmend als ausreichend angesehen, wenn die Parteien durch die Prorogation einer mitgliedstaatlichen Zuständigkeit gleichzeitig eine drittstaatliche Zuständigkeit

363 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 2; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 3; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 113. 364 So etwa ausdrücklich Stein/Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 7. 365 Instruktiv: Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (356 ff.). 366 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6375; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 4; Musielak/Voit/Stadler, Art. 23 EuGVVO Rn. 1; Kohler, IPRax 1983, 265 (266); Mankowski, NZA 2009, 584 (586); Burgstaller/Neumayr, in: Festschrift Schlosser, S. 119 (123); Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 149 f. 367 Vgl. etwa: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 7; Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (691); Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (481); M. Gebauer, ZEuP 2001, 943 (952). 368 Kohler, IPRax 1983, 265 (266); Burgstaller/Neumayr, in: Festschrift Schlosser, S. 119 (123).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

derogieren.369 Die besagte Formel wäre somit dahingehend zu ändern, dass es genügen würde, wenn das forum prorogatum und ein forum derogatum in verschiedenen Staaten liegen. Diese wohl herrschende Meinung ist jedoch verschiedentlich kritisiert worden. Obschon die Gegner der besagten Formel gelegentlich eine gewisse Sinnhaftigkeit attestieren, weisen diese jedoch auch auf die erheblichen Schwierigkeiten bei der Anwendung der Formel in der Rechtspraxis hin.370 So versage die Formel bereits dann, wenn abweichend vom gesetzlich vermuteten Regelfall des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Brüssel I-VO eine fakultative Gerichtsstandsvereinbarung von den Parteien getroffen werde, d. h. lediglich ein zusätzlicher Gerichtsstand vereinbart würde, ohne dass es zur Derogation eines Forums käme.371 Überdies bestünde das Problem, dass die Befürworter dieser Formel mit der Derogation einer mitglied- oder drittstaatlichen Zuständigkeit die Rechtsfolge einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung zur Voraussetzung derselben verkehrten.372 Ferner würde das angerufene Gericht allein für die Vorfrage der räumlich-persönlichen Anwendbarkeit des Art. 23 Brüssel I-VO zu einer angesichts der möglichen Tat- und Rechtsfragen mitunter umfangreichen Prüfung von Zuständigkeitsvorschriften verpflichtet, was im Hinblick auf die Intention des Verordnungsgebers, im Interesse der Rechtssicherheit eindeutige und leicht feststellbare Zuständigkeitsvorschriften zu schaffen, nicht überzeugen könne.373 Die Konsequenz, welche für die hier interessierende Frage der Qualität des Auslandsbezugs aus dieser Kritik gezogen wird, variiert jedoch. So wird die Kritik teilweise zum Anlass genommen, interne Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich als reine Inlandssachverhalte vom räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-VO auszunehmen.374 Demgegenüber wird gelegentlich bereits das Bestehen einer weiteren mitglied- oder drittstaatlichen Zuständigkeit als ausreichend angesehen.375 Vereinzelt will man aber auch das Vorliegen des grenzüberschreitenden Bezugs davon abhängig machen, ob die Gerichtsstandsvereinbarung „international wirke“.376 Schließlich wird verschiedentlich die Absolutheit der besagten Formel aufgeweicht, indem man den grenzüberschreitenden Bezug nicht nur bei der Derogation eines ausländischen Gerichtsstands als gegeben ansieht, 369 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 2 ff.; Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, ZZPInt 6 (2001), 3 (9). 370 Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (691). 371 Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (691); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 124; wohl auch Frauenberger-Pfeiler, in: Festschrift Rechberger, S. 125 (130). 372 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 124. 373 Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (357); Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (691). 374 Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 345 (357); Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (693); Czernich, wbl 2004, 458 (462); Baumgärtel, in: Festschrift Kegel, S. 285 (292). 375 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 123 f. 376 Frauenberger-Pfeiler, in: Festschrift Rechberger, S. 125 (130).

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sondern auch dann, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt Tatsachen enthält, welche die Anknüpfungspunkte einer internationalen Zuständigkeit nach der Brüssel I-VO begründen könnten.377 Obschon sich der EuGH mehrfach auf die bloße Feststellung des Vorliegens eines Auslandsbezugs beschränkte,378 hat er in verschiedenen Entscheidungen auch ausführlichere Aussagen getroffen.379 So könne der erforderliche Auslandsbezug daraus resultieren, „dass die in einem Rechtsstreit in Rede stehende Situation Fragen hinsichtlich der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte aufwerfen kann“.380 Ferner sei „zwischen der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Zuständigkeitsvorschriften dieser Verordnung Anwendung beanspruchen, und der Frage, nach welchen Kriterien sich die internationale Zuständigkeit gemäß diesen Regeln richtet, zu unterscheiden“.381 In der vom EuGH zu entscheidenden Situation konnte daher sogar die Staatsangehörigkeit des Beklagten zur Bejahung des erforderlichen grenzüberschreitenden Bezugs führen, obwohl dieser als Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO keinerlei Bedeutung zukommt.382 Darin widerspricht der EuGH den Teilen des Schrifttums, welche gerade aus den Anknüpfungskriterien der internationalen Zuständigkeitsvorschriften Rückschlüsse für deren Anwendungsvoraussetzungen ziehen.383 b) Grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarungen Der EuGH hatte bisher noch nicht die Gelegenheit über den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-VO in einer Konstellation zu entscheiden, in der zwei im selben Mitgliedstaat wohnhafte Parteien die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen mitgliedstaatlichen Gerichts vereinbaren. Nach der soeben genannten und von der wohl herrschenden Meinung genutzten Formel kommt man allerdings in einer solchen Konstellation zwanglos zur Anwendbarkeit des Art. 23 Brüssel I-VO, da zumindest die allgemeine Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 1 377

Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 6a; von Hoffmann/ Thorn, § 3 Rn. 210 und 214; wohl auch Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1865 und 1871; a.A.: Stein/ Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 22 f. 378 So etwa: EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 17. 379 EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 29 ff.; EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 25 f. 380 EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 30 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 26. 381 EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 31. 382 EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 31 ff. mit Anm. von Grimm, GPR 2012, 87 ff.; zur Ablehnung der internationalen Staatsangehörigenzuständigkeit: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 8 ff. 383 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 113 f. m.w.N.; wohl auch: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6375.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Brüssel I-VO am Wohnsitz der beteiligten Parteien derogiert wird.384 Demgemäß wird vielfach die bloße Vereinbarung eines vom gemeinsamen Wohnsitzstaat der Parteien verschiedenen mitgliedstaatlichen Gerichts als hinreichender grenzüberschreitender Bezug erachtet.385 Zur Begründung wird auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO und dessen Zweck verwiesen, Gerichtsstandsvereinbarungen im Binnenmarkt einheitlich zu beurteilen.386 Die grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarung sei außerdem hinreichendes Indiz für den erforderlichen Auslandsbezug des zugrunde liegenden Sachverhalts.387 Diese Auffassung kann sich schließlich auch auf den Jenard-Bericht stützen, der die Gerichtsstandsregelung des Art. 17 Brüssel I-Übk auch in der Konstellation einer grenzüberschreitenden Gerichtsstandsvereinbarung für anwendbar erklärt.388 Demgegenüber spricht der Schlosser-Bericht davon, dass der zur Anwendung erforderliche internationale Bezug „allein durch die Wahl eines Gerichts eines bestimmten Staates keinesfalls hergestellt werden kann“.389 Dementsprechend wird vertreten, dass in dieser Konstellation eben nicht notwendigerweise ein hinreichender Auslandsbezug vorliege und vielmehr neben der grenzüberschreitenden Gerichtsstandsvereinbarung ein weiterer internationaler Bezug erforderlich sei.390 Insofern sei der Gedanke des Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO übertragbar, welcher als „inhärente und europa-einheitliche Aussage“ Art. 23 Brüssel I-VO innewohnt und Missbrauch vorbeugen solle, was letztlich auch durch die Regelung des Art. 1 Abs. 2 HGÜ bestätigt werde.391 Gelegentlich wird aber auch in der Konstellation der grenzüberschreitenden Gerichtsstandsvereinbarung eine andere Begründung für die Anwendbarkeit des Art. 23 Brüssel I-VO vorgeschlagen. Dieser habe nämlich eine besondere Stellung innerhalb der von der Brüssel I-VO geschaffenen Zuständigkeitsordnung, da der 384

Aull, Geltungsanspruch des EuGVÜ, S. 126; Aull, IPRax 1999, 226 (228). Musielak/Voit/Stadler, Art. 23 EuGVVO Rn. 1; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 2; Burgstaller/Neumayr, in: Festschrift Schlosser, S. 119 (123); Kohler, IPRax 1983, 265 (266); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6375; Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (358); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 19; Schack, IZVR, § 9 Rn. 527 und 530; Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (324 f.); Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (139); Czernich, wbl 2004, 458 (462); Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1869; Aull, IPRax 1999, 226 (227). 386 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 19. 387 Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (358). 388 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (38). 389 Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (123), Rn. 174. 390 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 6b; Mankowski, RIW 2005, 561 (567); Thole, ZZP 122 (2009), 423 (443 ff.); OGH, JBl 2004, 187; OLG Hamm, IPRax 1999, 244 (245); ähnlich bereits Baumgärtel, in: Festschrift Kegel, S. 285 (298 f.), der jedoch auf den Schutzzweck des § 38 ZPO abstellt und ein zusätzliches sachliches Interesse der Parteien für die grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarung fordert. 391 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 6b; a.A.: Burgstaller/Neumayr, in: Festschrift Schlosser, S. 119 (124); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 19. 385

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Regelung die Parteiautonomie als „europäischer Rechtswert“ immanent sei und diese Autonomie die Internationalität selbstständig begründe, zumindest aber einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs entgegenstehe.392 c) Stellungnahme Soweit sich der zuständigkeitsrelevante Auslandsbezug nicht aus dem Wohnsitz der beteiligten Parteien ergibt, ist eine abschließende und prägnante Beschreibung der erforderlichen qualitativen Anforderungen für alle denkbaren Konstellationen schwierig. Denn auch bei der Frage nach den qualitativen Anforderungen sind die für die teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs maßgebenden Erwägungen zu beachten, wobei diese teilweise in Widerstreit zueinander stehen. Zum einen kann für die Bejahung des Auslandsbezugs nicht jedes beliebige Moment genügen,393 da sonst dem kompetenzrechtlichen Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs keine bedeutsame Beschränkungsfunktion mehr zukäme.394 Angesichts der mitgliedstaatlichen Souveränitätsinteressen kann dies aber nicht gewollt sein. Zum anderen dürfen die qualitativen Anforderungen nicht zu hoch angesetzt werden, um das vor allem in Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO zum Ausdruck gebrachte kompetenzrechtliche Ziel des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts zu erreichen.395 Mit Blick auf das Prinzip der Rechtssicherheit im europäischen Zuständigkeitsrecht sollten schließlich die qualitativen Anforderungen nicht zu umfangreichen tatsächlichen und rechtlichen Prüfungspflichten für den Rechtsanwender führen. Vielmehr muss Art. 23 Brüssel I-VO trotz der erforderlichen teleologischen Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs „in hohem Maße vorhersehbar“ bleiben.396 Berücksichtigt man dies, so überzeugt allein die relativ allgemein gehaltene Umschreibung der Mindestanforderungen an den Auslandsbezug durch den EuGH, welcher es insofern als ausreichend erachtet, wenn „die in einem Rechtsstreit in Rede stehende Situation Fragen hinsichtlich der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte aufwerfen kann“.397 Denn durch das Fordern konkreter Umstände wird einerseits das kompetenzrechtliche Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs hinreichend berücksichtigt. Da aber bereits die Möglichkeit von 392 Aull, Geltungsanspruch des EuGVÜ, S. 128 f.; Jayme, in: Europäisches Kollisionsrecht, S. 33 (39); Frauenberger-Pfeiler, in: Festschrift Rechberger, S. 125 (134 ff.); zum LugÜ 1988: Aull, IPRax 1999, 226 (228 f.). 393 So im Ausgangspunkt auch Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (689). 394 Siehe oben unter Teil 1, § 2, C.II.2. 395 Siehe etwa: von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 213. 396 Erwägungsgrund Nr. 11 zur Brüssel I-VO. 397 EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 30 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 01. 03. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 26.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Fragen bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit genügt, werden andererseits keine zu hohen Anforderungen an die Qualität des Auslandsbezugs gestellt, sodass das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts durch einen weiten Anwendungsbereich gewährleistet wird und im Interesse der Rechtssicherheit umfangreiche tatsächliche und rechtliche Prüfungspflichten für den Rechtsanwender vermieden werden. Gegen die von der wohl herrschenden Meinung genutzte Formel, dass das forum progatum und ein forum derogatum in verschiedenen Mitgliedstaaten beziehungsweise Staaten liegen, sprechen die dadurch hervorgerufenen umfangreichen Prüfungspflichten. Der Rechtsanwender müsste nämlich stets das konkrete Vorliegen einer anderen internationalen Zuständigkeit nach den Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO oder anhand nationaler Zuständigkeitsvorschriften rechtlich und tatsächlich prüfen. Überdies spricht die aufgezeigte Schwäche bei einer fakultativen Gerichtsstandsvereinbarung gegen die besagte Formel, zumal es auch rechtsdogmatisch fragwürdig ist, die derogative Wirkung als Rechtsfolge einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung zur Anwendungsvoraussetzung derselben zu erklären.398 Die hiernach für den zuständigkeitsrelevanten Auslandsbezug erforderlichen Fragen stellen sich vordergründig natürlich immer dann, wenn mit dem Wohnsitz der beteiligten Parteien oder aufgrund des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts verschiedene zuständigkeitsrechtliche Anknüpfungspunkte der Brüssel IVO erfüllt sein können. Daneben sind entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber auch Konstellationen denkbar, in denen ohne zuständigkeitsrelevante Anknüpfungspunkte die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit fraglich sein kann.399 Nach der hier vertretenen Auffassung bestünde in der Konstellation der internen Gerichtsstandsvereinbarung ein hinreichender Auslandsbezug immer dann, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt Tatsachen enthält, welche das Vorliegen einer weiteren internationalen Zuständigkeit als möglich erscheinen lassen. Eine Derogation dieser möglichen internationalen Zuständigkeit durch die Gerichtsstandsvereinbarung ist dabei nicht erforderlich. In der Konstellation einer grenzüberschreitenden Gerichtsstandsvereinbarung liegt der hinreichende Auslandsbezug bereits in der konkreten Zuständigkeitsvereinbarung. Denn hierdurch wird bereits die Frage aufgeworfen, ob darin eine wirksame Bestimmung der internationalen Zuständigkeit – nämlich die des Art. 23 Brüssel I-VO – gesehen werden kann. Dagegen spricht insbesondere nicht die gelegentlich angeführte und vor allem auf den Schlosser-Bericht gestützte historische Auslegung des Art. 23 Brüssel I-VO. Denn der Schlosser-Bericht widerspricht bei dieser Frage dem Jenard-Bericht, ohne diesen Widerspruch durch eine Bezugnahme auf das angeblich veraltete Verständnis aufzulösen. Vielmehr verweist der zeitlich jüngere Schlosser-Bericht bei der Frage 398 399

So bereits: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 124. EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 31 ff.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs sogar auf den Jenard-Bericht,400 sodass die mittels der Materialien grundsätzlich mögliche historische Auslegung letztlich ergebnislos bleibt.401 Schließlich würde das Fordern weiterer Auslandsbezüge neben der Zuständigkeitswahl nicht nur dem Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO widersprechen, sondern auch der besonderen Bedeutung des Art. 23 Brüssel I-VO als Gewährleistung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie zuwiderlaufen.402 Der kompetenzrechtlich erforderliche grenzüberschreitende Bezug wird vielmehr bereits durch den Umstand hergestellt, dass im konkreten Sachverhalt eine Gerichtsstandsvereinbarung existiert. Verkürzt bedeutet dies, dass die Parteiautonomie die erforderliche Internationalität selbstständig begründet, sodass den Vertretern dieser Auffassung im Ergebnis zugestimmt werden kann.403 4. Konsequenzen für die praktische Anwendung Obwohl die herrschende Meinung und der EuGH die teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs befürworten und die qualitativen Anforderungen an den zuständigkeitsrelevanten Auslandsbezug eine gewisse Klärung durch den EuGH erfahren haben, bleiben die konkreten Konsequenzen für die praktische Anwendung des Art. 23 Brüssel I-VO ungewiss. Die Realisierung der teleologischen Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs ist grundsätzlich auf zwei verschiedenen Wegen denkbar. Einerseits kann in den Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO die ungeschriebene Anwendungsvoraussetzung eines grenzüberschreitenden Bezugs hineingelesen werden.404 Andererseits kann entsprechend der Regelung des Art. 1 Abs. 2 HGÜ der reine Inlandssachverhalt als ein ungeschriebener Ausnahmetatbestand des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs verstanden werden. Da der „reine Inlandssachverhalt“ bekanntlich negativ mit dem Fehlen eines zuständigkeitsrelevanten Auslandsbezugs umschrieben wird,405 geht es bei beiden Lösungswegen letztlich zwar sachlich um die gleiche Frage, nämlich ob ein hinreichender Auslandsbezug im konkreten Rechtsstreit besteht.406 Jedoch ergeben sich 400

Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (81), Rn. 21. Vgl. Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 68 f. 402 Siehe Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO. 403 Aull, Geltungsanspruch des EuGVÜ, S. 128 f.; Jayme, in: Europäisches Kollisionsrecht, S. 33 (39); Frauenberger-Pfeiler, in: Festschrift Rechberger, S. 125 (134 ff.); zum LugÜ 1988: Aull, IPRax 1999, 226 (228 f.). 404 In diese Richtung wohl: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6375; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 6; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1865 ff. 405 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 13; Stein/ Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 2. 406 Mülbert, ZZP (118) 2005, 313 (324). 401

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

bei den Lösungswegen Unterschiede bei der praktischen Anwendung des Art. 23 Brüssel I-VO. Während man bei einer ungeschriebenen Voraussetzung stets prüfen und positiv feststellen müsste, dass ein grenzüberschreitender Bezug besteht, kann man es bei einem ungeschriebenen Ausnahmetatbestand grundsätzlich bei den ausdrücklich genannten Anwendungsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Brüssel IVO bewenden lassen und wäre nur ausnahmsweise verpflichtet, den „reinen Inlandssachverhalt“ positiv festzustellen. Angesichts des klaren Wortlauts von Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO und dem Ziel, dass die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO in hohem Maße vorhersehbar sind, erscheint die Lösung eines ungeschriebenen Ausnahmetatbestands vorzugswürdig. Zudem dürfte ein reiner Inlandssachverhalt – also ein Sachverhalt bei dem keine Tatsachen existieren, welche das Vorliegen einer weiteren internationalen Zuständigkeit als möglich erscheinen lassen – in der Praxis sicherlich nur ausnahmsweise vorliegen, sodass in der überwiegenden Vielzahl der Fälle die klar formulierten Anwendungsvoraussetzungen des Art. 23 Brüssel I-VO abschließend verstanden werden können. V. Teleologische Extension 1. Problembeschreibung und Meinungsstand Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO setzt voraus, dass die Parteien mit der Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats wählen.407 Nach dem Wortlaut fällt somit die Prorogation eines drittstaatlichen Gerichts nicht in den Anwendungsbereich von Art. 23 Brüssel I-VO, selbst wenn damit eine Zuständigkeit nach der Brüssel I-VO derogiert wird.408 Ebenso wird eine sog. isolierte Derogation, also eine bloße Zuständigkeitsabwahl eines mitgliedstaatlichen Gerichts, nicht vom Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Brüssel IVO erfasst.409 Im Hinblick auf die Derogationswirkung wird der Wortlaut jedoch vielfach zu eng empfunden und eine entsprechende Erweiterung von Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO gefordert.410 Dabei soll die Erweiterung durch eine analoge Anwendung des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO rechtsmethodisch umgesetzt werden.411 407

Dazu oben unter Teil 2, § 7, A.II. Hess, EuZPR, § 6 Rn. 132; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6373; Schack, IZVR, § 9 Rn. 531; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 40; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 20; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 14; Franzen, RIW 2000, 81 (83); Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 147. 409 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 31; Schaper/Eberlein, RIW 2012, 43 (48). 410 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 3b und 7; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 37 f.; Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 41 ff.; Musielak/Voit/Stadler, Art. 23 EuGVVO Rn. 2; Schack, IZVR, § 9 Rn. 531; Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (353 ff.); Heinze/Dutta, 408

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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Während die Erweiterung bei einer isolierten Derogation mittlerweile als allgemein anerkannt gilt,412 wird eine solche zugunsten der Derogationswirkung bei drittstaatlichen Prorogationen zumindest de lege lata wohl überwiegend vom Schrifttum abgelehnt.413 Wird ein mitgliedstaatliches Gericht entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts angerufen, so sei die Derogationswirkung vielmehr durch das nationale Recht des abredewidrig angerufenen Gerichts (lex fori) zu beurteilen.414 Diese Vorgehensweise fand nicht nur Zustimmung in der deutschen, österreichischen und englischen Rechtsprechung.415 Auch der EuGH beurteilte in der Rechtssache Coreck die prorogative und derogative Wirkung einer drittstaatlichen Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich des Brüssel I-Übk nach dem nationalen Recht des abredewidrig angerufenen vertragsstaatlichen Gerichts.416 Dabei stützte er sich im Wesentlichen auf den SchlosserBericht, der die Derogation von Gemeinschaftsgerichten durch eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts nicht als prinzipiell unzulässig einstuft und mangels einschlägiger Regelungen im Brüssel I-Übk eine IPRax 2005, 224 (228); Schaper/Eberlein, RIW 2012, 43 (46 ff.); Rechberger/FrauenbergerPfeiler, ZZPInt 6 (2001), 3 (17). 411 Für die isolierte Derogation: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 31; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 146 ff.; für die Derogationswirkung drittstaatlicher Prorogationen: Schaper/Eberlein, RIW 2012, 43 (48); Schack, IZVR, § 9 Rn. 531; Schack, IPRax 1990, 19 (20); Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (354 ff.); Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 3b und 7. 412 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 141; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 14; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6373; Stein/ Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 31; Musielak/Voit/Stadler, Art. 23 EuGVVO Rn. 2; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 146 ff.; zweifelnd: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 15; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 38. 413 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 17; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 30; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 11; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6373; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 14; Kreuzer/Wagner, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Q. 2. Rn. 334; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 138 ff.; Coester-Waltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (112 f.); Hess, EuZPR, § 6 Rn. 132 f.; Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 147. 414 Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1915; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 14; Stein/ Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 30; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 17; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 6a; Kreuzer/Wagner, in: Dauses, EUWirtschaftsR, Q. 2. Rn. 334; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6373; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 11; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 133; Coester-Waltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (113); Schlosser, in: Festschrift Kralik, S. 287 (297 f.). 415 BGH NJW 1986, 1438 (1439); BGH NJW 1989, 1431 (1432); OLG München NJW 1987, 2166; OGH IPRax 2004, 261 (262 f.); Konkola Copper Mines plc v Coromin Ltd [2005] EWHC 898 (Commercial Court), Nr. 99. Weitere Hinweise auf die englische Rechtsprechung bei: Schaper/Eberlein, RIW 2012, 43 (45). 416 EuGH, Urt. v. 09. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 19.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Anwendung der lex fori befürwortet.417 Diese Auslegung des EuGH kann aus Gründen der Kontinuität auf Art. 23 Brüssel I-VO übertragen werden,418 sodass die beschriebene Diskussion um die Erweiterung des Anwendungsbereichs von Art. 23 Brüssel I-VO für die Praxis eigentlich als geklärt angesehen werden müsste.419 Dennoch verstummte die Forderung nach einer Erweiterung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO in der Folgezeit nicht, sodass eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Argumenten angezeigt ist. Da die Praxisrelevanz einer isolierten Derogation äußerst beschränkt ist und insofern die Anwendbarkeit des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO weithin bejaht wird, beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen hauptsächlich auf die analoge Anwendung des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO zur Beurteilung der Derogationswirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts.420 Sowohl Befürworter als auch Gegner einer analogen Anwendung des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO erachten im Einklang mit dem Schlosser-Bericht die mit einer drittstaatlichen Prorogation gegebenenfalls verbundene Derogation mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten nicht als prinzipiell unzulässig.421 Im Gegensatz zur Rechtsprechung des EuGH und zum wohl herrschenden Schrifttum scheidet nach den Befürwortern der Erweiterung des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO aber die Anwendung nationalen Rechts zumindest bei Personen aus, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, da nach Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO nur „vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung“ vom allgemeinen Gerichtsstand des Beklagtenwohnsitzes abgewichen werden könne.422 Um die Derogation mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten einheitlich zu beurteilen, komme daher lediglich eine analoge Anwendung des Art. 23 Brüssel I-VO in Betracht.423 Hierdurch würden nicht nur 417

Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (124), Rn. 176. Erwägungsgrund Nr. 19 zur Brüssel I-VO; EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 18 f.; EuGH, Urt. v. 25. 10. 2012 (Folien Fischer und Fofitec), Rs. C-133/11, ECLI:EU:C:2012:664, Rn. 31; EuGH, Urt. v. 16. 7. 2009 (Zuid-Chemie), Rs. C-189/08, Slg. 2009, I-6917, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Draka NK Cables u. a.), Rs. C-167/08, Slg. 2009, I-3477, Rn. 20. 419 So etwa Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 11; Kreuzer/Wagner, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Q. 2. Rn. 334; Briggs, Agreements on Jurisidiction, Rn. 7.98, und Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVVO Rn. 14, die jeweils zur Ablehnung einer Erweiterung des Art. 23 Brüssel I-VO auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Coreck verweisen. 420 Zur Praxisrelevanz: Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (353); Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (698); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 31. 421 Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, ZZPInt 6 (2001), 3 (16); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 30; Coester-Waltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (113). 422 Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224 (228); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 41; Schaper/Eberlein, RIW 2012, 43 (46); Schack, IZVR, § 9 Rn. 531. 423 Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (354); Musielak/Voit/Stadler, Art. 23 EuGVVO Rn. 2; Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224 (228); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brussel I-VO Rn. 3b. 418

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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kohärente Ergebnisse im Verhältnis zur isolierten Derogation erzielt,424 man erstreckte überdies zwanglos die in Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO enthaltenen Begrenzungen der Derogationswirkung auf drittstaatliche Gerichtsstandsvereinbarungen, sodass insoweit die ausschließlichen Zuständigkeiten nach Art. 22 Brüssel I-VO und die Schutzvorschriften der Art. 13, 17, und 21 Brüssel I-VO gewährleistet und einheitlich in den Mitgliedstaaten beurteilt würden.425 Insbesondere die Anwendung der Schutzvorschriften sei im Verhältnis zu Drittstaaten nämlich gerade von besonderer Bedeutung, da diese im Gegensatz zu den Mitgliedstaaten über kein europäisch harmonisiertes Recht mit Mindestschutzstandards verfügten.426 Demgegenüber wird von den Gegnern der analogen Anwendung des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO vor allem auf die historische Auslegung des Norm verwiesen, da der Schlosser-Bericht ausdrücklich die Anwendung des Rechts am Sitz des abredewidrig angerufenen vertragsstaatlichen Gerichts vorsah.427 Zudem müsse – wohl aus Gründen der Rechtssicherheit – im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO generell mit der analogen Anwendung einzelner Vorschriften zurückhaltend verfahren werden.428 Ferner wird darauf hingewiesen, dass eine gesonderte Beurteilung der Derogationswirkung nach den Vorschriften der Brüssel I-VO nur auf Kosten der Rechtssicherheit für die beteiligten Parteien erreicht werden könne, da diese dann nicht mehr auf die Wirkung vertrauen könnten, welche ihnen das nationale Recht für ihre Gerichtsstandsvereinbarung suggerierte.429 Überwiegend wird jedoch auch von den Gegnern einer analogen Anwendung des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO der Schutz der typischerweise schwächer angesehenen Partei und die Aufrechterhaltung der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 Brüssel I-VO für erforderlich erachtet, sodass diese – trotz historischer Auslegung und dem Prinzip der Rechtssicherheit – eine analoge Anwendung des Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO befürworten.430

424

Schaper/Eberlein, RIW 2012, 43 (48). Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224 (228); Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, ZZPInt 6 (2001), 3 (16 f.); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 3b. 426 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 3b. 427 Coester-Waltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (113); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 14, und MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 17. 428 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 30. 429 Briggs, Agreements on Jurisidiction, Rn. 7.98. 430 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6486 und 6488; MüKoZPO/ Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 19; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 14; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 30; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 30; Junker, IZPR, § 15 Rn. 6; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 11; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 133; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 132 ff.; so auch im Ergebnis: OLG Dresden IPRax 2006, 44 (47) mit Anm. von Hein, IPRax 2006, 16 (17); ähnlich: Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 20.014. 425

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

2. Stellungnahme Insgesamt überzeugt eine analoge Anwendung bzw. teleologische Extension des Art. 23 Brüssel I-VO zur Beurteilung der Derogationswirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts. Im Ausgangspunkt kann beiden Ansichten darin zugestimmt werden, dass die Derogation mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten durch derartige Gerichtsstandsvereinbarungen nicht als prinzipiell unzulässig anzusehen sind. Zwar spräche bei einer Abweichung vom Wohnsitz des Beklagten eine wortlautgetreue Anwendung des Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO für eine prinzipielle Unzulässigkeit. Denn mangels Zuständigkeitswahl eines mitgliedstaatlichen Gerichts sind die räumlich-persönlichen Anwendungsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO nicht erfüllt und auch andere Vorschriften der Brüssel I-VO gestatten eine solche Derogation mitgliedstaatlicher Gerichte nicht.431 Eine prinzipielle Unzulässigkeit widerspräche allerdings nicht nur der historischen Auslegung unter Zuhilfenahme des Schlosser-Berichts, sondern insbesondere auch dem Bekenntnis der Brüssel I-VO zur „Vertragsfreiheit der Parteien hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstands“.432 Damit besteht eine Regelungslücke in der Brüssel I-VO. Diese sollte indes nicht durch die Anwendung der lex fori geschlossen werden. Denn erklärtes Ziel der Brüssel I-VO ist es gerade, „die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen“.433 Überdies ist eine Abweichung vom zuständigkeitsrechtlichen Grundprinzip des Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO nach Erwägungsgrund Nr. 11 zur Brüssel I-VO nur in den durch die Brüssel I-VO genau festgelegten Fällen möglich.434 Vielmehr ist ein europaweit einheitlicher Maßstab zu Beurteilungen der Derogationswirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten drittstaatlicher Gerichte zu suchen. Ein einheitlicher Maßstab kann in einer teleologischen Extension des Art. 23 Brüssel I-VO gefunden werden, da mit Art. 23 Brüssel I-VO bereits eine Wertentscheidung des Verordnungsgebers hinsichtlich der Derogationswirkung einer parteiautonomen Gerichtsstandswahl existiert.435 Zwar spricht der Wortlaut des Art. 23 Brüssel I-VO nur die Prorogationswirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung an. Jedoch regelt er zumindest bei dem gesetzlichen Regelfall einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung implizit deren Derogationswirkung mit. Dies verdeutlichen auch die Absätze 3 und 5 der Vorschrift,

431

(113). 432

Schaper/Eberlein, RIW 2012, 43 (46); Coester-Waltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89

Ähnlich: Schaper/Eberlein, RIW 2012, 43 (48). Siehe auch: Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 1. 433 Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO; Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (354). 434 Vgl. Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224 (228). 435 Ausführlich zum juristischen Arbeitsmittel der teleologischen Extension: Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, § 11 Rn. 486 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, § 23 Rn. 904 f.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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welche die derogative Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO erweitern und begrenzen.436 Die teleologische Extension hat darüber hinaus die positive Konsequenz, dass damit zugleich über Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO die ausschließlichen Zuständigkeiten und Schutzvorschriften für die typischerweise schwächer angesehene Partei aufrechterhalten werden können.437 Anderenfalls würden die schwächeren Parteien nur im Falle der Wahl eines mitgliedstaatlichen Gerichts geschützt, bei der Wahl eines drittstaatlichen Gerichts jedoch den jeweiligen nationalen Schutzvorschriften überlassen.438 Ferner vermeidet eine teleologische Extension des Art. 23 Brüssel IVO bei Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten drittstaatlicher Gerichte nicht nur Diskrepanzen zur weithin anerkannten isolierten Derogation. Sie erzielt auch einheitliche Ergebnisse bei sogenannten „reziproken Gerichtsstandsvereinbarungen“.439 Hiergegen kann schließlich auch nicht das Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO vorgebracht werden.440 Zwar sollte aus Gründen der Rechtssicherheit der Wortlaut der verschiedenen Zuständigkeitsvorschriften prinzipiell ernst genommen werden, sodass insbesondere mit Analogien in der Brüssel I-VO zurückhaltend verfahren werden sollte. Will man jedoch einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts auch eine derogative Wirkung für die mitgliedstaatlichen Zuständigkeiten zugestehen, kommt man um eine wortlautübergreifende Anwendung des Art. 23 Brüssel I-VO nicht herum. Denn selbst die Befürworter der Anwendung der lex fori gelangen vielfach zur einer analogen Anwendung bzw. teleologischen Extension des Art. 23 Abs. 5 Brüssel IVO.441 Aus Gründen der Rechtssicherheit die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie vollumfänglich einzuschränken und damit zur Justizpflicht des derogierten Gerichts nach Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO zu gelangen oder auf die Aufrechterhaltung der ausschließlichen Zuständigkeiten und besonderen Schutzgerichtsstände zu verzichten, wird – soweit ersichtlich – nämlich auch von niemanden vertreten. Entgegen der Rechtsprechung des EuGH und der wohl herrschenden Meinung ist daher der Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO der ratio legis entsprechend auszudehnen, sodass sowohl eine isolierte Derogation mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten als auch die mit einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten drittstaatli-

436

Siehe dazu unter Teil 2, § 7, A.III. und Teil 2, § 7,D.II. Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, ZZPInt 6 (2001), 3 (17). 438 Dies kritisierend: von Hein, IPRax 2006, 16 (17). 439 Hierzu ausführlich: Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, ZZPInt 6 (2001), 3 (15 ff.); Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (355) m.w.N. 440 Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 6, B. 441 Statt aller: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6486 und 6488; vgl. dazu auch: M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, S. 58 f.; ähnlich: M. Gebauer, in: Gebauer/ Wiedmann, Kap. 27 Rn. 79, 90 und 99. 437

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

cher Gerichte gegebenenfalls verbundene Derogation mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten nach dieser Vorschrift beurteilt werden können. VI. Maßgeblicher Zeitpunkt 1. Problembeschreibung und Meinungsstand Zwischen Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung und dem Prozess, in dem diese ihre Wirkung entfalten soll, kann ein längerer Zeitraum liegen.442 Soweit sich in diesem Zeitraum eine Veränderung bei den für die Anwendungsvoraussetzungen relevanten tatsächlichen Verhältnissen einstellt, kommt es bei der rechtlichen Beurteilung der Gerichtsstandsvereinbarung entscheidend auf die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen an.443 Diese Frage wird jedoch unterschiedlich beantwortet. Einerseits wird auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung abgestellt.444 Andererseits wird der Zeitpunkt der Klageerhebung als maßgeblich angesehen.445 Andere wiederum wollen disjunktiv auf beide Zeitpunkte abstellen.446 Der Wortlaut des Art. 23 Brüssel I-VO spricht weder für noch gegen eine der genannten Ansichten.447 Auch in den für eine historische Auslegung bedeutsamen Berichten von Jenard und Schlosser finden sich keine eindeutigen Hinweise. Dementsprechend werden die verschiedenen Ansichten vor allem auf teleologische und systematische Argumente gestützt.

442

U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 57. Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (702); Aull, Geltungsanspruch des EuGVÜ, S. 63. 444 Hess, EuZPR, § 6 Rn. 133; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 20; Hk-ZPO/ Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 4 f.; Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 20.043 f. 445 OGH ZfRV 2009, 30 (L); OGH ZfRV 2007, 156 (159); OLG München NJW-RR 2010, 139; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 11; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 123; Musielak/Voit Stadler, Art. 23 EuGVVO Rn. 2; Schack, IZVR, § 9 Rn. 529; Czernich, wbl 2004, 458 (462); Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 (325 f.); Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (703). 446 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 9b f.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 28; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 139; Thomas/ Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 19; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 63 f.; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 19; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 162; Aull, Geltungsanspruch des EuGVÜ, S. 67; Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 80 f.; wohl auch: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6381; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (481 f.). 447 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 26; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 153 f.; zu Art. 17 Brüssel I-Übk: Aull, Geltungsanspruch des EuGVÜ, S. 65 f.; Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (702), der in Fn. 159 aber auf eine mögliche grammatikalische Auslegung hinweist. 443

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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So wird für den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung im Wesentlichen angeführt, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung als vertragliches Gestaltungsinstrument die Schaffung klarer Zuständigkeiten für künftige Streitigkeiten bezwecke. Dieser Zweck werde aber konterkariert, wenn die Parteien nicht auf die bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung existierenden tatsächlichen Begebenheiten vertrauen können, sondern ihnen das Prognoserisiko hinsichtlich der im Einzelnen ungewissen tatsächlichen Entwicklungen des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses aufgebürdet würde.448 Dafür spreche überdies, dass nahezu alle nationalen Vertragsrechte bei der Beurteilung einer Vereinbarung den Zeitpunkt des Abschlusses als maßgeblich ansehen.449 Darüber hinaus könnten die Parteien durch eine gezielte Verlegung des Wohnsitzes die Anwendung der Brüssel I-VO umgehen und damit einen für sie günstigen rechtlichen Prüfungsmaßstab nachträglich wählen.450 Schließlich zeige die Regelung in Art. 13 Nr. 3 und Art. 17 Nr. 3 Brüssel IVO, dass der Verordnungsgeber auch bei anderen Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO hinsichtlich der Beurteilung des Wohnsitzerfordernisses auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellt.451 Für den Zeitpunkt der Klageerhebung wird demgegenüber die Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung angeführt. Denn es wird darauf hingewiesen, dass die vereinbarte internationale Zuständigkeit als Sachurteilsvoraussetzung eben erst bei Klageerhebung vorliegen müsse.452 Ferner bezwecke Art. 23 Brüssel I-VO den generellen Schutz von Parteien mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, selbst wenn die Gerichtsstandsvereinbarung ihnen bei Abschluss noch nicht bekannt ist, was zumindest auch für die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Klageerhebung spreche.453 Unterstützend wird zudem auf die Rechtsprechung des EuGH zum intertemporalen Anwendungsbereich des Brüssel I-Übk rekurriert.454 Der EuGH qualifiziert nämlich eine Gerichtsstandsvereinbarung als „eine Zuständigkeitsoption, die ohne rechtliche Folgen bleibt, solange kein gerichtliches Verfahren einge448

Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 9b; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 27; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 9; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 19; Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 20.044; Aull, Geltungsanspruch des EuGVÜ, S. 66. 449 U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 58. 450 So etwa der Pocar-Bericht zum Art. 23 LugÜ 2007, ABl. (EU) 2009, Nr. C 319/1 (28), Rn. 105. 451 Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 20.044; Pocar-Bericht, ABl. (EU) 2009, Nr. C 319/1 (28), Rn. 105. 452 Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 84. 453 Dies zugestehend: Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 20.043; ähnlich auch Aull, Geltungsanspruch des EuGVÜ, S. 66. 454 OGH ZfRV 2007, 156 (159); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 11; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6379; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/ Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 18; Benecke, Die teleologische Reduktion, S. 86; Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670 (703).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

leitet ist, und die erst dann Wirkungen entfaltet, wenn die Klage erhoben wird“.455 Eine Partei könne in das Fortbestehen dieser nur potenziellen Zuständigkeit jedoch gerade nicht schützenswert vertrauen.456 Die alleinige Maßgeblichkeit des Zeitpunktes des Abschlusses der Vereinbarung bedinge schließlich eine umständliche Prüfung, da das Gericht für die Beurteilung der Gerichtsstandsvereinbarung die zurückliegenden tatsächlichen Umstände bei Abschluss der Vereinbarung mitunter erst ermitteln müsste anstatt die derzeitigen tatsächlichen Begebenheiten festzustellen.457 2. Stellungnahme Zu Recht stellt die wohl herrschende Ansicht für das Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO disjunktiv auf den Zeitpunkt des Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung und den Zeitpunkt der Klageerhebung ab. Für die Maßgeblichkeit beider Zeitpunkte sprechen die jeweils aufgeführten Argumente. Ein disjunktives Abstellen auf beide Zeitpunkte gewährt einerseits den gewünschten umfassenden Schutz der im Hoheitsgebiet der verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Parteien. Andererseits wird ebenso das Vertrauen in die bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung vorliegende Anwendbarkeit des Art. 23 Brüssel I-VO geschützt. Dies ist angesichts des funktionalen Zusammenhangs einer Gerichtsstandsvereinbarung mit den übrigen vertraglichen Regelungen von besonderer Bedeutung.458 Überdies werden hierdurch nicht nur die erwähnten Missbrauchsrisiken minimiert und eine umständliche gerichtliche Prüfung vermieden, sondern auch opportunistisches Verhalten der Parteien nicht prämiert.459 Die gelegentlich angeführte Rechtsprechung des EuGH zum intertemporalen Anwendungsbereich spricht nicht gegen die hier vertretene Lösung. Zunächst ist die Frage nach dem intertemporalen Anwendungsbereich von der Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der räumlich-persönlichen Anwendungsvoraussetzungen abzugrenzen, da Letztere die zeitliche Anwendbarkeit des Art. 23 Brüssel I-VO gerade voraussetzt.460 Eine ausdrückliche Stellungnahme des EuGH zu der hier interessierenden Frage liegt noch nicht vor, sodass allenfalls Rückschlüsse aus den tragenden Entscheidungsgründen gezogen werden können.461 Aus der allgemeinen Umschreibung einer Gerichtsstandsvereinbarung als einer 455

EuGH, Urt. v. 13. 11. 1979 (Sanicentral), Rs. C-25/79, Slg. 1979, 3423, Rn. 6. Schack, IZVR, § 9 Rn. 529 m.w.N. 457 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 123; so auch: Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 20.043. 458 Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 9. 459 Zum Letzteren: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 9c. 460 Im Ergebnis auch: Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 9; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (482). 461 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 26. 456

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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bloßen Zuständigkeitsoption, die erst bei Klageerhebung Wirkungen entfaltet,462 kann jedenfalls kein zwingender Rückschluss für die alleinige Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Klageerhebung gezogen werden. Ob der vom EuGH für den intertemporalen Anwendungsbereich vollzogene Rückschluss aus der besagten Umschreibung überzeugt, soll hier nicht näher untersucht werden und kann angesichts des klaren Wortlauts von Art. 66 Abs. 1 Brüssel I-VO beziehungsweise seiner Vorgängervorschrift des Art. 54 Brüssel I-Übk letztlich auch dahinstehen.463 Hiernach ist nämlich einzige Voraussetzung für die intertemporale Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften die Klageerhebung, sodass Art. 66 Brüssel I-VO im Gegensatz zu Art. 23 Brüssel I-VO eine eindeutige Regelung des maßgeblichen Zeitpunkts enthält. Der Zeitpunkt der Klagerhebung ist somit nur bezogen auf das zeitlich anwendbare Recht ausschließlich maßgeblich, was insbesondere in der englischen Fassung der besagten Entscheidung auch deutlich zum Ausdruck kommt.464 Schließlich spricht auch der systematische Verweis auf die Regelungen in Art. 13 Nr. 3 und Art. 17 Nr. 3 Brüssel I-VO nicht entscheidend für die alleinige Maßgeblichkeit des Zeitpunktes des Vertragsschlusses. Es ist vielmehr zu berücksichtigten, dass diese Regelungen Bestandteile von in sich geschlossenen Regelungssystemen zum Schutz bestimmter Personenkreise sind, welche die Zuständigkeiten jeweils selbstständig und erschöpfend regeln.465 Aus diesen besonderen Wertungen des Verordnungsgebers unterliegenden Ausnahmevorschriften allgemeingültige Wertungen für die Grundnorm des Art. 23 Brüssel I-VO zu entnehmen, erscheint daher bereits rechtsmethodisch fragwürdig.466

B. Wirksamkeitsvoraussetzungen Die Regelung des Art. 23 Brüssel I-VO will die „Vertragsfreiheit der Parteien hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstands“ gewährleisten.467 Damit wird – unabhängig von der konkreten rechtsdogmatischen Einordnung als Prozessvertrag oder als materiell-rechtlicher Vertrag über prozessuale Beziehungen – deutlich, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung ein vertragliches Gestaltungsmittel ist, welches diver462

EuGH, Urt. v. 13. 11. 1979 (Sanicentral), Rs. C-25/79, Slg. 1979, 3423, Rn. 6. Vgl. Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6381; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (482). 464 Siehe EuGH, Urt. v. 13. 11. 1979 (Sanicentral), Rs. C-25/79, Slg. 1979, 3423, Rn. 6, wo es bezogen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung heißt: „That is therefore the relevant date for the purposes of an appreciation of the scope of such a clause in relation to the legal rules applying at that time.“ 465 Dazu bereits oben unter Teil 2, § 6, E. 466 In diese Richtung auch: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 158; Frauenberg-Pfeiler, in: Festschrift Rechberger, S. 125 (128 f.). 467 Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO. 463

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

sen rechtsgeschäftlichen Anforderungen genügen muss.468 Im Normtext des Art. 23 Brüssel I-VO wird jedoch lediglich davon gesprochen, dass die Parteien die Zuständigkeit eines Gerichts vereinbart haben und eine solche Vereinbarung in einer der enumerativ aufgezählten Formen geschlossen werden muss. Fraglich bleibt damit nicht nur die Auslegung der in Art. 23 Brüssel I-VO aufgestellten formalen Anforderungen an eine Gerichtsstandsvereinbarung, sondern auch die Anforderungen an die materielle Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung. I. Form Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Brüssel I-VO muss eine Gerichtsstandsvereinbarung in einer der aufgezählten Formen geschlossen werden, wobei nach Art. 23 Abs. 2 Brüssel I-VO die sogenannten elektronischen Übermittlungen der Schriftform gleichgestellt sind, wenn diese eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen.469 Im Folgenden werden daher die verschiedenen Formanforderungen im Lichte der einschlägigen Rechtsprechung und Auffassungen des Schrifttums in den Fokus gerückt. Dabei wird insbesondere näher beleuchtet, welche Formanforderungen an die in der Praxis häufig anzutreffende Verwendung von Gerichtsstandsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu stellen sind. Auf den Sonderfall einer Gerichtsstandsklausel in einer Satzung sei an dieser Stelle lediglich hingewiesen, ohne dass eine ausführliche Auseinandersetzung erfolgt.470 Abschließend wird der vielfach aufgestellten Behauptung nachgegangen, dass die Formanforderungen des Art. 23 Brüssel I-VO leicht durch eine Erfüllungsortvereinbarung umgangen oder ausgehebelt werden können.471 1. Allgemein zur Auslegung der Formanforderungen Obwohl bei Formanforderungen typischerweise allgemein auf die Vorteile der Warn-, Klarstellungs- und Beweisfunktion verwiesen wird, treten diese Formzwecke zumindest bei den Formvarianten des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) und c) Brüssel IVO in den Hintergrund.472 Vielmehr sollen die Formanforderungen nach ständiger 468

Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1862. Hess, EuZPR, § 6 Rn. 139; ausführlich zu den elektronischen Übermittlungen: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 38 ff. 470 Hierzu aber ausführlich: Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 ff.; Bork, ZHR 153 (1993), 48 ff. 471 Siehe etwa: Schack, Erfüllungsort, S. 237; M. Stürner, GPR 2013, 305 (312). 472 Hinsichtlich der Schriftform aber: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 55; hinsichtlich der schriftlichen Bestätigung jedoch kritisch: Hau, IPRax 1999, 24 (25) m.w.N. In den Motiven zum BGB (Motive I S. 179 = Mugdan Bd. I, S. 451) werden die allgemeinen Vorteile der Form anschaulich wie folgt zusammengefasst: „Die Notwendigkeit der Beobachtung einer Form ruft bei den Beteiligten eine geschäftsmäßige Stimmung hervor, weckt das juristische Bewusstsein, fordert zu besonnenen Überlegungen heraus und gewährleistet die Ernstlichkeit der gefassten Entschließung. Die beobachtete Form ferner stellt den rechtlichen Charakter der Handlung klar, dient, gleich dem Gepräge einer Münze, als Stempel des fertigen juristischen 469

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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Rechtsprechung des EuGH „gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht“.473 Insbesondere soll die schwächere Vertragspartei davor geschützt werden, „dass Gerichtsstandsklauseln, die einseitig in den Vertrag eingefügt worden sind, unbemerkt bleiben“.474 An diesem Formzweck hat sich die verordnungsautonome Auslegung der Formanforderungen zu orientieren.475 Dabei ist zudem eine restriktive Auslegung des Art. 23 Brüssel I-VO angezeigt.476 Denn eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Brüssel I-VO schließt die allgemeine Zuständigkeit des Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO aus und stellt daher eine Abweichung vom zuständigkeitsrechtlichen Grundprinzip dar.477 Angesichts der „möglichen Folgen einer solchen Vereinbarung für die Stellung der Parteien im Prozess“ gilt dies umso mehr.478 Überdies spielt auch das Prinzip der Rechtssicherheit bzw. die Voraussehbarkeit für die Auslegung der Formanforderungen eine Willens und setzt die Vollendung des Rechtsaktes außer Zweifel. Die beobachtete Form sichert endlich den Beweis des Rechtsgeschäftes seinem Bestande und Inhalte nach für alle Zeit; sie führt auch zur Verminderung oder doch zur Abkürzung und Vereinfachung der Prozesse.“ 473 So ausdrücklich etwa: EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Estasis Salotti di Colzani), Rs. C-24/ 76, Slg. 1976, 1831, Rn. 7; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 6; EuGH, Urt. v. 10. 3. 1992 (Powell Duffryn), Rs. C-214/89, Slg. 1992, I-1745 Rn. 24; EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 15; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 13; vgl. aber auch: EuGH, Urt. v. 6. 5. 1980 (Porta-Leasing), Rs. C-784/79, Slg. 1980, 1517, Rn. 5; EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 25; EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a.), Rs. C-201/82, Slg. 1983, 2503, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 19. 6. 1984 (Russ), C-71/83, Slg. 1984, 2417, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 11. 7. 1985 (Berghoefer), Rs. C-221/84, Slg. 1985, 2699, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986 (Iveco Fiat), Rs. C-313/85, Slg. 1986, 3337, Rn. 5; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 50; EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 28. 474 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 50; ähnlich: EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 24; siehe auch: Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (37). 475 Zur verordnungsautonomen Auslegung der Formerfordernisse etwa: BGH NJW 2007, 2036 (2037); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6431; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 30; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 25; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 83 ff. 476 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 19. 6. 1984 (Russ), C-71/83, Slg. 1984, 2417, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 6; BGH NJW 1996, 1819; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 7; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6431; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 27. 477 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (EstasisSalotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 7; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6431. Siehe dazu auch unter Teil 2, § 6, C. 478 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (EstasisSalotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 7.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

bedeutsame Rolle. Für die Parteien muss nämlich ohne Schwierigkeiten feststellbar sein, welches Gericht der Kläger anrufen und vor welchem Gericht der Beklagte verklagt werden kann.479 Damit eine einheitliche Behandlung der Form in den verschiedenen Mitgliedstaaten auch weitergehend gewährleistet wird, ist die Regelung der Formanforderungen in Art. 23 Brüssel I-VO dabei nicht nur als abschließende Regelung zu qualifizieren,480 sondern zugleich als eine Wirksamkeitsvoraussetzung zu verstehen.481 Demnach ist bei einer Missachtung der Formanforderungen von der Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung auszugehen.482 2. Schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung a) Schriftlichkeit Für eine schriftliche Vereinbarung im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 1 Brüssel I-VO ist erforderlich, dass die beteiligten Parteien jeweils schriftlich ihre Zustimmung zur Gerichtsstandsvereinbarung erklären.483 Dies kann durch ein ein479

So auch OLG Koblenz, Urt. v. 10. 9. 2013, Rs. 3 U 223/13, BeckRS 2013, 16570; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23. 3. 2011, Rs. 15 U 18/10, BeckRS 2011, 17832. Zum Prinzip der Rechtssicherheit oben unter Teil 2, § 6, B. 480 EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 37 f.; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 14; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 97; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 55; MükoZPO/ Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 30; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 30; Thomas/ Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 7; Spellenberg, IPRax 2010, 464 (465); wohl a.A.: Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 16, der Art. 23 Brüssel IVO nicht gelten lassen will, wenn für das Hauptgeschäft eine schärfere Form eingehalten werden muss. 481 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Estasis Salotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 7; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 6; EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986 (Iveco Fiat), Rs. C-313/85, Slg. 1986, 3337, Rn. 5; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 18; MükoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 29; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 32; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 14; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 7; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 55; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 15; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 102; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 26; Junker, IZPR, § 15 Rn. 18; Schack, IZVR, § 5 Rn. 536; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6431; von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 246; kritisch: Kröll, IPRax 2002, 113 (115 f.). 482 Statt aller: von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 246. 483 BGH NJW 1994, 2699 (2699 f.); BGH NJW 2001, 1731; BGH NJW-RR 2005, 150 (151); U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 95; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 57; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 33; MüKoZPO/ Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 31; M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 116; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 23 EuGVVO Rn. 8 (34. Aufl. 2013); Geimer, in: Geimer/

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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heitliches Schriftstück erfolgen, das die Zustimmung der Parteien zu einer Gerichtsstandsvereinbarung enthält.484 Ebenso genügen aber auch getrennte Schriftstücke, soweit diese in Bezug aufeinander abgegeben werden und auf den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung gerichtet sind.485 Da das Schriftformerfordernis das tatsächliche Bestehen der Einigung zwischen den Parteien gewährleisten soll, muss jedoch in beiden Konstellationen die Einigung der Parteien über eine Gerichtsstandsvereinbarung hinreichend „klar und deutlich“ zum Ausdruck kommen.486 Dies setzt aber nicht voraus, dass der Inhalt der Gerichtsstandsvereinbarung explizit und direkt im jeweiligen Schriftstück ersichtlich ist.487 Vielmehr kann eine pauschale Annahme eines schriftlichen Angebots genügen, soweit dieses hinreichend deutlich eine Gerichtsstandsvereinbarung enthält.488 Neben der Einigung muss zudem die Identität der erklärenden Personen feststehen.489 Hierfür ist eine Unterschrift der beteiligten Parteien nicht zwingend erforderlich, obschon eine solche zur Feststellung der Identität und zur Verdeutlichung der Zustimmung nützlich und empfehlenswert ist.490 Somit kann bereits der AusSchütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 104; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 90. 484 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6434; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 31; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 95; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 28; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 49. 485 BGH NJW 1994, 2699 (2699 f.); BGH NJW 2001, 1731; BGH NJW-RR 2005, 150 (151); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 57; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 15a; Mayr/Czernich, Rn. 228; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 33; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 31; U. Magnus, in: Magnus/ Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 95; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 104; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6434; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 28; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 49. 486 Siehe etwa: EuGH, Urt. v. 6. 5. 1980 (Porta-Leasing), Rs. C-784/79, Slg. 1980, 1517, Rn. 5; EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a.), Rs. C-201/82, Slg. 1983, 2503, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986 (Iveco Fiat), Rs. C-313/85, Slg. 1986, 3337, Rn. 5; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 33; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 57. 487 Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 50; Baumgärtel, in: Festschrift Kegel, S. 285 (301); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 33; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6435; Kohler, IPRax 1983, 265 (269). 488 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 33; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6435; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 15a; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 91; M. Gebauer, in: Gebauer/ Wiedmann, Kap. 27 Rn. 116; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 28. 489 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 105; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 50; Kohler, IPRax 1983, 265 (269); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6434. 490 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 15; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 50; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

tausch von Briefen, Telefaxen oder Telegrammen für die Schriftlichkeit im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 1 Brüssel I-VO genügen.491 Dass Schriftlichkeit keine Unterschrift verlangt, kann überdies durch das fehlende Erfordernis einer entsprechenden elektronischen Signatur in Art. 23 Abs. 2 Brüssel I-VO argumentativ gestützt werden.492 b) Schriftlich bestätigte Mündlichkeit Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 2 Brüssel I-VO genügt zudem eine mündliche Vereinbarung, soweit diese anschließend von einer der Parteien schriftlich bestätigt wird.493 Daher wird diese Alternative mitunter auch als „halbe Schriftlichkeit“ bezeichnet.494 Um lediglich vorbereitende Vertragsverhandlungen auszugrenzen, ist insofern erforderlich, dass sich die Parteien trotz fehlender Schriftform mündlich bereits verbindlich über einen Gerichtsstand geeinigt haben.495 Dies setzt ebenso wie bei der Schriftlichkeit nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 1 Brüssel IVO voraus, dass die Einigung der Parteien klar und deutlich zum Ausdruck kommt, was jedoch auch im Falle einer stillschweigenden mündlichen Vereinbarung erfüllt sein kann.496 Der darüber hinaus erforderliche förmliche Akt der schriftlichen BeEuGVVO Rn. 19; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 91. Im Ergebnis ebenso: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6434; Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 105; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 33; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 57; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 28; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 8; Mayr/Czernich, Rn. 228; a.A.: BGH NJW 2001, 1731 (1731 f.); OLG Karlsruhe NJOZ 2009, 2282 (2284); OLG München NJW 1982, 1951 (1951 f.); Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 31. 491 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 33; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 95; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6434; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 28. Zumindest hinsichtlich der „modernen Kommunikationsmittel“: BGH NJW 2001, 1731; BGH NJW-RR 2005, 150 (151); wohl auch MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 32. 492 Junker, IZPR, § 15 Rn. 19; a.A.: OLG Karlsruhe NJOZ 2009, 2282 (2284), das Art. 23 Abs. 2 Brüssel I-VO nur dann als sinnvoll erachtet, wenn man von einer handschriftlichen Unterzeichnung durch beide Vertragsteile ausgeht. 493 Diese Form generell als „sachwidrig“ und „sinnlos“ ablehnend: Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 21. 494 So etwa: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 22; Junker, IZPR, § 15 Rn. 20; M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 117; demgegenüber kritisch: Hau, IPRax 1999, 24; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 65. 495 BGH NJW 2001, 1731 (1732); BGH NJW 1994, 2699 (2700); BGH NJW 1986, 2196; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6444; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 65; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 42; U. Magnus, in: Magnus/ Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 103; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 22; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 139. 496 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 40; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 66; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6444; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 42; BGH NJW 1994, 2699 (2700).

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stätigung kann durch jede Partei vorgenommen werden.497 Die schriftliche Bestätigung muss allerdings inhaltlich mit der mündlichen Vereinbarung übereinstimmen und innerhalb angemessener Zeit erfolgen.498 Wie bei der beiderseitigen Schriftlichkeit muss in der schriftlichen Bestätigung die Einigung über den Gerichtsstand und die Identität der erklärenden Parteien hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen.499 Da die schriftliche Bestätigung lediglich als förmlicher Akt ohne konsensuales Element zu qualifizieren ist, genügt das im deutschen Handelsrecht bedeutsame kaufmännische Bestätigungsschreiben nicht zwingend der Form des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 2 Brüssel I-VO. Denn dieses kann eben nicht nur einen deklaratorischen Charakter hinsichtlich der mündlichen Vereinbarung haben, sondern auch konstitutiv eine nicht feststehende Vereinbarung begründen oder eine bestehende Vereinbarung modifizieren.500 Auch wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung des EuGH über die Wirkung eines etwaigen Widerspruchs gegen eine schriftliche Bestätigung noch nicht ausdrücklich entschieden hat,501 so ist es doch gerade diese Qualifikation als rein förmlicher Akt, welche dafür spricht, dass ein etwaiger Widerspruch gegen die schriftliche Bestätigung allenfalls die Existenz der mündlichen Vereinbarung zweifelhaft erscheinen lassen kann.502 Ebenso kann das Fehlen eines Widerspruchs 497 EuGH, Urt. v. 11. 7. 1985 (Berghoefer), Rs. C-221/84, Slg. 1985, 2699, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986 (Iveco Fiat), Rs. C-313/85, Slg. 1986, 3337, Rn. 9; BGH NJW 1986, 2196; BGH NJW 1993, 1070 (1071); BGH NJW 1994, 2699 (2700); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 68; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 111; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 44; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 24; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6449; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 113; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 9; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 106; Heiss, ZfRV 2000, 202 (207); Hau, IPRax 1999, 24; a.A.: Baumgärtel, in: Festschrift Kegel, S. 285 (301 f.). 498 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 44; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 42; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 39; Thomas/ Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 9; zur angemessenen Zeit ausführlich: Hau, IPRax 1999, 24 (24 f.); Geimer, in: Geimer/Schütze, EZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 110; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 24; Auer, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 110. 499 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6449; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 24a; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVVO 42; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 9; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 46. 500 Hau, IPRax 1999, 24; Junker, IZPR, § 15 Rn. 20; ausführlich zu den Erscheinungsformen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens: MüKoBGB/Busche, § 147 BGB Rn. 12. 501 Ausdrücklich offengelassen in: EuGH, Urt. v. 11. 7. 1985 (Berghoefer), Rs. C-221/84, Slg. 1985, 2699, Rn. 15. 502 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 25; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 49; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 22; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 45; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 70; a.A.: Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 114 f.; Heiss, ZfRV 2000, 202 (209 f.).

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lediglich als Indiz für die Existenz der vorangegangenen mündlichen Vereinbarung geltend gemacht werden.503 Einem Widerspruch gegen die schriftliche Bestätigung eine weitergehende Wirkung beizumessen, widerspräche überdies dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Brüssel I-VO.504 3. Parteigepflogenheiten Ferner kann eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) Brüssel I-VO in einer Form geschlossen werden, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind. Diese Formvariante geht maßgeblich auf die Rechtsprechung des EuGH zurück.505 So hatte der EuGH in der Rechtssache Galeries Segoura bereits frühzeitig darauf hingewiesen, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung, die weder schriftlich noch mündlich mit schriftlicher Bestätigung geschlossen und somit den damaligen Formerfordernissen nicht gerecht wurde, dennoch Wirkung entfalten könne, wenn diese den Besonderheiten der „laufenden Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien“ entspricht.506 Der Verordnungsgeber lehnte sich bei der normativen Präzisierung dieser Rechtsprechung an die Formulierung in Art. 9 Abs. 1 CISG507 an.508 Demnach werden Gepflogenheiten vielfach im Einklang mit der Auslegung des CISG als Verhaltensweisen beschrieben, die zwischen den Parteien regelmäßig beachtet werden.509 Im konkreten Einzelfall 503 Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 22; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 25; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 45; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 49; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 70. 504 EuGH, Urt. v. 11. 7. 1985 (Berghoefer), Rs. C-221/84, Slg. 1985, 2699, Rn. 14; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 49; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 25; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 70. 505 Siehe Almeida Cruz/Desantes Real/Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1990, Nr. C 189/35 (47), Rn. 26 unter Verweis auf Jenard/Möller-Bericht, ABl. (EG) 1990, Nr. C 189/57 (76 ff.), Rn. 55 ff.; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 121; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 71; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 53; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 117 f.; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 50; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 26; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 23; Hau, IPRax 2005, 301; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6451; Hartley, Commercial Litigation, S. 185. 506 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 11; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 19. 6. 1984 (Russ), Rs. C-71/83, Slg. 1984, 2417, Rn. 18. 507 Convention on Contracts for the Sale of Goods (CISG) = Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. 4. 1980 (BGBl. II, 1989, S. 588 ff.). 508 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 47; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 54; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 72; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 50; Hau, IPRax 2005, 301; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 109; Junker, IZPR, § 15 Rn. 21. 509 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 50; Pabst, in: EuZPR, S. 199 (209); Stein/ Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 73; Junker, IZPR, § 15 Rn. 21; zur Auslegung des Art. 9

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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sollte die geforderte Regelmäßigkeit anhand der tatsächlichen Begleitumstände ermittelt werden, wobei die Anzahl der getätigten Vereinbarungen und die Dauer der Geschäftsbeziehung von besonderer Bedeutung sind.510 Hierdurch soll insbesondere das Vertrauen der Parteien in die Gepflogenheiten geschützt werden, da sich ein späteres Leugnen des Bestehens einer Gerichtsstandsvereinbarung als venire contra factum proprium und damit als ein Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen würde.511 Allerdings ist auch bei dieser Formvariante eine Auslegung angezeigt, die das tatsächliche Bestehen einer Einigung zwischen den Parteien gewährleistet.512 Dementsprechend muss von den Gepflogenheiten gerade auch auf eine entsprechende Willensüberstimmung zwischen den Parteien geschlossen werden können, da Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) Brüssel I-VO lediglich die Formanforderungen an eine Gerichtsstandsvereinbarung erleichtern, nicht aber das konsensuale Element der Vereinbarung ersetzen will.513 Selbst wenn der Verordnungsgeber mit der Einführung dieser Formvariante vor allem den „Gepflogenheiten und Bedürfnissen des internationalen Handels“ besser entsprechen wollte,514 so kann angesichts des klaren Wortlauts von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) Brüssel I-VO endlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Anwendung dieser Form lediglich dem Geschäftsverkehr vorbehalten ist.515 Abs. 1 CISG: MüKoHGB/Ferrari, Art. 9 CISG Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 9 CISG Rn. 13; Schmidt-Kessel, in: Schlechtriem/Schwenzer, Art. 9 CISG Rn. 8; Viscasillas, in: Kröll/Mistelis/ Viscasillas, Art. 9 CISG Rn. 8. 510 Hau, IPRax 2005, 301 (304); M. Stürner, ZEuP 2012, 353 (356); U. Magnus, in: Magnus/ Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 110; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 50; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 122 und 124; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 26a f.; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 42; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6451. 511 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 11; EuGH, Urt. v. 19. 6. 1984 (Russ), Rs. C-71/83, Slg. 1984, 2417, Rn. 18; Hau, IPRax 2005, 301 (304); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 26; M. Stürner, ZEuP 2012, 353 (356); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 74; wohl a.A.: OLG Stuttgart IPRax 2009, 64 (66 f.) mit kritischer Anm. von Hau, IPRax 2009, 44. 512 Lindacher, in: Festschrift Schlosser, S. 491 (494); U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 109 f.; a.A.: Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 3. 513 BGH NJW-RR 2004, 1292; BGH NJW-RR 2005, 150 (152); OLG Celle NJW-RR 2010, 136 (138); OLG Stuttgart NJW 2013, 83 (86 f.); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 50; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6452; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1894; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 47; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 26; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 122; Stein/ Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 74; Junker, IZPR, § 15 Rn. 21. 514 Almeida Cruz/Desantes Real/Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1990, Nr. C 189/35 (47), Rn. 26 i.V.m. Jenard/Möller-Bericht, ABl. (EG) 1990, Nr. C 189/57 (76), Rn. 56. 515 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 118; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 27c; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

4. Handelsbrauch Die restriktive Auslegung der Formanforderungen des damaligen Art. 17 Brüssel I-Übk durch den EuGH führte dazu, dass bereits mit dem ersten Beitrittsübereinkommen von 1978 im Interesse des internationalen Handels eine gewisse Formerleichterung für Gerichtsstandsvereinbarungen eingeführt wurde.516 Anlässlich des dritten Beitrittsübereinkommens von 1989 wurde die Formerleichterung sodann der Regelung in Art. 9 Abs. 2 CISG sprachlich angepasst.517 Nach dieser Formerleichterung, welche heute in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) Brüssel I-VO zu finden ist,518 genügt im internationalen Handel für den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung eine Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten. Die damit angesprochenen Voraussetzungen dieser Formvariante sind wiederum verordnungsautonom zu bestimmen, sodass sich ein Rückgriff auf nationales Recht verbietet.519 Aufgrund der bewussten Anlehnung des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) Brüssel I-VO an Art. 9 Abs. 2 CISG erscheint jedoch ein Rückgriff auf die insofern einschlägige Rechtsprechung und Literatur zum CISG möglich.520 Die zentrale Voraussetzung dieser Formvariante ist hiernach die Existenz eines Handelsbrauchs. Im Gegensatz zu der Formvariante des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) Brüssel I-VO kommt es für die Bestimmung des Handelsbrauchs nicht auf die individuellen Verhaltensweisen der konkret beteiligten Parteien an. Vielmehr ist der Begriff anhand abstrakter Maßstäbe der Typisierung und Standardisierung objektiv zu bestimmen.521 Im Einklang mit den Konkretisierungen im Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) Brüssel I-VO muss der Handelsbrauch dabei einerseits dem

Rn. 47; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6451; Auer, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 123. 516 Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (123 ff.), Rn. 174 und 179 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6454; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 119; Kropholler/Pfeifer, in: Festschrift Nagel, S. 157 (162); Kohler, IPRax 1983, 265 (270). 517 Almeida Cruz/Desantes Real/Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1990, Nr. C 189/35 (47), Rn. 26 i.V.m. Jenard/Möller-Bericht, ABl. (EG) 1990, Nr. C 189/57 (76 f.), Rn. 58. 518 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 75; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1895. 519 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 23; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6455; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 53; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 12; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 128; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 46; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (151 f.). 520 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 31; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 128; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 51; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 116. 521 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 32.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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internationalen Handel zugerechnet werden können.522 Insofern sollte genügen, wenn der Handelsbrauch zumindest auch bei einem grenzüberschreitenden gewerblichen oder freiberuflichen Leistungsaustausch befolgt wird, damit die mit der Formvariante bezweckte Erleichterung des internationalen Handels vollumfänglich erreicht wird.523 Andererseits muss ein Handelsbrauch nicht für den internationalen Handel generell bestimmt werden, sondern lediglich für den Geschäftszweig, in dem die an der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligten Parteien tätig sind.524 Im Einklang mit dem Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) Brüssel I-VO und der Rechtsprechung des EuGH ist insofern entscheidend, ob generell die in diesem Geschäftszweig des internationalen Handels tätigen Personen die Verhaltensweisen des Handelsbrauchs allgemein kennen und regelmäßig beachten.525 Der Handelsbrauch muss dabei weder in sämtlichen Mitgliedstaaten befolgt werden, noch zum Nachweis in etwaigen Vordrucken von Fachverbänden oder Fachorganisationen enthalten sein.526 Für die beweisverpflichtete Partei ist der Nachweis der Existenz des Handelsbrauchs jedoch um ein Vielfaches einfacher, wenn dies der Fall ist.527 Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und der herrschenden Meinung werden hiernach insbesondere das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben und die Aufnahme von Gerichtsstandsklauseln in einseitig ausgestellten Konnossementen des Verfrachters als Handelsbrauch anerkannt.528 Nach dem Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) Brüssel I-VO ist weiterhin erforderlich, dass die Parteien den Handelsbrauch kannten oder kennen mussten. Im Ausgangspunkt kann in diesem subjektiven Element ein Korrektiv zur rein objektiven Bestimmung des Handelsbrauchs gesehen werden, um unerfahrene Teilnehmer 522

EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 23. 523 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6458; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (152 f.); Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1897; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 79; Pabst, in: EuZPR, S. 199 (210); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 54; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 117. 524 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 23; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 25. 525 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 23; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 26. 526 EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 27 und 28 mit Anm. von Girsberger, IPRax 2000, 87 ff. 527 EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 28; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 119c; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 33; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 57; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (155); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6457. 528 Hinsichtlich kaufmännischen Bestätigungsschreiben: EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 25; OLG Karlsruhe NJOZ 2009, 2282 (2285); Kropholler/ von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 61; hinsichtlich Konnossementen: BGHZ 171, 141 (148) = NJW 2007, 2036 (2037 f.); OGH IPRax 2011, 273 (276) mit Anm. von Markus/Arnet, IPRax 2011, 283 ff.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6464; Girsberger, IPRax 2000, 87 (89).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

des fraglichen Geschäftszweigs nicht gänzlich schutzlos zu stellen.529 Dies gilt umso mehr, seitdem der EuGH in der Rechtssache MSG mit der Erfüllung der Erfordernisse dieser Formvariante gleichzeitig eine Vermutung für das Vorliegen der erforderlichen Willenseinigung der Vertragsparteien sieht,530 zumal diese Vermutungswirkung mittlerweile durch das Schrifttum und die nationale Rechtsprechung auch für die übrigen Formvarianten beansprucht wird.531 Dennoch steht das bei den Vertragsparteien erforderliche subjektive Element nach der Rechtsprechung des EuGH „namentlich dann fest oder wird vermutet, wenn sie untereinander oder mit anderen in dem betreffenden Geschäftszweig tätigen Vertragspartnern schon früher Geschäftsbeziehungen angeknüpft hatten oder wenn in diesem Geschäftszweig ein bestimmtes Verhalten bei Abschluss einer bestimmten Art von Verträgen allgemein und regelmäßig befolgt wird und daher hinreichend bekannt ist, um als ständige Übung angesehen werden zu können“.532 Der Schutzzweck des subjektiven Elements scheint somit weitgehend relativiert und das subjektive Element durch die Existenz des Handelsbrauchs sogar präjudiziert.533 Dies ist jedoch damit zu erklären, dass hierdurch die bei subjektiven Erfordernissen generell übliche Beweisnot vermieden werden kann und somit das Anliegen des Verordnungsgebers, den Gepflogenheiten und Bedürfnissen des internationalen Handels besser gerecht zu werden,534 nicht durch das subjektive Erfordernis der Formvariante konterkariert wird.535 Zudem kann diese Beweiserleichterung auch darauf gestützt werden, dass von sorgfältigen Teilnehmern eines Geschäftszweigs des internationalen Handels erwartet werde, die besonderen Verfahrensweisen ihres Geschäftszweigs zu kennen.536 Da durch die Rechtsprechung des EuGH lediglich eine widerlegliche Vermutung ausgesprochen wird, steht es der unerfahrenen und mitunter schutzbedürftigen Partei schließlich frei, ihre mangelnde Kenntnis beziehungsweise die besonderen Umstände, welche gegen ein Kennenmüssen sprechen, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. 529 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 34; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 123; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 84; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 58; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (157); Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1902; zu Art. 9 Abs. 2 CISG: Saenger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Art. 9 CISG Rn. 6. 530 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 19; ebenso: EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 20. 531 Siehe nur: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 165, und Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 143 f., jeweils m.w.N. 532 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 24; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 43. 533 Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (157); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 34. 534 Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (124 f.), Rn. 179. 535 Kubis, IPRax 1999, 10 (13); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 84. 536 Schlussanträge des GA Léger in der Rechtsache Castelletti, Slg. 1997, I-1600 (1628), Rn. 146; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 34; wohl auch U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 122.

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5. Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen In der Praxis werden Gerichtsstandsvereinbarungen häufig unter Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) geschlossen.537 Diese praktische Relevanz hat sogar dazu geführt, dass im internationalen Handel AGB ohne eine Gerichtsstandsklausel als nahezu undenkbar angesehen werden.538 Dennoch enthält Art. 23 Brüssel I-VO insofern keine speziellen förmlichen Anforderungen für deren Verwendung. Die Art und Weise der Verwendung von AGB hat vielmehr den soeben dargestellten Formanforderungen des Art. 23 Brüssel I-VO zu genügen.539 Dabei können jedoch verschiedene Ungewissheiten festgestellt werden, die seit geraumer Zeit die Rechtsprechung und das Schrifttum beschäftigen.540 a) Schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung Die Frage nach den Anforderungen der Formvariante des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Brüssel I-VO an die Verwendung von AGB für die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarungen wurde dem EuGH bereits frühzeitig vorgelegt.541 Um den Formzweck der Gewährleistung einer tatsächlichen Einigung zwischen den Parteien sicherzustellen, stellte der EuGH in den einschlägigen Entscheidungen im Wesentlichen zwei Anforderungen an die formwirksame Einbeziehung einer in AGB enthaltenen Gerichtsstandsklausel.542 Einerseits muss die Verwendung der AGB Gegenstand der schriftlichen oder mündlichen Vereinbarung gewesen sein. Dies muss zumindest bei einer schriftlichen Vereinbarung auch durch einen hinreichend deutlichen Einbeziehungshinweis dokumentiert werden. So heißt es in der Entscheidung in der Rechtssache Estasis Salotti di Colzani etwa, dass eine Gerichtsstandsklausel in AGB, „die auf der Rückseite einer von beiden Parteien unterzeichneten Vertragsurkunde aufgedruckt sind“, nur dann dem Schriftformerfordernis genüge, „wenn der von beiden Parteien unterzeichnete Vertragstext selbst ausdrücklich auf die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt“.543 Anderenfalls sei eben nicht gewährleistet, „dass die andere Partei tatsächlich einer Klausel zuge537

Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 59; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (485). Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 108; Pfeiffer, in: Festschrift Schütze, S. 671; vgl. Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (124 f.), Rn. 179. 539 Heiss, ZfRV 2000, 202 (207); Adolphsen, EuZVR, S. 140. 540 Hau, IPRax 2005, 301 (305). 541 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (EstasisSalotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, hinsichtlich Schriftlichkeit; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, hinsichtlich schriftlich bestätigter Mündlichkeit. 542 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (EstasisSalotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 7; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 6. Siehe dazu auch oben unter Teil 2, § 7, B.I.1. 543 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Estasis Salotti di Colzani), Rs.C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 8 f. 538

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

stimmt hat, die von den allgemeinen Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit abweicht“.544 Dementsprechend kann auch „eine in einem Vertrag enthaltene Bezugnahme auf frühere Angebote, welche ihrerseits auf die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen haben“ der Schriftlichkeit genügen.545 Andererseits muss der jeweilige Vertragspartner des Verwenders bereits im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung in der Lage sein, dem Einbeziehungshinweis auf die AGB bei Anwendung normaler Sorgfalt nachzugehen. Zur Wahrung der Schriftlichkeit forderte der EuGH in der Rechtssache Estasis Salotti di Colzani nämlich einen deutlichen Hinweis, „dem eine Partei bei Anwendung der normalen Sorgfalt nachgehen kann“, was zumindest bei einer Bezugnahme auf ein früheres Angebot die Feststellung erfordert, „dass mit dem Angebot auf das Bezug genommen worden ist, die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen der anderen Partei auch tatsächlich zugegangen sind“.546 Der EuGH ließ in der Rechtssache Galeries Segoura ebenso wenig genügen, wenn der Verwender von AGB bei einem mündlich vereinbarten Vertragsschluss lediglich darauf hinweist, „er wolle zu seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen abschliessen“, selbst wenn er sodann den mündlich vereinbarten Vertrag seinem Vertragspartner schriftlich bestätigt und „dieser Bestätigung seine allgemeinen Geschäftsbedingungen beifügt, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten“.547 Es könne eben nicht vermutet werden, dass der jeweilige Vertragspartner „sich einer möglicherweise in diesen allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Gerichtsstandsklausel unterworfen habe“.548 Diese beiden durch den EuGH vorgegebenen Anforderungen für die Einbeziehung einer in AGB enthaltenen Gerichtsstandsklausel werden weitgehend durch die nationalen Gerichte angewendet.549 Zudem sind sie im Schrifttum auf allgemeine Zustimmung gestoßen.550 Insbesondere werden darüber hinausgehende Anforderungen, wie etwa eine Unterzeichnung des Einbeziehungshinweises oder der AGB 544

Rn. 9.

EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Estasis Salotti di Colzani), Rs.C-24/76, Slg. 1976, 1831,

545 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Estasis Salotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 12. 546 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Estasis Salotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 12. 547 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 7 f. 548 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 8. 549 So etwa: BGH NJW 1996, 1819; BGH NJW 1994, 2699 (2699 f.); BGH RIW 1992, 756 (758 f.); BGH RIW/AWD 1980, 725 (725 f.); OGH ZfRV 2009, 123; OGH ZfRV 2008, 80; BayObLG BB 2001, 1498; OLG Hamm NJW 1990, 652 (653). 550 So etwa: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 34 ff.; Lindacher, in: Festschrift Schlosser, S. 491 (497); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (284 f.); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 59; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (486 ff.); Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 8; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 85 ff.; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 96.

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durch die beteiligten Parteien sowie eine Aufnahme der AGB in der Vertragsurkunde, nicht gefordert.551 Trotz dieses grundsätzlichen Meinungseinklangs wirft die konkrete Ausgestaltung der höchstrichterlichen Anforderungen verschiedene Einzelfragen auf, sodass weiterhin ein gewisser Klärungsbedarf besteht. Jedenfalls hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des hinreichend deutlichen Einbeziehungshinweises besteht jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass eine generelle Verweisung auf die AGB in ihrer Gesamtheit genügt.552 Um dem Vertragspartner zu ermöglichen, der Verweisung nachzugehen, und damit die tatsächliche Zustimmung des Vertragspartners zur Gerichtsstandsklausel zu gewährleisten, müssen der Standort und die typografische Ausgestaltung des Einbeziehungshinweises darüber hinaus gut erkennbar sein und den Geltungsanspruch der AGB verdeutlichen.553 Ein weitaus größerer Klärungsbedarf besteht demgegenüber hinsichtlich der Frage, wann ein Vertragspartner konkret in der Lage ist, dem Einbeziehungshinweis bei Anwendung normaler Sorgfalt nachzugehen. Insofern wird mitunter das tatsächliche Vorliegen der AGB dann für entbehrlich gehalten, wenn der Vertragspartner des Verwenders sich diese „durch Rückfragen unschwer und prompt verschaffen kann“.554 Zumindest im geschäftlichen Verkehr genüge daher, wenn im Einbeziehungshinweis mittels eines Links auf eine Internetseite verwiesen wird, auf der die AGB abgerufen werden können.555 Wohl überwiegend wird hingegen zu Recht gefordert, dass die AGB beim Vertragspartner spätestens im Zeitpunkt des 551 Heiss, ZfRV 2000, 202 (207); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (284); Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 20; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 96. 552 OLG Oldenburg IHR 2008, 112 (116); OLG Karlsruhe RIW 2001, 621 (622); OLG Düsseldorf RIW 2001, 63 (64); Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 92; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 86; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 16; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 38; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 59; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 20; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6437; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 29; Spellenberg, IPRax 2007, 98 (104); Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 32; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 34; Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 20.076; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 32; Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 292; teilweise a.A.: Lindacher, in: Festschrift Schlosser, S. 491 (497 f.), der nach dem Volumen des zugrundeliegenden Geschäfts differenziert und bei „Normalgeschäften“ einen speziellen Hinweis auf die Gerichtsstandsklausel fordert. 553 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 16; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 94 und 101; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 29 und 31. 554 Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 20; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (486); Saenger, ZEuP 2000, 656 (668); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 16a. 555 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 16a; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6440.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

schriftlichen oder mündlichen Vertragsschlusses tatsächlich vorliegen müssen.556 Denn ein Vertragspartner, der sich die in Bezug genommenen AGB nicht verschafft, erklärt hierdurch eben nicht konkludent seine Zustimmung zu deren Geltung. Seinem Unterlassen wohnt vielmehr kein Erklärungsgehalt inne. Die bloße Möglichkeit, sich die AGB zu beschaffen, gewährleistet somit nicht das tatsächliche Bestehen einer Einigung der Vertragsparteien und ist daher mit dem Formzweck nicht zu vereinbaren.557 Diese restriktive Auslegung mag zwar im kaufmännischen Verkehr mitunter einem überspitzten Formalismus gleichkommen. Jedoch differenziert Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Brüssel I-VO nicht zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten.558 Überdies entsprechen den besonderen Anforderungen an den kaufmännischen Geschäftsverkehr bereits die Formerleichterungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) und c) Brüssel I-VO. Schließlich vermeidet die hier vertretene Lösung schwierige Beweisfragen, da selbst im Geschäftsverkehr für die Beurteilung einer Beschaffungspflicht mitunter auf die Dauer und Intensität der Geschäftsverbindung sowie die Größe der beteiligten Unternehmen abgestellt wird.559 b) Parteigepflogenheiten Daneben kommt eine vereinfachte Einbeziehung von AGB nach der Formvorschrift des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) Brüssel I-VO in Betracht. Diese Formvariante will die Formanforderungen an eine Gerichtsstandsvereinbarung erleichtern, nicht jedoch das konsensuale Element der Vereinbarung ersetzen.560 Demgemäß will auch die gepflogenheitsgemäße Einbeziehung von AGB die Zustimmung des Vertragspartners zur Geltung der Gerichtsstandsklausel des Verwenders nicht ersetzen. Damit ist eine dahingehende Formerleichterung nur dann denkbar, wenn eine einmal existierende formwirksame Zustimmung des Vertragspartners zur Geltung bestimmter AGB des Verwenders gepflogenheitsgemäß beibehalten wird.561 Hierfür 556 OGH ZfRV 2008, 80; OLG Celle NJW-RR 2010, 136 (137); OLG Hamm ZfBR 2012, 222 (224 f.); OLG Oldenburg IHR 2008, 112 (116); OLG Karlsruhe RIW 2001, 621 (622); OLG Düsseldorf RIW 2001, 63 (64 f.); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 35; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6440; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 32; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 33 und 37; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 8; Tiefenthaler, in: Czernich/ Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 32; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 59; M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 116; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 34; wohl auch Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 20.076. 557 Siehe auch oben unter Teil 2, § 7, B.I.1. 558 BGH NJW 1996, 1819; OLG Hamm ZfBR 2012, 222 (225); OLG Düsseldorf RIW 2001, 63 (65); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6440. 559 So etwa: Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 98. 560 Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, B.I.3. 561 OLG Stuttgart NJW 2013, 83 (87); OLG Celle NJW-RR 2010, 136 (138); Hau, IPRax 2005, 301 (302 f.); Hau, IPRax 2009, 44; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6452; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 27a; Stein/

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genügt keinesfalls der bloße laufende Abdruck der AGB auf Rechnungen, Auftragsbestätigungen, Lieferscheinen oder sonstigen Geschäftsbriefen.562 Vielmehr müssen die Parteien sich auch tatsächlich nach den AGB gerichtet und ihre Vertragsverhältnisse entsprechend abgewickelt haben.563 Zwar wäre vom Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) Brüssel I-VO auch eine Formerleichterung in den Fällen denkbar, in denen der Verwender ein gepflogenheitsgemäßes Verfahren für die Einbeziehung von AGB anwendet, wodurch eine stillschweigende Zustimmung des Vertragspartners impliziert würde.564 Hierdurch würde jedoch nicht nur eine Einbeziehung von AGB ermöglicht, die bei der Durchführung und Abwicklung der Vertragsverhältnisse von den Parteien bereits „gelebt“ werden. Vielmehr könnten AGB und damit die enthaltenen Gerichtsstandsklauseln ausgewechselt werden.565 Dies erscheint äußerst bedenklich, da somit eine Abänderung der Gerichtsstandsklausel beim Vertragspartner unbemerkt bleiben könnte, was die bezweckte Gewährleistung des tatsächlichen Bestehens einer Einigung zwischen den Parteien konterkarieren würde. Daher sollte eine dahingehende Formerleichterung für die Einbeziehung von AGB abgelehnt werden, zumal die Anwendung dieser Formvariante nicht auf den geschäftlichen Verkehr beschränkt ist.566 c) Handelsbrauch Der Intention des Verordnungsgebers entsprechend kann eine Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Brüssel I-VO nicht genügende Einbeziehung von AGB schließlich wirksam sein, wenn diese einem Handelsbrauch im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) Brüssel I-VO entspricht.567 Für die allgemein anerkannten Handelsbräuche des Schweigens auf ein (konstitutives) kaufmännisches Bestätigungsschreiben und das Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 74; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 42. 562 BGH NJW-RR 2005, 150 (152); BGH NJW-RR 2004, 1292 (1293); OLG Hamm NJOZ 2006, 520 (522); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 27a; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6452; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 50; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 122; MüKoZPO/ Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 47; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 117a; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 41; wohl a.A.: BGH RIW 2003, 220 (222). 563 BGH NJW-RR 2004, 1292 (1293); OLG Stuttgart NJW 2013, 83 (86); OLG Karlsruhe NJOZ 2009, 2282 (2285); OLG Hamm NJOZ 2006, 520 (522); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 74; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 23; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 122. 564 So wohl: OLG Stuttgart IPRax 2009, 64 (66 f.); H.-J. Stadler, AGB im int. Handel, S. 124; kritisch: Hau, IPRax 2009, 44; Hau, IPRax 2005, 301 (303). 565 Hau, IPRax 2005, 301 (303). 566 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.I.3. 567 Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (124 f.), Rn. 179.

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einseitig vom Verfrachter aufgestellte Konnossement sei insofern jedoch exemplarisch darauf hingewiesen, dass hierdurch grundsätzlich weder der Einbeziehungshinweis auf die AGB des Verwenders noch deren tatsächliches Vorliegen entbehrlich wird. Richtigerweise wird daher die Beifügung der AGB oder der Abdruck der Gerichtsstandsklausel auch bei kaufmännischen Bestätigungsschreiben und Konnossementen gefordert.568 Anderenfalls liefe die vom EuGH im Zusammenhang mit der Erfüllung dieser Formvariante praktizierte widerlegliche Vermutung der erforderlichen Willenseinigung der Vertragsparteien mangels Möglichkeit, die Gerichtsstandsklausel einzusehen, ins Leere.569 Bezeichnenderweise lagen den Entscheidungen des EuGH nämlich jeweils Sachverhalte zugrunde, bei denen die Gerichtsstandsklausel auf der Vorderseite des kaufmännischen Bestätigungsschreibens abgedruckt oder mittels eines deutlichen Hinweises auf die auf der Rückseite des Konnossements abgedruckte Gerichtsstandsklausel verwiesen wurde.570 Demnach beschränkt sich die Formerleichterung in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) Brüssel I-VO bei kaufmännischen Bestätigungsschreiben und Konnossementen darauf, die schriftliche Bestätigung der Einbeziehung von AGB durch den Vertragspartner des Verwenders entbehrlich zu machen.571 Damit der Einbeziehungshinweis oder das tatsächliche Vorliegen der AGB entbehrlich wird, muss sich ein Handelsbrauch gerade darauf beziehen.572 Jedenfalls kann eine Einbeziehung nicht beigefügter AGB durch einen bloßen Einbeziehungshinweis für sich genommen keinem Handelsbrauch im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) Brüssel I-VO zugeordnet werden.573 Handelt es sich bei den in Bezug genommenen AGB allerdings um ein allgemein gültiges Klauselwerk, das von einer anerkannten Stelle aufgestellt wurde und jedem professionellen Teilnehmer des jeweiligen Geschäftszweigs bekannt sein musste, wird verschiedentlich auf

568 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 35 f.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6464; OLG Köln VersR 1999, 639 (640). 569 Hinsichtlich der widerleglichen Vermutung: EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 19. 570 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 6; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 7 f. 571 So bereits: Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (124 f.), Rn. 179. 572 Zumindest hinsichtlich der in einem Konnossement enthaltenen Verweisung auf die Bedingungen einer charter party mit Gerichtsstandsklausel: MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 54; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 28; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6464; wohl a.A.: OLG Celle IPRax 1997, 417 (418) mit kritischer Anm. von Koch, IPRax 1997, 405 (405 f.); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 78. 573 OLG Celle NJW-RR 2010, 136 (138); OLG Oldenburg IHR 2008, 112 (117 f.); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 35; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 92.

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das tatsächliche Vorliegen derselben verzichtet.574 In diesen Fällen wird mitunter sogar ein entsprechender Einbeziehungshinweis für entbehrlich erachtet.575 Zugegebenermaßen würden bei allseits bekannten und üblicherweise genutzten Klauselwerken die höchstrichterlichen Anforderungen an deren Einbeziehung keine bedeutend höhere Gewähr für das Vorliegen einer tatsächlichen Einigung der Geschäftspartner hervorrufen. Damit käme eine derartige Anforderung eher einem überspitzten Formalismus gleich, den es insbesondere im geschäftlichen Verkehr gerade zu vermeiden gilt.576 In der Praxis dürfte die hier zugrunde gelegte Prämisse jedoch nur ausnahmsweise anzutreffen sein, da das jeweilige Klauselwerk in einem Geschäftszweig des internationalen Handels allgemein gültig und bekannt sein muss. Infolgedessen dürfte eine Vielzahl rein nationaler Klauselwerke von vornherein ausscheiden.577 d) Einbeziehung fremdsprachiger Gerichtsstandsklauseln In der Praxis wird nicht selten auf AGB Bezug genommen, die in einer von der Verhandlungs- oder Vertragssprache verschiedenen Sprache abgefasst sind. Insofern ist umstritten, ob gesonderte Anforderungen an die formwirksame Einbeziehung solcher fremdsprachiger AGB zu fordern sind.578 Auf den ersten Blick erscheint eine derartige Forderung bedenklich, da die in Art. 23 Brüssel I-VO enumerativ aufgezählten Formvarianten jedenfalls ausdrücklich keine sprachlichen Anforderungen an eine Gerichtsstandsvereinbarung stellen. Eine fehlende sprachliche Verständlichkeit kann auch nicht die Lesbarkeit einer Erklärung beeinträchtigen, sodass die Parteien vielmehr beliebige Sprachen wählen können.579 Sie brauchen daher ihre jeweiligen Erklärungen noch nicht einmal in derselben Sprache abgeben.580 Im Ausgangspunkt erscheint die sprachliche Verständlichkeit daher weniger für die Form relevant zu

574

Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 16a; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6440; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 98. 575 OLG Köln VersR 1999, 639 (640); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 35; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 34. 576 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (37); Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 85. 577 Vgl. H.-J. Stadler, AGB im int. Handel, S. 87. Bspw. gelten etwa die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) im int. Handelsverkehr nicht als Handelsbrauch, vgl. Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6456; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 35; OLG Dresden RIW 1999, 968 (969). 578 Siehe etwa: Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 99; Thomas/Putzo/ Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 8; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 35. 579 Spellenberg, IPRax 2010, 464 (465 und 467); Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 44; unklar: Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 20a. 580 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 38.

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sein, als vielmehr für die Frage der tatsächlichen Einigung der Parteien.581 Aufgrund der verordnungsautonomen Auslegung der Formanforderungen des Art. 23 Brüssel I-VO kann die sprachliche Verständlichkeit selbst dann nicht zur Formfrage werden, wenn die Mitgliedstaaten durch nationale Regelungen eine bestimmte Sprache für den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung fordern.582 Nun sollen aber die Formvorschriften nach der Rechtsprechung des EuGH das tatsächliche Bestehen der Einigung zwischen den Parteien gerade gewährleisten.583 Folglich erscheint die Ableitung sprachlicher Anforderungen aus den Formvorschriften trotz des klaren Wortlauts von Art. 23 Brüssel I-VO und der gebotenen dogmatischen Unterscheidung von materiellen und förmlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen dennoch möglich. Dementsprechend kann zu Recht gefragt werden, ob gesonderte förmliche Anforderungen an die Einbeziehung fremdsprachiger AGB stellen sind. Der EuGH hat sich zu dieser Thematik bisher noch nicht geäußert. Eine entsprechende Vorlagefrage hat er vielmehr unbeantwortet gelassen.584 Zumindest für die „strenge“ Formvariante des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Brüssel I-VO wird es vielfach für erforderlich, aber auch ausreichend angesehen, dass der Einbeziehungshinweis auf die fremdsprachigen AGB in der Verhandlungs- oder Vertragssprache abgefasst ist.585 Darüber hinausgehend wird jedoch verschiedentlich als Ausgleich für die erschwerte Möglichkeit, fremdsprachige AGB zur Kenntnis zu nehmen, ein zusätzlicher „besonderer Hinweis“ auf die Existenz der Gerichtsstandsklausel gefordert.586 Vereinzelt wird zudem für erforderlich gehalten, dass auch die AGB in der Verhandlungs- oder Vertragssprache abgefasst sein müssen.587 581 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 38; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 50 f.; Spellenberg, IPRax 2010, 464 (465). 582 Ein solcher, als Formfrage zu qualifizierender Sprachzwang wäre mit Art. 23 Brüssel IVO unvereinbar und kann daher nicht zur Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung führen, vgl. EuGH, Urt. v. 24. 06. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 26 f. 583 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.I.1. 584 EuGH, Urt. v. 29. 6. 1994 (Custom Made Commercial), Rs. C-288/92, Slg. 1994, I-2913 Rn. 10 und 30. 585 BGH IPRax 1991, 326; OLG Hamm NJOZ 2006, 520 (522 f.); OLG Hamm NJW-RR 1995, 188 (189); OLG Hamm IPRax 1991, 324 (325); OLG Köln VersR 1999, 639 (641); OGH ZfRV 2009, 28; OGH ZfRV 1999, 233 (234); Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 99; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 86 und 101; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 8; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 20a; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 40; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 63; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 32; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (487); wohl auch: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 37; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 38; zumindest für erforderlich erachten dies: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6439; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 35; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 33. 586 Kohler, IPRax 1991, 299 (300 f.); wohl auch: Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/ Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 33; zumindest zweifelnd: BGH IPRax 1992, 373 (376); ebenfalls in diese Richtung: Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 35.

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Für die formwirksame Einbeziehung einer fremdsprachigen Gerichtsstandsklausel nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Brüssel I-VO genügt meines Erachtens, wenn der Einbeziehungshinweis in einer für den Vertragspartner verständlichen Sprache abgefasst ist und hierdurch der Geltungsanspruch der in Bezug genommenen fremdsprachigen AGB verdeutlicht wird. Denn somit wird es dem Vertragspartner bereits ermöglicht, bei „Anwendung normaler Sorgfalt“ dem Einbeziehungshinweis nachzugehen.588 Weitergehende Anforderungen an die formwirksame Einbeziehung würden zwar die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Vertragspartner die fremdsprachige Gerichtsstandsklausel auch tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Eine solche tatsächliche Kenntnisnahme ist zur Erreichung des vordergründigen Formzwecks jedoch gerade nicht erforderlich. Vielmehr sollen die Formvorschriften lediglich gewährleisten, dass der Vertragspartner von der Existenz einer Gerichtsstandsklausel hätte erfahren können.589 Dieser Möglichkeit steht es auch nicht entgegen, dass die AGB in einer für den Vertragspartner möglicherweise unverständlichen Sprache abgefasst sind. Im Unterschied zum fehlenden Vorliegen von AGB ist die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsschluss nämlich nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern allenfalls erschwert. Zum einen kann er über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen. Zum anderen wäre es ihm auch grundsätzlich möglich, fehlende Sprachkenntnisse dadurch zu ersetzen, dass er sich die erforderliche Sprachkompetenz beschafft.590 Demnach kann eben auch vermutet werden, dass sich der jeweilige Vertragspartner der fremdsprachigen Gerichtsstandsklausel unterworfen hat.591 Hier zusätzlich für die Einhaltung der Form zu fordern, dass der Vertragspartner die fremdsprachige Gerichtsstandsklausel auch tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, würde nicht nur an der Realität vorbeigehen, sondern auch den Umfang der Formanforderungen von den individuellen Sprachkenntnissen der Vertragsparteien abhängig machen und die dogmatische Unterscheidung zwischen den Formerfordernissen und dem konsensualen Element der Einigung verkennen. Ob der Vertragspartner die fremdsprachige Gerichtsstandsklausel auch tatsächlich verstanden 587 Spellenberg, IPRax 2007, 98 (105); Spellenberg, IPRax 2010, 464 (469); dies offen lassend: OLG Hamm IPRax 1991, 324 (326); teilweise widersprüchlich: U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation, Rn. 86. 588 Vgl. EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Estasis Salotti di Colzani), Rs.C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 12. 589 Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 16. 590 OLG Hamm NJW-RR 1995, 188 (189); Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 99; wohl auch: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 63; a.A.: Spellenberg, IPRax 2010, 464 (469). 591 So im Ergebnis: OLG Hamm IPRax 2007, 125 (126); OLG Hamm NJW-RR 1995, 188 (189); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 40; MüKoZPO/ Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 38; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 15; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (487).

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hat, sollte daher lediglich im Rahmen der materiellen Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung problematisiert werden.592 Schließlich ist wiederum an eine vereinfachte Einbeziehung nach den Formvarianten in Art. 23 Abs. 1 lit. b) und c) Brüssel I-VO zu denken. Für die Einbeziehung fremdsprachiger AGB wird es insofern vielfach generell als ausreichend angesehen, wenn im internationalen Handel der Einbeziehungshinweis in englischer Sprache erfolgt.593 Dem ist in dieser Absolutheit jedoch nicht zuzustimmen, da selbst im internationalen Handelsverkehr nicht zwingend davon ausgegangen werden kann, dass die hier tätigen Personen immer die englische Sprache beherrschen müssen.594 Vielmehr muss unter Heranziehung der Handelsbräuche im betreffenden Geschäftszweig des internationalen Handelsverkehrs bestimmt werden, ob die konkret verwendete Sprache den Teilnehmern des fraglichen Geschäftszweigs bekannt sein müsste, da etwa Verträge üblicherweise in dieser Sprache abgefasst werden.595 6. Umgehung der Form durch Erfüllungsortvereinbarungen Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, in welchem Umfang es den Vertragsparteien möglich ist, durch eine Erfüllungsortvereinbarung Zuständigkeitspräferenzen durchzusetzen und hierdurch die Formanforderungen des Art. 23 Brüssel I-VO zu umgehen. Hierfür wird zunächst die Grundkonzeption der besonderen Zuständigkeit des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO und die Zulässigkeit von Erfüllungsortvereinbarungen dargestellt. Abschließend wird anhand der Voraussetzungen einer zuständigkeitsbegründenden Erfüllungsortvereinbarung die Gefahr einer Umgehung der Formanforderungen des Art. 23 Brüssel I-VO erörtert. a) Grundkonzeption des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO Für vertragliche Streitigkeiten enthält die besondere Zuständigkeit des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO den Erfüllungsort als maßgebliches Anknüpfungskriterium. Abweichend von der allgemeinen Zuständigkeit des Gerichts am Beklagtenwohnsitz wird somit das Gericht des Ortes alternativ für zuständig erklärt, an dem die streitige Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Die damit einhergehende Durchbrechung des zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzips actor sequitur forum rei wird im Interesse einer sachgerechten Prozessführung durch die besonders enge 592

Dazu noch ausführlich unter Teil 2, § 7, B.II.3.a). Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 20a; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 99; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 93; Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 152. 594 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 40; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 86; Spellenberg, IPRax 2007, 98 (102). 595 Vgl. etwa: EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 36; Spellenberg, IPRax 2007, 98 (102). 593

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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Verknüpfung der Streitigkeit mit dem zur Entscheidung berufenen Gericht gerechtfertigt.596 Bei der Bestimmung des Erfüllungsorts sind dabei Kauf- und Dienstleistungsverträge von sonstigen Verträgen zu unterscheiden.597 Für Kauf- und Dienstleistungsverträge wird mit dem Ort der Lieferung der beweglichen Sache und dem Ort der Erbringung der Dienstleistung das Anknüpfungskriterium des Erfüllungsorts verordnungsautonom und anhand der jeweiligen vertragscharakteristischen Leistung definiert, sodass für sämtliche Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis ein einheitlicher Gerichtsstand existiert.598 Für sonstige Verträge wird demgegenüber im Einklang mit den Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache De Bloos und Industrie Tessili Italiana Como zunächst die konkret streitige Leistungspflicht identifiziert, bevor der insofern maßgebliche Erfüllungsort anhand des materiellen Rechts bestimmt wird, das die Kollisionsnormen am Ort des angerufenen Gerichts für anwendbar erklären (lex causae).599 Diese dogmatisch fragwürdige Differenzierung bei der Bestimmung des Anknüpfungskriteriums geht zurück auf einen Kompromiss des Verordnungsgebers anlässlich der Überführung des Brüssel I-Übk in die Brüssel I-VO. Es sollte nämlich einerseits der Forderung nach einer verordnungsautonomen Bestimmung des Erfüllungsorts nachgekommen, andererseits aber die bisherige Rechtsprechung der EuGH nicht völlig aufgegeben werden.600 b) Zuständigkeitsbegründende Wirkung von Erfüllungsortvereinbarungen Im Rahmen der besonderen Zuständigkeit des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO ist dabei fraglich, ob es den Parteien möglich sein soll, eine Vereinbarung über den Erfüllungsort zu treffen und damit zumindest mittelbar die Zuständigkeit zu bestimmen. Im Ausgangspunkt wird man dies bejahen können, da Privatpersonen ihre Lebens596

Siehe dazu auch oben unter Teil 2, § 6, C. Soweit bei Kauf- und Dienstleistungsverträgen der Erfüllungsort nicht in einem Mitgliedstaat liegt, kommt es ausnahmsweise nicht auf die Unterscheidung an, da Art. 5 Nr. 1 lit. b) Brüssel I-VO nicht anwendbar ist und Art. 5 Nr. 1 lit c) Brüssel I-VO in diesen Fällen auf Art. 5 Nr. 1 lit. a) Brüssel I-VO verweist. 598 EuGH, Urt. v. 3. 5. 2007 (Color Drack), Rs. C-386/05, Slg. 2007, I-3699, Rn. 24 und 26; EuGH, Urt. v. 9. 7. 2009 (Rehder), Rs. C-204/08, Slg. 2009, I-6073, Rn. 36; EuGH, Urt. v. 25. 2. 2010 (Car Trim), Rs. C-381/08, Slg. 2010, I-1255, Rn. 49 und 53; EuGH, Urt. v. 11. 3. 2010 (Wood Floor Solutions Andreas Domberger), Rs. C-19/09, Slg. 2010, I-2121, Rn. 23; EuGH, Urt. v. 9. 6. 2011 (Electrosteel Europe), Rs. C-87/10, Slg. 2011, I-4987, Rn. 26; Leible, in: Festschrift Spellenberg, S. 451 (453 f.); Rauscher, NJW 2010, 2251. 599 EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Falco Privatstiftung und Rabitsch), Rs. C-533/07, Slg. 2009, I-3327, Rn. 47 und 55; EuGH, Urt. v. 6. 10. 1976 (De Bloos), Rs. C-14/76, Slg. 1976, 1497, Rn. 13/14; EuGH, Urt. v. 6. 10. 1976 (Industrie Tessili Italiana Como), Rs. C-12/76, Slg. 1976, 1473, Rn. 13 f. 600 Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 61; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (328); Leible, in: Festschrift Spellenberg, S. 451 (452 f.); Kropholler/von Hinden, in: Gedächtnisschrift Lüderitz, S. 401 (408 f.). 597

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

verhältnisse durch Verträge weitgehend selbstbestimmt gestalten können.601 Von diesem Postulat der Privatautonomie, die in unterschiedlichem Umfang in sämtlichen Rechtsordnungen gewährt wird, sollte daher ebenso die Freiheit der Vertragsparteien umfasst sein, den Erfüllungsort vertraglicher Verpflichtungen einverständlich zu bestimmen.602 Zumindest in materieller Hinsicht dürfte dies europaweit Geltung beanspruchen.603 Aufgrund der mittelbaren zuständigkeitsbegründenden Wirkung werden Erfüllungsortvereinbarungen vielfach jedoch als gefährlich eingestuft, sodass ihnen mitunter nur mit Zurückhaltung, wenn nicht sogar mit Misstrauen begegnet wird.604 Die Beachtlichkeit der zuständigkeitsbegründenden Wirkung von Erfüllungsortvereinbarungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht wurde daher zunächst auch kontrovers diskutiert.605 Der EuGH erkannte die zuständigkeitsbegründende Wirkung von Erfüllungsortvereinbarungen dennoch in seiner Entscheidung in der Rechtsache Zelger zumindest für die Vorgängernorm des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO implizit an.606 Obwohl Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO im Vergleich zu seiner Vorgängervorschrift grundlegend umgestaltet wurde, ist an der zuständigkeitsbegründenden Wirkung von Erfüllungsortvereinbarungen festzuhalten.607 Zumindest bei Kauf- und Dienstleistungsverträgen legt dies bereits der Wortlaut von Art. 5 Nr. 1 lit. b) Brüssel I-VO nahe. Denn die verordnungsautonome Bestimmung des Erfüllungsortes erfolgt einerseits „nach dem Vertrag“ und wird andererseits ausdrücklich unter den Vorbehalt einer anderweitigen Parteivereinbarung gestellt.608 Trotz des Fehlens entsprechender Formulierungen in Art. 5 Nr. 1 lit. a) Brüssel I-VO gilt dies nach allgemeiner Ansicht aber auch bei sonstigen Verträgen.609 Zunächst gleicht der Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 601

Ausführlich zum Prinzip der Privatautonomie: Flume, BGB AT, Bd. 2, § 1, S. 1 ff. Junker, IZPR, § 9 Rn. 36. 603 Schack, Erfüllungsort, S. 163 ff.; Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 52; Layton/ Mercer, European Civil Practice, Rn. 15.024. 604 J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 332; Schack, IZVR, § 8 Rn. 311; Junker, IZPR, § 9 Rn. 35. 605 Ausführlich zum Streitstand: Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 86 ff.; Huber, ZZPInt 2 (1997), 168 (176), jeweils m.w.N. 606 EuGH, Urt. v. 17. 1. 1980 (Zelger), Rs. C-56/79, Slg. 1980, 89, Rn. 5; bestätigt durch: EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 30; EuGH, Urt. v. 28. 9. 1999 (GIE Groupe Concorde u.a), Rs. C-440/97, Slg. 1999, I-6307, Rn. 28. 607 Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 35 und 51; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 43 und 57; Stein/Jonas/Wagner, Art. 5 EuGVVO Rn. 72 und 83. 608 Siehe nur: EuGH, Urt. v. 25. 2. 2010 (Car Trim), Rs. C-381/08, Slg. 2010, I-1255, Rn. 45 f.; von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 225; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1753. 609 BGH NJW 2009, 2606 (2608); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 124; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 43; Musielak/Voit/ Stadler, Art. 5 EuGVVO Rn. 15; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 74; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 83; Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 35; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 602

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lit. a) Brüssel I-VO nahezu vollständig demjenigen seiner Vorgängervorschrift, sodass aufgrund der in Erwägungsgrund Nr. 19 zur Brüssel I-VO angesprochenen Kontinuität zwischen Brüssel I-Übk und Brüssel I-VO die bisherige Auslegung durch den EuGH beibehalten werden sollte.610 Überdies ist auch keine sachliche Rechtfertigung oder gar Begründung des Verordnungsgebers für eine Einschränkung von Erfüllungsortvereinbarungen auf Kauf- und Dienstverträge ersichtlich.611 Damit kann konstatierend festgehalten werden, dass im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) und b) Brüssel I-VO Erfüllungsortvereinbarungen grundsätzlich zulässig sind. c) Voraussetzungen für Erfüllungsortvereinbarungen Mit der Bejahung der Zulässigkeit von Erfüllungsortvereinbarungen ist indes noch nicht geklärt, welche Voraussetzungen innerhalb des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO an diese zu stellen sind. Denn der Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO legt zwar die grundsätzliche Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen nahe, schweigt aber über deren konkrete Voraussetzungen. Im Rahmen des Brüssel I-Übk griff der EuGH in der Rechtssache Zelger daher auf die lex causae zurück, indem er die Wirksamkeit von Erfüllungsortvereinbarungen „nach dem anwendbaren Recht unter den dort festgelegten Voraussetzungen“ beurteilte.612 Dies war nicht überraschend, weil er bereits den Erfüllungsort nach der lex causae bestimmt hat.613 Zudem stellte der EuGH fest, dass sich ein Rückgriff auf die besonderen Formanforderungen für Gerichtsstandsvereinbarungen selbst dann verbiete, wenn das für anwendbar erklärte Recht keine besondere Form vorschreiben sollte.614 Zur Begründung verwies er im Wesentlichen darauf, dass durch eine Gerichtsstandsvereinbarung eine ausschließliche Zuständigkeit begründet werde, welche im Gegensatz zu einer Erfüllungsortvereinbarung auf „jeden objektiven Zusammenhang zwischen dem streitigen Rechtsverhältnis und dem vereinbarten Gericht“ verzichtet.615 Vor allem die Ausnahmslosigkeit der Ablehnung des Rückgriffs auf die besonderen Formanforderungen für Gerichtsstandsvereinbarungen ist in der Literatur je-

(328 f.); Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 65 f.; Leible, in: Festschrift Spellenberg, S. 451 (455); zweifelnd: Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 5 EuGVVO Rn. 5. 610 Allgemein zu Art. 5 Nr. 1 lit. a) Brüssel I-VO: EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Falco Privatstiftung und Rabitsch), Rs. C-533/07, Slg. 2009, I-3327, Rn. 48 ff. 611 Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 66; Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 35; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 5 Brussels I Regulation Rn. 145; Rauscher/ Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 43. 612 EuGH, Urt. v. 17. 1. 1980 (Zelger), Rs. C-56/79, Slg. 1980, 89, Rn. 5. 613 EuGH, Urt. v. 6. 10. 1976 (Industrie Tessili Italiana Como), Rs. C-12/76, Slg. 1976, 1473, Rn. 13 f.; Koch, JZ 1997, 841 (842); Spellenberg, IPRax 1981, 75 (76); Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 90. 614 EuGH, Urt. v. 17. 1. 1980 (Zelger), Rs. C-56/79, Slg. 1980, 89, Rn. 4 ff. 615 EuGH, Urt. v. 17. 1. 1980 (Zelger), Rs. C-56/79, Slg. 1980, 89, Rn. 4.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

doch vielfach kritisiert worden.616 In der Tat weist insofern die systematische Begründung des EuGH verschiedene Schwächen auf. So war es bereits im Anwendungsbereich des Art. 17 Brüssel I-Übk allgemein anerkannt, dass durch eine Gerichtsstandsvereinbarung ebenso eine bloß fakultative Zuständigkeit begründet werden kann.617 Bereits eine solche fakultative Gerichtsstandsvereinbarung, welche hinsichtlich ihrer Wirkung einer Erfüllungsortvereinbarung entspräche, unterlag jedoch den besonderen Formanforderungen des Art. 17 Brüssel I-Übk.618 Ebenso wenig wird bei einer Erfüllungsortvereinbarung der proklamierte objektive Zusammenhang zwingend gewährleistet. Die Praxis hat nämlich gezeigt, dass eine Vielzahl der Erfüllungsortvereinbarungen weniger die materiellen Wirkungen im Blick haben, sondern vielmehr auf die Absicherung der jeweiligen Zuständigkeitspräferenzen abzielen, indem bewusst die mittelbar zuständigkeitsbegründende Wirkung ausgenutzt wird.619 Zumindest in allgemeinen Geschäftsbedingungen tritt dies regelmäßig auch offen zu Tage, da der Erfüllungsort und der Gerichtsstand vielfach gemeinsam in einer Klausel geregelt werden.620 Diese sog. abstrakten Erfüllungsortvereinbarungen können damit nur im gleichen Umfang wie Gerichtsstandsvereinbarungen einen objektiven Zusammenhang zwischen dem streitigen Rechtsverhältnis und dem vereinbarten Gericht gewährleisten.621 In der Rechtssache MSG hatte der EuGH erneut die Möglichkeit zum Problemkreis der Erfüllungsortvereinbarungen Stellung zu nehmen und insbesondere auf die vorgebrachte Kritik an seiner Rechtsprechung zu reagieren. Insofern hielt er zunächst an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, indem er die Frage der Wirksamkeit einer Erfüllungsortvereinbarung abschließend nach den Vorschriften der lex causae beurteilte.622 Nach dem EuGH dürfe dies jedoch nicht dazu führen, dass die Vertragsparteien „mit dem alleinigen Ziel, den Gerichtsstand festzulegen, einen Erfüllungsort bestimmen, der keinen Zusammenhang mit der Vertragswirklichkeit aufweist und an dem die vertraglichen Verpflichtungen nach dem Vertrag nicht erfüllt werden können“.623 In Beantwortung der Vorlagefrage stellte der EuGH daher sodann fest, dass eine solche Vereinbarung „nicht unter Artikel 5 Nummer 1 des 616 Siehe etwa: Schack, Erfüllungsort, S. 238; Schack, IPRax 1996, 247 ff.; Lüderitz, in: Festschrift Zweigert, S. 233 (239); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (305 ff.); wohl auch: Spellenberg, IPRax 1981, 75 (79). 617 Spellenberg, IPRax 1981, 75 (76); Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 93. 618 Kubis, IPRax 1999, 10 (13). 619 Schack, IPRax 1996, 247 (248); Schack, ZEuP 1998, 931 (939); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (306); Spellenberg, IPRax 1981, 75 (79). 620 Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (306); Schack, IPRax 1996, 247 (248). Belege aus der heutigen Praxis etwa bei: Schäfer, in: Beck’sches Formularbuch, Formular B. II. 1. („Allgemeine Verkaufsbedingungen“) und Formular B. II. 2. („Allgemeine Einkaufsbedingungen“). 621 Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 96 f. 622 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 30; bestätigt durch: EuGH, Urt. v. 28. 9. 1999 (GIE Groupe Concorde u.a), Rs. C-440/97, Slg. 1999, I-6307, Rn. 28. 623 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 31.

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Übereinkommens, sondern unter dessen Artikel 17 fällt und nur zulässig ist, wenn sie dieser Bestimmung entspricht“.624 Zur Begründung führte er an, dass es insofern nicht nur an der nach dem Wortlaut erforderlichen „unmittelbaren Verbindung zwischen dem Rechtsstreit und dem zur Entscheidung berufenen Gericht“ fehle, sondern in einer solchen Vereinbarung auch eine Umgehung des Art. 17 Brüssel IÜbk mit seinen klaren Formvorschriften zu sehen ist.625 Der EuGH nahm damit die berechtigte Kritik der Literatur teilweise an und schuf eine verordnungsautonom zu beurteilende Ausnahme von der Maßgeblichkeit der lex causae für die Wirksamkeit von Erfüllungsortvereinbarungen.626 Dementsprechend wurde die Entscheidung des EuGH vielfach begrüßt, wenngleich die Sinnhaftigkeit von Erfüllungsortvereinbarungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht auch weiterhin kritisch hinterfragt wird.627 Trotz der grundlegenden Umgestaltung des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO im Vergleich zu seiner Vorgängernorm ist an dieser Rechtsprechung auch im Rahmen der Brüssel I-VO festzuhalten, sodass die Wirksamkeit von Erfüllungsortvereinbarungen weiterhin grundsätzlich anhand der lex causae zu beurteilen ist. Dies entspricht zumindest bei Erfüllungsortvereinbarungen in sonstigen Verträgen im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. a) Brüssel I-VO der ganz herrschenden Meinung.628 Zur Begründung kann insofern die in Erwägungsgrund Nr. 19 zur Brüssel I-VO erwähnte Kontinuität angeführt werden. Bei Erfüllungsortvereinbarungen in Kauf- und Dienstleistungsverträgen im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b) Brüssel I-VO ist das Meinungsbild demgegenüber weniger eindeutig.629 Die Begründung der Fortgeltung der Rechtsprechung fällt zunächst auch schwer, sollte doch durch die Schaffung dieser Regelung 624

EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 35. EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 32 ff. 626 Vgl. Dietze/Schnichels, EuZW 1998, 485 (486). 627 Schack, IZVR, § 8 Rn. 312; Koch, JZ 1997, 841 (842 f.); Hau, IPRax 2000, 354 (360). 628 BGH NJW 2009, 2606 (2608); Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 5 EuGVVO Rn. 11; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 83 f.; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 44 f.; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 35 f.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 124 ff.; MüKoZPO/Gottwald, Art. 5 EuGVO Rn. 39 f.; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 5 Brussels I Regulation Rn. 148; Schmaranzer, in: B/N/G/S, Art. 5 EuGVO Rn. 34; Czernich, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 5 EuGVVO Rn. 21 ff.; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 59; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (329); wohl a.A.: Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 74; Jayme/Kohler, IPRax 1999, 401 (405). 629 Für Beurteilung anhand der lex causae: BGH NJW-RR 2005, 1518 (1520); Rauscher/ Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 57c; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 73; MüKoZPO/Gottwald, Art. 5 EuGVO Rn. 28; U. Magnus, in: Magnus/ Mankowski, Art. 5 Brussels I Regulation Rn. 148; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 5 EuGVVO Rn. 5; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 51; Auer, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 5 EuGVVO Rn. 73; Schmaranzer, in: B/N/G/S, Art. 5 EuGVO Rn. 19; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 59; Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 74 f.; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (328); Kropholler/von Hinden, in: Gedächtnisschrift Lüderitz, S. 401 (409). Für autonome Beurteilung aber: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 92; Nagel/ Gottwald, § 3 Rn. 74; Berg, NJW 2006, 3035 (3037); Jayme/Kohler, IPRax 1999, 401 (405). 625

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

der Rückgriff auf das Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts gerade vermieden werden.630 Art. 5 Nr. 1 lit. b) Brüssel I-VO enthält jedoch lediglich Anhaltspunkte für die verordnungsautonome Bestimmung des Erfüllungsorts und die grundsätzliche Zulässigkeit von Erfüllungsortvereinbarungen, sodass ein Rückgriff auf die lex causae zur Beurteilung der formellen und materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen unabwendbar erscheint.631 Zudem wird hierdurch die dogmatisch fragwürdige Differenzierung innerhalb des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO teilweise relativiert, da somit zumindest das für die Beurteilung der Wirksamkeit von Erfüllungsortvereinbarungen anwendbare Recht einheitlich bestimmt werden kann. Schließlich gilt auch die von der Rechtsprechung des EuGH geschaffene Ausnahme von der Maßgeblichkeit der lex causae innerhalb des Art. 5 Nr. 1 lit. b) Brüssel I-VO fort, obwohl dies angesichts der Formulierung „sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ angezweifelt werden kann.632 Zweifel könnten nämlich insofern bestehen, als eine Erfüllungsortvereinbarung ja bereits durch die Formulierung „nach dem Vertrag“ ermöglicht werde, sodass etwas „anderes“ in materieller Hinsicht eigentlich nur für nicht-vertragscharakteristische Leistungspflichten vereinbart werden könne.633 Lehnt man angesichts der vom Verordnungsgeber beabsichtigten Konzentrationswirkung weiterhin eine gesonderte Erfüllungsortvereinbarung für die nicht-vertragscharakteristische Leistungspflicht ab,634 würde der Formulierung „sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ dann allenfalls noch eine Bedeutung zukommen, wenn man den Vertragsparteien die Vereinbarung eines vom vertraglichen Erfüllungsort abweichenden Orts gestatten würde.635 Hiervon ausge630

S. 15.

So die Begründung des Kommissionsvorschlags Brüssel I-VO, KOM(1999) 348 endg.,

631 Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 57c; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 5 Brussels I Regulation Rn. 148; Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 74 f.; Eltzschig, IPRax 2002, 491 (494); a.A.: Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 74; Berg, NJW 2006, 3035 (3037); Jayme/Kohler, IPRax 1999, 401 (405). 632 Schmaranzer, in: B/N/G/S, Art. 5 EuGVO Rn. 19; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 57d; MüKoZPO/Gottwald, Art. 5 EuGVO Rn. 29; Stein/Jonas/Wagner, Art. 5 EuGVVO Rn. 74; Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 51. 633 von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 225. 634 So etwa: Leible, in: Festschrift Spellenberg, S. 451 (455 f.); Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 57a; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 5 EuGVVO Rn. 73; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 5 EuGVVO Rn. 5; von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 225; Rauscher, in: Festschrift Heldrich, S. 933 (946 f.); wohl auch: Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (328); anders aber die wohl h.M., die in der Formulierung gerade die gesetzliche Gestattung sieht, von der Konzentrationswirkung zugunsten der „De-Bloos-Rechtsprechung“ abzuweichen: Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 51; Stein/Jonas/Wagner, Art. 5 EuGVVO Rn. 73; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 92; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 5 Brussels I Regulation Rn. 152; Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 203 f.; van Lith, International Jurisdiction, S. 93; Hartley, Commercial Litigation, S. 51 ff.; Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 15.045. 635 Vgl. von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 225a; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 57b; Leible, in: Festschrift Spellenberg, S. 451 (455 f.).

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hend die Formulierung als eine Erlaubnis für abstrakte Erfüllungsortvereinbarungen zu interpretieren, wird jedoch soweit ersichtlich nicht vertreten.636 Vielmehr wird die Streichung der irreführenden Formulierung empfohlen.637 d) Umgehungsgefahr für Formanforderungen Sollten die Vertragsparteien „mit dem alleinigen Ziel, den Gerichtsstand festzulegen, einen Erfüllungsort bestimmen, der keinen Zusammenhang mit der Vertragswirklichkeit aufweist“, muss nach der Rechtsprechung des EuGH den Wirksamkeitsvoraussetzungen des Art. 23 Brüssel I-VO entsprochen werden.638 Bei den unter Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO fallenden (konkreten) Erfüllungsortvereinbarungen kommt es den Vertragsparteien demgegenüber primär auf die Vereinbarung des vertraglichen Erfüllungsorts an, sei es um von einer nationalen dispositiven Rechtsvorschrift abzuweichen oder lediglich Zweifel über den Erfüllungsort für die Zukunft auszuräumen. Die damit einhergehende Zuständigkeitsbegründung ist allenfalls gern in Kauf genommene Folge, nicht jedoch maßgebende Motivation für die Erfüllungsortvereinbarung. Demnach scheint Art. 5 Brüssel I-VO auf den ersten Blick nicht mehr als „Einfallstor geflissentlicher Parteien“ geeignet zu sein, die unter Umgehung der Formvorschriften des Art. 23 Brüssel I-VO eine Erfüllungsortvereinbarung als „Trojanisches Pferd“ ausnutzen, um ihrem Vertragspartner die von ihnen bevorzugte Zuständigkeit unterzuschieben.639 Die in der Theorie so einfach anmutende Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Erfüllungsortvereinbarungen anhand der Vertragswirklichkeit kann jedoch in der Praxis zu schwierigen Auslegungsfragen führen, sodass im Falle eines Prozesses letztlich der Darlegungs- und Beweislast entscheidende Bedeutung zukommen kann.640 Denn eine Vertragspartei wird eine abstrakte Erfüllungsortvereinbarung nur dann einfach nachweisen können, wenn die fragliche Verpflichtung am vereinbarten Erfüllungsort gar nicht erfüllt werden kann.641 Damit kann auch eine geflissentliche Vertragspartei kalkulieren, sodass bei genauerem Hinsehen die Umgehungsfahr trotz der Rechtsprechung des EuGH nicht vollständig gebannt ist, sondern vielmehr von der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast abhängt. Weder der Regelung des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO noch den einschlägigen Entscheidungen des EuGH ist insofern jedoch eine ausdrückliche Regelung zu ent636 Vielmehr wird davor gewarnt, vgl.: Schmaranzer, in: B/N/G/S, Art. 5 EuGVO Rn. 19; Leipold, in: Gedächtnisschrift Lüderitz, S. 431 (448). 637 Leible, in: Festschrift Spellenberg, S. 451 (455 f.); Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 57b; Leipold, in: Gedächtnisschrift Lüderitz, S. 431 (449). 638 Siehe nur: EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 31 und 35. 639 Hiervor warnend: J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 332. 640 Spellenberg, IPRax 1981, 75 (79); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (306); wohl auch: Schack, IZVR, § 8 Rn. 312. 641 Huber, ZZPInt 2 (1997), 168 (178).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

nehmen.642 Somit ist auf die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast bei europäischen Zuständigkeitstatbeständen zurückzugreifen.643 Hiernach trägt die Darlegungs- und Beweislast für die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen nach Maßgabe des Prozessrechts der lex fori grundsätzlich der Kläger, da dieser sich regelmäßig darauf berufen wird, dass ein bestimmter Gerichtsstand gegeben sei.644 Ein sich auf die besondere Zuständigkeit des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO berufender Kläger müsste demnach zumindest das Zustandekommen der Erfüllungsortvereinbarung darlegen und im Falle des Bestreitens auch beweisen.645 Ob dies auch die Darlegung und gegebenenfalls den Beweis beinhaltet, dass die konkrete Erfüllungsortvereinbarung einen Zusammenhang mit der Vertragswirklichkeit aufweist, ist indes umstritten.646 Versteht man den Zusammenhang mit der Vertragswirklichkeit als inzident zu prüfende Voraussetzung einer Erfüllungsortvereinbarung, wird man grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dem Kläger auferlegen.647 Sieht man jedoch den erforderlichen Zusammenhang mit der Vertragswirklichkeit bei Erfüllungsortvereinbarungen als implizit gegeben an, wird man dem Beklagten die Last auferlegen, dessen ausnahmsweises Fehlen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.648 Die Rechtsprechung des EuGH scheint insofern eher für das letztere Verständnis zu sprechen, da der EuGH in der Rechtssache MSG eine verordnungsautonom zu beurteilende Ausnahme von der Maßgeblichkeit der lex causae für die Wirksamkeitsvoraussetzungen schuf.649 Zwingend ist dies aufgrund der ambivalenten Formulierung der Entscheidungsgründe freilich nicht. Ebenso gut könnte man die in den Entscheidungsgründen angesprochene Sachnähe verstärkt in den Fokus nehmen,650 um hierdurch die Darlegungs- und Beweislast dem Kläger auch für den erforderlichen Zusammenhang zur Vertragswirklichkeit aufzuerle-

642

Vgl. Mankowski, IPRax 2009, 474 (476); Huber, ZZPInt 2 (1997), 168 (177). Hierzu etwa: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 273 f.; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 7 ff.; Mankowski, IPRax 2009, 474 ff. 644 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 7; Mankowski, IPRax 2009, 474 (475); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 273, jeweils unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 7. 3. 1995 (Shevill u. a.), Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415, Rn. 35 ff. 645 Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 231 ff. 646 Für eine Darlegungs- und Beweislast des Klägers: Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 36; Czernich, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 5 EuGVVO Rn. 22; Huber, ZZPInt 2 (1997), 168 (177 f.); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (306 f.); Spellenberg, IPRax 1981, 75 (79); Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 233 f. Für eine Darlegungs- und Beweislast des Beklagten: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 127; Auer, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 5 EuGVVO Rn. 49. 647 Statt aller: Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 36. 648 So etwa: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 127. 649 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.I.6.c). 650 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 32. 643

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gen.651 Die Rechtfertigung der besonderen Zuständigkeit des Art. 5 Nr. 1 Brüssel IVO sollte jedoch nicht nur in der Sachnähe gesucht werden, sondern gerade auch in der Privatautonomie der Vertragsparteien, da im Rahmen von Vertragsstreitigkeiten über freiwillig eingegangene Verpflichtungen prozessiert wird.652 Bei Erfüllungsortvereinbarungen spielt die Privatautonomie sogar eine noch größere Bedeutung, da insofern einverständlich ein Erfüllungsort für die freiwillig eingegangene Verpflichtung vereinbart wird. Demnach überzeugt es, den erforderlichen Zusammenhang zur Vertragswirklichkeit bei Erfüllungsortvereinbarungen grundsätzlich anzunehmen und damit die Darlegungs- und Beweislast für dessen ausnahmsweises Fehlen dem Beklagten aufzuerlegen. Somit würde auch dem Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO entsprochen. Denn aufgrund der vertraglichen Vereinbarung des Erfüllungsorts kann sowohl der Kläger ohne Schwierigkeiten feststellen, welches Gericht er anrufen, als auch ein Beklagter bei vernünftiger Betrachtung vorhersehen, vor welchem Gericht er verklagt werden kann.653 Wenn nach der vorzugswürdigen und hier vertretenen Auffassung grundsätzlich der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist, so kann trotz der Rechtsprechung des EuGH eine Umgehung der Formvorschriften des Art. 23 Brüssel I-VO nicht gänzlich ausgeschlossen werden. II. Materielle Wirksamkeit Bei der rechtlichen Bewertung von Gerichtsstandsvereinbarungen sind neben den bereits aufgeführten Formanforderungen zahlreiche materiell-rechtliche Anforderungen zu erfüllen, da eine Gerichtsstandsvereinbarung eben ein vertragliches Gestaltungsmittel darstellt.654 Exemplarisch sei an dieser Stelle etwa das Vorliegen einer entsprechenden Willenseinigung, die Geschäftsfähigkeit, die wirksame Stellvertretung oder der Einfluss von Willensmängeln genannt. Diese Aufzählung ist indes keinesfalls abschließend. Im Normtext des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO wird mit dem Begriff der Vereinbarung zwar der vertragliche Charakter einer Gerichtsstandsvereinbarung angesprochen und zugleich die zentrale Voraussetzung für die materiell-rechtliche Wirksamkeit angedeutet.655 Dennoch bleibt zunächst unklar, anhand welcher Kriterien die rechtliche Bewertung der materiell-rechtlichen Fragestellungen zu erfol-

651

So etwa: Huber, ZZPInt 2 (1997), 168 (178); Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen, S. 233. 652 M.-P. Weller, ZGR 2012, 606 (614). 653 Siehe zum Prinzip der Rechtssicherheit oben unter Teil 2, § 6, B. 654 Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1862. 655 U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 75; U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (667).

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gen hat. Jedenfalls bei komplexeren Fragestellungen erscheint ein Rückgriff auf nationale Bestimmungen der verschiedenen Mitgliedstaaten unausweichlich.656 Ob und inwieweit die erforderlichen Antworten auf die diversen materiellrechtlichen Fragestellungen im Wege der grundsätzlich im Europäischen Zivilverfahrensrecht gebotenen verordnungsautonomen Auslegung des Art. 23 Brüssel I-VO gefunden werden können, soll daher zunächst untersucht werden. Anhand der gefundenen Ergebnisse soll sodann der Frage nachgegangen werden, wonach das anwendbare nationale Recht für die ausgegrenzten materiell-rechtlichen Fragestellungen zu ermitteln ist. Abschließend soll sich dann verschiedenen materiellrechtlichen Fragestellungen zugewandt werden, deren Zuordnung fortwährend diskutiert wird, und die daher als Grenzfälle des europäischen Vereinbarungskonzepts bezeichnet werden können. 1. Vereinbarung a) Meinungsstand Zumindest ausdrücklich stellt Art. 23 Brüssel I-VO keine materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen auf, sodass auf den ersten Blick Art. 23 Brüssel I-VO als bloße Formvorschrift verstanden werden könnte.657 Es verwundert daher nicht, dass die Regelung des Art. 23 Brüssel I-VO mitunter als bloße Formvorschrift angesehen wird und somit die Beantwortung sämtlicher materiell-rechtlicher Fragestellungen einer Gerichtsstandsvereinbarung dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten überantwortet wird.658 Bereits frühzeitig betonte der EuGH jedoch, dass die Formerfordernisse gerade auch das tatsächliche Bestehen der Einigung zwischen den Parteien gewährleisten sollen.659 Die Form und zumindest die materielle Willenseinigung werden demnach 656 M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577; U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (667); Spellenberg, IPRax 2010, 464 (467). 657 Spellenberg, IPRax 2010, 464 (466); Wagner, Prozeßverträge, S. 382; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (278); Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (143). 658 OLG Saarbrücken NJW 1992, 987 (987 f.); OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1330 (1332); Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 3; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 22 f.; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 201; von Hoffmann, IPR, § 3 Rn. 245; Cheshire/North/Fawcett, Private Internatioal Law, S. 286 f.; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 177; Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (302 f.); wohl auch: Beaumont/Yüksel, in: Liber Amicorum Siehr, S. 564 (573 f.). 659 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (EstasisSalotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 7; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 6. Später bestätigt durch: EuGH, Urt. v. 6. 5. 1980 (Porta-Leasing), Rs. C-784/79, Slg. 1980, 1517, Rn. 5; EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 25; EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a.), Rs. C-201/82, Slg. 1983, 2503, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 19. 6. 1984 (Russ), C-71/83, Slg. 1984, 2417, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 11. 7. 1985 (Berghoefer), Rs. C-221/84, Slg. 1985, 2699, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986 (Iveco Fiat), Rs. C-313/85, Slg. 1986, 3337, Rn. 5.

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nicht vollständig isoliert betrachtet, obschon beide im allgemeinen Vertragsrecht dogmatisch zu unterscheiden sind.660 Der EuGH sieht daher den Begriff der Gerichtsstandsvereinbarung als verordnungsautonomen Begriff an und „nicht als bloße Verweisung auf das innerstaatliche Recht des einen oder anderen beteiligten Staates“.661 In der Folgezeit hielt der EuGH nicht nur an diesem Zusammenhang von Form und materieller Willenseinigung fest.662 Er erblickte in der Wahrung der handelsgebräuchlichen Form sogar eine widerlegliche Vermutung zugunsten der tatsächlichen Willenseinigung.663 Diese Vermutungswirkung wird mittlerweile durch das Schrifttum und die nationale Rechtsprechung auch für die übrigen Formvarianten beansprucht.664 Ferner arbeitete der EuGH heraus, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung getrennt von den materiellen Bestimmungen des Hauptvertrags zu beurteilen ist, sodass insofern nicht einfach auf die lex causae des Hauptvertrages zurückgegriffen werden kann.665 In der Rechtssache Gasser führte der EuGH zudem aus, dass der autonome Begriff der Gerichtsstandsvereinbarung „allein“ anhand der Vorgängervorschrift des Art. 23 Brüssel I-VO zu beurteilen ist.666 An dieser Rechtsprechung hält der EuGH auch nach der Überführung des Brüssel IÜbk in die Brüssel I-VO fest, wobei er jedoch die alleinige Maßgeblichkeit des Art. 23 Brüssel I-VO für die Beurteilung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht explizit wiederholte.667 Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und unter Rückgriff auf den von ihr beanspruchten Zusammenhang von Form und Willenseinigung werden von der wohl herrschenden Meinung vor allem die Antworten auf die mit der Willenseinigung zusammenhängenden Rechtsfragen in Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO gesucht.668 660

Lindacher, in: Festschrift Schlosser, S. 491 (492 f.); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 45; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 76; G. Roth, ZZP 93 (1980), 156 (161 f.); Kohler, IPRax 1983, 265 (268); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (278 f.); Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (484); Beaumont/Yüksel, in: Liber Amicorum Siehr, S. 563 (573); Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (144). 661 EuGH, Urt. v. 10. 3. 1992 (Powell Duffryn), Rs. C-214/89, Slg. 1992, I-1745, Rn. 13 f. 662 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 15; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 13. 663 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 19 f.; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 20. 664 Siehe nur: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 165, und Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 143 f., jeweils m.w.N. 665 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 25. 666 EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 51. 667 EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 21 und 25 ff. 668 So etwa: BGHZ 171, 141 (148 f.) = NJW 2007, 2036 (2037); BGH NJW 1996, 1819; OLG Saarbrücken NJOZ 2012, 923 (924); OLG Celle NJW-RR 2004, 575 (576); LG Mainz WM 2005, 2319 (2322); LG Essen RIW 1992, 227 (228); OGH ZfRV 2001, 113 (114); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 EuGVVO Rn. 39; Geimer, in: Geimer/

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Die verordnungsautonom zu beurteilende Willenseinigung wird dabei als eine freiwillige Selbstbindung durch deutliche, nicht notwendigerweise ausdrückliche Zustimmung zu einer Gerichtsstandsvereinbarung umschrieben.669 Der Umfang des materiellen Gehalts der Formanforderungen ist jedoch begrenzt, sodass sich im Wege der verordnungsautonomen Auslegung des Art. 23 Brüssel I-VO keine Antworten auf darüber hinausgehende Fragen der materiell-rechtlichen Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung finden lassen.670 Infolgedessen wird von den Vertretern dieser Auffassung etwa zur Beurteilung der eingangs genannten Geschäftsfähigkeit der handelnden Personen, der wirksamen Stellvertretung oder des Einflusses von Willensmängeln auf nationales Recht zurückgegriffen.671 Schließlich wird gelegentlich aber auch vertreten, dass nicht nur die Mindestanforderungen an eine Willenseinigung, sondern weitere Gesichtspunkte der materiellen Wirksamkeit verordnungsautonom anhand des Art. 23 Brüssel I-VO zu beurteilen sind.672

Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 75; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 45 f.; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 25; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 43 ff.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6411; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 79; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 19 f.; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 20 ff.; Adolphsen, EuZVR, S. 141 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 142 ff.; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (143 ff.); Lindacher, in: Festschrift Schlosser, S. 491 (496); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (280); Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (484); Kohler, IPRax 1991, 299 (300). 669 Vgl. Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 EuGVVO Rn. 39 ff.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6412; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 51. 670 Siehe etwa: Adolphsen, EuZVR, S. 142 f.; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 25; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6413; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (280); G. Roth, ZZP 93 (1980), 156 (162); Lindacher, in: Festschrift Schlosser, S. 491 (496); Adolphsen, ZZPInt 4 (1999), 243 (246 f.); Leipold, in: Symposium Schwab, S. 51 (59). 671 OLG Saarbrücken NJOZ 2012, 923 (924); Spellenberg, IPRax 2010, 464 (467); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6413; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 EuGVVO Rn. 41; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 22 f.; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 23; Kreuzer/ Wagner, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Q. 2. Rn. 338; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 48; Wagner, Prozeßverträge, S. 384; Schack, IZVR, § 9 Rn. 536; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (147); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (279); Kohler, IPRax 1983, 265 (268); Kubis, IPRax 1999, 10 (12). 672 Provimi Ldt v Roche Products Ltd [2003] EWHC 961 (Comm) at [82]; Merrett, ICLQ 58 (2009), 545 (549 ff.); Briggs, Agreements on Jurisdiction, Rn. 7.90; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 167 f.; Fentiman, Commercial Litigation (2010), Rn. 2.44 ff.; wohl auch: Jayme, in: Europäisches Kollisionsrecht, S. 33 (35 f.).

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b) Stellungnahme Mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH und die wohl herrschende Meinung im Schrifttum erscheint es vorzugswürdig, Art. 23 Brüssel I-VO in begrenztem Umfang ein europäisches Vereinbarungskonzept zu entnehmen. Zunächst werden hierdurch die materiell-rechtlichen Mindestanforderungen an eine Willenseinigung vereinheitlicht, sodass insofern eine einheitliche Anwendung des Art. 23 Brüssel IVO europaweit sichergestellt wird.673 Zwar könnte die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Gasser auch dahingehend interpretiert werden, dass sämtliche materiell-rechtlichen Fragestellungen „allein“ anhand des Art. 23 Brüssel I-VO zu beurteilen sind.674 Jedoch fehlt Art. 23 Brüssel I-VO bisher ein vertragsrechtliches Fundament, sodass eine Europäisierung des gesamten Vertragsrechts anhand dieser Vorschrift nur schwer vorstellbar ist.675 Selbst wenn man über die notwendige Vorstellungskraft verfügt und dem EuGH die Europäisierung des gesamten Vertragsrechts anhand des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO zutraut, würde dies angesichts der willkürlichen Art und Weise, wie Fragen dem EuGH durch die nationalen Gerichte vorgelegt werden, bestenfalls noch mehrere Jahre dauern.676 Dies erscheint indes angesichts des Prinzips der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO bedenklich und aufgrund des möglichen Rückgriffs auf nationale Vorschriften auch nicht erforderlich.677 Die Formulierung des EuGH, eine Gerichtsstandsvereinbarung „allein“ anhand des Art. 23 Brüssel I-VO zu beurteilen, sollte daher als Verweis auf die Formvorschriften und die Willenseinigung verstanden werden. Freilich besteht auch nach der hier vertretenen Auffassung weiterhin ein gewisser Klärungsbedarf hinsichtlich der genauen Grenzziehung zwischen den konsensualen und nicht-konsensualen Elementen der materiell-rechtlichen Wirksamkeit.678 Dem europäischen Vereinbarungskonzept deswegen aber gänzlich die Praktikabilität abzusprechen und das nationale Recht für alle materiell-rechtlichen Fragestellungen für anwendbar zu erklären, erscheint jedoch zu weitgehend.679 Überdies stünde eine solche Lösung vor der Herausforderung, die nationalen Bestimmungen für eine Willenseinigung gegebenenfalls im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zu modifizieren, um den höchstrichterlich beanspruchten Zusammenhang von Form und 673 Siehe Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO. So auch Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 45; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6411; Kohler, IPRax 1983, 265 (268); Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 142; Wagner, Prozeßverträge, S. 384. 674 EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 51. 675 Adolphsen, ZZPInt 4 (1999), 243 (247); Wagner, Prozeßverträge, S. 384. 676 Beaumont/Yüksel, in: Liber Amicorum Siehr, S. 563 (574). 677 Siehe dazu oben unter Teil 2, § 6, B. 678 Siehe etwa: M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577; Spellenberg, IPRax 2010, 464 (467); U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussel I Regulation, Rn. 80; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 81. 679 So aber: Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 176 f.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Willenseinigung aufrechtzuerhalten. Anderenfalls erschiene es dogmatisch fragwürdig, eine abschließend durch nationale Bestimmungen zu beurteilende Willenseinigung durch die Wahrung der verordnungsautonom zu beurteilenden Form des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) Brüssel I-VO zu vermuten. Demnach enthält Art. 23 Brüssel I-VO ein europäisches Vereinbarungskonzept, das die materiell-rechtlichen Anforderungen an die Willenseinigung umfassend und abschließend regelt.680 Die insofern einschlägigen nationalen Bestimmungen müssen daher hinter Art. 23 Brüssel I-VO zurücktreten.681 Die darüber hinausgehenden Fragen der materiell-rechtlichen Wirksamkeit sind allerdings unter Rückgriff auf nationale Bestimmungen zu beantworten. 2. Rückgriff auf nationales Recht a) Meinungsstand Mit der Feststellung, dass teilweise nationale Bestimmungen zur Beantwortung von materiell-rechtlichen Fragestellungen herangezogen werden müssen, ist allerdings noch nicht geklärt, auf welches nationale Recht zurückgegriffen werden muss. Denn eine Vielzahl nationaler Rechte kommt grundsätzlich in Betracht. So scheint es insbesondere möglich, das Recht des angerufenen, prorogierten oder derogierten Gerichts ebenso für anwendbar zu erklären, wie das auf den zugrundeliegenden Vertrag anwendbare oder von den Parteien gewählte Recht.682 Eine normative Grundlage für die Ermittlung des anwendbaren Rechts für die von Art. 23 Brüssel I-VO nicht erfassten materiell-rechtlichen Fragestellungen konnte jedenfalls nicht in der Brüssel I-VO gefunden werden.683 Diese ist vielmehr im nationalen Recht eines Mitgliedstaats zu suchen. Da Gerichtsstandsvereinbarungen prozessuale sowie materiell-rechtliche Elemente aufweisen, kommen dabei grundsätzlich zwei Möglichkeiten für die Bestimmung des anwendbaren Rechts in Betracht.684 Einerseits kann die normative Grundlage im nationalen Verfahrensrecht der lex fori gesucht werden.685 Andererseits kann aber auch lediglich das nationale 680 Insbesondere müssen weitergehende nationale Anforderungen an die Einigung (wie die aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis bekannte sog. „consideration“) nicht erfüllt werden, vgl. U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 79. 681 Vgl. EuGH, Urt. v. 13. 11. 1979 (Sanicentral), Rs. C-25/79, Slg. 1979, 3423, Rn. 5; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 39b; M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (578 f.); Jayme/Kohler, IPRax 1992, 346 (353). 682 Siehe nur: Beaumont/Yüksel, in: Liber Amicorum Siehr, S. 563 (574); M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (579); Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (305). 683 Zur kollisionsrechtlichen Verweisung in der Brüssel Ia-VO ausführlich unter: Teil 3, § 13, B.II. 684 U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (667). 685 Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 81 f.; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht, S. 296; Nussbaum, Deutsches internationales Privatrecht, S. 402 f.

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Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts als normative Grundlage für die Ermittlung des sachlich anwendbaren Rechts (lex causae) angesehen werden.686 Der EuGH hat insofern noch keine Stellung bezogen.687 Insbesondere kann der gelegentlich zitierten Entscheidung in der Rechtssache Benincasa nicht entnommen werden, dass die lex causae auch zur Beantwortung der von Art. 23 Brüssel I-VO nicht erfassten materiell-rechtlichen Fragestellungen heranzuziehen ist.688 Der EuGH hat in der besagten Entscheidung nämlich nur festgestellt, dass „zwischen einer Gerichtsstandsvereinbarung und den materiellen Bestimmungen des Vertrages, in den diese Vereinbarung eingefügt ist, zu unterscheiden“ ist und die materiellen Bestimmungen des Vertrages der lex causae unterliegen, die durch das Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts bestimmt wird.689 Ob die nicht von Art. 23 Brüssel IVO erfassten materiell-rechtlichen Fragestellungen ebenso der lex causae unterliegen, wurde hingegen nicht entschieden. b) Bedeutung der Rechtsnatur einer Gerichtsstandsvereinbarung Im Rahmen der Auswahl einer der beiden aufgeführten Möglichkeiten wird vielfach mit der Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen argumentiert.690 Diejenigen, die das prozessuale Element in den Vordergrund stellen und eine Gerichtsstandsvereinbarung als Prozessvertrag qualifizieren, erachten deswegen meist das Verfahrensrecht der lex fori für maßgeblich.691 Demgegenüber rekurrieren diejenigen, die den Schwerpunkt auf das materiell-rechtliche Element legen und Gerichtsstandsvereinbarungen als materiell-rechtliche Verträge einordnen, auf das nationale Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts.692 Zwingend ist dieser Schluss von der Rechtsnatur auf das anwendbare Recht indes nicht, da mit der dogmatischen Einordnung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht 686 BGHZ 171, 141 (148) = NJW 2007, 2036 (2037); OGH ZfRV 2001, 231; Kropholler/ von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 28; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel IVO Rn. 41; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 81; Nagel/ Gottwald, § 3 Rn. 201; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6413; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 22 f.; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 137; Kreuzer/ Wagner, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Q. 2 Rn. 338; M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 114; Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 20.038; von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 245; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (148); Kubis, IPRax 1999, 10 (12); Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (57); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (282). 687 M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (579); Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (304 f.). 688 So aber u. a.: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 EuGVO Rn. 41; U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (667 f.), jeweils unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 25. 689 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 24 f. 690 G. Roth, ZZP 93 (1980), 156 (163 f.); vgl. auch Pfeiffer, in: Heidelberg Report, Rn. 377. 691 So bspw.: Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 81 f. 692 So bspw.: Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (57).

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notwendigerweise der prozess- oder materiell-rechtliche Charakter der jeweiligen Voraussetzung feststeht.693 Soweit etwa ein nationales Verfahrensrecht das materiellrechtliche Element der Gerichtsstandsvereinbarung nur rudimentär regelt, erscheint es trotz prozessvertraglicher Qualifikation gleichwohl möglich, die allgemeinen Rechtsgrundsätze des materiellen Rechts heranzuziehen.694 Überdies wird die Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich qualifiziert.695 Selbst innerhalb eines Mitgliedstaats können unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der dogmatischen Einordnung bestehen. So werden Gerichtsstandsvereinbarungen etwa in Deutschland sowohl als reine Prozessverträge als auch als materiell-rechtliche Verträge über prozessrechtliche Beziehungen eingeordnet.696 Demnach erscheint die Argumentation mit der Rechtsnatur für die Ermittlung des anwendbaren Rechts nicht nur fragwürdig, sondern mangels einheitlicher dogmatischer Einordnung auch eher zufällig. Die Suche nach einer vermeintlich dogmatisch konsistenten Lösung sollte daher nicht den Blick darauf verstellen, ein interessengerechtes Ergebnis zu erzielen.697 Im Folgenden wird demnach der Fokus auf die rechtlichen Konsequenzen und Unterschiede der beiden Lösungsmöglichkeiten aus deutscher Sicht gelegt und die dogmatische Einordnung von Gerichtsstandsvereinbarungen vernachlässigt. Insbesondere sollen die gefundenen Ergebnisse mit Blick auf die berührten öffentlichen und privaten Interessen bewertet werden. c) Lösungsmöglichkeiten aa) Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts als normative Grundlage Sieht man das nationale Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts als maßgebliche normative Grundlage an, erfolgt die Ermittlung des sachlich anwendbaren Rechts (lex causae) anhand der einschlägigen nationalen Kollisionsnorm. Diese auf den ersten Blick einfach anmutende kollisionsrechtliche Lösung ist bei genauerer Betrachtung jedoch mit verschiedenen Schwierigkeiten verbunden. Zwar werden eine Vielzahl der mit der materiell-rechtlichen Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts 693 Ausführlich: Wagner, Prozeßverträge, S. 278 ff.; Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (300); Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 89 ff.; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung, S. 223; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 34 f.; wohl auch: Geimer, IZPR, Rn. 1677. 694 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 40; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 280 ff.; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (275). 695 Ein rechtsvergleichender Überblick findet sich etwa bei: Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 87 f. 696 Darstellung des Meinungsstands etwa bei: Hausmann, in: Festschrift Lorenz, S. 359 (360 f.); Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (296 ff.). Siehe dazu auch oben unter Teil 1, § 3, C.II. 697 G. Roth, ZZP 93 (1980), 156 (164); Hausmann, in: Festschrift Lorenz, S. 359 (364); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 83.

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zusammenhängenden Rechtsfragen nicht gesondert angeknüpft, sondern unterliegen dem Geschäftsstatut des jeweiligen Rechtsgeschäfts.698 Allerdings bleibt fraglich, welchem Geschäftsstatut eine Gerichtsstandsvereinbarung überhaupt zuzuordnen ist. Somit soll im Folgenden zunächst das für Gerichtsstandsvereinbarungen maßgebliche Statut (sog. Prorogationsstatut) bestimmt werden. Im Anschluss daran werden verschiedene materiell-rechtliche Fragestellungen dargestellt, die zwar mit einer Gerichtsstandsvereinbarung im Zusammenhang stehen können, aber dennoch gesondert anzuknüpfen sind. (1) Prorogationsstatut Welchem Geschäftsstatut eine Gerichtsstandsvereinbarung zuzuordnen ist, ist zumindest in Deutschland umstritten. Einerseits wird vertreten, dass Gerichtsstandsvereinbarungen kollisionsrechtlich im Zusammenhang mit dem Hauptvertrag zu sehen sind und daher dem Vertragsstatut unterliegen.699 Andererseits wird aber auch vorgeschlagen, Gerichtsstandsvereinbarungen kollisionsrechtlich vom Hauptvertrag zu lösen und eigenständig anzuknüpfen.700 (a) Akzessorische Anknüpfung am Vertragsstatut des Hauptvertrags Folgt man der wohl herrschenden Auffassung und knüpft die Gerichtsstandsvereinbarungen akzessorisch am Vertragsstatut an, ist zunächst anhand der Kollisionsnormen der Rom I-VO das auf den Hauptvertrag anwendbare Recht zu bestimmen.701 Anhand des so bestimmten Rechts können sodann die materiell-rechtlichen Fragen einer Gerichtsstandsvereinbarung beantwortet werden.702 Hierbei kommt zunächst eine Rechtswahl nach Art. 3 Rom I-VO in Betracht. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 3 Rom I-VO kann diese grundsätzlich sowohl für den gesamten Hauptvertrag, als auch gesondert für die Gerichtsstandsvereinbarung ge698

Rauscher, IPR, § 10 Rn. 1094. BGHZ 49, 384 (387) = NJW 1968, 1233; BGH NJW 1971, 323 (324); BGHZ 57, 72 (75) = NJW 1972, 391 (393); BGHZ 59, 23 (26 f.) = NJW 1972, 1622 (1623); BGH NJW 1989, 1431 (1432); BGH NJW 1997, 2885 (2886); OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1330 (1332); OLG München IPRax 1991, 46 (48); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 41; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 81; M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 114; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (147 f.); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (282 f.); Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (302 f.); Dörner/Staudinger, IPRax 1999, 338 (341). „Ob für Gerichtsstandsvereinbarungen ein eigenes Prorogationsstatut anerkannt werden kann“, ließ der BGH dabei ausdrücklich offen, vgl. BGH NJW 1997, 397 (399). 700 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6413; Hausmann, in: Festschrift Lorenz, S. 359 (365 f.); Schack, IZVR, § 9 Rn. 508; Geimer, IZPR, Rn. 1677 ff.; Palandt/Thorn (73. Aufl. 2014), Art. 1 Rom I-VO Rn. 11; von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 76 ff.; Wagner, Prozeßverträge, S. 369 f. 701 So wohl auch das Vorgehen im engl. Recht: Fentiman, Commercial Litigation (2010), Rn. 2.49 ff. 702 Siehe etwa: Hausmann, in: Festschrift Lorenz, S. 359 (365). 699

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

troffen werden (sog. Teilrechtswahl oder dépeçage).703 Überdies kann bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts auch auf die spezifizierten Verträge des Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO und die charakteristische Leistung im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO zurückgegriffen werden. Ausgehend vom Rechtsgedanken des Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO, wonach sämtliche im Zusammenhang mit der Einigung und der materiellen Wirksamkeit stehenden Rechtsfragen dem Vertragsstatut einheitlich unterliegen,704 können somit insbesondere den Willensmängeln und deren Konsequenzen ein anwendbares Recht zugeordnet werden.705 Obwohl Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 1 Abs. 2 lit. e) Rom I-VO vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen sind, kommt man demnach zur mittelbaren Anwendung der Kollisionsnormen der Rom I-VO.706 (b) Eigenständige Anknüpfung Befürwortet man demgegenüber eine eigenständige Anknüpfung, ist fraglich, anhand welcher Kollisionsnormen dieses gesonderte Prorogationsstatut zu bestimmen ist.707 Eine unmittelbare Anwendung der Rom I-VO scheidet insofern jedenfalls aus, da Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 1 Abs. 2 lit. e) Rom I-VO ausdrücklich vom sachlichen Anwendungsbereich der Rom I-VO ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann auf die nachrangigen Kollisionsnormen des EGBGB zu den vertraglichen Schuldverhältnissen zurückgegriffen werden. Zwar hatte der deutsche Gesetzgeber aus unerfindlichen Gründen den bereits im EVÜ enthaltenen Ausschluss nicht umgesetzt,708 sodass zunächst ein Rückgriff auf die entsprechenden Kollisionsnormen möglich erschien.709 Der betreffende 5. Abschnitt des EGBGB wurde jedoch mittlerweile neugefasst und die einschlägigen kollisionsrechtlichen Regelungen vollständig aufgehoben.710 Will man nicht auf die aufgehobenen Kollisionsnormen des EGBGB zurückgreifen,711 so kann allenfalls an eine entspre-

703

Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO Rn. 104 m.w.N. Zum Grundsatz der Einheitlichkeit und den dazugehörigen Ausnahmen: Rauscher/ Freitag, Art. 10 Rom I-VO Rn. 1; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 10 Rom I-VO Rn. 1 f.; Staudinger/Hausmann, Art. 10 Rom I-VO Rn. 12. 705 Vgl. Staudinger/Hausmann, Art. 10 Rom I-VO Rn. 15 ff. 706 Martiny, Vorbem zu Art. 1 Rom I-VO Rn. 71; so auch Fentiman, Commercial Litigation (2010), Rn. 2.51. 707 M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (579). 708 Jayme/Kohler, IPRax 1988, 133 (138); M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (579); siehe aber: MPI, RabelsZ 68 (2004), 1 (22), das den Grund für die fehlende Umsetzung in der Rspr. des BGH erblickt. 709 So etwa: Basedow, JbPraxSchiedsg 1 (1987), 3 (4); a.A.: Jayme/Kohler, IPRax 1989, 337 (342); offen gelassen von: BGH NJW 1989, 1431 (1432). 710 Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 25. 6. 2009, BGBl. I, 2009, S. 1574 ff. 711 So aber: Schack, IZVR, § 9 Rn. 508. 704

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chende Anwendung der Kollisionsnormen der Rom I-VO gedacht werden.712 Einer entsprechenden Anwendung der Rom I-VO scheint auch der BGH zu befürworten. Zumindest sah er sich aufgrund des Art. 1 Abs. 2 lit. e) Rom I-VO nicht darin gehindert, den dem Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO zugrundeliegenden Rechtsgedanken auf eine Schiedsvereinbarung zu übertragen.713 Eine entsprechende Anwendung der Kollisionsnormen erscheint jedenfalls möglich. Denn aus dem Ausschluss in Art. 1 Abs. 2 lit. e) Rom I-VO kann nicht zwingend der gesetzgeberische Wille entnommen werden, dass die Rom I-VO generell keine Geltung für Gerichtsstandsvereinbarungen beanspruchen soll.714 Vielmehr wurde der Ausschluss ursprünglich damit begründet, dass das prozessuale Element einer Gerichtsstandsvereinbarung keiner Rechtswahl zugänglich ist und innerhalb der Gemeinschaft die wichtigsten Fragen bereits durch Art. 17 Brüssel IÜbk geregelt werden.715 Vorliegend geht es jedoch um materiell-rechtliche Fragen, welche nicht bereits durch Art. 23 Brüssel I-VO oder seine Vorgängernorm erfasst sind, sodass dieser Ausschlussgrund nicht greift. Eine entsprechende Regelungslücke erscheint demnach begründbar. Das Bestehen dieser Regelungslücke kann auch im Rahmen der Rom I-VO beansprucht werden, da diese praktisch bedeutsame Frage bei der Schaffung der Rom I-VO nicht diskutiert wurde.716 Somit erscheint es methodisch möglich, den Ausschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen in Art. 1 Abs. 2 lit. e) Rom I-VO entsprechend teleologisch zu reduzieren.717 Dem folgend können die Kollisionsnormen der Rom I-VO entsprechend angewendet werden. Im Gegensatz zur akzessorischen Anknüpfung an das Vertragsstatut ist bei einer eigenständigen Anknüpfung jedoch nicht entscheidend, welches Recht auf den Hauptvertrag anzuwenden ist. Demnach kann bei der Bestimmung des Prorogationsstatuts nicht auf die spezifizierten Verträge des Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO und die charakteristische Leistung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO zurückgegriffen werden. Mangels einer auf die Gerichtsstandsvereinbarung bezogenen Rechtswahl ist somit nach Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO vielmehr entscheidend, zu welchem Staat die Gerichtsstandsvereinbarung die engste Verbindung aufweist.718 Überwiegend wird dabei die engste Verbindung dem Staat zugesprochen, dessen Gericht prorogiert wird.719 712

Palandt/Thorn (73. Aufl. 2014), Art. 1 Rom I-VO Rn. 11; Spickhoff, in: Bamberger/ Roth, Art. 1 Rom I-VO Rn. 30; Junker, IZPR, § 15 Rn. 10; MPI, RabelsZ 68 (2004), 1 (25); wohl auch: Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 101. 713 BGH SchiedsVZ 2014, 151 (153). 714 M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (580). 715 Giuliano/Lagarde-Bericht, ABl. (EG) 1980, Nr. C 282/1 (11). 716 Lando/Nielsen, CMLR 45 (2008), 1687 (1693). 717 So etwa: Junker, IZPR, § 15 Rn. 10. 718 M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (580). 719 Palandt/Thorn (73. Aufl. 2014), Art. 1 Rom I-VO Rn. 11; von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 77; Wagner, Prozeßverträge, S. 370; Kohler, IPRax 1983, 265 (268).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

(c) Stellungnahme Die akzessorische und die eigenständige Anknüpfung einer Gerichtsstandsvereinbarung können somit zur Anwendbarkeit unterschiedlicher Rechtsordnungen gelangen. Obwohl die Unterschiede teilweise dadurch ausgeglichen werden, dass einer Gerichtsstandsvereinbarung eine gewisse Indizwirkung für die Rechtswahl zugesprochen wird, bedarf es einer Streitentscheidung.720 Für eine akzessorische Anknüpfung am Vertragsstatut wird im Wesentlichen angeführt, dass hierdurch verschiedene materiell-rechtliche Fragestellungen sowohl bei dem Hauptvertrag als auch bei der Gerichtsstandsvereinbarung anhand einer einheitlichen Rechtsordnung beurteilt werden können.721 Somit würde insbesondere der Sicht der Vertragspartner entsprochen, die sämtliche Bestimmungen des Vertragswerks als Einheit betrachten und eine gesonderte Anknüpfung der Gerichtsstandsvereinbarung unnatürlich empfänden.722 Jedoch kann diese Argumentation keine Allgemeingültigkeit beanspruchen, sondern lediglich dann greifen, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung Bestandteil eines Hauptvertrags ist. Dies muss allerdings nicht zwingend der Fall sein. So können Gerichtsstandsvereinbarungen erst nachträglich oder für mehrere Hauptverträge, die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen unterliegen, abgeschlossen werden.723 In diesen Konstellationen ließe sich zwar sicherlich noch eine akzessorische Anknüpfung an das Vertragsstatut begründen. Allerdings wird man hier bereits nicht mehr davon ausgehen können, dass die Vertragsparteien eine gesonderte Anknüpfung als unnatürlich empfänden. Vor unlösbaren Problemen steht die akzessorische Anknüpfung aber spätestens dann, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung ohne einen Hauptvertrag abgeschlossen wird.724 Selbst wenn diese Konstellationen in der Praxis selten vorkommen mögen, offenbaren sie das Grundproblem der akzessorischen Anknüpfung, das darin zu sehen ist, dass der Hauptvertrag und die Gerichtsstandsvereinbarung trotz ihrer rechtlichen Selbstständigkeit kollisionsrechtlich einheitlich behandelt werden. Um dieser rechtlichen Selbstständigkeit zu entsprechen, sollte eine Gerichtsstandsvereinbarung daher eigenständig angeknüpft werden. Hierfür spricht nicht nur, dass der Hauptvertrag und die Gerichtsstandsvereinbarung über verschiedene Zwecksetzungen verfügen und in keinem notwendigen Zusammenhang zueinander stehen.725 Auch die vorrangige Anwendbarkeit des Art. 23 Brüssel I-VO für Wirk720

Erwägungsgrund Nr. 12 zur Rom I-VO; M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (583); ausführlich zur Indizwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Rechtswahl: MüKoBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 48 ff. 721 Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 3; Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (300 f.); Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (148); dies zugestehend: von Hoffmann/ Thorn, § 3 Rn. 79. 722 Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 102. 723 Hausmann, in: Festschrift Lorenz, S. 359 (366); Wagner, Prozeßverträge, S. 370. 724 G. Roth, ZZP 93 (1980), 156 (165); Wagner, Prozeßverträge, S. 370, der insofern auf wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten oder Klagen aus unerlaubten Handlungen hinweist. 725 Hausmann, in: Festschrift Lorenz, S. 359 (365); von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 77.

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samkeitsvoraussetzungen dokumentiert bereits die besondere Stellung von Gerichtsstandsvereinbarungen innerhalb eines Vertragswerkes. Diese besondere Stellung wurde auch vom EuGH bestätigt, indem er die rechtliche Selbstständigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen gegenüber dem Hauptvertrag betonte.726 Demnach gelten für Gerichtsstandsvereinbarungen gesonderte Bestimmungen, obwohl sie für Vertragsparteien regelmäßig als ein Bestandteil eines einheitlichen Vertragswerks erscheinen.727 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass auch für die rechtlich selbstständig anzusehende Rechtswahlvereinbarung kein Sonderstatut besteht.728 Denn Rechtswahlvereinbarungen werden durch Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO ausdrücklich dem Vertragsstatut unterstellt.729 Soweit das angerufene Gericht zugleich das prorogierte Gericht ist, können durch die selbstständige Anknüpfung zudem effiziente Ergebnisse erzielt werden. Das Gericht wäre nämlich in der Lage, die materiell-rechtlichen Fragestellungen anhand des eigenen Rechts zu beantworten. Die damit einhergehende schnellere und kostengünstigere Überprüfung einer Gerichtsstandsvereinbarung entspricht daher besser den typischen Parteiinteressen.730 Überdies würde hierdurch die in Erwägungsgrund Nr. 12 zur Rom I-VO beanspruchte Indizwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Rechtswahl gestärkt. Da das angerufene Gericht die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung bequem prüfen kann, wird es nämlich in streitigen Fällen die Indizwirkung einfacher bejahen oder verneinen können.731 Das Effizienzargument verfängt freilich dann nicht, wenn ein Gericht abredewidrig angerufen wird. Hierin kann jedoch kein Argument gegen die eigenständige Anknüpfung erblickt werden, da selbst in diesem Falle kein im Vergleich zur akzessorischen Anknüpfung ineffizienteres Ergebnis erzielt würde. Im Gegensatz zur akzessorischen Anknüpfung am Vertragsstatut führt die selbstständige Anknüpfung von Gerichtsstandsvereinbarungen weiterhin auch nicht zu unlösbaren Problemen bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts. Zwar können die Parteien abweichend von der Vermutungsregelung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Brüssel I-VO mehrere Gerichte in verschiedenen Staaten für zuständig erklären oder 726 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 24 ff.; bestätigt durch: BGHZ 167, 83 (87) = NJW 2006, 1672 (1672 f.). Siehe aber auch: Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (148), der darauf hinweist, dass eine selbstständige Beurteilung trotz einheitlicher kollisionsrechtlicher Anknüpfung möglich sei. 727 Dass die Sicht der Vertragsparteien nicht allein ausschlaggebend für die kollisionsrechtliche Beurteilung sein kann, wird auch durch Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO bestätigt. Hiernach wird eine Rechtswahlvereinbarung den Kollisionsregeln des Hauptvertrags unterworfen. Käme es allein auf die Sicht der Vertragsparteien an, wäre diese Regelung überflüssig, da auch Rechtswahlvereinbarungen regelmäßig als Bestandteil des Hauptvertrags erscheinen. 728 So aber: OLG München IPRax 1991, 46 (48). 729 Rauscher, IPR, § 10 Rn. 1151. 730 von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 79; M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (581); Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 91 f.; dies zugestehend: Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 103 f. 731 Ähnlich bereits: von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (523 f.).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

lediglich die Zuständigkeit eines Gerichts ausschließen.732 In diesen Fällen kann die Bestimmung der engsten Verbindung gewisslich nicht allein unter Verweis auf die prorogative Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung erfolgen. Allerdings erscheint die Bestimmung der engsten Verbindung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO dennoch möglich. So könnte insofern etwa die derogative Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung oder die durch die Gerichtsstandsvereinbarung erfasste Rechtsstreitigkeit herangezogen werden. Die Heranziehung der prorogativen oder derogativen Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung zur Bestimmung der engsten Beziehung kann schließlich nicht dadurch angezweifelt werden, dass die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung aufgrund der offenen materiell-rechtlichen Fragen ja noch gar nicht geklärt sei.733 So ist beispielsweise allgemein anerkannt, dass die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung nach dem vereinbarten Recht zu prüfen ist.734 Überdies führt das europäische Vereinbarungskonzept in Art. 23 Brüssel I-VO dazu, dass die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zur Ermittlung des anwendbaren Rechts nicht ohne jegliche Prüfung unterstellt wird. Vielmehr kann man in der Erfüllung des konsensualen Elements der materiell-rechtlichen Wirksamkeit eine Vermutung zugunsten der in Aussicht gestellten Wirkungen erblicken. Soweit man für die Bestimmung des anwendbaren Rechts das Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts als die maßgebliche normative Grundlage erachtet, überzeugt es, das Prorogationsstatut durch eine eigenständige Anknüpfung zu ermitteln. Insofern gelangt man über eine teleologische Reduktion des Ausschlusses in Art. 1 Abs. 2 lit. e) Rom I-VO zur entsprechenden Anwendung der Kollisionsnormen der Rom I-VO. Dabei ist mangels gesonderter Rechtswahl entscheidend, zu welchem Staat die Gerichtsstandsvereinbarung die engste Verbindung im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO aufweist. Dies wird regelmäßig zugunsten des Staates angenommen werden können, dessen Gerichte prorogiert werden. (2) Gesondert anzuknüpfende Teilfragen Nach Art. 1 Abs. 2 lit. a) und g) Rom I-VO werden sowohl die Geschäftsfähigkeit als auch die Stellvertretung ausdrücklich vom sachlichen Anwendungsbereich der Rom I-VO ausgenommen. Obwohl entsprechende Rechtsfragen auch für das Zustandekommen und die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung relevant sein können, sind sie daher jedenfalls nicht über eine entsprechende Anwendung des Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO zu beantworten.735 Die Geschäftsfähigkeit und Stellver732 Siehe etwa: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 137 ff. und 166; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 EuGVVO Rn. 59. 733 So aber Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 117 f. 734 Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO Rn. 167; MüKoBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 104; aber wohl rechtspolitisch zweifelnd: Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 3 Rom I-VO Rn. 13. 735 Rauscher/Freitag, Art. 10 Rom I-VO Rn. 8.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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tretung sind vielmehr gesondert vom Prorogationsstatut nach Maßgabe des Kollisionsrechts des angerufenen Gerichts anzuknüpfen.736 (a) Geschäftsfähigkeit Im deutschen Kollisionsrecht wird die Geschäftsfähigkeit ebenfalls nicht dem Geschäftsstatut unterworfen, obwohl sie üblicherweise im Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft beurteilt werden muss.737 Stattdessen wird die Geschäftsfähigkeit gemäß Art. 7 EGBGB dem Personalstatut unterstellt.738 Dies entspricht zudem der kollisionsrechtlichen Systematik der Mehrzahl der ausländischen und insbesondere der kontinentaleuropäischen Staaten.739 Das Personalstatut bestimmt insbesondere, wann eine Person geschäftsfähig, beschränkt geschäftsfähig oder geschäftsunfähig ist.740 Nach herrschender Meinung entscheidet es ebenso über die Rechtsfolgen fehlender und beschränkter Geschäftsfähigkeit.741 Sowohl auf europäischer Ebene als auch auf nationaler Ebene erfährt die gesonderte Anknüpfung jedoch aus Gründen des Verkehrsschutzes durch Art. 13 Rom I-VO bzw. Art. 12 EGBGB eine gewisse Einschränkung.742 (b) Stellvertretung Im deutschen Kollisionsrecht wird auch die Stellvertretung gesondert angeknüpft.743 Dabei kann grundsätzlich zwischen gesetzlicher, organschaftlicher und rechtsgeschäftlicher Stellvertretung unterschieden werden. Bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts für die gesetzliche Stellvertretung natürlicher Personen kann noch auf eine Vielzahl internationaler und nationaler Kollisionsnormen zurückgegriffen werden.744 Soweit allerdings das maßgebliche Recht für die organschaftliche Vertretung von Gesellschaften oder für die rechtsgeschäftliche Vertretung zu bestimmen ist, bestehen in Deutschland keine kodifizierten Kollisionsregeln.745 736

Für die Stellvertretung etwa: BGH NJW 2015, 2584 (2588). Rauscher, IPR, § 7 Rn. 604. 738 MüKoBGB/Lipp, Art. 7 EGBGB Rn. 32; Kegel/Schurig, § 17 I, S. 559; von Hoffmann/ Thorn, § 7 Rn. 6. 739 Staudinger/Hausmann, Art. 12 EGBGB Rn. 6; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 47. 740 Kegel/Schurig, § 17 I, S. 559; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 43a. 741 Staudinger/Hausmann, Art. 7 EGBGB Rn. 88 ff.; MüKoBGB/Lipp, Art. 7 EGBGB Rn. 56; Mäsch, in: Bamberger/Roth, Art. 7 EGBGB Rn. 28; von Hoffmann/Thorn, § 7 Rn. 8; Kegel/Schurig, § 17 I, S. 559; a.A.: OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 775 (776). 742 MüKoBGB/Lipp, Art. 7 EGBGB Rn. 109 f.; Lipp, RabelsZ 63 (1999), 107 ff. 743 Kegel/Schurig, § 17 V, S. 620; Rauscher, IPR, § 10 Rn. 1096; M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (582). 744 Siehe etwa: Art. 15 ff. KSÜ, Art. 13 ErwSÜ oder Art. 21, 24 EGBGB. 745 Staudinger/Magnus, Anh II zu Art. 1 Rom I-VO Rn. 4; Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/ Mankowski, Art. 1 Rom I-VO Rn. 24; M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (582). 737

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So dürfte zwar unstreitig sein, dass die organschaftliche Vertretung einer Gesellschaft dem Gesellschaftsstatut unterfällt.746 Jedoch muss im deutschen Kollisionsrecht auf gewohnheitsrechtliche Kollisionsregeln zurückgegriffen werden, um das Gesellschaftsstatut zu ermitteln.747 Insofern wird man zunächst davon ausgehen können, dass eine Gesellschaft derjenigen Rechtsordnung unterliegt, die am Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes gilt (sog. Sitztheorie).748 Soweit eine Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet wurde und dort ihren Satzungssitz hat, unterliegt eine Gesellschaft aufgrund der Niederlassungsfreiheit demgegenüber der Rechtsordnung, die am Ort der Gründung gilt (sog. Gründungstheorie).749 Zumindest im Geltungsbereich der Gründungstheorie wird das deutsche Gesellschaftskollisionsrecht damit den Kollisionsrechten der übrigen Mitgliedstaaten entsprechen. Dass die rechtsgeschäftliche Stellvertretung gesondert anzuknüpfen ist, wird zwar nicht nur in Deutschland sondern auch in der Mehrzahl der ausländischen Staaten für erforderlich angesehen.750 Wie diese gesonderte Anknüpfung konkret auszugestalten ist, wird jedoch mitunter sehr verschieden beurteilt.751 Nach der herrschenden Meinung in Deutschland wird die rechtsgeschäftliche Stellvertretung an das Wirkungsland der Vollmacht angeknüpft.752 Wie das Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Vertretenen und dem Verkehrsschutz bei der Bestimmung des Wirkungslandes konkret zu lösen ist, beantworten sowohl Rechtsprechung als auch Literatur allerdings bereits uneinheitlich. Einerseits wird nämlich die Rechtsordnung des Staates für maßgeblich angesehen, in dem die Vollmacht nach dem Willen des Vollmachtgebers gebraucht werden soll.753 Andererseits wird aber auch an die Rechtsordnung des Staates angeknüpft, in dem die Vollmacht tatsächlich

746 BGH NJW-RR 2011, 1184; BGH NJW 2001, 305 (306); BGH NJW 1995, 1032; Palandt/Thorn, Anh zu Art. 12 EGBGB Rn. 17; Spahlinger/Wegen, Rn. 288; Staudinger/Magnus, Anh II zu Art. 1 Rom I-VO Rn. 7; Rauscher, IPR, § 10 Rn. 1097; Kegel/Schurig, § 17 V, S. 620. 747 Ausführlich zum Gesellschaftskollisionsrecht: MüKoBGB/Kindler, Int. Handels- und GesR, Rn. 1 ff.; Palandt/Thorn, Anh zu Art. 12 EGBGB Rn. 1 ff. 748 BGHZ 178, 192 (196) = NJW 2009, 289 (290); BGHZ 153, 353 (355) = NJW 2003, 1607 (1608); OLG Hamburg NZG 2007, 597 (598). 749 BGHZ 164, 148 (151) = NJW 2005, 3351 (3351 f.); BGH NJW 2005, 1648 (1649); BGH NJW 2004, 3706 (3707). Siehe hierzu auch die vielfach in Bezug genommenen Entscheidungen des EuGH: EuGH, Urt. v. 9. 3. 1999 (Centros), Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459; EuGH, Urt. v. 5. 11. 2002 (Überseering), Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919; EuGH, Urt. v. 30. 9. 2003 (Inspire Art), Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155. 750 Schwarz, RabelsZ 71 (2007), 729 (744 ff.). 751 Rauscher/von Hein, Art. 1 Rom I-VO Rn. 48, der darauf hinweist, dass hieran letztlich eine einheitliche Regelung für Vertreterverträge im Entwurf der Rom I-VO scheiterte. 752 Hierzu ausführlich: Staudinger/Magnus, Anh II zu Art. 1 Rom I-VO Rn. 13 ff. 753 So wohl: BGH NJW 2004, 1315 (1316); BGHZ 64, 183 (191) = NJW 1975, 1220 (1222); Palandt/Thorn, Anh zu Art. 10 EGBGB Rn. 1; Rauscher, IPR, § 10 Rn. 1098; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 43.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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gebraucht wird.754 Ob bei einem Rechtsgeschäft eine Stellvertretung überhaupt zulässig ist, beantwortet demgegenüber nicht das Vollmachtsstatut. Vielmehr richtet sich die Zulässigkeit der Stellvertretung nach dem Geschäftsstatut des Vertretergeschäfts.755 bb) Verfahrensrecht des angerufenen Gerichts als normative Grundlage Hält man hingegen das nationale Verfahrensrecht der lex fori als normative Grundlage zur Ermittlung des anwendbaren Rechts für maßgeblich, so sind zur Beantwortung der von Art. 23 Brüssel I-VO nicht erfassten materiell-rechtlichen Fragestellungen primär die nationalen Verfahrensvorschriften heranzuziehen. Zumindest in Deutschland findet man im Verfahrensrecht jedoch keine ausdrückliche Antwort auf die hier interessierenden materiell-rechtlichen Fragestellungen. Vielmehr verfügt dieses nur über rudimentäre Regelungen des materiellen Rechts, da für komplexere Fragestellungen mit dem BGB ein ausgearbeitetes Vertragsrecht zur Verfügung steht, das gegebenenfalls herangezogen werden kann.756 Eine vergleichbare Situation wird auch in den Verfahrensrechten anderer Mitgliedstaaten vorzufinden sein.757 Demnach wird man nicht nur in Deutschland weiterhin fragen müssen, ob das angerufene Gericht nun unmittelbar sein Vertragsrecht anwenden kann oder zunächst das sachlich anwendbare Recht kollisionsrechtlich bestimmen muss. Immerhin wird die regelmäßig vorprozessual abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung heutzutage nicht mehr den allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen unterworfen, sodass es weder auf die Prozessfähigkeit noch auf eine Prozessvollmacht ankommt.758 Wie die Heranziehung des Vertragsrechts durch das angerufene Gericht konkret zu erfolgen hat, ist zumindest in Deutschland umstritten. (1) Unmittelbare Anwendung des nationalen Vertragsrechts der lex fori Vor allem in der Vergangenheit wurde der Grundsatz der Geltung der lex fori im Verfahrensrecht sehr konsequent angewendet und vertreten, dass das angerufene Gericht zwingend sein Vertragsrecht anzuwenden habe.759 Ob somit auch die ge754 So wohl: BGH NJW 1990, 3088; OLG Düsseldorf IPRax 1996, 423 (425); Kegel/ Schurig, § 17 V, S. 621; Staudinger/Magnus, Anh II zu Art. 1 Rom I-VO Rn. 22; von Hoffmann/ Thorn, § 7 Rn. 50 f. 755 Rauscher, IPR, § 10 Rn. 1096 und 1098. Ausführlich zur Reichweite des Vollmachtsstatuts: Staudinger/Magnus, Anh II zu Art. 1 Rom I-VO Rn. 22; Palandt/Thorn, Anh zu Art. 10 EGBGB Rn. 3. 756 Wagner, Prozeßverträge, S. 278 f.; Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 82. 757 Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (303); so wohl auch in Österreich, vgl. Parenti, ZfRV 2003, 221 (221 f.). 758 Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (307); a.A.: Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, S. 141 ff. 759 RGZ 159, 254 (255); Riezler, Internationales Zivilprozessrecht, S. 296; Nussbaum, Deutsches internationales Privatrecht, S. 402 f.; Habscheid, in: Festschrift Schima, S. 175

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

sondert anzuknüpfenden Teilfragen der Geschäftsfähigkeit und Stellvertretung dem eigenen Sachrecht unterliegen oder kollisionsrechtlich zu bestimmen sind, bleibt dabei teilweise unklar.760 (2) Kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Vertragsrechts Neuerdings wird jedoch zunehmend darauf verwiesen, dass das anzuwendende Vertragsrecht erst vom angerufenen Gericht kollisionsrechtlich zu bestimmen sei.761 Folgt man dieser Auffassung, so ist man eigentlich bei der Auffassung, die das nationale Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts als maßgebliche normative Grundlage ansieht.762 Dann sind nicht nur die Geschäftsfähigkeit und Stellvertretung gesondert anzuknüpfen. Es stellen sich zudem die bereits dargestellten Fragen bei der Ermittlung des Prorogationsstatuts gleichermaßen. Diese sollten dahingehend beantwortet werden, dass die von Art. 23 Brüssel I-VO nicht erfassten materiellrechtlichen Fragestellungen eigenständig angeknüpft werden, indem man die Kollisionsnormen der Rom I-VO entsprechend anwendet.763 Auch nach dieser Ansicht könnte das angerufene Gericht daher regelmäßig sein Vertragsrecht anwenden. Soweit nicht das prorogierte Gericht angerufen wird oder von der Vermutungsregel des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Brüssel I-VO abgewichen wird, kann das angerufene Gericht allerdings auch zur Anwendung eines ausländischen Vertragsrechts gelangen. Demnach bedarf es hier trotz regelmäßig gleicher Ergebnisse einer Streitentscheidung. (3) Stellungnahme Zu Recht wird von der Maßgeblichkeit des Verfahrensrechts der lex fori nicht zugleich auf die Maßgeblichkeit des zugehörigen Vertragsrechts geschlossen. Stattdessen muss das angerufene Gericht das anzuwendende Vertragsrecht erst noch durch sein Kollisionsrecht bestimmen. Zwar besteht heutzutage weitgehend Einigkeit darüber, dass die Besonderheiten des Verfahrensrechts im Grundsatz die Anwendung ausländischen Rechts aus-

(188 f.). Aus der jüngeren Vergangenheit: OLG Saarbrücken NJW-RR 1989, 828 (829 f.); Radtke, Der Grundsatz der lex fori, S. 55 f.; Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 91 f. 760 Siehe aber: Nussbaum, Deutsches internationales Privatrecht, S. 402 f., der trotz Maßgeblichkeit des Vertragsrechts der lex fori zumindest die Geschäftsfähigkeit nach dem Personalstatut beurteilen will. 761 BGHZ 57, 72 (75) = NJW 1972, 391 (393); BGHZ 59, 23 (27) = NJW 1972, 1622 (1623); Hausmann, in: Festschrift Lorenz, S. 359 (362); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6355 f.; Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (303); Gottwald, in: Festschrift Firsching, S. 89 (96). 762 Dazu ausführlich oben unter: Teil 2, § 7, B.II.2.c)aa). 763 Siehe dazu oben unter Teil 2, § 7, B.II.2.c)aa)(1).

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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schließt.764 Ob jedoch eine Gerichtsstandsvereinbarung vollumfänglich dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist, kann angesichts deren materiell-rechtlicher Elemente bezweifelt werden.765 Überdies sollte nicht zugleich deduktiv auf die Anwendbarkeit des inländischen Vertragsrechts geschlossen werden, selbst wenn man eine Gerichtsstandsvereinbarung vollständig dem Verfahrensrecht zuordnen würde. Der Grundsatz der Geltung der lex fori im Verfahrensrecht ist nämlich „kein unerschütterliches Dogma“, das ohne Rücksicht auf seine innere Rechtfertigung angewendet werden kann.766 Unabhängig von der dogmatischen Einordnung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist vielmehr konkret zu fragen, ob die Besonderheiten des Verfahrensrechts es gerade auch erforderlich machen, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung dem Vertragsrecht der lex fori zu unterstellen. Dies wird man im Ergebnis verneinen müssen. Denn die maßgebliche Besonderheit des Verfahrensrechts ist darin zu sehen, dass es ein hohes Maß an Praktikabilität erfordert.767 Das Gericht muss das Verfahrensrecht kennen, um rechtssicher, prozessökonomisch und mit Würde im Prozess vorgehen zu können.768 Diese Besonderheit gilt indes nicht gleichermaßen für die Heranziehung ausländischen Vertragsrechts bei der Beantwortung materiell-rechtlicher Fragestellungen einer Gerichtsstandsvereinbarung. Denn das ausländische Vertragsrecht soll hier auf einen abgeschlossen Sachverhalt angewendet werden und gerade nicht den Ablauf und die Durchführung des Verfahrens verändern.769 Zwar führt die mitunter erforderliche Ermittlung und Anwendung eines ausländischen Vertragsrechts zu einem erhöhten Aufwand für das angerufene Gericht, wenn es die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung feststellen will. Jedoch sind derartige Unannehmlichkeiten ebenso wie bei der Ermittlung und Anwendung sonstigen materiellen Rechts während eines Prozesses

764 Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit, S. 97; Wagner, Prozeßverträge, S. 355 f. 765 Verschiedentlich wird eine vollständige Zuordnung zu einem Sachgebiet für unmöglich gehalten und die Gerichtsstandsvereinbarung als „hybrider Vertrag“ zwischen Prozessrecht und materiellem Recht angesehen, vgl. Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (308) m.w.N. 766 So ausdrücklich: Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 17 f.; J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 797; ähnlich auch: Wagner, Prozeßverträge, S. 356. 767 So etwa: Nagel/Gottwald, § 1 Rn. 42; Kegel/Schurig, § 22 III, S. 1055; Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 20 f.; ähnlich auch: von Hoffmann/Thorn, § 3 Rn. 8, und Linke/ Hau, IZVR, Rn. 2.10, der jedoch das Neutralitätsargument noch heranzieht; kritisch: Schack, § 2 Rn. 46 ff.; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 137 ff.; Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (254 f.); ausführliche Darstellung der verschiedenen Begründungen etwa bei: Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit, S. 95 ff.; Wagner, Prozeßverträge, S. 353 ff. 768 Nagel/Gottwald, § 1 Rn. 42; Kegel/Schurig, § 22 III, S. 1055. 769 Lindenmayr, Vereinbarung über internationale Zuständigkeit, S. 103; Wagner, Prozeßverträge, S. 368 f.; Jakobs, Vorprozessuale Vereinbarungen, S. 53 f.; Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (254 f.).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

hinzunehmen.770 Daher muss die durch den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-VO regelmäßig implizierte Internationalität des Sachverhalts ausnahmsweise durch das Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts berücksichtigt werden. Anderenfalls würde man die Internationalität für das materiell-rechtliche Element der Gerichtsstandsvereinbarung ignorieren. Dies hätte schließlich auch den Vorteil, dass nicht sämtliche materiell-rechtlichen Fragestellungen einer Gerichtsstandsvereinbarung undifferenziert der lex fori unterworfen und damit für die Schaffung der verschiedenen nationalen Kollisionsnormen maßgebenden Interessen vernachlässigt würden.771 cc) Stellungnahme Ob man das Verfahrensrecht der lex fori oder bloß deren Kollisionsrecht als normative Grundlage für die Ermittlung des anwendbaren Rechts ansieht, ist zumindest aus deutscher Sicht eine müßige Streitfrage.772 In beiden Fällen kommt man nämlich bei der Beantwortung der materiell-rechtlichen Fragen zur Anwendung des Kollisionsrechts. Soweit das nationale Verfahrensrecht des angerufenen Gerichts jedoch auch materiell-rechtliche Regelungen für eine Gerichtsstandsvereinbarung enthält oder dem nationalen Verfahrensrecht ein solcher Gehalt zugesprochen wird, können die verschiedenen Auffassungen allerdings unterschiedliche Rechtsordnungen für anwendbar erklären. Dass es sich hierbei nicht um ein bloß theoretisches Problem handelt, hat jüngst der sog. Heidelberg-Bericht gezeigt.773 Demnach soll im Folgenden der Streit um die normative Grundlage zur Bestimmung des anwendbaren Rechts argumentativ entschieden werden. Für die Anwendung des Vertragsrechts der lex fori spricht üblicherweise, dass dem angerufenen Gericht hierdurch die Anwendung des eigenen Rechts ermöglicht wird. Diese Praktikabilität führt regelmäßig zu rechtssicheren sowie prozessökonomischen Ergebnissen und entspricht daher den Parteiinteressen.774 Um den Parteiinteressen zu genügen, ist jedoch nicht zwingend die Anwendung des Vertragsrechts der lex fori erforderlich. Vielmehr wird ihnen ebenso bei einer kollisionsrechtlichen Bestimmung entsprochen, soweit man – wie hier vertreten – das Prorogationsstatut eigenständig anknüpft. Über die entsprechende Anwendung des Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO kann das angerufene Gericht nämlich für den nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Brüssel I-VO gesetzlich vermuteten Regelfall einer Gerichtsstandsvereinbarung ebenfalls sein Vertragsrecht heranziehen. Soweit das angerufene Gericht nicht zugleich das prorogierte Gericht ist, wäre das angerufene Gericht hier770

Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 137; wohl auch von Hoffmann/ Thorn, § 3 Rn. 8. 771 Ausführlich zu den Interessen im Kollisionsrecht: Kegel/Schurig, § 2 I, S. 128 ff. 772 So etwa: Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (303), der jedoch kollisionsrechtlich eine akzessorische Anknüpfung an das Vertragstatut des Hauptvertrags befürwortet. 773 Pfeiffer, in: Heidelberg-Bericht, S. 159, Rn. 377. 774 Kegel/Schurig, § 2 II, S. 143; Kropholler, IPR, § 7 II, S. 43 f.

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durch zwar gezwungen, ein ausländisches Vertragsrecht anzuwenden. Dieses Ergebnis ist jedoch begrüßenswert, da somit ein nachträgliches forum shopping durch eine abredewidrige Klage vor dem Gerichtsort mit dem für den Kläger günstigsten Vertragsrecht vermieden wird. Dieses Argument kann überdies ausgeweitet und auch der Anwendung des Verfahrensrechts der lex fori entgegengestellt werden.775 Sobald einem nationalen Verfahrensrecht ein materiell-rechtlicher Regelungsgehalt zugesprochen wird, kann ein Kläger diesen Aspekt nämlich auch ausnutzen. Die Anwendung des Vertragsrechts der lex fori bei Gerichtsstandsvereinbarungen erscheint zudem mit Blick auf die Bedeutung der Rechtssicherheit bzw. Voraussehbarkeit im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO fragwürdig.776 Solange nicht vor einem bestimmten Gericht geklagt wird, kann ein Beklagter nämlich bei vernünftiger Betrachtung nicht vorhersehen, welches Vertragsrecht ergänzend auf die Gerichtsstandsvereinbarung anzuwenden ist.777 Schließlich können über die entsprechende Anwendung der Rom I-VO in allen Mitgliedstaaten einheitliche Ergebnisse bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts erzielt werden.778 Dies erscheint mit Blick auf Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO erstrebenswert. Demgegenüber führt die Anwendung der lex fori nur dann zu einheitlichen Ergebnissen, wenn dem nationalen Verfahrensrecht kein materiell-rechtlicher Regelungsgehalt zugeordnet wird und eine kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Rechts erfolgt. Demnach erscheint die Bestimmung des anwendbaren Rechts anhand des Kollisionsrechts des angerufenen Gerichts vorzugswürdig. Für die nicht von Art. 23 Brüssel I-VO erfassten materiell-rechtlichen Fragestellungen ist daher das sachlich anwendbare Vertragsrecht europaweit in entsprechender Anwendung der Rom I-VO zu bestimmen. Die Geschäftsfähigkeit und die Stellvertretung sind dabei gesondert nach Maßgabe des Kollisionsrechts des angerufenen Gerichts anzuknüpfen. 3. Grenzfälle des europäischen Vereinbarungskonzepts a) Sprachrisiko Gerichtsstandsvereinbarungen im Sinne des Art. 23 Brüssel I-VO sind durch eine gewisse Internationalität gekennzeichnet, sodass bei Abschluss auch divergierende Sprachfähigkeiten denkbar sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn Parteien aus verschiedenen Mitgliedstaaten eine Gerichtsstandsvereinbarung schließen. Dennoch stellt Art. 23 Brüssel I-VO keine ausdrücklichen Anforderungen an die Sprache. Die Parteien können vielmehr beliebig eine Sprache wählen, sodass sogar eine Gerichtsstandsvereinbarung unter Verwendung verschiedener Sprachen abgeschlossen 775

So etwa: Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit, S. 104 f. Siehe zum Prinzip der Rechtssicherheit oben unter Teil 2, § 6, B. 777 Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 84; Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 104; Jakobs, Vorprozessuale Vereinbarungen, S. 54 f. 778 Die Rom I-VO gilt für alle Mitgliedstaaten der EU außer Dänemark, vgl. MüKoBGB/ Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 78 ff.; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 1 Rom I-VO Rn. 38. 776

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werden kann.779 Lediglich bei der Einbeziehung fremdsprachiger AGB ist ein für den Vertragspartner sprachlich verständlicher Einbeziehungshinweis zu fordern.780 Ob der Vertragspartner die in Bezug genommene fremdsprachige Gerichtsstandsklausel dann sprachlich versteht, bleibt indes ebenso fraglich, wie das sprachliche Verständnis einer Partei bei sonstigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen seines Gegenübers. Damit drängt sich die Frage auf, welche rechtlichen Konsequenzen eine fehlgeschlagene Kommunikation hat. In der Literatur wird dies unter dem Schlagwort „Sprachrisiko“ diskutiert.781 Eine Partei, die sich auf ein sprachliches Missverständnis beruft, wird damit vordergründig das Vorliegen einer wirksamen Einigung bestreiten. Bei genauerer Betrachtung wird man allerdings danach zu unterscheiden haben, welche der Parteien die mangelnde Sprachkenntnis geltend macht.782 So wird der Erklärende anführen, dass das objektiv Erklärte aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht seinem wirklichen Willen entspricht. Demgegenüber wird der Erklärungsempfänger darauf verweisen, dass er lediglich eine ihm sprachlich verständliche Erklärung zur Kenntnis nehmen muss. Zieht man zunächst Art. 23 Brüssel I-VO als rechtlichen Maßstab heran, scheint eine Beantwortung kaum möglich. Jedenfalls können den Formanforderungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Brüssel I-VO keine handhabbaren Kriterien zum Umgang mit sprachlich bedingten Willensmängeln entnommen werden. Allenfalls die Frage, in welcher Sprache eine Erklärung abgefasst sein muss, damit ein Empfänger sie zur Kenntnis nimmt, erscheint noch verordnungsautonom beantwortbar.783 Nach der Rechtsprechung des EuGH sollen die Formerfordernisse nämlich das tatsächliche Vorliegen der Einigung zwischen den Parteien gewährleisten.784 Insbesondere soll eine Abweichung von den allgemeinen Zuständigkeitsregeln nur dann möglich sein, wenn die andere Partei hierzu tatsächlich zugestimmt hat.785 Somit lässt sich argumentieren, dass der Erklärende bei der Wahl der Sprache die Verständnismöglichkeiten des Erklärungsempfängers zu berücksichtigen hat, da anderenfalls die tatsächliche Zustimmung nicht gewährleistet ist. Soweit 779 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVVO Rn. 38; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 125; Spellenberg, IPRax 2010, 464 (465). 780 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.I.5.d). 781 Siehe etwa: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 40; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 63; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 37. 782 Staudinger/Hausmann, Art. 31 EGBGB Rn. 102 f.; MüKoBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rn. 54. 783 So jedenfalls hinsichtlich der sprachlichen Abfassung von AGB: Spellenberg, IPRax 2007, 98 (105); Spellenberg, IPRax 2010, 464 (469). 784 Statt aller: EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Estasis Salotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 7; EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 28. Dazu ausführlich oben unter: Teil 2, § 7, B.I.1. 785 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Estasis Salotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 9; EuGH, Urt. v. 19. 6. 1984 (Russ), Rs. C-71/83, Slg. 1984, 2417, Rn. 16.

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der Erklärungsempfänger nicht ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gegeben hat, dass er über besondere Sprachkenntnisse verfügt, ist die Erklärung daher grundsätzlich in dessen Muttersprache abzufassen.786 Mit der Vermutung, dass wegen der Art des Geschäfts entsprechende Sprachkenntnisse zu erwarten sind,787 sollte hingegen zurückhaltend umgegangen werden.788 Insbesondere sollte selbst im internationalen Handelsverkehr weder Englisch noch eine andere Weltsprache als stets verständlich angesehen werden.789 Allerdings ist eine verbindliche Klärung dieser Fragestellung durch den EuGH bisher nicht erfolgt. Sollte der Empfänger einer Erklärung jedoch zustimmen, obwohl er in sprachlich verständlicher Weise auf fremdsprachige AGB hingewiesen wurde, wird dies für das Vorliegen der Einigung zu Recht als ausreichend angesehen.790 Wer einer Erklärung zustimmt, obwohl er die beigefügten AGB nicht versteht, erklärt damit sein Einverständnis in die Geltung des Klauselwerks.791 Beruft sich der Erklärungsempfänger dennoch nachträglich auf seine fehlenden Sprachkenntnisse, verstößt er gegen Treu und Glauben.792 Dass eine Partei auch im Rahmen der Brüssel I-VO bei Ausübung ihrer Rechte nach Treu und Glauben zu handeln hat, stellte der EuGH bereits frühzeitig ausdrücklich fest.793 Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben kann somit nicht unter Verweis auf dessen nationalen Ursprung abgelehnt werden. Vielmehr ist der Grundsatz gerade auch bei der verordnungsautonomen Anwendung des Art. 23 Brüssel I-VO zu berücksichtigen. In welcher Sprache eine Erklärung abgefasst sein muss und welche Folgen die Zustimmung zu einer sprachlich unverständlichen Erklärung hat, ist demnach verordnungsautonom anhand von Art. 23 Brüssel I-VO zu beantworten. Demgegenüber ist auf nationales Recht zurückzugreifen, wenn der Erklärende sich auf einen 786 So zumindest bei der Verwendung von AGB: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 40; Mankowski, VuR 2001, 359 (364 ff.). Zum dt. Recht: Staudinger/ Hausmann, Art. 31 EGBGB Rn. 103. 787 So etwa: OLG Köln VersR 1999, 639 (641); OGH EuLF 2011, 79; OGH ZfRV 2009, 28. 788 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 40. 789 So aber: Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 20a; wohl auch: OLG Hamm IPRax 1991, 324 (326). 790 BGH IPRax 1991, 326; OLG Hamm IPRax 2007, 125 (126); OLG Hamm NJOZ 2006, 520 (522 f.); OLG Hamm NJW-RR 1995, 188 (189); OLG Hamm IPRax 1991, 324 (325); OLG Köln VersR 1999, 639 (641); OGH ZfRV 2009, 28; OGH ZfRV 1999, 233 (234); U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 86; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 40; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 63; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 38; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 99; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 33; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (487). 791 BGH IPRax 1991, 326; OLG Hamm IPRax 2007, 125 (126); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 40. 792 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 40; Spellenberg, IPRax 2007, 98 (105). 793 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 11.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

sprachlich bedingten Willensmangel beruft. Somit sind sprachlich bedingte Willensmängel ebenso wie andere nicht von Art. 23 Brüssel I-VO erfasste materiellrechtliche Fragestellungen anhand des Prorogationsstatuts zu beurteilen.794 b) Ungeschriebene Missbrauchskontrolle Die internationale Zuständigkeit kann für den Ausgang eines Gerichtsverfahrens von enormer Bedeutung sein.795 Im internationalen Rechtsverkehr werden Parteien daher häufig gewillt sein, ihre Zuständigkeitspräferenzen einseitig durchzusetzen. Dass dies letztlich auch unter Missbrauch einer wirtschaftlichen Machtstellung oder unter Einsatz unlauterer Mittel geschehen kann, erscheint naheliegend. Die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht erkannte diese Missbrauchsgefahr frühzeitig und schuf bereits im Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen von 1965 eine allgemeine Missbrauchskontrolle.796 Hieran wird auch im Rahmen des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005 grundsätzlich festgehalten.797 Würde die Anwendung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu einer offensichtlichen Ungerechtigkeit führen, ist ein derogiertes Gericht nämlich nach Art. 6 lit. c) HGÜ nicht verpflichtet, das Verfahren auszusetzen oder die Klage als unzulässig abzuweisen. Nach dem erläuternden Bericht zum HGÜ kann sich die offensichtliche Ungerechtigkeit dabei insbesondere aus den Umständen bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung ergeben.798 Auch in nationalen Rechtsordnungen sind Regelungen auffindbar, welche für Gerichtsstandsvereinbarungen eine allgemeine Missbrauchskontrolle vorsehen.799 Demgegenüber enthält Art. 23 Brüssel I-VO keine entsprechende Regelung. Es verwundert daher nicht, dass vielfach eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle für Art. 23 Brüssel I-VO de lege lata bejaht wird.800 Allerdings wird dies auch bestrit-

794 Siehe etwa: MüKoBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rn. 54; Staudinger/Hausmann, Art. 10 Rom I-VO Rn. 112; ausführlich zur kollisionsrechtlichen Behandlung von Sprachproblemen: Freitag, IPRax 1999, 142 ff. 795 Leible/Röder, RIW 2007, 481 (485); Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56; U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (669). 796 Art. 4 Abs. 3 HGÜ von 1965 lautet: „The agreement on the choice of court shall be void or voidable if it has been obtained by an abuse of economic power or other unfair means.“ 797 Vgl. Leible/Röder, RIW 2007, 481 (486); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 12 g. 798 Hartley/Dogauchi-Bericht, Nr. 152. 799 Siehe etwa Art. 5 Abs. 2 des schweizerischen IPRG: „Die Gerichtsstandsvereinbarung ist unwirksam, wenn einer Partei ein Gerichtsstand des schweizerischen Rechts missbräuchlich entzogen wird.“ 800 Leible/Röder, RIW 2007, 481 (482 ff.); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVVO Rn. 89; wohl auch: Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 23; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (150 f.).

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ten.801 Im Folgenden soll daher hinterfragt werden, ob eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle bei Gerichtsstandsvereinbarungen in Art. 23 Brüssel I-VO de lege lata enthalten ist. aa) Zulässigkeit einer ungeschriebenen Missbrauchskontrolle (1) Auslegung des Art. 23 Brüssel I-VO Der Wortlaut des Art. 23 Brüssel I-VO enthält keine ausdrückliche Regelung einer Missbrauchskontrolle. Daraus allein kann jedoch nicht zwingend ein „beredtes Schweigen“ dahingehend gesehen werden, dass der Verordnungsgeber eine Missbrauchskontrolle nicht zulassen wollte. Denn auch die Geschäftsfähigkeit oder die Stellvertretung werden nicht explizit in Art. 23 Brüssel I-VO angesprochen und dennoch vorausgesetzt. Allerdings wird verschiedentlich ein solches „beredtes Schweigen“ auch angenommen. Der Verordnungsgeber habe sich nämlich bewusst gegen die Schaffung einer Missbrauchskontrolle entschieden, indem er trotz Kenntnis der langjährigen Diskussion Art. 23 Brüssel I-VO unverändert ließ, obwohl er in Art. 4 Abs. 3 des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen von 1965 oder etwa Art. 5 Abs. 2 des schweizerischen IPRG Vorbilder für eine entsprechende Ergänzung hätte finden können.802 Freilich ist diese Argumentation nicht zwingend. Denn der Verordnungsgeber hätte in dieser Sachfrage ebenso unentschlossen gewesen sein können und die Schaffung einer Missbrauchskontrolle bewusst der Rechtsprechung überlassen wollen.803 Gegen ein „beredtes Schweigen“ des Verordnungsgebers spricht zudem die Entstehungsgeschichte. In den erläuternden Berichten zum Brüssel I-Übk lassen sich nämlich keinerlei Hinweise dafür finden, dass der Verordnungsgeber bewusst von einer Regelung der Missbrauchskontrolle absah und damit in der langjährig geführten Diskussion Stellung beziehen wollte. Zumindest ein kurzer Hinweis wäre aber angebracht gewesen, da bei der Ausgestaltung der Regelung für Gerichtsstandsvereinbarungen mehrfach das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen von 1965, welches eine allgemeine Missbrauchskontrolle enthält, als Vorbild wirkte.804 Dem Verordnungsgeber allein aufgrund der fehlenden Regelung ein „beredtes Schweigen“ zu attestieren, erscheint damit äußerst fragwürdig. Dies 801 OLG Hamburg NJW 2004, 3126 (3128); LG Mainz WM 2005, 2319; Gottschalk/ Breßler, ZEuP 2007, 56 (71 ff.); Weigel/Blankenheim, WM 2006, 664 (666); Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 31; Thüsing, in: Graf von Westphalen/Thüsing, Bd. Vertragsrecht, Gerichtsstandsklauseln, Rn. 54; Schack, IZVR, § 9 Rn. 539; Girsberger, IPRax 2000, 87 (91); kritisch: Horn, IPRax 2006, 2 ff. 802 Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (72); Weigel/Blankenheim, WM 2006, 664 (667); Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 81; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 72; so auch Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 12 g. 803 Leible/Röder, RIW 2007, 481 (486). 804 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (37); siehe auch: Gottwald, in: Festschrift Firsching, S. 89 (103).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

gilt umso mehr, als beiden Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen ein weitgehender internationaler Konsens dahingehend entnommen werden kann, dass ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen nicht missbraucht werden dürfen.805 Die fehlende ausdrückliche Regelung einer Missbrauchskontrolle in Art. 23 Brüssel I-VO könnte allerdings unter Verweis auf Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO und die darin in Bezug genommenen Art. 13, 17 und 21 Brüssel I-VO erklärt werden. Zum Schutz von typischerweise schwächer angesehenen Parteien schuf der Verordnungsgeber nämlich sukzessive besondere Zuständigkeitsregelungen, von denen durch Gerichtsstandsvereinbarungen nur sehr eingeschränkt abgewichen werden kann.806 Dass eine Partei ihre wirtschaftliche oder soziale Machtstellung missbräuchlich ausnutzen kann, war dem Verordnungsgeber somit durchaus bewusst. Dennoch schuf er lediglich für Versicherungsnehmer, Verbraucher und Arbeitnehmer eine insitutionalisierte Missbrauchskontrolle.807 Dass hierdurch die Missbrauchsgefahr bei Gerichtsstandsvereinbarungen beträchtlich gemindert wird, dürfte unstreitig sein.808 Ob hieraus im Umkehrschluss angenommen werden kann, dass eine weitergehende Missbrauchskontrolle generell ausgeschlossen ist, ist hingegen umstritten.809 Aus der positiven Regelung für besonders schutzbedürftige Personen ableiten zu wollen, dass die übrigen Personen keines Schutzes vor Missbrauch bedürfen, erscheint aus Gerechtigkeitsgründen zumindest fragwürdig.810 Auch außerhalb der Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen kann nämlich im Einzelfall ein bedenkliches Machtgefälle zwischen den an einer Gerichtsstandsvereinbarung beteiligten Parteien bestehen. Indem der Verordnungsgeber eine Missbrauchskontrolle für unzulässig erachten würde, wäre er bereit, im Einzelfall ungerechte Ergebnisse in Kauf zu nehmen. Dies kann jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer Gründe nicht überzeugen. Ein solcher weiterer Grund könnte im Prinzip der Rechtssicherheit bzw. in der Voraussehbarkeit gesehen werden.811 Sowohl der Erwägungsgrund Nr. 11 zur Brüssel I-VO als auch die ständige Rechtsprechung des EuGH heben nämlich hervor, 805 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 399; Leible/Röder, RIW 2007, 481 (486); so auch: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 12 g. 806 Erwägungsgrund Nr. 13 und 14 zur Brüssel I-VO; Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (28); Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (117 f.), Rn. 153. 807 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 12e. 808 U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 74; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (302 f.). 809 Für einen Umkehrsschluss: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel IVO Rn. 12 f und 12j; Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (75); Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 31; a.A.: Leible/Röder, RIW 2007, 481 (484); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 399 ff. 810 So etwa: Leible/Röder, RIW 2007, 481 (484). 811 Dazu oben unter Teil 2, § 6, B.

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dass für die Parteien eines Rechtsstreits vorhersehbar sein muss, welches Gericht anzurufen ist und vor welchem Gericht man verklagt werden kann.812 Ebenso muss ein nationales Gericht in der Lage sein, anhand der Vorschriften der Brüssel I-VO „ohne Schwierigkeiten über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden, ohne in eine Sachprüfung eintreten zu müssen“.813 Vielfach wird eine Missbrauchskontrolle daher als Gefährdung für die Rechtssicherheit eingestuft, da dann weder die Parteien noch das angerufene Gericht die Zuständigkeitsfragen ohne zeitintensive Prüfung beantworten können.814 Dass der Verordnungsgeber aus Gründen der Rechtssicherheit lediglich für die typisierten Machtgefällekonstellationen in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen eine institutionelle Missbrauchskontrolle schaffen wollte, erscheint daher zumindest vertretbar. Allerdings ist es keinesfalls zwingend, das Spannungsverhältnis zwischen Einzelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit derart zu lösen. Schließlich wird unter Verweis auf Art. 34 Nr. 1 Brüssel I-VO die Notwendigkeit einer ungeschriebenen Missbrauchskontrolle in Art. 23 Brüssel I-VO bezweifelt.815 Der Verordnungsgeber habe im Rahmen der Anerkennung von Entscheidungen mit dem ordre public-Vorbehalt eine nachgängige Missbrauchskontrolle zugelassen und bei Gerichtsstandsvereinbarungen hingegen die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie betont.816 Dieser Argumentation wird allerdings zu Recht entgegengetreten.817 Vom ordre public sind nämlich nach Art. 35 Abs. 3 Satz 2 Brüssel I-VO die Vorschriften über die Zuständigkeit gerade ausgenommen. Ein Rückschluss von der anerkennungsrechtlichen ordre public-Prüfung auf die zuständigkeitsrechtliche Missbrauchskontrolle ist damit methodisch nicht möglich.818 Überdies bezweckt der orde public-Vorbehalt die Wahrung der tragenden Grundsätze des inländischen Rechts bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen und gerade nicht den Schutz einer Partei vor missbräuchlichem Verhalten.819

812 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 39 f.; EuGH, Urt. v. 10. 6. 2004 (Kronhofer), Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002 (Besix), Rs. C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Rn. 25 f.; EuGH, Urt. v. 5. 2. 2004 (DFDS Torline), Rs. C-18/02, Slg. 2004, I-1417, Rn. 36; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1993 (Mulox IBC), Rs. C-125/92, Slg. 1993, 4075, Rn. 11. 813 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 27; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 48. 814 Weigel/Blankenheim, WM 2006, 664 (666 f.); Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (73); wohl auch: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 12j, und Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im int. Handel, S. 189 f. 815 Weigel/Blankenheim, WM 2006, 664 (667); Horn, IPRax 2006, 2 (3). 816 Horn, IPRax 2006, 2 (3). 817 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 401 f.; Leible/Röder, RIW 2007, 481 (484). 818 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 402. 819 Ähnlich auch: Leible/Röder, RIW 2007, 481 (482).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

(2) Rechtsprechung des EuGH Bislang hat sich der EuGH noch nicht ausdrücklich dazu geäußert, ob und inwieweit er eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle im Rahmen des Art. 23 Brüssel I-VO zulassen will.820 Jedoch traf der EuGH für die Überprüfung von Gerichtsstandsvereinbarungen verschiedene Feststellungen, welche gegen die Zulässigkeit einer allgemeinen Missbrauchskontrolle angeführt werden.821 So stellte er fest, dass aus Gründen der Rechtssicherheit die Wahl des vereinbarten Gerichts nur anhand von Erwägungen überprüft werden kann, die im Zusammenhang mit den Erfordernissen des Art. 23 Brüssel I-VO stehen.822 Ausweislich der ständigen Rechtsprechung des EuGH gehört jedenfalls ein objektiver Zusammenhang zwischen dem streitigen Rechtsverhältnis und dem vereinbarten Gericht nicht dazu.823 Ebenso wenig könne eine zusätzliche Prüfung der Angemessenheit einer Gerichtsstandsklausel und des vom Verwender verfolgten Zieles erfolgen.824 Diese höchstrichterlichen Einschränkungen der Überprüfbarkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen werden verschiedentlich zur generellen Ablehnung einer ungeschriebenen Missbrauchskontrolle in Art. 23 Brüssel I-VO herangezogen.825 Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Zunächst lässt der EuGH ausdrücklich eine weitergehende Überprüfung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu, soweit diese anhand von Erwägungen erfolgt, die im Zusammenhang mit den Erfordernissen des Art. 23 Brüssel I-VO stehen.826 Weiterhin beschränkt sich eine Missbrauchskontrolle nicht auf die Prüfung der Angemessenheit, wodurch die Motive, die inhaltliche Ausgestaltung und die Auswirkungen herangezogen werden können. Der Missbrauchsvorwurf kann sich ebenso auf das Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarungen beziehen, indem der anderen Partei der Missbrauch wirtschaftlicher Macht oder der Einsatz unlauterer Mittel bei Abschluss der Gerichtsstandsverein820 Leible/Röder, RIW 2007, 481 (482); Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (68); Weigel/ Blankenheim, WM 2006, 664 (666); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 376; Horn, IPRax 2006, 2. 821 So etwa: Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 81; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 86; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 121; Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (68 ff.); Horn, IPRax 2006, 2; Girsberger, IPRax 2000, 87 (90 f.); Weigel/ Blankenheim, WM 2006, 664 (666); Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit, S. 358; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (149 f.); Thole, ZZP 122 (2009), 423 (443 f.). 822 Vgl. EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 49. 823 EuGH, Urt. v. 17. 1. 1980 (Zelger), Rs. C-56/79, Slg. 1980, 89, Rn. 4; EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 34; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 28; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 50. 824 EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 50. 825 LG Mainz WM 2005, 2319 (2323); Girsberger, IPRax 2000, 87 (91); Weigel/Blankenheim, WM 2006, 664 (666 f.); Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 358; siehe auch: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 121, der jedoch nur „krasse Fälle“ einer allgemeinen Missbrauchskontrolle zuführen will. 826 So auch: Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (150).

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barung vorgeworfen wird. Ferner ist ein Missbrauchsvorwurf dahingehend denkbar, dass sich eine der beteiligten Parteien auf eine wirksam vereinbarte und inhaltlich angemessene Gerichtsstandsvereinbarung rechtsmissbräuchlich beruft. Demnach hat der EuGH keinesfalls sämtliche Kriterien für die Überprüfung missbräuchlicher Gerichtsstandsvereinbarungen aus Gründen der Rechtssicherheit ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des EuGH können lediglich Angemessenheit und Ziele einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht durch eine Missbrauchskontrolle überprüft werden. Inwieweit darüber hinaus eine Missbrauchskontrolle möglich ist, bleibt indes auch nach der Rechtsprechung des EuGH ungeklärt. (3) Stellungnahme Das Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit sollte im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zunächst dahingehend gelöst werden, dass die Prüfung der inhaltlichen Angemessenheit einer Gerichtsstandsvereinbarung durch das angerufene Gericht ausgeschlossen ist. Art. 23 Brüssel I-VO ermöglicht es den Parteien, einverständlich vom Zuständigkeitssystem der Brüssel IVO abzuweichen, und gibt somit der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie Raum.827 Innerhalb der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie steht ihnen die inhaltliche Ausgestaltung der Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich frei. Von welchen Motiven sie dabei geleitet sind, ist ebenso wenig für die Anwendung des Art. 23 Brüssel I-VO relevant, wie die Auswirkungen der konkret getroffenen Zuständigkeitswahl. Die Zuständigkeitswahl darf daher nicht durch das angerufene Gericht hinterfragt werden. Anderenfalls würde die in Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO ausdrücklich aufgeführte zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie bedenklich in Frage gestellt. Sofern der Verordnungsgeber die Gefahr begründet sah, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung zu unangemessenen Ergebnissen für eine Partei führt, hat er die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie begrenzt.828 Eine über die in den Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen hinausgehende Begrenzung ist nach Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO indes nicht vorgesehen. Vielmehr soll die Parteiautonomie hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstands gewahrt werden. Überdies bestünde die Gefahr, dass das angerufene Gericht unter dem Deckmantel einer Angemessenheitskontrolle seine Ansichten dazu einfließen lässt, welches Gericht für die Entscheidung in der Sache geeigneter wäre. Derartige Überlegungen des angerufenen Gerichts kämen der sog. doctrine of forum non conveniens sehr nahe.829 Die Anwendung dieser aus dem angloamerikanischen 827 Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 24. 6. 1986 (Anterist), Rs. C-22/85, Slg. 1986, 1951, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 9. 11. 1978 (Meeth), Rs. C-23/78, Slg. 1978, 2133, Rn. 5; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 1; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 1; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6489. 828 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 13 und 14 zur Brüssel I-VO. 829 Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 81; Kohler, IPRax 1983, 265 (271). Dazu noch ausführlich unter Teil 2, § 7, D.III.4.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Rechtskreis bekannten Lehre hatte der EuGH den nationalen Gerichten jedoch zu Recht ausdrücklich verwehrt, da diese insbesondere die Voraussehbarkeit der Zuständigkeitsregeln und damit das Prinzip der Rechtssicherheit beeinträchtigt.830 Demgegenüber sollte das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung mit einer Missbrauchskontrolle hinterfragt werden dürfen. Eine parteiautonome Zuständigkeitswahl setzt nämlich voraus, dass diese auf dem tatsächlichen Willen der Parteien beruht. Zwar gewährleisten die Formvorschriften des Art. 23 Brüssel IVO das tatsächliche Bestehen der Einigung zwischen den Parteien.831 Die Einhaltung der Formvorschriften gibt jedoch keinerlei Gewähr dafür, dass die erforderliche Einigung ohne Missbrauch einer wirtschaftlichen Machtstellung und ohne Einsatz unlauterer Mittel herbeigeführt wurde. Ohne die Zulässigkeit einer solchen ungeschriebenen Missbrauchskontrolle würde das tatsächliche Bestehen einer Einigung zwischen den Parteien somit angenommen werden müssen, obwohl diese nicht dem tatsächlichen Willen einer Partei entspricht.832 Eine solche nur formale Einigung zwischen den Parteien aus Gründen der Rechtssicherheit für eine Abweichung von den übrigen Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO genügen zu lassen, kann nicht überzeugen. Einerseits kann man schwerlich davon sprechen, dass hierdurch der Parteiautonomie im Zuständigkeitsrecht Raum gegeben wird. Andererseits erscheint eine derart geringe Anforderung an die Einigung nicht ausreichend für eine Abweichung von den übrigen Zuständigkeitsvorschriften, welche gerade auf ausdifferenzierten Wertungen der verfahrensbezogenen Parteiinteressen beruhen. Eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle erscheint demnach nicht nur hinsichtlich der Einzelfallgerechtigkeit angebracht. Sie ist sogar zum Schutz der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie und der ausdifferenzierten Wertungen des europäischen Zuständigkeitssystems geboten.833 Hiergegen spricht auch nicht die Rechtsprechung des EuGH, da eine solche Missbrauchskontrolle im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Vereinbarung in Art. 23 Brüssel I-VO steht.834 830 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 41 und 46; Rauscher/Mankwoski, Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 12j; Horn, IPRax 2006, 2 (3). 831 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (EstasisSalotti di Colzani), Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, Rn. 7; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 6; EuGH, Urt. v. 6. 5. 1980 (Porta-Leasing), Rs. C-784/79, Slg. 1980, 1517, Rn. 5; EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 25; EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a.), Rs. C-201/82, Slg. 1983, 2503, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 19. 6. 1984 (Russ), C-71/83, Slg. 1984, 2417, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 11. 7. 1985 (Berghoefer), Rs. C-221/84, Slg. 1985, 2699, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986 (Iveco Fiat), Rs. C-313/85, Slg. 1986, 3337, Rn. 5. 832 Leible/Röder, RIW 2007, 481 (483), weisen insofern anschaulich darauf hin, dass allein ein Stück Papier mit zwei Unterschriften genügen würde, selbst wenn es mit vorgehaltener Waffe erpresst wurde. Ähnlich auch: Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (75). 833 Siehe auch: Leible/Röder, RIW 2007, 481 (487). 834 Vgl. EuGH, Urt. v. 16. 03. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 49; so auch: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6489; Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (150); Leible/Röder, RIW 2007, 481 (487).

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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Darüber hinaus erscheint eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle allerdings nicht geboten. Dies trifft insbesondere auf die gelegentlich geforderte Missbrauchskontrolle bei reinen Inlandssachverhalten zu.835 Ein sonstiges berechtigtes Interesse an der Zuständigkeitswahl muss daher auch dann nicht erkennbar sein, wenn zwei im Inland wohnhafte Parteien die Zuständigkeit eines anderen mitgliedstaatlichen Gerichts vereinbaren, ohne dass die zugrunde liegende Streitigkeit einen Auslandsbezug aufweist.836 Derartige Erwägungen sollten lediglich im Rahmen des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 23 Brüssel I-VO angestellt werden. Die Forderung nach einem sonstigen berechtigten Interesse an der Zuständigkeitswahl steht überdies in keinerlei Zusammenhang mit den Erfordernissen des Art. 23 Brüssel I-VO und ist daher abzulehnen.837 Ein berechtigtes Interesse kann daher weder als zusätzliche Voraussetzung in Art. 23 Brüssel I-VO gefordert werden, noch könnte es über fehlende Anforderungen des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs hinweghelfen. Folgt man – wie hier vertreten – der Auffassung, dass der räumlich-persönliche Anwendungsbereich bereits durch eine grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarung eröffnet ist, können die Parteien grundsätzlich frei zwischen den verschiedenen mitgliedstaatlichen Gerichten wählen. Dass damit die nationalen Beschränkungen für Gerichtsstandsvereinbarungen leicht umgangen werden können, ist mit Blick auf die Schutzvorschriften der Brüssel I-VO zugunsten schwächerer Parteien hinzunehmen.838 bb) Prüfungsmaßstab der ungeschriebenen Missbrauchskontrolle Erachtet man eine Missbrauchskontrolle für das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung für zulässig, ist weiterhin der rechtliche Prüfungsmaßstab zu klären. Der Zuständigkeitsvorschrift des Art. 23 Brüssel I-VO können weder unmittelbar aus dem Wortlaut noch mittelbar über die Formvorschriften Hinweise entnommen werden, wann ein missbräuchliches Verhalten angenommen werden kann und welche Rechtsfolgen es auslöst. Es verwundert daher nicht, dass zumindest zur Beurteilung der Täuschung und Drohung ohne nähere Begründung auf nationales Recht zurückgegriffen wird.839 Aber auch für andere missbrauchsspezifische As-

835 So etwa: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 86 ff.; Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (359); wohl auch: Thole, ZZP 122 (2009), 423 (444 f.); H. Roth, IPRax 1992, 67 (69). 836 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6389; a.A.: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 89; Baumgärtel, in: Festschrift Kegel, S. 295 (298 f.). 837 Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (151); so wohl auch: Girsberger, IPRax 2000, 87 (90 f.). 838 Die Umgehungsgefahr betont etwa: Samtleben, in: Festschrift Ansay, S. 343 (359); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 89. 839 So etwa: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 41; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 28 und 87; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation, Rn. 83; Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (79).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

pekte wird ein Rückgriff auf nationales Recht befürwortet.840 So wird aus deutscher Sicht insbesondere die Heranziehung des § 138 BGB für möglich erachtet.841 Demgegenüber wird aber auch vertreten, dass ein verordnungsautonomer Prüfungsmaßstab auf die ungeschriebene Missbrauchskontrolle anzuwenden ist.842 Für einen verordnungsautonomen Prüfungsmaßstab spricht freilich, dass somit europaweit missbräuchliches Verhalten bei dem Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung einheitlich beurteilt werden könnte. Demgemäß wird das Prinzip der Rechtssicherheit für einen verordnungsautonomen Prüfungsmaßstab geltend gemacht.843 Diese theoretischen Vorzüge für die Rechtssicherheit treffen in der Praxis allerdings auf das Problem, dass derzeit kein ausdifferenziertes europaweit einheitliches Verständnis von missbräuchlichen Verhaltensweisen existiert. Insbesondere fehlt dem Art. 23 Brüssel I-VO bisher ein vertragsrechtliches Fundament, sodass auch die Europäisierung der Missbrauchskontrolle nur schwer vorstellbar ist.844 Um der europäischen Missbrauchskontrolle inhaltliche Konturen zu geben, sehen sich deren Befürworter daher gezwungen, auf Prinzipienwerke wie die Principles of European Contract Law zurückzugreifen.845 Dabei ist allerdings äußerste Vorsicht geboten, da sich diese Prinzipienwerke nicht auf eine rechtsvergleichende Herausarbeitung der nationalen Gemeinsamkeiten beschränken, sondern vielfach moderne und weiterführende Lösungswege anbieten.846 Ob der EuGH dem folgt und welche inhaltlichen Konturen er einer europäischen Missbrauchskontrolle gibt, bleibt somit äußerst fragwürdig. Jedenfalls würde es noch mehrere Jahre dauern, bis eine höchstrichterliche Kasuistik zu missbräuchlichen Verhaltensweisen bei Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung existiert. Demnach würde ein verordnungsautonomer Prüfungsmaßstab in der derzeitigen Praxis sogar zu weniger Rechtssicherheit führen als ein Rückgriff auf nationales Recht. Im nationalen Recht besteht nämlich für die einschlägigen Missbrauchsvorschriften bereits eine ausdifferenzierte Kasuistik der jeweiligen Rechtsprechung.847

840

Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 150; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 82; Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 358 f.; Gottwald, in: Festschrift Firsching, S. 89 (103). 841 Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 82; Gottwald, in: Festschrift Firsching, S. 89 (103). 842 Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 65; Leible/Röder, RIW 2007, 481 (482 ff.); Kröll, ZZP 113 (2000), 135 (150 f.); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 407 ff.; H. Roth, IPRax 1992, 67 (68 f.); Kohler, IPRax 1983, 265 (270 f.); Merrett, ICLQ 58 (2009), 545 (557 ff.). 843 Leible/Röder, RIW 2007, 481 (482); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 408 f. 844 Vgl. Adolphsen, ZZPInt 4 (1999), 243 (247), und Wagner, Prozeßverträge, S. 384. 845 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 412 ff.; Leible/Röder, RIW 2007, 481 (485). 846 Dies zugestehend: Leible, RIW 2001, 422 (426). 847 Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 150.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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Obwohl eine europaweit einheitliche Beurteilung sämtlicher im Zusammenhang mit Art. 23 Brüssel I-VO stehender Fragestellungen erstrebenswert ist, erscheint somit ein Rückgriff auf nationales Recht zur Beurteilung missbräuchlicher Verhaltensweisen vorzugswürdig. Damit fügt sich die Missbrauchskontrolle in das europäische Vereinbarungskonzept nahtlos ein und gesellt sich zu den anderen materiell-rechtlichen Aspekten, für deren Beurteilung ebenfalls nationales Recht herangezogen wird.848 Der Rückgriff auf nationales Recht lädt schließlich auch nicht die Parteien zu einem nachträglichen forum shopping ein.849 Über die hier vorgeschlagene entsprechende Anwendung der Rom I-VO zur Bestimmung des Prorogationsstatuts würden nämlich in nahezu allen Mitgliedstaaten einheitliche Ergebnisse bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts erzielt werden.850 Ein nachträgliches forum shopping wäre damit ausgeschlossen, obschon auch eine vereinheitlichte kollisionsrechtliche Bestimmung im Ergebnis zu inhaltlich divergierenden nationalen Bestimmungen führen kann. cc) Besonderheiten für Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, ob die gefundenen Ergebnisse zur Zulässigkeit der ungeschriebenen Missbrauchskontrolle auch für Gerichtsstandsklauseln in AGB gelten. Den Anlass dieser gesonderten Fragestellung bildet dabei die Richtlinie des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klauselrichtlinie).851 Es ist nämlich umstritten, ob die in Umsetzung der Klauselrichtlinie ergangenen nationalen Rechtsvorschriften durch die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO ebenfalls vollständig verdrängt werden.852 Im Folgenden soll daher zunächst auf den sachlichen Anwendungsbereich der Klauselrichtlinie als Grundlage der nationalen Umsetzungsvorschriften eingegangen werden, wobei insbesondere die Rechtsprechung des EuGH zur Missbräuchlichkeit von Gerichtsstandsklauseln Erwähnung finden wird. Hiervon ausgehend soll sodann 848

Dies zugestehend: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 408. So aber: Leible/Röder, RIW 2007, 481 (482); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 409. 850 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II.2. 851 Richtlinie 93/13/EWG des Rates über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vom 5. 4. 1993 (ABl. 1993, Nr. L 95/29), zuletzt geändert durch Art. 32 ÄndRL 2011/83/EU vom 25. 10. 2011 (ABl. 2011, Nr. L 304/64). 852 Für vollständige Verdrängung etwa: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 20; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 73; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 67 EuGVVO Rn. 6; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 33a; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 240; H. Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, Anh. § 305 BGB Rn. 23; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 31; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1863; Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (77). Gegen vollständige Verdrängung etwa: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 12e; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 17 Brüssel I-VO Rn. 6; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6392; Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 159; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 354; M. Stürner, GPR 2013, 305 (309); Staudinger, DB 2000, 2058 (2059); vgl. auch: Pfeiffer, in: Festschrift Schütze, S. 671 (672 ff.). 849

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

das Konfliktpotenzial zwischen Klauselrichtlinie und Brüssel I-VO aufgezeigt werden, bevor sich dem Verhältnis der beiden Rechtsinstrumente zueinander und damit den divergierenden Ansichten zugewendet wird. Abschließend sollen die gefundenen Ergebnisse kurz anhand der konkreten Konsequenzen für die Anwendung der Brüssel I-VO zusammengefasst werden. (1) Sachlicher Anwendungsbereich der Klauselrichtlinie Nach Art. 1 der Klauselrichtlinie wird die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern bezweckt. Vom sachlichen Anwendungsbereich der Klauselrichtlinie sind somit alle vertraglichen Beziehungen zwischen Gewerbetreibenden und zwischen Verbrauchern ausgenommen.853 Auch Arbeitsverträge und Verträge auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts werden nach Erwägungsgrund Nr. 10 zur Klauselrichtlinie nicht erfasst.854 Nach Art. 3 der Klauselrichtlinie werden überdies Vertragsklauseln ausgenommen, die im Einzelnen ausgehandelt worden. Eine weitergehende Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs der Klauselrichtlinie kann indes nicht aus dem beigefügten Anhang entnommen werden.855 Insofern hebt Art. 3 Abs. 3 der Klauselrichtlinie nämlich ausdrücklich hervor, dass der Anhang lediglich „eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste“ enthält.856 Eine fehlende ausdrückliche Erwähnung im Anhang steht somit nicht der Anwendbarkeit der Klauselrichtlinie entgegen. Dies gilt insbesondere für Gerichtsstandsklauseln, welche keinen Eingang in den Wortlaut der Nr. 1 lit. q) des Anhangs gefunden haben.857 Demnach ist es den mitgliedstaatlichen Gerichten zumindest im Wege der richtlinienkonformen Auslegung möglich, bei Verbraucherverträgen die Missbräuchlichkeit einer Gerichtsstandsklausel in AGB zu überprüfen. Nach Art. 3 und Art. 4 Abs. 1 der Klauselrichtlinie kann dabei die inhaltliche Angemessenheit der Gerichtsstandsklausel anhand aller Umstände des Einzelfalles hinterfragt werden. Ebenso kann die Verständlichkeit der Gerichtsstandsklausel nach Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 Satz 1 der Klauselrichtlinie näher beleuchtet werden.

853 Siehe etwa: Nassall, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 6 Rn. 14; Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, Bd. IV (40. EL 2009), A 5 Rn. 10. 854 Hierzu ausführlich: Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, Bd. IV (40. EL 2009), A 5 Rn. 17 ff. 855 Podimata, in: Festschrift für Kerameus, S. 1079 (1081 f.). 856 Siehe zudem: Erwägungsgrund Nr. 17 zur Klauselrichtlinie. Ebenso: EuGH, Urt. v. 1. 4. 2004 (Freiburger Kommunalbauten), Rs. C-237/02, Slg. 2004, I-3403, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009 (Pannon GSM), Rs. C-243/08, Slg. 2009, I-4713, Rn. 38. 857 Leible, RIW 2001, 422 (425); Pfeiffer, in: Festschrift Schütze, S. 671 (676 f.), mit weiterführenden Hinweisen zur Entstehungsgeschichte der Klauselrichtlinie.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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(2) Klauselrichtlinie und Gerichtsstandsklauseln aus Sicht des EuGH Der EuGH hatte bereits mehrfach die Möglichkeit zum Verhältnis von Klauselrichtlinie und Gerichtsstandsklauseln Stellung zu beziehen. Die dabei dem EuGH vorgelegten Fragen bezogen sich im Wesentlichen darauf, ob die Klauselrichtlinie den nationalen Richter dazu verpflichtet, die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln von Amts wegen zu prüfen, und welche Gesichtspunkte er dabei im Allgemeinen und für Gerichtsstandsklauseln im Besonderen berücksichtigen kann.858 Der EuGH stellte insofern zunächst fest, dass der durch die Klauselrichtlinie gewährte Verbraucherschutz eine amtswegige Prüfung von Vertragsklauseln erforderlich macht, und zwar auch dann, wenn das nationale Gericht die Zulässigkeit der eingereichten Klage und insbesondere seine eigene örtliche Zuständigkeit prüft.859 Die Gesichtspunkte, welche das Gericht bei der Prüfung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln berücksichtigen kann, legen dabei Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Klauselrichtlinie allgemein fest.860 Der beigefügte und durch Art. 3 Abs. 3 der Klauselrichtlinie in Bezug genommene Anhang enthalte insofern „lediglich eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste von Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können“.861 Überdies sprach der EuGH Gerichtsstandsklauseln grundsätzlich die Eignung zu, diese allgemeinen Kriterien zu erfüllen und somit missbräuchlich im Sinne der Klauselrichtlinie zu sein.862 Den wesentlichen Grund für eine missbräuchliche Benachteiligung sah der EuGH darin, dass ein Verbraucher gezwungen sein könnte, ein weit entferntes Gericht aufzusuchen, was sein Erscheinen vor Gericht erschweren und ihn von der gerichtlichen Geltendmachung vertraglicher Ansprüche oder der Verteidigung dagegen unter Umständen abhalten kann.863 Diese Feststellung traf er dabei für solche Gerichtsstandsklauseln, welche 858 EuGH, Urt. v. 27. 6. 2000 (Océano Grupo Editorial und Salvat Editores), Rs. C-240/98 bis C-244/98, Slg. 2000, I-4941, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009 (Pannon GSM), Rs. C-243/08, Slg. 2009, I-4713, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2010 (VB Pénzügyi Lízing), Rs. C-137/08, Slg. 2010, I-10847, Rn. 20. 859 EuGH, Urt. v. 27. 6. 2000 (Océano Grupo Editorial und Salvat Editores), Rs. C-240/98 bis C-244/98, Slg. 2000, I-4941, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009 (Pannon GSM), Rs. C-243/08, Slg. 2009, I-4713, Rn. 32; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2010 (VB Pénzügyi Lízing), Rs. C-137/08, Slg. 2010, I-10847, Rn. 49. 860 EuGH, Urt. v. 9. 11. 2010 (VB Pénzügyi Lízing), Rs. C-137/08, Slg. 2010, I-10847, Rn. 40 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 3. 6. 2010 (Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid), Rs. C-484/08, Slg. 2010, I-4785, Rn. 33. 861 EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009 (Pannon GSM), Rs. C-243/08, Slg. 2009, I-4713, Rn. 38 m.w.N.; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2010 (VB Pénzügyi Lízing), Rs. C-137/08, Slg. 2010, I-10847, Rn. 42. 862 EuGH, Urt. v. 27. 6. 2000 (Océano Grupo Editorial und Salvat Editores), Rs. C-240/98 bis C-244/98, Slg. 2000, I-4941, Rn. 21 ff.; EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009 (Pannon GSM), Rs. C-243/ 08, Slg. 2009, I-4713, Rn. 40 f.; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2010 (VB Pénzügyi Lízing), Rs. C-137/08, Slg. 2010, I-10847, Rn. 52 ff. 863 EuGH, Urt. v. 27. 6. 2000 (Océano Grupo Editorial und Salvat Editores), Rs. C-240/98 bis C-244/98, Slg. 2000, I-4941, Rn. 22; bestätigt durch: EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009 (Pannon

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die örtliche Zuständigkeit ausschließlich einem Gericht zuweisen, das nicht am Wohnsitz des Verbrauchers liegt, sondern sich am Sitz des Gewerbetreibenden oder zumindest in dessen Nähe befindet.864 Ob ebenso Gerichtsstandsklauseln, welche die internationale Zuständigkeit betreffen, als missbräuchlich im Sinne der Klauselrichtlinie qualifiziert werden können, hat der EuGH somit zumindest nicht ausdrücklich entschieden. Allerdings ließe sich die von ihm angeführte Begründung nicht nur uneingeschränkt auf solche international wirkenden Gerichtsstandsklauseln übertragen.865 Es ließen sich mit dem ausländischen Gerichtssystem, dem fremden Prozessrecht, der unbekannten Verfahrenssprache und den erhöhten Rechtsverfolgungskosten sogar noch weitere Gründe finden, welche zu einer missbräuchlichen Benachteiligung des Verbrauchers führen könnten.866 (3) Konfliktpotenzial der Klauselrichtlinie hinsichtlich der Brüssel I-VO Nach hier vertretener Ansicht wird im Rahmen der Brüssel I-VO eine Missbrauchskontrolle lediglich hinsichtlich des Zustandekommens einer Gerichtsstandsvereinbarung zugelassen. Insbesondere werden im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH die inhaltliche Ausgestaltung und die Auswirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht mittels einer ungeschriebenen Missbrauchskontrolle überprüft.867 Zugleich scheidet insofern ein Rückgriff auf nationale Missbrauchsvorschriften aus, da Art. 23 Brüssel I-VO die Zulässigkeit und Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen abschließend regelt und die Brüssel I-VO gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht vorrangig ist.868 Insofern scheinen die Brüssel I-VO und die Klauselrichtlinie zu konfligierenden Ergebnissen hinsichtlich der Zulässigkeit einer Missbrauchskontrolle zu gelangen, soweit man auch internationale Gerichtsstandsklauseln der Klauselrichtlinie unterwirft. GSM), Rs. C-243/08, Slg. 2009, I-4713, Rn. 41, und EuGH, Urt. v. 9. 11. 2010 (VB Pénzügyi Lízing), Rs. C-137/08, Slg. 2010, I-10847, Rn. 54. 864 EuGH, Urt. v. 27. 6. 2000 (Océano Grupo Editorial und Salvat Editores), Rs. C-240/98 bis C-244/98, Slg. 2000, I-4941, Rn. 16; EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009 (Pannon GSM), Rs. C-243/08, Slg. 2009, I-4713, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2010 (VB Pénzügyi Lízing), Rs. C-137/08, Slg. 2010, I-10847, Rn. 52. 865 So etwa: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6392; Hau, in: Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, Klauseln (G), Rn. 180; Borges, RIW 2000, 933 (936); Staudinger, DB 2000, 2058 (2059); Schwartze, JZ 2001, 246 (248); Podimata, in: Festschrift Kerameus, S. 1079 (1094 f.); Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, S. 359; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 346; M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, S. 203 f.; dies auch zugestehend: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 20. 866 Staudinger, DB 2000, 2058 (2059); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 346; Leible, RIW 2001, 422 (429); M. Weller, Ordre-public-Kontrolle, S. 203. 867 Siehe etwa: EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 50. 868 Statt aller: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 16 ff.; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 32 ff.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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Allerdings existieren in der Brüssel I-VO besondere Bestimmungen für Verbrauchersachen. Im Anwendungsbereich dieser Bestimmungen können nach Art. 16 Nr. 2 Brüssel I-VO Klagen gegen den Verbraucher grundsätzlich nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Im Wege einer Gerichtsstandsvereinbarung kann hiervon nur ausnahmsweise unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 17 Brüssel I-VO abgewichen werden, was ebenso durch Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO verdeutlicht wird. Demnach wäre es insbesondere einem Gewerbetreibenden nach Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO i.V.m. Art. 16 Nr. 2, 17 Brüssel I-VO grundsätzlich nicht möglich, über eine Gerichtsstandsklausel die Gerichte eines Mitgliedstaates zu prorogieren, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher keinen Wohnsitz hat. Mit Blick auf den sachlichen Anwendungsbereich der Klauselrichtlinie sind somit Konflikte zwischen der Klauselrichtlinie und der Brüssel I-VO weitgehend ausgeschlossen. Ein gewisses Konfliktpotenzial bleibt dennoch vorhanden, da Gerichtsstandsvereinbarungen unter Beteiligung von Verbrauchern nicht umfassend durch die besonderen Bestimmungen für Verbrauchersachen ausgeschlossen sind. So erlaubt Art. 17 Brüssel I-VO unter bestimmten Voraussetzungen Gerichtsstandsvereinbarungen mit einem Verbraucher. Nach Art. 17 Nr. 1 Brüssel I-VO ist es möglich, nach Entstehung der Streitigkeit eine von Art. 16 Abs. 2 Brüssel I-VO abweichende Gerichtsstandsvereinbarung abzuschließen. Vielfach wird dies zwar nicht unter Verwendung von AGB geschehen.869 Gänzlich ausgeschlossen ist dies indes nicht, da der Vertragspartner des Verbrauchers womöglich auch für die Abwicklung von streitigen Rechtsverhältnissen auf entsprechende Vordrucke oder Formulare zurückgreift.870 Weiterhin erlaubt Art. 17 Nr. 2 Brüssel I-VO Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten des Verbrauchers. Da dies jedoch nicht in Abweichung von Art. 16 Abs. 2 Brüssel I-VO erfolgen kann, ist eine dahingehende Missbrauchsgefahr gebannt und damit die Anwendung der Klauselrichtlinie ausgeschlossen.871 Im Rahmen des Art. 17 Nr. 3 Brüssel I-VO käme man über die Verweisung auf das mitgliedstaatliche Recht ohnehin zur unmittelbaren Anwendung der nationalen Umsetzungsvorschriften, sofern das mitgliedstaatliche Recht für solche Fälle überhaupt eine Gerichtsstandsvereinbarung gestattet.872 In Deutschland wird eine

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Noch weitergehend: Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (302), der dies für „kaum vorstellbar“ erachtet; vgl. auch Brand, IPRax 2013, 126 (130). 870 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 336; Peiffer, Schutz vor Klagen, S. 135 f. 871 Pfeiffer, in: Festschrift Schütze, S. 671 (683); Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (302); Podimata, in: Festschrift Kerameus, S. 1079 (1096); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 337, der jedoch insofern auf eine mögliche Transparenzkontrolle hinweist. 872 Vgl. Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 337 f.; Auer, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 17 Brüssel I-VO Rn. 12 mit rechtsvergleichenden Hinweisen.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

solche Gerichtsstandsvereinbarung jedenfalls unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 38 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zugelassen.873 Überdies erscheint angesichts des Wortlauts von Art. 16 Abs. 2 Brüssel I-VO noch ein weiterer Anwendungsbereich für die Klauselrichtlinie im Anwendungsbereich der Verbrauchersachen denkbar.874 Art. 16 Abs. 2 Brüssel I-VO begründet nämlich nur eine ausschließliche internationale Zuständigkeit zugunsten des Verbrauchers. Welches der vielen mitgliedstaatlichen Gerichte örtlich zuständig ist, wird indes nicht durch Art. 16 Abs. 2 Brüssel I-VO vorbestimmt. Diese richtet sich vielmehr nach dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht.875 Allerdings kommt insofern auch die Anwendung des Art. 23 Brüssel I-VO in Betracht, sofern die Parteien im Einklang mit Art. 16 Abs. 2 Brüssel I-VO die internationale Zuständigkeit im Wohnsitzstaat des Verbrauchers vereinbaren, aber ein vom Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers verschiedenes mitgliedstaatliches Gericht für örtlich zuständig erklären. Durch die deklaratorische Bestätigung des Art. 16 Abs. 2 Brüssel I-VO liefe eine solche Gerichtsstandsvereinbarung nämlich nicht Art. 17 Brüssel I-VO zuwider.876 Somit käme einer derartigen Gerichtsstandsvereinbarung auch nach Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO eine rechtliche Wirkung zu. Zumindest bei der Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit könnten Klauselrichtlinie und Brüssel I-VO demnach zu konfligierenden Ergebnissen gelangen. Schließlich unterliegen Gerichtsstandsvereinbarungen mit Verbrauchern dann nicht den Beschränkungen des Art. 17 Brüssel I-VO, wenn diese vom sachlichen Anwendungsbereich der besonderen Bestimmungen für Verbrauchersachen ausgenommen sind. Dies kann einerseits dann der Fall sein, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen eines Verbrauchervertrags geschlossen wird, welcher nicht die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 lit. a) bis c) Brüssel I-VO erfüllt.877 Andererseits kommen Gerichtsstandsvereinbarungen mit einem Verbraucher nach Art. 15 Abs. 3 Brüssel I-VO grundsätzlich auch im Rahmen von Beförderungsverträgen in Betracht.878 873 Stein/Jonas/Wagner, Art. 17 EuGVVO Rn. 8; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 17 EuGVVO Rn. 13; Kropholler/von Hein, Art. 17 EuGVO Rn. 2; wohl auch: Thomas/Putzo/ Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 17 EuGVVO Rn. 4; a.A.: MüKoZPO/Gottwald, Art. 17 EuGVO Rn. 2; Brand, IPRax 2013, 126 (130). 874 So auch: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 338 f.; Heinig, GPR 2010, 36 (42); Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (332); Peiffer, Schutz vor Klagen, S. 155. 875 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 16 Brüssel I-VO Rn. 7; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 16 EuGVVO Rn. 8; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 16 EuGVVO Rn. 1. 876 Vgl. Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (332); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 338. 877 Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 154 f.; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 339; Heinig, GPR 2010, 36 (42). 878 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 17 Brüssel I-VO Rn. 6; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 339; Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 154.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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(4) Verhältnis der Klauselrichtlinie zur Brüssel I-VO Bei einer Fallkonstellation, in der Klauselrichtlinie und Brüssel I-VO zu einem konfligierenden Ergebnis gelangen, drängt sich somit die Frage nach dem Verhältnis beider Rechtsinstrumente zueinander auf. Sowohl in der Klauselrichtlinie als auch in der Brüssel I-VO sind Regelungen enthalten, die das Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten regeln. So werden nach Art. 1 Abs. 2 der Klauselrichtlinie solche Klauseln vom Anwendungsbereich ausgenommen, die auf Bestimmungen oder Grundsätzen internationaler Übereinkommen beruhen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft Vertragsparteien sind. Denn es wird davon ausgegangen, dass internationale Übereinkommen keine missbräuchlichen Klauseln enthalten beziehungsweise erlauben.879 Ob hierdurch auch eine Aussage zum Verhältnis zur Brüssel I-VO entnommen werden kann, wird indes bezweifelt. Art. 1 Abs. 2 der Klauselrichtlinie erwähnt nämlich lediglich internationale Übereinkommen und gerade nicht gemeinschaftsrechtliche Rechtsinstrumente. Dem wird entnommen, dass der Richtliniengeber bei Abfassung der Klauselrichtlinie gerade nicht das Verhältnis zum übrigen Gemeinschaftsrecht regeln wollte.880 Mit Blick auf den Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 der Klauselrichtlinie ist dieser Schluss allerdings keinesfalls zwingend. Bis zum Vertrag von Amsterdam und damit im Zeitpunkt des Erlasses der Klauselrichtlinie war das völkerrechtliche Übereinkommen nämlich das primäre Harmonisierungsinstrument in der Europäischen Gemeinschaft.881 Demnach kann Art. 1 Abs. 2 der Klauselrichtlinie eben auch als Verweis auf das Brüssel I-Übk verstanden werden. Nach Art. 68 Abs. 2 Brüssel I-VO würde dieser Verweis dann als Verweis auf die Brüssel IVO gelten. Hiergegen spricht nicht, dass Art. 1 Abs. 2 der Klauselrichtlinie „insbesondere“ internationale Übereinkommen im Verkehrsbereich erwähnt, welche typischerweise nicht als Harmonisierungsintrumente der Europäischen Gemeinschaft qualifiziert werden können.882 Denn diese Erwähnung ist nicht als abschließende Aufzählung, sondern lediglich als bedeutsames Regelbeispiel („insbesondere“) für internationale Übereinkommen zu verstehen. Eine Verweisung auf internationale Übereinkommen gemeinschaftsrechtlicher Herkunft ist somit nicht ausgeschlossen. Allerdings steht damit noch nicht abschließend fest, dass Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen, welche auf Bestimmungen oder Grundsätzen der Brüssel I-VO beruhen, nicht der Klauselrichtlinie unterliegen. Die mittelbar durch Art. 68 Abs. 2 Brüssel I-VO in

879 Erwägungsgrund Nr. 13 zur Klauselrichtlinie; Nassall, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 6 Rn. 15. 880 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 344; Heinig, GPR 2010, 36 (42); Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 157. 881 Zur Entstehung des EuZVR oben unter Teil 1, § 2, C.I. 882 So jedoch: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 344; Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 157.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Bezug genommene Brüssel I-VO kann sich nämlich selbst für nachrangig gegenüber der Klauselrichtlinie erklären.883 Damit ist das Verhältnis der Brüssel I-VO zu anderen Rechtsinstrumenten angesprochen. Das Verhältnis zu anderen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsinstrumenten und deren nationalen Umsetzungsvorschriften wird insofern durch Art. 67 Brüssel I-VO geregelt. Aus Gründen der Spezialität und der Kohärenz des Gemeinschaftsrechts berührt die Brüssel I-VO hiernach nicht die Anwendung von Bestimmungen, die für ein besonderes Rechtsgebiet die gerichtliche Zuständigkeit oder die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen regeln.884 Ob das in Verhältnis zur Brüssel I-VO stehende Rechtsinstrument jünger oder älter ist, hat indes für Art. 67 Brüssel I-VO keine Bedeutung.885 Für die Anwendung des Art. 67 Brüssel I-VO ist allerdings erforderlich, dass sich die besonderen Bestimmungen zumindest indirekt mit der gerichtlichen Zuständigkeit oder Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen befassen.886 Dies ist bei der Klauselrichtlinie der Fall, da diese bei Verbraucherverträgen eine gerichtliche Überprüfung der Missbräuchlichkeit von Gerichtsstandsklauseln ermöglicht.887 Fraglich ist jedoch, ob die Klauselrichtlinie im Vergleich zur Brüssel I-VO die spezielleren Bestimmungen enthält und damit Vorrang genießt. Dies wird teilweise angenommen.888 Demgegenüber wird aber auch vertreten, dass die Brüssel I-VO die spezielleren Bestimmungen enthält.889 Die Rechtsprechung des EuGH kann jedenfalls für keine der 883 Ähnlich für das Verhältnis der Klauselrichtlinie zum Rom I-Übk: Pfeiffer, in: Grabitz/ Hilf, Bd. IV (40. EL 2009), A 5 Rn. 32. 884 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 zur Brüssel I-VO; Kropholler/von Hein, Art. 67 EuGVO Rn. 2; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 67 Brüssel I-VO Rn. 1; M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 280; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Art. 67 Brussels I Regulation Rn. 1; Stein/Jonas/Oberhammer, Art. 67 EuGVVO Rn. 1. 885 Kropholler/von Hein, Art. 67 EuGVO Rn. 2; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Art. 67 Brussels I Regulation, Art. 67 Rn. 1; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 67 EuGVVO Rn. 1; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 67 Brüssel I-VO Rn. 1; Heinig, GPR 2010, 36 (37); a.A.: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 17 EuGVVO Rn. 3; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 17 EuGVVO Rn. 1. 886 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 67 Brüssel I-VO Rn. 2. 887 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II.3.b)cc)(1). Siehe auch: Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (76); Heinig, GPR 2010, 36 (41); Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 156. 888 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 12e; Rauscher/ Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 17 Brüssel I-VO Rn. 6 und Art. 67 Brüssel I-VO Rn. 2; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6392; Stein/Jonas/Wagner, Art. 67 EuGVVO Rn. 2; Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 156 f.; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 342; Leible, RIW 2001, 422 (430 f.); Staudinger, DB 2000, 2058 (2059); Pfeiffer, ZEuP 2003, 141 (152 f.); Pfeiffer, in: Festschrift Schütze, S. 671 (672 ff.), der jedoch die besonderen Bestimmungen für Verbrauchersachen in der Brüssel I-VO durch eine harmonische Auslegung der Klauselrichtlinie erreichen will. 889 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 20; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 73; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 17 EuGVVO Rn. 3 und Art. 67 EuGVVO Rn. 6; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 33a; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 31; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1863.

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Ansichten angeführt werden, da der EuGH sich bisher hierzu nicht geäußert hat. Dies trifft insbesondere auf die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Océano Grupo Editorial und Salvat Editores, Pannon GSM und VB Pénzügyi Lízing zu. Diese betrafen nämlich jeweils rein nationale Sachverhalte, in denen lediglich die Anwendung des mitgliedstaatlichen Prozessrechts hinterfragt wurde.890 Ebenso wenig kann auf die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Benincasa und Castelletti zurückgegriffen werden, da diese jeweils Gerichtsstandsklauseln im kaufmännischen Rechtsverkehr betrafen.891 Welches der beiden Rechtsinstrumente im Vergleich zueinander die spezielleren Bestimmungen enthält, lässt sich pauschal kaum beantworten. Jedenfalls kann insofern nicht genügen, die Spezialität der Klauselrichtlinie allein damit zu begründen, dass diese eine besondere Maßnahme des Verbraucherrechts darstellt.892 Denn die Brüssel I-VO enthält in ihrem 4. Abschnitt ebenfalls besondere Bestimmungen für Verbrauchersachen. Vielmehr ist erforderlich, für den Vergleich der beiden Rechtsinstrumente ein konkreteres Kriterium als den Verbraucherschutz zu wählen. Dies wird vereinzelt getan und die Spezialität der Klauselrichtlinie darauf gestützt, dass diese den Verbraucherschutz für AGB besonders regelt.893 Dafür spricht, dass in der Brüssel I-VO nicht ausdrücklich zwischen individualvertraglichen und formularmäßigen Gerichtsstandsvereinbarungen differenziert wird. Der zusätzliche Schutzbedarf, den ein Verbraucher gerade bei der Verwendung von AGB benötigt, hat daher in der Brüssel I-VO keine besondere Regelung erfahren.894 Dem wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass der prozessuale Verbraucherschutz auch für formularmäßige Gerichtsstandsvereinbarungen mit Verbrauchern abschließend in den Art. 15 ff. Brüssel I-VO verwirklicht ist.895 Die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie wird nämlich grundsätzlich in Art. 23 Brüssel I-

890 Vgl. EuGH, Urt. v. 27. 6. 2000 (Océano Grupo Editorial und Salvat Editores), Rs. C-240/ 98 bis C-244/98, Slg. 2000, I-4941, Rn. 10 ff.; EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009 (Pannon GSM), Rs. C-243/08, Slg. 2009, I-4713, Rn. 9 ff.; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2010 (VB Pénzügyi Lízing), Rs. C-137/08, Slg. 2010, I-10847, Rn. 9 ff.; siehe auch: MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 73, und H. Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, Anh. § 305 Rn. 23. 891 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 2 ff.; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 2; vgl. zudem: Staudinger, DB 2000, 2058 (2059); Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 159. 892 So aber: Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 156; Heinig, GPR 2010, 36 (41); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 342; in diese Richtung auch: Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (332). 893 So etwa: Leible, RIW 2001, 422 (430 f.). 894 Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 157 f.; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 347. 895 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 73; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 240; ähnlich auch: Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 33a; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 31.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

VO gewahrt und nur ausnahmsweise begrenzt.896 Soweit der Verordnungsgeber aus Verbraucherschutzgründen die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie beschränken wollte, hat er dies durch die klar definierten Fallgruppen in den Verbrauchersachen getan.897 Damit hat er zugleich den besonderen Schutzbedarf eines Verbrauchers bei der Verwendung von AGB negiert und insofern der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie den Vorrang gegeben. Zudem stellt der EuGH an die Einbeziehung von Gerichtsstandsklauseln strenge Formanforderungen und gewährt somit auch Verbrauchern einen gewissen Schutz vor missbräuchlichen Klauseln.898 Demnach kann die Klauselrichtlinie im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO nicht als speziellere Vorschrift im Sinne des Art. 67 Brüssel I-VO angesehen werden. Dem kann schließlich nicht entgegengehalten werden, dass damit gewisse Wertungswidersprüche zwischen örtlichen Gerichtsstandsklauseln und internationalen Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen einhergehen.899 Zunächst beschränken sich die Konstellationen, in denen überhaupt formularmäßige Gerichtsstandsvereinbarungen mit einem Verbraucher geschlossen werden können, auf wenige Ausnahmefälle.900 Überdies geht mit der hier bevorzugten Lösung auch ein Gewinn an Rechtssicherheit einher, welcher in der Brüssel I-VO gerade eine besondere Bedeutung zukommt.901 So wird zunächst ein unübersichtliches Nebeneinander von Verbraucherschutzbestimmungen der Brüssel I-VO und der Klauselrichtlinie bzw. deren nationaler Umsetzungsvorschriften vermieden. Ferner verpflichtet das europäische Harmonisierungsinstrument der Richtlinie die Mitgliedstaaten lediglich zur Schaffung eines gemeinsamen Mindestschutzstandards. Gehen die nationalen Umsetzungsvorschriften über diesen Mindestschutz hinaus, wäre insofern nicht nur der Anwendungsvorrang nach Art. 67 Brüssel I-VO äußerst fragwürdig.902 Es bestünde zudem die Gefahr, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte durch die unterschiedlich hohen Schutzstandards der nationalen Umsetzungsvor896 Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 1 ff.; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 1. 897 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 13 und 14 zur Brüssel I-VO; Borges, RIW 2000, 933 (938). 898 Zu den Formanforderungen für die Einbeziehung von Gerichtsstandsklauseln oben unter Teil 2, § 7, B.I.5. 899 So etwa: Podimata, in: Festschrift Kerameus, S. 1079 (1098 f.). 900 Einen weitergehenden Schutzbedarf des Verbrauchers daher sogar gänzlich ablehnend: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 20; zumindest zweifelnd: Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (77). 901 Siehe nur: Erwägungsgrund Nr. 11 zur Brüssel I-VO; Fricke, in: Beckmann/MatuscheBeckmann, § 3 Rn. 56; Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (77); Podimata, in: Festschrift Kerameus, S. 1079 (1098); a.A.: Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 158; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 350 f. 902 Wohl für einen umfassenden Vorrang der nationalen Umsetzungvorschriften unabhängig vom Schutzniveau: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 351, und Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 158. Zumindest für Art. 57 Abs. 3 Brüssel I-Übk lediglich einen Vorrang der Mindeststandards befürwortend: Staudinger, DB 2000, 2058 (2059), und Leible, RIW 2001, 422 (430).

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schriften die inhaltliche Angemessenheit von Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen uneinheitlich beantworten.903 Dies liefe nicht nur der Rechtssicherheit bzw. Voraussehbarkeit zuwider, sondern widerspräche auch Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO, der die Vereinheitlichung der mitgliedstaatlichen Regelungen über die internationale Zuständigkeit gerade zu einem Regelungszweck der Brüssel I-VO erhebt.904 (5) Konsequenzen für die Anwendung der Brüssel I-VO Obwohl der sachliche Anwendungsbereich der Klauselrichtlinie insbesondere Gerichtsstandsklauseln erfasst, kommt es jedoch zur keiner gesonderten Behandlung von Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen, die in den Anwendungsbereich der Brüssel I-VO fallen. Vielfach kommen nämlich Klauselrichtlinie und Brüssel IVO nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, da die Brüssel I-VO weitgehend Gerichtsstandsvereinbarungen mit einem Verbraucher keine rechtliche Wirkung zukommen lässt. Damit ist zugleich die Missbrauchsgefahr ausgeschlossen, welcher durch die Klauselrichtlinie begegnet werden soll. Dennoch kann eine gewisse Missbrauchsgefahr und damit ein gewisses Konfliktpotenzial nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Denn auch im Rahmen der Brüssel I-VO kann eine Gerichtsstandsvereinbarung mit einem Verbraucher ausnahmsweise rechtliche Wirkung entfalten und zu einer missbräuchlichen Benachteiligung des Verbrauchers führen. Kommt es in einer dieser Ausnahmekonstellationen zu konfligierenden Ergebnissen bei der Anwendung der beiden Rechtsinstrumente, wäre der Brüssel I-VO allerdings der Vorrang einzuräumen. Diese regelt den prozessualen Verbraucherschutz in ihrem 4. Abschnitt abschließend. Damit werden auch die in Umsetzung der Klauselrichtlinie ergangenen nationalen Rechtsvorschriften durch die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO vollständig verdrängt. III. Maßgeblicher Zeitpunkt 1. Problembeschreibung und Meinungsstand Bereits im Rahmen des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 23 Brüssel I-VO wurde darauf hingewiesen, dass zwischen dem Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung und dem Prozess, in dem sie ihre Wirkung entfalten soll, ein längerer Zeitraum liegen kann, in dem sich die relevanten tatsächlichen Verhältnisse ändern können. Eine ausdrückliche Regelung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung ist in Art. 23 Brüssel I-VO nicht enthalten. Daher ist zu fragen, ob die für den räumlich-persön903 Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56 (77); dies aufgrund der „Natur der Richtlinie“ in Kauf nehmend: Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 158; ähnlich auch: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 351. 904 Zum Vereinheitlichungszweck des Art. 23 Brüssel I-VO ausführlich: Stein/Jonas/ Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 6 f.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

lichen Anwendungsbereich gefundene Lösung auch für die Wirksamkeitsvoraussetzungen des Art. 23 Brüssel I-VO gilt, sodass disjunktiv auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung oder den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts abzustellen wäre.905 Dies wird – soweit überhaupt ausdrücklich dazu Stellung bezogen wird – unterschiedlich beurteilt. Auch insofern wird verschiedentlich unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH zum intertemporalen Anwendungsbereich der Brüssel IVO allein der Zeitpunkt der Klageerhebung als maßgeblich angesehen.906 Andere wiederum erachten nur den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung als maßgeblich, wobei dies hauptsächlich in Bezug auf die Voraussetzung einer materiellen Einigung beziehungsweise in Bezug auf die Feststellung der Gepflogenheit im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) Brüssel I-VO hervorgehoben wird.907 Schließlich wird auch hier vertreten, disjunktiv auf den Zeitpunkt der Klageerhebung oder den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung abzustellen.908 2. Stellungnahme Zu Recht wird zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung lediglich auf den Zeitpunkt ihres Abschlusses abgestellt. Denn Parteien schließen eine Gerichtsstandsvereinbarung, um ihr künftiges prozessuales Verhalten zu regeln. Die materielle Wirksamkeit sollte daher anhand der Umstände im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung beurteilt werden, da die Parteien zumindest in diesem Zeitpunkt eine einverständliche und rechtsverbindliche Regelung treffen wollten. Die Willenseinigung anhand der Umstände im Zeitpunkt der Klageerhebung zu prüfen, ist nicht nur mit Blick auf das nun streitige Verhältnis der Parteien zueinander fragwürdig. Dies würde auch nicht hinreichend den vertraglichen und grundsätzlich vorbeugenden Regelungscharakter von Gerichts-

905

Siehe oben unter Teil 2, § 7, A.VI. Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 123 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 13. 11. 1979 (Sanicentral), Rs. C-25/79, Slg. 1979, 3423, Rn. 6; wohl auch: OLG Koblenz NJW-RR 1988, 1334 (1335); OLG Köln NJW 1988, 2182; zumindest hinsichtlich der Formanforderungen: U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 60; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6381. 907 Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 19; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 20; hinsichtlich der materiellen Einigung: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 75; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6380; hinsichtlich der Parteigepflogenheit: Hau, IPRax 2005, 301 (305); OLG Stuttgart NJW 2013, 83 (86); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6451. 908 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 28; hinsichtlich der Formanforderungen wohl auch: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel IVO Rn. 14. 906

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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standsvereinbarungen berücksichtigen.909 Dementsprechend verwundert es nicht, wenn insofern im Schrifttum ohne nähere Begründung lediglich festgestellt wird, „dass es für die Voraussetzungen einer wirksamen materiellen Einigung über den Gerichtsstand allein auf den Abschlusszeitpunkt ankommen kann“.910 Durch diese Lösung kann schließlich auch ein stimmiges Ergebnis mit den verschiedenen nationalen Vertragsrechten erzielt werden, welche hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen ebenfalls überwiegend den Zeitpunkt des Vertragsschlusses als maßgeblich erachten.911 Aber auch für die Beurteilung der formalen Anforderungen des Art. 23 Brüssel IVO ist allein der Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich. Die Formanforderungen des Art. 23 Brüssel I-VO dienen nämlich nicht nur der Warn- und Beweisfunktion, sondern eben auch der Sicherung der Parteiautonomie.912 Diese sollen nämlich „gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht“.913 Um einen hinreichend sicheren Rückschluss von der Form auf die Einigung ziehen zu können, sollten daher die Einigung der Parteien und die Formanforderungen einheitlich im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung erfüllt sein. Würde man insofern auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abstellen, so wäre die Sicherheit des Rückschlusses insbesondere bei der Form der Parteigepflogenheit äußerst fragwürdig. Denn diese Formvariante kann sich auch erst nach der Einigung bis hin zur Klageerhebung zwischen den Parteien herausbilden.914 909 Vgl. U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 58, der ebenfalls im Ausgangspunkt den vertraglichen Charakter von Gerichtsstandsvereinbarungen hervorhebt. 910 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6380; ähnlich: Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 75. 911 Zu nationalen Vertragsrechten: U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 58 f. m.w.N. 912 Vgl. Wagner, Prozeßverträge, S. 382. 913 So ausdrücklich etwa: EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Estasis Salotti di Colzani), Rs. C-24/ 76, Slg. 1976, 1831, Rn. 7; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1976 (Galeries Segoura), Rs. C-25/76, Slg. 1976, 1851, Rn. 6; EuGH, Urt. v. 10. 3. 1992 (Powell Duffryn), Rs. C-214/89, Slg. 1992, I-1745, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 15; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 13; vgl. aber auch: EuGH, Urt. v. 6. 5. 1980 (Porta-Leasing), Rs. C-784/79, Slg. 1980, 1517, Rn. 5; EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 25; EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a.), Rs. C-201/82, Slg. 1983, 2503, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 19. 6. 1984 (Russ), C-71/83, Slg. 1984, 2417, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 11. 7. 1985 (Berghoefer), Rs. C-221/84, Slg. 1985, 2699, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986 (Iveco Fiat), Rs. C-313/85, Slg. 1986, 3337, Rn. 5; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 28. Dazu bereits oben unter: Teil 2, § 7, B.I.1. 914 Im Ergebnis daher zutreffend: Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 19; OLG Stuttgart NJW 2013, 83 (86); Hau, IPRax 2005, 301 (305).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Für die hier vertretene Lösung spricht auch der Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Brüssel I-VO. So deutet die teilweise in der Zeitform des Perfekts erfolgte Umschreibung der Form des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) Brüssel I-VO darauf hin, dass der Zustand der Gepflogenheit zwischen den Parteien bereits bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung entstanden sein muss. Ähnlich verhält es sich auch bei dem Handelsbrauch nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) Brüssel I-VO, da hier zumindest die positive Kenntnis in der Zeitform des Imperfekts umschrieben wurde. Abschließend ist jedoch klarstellend darauf hinzuweisen, dass von der hier behandelten Problematik wiederum die Frage zu trennen ist, inwieweit die Parteien ihre ursprüngliche Gerichtsstandsvereinbarung durch eine nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung oder stillschweigend durch eine rügelose Einlassung im Sinne des Art. 24 Brüssel I-VO aufgehoben, geändert oder geheilt haben.915

C. Inhalt Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO können die Parteien vereinbaren, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen. Weitergehende Anforderungen an den Inhalt einer Gerichtsstandsvereinbarung sind nicht in Art. 23 Brüssel I-VO vorgesehen. Welchen Inhalt eine Gerichtsstandsvereinbarung haben kann, lässt sich damit angesichts der Vielzahl der individuellen Gestaltungsmöglichkeiten nicht abschließend aufzählen. Die folgenden Erläuterungen beginnen daher mit einem kurzen Überblick über die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten einer Gerichtsstandsvereinbarung. Hieran anschließend wird das im Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO anklingende Bestimmtheitserfordernis näher dargestellt, bevor schließlich auf die Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung eingegangen wird. I. Überblick über die Gestaltungsmöglichkeiten Art. 23 Brüssel I-VO beruht auf der Anerkennung der Parteiautonomie im europäischen Zuständigkeitsrecht.916 Den Parteien steht daher grundsätzlich die inhaltliche Gestaltung einer Gerichtsstandsvereinbarung frei. Insbesondere ist kein objektiver Zusammenhang zwischen dem streitigen Rechtsverhältnis und dem

915 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 20; Hau, IPRax 2005, 301 (304); wohl a.A.: LG Karlsruhe RIW 2001, 702 (704). 916 EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 24. 6. 1986 (Anterist), Rs. C-22/85, Slg. 1986, 1951, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 9. 11. 1978 (Meeth), Rs. C-23/78, Slg. 1978, 2133, Rn. 5.

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vereinbarten Gericht erforderlich.917 Ein solches Erfordernis, das etwa in Art. 15 des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen von 1965 gefunden werden kann und im Rahmen des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005 durch Art. 19 HGÜ den Vertragsstaaten vorbehalten ist, enthält die Brüssel I-VO gerade nicht.918 Der Wille der Parteien ist somit auch dann zu respektieren, wenn sie einen neutralen oder objektiv unzweckmäßigen Gerichtsstand vereinbaren.919 Auf die Motive der Parteien und die Auswirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung kommt es daher grundsätzlich nicht an. Eine Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit durch eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle findet im Rahmen des Art. 23 Brüssel I-VO ebenfalls nicht statt.920 Die für die freie Wahl der Parteien wichtigsten Parameter werden mit der Rechtsstreitigkeit und dem Gericht im Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO ausdrücklich erwähnt. Die Parteien können nämlich zunächst den Kreis der Rechtsstreitigkeiten festlegen, für die ihre Gerichtsstandsvereinbarung gelten soll. Dies können sie einerseits dadurch tun, indem sie positiv die erfassten Ansprüche bestimmen. Sie können aber ebenso negativ bestimmen, welche Ansprüche von der Gerichtsstandsvereinbarung ausgenommen werden.921 Auch eine Kombination einer positiven und negativen Bestimmung der Ansprüche innerhalb einer Gerichtsstandsvereinbarung ist denkbar. Darüber hinaus ergibt sich für die Parteien bei der Vereinbarung des zuständigen Gerichts eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten, welche jedoch nicht zu einer Abänderung der sachlichen und funktionellen Zuständigkeit des prorogierten Gerichts führen können.922 Im Ausgangspunkt kann ein Gericht entweder ausschließlich oder neben anderen Gerichten für zuständig erklärt werden.923 Dies kann derart erfolgen, dass die Parteien auf den Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO aufbauen und zusätzlich eine damit konkurrierende Zuständigkeit festlegen (sog. fakultative Gerichtsstandsvereinbarung).924 Ebenso können sie unabhängig von den 917 EuGH, Urt. v. 17. 1. 1980 (Zelger), Rs. C-56/79, Slg. 1980, 89, Rn. 4; EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Slg. 1997, I-911, Rn. 34; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/ 95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 28; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/197, Slg. 1999, I-1597, Rn. 50. 918 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 71; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 177; Frauenberger-Pfeiler, in: Festschrift Rechberger, S. 125 (136 f.); Kohler, IPRax 1983, 265 (270). 919 F. Sandrock, Vereinbarung eines neutralen internationalen Gerichtsstands, S. 275 ff.; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 12c f.; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 71. 920 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II.3.b). 921 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 64b. 922 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (38); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 144. 923 So bereits: EuGH, Urt. v. 9. 11. 1978 (Meeth), Rs. C-23/78, Slg. 1978, 2133, Rn. 5. 924 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 59; MüKoZPO/ Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 82; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 92; Geimer, in:

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Zuständigkeitsvorschriften mehrere Gerichte für ausschließlich zuständig erklären und zur Wahl der Parteien stellen (sog. alternative Gerichtsstandsvereinbarung).925 Ferner können einzelne nach den Vorschriften der Brüssel I-VO zuständige Gerichte durch eine Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt werden (sog. isolierte Derogation).926 Ausweislich des Wortlauts von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO kann eine Gerichtsstandsvereinbarung weiterhin lediglich die internationale Zuständigkeit regeln oder daneben auch die örtliche Zuständigkeit betreffen. Schließlich kann eine Gerichtsstandsvereinbarung für jede Partei eine unterschiedliche Regelung treffen und damit insbesondere nur zugunsten einer Partei wirken (sog. asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarung).927 Wie die Art. 13 Nr. 2, 17 Nr. 2 und 21 Nr. 2 Brüssel I-VO sowie Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Brüssel I-VO zeigen, sind einseitige Begünstigungen in Gerichtsstandsvereinbarung nämlich zulässig.928 Gegenteiliges kann insbesondere nicht aus dem ersatzlosen Wegfall des vormaligen Art. 17 Abs. 4 Brüssel I-Übk abgeleitet werden, welcher nur unter Einschränkungen einseitige Gerichtsstandsvereinbarungen zuließ.929 II. Bestimmtheit Zumindest bei künftigen Rechtsstreitigkeiten stellt der Verordnungsgeber in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO ausdrücklich Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses. Dieses im Wortlaut des Art. 23 Brüssel I-VO angelegte Bestimmtheitserfordernis ist allerdings nicht als abschließende Regelung der inhaltlichen Bestimmtheit zu verstehen. Nach allgemeiner Ansicht hat sich eine Gerichtsstandsvereinbarung nämlich ebenso auf ein bestimmtes Gericht oder zumindest auf die Gerichte eines bestimmten Mitgliedstaats Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 166; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 33. 925 OLG Hamm IPRax 2007, 125 (126) mit insofern zust. Anm. von Spellenberg, IPRax 2007, 98 (99); Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 33; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 166. 926 Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 67; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 184 f. 927 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 110; Lehmann/Grimm, ZEuP 2013, 891. Ausführlich zu der durch den französischen Cour de Cassation ausgelösten Diskussion über die Zulässigkeit asymmetrischer Gerichtsstandsvereinbarungen: Freitag, in: Festschrift Magnus, S. 419 ff.; Fentiman, Commercial Litigation, Rn. 2.123 ff.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.116 ff.; Garvey, BJIBFL 2016, 6 ff. 928 Ausführlich hierzu: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 93 ff.; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 110; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussel I Regulation, Rn. 148 f.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 168. Wohl a.A.: Cour de Cassation ZEuP 2013, 890 mit kritischen Anm. von: Lehmann/Grimm, ZEuP 2013, 891 ff.; Niggemann, IPRax 2014, 194 ff., und Fentiman, CLJ 72 (2013), 24 ff. 929 Fentiman, CLJ 72 (2013), 24 (25 f.); Lehmann/Grimm, ZEuP 2013, 891 (898 f.); Weigel/ Blankenheim, WM 2006, 664 (665).

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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zu beziehen.930 Welche Erwägungen dem Bestimmtheitserfordernis zugrunde liegen und welche Anforderungen infolgedessen an eine Gerichtsstandsvereinbarung zu stellen sind, soll Gegenstand der folgenden Ausführungen sein. 1. Bestimmtes Rechtsverhältnis Im Zeitpunkt des Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung kann bereits eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen zwischen den beteiligten Parteien bestehen. Derartige Rechtsverhältnisse können sich zudem fortwährend entwickeln. Das Bestimmtheitserfordernis des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO will daher die Geltung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf dasjenige Rechtsverhältnis beschränken, anlässlich dessen die Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen wurde.931 Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO muss sich eine Gerichtsstandsvereinbarung auf eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder auf eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit beziehen. Damit wird nicht nur das Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO gestärkt, indem die Parteien und das angerufene Gericht das zuständige Gericht leichter bestimmen können. Vielmehr werden auch die möglichen rechtlichen Konsequenzen einer Gerichtsstandsvereinbarung hierdurch verdeutlicht, sodass eine Partei nicht unbedacht und ungewollt eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten dem prorogierten Gericht unterwirft.932 Das Bestimmtheitserfordernis soll aber nicht nur vor einseitigen Überraschungen schützen.933 Es soll überdies die Gefahr minimieren, dass eine wirtschaftlich überlegene Partei dem unterlegenen Vertragspartner mit einer einzigen Gerichtsstandsvereinbarung auch für Rechtsstreitigkeiten aus noch nicht vorauszusehenden künftigen Rechtsverhältnissen einen Gerichtsstand aufzwingt.934 Dem Bestimmtheitserfordernis kommt somit eine gewisse Schutz- und Warnfunktion zu.935 930 Junker, IZPR, § 15 Rn. 16; siehe auch: EuGH, Urt. v. 2. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 15. 931 EuGH, Urt. v. 10. 3. 1992 (Powell Duffryn), Rs. C-214/89, Slg. 1992, I-1745, Rn. 31. 932 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 156; Junker, IZPR, § 15 Rn. 13; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1882. 933 Dazu: EuGH, Urt. v. 10. 3. 1992 (Powell Duffryn), Rs. C-214/89, Slg. 1992, I-1745, Rn. 31; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 44; MüKoZPO/ Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 64; M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 112. 934 So etwa: GA Tesauro in den Schlussanträgen vom 20. 11. 1991 zu EuGH, Urt. v. 10. 3. 1992 (Powell Duffryn), Rs. C-214/89, Slg. 1992, I-1745, Rn. 13; OLG Oldenburg IPRax 1999, 458 (459); OLG München WM 1989, 602 (604); Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 20; Kropholler/von Hein, Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 69; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6481; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 111; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 24; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 67; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 44; Kohler, IPRax 1983, 265 (268). 935 So etwa: Junker, IZPR, § 15 Rn. 13.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Da das Bestimmtheitserfordernis insofern die durch Art. 23 Brüssel I-VO anerkannte zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie beschränkt, sollte es allerdings nicht formalistisch überspannt werden, sondern vielmehr stets den Willen der beteiligten Parteien berücksichtigen.936 Tritt der Wille der beteiligten Parteien in der Gerichtsstandsvereinbarung nicht offen zu Tage, ist im Wege der Auslegung ihr mutmaßlicher Wille zu ermitteln und damit die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie zu respektieren.937 Die vorangestellten Erwägungen haben daher vorwiegend für Gerichtsstandsvereinbarungen Bedeutung, die für künftige Rechtsstreitigkeiten abgeschlossen werden. Hier spielt die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung eine besondere Rolle. Eine hinreichende Bestimmtheit kann etwa dann angenommen werden, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung Bestandteil eines Vertrages ist und sich – wie in der Praxis üblich – auf alle Streitigkeiten aus oder in Zusammenhang mit diesem Vertrag bezieht.938 Überdies genügt es, wenn ein erst zukünftig bestehendes Rechtsverhältnis durch eine Gerichtsstandsvereinbarung in Bezug genommen wird, sofern es im Wege der Auslegung hinreichend bestimmt und damit individualisiert werden kann.939 Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann sich ferner auf mehrere Rechtsverhältnisse beziehen und zugleich dem Bestimmtheitserfordernis genügen.940 Dies kann etwa durch eine Gerichtsstandsvereinbarung in einem Rahmenvertrag erfolgen.941 Dem Bestimmtheitserfordernis genügt es aus oben genannten Gründen allerdings nicht, wenn alle gegenwärtigen und zukünftigen Rechtsverhältnisse der beteiligten Parteien untereinander von einer Gerichtsstandsvereinbarung erfasst werden (sog. catch-all clauses).942

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Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 44b. Vgl. EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 14. 938 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 44b; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 113; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 157. Siehe auch die Klauselbeispiele bei: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6544 ff. 939 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 70; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 112. 940 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 158. 941 OLG Oldenburg IPRax 1999, 458 (459 f.) mit zust. Anm. von Kindler/Haneke, IPRax 1999, 435 (436); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6482; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 44; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 112; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 54; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 68; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 13. 942 U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 66; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 44a. 937

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2. Bestimmtes Gericht Im Rahmen des Art. 23 Brüssel I-VO erstreckt sich das Bestimmtheitserfordernis zudem auf die Wahl des zuständigen Gerichts, obwohl dies nicht ausdrücklich im Wortlaut anklingt. Die Vorschrift des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO ist folglich so zu lesen, dass ein bestimmtes Gericht oder die Gerichte eines bestimmten Mitgliedstaats für zuständig erklärt werden müssen.943 Im Falle einer sog. isolierten Derogation wäre dies ebenso für abgewählte Gerichte zu fordern. Die Wörter „ein“ und „eines“ sind dabei allerdings nicht als Zahlenangaben zu verstehen, sondern als unbestimmte Artikel.944 Die Parteien können somit auch zwei oder mehrere Gerichte für zuständig erklären.945 Zur Festlegung der konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit der Gerichtswahl und -abwahl kann grundsätzlich auf die Erwägungen zurückgegriffen werden, welche für die Bestimmtheit des Rechtsverhältnisses gelten. Demnach kommt auch hier der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung eine besondere Bedeutung zu. Dem EuGH genügt es daher, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung „die objektiven Kriterien nennt, über die sich die Parteien bei der Bestimmung des Gerichts oder der Gerichte, die über ihre bereits entstandenen oder künftigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden sollen, geeinigt haben. Diese Kriterien, die so genau sein müssen, dass das angerufene Gericht feststellen kann, ob es zuständig ist, können gegebenenfalls durch die besonderen Umstände des jeweiligen Falles konkretisiert werden.“946 Demnach ist nicht erforderlich, das zuständige Gericht in der Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich zu bezeichnen.947 Auch eine konkretisierungsbedürftige Bezeichnung wie „Gericht am Erfüllungsort“ oder „Gericht am Sitz des Klägers“ kann beispielsweise genügen.948 Mit diesen Anforderungen verträgt es sich ebenfalls, wenn in einer Gerichtsstandsvereinbarung einer oder beiden Parteien verschiedene Wahlgerichtsstände eingeräumt werden, sofern diese jeweils anhand 943

Junker, IZPR, § 15 Rn. 16; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1883. Spellenberg, IPRax 2007, 98 (99). 945 EuGH, Urt. v. 9. 11. 1978 (Meeth), Rs. C-23/78, Slg. 1978, 2133, Rn. 5; Kohler, IPRax 1983, 265 (268). 946 EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 15. 947 EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 15; OLG Celle NJW-RR 2004, 575 (576); OLG München WM 1989, 602 (604); OGH ZfRV 2005, 69; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 71; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 12; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6483; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 45; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 21; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 106; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 70; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 171; Junker, IZPR, § 15 Rn. 16. 948 OLG München EuLF 2000/01, 136 (137); Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 12; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 56; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6483; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 106. 944

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

objektiver Kriterien bestimmbar sind.949 Hinreichend bestimmbar sind hiernach ferner sog. wechselseitige oder reziproke Gerichtsstandsvereinbarungen, bei denen eine Partei jeweils nur an ihrem Sitz klagen oder verklagt werden kann.950 Stellt eine Gerichtsstandsvereinbarung allerdings die Wahl des Gerichts zur freien Disposition einer Partei, ist dem Bestimmtheitserfordernis nicht genügt.951 Zwar würde das angerufene Gericht mit Gewissheit seine Zuständigkeit annehmen können.952 Allerdings wäre der Kreis der zuständigen Gerichte für die andere Partei nur bedingt vorhersehbar. Obwohl solche Gerichtsstandsvereinbarungen nur eine der Parteien begünstigt, sind sie nämlich im Rahmen der Brüssel I-VO zulässig.953 Dem Bestimmtheitserfordernis wird jedoch wiederum genügt, wenn die Parteien lediglich über die internationale Zuständigkeit eines Gerichts eine Vereinbarung treffen.954 Bei dieser im Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO angelegten Möglichkeit hat die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit unter Rückgriff auf das nationale Verfahrensrecht des prorogierten Mitgliedstaats zu erfolgen.955 Um den in der Gerichtsstandsvereinbarung zum Ausdruck gebrachten Willen der Parteien zu respektieren, kann sogar ein Rückgriff auf ungeschriebene nationale Ersatzzuständigkeiten erforderlich sein.956 949 OLG Hamm IPRax 2007, 125 (126) mit insofern zust. Anm. von Spellenberg, IPRax 2007, 98 (99); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6483; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 72; Kreuzer/Wagner, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Q. 2. Rn. 343. 950 EuGH, Urt. v. 9. 11. 1978 (Meeth), Rs. C-23/78, Slg. 1978, 2133, Rn. 4 ff.; BGH NJW 1979, 2477 (2478); LG Frankfurt RIW 1986, 543 (543 f.); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 73 f.; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 47; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 67. 951 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 72; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 106; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 47; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6483; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 67; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 71; Hk-ZPO/ Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 21; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 26; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1883. 952 Vgl. hierzu: Fentiman, CLJ 72 (2013), 24 (26). 953 Ausführlich: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 93 ff. 954 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 107; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 6; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 68; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 75. 955 LG Mainz WM 2005, 2319 (2322); OGH IPRax 2004, 259 (261); Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 76; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 46; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6485; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 14; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 58 f.; Kohler, IPRax 1983, 265 (268 f.). 956 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 68; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 6; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 107; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 78; Kreuzer/Wagner, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Q. 2. Rn. 343; Kohler, IPRax 1983, 265 (268 f.); noch weitergehend: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 146; Schulze, IPRax 1999, 229 (230); a.A.: Schack, IZVR, § 9 Rn. 537, der die Gerichtsstandsvereinbarung ggfs. ins Leere laufen lassen will.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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III. Auslegung 1. Problembeschreibung und Meinungsstand Bereits im Rahmen der Bestimmtheit ist zum Ausdruck gekommen, dass im Einzelfall die Feststellung des Inhalts einer Gerichtsstandsvereinbarung Probleme bereiten kann. Der Grund dafür kann darin liegen, dass eine Sachfrage schlichtweg nicht ausdrücklich geregelt ist oder eine einschlägige Regelung zwar existiert, diese jedoch mehrdeutig oder gänzlich unklar ist. In der Praxis treten Unklarheiten insbesondere bei der Frage auf, ob die mit einer Klage verfolgten Ansprüche von der geltend gemachten Gerichtsstandsvereinbarung erfasst oder ausgenommen sind. In der Vertragsgestaltung werden Gerichtsstandsvereinbarungen nämlich üblicherweise umfassend formuliert, um möglichst viele Ansprüche einzubeziehen.957 In vorformulierten Verträgen beziehen sich Gerichtsstandsklauseln daher vielfach auf „alle Rechtsstreitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesen Vertrag und seiner Durchführung“.958 Ob hiervon deliktische Ansprüche erfasst werden, welche in einem Bezug zum Vertragsverhältnis stehen, und ebenso etwaige Ansprüche aus der Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses einbezogen sind, ist folglich oftmals ungewiss.959 Aber auch mit der getroffenen Zuständigkeitswahl können klärungsbedürftige Probleme verbunden sein.960 Darüber hinaus kann die Tragweite einer Gerichtsstandsvereinbarung aber auch bei weiteren Aspekten unklar sein, welche mit Rechtsstreitigkeiten verbunden sein können. Dies trifft beispielsweise auf die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung für widerklageweise erhobene Ansprüche oder Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu.961 Gleiches gilt für die Frage, ob die von einer Gerichtsstandsvereinbarung erfassten Ansprüche im Wege der Aufrech-

957 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 127; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 64a, der eine entsprechend weite Formulierung generell empfiehlt. 958 So ausdrücklich in allen Klauselbeispielen bei Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6544 ff. 959 Belege hierfür aus der Rechtsprechung: OLG Stuttgart IPRax 1992, 86 (88); OLG München RIW 1989, 901 (902); LG Berlin IPRax 2005, 261. Zum Ganzen: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 62a f.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6514; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 127; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 37 f.; Vischer, in: Festschrift Jayme, S. 993 ff. 960 Vgl. bspw.: BGH NJW 1997, 2885 (2886); OLG Celle NJOZ 2004, 2925 (2926 f.); OLG Koblenz IPRax 2006, 469 (470) mit kritischer Anm. von M. Weller, IPRax 2006, 444 (444 f.); OLG Hamburg NJW 2004, 3126 (3126 f.). Zum Ganzen: Weyland, in: Gedächtnisschrift Arens, S. 417 ff. 961 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 192 und 195; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 65 ff.; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 40 und 42; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (496 f.).

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nung vor anderen Gerichten durchgesetzt werden können.962 Aber auch andere Aspekte sind denkbar, sodass die hier vorgenommene Aufzählung nicht als abschließend angesehen werden darf.963 In derartigen Fallkonstellationen ist der Wille der Parteien im Wege der Auslegung zu ermitteln, um damit die durch Art. 23 Brüssel I-VO anerkannte zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie zu respektieren.964 Im Ausgangspunkt muss dabei versucht werden, die Gerichtsstandsvereinbarung anhand verordnungsautonomer Maßstäbe auszulegen.965 Dieser Weg wird nicht nur durch die gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht vorrangige Auslegungsregel des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Brüssel I-VO vorgezeichnet. Die verordnungsautonome Auslegung ist vielmehr auch mit Blick auf die angestrebte Vereinheitlichung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit angezeigt.966 Schließlich kann sie auch dogmatisch überzeugen, da der Inhalt einer Gerichtsstandsvereinbarung eng mit der Einigung darüber verbunden ist und Letztere ebenfalls verordnungsautonom zu beurteilen ist.967 Trotz dieser Vorzugswürdigkeit scheidet eine Auslegung anhand verordnungsautonomer Maßstäbe jedoch bei Unklarheiten aus, für die Art. 23 Brüssel I-VO keinerlei Hinweise bereithält.968 Zur Aufklärung ist daher insofern auf die nationalen Auslegungsmethoden zurückzugreifen. Obwohl die Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens in allen Mitgliedstaaten ebenfalls im Mittelpunkt der Auslegung stehen dürfte, können in den nationalen Auslegungsmethoden erhebliche Unterschiede bestehen. So kann beispielsweise dem objektiven Erklärungswert einer Gerichtsstandsvereinbarung in den Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen werden.969 Überdies ist denkbar, dass in den Mitgliedstaaten gesetzliche oder

962 EuGH, Urt. v. 9. 11. 1978 (Meeth), Rs. C-23/78, Slg. 1978, 2133, Rn. 8; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 99 f.; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel IVO Rn. 68 f.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 193 f.; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (495). Ausführlich: Kannengießer, Die Aufrechnung im int. Privat- und VerfR, S. 192 ff. 963 Zu weiteren Aspekten etwa: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVO Rn. 140 f.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 196 f. 964 Vgl. etwa: EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 14. Siehe auch Erwägungsgrund Nr. 14 zur EuGVVO. 965 So zu Recht: U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation, Rn. 143; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 41a. 966 Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO. 967 Vgl. Schack, IZVR, § 9 Rn. 519, der das Zustandekommen und den Inhalt der Vereinbarung anschaulich als „zwei Seiten derselben Medaille“ bezeichnet. 968 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 41a und 62; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation, Rn. 143. 969 Dazu etwa: Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 43a; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 141; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 64a; Hausmann, in: Reithmann/Martiny

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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richterrechtliche Auslegungsregeln zu beachten sind.970 Damit drängt sich die Frage auf, welchem Recht die Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung unterliegt. Verschiedentlich wird das durch das Prorogationsstatut zu ermittelnde Recht (lex causae) für anwendbar erklärt.971 Ebenso wird das Recht des angerufenen Gerichts (lex fori) für anwendbar erachtet.972 Eine ausdrückliche Stellungnahme des EuGH zu dieser Streitfrage steht noch aus. Insbesondere kann den Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache Powell Duffryn und in der Rechtssache Benincasa nicht entnommen werden, dass die lex fori für die Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung maßgebend sei.973 Der EuGH stellte insofern nämlich lediglich fest, dass es Sache des angerufenen Gerichts ist, „die vor ihm geltend gemachte Gerichtsstandsklausel zur Bestimmung der in ihren Anwendungsbereich fallenden Rechtsstreitigkeit auszulegen“.974 Ob die vom angerufenen Gericht vorzunehmende Auslegung der lex fori oder der lex causae unterliegt, blieb dagegen ungeklärt.975 2. Stellungnahme Soweit eine verordnungsautonome Auslegung nicht möglich ist, wird zu Recht auf die lex causae zurückgegriffen. Die für die Anwendung der lex fori vorgetragenen Praktikabilitätserwägungen können hier ebenso wenig durchschlagen wie bei dem für die materiell-rechtliche Wirksamkeit notwendigen Rückgriff auf nationales Recht.976 Die von der Brüssel I-VO angestrebte Vereinheitlichung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit lässt vielmehr den Rückgriff auf das Prorogationsstatut vorzugswürdig erscheinen, zumal durch die hier befürwortete eigenständige Anknüpfung ebenfalls prozessökonomische Ergebnisse erzielt werden.977 Die eingangs erwähnten praxisrelevanten Unklarheiten sind demnach im Ausgangspunkt ohne Rückgriff auf nationales Recht anhand der Vorgaben des Art. 23 (7. Aufl. 2010), Rn. 6514. Zu unterschiedlichen Tendenzen bei Prozessverträgen in Deutschland: Wagner, Prozeßverträge, S. 291 f. 970 Vgl. Schack, IZVR, § 9 Rn. 519; M. Weller, IPRax 2006, 444. 971 Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 43a; MüKoZPO/Gottwald Art. 23 EuGVO Rn. 24; Briggs, Agreements on Jurisdiction, Rn. 7.89; U. Magnus, in: Magnus/ Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 143; M. Weller, IPRax 2006, 444. 972 Schack, IZVR, § 9 Rn. 519; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 127; Mäsch, IPRax 2005, 509 (514). 973 So aber: Junker, IZPR, § 15 Rn. 26; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 127. 974 EuGH, Urt. v. 10. 3. 1992 (Powell Duffryn), Rs. C-214/89, Slg. 1992, I-1745, Rn. 37; bestätigt durch: EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 31. 975 U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 141; siehe aber auch: Briggs, Agreements on Jurisdiction, Rn. 7.89, der aufgrund der Entscheidung in Powell Duffryn zur Anwendung der lex causae gelangt. 976 A.A.: Schack, IZVR, § 9 Rn. 519. 977 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II.2.c)cc). Siehe auch: U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation, Rn. 143.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Brüssel I-VO zu lösen. Anhand des Wortlauts, der Begleitumstände und des Rechtsverhältnisses, anlässlich dessen die Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen wurde, ist dabei der mutmaßliche Wille der beteiligten Parteien zu ermitteln. Dies gilt insbesondere für die Frage, welche Ansprüche von der Gerichtsstandsvereinbarung erfasst werden.978 Fehlen hiernach eindeutige Indizien, spricht zudem einiges dafür, den Parteien den Willen zu unterstellen, möglichst viele mit dem Rechtsverhältnis zusammenhängende Ansprüche zu erfassen.979 Im Zweifel kann insofern aber auch auf die Auslegungsmethoden und Auslegungsregeln der lex causae zurückgegriffen werden. Zumindest nach deutschem Verständnis wird man dann auch eine Vielzahl außervertraglicher Ansprüche unter die Gerichtsstandsvereinbarung fassen können.980 Ebenso ist bei der Widerklage, den Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und der Aufrechnung vorzugehen.981 Eine Besonderheit besteht allerdings bei Unklarheiten der Zuständigkeitswahl. Insofern existiert nämlich in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Brüssel I-VO eine Regelung, wonach die vereinbarten Gerichte ausschließlich zuständig sind, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Lässt sich im Wege der Auslegung der Wille der Parteien nicht zweifelsfrei belegen, ist somit von einer ausschließlichen Zuständigkeit auszugehen.982

D. Wirkungen Da Art. 23 Brüssel I-VO auf der Anerkennung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie beruht, hängt der Umfang der Wirkungen einer Gerichtsstands-

978 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 62 ff.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6514; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 150 f. 979 Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 147; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 62; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 206. 980 OLG Stuttgart IPRax 1992, 86 (88); OLG München RIW 1989, 901 (902); LG Berlin IPRax 2005, 261; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 38 f.; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO 62a f.; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 127; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 225. 981 Dazu und zu den Zweifelssätzen in Deutschland ausführlich: Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 192 ff.; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 86 ff.; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 98 ff.; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 65 ff.; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 156 ff.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6519 ff.; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 40 ff.; Saenger, ZZP 110 (1997), 477 (494 ff.). 982 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 82; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 21; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 90; Schack, IZVR, § 9 Rn. 540; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6501.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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vereinbarung entscheidend vom Willen der beteiligten Parteien ab.983 Dieser Wille wird vordergründig durch den Wortlaut der Gerichtsstandsvereinbarung zum Ausdruck gebracht, kann sich aber auch erst durch deren Auslegung offenbaren.984 Die Vielfalt der inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abfassung einer Gerichtsstandsvereinbarung schlägt damit auf deren Wirkungen durch. Im Folgenden sollen daher zunächst die allgemeinen Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung anhand einzelner typischer Fallkonstellationen illustriert werden, bevor auf die Einschränkungen des Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO eingegangen wird. Hieran anschließend werden die Bindungswirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung für die mitgliedstaatlichen Gerichte und die beteiligten Parteien dargestellt. Abschließend wird auf die Notwendigkeit und die Möglichkeiten einer Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Rahmen der Brüssel I-VO eingegangen. I. Prorogations- und Derogationseffekt Die Parteien können durch eine Gerichtsstandsvereinbarung das Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO abändern. Der Umfang der Abänderung steht dabei den Parteien grundsätzlich frei.985 Im Ausgangspunkt kann man dabei zwischen der prorogativen und derogativen Wirkung unterscheiden, welche regelmäßig gemeinsam in einer Gerichtsstandsvereinbarung auftreten. So enthält beispielsweise der durch die Auslegungsregel des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Brüssel I-VO indizierte Regelfall mit der ausschließlichen Prorogation zugleich die Derogation der übrigen an sich zuständigen Gerichte.986 Ebenso verhält es sich bei einer sog. alternativen Gerichtsstandsvereinbarung, bei der mehrere Gerichte für ausschließlich zuständig erklärt werden. Da Prorogation und Derogation keine konstitutiven Elemente einer Gerichtsstandsvereinbarung sind, können sie auch jeweils einzeln vorkommen.987 Ein Beispiel für eine reine Prorogation sind die sog. fakultativen Gerichtsstandsvereinbarungen, da hier die Zuständigkeiten nach der Brüssel I-VO lediglich ergänzt und nicht derogiert werden. Ebenso ist eine reine Derogation denkbar, soweit mehrere Zuständigkeiten nach der Brüssel I-VO in Betracht kommen und diese nach dem Willen der Parteien lediglich reduziert werden sollen, ohne zusätzliche Zuständigkeiten zu begründen (sog. isolierte Derogation).988 983 Siehe Erwägungsgründe Nr. 11 und 14 zur Brüssel I-VO. Vgl. auch: EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 24. 6. 1986 (Anterist), Rs. C-22/85, Slg. 1986, 1951, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 9. 11. 1978 (Meeth), Rs. C-23/78, Slg. 1978, 2133, Rn. 5. 984 Siehe dazu oben unter Teil 2, § 7, C. 985 Zu den inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten oben unter Teil 2, § 7, C.I. 986 Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1907. 987 Zum Zusammenhang von Prorogation und Derogation: J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 457 ff. 988 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 15.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

II. Einschränkungen nach Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO Die Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung wird durch Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO eingeschränkt. Hiernach haben Gerichtsstandsvereinbarungen keine rechtliche Wirkung, wenn sie den Vorschriften der Art. 13, 17 und 21 Brüssel I-VO zuwiderlaufen. Zum Schutze der schwächer angesehenen Partei wird damit das grundsätzliche Verbot von Gerichtsstandsvereinbarungen in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen bestätigt, indem auf die jeweils zugelassenen Ausnahmen und deren Gültigkeit nochmals ausdrücklich hingewiesen wird.989 Daher wird Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO auch gelegentlich als bloße deklaratorische Hinweisnorm angesehen.990 Darüber hinaus wird einer Gerichtsstandsvereinbarung die rechtliche Wirkung genommen, wenn sie eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 Brüssel I-VO abbedingt. Damit werden die hinter Art. 22 Brüssel I-VO stehenden Zuständigkeitserwägungen geschützt, indem die ausschließlichen Zuständigkeiten der Parteidisposition entzogen werden.991 Indem man Art. 22 Brüssel I-VO ebenfalls eine Reflexwirkung (effet réflexe) zugunsten von Drittstaaten zuerkennen würde, könnten überdies drittstaatliche ausschließliche Zuständigkeiten im Rahmen des Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO Berücksichtigung finden. Ob Art. 22 Brüssel I-VO entgegen dem Wortlaut eine solche Reflexwirkung zukommt, ist jedoch höchst umstritten.992 Zwar erschiene es konsequent, wenn hierdurch zugleich über Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie eingeschränkt wird. Mit Blick auf die bloß analoge und reflexartige Anwendung des Art. 22 Brüssel I-VO und die nur „vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten ausschließlichen Zuständigkeiten“ gewährten zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie, wäre eine solche Einschränkung allerdings de lege lata kaum zu begründen.993 Schließlich betrifft Art. 22 Brüssel I-VO lediglich die internationale Zuständigkeit, sodass Vereinbarungen über die örtliche

989 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 69; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 79; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 48; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6487; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 62. 990 So etwa: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 48; Mankowski, RIW 1997, 990 (991); ähnlich: MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 69. 991 Siehe etwa: M. Stürner, GPR 2013, 305 (308). Siehe zu den Zuständigkeitserwägungen bei Art. 22 EuGVVO oben unter Teil 2, § 6, F. 992 Dafür: MüKoZPO/Gottwald, Art. 22 EuGVO Rn. 6; Kropholler/von Hein, Art. 22 EuGVO Rn. 7; de Lima Pinheiro, in: Magnus/Mankowski, Art. 22 Brussels I Regulation Rn. 10; Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224 (227 f.); Coester-Waltjen, in: Festschrift Nakamura, S. 89 (104 ff.); dagegen: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 2b ff.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 22 EuGVVO Rn. 13 f.; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 182 ff. 993 Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO. So wohl auch: Stein/Jonas/Wagner, Art. 22 EuGVVO Rn. 10.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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Zuständigkeit nicht ausgeschlossen werden.994 Die Wirksamkeit und Wirkungen rein örtlich wirkender Gerichtsstandsvereinbarungen richten sich indes nach dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht.995 III. Bindungswirkungen 1. Bindung des angerufenen Gerichts Das angerufene Gericht hat sich nach Art. 26 Abs. 1 Brüssel I-VO von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn seine Zuständigkeit nicht nach den Vorschriften der Brüssel I-VO begründet ist. Ein prorogiertes Gericht hat demnach zu prüfen, ob es seine Zuständigkeit aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Brüssel I-VO annehmen kann. Gleichermaßen hat ein derogiertes Gericht zu prüfen, ob es trotz der Gerichtsstandsvereinbarung nach den Vorschriften der Brüssel I-VO zuständig bleibt. Sowohl prorogiertes als auch derogiertes Gericht haben somit von Amts wegen die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung zu prüfen und deren Wirkungen zu beachten. Diese Bindung des angerufenen Gerichts an die Gerichtsstandsvereinbarung wird nach Art. 26 Abs. 1 Brüssel I-VO allerdings dann durchbrochen, wenn der Beklagte sich auf das Verfahren vor dem angerufenen Gericht einlässt. Macht er dies, kommt es aufgrund der zuständigkeitsbegründenden Wirkung von Art. 24 Satz 1 Brüssel IVO auf die Prüfung der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht mehr an. Rügt der Beklagte allerdings in seiner Einlassung den Mangel der Zuständigkeit, hat das angerufene Gericht die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu prüfen (vgl. Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO). Jedoch macht es dies dann nicht mehr von Amts wegen, sondern auf die entsprechende Rüge des Beklagten hin.996 Die Anwendung des Art. 26 Abs. 1 Brüssel I-VO kommt somit vorwiegend bei Säumnis des Beklagten in Betracht.997

994 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 85; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 160; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6486. 995 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 70; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 85; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 132; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6486; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/ Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 61. 996 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 96; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6517. Für eine weitergehende Anwendung des Art. 26 Brüssel I-VO bei einer Rüge im Sinne des Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO: Musielak/Voit/Stadler, Art. 26 EuGVVO Rn. 1, und Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 26 Brüssel I-VO Rn. 1, jeweils unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 28. 10. 2004 (Nürnberger Allgemeine Versicherung), Rs. C-148/03, Slg. 2004, I-10327, Rn. 19. 997 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 26 EuGVVO Rn. 1; Stein/Jonas/Wagner, Art. 26 EuGVVO Rn. 7 ff.; Kropholler/von Hein, Art. 26 EuGVO Rn. 1. Siehe auch: Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (39).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Darüber hinaus ist die Einhaltung der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 Brüssel I-VO i.V.m. Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO stets von Amts wegen zu prüfen, da einerseits eine rügelose Einlassung nach Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO ausscheidet und andererseits Art. 25 Brüssel I-VO dies ausnahmslos vorschreibt.998 Durch die Prüfung von Amts wegen ist somit ausgeschlossen, dass die vom Kläger vorgetragenen zuständigkeitsbegründenden Tatsachen bei Säumnis des Beklagten als zugestanden gelten.999 Mit der amtswegigen Zuständigkeitsprüfung ist jedoch nicht notwendigerweise eine Amtsermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen durch das angerufene Gericht verbunden.1000 Ob und inwieweit das angerufene Gericht den Sachverhalt selbst zu ermitteln hat oder die Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen beizubringen haben, bestimmt vielmehr die lex fori.1001 Im deutschen Zivilprozess wird ein Gericht beispielsweise auf seine Bedenken an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach § 139 Abs. 3 ZPO hinweisen und die Parteien auffordern, die entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweise beizubringen.1002 2. Kompetenz-Kompetenz des prorogierten Gerichts Kommt es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, besteht die Gefahr, dass die Parteien ihre divergierenden Überzeugungen durch parallele Klagen vor unterschiedlichen Gerichten Ausdruck verleihen. Die daraus resultierenden positiven Kompetenzkonflikte hat der Verordnungsgeber in Art. 27 Brüssel I-VO strikt nach dem Grundsatz der Priorität gelöst.1003 Sofern bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, hat das später angerufene Gericht nach Art. 27 Abs. 1 Brüssel I-VO das Verfahren von Amts wegen auszusetzen, bis die Zuständigkeit des zuerst an998 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 232; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 96. 999 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (39); Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473 (499 f.); Försterling, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 25 EuGVVO Rn. 7; Kropholler/von Hein, Art. 25 EuGVO Rn. 5. 1000 Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (81 f.), Nr. 22; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 25 EuGVVO Rn. 2 und Art. 26 EuGVVO Rn. 5; Försterling, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 25 EuGVVO Rn. 6 und Art. 26 EuGVVO Rn. 9; Stein/Jonas/Wagner, Art. 25 EuGVVO Rn. 10 und Art. 26 EuGVVO Rn. 11. 1001 Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (81 f.), Nr. 22; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 83; Stein/Jonas/Wagner, Art. 25 EuGVVO Rn. 10 und Art. 26 EuGVVO Rn. 11 f.; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 25 EuGVVO Rn. 2 und Art. 26 EuGVVO Rn. 6; Czernich, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 26 EuGVVO Rn. 5. 1002 Försterling, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 25 EuGVVO Rn. 8 und Art. 26 EuGVVO Rn. 9; MüKoZPO/Gottwald, Art. 25 EuGVVO Rn. 3 und Art. 26 EuGVVO Rn. 1. 1003 Vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 15 zur Brüssel I-VO. Zum Ganzen: Hess, EuZPR, § 6 Rn. 161.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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gerufenen Gerichts feststeht.1004 Sobald dies der Fall ist, hat sich das später angerufene Gericht nach Art. 27 Abs. 2 Brüssel I-VO für unzuständig zu erklären. Hiervon machen Gerichtsstandsvereinbarungen keine Ausnahme. Das später angerufene Gericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH daher selbst dann das Verfahren auszusetzen, wenn es durch eine Gerichtsstandsvereinbarung für ausschließlich zuständig erklärt wird.1005 Der EuGH lehnte damit eine vor allem von englischen Gerichten vertretene Auffassung ab.1006 Insbesondere besteht keine sog. Kompetenz-Kompetenz des prorogierten Gerichts zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung.1007 Der Verordnungsgeber hat vielmehr im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege in Art. 27 Brüssel I-VO eine eindeutige Regelung geschaffen, „die sich klar und ausschließlich auf die zeitliche Abfolge stützt“.1008 Zudem ist fraglich, welche Auswirkungen eine solche Kompetenz-Kompetenz des prorogierten Gerichts auf das zuerst angerufene Gericht hätte. Sofern man die Kompetenz-Kompetenz als ausschließlich erachtet, wäre dem derogierten Gericht nämlich die Kompetenz zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage genommen.1009 Müsste es dann sein Verfahren entgegen Art. 27 Brüssel I-VO aussetzen oder gar die Klage wegen vermeintlich fehlender Entscheidungszuständigkeit abweisen? Jedenfalls müsste eine Partei, welche zu Recht die Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung geltend macht, zwei Verfahren führen, um ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Sie müsste nämlich zunächst vor dem prorogierten Gericht die Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung feststellen lassen, bevor sie ein zuständiges Gericht aufsuchen könnte.1010 Dies kann daher nicht überzeugen. Aber auch wenn man den Vorrang einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung gegenüber Art. 27 Brüssel I-VO lediglich zur Führung des zeitlich nachfolgenden Verfahrens nutzen will, ist dies bedenklich. Denn hierdurch 1004 Zur Frage wann die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht: EuGH, Urt. v. 27. 2. 2014 (Cartier parfums – lunettes SAS u. a. / Ziegler France SA u. a.), Rs. C-1/13, ECLI:EU:C:2014:109, Rn. 41. 1005 EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 54. Demgegenüber kritisch: Merrett, ICLQ 55 (2006), 315 (329 ff.). 1006 Siehe etwa: Continental Bank v Aeakos SA [1994] 1 WLR 588 ff. (C.A.) mit zust. Anm. von Hartley, ELR 19 (1994), 549 (551 f.). Ebenso: GA Léger in den Schlussanträgen vom 9. 9. 2003 zu EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 57 ff. Weitere Nachweise zur englischen Rechtsprechung bei: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 74a; Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 252 f. 1007 MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 84; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 74c; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 203; Thomas/Putzo/ Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 22. Der Begriff der Kompetenz-Kompetenz entstammt dem Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, vgl. Mankowski, JZ 1999, 898 (900). 1008 EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 47. So auch Erwägungsgrund Nr. 15 zur Brüssel I-VO. 1009 Prütting, in: Gedächtnisschrift Lüderitz, S. 623 (629). 1010 Mankowski, JZ 1998, 898 (901); M. Weller, in: Heidelberg-Bericht, S. 199 f., Rn. 455.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

würden Parallelverfahren ermöglicht, die gerade vermieden werden sollten, „damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen“.1011 Weiterhin ist eine Abweichung von Art. 27 Brüssel I-VO auch mit Blick auf das gegenseitige Vertrauen in die Justiz äußerst fragwürdig.1012 Denn auch das derogierte Gericht ist geeignet, die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung anhand der Vorschriften der Brüssel I-VO zu prüfen.1013 Eine differenzierte Anwendung des Art. 27 Brüssel I-VO ist ferner nicht mit Blick auf die im europäischen Zuständigkeitsrecht bedeutsame Rechtssicherheit und die durch Art. 23 Brüssel I-VO anerkannte zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie geboten.1014 Zwar wird das Vertrauen der Parteien in eine Gerichtsstandsvereinbarung zunächst dadurch beeinträchtigt, dass das Verfahren vor dem prorogierten Gericht durch das Prioritätsprinzip ausgesetzt werden muss. Jedoch wird das Vertrauen wieder bestätigt, wenn sich das zuerst angerufene Gericht aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt. Für die Parteien bleibt es daher nicht nur vorhersehbar, vor welchem Gericht sie verklagt werden können.1015 Auch ihr übereinstimmender Wille bei der Zuständigkeitswahl wird letztlich respektiert. Dass es durch den Umweg über das derogierte Gericht zu Verzögerungen kommen kann, ist zudem kein für Gerichtsstandsvereinbarungen spezifisches Problem. Vielmehr zeigt das Phänomen der sog. „Torpedoklage“, dass Art. 27 Brüssel I-VO bei sämtlichen Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO zu Verzögerungen führen kann, die eine Partei auch ausnutzen kann.1016 Inwieweit eine Gerichtsstandsvereinbarung solche Prozesstaktiken zukünftig verhindern sollte, ist allerdings eine rechtspolitische Frage, deren Beantwortung dem Verordnungsgeber obliegt. 3. Subjektive Reichweite Mit einer Gerichtsstandsvereinbarung gestalten die Parteien ihre künftige prozessrechtliche Beziehung, indem sie eine bestehende oder künftige Rechtsstreitigkeit 1011 So ausdrücklich: Erwägungsgrund Nr. 15 zur Brüssel I-VO. Die Gefahr widersprechender Entscheidung relativierend: GA Léger in den Schlussanträgen vom 9. 9. 2003 zu EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 57. Dies jedoch zugestehend: Hartley, ELR 19 (1994), 549 (551). 1012 Erwägungsgrund Nr. 16 zur Brüssel I-VO; vgl.: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 144. 1013 EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 48; EuGH, Urt. v. 27. 6. 1991, (Overseas Union Insurance u. a.), Rs. C-351/89, Slg. 1991, I-3317, Rn. 23. 1014 So aber: Merrett, ICLQ 55 (2006), 315 (330 f.); Steinle/Vasiliades, JPIL 6 (2010), 565 (571 f.). 1015 Wohl a.A.: GA Léger in den Schlussanträgen vom 9. 9. 2003 zu EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 57. 1016 Ausführlich zum Phänomen der Torpedoklage: Abendroth, in: Grundrechte im Zivilprozess, S. 63 (65 ff.); Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157 (163); McGuire, ZfRV 2005, 83 (87 f.); Czernich, wbl 2001, 516 (517 f.); Haertel, GRUR-RR 2009, 373.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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einer eigenständigen Zuständigkeitsregelung unterwerfen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung wirkt daher ebenfalls für die beteiligten Parteien,1017 obschon sie ihre unmittelbare Hauptwirkung auf prozessualem Gebiet entfaltet.1018 Missachtet nämlich eine Partei die Zuständigkeitsregelung einer Gerichtsstandsvereinbarung, indem sie ein derogiertes Gericht anruft, droht ihr eine kostenpflichtige Abweisung der Klage und damit eine Niederlage im Prozess. Hierdurch sind die Parteien an eine Gerichtsstandsvereinbarung gebunden. Diese Bindungswirkung ist dabei grundsätzlich auf die Parteien beschränkt, die dem Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung zugestimmt haben.1019 Denn gerade diese von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel IVO vorausgesetzte Willenseinigung rechtfertigt im Namen der Parteiautonomie eine Abweichung von den übrigen Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO.1020 Damit entspricht eine Gerichtsstandsvereinbarung anderen vertraglichen Vereinbarungen, welche im Grundsatz ebenfalls nur inter partes wirken und insbesondere die Rechtsstellung dritter Personen unberührt lassen.1021 Ausnahmsweise kann eine Gerichtsstandsvereinbarung allerdings auch für und gegen Personen wirken, die dem Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht zugestimmt haben.1022 Eine derartige Drittwirkung ermöglicht beispielsweise Art. 23 Abs. 4 Brüssel I-VO.1023 Obwohl ein trust auch durch ein einseitiges Rechtsgeschäft des Begründers (settlor) geschaffen werden kann, wird nach Art. 23 Abs. 4 Brüssel IVO eine in schriftlichen trust-Bedingungen enthaltene Gerichtsstandsabrede auf den trustee und Begünstigten (beneficiary) erstreckt.1024 Neben dieser im Wortlaut des Art. 23 Brüssel I-VO angelegten Drittwirkung wird nach allgemeiner Ansicht auch bei einer Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge eine Wirkungserstreckung auf den nicht am Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung 1017

Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 151. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 37 Rn. 2; Mankowski, IPRax 2009, 23 (26). 1019 EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 29; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 63; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6506; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1911; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 73; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 61. 1020 Erwägungsgründe Nr. 11 und 14 zur EuGVVO; EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 26. 1021 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 90; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 43; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 23 EuGVVO Rn. 151. 1022 Hierzu ausführlich: Jungermann, Drittwirkung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 51 ff. 1023 Siehe etwa: Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1912; M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 126. 1024 Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (124), Nr. 178; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 58; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 29 und 68; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 49; M. Gebauer, IPRax 2001, 471; Jungermann, Drittwirkung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 117 f.; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 167. 1018

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

beteiligten Rechtsnachfolger einer Partei für möglich erachtet.1025 Dies hat der EuGH zwar bisher in dieser Allgemeinheit noch nicht ausdrücklich bestätigt. Jedoch hat er mit Blick auf Seefrachtverträge bereits mehrfach festgestellt, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung in einem Konnossement auch einem Dritten entgegengehalten werden kann, soweit diese Vereinbarung zwischen dem Befrachter und dem Verfrachter gültig ist und der Dritte nach dem anwendbaren nationalen Recht mit dem Erwerb des Konnossements in die Rechte und Pflichten des Befrachters eingetreten ist.1026 Trotz des besonderen Charakters von Konnossementen werden diese höchstrichterlichen Ausführungen weithin als verallgemeinerungsfähig angesehen.1027 Hiervon scheint auch der EuGH auszugehen. So lehnte er in der Rechtssache Refcomp die Drittwirkung einer zwischen dem Hersteller eines Gegenstands und dem Erwerber abgeschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung gegenüber einem späteren Erwerber ab, der lediglich das Eigentum an diesem Gegenstand am Ende einer Kette von Verträgen erworben hat und gegen den Hersteller eine Haftungsklage erhob.1028 Im Gegensatz zur Übertragung eines Konnossements werde der spätere Erwerber allein durch eine solche Vertragskette nämlich gerade nicht zum Inhaber sämtlicher Rechte und Pflichten des ursprünglichen Erwerbers.1029 Eine Drittwirkung ist damit insbesondere für die aus dem französischen Recht für Gewährleistungsansprüche bei Vertragsketten anerkannte action directe des Letztkäufers gegen den Hersteller endgültig ausgeschlossen worden.1030 Ein Rechtsnachfolger ist daher an eine zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung gebunden, wenn diese nach Art. 23 Brüssel I-VO gültig ist und er nach dem anwendbaren nationalen Recht in sämtliche Rechte und Pflichten seines Vorgängers eingetreten ist.1031 1025

Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6507; Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 200 ff.; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 43; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 64; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 92; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 71; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 56; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 20; M. Gebauer, IPRax 2001, 471; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 73. 1026 EuGH, Urt. v. 19. 6. 1984 (Russ), Rs. C-71/83, Slg. 1984, 2417, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 41; EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 23. 1027 M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 126; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 64; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 161. 1028 EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 34 ff. mit kritischer Anm. von M. Weller, IPRax 2013, 501 ff. 1029 EuGH, Urt. v. 7. 2. 2013 (Refcomp), Rs. C-543/10, ECLI:EU:C:2013:62, Rn. 35 ff. 1030 Siehe dazu: Cour de Cassation, Urt. v. 23. 3. 1999 (Soc. Rémi Claeys alumnium / Soc. Sermit et Soc. Roubon), RCDIP 2000, 224 ff. mit kritischer Anm. von M. Gebauer, IPRax 2001, 471 ff.; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 43; U. Magnus, in: Magnus/ Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 162. 1031 Siehe etwa: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 91.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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Eine Drittwirkung wird schließlich auch gegenüber einem Drittbegünstigten anerkannt, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertrag zugunsten Dritter enthalten ist.1032 Eine zwischen den eigentlichen Vertragsparteien abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung wirkt daher für und gegen den Drittbegünstigten, obwohl dieser nicht zugestimmt hat.1033 Der Dritte erhalte seine Begünstigung nämlich nur zusammen mit den Einschränkungen aus dem Deckungsverhältnis.1034 Dass eine Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertrag zugunsten Dritter grundsätzlich auch Wirkung für den Drittbegünstigten entfalten kann, wird zudem in Versicherungssachen durch die Vorschrift des Art. 13 Nr. 2 Brüssel I-VO stillschweigend vorausgesetzt.1035 Der EuGH hat insofern festgestellt, dass der Drittbegünstigte eine Gerichtsstandsklausel dem Versicherer auch dann entgegenhalten kann, wenn er dieser nicht zugestimmt hat.1036 Ob auch der Versicherer eine solche Gerichtsstandsklausel dem Drittbegünstigten entgegenhalten kann, ist zwar noch nicht entschieden.1037 Allerdings soll Art. 13 Nr. 2 Brüssel I-VO gerade die Klagemöglichkeiten gegenüber dem Versicherer erweitern, sodass eine Drittwirkung zulasten des Drittbegünstigten kaum vorstellbar ist. 4. Forum non conveniens Ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Brüssel I-VO gültig, sind deren Wirkungen von dem angerufenen Gericht zu beachten. Ebenso wie bei den übrigen Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO hat das angerufene Gericht im Rahmen des Art. 23 Brüssel I-VO insbesondere kein Ermessen, ob es seine Zuständigkeit im konkreten Fall ausübt oder zugunsten eines besser geeigneten ausländischen Ge-

1032 Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 43; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 70; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6507; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1911; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 73; M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 126; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 61. 1033 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 70; M. Gebauer, IPRax 2001, 471 (471 f.); Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 234; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1911; Burgstaller/Neumayr, in: B/N/G/S, Art. 23 EuGVO Rn. 35; teilweise a.A.: Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 205; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 23 EuGVVO Rn. 73, und Heiss, IPRax 2005, 497 die eine Drittwirkung zu Lasten des Drittbegünstigten ablehnen. 1034 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 70. 1035 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 98; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (7. Aufl. 2010), Rn. 6510. 1036 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a.), Rs. C-201/82, Slg. 1983, 2503, Rn. 19 f. 1037 EuGH, Urt. v. 12. 5. 2005 (Société financière und industrielle du Peloux), Rs. C-112/03, Slg. 2005, I-3707, Rn. 42; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 65.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

richts ablehnt.1038 Ein solches Ermessen wird den Gerichten zwar im angloamerikanischen Rechtskreis durch die sog. doctrine of forum non conveniens zugestanden.1039 Diese Lehre ist allerdings im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO nicht anwendbar.1040 Bereits der Wortlaut der Brüssel I-VO steht einem derartigen gerichtlichen Zuständigkeitsermessen entgegen.1041 Auch eine historische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr wurde die Anwendung dieser Lehre im Schlosser-Bericht ausdrücklich abgelehnt.1042 Entscheidend gegen eine Übertragung auf die Brüssel I-VO spricht zudem, dass die im Rahmen des gerichtlichen Zuständigkeitsermessens abzuwägenden Zuständigkeitsinteressen bereits durch die Schaffung der verschiedenen Zuständigkeitsvorschriften abstrakt berücksichtigt wurden.1043 Für eine darüber hinausgehende Berücksichtigung von Zuständigkeitsinteressen könnte zwar die Einzelfallgerechtigkeit angeführt werden. Allerdings könnte die Einzelfallgerechtigkeit nur zulasten der Rechtssicherheit vergrößert werden, die im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO aber gerade einen sehr hohen Stellenwert genießt.1044 Die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO sind daher zwingend und eine Abweichung davon nur in den durch die Brüssel I-VO genannten Fällen gestattet.1045 Dies hatte die englische Rechtsprechung zunächst anerkannt und damit ein gerichtliches Zuständigkeitsermessen aufgrund der doctrine of forum non conveniens

1038 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 12d; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 180; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40 (49 f.); Layton/Mercer, European Civil Practice, Rn. 20.016. 1039 Ausführlich zum engl. Recht: Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 426 ff. Ein Überblick zur Entwicklung dieser Doktrin im angloamerikanischen Rechtskreis findet sich etwa bei Dorsel, Forum non conveniens, S. 41 ff., und König, Anwendbarkeit des forum non conveniens, S. 24 ff. Zu aktuellen Entwicklungen im franz. Recht etwa: PerreauSaussine, ICLQ 59 (2010), 519 ff. 1040 So etwa: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 73; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 14 ff.; MüKoZPO/Gottwald, Art. 2 EuGVO Rn. 10; Gottwald, in: Festschrift Jayme, S. 277 (281); Stein/Jonas/Wagner, Einl. vor Art. 2 EuGVVO Rn. 39; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 21; Schlosser, Vor Art. 2 EuGVVO Rn. 6; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1713; König, Anwendbarkeit des forum non conveniens, S. 177 f.; van Lith, International Jurisdiction, S. 47 ff. 1041 Reus, RIW 1991, 542 (548). 1042 Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (97), Nr. 77 f.; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 15c. 1043 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 14; Mankowski, RIW 2005, 561 (564); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 2 EuGVVO Rn. 70; Rauscher/Fehre, ZEuP 2006, 463 (468 f.); Reus, RIW 1991, 542 (548). 1044 Schack, RabelsZ 58 (1994), 40 (44 ff.); M. Gebauer, IPRax 2012, 555 (556); Mankowski, RIW 2005, 561 (564). 1045 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 20; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 20 f.; van Lith, International Jurisdiction, S. 47.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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generell verneint.1046 Dieser generellen Verneinung durch den High Court widersprach allerdings der Court of Appeal in einer späteren Entscheidung, indem er den englischen Gerichten ein Zuständigkeitsermessen aufgrund der doctrine of forum non conveniens zuerkannte, soweit eine alternative Zuständigkeit nichtmitgliedstaatlicher Gerichte vom Beklagten geltend gemacht wird.1047 Verschiedentlich geäußerte Bedenken an dieser Entscheidung führten schließlich dazu, dass die Frage der Anwendbarkeit der doctrine of forum non conveniens im europäischen Zuständigkeitssystem dem EuGH vorgelegt wurde.1048 Dieser stellte in der Rechtssache Owusu daraufhin fest, dass es den mitgliedstaatlichen Gerichten verwehrt ist, ihre nach Art. 2 Brüssel I-Übk bestehende Zuständigkeit aufgrund der doctrine of forum non conveniens zu verneinen.1049 Dabei stützte er sich im Wesentlichen darauf, dass anderenfalls die Voraussehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften und damit das grundlegende Prinzip der Rechtssicherheit sowie der Rechtsschutz der in der Gemeinschaft ansässigen Personen beeinträchtigt und die einheitliche Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften in den Mitgliedstaaten gefährdet würde.1050 Zudem weist auch der EuGH darauf hin, dass Art. 2 Brüssel I-Übk zwingend und eine Abweichung davon nur in den im Übereinkommen ausdrücklich vorgesehenen Fällen möglich ist, zu denen nach der Entstehungsgeschichte die doctrine of forum non conveniens gerade nicht gehört.1051 Diese Entscheidung des EuGH hat erwartungsgemäß in den kontinentaleuropäischen Mitgliedstaaten weitgehend Zustimmung erfahren.1052 In England ist sie demgegenüber scharf kritisiert worden.1053 Zwar betrifft die Entscheidung lediglich die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 2 Brüssel I-Übk, sodass die Anwendung der 1046 Berisford Plc v New Hampshire Insurance [1990] 2 Q.B. 631 (638 ff.); Arkwright Mutual v Bryanston Insurance Ltd [1990] 2 Q.B. 649 (653 ff.). Siehe hierzu auch: Rodger, JPIL 2 (2006), 71 (74); König, Anwendbarkeit des forum non conveniens, S. 134 f. 1047 In re Harrods (Buenos Aires) Ltd [1992] Ch 72 ff. (C.A.) mit zust. Anm. von Hartley, ELR 17 (1992), 553 ff. Dazu ausführlich: Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 321 f., und König, Anwendbarkeit des forum non conveniens, S. 134 f., jeweils m.w.N. zur engl. Rspr. 1048 Owusu v Jackson [2002] EWCA Civ 877 mit Anm. von Thiele, RIW 2002, 696 ff. Das letztinstanzliche House of Lords legte eine entsprechende Frage bereits in der Rechtssache In re Harrods (Buenos Aires) Ltd dem EuGH vor, welcher jedoch infolge einer gütlichen Streitbeilegung nicht mehr zur Vorlagefrage Stellung nehmen konnte, vgl. Schlussanträge des GA Léger vom 14. 12. 2004 zu EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 2. Siehe auch: Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 323 m.w.N.; Kropholler/von Hein, vor Art. 2 EuGVO Rn. 20. 1049 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 46. 1050 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 41 ff. 1051 EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 37. 1052 So etwa: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 20; Rauscher/Fehre, ZEuP 2005, 463 (468 ff.); Bruns, JZ 2005, 890 (892); Mankowski, RIW 2005, 561 (564 f.); Huber/Stieber, ZZPInt 10 (2005), 285 (289 f.); Hess, IPRax 2006, 348 (357 f.). 1053 Hartley, ICLQ 54 (2005), 813 (824 ff.); Briggs, LQR 121 (2005), 535 ff.; Zustimmung aber etwa bei: Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 323 f.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

doctrine of forum non conveniens für die übrigen Zuständigkeitsvorschriften noch nicht abschließend geklärt ist. Allerdings lassen sich die vom EuGH angeführten Argumente der Rechtssicherheit, des Rechtsschutzes, der Rechtsvereinheitlichung und Entstehungsgeschichte jedoch ebenso auf die übrigen Zuständigkeitsvorschriften des Brüssel I-Übk übertragen.1054 Aus Gründen der Kontinuität beansprucht diese Entscheidung des EuGH schließlich auch im Rahmen der Brüssel I-VO Geltung, da deren Zuständigkeitsvorschriften als gleichwertig angesehen werden können.1055 IV. Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung Missachten Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung, haben sie die prozessualen Konsequenzen zu tragen.1056 Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann indes nicht verhindern, dass eine Partei ein unzuständiges Gericht anruft. So kann insbesondere eine Gerichtsstandsvereinbarung schlichtweg übersehen oder als unwirksam angesehen werden. Parteien können aber auch ganz bewusst ein unzuständiges Gericht anrufen und damit eine Gerichtsstandsvereinbarung ignorieren, um eine Sachentscheidung des prorogierten Gerichts zu verzögern. Auch ein prorogiertes Gericht hat nämlich nach Art. 27 Abs. 1 Brüssel I-VO sein Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts abzuwarten.1057 Diese rechtliche Konzeption gibt den Parteien somit einen gewissen Spielraum für prozesstaktische Überlegungen.1058 Denn trotz der prozessualen Konsequenzen kann die Anrufung eines unzuständigen Gerichts für die Parteien wirtschaftlich sinnvoll sein, um beispielsweise einer Zahlungsverpflichtung kurzfristig zu entgehen, lukrative Gewinne zu erwirtschaften oder die Vergleichsbereitschaft der gegnerischen Partei zu vergrößern.1059 Dass es sich hierbei nicht nur um ein rein theoretisches Gedankenspiel handelt, dürfte mit Blick auf das in der Praxis anzutreffende Phänomen der sog. „Torpedoklage“ unstreitig sein.1060 Zur Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung werden daher verschiedene Instrumente diskutiert. Diese 1054 Huber/Stieber, ZZPInt 10 (2005), 285 (290); Rodger, JPIL 2 (2006), 71 (92); Harris, ICLQ 54 (2005), 933 (941 f.). 1055 So etwa: Harris, ICLQ 54 (2005), 933 (941). Vgl. zudem Erwägungsgrund Nr. 19 und EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Draka NK Cables u. a.), Rs. C-167/08, Slg. 2009, I-3477, Rn. 20. 1056 Siehe oben unter Teil 2, § 7, D.III.3. 1057 Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, D.III.2. 1058 Balthasar/Richers, RIW 2009, 351 (352). 1059 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 45; Hess, EuZPR, § 6 Rn. 165; Schmehl, Parallelverfahren, S. 214 f.; Coester-Waltjen, in: Autonomie und Prozessrecht, S. 225 (231); Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157 (161 f.). 1060 Siehe etwa: Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 27 Brüssel I-VO Rn. 10c und 18; Stein/Jonas/Wagner, Art. 27 EuGVVO Rn. 45; Musielak/Voit/Stadler, Art. 27 EuGVVO Rn. 5; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157 (158 f.); Pitz, GRURInt 2001, 32 ff.; Leitzen, GRURInt 2004, 1010 (1011 ff.); McGuire, ZfRV 2005, 83 (87).

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sollen im Folgenden kurz vorgestellt und deren Zulässigkeit in der Brüssel I-VO hinterfragt werden. 1. Anti-suit injunction a) Konzeption des Rechtsinstruments Ein Instrument zur Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung kann im angloamerikanischen Rechtskreis mit der sog. anti-suit injunction gefunden werden.1061 Hiernach kann bei Gericht der Erlass einer Anordnung beantragt werden, wonach es dem Antragsgegner untersagt wird, einen ausländischen Prozess einzuleiten oder fortzuführen.1062 Dies setzt allgemein voraus, dass dem Antragsteller im konkreten Einzelfall ein dahingehendes Recht (right not to be sued abroad) zusteht und die Gerechtigkeit (ends of justice) den Erlass der anti-suit injunction erforderlich macht.1063 Insofern werden üblicherweise zwei Kategorien unterschieden.1064 Trägt der Antragsteller vor, dass allein die Einleitung oder Fortführung des ausländischen Verfahrens sittenwidrig (unconscionable) – weil etwa schikanös oder unzumutbar belastend (vexatious or oppressive) – wäre, spricht man von einer sog. non-contractual anti-suit injunction.1065 Demgegenüber wird eine sog. contractual anti-suit injunction damit begründet, dass die Einleitung oder Fortführung des ausländischen Verfahrens ein vertragliches Recht verletzen würde.1066 Ein solches Recht kann nach Ansicht der englischen Rechtsprechung insbesondere aus einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten englischer Gerichte resultieren.1067 Während 1061 Ausführliche Darstellungen dieses Rechtsinstruments etwa bei: Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 455 ff.; Fentiman, Commercial Litigation, Rn. 16.01 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 284 ff.; Nagel/Gottwald, § 6 Rn. 301 ff.; Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (432 ff.); Balthasar/Richers, RIW 2009, 351 (352 f.). 1062 Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 455; Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (433). 1063 Siehe etwa: British Airways v Laker Airways [1985] 1 AC 58 (81) (H.L.); Airbus Industrie GIE v Patel [1999] 1 AC 119 (133) (H.L.); Société Aérospatiale v Lee Kui Jak [1987] AC 871 (892) (P.C.); Donohue v Armco Inc [2001] UKHL 64, Rn. 19; Turner v Grovit [2001] UKHL 65, Rn. 24; Deutsche Bank AG v Highland Crusader Partners LP [2010] 1 WLR 1023 (1036 f.), Rn. 50 (C.A.); Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (439); Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 288. 1064 Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 288; Illmer, IPRax 2012, 406; Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (440 ff.); Wijngaarden-Maack, IPRax 2003, 153. Ausführlich zur Kategorisierung: Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 457 ff. 1065 British Airways v Laker Airways [1985] 1 AC 58 (81) (H.L.); Société Aérospatiale v Lee Kui Jak [1987] AC 871 (893) (P.C.). 1066 Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 469 ff.; Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (443 ff.). 1067 British Airways v Laker Airways [1985] 1 AC 58 (81) (H.L.); Continental Bank v Aeakos SA [1994] 1 WLR 588 ff. (C.A.); Donohue v Armco Inc [2001] UKHL 64, Rn. 24; Collins, in: Festschrift Jayme, S. 131 (134).

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in der ersten Kategorie aufgrund der restriktiven Voraussetzungen nur ausnahmsweise eine anti-suit injunction erlassen werden dürfte, scheidet in der zweiten Kategorie der Erlass einer anti-suit injunction nur dann aus, wenn der Antragsgegner gewichtige Gründe für die Führung des ausländischen Prozesses geltend machen kann.1068 Da ein Ignorieren der anti-suit injunction als Missachtung des Gerichts (contempt of court) zu weitreichenden Sanktionen für den Antragsgegner führen kann,1069 wird dieses Rechtsinstrument zu Recht als eine starke und effektive Möglichkeit zur Vermeidung missbräuchlicher Prozesstaktiken angesehen.1070 b) Zulässigkeit in der Brüssel I-VO Obwohl die Anwendung der anti-suit injunction sicherlich ein höheres Maß an Einzelfallgerechtigkeit erzielen kann, steht das Rechtsinstrument im Rahmen der Brüssel I-VO nicht zur Verfügung.1071 Zumindest in Deutschland wurde dies bereits von der herrschenden Meinung zum Brüssel I-Übk vertreten.1072 Dem widersprach jedoch zunächst die englische Rechtsprechung und wendete auch im europäischen Zuständigkeitsrecht das Rechtsinstitut der anti-suit injunction an.1073 Die Unzulässigkeit ergibt sich dabei zwar nicht unmittelbar aus der Brüssel I-VO, welcher eine anti-suit injunction nicht ausdrücklich verbietet. Hieraus darf jedoch nicht zugleich geschlossen werden, dass sie im Rahmen der Brüssel I-VO erlaubt ist.1074 Es existiert nämlich auch keine ausdrückliche Regelung der anti-suit injunction in der Brüssel I-VO, was dann vice versa ebenso gegen ihre Zulässigkeit sprechen würde. Zudem ist bei der Auslegung der Brüssel I-VO stets auch die Systematik, die Entstehungsgeschichte sowie der Sinn und Zweck zu berücksichtigen.1075 Dem folgend lässt sich das Fehlen eines ausdrücklichen Verbots der anti1068 Donohue v Armco Inc [2001] UKHL 64, Rn. 27; Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 470 f.; Merrett, ICLQ 55 (2006), 315 (318); Illmer, IPRax 2012, 406 (406 f.); Balthasar/Richers, RIW 2009, 351 (352 f.). Ein deutschsprachiger Überblick über die gewichtigen Gründe findet sich bei: Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 291 ff. 1069 Balthasar/Richers, RIW 2009, 351 (353), Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 306 f. 1070 So etwa: Andrews, GPR 2005, 8. 1071 Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 27 Brüssel I-VO Rn. 17 ff.; Kropholler/von Hein, Art. 27 EuGVO Rn. 20; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 27 EuGVVO Rn. 57; MüKoZPO/Gottwald, Art. 27 EuGVO Rn. 25; Nagel/Gottwald, § 6 Rn. 304; Schütze, Probleme des IZPR, S. 55 f. 1072 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 778 ff.; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40 (56); Jayme/Kohler, IPRax 1994, 405 (412); Hau, IPRax 1996, 44 (46 f.); Thiele, RIW 2002, 383 (385 f.). 1073 Continental Bank v Aeakos SA [1994] 1 WLR 588 (597 f.) (C.A.); Turner v Grovit [2001] UKHL 65, Rn. 24. 1074 So jedoch: Continental Bank v Aeakos SA [1994] 1 WLR 588 (597) (C.A.); Turner v Grovit [2001] UKHL 65, Rn. 32. 1075 Siehe zur Auslegung im EuZVR oben unter Teil 1, § 2, C.III.

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suit injunction möglicherweise mit der Entstehungsgeschichte der Brüssel I-VO erklären, da den ursprünglichen kontinentaleuropäischen Gründungsstaaten ein solches Rechtsinstitut fremd war.1076 Gegen die Zulässigkeit dieses Rechtsinstruments spricht aber insbesondere die Gesamtkonzeption der Brüssel I-VO.1077 So dokumentieren vor allem der Prioritätsgrundsatz bei der Rechtshängigkeit und die Anerkennungsvorschriften, dass die Brüssel I-VO vom gegenseitigen Vertrauen in die Justiz ausgeht.1078 Obwohl eine anti-suit injunction sich immer nur auf eine Partei und niemals auf ein mitgliedstaatliches Gericht beziehen kann, geht mit ihr ein gewisses Misstrauen und eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber dem ausländischen Gericht einher. Denn dem ausländischen Gericht wird gewissermaßen unterstellt, die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO nicht korrekt anwenden zu können, sodass aus Gerechtigkeitsgründen der Erlass einer anti-suit injunction erforderlich ist.1079 Über die Einwirkung auf die Partei kann sogar mittelbar in das Verfahren des mitgliedstaatlichen Gerichts eingegriffen werden. Dass dies bedenklich ist, gesteht selbst die englische Rechtsprechung ein, indem sie zumindest für den Erlass einer non-contractual anti-suit injunction grundsätzlich eine Rücksichtnahme auf die Integrität ausländischer Verfahren (considerations of comity) für erforderlich ansieht.1080 Mit einer anti-suit injunction würde somit die „Geschäftsgrundlage“ der Brüssel I-VO in Frage gestellt.1081 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Prozessführungsverbote im Sinne der anti-suit injunction vielen Mitgliedstaaten fremd sind. Die Anwendung der anti-suit injunction würde damit die angestrebte Vereinheitlichung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit konterkarieren.1082 Dieser Argumentation ist der EuGH gefolgt und hat mittlerweile in zwei Entscheidungen die Unzulässigkeit der anti-suit injunction innerhalb des europäischen Zuständigkeitssystems festgestellt.1083 Die Entscheidung des EuGH in der Rechts1076

Wijngaarden-Maack, IPRax 2003, 153 (155 f.); Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (448). Thiele, RIW 2002, 383 (385); Wijngaarden-Maack, IPRax 2003, 153 (156). 1078 Erwägungsgründe Nr. 16 und 17 zur Brüssel I-VO; EuGH, Urt. 27. 6. 1991 (Overseas Union Insurance u. a.), Rs. C-351/89, Slg. 1991, I-3317, Rn. 23; EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 48; Kropholler/von Hein, Art. 27 EuGVO Rn. 20; Wijngaarden-Maack, IPRax 2003, 153 (156); Thiele, RIW 2002, 383 (385 f.). 1079 Vgl. Wijngaarden-Maack, IPRax 2003, 153 (156); Thiele, RIW 2002, 383 (386); Hau, IPRax 1996, 44 (48). 1080 So heißt es etwa bei Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 456: „There are obvious comity problems inherent in the exercise of the power to restrain foreign proceedings; for this reason it has often been said that the power must be exercised with caution.“ Siehe auch: Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 295 ff.; Illmer, IPRax 2012, 406 (406 f.); Dutta/ Heinze, ZEuP 2005, 428 (445). 1081 Jayme/Kohler, IPRax 1994, 405 (412). 1082 Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO. 1083 EuGH, Urt. v. 27. 4. 2004 (Turner), Rs. C-159/02, Slg. 2004, I-3565, Rn. 31; EuGH, Urt. v. 10. 2. 2009 (Allianz (anciennement Riunione Adriatica di Sicurtà)), Rs. C-185/07, Slg. 2009, I-663, Rn. 32. 1077

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sache Turner hatte dabei eine non-contractual anti-suit injunction zum Gegenstand. Denn im Ausgangsverfahren wurde der Erlass der anti-suit injunction damit begründet, dass das Verfahren vor dem ausländischen Gericht nur aus Schikane und daher in missbräuchlicher Absicht vom Antragsgegner eingeleitet wurde.1084 Dementsprechend war die Vorlagefrage des House of Lords auch darauf bezogen, dass eine „Partei wider Treu und Glauben zu dem Zweck handelt, das bereits anhängige Verfahren zu behindern“.1085 In seiner Begründung hob der EuGH zunächst hervor, dass das Zuständigkeitssystem des Brüssel I-Übk auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhe und infolgedessen die Prüfung der Zuständigkeit eines vertragsstaatlichen Gerichts durch ein anderes vertragsstaatliches Gericht nicht gestattet sei.1086 Sodann stellte er fest, dass ein solches Prozessführungsverbot aufgrund des mittelbaren Eingriffs in die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts mit der Systematik des Brüssel I-Übk unvereinbar sei und die für die Beurteilung der Treuwidrigkeit erforderliche Prüfung der Zuständigkeit des ausländischen Gerichts gegen den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens verstoße.1087 Schließlich betonte der EuGH den Vorrang des Rechtshängigkeitssystems des Brüssel I-Übk gegenüber entsprechenden nationalen Verfahrensvorschriften.1088 Diese Begründung des EuGH erfuhr mit Blick auf die vorangestellten Erwägungen zu Recht weitgehende Zustimmung.1089 Obwohl die Entscheidung nur eine non-contractual antisuit injunction betraf, wurde angesichts der Verallgemeinerungsfähigkeit der vorgebrachten Argumente überwiegend davon ausgegangen, dass auch eine contractual anti-suit injunction mit dem europäischen Zuständigkeitssystem unvereinbar ist.1090 Dies wurde letztlich vom EuGH in der Rechtssache Allianz (anciennement Riunione Adriatica di Sicurtà) – auch bekannt als West Tankers – im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO bestätigt.1091 Demnach kann eine Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO nicht durch eine anti-suit injunction abgesichert werden.1092

1084 Vgl. GA Colomer in den Schlussanträgen vom 20. 11. 2003 zu EuGH, EuGH, Urt. v. 27. 4. 2004 (Turner), Rs. C-159/02, Slg. 2004, I-3565, Rn. 9. 1085 EuGH, Urt. v. 27. 4. 2004 (Turner), Rs. C-159/02, Slg. 2004, I-3565, Rn. 19. 1086 EuGH, Urt. v. 27. 4. 2004 (Turner), Rs. C-159/02, Slg. 2004, I-3565, Rn. 24 ff. 1087 EuGH, Urt. v. 27. 4. 2004 (Turner), Rs. C-159/02, Slg. 2004, I-3565, Rn. 27 f. 1088 EuGH, Urt. v. 27. 4. 2004 (Turner), Rs. C-159/02, Slg. 2004, I-3565, Rn. 29 f. 1089 So etwa: Rauscher, IPRax 2004, 405 (408 f.); Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (448 ff.); H.-P. Schröder, EuZW 2004, 470 (471); kritisch: Hare, CLJ 63 (2004), 570 (573). 1090 Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (457); Rauscher, IPRax 2004, 405 (408 f.); Hare, CLJ 63 (2004), 570 (572); Kruger, ICLQ 53 (2004), 1030 (1035). 1091 EuGH, Urt. v. 10. 2. 2009 (Allianz (anciennement Riunione Adriatica di Sicurtà)), Rs. C-185/07, Slg. 2009, I-663, Rn. 29 f. Siehe auch: Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 146. 1092 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 145 f.; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 16; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 97.

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Unabhängig davon erscheint die Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch eine anti-suit injunction überhaupt zweifelhaft. Denn hierfür müsste die Gerichtsstandsvereinbarung dem Antragsteller zunächst das Recht vermitteln, nicht im Ausland vom Antragsgegner verklagt zu werden (right not to be sued abroad). Einen solchen Anspruch zu bejahen, hieße zugleich, der Gerichtsstandsvereinbarung eine entsprechende Pflicht zur Klage im Inland zu entnehmen.1093 Eine Gerichtsstandsvereinbarung drängt sich allerdings nicht unmittelbar als Grundlage einer solchen materiell-rechtlichen Pflicht auf. Denn diese entfaltet ihre unmittelbare Hauptwirkung auf prozessualem Gebiet.1094 Mit dem Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung korrespondiert daher nicht notwendigerweise der Wille, sich materiellrechtlich zu verpflichten. Zumindest aus deutscher Sicht bedarf die Annahme eines solchen Verpflichtungswillens vielmehr einer besonderen Begründung.1095 Dafür genügt jedenfalls nicht, in die prozessuale Derogationswirkung einen entsprechenden materiell-rechtlichen Verpflichtungswillen hineinzulesen.1096 Ebenso wenig kann genügen, allein auf ein praktisches Bedürfnis bei der Anwendung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen zu verweisen und regelhaft von einem konkludenten Verpflichtungswillen der beteiligten Parteien auszugehen.1097 Vielmehr ist in der konkreten Situation – notfalls im Wege der Auslegung – zu fragen, ob die Parteien sich zusätzlich auch materiell-rechtlich verpflichten wollten, in jedem Falle – also auch bei Streit über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung – nur das prorogierte Gericht anzurufen.1098 Dies wird oftmals eine ausdrückliche Verpflichtung erfordern, vor keinem anderen Gericht als dem Vereinbarten zu klagen.1099 Das wird in der Praxis jedoch nur ausnahmsweise vorkommen. Daher könnte zumindest aus deutscher Sicht regelmäßig bezweifelt werden, ob dem Antragsteller überhaupt ein Recht zusteht, nicht vor einem ausländischen Gericht verklagt zu werden.1100

1093

J. Schröder, in: Festschrift Kegel, S. 523 (530). Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 37 Rn. 2; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 97; Mankowski, IPRax 2009, 23 (26). 1095 Mankowski, IPRax 2009, 23 (26); Spickhoff, in: Festschrift Deutsch, S. 327 (335). 1096 So etwa: Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (308). 1097 So etwa: J. Schröder, in: Festschrift Kegel, S. 523 (532); Schlosser, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 111 (115 f.). 1098 Spickhoff, in: Festschrift Deutsch, S. 335; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 74 f; Mankowski, IPRax 2009, 23 (27). 1099 Spickhoff, in: Festschrift Deutsch, S. 335; a.A.: M. Gebauer, in: Festschrift Kaissis, S. 267 (275). Zur Zulässigkeit einer solchen ausdrücklichen Verpflichtung: Wagner, Prozeßverträge, S. 257; Mankowski, IPRax 2009, 23 (27). 1100 Vgl. Schlosser, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 111 (117), der zudem darauf hinweist, dass auf dem gesamten europäischen Kontinent materiell-rechtliche Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen kaum erörtert werden. 1094

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

2. Schadensersatz wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung a) Konzeption des Rechtsinstruments Ein weiteres Instrument zur Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung könnte darin bestehen, der vereinbarungswidrig handelnden Partei eine Schadensersatzverpflichtung aufzuerlegen. Denn somit würde mit der in Aussicht gestellten Verpflichtung zum Schadensersatz ein weiterer negativer Anreiz neben die nachteiligen prozessualen Konsequenzen treten. Dies würde sodann im Rahmen der prozesstaktischen Überlegungen gegen eine opportunistische Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung sprechen. b) Zulässigkeit in der Brüssel I-VO Zumindest im angloamerikanischen Rechtskreis geht man weit überwiegend davon aus, dass die Missachtung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugleich zum Schadensersatz verpflichtet.1101 Aber auch im deutschen Recht wird dies bei internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen von verschiedenen Autoren für möglich gehalten.1102 Ob die Missachtung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO ebenfalls zum Schadensersatz verpflichtet, ist allerdings äußerst fraglich.1103 Zwar spricht der Wortlaut des Art. 23 Brüssel I-VO weder für noch gegen die Zulässigkeit eines solchen Schadensersatzanspruchs.1104 Jedoch sind die gegen die Zulässigkeit einer anti-suit injunction vorgebrachten Erwägungen auch insofern zu berücksichtigen.1105 So kann insbesondere das gegenseitige Vertrauen in die Justiz gegen die Zulässigkeit angeführt werden.1106 Denn die gerichtliche Zubilligung eines Schadensersatzes wäre stets mit der Prüfung der Zuständigkeit des vereinbarungswidrig angerufenen Gerichts verbunden. Sofern es sich dabei um Gerichte aus verschiedenen Mitgliedstaaten handelt, hätte das im Wege der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs angerufene Gericht somit die Zuständigkeit eines anderen mitgliedstaatlichen Gerichts zu prüfen. Dies sollte aber aus Gründen des gegen-

1101

Donohue v Armco Inc [2001] UKHL 64, Rn. 36; Union Discount Zoller Co Ltd v Zoller [2002] 1 WLR 1517; Merrett, ICLQ 55 (2006), 315 (326); Ambrose, ICLQ 52 (2003), 401 (414 ff.); U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 166. 1102 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 207 f.; Gottwald, in: Festschrift Henckel, S. 295 (307 f.); Schlosser, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 111 (115 ff.). 1103 Ausführliche Streitdarstellung bei: Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 475 ff. 1104 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 148; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 166. 1105 Siehe oben unter Teil 2, § 7, D.IV.1. 1106 Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428 (461); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 74 h; Mankowski, IPRax 2009, 23 (29 f.).

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seitigen Vertrauens gerade verhindert werden.1107 Ein Schadensersatzanspruch wäre mit dem gegenseitigen Vertrauen allenfalls dann vereinbar, wenn das vereinbarungswidrig angerufene Gericht seine Unzuständigkeit aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung festgestellt hat und das im Wege der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs angerufene Gericht diese Feststellung seiner Entscheidung zugrunde legt.1108 Ferner kann bezweifelt werden, ob die Missachtung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung überhaupt zum Schadensersatz verpflichtet. Ein solcher Sekundäranspruch würde nämlich voraussetzen, dass durch die Anrufung eines derogierten Gerichts ein Primäranspruch aus der Gerichtsstandsvereinbarung verletzt wurde.1109 Zumindest aus deutscher Sicht wird ein solcher primärer Unterlassungsanspruch durch eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung jedoch regelmäßig nicht vermittelt.1110 Infolgedessen bestünde schließlich die Gefahr, dass Gerichtsstandsvereinbarungen in den Mitgliedstaaten unterschiedlich behandelt werden. Dies würde wiederum der mit der Brüssel I-VO angestrebten Vereinheitlichung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit widersprechen.1111 3. Materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch a) Konzeption des Rechtsinstruments Selbst wenn eine Partei in einem Prozess obsiegt, kann sie nach den Verfahrensrechten einiger Staaten keine vollständige Erstattung der mit der Prozessführung verbundenen Kosten verlangen.1112 Dies kann insbesondere im internationalen Rechtsverkehr misslich sein, da hier bei der Rechtsverfolgung regelmäßig hohe Kosten auf die Parteien zukommen werden. So kann beispielsweise die Hinzuziehung eines ausländischen Prozessanwalts erforderlich sein oder es können erhebliche Reisekosten entstehen. Vielfach wird daher ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch den anfänglichen Parteiinteressen entsprechen. Ein solcher Anspruch kann dabei ebenfalls als ein Mittel zur Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung angesehen werden, da die Parteien dadurch zugleich negative Anreize für die Missachtung derselben schaffen.1113 Der Umfang der Abschreckung hängt dabei 1107 Statt aller: EuGH, Urt. v. 27. 4. 2004 (Turner), Rs. C-159/02, Slg. 2004, I-3565, Rn. 24 ff. 1108 M. Gebauer, in: Festschrift Kaissis, S. 267 (279 f.). 1109 Mankowski, IPRax 2009, 23 (30); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 74 h; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 97. 1110 Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, D.IV.1. 1111 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 149. 1112 In den U.S.A. werden etwa nach der sog. „American Rule“ die Anwaltskosten nur als beschränkt erstattungsfähig angesehen, vgl. Pfeiffer, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 77 (78 f.). 1113 Dazu ausführlich: Pfeiffer, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 77 ff.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

notwendigerweise von der Ausgestaltung des prozessualen Kostenerstattungsrechts der lex fori ab.1114 b) Zulässigkeit in der Brüssel I-VO Ob materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche im Rahmen der Brüssel IVO als Instrument zur Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen zulässig sind, kann allerdings wiederum bezweifelt werden.1115 Zwar spricht für sie die Privatautonomie. Soweit der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch aber unabhängig vom Ausgang des Prozesses vor dem derogierten Gericht vereinbart wird, kann dies zugleich die praktische Wirksamkeit des europäischen Zuständigkeitssystems beeinträchtigen.1116 Denn den Gerichten würde mittelbar die Möglichkeit genommen, über die Zuständigkeiten der Brüssel I-VO zu entscheiden. Eine Partei könnte nämlich von der Anrufung eines aus ihrer Sicht zuständigen Gerichts absehen, da sie selbst bei einem Obsiegen vor dem Gericht, das eine Gerichtsstandsvereinbarung missachtet, die Kosten tragen müsste. Zudem wäre fraglich, wie sich ein solcher umfassender materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch mit dem prozessualen Kostenerstattungsrecht der lex fori vertragen würde.1117 4. Vertragsstrafe a) Konzeption des Rechtsinstruments Schließlich kommt zur Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Betracht.1118 Die Parteien könnten sich somit zur Beachtung der Gerichtsstandsvereinbarung selbst verpflichten und ein vereinbarungswidriges Handeln im Vorhinein privatautonom unter Strafe stellen. Sie könnten damit nicht nur ihrem jeweiligen Interesse an der Einhaltung der Gerichtsstandsvereinbarung durch die Höhe der Vertragsstrafe Ausdruck verleihen und damit eine subjektiv als angemessen angesehene Abschreckung schaffen. Sie würden zudem mitunter schwierige Schadensberechnungen umgehen und dadurch schneller mögliche Verluste durch die Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung kompensieren können.1119 1114

Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 74i; Mankowski, IPRax 2009, 23 (33). 1115 Für generelle Zulässigkeit eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs wohl: MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 97. 1116 Pfeiffer, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 77 (81 ff.); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 74i; Mankowski, IPRax 2009, 23 (33). 1117 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 74i; Mankowski, IPRax 2009, 23 (33). 1118 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 74j ff.; Mankowski, IPRax 2009, 23 (33 f.); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 150. 1119 Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 150; Mankowski, IPRax 2009, 23 (33).

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b) Zulässigkeit in der Brüssel I-VO Ob die Vertragsstrafe als Mittel zur Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung in Betracht kommt, ist allerdings fraglich. Für die Anwendbarkeit spricht zwar die Privatautonomie. Ebenso wie der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch kann aber auch eine Vertragsstrafe die praktische Wirksamkeit des europäischen Zuständigkeitssystems beeinträchtigen. Denn den Gerichten würde auch insofern durch die abschreckende Wirkung der Vertragsstrafe auf die Parteien mittelbar die Möglichkeit genommen, über die Zuständigkeiten der Brüssel I-VO zu entscheiden. Die Zulässigkeit der Vertragsstrafe kann jedoch nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass es überhaupt zweifelhaft ist, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung ein Recht vermittelt, nicht im Ausland verklagt zu werden. Denn die Vereinbarung einer Vertragsstrafe begründet einen eigenständigen und damit insbesondere vom primären Unterlassungsanspruch unabhängigen Anspruch.1120

E. Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen Nach Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO kommt einer Gerichtsstandsvereinbarung in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen nur dann eine rechtliche Wirkung zu, wenn sie den Vorschriften der Art. 13, 17 und 21 Brüssel I-VO nicht zuwiderlaufen. Im Folgenden soll daher zunächst der Anwendungsbereich der jeweiligen Sondervorschriften und das darin jeweils enthaltene Zuständigkeitssystem überblicksartig dargestellt werden. Sodann sollen die Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie von diesen Sondervorschriften im Wege einer Gerichtsstandsvereinbarung abgewichen werden kann. Abschließend werden die gefundenen Ergebnisse kurz zusammengefasst. I. Anwendungsbereich Im Ausgangspunkt kann festgehalten werden, dass die Anwendung der Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen notwendigerweise voraussetzt, dass die Brüssel I-VO überhaupt sachlich und zeitlich anwendbar ist. Während der sachliche und zeitliche Anwendungsbereich der Brüssel I-VO einheitlich bestimmt wird, kann der räumlich-persönliche Anwendungsbereich in den Sondervorschriften eine selbstständige Regelung erfahren haben. Darüber hinaus sind die jeweiligen Sondervorschriften nicht auf alle nach Art. 1 Brüssel I-VO erfassten Zivil- und Handelssachen anwendbar. Vielmehr gelten sie nur für solche Zivil- und Handelssachen, die zugleich eine Versicherungs-, Verbraucher- oder Arbeitssache sind. 1120 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 74 l; Mankowski, IPRax 2009, 23 (34).

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

1. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich Die Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen folgen mit Blick auf den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich grundsätzlich den allgemeinen Regeln der Brüssel I-VO.1121 Dies stellen die in Art. 8, 15 und 18 Brüssel I-VO enthaltenen Vorbehalte zugunsten des Art. 4 Brüssel I-VO klar. Denn Art. 4 Brüssel I-VO bestätigt das Grundprinzip des Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO, da er gerade die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO für nicht anwendbar erklärt, wenn der Beklagte nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig ist.1122 Im Grundsatz ist demnach die Anwendung der jeweiligen Sondervorschriften davon abhängig, dass der Beklagte seinen Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat.1123 Allerdings enthalten die Sondervorschriften auch eine Ausnahme von der Maßgeblichkeit des Beklagtenwohnsitzes. Denn bei Klagen gegen den Versicherer, Vertragspartner des Verbrauchers und Arbeitgeber kann der erforderliche Wohnsitz des Beklagten nach den Art. 9 Abs. 2, 15 Abs. 2 und 18 Abs. 2 Brüssel I-VO fingiert werden, sofern es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung in einem Mitgliedstaat handelt.1124 2. Versicherungssache Der Begriff der Versicherungssache ist in der Brüssel I-VO nicht legaldefiniert.1125 Hieraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass zur Bestimmung der Versicherungssache auf nationales Recht zurückgegriffen werden kann. Denn die Vorschriften der Brüssel I-VO sind grundsätzlich verordnungsautonom anhand der systematischen Bezüge und jeweiligen Zwecksetzungen auszulegen.1126 Dies trifft 1121 Heiss, in: Magnus/Mankowski, Art. 8 Brussels I Regulation Rn. 2. Zu den allgemeinen Regeln der EuGVVO etwa: Kropholler/von Hein, vor Art. 2 EuGVO Rn. 9 f. 1122 Siehe nur: EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 52. 1123 EuGH, Urt. v. 15. 9. 1994 (Brenner und Noller), Rs. C-318/93, Slg. 1994, I-4275, Rn. 15 ff.; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 8 EuGVVO Rn. 8, Art. 15 EuGVVO Rn. 6 und Art. 18 EuGVVO Rn. 7; Stein/Jonas/Wagner, Art. 8 EuGVVO Rn. 10, Art. 15 EuGVVO Rn. 6 und Art. 18 EuGVVO Rn. 5; Kropholler/von Hein, vor Art. 8 EuGVO Rn. 1; Thomas/Putzo/ Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 8 EuGVVO Rn. 2; Geimer, in: Festschrift Heldrich, S. 627 (628). 1124 Kropholler/von Hein, Art. 9 EuGVO Rn. 5, Art. 15 EuGVO Rn. 28 und Art. 18 EuGVO Rn. 5; MüKoZPO/Gottwald, Art. 9 EuGVO Rn. 7, Art. 15 EuGVO Rn. 16 und Art. 18 EuGVO Rn. 9; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 228 ff.; Geimer, in: Festschrift Heldrich, S. 627 (628). 1125 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 8 Brüssel I-VO Rn. 10; Kropholler/von Hein, vor Art. 8 EuGVO Rn. 5. 1126 EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Draka NK Cables u. a.), Rs. C-167/08, Slg. 2009, I-3477, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 2. 10. 2008 (Hassett und Doherty), Rs. C-372/07, Slg. 2008, I-7403, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 31; EuGH, Urt.

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nach allgemeiner Ansicht auch auf den Begriff der Versicherungssache zu.1127 Im Wege der gebotenen verordnungsautonomen Auslegung können daher diejenigen Rechtsstreitigkeiten als Versicherungssache angesehen werden, die ihre Grundlage in einem Versicherungsverhältnis haben.1128 Dazu zählen insbesondere solche Rechtsstreitigkeiten, die den Abschluss, die Durchführung oder die Beendigung, einschließlich der jeweiligen Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis, zum Gegenstand haben.1129 Allerdings ist dieses weite Verständnis der Versicherungssache aus systematischen Gründen zu begrenzen, da der sachliche Anwendungsbereich der Sondervorschriften für Versicherungssachen durch den sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-VO begrenzt wird. Demnach werden öffentlich-rechtlich ausgestaltete Versicherungsverhältnisse ebenso wenig von den Sondervorschriften der Art. 8 ff. Brüssel I-VO erfasst, wie solche, die unter ein ausgeschlossenes Rechtsgebiet im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Brüssel I-VO fallen.1130 Überdies sind die in den Sondervorschriften für Versicherungssachen enthaltenen Zuständigkeiten als Ausnahme von der zuständigkeitsrechtlichen Regelanknüpfung an den Beklagtenwohnsitz eng auszulegen.1131 Ein Ausschluss verschiedener Versicherungsverhältnisse kommt zudem aufgrund teleologischer Erwägungen in Betracht.1132 Denn die Vorschriften für Versicherungssachen beruhen auf sozialen Erwägungen und bezwecken den Schutz der tyv. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 12; siehe auch: Hess, IPRax 2006, 348 (351 ff.). 1127 BGH NJW 2012, 2113 (2115); Stein/Jonas/Wagner, Art. 8 EuGVVO Rn. 11; MüKoZPO/Gottwald, Art. 8 EuGVO Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 8 EuGVVO Rn. 1; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 8 EuGVVO Rn. 14; Kropholler/von Hein, vor Art. 8 EuGVO Rn. 5; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 8 Brüssel I-VO Rn. 10; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 8 EuGVVO Rn. 14; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 8 EuGVVO Rn. 4; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 8 EuGVVO Rn. 6; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1934; Geimer, in: Festschrift Heldrich, S. 627 (634). 1128 MüKoZPO/Gottwald, Art. 8 EuGVO Rn. 3; Rauscher/Staudinger, Art. 8 Brüssel I-VO Rn. 10; Stein/Jonas/Wagner, Art. 8 EuGVVO Rn. 12; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1934. 1129 BGH NJW 2012, 2113 (2115); Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 8 EuGVVO Rn. 22; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 8 EuGVVO Rn. 1; Stein/Jonas/Wagner, Art. 8 EuGVVO Rn. 12; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 8 Brüssel I-VO Rn. 10; HkZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 8 EuGVVO Rn. 4; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1934; Geimer, in: Festschrift Heldrich, S. 627 (634). 1130 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 8 Brüssel I-VO Rn. 10 ff.; Kropholler/ von Hein, Art. 8 EuGVO Rn. 6; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 8 EuGVVO Rn. 16 ff.; Stein/Jonas/Wagner, Art. 8 EuGVVO Rn. 13 f.; Geimer, in: Festschrift Heldrich, S. 627 (634). 1131 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 11 zur EuGVVO; EuGH, Urt. v. 17. 9. 2009 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse), Rs. C-347/08, Slg. 2009, I-8661, Rn. 36 ff.; EuGH, Urt. v. 14. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 49. Siehe aber auch: BGH NJW 2012, 2113 (2115); Kropholler/von Hein, Art. 8 EuGVO Rn. 5, und Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 8 EuGVVO Rn. 1, die im „Lichte des Schutzzwecks“ wohl grundsätzlich für eine weite Auslegung plädieren. 1132 Siehe etwa: Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 8 EuGVVO Rn. 5.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

pischerweise schwächer angesehenen Partei.1133 Die Sondervorschriften für Versicherungssachen gelten daher nicht für Personen, die dieses Schutzes nicht bedürfen, zumal aus systematischen Erwägungen eine enge Auslegung angezeigt ist.1134 Infolgedessen schloss der EuGH nicht nur Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Rückversicherten und seinem Rückversicherer vom Anwendungsbereich der Sondervorschriften aus,1135 sondern ebenso Rechtsstreitigkeiten zwischen Versicherern bei einer Mehrfachversicherung und Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Sozialversicherungsträger als Legalzessionar des Geschädigten und dessen Versicherer.1136 Denn die beteiligten Personen sind jeweils im Versicherungssektor gewerblich tätig, sodass keiner von ihnen als wirtschaftlich schwächer oder rechtlich unerfahrener angesehen werden kann.1137 Ob darüber hinaus auch Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Unternehmen und einem Versicherer im Falle einer sog. Großversicherung aufgrund teleologischer Erwägungen vom Anwendungsbereich der Sondervorschriften ausgeschlossen werden, erscheint indes zweifelhaft.1138 Zwar wird insbesondere ein Großunternehmen kaum als wirtschaftlich schwächere Partei angesehen werden können.1139 Jedoch stehen sich hier nicht zwei gewerblich Tätige des Versicherungssektors gegenüber, sodass das Großunternehmen zumindest als rechtlich unerfahrener gelten kann. Denn der Abschluss von Großversicherungen gehört vermutlich nicht zu dessen Tagesgeschäft. Jedenfalls lässt sich aber die soeben angeführte Rechtsprechung des EuGH infolgedessen nicht unmittelbar auf Rechtsstreitigkeiten bei

1133 Erwägungsgrund Nr. 13 zur Brüssel I-VO; Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (28). Siehe auch: EuGH, Urt. v. 17. 9. 2009 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse), Rs. C-347/08, Slg. 2009, I-8661, Rn. 40; EuGH, Urt. v. 26. 5. 2005 (GIE Réunion Européenne u. a.), Rs. C-77/ 04, Slg. 2005, I-4509, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 12. 5. 2005 (Société financière und industrielle du Peloux), Rs. C-122/03, Slg. 2005, I-3707, Rn. 30; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 64; EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a.), Rs. C-201/82, Slg. 1983, 2503, Rn. 17. 1134 EuGH, Urt. v. 14. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 65; EuGH, Urt. v. 26. 5. 2005 (GIE Réunion Européenne u. a.), Rs. C-77/04, Slg. 2005, I-4509, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 17. 9. 2009 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse), Rs. C-347/08, Slg. 2009, I-8661, Rn. 41. 1135 EuGH, Urt. v. 14. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 66 ff. So bereits: Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (117), Rn. 151. 1136 EuGH, Urt. v. 26. 5. 2005 (GIE Réunion Européenne u. a.), Rs. C-77/04, Slg. 2005, I-4509, Rn. 19 ff.; EuGH, Urt. v. 17. 9. 2009 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse), Rs. C-347/ 08, Slg. 2009, I-8661, Rn. 42 ff. 1137 EuGH, Urt. v. 14. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 66; EuGH, Urt. v. 26. 5. 2005 (GIE Réunion Européenne u. a.), Rs. C-77/04, Slg. 2005, I-4509, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 17. 9. 2009 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse), Rs. C-347/08, Slg. 2009, I-8661, Rn. 42 f. 1138 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 8 Brüssel I-VO Rn. 15. 1139 Kropholler/von Hein, vor Art. 8 EuGVO Rn. 6; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 8 EuGVVO Rn. 6.

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Großversicherungen übertragen.1140 Gegen eine Übertragung der Rechtsprechung und damit gegen eine teleologische Reduktion sprechen schließlich auch die Entstehungsgeschichte und der Wortlaut der Brüssel I-VO. Denn eine gesonderte Behandlung von Großversicherungen wurde anlässlich des 1. Beitrittsübereinkommens zum Brüssel I-Übk diskutiert.1141 Das Ergebnis dieser Diskussion war jedoch nicht der generelle Ausschluss von Großversicherungen, sondern lediglich die Erweiterung der Möglichkeit, im Wege von Gerichtsstandsvereinbarungen von den Sondervorschriften für bestimmte Risiken abzuweichen. Der Verordnungsgeber hat dies bei Erlass der Brüssel I-VO übernommen und in Art. 14 Nr. 5 Brüssel I-VO i.V.m. Art. 13 Nr. 5 Brüssel I-VO abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen bei sog. Großrisiken für zulässig erklärt. Damit geht er inzident davon aus, dass die Sondervorschriften für Versicherungssachen auch bei Großversicherungen grundsätzlich gelten.1142 3. Verbrauchersache Der Begriff der Verbrauchersache wird in Art. 15 Brüssel I-VO definiert. Hiernach ist erforderlich, dass die Grundlage des Verfahrens ein Verbrauchervertrag ist, der zugleich einem der in Art. 15 Abs. 1 lit. a) bis c) Brüssel I-VO genannten Vertragstypen zugeordnet werden kann und keinen Beförderungsvertrag im Sinne des Art. 15 Abs. 3 Brüssel I-VO darstellt. Der zentrale Begriff des Verbrauchervertrages wird in Art. 15 Abs. 1 Brüssel I-VO als ein Vertrag definiert, den eine Person zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Welche konkreten Anforderungen die einzelnen Merkmale dieser Legaldefinition an die Verbrauchersache stellen, ist wiederum im Wege verordnungsautonomer Auslegung anhand der systematischen Bezüge und jeweiligen Zwecksetzungen zu ermitteln.1143 Im Rahmen der verordnungsautonomen Auslegung ist aus systematischer Sicht insbesondere zu berücksichtigen, dass in den Sondervorschriften für Verbrauchersachen Zuständigkeiten enthalten sind, die vom zuständigkeitsrechtlichen Grundprinzip des Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO abweichen.1144 Infolgedessen ist der Begriff 1140

Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 8 Brüssel I-VO Rn. 15. Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (114), Rn. 140. 1142 Stein/Jonas/Wagner, Art. 8 EuGVVO Rn. 16; Kropholler/von Hein, vor Art. 8 EuGVO Rn. 6; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 8 EuGVVO Rn. 6. 1143 EuGH, Urt. v. 6. 9. 2012 (Mühlleitner), Rs. C-190/11, ECLI:EU:C:2012:542, Rn. 28; EuGH, Urt. v. 7. 12. 2010 (Pammer), Rs. C-585/08, Slg. 2010, I-12527, Rn. 55; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Engler), Rs. C-27/02, Slg. 2005, I-481, Rn. 33; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 31; EuGH, Urt. v. 11. 7. 2002 (Gabriel), Rs. C-96/00, Slg. 2002, I-6367, Rn. 37; EuGH, Urt. v. 27. 4. 1999 (Mietz), Rs. C-99/96, Slg. 1999, I-2277, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 21. 6. 1978 (Bertrand), Rs- C-150/77, Slg. 1978, 1431, Rn. 12/16 und 17/18. 1144 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 11 zur Brüssel I-VO. 1141

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

der Verbrauchersache eng auszulegen.1145 Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass die Sonderregelungen der Art. 15 ff. Brüssel I-VO den Schutz des Verbrauchers als der wirtschaftlich schwächeren und rechtlich weniger erfahrenen Partei bezwecken.1146 Aus dem Zusammenspiel dieser systematischen und teleologischen Erwägungen hat der EuGH daher zu Recht diejenigen Personen vom Anwendungsbereich der Verbrauchersachen ausgeschlossen, die keines besonderen Schutzes bedürfen.1147 Ferner sollte eine harmonische Auslegung des Verbrauchervertrags im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Brüssel I-VO und im Sinne von Art. 6 Rom IVO angestrebt werden, soweit die Unterschiede der Vorschriften dies zulassen.1148 Demnach gelten die Sondervorschriften lediglich für den privat und nicht berufsoder gewerbebezogen handelnden Endverbraucher.1149 Schließt eine Person einen Vertrag sowohl zu privaten als auch zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken, kann darin grundsätzlich kein Verbrauchervertrag im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Brüssel IVO gesehen werden.1150 Insbesondere kommt es nicht darauf an, welcher Zweck im

1145 EuGH, Urt. v. 6. 9. 2012 (Mühlleitner), Rs. C-190/11, ECLI:EU:C:2012:542, Rn. 26 f.; EuGH, Urt. v. 14. 5. 2009 (Ilsinger), Rs. C-180/06, Slg. 2009, I-3961, Rn. 47; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Engler), Rs. C-27/02, Slg. 2005, I-481, Rn. 42 f.; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 32; EuGH, Urt. v. 27. 4. 1999 (Mietz), Rs. C-99/ 96, Slg. 1999, I-2277, Rn. 27; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 13 und 16; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 14 ff.; EuGH, Urt. v. 21. 6. 1978 (Bertrand), Rs. C-150/77, Slg. 1978, 1431, Rn. 17 ff.; BGH NJW 2012, 1817 (1819); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 15 EuGVVO Rn. 17; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 15 EuGVVO Rn. 8; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 15 EuGVVO Rn. 8. 1146 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 13 zur Brüssel I-VO. So auch der EuGH in ständiger Rspr.: EuGH, Urt. v. 6. 9. 2012 (Mühlleitner), Rs. C-190/11, ECLI:EU:C:2012:542, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 14. 5. 2009 (Ilsinger), Rs. C-180/06, Slg. 2009, I-3961, Rn. 41; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 34; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 21. 6. 1978 (Bertrand), Rs. C-150/ 77, Slg. 1978, 1431, Rn. 19/22. 1147 EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 35; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 21. 6. 1978 (Bertrand), Rs. C-150/77, Slg. 1978, 1431, Rn. 19/22. 1148 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 zur Rom I-VO; ausführlich: Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 4. 1149 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 15; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 22; Stein/ Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 13; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 143; so auch der SchlosserBericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (117), Rn. 153. 1150 EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 39; BGH NJW 2012, 1817 (1819); Stein/Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 19 f.; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 15 Brüssel I-VO Rn. 3; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 15 EuGVVO Rn. 22; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 15 EuGVVO Rn. 3; Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 10; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 15 EuGVVO Rn. 8; Nagel/ Gottwald, § 3 Rn. 143; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 15 EuGVVO Rn. 8; Heiderhoff, IPRax 2005, 230 (232).

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Vertrag überwiegt.1151 Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob der Vertrag lediglich zum Zweck einer künftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit abgeschlossen wurde.1152 So sind etwa auch Verträge von Existenzgründern nicht als Verbraucherverträge zu qualifizieren.1153 Allerdings kann trotz gemischter Zwecke ein Vertrag ausnahmsweise als Verbrauchervertrag qualifiziert werden, soweit der berufliche oder gewerbliche Zweck lediglich eine ganz untergeordnete Rolle spielt.1154 Da die Sondervorschriften den Schutz des Verbrauchers und nicht den Schutz des Anspruchs aus dem Verbrauchervertrag bezwecken, ist im Falle einer Rechtsnachfolge erneut zu klären, ob auch der Rechtsnachfolger als Verbraucher schutzbedürftig ist.1155 Selbst Verbraucherschutzvereinigungen können sich daher nicht auf die Sondervorschriften für Verbrauchersachen berufen.1156 Darüber hinaus können nur natürliche Personen als private Endverbraucher angesehen werden.1157 Dies ist vor allem der harmonischen Auslegung mit Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO geschuldet.1158 Schließlich sind auch Verträge zwischen Verbrauchern nicht als Verbraucherverträge im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Brüssel I-VO anzusehen.1159 Zwar ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift. Jedoch spricht Art. 15 lit. c) Brüssel I-VO dafür.1160 Dieser Auffangtatbestand der erfassten Vertragstypen setzt 1151

So aber die bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Gruber wohl h.M. Dazu ausführlich und weiterhin für eine Schwerpunktbetrachtung plädierend: Mankoswki, IPRax 2005, 503 (505 ff.) m.w.N. 1152 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 17. 1153 Stein/Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 21; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 15 EuGVVO Rn. 8; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 15 Brüssel I-VO Rn. 2. 1154 EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 (Gruber), Rs. C-464/01, Slg. 2005, I-439, Rn. 39; BGH NJW 2012, 1817 (1819); Stein/Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 19; Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 10. 1155 EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993 (Shearson Lehman Hutton), Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 24; Stein/Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 15. 1156 EuGH, Urt. v. 1. 10. 2002 (Henkel), Rs. C-167/00, Slg. 2002, I-8111, Rn. 33; Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 12; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 15 EuGVVO Rn. 20; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 143; Stein/Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 16. 1157 BGH NJW 2012, 1817 (1819); Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 15 Brüssel I-VO Rn. 2; Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 6; MüKoZPO/Gottwald, Art. 15 EuGVO Rn. 2; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 15 EuGVVO Rn. 9; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 143. Dies bei nichtgewerblichen Personengesellschaften kritisierend: Stein/Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 14. 1158 Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 6. 1159 Stein/Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 25 f.; Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 7; MüKoZPO/Gottwald, Art. 15 EuGVO Rn. 8; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 15 EuGVVO Rn. 3; Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Art. 15 Brussels I Regulation Rn. 20; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 15 EuGVVO Rn. 13; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1972. 1160 Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 15 EuGVVO Rn. 13; Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Art. 15 Brussels I Regulation Rn. 20. Zu den verschiedenen Auslegungsproblemen des Auffangtatbestands: Stein/Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 32 ff.;

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nämlich voraus, dass der Vertragspartner des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt. Dies kann daher als gemeinsame Grundvoraussetzung aller Vertragstypen – also auch für den Teilzahlungskauf im Sinne des Art. 15 lit. a) Brüssel I-VO und die Kreditgeschäfte im Sinne des Art. 15 lit. b) Brüssel I-VO – angesehen werden. Überdies ist Art. 16 Abs. 1 Brüssel I-VO zu entnehmen, dass lediglich ein einzelner Verbraucher an dem Verbrauchervertrag im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Brüssel I-VO beteiligt sein kann.1161 Zudem erscheint der Ausschluss solcher Verträge aus systematischen und teleologischen Erwägungen angezeigt. Denn keiner der Vertragspartner kann als wirtschaftlich schwächere oder rechtlich unerfahrenere Partei angesehen werden, sodass aus Schutzzwecken eine Abweichung vom allgemeinen Grundprinzip des Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO nicht gerechtfertigt ist.1162 Ferner gebietet auch die harmonische Auslegung mit Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO den Ausschluss.1163 4. Arbeitssache Die Sondervorschriften für Arbeitssachen erfassen nach Art. 18 Abs. 1 Brüssel IVO alle Rechtsstreitigkeiten, die einen individuellen Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem solchen zum Gegenstand haben. Was unter einem individuellen Arbeitsvertrag zu verstehen ist, beantwortet die Vorschrift hingegen nicht. Der Begriff des individuellen Arbeitsvertrages ist daher durch eine verordnungsautonome Auslegung näher zu bestimmen, wobei die systematischen Bezüge und die jeweiligen Zwecksetzungen zu berücksichtigen sind.1164 Aus systematischer Sicht ist dabei zu berücksichtigen, dass in den Sondervorschriften für Arbeitssachen mitunter von dem zuständigkeitsrechtlichen Grundprinzip des Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO abgewichen wird.1165 Infolgedessen ist auch der Begriff des individuellen Arbeitsvertrages eng auszulegen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Sondervorschriften der Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 20 ff.; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 15 Brüssel I-VO Rn. 7 ff.; MüKoZPO/Gottwald, Art. 15 EuGVO Rn. 9 ff.; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 145 ff. 1161 Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1972; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 15 EuGVVO Rn. 3. 1162 Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 7; Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Art. 15 Brussels I Regulation Rn. 20; Stein/Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 25; MüKoZPO/ Gottwald, Art. 15 EuGVO Rn. 8; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 15 EuGVVO Rn. 9. 1163 Stein/Jonas/Wagner, Art. 15 EuGVVO Rn. 26; Kropholler/von Hein, Art. 15 EuGVO Rn. 7. 1164 Vgl. EuGH, Urt. v. 19. 7. 2012 (Mahamdia), Rs. C-154/11, ECLI:EU:C:2012:491, Rn. 42 und 46; ähnlich bereits zuvor: EuGH, Urt. v. 9. 1. 1997 (Rutten), Rs. C-383/95, Slg. 1997, I-57, Rn. 12 f.; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1993 (Mulox IBC), Rs. C-125/92, Slg. 1993, I-4075, Rn. 10 f.; BAG RIW 2010, 232 (235); MüKoZPO/Gottwald, Art. 18 EuGVO Rn. 2; Kropholler/von Hein, Art. 18 EuGVO Rn. 2; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 18 EuGVVO Rn. 4. 1165 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 11 zur Brüssel I-VO.

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Art. 18 ff. Brüssel I-VO den angemessenen Schutz des Arbeitnehmers als der schwächeren Vertragspartei gewährleisten sollen.1166 Hiervon ausgehend kann der Begriff des individuellen Arbeitsvertrages zunächst dahingehend konkretisiert werden, dass lediglich individualarbeitsrechtliche Verträge und nicht solche des Kollektivarbeitsrechts von den Sondervorschriften für Arbeitssachen erfasst sind.1167 Zudem erscheint dies aus teleologischen Erwägungen heraus konsequent, da Verträge im Kollektivarbeitsrecht nicht von einzelnen schutzbedürftigen Arbeitnehmern geschlossen werden, sondern von Gewerkschaften und Betriebsräten.1168 Der Umschreibung individuell kann daher insbesondere nicht entnommen werden, dass der Arbeitsvertrag im Einzelnen ausgehandelt werden muss, sodass eine Verwendung von AGB ausgeschlossen wäre.1169 Ein (individueller) Arbeitsvertrag wird dabei gemeinhin als eine Vereinbarung verstanden, durch die der Arbeitnehmer eine weisungsgebundene Tätigkeit während einer bestimmten Zeit und unter Einbindung in den Betrieb des Arbeitgebers zu erbringen hat und dafür eine Vergütung erhält.1170 Vom Anwendungsbereich der Sondervorschriften werden folglich solche Tätigkeiten ausgeschlossen, die in wirtschaftlicher und sozialer Selbstständigkeit erbracht werden sowie im Wesentlichen frei gestaltet werden können.1171 Im Einzelfall kann die Abgrenzung von Arbeitsverträgen und sonstigen Dienstverträgen allerdings Schwierigkeiten bereiten. Dies ist insbesondere bei arbeitnehmerähnlichen Personen, Scheinselbstständigen und Organpersonen von Gesellschaften der Fall.1172 1166

Erwägungsgrund Nr. 13 zur Brüssel I-VO; EuGH, Urt. v. 19. 7. 2012 (Mahamdia), Rs. C-154/11, ECLI:EU:C:2012:491, Rn. 44 und 46; EuGH, Urt. v. 22. 5. 2008 (Laboratoires Glaxosmithkline), Rs. C-462/06, Slg. 2008, I-3965, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 10. 4. 2003 (Pugliese), Rs. C-437/00, Slg. 2003, I-3537, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 9. 1. 1997 (Rutten), Rs. C-383/95, Slg. 1997, I-57, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1993 (Mulox IBC), Rs. C-125/92, Slg. 1993, I-4075, Rn. 18. 1167 Stein/Jonas/Wagner, Art. 18 EuGVVO Rn. 9; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 7; Kropholler/von Hein, Art. 18 EuGVO Rn. 2; MüKoZPO/Gottwald, Art. 18 EuGVO Rn. 5. 1168 Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 7a. 1169 Junker, IZPR, § 13 Rn. 30; Junker, NZA 2005, 199 (201); Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 7; Stein/Jonas/Wagner, Art. 18 EuGVVO Rn. 9. 1170 EuGH, Urt. v. 13. 7. 1993 (Mulox IBC), Rs. C-125/92, Slg. 1993, I-4075, Rn. 15; EuGH, Urt. v. 15. 2. 1989 (Six Constructions), Rs. C-32/88, Slg. 1989, 341, Rn. 10; EuGH, Urt. v. 15. 1. 1987 (Shenavai), Rs. C-266/85, Slg. 1987, 239, Rn. 16; BAG RIW 2010, 232 (235); OLG Hamburg NJW 2004, 3126 (3127); Stein/Jonas/Wagner, Art. 18 EuGVVO Rn. 11; Thomas/ Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 18 EuGVVO Rn. 1; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 18 EuGVVO Rn. 4; MüKoZPO/Gottwald, Art. 18 EuGVO Rn. 2; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 3 ff.; Kropholler/von Hein, Art. 18 EuGVO Rn. 2; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 170. 1171 OLG Hamburg NJW 2004, 3126 (3127 f.); Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 18 EuGVVO Rn. 1; M. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 27 Rn. 93; Junker, IZPR, § 13 Rn. 31. 1172 Dazu ausführlich: Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 4b ff., und Stein/Jonas/Wagner, Art. 18 EuGVVO Rn. 13 f. jeweils m.w.N.

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II. Zuständigkeitssysteme 1. Versicherungssachen In den Zuständigkeitssystemen der Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen wird danach differenziert, gegen wen geklagt wird. So kann ein Versicherer nach Art. 9 Abs. 1 Brüssel I-VO im Wesentlichen an seinem Wohnsitz und am Wohnsitz des jeweils klagenden Versicherungsnehmers, Versicherten oder Begünstigten verklagt werden. Darüber hinaus wird nach Art. 10 Brüssel I-VO für die Versicherungsarten der Haftpflichtversicherung und der Versicherung von unbeweglichen Sachen das Gericht am Ort des schädigenden Ereignisses für Klagen gegen den Versicherer für zuständig erklärt. Für Haftpflichtversicherungen sind in Art. 11 Brüssel I-VO weitere besondere Regelungen enthalten. Insbesondere kann sich nach Art. 11 Abs. 2 Brüssel I-VO auch der Geschädigte auf Art. 9 Brüssel I-VO berufen, sodass ein Haftpflichtversicherer zudem am Wohnsitz des Geschädigten verklagt werden kann.1173 Demgegenüber kann ein Versicherer nach Art. 12 Abs. 1 Brüssel I-VO einen Versicherungsnehmer, Versicherten und Begünstigten nur vor den Gerichten des Mitgliedstaates verklagen, indem diese ihren jeweiligen Wohnsitz haben.1174 2. Verbrauchersachen In entsprechender Weise wird auch in Verbrauchersachen die Zuständigkeit geregelt. Nach Art. 16 Abs. 1 Brüssel I-VO kann nämlich der Vertragspartner des Verbrauchers entweder an seinem Wohnsitz oder am Wohnsitz des Verbrauchers verklagt werden. Demgegenüber kann der Verbraucher von seinem Vertragspartner nach Art. 16 Abs. 2 Brüssel I-VO grundsätzlich nur an seinem Wohnsitz verklagt werden. 3. Arbeitssachen Auch bei den Sondervorschriften für Arbeitssachen existieren vergleichbare Zuständigkeiten. So stehen dem Arbeitnehmer bei Klagen gegen den Arbeitgeber ebenfalls mehrere Gerichte wahlweise zur Verfügung. Nach Art. 19 Nr. 1 Brüssel IVO sind dies einerseits die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. Andererseits kann der Arbeitgeber nach Art. 19 Nr. 2 lit. a) und b) Brüssel I-VO am gewöhnlichen Arbeitsort und – bei wechselnden Arbeitsorten – am Ort der einstellenden Niederlassung verklagt werden. Bei Klagen gegen den 1173 EuGH, Urt. v. 13. 12. 2007 (FBTO Schadeverzekeringen), Rs. C-463/06, Slg. 2007, I-11321, Rn. 31 mit zust. Anm. von Leible, NJW 2008, 821. Siehe auch: Stein/Jonas/Wagner, Art. 11 EuGVVO Rn. 10 ff.; Junker, IZPR, § 13 Rn. 10. 1174 Zur Möglichkeit des Versicherers eine Widerklage zu erheben: Art. 12 Abs. 2 Brüssel IVO.

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Arbeitnehmer sind nach Art. 20 Abs. 1 Brüssel I-VO hingegen nur die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat. III. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen Die Brüssel I-VO erkennt grundsätzlich die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie an und lässt daher Gerichtsstandsvereinbarungen regelmäßig zu. Allerdings wird bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie nur in begrenztem Umfang gewährt.1175 Denn von den Sondervorschriften der jeweiligen Abschnitte kann im Wege einer Gerichtsstandsvereinbarung nur unter den besonderen Voraussetzungen der Art. 13, 17 und 21 Brüssel I-VO abgewichen werden. 1. Nach der Entstehung der Streitigkeit In allen der aufgeführten Vorschriften wird eine Gerichtsstandsvereinbarung zunächst dann als zulässig angesehen, wenn diese nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird.1176 Dem liegt der verallgemeinerungsfähige Gedanke zugrunde, dass nach Entstehung der Streitigkeit selbst eine schutzbedürftige Partei hinreichend sensibilisiert ist und die Tragweite ihres Handelns überblicken kann.1177 Eine Streitigkeit gilt dabei als entstanden, „sobald die Parteien über einen bestimmten Punkt uneins sind und ein gerichtliches Verfahren unmittelbar oder in Kürze bevorsteht“.1178 Hierfür genügt es nicht, wenn zwischen den Parteien lediglich Meinungsverschiedenheiten über die Durchführung ihrer vertraglichen Beziehung entstanden sind.1179 Denn erst wenn ein gerichtliches Verfahren konkret droht, kann selbst bei einer rechtlich unerfahrenen Person eine hinreichende Sensibilisierung vermutet werden, weil sie erst dann ihren Vertragspartner als Gegner wahrnimmt.1180 Dafür spricht schließlich auch die vom EuGH zum Schutz der schwächeren Partei

1175

Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO. So jeweils gleichlautend die Art. 13 Nr. 1, 17 Nr. 1 und 21 Nr. 1 Brüssel I-VO. 1177 Kropholler/von Hein, Art. 13 EuGVO Rn. 2; MüKoZPO/Gottwald, Art. 13 EuGVO Rn. 2; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 13 Brüssel I-VO Rn. 4; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 3; Heiss, in: Magnus/Mankowski, Art. 13 Brussel I Regulation Rn. 8; Junker, NZA 2005, 199 (201). 1178 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (33). 1179 So aber: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 13 EuGVVO Rn. 5; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 13 EuGVVO Rn. 7. 1180 Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Art. 17 Brussels I Regulation Rn. 9; Rauscher/ Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 13 Brüssel I-VO Rn. 4; Musielak/Voit/Stadler, Art. 13 EuGVVO Rn. 2. 1176

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

befürwortete enge Auslegung der Abweichungen von den gesonderten Zuständigkeitsregelungen der Sondervorschriften.1181 2. Zugunsten der schutzbedürftigen Partei In sämtlichen Vorschriften werden Gerichtsstandsvereinbarungen ferner dann zugelassen, soweit sie der schutzbedürftigen Partei die Befugnis einräumen, andere als die in den jeweiligen Abschnitten angeführten Gerichte anzurufen.1182 Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung lässt demnach die Zuständigkeiten in den Sondervorschriften unberührt und erweitert lediglich den Kreis der zuständigen Gerichte für die schutzbedürftige Partei. Eine Benachteiligung der schutzbedürftigen Person ist folglich ausgeschlossen, sodass auch mit Blick auf den Schutzzweck eine Einschränkung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie nicht notwendig erscheint.1183 Dies gilt in Versicherungssachen selbst dann, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zugunsten des an dem Versicherungsvertrag nicht beteiligten und vom Versicherungsnehmer verschiedenen Versicherten oder Begünstigten abgeschlossen wird.1184 3. Gemeinsamer Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt Haben die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Mitgliedstaat, kann in Versicherungs- und Verbrauchersachen eine Gerichtsstandsvereinbarung ebenfalls zulässig sein. Nach Art. 13 Nr. 3 Brüssel I-VO können nämlich der Versicherungsnehmer und der Versicherer in einer solchen Konstellation eine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen, um die Zuständigkeit der Gerichte des gemeinsamen Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaats auch für den Fall zu begründen, dass das schädigende Ereignis im Ausland eintritt. Folglich ermöglicht Art. 13 Nr. 3 Brüssel I-VO eine Abweichung von Art. 10 und 11 Abs. 1 Brüssel I-VO.1185 Dem liegt im Wesentlichen die rechtspolitische Erwägung zu Grunde, dass in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Interventionsklage nach Art. 11 Abs. 1 Brüssel I-VO nicht zugelassen wird und daher die Anknüpfung

1181 EuGH, Urt. v. 12. 5. 2005 (Société financière und industrielle du Peloux), Rs. C-122/03, Slg. 2005, I-3707, Rn. 31. 1182 So jeweils die Art. 13 Nr. 2, 17 Nr. 2 und 21 Nr. 2 Brüssel I-VO. 1183 Stein/Jonas/Wagner, Art. 13 EuGVVO Rn. 9; Kropholler/von Hein, Art. 13 EuGVO Rn. 3; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 5. 1184 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a.), Rs. C-201/82, Slg. 1983, 2503, Rn. 20. 1185 MüKoZPO/Gottwald, Art. 13 EuGVO Rn. 4; Stein/Jonas/Wagner, Art. 13 EuGVVO Rn. 11.

§ 7 Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 23 Brüssel I-VO

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an den Ort des schädigenden Ereignisses (forum delicti commissi) zumindest vertraglich begrenzt werden sollte.1186 Zwischen einem Verbraucher und seinem Vertragspartner kann eine Gerichtsstandsvereinbarung ebenfalls getroffen werden, um die Zuständigkeit der Gerichte des gemeinsamen Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat zu begründen (Art. 17 Nr. 3 Brüssel I-VO). Damit ermöglicht Art. 17 Nr. 3 Brüssel I-VO einerseits eine Abweichung von Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 Brüssel I-VO im Falle eines späteren Wohnsitzwechsels, indem für Klagen eines Verbrauchers die Zuständigkeit des mitgliedstaatlichen Gerichts an dessen künftigen Wohnsitz derogiert werden kann. Andererseits wird für Klagen des Vertragspartners entgegen Art. 16 Abs. 2 Brüssel IVO nicht an den aktuellen Wohnsitz des Verbrauchers angeknüpft, sondern an den bei Vertragsschluss bestehenden Wohnsitz. Zur Rechtfertigung dieser Abweichungen werden im Wesentlichen Billigkeitsgründe vorgetragen.1187 Denn mit der Wohnsitzverlegung des Verbrauchers ergeben sich für den Vertragspartner übermäßige Schwierigkeiten bei der Rechtsverfolgung.1188 Der Vertragspartner des Verbrauchers hat daher ein legitimes Interesse an einer Fixierung der im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung bestehenden Zuständigkeiten.1189 Sollte der Verbraucher seinen Wohnsitz in einen Drittstaat verlegen, sind allerdings gesonderte Überlegungen anzustellen. Hier kann der Verbraucher seinen Vertragspartner nämlich nur an dessen Wohnsitz verklagen (Art. 16 Abs. 1 Alt. 1 Brüssel I-VO). Eine Anwendung des Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 Brüssel I-VO ist hingegen bei einer Wohnsitzverlegung in einen Drittstaat nicht möglich. Denn drittstaatliche Gerichte sind nicht an die Brüssel I-VO gebunden, sodass Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 Brüssel I-VO außerhalb des Hoheitsgebiets der verschiedenen Mitgliedstaaten auch keine Zuständigkeiten begründen kann. Zudem ist auch der Vertragspartner des Verbrauchers bei der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche nicht mehr an Art. 16 Abs. 2 Brüssel I-VO gebunden. Denn der Verbraucher ist durch seine Wohnsitzverlegung in einen Drittstaat zugleich aus dem räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der Sondervorschriften für Verbrauchersachen ausgeschieden.1190 Für den Vertragspartner des Verbrauchers ist hierdurch aber nichts gewonnen, da die Schwierigkeiten bei der Rechtsverfolgung nun noch dadurch verschärft werden, dass anstatt des bekannten europäischen Zivilverfahrensrechts nun ein fremdes nationales Verfahrensrecht gilt. Die zur Rechtfertigung des Art. 17 Nr. 3 Brüssel I-VO vorgetragenen Billigkeitsgründe greifen demnach bei einer Wohn1186 Vgl. Art. 65 Brüssel I-VO; Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (32); Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 13 EuGVVO Rn. 23; Stein/Jonas/Wagner, Art. 13 EuGVVO Rn. 11; Kropholler/von Hein, Art. 13 EuGVO Rn. 4; MüKoZPO/Gottwald, Art. 13 EuGVO Rn. 4. 1187 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (33). 1188 Kropholler/von Hein, Art. 17 EuGVO Rn. 2; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 17 EuGVVO Rn. 7 ff.; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 17 EuGVVO Rn. 5. 1189 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 17 Brüssel I-VO Rn. 3; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 17 EuGVVO Rn. 6. 1190 Siehe dazu oben unter Teil 2, § 7, E.I.1.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

sitzverlegung des Verbrauchers in einen Drittstaat ebenso. Dem kann auch nicht der Wortlaut des Art. 17 Nr. 3 Brüssel I-VO entgegengehalten werden, da dieser nicht danach differenziert, wohin eine Wohnsitzverlegung erfolgt. Eine solche Differenzierung wäre zudem auch kaum praktikabel, da im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung regelmäßig unklar ist, ob und wohin eine Wohnsitzverlegung erfolgen wird. Jedoch kommt es auf diese Begründung regelmäßig nicht an, da der Vertragspartner des Verbrauchers nach Art. 16 Abs. 1 Alt. 1 Brüssel I-VO sowieso nur noch an seinem Wohnsitz verklagt werden kann und damit das ursprünglich mit der Gerichtsstandsvereinbarung verfolgte Ergebnis bereits erzielt hat. Will er hingegen selbst vor dem Gericht des ehemaligen gemeinsamen Wohnsitzoder Aufenthaltsstaats klagen, hat zwar das angerufene Gericht nach Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-VO die Gerichtsstandsvereinbarung anhand des Art. 23 Brüssel I-VO zu prüfen.1191 Denn spätestens im Zeitpunkt der Anrufung des prorogierten Gerichts ist ein grenzüberschreitender Bezug gegeben und damit der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 23 Brüssel I-VO eröffnet.1192 Der Gerichtsstandsvereinbarung kann jedoch dann nicht mehr die Wirkung nach Art. 23 Abs. 5 Brüssel IVO i.V.m. Art. 17 Brüssel I-VO versagt werden, weil die Sondervorschriften für Versicherungssachen nicht mehr räumlich-persönlich anwendbar sind. Selbst wenn die Parteien die Voraussetzungen der Art. 13 Nr. 3 und Art. 17 Nr. 3 Brüssel I-VO erfüllen, kann schließlich noch die Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung am nationalen Recht des gemeinsamen Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaats bzw. des lex forum prorogatum scheitern. Denn in beiden Vorschriften werden Gerichtsstandsvereinbarungen nur vorbehaltlich des nationalen Rechts dieses Mitgliedstaats für zulässig angesehen. Die Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung wird hierdurch beträchtlich eingeschränkt, da eine Vielzahl von Mitgliedstaaten restriktive Anforderungen an eine Gerichtsstandsvereinbarung in Versicherungs- und Verbrauchersachen stellt.1193 4. Versicherungsnehmer mit Wohnsitz in einem Drittstaat Nach Art. 13 Nr. 4 Brüssel I-VO ist eine Gerichtsstandsvereinbarung in Versicherungssachen weiterhin dann zulässig, wenn sie von einem Versicherungsnehmer geschlossen wird, der seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat hat und die zugrunde liegende Versicherung keine Pflichtversicherung oder Grundstücksversi1191 So auch: Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 17 Brüssel I-VO Rn. 3. Demgegenüber will die h.M. wohl aufgrund eines reinen Inlandssachverhalts nach Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-VO nur das innerstaatliche Recht anwenden. So etwa: MüKoZPO/Gottwald, Art. 17 EuGVO Rn. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 17 EuGVVO Rn. 4; Hk-ZPO/ Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 17 EuGVVO Rn. 4; Musielak/Voit/Stadler, Art. 17 EuGVVO Rn. 2; Stein/Jonas/Wagner, Art. 17 EuGVVO Rn. 7. 1192 Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, A. 1193 Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 13 EuGVVO Rn. 28 und Art. 17 EuGVVO Rn. 12 ff.; Kropholler/von Hein, Art. 13 EuGVO Rn. 5 und Art. 17 EuGVO Rn. 2.

§ 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO

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cherung ist. Diese Regelung sollte insbesondere den Interessen des Vereinigten Königreichs dienen, da in der britischen Versicherungswirtschaft Versicherungsverträge mit Versicherungsnehmern aus Drittstaaten von überragender Bedeutung sind.1194 Die Regelung gliedert sich aber auch nahtlos in das Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO ein. Denn Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-VO erklärt die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO bei einem Beklagten ohne Wohnsitz in einem Mitgliedstaat vorbehaltlich der Art. 22 und 23 Brüssel I-VO gerade für nicht anwendbar. Auf die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-VO nimmt Art. 8 Brüssel I-VO für Versicherungssachen Bezug. Folglich ist eine zuständigkeitsrechtliche Begünstigung des Versicherungsnehmers nicht angezeigt und eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Brüssel I-VO vielmehr möglich.1195 5. Bestimmte Risiken bei See- und Luftfahrtversicherungen sowie Großrisiken In Versicherungssachen werden Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 13 Nr. 5 Brüssel I-VO schließlich dann für zulässig erklärt, wenn sie einen Versicherungsvertrag betreffen, der die in Art. 14 Brüssel I-VO aufgeführten Risiken deckt. In Art. 14 Brüssel I-VO werden dabei lediglich bestimmte Risiken bei See- und Lufttransporten sowie Großrisiken erfasst. Der Regelung des Art. 13 Nr. 5 Brüssel IVO liegt dabei die Erwägung zugrunde, dass bei derartigen Versicherungsverträgen das in Versicherungssachen typische Ungleichgewicht zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer gerade nicht besteht.1196 Von einer Einschränkung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie zum Schutze des Versicherungsnehmers als der schwächeren Partei konnte daher abgesehen werden.

§ 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich In räumlich-persönlicher Hinsicht fordert Art. 24 Brüssel I-VO lediglich, dass sich der Beklagte vor einem Gericht eines Mitgliedstaats auf das Verfahren einlässt. Drittstaatliche Gerichte zur Anwendung des Art. 24 Brüssel I-VO zu verpflichten, wäre angesichts der mangelnden Regelungskompetenz des Verordnungsgebers ohnehin nicht in Betracht gekommen. Die Zulässigkeit, Anforderungen und Wirkungen einer rügelosen Einlassung regelt vielmehr das dort anwendbare nationale Verfah1194

Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (112), Rn. 136 f. Vgl. Stein/Jonas/Wagner, Art. 13 EuGVVO Rn. 17; MüKoZPO/Gottwald, Art. 13 EuGVO Rn. 5. 1196 Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (114), Rn. 140; Stein/Jonas/Wagner, Art. 13 EuGVVO Rn. 22; Kropholler/von Hein, Art. 13 EuGVO Rn. 9; Auer, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 13 EuGVVO Rn. 34; MüKoZPO/Gottwald, Art. 13 EuGVO Rn. 6. 1195

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

rensrecht.1197 Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich von Art. 24 Brüssel IVO wirft aber auch – teilweise bekannte – Fragen auf. Ist zur Anwendung des Art. 24 Brüssel I-VO wiederum ein grenzüberschreitender Bezug erforderlich? Welche Bedeutung kommt dem Wohnsitz der Parteien zu? I. Grenzüberschreitender Bezug Mit Blick auf die Regelungskompetenz ist der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 24 Brüssel I-VO wiederum zu beschränken. Denn der Verordnungsgeber ist nach Art. 65 EGV bzw. Art. 81 AEUV lediglich dazu ermächtigt, Maßnahmen in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug zu erlassen.1198 Für die Anwendung des Art. 24 Brüssel I-VO ist daher ebenso wie bei Art. 23 Brüssel IVO ein grenzüberschreitender Bezug erforderlich.1199 Dieser muss dabei allerdings nicht zu einem anderen Mitgliedstaat bestehen.1200 Demnach werden reine Inlandssachverhalte – also Sachverhalte bei denen keine Tatsachen existieren, welche das Vorliegen einer weiteren internationalen Zuständigkeit als möglich erscheinen lassen – vom räumlich-persönlichen Anwendungsbereich ausgenommen.1201 II. Bedeutung des Wohnsitzes der Parteien 1. Meinungsstand Welche Bedeutung der Wohnsitz der Parteien im Rahmen des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 24 Brüssel I-VO hat, ist umstritten. Dabei werden drei Ansichten vertreten. Die erste Ansicht erachtet es für erforderlich, dass die beklagte Partei ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat.1202 Die zweite und wohl herrschende Ansicht lässt es demgegenüber genügen, wenn zumindest eine der

1197

Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 572 m.w.N. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 3 zur Brüssel I-VO. Siehe oben unter Teil 1, § 2, C.II.2. 1199 Mayr, in: B/N/G/S, Art. 24 EuGVO Rn. 10; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 3. Zur teleologischen Reduktion des Art. 23 Brüssel I-VO ausführlich oben unter Teil 2, § 7, A.IV. 1200 Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 3; Junker, IZPR, § 16 Rn. 3; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 572; Dörner/Staudinger, IPRax 1999, 338 (339); a.A.: BGHZ 134, 127 (133) = NJW 1997, 397 (398); Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 145. 1201 Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 2; Mayr, in: B/N/G/S, Art. 24 EuGVO Rn. 10. Dazu ausführlich oben unter: Teil 2, § 7, A.IV. 1202 BGHZ 134, 127 (133) = NJW 1997, 397 (398); Mayr, in: B/N/G/S, Art. 24 EuGVO Rn. 9; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 579; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 130. 1198

§ 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO

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Parteien in einem Mitgliedstaat wohnhaft ist.1203 Die dritte Ansicht wendet schließlich Art. 24 Brüssel I-VO unabhängig vom Wohnsitz der Parteien an.1204 Der letzten Ansicht scheint auch der EuGH zu folgen. Dieser stellte nämlich noch zu Art. 18 Brüssel I-Übk beiläufig fest, dass es für eine rügelose Einlassung weder auf den Wohnsitz des Beklagten noch auf den Wohnsitz des Klägers ankomme.1205 2. Stellungnahme Der Wortlaut des Art. 24 Brüssel I-VO erwähnt den Wohnsitz der Parteien nicht. Dies spricht zunächst dafür im Rahmen des Art. 24 Brüssel I-VO dem Wohnsitz der Parteien keine Bedeutung beizumessen. Dem kann allenfalls entgegengehalten werden, dass der Verordnungsgeber die Bedeutungslosigkeit des Wohnsitzes im Wortlaut ausdrücklich erwähnt hätte, wenn er dem Wohnsitz denn wirklich keinerlei Bedeutung beimessen wollte.1206 Dies zeigt der Vergleich zu Art. 22 Brüssel I-VO, welcher eine entsprechende Formulierung enthält.1207 Zweifel an der Bedeutungslosigkeit des Wohnsitzes kommen aber auf, wenn man die Stellung des Art. 24 Brüssel I-VO im gesamten Normgefüge der Brüssel I-VO betrachtet. Denn der Wohnsitz des Beklagten wird nach Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-VO zum maßgeblichen Anknüpfungskriterium für das Zuständigkeitssystem erklärt.1208 Davon macht Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-VO nur für die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 22 und Art. 23 Brüssel I-VO eine Ausnahme. Diese Grundkonzeption des Zuständigkeitssystems spricht dafür, einen Wohnsitz der beklagten Partei in einem Mitgliedstaat für die Anwendung des Art. 24 Brüssel I-VO zu fordern.1209 Nun bilden allerdings Art. 23 und Art. 24 Brüssel I-VO gemeinsam einen Abschnitt im Zuständigkeitssystem. Diese systematische Stellung spricht wiederum für eine Angleichung der räumlich-persönlichen Anwendungsvoraus-

1203

Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 3 f.; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 1; MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 10; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Musielak/Voit/Stadler, Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 24 EuGVVO Rn. 6; Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 243; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1918; Dörner/Staudinger, IPRax 1999, 338 (339); wohl auch: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 22. 1204 Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 14; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Calvo Caravaca/Carrascosa González, in: Magnus/Mankowski, Art. 24 Brussels I Regulation Rn. 31; Hess, EuZPR § 6 Rn. 148. 1205 EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 44 f. 1206 So etwa: Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 123. 1207 Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 123. 1208 Kropholler/von Hein, vor Art. 2 EuGVO Rn. 9; Erwägungsgründe Nr. 8 und 9 zur Brüssel I-VO. 1209 So etwa: Mayr, in: B/N/G/S, Art. 24 EuGVO Rn. 9.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

setzungen beider Vorschriften.1210 Dies deutet darauf hin, dass lediglich eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben muss. Die systematische Auslegung spricht damit zwar insgesamt gegen die Bedeutungslosigkeit des Wohnsitzes, führt aber selbst zu widersprüchlichen Ergebnissen. Auch mit Blick auf die Entstehungsgeschichte lassen sich diese systematischen Zweifel am Wortlaut des Art. 24 Brüssel I-VO nicht ausräumen. Der Jenard-Bericht setzt für die Anwendung der Vorgängervorschrift des Art. 24 Brüssel I-VO im Brüssel I-Übk voraus, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat.1211 Dies kann unter anderem damit erklärt werden, dass nach der Präambel des Brüssel I-Übk der maßgebliche Regelungszweck ursprünglich darin zu sehen war, „innerhalb der Gemeinschaft den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen zu verstärken“. Nach Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-Übk i.V.m. Art. 16 Brüssel I-Übk waren daher lediglich die ausschließlichen Zuständigkeiten ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Beklagten anzuwenden.1212 Mittlerweile ist jedoch die europäische Rechtsvereinheitlichung stark vorangeschritten. Der ursprüngliche Regelungszweck in der Präambel wurde ersatzlos gestrichen und Art. 23 Brüssel I-VO als weitere Ausnahme in Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-VO hinzugefügt. Folglich kann mit Blick auf die Entstehungsgeschichte stark bezweifelt werden, ob heutzutage noch der Wohnsitz des Beklagten in einem Mitgliedstaat zur Anwendung des Art. 24 Brüssel I-VO erforderlich ist.1213 Allerdings betont der Jenard-Bericht überdies den engen Sachzusammenhang von rügeloser Einlassung und Gerichtsstandsvereinbarung. Er bezeichnet die rügelose Einlassung sogar als „stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung“.1214 Die historische Auslegung spricht somit am ehesten für die Ansicht, welche lediglich von einer Partei einen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat zur Anwendung des Art. 24 Brüssel I-VO verlangt. Die objektiven Ziele und Zwecke der rügelosen Einlassung sprechen allerdings gegen das Erfordernis des Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat. Die Erwägungsgründe Nr. 2 und 8 zur Brüssel I-VO zeigen, dass eine möglichst umfassende Vereinheitlichung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit vom Verordnungsgeber beabsichtigt ist. Neben dem grenzüberschreitenden Bezug weitere Anforderungen an den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich des Art. 24 Brüssel I-VO zu stellen, lässt sich damit kaum vereinbaren. Ebenso würden weitere ungeschriebene Voraussetzungen zu praktischen Schwierigkeiten für den Rechtsanwender führen. Dies erscheint angesichts des Erwägungsgrunds Nr. 11 zur Brüssel I-VO grundsätzlich bedenklich, sollen doch die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO in hohem 1210

Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 2; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 3; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 24 EuGVVO Rn. 6. 1211 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (38). 1212 Vgl. Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (21). 1213 A.A.: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 576. 1214 Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (38).

§ 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO

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Maße vorhersehbar sein. Zumindest wird man aber für die Schaffung ungeschriebener Voraussetzungen in Art. 24 Brüssel I-VO gewichtige Gründe anführen müssen. Im Gegensatz zu der ungeschriebenen Voraussetzung des grenzüberschreitenden Bezugs, welche auf der Kompetenzbeschränkung des Art. 65 EGV bzw. Art. 81 AEUV beruht, lassen sich solche Gründe für eine ungeschriebene Wohnsitzanforderung jedoch nicht finden. Dies gilt unabhängig davon, welchen Geltungsgrund man im Rahmen der dogmatischen Einordnung der rügelosen Einlassung stärker betont.1215 Denn ein Grund dafür, warum die Reichweite der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie oder die Prozessökonomie vom Wohnsitz einer Partei abhängig sein sollte, ist nicht ersichtlich. Mit Blick auf die teleologischen Erwägungen können vielmehr erhebliche Zweifel an den vorgeschlagenen Alternativlösungen vorgebracht werden. Würde man nämlich den Wohnsitz des Beklagten für die Anwendung des Art. 24 Brüssel I-VO für erforderlich erachten, könnte ein mitgliedstaatliches Gericht bei einer rügelosen Einlassung eines drittstaatlichen Beklagten nicht von der Prüfung einer Gerichtsstandsvereinbarung absehen, obwohl diese in den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich des Art. 23 Brüssel I-VO fallen würde, soweit der Kläger einen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat. Dies erscheint merkwürdig, zumal beide Vorschriften auf die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie zurückgeführt werden können.1216 Fordert man demgegenüber lediglich von einer Partei einen mitgliedstaatlichen Wohnsitz, würde zwar diese Merkwürdigkeit vermieden und der Sachzusammenhang von Art. 23 und Art. 24 Brüssel I-VO betont. Dennoch blieben auch insofern Zweifel bestehen. Denn das Wohnsitzerfordernis des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO ist nur deswegen geschaffen worden, um den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich nicht von der im Zeitpunkt des Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung ungewissen späteren Parteirolle abhängig zu machen.1217 Eine vergleichbare Ungewissheit ist bei Art. 24 Brüssel I-VO aber gerade nicht gegeben, da bei der rügelosen Einlassung Klarheit über die jeweiligen Parteirollen herrscht.1218 Insgesamt überzeugt es daher, den Wortlaut des Art. 24 Brüssel I-VO trotz der systematischen Zweifel ernst zu nehmen und den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich unabhängig vom Wohnsitz der Parteien zu bestimmen. Dies widerspricht zwar der wohl herrschenden Meinung, scheint aber im Einklang mit der 1215

Dazu ausführlich: Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 1 ff.; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 67 ff.; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 566 ff. Siehe auch oben unter Teil 1, § 3, C.II. 1216 Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (552 f.). 1217 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 19; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 11; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 2; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 1. 1218 Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 14; Calvo Caravaca/Carrascosa González, in: Magnus/Mankowski, Art. 24 Brussels I Regulation Rn. 29; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 127 f.; dies zugestehend: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 3.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Rechtsprechung des EuGH zu stehen. Folglich kommt dem Wohnsitz der Parteien für die Anwendung des Art. 24 Brüssel I-VO keine Bedeutung zu.

B. Einlassung auf das Verfahren Nach Art. 24 Brüssel I-VO wird ein Gericht eines Mitgliedstaats zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Obwohl damit die Einlassung auf das Verfahren zur zentralen Anwendungsvoraussetzung dieser Vorschrift erklärt wird, schweigt Art. 24 Brüssel I-VO in Bezug auf die konkreten Anforderungen an die Einlassung. Dennoch besteht weitgehende Einigkeit darüber, den Begriff der Einlassung verordnungsautonom auszulegen.1219 Dabei ist zunächst auf den Wortlaut des Art. 24 Brüssel I-VO zurückzugreifen. Folgt man dem Wortsinn einer Einlassung, so setzt diese jedenfalls mehr als schlichte Untätigkeit des Beklagten voraus.1220 Dies bestätigt zudem Art. 26 Abs. 1 Brüssel IVO, der sonst kaum praktische Bedeutung hätte. Die Einlassung muss sich außerdem auf das Verfahren beziehen. Im Umkehrschluss aus Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO ist dabei nicht erforderlich, dass sich der Beklagte gerade auf die Hauptsache einlässt.1221 Denn anderenfalls müsste die Wirkung der Einlassung bei einer bloßen Zuständigkeitsrüge nicht ausdrücklich eingeschränkt werden. Vielmehr kann bereits die Geltendmachung einer Verfahrensrüge für eine Einlassung genügen.1222 Daher wird vielfach als Einlassung jede Verteidigungshandlung angesehen, die unmittelbar auf Abweisung der Klage gerichtet ist.1223 Welche Verteidigungshandlungen vor dem mitgliedstaatlichen Gericht überhaupt in Betracht kommen, bestimmt allerdings das nationale Verfahrensrecht des jeweiligen Gerichts (lex fori).1224 1219 BAG NJW 2013, 252 (253); OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (336); LG Kiel IPRax 2009, 164 (165); OGH ZfRV 2000, 197 (198); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 29 f.; MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 6; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 4; Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 20; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 7; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 3; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 5; Musielak/Voit/ Stadler, Art. 24 EuGVVO Rn. 3; Mayr, in: B/N/G/S, Art. 24 EuGVO Rn. 12; Tiefenthaler, in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Art. 24 EuGVVO Rn. 7; Junker, IZPR § 16 Rn. 4; Leible/ Sommer, IPRax 2006, 568; wohl a.A.: MüKoZPO/Patzina, § 39 ZPO Rn. 15. Ausführlich: Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 151 ff. 1220 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 28; Leible/Sommer, IPRax 2006, 568. 1221 Vgl. BGHZ 190, 28 (40) = NJW 2011, 2809 (2812); Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 3; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 152 f.; a.A.: MüKoZPO/Patzina, § 39 ZPO Rn. 15. 1222 OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2005, 935; LG Kiel IPRax 2009, 164 (165). 1223 So etwa: OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (336); Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 7; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 4; Thomas/Putzo/ Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 3; Leible/Sommer, IPRax 2006, 568. 1224 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 29.

§ 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO

225

C. Wirkung I. Begründung der Zuständigkeit Nach Art. 24 Satz 1 Brüssel I-VO führt eine Einlassung des Beklagten vor einem mitgliedstaatlichen Gericht dazu, dass dieses Gericht zuständig wird. Die Vorschrift begründet somit selbstständig die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.1225 Hierdurch erhält das angerufene Gericht nicht nur eine nach den Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO fehlende Entscheidungskompetenz. Vielmehr tritt die nach Art. 24 Brüssel I-VO begründete Zuständigkeit neben die übrigen Zuständigkeiten der Brüssel I-VO. Folglich befreit die Einlassung des Beklagten das angerufene Gericht nach Art. 26 Abs. 1 Brüssel I-VO von einer weiteren amtswegigen Prüfung der Zuständigkeitsvorschriften. Dies dient der Prozessökonomie und erklärt die große praktische Bedeutung der Vorschrift.1226 II. Einschränkungen Nach Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO hat eine Einlassung des Beklagten jedoch dann keine zuständigkeitsbegründende Wirkung, wenn hierdurch der Mangel der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts geltend gemacht wird oder eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 Brüssel I-VO zugunsten eines anderen Gerichts besteht. Vielfach wird es zudem für erforderlich angesehen, diese ausdrückliche Ausnahmeregelung auszuweiten und damit die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer Einlassung weiter einzuschränken. So wird beispielsweise eine Belehrung der Beklagten als erforderlich angesehen und eine gesonderte Behandlung von Verfahren in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen gefordert.1227 Im Folgenden werden daher nicht nur die ausdrücklichen Ausnahmefälle des Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO dargestellt, sondern auch zu den einschlägigen Diskussionen um eine weitergehende Einschränkung der Einlassung Stellung genommen.

1225

MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 1; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 24 EuGVVO Rn. 58. 1226 Mayr, in: B/N/G/S, Art. 24 EuGVO Rn. 2; Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 1 ff. 1227 Für eine Belehrungspflicht etwa: MüKoZPO/Patzina, § 39 ZPO Rn. 15; MüKoZPO/ Deubner, § 504 ZPO Rn. 4; Leipold, IPRax 1982, 222 (224); für eine Ablehnung der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer rügelosen Einlassung bei Verfahren in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen etwa: Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Art. 17 Brussels I Regulation Rn. 15; Mankoswki, RIW 2010, 667 ff.; Mankowski, IPRax 2001, 310 ff.; Richter, RIW 2006, 578 ff.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

1. Rüge der mangelnden Zuständigkeit a) Inhalt Macht der Beklagte den Mangel der Zuständigkeit geltend, so hat eine solche Einlassung nach Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO keine zuständigkeitsbegründende Wirkung. Der Beklagte muss dabei den Mangel der Zuständigkeit nicht ausdrücklich vortragen.1228 Vielmehr genügt es, wenn die Geltendmachung mangelnder Zuständigkeit sinngemäß im Vortrag des Beklagten enthalten ist.1229 Bei unklaren Prozesshandlungen ist somit im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob der Beklagte hierdurch die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht anerkennen will.1230 Eine allgemeine Rüge der Zuständigkeit kann daher ebenso genügen wie eine bloße Rüge der örtlichen Zuständigkeit.1231 Die Rüge der örtlichen Zuständigkeit kann allerdings die internationale Zuständigkeit auch unberührt lassen. Eine derartige isolierte Rüge der örtlichen Zuständigkeit schränkt die zuständigkeitsbegründende Wirkung lediglich hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit ein, sodass das angerufene Gericht durch die Einlassung des Beklagten nach Art. 24 Brüssel I-VO zumindest international zuständig ist.1232 b) Hilfsweises Verhandeln Macht der Beklagte den Mangel der Zuständigkeit geltend, wäre es ihm eigentlich verwehrt, sich zugleich zu anderen Verfahrensfragen oder zur Hauptsache zu äußern. Denn hierdurch würde er ja gerade die Entscheidungszuständigkeit des angerufenen Gerichts anerkennen. Allerdings steht es dem Beklagten frei, sich hilfsweise zur anderen Verfahrensfragen oder zur Hauptsache zu äußern. Dies ist mittlerweile

1228 EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 15; OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (336); Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 8; Stein/ Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 27; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 24 EuGVVO Rn. 33; Mayr, in: B/N/G/S, Art. 24 EuGVO Rn. 28. 1229 MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 7. 1230 BGH NJW-RR 2005, 1518 (1519 f.) mit insofern zust. Anm.: Leible/Sommer, IPRax 2006, 568 (568 f.); OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (336); Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 27; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 8; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 19; Junker, § 16 Rn. 6; Schütze, ZZP 90 (1977), 67 (73). 1231 BGH NJW-RR 2008, 156; BGH NJW-RR 2005, 1518 (1519 f.); MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 7; Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 28; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 19; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 8; Schütze, ZZP 90 (1977), 67 (73). 1232 OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2005, 935; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 19; wohl a.A.: Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 24 EuGVVO Rn. 3. Ausführlich zur isolierten Rüge der örtlichen Zuständigkeit: Klöpfer, GPR 2013, 112 ff.

§ 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO

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allgemein anerkannt.1233 In der Vergangenheit konnte dies noch angesichts verschiedener Sprachfassungen des Art. 18 Satz 2 Brüssel I-Übk bezweifelt werden.1234 Spätestens seit der Streichung des Wortes „nur“ und seiner sprachlichen Entsprechungen in Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO sind diese Zweifel jedoch ausgeräumt worden.1235 c) Maßgeblicher Zeitpunkt aa) Problembeschreibung und Meinungsstand Bis zu welchem Zeitpunkt ein Beklagter den Mangel der Zuständigkeit geltend machen kann, regelt Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO nicht. Im Ausgangspunkt dürfte dabei aber unstreitig sein, dass die Zuständigkeitsrüge jedenfalls nicht mehr nach einer wirksamen Einlassung im Sinne des Art. 24 Brüssel I-VO erfolgen kann. Denn das vom Kläger angerufene Gericht ist zu diesem Zeitpunkt durch das eigenverantwortliche Verhalten des Beklagten bereits zuständig. Durch eine spätere Zuständigkeitsrüge setzt sich der Beklagte deshalb nicht nur in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten. Vielmehr besteht hierdurch auch die Gefahr, dass die im Vertrauen auf die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vorgenommenen zeit- und kostenintensiven Verhandlungen zu anderen Verfahrens- und Sachfragen nutzlos werden. Angesichts der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie und Prozessökonomie ist daher eine spätere Zuständigkeitsrüge präkludiert. Die Zuständigkeitsrüge muss demnach spätestens dann erfolgen, wenn der Beklagte sich zu anderen Verfahrens- und Sachfragen äußert und dadurch die Zuständigkeit nach Art. 24 Brüssel I-VO begründen kann.1236 Dies hat der EuGH bereits frühzeitig festgestellt und ausgeführt, dass „die Rüge der fehlenden Zuständigkeit, soweit sie nicht vor jedem Vortrag zur Hauptsache vorgebracht wird, keinesfalls mehr nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhoben werden kann, die nach dem

1233

EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a.), Rs. C-201/82, Slg. 1983, 2503, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 14; BGHZ 186, 81 (85) = NJW 2010, 3452 (3452 f.); BGH NJW 2009, 148 (149 f.); BGH NJW-RR 2008, 156; BGH NJW 2006, 1806; BGHZ 157, 224 (229) = NJW 2004, 1456 (1457); BGH NJW 1999, 2442; OLG Dresden IHR 2008, 162 (163); OLG Oldenburg IHR 2008, 112 (119); OLG Köln IHR 2007, 164 (165); Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 24 EuGVVO Rn. 55; Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 35; MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 9; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 11; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 4; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 21; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 24 EuGVVO Rn. 2; Hk-ZPO/ Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 7; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 563 f.; Junker, IZPR, § 16 Rn. 7; Leible/Sommer, IPRax 2006, 568. 1234 Dazu ausführlich: O. Sandrock, ZVglRWiss 78 (1979), 177 ff. m.w.N. 1235 Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 11; Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 35; Schack, IZVR, § 9 Rn. 551; Leible/Sommer, IPRax 2006, 568. 1236 Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 185 f.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist“.1237 In Hinblick auf den deutschen Zivilprozess bestehen allerdings verschiedene Ansichten, zu welchem Zeitpunkt die Zuständigkeitsrüge des Beklagten präkludiert ist.1238 Einerseits wird vertreten, dass der Beklagte die Zuständigkeitsrüge bereits mit der Klageerwiderung vorzubringen hat und somit spätere Zuständigkeitsrügen in den übrigen vorbereitenden Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung präkludiert sind.1239 Andererseits wird es dem Beklagten aber auch gestattet, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts noch bis zu Beginn der mündlichen Verhandlung zu rügen.1240 bb) Stellungnahme Betrachtet man allein das deutsche Zivilprozessrecht, erscheint die Auffassung vorzugswürdig, welche eine Zuständigkeitsrüge in der mündlichen Verhandlung genügen lässt. Denn der deutsche Zivilprozess wird vom Grundsatz der Mündlichkeit beherrscht (§ 128 ZPO).1241 Das Verteidigungsvorbringen in der Klageerwiderung wird daher erst durch den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zum relevanten Prozessstoff für das angerufene Gericht.1242 Die Klageerwiderung stellt somit als vorbereitender Schriftsatz im Sinne des § 129 ZPO lediglich eine Ankündigung des Beklagtenvortrags in der mündlichen Verhandlung dar.1243 Dementsprechend würde eine Einlassung erst mit dem entsprechenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung eine zuständigkeitsbegründende Wirkung zukommen, wie dies auch in § 39 ZPO angedacht ist. Eine Zuständigkeitsrüge wäre folglich bis zu diesem Zeitpunkt noch möglich. Allerdings verkennt eine solche auf das deutsche Zivilprozessrecht beschränkte Betrachtungsweise den verordnungsautonomen Einlassungsbegriff des Art. 24 Brüssel I-VO. Hiernach kann grundsätzlich jede Verteidigungshandlung des Be1237

EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 16. Zu den Besonderheiten der Arbeitsgerichtsbarkeit: BAG NZA 2008, 1084 (1084 f.) und zuvor bereits LAG Frankfurt a. M. IPRax 2008, 131 (133). Siehe dazu auch: Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 15. 1239 BGH NJW 2015, 2667; BGHZ 190, 28 (40) = NJW 2011, 2809 (2812); OLG Frankfurt a. M. IPRax 2000, 525; OLG Hamm RIW 1999, 540; OLG Koblenz RIW 1993, 934 (935); LG Kiel IPRax 2009, 164 (165); Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 24; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 15; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 24 EuGVVO Rn. 36; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 24 EuGVVO Rn. 2. 1240 BGHZ 134, 127 (134 ff.) = NJW 1997, 397 (398 f.); OLG Dresden NJW-RR 2009, 1295 (1295 f.); MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 7; Leipold, IPRax 1982, 222 (223 f.). 1241 Dazu ausführlich: Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 79 Rn. 1 ff.; Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 439 ff. 1242 BGHZ 134, 127 (136) = NJW 1997, 397 (398 f.); Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 79 Rn. 1 ff. 1243 Thomas/Putzo/Reichold, § 129 ZPO Rn. 1. 1238

§ 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO

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klagten als Einlassung angesehen werden, die unmittelbar auf Abweisung der Klage gerichtet ist.1244 Insbesondere unterscheidet Art. 24 Brüssel I-VO nicht danach, ob die Einlassung in einem schriftlichen Verfahren oder in der mündlichen Verhandlung erfolgt. Die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 24 Brüssel I-VO bestimmt vielmehr selbstständig und unabhängig von nationalen Verfahrensgrundsätzen die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer Einlassung auf das Verfahren, obschon es dafür auf die nach dem Verfahrensrecht der lex fori konkret zur Verfügung stehenden Verteidigungshandlungen zurückgreifen muss.1245 Dies entspricht überdies dem mit der Brüssel I-VO angestrebten Ziel, die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit zu vereinheitlichen.1246 Folglich wird das vom Kläger angerufene Gericht bereits durch die Einlassung des Beklagten in der Klageerwiderung nach Art. 24 Brüssel I-VO zuständig und damit eine spätere Zuständigkeitsrüge trotz des Grundsatzes der Mündlichkeit im deutschen Zivilprozess präkludiert. Der Beklagte kann jedoch immer dann zu Beginn der mündlichen Verhandlung die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts rügen, wenn er sich zuvor überhaupt nicht zur Klage geäußert hat.1247 Denn in einer solchen Konstellation ist noch keine Einlassung im Sinne des Art. 24 Brüssel I-VO gegeben, welche eine Präklusion der Zuständigkeitsrüge in der mündlichen Verhandlung gebieten würde. Allenfalls die nationalen Präklusionsvorschriften der §§ 282 Abs. 3 Satz 2 und 296 Abs. 3 ZPO könnten dem entgegengehalten werden.1248 Dies wird jedoch von der weit überwiegenden Meinung zu Recht abgelehnt.1249 Im Zuständigkeitssystem der Brüssel IVO ist der Beklagte nämlich gerade nicht dazu verpflichtet, auf eine Klage vor einem international unzuständigen Gericht zu reagieren und die mangelnde Zuständigkeit geltend zu machen. Nach Art. 26 Abs. 1 Brüssel I-VO hat das angerufene Gericht sogar dann von Amts wegen seine Unzuständigkeit festzustellen, wenn der Beklagte vollkommen untätig bleibt und nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint.1250 Erscheint der Beklagte zur mündlichen Verhandlung und macht die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts geltend, muss er folglich erst recht mit seinem Anliegen

1244

Rn. 7. 1245

Statt aller: OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (336); Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO

Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 186 f. Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 190. 1247 Musielak/Voit/Stadler, Art. 24 EuGVVO Rn. 3; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 24 EuGVVO Rn. 36. 1248 So etwa: Leipold, IPRax 1982, 222 (224); wohl auch: Schack, IZVR, § 9 Rn. 553. 1249 BGHZ 134, 127 (135 f.) = NJW 1997, 397 (399); Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 25; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 15; MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 7; Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 24 EuGVVO Rn. 37; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 6; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 192 f. 1250 Kropholler/von Hein, Art. 26 EuGVO Rn. 1. 1246

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

gehört werden.1251 Die Anwendung der nationalen Präklusionsvorschriften würde den Beklagten im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO somit zur Untätigkeit zwingen. Dies kann mit Blick auf die Sicherung des rechtlichen Gehörs nicht ernstlich gewollt sein. Ferner können der Anwendung der Präklusionsvorschriften dogmatische Bedenken entgegengebracht werden. Denn die Anwendung nationaler Verfahrensvorschriften durch deutsche Gerichte würde voraussetzen, dass diese überhaupt international zuständig sind. Dies kann nach Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO jedenfalls nicht mit Blick auf die Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung angenommen werden, da dieser hier die mangelnde Zuständigkeit des angerufenen Gerichts geltend macht. Ebenso wenig kann die anfängliche Untätigkeit des Beklagten als Einlassung im Sinne des Art. 24 Brüssel I-VO angesehen werden.1252 Ein deutsches Gericht, das seine nationalen Präklusionsvorschriften anwendet und die Zuständigkeitsrüge des Beklagten zurückweist, würde insoweit zirkulär seine Zuständigkeit voraussetzen.1253 Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der Beklagte im deutschen Zivilprozess die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts stets in seiner ersten Verteidigungshandlung geltend machen muss. Regelmäßig ist er daher verpflichtet, bereits in der Klageerwiderung die mangelnde Zuständigkeit des Gerichts geltend zu machen. In der mündlichen Verhandlung kann er die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts nur ausnahmsweise dann rügen, wenn er zuvor untätig geblieben ist. 2. Ausschließliche Zuständigkeiten Nach Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO kommt der rügelosen Einlassung des Beklagten allerdings dann keine Wirkung zu, wenn andere Gerichte aufgrund des Art. 22 Brüssel I-VO ausschließlich zuständig sind. Vielmehr hat das angerufene Gericht nach Art. 25 Brüssel I-VO stets von Amts wegen die ausschließliche Zuständigkeit anderer mitgliedstaatlicher Gerichte zu prüfen.1254 Ein Verstoß gegen Art. 22 Brüssel I-VO stellt nach Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO sogar einen Versagungsgrund für die Anerkennung der gerichtlichen Entscheidung dar. Das angerufene Gericht darf daher eine rügelose Einlassung des Beklagten (Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO) ebenso wenig wie eine Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO) zum Anlass nehmen, von einer Prüfung der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 Brüssel I-VO abzusehen. Die Einhaltung des Art. 22 Brüssel I-VO wird 1251 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 25; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 15; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 193. 1252 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 28; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 4. 1253 Vgl. BGHZ 134, 127 (136) = NJW 1997, 397 (398 f.). 1254 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 41.

§ 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO

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somit in der Brüssel I-VO vollumfänglich abgesichert und damit den zugrundeliegenden Zuständigkeitserwägungen eine besondere Bedeutung beigemessen.1255 Soweit man Art. 22 Brüssel I-VO eine Reflexwirkung (effet réflexe) zugunsten von Drittstaaten zuerkennt, könnten auch drittstaatliche ausschließliche Zuständigkeiten der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer rügelosen Einlassung entgegenstehen.1256 Dies ist allerdings de lege lata abzulehnen.1257 Eine rügelose Einlassung kann ebenso wie eine Gerichtsstandsvereinbarung auf die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie zurückgeführt werden.1258 Nach Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO wird die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie jedoch nur durch die in dieser Verordnung festgelegten ausschließlichen Zuständigkeiten beschränkt.1259 Eine analoge und reflexartige Anwendung des Art. 22 Brüssel I-VO wäre zudem schwerlich mit dem Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO zu vereinbaren. 3. Belehrung über Unzuständigkeit a) Nationale Belehrungspflichten der lex fori Aus deutscher Sicht muss der Beklagte in amtsgerichtlichen Verfahren über die internationale Unzuständigkeit des Gerichts und die Folgen einer rügelosen Einlassung nach § 39 Satz 2 ZPO i.V.m. § 504 ZPO belehrt werden.1260 Eine entsprechende Pflicht zur Belehrung ist in Art. 24 Brüssel I-VO indes nicht enthalten. Dennoch wird die zuständigkeitsbegründende Wirkung des Art. 24 Brüssel I-VO vereinzelt davon abhängig gemacht, dass eine den richterlichen Hinweispflichten der lex fori entsprechende Belehrung erfolgt.1261 Dies wird jedoch weit überwiegend zu Recht abgelehnt.1262 Denn Art. 24 Brüssel I-VO enthält gerade keine nur bruchstückhafte Regelung der rügelosen Einlas1255

Siehe zu den Zuständigkeitserwägungen oben unter Teil 2, § 6, F. Zum Streitstand etwa: Kropholler/von Hein, Art. 22 EuGVO Rn. 7; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 2b ff.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 22 EuGVVO Rn. 13 f. 1257 So bereits bei Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO, vgl. Teil 2, § 7, D.II. 1258 Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (552 f.). 1259 Vgl. auch: Stein/Jonas/Wagner, Art. 22 EuGVVO Rn. 10. 1260 BGH NJW 1979, 1104; Zöller/Vollkommer, § 39 ZPO Rn. 10; MüKoZPO/Deubner, § 504 ZPO Rn. 4; Musielak/Wittschier, § 504 ZPO Rn. 2. 1261 MüKoZPO/Patzina, § 39 ZPO Rn. 15; MüKoZPO/Deubner, § 504 ZPO Rn. 4; Leipold, IPRax 1982, 222 (224). 1262 Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 5; MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 5; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 16 f.; Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 6; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 13 ff.; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 6; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 227 ff.; Schack, § 9 Rn. 551; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 1919. 1256

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sung.1263 Vielmehr werden in Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO abschließend die Fälle aufgezählt, in denen eine Einlassung ausnahmsweise keine zuständigkeitsbegründende Wirkung hat.1264 Überdies würde ein Rückgriff auf die richterlichen Hinweispflichten der lex fori die mit der Brüssel I-VO angestrebte Vereinheitlichung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit konterkarieren.1265 Daher tritt die zuständigkeitsbegründende Wirkung des Art. 24 Brüssel I-VO unabhängig von einer richterlichen Belehrung ein, wenngleich dem Beklagten im internationalen Rechtsverkehr sicherlich eine erhöhte Schutzbedürftigkeit attestiert werden kann. Angesichts der verfahrensrechtlichen Besonderheiten der lex fori und der internationalverfahrensrechtlichen Fragestellungen wird ein Beklagter vielfach die Auswirkungen seiner Verteidigungshandlungen auf das Verfahren nämlich nicht überblicken können. Dies hat der EuGH mittlerweile bestätigt und darauf hingewiesen, dass eine richterliche Belehrungspflicht nur durch die Schaffung einer ausdrücklichen Regelung in der Brüssel I-VO begründet werden könnte.1266 Zugleich stellte er fest, dass es dem angerufenen Gericht zumindest in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen jedoch stets frei stehe, einen hiernach schutzbedürftigen Beklagten über die Folgen der Einlassung zu belehren.1267 In Deutschland kommt dem der weiterhin gebotene Hinweis gemäß § 504 ZPO nach, obschon seine Unterlassung nicht der zuständigkeitsbegründenden Wirkung der rügelosen Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO entgegensteht.1268 b) Belehrungspflicht aufgrund der Klauselrichtlinie Aufgrund der Klauselrichtlinie wird verschiedentlich vertreten, dass sich eine richterliche Belehrungspflicht ausnahmsweise bei vorformulierten Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen ergeben könne.1269 Denn ein mitgliedstaatliches Gericht sei im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO dazu verpflichtet, die Missbräuchlichkeit von Gerichtsstandsklauseln nach Maßgabe der Klauselrichtlinie von 1263

So aber: Leipold, IPRax 1982, 222 (224); MüKoZPO/Patzina, § 39 ZPO Rn. 15. Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 15; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 566. 1265 Erwägungsgrund Nr. 2 zur Brüssel I-VO; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 15. 1266 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 31 f. 1267 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 32. 1268 Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 6; MüKo/ZPO-Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 5; a.A.: Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 229, welche die Hinweispflicht nach § 504 ZPO generell nicht mehr für geboten erachtet, aber zu dessen freiwilliger Beachtung rät. 1269 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 17; Hk-ZPO/ Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 24 EuGVVO Rn. 6; Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 18; Mayr, in: B/N/G/S, Art. 24 EuGVO Rn. 31; Musielak/Voit/Stadler, Art. 24 EuGVVO Rn. 3; Staudinger, IPRax 2011, 548 (552); Pfeiffer, NJW 2009, 2369. 1264

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Amts wegen zu überprüfen.1270 Der damit bezweckte Verbraucherschutz dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass sich der Verbraucher in Unkenntnis der Missbräuchlichkeit auf das Verfahren vor dem in der Gerichtsstandsklausel bezeichneten Gericht einlässt.1271 Das angerufene Gericht habe vielmehr den Verbraucher auf die Missbräuchlichkeit und Unverbindlichkeit der Gerichtsstandsklausel hinzuweisen.1272 Folglich seien die richterlichen Belehrungspflichten der lex fori entsprechend richtlinienkonform anzuwenden. Im deutschen Recht wären demnach das Amts- und Landgericht gleichermaßen verpflichtet, den Verbraucher auf die Missbräuchlichkeit der Gerichtsstandsklausel und die Folgen seiner Einlassung hinzuweisen.1273 Dies könne durch eine richtlinienkonforme Anwendung des § 504 ZPO oder § 139 Abs. 3 ZPO erfolgen.1274 Eine richterliche Belehrungspflicht aufgrund der Klauselrichtlinie ist für Art. 24 Brüssel I-VO allerdings abzulehnen. Ein mitgliedstaatliches Gericht ist im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO nämlich nicht dazu verpflichtet, die Missbräuchlichkeit einer Gerichtsstandsklausel anhand der Klauselrichtlinie von Amts wegen zu überprüfen.1275 Vielmehr ist der prozessuale Verbraucherschutz für formularmäßige Gerichtsstandsvereinbarungen abschließend in den Art. 15 ff. Brüssel I-VO geregelt.1276 Überdies sind die Ausnahmen der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer Einlassung in Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO umfassend und abschließend normiert.1277 Damit wird selbst eine Belehrungspflicht unionsrechtlicher Herkunft verdrängt. Auch insofern wäre daher eine ausdrückliche Regelung der Belehrungspflicht notwendig.1278 4. Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen Ausschließliche Zuständigkeiten bestehen nicht nur nach Art. 22 Brüssel I-VO. Den Parteien steht es nach Art. 23 Brüssel I-VO vielmehr frei, eine ausschließliche 1270 Thomas/Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 18; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 17; Staudinger, IPRax 2011, 548 (552). 1271 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 17; Staudinger, IPRax 2011, 548 (552). 1272 Vgl. für einen entsprechenden Hinweis in reinen Inlandssachverhalten auch: EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009 (Pannon GSM), Rs. C-243/08, Slg. 2009, I-4713, Rn. 33. 1273 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 17; Pfeiffer, NJW 2009, 2369. 1274 Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 17; Thomas/Putzo/ Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 18. 1275 Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, B.II.3.b)cc). 1276 Statt aller: MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 73; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 23 EuGVVO Rn. 31. 1277 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 23 f.; vgl. auch: Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 15. 1278 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 32.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats zu vereinbaren. Es kann demnach gefragt werden, ob die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer rügelosen Einlassung auch dann eingeschränkt werden muss, wenn ein anderes Gericht oder andere Gerichte eines Mitgliedstaats infolge einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich zuständig sind. Diese Frage ist jedoch mit der herrschenden Meinung zu verneinen.1279 Nach dem Wortlaut des Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO kommt einer rügelosen Einlassung nämlich nur bei den ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 Brüssel I-VO keine zuständigkeitsbegründende Wirkung zu. Die Regelung des Art. 23 Brüssel I-VO ist hingegen nicht aufgeführt.1280 Eine entsprechende Einschränkung für parteiautonom begründete ausschließliche Zuständigkeiten ist daher bereits im Wege der grammatikalischen Auslegung des Art. 24 Brüssel I-VO abzulehnen.1281 Zudem gebieten weder systematische noch teleologische Erwägungen die Gleichstellung von parteiautonom begründeten und gesetzlich normierten ausschließlichen Zuständigkeiten.1282 Vielmehr zeigen die Art. 25 und 35 Abs. 1 Brüssel I-VO, dass vor allem der Einhaltung des Art. 22 Brüssel I-VO im Rahmen der Brüssel I-VO eine besondere Bedeutung beigemessen wird.1283 Überdies steht es den Parteien jederzeit frei, die in ihrer Gerichtsstandsvereinbarung getroffene Zuständigkeitswahl wieder einverständlich aufzuheben oder abzuändern.1284 Warum dies anders sein soll, sobald ein gerichtliches Verfahren durch eine Partei eingeleitet wurde, ist in Hinblick auf die grundsätzlich in der Brüssel I-VO gewährte zuständigkeitsrechtliche Parteiautono-

1279 EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 10 f.; EuGH, Urt. v. 7. 3. 1985 (Spitzley), RS. C-48/84, Slg. 1985, 787, Rn. 24 ff.; EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 49; EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 25; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 45; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 12; Stein/Jonas/ Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 37; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 17; Calvo Caravaca/Carrascosa González, in: Magnus/Mankowski, Art. 24 Brussels I Regulation Rn. 25; Mayr, in: B/N/G/S, Art. 24 EuGVO Rn. 33; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 115 f.; Kohler, IPRax 1983, 265 (272). 1280 Zur engen Auslegung des Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO: EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 23 f. 1281 EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 10; EuGH, Urt. v. 7. 3. 1985 (Spitzley), Rs. C-48/84, Slg. 1985, 787, Rn. 24; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 115; Kohler, IPRax 1983, 265 (272). 1282 EuGH, Urt. v. 24. 06. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 10; EuGH, Urt. v. 07. 03. 1985 (Spitzley), Rs. C-48/84, Slg. 1985, 787, Rn. 25; Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 37. 1283 Dazu bereits oben unter Teil 2, § 8, C.II.2. 1284 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuVVO Rn. 45; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 17; Calvo Caravaca/Carrascosa González, in: Magnus/Mankowski, Art. 24 Brussels I Regulation Rn. 25; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 115 f.

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mie nicht ersichtlich.1285 Die Parteien können daher noch in einem gerichtlichen Verfahren darauf verzichten, sich auf eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zu berufen.1286 5. Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen a) Problembeschreibung und Meinungsstand Innerhalb der Brüssel I-VO wird nicht nur der Einhaltung der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 Brüssel I-VO eine besondere Bedeutung beigemessen, sondern auch dem Schutz der typischerweise schwächer angesehenen Partei.1287 Für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen existieren selbstständige und erschöpfende Sondervorschriften, die insbesondere die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie beschränken.1288 Zumindest die Verletzung der Sondervorschriften für Versicherungs- und Verbrauchersachen führt nach Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO sogar dazu, dass ausnahmsweise die Anerkennung einer Entscheidung versagt werden kann.1289 Es verwundert daher nicht, dass gelegentlich die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer rügelosen Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO bei Verfahren in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen abgelehnt wird.1290 Weit überwiegend wird der rügelosen Einlassung aber auch insofern eine zuständigkeitsbegründende Wirkung zugestanden.1291 Zumindest für Versicherungssachen hat der EuGH mittlerweile die herrschende Meinung bestätigt.1292 Dabei wird weithin die 1285 Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO; Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 12; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 45; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 115 f. 1286 EuGH, Urt. v. 09. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 49. 1287 Erwägungsgrund Nr. 13 zur Brüssel I-VO. Dazu ausführlich unter Teil 2, § 6, E. 1288 Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO; Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (28 ff.); Kropholler/von Hein, vor Art. 8 EuGVO Rn. 1; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 4. Zur Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen innerhalb der Sondervorschriften ausführlich unter Teil 2, § 7, E.III. 1289 Kropholler/von Hein, vor Art. 8 EuGVO Rn. 4. Kritisch zur fehlenden Aufnahme der Sondervorschriften für Arbeitssachen in Art. 35 Abs. 1 EuGVVO: Hess, EuZPR, § 6 Rn. 215; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 35 Brüssel I-VO Rn. 12. 1290 Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Art. 17 Brussels I Regulation Rn. 15; Mankoswki, RIW 2010, 667 ff.; Mankowski, IPRax 2001, 310 ff.; Richter, RIW 2006, 578 ff. 1291 OLG Köln RIW 2004, 866 (867); OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (334 f.); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 36 ff.; MüKoZPO/Gottwald, Art. 24 EuGVO Rn. 3; Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 38; Schlosser, EuZPR (3. Aufl. 2009), Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Kropholler/von Hein, vor Art. 24 EuGVO Rn. 16; Calvo Caravaca/ Carrascosa González, in: Magnus/Mankowski, Art. 24 Brussels I Regulation Rn. 24; Nagel/ Gottwald, § 3 Rn. 252; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 596 f.; SchulteBeckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 115 f. 1292 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 26.

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

Begründung des EuGH als verallgemeinerungsfähig angesehen und die Entscheidung ebenso auf Verbraucher- und Arbeitssachen übertragen.1293 b) Stellungnahme Betrachtet man zunächst den Wortlaut des Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO, erscheint die herrschende Meinung und die Rechtsprechung des EuGH vorzugswürdig. Denn die Ausnahmeregelung des Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO enthält keinerlei Bezugnahme auf die Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen. Im Umkehrschluss daraus ist eine ungeschriebene Ausnahme der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer Einlassung zugunsten schutzbedürftiger Personen abzulehnen.1294 Allerdings wird dem entgegengehalten, dass die Ausnahmevorschrift des Art. 24 Satz 2 Var. 2 Brüssel I-VO nur rein deklaratorischen Charakter habe und damit einen solchen Umkehrschluss gar nicht tragen könne.1295 Dies kann indes nicht überzeugen. Zwar ist es richtig, dass die ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 Brüssel IVO aus sich heraus gelten, ohne dass es einer gesonderten Erwähnung in der ausgeschlossenen Zuständigkeitsvorschrift bedarf.1296 Allein deshalb den umfassenden und abschließenden Charakter des Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO zu relativieren und damit den Umkehrschluss zu verneinen, leuchtet allerdings nicht ein. So wird übersehen, dass mit Art. 24 Satz 2 Var. 1 Brüssel I-VO eine weitere Ausnahme existiert, der man keinen deklaratorischen Charakter beimessen kann. Selbst wenn man auch diese Ausnahmeregelung als eine Selbstverständlichkeit ansehen würde, unterstreicht es dennoch in der Zusammenschau mit dem deklaratorischen Hinweis auf Art. 22 Brüssel I-VO den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung. Denn wenn der Verordnungsgeber bereits verordnungsimmanente und selbstverständliche Beschränkungen der Einlassung ausdrücklich erwähnt, spricht dies doch im Umkehrschluss erst recht gegen die Zulässigkeit weiterer ungeschriebener Ausnahmen.1297 Dies gilt umso mehr, als der EuGH Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO als Ausnahmevorschrift eng auslegt.1298 1293 Calvo Caravaca/Carrascosa González, in: Magnus/Mankowski, Art. 24 Brussels I Regulation Rn. 24; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 16; Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 39; Staudinger, IPRax 2011, 548 (553); Sperlich/Wolf, VersR 2010, 1101. 1294 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 24; OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (335); Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 11; Calvo Caravaca/Carrascosa González, in: Magnus/Mankowski, Art. 24 Brussels I Regulation Rn. 24; Sperlich/Wolf, VersR 2010, 1101. 1295 Mankoswki, RIW 2010, 667 (668); Mankowski, IPRax 2001, 310 (311); Richter, RIW 2006, 578 (579 f.). 1296 Mankoswki, RIW 2010, 667 (668); Richter, RIW 2006, 578 (580). 1297 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 583. 1298 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 23 mit insofern zust. Anm. von Staudinger, IPRax 2011, 548 (549).

§ 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO

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Ebenso wenig überzeugt es, die fehlende Bezugnahme auf die Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen in Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO als reines Redaktionsversehen abzutun.1299 Die Entstehungsgeschichte zeigt vielmehr, dass der Verordnungsgeber ganz bewusst von einer Bezugnahme der Sondervorschriften abgesehen hat. Der für die historische Auslegung bedeutsame Jenard-Bericht erachtet nämlich eine Abweichung von den damaligen Sondervorschriften zum Schutz bestimmter Personenkreise durch eine rügelose Einlassung für möglich und erklärt zugleich eine ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Vertragsstaats zum einzigen Fall, in dem eine rügelose Einlassung keine zuständigkeitsbegründende Wirkung hat.1300 Gegen ein reines Redaktionsversehen spricht zudem der Vergleich mit der Regelung der Gerichtsstandsvereinbarung in Art. 23 Brüssel I-VO. Denn diese nimmt ihrerseits in Art. 23 Abs. 5 Brüssel I-VO auf die Sondervorschriften der Art. 13, 17 und 21 Brüssel I-VO ausdrücklich Bezug. Es erscheint daher auch in systematischer Hinsicht unwahrscheinlich, dass eine solche Bezugnahme im benachbarten Art. 24 Brüssel I-VO schlichtweg vergessen wurde.1301 Die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer rügelosen Einlassung könnte trotz der fehlenden Bezugnahme in Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO jedoch dann eingeschränkt sein, wenn die Sondervorschriften zum Schutz bestimmter Personenkreise abschließend die Zuständigkeiten regeln und ebenfalls aus sich heraus gelten, ohne dass es einer besonderen Erwähnung in den verdrängten Zuständigkeitsvorschriften bedarf.1302 Für einen abschließenden Charakter der Sondervorschriften sprechen die Art. 8, 15 und 18 Brüssel I-VO.1303 Hiernach bestimmt sich die Zuständigkeit in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen unbeschadet des Art. 4 und Art. 5 Abs. 5 Brüssel I-VO nach dem jeweils nachfolgenden Abschnitt. Der EuGH hat in der Rechtssache Laboratoires Glaxosmithkline daher für Arbeitssachen festgestellt, dass die Sondervorschriften zum Schutz des Arbeitnehmers abschließend sind und diese nur insoweit durch andere Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO abgeändert oder ergänzt werden können, als die Sondervorschriften des 5. Abschnitts selbst ausdrücklich auf sie verweisen.1304 Auf den ersten Blick spricht dies zwar dafür, mangels ausdrücklicher Verweisung auf Art. 24 Brüssel I-VO eine Abweichung von den Sondervorschriften in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen durch eine rügelose Einlassung für nicht möglich zu erachten. Jedoch lässt sich 1299

In diese Richtung aber: Mankowski, IPRax 2001, 310 (311). Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (29 und 38). Siehe auch: OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (335); Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 114; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 583 f. 1301 Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 38; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 584 f. 1302 Mankowski, RIW 2010, 667 (670); Richter, RIW 2006, 578 (579). 1303 Mankowski, RIW 2010, 667 (668 und 670); Richter, RIW 2006, 578 (579). 1304 EuGH, Urt. v. 22. 5. 2008 (Laboratoires Glaxosmithkline), Rs. C-462/06, Slg. 2008, I-3965, Rn. 19. 1300

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Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

ein solches Verständnis nicht mit der Entstehungsgeschichte in Einklang bringen. Der Jenard-Bericht geht nämlich davon aus, dass eine Abweichung von den Sondervorschriften zum Schutz bestimmter Personenkreise durch eine rügelose Einlassung möglich ist, obwohl er zugleich anerkennt, dass die jeweiligen Sondervorschriften selbstständig und erschöpfend die Zuständigkeit regeln.1305 Dieser scheinbare Widerspruch ist damit aufzulösen, dass die Sondervorschriften zum Schutz bestimmter Personengruppen nur im Verhältnis zu den Zuständigkeitsvorschriften des 1. und 2. Abschnitts der Brüssel I-VO einen abschließenden Charakter haben.1306 So betonte die Kommission im Rahmen des Vorschlags für die Brüssel IVO bei der Neufassung des 5. Abschnitts für Arbeitssachen, dass die Sondervorschriften des neugefassten Abschnitts lediglich an die Stelle der allgemeinen Vorschriften und besonderen Zuständigkeiten des 1. und 2. Abschnitts treten.1307 Hierauf weist auch der EuGH in der Rechtssache Laboratoires Glaxosmithkline hin.1308 Dementsprechend verweisen die Art. 13, 17 und 21 Brüssel I-VO auch nicht auf Art. 23 Brüssel I-VO und ermöglichen somit eine Abweichung von den jeweiligen Sondervorschriften im Wege der Vereinbarung, sondern beschränken diese bereits bestehende Möglichkeit lediglich.1309 Folgerichtig kann den Art. 8, 15 und 18 Brüssel I-VO nicht entnommen werden, dass die jeweiligen Sondervorschriften die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 24 Brüssel I-VO verdrängen und somit die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer rügelosen Einlassung einschränken.1310 Damit bleiben lediglich teleologische Erwägungen, um Art. 24 Satz 2 Brüssel IVO mit einer ungeschriebenen Ausnahme zugunsten der Sondervorschriften in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen zu erweitern. Für eine solche Erweiterung spricht zunächst der mit den Sondervorschriften bezweckte Schutz der schwächeren Partei.1311 Die Sondervorschriften zum Schutz der schwächeren Partei haben nicht nur im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO eine gesonderte Stellung erhalten. Der Schutz der schwächeren Partei wird außerdem in Erwägungsgrund Nr. 13 zur Brüssel I-VO hervorgehoben und damit dessen Beachtung bei der teleologischen Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften eingefordert. Die besondere Bedeutung des Schutzzwecks tritt überdies deutlich in Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO hervor, der zugunsten der Sondervorschriften für die Versicherungs- und Verbrauchersachen sogar eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Nachprüfung 1305

Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (29 f.). Nach dem OLG Koblenz dient der Hinweis in der Vorgängervorschrift des Art. 15 Brüssel I-VO sogar lediglich dazu, die besonderen Zuständigkeiten des 2. Abschnitts auszuschließen, vgl. OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (335). 1307 Begründung des Kommissionsvorschlags Brüssel I-VO, KOM(1999) 348 endg., S. 19. 1308 EuGH, Urt. v. 22. 5. 2008 (Laboratoires Glaxosmithkline), Rs. C-462/06, Slg. 2008, I-3965, Rn. 24. 1309 A.A.: Mankowski, RIW 2010, 667 (669). 1310 Ebenso: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 585 ff. 1311 Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Art. 17 Brussels I Regulation Rn. 15 f.; Mankowski, RIW 2010, 667 (669 f.). 1306

§ 8 Rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO

239

der internationalen Zuständigkeit macht.1312 Demgegenüber zeigen die Art. 13, 17 und 21 Brüssel I-VO, dass der Schutz der schwächeren Parteien in der Brüssel I-VO nicht absolut ist.1313 Vielmehr wird trotz des besonders bedeutsamen Schutzzwecks auch der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie in begrenztem Umfang Raum gegeben.1314 Insbesondere wird stets dann eine Abweichung von den Sondervorschriften für möglich erachtet, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird.1315 Denn nach Entstehung der Streitigkeit ist selbst eine rechtlich unerfahrene Partei hinreichend sensibilisiert und kann die Tragweite ihres Handelns überblicken.1316 Da sich die rügelose Einlassung ebenfalls auf die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie zurückführen lässt und nicht nur das Bestehen einer Streitigkeit voraussetzt, sondern sogar die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens, erscheint dieser Grundgedanke auf Art. 24 Brüssel I-VO übertragbar zu sein.1317 Gegen eine Übertragung spricht allerdings, dass angesichts der rechtlichen Komplexität von grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten bezweifelt werden kann, dass eine schutzbedürftige Partei die rechtlichen Folgen einer Einlassung auf die Klage überblicken kann.1318 Die Einlassung vor einem unzuständigen Gericht kann damit sowohl bewusst als auch aus schlichter Unkenntnis der Rechtslage erfolgen. Dies gesteht auch der EuGH in der Rechtssache Bilas implizit zu.1319 Dennoch beschränkt er weder die zuständigkeitsbegründende Wirkung des Art. 24 Brüssel I-VO, noch macht er sie davon abhängig, dass der Beklagte umfassende Kenntnis von den Folgen seiner Einlassung auf das Verfahren hat. Denn eine umfassende Beschränkung der zuständigkeitsbegründenden Wirkung zugunsten schutzbedürftiger Parteien nehme jedenfalls der in Kenntnis der Rechtslage handelnden schutzbedürftigen Partei die Freiheit, sich vor einem unzuständigen Gericht einzulassen.1320 Das damit einhergehende Schutzdefizit sei de lege lata hinzunehmen, da vom angerufenen Gericht nicht abverlangt werden könne, die schwächere Partei über die rechtlichen Folgen der Einlassung in Kenntnis zu setzen.1321 Dies mag man aus guten Gründen kritisieren. Jedoch zeigt diese Argumentation bereits, dass die Schaffung einer ungeschriebenen Ausnahme in Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO

1312

Kritisch zu dieser Ausnahme: Kropholler/von Hein, Art. 35 EuGVVO Rn. 7. OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (335). 1314 Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel I-VO. 1315 Siehe oben unter Teil 2, § 7, E.III.1. 1316 Kropholler/von Hein, Art. 13 EuGVO Rn. 2; Heiss, in: Magnus/Mankowski, Art. 13 Brussel I Regulation Rn. 8; Junker, NZA 2005, 199 (201). 1317 So etwa: Rauscher/Staudinger (Bearbeitung 2010), Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 11; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 113. 1318 Mankowki, IPRax 2001, 310 (313); Mankowski, RIW 2010, 667 (668 ff.). 1319 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 31 f. 1320 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 30. 1321 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 31 f. Siehe auch oben unter Teil 2, § 8, C.II.3. 1313

240

Teil 2: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel I-VO

aufgrund von bloßen Schutzerwägungen selbst gewisse Unstimmigkeiten hervorrufen würde. Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass der Wortlaut, die Systematik und die Entstehungsgeschichte dafür sprechen, dass Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO umfassend und abschließend die zulässigen Einschränkungen der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer Einlassung aufzählt. Die damit einhergehenden Schutzdefizite bei schwächeren Parteien sind zwar de lege ferenda zu kritisieren, de lege lata aber hinzunehmen. Dies gilt umso mehr, als die Schaffung eines ungeschriebenen Normelements stets mit Blick auf das ebenfalls bedeutsame Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO kritisiert werden könnte und eine weitere Ausnahme von der zuständigkeitsbegründenden Wirkung der rügelosen Einlassung auch nur zulasten der Prozessökonomie und zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie gehen würde.1322

§ 9 Fazit In der Brüssel I-VO wird die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie durch die Rechtsinstitute der Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung großzügig gewährt. Gerichtsstandsvereinbarungen werden grundsätzlich ermöglicht und den Parteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung ein beträchtlicher Gestaltungsspielraum eingeräumt. Hiervon macht die Brüssel I-VO lediglich in zwei Konstellationen eine Ausnahme. Einerseits können die Parteien durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht ein nach Art. 22 Brüssel I-VO ausschließlich zuständiges Gericht abwählen. Andererseits kann von den in der Brüssel I-VO enthaltenen Zuständigkeiten zum Schutz bestimmter Personengruppen nur sehr begrenzt im Wege einer Gerichtsstandsvereinbarung abgewichen werden. Freilich dürfte dieser konzeptionelle Grundsatz die praktische Ausnahme darstellen, weil in der Rechtspraxis wohl die Mehrzahl der Fälle angesichts der zahlenmäßigen Bedeutung von Verbrauchersachen unter die ausnahmsweise Begrenzung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie fallen wird. Aber selbst bei den praktisch bedeutsamen Verbrauchersachen ermöglicht der Verordnungsgeber unter bestimmten Voraussetzungen den Parteien eine parteiautonome Zuständigkeitsbegründung (vgl. Art. 17 Nr. 1 bis 3 Brüssel I-VO).1323 Demgegenüber wird nach Art. 24 Brüssel I-VO einer Partei nahezu unbegrenzt die Möglichkeit eingeräumt, die Zuständigkeit eines angerufenen Gerichts im Wege der rügelosen Einlassung parteiautonom zu begründen. Hiervon wird lediglich bei ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 Brüssel I-VO eine Ausnahme gemacht. Insbesondere existiert bei 1322

Erwägungsgrund Nr. 11 zur Brüssel I-VO. Vgl. auch Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 596. 1323 Ähnlich verhält es sich bei Versicherungs- und Arbeitssachen, vgl. Art. 13 und 21 Brüssel I-VO.

§ 9 Fazit

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der rügelosen Einlassung nicht die für Gerichtsstandsvereinbarungen geltende Ausnahme zugunsten bestimmter Personengruppen. In der Anwendung der einschlägigen Vorschriften bereitet zunächst die Bestimmung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs gewisse Schwierigkeiten. So ist sowohl Art. 23 Brüssel I-VO als auch Art. 24 Brüssel I-VO nicht auf reine Inlandssachverhalte anwendbar und der räumlich-persönliche Anwendungsbereich jener Vorschriften entsprechend teleologisch zu reduzieren. Ein reiner Inlandssachverhalt ist dabei allerdings bereits dann zu verneinen, wenn „die in einem Rechtsstreit in Rede stehende Situation Fragen hinsichtlich der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte aufwerfen kann“.1324 Ein Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat ist hingegen nicht erforderlich, sodass auch Drittstaatensachverhalte von den Vorschriften erfasst werden. Zugleich ist Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO der ratio legis entsprechend auszudehnen, sodass eine isolierte Derogation mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten und die mit einer Gerichtsstandsvereinbarung drittstaatlicher Gerichte einhergehende Derogation mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten ebenfalls anhand von Art. 23 Brüssel I-VO zu beurteilen sind. Daneben wirft bei Art. 23 Brüssel I-VO vor allem die materielle Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung eine Vielzahl von Fragen auf. Die Antworten darauf sind zunächst in der Brüssel I-VO selbst zu suchen. So ist die im Normtext erwähnte Vereinbarung unter Zuhilfenahme der verschiedenen Formerfordernisse als eine verordnungsautonome Regelung der Willenseinigung zu verstehen. Nur die darüber hinausgehenden Fragen der materiellen Wirksamkeit unterliegen dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten. Dabei ist das auf die Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht (Prorogationsstatut) eigenständig nach dem Internationalen Privatrecht des angerufenen Gerichts zu bestimmen und zwar mit Hilfe einer entsprechenden Anwendung der Rom I-VO. Hiervon ausgenommen sind freilich die Geschäftsfähigkeit und die Stellvertretung, welche selbstständig nach dem Internationalen Privatrecht des Gerichtsstaats anzuknüpfen sind. Das „Sprachrisiko“ und die ungeschriebene Missbrauchskontrolle unterliegen dabei jedoch einer differenzierten Bertrachtung.1325 Im Rahmen des Art. 24 Brüssel I-VO besteht vor allem noch bei der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Mangel der Zuständigkeit geltend gemacht kann, ein gewisser Klärungsbedarf. Insofern ist der Blick nicht auf die Bestimmungen des jeweiligen nationalen Verfahrensrechts zu beschränken. Ein deutsches Gericht wird etwa auch dann zuständig, wenn der Beklagte den Mangel der internationalen Zuständigkeit nicht bereits in der Klageerwiderung rügt, obschon die Klageerwiderung gemäß § 129 ZPO lediglich eine Ankündigung des Beklagtenvortrags in der mündlichen Verhandlung darstellt.

1324

EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 30. Zu diesen Grenzfällen des europäischen Vereinbarungskonzepts ausführlich oben unter: Teil 2, § 7, B.II.3. 1325

Teil 3

Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO § 10 Einleitung Am 12. Dezember 2012 verabschiedete der Verordnungsgeber die Neufassung der Brüssel I-VO und setzte damit den Schlusspunkt unter eine mehrjährige Reformdiskussion, die ihren Anfang am 21. April 2009 im Bericht der Kommission über die Anwendung der Brüssel I-VO und dem dazugehörigen Grünbuch zur Überprüfung der Brüssel I-VO nahm.1326 Der Bericht der Kommission basierte dabei auf verschiedenen wissenschaftlichen Studien,1327 von denen insbesondere die Studie über die Anwendung der Brüssel I-VO von den Professoren Hess, Pfeiffer und Schlosser sowie die Studie über die Restzuständigkeiten von Professor Nuyts hervorzuheben sind.1328 Obwohl die Brüssel I-VO insgesamt als ein „höchst erfolgreiches“ und von den Rechtsanwendern „sehr geschätztes“ Rechtsinstrument angesehen wurde, formulierte die Kommission in ihrem Bericht verschiedene Kritikpunkte, in denen die Funktionsweise der Brüssel I-VO noch verbessert werden könnte.1329 Im Grünbuch zur Überprüfung der Brüssel I-VO präsentierte die Kommission verschiedene Änderungsvorschläge und stellte diese zugleich zur Diskussion der interessierten Öffentlichkeit, der Mitgliedstaaten und sonstiger Institutionen.1330 Unter Berücksichtigung der im Rahmen des Konsultationsverfahrens abgegebenen Stellungnahmen veröffentliche die Kommission sodann einen ambitionierten Vorschlag zur Neufassung der Brüssel I-VO und ergänzte diesen durch eine umfangreiche Folgenabschätzung.1331 Der Vorschlag der Kommission ist in der Fachöffentlichkeit auf großes Interesse gestoßen und wurde intensiv und kontrovers diskutiert.1332 Auch politisch wurde intensiv über den Vorschlag verhandelt.1333 1326 Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg. und Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg. 1327 Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 2 f. 1328 Vgl. dazu den sog. Heidelberg-Bericht und den sog. Nuyts-Bericht. 1329 Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 3 ff. 1330 Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg. 1331 Kommissionsvorschlag Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg. und Impact Assessment of the Recast Brussels I Regulation, SEC(2010) 1547 final. 1332 Siehe etwa: Hess, IPRax 2011, 125 ff.; Hess, CMLR 49 (2012), 1075 (1100 ff.); Hess, in: Festschrift von Hoffmann, S. 648 (651 ff.); Cuniberti/Rueda, RabelsZ 75 (2011), 286 (312 ff.); Heinze, RabelsZ 75 (2011), 582 ff.; Weber, RabelsZ 75 (2011), 619 ff.; Illmer,

§ 11 Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ

243

Letztlich konnten sich aber nicht alle Änderungsvorschläge der Kommission durchsetzen. Obwohl die Neufassung der Brüssel I-VO damit weniger weit ging als von der Kommission ursprünglich beabsichtigt, gehen mit ihr zahlreiche Änderungen der bisherigen Rechtslage einher.1334 Ein Ziel der Neufassung war es dabei, für eine kohärente Anwendung der Brüssel Ia-VO und des HGÜ zu sorgen.1335 Dementsprechend wurde eine Vielzahl der vorgeschlagenen Änderungen den Regelungen nachempfunden, die im HGÜ enthalten sind. Im Folgenden soll daher zunächst das HGÜ dargestellt werden. Hieran schließt sich ein kurzer Überblick über die wesentlichen Änderungen in der Brüssel Ia-VO an. Mit Blick auf die Gerichtsstandsvereinbarung und die rügelose Einlassung beschränken sich die Ausführungen dabei zunächst auf eine Darstellung der vorgenommenen Änderungen, ohne zugleich die Auswirkungen auf die bisherige Rechtslage aufzuzeigen und zu bewerten. Letzteres soll vielmehr jeweils gesondert und insbesondere unter Berücksichtigung der aus dem HGÜ gewonnenen Erkenntnisse dargestellt und bewertet werden.

§ 11 Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ A. Anwendungsbereich des HGÜ Nach Art. 1 Abs. 1 HGÜ ist das HGÜ grundsätzlich auf sämtliche ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen in Zivil- oder Handelssachen sachlich anwendbar.1336 Der sachliche Anwendungsbereich wird allerdings nach Art. 2 HGÜ deutlich eingeschränkt. Hiernach werden ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen in zahlreichen Zivil- und Handelssachen ausgeschlossen. Dazu gehören insbesondere ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen mit einem Verbraucher, in individuellen und kollektiven Arbeitsverträgen sowie in familien-, erbrechtlichen und insolvenzrechtlichen Angelegenheiten.1337 Zudem wird den Vertragsstaaten des HGÜ nach Art. 21 HGÜ die Möglichkeit gegeben, mittels einer Erklärung weitere RabelsZ 75 (2011), 645 ff.; Dickinson, YPIL 12 (2010), 247 ff.; Briggs, YPIL 12 (2010), 311 (330 ff.); Borrás, YPIL 12 (2010), 333 ff.; Sancho Villa, YPIL 12 (2010), 399 (416 f.); M. Weller, GPR 2012, 34 ff.; Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 ff.; Domej, ecolex 2011, 124 ff.; Queirolo/De Maestri, EuLF 2011, 61 ff.; U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 ff.; M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 ff.; Nielsen, NJIL 81 (2012), S. 585 ff.; Takahashi, JPIL 8 (2012), 1 ff.; Weitz, IJPL 1 (2011), 337 (353 ff.). 1333 Pohl, IPRax 2013, 109. 1334 Hay, EuLF 2013, 1. Nach Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1 (8) habe die Neufassung der Brüssel I-VO sogar zu mehr Änderungen geführt als zu erwarten war. 1335 Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 7. 1336 Zum Begriff der Zivil- und Handelssache: Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 49. 1337 Zu den Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich: Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 50 ff.; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100 (113 ff.); Schulz, JPIL 2 (2006), 243 (248 f.); Svantesson, JPIL 5 (2009), 517 (521).

244

Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

Rechtsgebiete vom sachlichen Anwendungsbereich auszuschließen.1338 Den Vertragsstaaten wird durch Art. 22 HGÜ aber auch die Möglichkeit eingeräumt, Entscheidungen von Gerichten anzuerkennen und zu vollstrecken, die aufgrund nicht ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen für zuständig erklärt wurden. In räumlich-persönlicher Hinsicht setzt die Anwendung des Übereinkommens nach Art. 1 Abs. 1 HGÜ voraus, dass die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung in einem internationalen Sachverhalt abgeschlossen wird. Der Begriff des internationalen Sachverhalts wird im HGÜ legaldefiniert. Dabei wird danach unterschieden, ob der Begriff für Zuständigkeitsvorschriften (Art. 1 Abs. 2 HGÜ) oder für Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften (Art. 1 Abs. 3 HGÜ) von Bedeutung ist. Für die zuständigkeitsrelevanten Vorschriften des Übereinkommens enthält Art. 1 Abs. 2 HGÜ insofern eine negative Umschreibung des Begriffs. Hiernach ist ein Sachverhalt international, es sei denn, die Parteien haben ihren Aufenthalt im selben Vertragsstaat, und die Beziehung der Parteien sowie alle anderen für den Rechtsstreit maßgeblichen Elemente weisen nur zu diesem Staat eine Verbindung auf, wobei der Ort des vereinbarten Gerichts unbeachtlich ist.1339 Mit anderen Worten ist ein Sachverhalt grundsätzlich international, es sei denn es liegt ausnahmsweise ein reiner Inlandssachverhalt vor. Ein reiner Inlandssachverhalt ist folglich auch dann anzunehmen, wenn zwei sich im Inland aufhaltende Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines ausländischen Gerichts (sog. grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarung) abschließen.1340 Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des HGÜ setzt nach Art. 3 lit. a) HGÜ ferner voraus, dass in der Gerichtsstandsvereinbarung ein vertragsstaatliches Gericht für ausschließlich zuständig erklärt wird. Der zeitliche Anwendungsbereich des Übereinkommens ist in Art. 16 HGÜ geregelt.1341 Nach Art. 16 Abs. 1 HGÜ werden in zeitlicher Hinsicht nur solche ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen erfasst, bei denen im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung in dem für ausschließlich zuständig erklärten Vertragsstaat das HGÜ bereits in Kraft getreten war. Das HGÜ ist am 1. Oktober 2015 in Kraft getreten, nachdem mit Mexiko und der Europäischen Union zwei Mitglieder der Haager Konferenz das HGÜ ratifiziert und die Ratifikationsurkunde hinterlegt haben.1342

1338 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 234 f.; Rühl, IPRax 2005, 410 (412); R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100 (115 f.). 1339 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 41. 1340 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 102 (111). 1341 Siehe auch: Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 218 ff. 1342 Vgl.: Art. 31 Abs. 1 HGÜ. Demgegenüber haben die USA und Singapur zwar das HGÜ gezeichnet, bislang jedoch nicht ratifiziert, vgl. Statustabelle zum HGÜ, abrufbar unter: http:// www.hcch.net/index_en.php?act=conventions.status&cid=98 (zuletzt abgerufen am: 20. 3. 2016).

§ 11 Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ

245

B. Anforderungen an eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung Nach Art. 3 lit. a) HGÜ bezeichnet eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Parteien, die den Erfordernissen des Art. 3 lit. c) HGÜ genügt und in der die Gerichte eines Vertragsstaats oder ein oder mehrere bestimmte Gerichte eines Vertragsstaats unter Ausschluss der Zuständigkeit aller anderen Gerichte zu dem Zweck benannt werden, über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit zu entscheiden. Damit stellt das HGÜ zugleich verschiedene Anforderungen an die Wirksamkeit und den Inhalt von Gerichtsstandsvereinbarungen. Daneben betont Art. 3 lit. d) HGÜ die rechtliche Unabhängigkeit der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung vom Hauptvertrag. Folglich kann die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung jedenfalls nicht allein mit der Begründung in Frage gestellt werden, dass der Hauptvertrag formell oder materiell unwirksam ist.1343 I. Wirksamkeit 1. Formerfordernisse In formeller Hinsicht muss die Vereinbarung dabei den Erfordernissen des Art. 3 lit. c) HGÜ genügen. Der Abschluss oder zumindest die Dokumentation des Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung muss daher entweder schriftlich oder durch ein Kommunikationsmittel erfolgen, das es ermöglicht, auf die Information später wieder zuzugreifen. Eine Unterschrift ist zur Wahrung der Schriftform allerdings nicht erforderlich.1344 Mit der in Art. 3 lit. c) HGÜ zuletzt genannten Formalternative sollen vor allem elektronische Übermittlungen wie E-Mail oder Fax erfasst werden.1345 Die aufgeführten Formerfordernisse sind schließlich als abschließend anzusehen.1346 Demnach ist eine Gerichtsstandsvereinbarung auch dann nach dem HGÜ formwirksam, wenn ein Vertragsstaat strengere Formanforderungen an Gerichtsstandsvereinbarungen stellt.1347 Stellt ein Vertragsstaat demgegenüber geringere Formanforderungen an Gerichtsstandsvereinbarungen, kann diese zwar nach dem nationalen Recht des Vertragsstaats formell wirksam sein. Andere Vertragsstaaten sind dann allerdings nicht nach Maßgabe des HGÜ verpflichtet, die Entscheidung 1343

Dazu: Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 115. Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 112; Vrellis, in: Liber Amicorum Siehr, S. 763 (767); Rühl, IPRax 2005, 410 (411); Beaumont/Yüksel, in: Liber Amicorum Siehr, S. 563 (575). 1345 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 112; Vrellis, in: Liber Amicorum Siehr, S. 763 (767); Nielsen, NJIL 80 (2011), 95 (104); Eichel, RIW 2009, 289 (294). 1346 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 110. 1347 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 110; Vrellis, in: Liber Amicorum Siehr, S. 763 (768 f.) 1344

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

eines Gerichts, das infolge einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklärt wird, anzuerkennen und zu vollstrecken.1348 Ebenso wenig wird ein Gericht eines anderen Vertragsstaats durch eine solche Gerichtsstandsvereinbarung verpflichtet, den Rechtsstreit nach Art. 5 Abs. 1 HGÜ anzunehmen oder sein Verfahren nach Art. 6 HGÜ auszusetzen.1349 2. Materielle Wirksamkeit Während sich die Anforderungen an die formelle Wirksamkeit dem Normtext entnehmen lassen, werden die Anforderungen an die materielle Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung im HGÜ nur angedeutet. So spricht Art. 3 lit. a) HGÜ lediglich davon, dass mit einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Parteien bezeichnet werde. Zwar wird hierdurch deutlich, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht einseitig begründet werden kann.1350 Welche materiellen Voraussetzungen an die zwei- oder mehrseitige Vereinbarung zu stellen sind, bleibt indes unklar. Diese Unklarheit kann jedenfalls nicht im Wege einer vertragsautonomen Auslegung des HGÜ beseitigt werden.1351 Denn dem HGÜ fehlt ein vertragsrechtliches Fundament für ein vertragsautonomes Vereinbarungskonzept, sodass eine vollumfängliche Harmonisierung der verschiedenen materiell-rechtlichen Aspekte kaum durchführbar erschien.1352 Überdies wäre man mit der Schaffung eines solchen Vereinbarungskonzepts über das Ziel hinausgeschossen und hätte die globale Anwendung des HGÜ gefährdet.1353 Stattdessen ist zur Beantwortung der verschiedenen materiell-rechtlichen Fragestellungen auf nationales Recht zurückzugreifen. Insofern ist im Rahmen des HGÜ allerdings dann doch eine gewisse Harmonisierung erfolgt. Denn die Gültigkeit einer Vereinbarung ist ausweislich der Vorschriften des Art. 5 Abs. 1, Art. 6 lit. a) und Art. 9 lit. a) HGÜ nicht nach den rechtlichen Maßstäben der jeweiligen Vertragsstaaten zu beurteilen, sondern vielmehr nach dem Recht des Staates des vereinbarten Gerichts. Darin ist eine kollisionsrechtliche Gesamtverweisung auf das nationale Recht am vereinbarten Gericht zu erblicken, sodass zur Bestimmung des anwendbaren Sachrechts auch das Kollisionsrecht des vereinbarten Gerichts herangezogen werden muss.1354 Von der Gesamtverweisung werden dabei insbesondere die ma1348 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100 (118); Vrellis, in: Liber Amicorum Siehr, S. 763 (769 f.); Schulz, JPIL 2 (2006), 243 (250); Eichel, RIW 2009, 289 (295). 1349 Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 161. 1350 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 94. 1351 Rühl, IPRax 2005, 410 (411); Schulze, JPIL 2 (2006), 243 (252 f.); Beaumont, JPIL 5 (2009), 125 (137 ff.); Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 159 f. 1352 Vrellis, in: Liber Amicorum Siehr, S. 763 (770 f.); R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100 (117). 1353 Schulze, JPIL 2 (2006), 243 (252 f.). 1354 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 94 und 125; Beaumont/Yükcel, in: Liber Amicorum Siehr, S. 563 (575); Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 160 f. und 163.

§ 11 Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ

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teriell-rechtlichen Aspekte des Vorliegens einer Willenseinigung, der Wirksamkeit einer Stellvertretung und des Einflusses von Willensmängeln erfasst.1355 Ob die Gerichtsstandsvereinbarung formell wirksam ist, ist demgegenüber allein anhand des Art. 3 lit. c) HGÜ zu beurteilen. Ein Rückgriff auf die kollisionsrechtliche Gesamtverweisung scheidet insofern aus.1356 Für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit der beteiligten Partei gelten allerdings gewisse Besonderheiten. Denn aus Sicht der Verfasser des HGÜ stellte sich die Schaffung einer harmonisierten Kollisionsnorm für Fragen der Geschäftsfähigkeit als ein zu ambitioniertes Ziel dar.1357 Folglich behandeln sowohl Art. 6 lit. b) HGÜ als auch Art. 9 lit. b) HGÜ die Geschäftsfähigkeit gesondert von den übrigen materiell-rechtlichen Aspekten einer Vereinbarung. Anstatt auf das Recht des vereinbarten Gerichts zu verweisen, erklärt Art. 6 lit. b) HGÜ das Recht des angerufenen Gerichts zur Beurteilung der Geschäftsfähigkeit für maßgeblich, soweit dieses nicht zugleich das in der Vereinbarung benannte Gericht ist. Ebenso wird im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung zur Beurteilung der Geschäftsfähigkeit nach Art. 9 lit. b) HGÜ auf das Recht des ersuchten Staates verwiesen. Diese Verweisungen sind jeweils als Gesamtverweisungen zu qualifizieren.1358 Soweit das angerufene Gericht zugleich das vereinbarte Gericht ist, fehlt hingegen eine gesonderte Regelung zur Beurteilung der Geschäftsfähigkeit. Einer solchen Regelung hatte es aber auch nicht zwingend bedurft, da das mit Art. 6 lit. b) HGÜ erzielte Ergebnis bereits durch die Verweisung in Art. 5 Abs. 1 HGÜ erreicht wird. Denn das Recht am angerufenen Gericht ist das Recht am vereinbarten Gericht.1359 Die harmonisierte Gesamtverweisung des Art. 5 Abs. 1 HGÜ wird daher auch auf Fragen der Geschäftsfähigkeit erstreckt.1360 Dies führt zu dem Ergebnis, dass das angerufene, aber nicht vereinbarte Gericht zur abschließenden Beurteilung der Geschäftsfähigkeit sowohl auf das Recht des vereinbarten Gerichts nach Art. 6 lit. a) HGÜ als auch auf sein eigenes Recht nach Art. 6 lit. b) HGÜ zurückgreifen muss.1361 Ebenso verhält es sich in Art. 9 lit. a) und b) HGÜ.1362 Für die Beurteilung ein und derselben Rechtsfrage auf insgesamt drei verschiedene Rechtsordnungen zu verweisen, erscheint allerdings fragwürdig, zumal diese Rechtsordnungen ja auch zu inhaltlich divergierenden Ergebnissen führen können.1363 1355

Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 94 und 126. Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 126. 1357 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 150; Nielsen, NJIL 80 (2011), 95 (107). 1358 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 150 und 184; Vrellis, in: Liber Amicorum Siehr, S. 763 (774 f.). 1359 So auch: Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 126 (und dabei in Fn. 159). 1360 Siehe etwa: Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 126; Eichel, RIW 2009, 289 (295). 1361 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 150; Vrellis, in: Liber Amicorum Siehr, S. 763 (774); R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100 (122); Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 163. 1362 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 184. 1363 Sancho Villa, YPIL 12 (2010), 399 (411). 1356

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

II. Inhalt Die Parteien müssen nach Art. 3 lit. a) HGÜ zunächst eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung treffen, das heißt die Gerichte eines Vertragsstaats unter Ausschluss der Zuständigkeit aller anderen vertragsstaatlichen Gerichte benennen. Bezieht sich die Vereinbarung lediglich auf ein oder mehrere Gerichte eines Vertragsstaats, wird dabei nach Art. 3 lit. b) HGÜ die Ausschließlichkeit vermutet, sofern die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben. Folglich muss die Vereinbarung die Ausschließlichkeit der Zuständigkeitswahl nicht ausdrücklich erwähnen, obschon dies in einer Vielzahl internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen durch die Floskel „to the exclusion of any other court“ geschieht.1364 Im Rahmen der Vereinbarung kann die Bezeichnung der Gerichte derart erfolgen, dass die Parteien ein oder mehrere örtlich zuständige Gerichte eines Vertragsstaats konkret bestimmen. Aber auch eine allgemein gehaltene Bezeichnung aller Gerichte eines Vertragsstaats kann genügen. In diesen Fällen hat die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts anhand des nationalen Rechts desjenigen Vertragsstaats zu erfolgen, dessen Gerichte in der Vereinbarung allgemein bezeichnet werden.1365 Bei der Auswahl der Gerichte macht das HGÜ allerdings den Parteien keine inhaltlichen Vorgaben. Insbesondere ist kein objektiver Zusammenhang zwischen dem vereinbarten Gericht und der Rechtsstreitigkeit erforderlich, sodass die Parteien sowohl neutrale als auch objektiv unzweckmäßige Gerichte wählen können. Dies wird in Art. 19 HGÜ inzident vorausgesetzt. Denn nach dieser Vorschrift kann ein Vertragsstaat erklären, dass seine Gerichte die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten ablehnen können, wenn für diese ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen gelten, die abgesehen vom vereinbarten Gerichtsort keinerlei Verbindung zu diesem Vertragsstaat aufweisen. Die Vereinbarung muss sich schließlich auf Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis beziehen. Durch dieses Bestimmtheitserfordernis soll klargestellt werden, welche Rechtsstreitigkeiten von der Gerichtsstandsvereinbarung erfasst werden.1366

C. Wirkungen Soweit der Anwendungsbereich des HGÜ eröffnet ist und die Anforderungen an die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung erfüllt sind, wird nach Art. 5 Abs. 1 HGÜ die internationale Zuständigkeit des vereinbarten Gerichts begründet und nach Art. 6 HGÜ die internationale Zuständigkeit der übrigen vertragsstaatlichen Gerichte aufgehoben. Sofern das angerufene Gericht zugleich das vereinbarte Gericht ist, hat 1364 1365 1366

Eichel, RIW 2009, 289 (294). Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 103; Eichel, RIW 2009, 289 (294). Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 101.

§ 12 Die Änderungen innerhalb der Brüssel Ia-VO im Überblick

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es die Rechtsstreitigkeit nach Art. 5 Abs. 1 HGÜ zur Entscheidung anzunehmen und damit die prorogative Wirkung der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zu beachten. Insbesondere darf das vereinbarte Gericht die Ausübung seiner Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 2 HGÜ nicht mit der Begründung verweigern, dass ein Gericht eines anderen Vertragsstaats über die Rechtsstreitigkeit entscheiden sollte. Dadurch sollte insbesondere die Anwendung der doctrine of forum non conveniens, aber auch der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit im Anwendungsbereich des HGÜ ausgeschlossen werden.1367 Die sachliche Zuständigkeit vermag die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung hingegen nicht zu begründen (Art. 5 Abs. 3 lit. a) HGÜ). Infolgedessen kann ein vereinbartes Gericht die Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit verweigern, wenn es nach den innerstaatlichen Vorschriften nicht sachlich zuständig ist. Nach Art. 5 Abs. 3 lit. b) HGÜ ist allerdings die von den Parteien getroffene Wahl gebührend zu berücksichtigen, soweit nach den innerstaatlichen Vorschriften eine Verweisung des Rechtsstreits an das sachlich zuständige Gericht im Ermessen des angerufenen Gerichts steht. Sollte eine Partei entgegen der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ein vertragsstaatliches Gericht anrufen, so ist dieses nach Art. 6 HGÜ grundsätzlich verpflichtet, das Verfahren auszusetzen oder die Klage als unzulässig abzulehnen. Davon machen nur die Art. 6 lit. a) bis e) HGÜ eine Ausnahme. Neben den in Art. 6 lit. a) und b) HGÜ genannten materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Vereinbarung kann das nicht vereinbarte Gericht hiernach über die Rechtsstreitigkeit immer dann entscheiden, wenn die Anwendung der Gerichtsstandsvereinbarung zu einer offensichtlichen Ungerechtigkeit führen oder der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Vertragsstaats des angerufenen Gerichts offensichtlich widersprechen würde (Art. 6 lit. c) HGÜ), die Umsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung aus außergewöhnlichen Gründen, die sich dem Einfluss der Parteien entziehen, nicht zumutbar ist (Art. 6 lit. d) HGÜ) oder das vereinbarte Gerichte eine Entscheidung der Rechtsstreitigkeit abgelehnt hat (Art. 6 lit. e) HGÜ).1368

§ 12 Die Änderungen innerhalb der Brüssel Ia-VO im Überblick A. Sachlicher Anwendungsbereich Im Rahmen der Neufassung wurde insbesondere das Verhältnis zwischen der Brüssel Ia-VO und der Schiedsgerichtsbarkeit kontrovers diskutiert.1369 Um parallel 1367

Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 132 ff.; Rühl, IPRax 2005, 410 (412). Dazu ausführlich: Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 151 ff.; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100 (121 ff.); Schulz, JPIL 2 (2006), 243 (255). 1369 Mit kurzen Überblick über die Diskussion: Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (505 ff.). Siehe zudem: Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 9 f.; Grünbuch 1368

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

laufende Gerichts- und Schiedsverfahren besser koordinieren zu können, schlug die Kommission die Schaffung einer besonderen Vorschrift vor und sah folglich die Schiedsgerichtsbarkeit nur noch vorbehaltlich dieser Vorschrift als ausgeschlossenes Rechtsgebiet an.1370 Allerdings konnte sich dieser Vorschlag nicht durchsetzen. Stattdessen ist in der Brüssel Ia-VO der Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit unverändert bestehen geblieben (Art. 1 Abs. 2 lit. d) Brüssel Ia-VO). Die Brüssel IaVO enthält aber in Art. 73 Abs. 2 nunmehr eine Klarstellung, dass die Brüssel Ia-VO das New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (NYÜ)1371 unberührt lässt. Zudem wird in Erwägungsgrund Nr. 12 zur Brüssel Ia-VO die bisherige Rechtslage teilweise zusammengefasst.1372 Eine Änderung hat der bisherige Wortlaut des Art. 1 Brüssel I-VO durch die Neufassung allerdings trotzdem erfahren. So wird nun in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Brüssel Ia-VO auch die Nicht-Anwendbarkeit der Verordnung für Staatshaftungsansprüche klargestellt und dadurch die Brüssel Ia-VO anderen Verordnungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht angeglichen.1373 Eine inhaltliche Änderung hat die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs hierdurch allerdings nicht erfahren.1374 Ebenso wenig führt die Neufassung des Art. 1 Abs. 2 lit. a) und f) Brüssel Ia-VO zu einer inhaltlichen Änderung. Insbesondere die Aufnahme des Güterstands der rechtlich anerkannten eheähnlichen Lebenspartnerschaft in Art. 1 Abs. 2 lit. a) Brüssel Ia-VO gibt lediglich die bisher wohl herrschende Meinung wieder.1375 Eine weitere bloß klarstellende Änderung ist schließlich in Art. 1 Abs. 2 lit. e) Brüssel Ia-VO enthalten, wonach Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen, zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg., S. 9 f.; Hess, in: Festschrift von Hoffmann, S. 648 ff.; Illmer, RabelsZ 75 (2011), 645 ff.; Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (254 ff.); Radicati di Brozolo, IPRax 2010, 121 (124 ff.); Consolo/Stella, in: Pocar/Viarengo/ Villata, S. 37 ff.; Kindler, in: Pocar/Viarengo/Villata, S. 57 ff.; Azzali/De Santis, in: Pocar/ Viarengo/Villata, S. 71 ff. Ausführlich: Rauscher/Mankowski, Art. 1 Brüssel Ia-VO Rn. 104 ff. 1370 Vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. d) und Art. 29 Abs. 4 des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO sowie die vorangestellte Begründung, KOM(2010) 748 endg., S. 10. 1371 New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. 6. 1958, BGBl. II, 1961 S. 122. 1372 von Hein, RIW 2013, 97 (99). 1373 Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EuVTVO, Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EuMahnVO und Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EuGFVO. 1374 von Hein, RIW 2013, 97 (99 f.). Zur bisherigen Rechtslage: EuGH, Urt. v. 15. 2. 2007 (Lechouritou u. a.), Rs. C-292/05, Slg. 2007, I-1519, Rn. 46; Kropholler/von Hein, Art. 1 EuGVO Rn. 6. 1375 Kropholler/von Hein, Art. 1 EuGVO Rn. 27a; Stein/Jonas/Wagner, Art. 1 EuGVVO Rn. 34; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 14 f.; Thomas/ Putzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 1 EuGVVO Rn. 5; a.A.: Pörnbacher, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuGVVO Rn. 13; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 1 EuGVVO Rn. 114; MüKoZPO/Gottwald, Art. 1 EuGVO Rn. 16.

§ 12 Die Änderungen innerhalb der Brüssel Ia-VO im Überblick

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vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen werden.1376 Denn diese Unterhaltspflichten fallen in den sachlichen Anwendungsbereich der EuUntVO (Art. 1 Abs. 1 EuUntVO), welche bereits nach geltendem Recht gemäß Art. 67 Brüssel I-VO als vorrangig angesehen wird und nach Art. 68 Abs. 1 EuUntVO die für Unterhaltssachen geltenden Bestimmungen der Brüssel I-VO ersetzt.1377

B. Zuständigkeitssystem I. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich Nach der Auffassung der Kommission hätte die Funktionsweise der Brüssel I-VO insbesondere dadurch verbessert werden können, indem die besonderen Zuständigkeitsvorschriften auf Beklagte mit Wohnsitz in einem Drittstaat erstreckt worden wären.1378 Im Kommissionsvorschlag für die Brüssel Ia-VO wurde daher der bisherige Art. 3 Brüssel I-VO dahingehend ergänzt, dass auch Personen, die ihren Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, nach den besonderen Zuständigkeitsvorschriften der Verordnung vor mitgliedstaatlichen Gerichten verklagt werden können (Art. 4 Abs. 2 Kommissionsvorschlag für Brüssel Ia-VO). Zugleich erweiterte die Kommission den Zuständigkeitskatalog um eine subsidiäre Zuständigkeit und eine Notzuständigkeit.1379 Die in Art. 4 Brüssel I-VO enthaltene Verweisung auf nationale Zuständigkeitsvorschriften der Mitgliedstaaten wurde daher im Kommissionsvorschlag ersatzlos gestrichen. Die mit dem Kommissionsvorschlag einhergehende beträchtliche Erweiterung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs der verschiedenen Zuständigkeitsvorschriften ließ sich zumindest in dem angedachten Umfang nicht durchsetzen.1380 Allerdings konnte der räumlich-persönliche Anwendungsbereich einzelner Zuständigkeitsvorschriften ausgedehnt werden. Dies trifft zunächst für Art. 18 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 2 Brüssel Ia-VO zu.1381 Nach Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia-VO 1376 Rauscher/Mankowski, Art. 1 Brüssel Ia-VO Rn. 167. Dazu ausführlich: Viarengo, in: Pocar/Viarengo/Villata, S. 29 ff. 1377 Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (453). 1378 Vgl. Begründung des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg., S. 8 f.; Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 5 f.; Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg., S. 3 ff. Dazu ausführlich: Weber, RabelsZ 75 (2011), 619 ff.; Borrás, YPIL 12 (2010), 333 ff.; Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (262 ff.). 1379 Art. 25 und 26 des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg., S. 36. 1380 Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (513); von Hein, RIW 2013, 97 (100 f.); Cadet, EuZW 2013, 218 (219). 1381 Siehe zum bisherigen räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der Sondervorschriften unter Teil 2, § 7, E.I.1.

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

kann der Vertragspartner des Verbrauchers selbst dann am Verbraucherwohnsitz verklagt werden, wenn er seinen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat.1382 Ebenso kann nach Art. 21 Abs. 2 Brüssel Ia-VO ein Arbeitgeber ohne einen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat am gewöhnlichen Arbeitsort oder am Ort der Einstellung vom Arbeitnehmer verklagt werden.1383 Die bisher in Art. 4 Abs. 1 Brüssel I-VO enthaltene Verweisung auf nationale Zuständigkeitsvorschriften wird folglich entsprechend eingeschränkt, indem die Art. 18 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 2 Brüssel Ia-VO nunmehr als weitere Vorbehalte aufgezählt werden (Art. 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO). Auch der neu eingefügte Erwägungsgrund Nr. 14 zur Brüssel Ia-VO nimmt diese partielle Erweiterung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs in Verbraucher- und Arbeitssachen auf und erklärt den Schutz des Verbrauchers und Arbeitnehmers zum damit verfolgten Zweck. Weiterhin wurde der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift für Gerichtsstandsvereinbarungen ausgedehnt. Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO können Parteien nunmehr unabhängig von ihrem Wohnsitz eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Folglich konnte die bisher in Art. 23 Abs. 3 Brüssel I-VO enthaltene Erweiterung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs gestrichen werden.1384 Ob der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der ausschließlichen Zuständigkeiten durch die Neufassung erweitert wurde, ist hingegen fraglich. In der Reformdiskussion wurde zwar die Frage aufgeworfen, wie mit Fällen umzugehen ist, in denen ein drittstaatliches Gericht ausschließlich zuständig ist.1385 Der Wortlaut der neugefassten Zuständigkeitsvorschrift für ausschließliche Zuständigkeiten (Art. 24 Brüssel Ia-VO) gibt darauf allerdings keine Antwort.1386 Damit bleibt weiterhin diskussionswürdig, ob den ausschließlichen Zuständigkeiten der Brüssel Ia-VO im Wege einer analogen Anwendung eine Reflexwirkung (effet réflexe) zukommt, wenn die in Art. 24 Brüssel Ia-VO genannten Anknüpfungspunkte zu einem drittstaatlichen Gericht führen.1387 Ob aus der Nichtregelung dieser Reflexwirkung zugleich ein „beredtes Schweigen“ des Verordnungsgebers erblickt werden kann, erscheint nämlich zweifelhaft.1388 Denn zumindest Erwägungsgrund Nr. 24 zur Brüssel Ia-VO zeigt, dass eine ausschließliche Zuständigkeit eines drittstaatlichen Gerichts im 1382 1383 1384

(270). 1385

Rauscher/Staudinger, Art. 18 Brüssel Ia-VO Rn. 4. Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 21 Brüssel Ia-VO Rn. 74. M. Stürner, GPR 2013, 305 (313); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252

Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg., S. 5. Siehe auch: Nuyts-Bericht, S. 82 ff., Rn. 108 ff.; Pfeiffer, in: Heidelberg-Bericht, S. 154, Rn. 362. 1386 Dies daher als vertane Chance ansehend: Hau, in: Festschrift von Hoffmann, S. 617 (631 f.). 1387 Hess, CMLR 49 (2012), 1075 (1105 f.); Rauscher/Mankowski, Art. 24 Brüssel Ia-VO Rn. 6 ff . Mit einem Überblick über den Streitstand: Stein/Jonas/Wagner, Art. 22 EuGVVO Rn. 9 m.w.N. Siehe zudem oben unter Teil 2, § 7, D.II. 1388 So aber: Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (270 f.); a.A.: Hess, CMLR 49 (2012), 1075 (1106).

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Sinne des Art. 24 Brüssel Ia-VO nicht gänzlich ohne Bedeutung ist. Vielmehr wird die Reflexwirkung zum Ermessenskriterium erklärt, welches im Rahmen des Art. 33 Brüssel Ia-VO immer dann zu berücksichtigen ist, wenn ein mitgliedstaatliches Gericht bei einem bereits anhängigen Verfahren vor einem drittstaatlichen Gericht über die Aussetzung seines Verfahrens entscheidet.1389 II. Allgemeine Bestimmungen Die allgemeinen Bestimmungen für die Zuständigkeitsvorschriften sind in den Art. 4 bis 6 Brüssel Ia-VO geregelt. Die Neunummerierung wurde erforderlich, da in Art. 2 und 3 Brüssel Ia-VO nun verschiedene in der Brüssel Ia-VO enthaltene Begriffe definiert werden. Abgesehen von den Änderungen in Art. 6 Abs. 1 Brüssel IaVO, die durch die partielle Erweiterung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs der Verbraucher- und Arbeitssachen erforderlich wurde, sind die allgemeinen Bestimmungen allerdings kaum verändert worden.1390 III. Besondere Zuständigkeiten Die Vorschriften für die besonderen Zuständigkeiten haben sich ebenfalls verschoben und sind nunmehr in Art. 7 bis 9 Brüssel Ia-VO zu finden. Die besonderen Zuständigkeiten sind dabei weitgehend unverändert geblieben.1391 Erwähnenswert ist jedoch, dass die ehemals in Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO enthaltene besondere Zuständigkeit für Klagen in Unterhaltssachen in Art. 7 Brüssel Ia-VO gestrichen wurde. Denn mit Blick auf den Ausschluss in Art. 1 Abs. 2 lit. e) Brüssel Ia-VO und die Anwendbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften der EuUntVO ist eine besondere Zuständigkeit für Unterhaltsklagen in der Brüssel Ia-VO überflüssig geworden.1392 Dadurch kam es innerhalb des Art. 7 Brüssel Ia-VO zu einer teilweisen Verschiebung der besonderen Zuständigkeiten.1393 So ist etwa die praxisrelevante besondere Zuständigkeit für Klagen aus unerlaubter Handlung nunmehr in Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO zu finden. Weiterhin wurde in Art. 7 Nr. 4 Brüssel Ia-VO eine besondere Zuständigkeit für Klagen zur Wiedererlangung eines Kulturguts im Sinne der Kulturgüterrichtlinie1394 geschaffen.1395 Eine besondere Zuständigkeit zur Wie-

1389

von Hein, RIW 2013, 97 (101 und 106). Zu den einzelnen Änderungen: von Hein, RIW 2013, 97 (101 f.). 1391 Ausführlich zur Reformdiskussion: Hess, in: Pocar/Viarengo/Villata, S. 91 (94 ff.). 1392 Zwecks Klarstellung der Rechtslage wurde die Streichung des Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO bereits frühzeitig gefordert, vgl. etwa: Dörner, in: Festschrift Yamauchi, S. 81 (85). 1393 Dies als wenig anwendungsfreundlich kritisierend: M. Weller, GPR 2012, 34 (44). 1394 Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern, ABl. (EG) 1993, Nr. L 74/74. 1390

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

dererlangung sonstiger beweglicher Sachen, wie es die Kommission vorgeschlagen hatte,1396 ist indes nicht geschaffen worden und kann auch nicht dem Art. 7 Nr. 4 Brüssel Ia-VO entnommen werden.1397 IV. Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen Die Sondervorschriften für Verbraucher-, Versicherungs- und Arbeitssachen sind künftig in den Art. 10 ff., Art. 17 ff. und Art. 20 ff. Brüssel Ia-VO enthalten. Neben der bereits erwähnten partiellen Erweiterung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs in Versicherungs- und Arbeitssachen durch Art. 18 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 2 Brüssel Ia-VO ist es kaum zu inhaltlichen Veränderungen der Sondervorschriften gekommen.1398 Allerdings kann neuerdings ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitgeber zusammen verklagen, da Art. 20 Abs. 1 Brüssel Ia-VO bei Klagen gegen den Arbeitsgeber nun auch Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO für anwendbar erklärt. Dies war bisher nicht möglich.1399 V. Ausschließliche Zuständigkeiten Die ausschließlichen Zuständigkeiten sind nunmehr in Art. 24 Brüssel Ia-VO geregelt. Zu einer inhaltlichen Änderung ist es dabei nicht gekommen. Insbesondere findet sich die von der Kommission bei Mietverträgen über Gewerberäume befürwortete Möglichkeit, von der ausschließlichen Zuständigkeit für unbewegliche Sachen im Wege einer Gerichtsstandsvereinbarung abzuweichen, nicht mehr in Wortlaut des Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO wieder.1400 Die Änderungen im Wortlaut beschränken sich daher auf rein redaktionelle Anpassungen. So wurde beispielsweise bei der ausschließlichen Zuständigkeit für Verfahren, welche die Eintragung oder Gültigkeit von Patenten und anderen gewerblichen Schutzrechten zum Gegenstand haben, die bisherige Rechtsprechung des EuGH im Wortlaut des Art. 24 Nr. 4

1395 Siehe dazu auch: Erwägungsgrund Nr. 17 zur Brüssel Ia-VO. Ausführlich dazu: Rauscher/Leible, Art. 7 Brüssel Ia-VO Rn. 149 ff. 1396 Art. 5 Nr. 3 des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO sowie die vorangestellte Begründung, KOM(2010) 748 endg., S. 10. Siehe zudem: Pfeiffer, in: Heidelberg-Bericht, S. 73 f., Rn. 152 ff., und Crespi Reghizzi, in: Pocar/Viarengo/Villata, S. 173 ff. 1397 von Hein, RIW 2013, 97 (102 f.). 1398 Dazu im Einzelnen: von Hein, RIW 2013, 97 (103). 1399 EuGH, Urt. v. 22. 5. 2008 (Laboratoires Glaxosmithkline), Rs. C-462/06, Slg. 2008, I-3965, Rn. 35; Rauscher/Mankowski, Art. 20 Brüssel Ia-VO Rn. 3; Cadet, EuZW 2013, 218 (220); von Hein, RIW 2013, 97 (103). 1400 Art. 22 Nr. 1 lit. b) des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO sowie die vorangestellte Begründung, KOM(2010) 748 endg., S. 10 f.

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Brüssel Ia-VO festgeschrieben.1401 Im Rahmen des Art. 24 Nr. 4 Brüssel Ia-VO heißt es daher, dass die ausschließliche Zuständigkeit unabhängig davon zu beurteilen ist, ob die Verfahrensfrage klageweise oder einredeweise aufgeworfen wird. VI. Gerichtsstandsvereinbarung Die Kommission hatte sich mit der Neufassung der Brüssel I-VO insbesondere zum Ziel gemacht, die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen zu verbessern.1402 Im Einklang mit den wissenschaftlichen Vorarbeiten des Heidelberg-Berichts sind dabei im Wesentlichen drei Themenkomplexe berücksichtigt worden. Erstens sollten die noch in den Mitgliedstaaten existierenden Unterschiede bei der Bestimmung des auf Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwendenden Rechts beseitigt werden. Die nicht vom Vereinbarungskonzept des Art. 23 Brüssel I-VO erfassten materiell-rechtlichen Fragestellungen werden nämlich von den mitgliedstaatlichen Gerichten bisher entweder unter Rückgriff auf die lex fori oder die lex causae beantwortet.1403 Folglich kann die materiell-rechtliche Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beurteilt werden. Zweitens wurde das Verhältnis von Gerichtsstandsvereinbarungen und der Rechtshängigkeitsvorschrift des Art. 27 Brüssel I-VO hinterfragt. Insofern wurde vor allem die strikte Anwendung des Prioritätsprinzips und die fehlende Möglichkeit, eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung abzusichern, als bedenklich angesehen.1404 Denn eine Partei wird im Rahmen der Brüssel I-VO bislang nicht daran gehindert, entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung zuerst ein anderes mitgliedstaatliches Gericht anzurufen. Dies kann mitunter zu erheblichen Verzögerungen führen, welche missbräuchlich handelnde Parteien ganz bewusst ausnutzen können. Dieses prozesstaktische Phänomen ist in der Praxis unter dem einprägsamen Begriff der „Torpedoklage“ bekannt geworden.1405 Infolgedessen stellte die Kommission im Grünbuch verschiedene Möglichkeiten zur Diskussion, um dieses Rechtshängigkeitsproblem bei ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen zu lösen.1406

1401

EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (GAT), Rs. C-4/03, Slg. 2006, I-6509, Rn. 31; kritisch: Kropholler/von Hein, Art. 22 EuGVO Rn. 50 m.w.N. 1402 So ausdrücklich in der Begründung des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO, KOM (2010) 748 endg., S. 9 f. 1403 Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 6; Pfeiffer, in: Heidelberg-Bericht, S. 159, Rn. 377. Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, B.II.2. 1404 Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 6 f.; M. Weller, in: Heidelberg-Bericht, S. 194 ff., Rn. 442 ff. 1405 Abendroth, in: Grundrechte im Zivilprozess, S. 63 (65); Stein/Jonas/Wagner, Art. 27 EuGVVO Rn. 45; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157 (158 f.). 1406 Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg., S. 5 f.

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Drittens und letztens sollte durch die Neufassung für eine kohärente Anwendung der Brüssel I-VO und des HGÜ gesorgt werden, dessen Unterzeichnung die Kommission befürwortet.1407 Um die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen unter Berücksichtigung dieser Themenkomplexe zu verbessern, schlug die Kommission zunächst vor, Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO durch eine Formulierung zu ergänzen, die in ähnlicher Form bereits in Art. 5 Abs. 1 HGÜ existiert.1408 Hiernach sind die in einer Gerichtsstandsvereinbarung bezeichneten Gerichte zuständig, „es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig“.1409 Weiterhin enthielt Art. 32 Abs. 2 des Kommissionsvorschlags für die Brüssel Ia-VO folgende Bestimmung: „Ist in einer Vereinbarung gemäß Art. 23 die ausschließliche Zuständigkeit eines oder aller Gerichte eines Mitgliedstaats vorgesehen, sind, soweit es sich nicht um Vereinbarungen im Sinne der Abschnitte 3, 4 und 5 dieses Kapitels handelt, die Gerichte anderer Mitgliedstaaten so lange für die Streitigkeit unzuständig, bis sich das beziehungsweise die in der Vereinbarung bezeichneten Gerichte für unzuständig erklärt haben.“ Auch insofern besteht eine vergleichbare Vorschrift im HGÜ (Art. 6 HGÜ). Im Gegensatz zu der Mehrzahl der übrigen Änderungsvorschläge konnten sich die von der Kommission befürworteten Änderungen zu den Gerichtsstandsvereinbarungen im Wesentlichen durchsetzen. Art. 25 Brüssel Ia-VO, der nunmehr die Gerichtsstandsvereinbarung regelt, enthält daher nicht nur die mit der Erweiterung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs einhergehenden Änderungen. Vielmehr findet sich auch die von der Kommission zur Bestimmung des anwendbaren Rechts vorgeschlagene Formulierung darin wieder (Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel IaVO).1410 Ebenso ist die von der Kommission vorgeschlagene Lösung des Rechtshängigkeitsproblems in Art. 31 Abs. 2 bis Abs. 4 Brüssel Ia-VO enthalten, obschon die ursprüngliche Formulierung verschiedene sprachliche Veränderungen, Klarstellungen und redaktionelle Anpassungen erfahren hat.1411 Schließlich wurde in die Vorschrift für Gerichtsstandsvereinbarungen noch ein weiterer Absatz eingefügt, welcher nunmehr in Art. 25 Abs. 5 Brüssel Ia-VO zu finden ist. Dieser lautet: „Eine Gerichtsstandsvereinbarung, die Teil eines Vertrags ist, ist als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln. Die Gültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung kann nicht allein mit der 1407 Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 7 unter Verweis auf den Kommissionsvorschlag für Ratsbeschluss über Unterzeichnung des HGÜ, KOM(2008) 538 endg. 1408 Art. 23 Abs. 1 Satz 1 des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO sowie die vorangestellte Begründung, KOM(2010) 748 endg., S. 9 f. 1409 Art. 23 Abs. 1 Satz 1 des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg. 1410 Siehe zudem: Erwägungsgrund Nr. 20 zur Brüssel Ia-VO. 1411 Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (520); vgl. Erwägungsgrund Nr. 22 zur Brüssel Ia-VO.

§ 12 Die Änderungen innerhalb der Brüssel Ia-VO im Überblick

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Begründung in Frage gestellt werden, dass der Vertrag nicht gültig ist.“ Eine nahezu identische Regelung existiert bereits in Art. 3 lit. d) HGÜ. VII. Rügelose Einlassung Die bisherige Regelung der rügelosen Einlassung in Art. 24 Brüssel I-VO ist künftig in Art. 26 Brüssel Ia-VO zu finden und hat ebenfalls eine inhaltliche Änderung erfahren. Die Vorschrift enthält nunmehr einen weiteren Absatz, der wie folgt lautet: „In Streitigkeiten nach den Abschnitten 3, 4 oder 5, in denen der Beklagte Versicherungsnehmer, Versicherter, Begünstigter eines Versicherungsvertrags, Geschädigter, Verbraucher oder Arbeitnehmer ist, stellt das Gericht, bevor es sich nach Absatz 1 für zuständig erklärt, sicher, dass der Beklagte über sein Recht, die Unzuständigkeit des Gerichts geltend zu machen, und über die Folgen der Einlassung oder Nichteinlassung auf das Verfahren belehrt wird.“ Eine vergleichbare Vorschrift war bereits im Kommissionsvorschlag für die Neufassung der Brüssel I-VO enthalten, um damit allgemein den gerichtlichen Rechtsschutz zu verbessern.1412

C. Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren Die Rechtshängigkeit und die im Zusammenhang stehenden Verfahren werden nunmehr in den Art. 29 ff. Brüssel Ia-VO geregelt. Innerhalb dieser Vorschriften hat es verschiedene Änderungen gegeben.1413 Zunächst wurde die strikte Anwendung des Prioritätsprinzips teilweise durchbrochen. Nach Art. 29 Abs. 1 Brüssel Ia-VO gilt dieses nämlich künftig nur noch unbeschadet des Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO. Demnach herrscht keine strikte Priorität, wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats angerufen wird, das aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 Brüssel Ia-VO ausschließlich zuständig ist. Vielmehr hat selbst das zuerst angerufene mitgliedstaatliche Gericht das Verfahren nach Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO so lange auszusetzen, bis das vereinbarungsgemäß angerufene Gericht sich für unzuständig erklärt hat. Stellt das in der Gerichtsstandsvereinbarung bezeichnete Gericht hingegen seine Zuständigkeit fest, hat sich das zuerst angerufene Gericht nach Art. 31 Abs. 3 Brüssel Ia-VO für unzuständig zu erklären. Dies gilt nach Art. 31 Abs. 4 Brüssel Ia-VO nur dann nicht, wenn der Kläger Versicherungsnehmer, Versicherter, Begünstigter des Versicherungsvertrags, Geschädigter, Verbraucher oder Arbeitnehmer ist und die Gerichtsstandsvereinbarung nach einer in den Sonder-

1412

Art. 24 Abs. 2 des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO sowie die vorangestellte Begründung, KOM(2010) 748 endg., S. 10 f. 1413 Dazu etwa: Nagel/Gottwald, § 6 Rn. 212 f. und 219 f.; Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (512 ff.); von Hein, RIW 2013, 97 (106 f.); Cadet, EuZW 2013, 218 (219 f.).

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

vorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- oder Arbeitssachen enthaltenen Bestimmungen nicht gültig ist. Des Weiteren wurde mit Art. 33 und 34 Brüssel Ia-VO eine flexible Regelung geschaffen, die es den Gerichten der Mitgliedstaaten ermöglicht, vor drittstaatlichen Gerichten anhängige Verfahren zu berücksichtigen.1414 Eine vergleichbare Regelung war bereits im Kommissionsvorschlag für die Neufassung der Brüssel I-VO enthalten, um auch insoweit die Funktionsweise der Brüssel I-VO im internationalen Rechtsverkehr zu verbessern.1415 Denn die Berücksichtigung solcher drittstaatlicher Parallelverfahren war bislang dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten überlassen und erfolgte mitunter sehr verschieden.1416 Nunmehr enthält Art. 33 Brüssel Ia-VO eine einheitliche Regelung für drittstaatliche Parallelverfahren bei Identität der Parteien und des Streitgegenstands. Daneben werden im Zusammenhang stehende drittstaatliche Parallelverfahren in Art. 34 Brüssel Ia-VO geregelt. Allerdings finden beide Vorschriften nur dann Anwendung, wenn die Zuständigkeit des mitgliedstaatlichen Gerichts auf Art. 4, 7, 8 oder 9 Brüssel Ia-VO beruht und das Parallelverfahren vor dem drittstaatlichen Gericht zuvor anhängig ist.1417 Sind diese Anwendungsvoraussetzungen erfüllt, liegt die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens im Ermessen des mitgliedstaatlichen Gerichts. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die in dem drittstaatlichen Verfahren voraussichtlich ergehende Entscheidung im Mitgliedstaat des ermessensausübenden Gerichts anerkannt und vollstreckt werden kann (Art. 33 Abs. 1 lit. a) und Art. 34 Abs. 1 lit. b) Brüssel IaVO) und eine Aussetzung des mitgliedstaatlichen Verfahrens im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich ist (Art. 33 Abs. 1 lit. b) und Art. 34 Abs. 1 lit. c) Brüssel Ia-VO).1418 Insofern konkretisiert Erwägungsgrund Nr. 24 zur Brüssel Ia-VO die Gesichtspunkte, die im Interesse einer geordneten Rechtspflege eine Rolle spielen können. Die Entscheidung über die Aussetzung des mitgliedstaatlichen Verfahrens ist zudem nicht endgültig. Vielmehr kann das mitgliedstaatliche Gericht nach Art. 33 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 2 Brüssel Ia-VO sein Verfahren jederzeit fortsetzen, wenn das drittstaatliche Verfahren ausgesetzt oder eingestellt wird, ein Abschluss des drittstaatlichen Verfahrens innerhalb angemessener Frist nicht mehr erwartet werden kann oder die Fortsetzung des mitgliedstaatlichen Verfahrens im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich ist. Sobald das drittstaatliche 1414

Erwägungsgrund Nr. 23 zur Brüssel Ia-VO. Art. 34 des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO sowie die vorangestellte Begründung, KOM(2010) 748 endg., S. 9 f. Dazu ausführlich: Weber, RabelsZ 75 (2011), 619 (634 ff.); Mangnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (287 ff.); Takahashi, JPIL 8 (2012), 1 (12 ff.); Fumagalli, in: Pocar/Viarengo/Vilatta, S. 237 (250 f.). 1416 Nagel/Gottwald, § 6 Rn. 218; Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (287); Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1 (9); von Hein, RIW 2013, 97 (106). Dazu ausführlich und mit Überblick über das nationale Recht: Nuyts-Bericht, S. 76 ff., Rn. 99 ff. 1417 Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (516); von Hein, RIW 2013, 97 (106); Cadet, EuZW 2013, 218 (220). 1418 Erwägungsgrund Nr. 23 zur Brüssel Ia-VO. 1415

§ 12 Die Änderungen innerhalb der Brüssel Ia-VO im Überblick

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Verfahren mit einer anerkennungsfähigen und vollstreckbaren Entscheidung abgeschlossen wurde, stellt das mitgliedstaatliche Gericht allerdings sein Verfahren endgültig ein (Art. 33 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 3 Brüssel Ia-VO). Dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten ist es insoweit noch überlassen, ob die Anwendung dieser Vorschriften auf Antrag oder von Amts wegen erfolgt.1419 Schließlich wurde die Funktionsweise der Rechtshängigkeitsvorschriften verbessert, indem durch Art. 29 Abs. 2 Brüssel Ia-VO für ein angerufenes Gericht die Möglichkeit geschaffen wurde, auf Antrag von einem anderen Gericht den genauen Zeitpunkt zu erfahren, zu dem dieses im Sinne des Art. 32 Brüssel Ia-VO angerufen wurde. Zugleich wurden einige Klarstellungen für die Bestimmung des Zeitpunkts der Anrufung in Art. 32 Brüssel Ia-VO eingefügt.1420 Diese Vorschrift gilt im Übrigen auch für die in Art. 33 und Art. 34 Brüssel Ia-VO erforderliche Bestimmung der Anhängigkeit.1421

D. Einstweilige Maßnahmen Im Rahmen der Neufassung der Brüssel I-VO rückte auch die bisherige Rechtslage für einstweilige Maßnahmen in den Fokus des Verordnungsgebers.1422 Allerdings hat sich für einstweilige Maßnahmen letztlich die Rechtslage nicht wesentlich geändert. Der Begriff der einstweiligen Maßnahme wird auch in der Brüssel Ia-VO nicht definiert, wenngleich Erwägungsgrund Nr. 25 zur Brüssel IaVO nunmehr für Beweissicherungen eine gewisse Klärung herbeigeführt hat.1423 Überdies sind zum Erlass einstweiliger Maßnahmen weiterhin sowohl die Gerichte der Hauptsache als auch die nach nationalem Recht berufenen sonstigen Gerichte zuständig.1424 Dies ergibt sich nunmehr aus Art. 35 Brüssel Ia-VO. Die Anwendung dieser Vorschrift und damit die Zuständigkeit eines nicht in der Hauptsache zuständigen Gerichts setzt dabei auch künftig voraus, dass zwischen dem Gegenstand der einstweiligen Maßnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts eine reale Verknüpfung besteht.1425 1419

Siehe Art. 33 Abs. 4 und Art. 34 Abs. 4 Brüssel Ia-VO. Cadet, EuZW 2013, 218 (220). 1421 Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (518). 1422 Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 9, und Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg., S. 8 f.; Schlosser, in: Heidelberg-Bericht, S. 288 ff., Rn. 641 ff. Ausführlich zum Ganzen: Dickinson, IPRax 2010, 203 ff. 1423 Dazu ausführlich: von Hein, RIW 2013, 97 (108). Die Schaffung einer Legaldefinition wurde jedoch verschiedentlich als hilfreich angesehen: Dickinson, IPRax 2010, 203 (208); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (291); Heinze, RabelsZ 75 (2011), 581 (603 f.). 1424 Nagel/Gottwald, § 17 Rn. 6; von Hein, RIW 2013, 97 (107). 1425 von Hein, RIW 2013, 97 (107); M. Weller, GPR 2012, 34 (43 f.). Vgl. dazu auch: EuGH, Urt. v. 17. 11. 1998 (van Uden), Rs. C-391/95, Slg. 1998, I-7091, Rn. 48. 1420

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Folglich umfasst der Begriff der Entscheidung im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung nach Art. 2 lit. a) Brüssel Ia-VO lediglich solche Maßnahmen, die von einem in der Hauptsache zuständigen Gericht angeordnet wurden.1426 Aufgrund der realen Verknüpfung beschränkt sich die Wirkung von einstweiligen Maßnahmen, welche ein sonstiges Gericht erlassen hat, vielmehr auf das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats.1427 Darüber hinaus entspricht die Anerkennung und Vollstreckung einstweiliger Maßnahmen der bisherigen Rechtslage. Insbesondere ist die Anerkennung und Vollstreckung auch künftig von der Gewährung rechtlichen Gehörs abhängig. Jedoch ergibt sich dies nunmehr unmittelbar aus Art. 2 lit. a) und Art. 42 Abs. 2 Brüssel Ia-VO.1428

E. Abschaffung des Exequaturverfahrens Einen zentralen Aspekt in der Reformdiskussion bildete schließlich die Abschaffung des Exequaturverfahrens.1429 Spätestens nachdem auch der Europäische Rat im sog. Stockholmer Programm die Fortführung des Prozesses der Abschaffung aller zwischengeschalteten Maßnahmen ausdrücklich auf seine politische Agenda setzte,1430 ging es im Rahmen der Reformdiskussion lediglich noch um die Frage, wie die Abschaffung konkret umzusetzen ist.1431 In der Brüssel Ia-VO konnte sich letztlich das sog. Modell des umgekehrten Verfahrens durchsetzen.1432 Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass es zur Vollstreckung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung keiner gesonderten Vollstreckbarerklärung mehr bedarf (Art. 39 Brüssel Ia-VO).1433 Auf Antrag eines Berechtigten stellt das Ursprungsgericht nunmehr lediglich eine Bescheinigung im Sinne des Art. 53 Brüssel Ia-VO aus, welche sodann dem Schuldner statt der Vollstreckbarerklärung zugestellt werden muss (Art. 43 Brüssel Ia-VO).1434 Damit entfällt für den 1426

M. Weller, GPR 2012, 34 (44). So auch Erwägungsgrund Nr. 33 zur Brüssel Ia-VO. 1428 Pohl, IPRax 2013, 109 (114); von Hein, RIW 2013, 97 (107 f.). Zur bisherigen Rechtslage: EuGH, Urt. v. 21. 5. 1980 (Denilauler), Rs. C-125/79, Slg. 1980, 1553, Rn. 18; Kropholler/von Hein, Art. 32 EuGVO Rn. 20 ff. 1429 Vgl. Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 4 f.; Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175, S. 2 f.; Begründung des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg., S. 3 ff.; Cuniberti/Rueda, RabelsZ 75 (2011), 286 ff.; Oberhammer, IPRax 2010, 197 ff.; Schlosser, IPRax 2010, 101 ff.; Beaumont/Johnston, IPRax 2010, 105 ff.; Pfeiffer, in: Pocar/Viarengo/Villata, S. 311 ff. 1430 Stockholmer Programm, ABl. (EU) 2010, Nr. C 115/1 (13). Dazu ausführlich: R. Wagner, IPRax 2010, 97 ff. 1431 Pohl, IPRax 2013, 109 (112). 1432 von Hein, RIW 2013, 97 (109); Pohl, IPRax 2013, 109 (112). 1433 Siehe dazu auch: Erwägungsgrund Nr. 26 zur Brüssel Ia-VO. 1434 Erwägungsgrund Nr. 32 zur Brüssel Ia-VO. Siehe zudem: Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (525 f.); Pohl, IPRax 2013, 109 (112). 1427

§ 13 Auswirkungen auf die Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen

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Schuldner zugleich die Möglichkeit, im Rahmen des bisherigen Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Vollstreckbarerklärung die zu vollstreckende Entscheidung auf Anerkennungshindernisse überprüfen zu lassen. Stattdessen kann der Schuldner künftig nach den Vorschriften der Art. 46 bis 51 Brüssel Ia-VO die Versagung der Vollstreckung beantragen.1435 Innerhalb dieses speziellen Verfahrens wird das Vorliegen von Anerkennungsversagungsgründen im Sinne des Art. 45 Brüssel Ia-VO geprüft. Diese entsprechen weitgehend den bisherigen Anerkennungshindernissen in Art. 34 Nr. 1 bis 4 und Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO. Trotz Abschaffung des Exequaturverfahrens wird somit der Schuldnerschutz in der Brüssel Ia-VO in vollem Umfang aufrechterhalten.1436 Der Schuldnerschutz wird dabei sogar geringfügig erweitert, da Art. 45 Abs. 1 lit. e) (i) Brüssel Ia-VO nunmehr eine Nachprüfung der Einhaltung der Sondervorschriften für Arbeitssachen gestattet.1437 Allerdings ist künftig die Nachprüfung der Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen nur noch dann gestattet, wenn der Beklagte die typischerweise schwächer angesehene Partei ist. Neben den verschiedenen mit der Abschaffung des Exequaturverfahrens einhergehenden Änderungen ist überdies noch erwähnenswert, dass nunmehr eine Anpassung von Maßnahmen oder Anordnungen nach Art. 54 Brüssel Ia-VO ermöglicht wird, soweit diese im Recht des ersuchten Mitgliedstaats nicht bekannt sind.1438

§ 13 Auswirkungen auf die bisherige Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich I. Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des bisherigen Art. 23 Brüssel IVO wird durch die Neufassung erheblich ausgedehnt.1439 Während die Anwendung des Art. 23 Brüssel I-VO voraussetzt, dass zumindest eine der Vertragsparteien ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, ist Art. 25 Brüssel Ia-VO un1435 Siehe auch: Erwägungsgrund Nr. 29 zur Brüssel Ia-VO. Rauscher/Mankowski, Art. 39 Brüssel Ia-VO Rn. 13 ff. 1436 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1 (9). 1437 von Hein, RIW 2013, 97 (109); Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (527 f.); Pohl, IPRax 2013, 109 (113). 1438 Erwägungsgrund Nr. 28 zur Brüssel Ia-VO. Zum Ganzen: von Hein, RIW 2013, 97 (110); Cadet, EuZW 2013, 218 (222). 1439 Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 4. Zum räumlich-persönlichen Anwendungsbereich des Art. 23 Brüssel I-VO ausführlich oben unter Teil 2, § 7, A.

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

abhängig vom Wohnsitz der Vertragsparteien anwendbar.1440 Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 25 Brüssel Ia-VO ist somit bereits dann eröffnet, wenn die Parteien ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats vereinbaren. Einziger Anknüpfungspunkt zu einem Mitgliedstaat ist damit die parteiautonome Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts.1441 Demnach ist Art. 25 Brüssel Ia-VO auch dann auf Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts anwendbar, wenn die Parteien ihren Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben. Die begrenzte Erweiterung des räumlichpersönlichen Anwendungsbereichs im bisherigen Art. 23 Abs. 3 Brüssel I-VO konnte damit ersatzlos gestrichen werden.1442 II. Teleologische Reduktion Die teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs bei reinen Inlandssachverhalten und Drittstaatensachverhalten spielte im Rahmen der Reformdiskussion hingegen keine Rolle.1443 Allerdings können aus der Neufassung auch insofern Rückschlüsse gezogen werden. Dies trifft zunächst auf die hier befürwortete teleologische Reduktion bei reinen Inlandssachverhalten zu.1444 Zwar hat der Verordnungsgeber im Rahmen der Neufassung davon abgesehen, das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Bezugs nach dem Vorbild des Art. 1 HGÜ in den Normtext aufzunehmen.1445 Jedoch betonte die Kommission ausdrücklich, dass durch die Neufassung für eine kohärente Anwendung des HGÜ und der Brüssel I-VO gesorgt werden müsse.1446 Infolgedessen orientiert sich die Brüssel Ia-VO bei Gerichtsstandsvereinbarungen an den Bestimmungen des HGÜ.1447 So lässt sich etwa das Vorbild für die zur Bestimmung des anwendbaren Rechts in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO eingefügte Formulierung in Art. 5 Abs. 1 HGÜ finden. Demnach 1440 Hk-ZPO/Dörner, Art. 25 EuGVVO Rn. 4; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO Rn. 5; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.17; Linke/Hau, IZVR, Rn. 6.7; Czernich, in: Czernich/Kodek/Mayr, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 2; Hay, EuLF 2013, 1 (2). 1441 U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (672); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (270 und 273); Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (65). 1442 M. Stürner, GPR 2013, 305 (313); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (270); Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 10. 1443 Zur teleologischen Reduktion ausführlich oben unter Teil 2, § 7, A.IV. 1444 Ebenfalls für einen Ausschluss der reinen Inlandssachverhalte unter der Brüssel Ia-VO: Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 21 ff.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.20; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO Rn. 6; Hk-ZPO/Dörner, Art. 25 EuGVVO Rn. 5; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 25 EuGVVO Rn. 2; Linke/Hau, IZVR, Rn. 6.7; Czernich, in: Czernich/Kodek/Mayr, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 4. 1445 Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 21. 1446 Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 7. 1447 Vgl. Begründung des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg., S. 9 f.

§ 13 Auswirkungen auf die Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen

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kann nunmehr mit der angestrebten Kohärenz zum HGÜ ein weiteres Argument für die teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs bei reinen Inlandssachverhalten angeführt werden. Zudem wird die hier abgelehnte teleologische Reduktion bei Drittstaatensachverhalten durch die Brüssel Ia-VO bekräftigt. Denn künftig setzt der räumlichpersönliche Anwendungsbereich des Art. 25 Brüssel Ia-VO nur noch einen Anknüpfungspunkt zu einem Mitgliedstaat voraus.1448 Damit ließe sich die Forderung nach einem Bezug zu mehreren Mitgliedstaaten kaum in Einklang bringen.1449 Aber auch mit Blick auf die qualitativen Anforderungen an den zuständigkeitsrelevanten Auslandsbezug lässt sich der angestrebten Kohärenz zum HGÜ ein Argument entnehmen.1450 Denn das Übereinkommen erklärt in Art. 1 Abs. 2 HGÜ ausdrücklich, dass der Ort des vereinbarten Gerichts bei der Beurteilung der Internationalität eines Sachverhalts unbeachtlich ist. Folglich würde entgegen der hier vertretenen Auffassung eine grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarung nicht genügen, um einen zuständigkeitsrelevanten Auslandsbezug anzunehmen.1451 Dennoch sollten auch weiterhin grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarungen nicht als reine Inlandssachverhalte angesehen werden. In diesen Konstellationen weitere Auslandsbezüge zu fordern, bleibt nämlich in Bezug auf die Rechtssicherheit und zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie weiterhin bedenklich. Überdies erscheint es äußerst fragwürdig, ob der Verordnungsgeber die kohärente Anwendung des HGÜ und der Brüssel Ia-VO auch tatsächlich auf diese vor allem kompetenzrechtliche Fragestellung erstrecken wollte. In den einschlägigen Materialien finden sich jedenfalls keine dahingehenden Hinweise. Solange im Normtext der Brüssel IaVO oder zumindest in den Erwägungsgründen keine dem Art. 1 Abs. 2 HGÜ entsprechende Regelung enthalten ist, sollten daher grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarungen vom räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO erfasst sein. III. Teleologische Extension Ein weiteres Problem im Rahmen des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs bestand bisher bei der Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts hinsichtlich ihrer Derogationswirkung am rechtlichen Maßstab des Art. 23 Brüssel I-VO gemessen werden kann. Dies wird vorliegend 1448

Siehe auch Erwägungsgrund Nr. 13 zur Brüssel Ia-VO. Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (65). Vgl. auch Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 19; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.21 f.; Czernich, in: Czernich/Kodek/Mayr, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 5; Hk-ZPO/Dörner, Art. 25 EuGVVO Rn. 6. Noch weitergehend: Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 25 EuGVVO Rn. 2, der die Diskussion in der Brüssel Ia-VO für erledigt ansieht. 1450 Siehe dazu auch: Czernich, in: Czernich/Kodek/Mayr, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 6. 1451 So etwa: Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 24; a.A.: Hk-ZPO/Dörner, Art. 25 EuGVVO Rn. 5. Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, A.IV.3. 1449

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

bejaht und insoweit eine teleologische Extension des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 23 Brüssel I-VO befürwortet.1452 Die Derogationswirkung einer drittstaatlichen Prorogation wurde im Rahmen der Reformdiskussion ebenfalls thematisiert.1453 So sollte insbesondere geprüft werden, „in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen es zweckmäßig sein kann, den Gerichten zu gestatten, sich zugunsten der Gerichte von Drittstaaten für unzuständig zu erklären“.1454 Dabei wurde eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts als ein möglicher Fall genannt.1455 Dennoch enthält die Brüssel Ia-VO insofern keine ausdrückliche Regelung. Insbesondere ist in Art. 33 Brüssel Ia-VO keine solche Regelung zu sehen.1456 Zwar regelt diese Vorschrift unter welchen Voraussetzungen ein mitgliedstaatliches Gericht ein vor drittstaatlichen Gerichten anhängiges Verfahren berücksichtigen kann.1457 Unter welchen Voraussetzungen eine drittstaatliche Prorogation zulässig sein soll und zur Derogation einer mitgliedstaatlichen Zuständigkeit führt, bleibt indes ungeregelt.1458 Spätestens im Rahmen der Ermessensentscheidung nach Art. 33 Brüssel Ia-VO stünde somit das mitgliedstaatliche Gericht noch immer vor der schwierigen Frage, ob etwa eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des drittstaatlichen Gerichts eine Derogation seiner Zuständigkeit rechtfertigt. Überdies ist der Anwendungsbereich des Art. 33 Brüssel Ia-VO begrenzt. Infolgedessen würde ein Rückgriff auf Art. 33 Brüssel Ia-VO sowieso ausscheiden, wenn die Zuständigkeit des mitgliedstaatlichen Gerichts nicht auf den Art. 4, 7, 8 oder 9 Brüssel Ia-VO beruht oder das mitgliedstaatliche Gericht zuerst angerufen wird.1459 Demnach wird die Diskussion über die teleologische Extension des räumlichpersönlichen Anwendungsbereichs künftig auch im Rahmen des Art. 25 Brüssel IaVO geführt werden.1460 Dabei wird insbesondere die Frage zu klären sein, ob bei 1452

Zur teleologischen Extension ausführlich oben unter Teil 2, § 7, A.V. Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg., S. 4; European Parliament resolution of 7 September 2010 on the implementation and review of Council Regulation (EC) No 44/2001 on jurisdiction and the recognition and enforcement of judgments in civil and commercial matters, P7_TA (2010) 0304, Nr. 17; Nuyts-Bericht, S. 141, Rn. 180 ff.; Pfeiffer, in: Heidelberg-Bericht, S. 164 f., Rn. 388; Kohler, in: Pocar/Viarengo/Villata, S. 199 ff.; Villata, in: Pocar/Viarengo/Villata, S. 219 ff.; Weber, RabelsZ 75 (2011), 619 (631 f.); Ratkovic´/ Zgrabljic´ Rotar, JPIL 9 (2013), 245 (247 ff.). 1454 Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg., S. 4. 1455 Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg., S. 4. 1456 Wohl a.A.: Pohl, IPRax 2013, 109 (112). 1457 Siehe auch oben unter Teil 3, § 12, C. 1458 Kohler, in: Pocar/Viarengo/Villata, S. 199 (201); Ratkovic´/Zgrabljic´ Rotar, JPIL 9 (2013), 245 (246 f.). 1459 So aber auch: Pohl, IPRax 2013, 109 (112). 1460 Siehe etwa: Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 13 ff.; Linke/Hau, IZVR, Rn. 6.8; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO Rn. 6a. 1453

§ 13 Auswirkungen auf die Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen

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einem Inkrafttreten des HGÜ die darin enthaltenen harmonisierten Regelungen für Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten drittstaatlicher Gerichte zugleich eine Derogation der mitgliedstaatlichen Zuständigkeiten rechtfertigen.1461 IV. Bewertung Obwohl der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 25 Brüssel IaVO weiterhin sowohl einer teleologischen Reduktion als auch einer teleologischen Extension bedarf, sind die insoweit vorgenommenen Änderungen insgesamt zu begrüßen. Will man mit dem Verordnungsgeber die Parteiautonomie bei der Wahl des zuständigen Gerichts gewähren und erachtet man folglich die Parteiautonomie als den entscheidenden Rechtfertigungsgrund für eine Abweichung vom zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzip actor sequitur forum rei, so konnte das zusätzliche Wohnsitzerfordernis in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO schon bisher kaum überzeugen.1462 Warum sollten die Anforderungen an die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung vom Wohnsitz abhängen, wenn doch die einverständliche Bestimmung des Gerichtsstands das maßgebliche Kriterium ist? Ein überzeugender Grund, die Reichweite der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie vom Wohnsitz der Parteien abhängig zu machen, ist ohnehin nicht ersichtlich.1463 Der Wegfall des Wohnsitzerfordernisses stärkt vielmehr die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschrift des Art. 25 Brüssel Ia-VO und damit das Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem der Brüssel Ia-VO.1464 Denn auf die mitunter schwierige rechtliche und tatsächliche Bestimmung des Wohnsitzes einer Partei unter Rückgriff auf die lex fori kommt es nicht mehr an, sodass die Anwendbarkeit des Art. 25 Brüssel Ia-VO durch die Parteien und Gerichte künftig einfacher als bisher festgestellt werden kann.1465 Dies gilt insbesondere auch für die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs. Denn die tatsächlichen Begleitumstände können für sich genommen nicht die verbliebene Anwendungsvoraussetzung der Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts abändern. Damit wird es künftig keinen großen Unterschied mehr machen, ob man auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung, den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts oder disjunktiv auf beide Zeitpunkte abstellt.1466 1461 Vgl. Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 109 (2010), 1 (10 f.); Kohler, in: Pocar/Viarengo/Villata, S. 199 (201 ff.). 1462 Siehe Erwägungsgründe Nr. 11 und 14 zur Brüssel I-VO sowie Erwägungsgründe Nr. 15 und 19 zur Brüssel Ia-VO; Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (64); U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (672); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (273). 1463 So bereits frühzeitig: Kropholler, in: Festschrift Ferid, S. 239 (247). 1464 Weber, RabelsZ 75 (2011), 619 (627); Queirolo/De Maestri, EuLF 2011, 61 (65). 1465 Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (65). 1466 Siehe dazu oben unter Teil 2, § 7, A.VI.

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

Überdies wird die Brüssel Ia-VO damit dem HGÜ angeglichen, bei dem ebenfalls die einverständliche Bestimmung eines vertragsstaatlichen Gerichts genügt.1467 Schließlich ist in der Eröffnung des Justizraums für Drittstaatenangehörige kein entscheidender Nachteil zu sehen. Denn der Einsatz der knappen Justizresourcen kann durch spezielle Gerichtsgebühren vergütet werden.1468 Zudem wird die mitgliedstaatliche Rechtsberatungsbranche gestärkt, indem ihr neue Betätigungsfelder eröffnet werden.1469

B. Wirksamkeit I. Form Die Neufassung hat die bisherigen Formerfordernisse des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) bis c) Brüssel I-VO unverändert übernommen und auch die Gleichstellung der elektronischen Form mit der Schriftform durch Art. 23 Abs. 2 Brüssel I-VO beibehalten. In Hinsicht auf die formelle Wirksamkeit hat die Neufassung damit keine Auswirkungen auf die bisherige Rechtslage. Vielmehr beanspruchen die bisherigen Rechtsansichten zur Anwendung und Auslegung der Formvorschriften auch innerhalb des Art. 25 Abs. 1 Satz 3 und Art. 25 Abs. 2 Brüssel Ia-VO weiterhin Geltung.1470 II. Materielle Wirksamkeit Zunächst kann festgestellt werden, dass der neu geschaffene Art. 25 Abs. 5 Brüssel Ia-VO zu keiner Veränderung der bisherigen Rechtslage für die Vereinbarung und materielle Wirksamkeit geführt hat.1471 Denn die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung wurde schon bisher unabhängig vom Hauptvertrag beurteilt.1472

1467 Art. 3 lit. c) und Art. 5 HGÜ; Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (273); Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (64). So auch zum Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen von 1965: Kropholler, in: Festschrift Ferid, S. 239 (247). 1468 Weber, RabelsZ 75 (2011), 619 (627); Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (64). 1469 Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (270). 1470 Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, B.I. Vgl. auch Hausmann, in: Reithmann/ Martiny, Rn. 8.56 ff.; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO Rn. 12 ff.; Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 87 ff. 1471 Fentiman, Commercial Litigation, Rn. 2.91; Ratkovic´/Zgrabljic´ Rotar, JPIL 9 (2013), 245 (259); Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (66 ff.); Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (523); Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.49; Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 77. 1472 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 25 mit insoweit zust. Anm. von Mankowski, JZ 1998, 898 (899 f.); Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 114; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 94; Thomas/

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Anders verhält es sich demgegenüber bei Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO. Denn nach dieser neugefassten Regelung wird künftig das auf die materielle Nichtigkeit einer Vereinbarung anwendbare Recht bestimmt. Danach wird auf das Recht des Mitgliedstaats des vereinbarten Gerichts verwiesen. Welche Auswirkungen dies auf das verordnungsautonome Vereinbarungskonzept und die übrigen materiell-rechtlichen Fragestellungen einer Gerichtsstandsvereinbarung im Einzelnen hat, ist indes ungewiss und hängt wesentlich vom konkreten Verständnis dieser kollisionsrechtlichen Verweisungsnorm ab. Diesbezüglich bestehen allerdings verschiedene Unklarheiten. 1. Reichweite der kollisionsrechtlichen Verweisung So ist zunächst die Reichweite der kollisionsrechtlichen Verweisung unklar.1473 Welche materiell-rechtlichen Fragestellungen können überhaupt unter den Begriff der materiellen Nichtigkeit in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO gefasst werden? In der Begründung des Kommissionsvorschlags heißt es insofern, dass durch die Änderung eine harmonisierte Kollisionsnorm zur materiellen Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung in die Brüssel I-VO eingeführt werden sollte.1474 Nimmt man dies wörtlich, so wären von der eingefügten Verweisungsnorm sämtliche Fragestellungen der materiellen Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung erfasst.1475 Insbesondere wäre das Vorliegen der Willenseinigung dann nicht mehr verordnungsautonom zu beurteilen, sondern unter Rückgriff auf das nationale Recht des vereinbarten Gerichts. Dieses umfassende Verständnis wird überdies durch das HGÜ bestätigt, an dessen Lösungen sich der abgeänderte Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO orientiert hat.1476 Denn von der kollisionsrechtlichen Verweisung in den Art. 5 Abs. 1, Art. 6 lit. a) und Art. 9 lit. a) HGÜ werden ebenfalls das Vorliegen einer Willenseinigung, die Wirksamkeit einer Stellvertretung, der Einfluss von Willensmängeln und die Anforderungen an die Geschäftsfähigkeit der Parteien erfasst.1477 Die Reichweite der Verweisung des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO derart weit zu fassen, erscheint allerdings äußerst bedenklich. Denn von der wohl herrschenden Meinung wird das Vorliegen der Willenseinigung bei einer GerichtsPutzo/Hüßtege (34. Aufl. 2013), Art. 23 EuGVVO Rn. 16; MüKoZPO/Gottwald, Art. 23 EuGVO Rn. 23. 1473 Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (66 ff.); M. Weller, GPR 2012, 34 (41); U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (673 f.); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (275 f.); M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (585 ff.). 1474 Begründung des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg., S. 9 f. 1475 So wohl: Nagel/Gottwald, § 3 Rn. 202; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1 (9); Pohl, IPRax 2013, 109 (111). 1476 Begründung des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg., S. 10. 1477 Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 94 und 126. Siehe oben unter Teil 3, § 11, B.I.2.

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

standsvereinbarung nicht unter Rückgriff auf nationales Recht, sondern verordnungsautonom anhand der Formerfordernisse beurteilt.1478 Im Hinblick auf das Vorliegen der Willenseinigung werden somit bereits unabhängig vom angerufenen Gericht annährend gleiche Entscheidungen sichergestellt, sodass das mit der Einführung der harmonisierten Kollisionsnorm angestrebte Ziel insofern schon verwirklicht ist.1479 Aus teleologischen Gründen ist es also gar nicht notwendig, diese materiell-rechtliche Fragestellung von der harmonisierten Kollisionsnorm zu erfassen. Das Vorliegen einer Willenseinigung aufgrund der harmonisierten Kollisionsnorm anhand des Rechts am vereinbarten Gericht zu beurteilen, würde vielmehr einen Rückschritt bei der Vereinheitlichung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit bedeuten und damit dem Erwägungsgrund Nr. 4 zur Brüssel Ia-VO widersprechen.1480 Anstatt wie bisher das Vorliegen einer Willenseinigung europaweit einheitlich zu beurteilen, müssten nämlich künftig die Anforderungen der jeweils berufenen nationalen Rechtsordnung berücksichtigt werden.1481 Ebenso wenig kann eine vollumfängliche Orientierung am HGÜ überzeugen.1482 Denn im Gegensatz zum Brüssel Ia-VO liegt dem HGÜ gerade kein autonomes Vereinbarungskonzept zugrunde.1483 Für eine gesonderte Behandlung der Willenseinigung scheint ferner der Wortlaut der Brüssel Ia-VO zu sprechen.1484 Während in Art. 5 Abs. 1, Art. 6 lit. a) und Art. 9 lit. a) HGÜ auf die Ungültigkeit einer Vereinbarung abgestellt wird, verwendet zumindest die deutsche Sprachfassung in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO den Begriff der materiellen Nichtigkeit.1485 Der Verordnungsgeber scheint also ganz bewusst zwischen den Begriffen der Ungültigkeit und materiellen Nichtigkeit zu differenzieren. Denn in Art. 25 Abs. 5 Brüssel Ia-VO wird sich wiederum an den Begrifflichkeiten des HGÜ orientiert und ebenso wie in Art. 3 lit. d) HGÜ von der Gültigkeit gesprochen. Eine Erklärung für die begriffliche Differenzierung liefert der Verordnungsgeber allerdings nicht. Schließlich kann dem weit gefassten Verständnis der Verweisungsnorm entgegengehalten werden, dass somit in dogmatisch fragwürdiger Weise die Vereinbarung 1478

Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II.1. So das von der Kommission mit der Einführung der harmonisierten Kollisionsnorm verfolgte Ziel, vgl. Begründung des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg., S. 9 f. 1480 U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (673). 1481 Briggs, YPIL 12 (2010), 311 (331); Dickinson, YPIL 12 (2010), 247 (300 f.); Magnus/ Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (275); U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (673). 1482 Eine Orientierung am HGÜ generell ablehnend: Briggs, YPIL 12 (2010), 311 (329). 1483 M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (587). Siehe oben unter Teil 3, § 11, B.I.2. 1484 So auch: Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (275). 1485 Demgegenüber unterscheidet sich die engl. Sprachfassung der Brüssel Ia-VO von dem Wortlaut des HGÜ lediglich dadurch, dass anstatt von „null and void“ von „null and void as to its substantive validity“ die Rede ist. 1479

§ 13 Auswirkungen auf die Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen

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einerseits zum Anknüpfungskriterium der Verweisungsnorm erklärt und andererseits zur Beurteilung sämtlicher materiell-rechtlicher Aspekte dieser Vereinbarung auf das Recht des vereinbarten Mitgliedstaats verwiesen würde. Die Frage, ob die für die Verweisung erforderliche Vereinbarung materiell wirksam ist, wäre ja erst noch anhand des für anwendbar erklärten Rechts zu beantworten. Dieser Konflikt ließe sich zwar dadurch lösen, dass man lediglich das in der Gerichtsstandsvereinbarung bezeichnete Gericht zum Anknüpfungskriterium erklärt.1486 Dies geht aber aus dem Normtext des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO nicht hervor.1487 Der Konflikt könnte allerdings dann vermieden werden, wenn man das Vorliegen der Willenseinigung weiterhin verordnungsautonom anhand der Formerfordernisse beurteilt. Dann könnte problemlos in der Vereinbarung das maßgebliche Anknüpfungskriterium erblickt werden. Insgesamt überzeugt es daher, das Vorliegen der Willenseinigung bei einer Gerichtsstandsvereinbarung auch weiterhin verordnungsautonom anhand der Formerfordernisse zu beurteilen und lediglich die übrigen materiell-rechtlichen Fragestellungen der Wirksamkeit unter die kollisionsrechtliche Verweisung des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO zu fassen.1488 Im Rahmen der Verweisung kommt es dabei allerdings nicht darauf an, ob eine Vereinbarung unmittelbar kraft Gesetzes als nichtig anzusehen ist oder lediglich für vernichtbar erklärt wird.1489 2. Sachnorm- oder Gesamtverweisung Weiterhin ist fraglich, wie die in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO enthaltene Rechtsanwendungsregel konkret zu verstehen ist. Der Wortlaut ist dabei wenig aussagekräftig. Im Wege der grammatikalischen Auslegung kann insbesondere nicht hinreichend sicher beantwortet werden, ob in der Regelung eine Sachnorm- oder Gesamtverweisung zu erblicken ist. Allenfalls ließe sich argumentieren, dass der Verordnungsgeber vom „innerstaatlichen Recht“ oder von den „Sachvorschriften dieses Mitgliedstaats“ gesprochen hätte, wenn er eine Sachnormverweisung hätte schaffen wollen.1490 Es verwundert daher nicht, dass zumindest im Hinblick auf den

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So etwa: M. Weller, GPR 2012, 34 (41). Siehe aber: Erwägungsgrund Nr. 20 zur Brüssel Ia-VO. 1488 So ebenfalls: Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 44 und Rn. 134 ff.; Linke/Hau, IZVR, Rn. 6.13 f.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.41 ff., Czernich, in: Czernich/Kodek/Mayr, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 20 ff.; Hk-ZPO/Dörner, Art. 25 EuGVVO Rn. 10 f.; a.A. Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO Rn. 3. 1489 U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (674); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (276); Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (67). 1490 Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (68); U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (674); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (276); vgl.: Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 125. 1487

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

Kommissionsvorschlag zur Neufassung der Brüssel I-VO noch beide Ansichten vertreten wurden.1491 Um diese Frage zu klären wurde allerdings mittlerweile Erwägungsgrund Nr. 20 zur Brüssel Ia-VO eingefügt.1492 Hierdurch wird klargestellt, dass die ausgesprochene Verweisung auf das Recht des vereinbarten Mitgliedstaats auch das Kollisionsrecht mit einschließt. Folglich ist Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO als eine Gesamtverweisung anzusehen.1493 Damit entspricht die Brüssel Ia-VO dem HGÜ, an dessen Lösungen sich die Kommission orientiert hat.1494 Somit ist die bisherige Streitfrage, ob bei der Beantwortung der nicht vom verordnungsautonomen Vereinbarungskonzept erfassten materiell-rechtlichen Fragestellungen das Verfahrensrecht der lex fori oder lediglich dessen Kollisionsrecht heranzuziehen ist, zugunsten der letztgenannten Möglichkeit entschieden.1495 Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO stellt hierdurch aber nur sicher, dass alle Mitgliedstaaten die vom Mitgliedstaat des vereinbarten Gerichts gewählte Lösung zur Bestimmung des anwendbaren Rechts respektieren.1496 Wie das anwendbare Recht in den Mitgliedstaaten zu bestimmen ist, bleibt jedoch weitherhin jedem Mitgliedstaat überlassen und damit nur schwer vorhersehbar.1497 Insofern sollte das sachlich anwendbare Vertragsrecht europaweit in entsprechender Anwendung der Rom I-VO bestimmt werden.1498 Wenn ausnahmsweise nicht das vereinbarte Gericht über die Rechtsstreitigkeit zu entscheiden hat, muss das angerufene Gericht somit nicht auf ein „fremdes“ Kollisionsrecht zurückgreifen, was die Rechtsanwendung nachhaltig vereinfachen dürfte.1499 Aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs der 1491 Für Sachnormverweisung: Queirolo/De Maestri, EuLF 2011, 61 (67); Queirolo, in: Pocar/Viarengo/Villata, S. 183 (190 f.); Hess, IPRax 2011, 125 (129); M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (585 f.); für Gesamtverweisung: Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (276 f.); U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (674). 1492 Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (522); von Hein, RIW 2013, 97 (105); M. Stürner, GPR 2013, 305 (313 f.). 1493 So auch: Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO Rn. 3; Noch weitergehend: Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 25 EuGVVO Rn. 5; Czernich, in: Czernich/Kodek/ Mayr, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 27; kritisch: Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.45. 1494 Fentiman, Commercial Litigation, Rn. 2.92; Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (276 f.); Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (522); Harris, BJIBFL 2014, 709 (710); kritisch: Hay, EuLF 2013, 1 (3). Siehe dazu auch oben unter Teil 3, § 11, B.I.2. 1495 Zu dieser Streitfrage ausführlich oben unter: Teil 2, § 7, B.II.2. 1496 Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (70). 1497 Harris, BJIBFL 2014, 709 (710); Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (522 f.); Pohl, IPRax 2013, 109 (111), Auernig, ecolex 2015, 6 (7); Linke/Hau, IZVR, Rn. 6.14; Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 36. 1498 So die hier vertretene Auffassung, dazu ausführlich oben unter: Teil 2, § 7, B.II.2.c) aa)(1)(c). Ebenso im Rahmen der Brüssel Ia-VO: Palandt/Thorn, Art. 1 Rom I-VO Rn. 11; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 25 EuGVVO Rn. 5; a. A.: Hk-ZPO/Dörner, Art. 25 EuGVVO Rn. 15. 1499 Vgl. M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (585 f.); Auernig, ecolex 2015, 6 (7).

§ 13 Auswirkungen auf die Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen

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Rom I-VO erfolgt jedoch eine gesonderte Anknüpfung für die Teilfragen der Geschäftsfähigkeit und Stellvertretung.1500 3. Alternative Gerichtsstandsvereinbarungen Das auf die materielle Nichtigkeit anwendbare Recht ist dann nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO bestimmbar, wenn mit der Gerichtsstandsvereinbarung eine ausschließliche Zuständigkeit vereinbart wird. Zwar ist dies nach der gesetzlichen Auslegungsregel des Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Brüssel Ia-VO auch künftig regelmäßig der Fall. Diese Zweifelsregelung bestätigt allerdings ebenso, dass dies ausnahmsweise auch anders sein kann. Folglich können die Parteien nach Art. 25 Brüssel IaVO insbesondere vereinbaren, dass zugleich mehrere Gerichte in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ausschließlich zuständig sein sollen (sog. alternative Gerichtsstandsvereinbarung).1501 Darin unterscheidet sich die Brüssel Ia-VO vom HGÜ, dessen Anwendungsbereich auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen begrenzt ist.1502 Ob die Kollisionsnorm des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO auch zur Bestimmung des anwendbaren Rechts bei einer solchen alternativen Gerichtsstandsvereinbarung herangezogen werden kann, ist fraglich. Denn Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO würde insofern auf das nationale Recht von zwei Mitgliedstaaten verweisen. Nach welchem Recht wäre dann die materielle Nichtigkeit der alternativen Gerichtsstandsvereinbarung zu beurteilen? Eine befriedigende Antwort auf diese Frage lässt sich anhand der Brüssel Ia-VO kaum finden. Allenfalls ließe sich mit Blick auf den Wortlaut des Art. 25 Art. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO die Frage vermeiden, indem man das Wort „eines“ nicht mehr als unbestimmten Artikel verstehen würde, sondern als Zahlenangabe.1503 Denn eine alternative Bestimmung der internationalen Zuständigkeit mehrerer Mitgliedstaaten wäre dann nicht mehr möglich. Für eine solche Auslegung spräche zudem das HGÜ als Vorbild der neugefassten Kollisionsnorm, da dessen Anwendungsbereich auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen begrenzt ist. Allerdings lässt sich die damit einhergehende Begrenzung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie nur schwer mit den Erwägungsgründen Nr. 14, 15 und 19 Brüssel Ia-VO vereinbaren.1504 Ebenso wenig lassen sich in den einschlägigen Materialien des Verordnungsgebers Hinweise für eine dahingehende Begrenzung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie finden. Überzeugender ist es daher, lediglich die Kollisionsnorm des Art. 25 Abs. 1 1500

Vgl. Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 155 f.; Hk-ZPO/Dörner, Art. 25 EuGVVO Rn. 19; Fentiman, Commercial Litigation, Rn. 2.85; wohl a.A.: Thomas/Putzo/ Hüßtege, Art. 25 EuGVVO Rn. 6. 1501 Siehe oben unter Teil 2, § 7, C.I. 1502 Zum Anwendungsbereich des HGÜ oben unter Teil 3, § 11, A. 1503 Siehe zur bisherigen Rechtslage: Spellenberg, IPRax 2007, 98 (99). 1504 Ebenso: Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 16.

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

Satz 1 Brüssel Ia-VO nicht anzuwenden und es insofern bei der bisherigen Rechtslage zu belassen. 4. Ungeschriebene Missbrauchskontrolle Der Verordnungsgeber hat sich nicht dazu geäußert, ob und inwieweit eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle im Rahmen des Art. 25 Brüssel Ia-VO zulässig sein soll. Damit lässt er die einschlägige Diskussion um die vielfach geforderte, aber überwiegend abgelehnte ungeschriebene Missbrauchskontrolle unangetastet. Allenfalls ließe sich argumentieren, dass die fehlende Erwähnung einer solchen Missbrauchskontrolle im Gesetzgebungsverfahren gegen eine Veränderung des status quo und damit gegen eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle spricht.1505 5. Bewertung Die Schaffung der kollisionsrechtlichen Verweisung in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO ist insgesamt zu begrüßen, wenngleich sie die Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen innerhalb der Brüssel Ia-VO kaum verändert und verschiedene Folgeprobleme auslöst.1506 Denn künftig wird es durch sie nicht mehr möglich sein, dass die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung infolge nationaler Unterschiede in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beurteilt wird. Vielmehr haben alle Mitgliedstaaten fortan die vom Mitgliedstaat des vereinbarten Gerichts gewählte Lösung zur Bestimmung des anwendbaren Rechts zu respektieren.1507 Dies dürfte zudem die Rechtsanwendung nur ausnahmsweise verkomplizieren, weil regelmäßig das angerufene Gericht zugleich das vereinbarte Gericht sein dürfte. Angesichts der in Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO neugeschaffenen Ausnahme vom Prioritätsprinzip des bisherigen Art. 27 Brüssel I-VO, gilt dies umso mehr.1508

C. Inhalt I. Gestaltungsmöglichkeiten und Bestimmtheit Die Brüssel Ia-VO führt zu keinen Veränderungen der inhaltlichen Anforderungen an eine Gerichtsstandsvereinbarung.1509 Insbesondere ist auch künftig ein objektiver Zusammenhang zwischen dem vereinbarten Gericht und der Rechtsstrei1505 Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (284); U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (681). 1506 Mit prinzipieller Kritik: Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 35. 1507 Vgl. auch Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 25 ff. 1508 Dazu sogleich ausführlich. 1509 Zur bisherigen Rechtslage oben unter Teil 2, § 7, C.

§ 13 Auswirkungen auf die Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen

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tigkeit nicht erforderlich.1510 Ein solcher Zusammenhang kann weder aus dem Wortlaut des Art. 25 Brüssel Ia-VO noch aus dem HGÜ abgeleitet werden. Das HGÜ bestätigt vielmehr die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie bei der Auswahl der Gerichte.1511 Ebenso wenig haben sich die Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit einer Gerichtsstandsvereinbarung geändert. Das Rechtsverhältnis und das vereinbarte Gericht müssen daher wie bisher hinreichend bestimmt sein.1512 II. Auslegung Allerdings lässt sich darüber nachdenken, ob die Kollisionsnorm des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO Auswirkungen auf die Feststellung des Inhalts durch die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung hat. Denn soweit eine verordnungsautonome Auslegung anhand der Maßstäbe des Art. 25 Brüssel Ia-VO ausscheidet, könnte die Kollisionsnorm nunmehr zum Ausgangspunkt für die Bestimmung der nationalen Auslegungsmethoden werden.1513 Dies erscheint sinnvoll, da die Feststellung des Inhalts für die Beurteilung der materiellen Nichtigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung bedeutsam ist. Ein mitgliedstaatliches Recht könnte daher über die Beantwortung der materiell-rechtlichen Fragestellung und die dafür notwendige Auslegung einheitlich befinden. Jedoch ist fraglich, ob der Kollisionsnorm des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO eine derart weitreichende Bedeutung beigemessen werden kann. Den Materialien des Verordnungsgebers lassen sich jedenfalls keine Hinweise entnehmen, obschon mehrfach auf die dahingehende Unklarheit des Kommissionsvorschlags hingewiesen wurde.1514

1510

Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 66 f.; Czernich, in: Czernich/Kodek/ Mayr, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 40. 1511 Siehe oben unter Teil 3, § 11, B.II. 1512 Siehe nur: Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.102 ff.; Czernich, in: Czernich/ Kodek/Mayr, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 36 ff.; Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 163 ff.; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 25 EuGVVO Rn. 8; Hk-ZPO/Dörner, Art. 25 EuGVVO Rn. 13 f. 1513 So etwa: Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.53 und 8.130; Hk-ZPO/Dörner, Art. 25 EuGVVO Rn. 20; a.A. Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 83 und Rn. 149. 1514 Siehe etwa: Heinze, RabelsZ 75 (2011) 581 (585); M. Weller, GPR 2012, 34 (41); M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (586 f.).

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

D. Wirkungen I. Prorogations- und Derogationseffekte sowie Einschränkungen der Wirkung Einer Gerichtsstandsvereinbarung kommen im selben Umfang wie bisher Prorogations- und Derogationseffekte zu.1515 Zudem wird weiterhin die Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung dann eingeschränkt, wenn sie den jeweiligen Sondervorschriften in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen oder den ausschließlichen Zuständigkeiten zuwiderläuft (Art. 25 Abs. 4 Brüssel Ia-VO). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der Sondervorschriften für Verbraucher- und Arbeitssachen ausgedehnt wurde.1516 Ob drittstaatliche ausschließliche Zuständigkeiten im Rahmen des Art. 25 Abs. 4 Brüssel Ia-VO zu berücksichtigen sind, bleibt auch künftig umstritten. Im Rahmen der Neufassung wurde von einer Regelung abgesehen, sodass man allenfalls über eine analoge Anwendung des Art. 24 Brüssel Ia-VO zur einer Reflexwirkung (effet réflexe) zugunsten drittstaatlicher Gerichte gelangen könnte. Dies ist allerdings ebenso wie bisher abzulehnen.1517 II. Bindungswirkungen 1. Bindung des angerufenen Gerichts Die Prüfung der Zuständigkeit und Zulässigkeit des Verfahrens ist im Rahmen der Neufassung inhaltlich unverändert geblieben. Hinsichtlich der Prüfung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch das angerufene Gericht kann daher vollumfänglich auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden.1518 2. Kompetenz-Kompetenz des angerufenen Gerichts a) Grundkonzeption Dennoch hat die bisherige Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen die wohl bedeutsamste Änderung bei der Wirkung auf mitgliedstaatliche Gerichte erfahren.1519 Denn nach Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO hat nunmehr ein mitgliedstaatliches Gericht sein Verfahren solange auszusetzen, bis das ebenfalls angerufene und nach 1515

Siehe oben unter Teil 2, § 7, D.I. Siehe oben unter Teil 3, § 12, B.I. 1517 Siehe dazu oben unter Teil 2, § 7, D.II. und Teil 3, § 12, B.I. 1518 Siehe oben unter Teil 2, § 7, D.III.1. 1519 Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (278); U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (675); Ratkovic´/Zgrabljic´ Rotar, JPIL 9 (2013), 245 (267); siehe auch: Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.136 ff.; Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 238 ff. Zur bisherigen Rechtslage oben unter Teil 2, § 7, D.III. 1516

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einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich zuständige Gericht sich für unzuständig erklärt hat. Insofern gesteht der Verordnungsgeber dem prorogierten Gericht in gewissem Umfang eine Kompetenz-Kompetenz zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu. Sobald das vereinbarte Gericht seine Zuständigkeit infolge der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung festgestellt hat, erklären sich die parallel angerufenen Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten nach Art. 31 Abs. 3 Brüssel Ia-VO für unzuständig. Dem folgend verpflichtet Art. 29 Abs. 1 Brüssel Ia-VO das später angerufene Gericht nur noch vorbehaltlich des Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO zur Aussetzung seines Verfahrens. Allerdings wird die Regelung des Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO in zweifacher Weise beschränkt. So gilt die Aussetzungsverpflichtung zugunsten des vereinbarten Gerichts nach Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO nur unbeschadet des Art. 26 Brüssel IaVO. Folglich ist ein angerufenes Gericht dann nicht an eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung gebunden, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren eingelassen hat, ohne den Mangel der Zuständigkeit zu rügen. Des Weiteren gilt die Aussetzungsverpflichtung dann nicht, wenn der Kläger eine schutzbedürftige Person im Sinne der Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen ist und die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung nach diesen gesonderten Bestimmungen nicht gültig ist (Art. 31 Abs. 4 Brüssel Ia-VO). Während bislang positive Kompetenzkonflikte strikt nach dem Prioritätsprinzip gelöst wurden, priorisiert damit die Brüssel Ia-VO ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen und enthält insofern eine Ausnahme von der strikten Priorität des bisherigen Art. 27 Brüssel I-VO.1520 Hierdurch widerspricht die Neufassung insbesondere der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, der in der Rechtssache Gasser ausdrücklich eine solche Ausnahme zugunsten ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen ablehnte.1521 Erklärtes Ziel des Verordnungsgebers war es dabei, „die Wirksamkeit von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen zu verbessern und missbräuchliche Prozesstaktiken zu vermeiden“.1522 b) Konsequenzen für das nicht vereinbarte Gericht aa) Problembeschreibung und Meinungsstand Die konkreten Voraussetzungen der ausnahmsweisen Aussetzungsverpflichtung des Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO sind jedoch teilweise unklar.1523 Insbesondere fragt es sich, ob und inwieweit das nicht vereinbarte Gericht verpflichtet ist, die Wirksamkeit der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zu prüfen, bevor es sein Verfahren auszusetzen hat. Diesbezüglich werden im Wesentlichen zwei Ansichten 1520 1521 1522 1523

U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (675); Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (74). EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 41 ff. Erwägungsgrund Nr. 22 zur Brüssel Ia-VO. So auch: Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.141.

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vertreten. Die eine Ansicht sieht das nicht vereinbarte Gericht weiterhin als berechtigt und verpflichtet an, zunächst die Wirksamkeit und Ausschließlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu prüfen, bevor es sein Verfahren aussetzt.1524 Die andere Ansicht lehnt dies ab und erachtet lediglich das vereinbarte Gericht zu Prüfung der Wirksamkeit berufen.1525 bb) Stellungnahme Dem Wortlaut des Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO kann insofern entnommen werden, dass das Gericht, zu dessen Gunsten die Aussetzung erfolgt, gemäß einer Vereinbarung nach Art. 25 Brüssel Ia-VO ausschließlich zuständig sein muss. Dies spricht zunächst dafür, auch das nicht vereinbarte Gericht als berechtigt und verpflichtet anzusehen, die Wirksamkeit und Ausschließlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu prüfen.1526 Eine vollumfängliche Prüfung der Wirksamkeit durch das nicht vereinbarte Gericht lässt sich indes nur schwer mit Art. 31 Abs. 4 Brüssel Ia-VO vereinbaren. Denn der darin enthaltenen Beschränkung der Aussetzungsverpflichtung zugunsten schutzbedürftiger Parteien bedürfte es dann nicht. Nach Art. 25 Abs. 4 Brüssel Ia-VO entfalten nämlich Gerichtsstandsvereinbarungen, die den Sondervorschriften für Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen zuwiderlaufen, bereits keine Wirkung. Dennoch erscheint es zumindest fragwürdig, eine vorrangige Prüfungskompetenz des (angeblich) vereinbarten Gerichts allein aufgrund der Bezeichnung in einer Gerichtsstandsvereinbarung anzunehmen. Jedenfalls existieren keine empirischen Belege dafür, dass Gerichtsstandsvereinbarungen regelmäßig wirksam abgeschlossen werden, sodass ein alleiniges Abstellen auf die Bezeichnung aus statistischen Gründen überzeugen würde.1527 Einer Gerichtsstandsvereinbarung unabhängig von ihrer Wirksamkeit eine Wirkung auf die gerichtliche Prüfungskompetenz zukommen zu lassen, erscheint zirkulär und leuchtet daher aus dogmatischer Sicht nicht unmittelbar ein.1528 Jedoch kann der Vorgriff auf das vereinbarte Gericht ebenso wie bei Rechtswahlvereinbarungen nach Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO damit begründet werden, dass durch die 1524 M. Weller, GPR 2012, 34 (40 f.); Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (77); Czernich, in: Czernich/Kodek/Mayr, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 102. 1525 Radicati Di Brozolo, IPRax 2010, 121 (123 f.); U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (677); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (280); Dickinson, YPIL 12 (2010), 247 (297); Hess, IPRax 2011, 125 (129); von Hein, RIW 2013, 97 (105); Weitz, IJPL 1 (2011), 337 (359); M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (583); Nielsen, CMLR 50 (2013), 503 (522), nach der Reaktion der anderen Partei differenzierend: Rauscher/Leible, Art. 31 Brüssel Ia-VO Rn. 15. 1526 Rauscher/Leible, Art. 31 Brüssel Ia-VO Rn. 14; Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (77), die insofern von einem logischen Paradoxon spricht. 1527 Briggs, YPIL 12 (2010), 311 (321); wohl a.A.: Radicati Di Brozolo, IPRax 2010, 121 (123). 1528 Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (76).

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Gerichtsstandsvereinbarung wenigstens der Anschein ihrer Wirksamkeit erweckt wurde.1529 Hiervon scheint auch der Verordnungsgeber auszugehen, indem er das nicht vereinbarte Gericht bei widersprüchlichen Gerichtsstandsvereinbarungen nicht zur Aussetzung seines Verfahrens verpflichtet.1530 Eine Prüfung der Wirksamkeit einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung durch das nicht vereinbarte Gericht scheint ferner dem Willen des Verordnungsgebers zu widersprechen. So wird in Erwägungsgrund Nr. 22 zur Brüssel IaVO etwa hervorgehoben, dass das vereinbarte Gericht vorrangig über die Wirksamkeit und Anwendung der Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden soll. Auch hat der Verordnungsgeber davon abgesehen, die in Art. 6 lit. a) bis e) HGÜ enthaltenen Ausnahmen von der Aussetzungspflicht zu übernehmen, obwohl er sich an den Lösungen des HGÜ orientierte.1531 Eine Prüfung durch das nicht vereinbarte Gericht ist außerdem nicht mit den wesentlichen Grundgedanken und Zielen der Brüssel IaVO zu vereinbaren. Denn die Wirksamkeit einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung würde sodann von zwei verschiedenen mitgliedstaatlichen Gerichten geprüft, sodass in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen können. Ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 21 zur Brüssel Ia-VO soll dies im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege aber gerade vermieden werden.1532 Die Aussetzungspflicht des nicht vereinbarten Gerichts von der Wirksamkeit der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zu lösen, hätte zudem den Vorteil, dass die Rechtshängigkeitsregelung leichter zu handhaben ist.1533 Trotz der Durchbrechung des Prioritätsgrundsatzes würde somit eine klare Rechtshängigkeitsregelung beibehalten.1534 Aber auch mit Blick auf das gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege innerhalb der Europäischen Union kann eine zusätzliche Prüfung durch das nicht vereinbarte Gericht nicht überzeugen.1535 Das nicht vereinbarte Gericht sollte vielmehr darauf vertrauen, dass das vereinbarte Gericht bei der Prüfung der Wirksamkeit und Anwendung der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zu den richtigen Ergebnissen gelangt.1536 Dem entspricht auch die Gesamtkonzeption der neugefassten Vorschriften für Gerichtsstandsvereinbarungen.1537 Insbesondere 1529 Briggs, YPIL 12 (2010), 311 (321 f.); wohl auch: Dickinson, YPIL 12 (2010), 247 (296); a.A.: Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (76). Zur Rom I-VO: MüKoBGB/Martiny, Art. 3 Rom IVO Rn. 105. 1530 Erwägungsgrund Nr. 22 zur Brüssel Ia-VO. 1531 Vgl. Begründung des Kommissionsvorschlags Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg., S. 9 f. 1532 Weitz, IJPL 1 (2011), 337 (359). Dies zugestehend: Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (78). 1533 So auch: Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (78). 1534 Erwägungsgrund Nr. 21 zur Brüssel Ia-VO. 1535 Erwägungsgrund Nr. 26 zur Brüssel Ia-VO. 1536 Vgl. Radicati Di Brozolo, IPRax 2010, 121 (123 f.); wohl a.A.: M. Weller, GPR 2012, 34 (41). 1537 U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (677).

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

würde somit weitgehend vermieden, dass ein nicht vereinbartes Gericht verschiedene materiell-rechtliche Fragestellungen aufgrund der harmonisierten Kollisionsnorm in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO anhand des Rechts am vereinbarten Gericht zu beurteilen hätte. Dem nicht vereinbarten Gericht die Prüfung zu verweigern, würde somit zu einem grundsätzlichen Gleichlauf der Prüfungskompetenz und des anwendbaren Rechts führen.1538 Dies ist letztlich auch dem Prinzip der Rechtssicherheit zuträglich, da das vereinbarte Gericht sein nationales Recht besser kennt und mit einer höheren „Treffsicherheit“ anwenden kann.1539 Schließlich wird eine Partei durch die Neufassung auch nicht gezwungen, die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung vor dem vereinbarten Gericht geltend zu machen und damit als Kläger zugleich gegen die Zulässigkeit der eigenen Klage zu argumentieren.1540 Vielmehr kann eine Partei stets vor dem Gericht klagen, das sie für zuständig erachtet. Sollte das vereinbarte Gericht allerdings angerufen werden, muss sich die Partei zwischenzeitlich gegen diese Klage verteidigen, indem sie insbesondere die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung darlegt und gegebenenfalls beweist. Insgesamt überzeugt es daher, lediglich dem vereinbarten Gericht eine Prüfung der Wirksamkeit der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zu gestatten. Mit anderen Worten hat das vereinbarte Gericht insofern eine ausschließliche Kompetenz-Kompetenz. Folglich hat das nicht vereinbarte Gericht sein Verfahren bereits dann grundsätzlich auszusetzen, wenn das vereinbarte Gericht später angerufen wird und sich eine Partei im Verfahren auf eine Gerichtsstandsvereinbarung beruft. Die konkreten Anforderungen an die Berufung auf die Gerichtsstandsvereinbarung sind dabei der jeweiligen lex fori zu entnehmen.1541 Dabei ist auch der Zweck der Aussetzungsverpflichtung des Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO hinreichend zu berücksichtigen, wonach missbräuchliche Prozesstaktiken vermieden werden sollen.1542 Im Bestreitensfalle wird daher die Berufung zu substantiieren und gegebenenfalls zu beweisen sein.1543 Hierdurch dürfte weitgehend ausgeschlossen werden, dass ein Beklagter nachträglich ein Gericht in einem Mitgliedstaat anruft, das für eine lange Verfahrensdauer bekannt ist, und sich vor dem zuerst angerufenen Gericht auf eine angebliche Gerichtsstandsvereinbarung beruft, um den Prozess zu verschleppen (sog. umgekehrte Torpedoklage).1544 1538

M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (584). U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (677); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (280); Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 110. 1540 So aber: Briggs, YPIL 12 (2010), 311 (329). 1541 Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (282); U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (679); M. Stürner, GPR 2013, 305 (315). 1542 Erwägungsgrund Nr. 22 zur Brüssel Ia-VO; M. Stürner, GPR 2013, 305 (314 f.). 1543 M. Stürner, GPR 2013, 305 (314 f.); vgl. auch: U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (679); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (282). 1544 Dazu etwa: Simotta, IJPL 3 (2013), 58 (76); M. Stürner, GPR 2013, 305 (314 f.); von Hein, RIW 2013, 97 (104 f.); Abendroth, in: Grundrechte im Zivilprozess, S. 63 (79). 1539

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c) Bewertung Die Regelung des Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO ist vollumfänglich zu begrüßen. Denn sie reduziert den Spielraum, den die Brüssel I-VO den Parteien bisher für prozesstaktische Überlegungen einräumt.1545 Nunmehr werden nämlich positive Kompetenzkonflikte nicht mehr strikt nach dem Prioritätsprinzip gelöst. Vielmehr priorisiert der Verordnungsgeber durch Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung, indem er das vereinbarungswidrig angerufene Gericht verpflichtet, das Verfahren so lange auszusetzen, bis das auf der Grundlage der Vereinbarung angerufene Gericht sich für unzuständig erklärt hat. Hierdurch verbessert er nicht nur die Wirksamkeit von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen, sondern gibt den Parteien auch ein Mittel zur Hand, mit dem sie einer künftigen „Torpedoklage“ ihres Vertragspartners vorbeugen können. Klagt nämlich eine Partei vereinbarungswidrig in einem Mitgliedstaat, der für seine lange Verfahrensdauer bekannt ist, so verzögert dies künftig nicht mehr das Verfahren vor dem vereinbarten und ausschließlich zuständigen Gericht. Bei Vorliegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung greift die Prozesstaktik eines Torpedoklägers folglich nicht mehr. Der Verordnungsgeber erreicht damit sein Ziel, die Wirksamkeit von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen zu verbessern und insofern missbräuchliche Prozesstaktiken zu vermeiden.1546 3. Subjektive Reichweite Die Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung wird auch künftig im Grundsatz auf die Personen beschränkt sein, zwischen denen die Vereinbarung getroffen wurde.1547 Die ausnahmsweise Drittwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist auch im Rahmen der Brüssel Ia-VO wie bisher zu beurteilen.1548 Inwieweit eine Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge in Betracht kommt, ist daher auch weiterhin vom angerufenen Gericht anhand der lex causae zu beurteilen. Insbesondere erfasst die harmonisierte Kollisionsnorm des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO nicht diese Fragestellung.1549 Denn die Rechtsnachfolge ist von der materiell-rechtlichen Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung zu unterscheiden. 4. Forum non conveniens Die Ablehnung der doctrine of forum non conveniens kann künftig auf ein weiteres Argument gestützt werden. Denn eine Anwendung dieser angloamerikanischen 1545

Vgl. etwa: Balthasar/Richers, RIW 2009, 351 (352). Erwägungsgrund Nr. 22 zur Brüssel Ia-VO. 1547 Zur subjektiven Reichweite des Art. 25 Brüssel Ia-VO ausführlich: Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 228 ff.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.121 ff. 1548 Dazu ausführlich unter Teil 2, § 7, D.III.3. 1549 M. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann, S. 577 (586 f.). 1546

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

Lehre wird auch innerhalb des HGÜ ausgeschlossen.1550 Demnach entspricht die Ablehnung der doctrine of forum non conveniens nunmehr der mit der Neufassung angestrebten Kohärenz zum HGÜ. Im Rahmen der Brüssel Ia-VO wird folglich die bisherige Rechtslage hinsichtlich dieser angloamerikanischen Lehre bestätigt.1551 III. Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung Die Diskussion über die möglichen Instrumente zur Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung wurde durch die Neufassung der Brüssel I-VO nur kurz berührt. So wurde etwa die Ablehnung einer anti-suit injunction durch den EuGH in der Rechtssache Turner als eine Ursache für missbräuchliche Prozesstaktiken angesehen.1552 Zudem wurde im Grünbuch die Frage aufgeworfen, ob ein Verstoß gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung durch einen Schadensersatzanspruch sanktioniert werden sollte.1553 Dennoch lassen sich weder im Kommissionsvorschlag zur Neufassung noch in der Brüssel Ia-VO diesbezüglich weitergehende Hinweise finden, obschon eine dahingehende Klarstellung im Normtext oder in den Erwägungsgründen für sachdienlich erachtet wurde.1554 Darin sollte allerdings kein „beredtes Schweigen“ des Verordnungsgebers erblickt werden. Denn durch die Priorisierung des vereinbarten Gerichts nach Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO ist das Bedürfnis zur Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung zumindest reduziert worden.1555 Folglich kann das Schweigen des Verordnungsgebers schlichtweg damit erklärt werden, dass er eine ausdrückliche Regelung nicht mehr für notwendig erachtete. Die praktische Relevanz der Diskussion um die Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist damit zwar durch die Neufassung beschränkt worden. Die Zulässigkeit und Voraussetzungen einer Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen bleiben indes weiterhin offen, sodass insofern auf die bisherige Diskussion verwiesen werden kann.1556

1550

Hartley/Dogauchi-Bericht, Rn. 132 und 134; Rühl, IPRax 2005, 410 (412). Siehe oben unter Teil 3, § 11, C. 1551 Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Rn. 8.135. Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, D.III.4. 1552 Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO, KOM(2009) 174 endg., S. 6 f. 1553 Grünbuch zur Brüssel Ia-VO, KOM(2009) 175 endg., S. 6. 1554 Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 109 (2010), 1 (13). 1555 Vgl. M. Gebauer, in: Festschrift Kaissis, S. 267 (284). Hausmann, in: Reithmann/ Martiny, Rn. 8.157. 1556 U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (682); Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (285). Siehe auch: Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 243 ff. Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, D.IV.

§ 14 Auswirkungen auf die bisherige Rechtslage für rügelose Einlassungen

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§ 14 Auswirkungen auf die bisherige Rechtslage für rügelose Einlassungen A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 24 Brüssel I-VO wirft bisher die Frage auf, welche Bedeutung dem Wohnsitz der Parteien zukommt. Bei der Beantwortung dieser Frage gehen die Meinungen auseinander.1557 Mit der Neufassung der Brüssel I-VO kommt es im Ergebnis zu einer gewissen Entschärfung dieses Meinungsstreits. Betont man nämlich mit der wohl herrschenden Meinung den systematischen Zusammenhang mit der Vorschrift der Gerichtsstandsvereinbarung, wird man künftig den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich von Art. 26 Brüssel Ia-VO unabhängig vom Wohnsitz der Parteien bestimmen.1558 Denn die Parteien können künftig unabhängig von ihrem Wohnsitz eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen (Art. 25 Abs. 1 Brüssel Ia-VO). Damit steht die herrschende Meinung fortan im Einklang mit der hier vertretenen Ansicht, welche bei der Bestimmung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs den Wortlaut des Art. 24 Brüssel I-VO bzw. Art. 26 Brüssel Ia-VO für maßgeblich erachtet. Bei der Frage, welche Bedeutung dem Wohnsitz der Parteien zukommt, stehen sich somit nur noch zwei Meinungen gegenüber. Denn die Auffassung, welche es für erforderlich erachtet, dass die beklagte Partei ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, wurde durch die Neufassung nicht entscheidend entkräftet. Der Wohnsitz des Beklagten wird nämlich auch nach Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO zum maßgeblichen Anknüpfungskriterium im Zuständigkeitssystem der Brüssel Ia-VO erklärt.1559 Da weder Art. 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO auf die rügelose Einlassung verweist noch im Wortlaut des Art. 26 Brüssel Ia-VO von dieser Grundkonzeption des Zuständigkeitssystems ausdrücklich Abstand genommen wird, ist diese Meinung zwar weiterhin vertretbar.1560 Jedoch ist diese Meinung aus den bereits dargestellten Gründen abzulehnen, sodass es auf den Wohnsitz der Parteien weiterhin nicht ankommt.1561

1557 Vgl. Pfeiffer, in: Heidelberg-Bericht, S. 170, Rn. 400, der diesen Meinungsstreit erkennt, aber die Lösung dem EuGH überlassen will. Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 8, A.II. 1558 von Hein, RIW 2013, 97 (100 und 106); Rauscher/Staudinger, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 2 f. 1559 Vgl. Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, S. 122 f. 1560 Rauscher/Staudinger, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 3. 1561 Siehe dazu oben unter: Teil 2, § 8, A.II.2.

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

B. Einlassung auf das Verfahren Die konkreten Anforderungen an die Einlassung auf das Verfahren werden in der Neufassung unberührt gelassen. Insbesondere können insofern keine Rückschlüsse aus dem neu eingefügten Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO gezogen werden. Demnach ist der Begriff der Einlassung auch weiterhin verordnungsautonom auszulegen und in jeder Verteidigungshandlung zu erblicken, die unmittelbar auf Abweisung der Klage gerichtet ist.1562 Das Verfahrensrecht der lex fori bestimmt hingegen, welche Verteidigungshandlungen vor dem mitgliedstaatlichen Gericht überhaupt in Betracht kommen.1563

C. Wirkung I. Begründung der Zuständigkeit und Einschränkungen Die Einlassung des Beklagten begründet selbstständig die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.1564 Art. 26 Brüssel Ia-VO hat hieran ebenso wenig etwas geändert, wie an den Einschränkungen der zuständigkeitsbegründenden Wirkung in Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO. Die bisherigen Einschränkungen der zuständigkeitsbegründenden Wirkung wurden vielmehr unverändert übernommen und sind nunmehr in Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Brüssel Ia-VO zu finden. Dies mag daran liegen, dass der Verordnungsgeber im Allgemeinen keine besonderen Probleme bei der Anwendung des bisherigen Art. 24 Brüssel I-VO sah.1565 II. Belehrung über die Unzuständigkeit 1. Schaffung und Umfang der richterlichen Belehrungspflicht Allerdings erweitert der Verordnungsgeber die bisherige Regelung um einen neuen Absatz, wodurch in Streitigkeiten in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen eine richterliche Belehrungspflicht zugunsten eines schutzbedürftigen Beklagten geschaffen wird. Nach Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO hat das angerufene Gericht nämlich sicherzustellen, dass die nach den jeweiligen Sondervorschriften 1562

Wallner-Friedl, in: Czernich/Kodek/Mayr, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 15 unter Verweis auf Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 7; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 26 EuGVVO Rn. 3; Rauscher/Staudinger, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 4; Hk-ZPO/Dörner, Art. 26 EuGVVO Rn. 5. Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 8, B. 1563 Rauscher/Staudinger, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 5; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 29. 1564 Auer, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 24 EuGVVO Rn. 58. Siehe oben unter Teil 2, § 8, C.I. 1565 So jedenfalls Pfeiffer, in: Heidelberg-Bericht, S. 169, Rn. 398.

§ 14 Auswirkungen auf die bisherige Rechtslage für rügelose Einlassungen

283

geschützte Partei über ihr Recht, die Unzuständigkeit des Gerichts geltend zu machen, und über die Folgen der Einlassung oder Nichteinlassung auf das Verfahren belehrt wird. Damit bestätigt der Verordnungsgeber einerseits die Rechtsprechung des EuGH und die bisher herrschende Meinung, welche eine ungeschriebene Ausnahme von der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer rügelosen Einlassung zugunsten der Sondervorschriften zum Schutz bestimmter Personenkreise ablehnen.1566 Andererseits erkennt er aber auch teilweise die dagegen vorgebrachte Kritik an und geht ebenfalls von einem de lege ferenda nicht hinzunehmenden Schutzdefizit zulasten der schwächeren Partei aus. Um den gerichtlichen Rechtsschutz der schwächeren Partei zu verbessern,1567 folgt der Verordnungsgeber dabei dem vom EuGH in der Rechtssache Bilas aufgezeigten Weg und nimmt eine richterliche Belehrungspflicht ausdrücklich in die Brüssel Ia-VO auf.1568 Damit ändert sich die bisherige Rechtslage für eine rügelose Einlassung, da eine richterliche Belehrungspflicht bislang nicht existierte.1569 2. Konsequenzen eines Verstoßes gegen die richterliche Belehrungspflicht Fraglich bleibt jedoch, welche Konsequenzen ein Verstoß gegen die richterliche Belehrungspflicht des Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO hat. Der Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO spricht insoweit nur davon, dass das angerufene Gericht die Belehrung der schutzbedürftigen Partei sicherzustellen hat, bevor es sich nach Art. 26 Abs. 1 Brüssel Ia-VO für zuständig erklärt. Unklar bleibt indes, ob ein Verstoß gegen die richterliche Belehrungspflicht auch der zuständigkeitsbegründenden Wirkung der Einlassung entgegensteht. Dies kann man einerseits in Frage stellen, da Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Brüssel Ia-VO nicht auf die richterliche Belehrungspflicht des Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO Bezug nimmt.1570 Andererseits kann man aber auch den Schutz der schwächeren Partei betonen und die Einschränkung der zuständigkeitsbegründenden Wirkung bei einer

1566

Siehe nur: EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 26; OLG Köln RIW 2004, 866 (867); OLG Koblenz IPRax 2001, 334 (334 f.); Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 38; Kropholler/von Hein, vor Art. 24 EuGVO Rn. 16; a.A.: Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Art. 17 Brussels I Regulation, Rn. 15 f.; Mankoswki, RIW 2010, 667 ff.; Richter, RIW 2006, 578 ff. Siehe oben unter Teil 2, § 8, C.II.5. 1567 Vgl. Kommissionsvorschlag Brüssel Ia-VO, KOM(2010) 748 endg., S. 10 f. 1568 EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 31 f.; vgl. auch: Calvo Caravaca/Carrascosa González, in: Magnus/Mankowski, Art. 24 Brussels I Regulation Rn. 24a; Pohl, IPRax 2013, 109 (111); Rauscher/Staudinger, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 22. 1569 Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 26 EuGVVO Rn. 1. Siehe oben unter Teil 2, § 8, C.II.3. 1570 So etwa: Pohl, IPRax 2013, 109 (111).

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Teil 3: Die Neufassung der Brüssel I-VO – Die Brüssel Ia-VO

unterlassenen Belehrung Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO entnehmen.1571 Denn eine Nachprüfung der Einhaltung der Sondervorschriften zum Schutz bestimmter Personenkreise im Rahmen der Anerkennung einer Entscheidung nach Art. 45 Abs. 1 lit. e) (i) Brüssel Ia-VO scheidet ebenso aus, da infolge der rügelosen Einlassung ja ein zuständiges Gericht gehandelt hat.1572 Mit Blick auf das Ziel des Verordnungsgebers, den gerichtlichen Schutz der schwächeren Partei zu verbessern, erscheint es daher vorzugswürdig, bei einem Verstoß gegen die richterliche Belehrungspflicht zugleich die zuständigkeitsbegründende Wirkung der rügelosen Einlassung entfallen zu lassen.1573 3. Bewertung Die in der Brüssel Ia-VO geschaffene richterliche Belehrungspflicht ist insgesamt zu begrüßen.1574 Sie trägt der besonderen Bedeutung des Schutzes der schwächeren Partei im Zuständigkeitssystem der Brüssel Ia-VO Rechnung, ohne den Schutz der schutzbedürftigen Partei zugleich aufzuzwingen. Denn im Gegensatz zu einer umfassenden Beschränkung der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer rügelosen Einlassung lässt die richterliche Belehrungspflicht den informierten Beklagten die Freiheit, sich bewusst vor einem unzuständigen Gericht einzulassen. Damit gibt sie nicht nur der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie Raum, sondern erzielt dabei auch prozessökonomische Ergebnisse. Bei der Umsetzung der richterlichen Belehrungspflicht des Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO ist allerdings zu beachten, dass Schutzdefizite nur dann vermieden werden, wenn die maßgeblichen Informationen auch tatsächlich zur schutzbedürftigen Partei durchdringen. Dafür wird eine standardisierte Belehrung unter Verwendung rechtlicher Fachausdrücke jedenfalls kaum genügen.1575

1571

(109). 1572

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 18 zur Brüssel Ia-VO; wohl auch: von Hein, RIW 2013, 97

EuGH, Urt. v. 20. 5. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 28 f., allerdings zu Art. 35 Abs. 1 EuGVVO. So auch: Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 26 EuGVVO Rn. 9; a.A. Rauscher/Staudinger, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 25. 1573 Hk-ZPO/Dörner, Art. 26 EuGVVO Rn. 8; a.A. Wallner-Friedl, in: Czernich/Kodek/ Mayr, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 8. 1574 So im Grundsatz bereits zuvor: Stein/Jonas/Wagner, Art. 24 EuGVVO Rn. 42; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 603 f.; Staudinger, IPRax 2011, 548 (553 f.). 1575 Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252 (298); wohl a.A. Wallner-Friedl, in: Czernich/Kodek/Mayr, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 6, die die Einführung eines Belehrungsformblattes am sinnvollsten ansieht.

§ 15 Fazit

285

§ 15 Fazit Die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie in Zivil- und Handelssachen wird auch künftig in einem großzügigen Rahmen gewährt. Denn die Brüssel Ia-VO hält an der bisherigen Grundkonzeption der Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung im Wesentlichen fest und ändert diese Rechtsinstitute nur im Detail.1576 Diese Änderungen führen dabei mitunter dazu, dass die Bedeutung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie noch betont wird. So wird etwa der räumlichpersönliche Anwendungsbereich des bisherigen Art. 23 Brüssel I-VO erheblich ausgedehnt und die Wirkung von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen durch Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO verbessert. Aber auch bei der Schaffung der richterlichen Belehrungspflicht in Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO kommt deutlich zum Ausdruck, dass der Verordnungsgeber der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie möglichst weitgehend Raum geben wollte. Denn er sah insbesondere davon ab, die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer rügelosen Einlassung bei den schutzbedürftigen Personengruppen der Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen generell zu beschränken, wie dies teilweise zuvor gefordert wurde.1577 Vielmehr belässt er dem informierten Beklagten die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie. Allerdings bleibt unklar, welche Konsequenzen ein Verstoß gegen die richterliche Belehrungspflicht hat. Mit Blick auf den Schutz der schwächeren Partei sollte bei einem Verstoß die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer rügelosen Einlassung verneint werden. Eine wichtige Neuerung hat es zudem bei der materiellen Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung gegeben. Denn Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO enthält nunmehr für alle vom vertragsautonomen Vereinbarungskonzept nicht erfassten Fragen der materiellen Wirksamkeit eine Gesamtverweisung auf das Recht des vereinbarten Gerichtsstaats.1578 Dadurch ist die bisherige Streitfrage zu Art. 23 Brüssel I-VO in dem hier favorisierten Sinne entschieden.1579 Das auf die Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht (Prorogationsstatut) sollte dabei weiterhin mit Hilfe einer entsprechenden Anwendung der Rom I-VO bestimmt werden, wobei die Geschäftsfähigkeit und Stellvertretung nach dem Internationalen Privatrecht des Gerichtsstaats selbstständig anzuknüpfen sind.

1576 1577 1578 1579

Vgl. dazu von Hein, RIW 2013, 97 (111). Statt aller: Mankoswki, RIW 2010, 667 ff. m.w.N. Erwägungsgrund zur Brüssel Ia-VO Nr. 20. Dazu ausführlich oben unter: Teil 2, § 7, B.II.2.

Teil 4

Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO § 16 Einleitung Die Mobilität der Menschen nimmt aufgrund der Globalisierung und den immer stärker zusammenwachsenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union stetig zu. Es kommt in Familien daher nicht selten vor, dass einzelne Familienangehörige zur Ausbildung oder aus beruflichen Gründen in ein anderes Land gehen. Manchmal bleiben sie dann im Ausland, gehen Ehen ein oder gründen eigene Familien. Die Zahl der gemischtnationalen Ehen und Familien wächst jedenfalls in der Europäischen Union beständig.1580 Ebenso ist es mittlerweile gesellschaftliche Realität und wohl Ausdruck eines sich vollziehenden Wertewandels, dass Ehen immer öfter geschieden werden.1581 Es verwundert somit nicht, dass in Unterhaltssachen auch die Sachverhalte mit Auslandsberührung in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen haben.1582 Selbst wenn man nicht gewillt ist, hierbei von einer „massenhaft auftretenden Streitsache“ zu sprechen,1583 muss man jedoch immerhin zugestehen, dass es sich mittlerweile um mehr als bloße Ausnahmeerscheinungen handelt.1584 Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung ist die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen allerdings mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden. So müssen insbesondere die materiell-rechtlichen Unterschiede der nationalen Unterhaltsrechte bewältigt und eine Vielzahl von internationalverfahrensrechtlichen Fragen beantwortet werden.1585 Dafür war in der Vergangenheit eine Vielzahl von internationalen, 1580 Coester-Waltjen, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 1; Dörner, in: Festschrift Yamauchi, S. 81; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung, S. 1. 1581 MAH Familienrecht/Schnitzler, § 4 Rn. 1; zur Scheidungsstatistik in Deutschland: Staudinger/Rauscher, Vorbem zu §§ 1564 – 1568 BGB, Rn. 38 ff. 1582 Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 4; Dörner, in: Festschrift Yamauchi, S. 81; Lipp, in: EuZPR, S. 167; mit Fällen aus der Praxis etwa: Riegner, FamRZ 2005, 1799 ff. 1583 So aber der Abschlussbericht der von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie über die Geltendmachung von Unterhaltsforderungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, vgl. Grünbuch zur EuUntVO, KOM(2004) 254 endg., S. 6. 1584 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 11; vgl. auch Bundesratsbeschluss zum Grünbuch zur EuUntVO, BR-Drucks. 361/04 (Beschluss), S. 1. 1585 Looschelders/Boos, FamRZ 2006, 374; Martiny, FamRZ 2008, 1681 (1682).

§ 16 Einleitung

287

europäischen und nationalen Rechtsquellen in Betracht zu ziehen, wodurch die Rechtslage undurchsichtig und die Lösung der Probleme zur Herausforderung wurde.1586 Dies führte dazu, dass einige Unterhaltsberechtigte gleich ganz von einer gerichtlichen Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen absahen oder zwischen Klage und Vollstreckung resigniert aufgaben.1587 So mancher Unterhaltspflichtige glaubte sogar, über die Staatsgrenzen hinweg nicht mehr zu Unterhaltszahlungen herangezogen werden zu können.1588 Angesichts der existenziellen Bedeutung des privatrechtlichen Unterhalts für den Berechtigten konnte dieses Ergebnis jedoch nur schwer hingenommen werden.1589 Der Verordnungsgeber erkannte die missliche Situation des Unterhaltsberechtigten und wollte mit dem Erlass der EuUntVO dessen Stellung nachhaltig verbessern.1590 Die EuUntVO hat es sich daher zum Ziel gesetzt, die undurchsichtige Rechtslage zu beseitigen und dadurch die grenzüberschreitende Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zu vereinfachen und zu beschleunigen.1591 Die EuUntVO ist somit fortan die zentrale Rechtsquelle für Unterhaltssachen mit Auslandsberührung.1592 Damit löst die EuUntVO insbesondere Art. 23 und Art. 24 Brüssel I-VO ab, welche bisher den rechtlichen Rahmen der Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung in grenzüberschreitenden Unterhaltssachen bildeten. Die Brüssel IVO enthielt keine besonderen Vorschriften zum Schutz des Unterhaltsgläubigers, obschon dieser angesichts der existenziellen Bedeutung des Unterhalts auch hier vielfach als schutzbedürftig angesehen wurde.1593 Damit ermöglichte die Brüssel IVO nicht nur Gerichtsstandsvereinbarungen und rügelose Einlassungen in Unterhaltssachen, sondern sie tat dies zudem in einem überraschend großzügigen Rahmen.1594 Gerichtsstandsvereinbarungen und rügelose Einlassungen in Unterhalts1586 Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (58); Heger, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 5 (8); Lipp, in: EuZPR, S. 167 (167 ff.); Hess, in: Internationale Unterhaltsrealisierung, S. 27 (27 f.); Mankowski, IPRax 2000, 188 (189 f.); Botur, FamRZ 2010, 1860; Looschelders/Boos, FamRZ 2006, 374; Martiny, FamRZ 2008, 1681 (1682); Hoff/Schmidt, JAmt 2011, 433; Pietsch, Österr. AnwBl. 2009, 486 (487). 1587 Dörner in: Festschrift Yamauchi, S. 81; Boehm, DAVorm 2000, 1042; Beyer, FF 2007, 20 (24). 1588 Boehm, DAVorm 2000, 1042. 1589 Looschelders/Boos, FamRZ 2006, 374. 1590 Vgl. Grünbuch zur EuUntVO, KOM(2004) 254 endg., S. 5 ff. 1591 Erwägungsgrund Nr. 4 und 9 zur EuUntVO; Coester-Waltjen, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 1 (2). 1592 Erwägungsgrund Nr. 10 zur EuUntVO; Roth/Egger, ecolex 2009, 818. Ein Überblick über die verschiedenen Rechtsquellen und deren Verhältnis zueinander findet sich etwa bei: Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 17 ff.; Dose, in: Wendl/Dose, § 9 Rn. 600 ff. 1593 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 79; U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 74. 1594 Süß, ZNotP 2011, 282; wohl a.A.: Hess, in: Internationale Unterhaltsrealisierung, S. 27 (31).

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

sachen sind nach Art. 4 und Art. 5 EuUntVO aber auch künftig möglich. Die dabei gestellten Anforderungen werden nachfolgend dargestellt. Zuvor wird jedoch ein Überblick über den sachlichen Anwendungsbereich und das Zuständigkeitssystem der EuUntVO gegeben.

§ 17 Sachlicher Anwendungsbereich der EuUntVO Die EuUntVO findet nach Art. 1 Abs. 1 EuUntVO Anwendung auf Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen. Die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der EuUntVO hängt somit entscheidend vom Verständnis des Begriffs der Unterhaltspflicht und der verschiedenen familiären Verhältnisse ab. Aufgrund der im Wortlaut des Art. 1 EuUntVO fehlenden Eingrenzung auf Zivilsachen ist ferner fraglich, ob der sachliche Anwendungsbereich der EuUntVO anders als der sachliche Anwendungsbereich der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO nicht auf Zivilsachen beschränkt ist.

A. Unterhaltspflicht Der Begriff der Unterhaltspflicht ist weder im Normtext noch in den Erwägungsgründen der EuUntVO näher umschrieben, obschon die Schaffung einer Legaldefinition noch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ernsthaft in Betracht gezogen wurde.1595 Um eine einheitliche Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der EuUntVO zu gewährleisten, ist der Begriff der Unterhaltspflicht losgelöst vom Verständnis der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen auszulegen. Die Notwendigkeit einer verordnungsautonomen Auslegung betont zudem Erwägungsgrund Nr. 11 zur EuUntVO ausdrücklich für den Begriff der Unterhaltspflicht. Eine solche ist aber auch bei den sonstigen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht üblich.1596 Im Rahmen der verordnungsautonomen Auslegung des Begriffs der Unterhaltspflicht ist unter anderem zu beachten, dass sich die EuUntVO auf das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUntProt 2007) bezieht, diesem und dem Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen (HUntÜ 2007) Rechnung zu tragen ist und die EuUntVO die bisher auf Unter1595 Vgl. Grünbuch zur EuUntVO, KOM(2004) 254 endg., S. 11. Der Bundesrat befürwortete aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit die Schaffung einer Definition, vgl. Bundesratsbeschluss zum Grünbuch zur EuUntVO, BR-Drucks. 361/04 (Beschluss), S. 3. 1596 MüKoFamFG/Lipp, Vor Art. 1 ff. EG-UntVO Rn. 22; Hk-ZPO/Dörner, Vorbem EuUntVO Rn. 13. Zur Auslegung im EuZVR oben unter Teil 1, § 2, C.III.

§ 17 Sachlicher Anwendungsbereich der EuUntVO

289

haltssachen anwendbaren Bestimmungen der Brüssel I-VO anpasst und ersetzt.1597 Zwar enthalten auch diese Rechtsakte keine Definition des besagten Begriffs. Allerdings sollte sich eine verordnungsautonome Auslegung an diesen systematischen Zusammenhängen orientieren, wodurch insbesondere ein Rückgriff auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-Übk bzw. Brüssel IVO sinnvoll erscheint.1598 Hiernach kommt es für die Einordnung als Unterhaltspflicht maßgeblich auf den Zweck der Verpflichtung an.1599 Ist die mit der Verpflichtung verbundene Leistung dazu bestimmt, den Lebensbedarf des Berechtigten zu sichern, handelt es sich um eine Unterhaltspflicht. Ein wichtiges Indiz für diese Funktion kann die Bemessung der Leistungspflicht anhand der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten sein.1600 Wie die Leistungspflicht konkret ausgestaltet ist, spielt demgegenüber bei der Einordnung als Unterhaltspflicht keine Rolle.1601 Von diesem Begriffsverständnis ausgehend hat dann insbesondere auch die mitunter schwierige Abgrenzung zwischen Unterhaltssachen und den nicht von der EuUntVO erfassten Güterrechtssachen zu erfolgen.1602

B. Familienverhältnis als Grundlage der Unterhaltspflicht Das Familien-, Verwandtschafts- und eherechtliche Verhältnis ist ebenso wenig in der EuUntVO näher umschrieben wie die Schwägerschaft. Da die Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft jeweils auch als eine familiäre Beziehung angesehen werden kann, fragt es sich dabei insbesondere, wie der Begriff des Familienverhältnisses zu verstehen ist. Denkbar ist insofern einerseits, das Familienverhältnis als Oberbegriff ohne eigenständige Bedeutung anzusehen. Der sachliche Anwen1597 Siehe Art. 15 und 68 Abs. 1 EuUntVO sowie die Erwägungsgründe Nr. 8, 15, 20 und 44 zur EuUntVO. 1598 Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 5 Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 1 EuUntVO Rn. 13b; Gruber, IPRax 2010, 128 (130); K. Gebauer, FPR 2006, 252 (254); Roth/Egger, ecolex 2009, 818. Zu weiteren Auslegungshilfen etwa: MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 7. 1599 EuGH, Urt. v. 27. 2. 1997 (van den Boogaard), Rs. C-220/95, Slg. 1997, I-1147, Rn. 21 f.; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 19; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 9; Rauscher/Andrae, Art. 1 EG-UntVO Rn. 23; Dörner, in: Eschenbruch/ Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 39 f. 1600 EuGH, Urt. v. 27. 2. 1997 (van den Boogaard), Rs. C-220/95, Slg. 1997, I-1147, Rn. 21 f. und 27; EuGH, Urt. v. 6. 3. 1980 (de Cavel), Rs. C-120/79, Slg. 1980, 731, Rn. 5; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 10. 1601 Dies ergibt sich mittelbar aus Anh. I zur EuUntVO. So daher auch: Hau, in: Prütting/ Helms, § 110 Anh Rn. 3; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 10; Gruber, IPRax 2010, 128 (130). 1602 Dazu ausführlich: Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 138; Dörner, in: Eschenbruch/ Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 40; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 36 ff.

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

dungsbereich der EuUntVO wäre damit auf die ausdrücklich in Art. 1 Abs. 1 EuUntVO genannten familiären Beziehungen der Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft beschränkt. Andererseits ist aber ebenso denkbar, die ausdrückliche Aufzählung der familiären Beziehungen in Art. 1 Abs. 1 EuUntVO nicht als abschließend anzusehen und somit auch sonstige familiäre Beziehungen dem sachlichen Anwendungsbereich der EuUntVO zu unterwerfen. Der Begriff des Familienverhältnisses wäre damit nicht nur Oberbegriff der ausdrücklich genannten Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft, sondern zugleich eine eigenständige familiäre Beziehung, auf die sich der sachliche Anwendungsbereich der EuUntVO erstrecken würde. Die ganz herrschende Meinung geht insofern zu Recht davon aus, dass die Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft nur bedeutsame Anwendungsfälle des Familienverhältnisses sind, daneben aber auch andere familiäre Beziehungen erfasst werden können.1603 Dies legt nicht nur Erwägungsgrund Nr. 11 zur EuUntVO nahe, wonach sich der sachliche Anwendungsbereich auf sämtliche Unterhaltspflichten erstrecken sollte, um hierdurch eine Gleichbehandlung aller Unterhaltsberechtigten zu gewährleisten.1604 Ein weites Begriffsverständnis wird überdies durch das im Anhang VII der EuUntVO beigefügte Formblatt bestätigt, wenn es neben der Abstammung, Ehe und Schwägerschaft auch die eheähnliche Gemeinschaft und sonstige Beziehungen als Antwort auf die Frage zulässt, woraus sich der Unterhalt ableitet.1605 Schließlich sprechen auch die systematischen Zusammenhänge der EuUntVO mit dem HUntProt 2007 und der Brüssel I-VO für eine weite Auslegung der erfassten Familienverhältnisse.1606 So wird auch der Begriff der Familie im Rahmen des Art. 1 Abs. 1 HUntProt 2007 weit gefasst und der dort vorgenommenen Aufzählung von familiären Beziehungen lediglich ein beispielhafter Charakter beigemessen.1607 Ebenso wenig waren die Unterhaltssachen im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO auf die familiären Beziehungen der Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft begrenzt, sondern erstreckten sich auf alle Unterhaltspflichten, welche auf ein „familienrechtliches Band“ gestützt werden konnten.1608 Die nach

1603 Rauscher/Andrae, Art. 1 EG-UntVO Rn. 9 ff.; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 13; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 45; Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 1 EuUntVO Rn. 13b; Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 20. 1604 Vgl. Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 6; Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 1 EuUntVO Rn. 13b; Gruber, IPRax 2010, 128 (130). 1605 Siehe: Anh. VII Ziff. 9.3.1.7., 9.3.2.7, 9.3.3.7. und 10.3.7. Daher ebenso: MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 13; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 43; Hilbig, GPR 2011, 310 (312 f.). 1606 Vgl. Art. 15 und 68 Abs. 1 EuUntVO sowie die Erwägungsgründe Nr. 8, 20 und 44 zur EuUntVO. 1607 Bonomi-Bericht, Rn. 29; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 13. 1608 Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 (102 f.), Rn. 96; BGH NJW-RR 2008, 156 (157); Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 56; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 62 f.

§ 17 Sachlicher Anwendungsbereich der EuUntVO

291

Art. 68 Abs. 1 EuUntVO angestrebte Ersetzung der für Unterhaltssachen geltenden Bestimmungen der Brüssel I-VO durch die EuUntVO wäre daher lückenhaft.1609 Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die Unterhaltspflicht aus einem Familienverhältnis resultieren muss.1610 Ein solches Familienverhältnis kann insbesondere in der Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft gesehen werden. Daneben kommen aber auch andere familiäre Beziehungen in Betracht. Dabei sind nicht nur die Begriffe der Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft verordnungsautonom auszulegen, sondern auch das Familienverhältnis als sonstige familiäre Beziehung.1611 Denn nur so kann der sachliche Anwendungsbereich der EuUntVO in allen Mitgliedstaaten einheitlich bestimmt werden.1612 Dies hat zur Folge, dass als Familienverhältnis grundsätzlich jede enge persönliche Beziehung zwischen natürlichen Personen in Betracht kommt.1613 Ob diese persönliche Beziehung im konkreten Fall eine Unterhaltspflicht begründen kann, hat das angerufene Gericht sodann unter Anwendung der Vorschriften der EuUntVO und der durch Art. 15 EuUntVO in Bezug genommenen Kollisionsnormen des HUntProt 2007 zu prüfen.

C. Ungeschriebene Beschränkung auf Zivilsachen Der sachliche Anwendungsbereich der EuUntVO ist zudem auf Zivilsachen beschränkt.1614 Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Normtext der EuUntVO, welcher im Gegensatz zur Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO weder eine Beschränkung auf Zivilsachen enthält noch bestimmte öffentlich-rechtliche Streitigkeiten ausdrücklich ausschließt. Jedoch hat sich der Verordnungsgeber bei Erlass der EuUntVO auf Art. 61 lit. c) EGV gestützt, wonach Maßnahmen im Bereich der

1609

Gruber, IPRax 2010, 128 (130); MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 13. Resultieren die Unterhaltspflichten originär aus einer vertraglichen Abrede oder einer unerlaubten Handlung, werden diese folglich nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der EuUntVO erfasst. Dazu ausführlich: MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 40; Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 25 ff. 1611 Siehe nur: MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 12; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 44; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 2; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 43; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 35 f.; teilweise a.A.: Rauscher/Andrae, Art. 1 EG-UntVO Rn. 15 ff.; Hilbig, GPR 2011, 310 (312 f.). 1612 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 44; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 12. 1613 MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 19 f.; ähnlich: Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 46 ff. Mit Praxisbeispielen etwa: Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 43. 1614 Rauscher/Andrae, Art. 1 EG-UntVO Rn. 44; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 139; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 2. 1610

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen erlassen werden können.1615 Überdies setzt der Verordnungsgeber die EuUntVO gerade in den Kontext zu anderen Rechtsakten auf dem Gebiet der Zivilsachen.1616 Schließlich soll die EuUntVO die auf Unterhaltssachen anwendbaren Bestimmungen der Brüssel I-VO und EuVTVO ersetzen, welche nach Art. 1 Brüssel I-VO bzw. Art. 2 EuVTVO ebenfalls auf Zivilsachen beschränkt sind. Die fehlende ausdrückliche Beschränkung auf Zivilsachen ist daher nicht als ein „beredtes Schweigen“ des Verordnungsgebers zu werten. Das Schweigen lässt sich zudem möglicherweise damit erklären, dass der Verordnungsgeber die bisherige Rechtsprechung des EuGH bei der Unterhaltsrückforderung durch öffentliche Stellen nicht in die EuUntVO übernehmen wollte,1617 sondern vielmehr künftig die Abgrenzung einer Zivilsache von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten bei einer solchen Unterhaltsrückforderung anhand der Kriterien des Art. 64 Abs. 1 EuUntVO vornehmen lassen will.1618

§ 18 Zuständigkeitssystem der EuUntVO A. Überblick Die EuUntVO enthält in ihrem Kapitel II ein geschlossenes Zuständigkeitssystem für Erkenntnisverfahren in Unterhaltssachen.1619 Hierdurch ist einerseits der Rückgriff auf die bisher für Unterhaltssachen geltenden Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO ausgeschlossen (Art. 68 Abs. 1 EuUntVO).1620 Andererseits scheidet ebenso eine Anwendung nationaler Zuständigkeitsvorschriften aus, da die Art. 3 ff. EuUntVO nach Art. 288 Abs. 2 Satz 2 AEUV diesen gegenüber als vorrangig einzustufen sind.1621 Dies gilt auch für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, weil diese von den Zuständigkeitsvorschriften der EuUntVO grundsätzlich miterfasst 1615

Siehe Präambel und Erwägungsgrund Nr. 1 zur EuUntVO; Rauscher/Andrae, Art. 1 EG-UntVO Rn. 44; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 2. 1616 Erwägungsgrund Nr. 3 zur EuUntVO; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 2. 1617 Vgl. dazu: EuGH, Urt. v. 15. 1. 2004 (Blijdenstein), Rs. C-433/01, Slg. 2004, I-981, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 14. 11. 2002 (Baten), Rs. C-271/00, Slg. 2002, I-10489, Rn. 37; MüKoZPO/Gottwald, Art. 5 EuGVO Rn. 57. 1618 Dies jedenfalls befürwortend: Rauscher/Andrae, Art. 1 EG-UntVO Rn. 46 f.; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 55. 1619 Erwägungsgrund Nr. 15 zur EuUntVO; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 3 EuUntVO Rn. 1; MüKoFamFG/Lipp, Vor Art. 3 ff. EG-UntVO Rn. 1; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 20; Boele-Woelki/Mom, FPR 2010, 485; Fucik, in: EuZVR in Österreich II, S. 105 (112). 1620 Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 21; Finger, FuR 2011, 254 (260). 1621 MüKoFamFG/Lipp, Vor Art. 3 ff. EG-UntVO Rn. 1; Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (69 f.).

§ 18 Zuständigkeitssystem der EuUntVO

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werden.1622 Eine begrenzte Ausnahme hiervon macht lediglich Art. 14 EuUntVO, wonach bei einstweiligen Maßnahmen ein Rückgriff auf nationales Recht zugelassen wird.1623 Die EuUntVO kennt dabei verschiedene Zuständigkeiten. Zunächst sind in den allgemeinen Bestimmungen des Art. 3 EuUntVO einige Zuständigkeiten enthalten. In Art. 4 und Art. 5 EuUntVO sind sodann mit der Gerichtsstandsvereinbarung und der rügelosen Einlassung die parteiautonomen Zuständigkeitsbegründungen geregelt. Darüber hinaus weist die EuUntVO noch eine Auffang- und eine Notzuständigkeit auf (Art. 6 und Art. 7 EuUntVO). Die aus der Brüssel I-VO bzw. Brüssel IaVO bekannte Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz und den besonderen Gerichtsständen für Unterhaltssachen wurde somit in der EuUntVO aufgegeben und hierdurch die hervorgehobene Stellung des zuständigkeitsrechtlichen Grundsatzes actor sequitur forum rei zumindest teilweise relativiert.1624

B. Das Prinzip der Rechtssicherheit im Zuständigkeitssystem Dem Prinzip der Rechtssicherheit kommt auch im Zuständigkeitssystem der EuUntVO eine besondere Bedeutung zu.1625 Im Gegensatz zur Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO wird diese zwar nicht ausdrücklich in den Erwägungsgründen der EuUntVO betont.1626 Jedoch gelten die für eine erhöhte Rechtssicherheit von Zuständigkeitsvorschriften sprechenden Erwägungen in der EuUntVO gleichermaßen. Denn auch die Parteien einer Unterhaltssache haben ein Interesse daran, ohne Schwierigkeiten das zuständige Gericht ermitteln zu können. Dies gilt umso mehr, als die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen durch die EuUntVO gerade vereinfacht und beschleunigt werden soll.1627 Da die Zuständig1622

Rauscher/Andrae, Vorbem zu Art. 3 ff EG-UntVO Rn. 2 und 7; Reuß, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 3 EuUntVO Rn. 1; Junker, IZPR, § 20 Rn. 7. 1623 MüKoFamFG/Lipp, Vor Art. 3 ff. EG-UntVO Rn. 4; Rauscher/Andrae, Vorbem zu Art. 3 ff EG-UntVO Rn. 2; Fucik, in: EuZVR in Österreich II, S. 105 (112). Dazu ausführlich: Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 66 ff. 1624 Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (61). 1625 So auch: Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 15. 1626 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 11 und 15 zur Brüssel I-VO und Erwägungsgrund Nr. 15 und 16 zur Brüssel Ia-VO. 1627 Erwägungsgründe Nr. 4 und 9 zur EuUntVO; EuGH, Urt. v. 20. 3. 1997 (Farell), Rs. C-295/95, Slg. 1997, I-1683, Rn. 13 f., vgl. aber auch: EuGH, Urt. v. 25. 10. 2012 (Folien Fischer und Fofitec), Rs. C-133/11, ECLI:EU:C:2012:664, Rn. 33; EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 44; EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 (Falco Privatstiftung und Rabitsch), Rs. C-533/07, Slg. 2009, I-3327, Rn. 22; EuGH, Urt. v. 3. 5. 2007 (Color Drack), Rs. C-386/05, Slg. 2007, I-3699, Rn. 19 f.; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2006 (Reisch Montage), Rs. C-103/05, Slg. 2006, I-6827, Rn. 25; EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs.

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

keitsvorschriften der Brüssel I-VO durch die EuUntVO angepasst werden sollen, überzeugt eine Übernahme des Prinzips der Rechtssicherheit auch aus systematischen Erwägungen.1628 Dass die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit innerhalb der Zuständigkeitsvorschriften der EuUntVO eine Rolle spielt, dokumentiert überdies Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO. Hiernach soll nämlich durch die Möglichkeit, den Gerichtsstand einvernehmlich zu bestimmen, eine noch größere Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit erreicht werden.

C. Allgemeine Bestimmungen Innerhalb dieses Zuständigkeitssystems bildet Art. 3 EuUntVO die Grundregel zur Bestimmung der internationalen und örtlichen Zuständigkeit. Die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 3 EuUntVO enthält insgesamt vier verschiedene Gerichtsstände, welche gleichrangig nebeneinander bestehen und dem Kläger ein alternatives Wahlrecht einräumen.1629 Nach Art. 3 lit. a) EuUntVO ist zunächst das Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten zuständig. Dieser Gerichtsstand entspricht damit weitgehend dem bisher anwendbaren Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO, wenngleich nunmehr anstelle des Wohnsitzes der gewöhnliche Aufenthalt zum maßgeblichen Anknüpfungskriterium erklärt wird.1630 Demnach folgt Art. 3 lit. a) EuUntVO ebenfalls dem im kontinentaleuropäischen Rechtskreis weithin anerkannten Grundprinzip des Zuständigkeitsrechts actor sequitur forum rei und dient somit dem Beklagtenschutz.1631 Weiterhin ist nach Art. 3 lit. b) EuUntVO das Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten zuständig. Damit übernimmt die EuUntVO den bisherigen Zuständigkeitsgrund in Art. 5 Nr. 2 Hs. 1 Brüssel I-VO, verzichtet hierbei allerdings auf eine gesonderte Anknüpfung an den Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten. Dieser Gerichtsstand bezweckt dabei nicht nur den Schutz des typischerweise sozial schwächeren Unterhaltsberechtigten, indem diesem durch einen räumlich nahen Gerichtsstand die Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs er-

C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 39 f.; EuGH, Urt. v. 10. 6. 2004 (Kronhofer), Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002 (Besix), Rs. C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Rn. 25 f.; EuGH, Urt. v. 5. 2. 2004 (DFDS Torline), Rs. C-18/02, Slg. 2004, I-1417, Rn. 36; EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1993 (Mulox IBC), Rs. C-125/92, Slg. 1993, 4075, Rn. 11. 1628 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 15 und 44 EuUntVO. 1629 Rauscher/Andrae, Art. 3 EG-UntVO Rn. 5 und 10; Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (61). 1630 Gruber, IPRax 2010, 128 (132). 1631 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 3 EuUntVO Rn. 24; MüKoFamFG/Lipp, Art. 3 EG-UntVO Rn. 12; Fucik, in: EuZVR in Österreich II, S. 105 (113). Siehe oben unter Teil 2, § 6, C.

§ 18 Zuständigkeitssystem der EuUntVO

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leichtert wird.1632 Vielmehr zeichnet sich das Gericht am Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten auch durch eine besondere Sachnähe bei der Bemessung des Unterhalts aus. Denn dieses Gericht ist am besten geeignet, die bedarfsrelevanten Lebensumstände festzustellen.1633 Zudem ermöglicht Art. 3 lit. b) EuUntVO vielfach einen Gleichlauf von gerichtlicher Prüfungskompetenz und anwendbarem materiellen Recht, da das in Art. 15 EuUntVO in Bezug genommene HUntProt 2007 kollisionsrechtlich ebenfalls an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten anknüpft (Art. 3 Abs. 1 HUntProt 2007).1634 Die Regelungszwecke gilt es insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn vorgetragen wird, dass der Gerichtsstand des Art. 3 lit. b) EuUntVO nicht dem Unterhaltsverpflichteten zur Verfügung steht.1635 Da der Normtext nicht danach differenziert, ob der Unterhaltsberechtigte klagt oder verklagt wird, ließe sich diese Auffassung allenfalls durch eine teleologische Reduktion des Art. 3 lit. b) EuUntVO begründen.1636 Angesichts der verschiedenen Regelungszwecke dieses Gerichtsstands kann dies allerdings kaum überzeugen.1637 Überdies gewährt auch Art. 8 EuUntVO für die praxisrelevanten Abänderungsklagen des Unterhaltsverpflichteten einen gewissen Schutz des Unterhaltsberechtigten vor einer aufgezwungenen Prozessführung.1638 Darüber hinaus enthält Art. 3 EuUntVO zwei Annexzuständigkeiten für Unterhaltssachen. Nach Art. 3 lit. c) EuUntVO ist das für ein Personenstandsverfahren zuständige Gericht auch in einer Unterhaltssache zuständig, wenn über diese als Nebensache zu entscheiden ist. Nach Art. 3 lit. d) EuUntVO verhält es sich ebenso, 1632 So aber die wohl h.M. zu Art. 5 Nr. 2 Hs. 1 Brüssel I-VO, vgl. EuGH, Urt. v. 15. 1. 2004 (Blijdenstein), Rs. C-433/01, Slg. 2004, I-981, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 20. 3. 1997 (Farell), Rs. C-295/95, Slg. 1997, I-1683, Rn. 19; Rauscher/Leible (Bearbeitung 2010), Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 65; Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 54 und 64; Hk-ZPO/Dörner (5. Aufl. 2013), Art. 5 EuGVVO Rn. 28; Dose, in: Wendl/Dose, § 9 Rn. 642. 1633 MüKoFamFG/Lipp, Art. 3 EG-UntVO Rn. 17. Vgl. aber auch: Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (25); EuGH, Urt. v. 20. 3. 1997 (Farell), Rs. C-295/95, Slg. 1997, I-1683, Rn. 24; Rauscher/Andrae, Art. 3 EG-UntVO Rn. 40; Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 48. 1634 MüKoFamFG/Lipp, Art. 3 EG-UntVO Rn. 17; vgl. zudem: Dörner, in: Eschenbruch/ Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 48. 1635 Hk-ZPO/Dörner, Art. 3 EuUnthVO Rn. 4; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/ Menne, Kap. 6 Rn. 48; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 26. 1636 Vgl Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 1 EuUntVO Rn. 21; Rauscher/Andrae, Art. 3 EG-UntVO Rn. 43; MüKoFamFG/Lipp, Art. 3 EG-UntVO Rn. 16; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1 (27). 1637 MüKoFamFG/Lipp, Art. 3 EG-UntVO Rn. 18. So zumindest im Ergebnis: Rauscher/ Andrae, Art. 3 EG-UntVO Rn. 43; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 3 EuUntVO Rn. 27; Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 1 EuUntVO Rn. 21; Hess/Mack, JAmt 2007, 229 (230); wohl auch: Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1 (27); offengelassen von OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 55 (56). 1638 Vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 55 (56); Rauscher/Andrae, Art. 8 EG-UntVO Rn. 1; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 64.

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

wenn die Hauptsache ein Verfahren über die elterliche Verantwortung betrifft. In beiden Fällen ist dies allerdings dann ausgeschlossen, wenn die Zuständigkeit in der Hauptsache einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien beruht. Eine solche Annexzuständigkeit in Unterhaltsachen war bisher lediglich in Personenstandsverfahren bekannt (Art. 5 Nr. 2 Hs. 2 Brüssel I-VO).1639 Durch die Annexzuständigkeiten soll eine Verfahrenskonzentration an dem Gericht der Hauptsache erreicht werden, da die Unterhaltssache als Nebensache eng mit dieser verbunden ist.1640

D. Auffang- und Notzuständigkeit Ein geschlossenes Zuständigkeitssystem darf angesichts des Justizgewährungsanspruchs nicht dazu führen, dass in bestimmten Sachverhaltskonstellationen Rechtsschutzlücken entstehen (Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GrundrechteCharta). Um einer Partei einen Zugang zu einem Gericht selbst dann zu ermöglichen, wenn die zuständigkeitsrechtlichen Anknüpfungskriterien des Art. 3, Art. 4 und Art. 5 EuUntVO nicht gegeben sind, enthält die EuUntVO mit der Auffang- und Notzuständigkeit der Art. 6 und Art. 7 EuUntVO subsidiär anwendbare Zuständigkeiten.1641 Nach Art. 6 EuUntVO besteht eine internationale Auffangzuständigkeit zugunsten der Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit beide Parteien besitzen.1642 Den Kreis der primär anwendbaren Zuständigkeitsvorschriften erweitert der Verordnungsgeber dabei auf die für Unterhaltssachen geltenden Bestimmungen des LugÜ 2007. Führt auch die Auffangzuständigkeit des Art. 6 EuUntVO nicht zur internationalen Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts, kommt nur noch die internationale Notzuständigkeit des Art. 7 EuUntVO in Betracht. Hiernach können die Gerichte eines Mitgliedstaats in Ausnahmenfällen über einen Rechtsstreit entscheiden, wenn die Rechtsverfolgung in einem Drittstaat, zu dem der Rechtsstreit einen engen Bezug aufweist, unzumutbar oder unmöglich ist, soweit ein ausreichender Bezug zu diesen mitgliedstaatlichen Gerichten besteht.1643

1639

Henrich, in: Heiß/Born, Kap. 31 Rn. 4; Dose, in: Wendl/Dose, § 9 Rn. 649 ff.; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 30. 1640 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 3 EuUntVO Rn. 2, 29 und 32; MüKoFamFG/Lipp, Art. 3 EG-UntVO Rn. 25; vgl. zudem: Grünbuch zur EuUntVO, KOM(2004) 254 endg., S. 15, und die Erläuterungen zum Kommissionsvorschlag EuUntVO, KOM(2006) 206 endg., S. 3. 1641 Erwägungsgründe Nr. 15 und 16 zur EuUntVO; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 55; Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (65); MüKoFamFG/Lipp, Art. 6 EGUntVO Rn. 1. 1642 Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 60. Dazu ausführlich: Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 115 ff. 1643 Vgl. dazu auch: Erwägungsgrund Nr. 16 zur EuUntVO; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 118 ff.; Gruber, IPRax 2010, 128 (134 f.).

§ 19 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 4 EuUntVO

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§ 19 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 4 EuUntVO A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich I. Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts In Hinsicht auf den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich ist es für Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen nach Art. 4 EuUntVO lediglich erforderlich, dass die Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts erfolgt.1644 Das noch in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO enthaltene Erfordernis, dass mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, ist damit entfallen.1645 Nach Art. 4 Abs. 1 EuUntVO können somit selbst Parteien aus Drittstaaten eine Gerichtsstandsvereinbarung in Unterhaltssachen treffen, sofern ihre Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts ausfällt.1646 Die damit einhergehende Diskrepanz zwischen Art. 4 EuUntVO und Art. 23 Brüssel I-VO wurde allerdings bei der Neufassung der Brüssel I-VO beseitigt.1647 II. Teleologische Reduktion 1. Ausschluss von reinen Inlandssachverhalten Durch das Erfordernis einer Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts ist nicht sichergestellt, dass die Gerichtsstandsvereinbarung eine Unterhaltssache mit grenzüberschreitenden Bezug betrifft. Vielmehr erfasst der Wortlaut des Art. 4 EuUntVO auch Gerichtsstandsvereinbarungen in reinen Inlandssachverhalten. Die für Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen einschlägigen Bestimmungen der mitgliedstaatlichen Verfahrensrechte wären somit weitgehend bedeutungslos. Dies wird vielfach als zu weitgehend empfunden und eine teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 4 EuUntVO bei reinen Inlandssachverhalten befürwortet.1648 Dem ist zuzustimmen. Im Gegensatz zu verschiedenen anderen Rechtsakten europäischer und internationaler Provenienz enthält die EuUntVO zwar keine positive oder negative Umschreibung einer grenzüberschreitenden Rechtssache oder 1644 Anders aber noch Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Kommissionsvorschlags EuUntVO, KOM (2005) 649 endg., S. 17. 1645 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 8. Siehe oben unter Teil 2, § 7, A.I. 1646 MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 6; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 47; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 98 f. 1647 Siehe oben unter Teil 3, § 13, A. 1648 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 8 f.; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 6; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 17; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 521 ff.; Rauscher, FamFR 2013, 25 (26).

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

eines internationalen Sachverhalts.1649 Jedoch ergibt sich aus einer Vielzahl der Erwägungsgründe, dass die EuUntVO gerade darauf abzielt, die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zu effektivieren und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.1650 Die wortlautgetreue Anwendung des Art. 4 EuUntVO bei reinen Inlandssachverhalten würde überdies gegen die kompetenzrechtlichen Vorgaben des Art. 65 EGV verstoßen, obwohl diese Vorgaben in Erwägungsgrund Nr. 1 zur EuUntVO sogar ausdrücklich betont werden.1651 Schließlich spricht auch der systematische Zusammenhang mit den Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO dafür, den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich des Art. 4 EuUntVO ebenso wie den des Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel IaVO teleologisch zu reduzieren.1652 2. Kein Ausschluss von Drittstaatensachverhalten Der grenzüberschreitende Bezug muss dabei allerdings nicht zu einem anderen Mitgliedstaat bestehen.1653 Eine derart gesteigerte Anforderung an den grenzüberschreitenden Bezug kann weder aus dem Normtext der EuUntVO noch aus der Ermächtigungsgrundlage abgeleitet werden. Dabei ist insbesondere das kompetenzrechtliche Erfordernis des Binnenmarktbezugs weit zu verstehen, sodass es zu keiner weitergehenden territorialen Kompetenzbeschränkung führt.1654 Zudem sprechen Erwägungsgrund Nr. 15 und Art. 7 EuUntVO für die Einbeziehung von Sachverhalten, welche lediglich einen Bezug zu einem Drittstaat aufweisen.1655 Dies ist auch im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO mittlerweile

1649 Siehe: Art. 3 Abs. 1 EuGFVO, Art. 3 Abs. 1 EuMahnVO und Art. 1 Abs. 2 HGÜ. Dies bedauernd: Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 141. 1650 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 4, 10, 31, 33 und 45 zur EuUntVO; Reuß, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 7; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 72; Rauscher/ Andrae, Art. 3 EG-UntVO Rn. 16 f.; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 35; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 92; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 521. 1651 Bittmann, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 36 Rn. 41; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EGUntVO Rn. 72; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 7; Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 8; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Rn. 14; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 521; Gruber, IPRax 2010, 128 (132 f.); Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (462). 1652 Conti, Grenzüberschreitende Unterhaltsdurchsetzung, S. 94. Zur teleologischen Reduktion bei Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel Ia-VO ausführlich oben unter Teil 2, § 7, A.IV. und Teil 3, § 13, A.II. 1653 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 15; Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (61); Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 9; Heger/Selg, FamRZ 2011, 1101 (1103). 1654 Siehe oben unter Teil 1, § 2, C.II. 1655 Heger/Selg, FamRZ 2011, 1101 (1103); Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 9.

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allgemein anerkannt.1656 Demnach werden von Art. 4 EuUntVO auch Unterhaltssachen erfasst, die lediglich Beziehungen zu einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat aufweisen (sog. Drittstaatensachverhalt). 3. Qualitative Anforderungen an den grenzüberschreitenden Bezug Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zur Brüssel I-VO sollte zur Bejahung eines grenzüberschreitenden Bezugs genügen, wenn „die in einem Rechtsstreit in Rede stehende Situation Fragen hinsichtlich der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte aufwerfen kann“.1657 Solche Fragen werden bei der Anwendung der EuUntVO jedenfalls dann aufgeworfen, wenn die Parteien einer Gerichtsstandsvereinbarung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten haben.1658 Denn der gewöhnliche Aufenthalt ist in der EuUntVO als zuständigkeitsrelevantes Anknüpfungskriterium anerkannt, sodass unterschiedliche internationale Zuständigkeiten für die Unterhaltssache zumindest in Betracht kommen. Allerdings ist ein reiner Inlandssachverhalt nicht bereits dann anzunehmen, wenn beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat haben, dessen Gerichte sie prorogieren (sog. interne Gerichtsstandsvereinbarungen).1659 Der erforderliche grenzüberschreitende Bezug lässt sich nämlich nicht nur aus dem gewöhnlichen Aufenthalt ableiten, sondern kann sich vielmehr aus einer Vielzahl weiterer Umstände ergeben.1660 Dies trifft insbesondere auf die Staatsangehörigkeit zu, sodass bereits die ausländische Staatsangehörigkeit einer Partei einen reinen Inlandssachverhalt ausschließt.1661 Ebenso kann etwa ein ausländisches Statusverfahren den erforderlichen grenzüberschreitenden Bezug begründen.1662 1656 Statt aller: EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 35; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 59; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 4 ff.; Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 14 ff. Siehe auch oben unter Teil 2, § 7, A.IV. und Teil 3, § 13, A.II. 1657 EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 30 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 26. Siehe oben unter Teil 2, § 7, A.IV.3. 1658 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 14; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 522; Gruber, IPRax 2010, 128 (133). 1659 So aber: Heger/Selg, FamRZ 2011, 1101 (1103); wohl auch: Gruber, IPRax 2010, 128 (133). 1660 MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 74; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 14; Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (60 f.). 1661 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 17; Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 1 EuUntVO Rn. 17; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EG-UntVO Rn. 74; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 14; Hk-ZPO/Dörner, Art. 3 EuUnthVO Rn. 2; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 95; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 522 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2012, 1 (22); wohl auch: Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 9. 1662 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 14; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 EGUntVO Rn. 74; wohl auch: Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 9.

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

Insgesamt kann damit festgehalten werden, dass keine allzu hohen Anforderungen an die Qualität des grenzüberscheitenden Bezugs zu stellen sind.1663 Insbesondere kann eine interne Gerichtsstandsvereinbarung dann nicht als reiner Inlandssachverhalt angesehen werden, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt Tatsachen enthält, welche das Vorliegen einer weiteren internationalen Zuständigkeit als möglich erscheinen lassen. Zur Anwendung des Art. 4 EuUntVO ist also nicht erforderlich, dass das forum prorogatum und ein forum derogatum in verschiedenen Staaten liegen.1664 Denn der Rechtsanwender müsste dann stets das konkrete Vorliegen einer anderen internationalen Zuständigkeit nach den Zuständigkeitsvorschriften der EuUntVO oder des jeweiligen nationalen Verfahrensrechts rechtlich und tatsächlich prüfen. Eine derartige umfassende Prüfungspflicht würde somit die Rechtsanwendung erschweren und damit der bezweckten Vereinfachung und Beschleunigung bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zuwiderlaufen. Die Parteien einer Unterhaltssache könnten dann das zuständige Gericht nur unter gewissen Schwierigkeiten ermitteln, was letztlich auch im Hinblick auf die mit einer Gerichtsstandsvereinbarung angestrebte Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bedenklich wäre. Schließlich ist es Parteien mit gewöhnlichem Aufenthalt in demselben Mitgliedstaat auch möglich, die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats für zuständig zu erklären (sog. grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarungen). Hier begründet die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie die erforderliche Internationalität selbstständig.1665 Allerdings beschränkt Art. 4 EuUntVO die Möglichkeit, grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarungen abzuschließen, indem die Auswahl der prorogierbaren Gerichte begrenzt wird. Eine grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarung kommt somit künftig nur noch unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 lit. b) und c) EuUntVO in Betracht. 4. Konsequenzen für die praktische Anwendung Der durch die teleologische Reduktion erforderlich gewordene grenzüberschreitende Bezug ist dabei keine ungeschriebene Anwendungsvoraussetzung, die stets positiv festgestellt werden muss.1666 Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 4 EuUntVO sollte vielmehr grundsätzlich als eröffnet angesehen werden, sobald die Parteien eine Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitglied1663

Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 8; wohl auch: Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 9. 1664 So aber: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 523. 1665 Vgl. Aull, Geltungsanspruch des EuGVÜ, S. 128 f.; Jayme, in: Europäisches Kollisionsrecht, S. 33 (39). 1666 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 14; MüKoFamFG/Lipp, Art. 1 Rn. 73; Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (462); wohl a.A.: Hk-ZPO/Dörner, Art. 3 EuUnthVO Rn. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 1 EuUntVO Rn. 17; Reuß, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 1 EuUntVO Rn. 7 f. Siehe oben unter Teil 2, § 7, A.IV.4.

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staatlichen Gerichts treffen. Denn die Parteien können bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung oftmals gar nicht absehen, ob in der Zukunft ein grenzüberschreitender Bezug existieren wird. Den künftigen Ungewissheiten wollen sie ja gerade durch den Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung vorbeugen und damit für Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit sorgen.1667 Sollte sich die Unterhaltssache jedoch zu einem Rechtsstreit ohne jeglichen grenzüberschreitenden Bezug entwickeln, sollte eine Anwendung des Art. 4 EuUntVO ausscheiden. Die teleologische Reduktion führt somit dazu, dass der räumlich-persönliche Anwendungsbereich um den ungeschriebenen Ausnahmetatbestand des reinen Inlandssachverhalts erweitert wird. Dies entspricht letztlich auch dem Fehlen einer Definition der Mindestvoraussetzungen an die grenzüberschreitende Rechtssache innerhalb der EuUntVO.1668 III. Teleologische Extension Treffen die Parteien keine Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts, ist der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 4 EuUntVO nicht eröffnet. Dies kann nicht nur Art. 4 Abs. 1 EuUntVO entnommen werden, sondern bestätigt zudem Art. 4 Abs. 4 EuUntVO, wonach sich derzeit die Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit eines norwegischen, schweizerischen oder isländischen Gerichts grundsätzlich nach dem LugÜ 2007 richtet. Lediglich der in Art. 4 Abs. 3 EuUntVO enthaltene Ausschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen bei Streitigkeiten über Unterhaltspflichten gegenüber einem noch nicht 18 Jahre alten Kind soll sich auch in diesen Fällen durchsetzen. Ob das drittstaatliche Gericht infolge einer Gerichtsstandsvereinbarung zuständig geworden ist, bestimmt sich demnach nach dem nationalen Recht des jeweiligen Drittstaats und dabei gegebenenfalls nach dem LugÜ 2007.1669 Letztlich wäre der Verordnungsgeber kompetenzrechtlich auch gar nicht in der Lage gewesen, einem drittstaatlichen Gericht die Prüfung einer Gerichtsstandsvereinbarung anhand des Art. 4 EuUntVO vorzuschreiben. Betrachtet man demgegenüber die mit einer drittstaatlichen Gerichtsstandsvereinbarung mitunter einhergehende Derogation mitgliedstaatlicher Gerichte, erscheint eine Anwendung des Art. 4 EuUntVO zumindest aus Kompetenzgründen nicht von vornherein ausgeschlossen. Jedoch enthält der Wortlaut des Art. 4 EuUntVO keine ausdrückliche Regelung der Derogationswirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Darin entspricht Art. 4 EuUntVO der Zuständigkeitsvorschrift des Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel Ia-VO, in dessen Wortlaut die Derogation ebenso wenig geregelt ist. Es kann daher kaum verwundern, dass im Rahmen des Art. 4 EuUntVO ebenso wie bei Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25

1667 1668 1669

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO. Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Rn. 14. Siehe nur: Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 66.

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

Brüssel Ia-VO umstritten ist,1670 ob in diesen Fällen eine über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Anwendung zu erfolgen hat.1671 Dabei ist der Auffassung zuzustimmen, welche die Derogation mitgliedstaatlicher Gerichte durch eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts anhand der Vorgaben des Art. 4 EuUntVO beurteilt. Denn die EuUntVO hat es sich zum Ziel gemacht, ein geschlossenes Zuständigkeitssystem in Unterhaltssachen zu errichten, sodass zur Beurteilung einer solchen Derogation nicht auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden kann.1672 Will man bei Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten drittstaatlicher Gerichte nicht zur prinzipiellen Unzulässigkeit der Derogation mitgliedstaatlicher Gerichte gelangen, besteht somit nur die Möglichkeit, die Zuständigkeitsvorschriften der EuUntVO entsprechend zu erweitern. Da Art. 4 EuUntVO der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie Raum gibt und zumindest die Derogationswirkung ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen implizit anerkennt, erscheint eine teleologische Extension dieser Vorschrift naheliegend.1673 Zumindest ist eine solche bei einer sog. isolierten Derogation mitgliedstaatlicher Gerichte weitgehend anerkannt.1674 Warum dies bei einer Derogation mitgliedstaatlicher Gerichte durch eine drittstaatliche Prorogation anders sein soll, ist nicht ersichtlich. Allenfalls ein Umkehrschluss aus Art. 4 Abs. 4 EuUntVO könnte gegen eine teleologische Reduktion angeführt werden.1675 Indem die EuUntVO nämlich nur eine Sonderregelung für die drittstaatlichen Vertragsstaaten des LugÜ 2007 enthält, komme zum Ausdruck, dass allen sonstigen Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten drittstaatlicher Gerichte die Derogationswirkung zu versagen ist.1676 Allerdings gehen auch die Gegner einer teleologischen Extension nicht so weit, aufgrund dessen solchen Gerichtsstandsvereinbarungen die Derogation mitgliedstaat-

1670

Statt aller: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVO Rn. 14; Rauscher/Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 3b. Siehe oben unter Teil 2, § 7, A.V. und Teil 3, § 13, A.III. 1671 Dafür: MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 26; Rauscher/Andrae, Art. 4 EGUntVO Rn. 69 ff.; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 154; Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 65; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 52; Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (68); dagegen: Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 16; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 528 f.; Rauscher, FamFR 2013, 25 (26 f.); offengelassen von: Kohler/Pintens, FamRZ 2009, 1529 (1530). 1672 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 69; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 26; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 52; vgl. auch: Rauscher, FamFR 2013, 25 (27). 1673 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 51. 1674 So insbesondere auch: Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 14. 1675 Dies ebenfalls zugestehend: Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 52. 1676 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 52.

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licher Gerichte prinzipiell zu versagen.1677 Zudem kann die Sonderregelung des Art. 4 Abs. 4 EuUntVO mit der besonderen Bedeutung des LugÜ 2007 für deren mitgliedstaatliche Vertragsstaaten erklärt werden. Letztlich kann Art. 4 Abs. 4 EuUntVO sogar als Bestätigung der hier befürworteten teleologischen Extension angesehen werden, wenn man darin eine gesetzlich geregelte Ausnahme von der Maßgeblichkeit des Art. 4 EuUntVO zur Beurteilung der Derogation mitgliedstaatlicher Gerichte erkennt. Schließlich kann hiergegen auch nicht erfolgreich das Prinzip der Rechtssicherheit geltend gemacht werden.1678 Zwar ist aus Gründen der Rechtssicherheit prinzipiell eine wortlautgetreue Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften der EuUntVO anzustreben. Jedoch kommen selbst die Gegner einer teleologischen Extension nicht um eine wortlautübergreifende Anwendung des Art. 4 EuUntVO herum. Denn auch sie befürworten eine Anwendung des Art. 4 Abs. 3 EuUntVO bei einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts.1679 IV. Maßgeblicher Zeitpunkt Zwar kann zwischen dem Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung und dem Unterhaltsverfahren, in dem diese ihre Wirkung entfalten soll, ein längerer Zeitraum liegen, in dem sich die zuständigkeitsrelevanten tatsächlichen Verhältnisse ändern können. Allerdings gilt dies für die Voraussetzungen des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 4 EuUntVO nur sehr eingeschränkt. Denn die tatsächlichen Begleitumstände können für sich genommen die einmal getroffene Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts kaum abändern. Sollte es im Rahmen des Art. 4 EuUntVO dennoch einmal auf die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs ankommen, ist ebenso wie im Rahmen des Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel Ia-VO disjunktiv auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung und den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts abzustellen.1680 Dies ergibt sich zwar auch im Rahmen des Art. 4 EuUntVO nicht unmittelbar aus dem Wortlaut.1681 Denn die Regelung des maßgeblichen Zeitpunkts in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EuUntVO beschränkt sich auf die in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a) bis c) EuUntVO genannten Voraussetzungen, sodass diese Regelung 1677 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 16; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 528 f.; wohl a.A.: Rauscher, FamFR 2013, 25 (27). 1678 Zum Prinzip der Rechtssicherheit in der EuUntVO ausführlich unter Teil 4, § 18, B. 1679 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 16; Rauscher, FamFR 2013, 25 (26). 1680 Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 7, A.VI. 1681 Wohl a.A.: Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 101 ff.

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

allenfalls mittelbar und aus systematischen Erwägungen heraus für ein disjunktives Abstellen auf beide Zeitpunkte spricht. Für eine solche Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts kann jedoch vor allem der umfassende Schutz des Unterhaltsgläubigers und das Vertrauen der Parteien in die bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung vorliegende Anwendbarkeit des Art. 4 EuUntVO angeführt werden. Angesichts des funktionalen Zusammenhangs einer Gerichtsstandsvereinbarung mit den übrigen getroffenen und unterlassenen vertraglichen Regelungen ist dies nämlich von besonderer Bedeutung.

B. Wirksamkeitsvoraussetzungen I. Schriftform Die Formanforderungen an eine Gerichtsstandsvereinbarung sind abschließend in Art. 4 Abs. 2 EuUntVO geregelt. Hiernach bedarf eine Gerichtsstandsvereinbarung der Schriftform. Elektronische Übermittlungen sind dabei der Schriftform gleichgestellt sind, soweit sie eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen. Weitere Formvarianten sind in Art. 4 Abs. 2 EuUntVO hingegen nicht vorgesehen. Damit ist es künftig nicht mehr möglich, eine Gerichtsstandsvereinbarung in Unterhaltssachen in Form der schriftlich bestätigten Mündlichkeit oder in einer Form abzuschließen, die den Parteigepflogenheiten oder einem Handelsbrauch entspricht. Dies stellt im Vergleich zu den bisherigen Formanforderungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Brüssel I-VO eine deutliche Einschränkung dar.1682 Allerdings ist zu vermuten, dass die weggefallenen Formvarianten bei Gerichtsstandsvereinbarung in Unterhaltssachen ohnehin kaum eine Rolle gespielt haben.1683 Bei der Anwendung des Art. 4 Abs. 2 EuUntVO stellt sich jedoch die Frage, welche konkreten Anforderungen an die Schriftform zu stellen sind. Um eine einheitliche Behandlung der Form in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, kann die Antwort darauf nur durch eine verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der Schriftform gegeben werden.1684 Aus deutscher Sicht scheidet somit ein Rückgriff auf § 126 BGB zur Konkretisierung der Schriftform aus.1685 Vielmehr ist auf den Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und die Systematik der EuUntVO zurückzu-

1682 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 18; Rauscher, FamFR 2013, 25 (28); Gruber, IPRax 2010, 128 (133); Boele-Woelki/Mom, FPR 2010, 485 (486). 1683 Gottwald, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 13 (15). 1684 MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 13; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 48; Rauscher, FamFR 2013, 25 (28). 1685 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 48; Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 1 EuUntVO Rn. 20; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 104.

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greifen, wobei insbesondere die Zielsetzungen des Verordnungsgebers hinreichend berücksichtigt werden müssen.1686 Der Wortlaut der EuUntVO umschreibt den Begriff der Schriftform nicht näher. Ebenso wenig gibt die Entstehungsgeschichte sichere Hinweise auf das Begriffsverständnis. Erwähnenswert ist aus historischer Sicht jedoch, dass der Bundesrat die Schriftform sogar vollständig ablehnte, da diese weder eine rechtliche Beratung der schwächeren Vertragspartei gewähre und zu Beweisproblemen im Unterhaltsprozess führe.1687 Zudem lassen auch die Stellung des Art. 4 EuUntVO im Zuständigkeitssystem und die Struktur der EuUntVO kaum Rückschlüsse auf den Begriff der Schriftform zu. Insofern lässt sich allenfalls argumentieren, dass das Schriftformerfordernis eng auszulegen ist.1688 Denn die Parteien weichen durch die Gerichtsstandsvereinbarung von den allgemeinen Zuständigkeiten des Art. 3 EuUntVO ab, welche ihrerseits vor allem auf besonderer Sachnähe und verschiedenen Schutzgedanken beruhen.1689 Diese Geltungsansprüche sollte daher auch die Schriftform in sich aufnehmen und somit zu einem gewissen Maße sicherstellen, dass jede Partei vor einer Gerichtsstandsvereinbarung geschützt wird, die sie tatsächlich nicht gewollt hat.1690 Aus systematischer Sicht sind allerdings die durch die EuUntVO in Bezug genommenen Rechtsakte zu berücksichtigen. So ergibt sich etwa aus Erwägungsgrund Nr. 15 zur EuUntVO, dass die Zuständigkeitsvorschriften der EuUntVO lediglich eine Anpassung der Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO darstellen.1691 Dies legt eine zu Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 1 Brüssel I-VO entsprechende Auslegung des Begriffs der Schriftform nahe.1692 Hiernach wäre nur erforderlich, dass die beteiligten Parteien jeweils schriftlich ihre Zustimmung zur Gerichtsstandsvereinbarung erklären. Weitergehende Anforderungen, wie eine Unterzeichnung der Erklärung oder die Abfassung der Erklärungen in einem einheitlichen Schriftstück, wären folglich abzulehnen.1693 1686

Zur Auslegung im EuZVR ausführlich oben unter Teil 1, § 2, C.III. Bundesratsbeschluss zum Kommissionsvorschlag EuUntVO, BR-Drucks. 30/06 (Beschluss), S. 7. Siehe auch: Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 105; Beyer, FF 2007, 20 (26). 1688 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 12; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 161; Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 62. 1689 Dazu ausführlich unter Teil 4, § 18, C. 1690 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 12. 1691 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 44 zur EuUntVO. 1692 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 14; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 13; Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (453 ff.). 1693 So etwa: Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 48; Reuß, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 19; Bittmann, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 36 Rn. 44; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 13; Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (862); Rauscher, FamFR 2013, 25 (28); Motzer, FamRBint 2011, 56 (58); a.A.: Hk-ZPO/Dörner, Art. 4 EuUnthVO Rn. 11, der aufgrund dessen eine Unterschrift für erforderlich ansieht. Zur Schriftlichkeit bei Art. 23 Brüssel I-VO ausführlich oben unter Teil 2, § 7, B.I.2.a). 1687

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

Darüber hinaus weist die EuUntVO systematische Zusammenhänge zum HUntProt 2007 und HUntÜ 2007 auf.1694 Diese Rechtsakte enthalten jeweils eine Umschreibung der Schriftform. So ist nach Art. 8 Abs. 2 HUntProt 2007 eine Rechtswahlvereinbarung schriftlich zu erstellen und von beiden Parteien zu unterschreiben.1695 Demgegenüber definiert Art. 3 lit. d) HUntÜ 2007 eine schriftliche Vereinbarung als eine Vereinbarung, die auf einem Träger erfasst ist, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist.1696 Dies spricht im Ausgangspunkt sowohl für eine Unterzeichnung der Erklärung als auch für eine Abfassung der Erklärung in einem einheitlichen Schriftstück. Jedoch ist im Normtext der EuUntVO eine entsprechende Umschreibung gerade nicht enthalten. Selbst wenn man darin kein „beredtes Schweigen“ des Verordnungsgebers erblicken will, wäre ein Rückgriff auf diese Umschreibungen zur Konkretisierung der Schriftform des Art. 4 Abs. 2 EuUntVO mit Schwierigkeiten verbunden. Denn die Umschreibungen unterscheiden sich zumindest bei der Frage, ob die Schriftform eine Unterzeichnung der Erklärung erfordert.1697 Insgesamt erscheint es daher vorzugswürdig, den systematischen Zusammenhang der EuUntVO mit der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO bei der verordnungsautonomen Auslegung des Begriffs der Schriftform für maßgeblich zu erachten. Dies scheint auch der vom Verordnungsgeber mit Gerichtsstandsvereinbarungen verfolgte Regelungszweck zu bestätigen, zumindest aber nicht zu widerlegen. Denn die in Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO zu Tage getretene Zwecksetzung wird bereits durch das im Wege der systematischen Auslegung gefundene Begriffsverständnis erfüllt. So geht der EuGH insbesondere davon aus, dass bereits die vergleichsweise liberalen Formanforderungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Brüssel I-VO die schwächere Vertragspartei vor einem unbemerkten Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarungen hinreichend schützen.1698 Zwar könnten hier strengere Formanforderungen zu einem noch größeren Schutz der schwächeren Partei führen.1699 Allerdings würde dies zugleich die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie stärker einschränken, obwohl deren Ermöglichung ebenfalls in Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO offen eingefordert wird.1700 1694

Siehe Art. 15 EuUntVO sowie die Erwägungsgründe Nr. 8 und 20 zur EuUntVO. Dazu: Bonomi-Bericht, Rn. 144 f.; Rauscher/Andrae (Bearbeitung 2010), Art. 8 HUntStProt Rn. 16. 1696 Dazu: Borrás/Degeling-Bericht, Rn. 71. 1697 Wohl a.A.: MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 13. 1698 So etwa: EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 9. 12. 2003 (Gasser), Rs. C-116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 50; vgl. auch: Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (37). 1699 So etwa Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 15, die daher eine Unterschrift fordert. 1700 Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (455). 1695

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Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der Begriff der Schriftform in Art. 4 EuUntVO ebenso wie der Begriff der Schriftlichkeit in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 1 Brüssel I-VO auszulegen ist. Eine Unterzeichnung der Erklärung oder eine Abfassung der Erklärung in einem einheitlichen Schriftstück sind demnach nicht erforderlich. Die damit einhergehende Diskrepanz zwischen der EuUntVO einerseits und dem HUntProt 2007 und dem HUntÜ 2007 erscheint zwar misslich.1701 Sie ist de lege lata aber unausweichlich, da sich auch das HUntProt 2007 und das HUntÜ 2007 bei der Umschreibung der Schriftform unterscheiden. II. Materielle Wirksamkeit Mit dem Begriff der Vereinbarung wird in Art. 4 Abs. 1 EuUntVO der vertragliche Charakter einer Gerichtsstandsvereinbarung angesprochen und zugleich die zentrale Voraussetzung für die materielle Wirksamkeit angedeutet.1702 Was unter einer Vereinbarung zu verstehen ist und welche materiell-rechtlichen Fragestellungen hierunter gefasst werden können, bleibt hingegen weitgehend offen. Darin entspricht Art. 4 EuUntVO seinem Vorbild des Art. 23 Brüssel I-VO.1703 Dies und der in Erwägungsgrund Nr. 15 zur EuUntVO betonte systematische Zusammenhang zu den Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO legen eine mit den zu Art. 23 Brüssel IVO gefundenen Ergebnissen übereinstimmende Beantwortung dieser Fragen nahe.1704 Hiernach ist in dem Begriff der Vereinbarung eine verordnungsautonome Regelung der Willenseinigung zu erblicken, sodass für sämtliche damit unmittelbar im Zusammenhang stehende Fragen ein Rückgriff auf nationales Recht ausscheidet.1705 Dabei kann die Willenseinigung bei Einhaltung der Schriftform des Art. 4 Abs. 2 EuUntVO vermutet werden.1706 Darüber hinausgehende Fragen der materiellen Wirksamkeit sind allerdings unter Rückgriff auf das nationale Recht des Gerichtsstaats zu beantworten. Dies gilt etwa für die Geschäftsfähigkeit der Parteien, die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Willensmängeln oder die Wirksamkeit einer 1701 Vgl. MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 13; Rauscher/Andrae, Art. 4 EGUntVO Rn. 13 f.; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 104 f. 1702 Rauscher, FamFR 2013, 25 (28). 1703 Vgl. dazu etwa: U. Magnus, in: Festschrift von Hoffmann, S. 664 (667). 1704 Hk-ZPO/Dörner, Art. 4 EuUnthVO Rn. 10; Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 20 ff.; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 11; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 14; Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (863); Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (456 f.). Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II. 1705 So etwa: Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 11; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 55; Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 20 f.; Rauscher, FamFR 2013, 25 (28). 1706 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 20; Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 63; Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (456).

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

Stellvertretung.1707 Welche sachrechtlichen Bestimmungen insofern anwendbar sind, ist anhand des Kollisionsrechts des angerufenen Gerichts zu bestimmen. Dabei ist das für Gerichtsstandsvereinbarungen maßgebliche Geschäftsstatut (sog. Prorogationsstatut) eigenständig anzuknüpfen, wobei die Kollisionsnormen der Rom I-VO entsprechend angewendet werden können. Insbesondere ist eine akzessorische Anknüpfung an das Unterhaltsstatut abzulehnen, sodass eine Heranziehung des HUntProt 2007 insofern ausscheidet.1708 Aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs der Rom I-VO erfolgt eine gesonderte Anknüpfung für die Teilfragen der Geschäftsfähigkeit und Stellvertretung.1709 III. Ungeschriebene Missbrauchskontrolle Eine Missbrauchs- oder Inhaltskontrolle der Gerichtsstandsvereinbarung ist in Art. 4 EuUntVO nicht vorgesehen. Verschiedentlich wird jedoch eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle für zulässig erachtet.1710 Eine solche ungeschriebene Missbrauchskontrolle ist aber auch auf Ablehnung gestoßen.1711 Diese Diskussion ist bereits aus dem Anwendungsbereich des Art. 23 Brüssel I-VO bekannt.1712 Im Ausgangspunkt erscheint aus systematischer Sicht eine Übertragung der zu Art. 23 Brüssel I-VO gefundenen Ergebnisse nahe liegend.1713 Hiernach wäre das in einer Missbrauchskontrolle zum Ausdruck kommende Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit dahingehend aufzulösen, dass die Prüfung der inhaltlichen Angemessenheit einer Gerichtsstandsvereinbarung durch das angerufene Gericht ausgeschlossen ist. Dies kann auch im Rahmen des Art. 4 EuUntVO überzeugen. Denn einerseits gibt Art. 4 EuUntVO der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie Raum, sodass die inhaltliche Ausgestaltung der Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich den Parteien überlassen ist.1714 Andererseits wird zum Schutz der schwächeren Partei und 1707 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 48; Rauscher/Andrae, Art. 4 EGUntVO Rn. 22; Hk-ZPO/Dörner, Art. 4 EuUnthVO Rn. 10; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 55; Bittmann, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 36 Rn. 45; Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (863); vgl. auch Rauscher, FamFR 2013, 25 (28), der jedoch einen Rückgriff auf nationales Recht bei Willensmängeln sehr fragwürdig ansieht. 1708 A.A.: Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 55. 1709 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 22; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/ Menne, Kap. 6 Rn. 55; Rauscher, FamFR 2013, 25 (28). 1710 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 52 ff.; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 163; Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 64; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 33 ff. 1711 Zöller/Geimer, Art. 4 EuUntVO Rn. 2; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 24 f.; Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (864); Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 98; Rauscher, FamFR 2013, 25 (28). 1712 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II.3.b). 1713 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 15 zur EuUntVO. 1714 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO.

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damit zur Vermeidung von Missbrauch die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie in der EuUntVO bereits in ganz besonderem Maße beschränkt. So wird etwa zum Schutz der schwächeren Partei bei einer Streitigkeit über eine Unterhaltspflicht gegenüber einem noch nicht 18 Jahre alten Kind die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie vollkommen ausgeschlossen.1715 Eine gewisse Einschränkung der Parteiautonomie zum Schutz der schwächeren Partei ist zudem im Schriftformerfordernis zu sehen. Denn die Schriftform soll einen unbemerkten Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung verhindern.1716 In dieselbe Richtung zielt schließlich auch die Beschränkung der Wahlmöglichkeiten in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a) bis c) EuUntVO. Diese kann nämlich als eine institutionalisierte Missbrauchskontrolle angesehen werden, da die dort aufgestellten Kriterien die Wahl auf bestimmte Gerichte beschränkt, bei denen zuständigkeitsrechtlich relevante Anknüpfungsmomente objektiv vorliegen.1717 Während eine ungeschriebene Kontrolle der inhaltlichen Angemessenheit somit ausscheidet, erscheint es allerdings möglich, das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung mit einer Missbrauchskontrolle zu hinterfragen.1718 Denn von einer parteiautonomen Zuständigkeitswahl kann nur dann gesprochen werden, wenn diese auf dem tatsächlichen Willen der Parteien beruht. Insbesondere gibt die Einhaltung der Schriftform keine Gewähr dafür, dass die erforderliche Einigung ohne Einsatz unlauterer Mittel herbeigeführt wurde. So kann etwa eine Partei im wahrsten Sinne des Wortes die Pistole auf die Brust gesetzt bekommen und zur Abgabe einer schriftlichen Zustimmung zu einer Gerichtsstandsvereinbarung gezwungen werden.1719 Da Art. 4 EuUntVO zur Lösung solcher Fallkonstellationen keine Vorgaben enthält, ist insbesondere zur Beurteilung einer Täuschung oder Drohung auf nationales Recht zurückzugreifen. IV. Maßgeblicher Zeitpunkt Die ausdrückliche Regelung des maßgeblichen Zeitpunkts in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EuUntVO betrifft lediglich die in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a) bis c) EuUntVO genannten Kriterien. Zu welchem Zeitpunkt die formell- und materiell-rechtlichen Anforderungen an eine Gerichtsstandsvereinbarung erfüllt sein müssen, bleibt hingegen unklar. Insofern bietet sich aus systematischen Gründen wiederum eine Lösung wie bei Art. 23 Brüssel I-VO an.1720 Hiernach ist lediglich auf den Zeitpunkt 1715

Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO; Rauscher, FamFR 2013, 25 (28). Rauscher, FamFR 2013, 25 (28). 1717 Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (864); Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (457 f.); Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 97 f. Dazu noch ausführlich unter Teil 4, § 19, C.I.4. 1718 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II.3.b). 1719 Vgl. Leible/Röder, RIW 2007, 481 (483). 1720 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 15 zur EuUntVO. 1716

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung abzustellen.1721 Denn die Willenseinigung anhand der Umstände im Zeitpunkt der Klageerhebung zu prüfen, ist nicht nur mit Blick auf das nun streitige Verhältnis der Parteien fragwürdig, sondern berücksichtigt auch nicht hinreichend den vertraglichen und grundsätzlich vorbeugenden Regelungscharakter von Gerichtsstandsvereinbarungen.1722 Wenn die Schriftform das tatsächliche Bestehen der Willenseinigung gewährleisten soll, so darf für sie nichts anderes gelten. Ob die Parteien ihre ursprünglich unwirksame Gerichtsstandsvereinbarung durch eine spätere Gerichtsstandsvereinbarung nachträglich aufgehoben, geändert oder geheilt haben, ist allerdings eine vom maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit zu unterscheidende Frage.

C. Inhalt I. Beschränkte Gestaltungsmöglichkeiten Im Zuständigkeitssystem der EuUntVO sind die Parteien bei der inhaltlichen Gestaltung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht frei. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a) bis c) EuUntVO haben sie nur eine beschränkte Auswahl an mitgliedstaatlichen Gerichten, die sie im Wege der Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklären können. Hiernach sind nur die Gerichte eines Mitgliedstaates wählbar, in dem eine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a) EuUntVO) oder dessen Staatsangehörigkeit eine der Parteien besitzt (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. b) EuUntVO). Eine Besonderheit besteht bei ehelichen und nachehelichen Unterhaltspflichten (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) EuUntVO). Hier sind das in Ehesachen zuständige Gericht und die Gerichte des Mitgliedstaats wählbar, in dem die Ehegatten mindestens ein Jahr lang ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Darin unterscheidet sich Art. 4 EuUntVO von Art. 23 Brüssel IVO, bei dem die Parteien noch nach Belieben unter den verschiedenen mitgliedstaatlichen Gerichten auswählen konnten und damit der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie umfassend Raum gegeben wurde.1723 Im Folgenden werden daher zunächst die einzelnen Anknüpfungskriterien der verschiedenen Wahlmöglichkeiten dargestellt. Hieran anschließend wird zum Verhältnis der Wahlmöglichkeiten zueinander Stellung genommen, bevor auf den maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Anknüpfungskriterien und die Anforderungen an die Ausübung der Wahl eingegangen wird. Hiervon ausgehend wird das Regelungsziel der damit einhergehenden Beschränkung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie beleuchtet. Abschließend wird dann noch der verbleibende Gestaltungsspielraum der Parteien kursorisch umrissen. 1721 1722 1723

Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.III. Vgl. etwa: U. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Art. 23 Brussels I Regulation Rn. 58. Siehe oben unter Teil 2, § 7, C.I. und Teil 3, § 13, C.I.

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1. Anknüpfungskriterien der Wahlmöglichkeiten a) Gewöhnlicher Aufenthalt Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird in der EuUntVO nicht definiert, obwohl er das zentrale Anknüpfungskriterium in deren Zuständigkeitssystem ist.1724 Erwägungsgrund Nr. 32 zur EuUntVO kann lediglich entnommen werden, dass der gewöhnliche Aufenthalt strengeren Anforderungen unterliegt als der schlichte Aufenthalt und schlichter Aufenthalt bei bloßer Anwesenheit nicht bejaht werden kann. Darüber hinaus enthält die EuUntVO keine Umschreibung des Begriffs. Um eine einheitliche Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, muss das Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts verordnungsautonom ausgelegt werden.1725 Nichts anderes galt bereits zuvor im Rahmen des Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO.1726 Bei der gebotenen verordnungsautonomen Auslegung kommt den systematischen Zusammenhängen der EuUntVO zum Haager Konventionsrecht und zu den übrigen sekundärrechtlichen Rechtsakten des europäischen Zivilverfahrensrechts eine besondere Bedeutung zu.1727 Denn der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird auch hier vielfach genutzt.1728 Zwar enthält keiner der Rechtsakte eine Definition des gewöhnlichen Aufenthalts. Bereits aus rechtspraktischen Gründen ist jedoch ein einheitliches Begriffsverständnis im Haager Konventionsrecht und europäischen Zivilverfahrensrecht anzustreben.1729 Die verordnungsautonome Auslegung des Begriffs hat sich daher insbesondere an dem Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts in dem HUntÜ 2007 und dem HUntProt 2007 sowie der Brüssel IIa-VO gleichermaßen zu orientieren.1730 Dabei sind freilich die Besonderheiten der EuUntVO zu berücksichtigen.1731 1724 Rauscher/Andrae, Art. 3 EG-UntVO Rn. 23; MüKoFamFG/Lipp, Art. 2 EG-UntVO Rn. 18; dies bedauernd: Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (62). 1725 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 18; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 3 EuUntVO Rn. 18; MüKoFamFG/Lipp, Art. 2 EG-UntVO Rn. 19; Dose, in: Wendl/Dose, § 9 Rn. 641; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 49; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 69. 1726 Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 59. 1727 Vgl.: Erwägungsgrund Nr. 8 zur EuUntVO; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 18; MüKoFamFG/Lipp, Art. 2 EG-UntVO Rn. 20; Rauscher/Andrae, Art. 3 EGUntVO Rn. 23 f. 1728 Siehe nur: Art. 3 HUntProt 2007 sowie Art. 3 Abs. 1 lit. a) und Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO. 1729 Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 19; Andrae, Internationales Familienrecht, § 2 Rn. 55; MüKoFamFG/Lipp, Art. 2 EG-UntVO Rn. 20. 1730 MüKoFamFG/Lipp, Art. 2 EG-UntVO Rn. 20; Rauscher/Andrae, Art. 3 EG-UntVO Rn. 27; Dose, in: Wendl/Dose, § 9 Rn. 641; so bereits: Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 59; dazu ausführlich: Baetge, in: Festschrift Kropholler, S. 77 ff.; teilweise a. A.: Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 18, und Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 3 EuUntVO Rn. 17 ff. (jeweils für vorrangige Orientierung an der Brüssel IIa-VO).

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

Hiernach kann der gewöhnliche Aufenthalt allgemein als der Ort umschrieben werden, an dem sich der Schwerpunkt der familiären, sozialen und beruflichen Beziehungen einer Person befindet.1732 Dieser sog. Daseins- oder Lebensmittelpunkt kann anhand der objektiven Kriterien der Dauer, Beständigkeit und Umstände des Aufenthalts sowie der familiären, beruflichen und sozialen Bindungen festgestellt werden.1733 b) Staatsangehörigkeit Die Anforderungen an die Staatsangehörigkeit sind den nationalen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entnehmen, sodass es hier keiner näheren Umschreibung des Begriffs bedarf.1734 Bei einer doppelten Staatsangehörigkeit kommen beide Staatsangehörigkeiten in Betracht.1735 Für das Anknüpfungskriterium der Staatsangehörigkeit ist jedoch Art. 2 Abs. 3 Satz 1 EuUntVO noch zu beachten, welcher einer Besonderheit des common law Rechnung trägt.1736 Denn hier wird anstelle der Staatsangehörigkeit das sog. domicile als maßgebliches Anknüpfungskriterium bestimmt.1737 Der Begriff des domicile kennzeichnet dabei die Rechtsbeziehungen eines Menschen zu einem bestimmten Territorium und damit zu einer bestimmten Rechtsordnung.1738 c) Gericht in Ehesachen und letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt Bei Streitigkeiten über eheliche oder nacheheliche Unterhaltspflichten enthält Art. 4 EuUntVO zwei Anknüpfungskriterien. Zunächst gewährt der Verordnungs1731 MüKoFamFG/Lipp, Art. 2 EG-UntVO Rn. 22; Rauscher/Andrae, Art. 3 EG-UntVO Rn. 27; Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 55. 1732 Rauscher/Andrae, Art. 3 EG-UntVO Rn. 29; Hk-ZPO/Dörner, Art. 3 EuUnthVO Rn. 3; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 49; Baetge, in: Festschrift Kropholler, S. 77 (87 f.). 1733 EuGH, Urt. v. 2. 4. 2009 (A), Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-2805, Rn. 39; Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVO Rn. 59; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 49; Baetge, in: Festschrift Kropholler, S. 77 (80 ff.). 1734 In Deutschland enthält das Staatsangehörigkeitsgesetz die maßgeblichen Bestimmungen, vgl. Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 24. In Hinblick auf Art. 18 AEUV mit primärrechtlichen Bedenken: Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (64 f.); Hess, EuZPR, § 7 Rn. 102. 1735 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 38; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 23; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 49; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 52; Gruber, IPRax 2010, 128 (133). 1736 Vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 18 zur EuUntVO. 1737 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 2 EuUntVO Rn. 9; MüKoFamFG/Lipp, Art. 2 EGUntVO Rn. 15; Rauscher/Andrae, Art. 2 EG-UntVO Rn. 21. 1738 Dazu ausführlich: Rauscher/Andrae, Art. 2 EG-UntVO Rn. 22 ff.

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geber den Ehegatten oder früheren Ehegatten die Möglichkeit, das für ihre Ehesachen zuständige Gericht zu wählen (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) (i) EuUntVO). In Ehesachen bestimmt sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten nach den Art. 3 ff. Brüssel IIa-VO.1739 Diese sehen eine Vielzahl alternativer Gerichtsstände vor. Dabei ist den Zuständigkeitsvorschriften in Ehesachen eine parteiautonome Zuständigkeitsbegründung durch eine Gerichtsstandsvereinbarung fremd.1740 Welches Gericht in der Ehesache konkret zuständig ist, kann somit erst mit Anrufung eines der vielen international zuständigen Gerichte verlässlich bestimmt werden.1741 Zu einem früheren Zeitpunkt können die Ehegatten oder früheren Ehegatten das für ihre Ehesache zuständige Gericht auch in einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht konkret benennen. Das zweite Anknüpfungskriterium ist der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten, wobei dieser mindestens ein Jahr lang bestanden haben muss.1742 Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist ebenso wie im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a) EuUntVO auszulegen. Nach dem Normtext des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) (ii) EuUntVO reicht es dabei aus, wenn die Ehegatten in einem Mitgliedstaat gemeinsam ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt am selben Ort ist hingegen nicht notwendig.1743 2. Verhältnis zwischen Wahlmöglichkeiten Sind die Voraussetzungen der verschiedenen Anknüpfungskriterien erfüllt, steht es den Parteien frei, für welche der Wahlmöglichkeiten des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EuUntVO sie sich im Rahmen ihrer Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden. Insbesondere kann Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) EuUntVO nicht als eine abschließende Sonderregelung für den ehelichen und nachehelichen Unterhalt angesehen werden.1744 Vielmehr gewährt diese Regelung den Ehegatten oder früheren Ehegatten zusätzliche Wahlmöglichkeiten.1745 Zwar ist der Wortlaut insofern nicht eindeutig, da man die Formulierung „hinsichtlich Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten oder 1739 Art. 1 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIa-VO; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 24; Hk-ZPO/Dörner, Art. 4 EuUnthVO Rn. 6; Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 44; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 526; Gruber, IPRax 2010, 128 (133). 1740 MüKoFamFG/Gottwald, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 5; Hk-ZPO/Dörner, Art. 3 EheGVVO Rn. 2; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 24. 1741 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 44. 1742 Dazu kritisch: Fucik, in: EuZVR in Österreich II, S. 105 (115). 1743 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 25; Rauscher/Andrae, Art. 4 EGUntVO Rn. 47. 1744 MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 20; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 26; Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 40 ff.; Dörner, in: Eschenbruch/ Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 54; Rauscher, FamFR 2013, 25 (28); Gruber, IPRax 2010, 128 (133); Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (458 f.). 1745 Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 160.

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

früheren Ehegatten“ auch als abschließend ansehen kann.1746 Jedoch erscheint es äußerst fragwürdig, dass der Verordnungsgeber die Wahlmöglichkeiten im vermutlich praxisrelevantesten Anwendungsfall von Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen – nämlich Gerichtsstandsvereinbarungen für ehelichen und nachehelichen Unterhalt – ohne jegliche Begründung am stärksten einschränken wollte.1747 Dies gilt umso mehr, als der Wortlaut der Art. 4 Abs. 1 lit. a) und b) EuUntVO keinerlei Hinweise dafür enthält, dass Ehegatten oder früheren Ehegatten davon keinen Gebrauch machen dürfen.1748 Zudem deutet Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EuUntVO auf ein Alternativverhältnis der Wahlmöglichkeiten hin („a, b oder c“).1749 Schließlich lässt sich eine solche zusätzliche Beschränkung der Wahlmöglichkeiten auch nicht mit der in Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO betonten Stärkung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie vereinbaren.1750 3. Maßgeblicher Zeitpunkt Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen der verschiedenen Wahlmöglichkeiten ist in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EuUntVO geregelt. Hiernach genügt es, wenn die Anknüpfungskriterien entweder zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung oder zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts vorliegen. Wann ein Gericht als angerufen gilt, bestimmt dabei Art. 9 EuUntVO. Dies entspricht insgesamt dem maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der räumlich-persönlichen Anwendungsvoraussetzungen des Art. 4 EuUntVO.1751 Das disjunktive Abstellen auf beide Zeitpunkte kann vor allem mit dem Vertrauensschutz, der Planungssicherheit und prozessökonomischen Erwägungen begründet werden.1752 Denn Parteien sollten zunächst auf die bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung vorliegenden Anknüpfungskriterien vertrauen und ihre Zuständigkeitswahl daran ausrichten dürfen. Dabei sollten sie jedoch nicht auf die tatsächlich bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung vorliegenden Anknüpfungskriterien beschränkt sein, sondern auch künftige Entwicklungen in ihren Lebensverhältnissen vorsorglich regeln können. Schließlich wird das angerufene Gericht hierdurch auch nicht zu einer umständlichen Prüfung der Anknüpfungskriterien

1746

Vgl. Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 26. Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (459); Rauscher/Andrae, Art. 4 EGUntVO Rn. 42. 1748 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 42. 1749 Gruber, IPRax 2010, 128 (133). 1750 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 26. 1751 Siehe oben unter Teil 4, § 19, A.IV. 1752 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 32; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 32; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 103; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 527 f. 1747

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gezwungen, indem es zwingend auf die mitunter weit zurückliegenden tatsächlichen Umstände bei Abschluss der Vereinbarung abstellen muss.1753 4. Regelungsziel der Beschränkung Obwohl die Beschränkung der Wahlmöglichkeiten in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EuUntVO eine grundlegende Änderung der bisherigen Rechtslage darstellt, hat der Verordnungsgeber seine Motivation hierfür weder in den Erwägungsgründen noch in den sonstigen Gesetzgebungsmaterialien offenbart.1754 Der Kommissionsvorschlag ging sogar noch von einer freien Wählbarkeit der Gerichte aus.1755 Welches Regelungsziel der Verordnungsgeber mit der Beschränkung der Wahlmöglichkeit verfolgt haben könnte, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Vielfach wird angenommen, dass der Verordnungsgeber hierdurch eine gewisse Sachnähe des vereinbarten Gerichts sichern wollte.1756 Für eine solche Deutung sprechen zwar die Anknüpfungskriterien des gewöhnlichen Aufenthalts, des in Ehesachen zuständigen Gerichts und des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts. Denn die hierdurch wählbaren Gerichte zeichnen sind entweder durch eine besondere Nähe zu den Lebensumständen der Parteien aus, die sowohl zur Beurteilung der Bedürftigkeit als auch Leistungsfähigkeit maßgeblich sind, oder dadurch, dass sie zugleich ein im Zusammenhang mit der Unterhaltssache stehendes Verfahren entscheiden.1757 Mit Blick auf das Anknüpfungskriterium der Staatsangehörigkeit erscheint die Deutung der Einschränkung als Garant der Sachnähe fragwürdig, weil die Staatsangehörigkeit bei der Beurteilung des Unterhalts keine besondere Bedeutung hat.1758 Letztlich spricht aber vor allem der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der Anknüpfungskriterien gegen diese Deutung (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EuUntVO). Denn selbst das Sachnähe implizierende Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts kann längst entfallen sein, wenn das vereinbarte Gericht in der Unterhaltssache angerufen wird.1759 Das Regelungsziel der

1753

Vgl. Stein/Jonas/Wagner, Art. 23 EuGVVO Rn. 123. Allerdings kann dem Bundesratsbeschluss zum Kommissionsvorschlag EuUntVO entnommen werden, dass zumindest der Bundesrat die Schaffung eines sachlichen Bezugspunkts und den Gleichlauf von gerichtlicher Zuständigkeit und anzuwendendem materiellen Recht befürwortete, vgl. BR-Drucks. 30/06 (Beschluss), S. 7. 1755 Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Kommissionsvorschlags EuUntVO, KOM(2005) 649 endg., S. 17. 1756 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 6; Rauscher/Andrae, Art. 4 EGUntVO Rn. 28; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 159; Heger, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 5 (10); Finger, FUR 2011, 254 (260). 1757 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 28. 1758 Dies zugestehend: Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 29. 1759 MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 22; Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (864). 1754

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

Beschränkung kann folglich nicht in der Sicherstellung einer gewissen Sachnähe gesehen werden. Demgegenüber sehen andere Autoren das Regelungsziel der Beschränkung darin, dass der Verordnungsgeber eine Gerichtsstandsvereinbarung in Unterhaltssachen künftig nur noch auf der Grundlage „zuständigkeitsrechtlich relevanter Kriterien“ zulassen will, um somit die sachliche Begründetheit derselben zu gewährleisten und insbesondere Missbrauch vorzubeugen.1760 Mit anderen Worten wird anstatt der Sachnähe des Gerichts die Schutzbedürftigkeit der schwächeren Partei in den Mittelpunkt gerückt. Dem ist zuzustimmen. So dokumentiert bereits Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO, dass der Schutz der schwächeren Partei bei Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen eine besondere Rolle spielt. Berücksichtigt man zudem, dass sich in Unterhaltssachen oftmals ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen den Parteien vorfindet und ein Unterhaltsberechtigter nicht selten existenziell auf den Unterhalt angewiesen ist, erscheint eine generelle Missbrauchsvorbeugung besonders angezeigt.1761 Dies gilt umso mehr, als bisher in Unterhaltssachen weder eine geschriebene noch eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle existiert.1762 Darüber hinaus vermag diese Deutung auch zu erklären, warum die Staatsangehörigkeit für die Zuständigkeitswahl ein Anknüpfungskriterium darstellt und für das Vorliegen der Anknüpfungskriterien nicht nur auf den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, sondern disjunktiv dazu auch auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung abgestellt wird.1763 5. Verbleibende Gestaltungsmöglichkeiten Innerhalb dieser beschränkten Auswahlmöglichkeiten des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EuUntVO steht den Parteien die Gestaltung der Gerichtsstandsvereinbarung frei. Sie können insbesondere eines der wählbaren Gerichte ausschließlich oder neben anderen Gerichten für zuständig erklären. Letzteres kann wiederum sowohl fakultativ als auch alternativ erfolgen. Bei einer fakultativen Gerichtsstandsvereinbarung bauen die Parteien auf den Zuständigkeiten des Art. 3 EuUntVO auf und legen zusätzlich eine damit konkurrierende Zuständigkeit nach den Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EuUntVO fest. Bei einer alternativen Gerichtsstandsvereinbarung erklären sie unabhängig von den Zuständigkeiten des Art. 3 EuUntVO mehrere der nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EuUntVO wählbaren Gerichte für ausschließlich zuständig 1760 Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (864); MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 23; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 96 ff.; Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (457 f.). 1761 Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 97; vgl. MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 3. 1762 Dazu ausführlich oben unter Teil 4, § 19, B.III. 1763 Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (864); MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 23.

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und stellen diese zur Wahl. Ebenso ist es denkbar, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung für jede der Parteien eine unterschiedliche Regelung trifft (sog. asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarungen). Zudem können die Parteien auch nur einzelne nach Art. 3 EuUntVO zuständige Gerichte durch eine Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklären (sog. isolierte Derogation). Schließlich können die Parteien durch die Gerichtsstandsvereinbarung bei den Wahlmöglichkeiten des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a), b) und c) (ii) EuUntVO lediglich die internationale Zuständigkeit festlegen oder daneben auch die örtliche Zuständigkeit regeln. Denn nach dem Wortlaut der besagten Regelungen können die Parteien entweder ein Gericht eines Mitgliedstaats (örtliche Zuständigkeit) oder die Gerichte eines Mitgliedstaats (internationale Zuständigkeit) als zuständig vereinbaren. Wie bereits im Rahmen des Art. 23 Brüssel I-VO ist es den Parteien bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 4 EuUntVO allerdings verwehrt, die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der wählbaren Gerichte abzuändern.1764 II. Bestimmtheit Die Gerichtsstandsvereinbarung muss hinreichend bestimmt sein.1765 Während das Bestimmtheitserfordernis in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel I-VO noch angesprochen wurde, fehlt jedoch ein entsprechender Hinweis in Art. 4 EuUntVO vollständig. Mit Blick auf die im Zuständigkeitssystem der EuUntVO angestrebte Rechtssicherheit und den Schutz der schwächeren Partei haben sich jedoch auch Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen auf hinreichend bestimmte Rechtsverhältnisse und Gerichte zu beziehen.1766 Daher kann grundsätzlich auf die Ausführungen zu Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel Ia-VO verwiesen werden.1767 Allerdings spielt das Bestimmtheitserfordernis bei Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen eine weniger bedeutsame Rolle als bei den Zivil- und Handelssachen der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO. Denn in Unterhaltssachen kommen gerade keine Vielzahl von Rechtsverhältnissen in Betracht, anlässlich derer eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen sein könnte.1768 Regelmäßig existiert nur ein für die Unterhaltspflicht maßgebliches Rechtsverhältnis, sodass es einer Beschränkung der Geltung der Gerichtsstandsvereinbarung durch das Bestimmtheitserfordernis vielfach nicht bedarf.1769 Folglich kann von einer hinreichenden Be1764 Vgl. Jenard-Bericht, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 (38); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 23 EuGVVO Rn. 144. 1765 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 13; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 15 f. 1766 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO. 1767 Siehe oben unter Teil 2, § 7, C.II und Teil 3, § 13, C.I. 1768 MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 15. 1769 Vgl. EuGH, Urt. v. 10. 3. 1992 (Powell Duffryn), Rs. C-214/89, Slg. 1992, I-1745, Rn. 30 f.

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

stimmtheit des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses in Unterhaltssachen sowohl bei bereits entstandenen Streitigkeiten als auch bei künftig entstehenden Streitigkeiten prinzipiell ausgegangen werden. Das Bestimmtheitserfordernis erlangt somit lediglich bei der Zuständigkeitswahl praktische Bedeutung. Ebenso wie im Rahmen des Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel Ia-VO muss eine Gerichtsstandsvereinbarung in Unterhaltssachen nämlich eindeutig bestimmen, welches Gericht zur Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit zuständig sein soll.1770 Dies setzt allerdings nicht voraus, dass das zuständige Gericht konkret benannt wird und sich somit bereits dem Wortlaut der Gerichtsstandsvereinbarung entnehmen lässt.1771 Vielmehr genügt es ebenso, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung das Anknüpfungskriterium benennt, über das sich die Parteien bei der Zuständigkeitswahl geeinigt haben.1772 Folglich reicht es etwa aus, wenn die Parteien das Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers für zuständig erklären. Dabei gilt für das Anknüpfungskriterium des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) (ii) EuUntVO allerdings eine Besonderheit. Denn das in Ehesachen zuständige Gericht lässt sich erst mit dessen Anrufung verlässlich bestimmen.1773 Folglich genügt die abstrakte Bezeichnung dieses Anknüpfungskriteriums dem Bestimmtheitserfordernis. Es setzt allerdings voraus, dass spätestens im Zeitpunkt der Einleitung des Unterhaltsverfahrens eine Ehesache bereits anhängig ist.1774 Schließlich genügt es dem Bestimmtheitserfordernis ebenso, wenn die Parteien nur die internationale Zuständigkeit eines Gerichts vereinbaren. Die notwendige Konkretisierung der örtlichen Zuständigkeiten kann nämlich unter Rückgriff auf das nationale Verfahrensrecht des vereinbarten Mitgliedstaats erfolgen.1775 Dabei kann sogar ein Rückgriff auf ungeschriebene nationale Ersatzzuständigkeiten erforderlich sein, um die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie zu respektieren.1776 III. Auslegung Bereitet die Feststellung des Inhalts einer Gerichtsstandsvereinbarung im Einzelfall Probleme, ist der mutmaßliche Wille der Parteien im Wege der Auslegung 1770 Vgl. EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 (Benincasa), Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 29. Ein Formulierungsvorschlag findet sich etwa bei: Süß, ZNotP 2011, 282 (283). 1771 Vgl. EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 15; HkZPO/Dörner, Art. 4 EuUnthVO Rn. 2. 1772 Vgl. EuGH, Urt. v. 9. 11. 2000 (Coreck), Rs. C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Rn. 15; Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 31; Hk-ZPO/Dörner, Art. 4 EuUnthVO Rn. 2. 1773 Siehe oben unter Teil 4, § 19, C.I.1.c). 1774 Rauscher, FamFR 2013, 25 (28); wohl auch: Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 45. 1775 Hk-ZPO/Dörner, Art. 4 EuUnthVO Rn. 2; Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 11; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 101; Rauscher, FamFR 2013, 25 (27). 1776 Dazu ausführlich: Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 3.

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anhand des Wortlauts, der Begleitumstände und des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses zu ermitteln. Wie bei Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel Ia-VO hat die Auslegung dabei grundsätzlich anhand verordnungsautonomer Maßstäbe zu erfolgen.1777 Bei Unklarheiten der Zuständigkeitswahl existiert dabei wiederum eine Besonderheit. Nach der Auslegungsregel des Art. 4 Abs. 1 Satz 3 EuUntVO gilt eine vereinbarte Zuständigkeit nämlich als ausschließlich, wenn sich im Wege der Auslegung der Wille der Parteien nicht zweifelsfrei belegen lässt.1778

D. Wirkungen I. Prorogations- und Derogationseffekt Welche Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung in Unterhaltssachen zukommen, hängt entscheidend von deren Inhalt und damit vom Willen der beteiligten Parteien ab.1779 Innerhalb des ihnen verbliebenen Gestaltungsspielraums können sie dabei das Zuständigkeitssystem der EuUntVO nach Belieben abändern. Ihre Gerichtsstandsvereinbarung kann somit eine prorogative und derogative Wirkung entfalten, wobei diese Wirkungen gemeinsam oder jeweils einzelnen auftreten können.1780 II. Bindungswirkungen 1. Bindung des angerufenen Gerichts An diese parteiautonome Abänderung des Zuständigkeitssystems ist das angerufene Gericht grundsätzlich gebunden.1781 Denn dieses hat sich nach Art. 10 EuUntVO von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es nach den Vorschriften der EuUntVO nicht zuständig ist. Um gegen die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 4 EuUntVO nicht zu verstoßen, muss folglich ein prorogiertes Gericht die Wirkungen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung ebenso beachten wie ein derogiertes Gericht. Dies gilt allerdings nicht, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren nach Art. 5 EuUntVO rügelos einlässt.1782 Die rügelose Einlassung begründet die Zu1777 MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 14; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/ Menne, Kap. 6 Rn. 56; Rauscher, FamFR 2013, 25 (28). Siehe oben unter Teil 2, § 7, C.III. und Teil 3, § 13, C.II. 1778 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 57. 1779 MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 27. 1780 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 51; Rauscher/Andrae, Art. 4 EGUntVO Rn. 57; Rauscher, FamFR 2013, 25 (28). 1781 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Rn. 36; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 31. 1782 Hk-ZPO/Dörner, Art. 4 EuUnthVO Rn. 12; Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 58; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 31; Rauscher, FamFR 2013, 25 (29).

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

ständigkeit des angerufenen Gerichts nämlich selbst dann, wenn dieses infolge einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung eigentlich unzuständig wäre.1783 Das angerufene Gericht hat zudem auch kein Ermessen, ob es seine Zuständigkeit im konkreten Fall ausübt oder zugunsten eines besser geeigneten ausländischen Gerichts ablehnt.1784 Mit dieser Bindungswirkung geht notwendigerweise eine Pflicht zur Prüfung der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung durch das angerufene Gericht einher. Ebenso wie bei Art. 23 Brüssel I-VO besteht dabei keine sog. Kompetenz-Kompetenz des prorogierten Gerichts zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung.1785 Welches Gericht über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entscheidet, bestimmt sich vielmehr auch hier allein anhand der zeitlichen Abfolge der Anrufung (Art. 12 EuUntVO). Insbesondere enthält die EuUntVO keine dem Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO vergleichbare Regelung.1786 2. Subjektive Reichweite Neben dem angerufenen Gericht werden auch die beteiligten Parteien durch eine Gerichtsstandsvereinbarung gebunden.1787 Denn bei einer Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung drohen der Partei die kostenpflichtige Abweisung der Klage und damit eine Niederlage im Prozess. Eine darüber hinausgehende materiellrechtliche Pflicht zur Einhaltung der Gerichtsstandsvereinbarung scheidet demgegenüber zumindest aus deutscher Sicht regelmäßig aus.1788 III. Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung Die rechtliche Konzeption der EuUntVO gibt den Parteien einen gewissen Spielraum für prozesstaktische Überlegungen und entspricht damit der bisherigen Brüssel I-VO. Denn die zu sog. Torpedoklagen einladende Rechtshängigkeitsregel des Art. 27 Brüssel I-VO wurde nahezu wortgleich in Art. 12 EuUntVO aufgenommen.1789 Zwar ist das Phänomen der Torpedoklage in Unterhaltsverfahren bisher nicht bekannt geworden.1790 Angesichts der zunehmenden Bedeutung grenzüberschreitender Unterhaltssachen ist es aber sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis die 1783 1784 1785

D.III.2. 1786

Dazu sogleich ausführlich. Zur Ablehnung der doctrine of forum non conveniens oben unter Teil 2, § 7, D.III.4. Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 37. Siehe oben unter Teil 2, § 7,

Dazu ausführlich oben unter: Teil 3, § 13, D.II.2. MükoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 32; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 36. Dazu und zur Drittwirkung ausführlich oben unter Teil 2, § 7, D.III.3. 1788 MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 32. Siehe oben unter Teil 2, § 7, D.IV.1. 1789 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 3 EuUntVO Rn. 14. 1790 Rauscher/Andrae, Art. 12 EG-UntVO Rn. 9. 1787

§ 19 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 4 EuUntVO

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bereits derzeit existierenden Hilfen für die Unterhaltsflucht auch die Torpedoklage in ihr Repertoire aufnehmen.1791 Damit drängt sich auch bei Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen die Frage auf, inwieweit diese durch eine sog. antisuit injunction, Schadensersatzansprüche, materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche oder die Vereinbarung einer Vertragsstrafe abgesichert werden können. Zur Beantwortung dieser Frage, kann auf die Ausführungen zu Art. 23 Brüssel I-VO verwiesen werden.1792

E. Ausschluss des Kindesunterhalts I. Grundkonzeption Eine weitere Neuerung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen enthält Art. 4 Abs. 3 EuUntVO. Hiernach sind Gerichtsstandsvereinbarungen bei einer Streitigkeit über eine Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, das noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, unzulässig. Der Verordnungsgeber will damit den Schutz des unter 18 Jährigen als der schwächeren Partei gewährleisten.1793 Allerdings belegt er die erhöhte Schutzbedürftigkeit nicht empirisch, sodass die Regelung des Art. 4 Abs. 3 EuUntVO auch vielfach kritisiert wird.1794 Eine vergleichbare Vorschrift ist jedoch auch in Art. 8 Abs. 3 HUntProt 2007 für Rechtswahlvereinbarungen in Unterhaltssachen enthalten. Aufgrund der systematischen Bezüge der beiden Rechtsakte zueinander und des Umstands, dass beide Rechtsinstrumente auf der Parteiautonomie beruhen, erscheint die Regelung des Art. 4 Abs. 3 EuUntVO aber zumindest nachvollziehbar.1795 Dies gilt umso mehr, wenn man noch berücksichtigt, dass das Kind aufgrund seiner Minderjährigkeit selbst nicht an der Willensbildung beteiligt ist und damit nicht unmittelbar die parteiautonome Zuständigkeitswahl beeinflussen kann.1796 Die rechtliche Konsequenz dieser Regelung ist, dass eine dennoch für solche Unterhaltspflichten abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam ist und 1791

Vgl. Martiny, FamRZ 2008, 1681 (1682) m.w.N. Siehe oben unter Teil 2, § 7, D.IV. Vgl. zudem: Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 3 EuUntVO Rn. 14 f. 1793 Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO; Erläuterungen zum Kommissionsvorschlag EuUntVO, KOM(2006) 206 endg., S. 3; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 28; Bittmann, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 36 Rn. 46; Heger, FPR 2013, 1 (3); BoeleWoelki/Mom, FPR 2010, 485 (486). 1794 Siehe etwa: Gottwald, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 13 (15); Hess/Mack, JAmt 2007, 229 (230); Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (64); Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 101. 1795 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 8 zur EuUntVO; Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (851 ff.). 1796 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 50; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 530 f. 1792

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

die gesetzlichen Zuständigkeiten der EuUntVO Anwendung finden.1797 Damit wird insbesondere eine Derogation des für den Unterhaltsberechtigten günstigen Gerichtsstands des Art. 3 lit. b) EuUntVO durch eine Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen.1798 Allerdings ist ebenso eine Derogation des für ihn ungünstigen Art. 3 lit. a) EuUntVO nicht möglich. Dies gilt im Übrigen nach Art. 4 Abs. 4 EuUntVO selbst dann, wenn die Parteien ein Gericht eines nichtmitgliedstaatlichen Vertragsstaats des LugÜ 2007 für ausschließlich zuständig erklären.1799 II. Reichweite des Ausschlusses Nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 EuUntVO sind nur Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind, das noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, erfasst. Damit sind Unterhaltspflichten gegenüber älteren Kindern genauso wenig erfasst wie Unterhaltspflichten gegenüber anderen schutzbedürftigen Erwachsenen.1800 Letzteres erscheint sachlich nicht gerechtfertigt.1801 Jedoch zeigt die Entstehungsgeschichte der EuUntVO, dass der Verordnungsgeber ganz bewusst keine Regelung für schutzbedürftige Erwachsene getroffen hat.1802 Ein entsprechender Vorschlag des Rates, die Regelung zugunsten eines „unterstützungsbedürftigen Erwachsenen“ zu erweitern, hat nämlich keinen Eingang in den endgültigen Normtext gefunden.1803 Zudem spricht auch der systematische Vergleich zum HUntProt 2007 dagegen, dass der Verordnungsgeber den schutzbedürftigen Erwachsenen schlichtweg übersehen hat. Denn eine Rechtswahlvereinbarung ist nach Art. 8 Abs. 3 HUntProt 2007 nicht nur bei Unterhaltspflichten gegenüber einem unter 18 Jährigen unzulässig, sondern auch bei einem Erwachsenen, der aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen. Mangels Regelungslücke scheidet folglich eine analoge Anwendung des Art. 4 Abs. 3 EuUntVO bei Unterhaltspflichten gegenüber schutzbedürftigen Erwachsenen aus.1804 1797 Hk-ZPO/Dörner, Art. 4 EuUnthVO Rn. 9; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 8; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 28; Rauscher/Andrae, Art. 4 EGUntVO Rn. 49. 1798 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 531. 1799 Dazu ausführlich: MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 12; Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (862); kritisch: Fucik, in: EuZVR in Österreich II, S. 105 (114 f.). 1800 Bittmann, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 36 Rn. 46; Rauscher, FamFR 2013, 25 (27). 1801 MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 9. 1802 Gruber, IPRax 2010, 128 (133); Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 57 (64); Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 31. 1803 Vgl. Textvorschlag im Vermerk des Rates vom 20. 12. 2006 (16830/06), S. 7. 1804 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 50; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 31; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 9; Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (861); Gruber, IPRax 2010, 128 (133); Rauscher, FamFR 2013, 25 (27).

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Probleme bereitet die Anwendung des Art. 4 Abs. 3 EuUntVO allerdings dann, wenn die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung dazu führt, dass sowohl der Unterhalt des Kindes vor als auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres erfasst ist. Einerseits könnte die Gerichtsstandsvereinbarung insgesamt als unwirksam angesehen werden.1805 Andererseits ist aber ebenso denkbar, nur den Teil für unwirksam zu erklären, der den Unterhalt eines unter 18 Jährigen betrifft.1806 Auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung kommt es insofern allerdings nicht an, weil Art. 4 Abs. 3 EuUntVO gerade keine Regelung der Geschäftsfähigkeit darstellt.1807 Auf den ersten Blick erscheint der vom Verordnungsgeber bezweckte Schutz des unter 18 Jahre alten Unterhaltsberechtigten nur eine Teilnichtigkeit zu erfordern.1808 Demnach wäre zur teilweisen Wirksamkeit nicht erforderlich, dass die Gerichtsstandsvereinbarung eine eindeutige Abgrenzung zum Kindesunterhalt bis zum 18. Lebensjahr vornimmt.1809 Der Verwendung einer derart unpräzisen Gerichtsstandsvereinbarung wohnt jedoch ein gewisses Gefährdungspotenzial inne. So könnte der schutzbedürftige Unterhaltsberechtigte sich im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung vor dem zumindest teilweise unzulässig vereinbarten Gericht einlassen. Im Wege der rügelosen Einlassung nach Art. 5 EuUntVO würde damit das Gericht insgesamt zuständig, da diese Vorschrift auch im Falle des Art. 4 Abs. 3 EuUntVO anwendbar ist.1810 Zudem besteht auch keine Verpflichtung des angerufenen Gerichts, die schutzbedürftige Partei über die Folgen der rügelosen Einlassung zu belehren, wenngleich ein entsprechender richterlicher Hinweis nicht durch Art. 4 Abs. 3 EuUntVO ausgeschlossen ist.1811 Daher sollte zum umfassenden Schutz des minderjährigen Unterhaltsberechtigten eine Gesamtnichtigkeit gefordert und damit die Bedeutsamkeit einer präzisen Gerichtsstandsvereinbarung hervorgehoben werden.1812

1805

Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 51; Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (460 f.). 1806 MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 11; Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (861 f.); Rauscher, FamFR 2013, 25 (27). 1807 Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 49; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EG-UntVO Rn. 11; wohl a.A.: Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 30; Hau, in: Prütting/ Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 50; Bittmann, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 36 Rn. 46; Fucik, in: EuZVR in Österreich II, S. 105 (114). 1808 Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (862). 1809 Dies aber als erforderlich erachtend: Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 51. 1810 MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EG-UntVO Rn. 6; Rauscher/Andrae, Art. 5 EG-UntVO Rn. 1 und 10; Rauscher, FamFR 2013, 25 (29); Motzer, FamRBint 2011, 56 (58). Dazu sogleich ausführlich. 1811 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 05. 2010 (Bilas), Rs. C-111/09, Slg. 2010, I-4545, Rn. 32; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 54. 1812 Abendroth, in: Recovery of Maintenance, S. 451 (460 f.).

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

§ 20 Rügelose Einlassung nach Art. 5 EuUntVO A. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 5 EuUntVO fordert lediglich, dass sich der Beklagte vor einem mitgliedstaatlichen Gericht auf das Verfahren einlässt. Darin entspricht Art. 5 EuUntVO der Zuständigkeitsvorschrift des Art. 24 Brüssel I-VO bzw. Art. 26 Brüssel Ia-VO, welche ebenfalls keine weitergehenden Anforderungen an den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich im Normtext enthält. Ebenso wie bei Art. 24 Brüssel I-VO bzw. Art. 26 Brüssel Ia-VO sollten jedoch reine Inlandssachverhalte vom räumlich-persönlichen Anwendungsbereich ausgeschlossen werden, sodass auch im Rahmen des Art. 5 EuUntVO das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Bezugs als ungeschriebene Anwendungsvoraussetzung zu fordern ist.1813 Während zumindest im räumlich-persönlichen Anwendungsbereich des Art. 24 Brüssel I-VO noch fragwürdig und umstritten ist, ob dem Wohnsitz der Parteien eine Bedeutung zukommt, stellt sich diese Frage bezogen auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien im Rahmen des Art. 5 EuUntVO nicht.1814 Insbesondere kann die systematische Stellung des Art. 5 EuUntVO nicht dafür herangezogen werden, dass dem gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien irgendeine Bedeutung zukommt. So stellt der gewöhnliche Aufenthalt des Beklagten innerhalb des Zuständigkeitssystems der EuUntVO nicht das maßgebliche Anknüpfungskriterium dar, von dem nur ausnahmsweise abgewichen werden darf. Ebenso wenig enthält die im Wege der systematischen Auslegung heranziehbare Regelung der Gerichtsstandsvereinbarung in Art. 4 EuUntVO ein entsprechendes Erfordernis.1815

B. Einlassung auf das Verfahren Der Begriff der Einlassung auf das Verfahren ist im Rahmen des Art. 5 EuUntVO ebenfalls verordnungsautonom auszulegen.1816 Die dahingehenden Ausführungen zu Art. 24 Brüssel I-VO bzw. Art. 26 Brüssel Ia-VO können daher herangezogen werden.1817 Hiernach kann die Einlassung als jede Verteidigungshandlung angesehen

1813 MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EG-UntVO Rn. 7; Bittmann, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 36 Rn. 49; Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 2. Siehe oben unter Teil 2, § 8, A.I. 1814 Siehe dazu oben unter Teil 2, § 8, A.II. 1815 Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 111. 1816 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 5 EuUntVO Rn. 5; MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EGUntVO Rn. 8; Motzer, FamRBint 2011, 56 (58). 1817 Vgl. etwa: Erläuterungen zum Kommissionsvorschlag EuUntVO, KOM(2006) 206 endg., S. 3; Dose, in: Wendl/Dose, § 9 Rn. 654; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 164; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 5 EuUntVO Rn. 1; MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EG-UntVO Rn. 1;

§ 20 Rügelose Einlassung nach Art. 5 EuUntVO

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werden, die unmittelbar auf Abweisung der Klage gerichtet ist.1818 Ein Verhandeln zur Hauptsache ist dafür nicht erforderlich. Vielmehr genügt ebenso die Geltendmachung einer Verfahrensrüge für eine Einlassung.1819

C. Wirkung I. Begründung der Zuständigkeit und ihre ausdrückliche Einschränkung Nach Art. 5 Satz 1 EuUntVO wird das angerufene Gericht eines Mitgliedstaats zuständig, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt. Die Einlassung des Beklagten begründet demnach die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.1820 Die zuständigkeitsbegründende Wirkung der Einlassung wird nach Art. 5 Satz 2 EuUntVO jedoch eingeschränkt. Hiernach wird das angerufene Gericht nicht zuständig, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen. Darin entspricht Art. 5 EuUntVO seinem Vorbild des Art. 24 Brüssel I-VO, der diese Einschränkung ebenfalls enthält. Im Einzelnen kann somit auf die bisherigen Ausführungen zu Art. 24 Brüssel I-VO verwiesen werden.1821 Demnach genügt es, wenn der Mangel der Zuständigkeit sinngemäß im Beklagtenvortrag enthalten ist.1822 Zudem schließt eine Rüge mangelnder Zuständigkeit nicht aus, dass sich der Beklagte hilfsweise zu anderen Verfahrensfragen oder zur Hauptsache äußert.1823 Aus zeitlicher Sicht ist erforderlich, dass die Rüge spätestens in dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem der Beklagte die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch seine Einlassung begründen kann.1824 Aufgrund der verordnungsautonomen Auslegung des Begriffs der Einlassung hat der Beklagte in Hk-ZPO/Dörner, Art. 5 EuUnthVO Rn. 1; Gruber, IPRax 2010, 128 (134); Fucik, in: EuZVR in Österreich II, S. 105 (115). Siehe oben unter Teil 2, § 8, B. und Teil 3, § 14, B. 1818 OLG Stuttgart NJW 2014, 1458 (1459); Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 59; Rauscher/Andrae, Art. 5 EG-UntVO Rn. 8; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 164. 1819 Statt aller: Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 164; Dose, in: Wendl/Dose, § 9 Rn. 654 f. 1820 Rauscher/Andrae, Art. 5 EG-UntVO Rn. 15; MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EG-UntVO Rn. 11; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 10. 1821 Vgl.: Erläuterungen zum Kommissionsvorschlag EuUntVO, KOM(2006) 206 endg., S. 3; Dose, in: Wendl/Dose, § 9 Rn 654. Siehe oben unter Teil 2, § 8, C.II.1. 1822 MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EG-UntVO Rn. 8; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 8; Dörner, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 6 Rn. 59; Dose, in: Wendl/ Dose, § 9 Rn. 654 f. 1823 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 54; Rauscher/Andrae, Art. 5 EGUntVO Rn. 11; Andrae, Internationales Familienrecht, § 8 Rn. 67; MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EG-UntVO Rn. 8; Dose, in: Wendl/Dose, § 9 Rn. 654 f. 1824 Vgl. EuGH, Urt. v. 24. 6. 1981 (Elefanten Schuh), Rs. C-150/80, Slg. 1981, 1671, Rn. 16.

326

Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

einem Verfahren vor einem deutschen Gericht trotz des hier geltenden Mündlichkeitsgrundsatzes bereits in einer schriftlichen Klageerwiderung die Zuständigkeit zu rügen, soweit er sich hierin zugleich zu anderen Verfahrensfragen oder zur Hauptsache äußert.1825 Eine weitergehende Einschränkung der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer Einlassung ist in Art. 5 Satz 2 EuUntVO nicht enthalten. Demgegenüber enthält Art. 24 Satz 2 Brüssel I-VO bzw. Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Brüssel Ia-VO zwar noch eine Einschränkung zugunsten der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 Brüssel I-VO bzw. Art. 24 Brüssel Ia-VO. Da jedoch die EuUntVO ausschließliche Zuständigkeiten nicht enthält, bedurfte es einer entsprechenden Einschränkung in Art. 5 Satz 2 EuUntVO schlichtweg nicht.1826 II. Ungeschriebene Einschränkungen 1. Belehrung über Unzuständigkeit Die aus dem Anwendungsbereich des Art. 24 Brüssel I-VO bekannte Diskussion um richterliche Belehrungspflichten wird auch im Rahmen der EuUntVO geführt.1827 Im Ergebnis ist eine richterliche Belehrung des Beklagten über die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts jedoch nicht erforderlich, damit einer rügelosen Einlassung nach Art. 5 EuUntVO eine zuständigkeitsbegründende Wirkung zukommt.1828 Allerdings besteht nunmehr eine Diskrepanz zu Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO, der eine Belehrungspflicht zugunsten bestimmter schutzbedürftiger Personen enthält.1829 2. Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen Einer rügelosen Einlassung die zuständigkeitsbegründende Wirkung dann abzusprechen, wenn eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 4 EuUntVO zugunsten eines anderen Gerichts existiert, ist ebenfalls abzulehnen.1830 Eine entsprechende Ergänzung des Art. 5 Satz 2 EuUntVO war zwar im Kommis1825 Rauscher/Andrae, Art. 5 EG-UntVO Rn. 9; a.A.: MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EGUntVO Rn. 10. 1826 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 1; MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EGUntVO Rn. 1. 1827 Siehe oben unter Teil 2, § 8, C.II.3. 1828 Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 54; MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EGUntVO Rn. 9; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 10; Andrae, in: Garbe/ Ullrich, § 13 Rn. 164; a.A.: Dose, in: Wendl/Dose, § 9 Rn. 654 f.; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 112 ff. 1829 Hk-ZPO/Dörner, Art. 26 EuGVVO Rn. 8; Rauscher/Staudinger, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 22. Dazu ausführlich oben unter: Teil 3, § 14, C.II. 1830 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 5 EuUntVO Rn. 11; Rauscher/Andrae, Art. 5 EGUntVO Rn. 15; Hau, in: Prütting/Helms, § 110 FamFG Anh Rn. 53; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 110. So bereits oben unter Teil 2, § 8, C.II.4.

§ 20 Rügelose Einlassung nach Art. 5 EuUntVO

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sionsvorschlag für die EuUntVO enthalten, konnte sich aber letztlich nicht durchsetzen.1831 Demnach spricht neben dem Wortlaut auch die Entstehungsgeschichte gegen eine solche Einschränkung der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer rügelosen Einlassung. Dies ist auch sachlich überzeugend. Denn den Parteien stünde es ohnehin frei, die in ihrer Gerichtsstandsvereinbarung getroffene ausschließliche Zuständigkeitswahl wieder einverständlich aufzuheben oder abzuändern.1832 3. Kindesunterhalt i.S.d. Art. 4 Abs. 3 EuUntVO Schließlich kann mit Blick auf Art. 4 Abs. 3 EuUntVO über eine weitere ungeschriebene Einschränkung der zuständigkeitsbegründenden Wirkung nachgedacht werden. Nach dieser Regelung sind Gerichtsstandsvereinbarungen bei Unterhaltspflichten gegenüber Kindern unter 18 Jahren unzulässig.1833 Zumindest erscheint es nicht fernliegend, diesen Ausschluss der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie auf Art. 5 EuUntVO zu übertragen. Denn auch die Regelung der rügelosen Einlassung lässt sich auf die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie zurückführen.1834 Allerdings fließen in den Geltungsgrund der rügelosen Einlassung auch Erwägungen der Prozessökonomie ein.1835 Dies wiederum könnte eine Begründung für die unterschiedliche Behandlung liefern. Welche Position der Verordnungsgeber diesbezüglich einnimmt, kann weder den Erwägungsgründen noch den Gesetzgebungsmaterialien entnommen werden. Letztlich sollte daher dem Wortlaut des Art. 5 EuUntVO der Vorzug gegeben werden.1836 Diese Diskrepanz sollte de lege ferenda jedoch beseitigt und insofern ein klarstellender Hinweis aufgenommen werden.1837 Allein der Verweis darauf, dass sich regelmäßig der Unterhaltsberechtigte in der Klägerrolle befinde und das Fehlen eines entsprechenden Ausschlusses sich somit für ihn praktisch nicht negativ auswirke, kann jedenfalls nicht überzeugen.1838 Denn eine vorbeugende negative Feststellungsklage des Unterhaltsverpflichteten ist durchaus denkbar und mit Blick 1831 Vgl. Art. 5 Satz 2 des Kommissionsvorschlags EuUntVO, KOM(2005) 649 endg., S. 17; kritisch: Gottwald, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 13 (15 f.); Hess/Mack, JAmt 2007, 229 (230). 1832 Gottwald, in: Liber Amicorum Lindacher, S. 13 (15 f.); vgl. Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 24 EuVVO Rn. 45. 1833 Siehe oben unter Teil 4, § 19, E. 1834 MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EG-UntVO Rn. 3; Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (552 f.). 1835 Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (553). 1836 Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 5 EuUntVO Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 1 EuUntVO Rn. 22; MüKoFamFG/Lipp, Art. 5 EG-UntVO Rn. 6; Rauscher/Andrae, Art. 5 EG-UntVO Rn. 10; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 164; Rauscher, FamFR 2013, 25 (29); Motzer, FamRBint 2011, 56 (58). 1837 Für eine Beseitigung etwa: Rauscher/Andrae, Art. 5 EG-UntVO Rn. 1. 1838 So aber: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 608.

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Teil 4: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuUntVO

auf das Phänomen der Torpedoklage dann für diesen sogar doppelt reizvoll.1839 Ein zahlungsunwilliger Unterhaltsverpflichteter könnte somit nämlich einerseits das Unterhaltsverfahren verzögern und andererseits die Zuständigkeit des für seine lange Verfahrensdauer bekannten Gerichts begründen. Dies gilt umso mehr, als dass eine richterliche Belehrung über die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts im Rahmen des Art. 5 EuUntVO nicht erforderlich ist und somit der schutzbedürftige Unterhaltsberechtigte schlichtweg die Rüge der mangelnden Zuständigkeit übersehen kann.

§ 21 Fazit In Unterhaltssachen wird künftig den Parteien nur noch in sehr eingeschränktem Maße eine parteiautonome Zuständigkeitsbegründung zugestanden. Zwar werden nach Art. 4 EuUntVO Gerichtsstandsvereinbarungen in sämtlichen Unterhaltssachen im Grundsatz zugelassen und nur bei Streitigkeiten über eine Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, den Parteien verwehrt.1840 Jedoch hat die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie in Unterhaltssachen im Vergleich zum großzügigen Rechtsrahmen des bisher anwendbaren Art. 23 Brüssel I-VO eine wesentliche Einschränkung erfahren. Denn die Parteien unterliegen nunmehr nicht nur strengeren Formerfordernissen beim Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung. Vielmehr ist ihnen künftig auch die inhaltliche Gestaltung der Gerichtsstandsvereinbarung nicht mehr weitgehend freigestellt. Um die schwächere Partei zu schützen, gibt Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EuUntVO nämlich den Parteien die Wahlmöglichkeiten bei der inhaltlichen Gestaltung einer Gerichtsstandsvereinbarung vor. Demgegenüber enthält Art. 5 EuUntVO keine wesentlichen Neuerungen. Vielmehr ist eine rügelose Einlassung in Unterhaltssachen auch weiterhin ebenso wie bisher möglich. Obwohl sich die rügelose Einlassung ebenfalls auf die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie zurückführen lässt und Art. 5 EuUntVO anders als Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO keine richterliche Belehrungspflicht zugunsten schutzbedürftiger Personen kennt, ist erstaunlicherweise auch eine rügelose Einlassung bei einer Streitigkeit über eine Unterhaltspflicht gegenüber einem unter 18 jährigen Kind möglich.

1839

Ausführlich zum Phänomen der „Torpedoklage“ im EuZVR: Abendroth, in: Grundrechte im Zivilprozess, S. 63 (65 ff.). 1840 Vgl. nur: Erwägungsgrund Nr. 19 zur EuUntVO; MüKoFamFG/Lipp, Art. 4 EuUntVO Rn. 5.

Teil 5

Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO § 22 Einleitung Die Zahl der gemischtnationalen Ehen wächst in der Europäischen Union beständig.1841 Ebenso wächst die Zahl der Familien, in denen die Kinder und Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten leben oder ein Kind außerhalb seines Heimatlandes aufwächst.1842 Der Grund dafür lässt sich mit den Schlagwörtern Globalisierung und Europäisierung prägnant umschreiben.1843 Infolgedessen hat sich mittlerweile die Familienrechtspraxis nicht selten mit Sachverhalten zu beschäftigen, die eine Auslandsberührung aufweisen. Denn auch gemischtnationale Ehen werden geschieden und werfen aus rechtlicher Sicht eine Vielzahl von Fragen auf.1844 Das gleiche gilt freilich auch für isolierte Streitigkeiten über die elterliche Verantwortung. Zur Beantwortung der vielfältigen Fragestellungen hat der Verordnungsgeber in der Brüssel IIa-VO zumindest teilweise einen einheitlichen Rechtsrahmen geschaffen.1845 Insbesondere die Vorschriften zur internationalen Zuständigkeit wurden damit in Ehesachen und bei Verfahren über die elterliche Verantwortung harmonisiert. Dabei wurde scheinbar auch der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie Raum gegeben. Denn Vereinbarungen über die Zuständigkeit sollen zumindest nach der Überschrift des Art. 12 Brüssel IIa-VO möglich sein. Gelegentlich wird allerdings behauptet, dass im Zuständigkeitssystem der Brüssel IIa-VO eine Gerichtsstandsvereinbarung ebenso ausgeschlossen sei, wie eine rügelose Einlassung.1846 Vielmehr nutze die Brüssel IIa-VO zuständigkeitsrechtliche Anknüpfungskriterien, die objektiver Natur sind und bei denen es auf den subjektiven Willen der Parteien 1841 Siehe nur: Coester-Waltjen, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 1, und Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, S. 1. 1842 Andrae, Internationales Familienrecht, § 6 Rn. 1. 1843 Leible, in: Symposium Spellenberg, S. 1 (5 ff.). 1844 Vgl. Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, S. 1 f. 1845 So zumindest die Zielsetzung des Kommissionsvorschlags Brüssel IIa-VO, KOM (2002) 222 endg., S. 4 f. 1846 Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, S. 154; Gottwald, in: Symposium Spellenberg, S. 55 (68); Adolphsen, EuZVR, S. 293.

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Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

nicht ankomme.1847 Jedoch enthält die Brüssel IIa-VO verschiedene Regelungen, die dem Willen der Parteien eine gewisse Bedeutung beimessen. Welche dies sind und inwieweit darin jeweils eine Gerichtsstandsvereinbarung, eine rügelose Einlassung oder ein sonstiger Akt parteiautonomer Zuständigkeitsbegründung erblickt werden kann, soll Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sein. Zuvor wird aber ein kurzer Überblick über den sachlichen Anwendungsbereich und das Zuständigkeitssystem der Brüssel IIa-VO gegeben.

§ 23 Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO ist in Art. 1 Brüssel IIaVO geregelt. Danach werden ungeachtet der Art der Gerichtsbarkeit sowohl Zivilsachen erfasst, die sich auf die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigkeit einer Ehe beziehen (Art. 1 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIaVO), als auch solche, welche die Zuweisung, die Ausübung, die Übertragung sowie die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung zum Gegenstand haben (Art. 1 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO). Eine Konkretisierung des sachlichen Anwendungsbereichs der Brüssel IIa-VO erfolgt dabei durch Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 EuUntVO.1848 Hiernach werden nämlich einerseits die Zivilsachen beispielhaft umschrieben, die die elterliche Verantwortung zum Gegenstand haben (Art. 1 Abs. 2 Brüssel IIa-VO), und anderseits verschiedene Verfahren vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen, die eine enge Verknüpfung zu den von der Brüssel IIa-VO erfassten Regelungsbereichen aufweisen (Art. 1 Abs. 3 Brüssel IIaVO).1849

A. Ehesachen Nach Art. 1 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIa-VO werden solche zivilrechtlichen Ehesachen erfasst, die den ehelichen Status zum Gegenstand haben.1850 Der zentrale Begriff der Ehe ist dabei verordnungsautonom auszulegen.1851 Als Ehe wird hiernach die auf Dauer angelegte und auf einem entsprechenden Willensentschluss beruhende 1847

Vgl. dazu auch: Borrás-Bericht, ABl. (EG) 1998, Nr. C 221/27 (37). Rauscher/Rauscher, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 23; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 16 ff.; Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EheVO Rn. 26; Hk-ZPO/ Dörner, Art. 1 EheGVVO Rn. 1. 1849 Vgl. Leitfaden Brüssel IIa-VO, S. 10. 1850 Erwägungsgrund Nr. 8 zur Brüssel IIa-VO; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 1 EuEheVO Rn. 2; Hk-ZPO/Dörner, Art. 1 EheGVVO Rn. 8; Rauscher/Rauscher, Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 5; Frank, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 29 Rn. 12. 1851 Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EheVO Rn. 3; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Hk-ZPO/Dörner, Art. 1 EheGVVO Rn. 3. 1848

§ 23 Sachlicher Anwendungsbereich

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institutionalisierte Gemeinschaft von Mann und Frau angesehen, unabhängig davon, ob diese vor einer staatlichen oder kirchlichen Stelle geschlossen wurde.1852 Demgegenüber werden nach herrschender Meinung gleichgeschlechtliche Gemeinschaften nicht unter den Ehebegriff der Brüssel IIa-VO gefasst, selbst wenn diese nach mitgliedstaatlichem Recht als Ehe angesehen werden.1853 Die Begriffe der Scheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung der Ehe sind ebenfalls verordnungsautonom auszulegen.1854 Unter Scheidung ist dabei die Auflösung einer Ehe zu verstehen, die ihre Ursache in der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft hat.1855 Hiervon ist die Ungültigerklärung der Ehe darin zu unterscheiden, dass bei dieser die Mängel bereits bei Eingehung der ehelichen Lebensgemeinschaft existierten.1856 Als Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ist schließlich ein formalisiertes Verfahren unter gerichtlicher oder behördlicher Beteiligung anzusehen, das lediglich eine Lockerung des ehelichen Status herbeiführt.1857

B. Verfahren über die elterliche Verantwortung Der zentrale Begriff der elterlichen Verantwortung wird in Art. 2 Nr. 7 Brüssel IIa-VO näher bestimmt. Hiernach und im Anschluss an die Art. 1 Abs. 2, 3 und 4 KSÜ bezeichnet dieser Begriff die gesamten Rechte und Pflichten, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen wurden.1858 Die Begriffsbestimmung hebt dabei ausdrücklich hervor, dass die elterliche Verantwortung insbesondere das Sorge- und das Umgangsrecht erfasst, welche wiederum in Art. 2 Nr. 9 und 10 Brüssel IIa-VO legaldefiniert sind. Dies kann bereits dem Positivkatalog des Art. 1 Abs. 2 Brüssel IIa1852

So etwa: Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EheVO Rn. 4. MüKoFamFG/Gottwald, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 5; Rauscher/Rauscher, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 6 f.; Hk-ZPO/Dörner, Art. 1 EheGVVO Rn. 3 und 7; Dilger, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 1 EheVO Rn. 8; Pintens, in: Magnus/Mankowski, Art. 1 Brussels IIbis Regulation Rn. 20 ff.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 1 EuEheVO Rn. 20; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 106; Schack, IZVR, § 8 Rn. 425; a.A.: NK/Rieck, Art. 1 EGEhesachenVO Rn. 1; NK-BGB/Gruber, Art. 1 EheVO 2003 Rn. 3; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 4; Frank, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 29 Rn. 12; Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 1 EuEheVO Rn. 5. 1854 Siehe nur: Hk-ZPO/Dörner, Art. 1 EheGVVO Rn. 3. 1855 Rauscher/Rauscher, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 1; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 5. 1856 Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 1 EheVO Rn. 11; NK-BGB/Gruber, Art. 1 EheVO 2003 Rn. 5; Hk-ZPO/Dörner, Art. 1 EheGVVO Rn. 6. 1857 Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 107; Rauscher/Rauscher, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 2; NK-BGB/Gruber, Art. 1 EheVO 2003 Rn. 4. 1858 Zum Verhältnis zum KSÜ etwa: MüKoFamFG/Gottwald, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 12. 1853

332

Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

VO entnommen werden, der darüber hinaus auch andere Regelungsmaterien der elterlichen Verantwortung beispielhaft aufzählt. Die Brüssel IIa-VO ist somit auf sämtliche Verfahren über die Personen- und Vermögenssorge für Kinder anwendbar, und zwar unabhängig davon, ob die Eltern des Kindes die biologischen Eltern sind, es sich um ein eheliches Kind handelt oder eine Verbindung zu einem Verfahren in einer Ehesache besteht.1859 Eine elterliche Verantwortung in diesem Sinne besteht allerdings nur für Kinder, die noch nicht volljährig sind.1860 Obwohl der Begriff des Kindes in der Brüssel IIaVO allgegenwärtig ist, fehlt eine entsprechende Begriffsbestimmung mit dem maßgeblichen Volljährigkeitsalter. Im Einklang mit den meisten mitgliedstaatlichen Rechten wird daher vielfach im Wege der verordnungsautonomen Auslegung das vollendete 18. Lebensjahr zur maßgeblichen Altersgrenze erklärt.1861 Eine gewisse Einschränkung der erfassten Verfahren über die elterliche Verantwortung erfolgt schließlich durch den Negativkatalog des Art. 1 Abs. 3 Brüssel IIa-VO und das Erfordernis, dass es sich bei den Verfahren um Zivilsachen handeln muss.1862

§ 24 Zuständigkeitssystem der Brüssel IIa-VO A. Überblick Das Zuständigkeitssystem der Brüssel IIa-VO unterscheidet zwischen Bestimmungen für Ehesachen und Bestimmungen für Verfahren über die elterliche Verantwortung. Die jeweiligen Bestimmungen sind dabei in eigenen Abschnitten enthalten und regeln die internationale Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte für jeden der Regelungsbereiche gesondert. Demgegenüber folgt grundsätzlich die örtliche (sachliche und funktionelle) Zuständigkeit dem Recht desjenigen Mitgliedstaats, dessen Gerichte durch die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel IIa-VO

1859

Vgl. Leitfaden Brüssel IIa-VO, S. 12; Erwägungsgrund Nr. 5 zur Brüssel IIa-VO; Pintens, in: Magnus/Mankowski, Art. 1 Brussels IIbis Regulation Rn. 62 f.; MüKoFamFG/ Gottwald, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 13; Frank, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 29 Rn. 14. 1860 Rauscher/Rauscher, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 24; Pintens, in: Magnus/Mankowski, Art. 1 Brussels IIbis Regulation Rn. 65; NK/Rieck, Art. 1 EG-EhesachenVO Rn. 5. 1861 MüKoFamFG/Gottwald, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 14; Rauscher/Rauscher, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 24; Hk-ZPO/Dörner, Art. 1 EheGVVO Rn. 11; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 8; Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 19; Holzmann, FPR 2010, 497 (498); a.A. (jeweils für eine kollisionsrechtliche Bestimmung der Volljährigkeit): Pintens, in: Magnus/Mankowski, Art. 1 Brussels IIbis Regulation Rn. 65; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 1 EuEheVO Rn. 7; Frank, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 29 Rn. 14; Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1410 f.). 1862 Dazu ausführlich: Rauscher/Rauscher, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 20 und 35 f.; Pintens, in: Magnus/Mankowski, Art. 1 Brussels IIbis Regulation Rn. 14 f. und 72 f.

§ 24 Zuständigkeitssystem der Brüssel IIa-VO

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für international zuständig erklärt und angerufen werden.1863 Das Zuständigkeitssystem enthält schließlich in seinem 3. Abschnitt gemeinsame Bestimmungen, die in beiden Regelungsbereichen gelten.

B. Ehesachen I. Allgemeine Zuständigkeit Die allgemeine Zuständigkeit in Ehesachen ist in Art. 3 Brüssel IIa-VO geregelt. Dieser enthält insgesamt sieben gleichrangige Anknüpfungskriterien, wobei die überwiegende Mehrzahl davon in unterschiedlicher Weise an den gewöhnlichen Aufenthalt der Verfahrensbeteiligten bzw. Ehegatten anknüpfen (Art. 3 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIa-VO) und nur eine die Staatsangehörigkeit der Ehegatten für maßgeblich erklärt (Art. 3 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO).1864 Der gewöhnliche Aufenthalt stellt folglich das zentrale Anknüpfungskriterium für die internationale Zuständigkeit in Ehesachen dar. Eine Definition des gewöhnlichen Aufenthalts fehlt jedoch auch in der Brüssel IIa-VO. Der Begriff wird verordnungsautonom ausgelegt und als der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person verstanden.1865 Die Bestimmung des jeweiligen Ortes erfolgt dabei anhand objektiver Kriterien wie der Dauer, Beständigkeit und Umstände des Aufenthalts sowie der familiären, beruflichen und sozialen Bindungen.1866 Für eine zuständigkeitsrechtliche Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt spricht zunächst allgemein, dass diese aufgrund der räumlichen Verbindung zu einem Mitgliedstaat eine besondere Sachnähe der zur Entscheidung berufenen mitgliedstaatlichen Gerichte gewährleistet und damit auch der Prozessökonomie dient. Die unterschiedliche Weise der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt kann sodann vor allem mit den Eigenheiten des Eheverfahrens erklärt werden. So veranschaulicht etwa die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten (Art. 3 Abs. 1 lit. a) 1. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO), dass das Eheverfahren nicht notwendigerweise ein kontradiktorisches Verfahren mit gegenläufigen

1863

Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 1 EuEheVO Rn. 53 f.; Rauscher/Rauscher, Einl Brüssel IIa-VO Rn. 30; Frank, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 29 Rn. 22. 1864 Gottwald, in: Symposium Spellenberg, S. 55 (59); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 3 EuEheVO Rn. 1. 1865 Borrás, in: Magnus/Mankowski, Art. 3 Brussels IIbis Regulation Rn. 8; MüKoFamFG/ Gottwald, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 7; Hk-ZPO/Dörner, Art. 3 EheGVVO Rn. 12; ausführlich: Gröschl, Internationale Zuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, S. 91 ff.; Dilger, Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, S. 139 ff. 1866 Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 3 EuEheVO Rn. 2; Junker, IZPR, § 19 Rn. 9; dazu ausführlich: Baetge, in: Festschrift Kropholler, S. 77 ff.; Rauscher/Rauscher, Art. 3 Brüssel IIaVO Rn. 21 ff.

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Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

Parteiinteressen darstellt.1867 Demnach kommt es insofern auch nicht auf die Parteirolle des Ehegatten an. Indem Art. 3 Abs. 1 lit. a) 3. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO an den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners anknüpft, wird allerdings deutlich, dass Eheverfahren sehr wohl kontradiktorische Züge annehmen können. Denn hier lebt das zuständigkeitsrechtliche Prinzip actor sequitur forum rei auf, welches die Verteidigung des Antragsgegners erleichtert und somit insbesondere dessen Schutz bezweckt.1868 Die übrigen Anknüpfungsvarianten an den gewöhnlichen Aufenthalt tragen schließlich überwiegend dem Umstand Rechnung, dass in der Praxis grenzüberschreitender Ehesachen ein Ehegatte nach dem Scheitern der Ehe oftmals seinen gewöhnlichen Aufenthalt verlässt, um in sein Heimatland zurückzukehren oder in einem anderen Land neu anzufangen. Folglich wird nicht nur an den letzten gemeinsamen Aufenthalt der Ehegatten angeknüpft (Art. 3 Abs. 1 lit. a) 2. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO), sondern auch dem Ehegatten an seinem neuen gewöhnlichen Aufenthalt die Antragstellung unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht (Art. 3 Abs. 1 lit. a) 5. und 6. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO).1869 Hierdurch wird einerseits verhindert, dass der verbliebene Ehegatte die Ehesache dem weggezogenen Ehegatten „hinterhertragen“ muss,1870 und anderseits dem Interesse des weggezogenen Ehegatten Rechnung getragen, „in seiner Umwelt eine Entscheidung über seinen Status herbeizuführen“.1871 Nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO sind zudem die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen. Hierbei wird wiederum der Besonderheit des common law Rechnung getragen und das domicile der Staatsangehörigkeit gleichgestellt.1872 Die zuständigkeitsrechtliche Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit kann damit erklärt werden, dass sie sowohl eine gewisse Bindung zum jeweiligen Staat vermittelt und auch kollisionsrechtlich in Ehesachen von Bedeutung sein kann.1873

1867 Rauscher/Rauscher, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 20; Pabst, Entscheidungszuständigkeit, S. 173 f. 1868 Dilger, Regelungen zur Internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, S. 168 f.; Gröschl, Internationale Zuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, S. 121 f.; MüKoFamFG/ Gottwald, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 13; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 3 EuEheVO Rn. 22; Borrás, in: Magnus/Mankowski, Art. 3 Brussels IIbis Regulation Rn. 9; kritisch: Rauscher/Rauscher, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 31. 1869 Borrás, in: Magnus/Mankowski, Art. 3 Brussels IIbis Regulation Rn. 9 f. 1870 Spellenberg, in: Festschrift Geimer, S. 1257 (1266); Hau, FamRZ 2000, 1333 (1335); Gröschl, Internationale Zuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, S. 120. 1871 Rauscher, IPR, § 15 Rn. 2070. 1872 Vgl. auch: Art. 3 Abs. 2 Brüssel IIa-VO. Ausführlich: Dilger, Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, S. 183 ff.; Rauscher/Andrae, Art. 2 EG-UntVO Rn. 22 ff. 1873 Vgl. dazu etwa: Art. 8 lit. c) Rom III-VO; Spellenberg, in: Festschrift Geimer, S. 1257 (1263 f.); Junker, IZPR, § 19 Rn. 10.

§ 24 Zuständigkeitssystem der Brüssel IIa-VO

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II. Gegenantrag Nach Art. 4 Brüssel IIa-VO ist das mitgliedstaatliche Gericht, bei dem eine Ehesache nach Art. 3 Brüssel IIa-VO anhängig ist, auch für einen Gegenantrag international und örtlich zuständig, sofern dieser in den Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO fällt. Diese Zuständigkeitsvorschrift ähnelt der Zuständigkeitsvorschrift für Widerklagen in Art. 6 Nr. 3 Brüssel I-VO bzw. Art. 8 Nr. 3 Brüssel Ia-VO und kann ebenso wie diese sowohl mit prozessökonomischen Erwägungen als auch mit der Vermeidung widersprechender Entscheidungen begründet werden.1874 Zudem wird hierdurch vermieden, dass infolge der Aussetzungspflicht des Art. 19 Abs. 1 Brüssel IIa-VO keine zeitnahe Entscheidung über den Gegenantrag erfolgt.1875 III. Umwandlungszuständigkeit Ein mitgliedstaatliches Gericht, das eine Entscheidung über eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erlassen hat, bleibt nach Art. 5 Brüssel IIa-VO auch für die nachfolgende Ehescheidung international und örtlich zuständig. Daneben können die Ehegatten aber auch die allgemeinen Zuständigkeiten des Art. 3 Brüssel IIa-VO wählen. Diese Zuständigkeitsvorschrift basiert im Wesentlichen auf Gründen des Sachzusammenhangs.1876 IV. Ausschließlichkeit der Art. 3, 4 und 5 Brüssel IIa-VO und Restzuständigkeit Nach Art. 6 Brüssel IIa-VO kann gegen einen Ehegatten mit gewöhnlichem Aufenthalt in oder Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedstaat nur nach Maßgabe der Art. 3, 4 und 5 Brüssel IIa-VO ein Eheverfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats geführt werden. Zum Schutze des Antragsgegners werden folglich die besagten Zuständigkeiten für ausschließlich erklärt und eine Verfahrenseinleitung in einem anderen Mitgliedstaat gesperrt.1877 Damit beschränkt Art. 6 Brüssel IIa-VO sowohl die Gerichtspflichtigkeit des Antragsgegners als auch den Anwendungsbereich des Art. 7 Brüssel IIa-VO, welcher die Restzuständigkeit des nationalen Rechts

1874

Vgl. Rauscher/Rauscher, Art. 4 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Pabst, Entscheidungszuständigkeit, S. 202 f.; vgl. Stein/Jonas/Wagner, Art. 6 EuGVVO Rn. 2. 1875 Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 4 EuEheVO Rn. 1; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 4 EuEheVO Rn. 6; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 4 Brüssel IIa-VO Rn. 1; NK-Rieck, Art. 4 EG-EhesachenVO Rn. 1. 1876 Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 5 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuEheVO Rn. 1; Pabst, Entscheidungszuständigkeit, S. 211 f. 1877 MüKoFamFG/Gottwald, Art. 6 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 6 EuEheVO Rn. 2.

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eines Mitgliedstaats regelt.1878 Somit kommt ein Rückgriff auf nationales Recht nur dann in Betracht, wenn sich aus der Brüssel IIa-VO keine Zuständigkeit ergibt und der Antragsgegner weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat noch eine solche Staatsangehörigkeit besitzt.

C. Verfahren über die elterliche Verantwortung I. Allgemeine Zuständigkeit In Verfahren über die elterliche Verantwortung sind nach der allgemeinen Zuständigkeit des Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Brüssel IIa-VO ist insoweit gegenüber dem MSA (vgl. Art. 60 lit. (a) Brüssel IIa-VO) und dem KSÜ (vgl. Art.61 Brüssel IIa-VO) vorrangig.1879 Der gewöhnliche Aufenthalt ist damit wiederum das zentrale Anknüpfungskriterium für die internationale Zuständigkeit. Ebenso wie im Rahmen der Zuständigkeitsvorschriften für Ehesachen ist der Begriff dabei verordnungsautonom auszulegen und als der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Kindes zu verstehen.1880 Durch die zuständigkeitsrechtliche Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes bringt der Verordnungsgeber zunächst zum Ausdruck, dass er dem Wohl des Kindes bei der Abwägung der verschiedenen legitimen Zuständigkeitsinteressen ein besonderes Gewicht beigemessen hat.1881 Zudem spricht für eine solche Anknüpfung, dass hierdurch eine besondere Sachnähe der Gerichte des jeweiligen Mitgliedstaats gewährleistet wird. Denn im Mittelpunkt eines Verfahrens über die elterliche Verantwortung steht das Kind, sodass die durch den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes vermittelte räumliche Verbindung zu einem Mitgliedstaat zugleich eine besondere Sachnähe der dazugehörigen Gerichte impliziert.1882

1878 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 6 EuEheVO Rn. 1; Frank, in: Gebauer/ Wiedmann, Kap. 29 Rn. 34. 1879 Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem Art. 8 – 15 EuEheVO Rn. 1; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 8 Büssel IIa-VO Rn. 2 1880 EuGH, Urt. v. 2. 4. 2009 (A), Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-2805, Rn. 30 ff.; EuGH, Urt. v. 22. 12. 2010 (Mercredi), Rs. C-497/10, Slg. 2010, I-14309, Rn. 44 ff.; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 8 Brüssel IIa-VO Rn. 4; Rauscher/Rauscher, Art. 8 Brüssel IIa-VO Rn. 11; ausführlich: Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 107 ff. 1881 Siehe auch: Erwägungsgrund Nr. 12 zur Brüssel IIa-VO. 1882 Coester-Waltjen, JURA 2004, 839 (841); Coester-Waltjen, FamRZ 2005, 241 (242); Rauscher/Rauscher, Art. 8 Brüssel IIa-VO Rn. 6; Junker, IZPR, § 19 Rn. 12.

§ 24 Zuständigkeitssystem der Brüssel IIa-VO

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II. Aufrechterhaltung der Zuständigkeit bei Umgangsrechtsstreitigkeiten In Umgangsrechtsstreitigkeiten wird nach Art. 9 Abs. 1 Brüssel IIa-VO ausnahmsweise die internationale Zuständigkeit für die Änderung einer Entscheidung über das Umgangsrecht an den früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes angeknüpft, wenn das Kind von dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet diese Entscheidung ergangen ist, in einen anderen Mitgliedstaat rechtmäßig umgezogen ist, nach dem Umzug noch keine drei Monate vergangen sind und der laut der Entscheidung umgangsberechtigte Elternteil sich weiterhin gewöhnlich in dem Mitgliedstaat des früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes aufhält. Diese begrenzte Abweichung vom zentralen Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes dient vor allem den Interessen desjenigen Elternteils, dessen Umgangsrecht in der Entscheidung festgestellt wurde.1883 Denn dieser Elternteil soll nicht gezwungen werden, die durch den Umzug des Kindes erforderlichen Anpassungen seines Umgangsrechts vor den Gerichten am neuen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes geltend zu machen.1884 Darüber hinaus gewährleistet die Anknüpfung an den früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes eine gewisse Kontinuität in der Umgangsrechtsstreitigkeit.1885 Überdies wird auch die Sachnähe der zur Entscheidung berufenen Gerichte nicht vollkommen aus den Augen verloren, weil die durch den früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes implizierte Sachnähe durch den erst kürzlich erfolgten Umzug noch nicht vollständig verblasst ist.1886 Schließlich dient sie sogar dem Wohl des Kindes, da ein kurzfristiger Umzug allein aus Gründen des forum shoppings somit unattraktiver wird.1887

III. Besonderheiten bei Kindesentführung Die Art. 10 und Art. 11 Brüssel IIa-VO stellen Sonderregelungen für die Fälle eines widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens eines Kindes (Kindesentführung) dar, welche damit zugleich die Regelungen der Rückgabe des Kindes im HKÜ modifizieren.1888 In Anlehnung an Art. 7 KSÜ bleiben hiernach die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind unmittelbar vor seiner Entführung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, selbst wenn das Kind in einen anderen 1883

Vgl. Junker, IZPR, § 19 Rn. 13; Rauscher, EuLF 2005, 37 (40). Leitfaden Brüssel IIa-VO, S. 17; Borrás, in: Magnus/Mankowski, Art. 9 Brussels IIbis Regulation Rn. 4; Rauscher/Rauscher, Art. 9 Brüssel IIa-VO Rn. 1. 1885 Rauscher/Rauscher, Art. 9 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Junker, IZPR, § 19 Rn. 13. 1886 Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 9 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Rauscher/Rauscher, Art. 9 Brüssel IIa-VO Rn. 1. 1887 Coester-Waltjen, JURA 2004, 839 (842); Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 9 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Holzmann, FPR 2010, 497 (499). 1888 MüKoFamFG/Gottwald, Art. 61 Brüssel IIa-VO Rn. 4 m.w.N. Siehe dazu auch: Art. 2 Nr. 11 Brüssel IIa-VO sowie Erwägungsgründe Nr. 17 und 18 zur Brüssel IIa-VO. 1884

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Mitgliedstaat einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erlangt (Art. 10 Brüssel IIaVO). Nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Art. 10 lit. a) oder lit. b) Brüssel IIa-VO kann diese internationale Zuständigkeit entfallen. Diese Sonderregelungen bezwecken die Wiederherstellung des status quo ante und damit insbesondere die Vermeidung einer Benachteiligung der sorgeberechtigten Personen durch die Kindesentführung.1889 Ein eigenmächtiger Zuständigkeitswechsel durch eine rechtswidrige Abänderung des Anknüpfungskriteriums des Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO wird damit ausgeschlossen.1890 IV. Auffang- und Restzuständigkeit Die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes kann in der Praxis problematisch sein. In diesen Fällen kann unter den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Brüssel IIa-VO ausnahmsweise an den schlichten Aufenthalt des Kindes zuständigkeitsrechtlich angeknüpft werden. Dies gilt nach Art. 13 Abs. 2 Brüssel IIa-VO ebenso dann, wenn Kinder als Flüchtlinge oder Vertriebene anzusehen sind. Art. 13 Brüssel IIa-VO stellt eine Auffangzuständigkeit dar, die im Wesentlichen auf der Notwendigkeit beruht, bei Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes ein alternatives Anknüpfungskriterium zu finden.1891 Anderenfalls wäre ein Rückgriff auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten unausweichlich und somit die mit der Brüssel IIa-VO angestrebte Vereinheitlichung des Zuständigkeitsrechts teilweise nicht erreicht.1892 Für die Regelung des Art. 13 Abs. 2 Brüssel IIa-VO spricht überdies das Wohl des Kindes, weil die geflüchteten oder vertriebenen Kinder unter besonderem Schutz des Zufluchtsstaats stehen.1893 Ergibt sich aus den gesonderten Zuständigkeitsvorschriften für Verfahren über die elterliche Verantwortung keine Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts, kann nach Art. 14 Brüssel IIa-VO auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten, einschließlich der transformierten internationalen Übereinkommen, zurückgegriffen werden.1894 Diese sog. Restzuständigkeit des nationalen Rechts kommt somit allenfalls dann in Betracht, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats hat.1895

1889

Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 10 Brüssel IIa-VO Rn. 1. Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1416 f.); MüKoFamFG/Gottwald, Art. 10 Brüssel IIaVO Rn. 1. 1891 Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 13 EuEheVO Rn. 1; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 13 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Coester-Waltjen, FamRZ 2005, 241 (243). 1892 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 1 zur Brüssel IIa-VO. 1893 Pataut, in: Magnus/Mankowski, Art. 13 Brussels IIbis Regulation Rn. 8. 1894 Hier ist insbesondere an das MSA und das KSÜ zu denken. 1895 Rauscher/Rauscher, Art. 14 Brüssel IIa-VO Rn. 7. 1890

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V. Verweisungsmöglichkeit Das in einem Verfahren über die elterliche Verantwortung angerufene Gericht eines Mitgliedstaats hat grundsätzlich die Zuständigkeitszuweisungen in den Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO anzunehmen.1896 Hiervon macht allerdings Art. 15 Brüssel IIa-VO eine Ausnahme und gewährt den mitgliedstaatlichen Gerichten einen begrenzten Ermessensspielraum. Hiernach kann ein mitgliedstaatliches Gericht entscheiden, ob es seine Zuständigkeit im konkreten Fall ausübt oder die Sache an ein besser geeignetes Gericht eines anderen Mitgliedstaats abgibt. Dies erinnert stark an die aus dem angloamerikanischen Rechtskreis bekannte doctrine of forum non conveniens.1897 Das Verfahren der Abgabe ist ausführlich in Art. 15 Brüssel IIa-VO geregelt und offenbart dabei auch Unterschiede zu der angloamerikanischen Lehre.1898 Der Verordnungsgeber nimmt damit eine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit bzw. der Voraussehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften über die elterliche Verantwortung in Kauf.1899 Im Gegenzug erhält er allerdings die Möglichkeit, die Umstände des Einzelfalls im Rahmen der Zuständigkeitszuweisung stärker zu berücksichtigen und damit letztlich dem Wohl des Kindes besser zu dienen.1900 Diese Möglichkeit besteht folglich lediglich in Ausnahmefällen und nur dann, wenn sie dem Wohl des Kindes entspricht und das Kind eine besondere Bindung zu dem Mitgliedstaat hat, an dessen Gericht die Sache abgegeben werden soll (Art. 15 Abs. 1 Brüssel IIa-VO).

1896

MüKoFamFG/Gottwald, Art. 15 Brüssel IIa-VO Rn. 1. Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 15 EuEheVO Rn. 1; Dilger, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art. 15 EuEheVO Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 15 EuEheVO Rn. 1; Pataut, in: Magnus/Mankowski, Art. 15 Brussels IIbis Regulation Rn. 1; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 15 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 15 Brüssel IIa-VO Rn. 1; vgl auch: Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, S. 426 ff. Siehe dazu oben unter Teil 2, § 7, D.III.4. 1898 Coester-Waltjen, JURA 2004, 839 (842). 1899 Vgl. EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 41. 1900 Vgl. Pataut, in: Magnus/Mankowski, Art. 15 Brussels IIbis Regulation Rn. 4; Dutta, in: Festschrift Kropholler, S. 281 (281 f.). 1897

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Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

§ 25 Gerichtsstandsvereinbarung oder rügelose Einlassung A. Gemeinsamer Antrag, Art. 3 Abs. 1 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO I. Relevanz des Parteiwillens Nach Art. 3 Abs. 1 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO kann zur Zuständigkeitsbegründung der mitgliedstaatlichen Gerichte bereits der gewöhnliche Aufenthalt eines Ehegatten genügen, sofern die Ehegatten gemeinsam die Entscheidung in der Ehesache beantragen. Ein solcher gemeinsamer Antrag setzt notwendigerweise einen übereinstimmenden Willen der Ehegatten voraus. Folglich wird dem Willen der Parteien in Art. 3 Abs. 1 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO nicht nur eine gewisse Bedeutung bei der Zuständigkeitsbegründung beigemessen.1901 Der übereinstimmende Wille der Ehegatten stellt sogar den maßgeblichen Geltungsgrund dieser Zuständigkeitsvorschrift dar.1902 Der Begriff des gemeinsamen Antrags ist dabei nicht wörtlich zu verstehen, sodass eine Verfahrenseinleitung durch eine gemeinsame Antragsschrift nicht erforderlich ist.1903 Vielmehr kann ein gemeinsamer Antrag auch durch getrennte Antragsschriften erfolgen, soweit darin der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Ausdruck kommt.1904 Ebenso kann es genügen, wenn nur ein Ehegatte einen Antrag stellt und der andere diesem Antrag vorher oder nachher zustimmt.1905

1901 Borrás-Bericht, ABl. (EG) 1998, Nr. C 221/27 (38); Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 3 EuEheVO Rn. 18; Hau, FPR 2002, 616 (618). 1902 Dilger, Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, S. 173; vgl. auch: MüKoFamFG/Gottwald, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 14; Spellenberg, in: Festschrift Geimer, S. 1257 (1267). 1903 MüKoFamFG/Gottwald, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 15; Rauscher/Rauscher, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 36; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 3 EuEheVO Rn. 24; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 3 EuEheVO Rn. 7; NK-BGB/Gruber, Art. 3 EheVO 2003 Rn. 24; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 10; Hk-ZPO/Dörner, Art. 3 EheGVVO Rn. 7; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 116; Dilger, Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, S. 172 ff.; Spellenberg, in: Festschrift Geimer, S. 1257 (1267); Hausmann, EuLF 2000/01, 271 (276 f.); Hau, FamRZ 2000, 1333 (1335); a.A.: Gröschl, Internationale Zuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, S. 124 f. 1904 Dilger, Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, S. 172 ff.; Rauscher/Rauscher, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 36; Hau, FamRZ 2000, 1333 (1335). 1905 NK-BGB/Gruber, Art. 3 EheVO 2003 Rn. 24; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 15; Rauscher/Rauscher, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 36; Spellenberg, in: Festschrift Geimer, S. 1257 (1267); Hausmann, EuLF 2000/01, 271 (276 f.); Hau, FamRZ 2000, 1333 (1335).

§ 25 Gerichtsstandsvereinbarung oder rügelose Einlassung

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II. Dogmatische Einordnung Die Relevanz des Parteiwillens rückt die Zuständigkeitsregelung des Art. 3 Abs. 1 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO zugleich in die Nähe der Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung.1906 Denn diese lassen sich auf die Parteiautonomie zurückführen und messen damit dem Parteiwillen eine Zuständigkeitsrelevanz bei. Den gemeinsamen Antrag in Art. 3 Abs. 1 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO als eine Gerichtsstandsvereinbarung oder rügelose Einlassung anzusehen, würde allerdings zu weit gehen.1907 Gegen die rechtliche Einordnung als Gerichtsstandsvereinbarung spricht im Wesentlichen, dass den Ehegatten innerhalb des gemeinsamen Antrags nahezu keine Gestaltungsmöglichkeit bei der Zuständigkeitswahl zukommt. Denn die Anzahl der wählbaren Gerichte beschränkt sich auf die Mitgliedstaaten, in denen zumindest einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine gewisse Wahlmöglichkeit eröffnet sich für die Ehegatten somit nur dann, wenn sie sich in verschiedenen Mitgliedstaaten gewöhnlich aufhalten.1908 Darüber hinaus führt diese Wahlmöglichkeit zu einem Ergebnis, das ebenso über die allgemeinen Zuständigkeiten in Art. 3 Abs. 1 lit. a) 5. und 6. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO erreicht werden könnte. Die durch den gemeinsamen Antrag äußerst begrenzt gewährte zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie rechtfertigt demnach keine Abweichung von den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften des Art. 3 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIa-VO, sondern lässt lediglich die zusätzlichen Voraussetzungen an die Mindestdauer des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ehegatten entfallen.1909 Vergleicht man den gemeinsamen Antrag in Art. 3 Abs. 1 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO mit dem Rechtsinstitut der rügelosen Einlassung, offenbart sich ebenfalls ein bedeutsamer Unterschied. Während innerhalb des gemeinsamen Antrags der übereinstimmende Wille der Ehegatten in irgendeiner Form positiv ausgedrückt werden muss, genügt für eine rügelose Einlassung nämlich bereits die bloße Nichtgeltendmachung des Zuständigkeitsmangels und damit eine stillschweigende Unterwerfung des Beklagten unter die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.1910 Im Übrigen passt das auf die Parteirollen abgestimmte Konzept der rügelosen Einlassung nicht so recht auf den gemeinsamen Antrag, der gerade unabhängig von 1906

Für eine Nähe zur Gerichtsstandsvereinbarung: NK-BGB/Gruber, Art. 3 EuEheVO 2003 Rn. 8; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 501. Für eine Nähe zur rügelosen Einlassung: Gottwald, in: Symposium Spellenberg, S. 55 (69); Hau, FamRZ 2000, 1333 (1335); Hausmann, EuLF 2000/01, 271 (276 f.). 1907 Für eine Einordnung als „verdeckte“ Gerichtsstandsvereinbarung allerdings: Völker/ Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 10. 1908 MüKoFamFG/Gottwald, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 14. 1909 Vgl. NK-Rieck, Art. 3 EG-EhesachenVO Rn. 7. 1910 Rauscher/Rauscher, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 36; NK-BGB/Gruber, Art. 3 EheVO 2003 Rn. 27; Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 3 EuEheVO Rn. 21; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 3 EuEheVO Rn. 7; Andrae, in: Garbe/Ullrich, § 13 Rn. 116; vgl. zudem: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 24 EuGVVO Rn. 1 ff.

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Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

den Parteirollen geregelt ist und sich nur faktisch als ein Klägergerichtsstand (forum actoris) darstellt.1911 Insgesamt sollte daher der gemeinsame Antrag in Art. 3 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIaVO als ein eigenständiger Akt der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie angesehen und nicht mit den Rechtsinstituten der Gerichtsstandsvereinbarung oder rügelosen Einlassung gleichgesetzt werden. Allerdings ist der Umfang der gewährten zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie äußerst gering und beschränkt sich im Ergebnis auf den Wegfall des Erfordernisses einer Mindestdauer des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ehegatten.

B. Anerkennung des neuen gewöhnlichen Aufenthalts, Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO I. Relevanz des Parteiwillens Die ausnahmsweise Aufrechterhaltung des früheren gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes in Art. 9 Abs. 1 Brüssel IIa-VO dient vor allem den Interessen des bei Umzug des Kindes zurückgebliebenen Elternteils.1912 Wenn dieser Elternteil allerdings bereit ist, die Zuständigkeit der Gerichte im Mitgliedstaat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuerkennen, scheidet aus Sicht des Verordnungsgebers eine Anwendung des Art. 9 Abs. 1 Brüssel IIa-VO aus.1913 Dies erscheint sachgerecht, weil der umgangsberechtigte Elternteil sonst gegen seinen Willen durch Art. 9 Abs. 1 Brüssel IIa-VO geschützt würde. Dem am früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zurückgebliebenen Elternteil stehen somit die Zuständigkeiten des Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO und des Art. 9 Abs. 1 Brüssel IIa-VO zur freien Wahl.1914 Seinem Willen kommt insofern zuständigkeitsrechtliche Relevanz zu. Dies bestätigt zunächst Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO. Nach Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO scheidet nämlich die Aufrechterhaltung des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes und die damit einhergehende Abweichung von Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO immer dann aus, wenn der umgangsberechtigte Elternteil im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Brüssel IIa-VO die Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte am neuen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes dadurch anerkannt hat, dass er sich an Verfahren vor diesen Gerichten beteiligt, ohne ihre Zuständigkeit anzufechten. Nichts anderes muss aber erst recht auch dann gelten, wenn sich der umgangsberechtigte Elternteil nicht nur an einem Verfahren beteiligt, das der andere Elternteil oder ein Dritter vor den Gerichten des neuen Mitgliedstaats des Kindes eingeleitet 1911

Vgl. Rauscher/Rauscher, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 35. Siehe oben unter Teil 5, § 24, C.II. 1913 Leitfaden Brüssel IIa-VO, S. 18. 1914 Hk-ZPO/Dörner, Art. 9 EheGVVO Rn. 11; vgl. auch: Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 126; Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1412). 1912

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hat, sondern selbst ein Verfahren vor diesen Gerichten einleitet.1915 Denn auch in diesem Fall kann von einer zumindest stillschweigenden Anerkennung der Zuständigkeit ausgegangen werden, welche sich aus der Anrufung eines unzuständigen Gerichts ableiten lässt. II. Dogmatische Einordnung Durch Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO schafft der Verordnungsgeber eine Regelung, welche eine Vermutung für die Ausübung der Wahl des am früheren gewöhnlichen Aufenthaltsort zurückgebliebenen Elternteils enthält. Beteiligt sich dieser nämlich an einem Verfahren vor Gerichten im neuen Mitgliedstaat, ohne deren Zuständigkeit anzufechten, so wird darin eine Anerkennung der Zuständigkeit dieser Gerichte erblickt, selbst wenn eine ausdrückliche Willensäußerung fehlt. Damit entspricht Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO dem Rechtsinstitut der rügelosen Einlassung, welche in entsprechender Weise die Zuständigkeit der angerufenen Gerichte begründet.1916 Allerdings ist die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer Beteiligung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO darauf beschränkt, dass die nach Art. 9 Abs. 1 Brüssel IIa-VO unzuständigen Gerichte am neuen gewöhnlichen Wohnsitz des Kindes zuständig werden. Somit kann eine Beteiligung eines umgangsberechtigten Elternteils allenfalls dazu führen, dass die allgemeine Zuständigkeit des Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO wieder auflebt. Mit Blick auf den Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO drängt sich die Einordnung als rügelose Einlassung zwar nicht unmittelbar auf, da hier im Gegensatz zu den sonstigen Regelungen im europäischen Zivilverfahrensrecht weder von einer Einlassung noch von einer Geltendmachung mangelnder Zuständigkeit die Rede ist, sondern das Begriffspaar der Beteiligung am Verfahren und der fehlenden Anfechtung der Zuständigkeit zu finden ist. Aufgrund dieser sprachlichen Unterschiede rechtfertigt sich jedoch keine andere dogmatische Einordnung. Denn begreift man die Einlassung mit der herrschenden Meinung als jede Verteidigungshandlung, die unmittelbar auf Abweisung der Klage gerichtet ist, so erscheint aufgrund der Besonderheiten des Umgangsrechts eine Verwendung eines anderen Begriffs für entsprechende Verfahren nicht fernliegend.1917 Ein Verfahren über das Umgangsrecht erfordert nämlich eine gewisse Kooperation der Elternteile, da das Umgangsrecht im 1915

Leitfaden Brüssel IIa-VO, S. 18; Rauscher/Rauscher, Art. 9 Brüssel IIa-VO Rn. 22; Rauscher, EuLF 2005, 37 (40); Hk-ZPO/Dörner, Art. 9 EheGVVO Rn. 11; NK-BGB/Gruber, Art. 9 EheVO 2003 Rn. 7; Borrás, in: Magnus/Mankowski, Art. 9 Brussels IIbis Regulation Rn. 6; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 9 Brüssel IIa-VO Rn. 9. 1916 Vgl. etwa: Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 9 Brüssel IIa-VO Rn. 4; NKBGB/Gruber, Art. 9 EheVO 2003 Rn. 7; Rauscher/Rauscher, Art. 9 Brüssel IIa-VO Rn. 22; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 9 EuEheVO Rn. 4; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 10 EuEheVO Rn. 12. 1917 Vgl. Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 7; Rauscher/Andrae, Art. 5 EG-UntVO Rn. 8. Siehe oben unter Teil 2, § 8, B. und Teil 4, § 20, B.

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Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

Interesse beider Elternteile und zum Wohl des Kindes besteht (sog. Pflicht-Recht der Eltern).1918 Demgegenüber lässt sich die in der deutschen Sprachfassung gebrauchte Formulierung der Anfechtung der Zuständigkeit nicht mit den Besonderheiten einer Umgangsrechtsstreitigkeit erklären. Allerdings dürfte dieser Begriff ein Redaktionsversehen darstellen.1919 Der Vergleich zu anderen Sprachfassungen zeigt nämlich, dass mit dem Begriff der Anfechtung wohl eine Rüge der Zuständigkeit gemeint ist.1920

C. Vereinbarung über die Zuständigkeit, Art. 12 Brüssel IIa-VO I. Relevanz des Parteiwillens Die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 12 Brüssel IIa-VO ermöglicht es den Ehegatten oder den Trägern der elterlichen Verantwortung und den Verfahrensparteien, die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats anzuerkennen, in dem das Kind nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.1921 In Verfahren über die elterliche Verantwortung rechtfertigt somit die auf den Parteiwillen rückführbare Anerkennung eine Abweichung von der zuständigkeitsrechtlichen Grundanknüpfung in Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO.1922 Zur Zuständigkeitsbegründung genügt allerdings eine bloße parteiautonome Anerkennung nicht. Vielmehr müssen weitere Voraussetzungen vorliegen. Insofern unterscheidet Art. 12 Brüssel IIa-VO zwischen zwei Konstellationen. 1. Anerkennung im Zusammenhang mit einer anhängigen Ehesache Einerseits können die Ehegatten oder die Träger der elterlichen Verantwortung nach Art. 12 Abs. 1 Brüssel IIa-VO die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats anerkennen, in dem eine in Verbindung mit der elterlichen Verantwortung stehende Ehesache anhängig ist, wenn zumindest einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind hat und dies im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht.

1918

Vgl. etwa: §§ 1626 Abs. 3 und 1684 Abs. 1 BGB; MüKoBGB/Huber, § 1629 BGB Rn. 69; Veit, in: Bamberger/Roth, § 1684 BGB Rn. 1 f.; Dethloff, Familienrecht, § 13 Rn. 99; Rauscher, FamRZ 1998, 329 (331). 1919 NK-Rieck, Art. 9 EG-EhesachenVO Rn. 8; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 9 Brüssel IIaVO Rn. 9; Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 126; Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1412). 1920 Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1412), unter Verweis auf die engl. und franz. Sprachfassung. 1921 Leitfaden Brüssel IIa-VO, S. 21 f.; Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 1. 1922 Vgl. MüKoFamFG/Gottwald, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 2 f. und 11; Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 3 und 20; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 431 f.

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a) Verbindung der Ehesache zur elterlichen Verantwortung Zunächst muss der Antrag in der anhängigen Ehesache eine Verbindung zu der begehrten Entscheidung über die elterliche Verantwortung aufweisen. Diese Verbindung setzt nicht voraus, dass es sich dabei nach der lex fori um ein förmliches Verbundverfahren handelt.1923 Vielmehr genügt ein bloßer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang.1924 Ein solcher Zusammenhang ist dabei stets dann anzunehmen, wenn das Verfahren über die elterliche Verantwortung gleichzeitig mit der Ehesache oder während der Anhängigkeit der Ehesache eingeleitet wird und die Ehesache überhaupt einen sachlichen Einfluss auf die begehrte Regelung der elterlichen Verantwortung haben kann.1925 Mit Blick auf dieses Erfordernis ist auch die Regelung in Art. 12 Abs. 2 Brüssel IIa-VO zu sehen. Der erforderliche zeitliche Zusammenhang endet hiernach nämlich dann, wenn das Verfahren über die elterliche Verantwortung erst zu einem Zeitpunkt anhängig wird, in dem die Entscheidung in der Ehesache bereits rechtskräftig geworden ist (Art. 12 Abs. 2 lit. a) Brüssel IIa-VO) oder die Ehesache aus einem anderen Grund ein Ende gefunden hat (Art. 12 Abs. 2 lit. c) Brüssel IIa-VO). Wird allerdings vor diesem Zeitpunkt das Verfahren über die elterliche Verantwortung anhängig, so endet die Zuständigkeit nach Art. 12 Abs. 1 Brüssel IIa-VO erst mit dem rechtskräftigen oder sonstigen Abschluss dieses Verfahrens (Art. 12 Abs. 2 lit. b) und c) Brüssel IIa-VO).1926 b) Elterliche Verantwortung zumindest bei einem der Ehegatten Nach Art. 12 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIa-VO ist weiterhin erforderlich, dass zumindest einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind trägt, wobei dieses nicht mehr notwendigerweise das gemeinsame Kind der Ehegatten sein muss.1927 Diese Voraussetzung lässt sich mit Blick auf die notwendige Verbindung der anhängigen Ehesache zur elterlichen Verantwortung erklären. Denn eine Beeinflussung der elterlichen Verantwortung durch eine Ehesache erscheint jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn keiner der Ehegatten Träger der elterlichen Verant1923

NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 3; Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIaVO Rn. 6; Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 4. 1924 Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 4; Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 6. 1925 NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 12 EuEheVO Rn. 3a; Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 6 f.; Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 130; vgl. auch: Spellenberg, in: Festschrift Sonnenberger, S. 677 (692). 1926 Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 28 ff. m.w.N. 1927 Pataut, in: Magnus/Mankowski, Art. 12 Brussels IIbis Regulation Rn. 19; Hk-ZPO/ Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 8; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 2081; Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1412); Coester-Waltjen, FamRZ 2005, 241 (243); wohl a.A.: MüKoFamFG/Gottwald, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 1.

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Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

wortung ist.1928 Ob einer der Ehegatten als Träger der elterlichen Verantwortung angesehen werden kann, beurteilt sich nach dem Kollisionsrecht der lex fori.1929 c) Anerkennung der Zuständigkeit aa) Kreis der anerkennungsfähigen Personen Die Zuständigkeit muss durch beide Ehegatten und gegebenenfalls durch einen sonstigen Träger der elterlichen Verantwortung anerkannt werden.1930 Nach dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO hat die Anerkennung zwar durch die Ehegatten „oder“ die Träger der elterlichen Verantwortung zu erfolgen. Jedoch ist darin wohl ein Redaktionsversehen zu erblicken, da insbesondere die englische und französische Sprachfassung die Konjunktion „und“ verwenden.1931 Ein solches Verständnis entspricht zudem Art. 10 Abs. 1 lit. b) KSÜ, welcher im Wege der systematischen Auslegung des Art. 12 Brüssel IIa-VO berücksichtigt werden kann.1932 Folglich hat ein Ehegatte die Zuständigkeit der betreffenden Gerichte selbst dann anzuerkennen, wenn er kein Träger der elterlichen Verantwortung ist.1933 Dies erscheint insbesondere dann sachgerecht, wenn nach der lex fori ein förmliches Verbundverfahren vorgesehen ist und somit eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung erfolgt. bb) Art und Weise der Anerkennung Nach Art. 12 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO muss die Anerkennung ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise erfolgen. Eine besondere Form der Anerkennung ist hingegen nicht vorgesehen.1934 Eine Anerkennung kann sich demnach nicht nur aus den mündlichen oder schriftlichen Erklärungen ergeben, sondern ebenso stillschweigend aus einer Gesamtwürdigung des Verhaltens im Verfahren und sonstiger 1928

Vgl. Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 15. Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 12 EuEheVO Rn. 13; Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 7; Holzmann, Brussel IIa VO, S. 130. 1930 NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 5; Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 75; Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 18 f.; Rauscher, EuLF 2005, 37 (40). 1931 Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 75; NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 5; Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 12 EuEheVO Rn. 18; CoesterWaltjen, FamRZ 2005, 241 (242 f.); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 457, mit weiteren Verweisen auf andere Sprachfassungen. 1932 Dutta, in: Festschrift Kropholler, S. 281 (289); NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 5; Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 75; Pirrung, in: Festschrift Schlosser, S. 695 (699 f.); vgl. dazu allgemein: MüKoBGB/Siehr, Vorbemerkung zu Art. 1 EuEheVO Rn. 22. 1933 Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 75; wohl auch: Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 9; unklar: Coester-Waltjen, FamRZ 2005, 241 (242 f.). 1934 MüKoBGB/Siehr, Art. 12 EuEheVO Rn. 5; Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 75. 1929

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Begleitumstände.1935 Stets erforderlich ist dabei allerdings, dass der Wille, die Zuständigkeit des betreffenden Gerichts gerade auch für das Verfahren über die elterliche Verantwortung zu akzeptieren, eindeutig hervortritt.1936 Das darüber befindende Gericht dürfte bei Unklarheiten somit eine Aufklärungs- und Hinweispflicht treffen.1937 Zur Anerkennung genügt daher nicht bereits eine Beteiligung am Verfahren, ohne die mangelnde Zuständigkeit des Gerichts zu rügen. Denn hierdurch geht nicht eindeutig hervor, dass sich der jeweilige Verfahrensbeteiligte mit der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts einverstanden erklärt. Insbesondere kann eine fehlende Rüge nicht als eindeutiges Einverständnis angesehen werden, weil Schweigen nun einmal kein positiver Zustimmungsakt ist.1938 Eine rügelose Einlassung reicht somit für eine Anerkennung in eindeutiger Weise nicht aus.1939 Dies bestätigt zudem der Umkehrschluss aus Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO, der zwar eine Anerkennung als rügelose Einlassung nahelegt,1940 jedoch nicht die Umschreibung „ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise“ enthält.1941 Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte für ein entsprechendes Verständnis des Verordnungsgebers, weil im Kommissionsvorschlag noch ausdrücklich das „Erscheinen eines Trägers der elterlichen Verantwortung vor Gericht allein nicht als Anerkennung der Zuständigkeit des Gerichts“ angesehen wurde.1942

1935 Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 20 f.; Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 75; vgl. auch: BGHZ 163, 248 (263) = NJW 2005, 3424 (3428). 1936 Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 20a. 1937 NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO Rn. 7; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 2; Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1413). 1938 Vgl. Mankowski, RIW 2010, 667 (668). 1939 Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 12 EuEheVO Rn. 5; Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 12 EuEheVO Rn. 21; NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO Rn. 7; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 5; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 12 EuEheVO Rn. 18; NK-Rieck, Art. 12 EG-EhesachenVO Rn. 4; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 2; Frank, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 29 Rn. 49; Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 21; Rauscher, IPR, § 15 Rn. 2082; Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 134 ff.; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 462 ff.; Looschelders, JR 2006, 45 (47); Coester-Waltjen, FamRZ 2005, 241 (242 f.); Pirrung, in: Festschrift Schlosser, S. 695 (699 f.); wohl auch: Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 11; a.A.: MüKoBGB/ Siehr, Art. 12 EuEheVO Rn. 5; Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1413). 1940 So etwa: Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 11; Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1413). 1941 Vgl. Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 12 EuEheVO Rn. 18; NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 7; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 12 EuEheVO Rn. 5; Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 12 EuEheVO Rn. 21; Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 135. 1942 Art. 12 Abs. 4 des Kommissionsvorschlags Brüssel IIa-VO, KOM(2002) 222 endg., S. 32; Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 12 EuEheVO Rn. 21; NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 7; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 463 f.; Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 136.

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Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

cc) Maßgeblicher Zeitpunkt Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der Anerkennung wird in Art. 12 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO ausdrücklich geregelt. Hiernach ist erforderlich, dass die Zuständigkeit der betreffenden Gerichte zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts anerkannt wurde. Eine Anerkennung muss somit spätestens dann vorliegen, wenn die Antragsschrift für das Verfahren über die elterliche Verantwortung bei Gericht oder der für die Zustellung verantwortlichen Stelle eingereicht wird (vgl. Art. 16 Brüssel IIa-VO).1943 Eine Anerkennung aller maßgeblichen Personen zu diesem Zeitpunkt ist allerdings nur dann denkbar, wenn bereits zuvor eine einvernehmliche Regelung zwischen ihnen getroffen wurde oder eine gemeinsame Antragsschrift dieser Personen vorliegt.1944 Denn in der Antragsschrift werden sich regelmäßig nur Ausführungen des Antragstellers zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts finden lassen.1945 Insbesondere wäre somit eine Anerkennung in einem späteren Schriftsatz, der einen Gegen- oder Mitantrag einer maßgeblichen Person enthält, oder in der mündlichen Verhandlung nicht mehr zu berücksichtigen. Das angerufene Gericht müsste folglich seine Unzuständigkeit feststellen und den ursprünglichen Antrag abweisen, obwohl eine Anerkennung durch alle maßgeblichen Personen mittlerweile vorliegt. Würden diese Personen sogleich erneut vor diesem Gericht ein Verfahren über die elterliche Verantwortung einleiten, müsste das Gericht nun sogar seine Zuständigkeit annehmen.1946 Um dieses missliche Ergebnis zu vermeiden, genügt daher ebenso eine Anerkennung zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren.1947 Dies widerspricht zwar dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO, steht jedoch im Einklang mit dem Interesse des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten an einer prozessökonomischen Durchführung des Gerichtsverfahrens. Zudem sind negative Auswirkungen eines solchen Verständnisses auf das Wohl des Kindes nicht ersichtlich. Vielmehr wird im Interesse des Kindes das Einvernehmen der Träger elterlicher Verantwortung über 1943 EuGH, Urt. v. 12. 11. 2014 (L gegen M), Rs. C-656/13, ECLI:EU:C:2014:2364, Rn. 55 f. 1944 Rauscher, EuLF 2005, 37 (40); Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 12 EuEheVO Rn. 19. 1945 Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 12; Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 136: Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1413). 1946 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 12 EuEheVO Rn. 19; NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 8; Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 24. 1947 Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 24; Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 12 EuEheVO Rn. 22; NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 8; Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Art. 12 EuEheVO Rn. 19; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 4; NK-Rieck, Art. 12 EG-EhesachenVO Rn. 4; MüKoBGB/Siehr, Art. 12 EuEheVO Rn. 5; Frank, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 29 Rn. 49; Andrae, Internationales Familienrecht, § 6 Rn. 66; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 458 ff., Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1413); a.A.: Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 2; Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 75; Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 136 f.

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den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts hinaus gefördert.1948 Ebenso können hierdurch Zeit und Kosten für die Verfahrensbeteiligten gespart werden, was wiederum dem Wohl des Kindes zugutekommt. Schließlich würde eine wortlautgetreue Anwendung des Art. 12 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO eine Abkehr von der üblichen Auslegungspraxis zur Vorgängernorm des Art. 3 Abs. 2 Brüssel IIa-VO a.F. bedeuten, die in den Gesetzgebungsmaterialien nirgends Erwähnung findet.1949 Hier wird vielmehr hervorgehoben, dass die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 12 Abs. 1 Brüssel IIa-VO der bisherigen Regelung in der Vorgängervorschrift entspricht.1950 Der Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO ist daher so zu verstehen, dass eine zuvor im Einvernehmen getroffene Anerkennung der Zuständigkeit bis zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts fortbestehen muss, eine Anerkennung der Zuständigkeit im Verfahren aber noch bis spätestens zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Zuständigkeit erfolgen kann.1951 Folglich stellt die Anrufung des Gerichts lediglich den maßgeblichen Zeitpunkt für die Frage dar, bis wann eine Anerkennung einseitig widerrufen werden kann.1952 d) Einklang mit dem Wohl des Kindes Die Anerkennung muss nach Art. 12 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO schließlich im Einklang mit dem Wohl des Kindes stehen. Das „Wohl des Kindes“ ist ein verordnungsautonomer Begriff.1953 Er ist somit anhand der Brüssel IIa-VO auszufüllen. Allerdings findet sich eine nähere Umschreibung des Kindeswohls weder im Normtext noch in den vorangestellten Erwägungsgründen, obschon der Begriff auch an anderen Stellen in der Brüssel IIa-VO verwendet wird. Um die Zuständigkeitsprüfung nicht materiell-rechtlich zu überfrachten und die materielle Entscheidung des Gerichts nicht vorwegzunehmen, besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass sich die Beurteilung des Kindeswohls auf zuständigkeitsrechtliche Aspekte beschränkt.1954 1948 Vgl. Kommissionsvorschlag Brüssel IIa-VO, KOM(2002) 222 endg., S. 10; a.A.: Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 137, die aufgrund des parteilichen Einvernehmens den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts für maßgeblich erachtet. 1949 Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 12; Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1413). 1950 Kommissionsvorschlag Brüssel IIa-VO, KOM(2002) 222 endg., S. 10. 1951 So etwa: Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1413). 1952 NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 8; Dilger, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 12 EuEheVO Rn. 23; Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 24; Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 75; Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 12; Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 137; Andrae, Internationales Familienrecht, § 6 Rn. 66; Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1413); wohl a.A.: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 12 EuEheVO Rn. 20. 1953 Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 25; Dutta, in: Festschrift Kropholler, S. 281 (285); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 467. Zur Auslegung im EuZVR ausführlich oben unter Teil 1, § 2, C.III. 1954 Ausführlich: Dutta, in: Festschrift Kropholler, S. 281 (286 ff.). Siehe aber auch: NKBGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 9; Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 25;

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Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

Welche zuständigkeitsrechtlichen Aspekte im Einzelnen zu beachten sind und welcher Maßstab dabei anzulegen ist, kann sodann unter Rückgriff auf die für Verfahren über die elterliche Verantwortung geltenden Zuständigkeitsvorschriften der Art. 8, 9, 10 und 13 Brüssel IIa-VO beantwortet werden. Denn der Verordnungsgeber hat sich bei der Ausgestaltung dieser Vorschriften maßgeblich am Wohl des Kindes orientiert und insbesondere von einer Aufnahme eines Kindeswohlvorbehalts abgesehen.1955 Diese Zuständigkeitsvorschriften können somit als typisierte Fallgestaltungen angesehen werden, in denen aus Sicht des Verordnungsgebers die internationale Zuständigkeit der Gerichte im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht.1956 Insbesondere wird die durch die Anknüpfungskriterien des gewöhnlichen Aufenthalts, des früheren gewöhnlichen Aufenthalts und des schlichten Aufenthalts jeweils gewährleistete räumliche Nähe der mitgliedstaatlichen Gerichte und die dadurch implizierte Sachnähe des Gerichts mit dem Wohl des Kindes für vereinbar angesehen. Folglich steht die Zuständigkeit des anerkannten Gerichts jedenfalls dann im Einklang mit dem Wohl des Kindes, wenn dieses Gericht zumindest eine gleiche Sachnähe aufweist wie die sonst zuständigen Gerichte.1957 Das Wohl des Kindes kann somit insbesondere dann negativ betroffen sein, wenn das anerkannte Gericht bei der Sachverhaltsermittlung vergleichsweise viel Zeit aufwenden muss oder das Kind durch das Verfahren übermäßig belastet wird, etwa weil es zu einer persönlichen Anhörung weit anreisen muss.1958 Sollte sich ein Verfahren in einem Mitglied- oder Drittstaat, dessen Gerichte ohne die Anerkennung zuständig wären, als unmöglich erweisen, sind allerdings selbst erhebliche Verfahrensverzögerungen und übermäßige Belastungen für das Kind hinzunehmen. Dies kann Art. 12 Abs. 4 Brüssel IIaVO entnommen werden, der für Drittstaaten, die nicht Vertragspartei des KSÜ sind, sogar widerleglich vermutet, dass die Anerkennung der Zuständigkeit dann im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht.1959

Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 12 EuEheVO Rn. 21; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 12 EuEheVO Rn. 6; Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 13; NK-Rieck, Art. 12 EGEhesachenVO Rn. 6; Looschelders, JR 2006, 45 (47); Spellenberg, in: Festschrift Sonnenberger, S. 677 (685). 1955 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 12 zur Brüssel IIa-VO. 1956 Ausführlich: Dutta, in: Festschrift Kropholler, S. 281 (291 ff.). 1957 Dutta, in: Festschrift Kropholler, S. 281 (299); NK-BGB/Gruber, Art.12 EheVO 2003 Rn. 9. 1958 Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 26; Völker/Dimmler, in: Prütting/ Gehrlein, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 2; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 6; NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 9; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 12 EuEheVO Rn. 6; Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 13; Dutta, in: Festschrift Kropholler, S. 281 (296 f.); Coester-Waltjen, FamRZ 2005, 241 (243); Looschelders, JR 2006, 45 (47). 1959 Vgl. Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 27.

§ 25 Gerichtsstandsvereinbarung oder rügelose Einlassung

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2. Anerkennung in isolierten Verfahren über die elterliche Verantwortung Nach Art. 12 Abs. 3 Brüssel IIa-VO können die Parteien eines isolierten Verfahrens über die elterliche Verantwortung die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaates andererseits dann anerkennen, wenn eine wesentliche Verbindung des Kindes zu diesem Mitgliedstaat besteht und dies im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht. a) Wesentliche Bindung des Kindes Nach Art. 12 Abs. 3 lit. a) Brüssel IIa-VO muss eine wesentliche Verbindung des Kindes zu diesem Mitgliedstaat bestehen. Zwar enthält die Brüssel IIa-VO keine Definition des Begriffs der wesentlichen Verbindung. Jedoch benennt Art. 12 Abs. 3 lit. a) Brüssel IIa-VO zwei Kriterien, die eine wesentliche Verbindung des Kindes zu einem Mitgliedstaat vermitteln können.1960 Dies sind zum einen der gewöhnliche Aufenthalt eines der Träger der elterlichen Verantwortung und zum anderen die Staatsangehörigkeit des Kindes. Aus dem beispielhaften Charakter der Aufzählung („insbesondere“) kann zudem entnommen werden, dass eine wesentliche Verbindung ebenso durch andere Kriterien begründet werden kann.1961 Insofern ist zunächst an den früheren Aufenthalt des Kindes oder größere Vermögenswerte des Kindes zu denken.1962 Nach Art. 15 Abs. 3 lit. b) und e) Brüssel IIaVO kann nämlich davon ausgegangen werden, dass diese Kriterien zumindest die für eine Verweisung nach Art. 15 Abs. 1 Brüssel IIa-VO erforderliche besondere Bindung des Kindes zu einem anderen Mitgliedstaat begründen. Zwar ist unklar, in welchem Verhältnis die wesentliche Bindung im Sinne des Art. 12 Abs. 3 lit. a) Brüssel IIa-VO und die besondere Bindung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Brüssel IIa-VO zueinander stehen.1963 Jedoch sprechen die übereinstimmend aufgeführten Kriterien der Staatsangehörigkeit des Kindes und des gewöhnlichen Aufenthalts eines der Träger der elterlichen Verantwortung für eine grundsätzliche Bedeutsamkeit der übrigen nichtübereinstimmenden Kriterien für die Frage, ob im

1960

Vgl. Kommissionsvorschlag Brüssel IIa-VO, KOM(2002) 222 endg., S. 10. Leitfaden Brüssel IIa-VO, S. 22; NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 13; Pataut, in: Magnus/Mankowski, Art. 12 Brussels IIbis Regulation Rn. 48; Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 44; NK-Rieck, Art. 12 EG-EhesachenVO Rn. 7; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 4; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 12; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 12 EuEheVO Rn. 11. 1962 Vgl. etwa: MüKoFamFG/Gottwald, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 12; Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 81. 1963 Insbesondere enthalten die engl. und franz. Sprachfassung ebenfalls mit „substantial connection“ sowie „lien étroit“ einerseits und „particular connection“ sowie „lien particulier“ andererseits unterschiedliche Begriffe, die kaum Rückschlüsse auf deren Verhältnis zueinander zulassen. 1961

352

Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

Einzelfall eine wesentliche Bindung des Kindes zum fraglichen Mitgliedstaat besteht. Darüber hinaus sind aber auch andere Kriterien denkbar, wie der gewöhnliche Aufenthalt anderer Bezugspersonen, die nicht in elterlicher Verantwortung stehen, ein künftiger Aufenthaltswechsel des Kindes, die Staatsangehörigkeit der Träger der elterlichen Verantwortung oder besondere Wünsche älterer Kinder.1964 Ob diese beispielhaft in Art. 12 Abs. 3 lit. a) Brüssel IIa-VO genannten oder lediglich allgemein in Betracht kommenden Kriterien eine wesentliche Bindung des Kindes zum jeweiligen Mitgliedstaat begründen können, bleibt letztlich aber immer eine Frage des Einzelfalls.1965 b) Anerkennung der Zuständigkeit Die Parteien des Verfahrens müssen die Zuständigkeit zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise anerkannt haben (Art. 12 Abs. 3 lit. b) Brüssel IIa-VO). Darin entspricht die Anerkennung in isolierten Verfahren über die elterliche Verantwortung der Anerkennung im Zusammenhang mit einer anhängigen Ehesache, wenngleich der Kreis der für die Anerkennung maßgeblichen Personen jeweils unterschiedlich gezogen wird. Denn eine Anerkennung durch sämtliche Träger der elterlichen Verantwortung ist in Art. 12 Abs. 3 lit. b) Brüssel IIa-VO nicht erforderlich.1966 Vielmehr haben nur diejenigen Träger der elterlichen Verantwortung und sonstige Personen die Zuständigkeit anzuerkennen, die auch als Partei am Verfahren über die elterliche Verantwortung formell beteiligt sind.1967 Hinsichtlich der Art und Weise der Anerkennung und des dafür maßgeblichen Zeitpunkts gelten die Ausführungen zu Art. 12 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO sinngemäß.1968 Entgegen dem Wortlaut genügt es daher insbesondere, wenn die Verfahrensparteien die Zuständigkeit eines bereits angerufenen Gerichts noch vor dessen Entscheidung anerkennen.1969

1964 Staudinger/Pirrung, Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. C 81; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 12 Brüssel IIa-VO; Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 44; Pataut, in: Magnus/Mankowski, Art. 12 Brussels IIbis Regulation Rn. 49; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 493 ff. 1965 Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 21; Holzmann, Brüssel IIa VO, S. 134. 1966 Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 22; NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO 2003 Rn. 14; Pataut, in: Magnus/Mankowski, Art. 12 Brussels IIbis Regulation Rn. 53. 1967 Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 45; Pataut, in: Magnus/Mankowski, Art. 12 Brussels IIbis Regulation Rn. 53; MüKoFamFG/Gottwald, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 13; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 486 f. 1968 Siehe oben unter Teil 5, § 25, C.I.1.c)bb). 1969 OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 915; wohl a.A: Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 12 EuEheVO Rn. 12.

§ 25 Gerichtsstandsvereinbarung oder rügelose Einlassung

353

c) Einklang mit dem Wohl des Kindes Die Anerkennung der Zuständigkeit muss nach Art. 12 Abs. 3 lit. b) Brüssel IIaVO wiederum im Einklang mit dem Wohl des Kindes stehen.1970 Das Wohl des Kindes sollte sich daher ebenso wie bei einer Anerkennung im Zusammenhang mit einer anhängigen Ehesache auf zuständigkeitsrechtliche Aspekte beschränken und die anerkannten Gerichte eines Mitgliedstaats eine zu den übrigen Zuständigkeitsvorschriften der Art. 8, 9, 10 und 13 Brüssel IIa-VO vergleichbare Sachnähe aufweisen.1971 Allerdings wird durch das Erfordernis einer wesentlichen Bindung des Kindes zum jeweiligen Mitgliedstaat bereits eine gewisse Sachnähe der Gerichte gewährleistet, sodass die Kindeswohlgemäßheit in der Praxis wohl kaum eine entscheidungserhebliche Rolle spielen wird.1972 II. Dogmatische Einordnung Fraglich ist, wie die Zuständigkeitsregelung des Art. 12 Brüssel IIa-VO dogmatisch eingeordnet werden kann. Die Relevanz des Parteiwillens rückt die Anerkennung wiederum in die Nähe einer Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung. Nimmt man nun noch die Überschrift der Norm und Erwägungsgrund Nr. 12 zur Brüssel IIa-VO hinzu, so spricht dies zunächst für eine Einordnung als Gerichtsstandsvereinbarung. Infolgedessen kann es nicht verwundern, dass in Art. 12 Brüssel IIa-VO mitunter eine Regelung einer Gerichtsstandsvereinbarung erblickt wird.1973 Im Vergleich des Art. 12 Brüssel IIa-VO mit den sonstigen Regelungen der Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede. Diese beginnen damit, dass im Wortlaut des Art. 12 Brüssel IIa-VO nicht von einer Vereinbarung die Rede ist, sondern von einer Anerkennung. Darin ist auch keine unschädliche Falschbezeichnung des Verordnungsgebers zu sehen. Während eine Vereinbarung nämlich eine Willenseinigung 1970 Zu den Besonderheiten der engl. Sprachfassung („superior interests“ in Art. 12 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO und „best interests“ in Art. 12 Abs. 3 lit. b) Brüssel IIa-VO): Leitfaden Brüssel IIa-VO, S. 22; Pataut, in: Magnus/Mankowski, Art. 12 Brussels IIbis Regulation Rn. 55. 1971 Siehe oben unter Teil 5, § 25, C.I.1.d). 1972 Coester-Waltjen, FamRZ 2005, 241 (243); Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 46; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 4; Looschelders, JR 2006, 45 (47). 1973 NK-BGB/Gruber, Art. 12 EheVO Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 12 EuEheVO Rn. 1; Völker/Dimmler, in: Prütting/Gehrlein, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 465 ff.; Pirrung, in: Festschrift Schlosser, S. 695 (699 f.); Dutta, in: Festschrift Kropholler, S. 281 (283 f.); wohl auch: MüKoFamFG/Gottwald, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 4; a.A.: Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 10; Rauscher/ Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (559 f.); Looschelders, JR 2006, 45 (47).

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Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

zwischen den Parteien des Verfahrens zwingend erfordert, ist die Anerkennung ebenso in Form von einseitigen Erklärungen gegenüber dem Gericht denkbar. Einer „zweiseitigen Vereinbarung“ mit entsprechender Willenseinigung bedarf es im Rahmen der Anerkennung gerade nicht.1974 Ebenso wenig sind Formanforderungen bei der Anerkennung zu beachten, wie dies bei Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht sonst üblich ist. Zudem setzt die Anerkennung in Art. 12 Brüssel IIa-VO zu einem späteren Zeitpunkt an als eine Gerichtsstandsvereinbarung. Denn durch eine Gerichtsstandsvereinbarung wollen Parteien regelmäßig ihr künftiges prozessuales Rechtsverhältnis verbindlich gestalten, sodass diese grundsätzlich im Vorfeld eines Rechtsstreits abgeschlossen werden.1975 Die Anerkennung ist demgegenüber ein parteiautonomer Akt, der im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts oder später erfolgen muss.1976 Demnach kann selbst eine im Vorfeld zum Verfahren über die elterliche Verantwortung wechselseitig getroffene Anerkennung bis zur Anrufung des Gerichts noch einseitig widerrufen werden.1977 Vor allem diese zeitliche Diskrepanz spricht eher für eine Vergleichbarkeit der Anerkennung mit einer rügelosen Einlassung.1978 Allerdings besteht zwischen der Anerkennung und der rügelosen Einlassung zumindest ein gewichtiger Unterschied, da die Anerkennung der Zuständigkeit ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise erfolgen muss.1979 Folglich genügt eine Beteiligung am Verfahren nicht für eine eindeutige Anerkennung, während dies im Rahmen der rügelosen Einlassung bereits die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründet.1980 Entscheidend gegen eine dogmatische Einordnung als Gerichtsstandsvereinbarung oder rügelose Einlassung spricht jedoch, dass die Anerkennung nicht die zentrale Voraussetzung im Rahmen des Art. 12 Brüssel IIa-VO darstellt.1981 Vielmehr stehen diesem parteiautonomen Akt mit der Verbindung der Ehesache zur elterlichen Verantwortung, der wesentlichen Bindung des Kindes zum Gerichtsstaat und dem Einklang mit dem Wohl des Kindes weitere Voraussetzungen gleichberechtigt zur Seite. Im Rahmen des Art. 12 Brüssel IIa-VO reicht die Parteiautonomie somit gerade nicht aus, um die Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte zu begründen. Vielmehr tritt insbesondere das Wohl des Kindes neben die Parteiauto-

1974

So auch: Pirrung, in: Festschrift Schlosser, S. 695 (700). Vgl. Lipp, in: Liber Amicorum Pintens, S. 847 (852 f.). 1976 Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (560); Schulz, in: Festschrift Kropholler, S. 435 (438). 1977 Siehe oben unter Teil 5, § 25, C.I.1.c)cc). 1978 Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (560); Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 12 EuEheVO Rn. 1. 1979 Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (560). 1980 Siehe dazu oben unter Teil 2, § 8 und Teil 4, § 20. 1981 Rauscher, EuLF 2005, 37 (40); Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (560). 1975

§ 26 Fazit

355

nomie und rechtfertigt damit die Abweichung von den gesetzlichen Zuständigkeiten der Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO.1982 Insgesamt überzeugt es daher, die Anerkennung in Art. 12 Brüssel IIa-VO weder als eine Gerichtsstandsvereinbarung noch als eine rügelose Einlassung einzuordnen. Die Überschrift des Art. 12 Brüssel IIa-VO und Erwägungsgrund Nr. 12 zur Brüssel IIa-VO sind insofern irreführend.1983 Vielmehr sollte diese Zuständigkeitsregelung als ein eigenständiger und begrenzter Akt der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie aufgefasst werden, etwa im Sinne einer anerkennungsbedürftigen Verbund- und Bindungszuständigkeit zum Wohle des Kindes.1984

§ 26 Fazit Die Brüssel IIa-VO gibt der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie in sehr begrenztem Umfang Raum. So ist es den Ehegatten nach Art. 3 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats durch einen gemeinsamen Antrag zu begründen, in dem einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Allerdings ist darin weder eine Gerichtsstandsvereinbarung, noch eine rügelose Einlassung zu sehen. Als eine besondere Form der rügelosen Einlassung kann hingegen Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO angesehen werden. Hiernach kann nämlich ein umgangsberechtigter Elternteil, der am früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zurückgeblieben ist, die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des neuen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes stillschweigend durch eine Beteiligung am Verfahren anerkennen. Die weitaus größte zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie wird schließlich in Art. 12 Brüssel IIa-VO gewährt. Hiernach haben nämlich die Parteien nicht nur die Möglichkeit, zwischen zwei objektiven Anknüpfungskriterien zu wählen. Vielmehr können sie in Verfahren über die elterliche Verantwortung über die internationale Zuständigkeit frei entscheiden, sofern ihnen die restriktiven Voraussetzungen des Art. 12 Brüssel IIa-VO einen Entscheidungsspielraum zugestehen. Dies rückt die Vereinbarung nach Art. 12 Brüssel IIa-VO zwar in die Nähe einer Gerichtsstandsvereinbarung und zwar in einer Ausformung wie sie in Art. 4 EuUntVO zu finden ist. Jedoch unterscheidet sie sich von einer „klassischen“ Gerichtsstandsvereinbarung weiterhin darin, dass sie keiner zweiseitigen Vereinbarung bedarf und im Zeitpunkt 1982 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 12 zu Brüssel IIa-VO und Pataut, in: Magnus/Mankowski, Art. 12 Brussels IIbis Regulation Rn. 8. 1983 Hk-ZPO/Dörner, Art. 12 EheGVVO Rn. 10; Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich, S. 549 (560); Solomon, FamRZ 2004, 1409 (1413); Rauscher/Rauscher, Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 12 EuEheVO Rn. 1; Junker, IZPR, § 19 Rn. 16. 1984 Vgl. Rauscher, FamFR 2013, 25.

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Teil 5: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der Brüssel IIa-VO

der Anrufung des Gerichts oder später erfolgen muss. Die Vereinbarung nach Art. 12 Brüssel IIa-VO stellt daher vielmehr einen eigenständigen Akt parteiautonomer Zuständigkeitsbegründung dar. Vor allem die in Ehesachen äußerst begrenzt gewährte zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie wird allerdings verschiedentlich kritisiert.1985 Auch die Kommission erachtete es aufgrund von Erwägungen der Rechtssicherheit für lohnenswert, die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie in Ehesachen zu vergrößern.1986 Sie schlug daher vor, innerhalb der Brüssel IIa-VO eine Gerichtsstandsvereinbarung bei Ehescheidungen und Trennungen ohne Auflösung des Ehebandes zu ermöglichen.1987 Dieser Änderungsvorschlag konnte sich jedoch letztlich nicht durchsetzen.1988 Ob dieses mit Blick auf die Freiheitsrechte des Einzelnen begrüßenswerte Bestreben der Kommission damit endgültig aufgegeben wurde oder bei künftigen Reformdiskussionen wieder aufgegriffen wird, bleibt abzuwarten.

1985

(68 f.).

Boele-Woelki, ZfRV 2001, 121 (123 f.); Gottwald, in: Symposium Spellenberg, S. 55

1986 Vgl. Änderungsvorschlag Brüssel IIa-VO, KOM(2006) 399 endg., S. 9; dazu ausführlich: Rauscher/Rauscher, Einl Brüssel IIa-VO Rn. 43 ff. 1987 Art. 3a des Änderungsvorschlags Brüssel IIa-VO, KOM(2006) 399 endg., S. 15 f. Dazu ausführlich: Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 502 ff. 1988 Hau, in: Prütting/Helms, § 97 FamFG Rn. 36; Rauscher/Rauscher, Art. 3 Brüssel IIaVO Rn. 2; Nagel/Gottwald, § 4 Rn. 11; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2009, 1 (2).

Teil 6

Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO § 27 Einleitung In Erbsachen nehmen die Sachverhalte mit Auslandsberührung kontinuierlich zu.1989 Dies beruht vor allem darauf, dass die anhaltende Globalisierung und die immer stärker zusammenwachsenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Mobilität der Bevölkerung und des Kapitals erhöhen.1990 Aufgrund dessen wächst nicht nur die Zahl der gemischtnationalen Ehen und Familien.1991 Ebenso steigt die Zahl der Fallkonstellationen, in denen einzelne Familienangehörige im Ausland leben oder sich das Vermögen von Personen auf verschiedene Staaten verteilt.1992 Bei der Nachlassplanung und Nachlassabwicklung hat sich die Erbrechtspraxis folglich immer häufiger mit internationalprivatrechtlichen und internationalverfahrensrechtlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Jedoch gestaltet sich die Beantwortung der verschiedenen Fragestellungen zuweilen schwierig, da bislang ein harmonisiertes Internationales Privat- und Verfahrensrecht auf dem Gebiet des Erbrechts fehlt und stattdessen nationale Vorschriften herangezogen werden müssen, die sich inhaltlich mitunter erheblich unterscheiden.1993 Um die Schwierigkeiten auszuräumen, erließ der Verordnungsgeber nach mehrjährigen Vorarbeiten die EuErbVO, in der unter anderem die Bestimmungen über die Zuständigkeit und das anzuwendende Recht zusammengefasst sind.1994 Sie soll insbesondere die Nachlassplanung im europäischen Rechtsraum erleichtern

1989

Burandt, FuR 2013, 314; Dörner, ZEV 2012, 505; Cach/Weber, ZfRV 2013, 263. Remde, RNotZ 2012, 65 (65 f.); Weber, Das IZPR erbrechtlicher Streitigkeiten, S. 27. 1991 Siehe nur: Coester-Waltjen, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 1. 1992 Zur deutschen Praxis: Stumpf, EuR 2007, 291 (293 f.). 1993 In den bisherigen Verordnungen des europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrechts ist das Erbrecht jedenfalls ausdrücklich ausgenommen, vgl. etwa: Art. 1 Abs. 2 lit. c) Rom I-VO, Art. 1 Abs. 2 lit. b) Rom II-VO, Art. 1 Abs. 2 lit. a) Brüssel I-VO und Art. 1 Abs. 3 lit. f) Brüssel IIa-VO. Vgl. zudem: Grünbuch zur EuErbVO, KOM(2005) 65 endg., S. 3; Vollmer, ZErb 2012, 227 (227 f.); Lehmann, DStR 2012, 2085; Wilke, RIW 2012, 601. 1994 Erwägungsgrund Nr. 8 zur EuErbVO. Mit einem Überblick über die Entstehungsgeschichte der EuErbVO etwa: Weber, Das IZPR erbrechtlicher Streitigkeiten, S. 50 ff.; Vollmer, ZErb 2012, 227 (228); Lechner, ZErb 2014, 188 ff. 1990

358

Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

sowie die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer effektiv wahren.1995 Dabei wird der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in der EuErbVO eine vergleichsweise große Bedeutung eingeräumt, indem in Art. 22 EuErbVO eine Rechtswahlmöglichkeit vorgesehen ist. Denn der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist dies gänzlich unbekannt.1996 Aber auch der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie wird scheinbar in verschiedenen Vorschriften der EuErbVO Raum gegeben. Denn die EuErbVO enthält Regelungen für eine Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 5 EuErbVO) und eine rügelose Einlassung (Art. 9 EuErbVO). Daneben sieht Art. 7 lit. c) EuErbVO vor, dass eine ausdrückliche Anerkennung unter bestimmten Voraussetzungen die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründen kann. Bevor nachfolgend auf diese Regelungen eingegangen wird, erfolgt ein kurzer Überblick über den sachlichen Anwendungsbereich und das Zuständigkeitssystem der EuErbVO.

§ 28 Sachlicher Anwendungsbereich Die EuErbVO findet auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen Anwendung (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuErbVO). Von dieser positiven Umschreibung des sachlichen Anwendungsbereichs nimmt die EuErbVO allerdings verschiedene Angelegenheiten ausdrücklich aus. Dies trifft zunächst auf die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO genannten öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu, für deren Regelung der Verordnungsgeber nach Art. 81 AEUV ohnehin nicht ermächtigt gewesen wäre.1997 Daneben werden in Art. 1 Abs. 2 EuErbVO verschiedene Angelegenheiten zivilrechtlicher Art ausgenommen. Ein echter Ausnahmekatalog ist darin allerdings nicht zu erblicken, weil diese zivilrechtlichen Angelegenheiten nicht unter den in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuErbVO positiv umschriebenen sachlichen Anwendungsbereich fallen würden.1998 Der Verordnungsgeber wollte durch diesen Ausnahmekatalog vielmehr für Klarheit sorgen.1999 Auf die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs durch Art. 1 EuErbVO wird schließlich auch in einer Vielzahl der Vorschriften Bezug genommen, indem von einer Erbsache die Rede ist.

1995

Erwägungsgrund Nr. 7 zur EuErbVO. Ausführlich dazu: DNotI-Bericht, S. 241 ff. 1997 Vgl. Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 8 f. Siehe dazu auch: Erwägungsgrund Nr. 10 zur EuErbVO. 1998 Vgl. Rauscher/Rauscher (Bearbeitung 2010), Einf EG-ErbVO-E Rn. 8. 1999 Erwägungsgrund Nr. 11 zur EuErbVO. 1996

§ 28 Sachlicher Anwendungsbereich

359

A. Erbsache Der Begriff der Erbsache wird in der EuErbVO nicht näher umschrieben.2000 Gemeint sind damit sämtliche Verfahren, die im Zusammenhang mit der Rechtsnachfolge von Todes wegen geführt werden und mithin in den sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO fallen. Der zentrale Begriff der Rechtsnachfolge von Todes wegen ist verordnungsautonom auszulegen, wobei insbesondere auf die Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 1 lit. a) EuErbVO zurückgegriffen werden kann.2001 Hiernach bezeichnet der Begriff der Rechtsnachfolge von Todes wegen jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge, durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge.2002 Welche Fragen hierdurch im Einzelnen erfasst sein können, beantwortet teilweise die positive Umschreibung des Erbstatuts in Art. 23 Abs. 2 EuErbVO.2003 Steht ein Verfahren im Zusammenhang mit einem der hier aufgezählten Aspekte, so handelt es sich um eine Erbsache. Die im innerstaatlichen Recht von Deutschland anzutreffende Unterscheidung der Erbsachen zwischen zivilprozessualen Verfahren und nachlassgerichtlichen Verfahren spielt für den sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO keine Rolle.2004

B. Ausgeschlossene Angelegenheiten Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO gilt die EuErbVO nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsgerichtliche Angelegenheiten. Demnach steht es dem nationalen Gesetzgeber insbesondere frei, ob und wie er Steuern oder sonstige Verbindlichkeiten öffentlich-rechtlicher Art bei Erbfällen rechtlich ausgestaltet.2005 Die nach Art. 1 Abs. 2 EuErbVO vor allem aus Gründen der Klarheit vom sachlichen Anwendungsbereich ausdrücklich ausgenommenen zivilrechtlichen Angelegenheiten betreffen vorwiegend Fragen, die es regelmäßig im Zusammenhang mit einer Erbsache zu beantworten gilt.2006 So sind mit dem Personenstand oder 2000

(427). 2001

FAKomm-ErbR/Martiny, Nach Art. 26 EGBGB Rn. 17; Volmer, Rpfleger 2013, 421

Kommissionsvorschlag EuErbVO, KOM(2009) 154 endg., S. 5; FAKomm-ErbR/ Martiny, Nach Art. 26 EGBGB Rn. 40; Dörner, ZEV 2012, 505 (506 f.); Vollmer, ZErb 2012, 227 (229); Döbereiner, MittBayNot 2013, 358 (359). 2002 Erwägungsgrund Nr. 9 zur EuErbVO. 2003 Dutta, FamRZ 2013, 4 (5); Dörner, ZEV 2012, 505 (507); Volmer, Rpfleger 2013, 421 (427). 2004 Erwägungsgrund Nr. 59 zur EuErbVO; vgl. Volmer, Rpfleger 2013, 421 (427). Zum dt. Recht: M. von Savigny/Schäuble, in: Hausmann/Hohloch, Kap. 25 Rn. 5 ff. 2005 Erwägungsgrund Nr. 10 zur EuErbVO; FAKomm-ErbR/Martiny, Nach Art. 26 EGBGB Rn. 18. 2006 Erwägungsgrund Nr. 11 zur EuErbVO.

360

Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

der Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit etwa solche Aspekte benannt, die als Vorfrage in einer Erbsache von Bedeutung sein können.2007 Mit den Fragen des ehelichen Güterrechts, den Fragen des Gesellschaftsrechts oder der sonstigen Übertragung von Rechten und Vermögenswerten spricht die EuErbVO demgegenüber solche Aspekte an, bei denen eine Abgrenzung zur Erbsache Probleme bereiten kann.2008 Der Verordnungsgeber löst somit nicht die mitunter schwierigen Abgrenzungsprobleme, sondern weist lediglich darauf hin.2009 Mittelbar europäisiert er jedoch bereits den Inhalt der abzugrenzenden Angelegenheiten, soweit diese nicht sogar bereits vom sachlichen Anwendungsbereich anderer europäischer Verordnungen erfasst werden.2010

§ 29 Zuständigkeitssystem der EuErbVO A. Überblick Die Zuständigkeitsvorschriften sind im Kapitel II der EuErbVO enthalten. Die darin enthaltenen Art. 4 ff. EuErbVO gehen den nationalen Zuständigkeitsvorschriften vor (vgl. Art. 288 Abs. 2 Satz 2 AEUV). Das daraus resultierende Zuständigkeitssystem für Erbsachen ist in sich geschlossen, sodass ein Rückgriff auf nationale Vorschriften für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit ausscheidet. Bei der Bestimmung der örtlichen, sachlichen und funktionellen Zuständigkeit kommt dem innerstaatlichen Zuständigkeitsrecht der Mitgliedstaaten allerdings weiterhin eine Bedeutung zu, weil sich der Verordnungsgeber in der EuErbVO grundsätzlich auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit beschränkt.2011 Das Zuständigkeitssystem stellt den Verfahrensbeteiligten mehrere internationale Zuständigkeiten zur Verfügung. Die zentrale Vorschrift im Zuständigkeitssystem ist dabei Art. 4 EuErbVO, der die allgemeine Zuständigkeit in Erbsachen regelt. Daneben existieren in den Art. 5, 6, 7, 8 und 9 EuErbVO verschiedene Sondervorschriften für den Fall, dass der Erblasser eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO getroffen hat. Darüber hinaus enthält Art. 10 EuErbVO eine subsidiäre Zuständigkeit und Art. 11 EuErbVO eine Notzuständigkeit (forum necessitatis). Zudem kommt unter den Voraussetzungen des Art. 12 EuErbVO eine zuständigkeitsrechtliche Beschränkung des Verfahrens durch das angerufene Gericht in Betracht. Dem 2007 Siehe aber: Art. 23 Abs. 2 lit. c) EuErbVO und Art. 26 EuErbVO. Vgl. Rauscher/ Rauscher (Bearbeitung 2010), Einf EG-ErbVO-E Rn. 8; FAKomm-ErbR/Martiny, Nach Art. 26 EGBGB Rn. 20. 2008 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 12, 13 und 14 zur EuErbVO. 2009 Ausführlich zu den Abgrenzungsfragen: Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2393 f.); Burandt, FuR 2013, 377 (378 f.); Dörner, ZEV 2012, 505 (507 ff.); Döbereiner, MittBayNot 2013, 358 (359 ff.). 2010 Dörner, ZEV 2012, 505 (507). 2011 Vgl. dazu auch Art. 2 EuErbVO; Dutta, FamRZ 2013, 4 (5).

§ 29 Zuständigkeitssystem der EuErbVO

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nachfolgend enthält Art. 13 EuErbVO für die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, eines Vermächtnisses oder eines Pflichtteils eine Sondervorschrift. Das Zuständigkeitssystem der EuErbVO wird sodann durch die Vorschriften zur Anrufung des Gerichts, zur Prüfung der Zuständigkeit und Zulässigkeit, zur Rechtshängigkeit und zu im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie zu einstweiligen Maßnahmen abgeschlossen (Art. 14, 15, 16, 17, 18 und 19 EuErbVO). Diese orientieren sich inhaltlich an den übrigen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht, wenngleich auch hier verschiedene Anpassungen vorgenommen wurden.2012 Innerhalb der verschiedenen Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO wird schließlich nicht danach unterschieden, ob die Entscheidung in der Erbsache in einem streitigen oder unstreitigen Verfahren ergehen soll. Erwägungsgrund Nr. 59 zur EuErbVO kann vielmehr entnommen werden, dass es auf diese Unterscheidung im Rahmen der EuErbVO generell nicht ankommen soll.2013 Dementsprechend wird der Begriff des Gerichts in Art. 3 Abs. 2 EuErbVO weit gefasst, um gerade „den verschiedenen Systemen zur Regelung von Erbsachen Rechnung zu tragen“.2014 Somit kommt es auch im Zuständigkeitssystem der EuErbVO nicht auf die im innerstaatlichen Recht von Deutschland anzutreffende Unterscheidung zwischen zivilprozessualen Verfahren und nachlassgerichtlichen Verfahren an.2015

B. Allgemeine Zuständigkeit Nach Art. 4 EuErbVO sind für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Der Verordnungsgeber erklärt damit den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Todeszeitpunkt zu dem zentralen Anknüpfungskriterium für die internationale Zuständigkeit. Hierdurch zielt er auf einen Gleichlauf von gerichtlicher Prüfungskompetenz und anwendbarem materiellen Recht ab.2016 Denn der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Todeszeitpunkt ist innerhalb der EuErbVO ebenso das 2012 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 34 und 35 zur EuErbVO. Zu den Anpassungen etwa: Dutta, FamRZ 2013, 4 (8). 2013 Siehe auch: Kommissionsvorschlag EuErbVO, KOM(2009) 154 endg., S. 5 f. 2014 Erwägungsgrund Nr. 20 zur EuErbVO. Siehe auch: Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2394); Burandt, FuR 2013, 377 (379); Remde, RNotZ 2012, 65 (71). 2015 FAKomm-ErbR/Martiny, Nach Art. 26 EGBGB Rn. 53; Schack, IZVR, § 8 Rn. 441d; Dörner, ZEV 2012, 505 (509); Wilke, RIW 2012, 601 (602); Dutta, FamRZ 2013, 4 (5); Volmer, Rpfleger 2013, 421 (427); Kindler, IPRax 2010, 44 (45). 2016 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 27 zur EuErbVO. Siehe auch: FAKomm-ErbR/Martiny, Nach Art. 26 EGBGB Rn. 54; Schack, IZVR, § 8 Rn. 441d; Cach/Weber, ZfRV 2013, 263 (269); Dörner, ZEV 2012, 505 (509); Burandt, FuR 2013, 377 (379); Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2394); Kunz, GPR 2012, 208 (209); Rauscher/Rauscher (Bearbeitung 2010), Einf EG-ErbVO-E Rn. 14; Remde, RNotZ 2012, 65 (71).

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Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

zentrale Kriterium für die kollisionsrechtliche Anknüpfung (vgl. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Das Anknüpfungskriterium ist aber auch mit Blick auf die Sachnähe der zur Entscheidung berufenen mitgliedstaatlichen Gerichte vorteilhaft, weil sich insbesondere die Nachlassgegenstände, potenziellen Erben und Nachlassgläubiger in diesem Mitgliedstaat typischerweise befinden.2017 Die somit gewährleistete Rechtsund Sachnähe beschleunigt und verbilligt den Prozess, da eine mitunter zeitraubende und kostenintensive Ermittlung des fremden Sachrechts und des entscheidungserheblichen Sachverhalts vermieden wird.2018 Letztlich ist der Gleichlauf sogar mit Blick auf die materielle Gerechtigkeit zu begrüßen, da das angerufene Gericht sein eigenes Recht mit einer höheren „Treffsicherheit“ anwenden kann als ein fremdes Recht.2019 Obwohl der gewöhnliche Aufenthalt als zuständigkeits- und kollisionsrechtliches Anknüpfungskriterium eine zentrale Rolle in der EuErbVO einnimmt, hat der Verordnungsgeber von einer Legaldefinition des Begriffs abgesehen.2020 Darin entspricht die EuErbVO insbesondere der EuUntVO und der Brüssel IIa-VO, welche ebenfalls den gewöhnlichen Aufenthalt nicht definieren.2021 In den Erwägungsgründen Nr. 23 und 24 zur EuErbVO hat der Verordnungsgeber allerdings gewisse Vorgaben gemacht, die es bei der gebotenen verordnungsautonomen Auslegung des Begriffs zu beachten gilt.2022 Die verordnungsautonome Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte danach im Wege einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers und insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts erfolgen.2023 Damit greift der Verordnungsgeber teilweise auf die Rechtsprechung des EuGH zur Brüssel IIa-VO zurück, was aus systematischen Erwägungen heraus durchaus nahe liegt.2024 Der gewöhnliche Aufenthalt dürfte daher im Rahmen der EuErbVO ebenfalls als der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person verstanden werden.2025 Um die spezifischen Ziele der EuErbVO zu berücksichtigen, muss der gewöhnliche Aufenthalt allerdings „eine

2017 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 zur EuErbVO; Kommissionsvorschlag EuErbVO, KOM (2009) 154 endg., S. 5 f.; Wilke, RIW 2012, 601 (602 f.); Kindler, IPRax 2010, 44 (45). 2018 Kindler, in: Liber Amicorum Siehr, S. 251 (255); Remde, RNotZ 2012, 65 (71); FAKomm-ErbR/Martiny, Nach Art. 26 EGBGB Rn. 54; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2394). 2019 Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 110; vgl. auch: Kindler, in: Liber Amicorum Siehr, S. 251 (255). 2020 Kritisch: Lehmann, DStR 2012, 2085 (2086). 2021 Siehe dazu unter Teil 4, § 19, C.I.1.a), Teil 5, § 24, B.I. und Teil 5, § 24, C.I. 2022 Zur Auslegung im EuZVR ausführlich unter Teil 1, § 2, C.III. 2023 Erwägungsgrund Nr. 23 zur EuErbVO. 2024 Vgl. EuGH, Urt. v. 2. 4. 2009 (A), Rs. C-523/07, Slg. 2009, I-2805, Rn. 37 ff.; EuGH, Urt. v. 22. 12. 2010 (Mercredi), Rs. C-497/10, Slg. 2010, I-14309, Rn. 47 ff.; Dutta, FamRZ 2013, 4 (5); Dörner, ZEV 2012, 505 (510). 2025 Vgl. Dörner, ZEV 2012, 505 (510).

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besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen“.2026 Trotz dieser Vorgaben kann im Einzelfall die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts als Lebensmittelpunkt des Erblassers schwierig sein, wie dies der Verordnungsgeber für verschiedene Fallgruppen in Erwägungsgrund Nr. 24 zur EuErbVO auch ausdrücklich zugesteht.2027

C. Sondervorschriften für Rechtswahl Trifft der Erblasser für die Rechtsnachfolge von Todes wegen eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO, so findet das Recht des Staates Anwendung, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehört. Durch die damit einhergehende Änderung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung wird zugleich der angestrebte Gleichlauf von gerichtlicher Prüfungskompetenz und anwendbarem materiellen Recht in Frage gestellt. Der Verordnungsgeber hat daher in den Art. 5 ff. EuErbVO Vorschriften erlassen, um gegebenenfalls den angestrebten Gleichlauf wiederherzustellen.2028 Dies kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Hierunter zählen insbesondere die Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO, die ausdrückliche Anerkennung nach Art. 7 lit. c) EuErbVO und die rügelose Einlassung nach Art. 9 EuErbVO.2029 Daneben kann sich das angerufene Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes auf Antrag einer der Verfahrensparteien nach Art. 6 lit. a) EuErbVO für unzuständig erklären. Dies setzt voraus, dass das angerufene Gericht die Gerichte des Mitgliedstaats des gewählten Rechts aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls für besser geeignet ansieht, die Erbsache zu entscheiden. Dies ähnelt stark der angloamerikanischen doctrine of forum non conveniens.2030 Erklärt sich das angerufene Gericht aufgrund dessen für unzuständig, sind nach Art. 7 lit. a) EuErbVO die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, dessen Recht gewählt wurde. Der Verordnungsgeber verzichtet damit auf ein kooperatives Abgabeverfahren im Sinne des Art. 15 Brüssel IIa-VO und erklärt stattdessen die besser geeigneten Gerichte für international zuständig.2031

2026

Erwägungsgrund Nr. 23 zur EuErbVO; kritisch: Dörner, ZEV 2012, 505 (510). Vollmer, ZErb 2012, 227 (230). 2028 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 27 zur EuErbVO; Dutta, FamRZ 2013, 4 (6); Simon/ Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2394); Wilke, RIW 2012, 601 (603 f.). 2029 Dazu sogleich ausführlich. 2030 Vgl. Zöller/Geimer, Art. 6 EuErbVO Rn. 2; FAKomm-ErbR/Martiny, Nach Art. 26 EGBGB Rn. 60; Schack, IZVR, § 8 Rn. 441d; Wilke, RIW 2012, 601 (603 f.); Dutta, FamRZ 2013, 4 (6); Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2394); Kohler/Pintens, FamRZ 2012, 1425 (1426); Heinig, RNotZ 2014, 197 (225). Siehe dazu auch oben unter Teil 2, § 7, D.III.4. 2031 Anders noch Art. 5 des Kommissionsvorschlags EuErbVO, KOM(2009) 154 endg., S. 17. 2027

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Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

Schließlich regelt Art. 8 EuErbVO für von Amts wegen eingeleitete Verfahren, dass eine Vereinbarung der Verfahrensparteien das Verfahren beendet, wenn hierdurch die Erbsache außergerichtlich und einvernehmlich in dem Mitgliedstaat geregelt werden soll, dessen Recht der Erblasser nach Art. 22 EuErbVO gewählt hat.2032

D. Subsidiäre Zuständigkeit Hält sich der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes nicht in einem Mitgliedstaat für gewöhnlich auf, scheidet eine internationale Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO aus. Im Einzelfall kann diese Zuständigkeitsverteilung jedoch zu fragwürdigen Ergebnissen führen, wenn die Erbsache dennoch eine Vielzahl von Berührungspunkten zu einem Mitgliedstaat aufweist.2033 Denn aus Gründen der Sachnähe erscheint dann die Zuständigkeit der Gerichte des jeweiligen Mitgliedstaats durchaus angezeigt. Um in solchen Fallkonstellationen dem Bedürfnis nach einem sachnahen Gericht europaweit durch eine einheitliche Regelung gerecht zu werden, schuf der Verordnungsgeber in Art. 10 EuErbVO eine subsidiäre Zuständigkeit, die an das Nachlassvermögen anknüpft.2034 Nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO sind mitgliedstaatliche Gerichte jedenfalls zur Entscheidung über solches Nachlassvermögen befugt, das sich im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats befindet. Diese mitgliedstaatlichen Gerichte können sogar für den gesamten Nachlass zuständig sein, wenn der Erblasser zudem die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats im Zeitpunkt seines Todes besaß (Art. 10 Abs. 1 lit. a) EuErbVO) oder, wenn dies nicht der Fall sein sollte, der Erblasser seinen früheren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte und dies nicht länger als fünf Jahre zurückliegt (Art. 10 Abs. 1 lit. b) EuErbVO).

E. Notzuständigkeit Angesichts des Justizgewährungsanspruchs muss den Verfahrensbeteiligten ausnahmsweise auch dann der Zugang zu einem mitgliedstaatlichen Gericht ermöglicht werden, wenn die Einleitung oder Führung eines Verfahrens vor den eigentlich zuständigen Gerichten eines Drittstaats unzumutbar oder unmöglich ist (Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 Grundrechte-Charta). Aus diesem Grund hat der Verordnungsgeber in Art. 11 EuErbVO eine Notzuständigkeit (forum necessitatis) geschaffen, die jedoch einen ausreichenden Bezug zum Mitgliedstaat des angeru-

2032 2033 2034

Siehe dazu auch: Erwägungsgrund Nr. 29 zur EuErbVO. Dutta, FamRZ 2013, 4 (6). Vgl. Erwägungsgrund Nr. 30 zur EuErbVO; Wilke, RIW 2012, 601 (604).

§ 30 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO

365

fenen Gerichts voraussetzt.2035 Als Vorbild für diese Vorschrift dürfte Art. 7 EuUntVO gedient haben.2036

F. Besondere Zuständigkeit für bestimmte erbrechtliche Erklärungen Für eine gegenüber einem Gericht abzugebende Erklärung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, eines Vermächtnisses oder eines Pflichtteils oder Erklärungen zur Begrenzung der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten sieht Art. 13 EuErbVO eine besondere Zuständigkeit vor.2037 Hiernach sind zur Entgegennahme solcher Erklärungen außer den gemäß der EuErbVO zuständigen Gerichten ebenso die Gerichte desjenigen Mitgliedstaats zuständig, in dem der Erklärende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Allerdings setzt die besondere Zuständigkeit des Art. 13 EuErbVO voraus, dass solche Erklärungen nach dem Recht dieses Mitgliedstaats überhaupt vor einem Gericht abgegeben werden können. Hierdurch soll dem Interesse des Erben und Vermächtnisnehmers gedient und die Abgabe solcher zumeist fristgebundenen Erklärungen nicht durch die EuErbVO unnötig erschwert werden.2038

§ 30 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO A. Rechtswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Rechts Die Möglichkeit, in einer Erbsache eine Gerichtsstandsvereinbarung abzuschließen, kommt nach Art. 5 EuErbVO nur dann in Betracht, wenn der Erblasser nach Art. 22 EuErbVO eine Rechtswahl getroffen und dabei das Recht eines Mitgliedstaats gewählt hat. Dies setzt wiederum voraus, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes einem Mitgliedstaat angehört hat. Denn der Verordnungsgeber gibt in Art. 22 EuErbVO der Parteiautonomie nicht umfassend Raum, indem er dem Erblasser eine freie Wahl des anwendbaren Rechts ermöglicht.2039 Vielmehr kann nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO lediglich das Recht des Staates gewählt werden, dem der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes angehört. Hierdurch soll eine Verbindung zwischen dem Erblasser und dem 2035

Erwägungsgrund Nr. 31 zur EuErbVO. Dörner, ZEV 2012, 505 (510); Dutta, FamRZ 2013, 4 (7). 2037 Dutta, FamRZ 2013, 4 (7 f.). 2038 Erwägungsgrund Nr. 32 zur EuErbVO; Rauscher/Rauscher (Bearbeitung 2010), Einf EG-ErbVO-E Rn. 23; Remde, RNotZ 2012, 65 (71). 2039 In der Überschrift des Art. 17 des Kommissionsvorschlags EuErbVO war erstaunlicherweise aber noch von einer freien Rechtswahl die Rede, KOM(2009) 154 endg., S. 21. Siehe dazu: MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (606 ff.); Wilke, RIW 2012, 601 (605). 2036

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Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

gewählten Recht gewährleistet und zugleich eine absichtliche Vereitelung der berechtigten Erwartungen eines Pflichtteilsberechtigten durch eine Rechtswahl vermieden werden.2040 Weiterhin muss die Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 2 EuErbVO entweder ausdrücklich in Form einer Verfügung von Todes wegen erklärt werden oder sich konkludent aus den Bestimmungen einer Verfügung von Todes wegen ergeben.2041 Welchen Formanforderungen eine solche Verfügung von Todes wegen dabei unterliegt, kann Art. 27 EuErbVO entnommen werden.2042 Ob die Rechtswahl materiell-rechtlich wirksam getroffen wurde, ist nach Art. 22 Abs. 3 EuErbVO anhand des vom Erblasser gewählten Rechts zu beantworten.2043 Diese zirkulär anmutende Verweisung auf das gewählte Recht existiert ebenso bei der Rechtswahl im Anwendungsbereich der Rom I-VO.2044 Ferner ist zu beachten, dass eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO immer für den gesamten Nachlass getroffen wird (Art. 23 Abs. 1 EuErbVO).2045 Dies vermeidet eine Aufspaltung des Nachlasses durch eine Teilrechtswahl (dépeçage) und dient letztlich der Rechtssicherheit.2046 Schließlich stellt sich die Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO auch dann möglich sein soll, wenn der Erblasser lediglich eine Rechtswahl hinsichtlich der Zulässigkeit und materiellen Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen nach Art. 24 Abs. 2 EuErbVO oder eine Rechtswahl hinsichtlich der Zulässigkeit, materiellen Wirksamkeit und Bindungswirkungen eines Erbvertrags nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO getroffen hat.2047 Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 EuErbVO scheint dies nicht möglich zu sein, da dieser nur auf die umfassende Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO Bezug nimmt. Allerdings hätte dies zur Folge, dass das mit der Verfügung von Todes wegen oder dem Erbvertrag befasste Gericht mitunter fremdes Recht anwenden müsste. Der angestrebte Gleichlauf von gerichtlicher Prüfungskompetenz und anwendbarem materiellen Recht spricht somit jedenfalls dann für eine Anwendung des Art. 5 EuErbVO, wenn das angerufene Gericht nur über die Verfügung von Todes wegen oder den Erbvertrag, nicht aber zugleich über die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen entscheidet.2048 Dass 2040 Erwägungsgrund Nr. 38 zur EuErbVO. Zu verschiedenen Aspekten der Rechtswahlberatung: Lehmann, DStR 2012, 2085 (2087 f.). 2041 Ausführlich: Nordmeier, GPR 2013, 148 (151 f.); Cach/Weber, ZfRV 2013, 263 (265 f.); Vollmer, ZErb 2012, 227 (231). 2042 Leitzen, ZEV 2013, 128 (129); Nordmeier, GPR 2013, 148 (152 f.). 2043 Erwägungsgrund Nr. 40 zur EuErbVO; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358 (363). 2044 Vgl. Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO i.V.m. Art. 10 Rom I-VO. Dazu etwa: Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 3 Rom I-VO Rn. 13. 2045 Dutta, FamRZ 2013, 4 (9); Döbereiner, DNotZ 2014, 323 (324); Nordmeier, GPR 2013, 148 (154). 2046 Erwägungsgrund Nr. 37 zur EuErbVO; Cach/Weber, ZfRV 2013, 263 (264). 2047 Dies befürwortend: Dutta, FamRZ 2013, 4 (6); wohl a.A.: Janzen, DNotZ 2012, 484 (491). 2048 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 27 und 28 zur EuErbVO.

§ 30 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO

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solche spezifischen Fragen innerhalb einer Erbsache eine gesonderte zuständigkeitsrechtliche Behandlung erfahren können, zeigt Erwägungsgrund Nr. 28 zur EuErbVO. Dieser teleologischen Erwägung kann letztlich auch die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie zur Seite gestellt werden.2049 Insgesamt überzeugt es daher, Art. 5 EuErbVO auch bei einer Rechtswahl nach Art. 24 Abs. 2 EuErbVO und Art. 25 Abs. 3 EuErbVO für möglich anzusehen.

B. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich I. Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 5 EuErbVO setzt lediglich voraus, dass die betroffenen Parteien eine Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts treffen. Dies erklärt sich daraus, dass der Verordnungsgeber kompetenzrechtlich nicht in der Lage ist, einem drittstaatlichen Gericht die Verpflichtung aufzuerlegen, Gerichtsstandsvereinbarung in Erbsachen nach Art. 5 EuErbVO zu prüfen und als bindend anzusehen.2050 Auf die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt der betroffenen Parteien kommt es hingegen nicht an. Nach Art. 5 Abs. 1 EuErbVO können folglich Parteien aus Drittstaaten ebenfalls eine Gerichtsstandsvereinbarung in Erbsachen treffen, sofern sie die Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte wählen. II. Teleologische Reduktion 1. Ausschluss von reinen Inlandssachverhalten Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der EuErbVO ist selbst dann eröffnet, wenn die Erbsache keinen grenzüberscheitenden Bezug aufweist. Denn der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 EuErbVO erfasst auch eine solche Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts, bei der die zugrundeliegende Erbsache ein reiner Inlandssachverhalt ist. Insbesondere gewährleistet die Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO keinen grenzüberschreitenden Bezug. Denn eine solche Rechtswahl ist auch dann möglich, wenn der Erblasser das Recht des Staates wählt, dem er angehört und in dem er sich für gewöhnlich aufhält. Ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 38 zur EuErbVO soll die Rechtswahlmöglichkeit den Bürgern nämlich gerade ermöglichen, ihren Nachlass vorab zu regeln und somit insbesondere einer möglichen Veränderung ihres gewöhnlichen Aufenthalts vorzubeugen. Eine derart weitreichende Bedeutung des Art. 5 EuErbVO ist allerdings abzulehnen. Zwar enthält die EuErbVO keine positive oder negative Umschreibung einer 2049 2050

Dutta, FamRZ 2013, 4 (6). R. Magnus, IPRax 2013, 393 (395).

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Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

grenzüberschreitenden Rechtssache oder eines internationalen Sachverhalts.2051 In verschiedenen Erwägungsgründen zur EuErbVO wird jedoch deutlich, dass der Verordnungsgeber nur Erbsachen mit grenzüberschreitendem Bezug erfassen wollte.2052 Eine Regelung von reinen Inlandssachverhalten wäre ferner nicht von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 AEUV gedeckt, da hiernach nur Maßnahmen in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug erlassen werden können.2053 Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 5 EuErbVO ist demnach teleologisch zu reduzieren, sodass dieser keine Geltung für reine Inlandssachverhalte beansprucht. Dafür spricht letztlich auch der systematische Vergleich mit Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel Ia-VO und Art. 4 EuUntVO, bei denen ebenfalls eine teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs vorzunehmen ist.2054 2. Kein Ausschluss von Drittstaatensachverhalten Weist die Erbsache lediglich Bezüge zu einem Mitgliedstaat und zu einem oder mehreren Drittstaaten auf, so ist der räumlich-persönliche Anwendungsbereich des Art. 5 EuErbVO dennoch eröffnet. Denn der erforderliche grenzüberschreitende Bezug muss gerade nicht zu einem anderen Mitgliedstaat bestehen. Insbesondere lässt sich dies nicht aus der Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 AEUV ableiten, da das kompetenzrechtliche Erfordernis des Binnenmarktbezugs gerade weit zu verstehen ist. Zudem deutet auch der Normtext der EuErbVO darauf hin, dass der Verordnungsgeber die Drittstaatensachverhalte mit einbeziehen wollte.2055 Schließlich ist dies mittlerweile auch im Zuständigkeitssystem der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO allgemein anerkannt und dürfte ebenso für die Zuständigkeiten der EuUntVO gelten.2056 3. Qualitative Anforderungen an den grenzüberschreitenden Bezug In qualitativer Hinsicht sollte im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zur Brüssel I-VO zur Bejahung eines grenzüberschreitenden Bezugs stets genügen, wenn „die in einem Rechtsstreit in Rede stehende Situation Fragen hinsichtlich der 2051

So aber: Art. 3 Abs. 1 EuGFVO, Art. 3 Abs. 1 EuMahnVO und Art. 1 Abs. 2 HGÜ. Siehe nur: Erwägungsgründe Nr. 7 und 67 zur EuErbVO. 2053 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 1 zur EuErbVO. Siehe oben unter Teil 1, § 2, C.II. 2054 Siehe oben unter Teil 2, § 7, A.IV., Teil 3, § 13, A.II. und Teil 4, § 19, A.II.1. 2055 Vgl. Art. 20 EuErbVO und damit einhergehend die fehlende Begrenzung des gewöhnlichen Aufenthalts in und der Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedstaat innerhalb des Art. 21 EuErbVO und Art. 22 EuErbVO. Siehe auch: Majer, ZEV 2011, 445 (447). 2056 Statt aller: EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 35; EuGH, Urt. v. 13. 7. 2000 (Group Josi), Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925, Rn. 59; Rauscher/ Mankowski (Bearbeitung 2010), Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 4 ff. Siehe oben unter Teil 2, § 7, A.IV., Teil 3, § 13, A.II. und Teil 4, § 19, A.II.2. 2052

§ 30 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO

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Bestimmung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte aufwerfen kann“.2057 Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn zuständigkeitsrelevante Anknüpfungskriterien der EuErbVO ins Ausland weisen. Demnach kann insbesondere der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers, die räumliche Lage von Nachlassvermögen oder der gewöhnliche Aufenthalt eines Verfahrensbeteiligten den erforderlichen grenzüberschreitenden Bezug begründen. 4. Konsequenzen für die praktische Anwendung In der praktischen Anwendung des Art. 5 EuErbVO führt die teleologische Reduktion indes nicht dazu, dass stets ein grenzüberschreitender Bezug positiv festzustellen ist. Vielmehr ist der räumlich-persönliche Anwendungsbereich grundsätzlich als eröffnet anzusehen, sobald die betroffenen Parteien eine Zuständigkeitswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts treffen. Denn auch in Erbsachen gilt, dass der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung künftigen Ungewissheiten vorbeugt und damit für Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit sorgt. Folglich sollte die teleologische Reduktion als ein ungeschriebener Ausnahmetatbestand verstanden werden, der im Falle eines reinen Binnensachverhalts aus räumlich-persönlicher Sicht die Anwendung des Art. 5 EuErbVO ausschließt. III. Teleologische Extension Nicht vom räumlich-persönlichen Anwendungsbereich des Art. 5 EuErbVO erfasst sind Gerichtsstandsvereinbarungen in Erbsachen, bei denen ein drittstaatliches Gericht für zuständig erklärt wird. Wird durch eine solche Gerichtsstandsvereinbarung allerdings ein drittstaatliches Gericht von den betroffenen Parteien für ausschließlich zuständig erklärt, steht die Frage im Raum, wie die damit mitunter einhergehende Derogation mitgliedstaatlicher Gerichte rechtlich zu beurteilen ist. Zunächst könnte daran gedacht werden, den Wortlaut des Art. 5 EuErbVO ernst zu nehmen und damit eine Derogation mitgliedstaatlicher Gerichte durch eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts nicht für möglich zu halten.2058 Dies kann jedoch aus mehreren Gründen nicht überzeugen. Der Verordnungsgeber räumt nämlich durch Art. 22 Abs. 1 EuErbVO dem Erblasser zumindest begrenzt eine kollisionsrechtliche Parteiautonomie ein und ermöglicht dabei auch die Wahl drittstaatlichen Rechts. Versteht man Art. 5 EuErbVO als zuständigkeitsrechtliches Gegenstück hierzu, so muss auch eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts von den Mitgliedstaaten beachtet werden. Dies gilt umso mehr, als der Verordnungsgeber ja 2057

EuGH, Urt. v. 17. 11. 2011 (Lindner), Rs. C-327/10, Slg. 2011, I-11543, Rn. 30 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 (Owusu), Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Rn. 26. Siehe oben unter Teil 2, § 7, A.IV.3. 2058 Hiervon ausgehend, dies aber kritisierend: R. Magnus, IPRax 2013, 393 (395).

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Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

gerade sicherstellen will, dass die Gerichte ihr eigenes Recht anwenden.2059 Warum sollte ein Gleichlauf von gerichtlicher Prüfungskompetenz und anwendbarem materiellen Recht nicht auch bei einer Wahl drittstaatlichen Rechts angestrebt werden? Demnach darf die derogative Wirkung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten drittstaatlicher Gerichte nicht schlichtweg ignoriert werden. Da die Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO ein in sich geschlossenes Zuständigkeitssystem bilden, scheidet als rechtlicher Maßstab zur Beurteilung der Derogation jedenfalls das nationale Recht der Mitgliedstaaten aus. Vielmehr muss versucht werden, einen europaweit einheitlichen Maßstab anhand der EuErbVO zu finden. Insofern erscheint eine teleologische Extension des Art. 5 EuErbVO naheliegend.2060 Denn Art. 5 EuErbVO erkennt zumindest implizit die Derogation mitgliedstaatlicher Gerichte bei einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts an. Überdies ist Art. 5 EuErbVO gerade auch Ausdruck des angestrebten Gleichlaufs von gerichtlicher Prüfungskompetenz und anwendbarem materiellen Recht.2061 Die für Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten drittstaatlicher Gerichte in Art. 5 EuErbVO sprachlich unzureichend zum Ausdruck gekommene Wertentscheidung des Verordnungsgebers sollte daher entsprechend erweitert werden. Demnach hat sich ein vereinbarungswidrig angerufenes Gericht eines Mitgliedstaats auch dann für unzuständig zu erklären, wenn eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines drittstaatlichen Gerichts vorliegt und diese den Anforderungen des Art. 5 EuErbVO genügt.2062 Damit ergibt sich innerhalb der EuErbVO eine zur Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO und zur EuUntVO parallele Lösung dieser Problematik.2063 IV. Maßgeblicher Zeitpunkt Zwischen dem Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung und der Erbsache, in dem diese ihre Wirkung entfalten soll, kann ein längerer Zeitraum liegen. In diesem Zeitraum können sich die zuständigkeitsrelevanten tatsächlichen Verhältnisse ändern. So kann etwa im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung noch der erforderliche grenzüberschreitende Bezug vorliegen, es sich bei Anrufung des Gerichts aber mittlerweile wieder um einen reinen Inlandssachverhalt handeln. Dies ist natürlich auch umgekehrt vorstellbar.

2059

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 27 zur EuErbVO. Allgemein zur teleologischen Extension: Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, § 11 Rn. 486 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, § 23 Rn. 904 f. 2061 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 27 und 28 zur EuErbVO. 2062 So auch: Heinig, RNotZ 2014, 197 (226). 2063 Siehe oben unter Teil 2, § 7, A.V., Teil 3, § 13, A.III. und Teil 4, § 19, A.III. 2060

§ 30 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO

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In diesen Situationen stellt sich die Frage, in welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 5 EuErbVO vorliegen müssen. Die Antwort darauf sollte ebenso wie im Rahmen des Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel Ia-VO und des Art. 4 EuUntVO gegeben werden.2064 Hiernach ist disjunktiv auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung und den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts abzustellen.

C. Wirksamkeitsvoraussetzungen I. Form Eine Gerichtsstandsvereinbarung in Erbsachen bedarf nach Art. 5 Abs. 2 EuErbVO der Schriftform. Ihr sind elektronische Übermittlungen gleichgestellt, soweit diese eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen. Darin entspricht Art. 5 Abs. 2 EuErbVO noch den Formanforderungen der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO und der EuUntVO, welche ebenfalls eine in Schriftform oder durch elektronische Übermittlungen abgefasste Gerichtsstandsvereinbarung als formwirksam ansehen.2065 Allerdings schreibt Art. 5 Abs. 2 Satz 1 EuErbVO weiterhin vor, dass die Gerichtsstandsvereinbarung datiert und von den betroffenen Parteien unterzeichnet werden muss. Dies stellt im Vergleich zur Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO und EuUntVO eine Einschränkung dar. So muss eine Gerichtsstandsvereinbarung in Zivil- oder Unterhaltssachen weder datiert noch unterzeichnet werden.2066 Welchen Zweck der Verordnungsgeber mit diesen zusätzlichen Formanforderungen verfolgt, kann letztlich nur vermutet werden. Jedenfalls schweigen die Erwägungsgründe zur EuErbVO hierzu. Mit dem Erfordernis einer Unterzeichnung könnte der Verordnungsgeber zunächst bezweckt haben, dass die Feststellung der Identität der erklärenden Person erleichtert wird.2067 Denn in einer Erbsache stehen sich üblicherweise mehrere Personen gegenüber, sodass hier der Feststellung der Identität des Erklärenden eine besondere Bedeutung zukommt. Darüber hinaus kann es dem Verordnungsgeber darauf angekommen sein, die Ernstlichkeit der Zuständigkeitswahl hierdurch stärker zu verdeutlichen.2068 In vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden nämlich Gerichtsstandsvereinbarungen in Erbsachen nicht anerkannt.2069 Die gesteigerten Formanforderungen können daher ein Zugeständnis an diese nationalen 2064

Siehe oben unter Teil 2, § 7, A.VI. und Teil 4, § 19, A.IV. Siehe: Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) 1. Alt., Abs. 2 Brüssel I-VO, Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. a) 1. Alt., Abs. 2 Brüssel Ia-VO und Art. 4 Abs. 2 EuUntVO. 2066 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.I.2.a) und Teil 4, § 19, B.I. 2067 Vgl. Staudinger/Hertel, § 126 BGB Rn. 125. 2068 Vgl. Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rn. 88 ff.; Staudinger/Hertel, § 126 BGB Rn. 126. 2069 DNotI-Bericht, S. 198. 2065

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Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

Vorbehalte sein, indem die betroffenen Parteien durch das Erfordernis der Unterzeichnung nochmals zum Überdenken ihrer parteiautonomen Zuständigkeitswahl angehalten werden. Warum der Verordnungsgeber zudem eine Datierung der Gerichtsstandsvereinbarung für erforderlich ansieht, ist nicht so recht ersichtlich. Welche Bedeutung sollte dem genauen Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung zukommen? Allenfalls wäre insofern denkbar, dass die Datierung bei Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit eines Erklärenden oder bei Vorliegen mehrerer Gerichtsstandsvereinbarungen Bedeutung erlangen kann.2070 Dies dürfte bei Gerichtsstandsvereinbarungen in Erbsachen jedoch nicht in erhöhtem Maße wahrscheinlich sein. Der Abschluss mehrerer Gerichtsstandsvereinbarungen erscheint sogar unwahrscheinlicher als im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO oder EuUntVO, da die betroffenen Parteien ohnehin nur die Gerichte des Mitgliedstaats wählen können, dessen Recht der Erblasser gewählt hat (vgl. Art. 5 Abs. 1 EuErbVO). Das Erfordernis der Datierung könnte schließlich noch dann eine Bedeutung gewinnen, wenn man eine Gerichtsstandsvereinbarung in Erbsachen erst nach dem Tod des Erblassers zulassen will.2071 Jedoch ergibt sich weder aus dem Normtext des Art. 5 EuErbVO noch aus den Erwägungsgründen zur EuErbVO, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht bereits zu Lebzeiten des Erblassers abgeschlossen werden kann. II. Materielle Wirksamkeit 1. Vereinbarung Der Verordnungsgeber spricht in Art. 5 Abs. 1 EuErbVO mit dem Begriff der Vereinbarung den vertraglichen Charakter einer Gerichtsstandsvereinbarung zwar an. Er lässt dabei allerdings offen, welche Voraussetzungen an die materielle Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu stellen sind. Verschiedentlich wird daher angenommen, dass die Anforderungen an die materielle Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung dem Erbstatut zu entnehmen sind.2072 Dabei wird jedoch übersehen, dass im Rahmen des Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel Ia-VO und des Art. 4 EuUntVO im Begriff der Vereinbarung eine verordnungsautonome Regelung der Willenseinigung erblickt wird.2073 Bereits aus systematischen Erwägungen heraus sollte dieses Verständnis auf Art. 5 EuErbVO übertragen werden.2074 Überdies stellt eine solche verordnungsautonome Regelung der Willenseinigung sicher, dass Art. 5 EuErbVO zumindest hinsichtlich dieser materiell-rechtlichen 2070

Entsprechendes gilt jedenfalls bei der Datierung eines eigenhändigen Testaments (§ 2247 Abs. 2 BGB), vgl. Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rn. 113 m.w.N. 2071 So etwa: Zöller/Geimer, Art. 5 EuErbVO Rn. 1; offengelassen von: Kunz, GPR 2012, 208 (209); a.A.: Heinig, RNotZ 2014, 197 (226 f.); Dutta, FamRZ 2013, 4 (7). 2072 Dutta, FamRZ 2013, 4 (6); Kunz, GPR 2012, 208 (210). 2073 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II., Teil 3, § 13, B.II.1. und Teil 4, § 19, B.II. 2074 So auch: Heinig, RNotZ 2014, 197 (227); MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (590 f.).

§ 30 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO

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Grundanforderung europaweit einheitlich angewendet wird. Demnach scheidet ein Rückgriff auf nationales Recht bei solchen materiell-rechtlichen Fragestellungen aus, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Willenseinigung stehen. Das Vorliegen der Willenseinigung sollte ferner immer dann vermutet werden, wenn die Formanforderungen des Art. 5 Abs. 2 EuErbVO eingehalten worden sind.2075 2. Rückgriff auf nationales Recht Zur Beantwortung darüber hinausgehender Fragen der materiellen Wirksamkeit muss allerdings auf nationales Recht der Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden. Dabei ist das für Gerichtsstandsvereinbarungen maßgebliche Geschäftsstatut (sog. Prorogationsstatut) wiederum eigenständig anzuknüpfen, wobei die Kollisionsnormen der Rom I-VO entsprechend angewendet werden können.2076 Eine eigenständige Anknüpfung des Prorogationsstatuts entspricht nämlich nicht nur der rechtlichen Selbstständigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Sie führt zudem dazu, dass die gewählten Gerichte ihr eigenes Recht anwenden können.2077 Denn eine Gerichtsstandsvereinbarung weist die engste Verbindung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 Rom IVO zum Recht desjenigen Staates auf, dessen Gerichte für zuständig erklärt werden. Demnach ist insbesondere eine akzessorische Anknüpfung an das Erbstatut abzulehnen,2078 obschon auch diese eine Anwendung eigenen Rechts sicherstellen würde.2079 Aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs der Rom I-VO sind die Teilfragen der Geschäftsfähigkeit und Stellvertretung jedoch wiederum gesondert vom Prorogationsstatut anzuknüpfen. 3. Kreis der „betroffenen Personen“ Mitunter erhebliche Schwierigkeiten bereitet die Beantwortung der Frage, auf welche Personen es überhaupt bei der Vereinbarung ankommt. Im Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 EuErbVO wird lediglich lapidar darauf hingewiesen, dass die „betroffenen Parteien“ eine entsprechende Vereinbarung treffen können. Vom Erbfall bzw. Nachlass betroffen sind jedenfalls die testamentarischen und gesetzlichen Erben.2080 Ebenso können aber auch Vermächtnisnehmer oder Nachlassgläubiger als „betrof-

2075 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997 (MSG), Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 16. 3. 1999 (Castelletti), Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Rn. 20. Siehe auch oben unter Teil 2, § 7, B.II.1. 2076 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II.2. 2077 Siehe hierzu: Erwägungsgrund Nr. 27 zur EuErbVO. 2078 So aber: Heinig, RNotZ 2014, 197 (227); Dutta, FamRZ 2013, 4 (6); Kunz, GPR 2012, 208 (210); MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (590 f.). 2079 Vgl. Kunz, GPR 2012, 208 (210). 2080 Volmer, Rpfleger 2013, 421 (428); Lehmann, DStR 2012, 2085 (2088).

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Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

fene Parteien“ angesehen werden.2081 Nimmt man den Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 EuErbVO ernst, müsste folglich zwischen all diesen Personen eine Vereinbarung getroffen werden. Dies erscheint nicht nur praxisfern, sondern dürfte nicht selten sogar gänzlich unmöglich sein. Denn oftmals sind einzelne Erben unbekannt oder lassen sich erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ermitteln.2082 Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Geburt oder das Überleben eines Erben fraglich ist, die für die Erbfolge maßgeblichen Verwandtschaftsverhältnisse nicht hinreichend sicher feststehen, die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung zweifelhaft ist oder eine Erbunwürdigkeit eines potenziellen Erben im Raum steht.2083 Dieses praktische Problem hat wohl auch der Verordnungsgeber erkannt. In Erwägungsgrund Nr. 28 zur EuErbVO hält er es nämlich für möglich, dass im Einzelfall eine Vereinbarung zwischen einigen der vom Nachlass betroffenen Parteien ausreichen kann, sofern die Rechte der übrigen betroffenen Parteien nicht berührt werden. Der Wortlaut der Art. 6 lit. b) EuErbVO und Art. 7 lit. b) EuErbVO scheint diesen Gedanken aufzugreifen. Hier ist nämlich nicht mehr von „betroffenen Parteien“ die Rede, sondern von „Verfahrensparteien“.2084 Schließlich bestätigt auch die Regelung des Art. 9 EuErbVO ein entsprechendes Problembewusstsein des Verordnungsgebers. Hier wird nämlich eine Konstellation geregelt, in der sich erst im gerichtlichen Verfahren herausstellt, dass nicht alle Verfahrensparteien der Gerichtsstandsvereinbarung angehören. Insgesamt erscheint daher nicht zwingend erforderlich, dass stets zwischen allen vom Nachlass betroffenen Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen werden muss.2085 In welchen Einzelfällen der Kreis der betroffenen Parteien ausnahmsweise für eine Gerichtsstandsvereinbarung enger gezogen werden kann, bleibt indes unklar. Mit Blick auf das innerstaatliche Recht von Deutschland erscheint eine solche Ausnahme allerdings nur bei solchen Erbsachen überhaupt denkbar, die in einem zivilprozessualen Verfahren und nicht in einem nachlassgerichtlichen Verfahren entschieden werden.2086

2081 Lehmann, DStR 2012, 2085 (2088); Kunz, GPR 2012, 208 (209); Volmer, Rpfleger 2013, 421 (428). 2082 Vgl. R. Magnus, IPRax 2013, 393 (395 f.); Vollmer, ZErb 2012, 227 (230); Volmer, Rpfleger 2013, 421 (428). 2083 Staudinger/Marotzke, § 1960 BGB Rn. 8; MüKoBGB/Leipold, § 1960 BGB Rn. 10 ff.; Palandt/Weidlich, § 1960 BGB Rn. 6; zu Letzterem auch rechtsvergleichend: Lange/Kuchinke, § 6 I, S. 154. 2084 Die engl. Sprachfassung, anhand derer die Endfassung der EuErbVO in erster Linie ausgearbeitet wurde, differenziert ebenfalls zwischen „the parties concerned“ und „the parties to the proceedings“. Vgl. auch: FAKomm-ErbR/Martiny, Nach Art. 26 EGBGB Rn. 15. 2085 So auch: Wilke, RIW 2012, 601 (603); a.A.: Volmer, Rpfleger 2013, 421 (428). 2086 Ausführlich dazu: R. Magnus, IPRax 2013, 393 (395 f.).

§ 30 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO

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III. Ungeschriebene Missbrauchskontrolle Eine zu Art. 23 Brüssel I-VO bzw. Art. 25 Brüssel Ia-VO und Art. 4 EuUntVO vergleichbare Diskussion über die Schaffung einer ungeschriebenen Missbrauchskontrolle ist im Rahmen des Art. 5 EuErbVO nicht zu erwarten.2087 Denn eine Zuständigkeitswahl zugunsten der Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht vom Erblasser für die Rechtsnachfolge von Todes wegen gewählt wurde, kann wohl kaum als inhaltlich unangemessen eingestuft werden. Hiervon ist jedoch wiederum die Frage zu unterscheiden, ob dem Einsatz unlauterer Mittel bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung durch eine allgemeine Missbrauchskontrolle begegnet werden kann.2088 Die Antwort darauf ist im Prorogationsstatut zu suchen, da dem Art. 5 EuErbVO zur Lösung dieser Problematik keine Vorgaben entnommen werden können. IV. Maßgeblicher Zeitpunkt Für das Vorliegen der formellen und materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich. Darin entspricht die EuErbVO der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO und der EuUntVO.2089 Allerdings können die betroffenen Parteien eine ursprünglich unwirksame Gerichtsstandsvereinbarung durch eine spätere Gerichtsstandsvereinbarung nachträglich aufheben, abändern oder heilen.

D. Inhalt I. Gestaltungsmöglichkeiten Nach Art. 5 Abs. 1 EuErbVO kann vereinbart werden, dass ausschließlich ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sein sollen, dessen Recht der Erblasser nach Art. 22 EuErbVO gewählt hat. Den betroffenen Parteien steht somit nur der Mitgliedstaat des gewählten Rechts als Gerichtsstand (sog. forum legis) zur Wahl. Damit ist der Abschluss einer alternativen oder asymmetrischen Gerichtsstandsvereinbarung von vornherein nicht möglich. Durch Art. 5 Abs. 1 EuErbVO wird weiterhin vorgegeben, dass die Zuständigkeitswahl stets ausschließlich sein soll. Dies schließt aus, dass die betroffenen Parteien in ihrer Gerichtsstandsvereinbarung auf der Zuständigkeit des Art. 4 EuErbVO aufbauen und zusätzlich eine 2087 Für eine ungeschriebene Missbrauchskontrolle im Rahmen der Brüssel I-VO oder EuUntVO etwa: Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVVO Rn. 89; Leible/Röder, RIW 2007, 481 (482 ff.); Rauscher/Andrae, Art. 4 EG-UntVO Rn. 52 ff.; Reuß, in: Geimer/Schütze, IRV, Art. 4 EuUntVO Rn. 33 ff. 2088 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II.3.b). 2089 Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.III. und Teil 4, § 19, B.IV.

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Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

damit konkurrierende Zuständigkeit nach Art. 5 EuErbVO festlegen (sog. fakultative Gerichtsstandsvereinbarung). Infolge der erforderlichen Ausschließlichkeit der Zuständigkeitswahl erscheint schließlich auch eine isolierte Derogation der besonderen Zuständigkeit des Art. 13 EuErbVO nicht möglich. Allerdings können die betroffenen Parteien wählen, ob sie durch die Gerichtsstandsvereinbarung nur die internationale Zuständigkeit festlegen oder daneben auch die örtliche Zuständigkeit regeln.2090 Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 EuErbVO können nämlich entweder ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats für zuständig erklärt werden, dessen Recht durch den Erblasser gewählt wurde. Eine Abänderung der sachlichen und funktionellen Zuständigkeit bleibt den betroffenen Parteien hingegen verwehrt. Demnach verbleiben den betroffenen Parteien kaum Möglichkeiten, eine Gerichtsstandsvereinbarung in Erbsachen inhaltlich zu gestalten. Darin unterscheidet sich Art. 5 EuErbVO sowohl von Art. 23 Brüssel I-VO, bei dem die Parteien nach Belieben unter den verschiedenen mitgliedstaatlichen Gerichten auswählen können, als auch von Art. 4 EuUntVO, bei dem ebenfalls in einem beschränkten Umfang eine inhaltliche Gestaltung der Gerichtsstandsvereinbarung möglich ist.2091 Die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie beschränkt sich im Rahmen der EuErbVO somit vollständig darauf, den angestrebten Gleichlauf von gerichtlicher Prüfungskompetenz und anwendbarem materiellen Recht herbeizuführen.2092 II. Bestimmtheit und Auslegung Die Gerichtsstandsvereinbarung in Erbsachen muss zudem hinsichtlich des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses und der getroffenen Zuständigkeitswahl hinreichend bestimmt sein. Zwar fehlt im Vergleich zu Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Brüssel IVO eine ausdrückliche Erwähnung des Bestimmtheitserfordernisses in Art. 5 EuErbVO. Eine Gerichtsstandsvereinbarung wäre allerdings nicht anwendbar, wenn sich nicht ermitteln ließe, welche Erbsache erfasst sein soll oder welches mitgliedstaatliche Gericht die Erbsache entscheiden soll. Da eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO zur Derogation der besonderen Zuständigkeit des Art. 13 EuErbVO führt, dient das Bestimmtheitserfordernis letztlich auch dem Schutz des Erben und des Vermächtnisnehmers, indem diesen die getroffene Zuständigkeitswahl nochmals verdeutlicht wird. Allerdings wird sich bei einer Gerichtsstandsvereinbarung in Erbsachen regelmäßig problemlos ermitteln lassen, auf welches Rechtsverhältnis sie sich bezieht und welche Gerichte für zuständig erklärt werden. Denn eine Erbsache ist nicht durch 2090

A.A.: Volmer, Rpfleger 2013, 421 (428), der in Art. 5 EuErbVO lediglich eine Zuweisung der internationalen Zuständigkeit erblickt. 2091 Siehe oben unter Teil 2, § 7, C.I. und Teil 4, § 19, C.I. 2092 Kritisch: Dutta, FamRZ 2013, 4 (6); R. Magnus, IPRax 2013, 393 (395). Vgl. auch: MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (589 f.).

§ 30 Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO

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eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen gekennzeichnet, anlässlich derer eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen sein könnte. Ebenso wenig kommt eine Vielzahl von inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht, sodass die Zuständigkeitswahl regelmäßig problemlos ermittelbar sein dürfte. Vereinbaren die betroffenen Parteien lediglich die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats, so ist die notwendige Konkretisierung der örtlichen Zuständigkeit anhand des mitgliedstaatlichen Verfahrensrechts vorzunehmen. Auch insofern bestehen mit Blick auf das Bestimmtheitserfordernis jedenfalls keine Bedenken. Sollte dennoch die Feststellung des Inhalts einer Gerichtsstandsvereinbarung in Erbsachen Probleme bereiten, kann schließlich der mutmaßliche Wille der Parteien auch im Wege der Auslegung anhand des Wortlauts, der Begleitumstände und des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses ermittelt werden. Dies sollte wie bei Art. 23 Brüssel I-VO anhand verordnungsautonomer Maßstäbe erfolgen. Dabei ist freilich zu beachten, dass Art. 5 EuErbVO keine zu Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Brüssel I-VO oder Art. 4 Abs. 1 Satz 3 EuUntVO vergleichbare Auslegungsregel enthält.

E. Wirkungen I. Prorogations- und Derogationseffekt Den betroffenen Parteien verbleibt bei der inhaltlichen Gestaltung kaum ein Spielraum.2093 Welche konkreten Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung in Erbsachen zukommen, hängt somit nicht mehr entscheidend vom Willen der Parteien ab. Entscheiden sie sich für den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung, werden die Wirkungen grundsätzlich durch Art. 5 EuErbVO unmittelbar vorgegeben. Hiernach entfaltet eine Gerichtsstandsvereinbarung einerseits eine prorogative Wirkung hinsichtlich des gewählten forum legis und andererseits eine derogative Wirkung hinsichtlich der übrigen nach der EuErbVO gegebenen Zuständigkeiten. II. Bindungswirkungen 1. Bindung des angerufenen Gerichts Das angerufene Gericht ist an die Gerichtsstandsvereinbarung gebunden. Dies ergibt sich in der EuErbVO erstaunlicherweise aus einer Vielzahl von Vorschriften. Zunächst kann insofern Art. 15 EuErbVO angeführt werden, wonach sich ein mitgliedstaatliches Gericht von Amts wegen für unzuständig erklären muss, wenn es nach dieser Verordnung nicht zuständig ist. Während sich nämlich ein prorogiertes Gericht nicht mehr nach Art. 15 EuErbVO für unzuständig erklären kann, muss dies ein derogiertes Gericht infolge der Gerichtsstandsvereinbarung nun tun. Ver2093

Siehe oben unter Teil 6, § 30, D.I.

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Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

gleichbare Regelungen lassen sich auch in Art. 26 Abs. 1 Brüssel I-VO und Art. 10 EuUntVO finden. Die Bindungswirkung für das derogierte Gericht folgt mit Blick auf die Zuständigkeiten des Art. 4 EuErbVO und des Art. 10 EuErbVO zudem aus Art. 6 lit. b) EuErbVO. Hiernach hat sich ein nach Art. 4 EuErbVO und Art. 10 EuErbVO zuständiges Gericht für unzuständig zu erklären, wenn die Verfahrensparteien eine Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 5 EuErbVO getroffen haben. Die Bindungswirkung für das prorogierte Gericht wird sodann in Art. 7 lit. b) EuErbVO nochmals hervorgehoben, indem die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO ausdrücklich erwähnt wird. Das prorogierte Gericht hat dabei kein Ermessen, ob es seine Zuständigkeit im konkreten Fall ausübt oder zugunsten eines besser geeigneten ausländischen Gerichts ablehnt. Ein solches zuständigkeitsrechtliches Ermessen des angerufenen Gerichts ist vielmehr abschließend in Art. 6 lit. a) EuErbVO geregelt, um gegebenenfalls den Gleichlauf zwischen gerichtlicher Prüfungskompetenz und anwendbarem materiellen Recht wiederherzustellen.2094 Ein darüber hinausgehendes zuständigkeitsrechtliches Ermessen im Sinne der angloamerikanischen doctrine of forum non conveniens ist im Rahmen der EuErbVO ebenso abzulehnen, wie in der Brüssel I-VO oder EuUntVO.2095 2. Subjektive Reichweite Bei Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung drohen die kostenpflichtige Abweisung der Klage und damit die Niederlage im Prozess. Die Gerichtsstandsvereinbarung bindet folglich ebenfalls die an ihr beteiligten Parteien, wenngleich eine darüber hinausgehende materiell-rechtliche Pflicht zur Einhaltung der Gerichtsstandsvereinbarung zumindest aus deutscher Sicht regelmäßig ausscheidet.2096 Nicht gebunden sind freilich solche vom Nachlass betroffenen Parteien, die nicht am Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligt waren (vgl. Art. 9 EuErbVO). III. Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung Die Rechtshängigkeitsregel des Art. 17 EuErbVO hat ihr Vorbild in den entsprechenden Regelungen der Brüssel I-VO und EuUntVO.2097 Demnach findet sich auch in der EuErbVO eine rechtliche Konzeption vor, die den betroffenen Parteien einen gewissen Spielraum für prozesstaktische Überlegungen gewährt und insbesondere zu Torpedoklagen einlädt. Inwieweit das Phänomen der Torpedoklage in 2094

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 27 zur Brüssel I-VO. Dazu und zur sog. Kompetenz-Kompetenz des prorogierten Gerichts ausführlich unter Teil 2, § 7, D.III. und Teil 4, § 19, D.II.1. 2096 Dazu ausführlich unter Teil 2, § 7, D.IV.1. 2097 Erwägungsgründe Nr. 34 und 35 zur EuErbVO; FAKomm-ErbR/Martiny, Nach Art. 26 EGBGB Rn. 79; Dutta, FamRZ 2013, 4 (8); Janzen, DNotz 2012, 484 (491). 2095

§ 31 Rügelose Einlassung nach Art. 9 EuErbVO

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Erbsachen praktische Bedeutung erlangt hat, ist allerdings bisher nicht ersichtlich. Jedenfalls unterliegt eine Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung in Erbsachen den gleichen Wertungen wie in der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO, sodass auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden kann.2098

§ 31 Rügelose Einlassung nach Art. 9 EuErbVO A. Ausübung der Zuständigkeit des Art. 7 EuErbVO Eine zuständigkeitsbegründende Einlassung kann nach Art. 9 Abs. 1 EuErbVO nur in solchen Verfahren erfolgen, in denen das angerufene Gericht seine Zuständigkeit nach Art. 7 EuErbVO ausübt. Dies würde für sich genommen eine Einlassung nicht nur dann ermöglichen, wenn sich im Verfahren herausstellt, dass nicht alle vom Nachlass betroffenen und (mittlerweile) am Verfahren beteiligten Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung angehören. Vielmehr wäre eine Einlassung auch dann möglich, wenn sich herausstellt, dass neben den Verfahrensparteien, die die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ausdrücklich anerkannt haben, noch weitere Parteien am Verfahren zu beteiligen sind. Allerdings beschränkt der Verordnungsgeber sodann die Möglichkeit einer Einlassung auf die erste Fallkonstellation. Dies hat die merkwürdige Konsequenz, dass eine später am Verfahren beteiligte Partei bei Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung bereits mit einer Einlassung auf das Verfahren die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründen würde, währenddessen sie bei Nichtvorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ausdrücklich zustimmen muss. Ein Grund für diese unterschiedliche Behandlung ist nicht ersichtlich. Angesichts des klaren Wortlauts in Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 EuErbVO ist sie aber wohl de lege lata hinzunehmen.

B. Einlassung auf das Verfahren Eine nähere Umschreibung der Einlassung auf das Verfahren erfolgt in Art. 9 EuErbVO nicht, obwohl die Einlassung die zentrale Voraussetzung der Vorschrift darstellt. Im Einklang mit den Ausführungen zu Art. 24 Brüssel I-VO bzw. Art. 26 Brüssel Ia-VO sollte der Begriff der Einlassung verordnungsautonom ausgelegt und als jede Verteidigungshandlung verstanden werden, die unmittelbar auf Abweisung der Klage gerichtet ist.2099 Eine solche Verteidigungshandlung kann bereits in der Geltendmachung einer Verfahrensrüge gesehen werden. 2098

Siehe oben unter Teil 2, § 7, D.IV. und Teil 3, § 13, D.III. Vgl. etwa: Kropholler/von Hein, Art. 24 EuGVO Rn. 7. Siehe oben unter Teil 2, § 8, B. und Teil 3, § 14, B. 2099

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Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

C. Wirkung I. Begründung der Zuständigkeit Nach Art. 9 Abs. 1 EuErbVO ist das angerufene Gericht „weiterhin zuständig“, wenn sich die Verfahrensparteien, die der Gerichtsstandsvereinbarung nicht angehören, auf das Verfahren einlassen. Dies erweckt den Eindruck, dass die Einlassung nicht eine Zuständigkeit begründet, sondern eine nach Art. 5 EuErbVO bereits existierende Zuständigkeit lediglich fortbestehen lässt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn im Verfahren hat sich ja gerade herausgestellt, dass nicht alle Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO vorliegen. Es fehlt nämlich an einer Vereinbarung zwischen denjenigen „betroffenen Parteien“, deren Rechte am Nachlass durch die Entscheidung des Gerichts berührt sein können und infolgedessen (mittlerweile) am Verfahren vor dem angerufenen Gericht beteiligt sind.2100 Die Zuständigkeit ist vielmehr mangelhaft und kann folgerichtig gerügt werden, wovon auch Art. 9 EuErbVO ausgeht. Art. 9 Abs. 1 EuErbVO ist somit schief formuliert und sollte dahingehend verstanden werden, dass das nicht bereits nach Art. 5 EuErbVO zuständige Gericht erst infolge der Einlassung zuständig wird. Demnach begründet die Einlassung die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer Einlassung nach Art. 9 Abs. 1 EuErbVO ist freilich äußerst begrenzt, da sie nur die Zuständigkeit des Gerichts des Mitgliedstaats begründen kann, dessen Recht der Erblasser gewählt hat.2101

II. Einschränkungen Haben sich die Verfahrensparteien, die der Gerichtsstandsvereinbarung nicht angehören, eingelassen, um den Mangel der Zuständigkeit zu rügen, wird die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts allerdings nicht begründet (vgl. Art. 9 Abs. 1 EuErbVO). Darin entspricht Art. 9 EuErbVO sowohl Art. 24 Brüssel I-VO bzw. Art. 26 Brüssel Ia-VO als auch Art. 5 EuUntVO, die diese ausdrückliche Beschränkung ebenfalls enthalten. Demnach kann insoweit auf die bisherigen Ausführungen zu diesen beiden Vorschriften verwiesen werden.2102 Die Diskussion um eine richterliche Belehrungspflicht über die Unzuständigkeit als eine ungeschriebene Einschränkung der zuständigkeitsbegründenden Wirkung sollte schließlich ebenso entschieden werden, wie im Rahmen des Art. 24 Brüssel IVO. Mithin ist eine richterliche Belehrung der Partei über die Unzuständigkeit des 2100

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 28 zur EuErbVO. In Reaktion auf den Kommissionsvorschlag EuErbVO für eine umfassendere zuständigkeitsbegründende Wirkung der Einlassung plädierend: MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (591). 2102 Siehe oben unter Teil 2, § 8, C.II.1., Teil 3, § 14, C.I. und Teil 4, § 20, C.I. 2101

§ 32 Ausdrückliche Anerkennung nach Art. 7 lit. c) EuErbVO

381

angerufenen Gerichts nach Art. 9 EuErbVO nicht erforderlich.2103 Eine gewisse Diskrepanz besteht allerdings zur Brüssel Ia-VO, die in Art. 26 Abs. 2 eine Belehrungspflicht zugunsten bestimmter schutzbedürftiger Personen enthält.2104

§ 32 Ausdrückliche Anerkennung nach Art. 7 lit. c) EuErbVO A. Rechtswahl zugunsten eines mitgliedstaatlichen Rechts Art. 7 lit. c) EuErbVO eröffnet den Verfahrensparteien die Möglichkeit einer ausdrücklichen Anerkennung der Zuständigkeit nur dann, wenn der Erblasser nach Art. 22 EuErbVO eine Rechtswahl getroffen und dabei das Recht des Mitgliedstaats gewählt hat, dessen Gerichte angerufen worden sind. Wiederum steht dabei die Wiederherstellung des Gleichlaufs von gerichtlicher Prüfungskompetenz und anwendbarem materiellen Recht im Vordergrund.2105 Aufgrund dessen sollte Art. 7 lit. c) EuErbVO auch dann angewendet werden, wenn eine Rechtswahl nach Art. 24 Abs. 2 EuErbVO und Art. 25 Abs. 3 EuErbVO vorliegt.2106

B. Ausdrückliche Anerkennung Weiterhin müssen die Verfahrensparteien die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ausdrücklich anerkannt haben. Darin besteht eine gewisse Ähnlichkeit zu Art. 12 Brüssel IIa-VO, welcher ebenfalls eine ausdrückliche Anerkennung der Zuständigkeit enthält. Allerdings fehlt im Wortlaut des Art. 7 lit. c) EuErbVO die Formulierung „oder auf andere eindeutige Weise“.2107 Dem Wortlaut und dieser systematischen Erwägung kann damit entnommen werden, dass die Anerkennung einer zustimmenden Willensäußerung bedarf und sich gerade nicht stillschweigend aus einer Gesamtwürdigung des Verhaltens im Verfahren und sonstiger Begleitumstände ergeben kann. Demnach genügt zur Anerkennung insbesondere keine rügelose Einlassung auf das Verfahren.2108 Weiterhin sind Anforderungen an die Form der ausdrücklichen Anerkennung in Art. 7 lit. c) EuErbVO nicht enthalten, sodass die Anerkennung insbesondere auch mündlich erklärt werden kann. Welcher Zeitpunkt für die ausdrückliche Anerkennung maßgeblich ist, regelt Art. 7 lit. c) EuErbVO nicht gesondert. Da es jedoch um die Anerkennung der Zu2103 2104 2105 2106 2107 2108

Dazu ausführlich oben unter Teil 2, § 8, C.II.3. Dazu ausführlich oben unter Teil 3, § 14, C.II. Erwägungsgrund Nr. 27 zur EuErbVO. Dazu und zur Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO ausführlich oben unter Teil 6, § 30, A. So aber: Art. 12 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO und Art. 12 Abs. 3 lit. b) Brüssel IIa-VO. Vgl. Mankowski, RIW 2010, 667 (668).

382

Teil 6: Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung in der EuErbVO

ständigkeit eines angerufenen Gerichts geht, kann sie nicht vor dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts erfolgen.2109 Dieser Zeitpunkt wird durch Art. 14 EuErbVO konkretisiert. Schließlich ist kein Grund ersichtlich, eine ausdrückliche Anerkennung nicht auch noch zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren zuzulassen. Dies gilt freilich nur solange sich das Gericht noch nicht für unzuständig erklärt hat.

C. Dogmatische Einordnung Vereinzelt wird die ausdrückliche Anerkennung in Art. 7 lit. c) EuErbVO als eine Gerichtsstandsvereinbarung angesehen.2110 Zwar rückt die Relevanz des Parteiwillens die ausdrückliche Anerkennung in die Nähe einer Gerichtsstandsvereinbarung. Jedoch bestehen mitunter erhebliche Unterschiede zum Rechtsinstrument der Gerichtsstandsvereinbarung. Bei einer ausdrücklichen Anerkennung gegenüber dem angerufenen Gericht ist nämlich eine zwei- oder mehrseitige Vereinbarung mit entsprechender Willenseinigung der Verfahrensparteien entbehrlich. Vielmehr genügen ebenso unabhängig voneinander abgegebene einseitige Anerkennungen gegenüber dem angerufenen Gericht. Die Anerkennung ist daher eben nicht notwendigerweise eine Gerichtsstandsvereinbarung, „die ihren Weg der gegenseitig abzugebenden Erklärungen über das Gericht wählt“.2111 Zudem werden Gerichtsstandsvereinbarungen typischerweise im Vorfeld eines Rechtsstreits abgeschlossen und nicht nach Anrufung des Gerichts. Aufgrund dieser zeitlichen Diskrepanz und der Relevanz des Parteiwillens kann allerdings die Anerkennung auch nicht als rügelose Einlassung eingeordnet werden. Denn eine Anerkennung muss ja gerade ausdrücklich erfolgen. Die ausdrückliche Anerkennung nach Art. 7 lit. c) EuErbVO sollte daher ebenso wie die Anerkennung nach Art. 12 Brüssel IIa-VO als eigenständiger Akt der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie angesehen werden.2112

§ 33 Fazit In der EuErbVO wird den Verfahrensparteien die Möglichkeit einer parteiautonomen Zuständigkeitsbegründung zwar eingeräumt. Jedoch gilt dies nur dann, wenn der Erblasser eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO zugunsten eines Mitgliedstaats getroffen hat. In diesen Fällen können die vom Nachlass betroffenen Parteien eine 2109

Auch darin bestehen Ähnlichkeiten zu Art. 12 Brüssel IIa-VO, vgl. dazu: Teil 5, § 25, C.I.1.c)cc). 2110 Burandt, FuR 2013, 377 (380). 2111 So aber: Burandt, FuR 2013, 377 (380). 2112 Zur dogmatischen Einordnung des Art. 12 Brüssel IIa-VO ausführlich oben unter: Teil 5, § 25, C.II.

§ 33 Fazit

383

Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO abschließen und darin ein einzelnes Gericht oder mehrere Gerichte im forum legis für zuständig erklären. Eine weitergehende inhaltliche Gestaltungsmöglichkeit gesteht der Verordnungsgeber indes nicht zu, da eine solche letztlich nur den angestrebten Gleichlauf von gerichtlicher Entscheidungskompetenz und anwendbarem materiellen Recht wieder in Frage stellen würde. Daneben können die Verfahrensparteien die Zuständigkeit eines angerufenen Gerichts im forum legis nach Art. 7 lit. c) EuErbVO ausdrücklich anerkennen und dadurch dessen Zuständigkeit begründen. Schließlich eröffnet Art. 9 EuErbVO noch in einem begrenzten Umfang die Möglichkeit, die Zuständigkeit eines infolge einer unwirksamen Gerichtsstandsvereinbarung angerufenen Gerichts durch eine rügelose Einlassung zu begründen. Stellt sich nämlich in einem Verfahren heraus, dass der Gerichtsstandsvereinbarung nicht alle Verfahrensparteien angehören, können sich die unbeteiligten Verfahrensparteien auf das Verfahren einlassen und damit die Zuständigkeit des angerufenen Gericht im forum legis begründen. Demgegenüber wird dem Erblasser innerhalb der EuErbVO keine zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie eingeräumt. Dies überrascht insofern, als sich die EuErbVO die Erleichterung der Nachlassplanung zum Ziel gesetzt hat und aufgrund dessen dem Erblasser zumindest begrenzt die Wahl des anwendbaren Rechts ermöglicht. Es kann daher kaum verwundern, dass nicht nur de lege ferenda darüber nachgedacht wird, dem Erblasser für potenzielle Streitigkeiten zwischen seinen Erben zumindest eine Zuständigkeitsbestimmung zugunsten der Gerichte im forum legis zu ermöglichen.2113

2113 Dazu ausführlich: R. Magnus, IPRax 2013, 393 (396 f.) m.w.N. Dies bereits in Reaktion auf den Kommissionsvorschlag EuErbVO fordernd: MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (586 ff.).

Teil 7

Schlussbetrachtung und Ausblick § 34 Einleitung Die vorliegende Untersuchung hatte es sich zum Ziel gemacht, einen Überblick über die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie im Europäischen Zivilverfahrensrecht zu geben. Zugleich sollten die zahlreichen Streitfragen und Anwendungsprobleme innerhalb der verschiedenen Regelungen zur zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie herausgearbeitet und einer systemgerechten Lösung zugeführt werden. Die wesentlichen Ergebnisse der darauf abzielenden Untersuchung sollen nun zusammengefasst dargestellt und betrachtet werden. Zum Abschluss der Untersuchung wird ein Ausblick auf die künftige Entwicklung der hier untersuchten Thematiken im Europäischen Zivilverfahrensrecht gewagt.

§ 35 Reichweite und Ausgestaltung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie Die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie ist innerhalb des Europäischen Zivilverfahrensrechts von zentraler Bedeutung. Allerdings wird sie in den verschiedenen hier untersuchten Verordnungen nicht nur in unterschiedlichem Maße gewährt, sondern ist dabei auch unterschiedlich konzeptionell ausgestaltet. Den großzügigsten Rahmen hat die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO erhalten. Innerhalb der Brüssel I-VO ist eine parteiautonome Zuständigkeitsbegründung durch die Rechtsinstitute der Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung grundsätzlich möglich. An dieser konzeptionellen Ausgestaltung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie wird auch im Rahmen der Brüssel Ia-VO festgehalten und deren Bedeutung in Zivil- und Handelssachen sogar noch betont. So hat sich der Verordnungsgeber bei der Neufassung der Brüssel I-VO nicht nur dem rechtspolitischen Bestreben widersetzt, die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie im Rahmen der rügelosen Einlassung zugunsten schutzbedürftiger Personen zu beschränken, und stattdessen eine richterliche Belehrungspflicht eingeführt.2114 Er hat zudem den räumlich-persönlichen 2114

Vgl. Mankoswki, RIW 2010, 667 ff. m.w.N.

§ 35 Reichweite und Ausgestaltung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie 385

Anwendungsbereich der Regelung für Gerichtsstandsvereinbarungen ausgedehnt und deren rechtliche Wirkungsweise verbessert. Dieser ehemals auch in Unterhaltssachen bestehende großzügige Rahmen wurde mit der Schaffung der EuUntVO deutlich eingeschränkt. Denn in Unterhaltssachen wird künftig den Parteien nur noch in sehr eingeschränktem Maße eine parteiautonome Zuständigkeitsbegründung zugestanden. Konzeptionell werden zwar nach Art. 4 EuUntVO im Grundsatz Gerichtstandsvereinbarungen zugelassen und nur ausnahmsweise bei Streitigkeiten über eine Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, verwehrt. Allerdings ist den Parteien die inhaltliche Gestaltung der Gerichtsstandsvereinbarung nicht freigestellt. Vielmehr gibt Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EuUntVO insofern verschiedene Wahlmöglichkeiten vor. Demgegenüber ist das Rechtsinstitut der rügelosen Einlassung nahezu unverändert in die EuUntVO übernommen worden. Auch der Brüssel IIa-VO ist die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie nicht fremd. Vielmehr räumt der Verordnungsgeber den Parteien verschiedene Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die internationale Zuständigkeit ein. Weit überwiegend greift er dabei jedoch nicht auf die traditionellen Formen der Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung zurück, sondern schafft stattdessen eigenständige Akte zuständigkeitsrechtlicher Parteiautonomie. Denn eine Gerichtsstandsvereinbarung oder rügelose Einlassung nach dem Vorbild der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO existiert in der Brüssel IIa-VO nicht. Lediglich die Regelung des Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO kann als eine besondere Art der rügelosen Einlassung angesehen werden. Darüber hinaus wird der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie zusätzlich durch den gemeinsamen Antrag in Art. 3 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO und die sog. Vereinbarung über die Zuständigkeit in Art. 12 Brüssel IIa-VO in begrenztem Umfang Raum gegeben. Im Rahmen des Zuständigkeitssystems der EuErbVO ist die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie ebenfalls anzutreffen. Im Verhältnis zu den übrigen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht ergibt sich dabei jedoch ein differenziertes Bild. Zwar räumt die EuErbVO den Verfahrensparteien die Möglichkeit ein, die internationale Zuständigkeit durch eine Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 5 EuErbVO) und rügelose Einlassung (Art. 9 EuErbVO) zu beeinflussen. Allerdings gewährt der Verordnungsgeber den Verfahrensparteien diese traditionellen Einflussmöglichkeiten etwa im Vergleich zur Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO lediglich sehr begrenzt. Denn diese Regelungen der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie in Erbsachen sind maßgeblich durch den Gleichlauf von gerichtlicher Entscheidungskompetenz und anwendbaren materiellen Recht geprägt. Bewertet man die Regelungen jedoch im Vergleich zu den bisher einschlägigen nationalen Regelungen, enthält die EuErbVO dahingehend ein hohes Maß an zuständigkeitsrechtlicher Liberalität. Denn in Erbsachen waren Gerichtsstandsvereinbarungen bisher grundsätzlich nicht vorgesehen.2115 Neben den beiden traditionellen Ein2115

Vgl. etwa: R. Magnus, IPRax 2013, 393.

386

Teil 7: Schlussbetrachtung und Ausblick

flussmöglichkeiten der Gerichtsstandsvereinbarung und rügelosen Einlassung gesteht der Verordnungsgeber den Parteien nach Art. 7 lit. c) EuErbVO zu, die Zuständigkeit eines im forum legis angerufenen Gerichts ausdrücklich anzuerkennen. Darin ist wiederum ein eigenständiger Akt zuständigkeitsrechtlicher Parteiautonomie zu erblicken. Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie im Rahmen der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO, also im Rahmen von vor allem vermögensrechtlichen Lebensbereichen, am umfangreichsten verwirklicht wurde. Demgegenüber hat die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie innerhalb der EuUntVO, Brüssel IIa-VO und EuErbVO als Regelungswerke für besondere Rechtgebiete deutliche Einschränkungen erfahren. Hier lassen etwa mit dem Schutz der schwächeren Partei oder dem Kindeswohl besondere, personenrechtlich induzierte Erwägungen die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie in den Hintergrund treten. Vollständig ausgeschlossen ist die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie allerdings auch in diesen besonderen Regelwerken nicht.

§ 36 Wiederkehrende Fragestellungen Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass innerhalb der verschiedenen Verordnungen einzelne Fragestellungen wiederkehren. Diese betreffen vor allem die Bestimmung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs der verschiedenen Regelungen. Daneben bereiten aber auch die Anforderungen an die materielle Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung und die Wirkung einer rügelosen Einlassung wiederkehrende Probleme. Zugleich konnte aber ebenso aufgezeigt werden, dass die wiederkehrenden Fragestellungen in den einzelnen Verordnungen einheitlich beantwortet werden können bzw. müssen.

A. Gerichtsstandsvereinbarungen Betrachtet man etwa die verschiedenen Regelungen der Gerichtsstandsvereinbarung in der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO, EuUntVO und EuErbVO, wirft die Bestimmung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs der jeweiligen Regelungen die gleichen Fragen auf: Sind auch reine Inlandssachverhalte und Drittstaatensachverhalte von den Regelungen erfasst? Wann liegt eine solche Fallkonstellation vor? Dürfen die verschiedenen Regelungen auch dann angewendet werden, wenn die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit drittstaatlicher Gerichte vereinbaren oder nur isoliert die internationale Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte abbedingen? In Beantwortung dieser Fragestellungen konnte festgestellt werden, dass sämtliche Vorschriften einerseits zu weit und andererseits zu eng geraten sind. Bei reinen Inlandssachverhalten, drittstaatlichen Gerichtsstandsverein-

§ 36 Wiederkehrende Fragestellungen

387

barungen und isolierten Derogationen wird daher eine teleologische Reduktion oder teleologische Extension der jeweiligen Vorschriften befürwortet.2116 Daneben bereiten die Anforderungen an die materielle Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung wiederkehrende Probleme. Denn in der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO, EuUntVO und EuErbVO ist umstritten bzw. noch nicht hinreichend geklärt, ob und welche Anforderungen an die materielle Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung verordnungsautonom bestimmt werden können und auf welches nationale Recht gegebenenfalls zurückgegriffen werden kann. Auch hier fällt die Antwort einheitlich aus. Denn sämtliche Regelungen der Gerichtsstandsvereinbarung enthalten ein verordnungsautonomes Vereinbarungskonzept, sodass auf nationales Recht nur in darüber hinausgehenden materiell-rechtlichen Fragestellungen zurückzugreifen ist. Zur Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts ist dabei das Kollisionsrecht am angerufenen Gericht heranzuziehen, wobei das Prorogationsstatut eigenständig unter entsprechender Anwendung der Kollisionsnormen der Rom I-VO anzuknüpfen ist.2117 Auch die Brüssel Ia-VO und die darin enthaltene kollisionsrechtliche Verweisungsnorm (vgl. Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO) wird hieran im Wesentlichen nichts ändern.2118 Schließlich galt es im Rahmen der Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung innerhalb der verschiedenen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht gleichartige Fragestellungen zu beantworten. Angesichts des jeweils bestehenden Spielraums für prozesstaktische Überlegungen drängt sich dabei vor allem die Frage auf, ob und wie Gerichtsstandsvereinbarungen innerhalb der Brüssel I-VO, EuUntVO und EuErbVO abgesichert werden können. Auch bei der Beantwortung dieser Frage zeichnet sich ein einheitliches Bild ab.2119 Jedoch wird die Brüssel IaVO hier teilweise Veränderungen herbeiführen. Denn die Priorisierung des vereinbarten Gerichts nach Art. 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO reduziert das Bedürfnis zur Absicherung einer Gerichtsstandsvereinbarung in der Brüssel Ia-VO erheblich.2120

B. Rügelose Einlassung Blickt man verordnungsübergreifend auf das Rechtsinstitut der rügelosen Einlassung, zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Innerhalb der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO und EuUntVO bereitet die Bestimmung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs vergleichbare Schwierigkeiten. Denn von den jeweils einschlägigen Regelungen der rügelosen Einlassung werden reine Inlandssachverhalte

2116 2117 2118 2119 2120

Siehe oben unter Teil 2, § 7, A., Teil 3, § 13, A., Teil 4, § 19, A. und Teil 6, § 30, B. Siehe oben unter Teil 2, § 7, B.II., Teil 4, § 19, B.II. und Teil 6, § 30, C.II. Dazu ausführlich oben unter Teil 3, § 13, B.II. Siehe oben unter Teil 2, § 7, D.IV., Teil 4, § 19, D.III. und Teil 6, § 30, E.III. Siehe oben unter Teil 3, § 13, D.III.

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Teil 7: Schlussbetrachtung und Ausblick

erfasst, was wiederum durch eine teleologische Reduktion der jeweiligen Vorschriften zu verhindern ist.2121 Daneben verursachen vor allem die Wirkung bzw. deren Einschränkungen diverse Probleme. So ist unklar, ob die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer rügelosen Einlassung eine richterliche Belehrung voraussetzt. Bislang konnte dies innerhalb Brüssel I-VO und der EuUntVO noch einheitlich verneint werden.2122 Allerdings wird sich dies mit der Brüssel Ia-VO teilweise ändern. Denn künftig sieht Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO eine richterliche Belehrungspflicht gegenüber verschiedenen schutzbedürftigen Personen vor.2123 Damit teilweise im Zusammenhang steht die Frage, ob sich eine rügelose Einlassung auch gegenüber solchen Zuständigkeitsvorschriften durchsetzt, die einen besonderen Schutz der typischerweise schwächer angesehenen Partei (z. B. Versicherungsnehmer, Verbraucher, Arbeitnehmer oder unter 18 Jahre alte Unterhaltsberechtigte) gewährleisten. Dies ist de lege lata zu bejahen, wenngleich damit gewichtige Schutzdefizite für die schwächer angesehenen Personen einhergehen und gewisse Diskrepanzen zu den Regelungen für Gerichtsstandsvereinbarungen entstehen.2124 Mit der Einführung der richterlichen Belehrungspflicht wird diese missliche Situation zumindest in der Brüssel Ia-VO allerdings künftig teilweise entschärft.2125 Schließlich bereitet auch das Verhältnis der rügelosen Einlassung zu einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung Probleme. Diese sind jedoch wiederum einheitlich zu lösen, indem eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer rügelosen Einlassung weder in der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO noch in der EuUntVO entgegensteht.2126

§ 37 Ausblick Obwohl die zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie in sämtlichen hier untersuchten Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht anzutreffen ist, ergeben sich bei der Anwendung der verschiedenen Regelungen eine Vielzahl von Fragen. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Ausübung zuständigkeitsrechtlicher Parteiautonomie derzeit mit zahlreichen Problemen verbunden ist. Zwar schlägt die vorliegende Untersuchung hierfür Lösungen vor. Dennoch bieten vor allem die Regelungen der Gerichtsstandsvereinbarung immer noch „eine viel schönere 2121 2122 2123 2124 2125 2126

Siehe oben unter Teil 2, § 8, A.I. und Teil 4, § 20, A. Siehe oben unter Teil 2, § 8, C.II.3., Teil 4, § 20, C.II.1. und Teil 6, § 31, C.II. Siehe dazu unter Teil 3, § 14, C.II. Siehe oben unter Teil 2, § 8, C.II.5. und Teil 4, § 20, C.II.3. Siehe oben unter Teil 3, § 14, C.II.3. Dazu ausführlich unter Teil 2, § 8, C.II.4. und Teil 4, § 20, C.II.2.

§ 37 Ausblick

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Spielwiese für juristischen Scharfsinn, als es den Kautelarjuristen lieb sein kann“.2127 Denn die derzeitige Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarungen ist durch ein komplexes Zusammenwirken von internationalverfahrens- und internationalprivatrechtlichen Rechtsquellen europäischer und nationaler Provenienz geprägt. Gesteht man den Parteien jedoch durch die Gewährung zuständigkeitsrechtlicher Parteiautonomie zu, ihre Zuständigkeitsinteressen selbst am besten einschätzen und bewerten zu können, erscheint diese komplexe Rechtslage äußerst hinderlich. Um die Regelungen der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie aber wirklich zu vereinfachen, bedarf es ganzheitlicher Reformüberlegungen. Diese sollten nicht nur die verschiedenen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht mit einbeziehen, sondern auch die europäischen und nationalen Regelungen zum Internationalen Privatrecht. Dabei sind indes tiefgreifende Veränderungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht kaum zu erwarten. Denn im Rahmen der Fortentwicklung des Europäischen Zivilverfahrensrechts gilt vielmehr das Motto „Evolution statt Revolution“.2128 In Zukunft dürften daher nur weitere Detailkorrekturen an der Brüssel Ia-VO und den übrigen Verordnungen zum Europäischen Zivilverfahrensrecht zu erwarten sein. Angesichts der wiederkehrenden Fragestellungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht kündigen sich dabei allerdings teilweise die zu erwartenden Änderungen bereits durch die Brüssel Ia-VO an. Künftig dürfte vor allem in der EuUntVO und der EuErbVO mit der Einführung kollisionsrechtlicher Verweisungen für die materielle Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, der Verbesserung der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung und der Schaffung richterlicher Belehrungspflichten für eine rügelose Einlassung gerechnet werden. Dabei bleibt zu hoffen, dass der Verordnungsgeber die internationalprivatrechtlichen Regelungen stärker in seine Reformüberlegungen mit einbezieht. So hätte etwa die kollisionsrechtliche Verweisung in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO zu einer viel stärkeren Vereinfachung der Rechtslage für Gerichtsstandsvereinbarung geführt, wenn zugleich die Rom I-VO auf die materielle Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung erweitert worden wäre.2129 Darüber hinaus erscheint es wünschenswert, den restriktiven Rahmen der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie in Erb- und Ehesachen einer erneuten Prüfung zu unterziehen. So sollte innerhalb der EuErbVO insbesondere darüber nachgedacht werden, auch dem Erblasser zuständigkeitsrechtliche Parteiautonomie einzuräumen.2130 In Ehesachen sollte demgegenüber überlegt werden, den gescheiterten Änderungsvorschlag für die Brüssel IIa-VO teilweise wieder aufzugreifen.2131 Denn vor allem mit Blick auf die gewährte zuständigkeitsrechtliche 2127 2128 2129 2130 2131

15 f.

Schack, IPRax 1990, 19 (20). von Hein, RIW 2013, 97 (110 f.). So zu Recht: M. Stürner, GPR 2013, 305 (314). Vgl. R. Magnus, IPRax 2013, 393 (396 f.); MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (586 ff.). Vgl. Art. 3a des Änderungsvorschlags Brüssel IIa-VO, KOM(2006) 399 endg., S. 9 und

390

Teil 7: Schlussbetrachtung und Ausblick

Parteiautonomie in Unterhaltssachen erscheint zumindest in Ehesachen eine solche Zurückhaltung äußerst fragwürdig. Dies gilt umso mehr, als der Verordnungsgeber mittlerweile in der Rom III-VO den Ehegatten in Ehesachen kollisionsrechtliche Parteiautonomie einräumt (vgl. Art. 5 Rom III-VO).2132 Allerdings zeigt die beschränkte Geltung der Rom III-VO zugleich, dass in Ehesachen noch nicht alle auf nationalen Souveränitätsgedanken beruhende Vorbehalte überwunden sind.2133 Der weitere Ausbau der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie wird sich daher vor allem in Ehesachen noch als ein langer und beschwerlicher Weg erweisen. Schließlich bleibt abzuwarten, ob sich die vom Europäischen Gesetzgeber postulierte Kohärenz von Brüssel Ia-VO und HGÜ auch in der Praxis realisieren lässt. Denn mit Inkrafttreten des HGÜ kommt es tatsächlich zur Koexistenz beider Regelwerke. Damit stehen dem Rechtsanwender nunmehr mit den hier untersuchten europäischen Verordnungen, dem HGÜ, dem LugÜ 2007 und den jeweiligen nationalen Verfahrensvorschriften eine Vielzahl von Rechtsquellen zur Beurteilung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen zur Verfügung. Dies führt zu einer gewissen Unübersichtlichkeit und dürfte die Rechtsanwendung weiter erschweren. Bestätigt wird diese Befürchtung, wenn man etwa den mit einer dreifachen Verneinung ausgestatteten Art. 26 Abs. 6 lit. a) HGÜ zu Rate zieht, um das Konkurrenzverhältnis von Brüssel Ia-VO und HGÜ zu beurteilen.2134

2132

Siehe dazu etwa: Pietsch, NJW 2012, 1768 ff. Die Rom III-VO gilt derzeit in Belgien, Bulgarien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Ungarn, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien und Litauen, vgl. etwa: Heiderhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 17 EGBGB Rn. 8. 2134 Rauscher/Mankowski, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 272. 2133

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Materialien

EuGH: Gutachten 1/03 des Gerichtshofes (Plenum) vom 7. Februar 2006 – Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss des neuen Übereinkommens von Lugano über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Slg. 2006, I-1145 [zit.: EuGH-Gutachten 1/03] Europäische Kommission: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) vom 14. Dezember 2010, KOM (2010) 748 endgültig [zit.: Kommissionsvorschlag Brüssel Ia-VO] – Impact Assessment, accompanying document to the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on jurisdiction and the recognition and enforcement of judgments in civil and commercial matters (Recast) dated 12 December 2010, SEC(2010) 1547 final [zit.: Impact Assessment of the Recast Brussels I Regulation] – Grünbuch zur Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 21. April 2009, KOM(2009) 175 endgültig [zit.: Grünbuch zur Brüssel Ia-VO] – Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschluss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 21. April 2009, KOM(2009) 174 endgültig [zit.: Kommissionsbericht zur Brüssel I-VO] – Kommissionsvorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 14. Oktober 2009, KOM(2009) 154 endgültig [zit.: Kommissionsvorschlag EuErbVO] – Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung des Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen durch die Europäische Gemeinschaft vom 5. September 2008, KOM(2008) 538 endgültig [zit.: Kommissionsvorschlag für Ratsbeschluss über Unterzeichnung des HGÜ] – Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich vom 17. Juli 2006, KOM (2006) 399 endgültig [zit.: Änderungsvorschlag Brüssel IIa-VO] – Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 12. Mai 2006, Erläuterungen zu den Artikeln des Vorschlags für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten, KOM(2006) 206 endgültig [zit.: Erläuterungen zum Kommissionsvorschlag EuUntVO] – Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten vom 15. Dezember 2005, KOM(2005) 649 endgültig [zit.: Kommissionsvorschlag EuUntVO]

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– Leitfaden zur Anwendung der neuen Verordnung Brüssel II Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, aktualisierte Fassung vom 1. Juni 2005, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/civiljustice/parental_resp/paren tal_resp_ec_vdm_de.pdf (zuletzt abgerufen am: 16. Oktober 2014) [zit.: Leitfaden Brüssel IIa-VO] – Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen vom 15. März 2005, KOM(2005) 87 endgültig [zit.: Kommissionsvorschlag EuGFVO] – Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht vom 1. März 2005, KOM(2005) 65 endgültig [zit.: Grünbuch zur EuErbVO] – Grünbuch Unterhaltspflichten vom 15. April 2004, KOM(2004) 254 endgültig [zit.: Grünbuch zur EuUntVO] – Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens vom 19. März 2004, KOM(2004) 173 endgültig [zit.: Kommissionsvorschlag EuMahnVO] – Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 in Bezug auf Unterhaltssachen vom 3. Mai 2002, KOM(2002) 222 endgültig [zit.: Kommissionsvorschlag Brüssel IIa-VO] – Vorschlag der Kommission für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 14. Juli 1999, KOM(1999) 348 endgültig [zit.: Kommissionsvorschlag Brüssel I-VO] Europäischer Rat: Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger, ABl. (EU) 2010, Nr. C 115/1 [zit.: Stockholmer Programm] – Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union vom 5. November 2004, ABl. (EU) 2005, Nr. C 53/1 [zit.: Haager Programm] Evrigenis, Demetrios I./Kerameus, Konstantinos D.: Report on the accession of the Hellenic Republic to the Community Convention on jurisdiction and the enforcement of judgments in civil and commercial matters, ABl. (EG) 1986, Nr. C 298/1 [zit.: Evrigenis/Kerameus-Bericht] Giulano, Mario/Lagarde, Paul: Report on the Convention on the law applicable to contractual obligations, ABl. (EG) 1980, Nr. C 282/1 [zit.: Giulano/Lagarde-Bericht] Hartley, Trevor/Dogauchi, Masato: Explanatory Report on the Choice of Court Agreements Convention of 30 June 2005, abrufbar unter: http://www.hcch.net/upload/expl37final.pdf (zuletzt abgerufen am: 16. Oktober 2014) [zit.: Hartley/Dogauchi-Bericht] Hess, Burkhard/Pfeiffer, Thomas/Schlosser, Peter F.: Report on the Application of Regulation Brussels I in the Member States, Study JLS/C4/2005/03, Final Version September 2007 [zit.: Bearbeiter, in: Heidelberg-Bericht]

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Jenard, Paul: Bericht zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/1 [zit.: Jenard-Bericht] Jenard, Paul/Möller, Gustaf: Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988, ABl. (EG) 1990, Nr. C 189/57 [zit.: Jenard/Möller-Bericht] Nuyts, Arnaud: Study on Residual Jurisdiction, Study JLS/C4/2005/07, Final Version dated 3 September 2007 [zit.: Nuyts-Bericht] Pocar, Fausto: Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen unterzeichnet am 30. Oktober 2007 in Lugano, ABl. (EU) 2009, Nr. C 319/1 [zit.: PocarBericht] Schlosser, Peter F.: Bericht zu dem Übereinkommen des Königreichs Dänemark und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über den Beitritt zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof, ABl. (EG) 1979, Nr. C 59/71 [zit.: SchlosserBericht]

Sachverzeichnis abstrakte Erfüllungsortvereinbarung 124, 127 Allgemeine Geschäftsbedingungen 111, 150, 161, 165, 213 anti-suit injunction 197, 280 Arbeitssache 69, 205, 212, 214, 235, 252, 254, 258, 261, 274 f., 282 Auffangzuständigkeit 293, 296, 338 Belehrungspflicht 231, 282 f., 285 Bestimmtheit 176, 181, 272, 317, 376 Bindungswirkungen 185, 187, 274, 319, 366, 377 catch-all clause 178 convention double 33 dépeçage 138, 366 Derogationseffekt 73, 185, 274, 319, 377 domicile 312, 334 effet réflexe 186, 231, 252, 274 effet utile 47 Ehesache 34, 310, 312, 315, 318, 329 f., 333, 336, 389 Erbsache 357, 359, 365, 367 f., 370 f., 374, 376, 379, 389 Erbstatut 359, 372 f. Erfüllungsortvereinbarungen 50, 100, 120 facultas iurisdictionis 27 Familienverhältnis 289 forum actoris 342 forum legis 375, 377, 383, 386 forum necessitatis 360, 364 forum non conveniens 193, 249, 279, 339, 363, 378 forum planning 26, 48 forum shopping 27, 63, 149, 161, 337

Gegenantrag 335 gemeinsamer Antrag 340 Gerichtsgewalt 27, 62 Gerichtsstandsvereinbarungen – alternative 176, 271 – asymmetrische 176, 317, 375 – ausschließliche 154, 203, 233, 243, 245, 248, 264, 275, 326, 369, 376 – fakultative 84, 124, 175, 376 – grenzüberschreitende 83, 85 f., 159, 244, 263, 300 – interne 83 f., 299 f. – reziproke 95, 180 Gesamtverweisung 246, 269, 285 Geschäftsfähigkeit 129, 142 f., 146, 153, 247, 267, 271, 307 f., 323, 372 f. Geschäftsstatut 137, 143, 145, 308, 373 Gesellschaftsstatut 144 Gestaltungsmöglichkeiten 174, 185, 272, 310, 316, 375, 377 gewöhnlicher Aufenthalt 216, 311 – 313 grenzüberschreitender Bezug 38, 41, 76, 82 f., 86, 89, 218, 220, 222, 262, 297 – 300, 324, 367 – 370 Großrisiken 209, 219 Großversicherung 208 Gründungstheorie 144 Haager Programm 35 Handelsbrauch 108, 115, 174, 304 Heidelberg-Bericht 148, 255 Herkunftslandprinzip 35 hilfsweises Verhandeln 226 isolierte Derogation 90, 176, 179, 185, 241, 302, 317, 376, 387 Jenard-Bericht 59, 69, 77, 86, 88, 222, 237 Kindesentführung 337 Klauselrichtlinie 161 – 164, 167, 171, 232

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Sachverzeichnis

Kompetenz-Kompetenz 188, 274, 278, 320 Kompetenzkonflikte 27, 188, 275, 279, 298 lex fori-Prinzip

31

maßgeblicher Zeitpunkt 96, 171, 227, 303, 309, 314, 348, 370, 375 materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch 203 Missbrauchskontrolle 152, 164, 175, 241, 272, 308 f., 316, 375 Notzuständigkeit ordre public

251, 293, 296, 360, 364

155, 249

Parteiautonomie 30, 47, 70, 72, 174, 184, 215, 308, 327, 341, 354, 365, 382, 384 Parteigepflogenheiten 106, 114, 304 Personalstatut 143 Pflicht-Recht der Eltern 344 Präklusionsprinzip 51 Principles of European Contract Law 160 Prioritätsprinzip 190, 255, 257, 272, 275, 279 Prorogationseffekt 185, 274, 319, 377 Prorogationsstatut 137 f., 161, 183, 241, 285, 373, 387 Rechtssicherheit 29, 59, 63 f., 69, 72, 81, 84, 93, 101, 129, 133, 149, 154, 156, 160, 170, 177, 190, 194, 231, 263, 278, 293, 300 f., 303, 308, 317, 339, 366, 369 Rechtswahl 30, 137, 139, 360, 363, 365, 367, 381 f. Sachnormverweisung 269 Schlosser-Bericht 86, 88, 91, 194 schriftliche Bestätigung 105, 116

Schriftlichkeit 102, 112, 307 Sitztheorie 144 Sprachrisiko 149, 241 Staatsangehörigkeit 58, 85, 296, 310, 312, 315 f., 333, 335, 364, 367 Stellvertretung 129, 142 f., 146, 153, 247, 267, 271, 308, 373 Stockholmer Programm 36, 260 subjektive Reichweite 190, 279, 320, 378 subsidiäre Zuständigkeit 251, 360, 364 Subsidiaritätsprinzip 42 Teilrechtswahl 138, 366 teleologische Extension 90, 94, 263, 301, 369, 387 teleologische Reduktion 74 f., 81, 87, 89, 142, 209, 262, 295, 297, 300, 302, 367, 369, 387 f. Torpedoklage 190, 196, 255, 278 f., 320, 328, 378 Umgangsrechtsstreitigkeiten 337 Umwandlungszuständigkeit 335 Unterhaltspflicht 250, 288 f., 301, 309 f., 312, 317, 321 f., 328 Unterhaltsstatut 308 Verbrauchersache 165, 169, 205, 209, 214, 216 f., 235, 238, 240, 252, 254, 258, 274 f., 282 Versicherungssache 205 f., 214, 216, 218 f., 235, 238, 254, 258, 274 f., 282 Vertragsstatut 137, 139 – 141 Vertragsstrafe 204, 321 Vollmachtsstatut 145 Wohl des Kindes 351, 353

336, 338 f., 344, 348 f.,