Organisierendes Arbeiten: Zur Performativität von Projekten 9783839441565

What do people do when they work in projects? This book shows that projects stand for independent and creative yet also

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Organisierendes Arbeiten: Zur Performativität von Projekten
 9783839441565

Table of contents :
Inhalt
Danksagung
Teil I. Eine Gesellschaft von Projekten
1. Projekte, überall Projekte
2. Begriffsgeschichte(n)
3. Perspektiven auf Projekte: Problematisierungen
Teil II. Arbeiten und Organisieren
4. Projektarbeit
5. Projektorganisation
6. Arbeit und Organisation in der Praxis: Implikationen
Teil III. Neue Begriffe
7. Um die Leerstellen zu füllen: organisierendes Arbeiten
8. Anschlüsse, Ausschlüsse, Abschlüsse
Literatur
Quellen

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Yannick Kalff Organisierendes Arbeiten

Sozialtheorie

Yannick Kalff, Arbeits- und Organisationssoziologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück im Fachgebiet Wirtschaftssoziologie. Er hat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena am Kolleg »Zeitstrukturen des Sozialen: Kontinuität und Diskontinuität gesellschaftlicher Entwicklung in der Moderne« promoviert. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören unter anderem Digitalisierung und Technisierung von Arbeit, Entwicklungen der Arbeitsgesellschaft, Selbstorganisation sowie Macht und Herrschaft in Gesellschaft und Arbeitsprozessen.

Yannick Kalff

Organisierendes Arbeiten Zur Performativität von Projekten

Zugl. Dissertation, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften, angenommen am 16.12.2015

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2018 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Lektorat & Korrektorat: Katrin Herbon, Bonn Satz: Yannick Kalff, LaTeX Druck: docupoint GmbH, Magdeburg Print-ISBN 978-3-8376-4156-1 PDF-ISBN 978-3-8394-4156-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Danksagung | 11

I

Eine Gesellschaft von Projekten 1

2

Projekte, überall Projekte | 15 1.1

Leerstellen der Arbeits- und der Organisationssoziologie | 19

1.2

Erkenntnisinteresse und Fragestellung | 22

1.3

Untersuchungsdesign, Methodologie und Methode | 26

1.4

Gliederung der Arbeit | 31

Begriffsgeschichte(n) | 33 2.1

Der Projektenmacher: Scheitern und Fantasterei | 34

2.2

Die Projektmanager_innen: Professionalisierung und Rationalisierung | 38

2.3 3

Vom Macher zur Manager_in | 44

Perspektiven auf Projekte: Problematisierungen | 51 3.1

Eine kurze Geschichte des Postfordismus | 52

3.2

Arbeitssoziologische Untersuchungen | 54

3.3

3.4

3.2.1

Wandel der Erwerbsarbeit | 54

3.2.2

Projektarbeit aus arbeitssoziologischer Sicht | 59

3.2.3

Kritische Würdigung | 73

Organisationssoziologische Untersuchungen | 75 3.3.1

Statische und prozessuale Organisationstheorien | 75

3.3.2

Projektarbeit aus organisationssoziologischer Sicht | 78

3.3.3

Kritische Würdigung | 98

Zwischenfazit: Leerstellen finden | 100

II

Arbeiten und Organisieren 4

Projektarbeit | 109 4.1

Kognitive Imperative | 110 4.1.1

4.2

4.3

4.1.2

Technik als Kompetenz | 118

4.1.3

Gesunder Menschenverstand | 121

Arbeiten in projektförmigen Strukturen | 126 4.2.1

Tagesgeschäft: Kommunikation und Repräsentation | 126

4.2.2

Entscheidung und Verantwortung | 129

4.2.3

Hierarchie und Weisung | 133

Politische Aushandlungen | 136 4.3.1

4.4 5

Kontrolle, Macht und Herrschaft | 136

4.3.2

Aushandlung, Identitätsstiftung, Identifikation | 141

4.3.3

Eskalationen | 146

Fazit | 150

Projektorganisation | 155 5.1

5.2

Normativität der Organisation | 155 5.1.1

Vorstellungen von ›idealen‹ Projekten | 156

5.1.2

Phase I und II: Einführung und Initialisierung | 162

5.1.3

Phase III und IV: Konzeption und Realisierung | 165

Macht und Herrschaft | 171 5.2.1

5.3

5.4 6

Normativität ›guter‹ Projektmanager_innen | 111

Informationen und Informationsflüsse | 172

5.2.2

Steuerung und Kontrolle des Projekts | 178

5.2.3

Ambivalenz und Uneindeutigkeit in Rollen und Verträgen | 183

Strukturerzeugung | 185 5.3.1

Die Organisation von Arbeit | 186

5.3.2

Strukturen schaffen I: Analysieren und Definieren | 190

5.3.3

Strukturen schaffen II: Planen und Entscheiden | 197

Fazit | 203

Arbeit und Organisation in der Praxis: Implikationen | 207 6.1

Ideal, Programm, Praxis | 208

6.2

Arbeit, Organisation und Projektziele | 212

6.3

Zeit und Zeitlichkeit | 217

6.4

Temporäre Strukturen und die Bearbeitung von Widersprüchen | 221

6.5

Theoretische Implikationen organisierenden Arbeitens | 223

III Neue Begriffe 7

Um die Leerstellen zu füllen: organisierendes Arbeiten | 229 7.1

7.2

7.3

7.4 8

Relationalität organisierenden Arbeitens | 231 7.1.1

Immaterielle Arbeit und produktive Arbeit | 234

7.1.2

Relevanz und Grenzen | 238

7.1.3

Zwischenfazit I: ›Produkte‹ des organisierendes Arbeitens | 242

Zeitbezug organisierenden Arbeitens | 243 7.2.1

Dispositive, relationale Materialität und Zeit | 244

7.2.2

Gouvernementalität, Disziplin und Kontrolle | 250

7.2.3

Zwischenfazit II: ›Strukturen‹ des organisierendes Arbeitens | 255

Machtbeziehungen organisierenden Arbeitens | 257 7.3.1

Macht, Herrschaft und Verschleierung | 259

7.3.2

General Intellect und der Arbeitsprozess | 262

7.3.3

Zeit als Regierungsmechanismus | 268

7.3.4

Zwischenfazit III: Regierungsmechanismus des organisierenden Arbeitens | 271

Organisierendes Arbeiten als Praxis der Projekte | 274

Anschlüsse, Ausschlüsse, Abschlüsse | 279 8.1

Organisierendes Arbeiten als Bindeglied | 281

8.2

Organisierendes Arbeiten als Heuristik | 283

8.3

Organisierendes Arbeiten und Vergesellschaftung | 284

Literatur | 289 Quellen | 317

Abbildungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6

Magisches Dreieck des Projektmanagements | 40 Mitgliederentwicklung der GPM von 1985 bis heute | 42 Zusammenhang zwischen Ideal – Programm – Praxis | 212 Grenzarbeit als Ein- und Ausschluss nach Relevanz | 216 Integration der Theorieperspektiven | 230 Projektmanagement-Software P ROJECT L IBRE | 249

Tabellenverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8

Literaturauswahl | 28 Interviewübersicht | 30 Mitgliederzahlen des Projectmanagement Institute | 43 Interessenvertretung in Projektnetzwerken | 63 Übersicht über sieben Projektmanagementschulen | 93 Theorie-Praxis-Beziehungen des Projektmanagements | 94 Eigenschaftsprofil von Projektmanager_innen | 113 Macht-Wissen-Regime | 270

Danksagung

Eine Dissertation ähnelt einem ›gewöhnlichen‹ Projekt: Der zeitliche Rahmen wird immer gesprengt, die finanziellen Mittel werden stets überzogen und die Qualität entspricht nicht den anfänglichen Vorstellungen: Eine Dissertation ist niemals abgeschlossen, sie ist nur eingereicht. Deshalb möchte ich an dieser Stelle allen Menschen für ihre tatkräftige Unterstützung danken, ohne die ich dieses Projekt sicherlich nicht zum Abschluss gebracht hätte. Mein Dissertationsprojekt wurde durch großzügige Fördermittel des Landes Thüringen im Rahmen der ProExzellenz Initiative von 2010 bis 2013 gefördert. Realisiert wurde sie am Promotionskolleg »Zeitstrukturen des Sozialen: Kontinuität und Diskontinuität gesellschaftlicher Entwicklung in der Moderne«. Die Friedrich-SchillerUniversität Jena hat eine sechsmonatige Abschlussfinanzierung bereitgestellt. Klaus Dörre und Stefan Lessenich danke ich für eine sehr gute Betreuung. Sie boten mir nicht nur den nötigen Rückhalt, sondern gewährten mir auch die notwendige Freiheit in der thematischen und inhaltlichen Bearbeitung. Hans J. Pongratz prägt seit meinem Studium in München meine arbeits- und organisationssoziologische Perspektive. Er hat meinen Blick auf die Ränder beider Gebiete geschärft. Die Arbeit ist maßgeblich durch ihn beeinflusst. Vielen Dank auch für die inhaltlichen Anmerkungen und Hinweise. Thomas Sauer hat mir durch ein Forschungsprojekt (2014 bis 2015) nicht nur ›thematische Ablenkung‹, sondern auch den Raum verschafft, an meiner Dissertation weiterzuschreiben – trotz drängender Fristen und Deadlines im Projekt. Meinen Kolleg_innen Sascha Bachmann, Julia Gabler, Konrad Grabert, Laura Hanemann, Alex Kramer, Boris Schörnig und Ben C. Seyd danke ich für die zahlreichen Diskussionen und konstruktiven Kommentierungen unserer Texte und den intensiven Austausch, auch über unsere Themen hinaus. Meine Arbeitsthesen und Fortschritte habe ich in verschiedenen Kolloquien und Graduiertenseminaren (insbesondere das GRS in Jena) zur Diskussion gestellt. Allen Teilnehmer_innen danke ich für die wertvollen Hinweise und Einlassungen sowie für die produktiv-kritische Auseinanderset-

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zung, welche das Ergebnis nur verbessert haben. Ebenfalls danke ich meinen Arbeitskolleg_innen an der Ernst-Abbe-Hochschule sowie der Friedrich-Schiller-Universität für das produktive und spannende Umfeld während und direkt nach meiner Promotion. Ohne die Menschen im Feld, die mir Kontakte und Interviewpartner_innen vermittelt oder mir Zugänge ermöglicht haben, hätte ich diese Untersuchung nicht durchführen können. Ihnen und insbesondere den interviewten Projektmanager_innen, welche mich an ihren Arbeits- und Projektwelten teilhaben ließen, danke ich ganz besonders. Diese Untersuchung verdankt ihrer Bereitschaft sich mitzuteilen unschätzbar viel Julia Wieczorek vom transcript Verlag hat das Buchprojekt vom Manuskript bis zum Druck begleitet. Katrin Herbon von sinnhaltig Lektorat hat die Korrektur des Manuskripts übernommen und sprachliche Unebenheiten professionell und mit viel fachlicher Expertise geglättet sowie manches Komma an die richtige Stelle gerückt. Trotz alledem; für verbleibende Fehler zeichne ich mich selbstverständlich verantwortlich. Eine Vielzahl von Menschen haben dazu beigetragen, dass das Schreiben nicht »einsames Geschäft« war: Maria Birnbaum, Hannes Bock, Kim Viktoria BräuerZeltner, Julia Feiler, Joris A. Gregor, Benjamin Gröschl, Jennifer Hagen, Sebastian Hanke, Jörg Hänold, Julius Herfurth, Christian Kaufmann, Melanie Kaufmann, Otto Klassen, Lena Krüger, Miriam Melchner, Sabrina Ortolf, Laura von Oy, Carola Ruhe, Ulrike Sasse, Günden Sava¸sçı, Katharina Warda, Mandy Wölke, Philipp Zeltner. Eva-Maria Voigt danke ich in besonderem Maße für ihren Weit- und Durchblick. Ihre Unterstützung bei universitären Verwaltungsprozessen war von unschätzbarem Wert. Außerdem danke ich Dir für das entgegengebrachte Verständnis in der Hektik, gerade zu Abgabe, Verteidigung und Veröffentlichung sowie für die gemeinsame Zeit an verschiedenen Orten. Nicht zuletzt danke ich meinen Eltern Ingrid und Robert sowie meiner Schwester Gesine für die bedingungslose Unterstützung in allen Belangen, ohne welche mir diese Promotion nicht möglich gewesen wäre.

Jena, Osnabrück, Berlin im Oktober 2017

Teil I Eine Gesellschaft von Projekten

1 Projekte, überall Projekte »Mach es zu deinem Projekt.« W ERBUNG EINER BAUMARKTKETTE »›Projekt‹ ist eine spezifische Form, die Wirklichkeit zu organisieren – ein Rationalitätsschema, ein Bündel von Technologien, schließlich ein Modus des Verhältnisses zu sich selbst. Die Tatsache, dass die Rede von Projekten ubiquitär geworden ist, gibt Aufschluss darüber, wie Menschen heute ihr Handeln und ihre Beziehungen zu sich wie zu anderen Menschen verstehen und organisieren.« U LRICH B RÖCKLING /P ROJEKTWELTEN

Projekte sind allgegenwärtig. Während Bauprojekte (insbesondere wenn sie schieflaufen) die mediale Berichterstattung dominieren, ist das Projekt ebenso ein diffuser Rahmen für individuelle Lebensentwürfe, Pläne und Unternehmungen. Kreativ-Projekte sind ›hip‹, ›cool‹ und ›sexy‹. Sie sind Synonym für geschäftiges Treiben mit einem Hauch Prekarität in den Hipster-Szenevierteln. Sie sind ›fehleranfällig‹, ›kostenintensiv‹, ›langwierig‹ und ›politisch brisant‹, wenn Flughäfen eröffnet oder Bahnhöfe unter Tage verlegt werden sollen. Kurz: Die Form des Projekts ist diffus, breit und komplex zugleich. Der Projektbegriff prägt Erwerbsarbeit und Unternehmensstrukturen. Als solcher ist er Gegenstand der hier vorliegenden Untersuchung, die sich mit der Performativität von Projekten beschäftigt. Was heißt es, ein Projekt ›zu machen‹? In der Wirtschaft hat sich ein klares Verständnis hierzu herausgebildet, das genau festlegt, was ein Projekt ist und was nicht. Ebenfalls schreibt diese Sicht genauestens vor, wie es geplant, gesteuert und abgewickelt werden muss. Projekte evozieren in diesem Bereich klare Vorstellungen. Aber stimmen diese mit der Praxis überein? Der Projektbegriff ist auch Sinnbild für andere gesellschaftliche Teilbereiche. Projekte sind »ubiquitär geworden« (Bröckling 2005: 366) – wie im einleitenden Zitat hervorgeht

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– und sie stehen sinnbildlich für ein verändertes soziales Organisationsverhältnis. In dieser Konjunktur muss dem Projektbegriff mehr Relevanz zugestanden werden, als er allein in Arbeits- und Wirtschaftskontexten erfährt. Das ›Projekt‹ ist eine Metapher (spät-)moderner Entwicklung (vgl. Kalff 2016). Dies wirkt auf die ›reine Lehre‹ des Projektmanagements zurück. Diese Untersuchung blickt hinter die strenge Auslegung der Projektmanagementschriften und betrachtet die vielfältige Praxis, die zwar ihre Legitimation aus der Exegese dieser Literatur zieht, aber Interpretationsspielräume offenlässt. Projekte sind zu einem zentralen Kern gesellschaftlicher und individueller Konstitution geworden und umreißen ein Organisationsverständnis, welches Kreativität, Verantwortung und Komplexität adressiert. Die Metapher speist sich aus einer nicht weiter offengelegten Quelle. Es wird auf veränderte Arbeits- und Organisationsverhältnisse verwiesen, auf die Dynamik (welt-)wirtschaftlicher Zusammenhänge und auf den gesellschaftlichen und politischen Wandel der letzten Jahrzehnte. Dennoch wird die Wirkungsweise der Projektrhetorik in Erwerbsarbeit und in Organisationen weitestgehend vernachlässigt. Deutlich tritt hervor, dass der Projektbegriff eben nicht das eine oder das andere, sondern eine Beziehung zwischen Arbeitsorganisation und sozialem Deutungsschema beschreibt. Ulrich Bröckling weist ihm den Status eines »Basiselement[s] zeitgenössischer Gouvernementalität« (Bröckling 2005: 366) zu, das die Menschen in ihrem Handeln und Denken anleitet. Das Projekt wird mit Verweis auf Vilém Flusser zur Folie der »Menschwerdung« auf dem Weg »[v]om Subjekt zum Projekt« (Flusser 1994). Als »spezifische Form, die Wirklichkeit zu organisieren« (Bröckling 2005: 366), beschreibt und produziert der Begriff gesellschaftliche Dynamiken. Das heißt, er wird als Deutungsschema adressiert. Diese Dynamiken lassen sich auf drei Ebenen finden. Erstens funktioniert die Projektmetapher in Zeiten stetiger Veränderung. Unter den Bedingungen sozialer Beschleunigung (vgl. Rosa 2005), der qualitativen Veränderung der Veränderung selbst, ist das Projekt eine vorzügliche Beschreibung, sich in immer kürzeren Zeithorizonten zu orientieren. Die beschleunigte Abfolge von Ereignissen produziert diskontinuierliche Lebensentwürfe, die allein in ihrer Zerstückelung Kontinuität erfahren. Das Projekt ermöglicht die Stabilisierung der einzelnen Episoden, indem es ihnen Anfang und Ende gibt und damit fragmentierte Gesamtzusammenhänge konturiert. Jede Station, jedes Ziel ist ein eigenes Projekt – sei es die Ausbildung, das Studium, eine Liebesbeziehung oder die Gründung einer Familie. Biografien erhalten dadurch einen Projektcharakter, welcher ›Selbstentwürfe‹ in eine Reihe bringt. Projekte sind ein Modus der biografischen Organisation. Hierin lässt ich ein Wesensmerkmal der condition postmoderne erkennen, welches Jean-François

1 P ROJEKTE , ÜBERALL P ROJEKTE | 17

Lyotard (1994) mit dem Ende der ›großen Erzählungen‹ verbindet. Auch in den Biografien verblassen die großen Narrative, sie weichen kleinen, lokalen Erzählsträngen. Zweitens beschreibt der Projektbegriff veränderte gesellschaftliche Begründungsstrukturen. Luc Boltanski und Ève Chiapello fragen nach der Rechtfertigung des Kapitalismus. Danach, warum das kapitalistische System trotz immanenter Widersprüche und vehement artikulierter Kritik immer noch bestehe. Mit Max Weber (1905/1947) gesprochen, müsse der Kapitalismus einen ›Geist‹ ausbilden, der seine Form und seine Ziele rechtfertige (vgl. Boltanski und Chiapello 1999/2006: 79 ff.). Boltanski und Chiapello beschreiben die Veränderung der Rechtfertigung von den 1960er bis zu den 1990er Jahren als ›neuen‹ Geist des Kapitalismus. »Mobilität, die Verfügbarkeit, die Vielzahl an Kontakten« definieren die Anforderungen der »›Cité par projets‹« (Boltanski und Chiapello 2001: 466). Diese »projektbasierte Polis« (Boltanski und Chiapello 1999/2006: 152), wie die Cité synonym genannt wird, ist die soziale Grammatik spätmoderner Gesellschaft. Kurzfristigkeit, Vernetzung, das Neu-Anfangen sind die Antriebsmechanismen einer auf Aktivität ausgelegten »Kultur des Projekts« (Boltanski 2007). In dieser Rechtfertigungsordnung erlangen diejenigen »Größe« (Boltanski und Thévenot 1991/2007), welche fesselnden und einschränkenden Verpflichtungen entsagen: »Man muss zum Nomaden werden« (Boltanski 2007). Drittens verändert die Projektrhetorik die Subjektkonstitution in Relation zur Gesellschaft. Sie fordert anstelle uniformer Menschen zunehmend deren Subjektivität und Individualität. Autonomie und Eigenverantwortung sind Kräfte, die individualisierte Vergesellschaftung antreiben. Pointiert hat dies Richard Sennett durch das Bild des flexiblen Menschen beschrieben, welcher in der Dynamik moderner Erwerbsarbeit in eine »drift« gerate, welche den integeren Charakter zersetze (vgl. Sennett 1998).1 Auch sozialstaatliche Absicherung verändert sich sukzessive zu einer individualisierten Verantwortung, welche Stephan Lessenich als »Aktivierung« begreift (vgl. Lessenich 2008, 2009). Eine gesellschaftlich wirksame Projektsemantik baut auf einer aktivierten Individualität auf, welche sich aus dem individuellen Vermögen zehrt, sich selbstverantwortlich zu entwerfen. In dieser neuen Eigenverantwortung verändert sich nicht nur das Prinzip der eigenen Lebensgestaltung, sondern auch ein weiter Teil von vergesellschaftenden Mechanismen, beispielsweise Erwerbsarbeit und deren Organisation. Es kann so eine neue Regierungsrationalität ausgemacht werden, deren Leitbild auf diese Individualität reagiert, sie erzeugt und voraussetzen muss. Im Sinnbild des Projekts erfahren beide Bedingungen ihre Realisierung: Zum einen erlauben sie die individuelle Ausgestaltung der eigenen Biografie (mit dieser Freiheit gehn auch Zwänge einher). Zum anderen ist sie Voraussetzung für die auf 1 | Sennetts Kulturpessimismus wird der Originaltitel The Corrosion of Character gerechter.

18 | O RGANISIERENDES A RBEITEN

Aktivität ausgelegte projektbasierte Polis, die Individualität fordert und auf Flexibilität und Unstetigkeit der Lebensentwürfe aufbaut. Unlängst hat der eingangs zitierte Slogan einer sich als »Projekt-Baumarkt« bezeichnenden, Kette in die Sphäre des Privaten Einzug gehalten, in der es für die ›Macher_innen‹2 »immer was zu tun« gäbe. Im Herbst 2013 wirft dieser Baumarkt mit einer neuen Kampagne die appellative, existenzialistische Frage auf: »Und was bleibt von Dir?«3 Bröckling hat süffisant darauf hingewiesen, dass die Biologie die »›Lebensdauer‹« unserer Projekte begrenze: »Das definitive Projektende kommt irgendwann für alle, das ›Projekt ‚Leben‘‹ [. . .] endet in jedem Fall letal« (Bröckling 2005: 382). Die beschriebenen Anschlüsse des Projektbegriffs konturieren ein projektifiziertes Selbst, welches die Anforderungen an zeitgenössische Arbeitskraft aufgreift (vgl. Kalff 2017). Kreativität, Selbstorganisation, Kommunikation und Authentizität werden zunehmend Bestandteile des Arbeitsprozesses, der sich der Projektmetapher auf einer organisatorischen Ebene bedient. Projekte sind in diesem Kontext ein Gegenstand, der einer sehr starken Professionalisierung ausgesetzt ist und sich ebenso in Zertifikaten wie im weiten Feld des Projektmanagements deutlich zeigt. Was geschieht jedoch in Projekten genau? Der Einstieg über die gesellschaftliche Ebene der Projektmetapher verdeutlicht, dass das Projekt ein Rationalitätsschema ist, welches Arbeit strukturiert, jedoch auch durch diese hervorgebracht und verändert wird. Um dieses Schema zu verstehen, untersuche ich Projekte in (Wirtschafts-)Organisationen, wodurch die formalisierte – da professionalisierte – Projektlogik in situ beschrieben werden kann. Hier stoßen gängige Erklärungen der Arbeits- und der Organisationssoziologie auf Probleme.

2 | Geschlechteridentitäten werden gleichberechtigt dargestellt. Daher wird durch den Unterstrich (Gendergap) angedeutet, dass zwischen männlicher und weiblicher Form (als äußere Pole eines Spektrums) ein Freiraum bleibt, welcher die von der dichotomen Geschlechterkonzeption abweichenden und ausgeschlossenen Identitätsentwürfe einschließt. Hiermit soll eine sprachliche Repräsentation geschaffen werden, welche durch die Verwendung des generischen Maskulinums nicht sichergestellt wird. Werden in bestimmten Kontexten explizite Geschlechtsidentitäten angesprochen, wird dies gekennzeichnet. Die einzige Ausnahme stellt das Wort »Akteur« dar, welches ich als Neutrum interpretiere. 3 | Im Frühjahr 2017 lautet der Slogan »Bereue nichts!« Der Spot greift im Untertitel eine wichtige etymologische Facette auf, welche im folgenden Kapitel genauer beleuchtet wird: »Von der Größe im Scheitern«.

1 P ROJEKTE , ÜBERALL P ROJEKTE | 19

1.1 L EERSTELLEN DER A RBEITS UND DER O RGANISATIONSSOZIOLOGIE Soziologische Analysen tendieren, einem Leitprinzip der Moderne folgend dazu, funktional differenziert zu sein. Die akademische Soziologie ist selbst eine arbeitsteilig organisierte Institution. Für ihre Gegenstände bedeutet dies, dass sie von je eigenen ›Bindestrich-Soziologien‹ betrachtet werden. Da diese nur ihr eigenes Erkenntnisinteresse auf soziale Tatbestände richten, sind sie blind für perspektivische Grenzgänge oder -überschreitungen. Eine solche Isolation findet sich zwischen der Arbeits- und Organisationssoziologie. An der (Erwerbs-)Arbeit lässt sich deutlich zeigen, wie sie als Untersuchungsobjekt von Arbeits- und Organisationssoziologie erfasst wird, ohne dass sich beide Arbeitsfelder berühren oder überschneiden. Einerseits befasst sich die Arbeitssoziologie – verkürzt gesprochen – mit der historischen, gegenwärtigen und zukünftigen Verfasstheit von Arbeit sowie ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. Dabei zieht sie kaum Rückschlüsse auf die zwingend notwendige Organisation von Arbeitsverhältnissen, die allenfalls als betriebliche Perspektive und nicht als konkret formulierter Forschungsansatz in diese Soziologie eingegangen ist. Ebenso verhält es sich mit der Organisationssoziologie: Ihr Gegenstand ist die ›moderne‹ Organisation, welche sich von anderen sozialen Zusammenschlüssen wie der Familie durch die drei Kernelemente Mitgliedschaft, Zweckrationalität und Hierarchie unterscheidet (Kühl 2011: 15 ff.). Nahezu unausgesprochen bleibt jedoch die Grundlage der Organisation, welche tätige Arbeit ist. »Die Teilung der Arbeit ist das Prinzip, das ihre Organisation zur Notwendigkeit macht« (Moldaschl 2010: 263). Das Verhältnis von Erwerbsarbeit zu ihrer Organisation in Unternehmenskontexten bleibt offen. Dennoch: Arbeit ist der Organisation als Prozess inhärent – jede Form arbeitsteiliger Tätigkeit muss organisiert werden. Meines Erachtens lassen sich diese Leerstellen über eine konsequente Zusammenführung beider Teilfächer aufheben. Der Arbeitssoziologie fehlt eine konkrete Idee der Organisation; der Organisationssoziologie fehlt ein Blick auf Arbeitstätigkeit. Dieser doppelte Mangel wird in den soziologischen Interpretationen des Wandels von Erwerbsarbeit und Organisation deutlich. Der Begriff der Selbstorganisation bringt dieses Unbehagen auf den Punkt. Die eiserne Aufteilung der Gegenstände Arbeit und Organisation auf zwei wissenschaftliche Disziplinen produziert ein Unbehagen. Nicht zuletzt deswegen besteht seit dem 36. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bochum ein Interesse, gemeinsame Veranstaltungen der Sektionen Arbeits- und Industriesoziologie sowie der Organisationssoziologie abzuhalten. Für eine adäquate Untersuchung von Projekten müssen die Leerstellen beschrieben und

20 | O RGANISIERENDES A RBEITEN

gefüllt werden. Erst mit diesem Schritt lässt sich die Besonderheit von Projektarbeit und Projektorganisation in der Praxis untersuchen – und damit die Projektsemantik erfassen. Der Weg dorthin führt über eine Analyseperspektive, welche die blinden Flecken der Arbeits- und der Organisationssoziologie wechselseitig schließt. Sollen Projekte hinreichend untersucht werden, müssen Arbeit und Organisation zusammen gedacht werden. Organisationen, so argumentieren beispielsweise Türk, Lemke und Bruch (2002), seien historisch zu deutende Verfestigungen gesellschaftlicher Normen, Werte und Machtbeziehungen, welche diese Normen, Werte und Machtbeziehungen jedoch ebenso hervorbringen würden. In der institutionellen Gestaltung von Organisationen deutet sich mehr als nur der Rahmen für die in ihnen organisierte Erwerbsarbeit an. Sie inkorporieren die historisch aktuellen, gesellschaftlichen Kontroll- und Herrschaftsmechanismen der Gesellschaft. Die Arbeitssoziologie stellt seit den 1990er Jahren einen fundamentalen Wandel der Erwerbsarbeit – und mit ihm strukturelle Umbrüche in Betrieben – fest. Diese Diagnose hat sie jedoch nur unzureichend mit einem konkreten theoretischen Instrumentarium versehen. Es könnte als Kategoriesystem in die allgemeine akademische Diskussion zurückgeführt werden. Ein Unbehagen an der Entwicklung der Arbeits- und Industriesoziologie ist spürbar, deren »Institutionalisierung [. . .] als Sonderweg innerhalb der Nachkriegssoziologie« (Pongratz 2005: 26) beschrieben wird. Damit haben sie sich »in theoretisch-analytischer, in empirisch-methodischer sowie in normativer Hinsicht« (ebd.: 27) verselbstständigt.4 Diese Entwicklung ist in einem kontroversen Krisendiskurs verteidigt beziehungsweise problematisiert worden (vgl. Huchler 2008). Von besonderer Bedeutung ist meines Erachtens die Frage nach der Reichweite arbeitssoziologischer Forschung: Stefan Kühl argumentiert, dass es einer gesellschaftstheoretischen Erneuerung bedürfe, um nicht ›nur‹ Bindestrich-Soziologie zu sein (vgl. Kühl 2004: 8 ff.). Dies ähnelt Hans Pongratz’ Diagnose, die Arbeitssoziologie habe ihre Verwandtschaft zu organisationssoziologischen Fragestellungen und Konzepten aufgegeben. Dadurch werde darüber hinaus die Rezeption der Arbeitssoziologie in der Organisationssoziologie verhindert. »Es steht außer Frage, dass Betriebe maßgebliche Bezugseinheiten industriesoziologischer empirischer Forschung geblieben sind. Was als kollektiver Anspruch preisgegeben worden ist, ist die Weiterentwicklung einer betriebsorientierten Perspektive« (Pongratz 2005: 33).

4 | Diese Diagnosen waren bei den Tagungen der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie 2010 in Chemnitz und 2011 in Kassel Grundlage methodischer und theoretischer Diskussionen.

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Jene ungeklärte Frage der betrieblichen Perspektive in der Arbeitssoziologie muss daher nachträglich beantwortet werden. Auch wenn sie, wie im Zitat erläutert, empirische Relevanz besitzen, fehlt ein theoretisch fundierter Blick auf (Wirtschafts-)Organisationen, in deren Kontext Arbeit geschieht. Gerade der Wandel der Erwerbsarbeit, welcher spürbar organisationale Rahmenstrukturen transformiert, sieht sich einem forschungsperspektivischen Defizit ausgesetzt. Empirische Resultate in entsprechenden Kategorien zu konzeptionalisieren, zu aggregieren und auf höhere Ebenen zu übertragen, wird so problematisch. Einige Beiträge versuchen, dieses Problem zu lösen und ›Organisation‹ wieder explizit auf Arbeit zu beziehen (vgl. Faust, Funder und Moldaschl 2005; Lohr, Peetz und Hilbrich 2011; Moldaschl 2010; Peetz und Lohr 2010). Die Organisationssoziologie hat gegenüber der Arbeitssoziologie einen ungleich internationaleren Bezug. Nahezu alle dominierenden theoretischen Strömungen der Organisationssoziologie stammen aus dem angloamerikanischen Raum und haben sich Max Webers Bürokratietheorie größtenteils über Umwege (meistens über Talcott Parsons’ Strukturfunktionalismus) angeeignet. Eine eigenständige Auseinandersetzung mit Organisation fand mit Niklas Luhmanns systemtheoretischen Arbeiten auch in geistiger Verwandtschaft zu Parsons als Reimport statt. Die Frankfurter Schule setzte sich nur mittelbar, unter einem rationalitätskritischen Vorzeichen, mit der »verwalteten Welt« (Adorno 1960/2003b: 129) auseinander. Interessant erscheint diese Entwicklung, weil die rationalitätskritischen Perspektiven dadurch in verschiedenen organisationstheoretischen Strömungen an Bedeutung gewonnen haben. Die Organisationstheorie folgt ebenfalls sozialwissenschaftlichen Trends. Übergänge von statischen Konzepten hin zu Prozessperspektiven lassen sich seit einigen Jahren nachzeichnen. Sie hat verschiedene Turns vollzogen, die auf kulturelle, sprachliche und performative Aspekte abstellten. In diesem Umfeld sind Konzepte entstanden, welche die Fokussierung auf Organisationsstrukturen zu überwinden versuchen. Teilweise durch Handlungstheorien inspiriert, teilweise an poststrukturalistischen Strömungen orientiert, werden strukturfunktionale Elemente infrage gestellt und einseitige Handlungsdeterminationen organisationaler Subjekte verabschiedet.5 Zentral ist ein heuristischer Wechsel: Organisationen werden nicht mehr als feste Entitäten betrachtet, sondern als performative (Aus-)Handlungen. Dies kann als Übergang von ›modernen‹ zu ›postmodernen‹ Organisationstheorien gelesen werden (vgl. Chia 1995, 1996; Cooper und Burrell 1988; Kneer 2008). Häufiger und prägnanter ist meines Erachtens das Label poststrukturalistische Theorien, welche auf den Linguistic Turn und die Bedeutung einer konstituierenden Praxis verweisen. Trotz einer Wende

5 | Die Sektionsveranstaltung auf dem Soziologiekongress 2016 in Bamberg beschäftigte sich beispielsweise mit verschiedenen Praxistheorien.

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zu Praxiskonzepten fehlt eine konkrete Beziehung zur eigentlichen Tätigkeit: Organisieren wird zwar als Tätigkeit interpretiert, aber nicht als Teil der (Erwerbs-)Arbeit hinzugerechnet. Durch diese Arbeit wird der Arbeitskontext verhandelt. Projekte sind als Forschungsgegenstand in einer Vielzahl von Spannungsverhältnissen eingebettet, die meines Erachtens in ihrer Komplexität nicht ausreichend analytisch erfasst werden, wenn sie nur von der Position der Arbeit oder der Organisation aus betrachtet werden. Subjektivierte, entgrenzte und vermarktlichte Arbeit wird mit gestiegener Selbstorganisation assoziiert. Hierin werden diese organisationalen Aspekte in der Arbeit nicht ausgewiesen. Dies zeigt sich in der Debatte über transformierte Erwerbsarbeit sowie in den spezifischen Aspekten von Projektarbeit in arbeitssoziologischen Untersuchungen. Mitbestimmung, Arbeit in Projektnetzwerken und Genderthemen werden im Konnex mit individualisierter Verantwortung, eigenständiger Arbeit, Fort- und Weiterbildungen sowie informalisierten Arbeitsmärkten untersucht. Erfolg im Beschäftigungssystem sowie in der Arbeitssituation als solcher scheint nur zu haben, wer neben fachlichen Qualifikationen auch die Fähigkeiten zur Selbstorganisation, -optimierung und -orientierung aufweist. Dies ist die andere Seite der Projektarbeit, die sich in unbezahlter, informeller Arbeit zeigt. Ohne diese ›verschleierte‹ Seite kann die Arbeit nicht das hohe Flexibilitäts- und Produktivitätspotenzial entfalten. Die Arbeitssoziologie verfügt über eine Leerstelle in ihrem Gegenstandsbezug. Sie blendet Organisation im Arbeitsbegriff aus. Die weiter oben angedeutete analytische und inhaltliche Oberflächlichkeit des Befunds gestiegener Selbstorganisation wird durch organisationssoziologische Interpretationen nicht gelöst. Die Diagnose ist zwischen Arbeits-, Prozess- und Betriebsorganisation angesiedelt. Die organisationssoziologische Perspektive hat ebenfalls eine Leerstelle: Sie blendet Tätigkeiten, insbesondere die Arbeit im organisationalen Beziehungsgeflecht, aus.

1.2 E RKENNTNISINTERESSE UND F RAGESTELLUNG Aufgrund der vorangegangenen Darstellung der Leerstellen der Arbeits- und Organisationssoziologie ergibt sich ein Verfahrensplan, mit welchem ich die Besonderheiten von Projekten untersuche. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass in Projekten Arbeiten und Organisieren als Tätigkeiten ineinanderfallen. In der Projektarbeit wird das Projekt organisiert, und diese Organisation bedeutet Arbeit. Projektarbeit umfasst mehr, als ›nur‹ Management. Die Frage, so wirft Henry Mintzberg auf, sei nicht bloß festzustellen, »was ein Manager tut, sondern wie dieses Tun zu deuten ist« (Mintzberg 2010: 13). Seine Tätigkeiten gehen über die ursprünglich von Henri Fayol (1916) formulierten Aufgaben der Planung, Organisation, Führung, Koordination und Kontrolle

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hinaus, die vielmehr als »Folklore« (Mintzberg 1975) zu verstehen sind. Für ein akurates Verständnis ist es unerlässlich, dieses Tun zu kontextualisieren und mit der idealisierten Auffassung – der »Folklore« – der Tätigkeit zu kontrastieren. Arbeits- und organisationssoziologische Blicke allein können diese Verschränkung nicht sichtbar machen. Zunächst werden daher im Forschungsstand die blinden Flecken der beiden Disziplinen nachgewiesen. Dieser Blick ist systemtheoretisch inspiriert. Arbeits- und organisationssoziologische Studien werden mit seiner Hilfe analysiert, um zum einen die Lücken beider Disziplinen herauszuarbeiten und zum anderen zu zeigen, an welchen Punkten sie sich gegenseitig sinnvoll ergänzen ließen. Der Rekurs auf die gesellschaftliche Projektmetapher erfordert eine Sensibilität für die historische Genese des Begriffs. Türk, Lemke und Bruch (2002) kehren die Forderung Theodor W. Adornos, dass »die moderne Organisation« sich nur »durch eine ausgeführte Theorie der Gesellschaft« (Adorno 1953/2003a: 441) interpretieren lässt um. Die moderne Gesellschaft sei nur durch eine ausgeführte Theorie der Organisation zu verstehen. Als »Rationalitätsschema« (Bröckling 2005: 366) tauchen Projekte nicht einfach ex nihilo auf. Sie sind ein historisches Produkt verschiedener sozialer, gesellschaftlicher und organisationaler Zusammenhänge, welche gesellschaftliche Machtbeziehungen konstituieren. Im Anschluss an das Werk Michel Foucaults richte ich den Blick auf die »Organisation(en) der Gesellschaft« (vgl. Bruch und Türk 2005; Gertenbach 2014). Sie sind zum einen Teil moderner Gesellschaft, welche sie organisiert (vgl. Kühl 2011: 15 f.). Zum anderen sind sie das Prinzip moderner Gesellschaft (vgl. Nassehi 2002; Perrow 1989). Hieraus resultiert: Erstens wirken in Organisationen gesellschaftliche Kräfteverhältnisse, durch die sie gestaltet werden. Zweitens produzieren sie spezifische Subjektivierungsformen. Drittens erzeugen sie Realität; das heißt, sie bestimmen Äußerungs- und Bezeichnungspraktiken und legen fest, was sichtbar und sagbar ist (vgl. Gertenbach 2014: 161 ff.). Organisationen sind, im Sinne Foucaults, ein sogenanntes Regierungsdispositiv, das »Organisation historisch und systematisch an Fragen des Zusammenhangs von Rationalität und gesellschaftlichen Modi von Machtausübung bindet« (Bruch 2011: 15). Arbeit in Projekten interpretiere ich als »immaterielle Arbeit« (Hardt und Negri 2002; Lazzarato 1998a). So lassen sich nicht nur strukturelle Veränderungen der Erwerbsarbeit, sondern auch die Spezifika informatisierter Wertschöpfung und veränderter Produktionsverhältnisse in eine Untersuchung hineinholen. Nicht nur der Formwandel der Arbeit wird sichtbar, auch ein Blick auf die Arbeitsinhalte wird möglich. Gerade die schwierige begriffliche Bestimmung von Selbstorganisation gewinnt hierdurch einen essenziellen Mehrwert für die Analyse. Immaterielle Arbeit schärft zudem die Aufmerksamkeit für Tätigkeiten, die nicht Teil einer formellen Erwerbsarbeit

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sind. Tätigkeiten, die beispielsweise der Selbstorganisation dienen, aber eher latent bleiben, können auf diese Art für eine theoretische Diskussion extrahiert werden. Das Endprodukt ist ein analytisches Konzept des organisierenden Arbeitens, welches die Verschränkung von Arbeit und Organisation in Projekten sichtbar macht und so die Leerstellen der soziologischen Teildisziplinen schließt. Die Namensgebung des Begriffs folgt nicht einer hermetischen Ableitung aus bestehender Theorie, sondern in Kontrastierung mit empirischem Material entwickelt. Das Erkenntnisinteresse liegt in der Praxis des organisierenden Arbeitens, die in konkreten Arbeitshandlungen in Projekten zu finden ist und von Angestellten verbalisiert werden kann. Hierfür ist allerdings eine konkrete Reflexionsinstanz notwendig, welche das teilweise implizite Wissen zugänglich macht, sodass es beispielsweise in Interviews expliziert werden kann (vgl. Reckwitz 2008: 196). Die Praxis vollzieht sich in einem Horizont idealisierter Vorstellungen von Projekten. Zwischen Ideal und Praxis befindet sich eine mittlere Ebene, deren Rolle tatsächlich als ›mittelnd‹ angesehen werden kann. Programme verbinden das Ideal mit der Praxis. Sie sind aus der idealisierten Projektzuschreibung destillierte Handlungsanweisungen oder Werkzeuge, welche in der Praxis angewendet werden, und stellen einen Bezug zwischen den »Alltags- oder Mikrogeschichte[n]« der Praxis und einer »›Diskursgeschichte‹« (ebd.: 189) des Ideals her. Besser benannt wären diese Programme als Projektmanagement. Projektmanagement ist programmatisches Wissen und Handlungsschablone für ›etwas‹, das wie ein Projekt bearbeitet und geplant werden soll. Es ist Richtlinie, Regel, Verhaltenskodex, Norm – jedoch kein Abbild der Praxis. Subjekte sind, mit Foucault gesprochen, nicht stumpfe Handlungsmaschinen, die sich strikt an diese Programme halten oder durch sie determiniert werden. Als Subjekte sind sie eigensinnig und widerständig, selbst in ihrer Unterwerfung: »Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand« (Foucault 1983: 96). Von daher müssen Projekte auf beiden Ebenen betrachtet werden: auf Ebene der Programme und auf Ebene der Praxis. Werden beide gegeneinandergesetzt, wird ihr Zusammenspiel deutlich. Die These an dieser Stelle ist, dass sie sich verschränken und auf die Projektmetapher als idealisierte Referenz beziehen. Diese verleiht den Elementen in und um Projekten Sinn und gibt Orientierung. Eine einfache Analyse von Projektmanagementliteratur (so viele Facetten diese auch hat) ist nicht zielführend, denn sie deckt nur Programme ab. Wird eine soziologische Betrachtung von Projekten allein auf der programmatischen Ebene vollzogen, reduziert sich die Untersuchung auf eine reine Textanalyse – auf welche diskursanalytische Konzepte allzu häufig verkürzt werden (vgl. Dyk 2010: 175). Zwar lassen sich in programmatischen Abhandlungen stimmige Mechanismen rekonstruieren; diese behalten allerdings einen hypothetischen Charakter. Diese Kritik ist im Anschluss an Interpretationen der Foucault’schen Diskursanalyse und der Gouvernementalitätsstu-

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dien angebracht worden (vgl. Denninger et al. 2010: 215 ff.; Dyk 2010; Graefe 2010; Eversberg 2014: 16 ff.; Reitz und Draheim 2007). Ebenso unzureichend ist es jedoch auch, nur die Praxis von Projektarbeit zu erfassen, denn diese blendet die Programme, welche in Statuszuschreibung, Professionalisierung und Ausbildung transportiert werden, aus. Das bedeutet für die Untersuchung, dass sie – auch wenn sie die Tätigkeit des organisierenden Arbeitens konzeptionell ausarbeitet – ihre Argumente nicht ohne Empirie aufbauen kann. Selbst wenn die Leerstellen in der bestehenden Forschung durch eine detaillierte Analyse der Projektmanagementliteratur sukzessive befüllt werden können, bleibt die Praxis widerspenstig. Daher werden explorative Expert_inneninterviews einbezogen, um die Praxiserfahrungen und Wissensbestände der Akteure im Feld zu berücksichtigen.6 Dies ist nicht als eine weitere Trennung entlang der Fächergrenzen zwischen Arbeits- und Organisationssoziologie misszuverstehen. Programm und Praxis liegen quer zu beiden Gebieten – insbesondere, wenn Organisieren als tätiger Prozess ernst genommen wird. Das Erkenntnisziel wird daher nicht durch eine strikte empirische Beweisführung erreicht, sondern folgt einer theorieorientierten Argumentation unter Zuhilfenahme der qualitativen Daten, um das Wechselspiel aus Programm und Praxis sichtbar zu machen. Als Konzept stellt das organisierende Arbeiten daher keine verallgemeinerbare Erkenntnis dar. Es ist zunächst eine analytische Heuristik, um Selbstorganisation zu beschreiben. Die Studie verfolgt zwei Ziele. Einerseits sollen die Spezifika von Projektarbeit und Projektorganisation rekonstruiert werden. Andererseits stellt sich die Frage, wie Arbeits- und Organisationssoziologie zusammengebracht werden können. Projekte können aus beiden Perspektiven betrachtet werden, wie ich im vorherigen Abschnitt argumentiert habe. Das heißt, Projekte sind in der Praxis durch das Ineinanderfallen von Arbeit und Organisation gekennzeichnet. Mit dem Begriff des organisierenden Arbeitens wird diese Relation verdeutlicht und theoretisch, unter Rückgriff auf empirische Daten, diskutiert. Als Fragen ergeben sich somit: Wie wird in Projekten gearbeitet? Welche Mechanismen organisieren Projekte? Was bedeutet Selbstorganisation in Projekten und welchen Stellenwert hat sie im Arbeitsprozess? Noch einmal allgemeiner formuliert: Was lässt sich mit dem neu angelegten Begriff des organisierenden Arbeitens bei Projekten sichtbar machen und wie ›funktioniert‹ dieser Arbeitsbegriff vor dem Hintergrund einer konkreten Praxis?

6 | Mittels des Interviews wird die angesprochene Reflexionsinstanz bedient. Die Befragten geben ihre eigenen Interpretationen und Deutungen ihrer Praxis. »Soziale Praktiken im praxeologischen Sinne [. . .] kommen nie unmittelbar zugänglich vor« (Reckwitz 2008: 195), jedoch können sie bis zu einem gewissen Grad reflektiert und erzählt werden.

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Der zweite Fragenkomplex schließt an den ersten an und bezieht sich auf die Relation der beiden Fächer zueinander. Die Untersuchung zeigt neben der Funktion des organisierenden Arbeitens für die performative Herstellung von Projekten, dass die konstitutive Trennung in Arbeitssoziologie und Organisationssoziologie einen Keil zwischen die zwei Gegenstände treibt, welche in der Praxis zusammenfallen. Beide Fächer wieder direkter aufeinander zu beziehen und miteinander in Austausch zu bringen, stellt das Erkenntnisinteresse dar und dient der forschungsstrategischen Annäherung an das eingangs aufgeworfene Problem. Am Beispiel von Projekten wird diese Trennung nicht nur unproduktiv, sie ist strukturell blind für die Arbeits- und Organisationsform des Projekts. Konkrete Fragen lauten daher: Wie lassen sich Arbeit und Organisation soziologisch in den Blick nehmen? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, um beide Teildisziplinen miteinander zu verschränken? Welche strukturellen Lücken müssen hierfür in den Disziplinen zuerst gefunden und dann gefüllt werden? Wenn Arbeiten und Organisieren über die Grenzen der soziologischen Teildisziplinen hinaus zusammengedacht werden, ermöglicht dies, die Besonderheiten der Arbeit und Organisation von Projekten tiefgehender zu interpretieren.

1.3 U NTERSUCHUNGSDESIGN , M ETHODOLOGIE UND M ETHODE Die empirische Grundlage der theoretischen Argumentation bilden zwei Arten von Materialien. Zum einen liefern Publikationen zum Projektmanagement, beispielsweise Ratgeberliteratur, Hinweise auf ein idealisiertes und präskriptives Wissen über Projekte. Zum anderen zeichnen Expert_inneninterviews ein Bild der Projektpraxis und machen den inkorporierten Wissensstand von Personen sichtbar. Beide Materialien beschreiben die soziale Situation in Projekten und decken Wirkungszusammenhänge auf. Zunächst besteht ein deskriptiver Anspruch an die Empirie, um die Mechanismen von Arbeit und Organisation sichtbar zu machen. Darüber hinaus werden ihre strukturellen Funktionsweisen offengelegt. Die Untersuchung folgt den Prinzipien qualitativer Sozialforschung. Sie ist explorativ angelegt. Der idealisierte und programmatische Rahmen des Projektmanagementwissens findet sich in Managementliteratur und Zertifizierungsverfahren. Sie sind Elemente einer Professionalisierung der Projektsteuerung. Die vielfältigen Titel der Projektmanagementliteratur lassen sich verschiedenen Kategorien zuordnen, die jedoch nicht trennscharf sind. Die folgende Einteilung dient der Übersicht und soll ein Gespür für die Ansprüche und Ziele der Publikationen vermitteln: Zertifizierende Literatur umfasst Bücher mit einem expliziten Anspruch, Projektmanagement institutionell stan-

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dardisiert zu vermitteln. Hierzu zählen insbesondere die populären Standards des Project Management Institute oder der International Project Management Association sowie deren deutschsprachige Ableger der Gesellschaft für Projektmanagement. Einerseits vermitteln sie standardisierte Projektumgebungen und Leitlinien; andererseits sind sie Referenzgrößen für andere Publikationen. Daneben existieren Bücher, die auf den Zertifizierungsprozess vorbereiten oder Prüfungsvorlagen anbieten. Werkzeugkästen sind Nachschlagewerke für Methoden und Techniken des Projektalltags. Von Brainstorming-Methoden über Feedbackrundengestaltung bis hin zu Planungsansätzen sammeln sie ein breites Spektrum an ›Werkzeugen‹ für den Berufsalltag. Praxisratgeber vermitteln erfahrungsgestütztes Projektmanagementwissen aus der Anwender_innenperspektive und versehen es mit detaillierten Beispielen. Hierunter fallen in der Regel auch Best-Practice-Modelle. In der Kategorie Lehrbücher finden sich die umfangreichsten Publikationen. Sie versuchen, das Projektmanagement in seiner Gesamtheit und didaktisch aufbereitet darzustellen. Ihren akademischen Anspruch halten sie durch strikte Formalisierung und kohärente Quellenverweise. Der Korpus der Lehrbücher schneidet sich in großen Teilen mit Projektmanagementleitfäden, deren vorrangiges Ziel es ist, eine mehr oder weniger praxisorientierte Schritt-für-SchrittAnleitung anzubieten. Für die Arbeit wurde eine Auswahl an Projektmanagementliteratur getroffen, welche als Grundlage für die empirischen Auswertungen dienen soll (siehe Tabelle 1). Die Auswahl basiert auf einer Recherche im Onlinekatalog des GBV (Gemeinsamer Bibliotheksverbund).7 Sie wurde beschränkt auf deutschsprachige Publikationen der Jahre 2008 bis 2012,8 die in Deutschland verlegt wurden. Insgesamt finden sich über 300 Veröffentlichungen, die manuell bereinigt wurden, um beispielsweise Dopplungen auszusortieren. Es blieben circa 200 Titel übrig, von denen wiederum nur Neuauflagen im beschriebenen Zeitraum ausgewählt wurden. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Publikationen rezipiert und nachgefragt werden. Insgesamt wurden 60 Titel in die Untersuchung einbezogen. Letztendlich entspricht die Materialsammlung zwar nicht einer statistisch sauberen Stichprobenziehung, für das Untersuchungsdesign ist dies jedoch nicht relevant, da eine strenge Verallgemeinerbarkeit, wie bei statistischen Methoden, auf qualita-

7 | Zusammenschluss der Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein sowie Thüringen (GBV o. J.). 8 | Die Selektionskriterien gelten nicht für die Referenztitel des Project Management Institute und der International Project Management Association. Hier wurden die aktuellsten Ausgaben gewählt.

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Tabelle 1: Literaturauswahl Autor_innen

Jahr

erste Auflage

Auflage

Kategorie

Andler Drews, Hillebrand

2012 2010

2008 2007

4 2

Werkzeugkasten Werkzeugkasten

Jenny Burghardt Hofmann

2010 2012 2011

2008 1988a 2008

2 9 4

Leitfaden Leitfaden Leitfaden

Ottmann, Schelle Schelle Schmid

2011 2010 2012

2008 1995 2002b

2 6 4

Praxisratgeber Praxisratgeber Praxisratgeber

Corsten, Corsten, Gössinger Olfert

2008 2012

2000c 1998

2 8

Lehrbuch Lehrbuch

Caupin et al. PMI

2006 2013

1999 1987

3.0 5

Zertifizierung Zertifizierung

Quelle: eigene Darstellung a | Erstauflage erschien in anderem Verlag. b | Erstauflage erschien unter anderem Titel. c | Erstauflage nur von Hans Corsten verfasst.

tive Sozialforschung verzichtet wird. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses steht ein exploratives Vorgehen. Die Publikationen wurden in einer Dokumentenanalyse als Teile des professionellen Diskurses über Projektmanagement ausgewertet. Dabei ist der Fokus auf die inhaltliche Ebene gerichtet (Mayring 2000, 2008).9 Hierfür ist die inhaltliche Dimension, aber auch die Textgattung, also jene Klassifikation, die ich im vorausgehenden Absatz skizziert habe, relevant. Demgegenüber machen Expert_inneninterviews die Praxis zugänglich. Das Interview löst bei den Befragten einen Reflexionsprozess aus. Dabei explizieren sie ihr Wissen und geben Einblicke in das Feld. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die zu befragenden Projektmanager_innen die Expert_innen ihres eigenen Arbeitens sind. Mehr noch, dass sie ›das, was sie tun‹, auch reflektieren und artikulieren können (vgl. Gläser und Laudel 2010; Meuser und Nagel 2009a,b). Das Expert_inneninterview ist, wie Rainer Trinczek (2009: 225) anmerkt, eine Form des leitfadengestützten Interviews. In diesem Erhebungsverfahren zeichnen sich Interviewte durch einen besonderen Kenntnisstand und eine spezifische Position im Feld aus. Im Forschungsprozess 9 | Die qualitative Inhaltsanalyse ist maßgeblich von Mayring beeinflusst worden. Eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Ansatz liefern Gläser und Laudel (2010: 198 f.).

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hat dies den Vorteil, dass komplexe soziale Situationen (wie das Arbeitssetting in und die Organisation von Projekten) von den Akteuren erläutert werden können, ohne fundierte Kenntnisse bei den Forschenden vorauszusetzen. Obwohl Vorwissen hilfreich und für die Konzeption des Interviewleitfadens unerlässlich ist, kann ein Zuviel an Vorwissen im Forschungsprozess sogar hinderlich sein, weil der Forschende dann dazu neigt, die Antworten suggestiv zu beeinflussen. Letztlich sollen die Befragten die Expert_innen bleiben und über die wesentlichen und auch nebensächlichen Zusammenhänge aufklären. Die Auseinandersetzung mit Expert_innen, insbesondere solchen aus einem hoch-professionalisierten Feld, kann einige Fallstricke mit sich bringen. Rainer Trinczek arbeitet anschaulich heraus, worauf im Gespräch mit Manager_innen zu achten ist und liefert damit auch Hinweise, die auf Interviews mit Projektmanager_innen übertragbar sind (ebd.: 229 ff.). Der hohe Professionalisierungsgrad im Management zeichnet das Expert_inneninterview in den Augen von Trinczek als das Mittel der Wahl aus. Die Kontakte zu Experten_innen wurden durch Personen hergestellt, die als ›Türöffner_innen‹ Feldzugang hatten. Weitere Gesprächspartner_innen wurden durch bereits Interviewte akquiriert. Insgesamt konnten nach einem Pretest-Interview im Dezember 2011 zehn Interviews zwischen Februar und Mai 2012 realisiert werden. Eins dieser zehn Interviews – es handelt sich um das einzige Interview mit einer weiblich sozialisierten Expertin – wurde aufgrund technischer Mängel aus dem Sample genommen. Drei Gespräche wurden telefonisch geführt. Trotz terminlicher Schwierigkeiten konnten für alle Gespräche Zeitblöcke von circa zwei Stunden vereinbart werden. Die Interviews dauerten von circa 45 Minuten bis zu 120 Minuten. Tabelle 2 zeigt die Sampleübersicht. Das ausgewertete Sample besteht aus männlich sozialisierten Personen. Obwohl die Kontaktvermittlung nach dem Schneeballprinzip stattfand, wurde bis auf eine Ausnahme nur männlich sozialisierte Personen vermittelt. Das lässt erste Rückschlüsse auf das Feld zu. Eine von der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement regelmäßig durchgeführte Karriere- und Gehaltsstudie liefert Datenmaterial, welches mit speziellem Fokus auf Frauen im Projektmanagement ausgewertet worden ist (vgl. Schoper 2014). Der Frauenanteil im Rücklauf der Befragung 2013 betrug 20,5 Prozent gegenüber 13 Prozent im Jahr 2009 (ebd.: 8). Es bleibt offen, was diese Diskrepanz bedingt oder ob es sich hierbei um eine strukturelle Verzerrung bei der Erhebung handelt. Das Ungleichgewicht lässt sich allerdings nicht alleine durch technische Erhebungsprobleme oder Selbstselektion erklären. Denkbar ist, dass das Berufsfeld weiter von struktureller Diskriminierung durchzogen ist, welche beispielsweise der technischen Orientierung der Projekte entspringt oder durch die noch männlich dominierten Führungsebenen der Unternehmen verursacht wird. Die Beantwortung

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Tabelle 2: Interviewübersicht Name

Tätigkeit

Branche

Dauer

Absätze

IP1 IP2 IP3 IP4 IP5 IP6 IP7 IP8 IP9 gestrichen Pretest

Projektleiter Projektleiter Projektleiter Coach/Projektleiter Projektleiter Berater Berater Berater Management Beraterin Analystin

Telekommunikation Telekommunikation Schienenverkehr Schwerindustrie Energiebranche selbstständig Unternehmensberatung Unternehmensberatung interne Dienstleistung Unternehmensberatung Unternehmensberatung

80 min. 98 min. 95 min. 101 min. 70 min. 115 min. 67 min. 51 min. 88 min. 39 min. 43 min.

54 33 49 65 71 67 72 36 76 — 73

Quelle: eigene Darstellung

dieser Frage bietet Stoff für weitere Forschung. In Abschnitt 3.2.2 werden jedoch gendertheoretische Aspekte der Projektarbeit diskutiert, welche das Problem noch einmal genauer konturieren. Als nächster Schritt folgte eine Teiltranskription. Die Gespräche wurden nicht im genauen Wortlaut wiedergegeben. Das heißt, Dopplungen, Füllwörter, Dialektfärbung oder Pausen wurden nicht explizit mit erfasst, um das Transkript in eine lesbare Form zu bringen. Die Diskrepanzen zwischen den Absatzzahlen, welche nur der Orientierung dienen, lassen sich zum einen durch diese Teiltranskription erklären, resultieren aber auch aus unterschiedlichen Gesprächsstilen, die sich zuweilen stark zwischen monologischer und dialogischer Rede unterschieden haben. Die Auswertung folgte wie bei der Projektmanagementliteratur den Ansätzen der qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Mayring 2000, 2008). Vor allem Gläser und Laudel (2010) verweisen auf die enge methodologische Kopplung von Expert_inneninterviews und qualitativer Inhaltsanalyse. Aufbauend auf dem Interviewleitfaden und einem Vorverständnis wurde zunächst ein Codesystem in M AX QDA entwickelt. Es diente als erstes Suchraster für das Material und wurde zunehmend verfeinert (vgl. ebd.: 199 ff.). Der explorative Charakter der Untersuchung sollte die Verschränkung von Arbeit und Organisation herausfiltern. Hierzu bot es sich an, von der festgeschriebenen Darstellung der Kausalzusammenhänge abzuweichen (vgl. ebd.: 214). Im Vordergrund stand die Erarbeitung einer zusammenhängenden Skizze von Arbeit und Organisation in Projekten. Im nächsten Schritt wurden daher die relevanten Passagen der Interviews von der Textebene extrahiert. Das inhaltsanalytische Vorgehen »klassifiziert [. . .] eher als dass [. . .] [es] Sinnstrukturen rekonstruiert« (Przyborski und Wohlrab-Sahr 2010: 183). Hier wird die besondere Vorgehensweise deutlich, die einerseits aus Codierung

1 P ROJEKTE , ÜBERALL P ROJEKTE | 31

und andererseits aus Extraktion besteht. Der erste Schritt indiziert den Text, während der zweite Schritt diese Passagen herausgreift und vom Gesamttext löst (Gläser und Laudel 2010: 199 ff.). Mein Vorgehen basiert daher auf den Vorschlägen von Glaser und Straus, nutzt aber die Codierung, welche zunächst durch den Leitfaden initial strukturiert wurde. Die Analyse der Arbeit, sprich die thematische Sortierung, wird durch die Kapitelstruktur des empirischen Teils widergespiegelt. Das Darstellungsprinzip der Interpretation hat die ausgewählten Passagen zur Grundlage und bindet sie in den Argumentationsfluss als Zitate ein. Eine für die qualitative Inhaltsanalyse typische Paraphrase folgt im Anschluss an das Zitat und dient der Darstellung bedeutsamer Interpretationspunkte, die der Beantwortung der Forschungsfragen dienen. Dabei bleibt der Fokus auf den eingangs hergeleiteten Leerstellen der Arbeits- und der Organisationssoziologie: Diese gilt es, durch die Empirie zu füllen.

1.4 G LIEDERUNG DER A RBEIT Die Argumentation vollzieht einen Dreischritt. Ausgangspunkt ist das Schisma der Arbeits- und Organisationssoziologie. Dabei bleiben ihre Gegenstände und ihre Erkenntnisse hermetisch voneinander getrennt. Diese Teilung macht sich in einem fehlenden Analyseinstrumentarium bemerkbar, welches Projekte als Arbeits- und Organisationsform erfassen kann. Zunächst werden daher die attestierten Leerstellen rekonstruiert. Eine genaue Analyse der Arbeitspraxis und der (Selbst-)Organisation in Projekten liefert Indizien, wie diese Leerstellen in der Praxis überwunden werden. Hieran schließt eine Konzeption der heuristischen Analyse von Projekten an. Der dritte Schritt der Argumentation nutzt diese Erkenntnisse, um sie im Begriff des organisierenden Arbeitens zusammenzuführen. In diesem Terminus, der aus arbeitsund organisationssoziologischer Sicht Tätigkeit und Organisation verknüpft, liegt der Brückenschlag, denn er zeigt einen Zugangspunkt zum Besonderen der Arbeit in projektförmigen Kontexten. Mit diesem Erklärungsansatz kann die diffizile Spaltung der soziologischen Teilgebiete ausklammert werden. Projekte sind dann mehr als nur die Summe von Projektarbeit und Projektorganisation. Sie sind eine Relation aus beidem. Die Arbeit gliedert sich wie folgt: Im ersten Teil der Arbeit wird in Kapitel 2 die Geschichte des Projektbegriffs skizziert, welche dessen Bedeutung als idealisiertes Bild unterstreicht. Hierzu wird auch auf das moderne Management geblickt, um zu zeigen, wie viel es von der ursprünglichen Bedeutung noch in sich trägt. Kapitel 3 problematisiert den Forschungsstand arbeits- und organisationssoziologischer Studien zu Projekten und zeichnet die strukturellen Leerstellen nach, welche sich

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aus der Trennung beider Teildisziplinen ergeben. Im zweiten Teil der Arbeit behandeln Kapitel 4 und Kapitel 5 die empirische Ausleuchtung der analysierten blinden Flecken. Die verdichteten Thesen aus Kapitel 3 werden mit empirischem Material konfrontiert, um organisationssoziologische sowie arbeitssoziologische Analysen zu erweitern. Abschließend bereitet Kapitel 6 die vorangegangenen Ergebnisse theoretisch auf und rückt sie in eine differenzierte sozialtheoretische Analyse, welche den argumentativen Rahmen der Begriffsarbeit im dritten Teil vorbereitet. Im letzten Teil der Arbeit setzt sich Kapitel 7 mit dem Begriff des organisierenden Arbeitens auseinander. Die Betrachtung der Arbeit und Organisation von Projekten in der Empirie liefert das Skelett, während die theoretische Ausarbeitung ›Sehnen‹ und ›Muskeln‹ bereitstellt. In Kapitel 8 wird der performative Begriff des organisierenden Arbeitens abschließend erläutert.

2 Begriffsgeschichte(n) »Man muß seine Phantasie schon ein wenig forcieren, um mit der phantastischen Realität des Projektemachens mitzuhalten . . . « G EORG S TANITZEK /D ER P ROJEKTEMACHER

So schillernd der Projektbegriff heute verwendet wird, so dringend notwendig ist seine Bestimmung für diese Untersuchung. Es ist unerlässlich, einen konkreten Rahmen zu ziehen und dabei auch auf geschichtliche Entstehungsprozesse einzugehen. Im Folgenden beschreibe ich diesen geschichtlichen Entstehungskontext und beziehe ihn auf heutige Projektvorstellungen. Die historische Annäherung ist mit der Figur des »Projektenmachers«1 (vgl. Defoe 1697/1975: 20) verknüpft. Der Projektenmacher ist durch Kreativität und Ideenreichtum gekennzeichnet, welche im Übergang zum modernen Projektmanagement des 20. Jahrhunderts eingeschränkt werden. Es kann die Frage gestellt werden, wie sich der semantische Wandel vom Projektenmacher zu Projektmanager_in vollzieht und wie sich die Bedeutung des Projekts verändert. Projekte nehmen einen Mechanismus modernen Steuerungswesens auf: das Management. Es ist ein bedeutendes Gestaltungselement gesellschaftlicher Entwicklungen, sodass es nicht außen vor gelassen werden kann. Die Historizität des Projektdenkens ist daher wesentlich für das Verständnis von Arbeit und Organisation in Projekten und des gesellschaftlichen Kontextes, der sich einer Projektsemantik bedient (vgl. Boltanski und Chiapello 1999/2006, 2001). Dieses erste inhaltliche Kapitel skizziert die ›Geschichte‹ des Projektdenkens. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Definitorische und normative Ansprüche 1 | Die Schreibweise des Begriffs variiert bei den verschiedenen Autor_innen. Im Folgenden orientiere ich mich an Defoe und spreche – solange nicht anderweitig zitiert wird – von Projektenmachern. Dabei gehe ich davon aus, dass unter den sozio-historischen Umständen der Zeit der Projektenmacher männlich konnotiert ist und Frauen nicht oder nur selten damit bezeichnet wurden.

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an Arbeit und Organisation, die sich aus dem Projektbegriff speisen, werden in ihrem geschichtlichen und gesellschaftlichen Rahmen erörtert.

2.1 D ER P ROJEKTENMACHER : S CHEITERN UND FANTASTEREI Auch wenn sich der Begriff ›Projekt‹ erst seit den 1940er Jahren als Organisationsform verbreitet hat und hieraus das wesentliche Alltagsverständnis abgeleitet wird, ist er weitaus älter und wurde mit anderer semantischer Konnotation verwendet.2 Im Kontext der sich entwickelnden Industrialisierung und der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft ist die Bedeutungsverschiebung von besonderem Interesse. Die historische Rekonstruktion zeigt die Entwicklung eines Menschenbild, der vorrangig durch negative Charaktereigenschaften dominiert wird. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts verschiebt sich dieses negative Bild des Projektenmachers und seiner Projekte zum Positiven: Er wird zu einer prototypisch ›modernen‹ Figur. Markus Krajewski zitiert einleitend verschiedene Assoziationen zum Projektbegriff, zum »Wissen in der Vorform des Scheiterns« (Krajewski 2004a): »Der Begriff Projekt leitet sich ›aus dem lat. participium projectus (hingeworfen, entworfen)‹ ab und bezeichnet ›ein vorhaben und de[n] plan dazu, de[n] anschlag, [den] entwurf‹. Das lateinische proicere wird wiederum zusammengesetzt aus dem Infinitiv iacere und der Vorsilbe pro-, und umfaßt dabei mit seinen Bedeutungen ›vorwärts-, vorwerfen, hervortreten lassen, hin-, niederwerfen‹ nicht nur eine progressive Semantik [. . .]. In der Bezeichnung ›Projekt‹ liegt das Scheitern bereits etymologisch verankert vor« (Krajewski 2004b: 11, Hervorhebungen und Anpassungen im Original, eigene Auslassungen).

Zwei Aspekte sind bedeutsam: Zum einen der Begriff des Entwerfens sowie des Entwurfs, welcher sich in der Vorstellung wiederfindet, eine ›Projektion‹ eines großen Vorhabens auf ein Papier zu zeichnen. Er beschreibt synonym das Planen. Zum anderen ist die der Definition immanente Bedeutung des Scheiterns als Wortursprung interessant. Diese Komponente des Projektbegriffs ist ein essenzieller Bestandteil des anhängigen Sozialtypus, welcher mit Projekten im 17. Jahrhundert verbunden wird. Die erste Abhandlung über Projekte und den »Projektenmacher« verfasst Daniel Defoe 1697 in seiner essayistischen Abhandlung Über Projektemacherei – An Essay 2 | Die folgenden Ausführungen finden sich ähnlich auch bei Bröckling (2005), Klopotek (2004), Krajewski (2004b) und Stanitzek (1987). Verschiedene nationale Entwicklungslinien diskutieren Sombart (1913: 52 ff., 1916: 873 ff.) sowie Jacob (1929: 43 ff., 127 f.).

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upon Projects (1697/1975). Noahs Bau der Arche nennt er das erste Projekt der Menschheit. Ebenso sei der Turmbau zu Babel »ein richtiges Projekt, denn thatsächlich ist die wahre Definition eines Projektes im heutigen Sinne [. . .] ein großartiges Unternehmen, das zu breit angelegt ist, als daß aus ihm etwas werden könnte« (ebd.: 15). Dem Projekt ist das Scheitern immanent – allerdings nicht im negativen Sinne; es schließt an Defoes »Projektenmacher« an: Die reine menschliche Existenz müsse abgesichert und ein Auskommen erarbeitet werden, mit welchem es sich leben lasse. Daher seien die weniger erfolgreichen und begüterten Menschen einerseits zur Kriminalität verdammt, die etwas intelligenteren andererseits zur Projektemacherei – welche aber nicht minder kriminelle Züge aufweise. Jene, die durch »Arten von Kniffen und Betrügereien [. . .], einem neueren Wege des Diebstahls« (ebd.: 20 f.), Leuten das Geld entlocken, und jene, die rechtschaffen bleiben und sich »auf dem Boden der Ehrlichkeit und Unbescholtenheit gegründeten Erfindungen« (ebd.: 21 f.) zuwenden, nennt Defoe Projektenmacher. Aus einer existenziellen Notwendigkeit erwächst ein zwielichtiger Mensch: »Ein bloßer Projektenmacher ist demnach etwas Verächtliches. Durch seine verzweifelte Vermögenslage so in die Enge getrieben, daß er nur durch ein Wunder befreit werden oder umkommen muß, zermartert er sein Gehirn nach solch einem Wunder vergebens und findet kein anderes Rettungsmittel als, indem er, einem Puppenspieler gleich, der Puppen hochtrabende Worte reden läßt, dieses oder jenes Nichts als etwas noch nie Dagewesenes hinstellt und als neue Erfindung ausposaunt, sich ein Patent darauf verschafft, es in Aktien theilt und diese verkauft. An Mitteln und Wegen, die neue Idee zu ungeheurer Größe anzuschwellen, fehlt es ihm nicht; Tausende und Hunderttausende sind das Geringste, wovon er spricht; manchmal sind es gar Millionen, bis schließlich der Ehrgeiz eines ehrlichen Dummkopfs sich dazu verlocken läßt, sein Geld dafür hinzugeben. Und dann – nascitur [sic!] ridiculus mus! [Geboren wird eine lächerliche Maus!; Y. K.] Dem armen Wagehals bleibt’s überlassen, das Projekt fortzuführen, und der Projektenmacher lacht sich ins Fäustchen« (ebd.: 21).

Ein geringes Maß an Durchhaltevermögen, Struktur und Weitsicht prägen ihn und seine »Ideen, die während der Geburt sterben und (gleich Fehlgeburten des Gehirns) nur ans Licht kommen, um sich aufzulösen« (Fischer 1890, zitiert in Jacob 1929: 43). Im Ansatz sind jedoch gesellschaftlich positive und produktive Werte erkennbar: Innovationsfreudigkeit, Risikobereitschaft und Unternehmertum – eine erste, an Schumpeter erinnernde, Definition unternehmerischen Handelns, für die der Projektenmacher stehen kann. Es ist das stetige Zusammenbringen von Erfindergeist und Vermarktung, die ihn als »eine Frühform des Entrepreneurs« (Klopotek 2004: 219, Hervorhebung im Original) kennzeichnen. Das ausgehende 17. Jahrhundert umschreibt Defoe als »die Zeit des Projektmachens« (Defoe 1697/1975: 8), die durch massiven gesellschaft-

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lichen, technischen und sozialen Wandel geprägt war (vgl. Jacob 1929: 35 ff.). In dieser Zeit sprießen die ›Risiko-Unternehmer‹ aus dem Boden: »Überall, wo einflußreiche Personen sind: an den Höfen, bei den Parlamenten begegnen wir solchen Projektenmachern; aber auch auf der Straße, auf dem Markte stehen sie und halten ihre Ideen feil« (Sombart 1916: 872; ebenfalls Jacob 1929: 42). Auf der stetigen Jagd nach bereitwilligen Finanziers sucht er seinen Vorteil, der darin besteht, »anderen einen Vorteil anzudienen« (Stanitzek 1987: 136). Dieser ›Ideenüberfluss‹, so paraphrasiert Georg Stanitzek einen enzyklopädischen Eintrag von 1741, beschränkt den Projektenmacher nicht auf eine Unternehmung, sondern er produziert einen Lebensentwurf: »Der Projektmacher verfolgt nicht ein Projekt, er ›macht in Projekten‹« (ebd.: 136, Hervorhebungen im Original). Sie seien Abenteurer und als solche »›eine lächerliche Klasse von Menschen‹«, die ihr Heil »in der Unruhe, in der Flüchtigkeit beweglicher Relationen« (ebd.: 136) suchen. Sie werden auch zum Gegenstand der Literatur; bereits 1635 ist zu lesen: »Der Antichrist muß ein Projektemacher sein« (Francísco de Quevedo, zitiert in Krajewski 2004b: 18). Die spanischen »arbitristas« (ebd.: 16 ff.), Erfinder, die mit ihren Projekten die verheerende spanische Wirtschaftslage zu überwinden suchten, werden Teil einer frühen, rudimentären Nationalökonomie.3 Die teilweise absurden Vorschläge sind Legion und ein markanter Charakterzug des Projektenmachers, der, nie um eine Idee verlegen, immer einen Plan gegen Unheil hat. Die gesellschaftliche Entwurzelung ist zu dieser Zeit noch kein sozial akzeptierter Lebensentwurf: Der Projektenmacher ist »charakterlos«, ohne ständische Position und ohne Profession, ein Getriebener »von Projekt zu Projekt, die unsichere Zukunft herausfordern[d]« (Stanitzek 1987: 139). Bei Sombart jedoch ist dieser Makel eine Besonderheit, die darin besteht, »daß er von keiner sozialen Schicht, aus der er hervorgegangen ist, ein bestimmtes Gepräge empfängt. Er ist gleichsam frei geboren; vom Himmel gefallen« (Sombart 1916: 875). Es ist geradezu ein ironisches Detail, dass Daniel Defoe diesem ›Idealtypus‹ selbst bestens entsprach: Er war im Jahr 1692 bankrott und floh vor seinen Gläubigern ins Exil (vgl. Jacob 1929: 30; Krajewski 2004b: 13 f.). Die Entstehung des Textes ist daher eng mit seinen eigenen Lebensumständen verbunden und das Essay eine »Art Selbstrechtfertigung« (Krajewski 2004b: 13). Diese Umstände und seine eigene Veranlagung zum Projektenmacher wird Defoe in seinen späteren Klassiker Robinson Crusoe aufnehmen (1719/1949):

3 | Markus Krajewski ergänzt die geschichtliche Dreiteilung Defoes, vom Bau der Arche Noah über den Turmbau zu Babel und hin zur Projektemacherei im ausgehenden 17. Jahrhundert um diese arbitristas, die um 1580 Vorschläge für eine ökonomische und politische Restaurierung Spaniens liefern. Einen ähnlichen Hinweis führt Sombart an (vgl. 1916: 872).

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»Genau wie Robinson in seiner Einsamkeit auf allerhand Mittel sinnt, um sich zu helfen, so schmiedet auch Defoe als einsamer, in der Verbannung lebender Bankerotteur viele Pläne, die zwar der Allgemeinheit dienen, aber doch auch ihn selbst über seine mißliche Lage hinwegtrösten sollten« (Jacob 1929: 131).

Krajewski (2004b: 18) zufolge ist das Aufkommen dieser ›speziellen Sorte Mensch‹ mit Freiräumen verwoben, die in den krisengebeutelten Nationalstaaten entstehen, deren Prosperität gesichert werden soll. Defoe verfasste seine Ausführungen unter dem Eindruck des französisch-englischen Kriegs (1688–1697) (vgl. Defoe 1697/ 1975: 9 ff.; Jacob 1929: 31 ff.). Die allgegenwärtige und im Projektenmacher inkorporierte Unsicherheit sowie die negative und illusionistische Konnotation werden um 1761 durch eine andere Deutung des Projektbegriffs überlagert. Werner Sombart sieht in den Projektenmachern die Vorgänger der Gründer, deren Ideenreichtum zu Reformen und Verbesserungen der Staats- und Verwaltungsaufgaben beitrug (vgl. Sombart 1916: 872 ff.). Bei Johann Heinrich Gottlob von Justi heißt es in seinen kameralistischen (verwaltungswissenschaftlichen) Abhandlungen: »Meines Erachtens versteht man unter einem Project, einen ausführlichen Entwurf eines gewissen Unternehmens, wodurch unsere eigene oder anderer Menschen zeitliche Glückseligkeit befördert werden soll; zu welchem Ende alle zu ergreifende Mittel und Maaßregeln, benebst den zu befürchtenden Schwierigkeiten und Hindernissen und die Art und Weise dieselben aus dem Wege zu räumen, in einem solchen Entwurfe deutlich vorgestellt werden« (Justi 1761/ 1970: 257).

In der Beförderung menschlicher Glückseligkeit ist das Projekt der »Entwurf« durch Planung gekennzeichnet, die »Mittel und Maaßregeln« sowie eine Art Risikokalkulation beinhaltet. Die bei Krajewski (vgl. 2004b: 21 f.) angesprochene enge Verbindung von Projekt und Scheitern wird durch die Betonung der Planungskomponente aufgelöst. Die Wahrscheinlichkeit eines Fehlschlags wird zur beeinflussenden Größe. Weiter formuliert Justi apodiktisch, dass alle Menschen Projektenmacher seien, dass das Unstetige und Abenteuerhafte zu einer bürgerlichen Qualität gereift sei – also inzwischen akzeptierter Lebensentwurf geworden sei. Ulrich Bröckling interpretiert dies als »Konzept einer Life-Entrepreneurship« (Bröckling 2005: 367, Hervorhebungen im Original). Stanitzek verweist auf den »Karrierismus«, wenn er vermutet dass »›alle Menschen‹ Karriere machen und in dieser Hinsicht mit dem Projektmacher verglichen werden könnten« (Stanitzek 1987: 141). Der Mensch müsse, so Justi, »einen wohl überlegten Plan und Project seines Lebens« (Justi 1761/1970: 259) haben. Durch Individualisierung entstehende Kontingenzen der Lebensführung gelte es

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zu strukturieren und zu planen. Projektenmacher vermitteln erste Vorstellungen von Karrieren und legen den Schluss nahe, dass auch andere Lebensverläufe nach diesem Raster analysiert werden können (vgl. Stanitzek 1987: 142). Detailliert zeichnet Justi dies für den Gegenstandsbereich der Staatswissenschaften nach, die im »Welthändeln nicht ganz unerfahren« (Justi 1761/1970: 263) sein sollen. Regenten und Staatsdiener sollen ihrem Wesen nach auch Projektenmacher sein, da sie die Wohlfahrt des Staates fördern (vgl. ebd.: 261 f.). Der Projektenmacher ist eine typische Sozialfigur des beginnenden 19. Jahrhunderts und des Ancien Régime. Beschrieben wird er als opportuner Charakter mit einem Hang zur Übertreibung. An die Stelle der negativen Konnotation tritt der Lebensentwurf der flexiblen biografschen Gestaltung. Mit der einsetzenden Modernisierung der Gesellschaft und ihrer Teilbereiche, allen voran der Individualisierung der Lebensstile und Lebensentwürfe, bricht sich sukzessive eine Bedeutung des Projektbegriffs Bahn, die einer Cité par projets entspricht (vgl. Boltanski und Chiapello 1999/2006, 2001). Das folgende Unterkapitel setzt nicht nahtlos an dieser sozio-historischen Rekonstruktion an, sondern beginnt wiederum mit dem Auftauchen eines neuen Sozialtyps und dessen zugehörigem Projektbegriff.

2.2 D IE P ROJEKTMANAGER _ INNEN : P ROFESSIONALISIERUNG UND R ATIONALISIERUNG Im 20. Jahrhundert verändert sich die negative Bedeutung von Projekten und Projektenmachern endgültig. Das Projekt entwickelt sich zu einem wesentlichen Charakterzug und Prinzip der Moderne. Der Projektenmacher wird im 20. Jahrhundert allerdings in den Schatten gedrängt. An seiner Stelle gestalten Ingenieur_innen die Moderne als Entwicklungsgeschichte der Technik, Rationalität, instrumenteller Vernunft und Domestizierung der Natur. In der Beschleunigungslogik moderner Entwicklung (vgl. Rosa 2005) sind die ›Geburtsmomente‹ des modernen Projekts und dessen Steuerung angelegt. Das Manhattan Projekt (Bau der Atombombe) und das Apollo Projekt (Mondlandung) gelten als prototypische Vorhaben4 . Das Projektemachen verliert sein Phantasma. Das Surreale wird real. Das verwissenschaftlichte Projektmanagement treibt die ›Entzauberung‹ der Fantastereien voran; nicht durch die Zerstörun der Luftschlösser, sondern durch deren Realisierung. Hierfür wird die Planungskomponente, die sich bereits bei Johann Heinrich Gottlob von Justi findet, ausgebaut und zum Fundament des Projektdenkens. Der 4 | Ich verwende den Begriff »Vorhaben« im Folgenden synonym zu »Projekt«.

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Zweite Weltkrieg sowie der Kalte Krieg sind die Katalysatoren für neue Planungsund Durchführungsverfahren, um immer komplexere Rüstungsvorhaben in kürzerer Zeit erfolgreich umzusetzen. Der Kern liegt in einer technologischen Komponente: »If we are to grow as advanced technology grows, we must realize the new importance of . . . the Project Manager« (Gaddis 1959: 89). Paul O. Gaddis leitet sein Plädoyer für die Bedeutsamkeit dieser neuen Organisations- und Arbeitsform ein, indem er sie an einen Sozialtypus bindet. Sein technizistisches Bild der Kernqualifikationen eines typischen Projektleiters orientiert sich an zeitgenössischen Führungskonzepten, die persönliche Merkmale wie differenzierte betriebswirtschaftliche und technische Fachkompetenzen, Wiss-, Lern- und Lehrbegierigkeit sowie einen veränderten Steuerungsmodus betonen. Da Projektmanager_innen mit hochgradig professionalisierten Fachkräften zusammenarbeitet, wird diesen Qualifikationen ein besonderer Stellenwert eingeräumt (vgl. ebd.: 90, 93 ff.). Dem Projektmanagement und den Projektmanager_innen räumt Gaddis einen hohen Stellenwert ein, von ihnen hängt das Überleben der Vereinigten Staaten ab: »The United States today faces the enormous problem of how to regain undisputed technological leadership. The character of American technological advancement during the next five years will shape our future and determine our survival or extinction. The role to be played by project management in these years ahead will be challenging, exciting, and crucial. Truly it will be the acid test of the project manager and the project concept, but it will be much more than that. It will be a momentous trial of free enterprise, business administration, and progressive industrial management as we know them today« (ebd.: 97).

Für die Verwirklichung komplexer Projekte wird ein systematisches und standardisiertes Steuerungsprinzip eingeführt. Als Basis hierfür muss klar definiert werden, was ein Projekt ist. Gaddis bietet eine erste Definition an: »A project is an organization unit dedicated to the attainment of a goal – generally the successful completion of a developmental product on time, within budget, and in conformance with predetermined performance specifications« (ebd.: 89). Diese Definition findet heute noch Verwendung. Die ›Trias‹ von on time, within budget und predetermined performance specifications ist in den Literaturkorpus als ›magisches‹ Projektmanagementdreieck eingegangen (siehe Abbildung 1).5 Die moderne Projektdefinition ist nahezu unverändert geblieben: »Projekte sind Vorhaben mit definiertem Anfang und Abschluß, die durch die Merkmale zeitliche Befristung, Einmaligkeit, Komplexität und Neuar5 | In der Regel werden die Punkte »Umfang« und »Ressourcen« erweitert. Umfang meint hier den Funktionsumfang des Produkts in einer vorher festgelegten Qualität. Ressourcen schließen neben dem Budget auch Materialien und eine vorher festgelegte Zahl an Personal ein.

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Abbildung 1: Magisches Dreieck des Projektmanagements

Ressourcen Quelle: eigene Darstellung, beispielsweise nach Neumann 2012: 22 tigkeit gekennzeichnet sind; kurz: ein Projekt ist ein außergewöhnliches Vorhaben« (Madauss 1984: 37). Sie verursachen »wegen ihres interdisziplinären Querschnittcharakters eine vorübergehende organisatorische Veränderung und damit verbunden auch eine Neufestlegung der Aufgabenbereiche im Betrieb« (ebd.: 490). Projekte sind einzigartig. Daher stellen sie für das Unternehmen eine gänzlich anormale Situation im Kontrast zum Tagesgeschäft dar.6 Die von Madauss beschriebenen Kernfaktoren weisen Parallelen zu historischen Begriffsbedeutungen auf. Es handelt sich ebenfalls um riskante und komplexe, neuartige Vorhaben sowie um deren Vermarktung, die eng an das Projekt gekoppelt ist. Projekte können verschiedene unternehmerische Zielstellungen haben: Produktentwicklung, organisationale Restrukturierung, Dienstleistungsprojekte, Planungs- und Installationsprojekte oder Bauvorhaben. So groß diese Menge auch ist, sie subsumiert sich unter einem Projektbegriff, welcher von Beratungs-, Praxis-, Ausbildungs- und Zertifizierungsliteratur benutzt wird. Projektmanagement bedarf einer eigenen einführenden Auseinandersetzung. Um das per Definition unbekannte, komplexe und eigentlich unberechenbare Vorhaben 6 | Ein Extremfall ist die Projektorganisation, die in ihrer Gesamtheit aus vielen Einzelprojekten besteht. Hier gehören die anormale Arbeit und befristete Organisation zur Normalität und prägen das Selbstverständnis des Unternehmens sowie der Angestellten.

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realisierbar zu machen – um ihm das Fantastische zu nehmen –, wird mit den ›UrProjekten‹ seit den 1940er Jahren ein spezielles Steuerungswissen entwickelt. Entgegen der hier skizzierten Entwicklungsgeschichte interpretieren ahistorische Positionen Projekte als anthropologische Entwicklungskonstante. Der Bau der Pyramiden oder des römischen Kolosseums seien bereits Formen (und Resultate) von Projektmanagement, da annähernd dieselben Mechanismen des modernen Projektmanagements verwendet worden seien – außer softwaregestützte Verfahren.7 Projekte und Projektmanagement entwickeln sich allerdings in einem sozio-historischen Kontext und zeitigen eine spezifische Organisations- und Arbeitsform, die eine genuin moderne Steuerungsphilosophie beinhaltet. Das Projekt als Organisationsform und das Projektmanagement als Steuerungsform sind in die Entwicklung der Moderne und ihrer sich auf Rationalität berufenden Prinzipien eingeflochten. Projektmanagement ist nach DIN-Norm »die Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und -mitteln für die Abwicklung eines Projektes« (DIN 69901-5:2009-01). Es beinhaltet sämtliche für die Steuerung von Projekten relevanten Methoden und Techniken, spezifische Organisationsformen und Führungsstile. In neueren Auflagen dieser Norm, insbesondere in internationalen Fassungen wie der Norm ISO 21500:2012-09, wird der Inhalt im Kern beibehalten. Lediglich einige Facetten der Nomenklatur werden ausgeweitet: So wird eine dreistufige Differenzierung zwischen Projekten, Programmen und Portfolios eingeführt, welche sich zum Teil mit der Unterscheidung von Qualifikationsstufen im Projektmanagement überschneidet. Je nach Standard werden neben Projektmanager_innen auch ›Senior Projectmanager‹ und ›Project Director‹ unterschieden. Diese sind an das finanzielle Volumen des Projekts, die Erfahrung, Verantwortung und Qualifikation gekoppelt.8 Das dominierende Verständnis des Projektmanagements bezieht seinen zentralen Gedanken vom allgemeinen Management. Es prägt ein instrumentelles Zweck-Mittel-Verhältnis. »PM [Project management; Y. K.] attempts to normalise or rationalise that which is non-normal« (Thomas 2006: 104). Projektmanagement erfüllt die Aufgabe, Alltäglichkeit und Normalität in der Komplexität herzustellen.

7 | Exemplarisch hierfür stehen Artikel zum 25-jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e. V., welche das Selbstverständnis »im Spiegel der Zeit«, »vom Pyramidenbau zum Manhattan Project« und darüber hinaus beschreiben (Pfeiffer 2004a,b,c). Bereits das Entstehen des Projektbegriffs aus der Figur des Projektenmachers deutet jedoch eine historisch kontingente Entwicklung an. Abermals sei auf die angesprochene Wechselbeziehung von Moderne und Organisation bei Bruch und Türk (2005) sowie Türk, Lemke und Bruch (2002) hingewiesen. An anderer Stelle habe ich das Argument auf Projekte bezogen (Kalff 2014). 8 | Im Weiteren unterscheide ich nicht explizit zwischen diesen Graden oder Projekttypen.

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Abbildung 2: Mitgliederentwicklung der GPM von 1985 bis heute

Quelle: GPM o. J. mit eigenen Bearbeitungen Ratgeber- und Projektliteratur legen ihr Augenmerk explizit auf das Management von Vorhaben. Dies gilt insbesondere für zertifizierende Literatur des Project Management Institute (PMI), der International Project Management Association (IPMA) oder der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (GPM).9 In der stetig wachsenden Zahl vergebener Zertifikate wird die Professionalisierung und Standardisierung des Fachs erkennbar: Die Mitgliederzahlen des Project Management Institute und der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement steigen seit den 1990er Jahren rasant an (siehe Tabelle 3 sowie für die GPM, Abbildung 2). Hier wird das stetig wachsende Bedürfnis nach Steuerungswissen deutlich. Projektmanagement ist eine hochgradig standardisierte Form der Planung, Kontrolle und Steuerung von Projekten. Sie hat ihre Ursprünge in militär-technologischen Entwicklungen in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Janice Thomas (2006) verortet die Entstehungsgeschichte in den Anforderungen komplexer Rüstungsvorhaben, die beispielsweise während des Zweiten Weltkriegs als Manhattan Project die Entwicklung der Atombombe zum Ziel hatten. Später stellte das Apollo Project einen wesentlichen Entwicklungsschritt der Projektplanung dar. Insbesondere hatte die Entwicklung

9 | Erstere ist im angloamerikanischen Raum führend, während die zweite als internationaler (insbesondere europäischer) Dachverband fungiert. Die GPM ist in diesem Dachverband organisiert.

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Tabelle 3: Mitgliederzahlen des Projectmanagement Institute Mitgliederzahlen 1992 8 817

2000 ca. 60 000

2002 ca. 90 000

2008 ca. 420 000

2012 ca. 500 000

2016 ca. 740 000

Quelle: Zahlen aus Blomquist und Söderholm 2002: 30; Hodgson 2002: 807; PMI o. J. verschiedene Jahresberichte

neuer Militärtechnologien im konstanten ideologischen Wettstreit mit der Sowjetunion neue Planungs- und Durchführungsmechanismen katalysiert. Die Grundlage des ›Projektdenkens‹ besteht darin, anspruchsvolle Ziele in kleine, realisierbare Teil- und Einzelaufgaben zu zerlegen. Dies erzeugt Übersichtlichkeit und macht ihre Erfüllung überprüfbar. Misserfolge und Probleme führen zu einer zunehmenden Technisierung der Kontrolle, um menschliche Faktoren berechenbar zu machen und Unstetigkeiten auszutarieren. Die Anbindung des Projektmanagements an die akademische Ausbildung von Ingenieur_innen und Betriebswirt_innen führte zu einer weitergehenden Professionalisierung und Standardisierung des Wissenskorpus. Dieses Wissen wirkte durch Zertifizierungspraktiken disziplinierend und formiere eine Profession, der zu entsprechen sei (vgl. Hodgson 2002). Durch festgelegte Terminologien werde »normativer Druck« (Blomquist und Söderholm 2002: 34) aufgebaut, welcher die Professionalisierung durch die Disziplinierung der Sprache vorantreibe. Der sogenannte Managementsprech erzeugt eine eigene Realität – mit entsprechenden Anschlüssen – und schließt andere aus. Die Durchsetzung von Projektmanagementtechnologien erfolgt ad hoc in der Praxis. Sie sind Teil eines hochgradig disziplinierten Arbeits- und Organisationszusammenhanges und müssen sich somit bewähren. Erst danach finden sie Eingang in den Wissenskorpus. Dabei wird aufgrund der professionellen Haltung des Projektmanagements auch ein Ausschlusskriterium konstituiert: Kooperationen zwischen Firmen, beispielsweise der NASA mit ihren Zulieferbetrieben, setzten die Anwendung zertifizierter und standardisierter Modelle voraus, welche die kleineren Unternehmen implementieren müssen. Projektmanagement wird hierdurch als obligatorischer Organisationsmodus vorgeschrieben, das heißt zum Verfahrensstandard. Der Projektmanagementdiskurs erzeugt seinen eigenen Daseinsgrund: Indem die besondere Organisationsweise zum Standard und somit zur Voraussetzung wird, erzeugt sie ebenso die konkrete Nachfrage nach Ausbildung, Weiterbildung und die Verfeinerung des Steuerungswissens. Der Diskurs besetzt Begriffe und bietet zugleich die notwendigen Definitionen an. Neben technischen Aspekten werden auch menschliche Faktoren im Zuge der Standardisierung und Durchsetzung relevanter. Als Human Relations oder Führungstechniken werden soziale Faktoren in den Wissenskorpus eingepflegt (vgl.

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Thomas 2006: 95). Projekte werden zum Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung erhoben, um empirische Erfolgsfaktoren zu eruieren. Aus diesen lassen sich genauere Handlungsvorschriften ableiten und ›verschreiben‹. Dies ebnet schließlich den Weg zu einem umfassenden Literaturapparat: »a very prescriptive set of ›how to‹ literature that is acontextual and ahistorical in nature. For every project you must meet every requirement to succeed« (Thomas 2006: 94). Projektmanagementwissen wird zu Rezeptwissen, welches konkretes Handwerkszeug zur Verfügung stellt, um Projekte erfolgreich abzuwickeln. Während des 20. Jahrhunderts wird das Steuerungswissen professionalisiert. Es speist sich aus der Rationalisierung und Standardisierung des Managementhandelns. Das Wissen adressiert einen neu entstehenden Sozialtypus der Manager_innen. Erst durch die Professionalisierung und Verwissenschaftlichung des Projektwesens erfährt der zentrale Bestandteil moderner Projekte eine vollumfängliche Ausdifferenzierung: die Planung. Während der Projektenmacher nur vage Pläne von seinen Ideen, seinem Leben und dessen Risiken verfolgt, ist die Projektplanung mit moderner Rationalität und instrumenteller Vernunft verbunden und universell einsetzbar.

2.3 VOM M ACHER ZUR M ANAGER _ IN Es gibt keine lineare Entwicklung vom Projektenmacher zur Projektmanager_in. Diese Vorstellung würde suggerieren, dass beide als historische Charaktertypen homogen sind. Jedoch ist die Heterogenität sozialer Gruppen anzunehmen. So beschreibt Luc Boltanskis in seiner Studie über die französischen Führungskräfte, die cadres, eine heterogene Gruppe, die eine (fragile) Identität ausbilden muss, um überhaupt Gruppe sein zu können (vgl. Boltanski 1990: 50 f.; Bogusz 2010: 25 ff.). Wesentlich ist, auf den veränderten semantischen Gehalt einzugehen, der sich zum einen in der Form des Projekts verbirgt und zum anderen in den Verschiebungen der Tätigkeit der sozialen Akteure wiederfindet. Aus den beiden Sozialfiguren lassen sich Unterschiede sichtbar machen, die Differenzen aufweisen und dabei doch auf einen gemeinsamen Kern zurückzuführen sind: die Projekte. Im Projektzeitalter, wie Defoe das 17. Jahrhundert nennt, waren die Projektenmacher Ideengeber für wirtschaftliche und staatliche Institutionen. Ihre Projekte unterstützten die herrschenden Monarchen oder Regierungen, als »es eigentlich keine Wissenschaft der Staatswirtschaft [gibt; Y. K.]; es fehlen selbst die Kenntnisse, die Fertigkeiten, welche eine umfassende Verwaltung der Finanzen erfordert: es taten sich mehr einzelne [Projektenmacher; Y. K.] hervor, welche die Ergebnisse ihres Nachdenkens als ein Geheimnis betrachteten und nur für besondere Belohnung mitteilen

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wollten« (Ranke 1857, zitiert in Sombart 1916: 872). Der Projektenmacher nutzt eine Idee, mit welcher er versucht, einen Financier für (Sach-)Mittel und Kontakte zu gewinnen. Aus der Idee ergibt sich dann der zur Überzeugung dringend benötigte und für die Umsetzung vorhandene Plan: die Projektion. Der Wert, den ein Projektenmacher generiert, liegt per se nicht in seiner konkreten Arbeit, sondern in seiner Idee, seinem Hirngespinst. Der Wert und die Arbeit sind immateriell. Erst Johann Heinrich Gottlob von Justi schließt mit dem Projektenmacher als Hasardeur ab, indem er ihm einen Platz in der Kameralistik einräumt (vgl. Justi 1761/1970). Das Wissen und die Ideen werden kanonisiert und verfügbar gemacht. Es wird zu einem Handwerk, das erlernt werden kann. Damit nimmt die Aufwertung des Projektenmachers ihren Lauf. Georg Stanitzek stellt zwischen Claude Lévi-Strauss’ Bastler und den aufkommenden Typus des Ingenieurs den Projektenmacher als Bindeglied, als »›unmögliche‹ moderne Kategorie«, die sich aus der Differenz von Bastler und Ingenieur ergibt. Dadurch sei der Projektenmacher ein »Parasit«; der »Springpunkt der Differenz, der von ihr ausgeschlossene und in diesem Ausschluß eingeschlossene Dritte« (Stanitzek 1987: 145). Er bediene sich als Grenzgänger der Vorzüge beider Kategorien. In einer an Michel Serres und Jacques Derrida angelehnten, poststrukturalistischen Tradition ist der Projektenmacher ein relationaler Mythos. Um für die Anerkennung seiner Vorhaben zu werden, bewegt er sich zwischen Planung und Bastelei. So schreibt auch Krajewski: »Denn sein explizites Ziel, für das Wohl der Gemeinschaft neue Pläne oder Erfindungen voranzutreiben, läßt den Projektemacher als Produkt einer Paarung aus Ingenieur und Dilettant, aus Abenteurer und Karrierist, aus Reformer und Glücksspieler erscheinen« (Krajewski 2004b: 22).

Dabei fragt sich Krajewski, inwiefern der Projektenmacher mit seinem Tun »Hebel« ist, der »im Moment des unsicheren Wissens [. . .] herkömmlichen Episteme [sic!] zu Brüchen verhilft« (ebd.: 22). Brüche und Verwerfungen markieren hier jene Punkte des Neuen, welche die beschriebene »Produktion von Wissen in der Vorform des Scheiterns« (vgl. Krajewski 2004a) markieren. Erst durch den Erfolg ist die Erzeugung von Wissen realisiert, der Bruch vollzogen, aus dem Projekt ein Produkt geworden (vgl. Krajewski 2004b: 23). Der Bruch ist also in diesem Erfolg auszumachen, der den Plan vollendet und den Projektstatus hinter sich lässt. Zugleich sind es die Formen geistiger Freiheit und Kreativität, die den Projektenmacher während des Projekts beflügeln. Der Erfolg des Projektemachens beruht auf den Ideen einzelner Personen und auf deren Fähigkeiten, diese Ideen interessierten Finanziers anzubieten. Er ist direkt mit der volkswirtschaftlichen und politischen Stabilität verknüpft. Demgegenüber seien

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Projektmanager_innen, so argumentiert Paul O. Gaddis, essenziell für die Existenz ganzer Nationen (vgl. Kapitel 2.2). Dass dies ein ideologisch gefärbter Pathos unter dem Eindruck des ›Sputnikschocks‹ ist, darf nicht übersehen werden. Es weist jedoch sehr eindrücklich auf die Bedeutung technologischer und organisatorischer Überlegenheitsbestrebungen im Ideologiewiderstreit des Kalten Krieges hin. Projekten wird abverlangt, den gravierenden Rückstand auszugleichen und in einen Vorsprung zu verwandeln. Dies bezieht sich auf die Ergebnisse der Projekte sowie auf die Organisationsform. Hierfür ist die Rolle der Projektleitung von essenzieller Bedeutung: E3ine Projektmanager_in ist nicht mehr Einzelperson mit einer eigenen Idee, sondern Führungskraft in einem Team von Expert_innen. Dreh- und Angelpunkt ist nicht mehr die Vision, sondern der konkrete Plan. Die Idee, welche den Projektenmacher auszeichnete, wurde ausgelagert und ihr Ursprung ist nun das Resultat von Grundlagenforschung oder einer politischen Agenda. Die Rolle der Projektmanager_in ist eng verbunden mit Plänen: »Ein Manager ist jemand, der in allen Situationen und bedingungslos an suboptimale Verhältnisse glaubt, die nur auf ihn und seine Optimierungsvorschläge warten« (Baecker 2010: 261). Management hat drei wesentliche Bedeutungen, die sich auf die Gruppe von Führungspersonen eines Unternehmens, die Tätigkeit des Managens und die dazu benötigten Fertigkeiten sowie ein akademisches Feld der Ausbildung beziehen (vgl. Parker 2002: 6 ff.). Grundlegender beschreibt Management die Fähigkeit des Menschen, sich der Natur zu bemächtigen und sie zu kontrollieren. Außerdem organisiert es die Menschen und nimmt dem Sozialen seine immanente chaotische Unruhe. Es ist ein soziohistorisches Resultat der Evolution von Organisations- und Herrschaftsformen, welche sich auf Kompetenzen, Satzungen und Rationalität berufen und nicht mehr auf das Geburtsrecht stützen (vgl. Parker 2002: 3 f.; Richter 2013). Im organisationalen Kontext ergeben sich weitere Aufgaben, die Dirk Baecker als »positive Negativbestimmungen« (Baecker 2010: 268) einführt: »1.) die spontane Arbeitsteilung, 2.) den Kurzschluss der Hierarchie und 3.) den Austausch der Projekte aktiv verhindern« (ebd.: 268, Hervorhebungen im Original). Management setzt die gesellschaftliche Funktion von Organisationen durch und unterbindet einen Großteil menschlichen Verhaltens. Dabei ist die Manager_in direkt auf die Wahrung der formellen Hierarchie verwiesen, welche den sozialen Status erst als das konstituiert, was er ist. Ähnlich dazu müssen die Beziehungen der Hierarchielinie und der Projekte offengehalten und diese Unterscheidung reproduziert werden, damit sie ihre Gültigkeit behält (vgl. ebd.: 270). Das heißt, die Tätigkeit des Managements besteht in der aktiven Abgrenzung der einzelnen Organisationsteile. Hierbei ist der Optimierungsdrang der zentrale Antrieb. Die stetige Effizienzsteigerung, in historischer Ableitung aufklärerischen

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Denkens, positioniert Manager_innen »nicht mehr als Intellektuelle[] auf dem Markt der Meinungen [. . .], sondern als Karrierist auf dem Markt der Stellen« (ebd.: 261). Manager_innen sind ausführende Planer_innen und optimieren nicht nur Projekte und Organisationen, sondern auch den eigenen Aufstieg (vgl. Justi 1761/1970: 259; Stanitzek 1987: 141). Als Ideengeber_innen fungieren in situ verschiedene Auftraggeber_innen, zu welchen sich die Manager_in in einer abhängigen Beschäftigung sieht. Dieses neue Abhängigkeitsverhältnis produziert Spannungen. Wo der Projektenmacher noch Idee und Durchführung gegen eine Finanzierung angeboten hatte, fallen Idee, Finanzierung und Durchführung heute auseinander. Helmut Schelsky legt die schwierige Beziehung zwischen Politik und Management in seinem Aufsatz Berechtigung und Anmaßung in der Managerherrschaft (Schelsky 1950/1965) dar. Er führt sie auf die zunehmende Arbeitsteilung und Verwissenschaftlichung der Unternehmensführung zurück. Darüber hinaus wirke die Bürokratisierung und die hieraus resultierende Neubesetzung zentraler Positionen durch Verwaltungsbeamt_innen ebenfalls in diese Richtung.10 Zwar gestalte sich durch komplexere Organisationsformen und veränderte Produktionsmittelnutzung eine Dynamik aus, welche aber nicht allein die »Abdankung der alten Herrschaftsträger« (ebd.: 22) erklären könne (vgl. ebd.: 21 f.). Wo bei Weber noch einzig die Bürokratie jene Machtposition innehatte, haben sich die technischen Veränderungen und die Komplexität der Aufgaben so sehr gesteigert, dass ein Aufgabenteil aus der Verwaltung herausgelöst und den Manager_innen überantwortet wurde. Der Gegensatz zwischen Beamt_innen und Manager_innen stellt sich bei Schelsky wie folgt dar: »Im Gegensatz zum Beamten oder sonstigen Fachmann, dessen zu Unrecht verhöhnter Entscheidungsgrundsatz eben der ist, ob er für eine Sache ›zuständig‹ sei oder nicht, hält sich der Manager allem gegenüber für zuständig; und in der Tat sind die Fähigkeiten der Kombination und Organisation heute eben allen gesonderten Fachgebieten gegenüber gleichmäßig anwendbar« (ebd.: 22 f.).

Für Schelsky ist das politische Wirken dieser ›Klasse‹ wichtig, weil es eine gesellschaftliche Verschiebung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen bedeutet und sich

10 | Schelskys Argumentation ist von James Burnhams Werk The Managerial Revolution (1941) geprägt. Burnham argumentiert, dass eine dritte Klasse der Manager_innen sukzessive in die gesellschaftlichen Herrschaftspositionen rutsche, indem sie die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel erlange, welche ihnen ›vom Kapital‹ zur Verwaltung anvertraut wurden. Management ist in dieser Argumentation ein technokratisch zu lesendes Prinzip (vgl. Kalff 2015b).

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gegen die Bürokratie richtet. Hier tragen die Projektmanager_innen nicht die gesellschaftliche Verantwortung; diese liegt bei Politiker_innen. Allerdings können Politiker_innen die Entscheidungsgrundlagen paradoxerweise nicht selbst beeinflussen, da sie wiederum bei eben jenen Projektmanager_innen liegen. Schelsky macht hier die »Illegitimität der Managerherrschaft« aus, welche eine »verdeckte Herrschaft« über die zu »Erfüllungsgehilfen« degradierten politischen Vertreter_innen sei (Schelsky 1950/1965: 26). Er argumentiert, »daß sie [die Politiker_innen; Y. K.] ihrer eigentlichen Funktion, z. B. der politischen Entscheidung und Anordnung, weitgehend entfremdet sind, sich diese von ihren eigenen ›Organisatoren‹ in deren Machtinteresse vorschreiben lassen müssen und so in die Stellung einer leeren Repräsentation gedrängt werden, darin sieht man mit Recht die Erscheinung der Managerherrschaft« (ebd.: 26).

Für Projekte muss allerdings auch unterschieden werden: Nicht alle Vorhaben sind politisch initiiert. Kleinere Projekte, innerhalb von Unternehmen oder anderen Organisationen haben wenig mit der politischen Sphäre gemein. Die mediale Aufmerksamkeit liegt freilich bei scheiternden Groß- und Prestigeprojekten, welche zeitlich, finanziell oder qualitativ ihre Ziele verfehlen. In den letzten Jahren sind sie Ausdruck politischer und planerischer Hybris geworden. Berichte über Stuttgart 21, die Elbphilharmonie oder den Flughafen Berlin Brandenburg scheinen nur noch Zynismus zu provozieren. Das Scheitern ist bei Großprojekten auch ein politisches. Im 17. bis 19. Jahrhundert sind Projekt und Fehlschlag zwei Seiten einer Medaille. Heute wird mit Projekten der Anspruch vertreten, Scheitern ›unmöglich‹ zu machen. Es gibt Bestrebungen, den Projekten das Fantastische zu nehmen. Sie werden aus dem Reich der Hirngespinste geholt und als erreichbares Ziel möglich gemacht. Diese Abweichung stellt eine erklärungsbedürftige Entwicklung dar. In der historischen Genese verändert sich die Konnotation des Begriffs: War er zuvor negativ besetzt, hat er sich im Verlauf als positive Vokabel durchgesetzt. Wesentlich hierfür ist die Verbannung des etymologischen Stamms des Scheiterns, welcher in der Moderne des 20. Jahrhunderts als Antagonismus einer getriebenen Steigerungslogik tabuisiert wird. Die Relation zwischen Projekt und Scheitern wird unterbrochen und in eine Differenz verwandelt. Projekte sind nicht mehr nur eine andere Seite der Münze, sie sind das Mittel gegen das Scheitern, das weder sag- noch denkbar ist und entsprechend auch nicht mehr sichtbar. Verhindert wird es allerdings nicht. Was konstituiert nun den Unterschied des Machers zur Manager_in? Während der Projektenmacher in einer in mehrerlei Hinsicht prekär war – privat, finanziell und biografisch –, sind Manager_innen geplant und gewollt von strukturellen Zusammenhängen losgelöst, die eine Karrieregestaltung von Projekt zu Projekt erlauben. War

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der Projektenmacher ein kreativer ›Kombinierer‹, der Material zusammenfügt und sich um soziale Bindungen kümmert, sind Projektmanager_innen beinahe gänzlich dieser kreativen Komponente beraubt. Stanitzeks Bild des parasitären Projektenmachers erfährt eine Spaltung. Für die soziale Akzeptanz zu werben, ist Aufgabe der Projektträger_innen, sei es die öffentliche Hand, die Politik oder das Unternehmen. Die Projektleitung ist auf technizistische Kontrolle und Steuerung reduziert. Projektmanager_innen bleibt die instrumentelle Überwachung des Vorhabens. Pointiert ausgedrückt, besteht »die wichtigste Leistung des Managers darin, andere so zur Arbeit anzuhalten, dass sie sehen, dass und wie ihre Arbeit mit der Arbeit anderer zusammenhängt« (Baecker 2010: 267, Hervorhebungen im Original). Kreativität und Eigensinn müssen verhindert und dürfen nicht wie beim Projektenmacher ermöglicht werden. Die Kreativität der Projektmanager_innen wird durch die funktionalen Erfordernisse der organisationalen Rationalitäten eingeengt. Idee und Plan, die vom Projektenmacher noch in Personalunion verkörpert wurden, werden aufgeteilt. Dadurch kann die Projektmanager_in nun den Plan fokussieren und an der Strukturierung des Projekts arbeiten. Das Projekt erhält eine organisatorische Identität. Im Lichte der negativen Presse und den damit einhergehenden politischen Statusschäden wird den Projektmanager_innen vermehrt der Vorwurf der Scharlatanerie gemacht. So ist beispielsweise die Rede von »Murks-Projekten«. »›Die meisten Projektmanager sind Dummköpfe oder Lügner‹«, befindet Bent Flyvbjerg. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, bietet er auch gleich eine ›richtige‹, wissenschaftlich fundierte Methode an (vgl. Demling 2013). Wer bei einer Gruppe notorische Wahrheitsverzerrung vermutet, sollte sich die Besonderheit ihrer Arbeitssituation vor Augen führen. Diese ist im Wesen der Moderne und ihrer gesellschaftlichen Einbettung zu finden. Sie liegt in der speziellen Art, mit omnipräsenter Unsicherheit umzugehen, welche die Projektplanung der Definition nach mit sich bringt. Die einzige Lüge, welcher alle auf den Leim gehen, ist die der Rationalität der Planbarkeit. Darin besteht auch ein Teil der Naivität, mit welcher Groß- und Prestigeprojekte in der Gesellschaft verhandelt werden. Eine Auseinandersetzung mit Projekten muss sich einer Rationalitätskritik bedienen. Aus diesem Blickwinkel fällt es leicht, die negative Konnotation des Projektenmachers auf die moderne Welt der Manager_innen zu übertragen und den Angestellten zu unterstellen, fahrlässig oder vorsätzlich zu handeln. Scheinbar ist es kein Problem, die Pläne der Projektenmacher als Fantasterei abzutun. Heute ist das Außergewöhnliche profan. Das Projektmanagement suggeriert einen Weg, die Fantasterei in eine realistische Unternehmung verwandeln zu können. Georg Stanitzek ist recht zu geben, wenn er, wie im Eingangszitat angedeutet, dazu auffordert, sich auf die Luftschlösser der Projektenmacher einzulassen.

3 Perspektiven auf Projekte: Problematisierungen »Schreiben hat nichts mit Bedeuten zu tun, sondern mit Landvermessen und Kartographieren, auch des gelobten Landes.« G ILLES D ELEUZE UND F ÉLIX G UATTARI /R HIZOM

Dieses Kapitel stellt den Forschungsstand vor und problematisiert blinde Flecken bisheriger Untersuchungen. Dies folgt der Eingangsthese: Bisherige arbeits- und organisationssoziologische Studien zu Projekten haben den Gegenstand unterbestimmt gelassen. Da die Verbindung zwischen Arbeit und Organisation als Besonderheit von Projekten vernachlässigt wurde, blieb die Erklärungskraft hinter den Möglichkeiten zurück. Diese Problematisierung ist an eine Normalprojektion angelehnt, ein Verfahren der darstellenden Geometrie. Das Feld wird aus allen relevanten Perspektiven beschrieben. Alle Blickrichtungen müssen eingenommen werden. Es handelt sich um eine Vermessung. Dadurch werden Details arbeits- und organisationssoziologischer Perspektiven eingefangen und mit gesellschaftlichen Transformationen kontextualisiert, in welchen sich Projekte als Arbeits- und Organisationsform entwickeln. Wie Gilles Deleuze und Félix Guattari schreiben, ist dieser Schritt der Kartografie nicht unähnlich: Das ›gelobte Land‹ ist das fachspezifische Erkenntnisinteresse, wie es im Forschungsstand deutlich wird. Im Folgenden beginne ich mit der Beschreibung zentraler gesellschaftlicher Veränderungen, die Erwerbsarbeit und ihre Organisation strukturell beeinflussen. Das Kapitel gliedert sich wie folgt: Kapitel 3.1 umreißt die zentralen Dynamiken, die den Übergang vom Fordismus zum Postfordismus antreiben. Es legt den Grundstein für eine gesellschaftlich-historisch verortete Interpretation aktueller Entwicklungen der Ökonomie und der Gesellschaft sowie der Arbeit und der Organisation. Kapitel 3.2 diskutiert arbeitssoziologische Befunde zu Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung und rezipiert die direkte Forschung zu Projekten. In Kapitel 3.3 werden die organisationalen Aspekte untersucht und entsprechende Transformationen innerhalb der Organisationssoziologie herausgearbeitet. Diese können als Über-

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gang von statischen Modellen der Organisation zu dynamischen Theorien des Organisierens beschrieben werden. Dabei werden Studien zu Projektorganisationen mit explizitem und implizitem Charakter gesichtet und systematisiert. Das abschließende Kapitel 3.4 bereitet die Erkenntnisse der Problematisierung auf und erfasst die Leerstellen in Thesenform.

3.1 E INE KURZE G ESCHICHTE DES P OSTFORDISMUS Wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamiken führen seit den 1970er Jahren verstärkt zu einer Restrukturierung von Arbeit. Diese ist wechselseitig verschränkt mit einer Umgestaltung ihrer organisationalen Zusammenhänge. Ohne en détail die historische Komplexität der Entwicklungen skizzieren zu können, wird die Veränderung der modernen Gesellschaftsformation kurz beschrieben. Sie setzt sich aus drei Faktoren zusammen, welche die westlichen Volkswirtschaften spätestens seit den 1930er Jahren kennzeichneten: Fordismus, Taylorismus und Keynesianismus. Der italienische Marxist Antonio Gramsci (1934/1999) prägte den nach Henry Ford benannten Begriff Fordismus, eine auf Massenproduktion und Massenkonsum ausgelegte industrielle Produktion, welche durch die Zahlung hoher Löhne an die Arbeiter_innen einerseits die gesteigerte Nachfrage dieser Klasse sicherte und zum anderen der Befriedung des Klassenkonfliktes diente (vgl. Birkner und Foltin 2010). Der auf Frederick W. Taylor (1911/1995) zurückgehende Begriff Scientific Management steht für das vorherrschende Produktionsregime, das durch die Trennung von Kopf- und Handarbeit gekennzeichnet ist. Arbeitsplanung und -durchführung werden zum einen dem Management und zum anderen den Arbeiter_innen überlassen, mit dem Effekt, dass handwerkliche Arbeit dequalifiziert und rationalisiert wird. Paradigmatisch für den Taylorismus, wie die wissenschaftliche Betriebsführung auch abwertend bezeichnet wird, ist die methodische Erforschung von Möglichkeiten der Effizienzsteigerung. Komplexe Aufgaben werden auf einzelne Handgriffe reduziert und verteilt. Hohe Anlernzeiten und hohe Löhne für Facharbeiter_innen können so umgangen werden. Den dritten Faktor stellt das wirtschaftspolitische Modell des Keynesianismus dar, welches auf den Ökonom John Maynard Keynes zurückgeht. Volkswirtschaftlich hängt nach Keynes die Produktionsleistung und die Beschäftigung einer Ökonomie wesentlich von der gesamtgesellschaftlichen Nachfrage ab. In Rezessionen impliziert dies, dass wirtschaftspolitische Strategien die staatliche Nachfrage steigern sollten, um die privatwirtschaftliche Produktion und Beschäftigung anzukurbeln. Diese Pfeiler sind die tragenden Elemente einer Gesellschaftsformation, die industrielle Produktion, Arbeitsregulation und Wirtschaftspolitik vereinigt.

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Dieser Zusammenhang gerät in den 1970er Jahren in verschiedene Krisen, welche Umstrukturierungen forcieren. Beispielsweise entzündet sich die Debatte um die »nachindustrielle Gesellschaft« (Bell 1979), in welcher Dienstleistungsbranchen neue Vormachtstellungen gegenüber der Industrie innehaben. Begrifflich markiert die Soziologie den Umbruch der etablierten Konzepte Taylorismus und Fordismus durch das Präfix ›Post-‹, um deren Überwindung kenntlich zu machen. Dieses ›Nach‹-Tayloristische oder ›Nach‹-Fordistische kommt allerdings nicht ohne Bezug auf die alten Kategorien aus. Der Postfordismus bestimmt sich durch die Überwindung jener Spezifika, die den Fordismus ausmachen. Postfordismus und Posttaylorismus verstärken sich wechselseitig mit einer Abkehr keynesianischer Modelle, die durch neoliberale Politik ersetzt werden. Die Treiber dieser Dynamik lassen sich auf drei Rahmenpunkte herunterbrechen: Erstens wächst die Nachfrage nach hochwertigen, individuellen Produkten, die massenproduzierende Industrien nicht oder nur unzureichend bedienen können. Zweitens vollzieht sich eine Öffnung der Nationalökonomien, sodass Unternehmen grenzübergreifend expandieren und ihren Einfluss auf internationale Absatzmärkte, Arbeitsmärkte und Wertschöpfungsketten intensivieren. Dies gilt für Gütermärkte und durch die Abschaffung der Wechselkursbindung an den Goldstandard in den 1970er Jahren (Bretton-Woods-System) auch für Finanzmärkte. Diese Phänomene sind Ausdruck einer politischen Liberalisierung, die verstärkt auf koordinierende Marktmechanismen setzt, deren staatliche Kontrolle sukzessive reduziert wird (vgl. Brown 2015: 143 ff.; Harvey 2005: 66 f.). Drittens kommt es durch die öffnende Wirkung der Globalisierung zu Erosionstendenzen großer Unternehmenskonzerne: War bis in die 1970er Jahre die bürokratische Organisation (vertikal wie horizontal1 integrierte Firmen), gängige Praxis, lösten sich die riesigen (und dadurch starren) Konglomerate sukzessive auf (vgl. Faust, Jauch et al. 1995; Powell 1990). Die beschleunigten Markt- und Absatzzyklen machten längerfristige Unternehmensstrategien und -planung schwierig (vgl. Holst 2012). Für gesteigerte Flexibilität auf den Märkten gliedern Großkonzerne daher ganze Organisationsteile aus. Auf den bürokratisch-hierarchischen Konzern folgt das schlanke Netzwerkunternehmen. Diese drei Punkte verändern die sozio-strukturelle und wirtschaftliche Verfassung der Gesellschaft sowie ihrer Erwerbsarbeit. Die Arbeitssoziologie diagnostiziert diese Transformation als Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung. Die Gestalt

1 | Ein vertikal integrierender Konzern beinhaltet alle benötigten Teile für ein vollständiges Produkt. Zum Beispiel ein Autokonzern, welcher Motoren, Chassis und Reifen fertigt. Horizontale Integration bezeichnet ein Unternehmen, welches ein breites Spektrum an Produkten – von Waschmaschinen über Großrechner hin zu Industrieanlagen herstellt.

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dieses Wandels ist prägend für die gestiegene Bedeutung von Projekten als flexible und dynamische Organisationsform, welche in Netzwerken hochgradig agil wirken können. In der Organisationssoziologie hat sich mit dem Netzwerk eine konzeptionelle Alternative etabliert. Sie sieht in Projekten und über sie hinaus neue Arrangements, um Komplexität und Unsicherheit zu strukturieren. Arbeitsorganisation, wirtschaftlicher Strukturwandel und neoliberale Steuerungsvorstellungen verstärken sich dabei wechselseitig, sodass im Folgenden insbesondere auf die beiden grundlegenden Kategorien Arbeit und Organisation geblickt wird und wie diese sich zum Gegenstand der Projekte verhalten.

3.2 A RBEITSSOZIOLOGISCHE U NTERSUCHUNGEN Die folgende kritische Darstellung des arbeitssoziologischen Forschungsstandes rekonstruiert die thematische Breite, in welcher Projekte untersucht werden. Der Arbeitskontext, den Studien betrachten, glieder sich in Gruppen-, Team- und Projektarbeit. Gruppen sind zum einen relativ dauerhaft im Unternehmen angesiedelt und können nach ihrer Komplexität der Selbststeuerung in funktionale, teilautonome oder qualifizierte Gruppen differenziert werden (vgl. Minssen 2006: 123). Zum anderen kann zwischen formellen und informellen Gruppen unterschieden werden, deren Interessen sich widersprechen können (vgl. Hackman 2002). Die Implementierung ist oftmals konfliktreich und an unterschiedliche Erwartungen und Ziele geknüpft, wie eine Vielzahl von Untersuchungen zu betrieblichen Restrukturierungs- und Selbstorganisationsprozessen zeigen (vgl. Dörre 2002; Kühl 2001; Minssen 1999). Teamarbeit umfasst höher qualifizierte Arbeitsplätze, die formell organisiert sind und in weiten Teilen selbstorganisiert eigene Steuerungs- und Kontrollmechanismen ausformen (vgl. Barker 2005). Eine Leiter_in bindet das Team fest an die hierarchischen Strukturen des Unternehmens (vgl. Procter und Mueller 2000). Projektarbeit zeichnet sich durch ihre Befristung und durch ein standardisiertes Steuerungswesen aus. Sie stellt einen kleinen Bereich innerhalb von Teamstrukturen dar. 3.2.1 Wandel der Erwerbsarbeit In den letzten 30 Jahren hat sich die arbeitssoziologische Diskussion mit dem Formwandel der Erwerbsarbeit beschäftigt. Das klassische Beschäftigungsverhältnis fordistisch-tayloristischer Prägung wird zunehmend von selbstverantwortlicher, qualifizierter und autonomer Arbeit abgelöst. Diagnosen dieser Entwicklung werden im Diskurs als Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung verhandelt. Diese Pro-

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zesse sind weder trennscharf noch vollkommen erschöpfend, da sie sich wechselseitig verstärken und bedingen. Sie dominieren die Debatte über qualitative und quantitative Veränderungen von Arbeit – insbesondere im tertiären Sektor der Dienstleistung, aber auch in der Industrie. Projekte bilden die veränderten Anforderungsmuster individualisierter Erwerbsarbeit beinahe in Reinform ab. Die organisationale, losgelöste Gestalt der Projekte begünstigt dies, da sie einen größeren Freiraum zur Arbeitsgestaltung bietet.2 Subjektivierung von Arbeit: Subjektivierung3 beschreibt die zunehmende Einbeziehung subjektiver, den Menschen innewohnender Potenziale in den Arbeitsprozess. Es sollen die individuellen, kreativen Ressourcen aktiviert und nutzbar gemacht werden, die über Jahrzehnte durch Arbeitsprozesssteuerung ausgeschaltet wurden. Waren individueller Eigensinn, Eigenständigkeit und Kreativität ahndenswerte Verstöße gegen die Fabrikdisziplin und den vom Management festgelegten Arbeitsablauf, werden sie jetzt als Chance begriffen: Komplexe Tätigkeiten werden effizienter durch die Angestellten selbst strukturiert. Diese individuelle Subjektivität gilt als letzte Quelle von Rationalisierungspotenzialen im Produktionsprozess, nachdem technische Rationalisierungspotenziale an ein Ende gelangen (vgl. Kern und Schumann 1984). Subjektivierung von Arbeit lässt sich als Doppelbewegung auffassen, die einerseits von den Unternehmen zur Produktivitätssteigerung und Rationalisierung der Arbeit forciert wird. Andererseits ist sie das Ergebnis eines sich wandelnden inhaltlichen Anspruchs der Angestellten, die von sich aus eine qualitative Aufwertung ihrer Tätigkeit fordern. »Man will innerlich an der Arbeit beteiligt sein, sich als Person in sie einbringen können und über sie eine Bestätigung eigener Kompetenzen erfahren. Man will sich in der Arbeit nicht wie ein Jedermann, sondern als Subjekt mit besonderen Fähigkeiten, Neigungen und Begabungen verhalten können und die Tätigkeit in der Dimension persönlicher Entfaltung in Selbstverwirklichung interpretieren können« (Baethge 1991: 7 f.).

2 | Der Vollständigkeit halber sei außerdem auf die Diagnose der Prekarisierung von Arbeit verwiesen, welche sich nicht nur bei niedrig-/nichtqualifizierter Arbeit finden lässt. Sie erfasst ebenso hochqualifizierte Beschäftigung und ist nicht nur auf die Erwerbsarbeitssphäre beschränkt. Projektförmigkeit und Prekarisierung diskutiere ich an anderer Stelle (vgl. Kalff 2017). 3 | Einführend hierzu Kleemann und Voß (2010). Einen Überblick über Diskussion und Forschung des letzten Jahrzehnts Matuschek (2010). Als »chronologische Landmarken des Diskurses« (ebd.: 12) nennt Matuschek ein Arbeitspapier von Kleemann, Matuschek und Voß (1999) und den Sammelband von Moldaschl und Voß (2002).

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Subjektivierung ist somit auch Ausdruck eines veränderten Selbstverständnisses der Angestellten und neuer Anspruch an Qualität und Herausforderungen in der Arbeit, die sich in Anerkennung und Selbstbild wiederfinden sollen. In der Diskussion um den Formwandel der Arbeit wird die Diagnose einer Requalifizierung der tayloristischen Arbeitsformen starkgemacht. Deren Träger_innen waren qualifizierte Facharbeiter_innen, die höhere Ansprüche an ihre Arbeit geltend gemacht haben. Arbeit wird vermehrt als Selbstverwirklichung gesehen, als Chance, »persönliche Sinnkriterien an die Arbeit [. . .] [anzulegen; Y. K.], [. . .] also die Arbeit auf sich und nicht sich auf die Arbeit« (Baethge 1991: 10, Hervorhebungen im Original) zu beziehen. Entgegen der objektivierenden tayloristischen Regulation von Arbeitskraft durch Rationalisierungsprozesse und durch Entqualifizierung der Arbeitskraft stellt Subjektivierung der Arbeit als emanzipatorisches oder als verordnetes Programm eine wachsende Einbindung individueller Kompetenzen in Aussicht. Diese werden als Lust am individuellen Identitätsentwurf betont (vgl. ebd.: 7 f.). Re-Subjektivierung, so argumentiert Manfred Moldaschl, »soll die Person mit der Arbeitskraft, und den Bürger mit dem Arbeitnehmer versöhnen« (Moldaschl 2002a: 29). Durch die Aufwertung von Erwerbsarbeit werden im Subjektivierungsprozess tradierte klassenspezifische Differenzen nivelliert und durch eine leistungsbezogene Verteilung ersetzt. Dabei handelt es sich nicht um eine »naturgegebene Entwicklung [. . .], die sich blind ihren Weg bahnt, sondern [. . .] [um ein; Y. K.] (gesellschaftlich) umkämpftes Feld der Gestaltung von Arbeits- und damit der betrieblichen Leistungspolitik« (Matuschek 2010: 8). Weiter ist hierbei die ambivalente Dimension der Entwicklung interessant, die sich aus einer ideologischen Überformung der Diskussion ergibt: »Die ›Ideologisierung‹ von Subjektivität ist [. . .] für die Subjektivierung von Arbeit gleichwohl von analytischer Relevanz. Erfasst werden dadurch (sowohl unreflektierte als auch intentionale, d. h. von kollektiven Akteuren gezielt angestrebte) diskursive Überformungen faktischer Prozesse des Wandels von Arbeit und Beschäftigung – beispielsweise im Zuge der allseits zunehmenden Debatten über ›Individualität‹ und ›individuelle Verantwortung‹, ›Marktförmigkeit‹ und ›Wettbewerb‹, ›Flexibilität‹ und ›Innovativität‹, ›Selbständigkeit‹ und ›Unternehmertum‹ usw.« (Kleemann, Matuschek und Voß 2002: 87.).

Die ideologische Pointierung der Diskussion stellt einen gewichtigen Aspekt dar, wie auch Baethge (1999) ausführt: Der Wandel von Erwerbsarbeit, den er in einer Vielzahl von Arbeiten angedeutet findet und den er als »Postulierung einer ›unternehmerischen Anthropologie‹« (ebd.: 37) bezeichnet, betone abermals Subjektivität, verschiebe aber die Entfremdung von der Arbeit in den Arbeitsmarkt, auf dem die ›Selbstständigen‹ die Risiken selbst zu tragen hätten. In Fragen der Umsetzung neuer Arbeitsansprüche sei die Perspektive der Arbeitsforschung, so Moldaschl, in ein Span-

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nungsfeld eingebettet, welches die arbeitswissenschaftliche Diskussion bisher nur unzureichend differenziert analysiere. So wird Subjektivierung »normativ-fordernd (sie muß realisiert werden), oder ideologiekritisch-entlarvend (es gibt sie nicht wirklich)« (Moldaschl 2002a: 34) interpretiert. Ambivalente Ursachen und Wirkungen sind die Zerreißprobe für eine angemessene wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Subjektivierungsphänomenen und – weiter gefasst – mit dem Wandel der Erwerbsarbeit. Für Projekte zeichnen sich Spannungslinien ab, die zwischen den Ansprüchen der und Anforderungen an die Subjekte verlaufen. Sie lassen sich beispielsweise im Widerspruch zwischen eigenständiger, kreativer Aufgabenbewältigung und professionalisierter Projektmanagementpraxis ausmachen. Entgrenzung von Arbeit: Entgrenzung4 bezieht sich auf zwei Ebenen: Zum einen kann eine organisationale Entgrenzung konstatiert werden, welche sich durch die weiter oben bereits geschilderten Auflösungserscheinungen starrer und großer Unternehmenseinheiten bemerkbar macht. Zum anderen bezieht sich die Entgrenzungsdiagnose auch auf die Entgrenzung von (Erwerbs-)Arbeit. Dies bedeutet, dass Arbeit umfassender und in mehr Sphären des Lebens eingeschrieben wird. Der Begriff WorkLife-Balance beschreibt eine solche Veränderung, in der das Verhältnis zwischen der Arbeit und dem Privaten eigenverantwortlich ausgehandelt werden müssen. Beispielsweise stellen Programme wie ›lebenslanges Lernen‹ stetige Anforderungen an die Individuen, die aus dem Betrieb ›mit nach Hause‹ genommen werden. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatsphäre werden semipermeabel: Formen wie Telearbeit oder die gesteigerte Erreichbarkeit durch neue Telekommunikationstechnologien führen zu einer Durchdringung des Privaten mit Tätigkeiten der Erwerbsarbeit. An dieser Stelle wird die Subjektivierung von Arbeit deutlich. Es kommt zum Aufbrechen tradierter Bilder von Erwerbsarbeit, was die Arbeitsgegenstände erweitert. Qualifikation, Inhalt und Selbstorganisation sind Teile subjektivierter Arbeit und Indizien für ihre Entgrenzung. Begriffslogisch kommt eine Entgrenzung nicht ohne eine neue Begrenzung aus (vgl. Minssen 2000). Die Auflösung einer Grenze fordert eine andere Demarkation. Voß (1998: 476 f.) verweist darauf, dass entgrenzte Arbeitsorganisation von den Arbeitenden die eigenständige »Begrenzung der Arbeit« verlange, um ihr Arbeitshandeln zu regulieren. Die Bedingungen der eigenen Arbeit sind allerdings auf vielfältige diffuse Tätigkeiten ausgeweitet, welche zu ihrer Erbringung zum Teil unabdingbar

4 | Zentrale Publikationen sind unter anderem: Gottschall und Voß (2005), Gottschall und Wolf (2007), Huchler, Weihrich und Voß (2007), Kratzer (2003), Kratzer und Sauer (2005) und Voß (1998).

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sind – weder werden sie als konkrete Tätigkeitsbeschreibung aufgeführt noch sind sie Teil der entlohnten Erwerbsarbeit.5 Subjektivierung und Entgrenzung können nur gemeinsam gedacht werden. Die Entwicklung und die Aneignung subjektiver, selbstorganisierter und qualifizierter Arbeit können nur durch eine gesteigerte Selbstverantwortung der Angestellten und durch offenere, hierarchiefreiere Betriebsstrukturen gewährleistet werden. Vermarktlichung und indirekte Steuerung: Hierarchie- und Bürokratieabbau in Unternehmen stellen neue Anforderungen an Arbeitskoordination und -organisation: Eigeninitiative und Subjektivität resultieren aus Prozessen der Subjektivierung und Entgrenzung. Entgrenzung öffnet die Organisation zu ihrer Umwelt. Das Außen der Organisation wird durch die Marktlogik strukturiert, welche sie nach innen abfedert. Die volatile und dynamische Unsicherheit wird durch die Entgrenzung jedoch zunehmend an die Individuen in den Organisationen weitergereicht. Als Koordinationsmechanismus ist der Markt auch für Arbeit relevant geworden. So lassen sich Zielvereinbarungen oder Kosten-Nutzen-Kalkulationen durch Kennzahlen leichter vergleichen. Dabei ist die Vermarktlichung die ökonomische Seite einer Dezentralisierung von Unternehmen. Ihre Performanz wird durch Hierarchieund Bürokratieabbau gesteigert: »An die Stelle personaler Herrschaft tritt zunehmend die objektivierte Herrschaftsform des Sachzwangs, des Marktes, der Konkurrenz, der Kapitalrendite« (Moldaschl und Sauer 2000: 212), welche eine effizientere Koordination verspricht. Objektivierung von Herrschaft meint hier die Verschleierung von Herrschaft, einen »Kontrollmodus [. . .] [, welcher; Y. K.] die Diffusität des Marktes als Machtressource« (Dörre 2001: 697) nutzt. So spricht Dörre von einer »Anonymisierung von Herrschaft« (Dörre 2003: 18), welche die unspezifischen, unpersönlichen Machtbeziehungen der Märkte nutzt, um »Zonen kontrollierter Autonomie« (Dörre 2001: 697) zu schaffen, in denen eine »[a]ktive Rationalisierungsbeteiligung von Beschäftigten« (ebd.: 693) ermöglicht und gefordert wird. Das Spannungsfeld, welches sich hierdurch ergibt, ist vielfältig und wird auch als produktiv bewertet: Einerseits wirkt der »diskrete Charme des Marktes« (Berger 2009: 21) als Verteilungsfunktion zur gerechten Prämierung von Leistungen.6 Ande5 | Dieses ›Mehr‹ an Arbeitstätigkeit, welche nicht entlohnt wird, hat in sozialwissenschaftlichen und politischen Diskussionen die Frage nach einer neuen Form der Abschöpfung und Verwertung von Arbeit geführt. Unter dem Begriff immaterielle Arbeit ist die Veränderung von Erwerbsarbeit und ihre gesellschaftliche Einbettung eigenständig diskutiert worden (vgl. Bologna 2006; Hardt und Negri 2002; Lazzarato 1998a). Dieser Diagnose, insbesondere in Opposition zu den drei hier diskutierten Prozessen, wird in Kapitel 7 mehr Raum gegeben. 6 | Über die Probleme der marktvermittelten Leistungsbewertung und die Rolle und Wirkung

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rerseits entzaubert sich Vermarktlichung, da sie einen eklatanten Widerspruch zum kooperativen Grundgedanken der Organisation zeitigt: Es entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Konkurrenz am (internen) Markt und Kooperation mit anderen Unternehmenseinheiten. Das Resultat aller drei beschriebenen Tendenzen ist ein gewachsenes Flexibilitätspotenzial, welches die Unternehmenssteuerung auf Kurzfristigkeit ausrichtet. Insbesondere durch ökonomische Kennzahlen sollen ökonomische Effizienz und Potenz bewertet und vergleichbar gemacht werden, damit marktstrategische Entscheidungen begründet werden können (vgl. Dörre, Holst und Matuschek 2010). Auf der individuellen Ebene entsteht allerdings ein neues Spannungsfeld. Zwischen Flexibilität (der Kurzfristigkeit) und Sicherheit (der Langfristigkeit) besteht der (scheinbare) Widerspruch, der im Begriff »Flexicurity« (Kronauer und Linne 2005) greifbar wird. Beispielsweise lassen sich in der populären Form der Arbeitskraftunternehmer_in zuwiderlaufende Tendenzen finden, die Flexibilitätsstreben, aber auch Absicherungsmentalität unterstellen (Pongratz und Voß 2003a). Letztlich müssen Projekte sich ebenfalls in einem ökonomisch strukturierten Feld bewähren. Für die Akteure bedeutet dies, dass sie beispielsweise evaluiert werden. Kennziffern konstruieren ihre eigene ökonomische Realität. Diese fließt in die sozialen Gefüge von Macht und Herrschaft von Organisationen ein. 3.2.2 Projektarbeit aus arbeitssoziologischer Sicht Das arbeitssoziologische Interesse an Projektarbeit speist sich aus der Kombination subjektivierter, entgrenzter und ökonomisierter Arbeit, welche die Selbstorganisation der Arbeit mit der sachlichen Durchführung, der sozialen Zusammensetzung und der zeitlichen Planung zusammenführt. Wenn Projekte zum Forschungsgegenstand erhoben werden, geschieht dies in Branchen, in denen Projektarbeit zur vorrangigen Arbeits- und Organisationsform gehört. Hierunter fallen die Medien- und Filmindustrie sowie der IT-Sektor. Dienstleistungsarbeit wird von dieser Arbeitsform zunehmend durchdrungen. Soll die Veränderung der Erwerbsarbeit untersucht werden, bieten sich Projekte als Untersuchungsobjekt an. Im Folgenden wird eine systematische Bestandsaufnahme von Forschungen, die sich unterschiedlich explizit auf Projektkontexte beziehen, erstellt. Aus der Sammlung lassen sich dann Unschärfen und blinde Flecken rekonstruieren.

von Markterfolg informiert Neckel (2008). Er skizziert eine Erosion des Leistungsprinzips durch die Vermarktlichung, denn auf Märkten werde nur Erfolg prämiert, unabhängig von erbrachter Leistung. Eine speziell arbeitssoziologische Literaturstudie liefert Matuschek (2010).

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Die Projektifizierung von Arbeit: Eine erste Interpretation, die Transformationen der Arbeitswelt mit der Emergenz projektförmiger Arbeit verknüpft, wird als »Projektifizierung von Arbeit« (Kalkowski und Mickler 2002) diskutiert. Es handelt sich um eine neue Logik der Arbeitsteilung (Ekstedt 2009: 49 f.). Hierdurch werden sozio-ökonomische Übergänge hervorgehoben, die vom Ende der Massenproduktion ausgehen und die wachsende Bedeutung von Wissensarbeit7 erkennen. Sie beziehen sich oftmals auf die Arbeiten des Soziologen Emanuel Castells (1996). So können zwei Formen sich ablösender Arbeitskraft unterschieden werden: zum einen routinierte, standardisierte Arbeitskraft und zum anderen »selbst-programmierte« Arbeitskraft, die sich in immer globaleren Netzwerken verbreitet und sich rekursiv auf sich selbst bezieht und anwendet. Letztere ist die vorrangige Form, durch welche die komplexe, unsichere und diffuse Wissensarbeit organisiert wird. Als solche ist sie problemlösender Natur; es wird »zunehmend darauf ankommen, Expertise, Kenntnisse und Fähigkeiten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen flexibel und befristet zusammenzuführen« (Kalkowski und Mickler 2002: 120). Sie ist ein kreativer Kombinationsprozess. Was die beiden Autoren hier als ursächliche Wirkung für einen neuen Organisationsmechanismus aufgreifen, führt auch zu einer neuen Form der gesellschaftlichen Sicht auf Arbeit. Diese betont die Diskontinuität und Befristung der Arbeit, ihre Komplexität und ihren direkten, expliziten Bezug auf heterogene Wissensbestände. Insgesamt bedeutet Projektifizierung von Arbeit die Erweiterung individueller Kompetenzen. Benötigt werden: »[. . .] interpersonal skills needed for project-based organizing, as well as the technical skills needed for the craft« (Jones 1996: 59; vgl. Gaddis 1959). Projektarbeit zeichnt sich zudem durch eine Internalisierung des Transformationsproblems aus, welches die Sicherstellung der Arbeitsleistung gegen Entlohnung in die Angestellten hineinverlagert:8 »Sie werden veranlasst, ›unternehmerisch‹ zu den-

7 | ›Wissensarbeit‹ wird kontrovers diskutiert, da die soziologische Bedeutung von ›Wissen‹ vielschichtig und nicht eindeutig ist. Für Willke (1998: 161) ist eine solche Arbeit folgendermaßen gekennzeichnet: Wissen müsse sich nicht nur einmal angeeignet werden, sondern kontinuierlich optimiert und revidiert werden. Als Ressource sei es eng an Nichtwissen gekoppelt. Wissensarbeit ist »zur herausragenden wertschöpfenden Aktivität« (Kalkowski 2004a: 249) geworden und erzeugt »sich erst, wenn beide Seiten, Personen und Organisationen, in komplementärer Weise Wissen generieren, nutzen und wechselseitig ihr Wissenspotential sich zur Verfügung stellen« (Willke 1998: 167). 8 | Entgegen dem Taylorismus, welcher das Transformationsproblem durch rigide Aufsicht und Fabrikdisziplin sicherstellte, wird die Arbeitsleistung intrinsisch motiviert. Motivation und Eigeninitiative sind wichtige Größen geworden. Erreicht wird dies hauptsächlich durch Formen der indirekten Steuerung, durch Zielsetzungen und durch eigenverantwortliche Arbeit.

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ken und zu handeln, sich die Imperative der Kapitalverwertung zu eigen zu machen« (Kalkowski und Mickler 2002: 129 f.). Die gestiegene Eigenverantwortung ist ein Kennzeichen von Projektarbeit, denn »[p]roject-based work focus on results; a special sort of leadership is emerging that does not include ›soft,‹ human or social aspects« (Ekstedt 2009: 50). Die Projektifizierung der Arbeit ist daher nur in Verbindung mit der Projektifizierung der Organisation sinnvoll analysierbar, um die hier diagnostizierten Steuerungsmechanismen einzufangen (siehe Abschnitt 3.3.2). Sie müssen als institutioneller Rahmen der Beschäftigung interpretiert werden, damit die strukturellen Verschiebungen ausfindig gemacht und auf die Arbeit zurückbezogen werden können (vgl. ebd.: 35 ff.). ›Projektifizierung‹ meint also, dass »die zunehmende Organisation der Arbeit in Gestalt von Projekten [. . .] für eine tiefgreifende Veränderung von Koordinationsformen [steht; Y. K.], mit denen neben der hierarchischen Koordinierung andere Aushandlungsformen an Bedeutung gewinnen. Mit ihnen verändern sich die Management- und Mitarbeiterrollen, die betrieblichen Kommunikationsstrukturen und die ›zwischenmenschlichen Beziehungen‹ im Betrieb sowie in überbetrieblichen Zusammenhängen« (Kalkowski und Mickler 2002: 122).

Insbesondere die Kooperation von Unternehmen ist hervorzuheben. Projektifizierung kann deren Inflexibilität überwinden und ermöglicht dynamische Zusammenschlüsse auf Projektebene. Sie zielt daher eher darauf ab, immer komplexere Firmenbeziehungen zu koordinieren, anstatt Endkundenlösungen oder -produkte zu erzeugen (vgl. Ekstedt 2009: 37). Deshalb müssen sich Forscher_innen bei der Analyse von Projektarbeit der verschiedenen Bedeutungen der Arbeit bewusst werden. So schreibt Johann Packendorff: »[T]he aim [. . .] is to critically analyze how individuals construct projects – both projects that they are organized into and projects that they construct themselves in their everyday life« (Packendorff 2002: 41 f.). Projekte sind Voraussetzung und Ergebnis der Arbeit der Angestellten. Hieraus leitet sich auch eine Forschungsperspektive der Arbeitssoziologie ab: Kalkowski und Mickler konstatieren ein ambivalentes Setting, das einerseits Autonomiegewinne in Aussicht stelle, aber andererseits auf subversivere Mechanismen der Selbstausbeutung zurückgreife. Für die Angestellten diene die Marktlogik als Handlungsorientierung. Durch eine reine Leistungsorientierung verändere sich die klassische Rolle der Betriebe: »Organisations that use the project model extensively have, in principle, separated the managers’ responsibility for financial results, employees’ competence development as well as their job security« (Ekstedt 2009: 48). Die Entwicklungstendenz ist risikobehaftet, da sie sich auf die individuellen Angestellten auswirkt und so die Unsicherheiten der Unternehmen auf die Angestellten

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umverteilt. Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung durch Projektifizierung bedeuten eine individualisierte und inkorporierte Unsicherheitsbewältigung. Projekte, Interessenvertretung und Arbeitsbeziehung: Fragen zur Interessensvertretung von Arbeiter_innen und Angestellten haben in der Arbeitssoziologie Tradition. Projekte bringen jedoch einige Schwierigkeiten mit sich. Sie sind »unreguliertes Terrain« (Windeler, Wirth und Sydow 2001: 14), daher stellt sich für Projektarbeit die Frage nach den sozialen Beziehungen auf andere Weise. Für das Gewerbe der Fernseh-Content-Produktion sind Untersuchungen vorgelegt worden, auf die im Folgenden Bezug genommen wird. Diese Projekte zeichnen sich durch atypische Karrierewege und lose, fluktuierende und ständig neu zusammenkommende Kooperationsbeziehungen in »Projektnetzwerken« (ebd.: 13) aus. Diese »bestehen aus zeitlich befristeten, auf Projekte bezogenen Geschäftsbeziehungen und -interaktionen, die am Projekt beteiligte Unternehmungen projektbezogen und projektübergreifend netzwerkförmig miteinander koordinieren« (Windeler, Lutz und Wirth 2000: 181, ohne Hervorhebungen). Es handelt sich also um ökonomisierte, subjektivierte und entgrenzte Arbeit, die sich dem Idealtypus der Arbeitskraftunternehmer_in annähert (vgl. Voß und Pongratz 1998). Dynamische Strukturen in Projektnetzwerken stellen die Interessenvertretung vor neue Herausforderungen, denn »Mitbestimmung benötigt, um wirksam werden zu können, stabile soziale Beziehungen« (Windeler, Wirth und Sydow 2001: 16, ohne Hervorhebungen). Durch die wiederholte Zusammenarbeit entstehe in diesen Netzen zwar Vertrauen – das für eine »relative Stabilität« (ebd.: 16) sorge.9 Der Idealtypus der Arbeitskraftunternehmer_in – der diese Projekte präge – verhindere jedoch eine kollektive Interessenvertretung, die nicht explizit unterschiedliche Arbeitskrafttypen einschließt (vgl. Pongratz und Voß 2003b: 233). Für gewerkschaftliche Interessenorganisation ist die Arbeitskraftunternehmer_ in kein leichtes Unterfangen,denn gegenüber diesen verfolgen Interessenvertretungen als »Ziel die Beschränkung und nicht die Ermöglichung individueller Selbst-Ökonomisierung« (ebd.: 233). Genereller konstatiert Kalkowski: »Arbeitsidentität und Interesse qualifizierter Angestellter sind stark von der Lust an der eigenen Leistung geprägt« (Kalkowski 2004b: 58). Kollektiv verhandelte »Regelungen zu Leistungsbedingun-

9 | Sydow und Staber (2002: 219) beschreiben die Personalzusammensetzung in Projektnetzwerken der Filmproduktion: »In the context of project networks, agents tend to orient themselves, reflexively, to their experiences with past collaboration, as well as their expectations of future relationships. Producers, for example, normally rely on a core of authors with whom they have worked in the past«.

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Tabelle 4: Interessenvertretung in Projektnetzwerken Duales System industrieller Beziehungen

Projektnetzwerke in der Fernsehproduktion

»Normalarbeitsverhältnis« Tarifvertragliche und betriebliche Regulation von Arbeit Interner Arbeitsmarkt Kooperative Konfliktverarbeitung Großbetrieb

»Grenzenlose« Karrieren Projektnetzwerkförmige Regulation von Arbeit Segmentierte Pools Individuelle Verhandlungen Klein- und Kleinstbetriebe, Unternehmer

Quelle: nach Windeler, Wirth und Sydow 2001: 15

gen sind bei Projektarbeit objektiv schwierig. Sie gehen aber auch an den Präferenzen von Wissensarbeitern vorbei« (ebd.: 56). Wesentlich für diese Unvereinbarkeit ist der Übergang von klassischen Arbeitsverträgen hin zu individuellen Werkverträgen (vgl. Kalkowski 2004a; Kalkowski und Mickler 2009). Angestellte schulden in ihrem Anstellungsverhältnis individuell »den Erfolg der kontraktualisierten Leistung« (Kalkowski 2004b: 57) und werden so eher Auftragnehmer_innen als Angestellte. Durch Projekte verändern sich ebenfalls die Arbeitsbeziehungen der Angestellten zu den Unternehmen. Tabelle 4 verdeutlicht Unterschiede in Arbeit und Interessenorganisation zwischen klassischen industriellen Beziehungen und Projektnetzwerken. Außerdem ist eine veränderte Anstellungspolitik erkennbar. Diese fußt auf der zeitlichen Befristung von Projekten (vgl. Ekstedt 1999, 2009; Lundin und Söderholm 1995; Packendorff 1995: und Abschnitt 3.3.2). Nach Meinung von Windeler, Wirth und Sydow (2001: 13) sowie Sydow und Staber (2002: 216) ist dies für Projektnetze jedoch eine unvollständige Deutung. Projektnetzwerke sind mehr als nur temporäre Konstellationen, denn über die langfristige Zusammenarbeit, über mehrere Projekte hinweg, entscheiden positive Kooperationserfahrungen. Unbefristete, kollektiv verhandelte Verträge werden zugunsten individuell ausgehandelter, befristeter Anstellungen aufgegeben. Kalkowski und Mickler (2005: 29 ff.) bezeichnen diese als »kontraktualisiert«. Von der klassischen Zeitorientierung losgelöst, werden die zu erbringenden Leistungen vertraglich festgehalten (»Management by Objectives«, ebd.: 30, vgl. Ekstedt 2002). Zusätzlich transformieren sich Arbeitsmärkte. Sie spezialisieren sich auf Erfahrungswissen und Projektkompetenzen, um Personal dynamisch für temporäre Unternehmungen zu akquirieren (vgl. Ekstedt 1999: 14). Die erforderlichen spezifischen Kompetenzen schließen Arbeitsmarktzugänge und führen zu deren Transformation. Die wachsende Projektförmigkeit der Beschäftigung »bewirkt [. . .] bei fehlendem Berufsprinzip eine Informalisierung der Kontrolle des Arbeitsprozesses und des Arbeitsmarktzugangs und verstärkt Ansprüche an die Anpassung der Lebensführung« (Apitzsch 2010: 22). Was Apitzsch hier in einer vergleichenden Fallstudie für

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Medien- und Architekturberufe prognostiziert, findet sich auch bei Windeler, Lutz und Wirth (2000: 179): »Die Produktion von Fernsehserien wird insbesondere über die Auswahl der Projektteilnehmer gesteuert«. In Projektnetzwerken, wie sie in der Filmindustrie hauptsächlich zu finden sind (vgl. DeFillippi und Arthur 1998; Sydow und Staber 2002; Windeler, Lutz und Wirth 2000; Windeler, Wirth und Sydow 2001), stellen die Angestellten Kontakte, Ressourcen und Erfahrungen in der Zusammenarbeit bereit, um erfolgreiche Projekte zu erzeugen. Die Rekrutierung oder »Selektion« (Windeler, Lutz und Wirth 2000: 186) erfolgt über einen heterogenen Kreis wechselseitiger Bekanntschaften, einem »Pool, aus dem der Produzent seine Projektpartner rekrutiert« (Windeler, Wirth und Sydow 2001: 13, ohne Hervorhebungen). Formelle Arbeitsmärkte werden so strukturell unterwandert und durch informelle, beziehungsund erfahrungsgestützte Formen ersetzt, die zu einer veränderten Anforderung an die eigene Vermarktung der Arbeitskraft führen. Folge davon sind gesteigerte Flexibilitätspotenziale: »In essence, project networks permit resources to be reallocated with ease among members within the network. Thus, they are adaptive to changing environmental demands« (Jones 1996: 60). Die »entgrenzte Karriere«, die von Unterbrechungen gezeichnet ist, die nicht mehr formell, linear und ›sichtbar‹ ist, ist eine anschlussfähig zu haltende »›portfolio carrer‹« (Gill 2002: 71; vgl. Kalff 2017). Projektarbeit, Arbeitszufriedenheit und Belastung: Die Arbeitsbelastungsforschung richtet verschiedene Fragen an Projekte. So fragt beispielsweise, »welche Quellen der Arbeitszufriedenheit die Organisationsform bietet, ob und inwieweit auch mit ihr Belastungen verbunden sind und wie diesen gegebenenfalls begegnet werden könnte«. (Bollinger 2001: 685) Projekte würden die kritisierte Belastung in der Erwerbsarbeit lösen und, so Bollinger weiter, die jahrelangen Humanisierungsansprüche nach qualifizierter, abwechslungsreicher und selbstbestimmter Arbeit durchsetzen. Allerdings würden sie auch den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz vor neue Herausforderungen stellen, denen nicht mit klassischen betrieblichen Strategien begegnet werden könne (vgl. Gerlmaier 2005). Stresssymptome und emotionale Belastungen der Angestellten durch die vielfältigen Beziehungsgeflechte und Erwartungshaltungen sind in Projektkontexten weit verbreitet (vgl. ebd.: 500). So zitiert Bollinger (2001: 686) einen Befragten und bereitet die Diskussion psychosomatischer Belastungsstörungen wie Depression oder das Burnout-Syndrom vor: »Ein Leben lang Projektarbeit – das geht nicht, das macht dich kaputt«. Laura Hanemann und ich haben darauf hingewiesen, dass Zeitplanung ein ambivalentes Verhältnis von Souveränität und Kontrollverlust eröffnet, welches Verwundbarkeiten durch ›Stress‹ in selbstverantwortlicher Projektarbeit begünstigt (vgl. Hanemann und Kalff 2013). Mit Alain Ehrenberg gesprochen, besteht der Kern des Problems in der Verantwortlich-

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keit und Initiative der Individuen. Erschöpfungskrankheiten werden zum »Laboratorium für die Ambivalenzen einer Gesellschaft, in der der Massenmensch sein eigener Souverän sein soll« (Ehrenberg 2008: 20). Die Maßgabe, eigenverantwortlich und selbstorganisiert zu arbeiten, wird problematisch, wenn Zeitsteuerung dysfunktional wird (vgl. Hanemann und Kalff 2013: 224 ff.). Krankheitsdispositionen der Mitarbeiter_innen sind aufgrund der durch Kurzfristigkeit eingeschränkten personalpolitischen Möglichkeiten schwer zu erfassen. Entsprechend kann gesundheitsschädlichen Belastungen kaum proaktiv entgegengewirkt werden. Obgleich das Projektmanagement quantitative Methoden und Techniken zur Evaluierung, Kontrolle und Steuerung bereitstelle, fehle es an entsprechenden diagnostischen Möglichkeiten für den Arbeits- und Gesundheitsschutz (vgl. Gerlmaier 2005: 501 f.). Solche Befunde stehen zudem im Kontrast zu Studien, welche die Arbeitsmotivationen in Projekten untersuchen: Pongratz und Voß (2003a: 201) weisen darauf hin, dass Projektarbeit gerade durch ihren professionellen Anspruch außerordentlich »resistent gegenüber Belastungserfahrungen und Frustrationserlebnissen« sei, oftmals »[t]rotz vielfacher Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit« (ebd.: 200). Das zeigt auch Bollinger (2001: 686 ff.), der in der professionellen Umgebung von Projekten immer auch entsprechendes Konfliktpotenzial sieht. Ressourcenund Zeitknappheit würden zu Stress und dadurch zwangsläufig auch zu Spannungen im Team führen. Die »Neigung zur Personalisierung von Konflikten« (ebd.: 687) trage zusätzlich dazu bei. Außerdem sei durch Projekte die Work-Life-Balance gefährdet, denn zeitliche und örtliche Flexibilität würden die Privatsphäre jenseits der Erwerbsarbeit beeinträchtigen. Diesen Problemen lasse sich, nach Bollingers Meinung mit Professionalität in Zeit- und Projektplanung, Bildung und Förderung von Soft Skills im Teamumgang, nachhaltiger Lebensführung und erweiterter Arbeitszeitflexibilisierung begegnen, um die Autonomie der Angestellten zu erweitern. Da aber Belastungen dieser Art weitestgehend subjektiv wahrgenommen würden und kaum objektivierbar seien, stünde der Arbeits- und Gesundheitsschutz vor einer Herausforderung: »Es geht um die Definition von Metaregeln und nicht um die Festlegung von inhaltlichen Normen. [. . .] Arbeitsschutz wird nicht mehr mit Hilfe detaillierter Vorschriften verordnet, sondern vielmehr auf der Grundlage von Rahmenvorschriften auf betrieblicher Ebene entwickelt« (ebd.: 690).

Demgegenüber sei Projektarbeit eine geschätzte Tätigkeit, die selbstständige Fähigkeiten fördere (vgl. Pongratz und Voß 2003a). Trotz der Belastungsdiskussion werde Projektarbeit insbesondere von jüngeren qualifizierten Angestellten als Alternative zu Linienorganisation oder Gruppenarbeit gesehen: »Projektarbeit wird deshalb weit stärker als inhaltlich und sozial anregende Herausforderung erlebt als Gruppenarbeit

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– auch wenn die erfahrenen Belastungen durchaus vergleichbar sind« (Pongratz und Voß 2003a: 207). Allerdings erzeugen die Erwerbsorientierungen der Arbeitskraftunternehmer_in neue »Risikolagen« (Pongratz und Voß 2003b: 231). Deren empirische Gestalt betrifft – abweichend von der konzeptionellen Formulierung (vgl. Voß und Pongratz 1998) – Leistungsoptimierung, Absicherungsmentalität und geregelte Flexibilität (vgl. Pongratz und Voß 2003b: 229 ff.). Neue »Abhängigkeitskonstellationen« (ebd.: 231) werden ebenso in die Arbeit eingeschlossen. Hierunter fallen nicht entlohnte Mehrarbeit, schwierige Karrierechancen, unsichere Aufgabengebiete sowie Positionen und soziale Konflikte bei unterschiedlichem Leistungsethos der Angestellten. Die zusätzliche Tätigkeit sei belastend, da sie Individuen als Selbststeuerung überantwortet werde: »Die Abhängigkeit wird subjektiv erfahren in Überlastungserscheinungen und enttäuschten Ansprüchen, doch liegt es für die Betroffenen nahe, die Gründe – in einer Art Personalisierung struktureller Probleme – eher in eigenen Defiziten oder in Behinderungen durch einzelne Vorgesetzte zu suchen als in der Struktur der Handlungsbedingungen« (ebd.: 231).

Was hier für die Arbeitskraftunternehmer_in beschrieben wird, kann auch für Projektarbeit übernommen werden. Einerseits untersucht die empirische Studie (unter anderem) Projekte. Andererseits fokussiert sie Risiken und Abhängigkeiten der neuen Formen von Erwerbsarbeit. Ein spezifischeres Forschungsergebnis präsentiert Rosalind Gill (2002), die Freelancer_innen der New Economy befragte, um hinter die Fassade eines positiv wahrgenommenen Beschäftigungsfeldes zu blicken. Neben den bereits hervorgehobenen Arbeitsqualitäten rekonstruiert sie das Spannungsfeld der Freelancer_innen als stark individualisierte Verantwortungszuschreibung, die Scheitern den Akteuren selbst zurechnet (vgl. ebd.: 81). Dies gilt insbesondere für die Rahmenbedingungen der eigenen Karriere: Die Kontinuität der diskontinuierlichen »portfolio career« (ebd.: 71) muss gesichert werden. Projektarbeit als Profession: Projektarbeit wird mit hohen Ansprüchen verbunden, die auf die Individuen übertragen werden. Diese Professionalisierung des Projektmanagements setzt auf standardisierte und formalisierte Zertifizierungsprogramme, beispielsweise durch das Project Management Institute (vgl. Abschnitt 2.2). Zertifizierung konstituiert eine Profession mit sozialen Schließungsmechanismen. Sichtbar wird das im Anspruch der Angestellten, die sich nicht als fachliche Expert_innen, sondern als Träger_innen von Steuerungswissen verstehen: »Professionalität in diesem Sinne bedeutet weniger, sein Fachgebiet zu beherrschen als vielmehr sich und andere auf anspruchsvolle Aufträge hin organisieren zu können. Die Vertrete-

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rInnen dieses Anspruchs wähnen sich auf einem erweiterten Professionalitäts-Niveau, dessen Effizienzpotential sie deutlich spüren und ausdrücklich schätzen, auch wenn sie es im Projektalltag nicht immer ausschöpfen können« (Pongratz und Voß 2003a: 201).

Professionelle Projektsteuerung stellt den Kern der sozialen Schließung dar, welche sich um das Steuerungswissen durch die zertifizierte Qualifikation etabliert und die Projektmanager_in zu ihrem Titel verhilft. Damian Hodgson attestiert dem Projektmanagement, es habe eine zweifache Funktion, und begründet dies mit der Doppelbedeutung des Wortes Disziplin, welches zum einen den Teilbereich eines Fachs oder eines Wissensbereichs abgrenze und zum anderen ein Verhalten markiere, das auf Gehorsam und Unterwerfung gründe. Projektmanagement sei eine »professional discipline« (Hodgson 2002: 804), die sozial geschlossen sei und als disziplinierende Profession einen Berufsethos durchsetze. »[T]he claims to professionalism made by proponents of Project Management serve to establish significant power effects within organizations, imposing a form of discipline both on those subject to Project Management systems of control and also those involved in managing and promoting ›professional‹ Project Management« (ebd.: 804).

Neben dem Ziel modernen Projektmanagements, Berechenbarkeit und Zurechenbarkeit zu erzeugen sowie die Kontrolle über Projekte zu gewährleisten, analysiert Hodgson den sich daraus ergebenden Statusgewinn der Akteure. Aus dem diskurstheoretischen Rahmen, den Hodgson anlegt, ergeben sich zwei analytische Bilanzierungen (vgl. ebd.: 818 f.): Erstens erzwinge das Projektmanagement von den Angestellten eine Adaption des Projektmodells entsprechend der professionellen Leitlinie und strukturiere in diesem Sinne den Zugang und die Äußerungsmöglichkeiten im Diskurs. Dies bedeutet, dass alle Handlungen und Äußerungen entlang der vorgeschriebenen Normen durchzuführen sind. Die ›Realität‹ des Projektmanagements und die Verhaltensnormen sind sozial konstruiert: »Anytime a profession seeks to codify its body of knowledge, it seeks to create closure on the spectrum of acceptable behaviours and thought processes available to individuals who seek to identify themselves with this profession« (Buckle und Thomas 2003: 436). Zweitens, so Hodgson weiter, schließe es Nicht-Professionelle aus und delegitimiere deren Auffassungen von Projektmanagement. Mit der Etablierung eines Standards würden bestimmte Definitionen des Projektbegriffs ein- und ausgeschlossen. Des Weiteren ermögliche diese Festlegung, ein gegenstandsbezogenes Steuerungswesen zu erarbeiten. Das Fundament für das ›Projektmanagement‹ wurde gelegt, indem festgelegt wurde, was ein Projekt sei. Die Arbeit als Projektleiter_in ist nur dann möglich, wenn eine zertifizierte Ausbildung erworben die, wodurch Normen, Werte und Verhalten reproduziert.

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Projektarbeit, Macht, Herrschaft, Disziplin und Kontrolle: Perspektiven auf Professionalisierungsthemen bereiten eine Brücke zum Thema Macht und Herrschaft. Hier verbinden sich Arbeits- und Organisationssoziologie. Macht und Herrschaft sind strukturelle, also organisationale Effekte; ebenso sind sie prozessuale Effekte, welche aus der Arbeitssituation emergieren. Daher lassen sich Studien arbeits- und organisationssoziologisch lesen. Analytisch wird die Funktion und Bedeutung von Macht und Herrschaft in Projekten häufig außen vor gelassen oder nur am Rande tangiert. Projektmanagementliteratur, welche sich als instrumentell-rationales Steuerungswissen versteht, blendet politische Effekte aus. Macht und Herrschaft als Faktoren sozialer Interaktion und Organisation rufen kritische Sozialwissenschaften auf den Plan (vgl. Marshall 2006: 207 f.).10 Marshall argumentiert, gerade die Diversität von Machtkonzepten stelle ein heuristisches Problem dar, da sie einerseits zu strukturorientiert (im Sinne eines repressiven Machtbegriffs) oder andererseits zu agency-fokussiert (im Sinne eines produktiven Machtbegriffs) seien. Der eigentlichen Frage, wie allgemein projektübergreifende Normen und Werte mit episodischen Vorhaben verbunden werden können, werden sie nur schwer gerecht. »[I]t is not a question of structures producing agency, or agents producing structures, but a weaving together of the two in an ongoing and emergent chain whereby social regularities, of varying endurance and generality, are produced, reproduced, modified and/or destroyed. This means agency, whether individual or collective, is not purely an effect of power/knowledge strategies which constrain through normalization, but neither can it be characterized wholly in terms of unconstrained knowledgeable and intentional action« (ebd.: 215).

Plädiert wird für eine praxistheoretische Interpretation der Reproduktion von Normen und Macht-Wissen-Formationen im Arbeitsprozess. Damian Hodgson führt in einem weiteren Aufsatz aus, es handele sich bei Projektmanagement um eine »neo-bürokratische Kontrollform« (Hodgson 2004: 86). Durch die Etablierung standardisierter Prozesse und Modelle bilde sie den Rahmen für bürokratische Kontrolle, obwohl die tendenzielle Entwicklung von Organisationen postbürokratisch verlaufe und starre Unternehmensformen aufgebrochen würden (vgl. Clegg 1990; Parker 1992, 2002; Power 1990). Die Kerndimensionen bürokratischer

10 | Diese Arbeiten reihen sich in die Forschungsrichtung der Critical Management Studies ein, welche nicht genuin soziologisch zu verorten ist. Den Untersuchungsrahmen bilden qualitative Studien und ein kritisch-theoretisches Gerüst, das auf Arbeiten verschiedener Generationen der Frankfurter Schule oder poststrukturalistischer Strömungen basiert (vgl. Alvesson und Deetz 2005; Alvesson und Willmott 1992, 1996; Grey und Willmott 2005; Hartz 2011; Kalff 2015a).

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Organisation sind bereits bei Max Weber (1922/1980) als legale Herrschaft und Verwaltungsapparat beschrieben worden (vgl. Abschnitt 3.3.1, S. 75). Projektarbeit müsse mit widersprüchlichen Logiken aus diesen sowie neuen Organisationslogiken umgehen. »[P]roject management can be seen as an essentially bureaucratic system of control, based on the principles of visibility, predictability and accountability, and operationalized through the adherence to formalized procedure and constant written reporting mechanisms. At the same time, however, project management draws upon the rhetoric of empowerment, autonomy and self-reliance central to post-bureaucratic organizational discourse. In principle, then, project management offers a system which attempts to integrate bureaucratic control and a form of responsible autonomy more in keeping with the interdisciplinary, knowledge-intense nature of much project work in teams« (Hodgson 2004: 88, ohne Hervorhebungen).

Unterschiedliche Strukturlogiken zwischen bürokratischen und postbürokratischen Organisationsprinzipien der Projektarbeit sind Ursache für Spannungen. Der immanente Widerspruch der Arbeitsform lässt sich auf diesen Antagonismus zurückführen. Unter dem Stichwort der Verantwortungsindividualisierung wird dies an anderer Stelle begriffen als: »general tendency of individualizing work responsibility and accountability in the post-bureaucratic world, and the project form-specific construction of temporary micro-bureaucracies where people are expected to deliver the impossible notwithstanding the consequences for life in general. Over and over again« (Lindgren und Packendorff 2006b: 863 f.).

Ebenso spiegeln sich die Paradoxe subjektivierter, entgrenzter und vermarktlichter Arbeitsverhältnisse einerseits in der Auflösung der bürokratischen Zwänge, andererseits in der Re-Institutionalisierung ebendieser auf einer Mikroebene wider. Dies erzeugt ein durch und durch widersprüchliches Verhältnis. Pongratz und Voß (1997) bezeichnen diese mehrdeutige Anforderung an die Angestellten als »fremdorganisierte Selbstorganisation«, welche starke Beharrungstendenzen bürokratischer Strukturen in sich transformierenden Unternehmen festschreibt. Kalkowski resümiert ebenfalls, der Wandel der Kontrollmodi bleibe »[v]on der hierarchischen zur diskursiven Koordination« (Kalkowski 2002: 131) – Führen mit Zielen, Mitarbeiter_innengespräch, Personal- und Leistungsbeurteilung, Mitarbeiter_innenbefragung und so weiter – eine »Bürokratie im neuen Gewand« (ebd.: 139), solange zentrale Bestandteile der eigenen Arbeit wie Ressourcen oder Zielsetzungen nicht Teil der individuellen Aushandlungen seien (ebd.: 140 f.). Die Ansprüche, welche beispielsweise von Subjektivierung ausgehen, sind weniger gewollt als viel eher fremdverordnet.

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Lindgren und Packendorff (2006a) schließen an Foucaults Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses (1994) einen metaphorischen Vergleich zu Projekten an. In kritischer Absicht soll die Frage geklärt werden: »›[W]hat do we do when we call something a project?‹« (Lindgren und Packendorff 2006a: 114). Die grundlegende Logik von Projektarbeit (aus der Sicht des Managements) gleiche den disziplinarischen Mechanismen des Gefängnisses, wie sie Foucault untersucht hat. »[P]eople are imprisoned without explicitly thinking in such terms; they work hard, accept rules, punishment, supervision – the whole concept of effective and rational project management« (ebd.: 126). Die beiden Autor_innen rekonstruieren drei disziplinarische Mechanismen, die auf den Raum, die Zeit und die Seele abzielen, um die Menschen in die Organisation einzupassen (vgl. ebd.: 115 f.). Ein Projekt ist daher ein »mental prison« (ebd.: 111), das Individuen diszipliniert, um organisationale Effizienz zu gewährleisten. Der Gegensatz zu gewöhnlichen Arbeitszusammenhängen stellt sich für die Angestellten allerdings betont positiv dar, indem ihnen herausfordernde, kreative und diversifizierte Arbeit ermöglicht wird (vgl. ebd.: 112 f.). Dieser Mechanismus wird als zynische Inkorporierung eines Herrschaftsverhältnisses interpretiert, welches die Steuerung und Ausbeutung der Arbeitskraft in die Hände der Angestellten lege, jedoch Autonomie nur scheinbar zulasse. Foucault untersucht die Geschichte der Disziplin in vielzähligen gesellschaftlichen Institutionen (Schule, Psychiatrie, Krankenhaus, Gefängnis) – Lindgren und Packendorff übertragen dies auf Projekte, um zu zeigen, wie ›Normalität‹ erzeugt und beibehalten wird. Moderne Gefängnisse, so Foucault, regulierten Zeit, Ort und Geist, um die Delinquenten nicht zu strafen, sondern zu ›erziehen‹ – sie zu subjektivieren. Projektmanagement und Projektarbeit werden analog zum Gefängnis betrachtet: Die Angestellten werden zeitlich durch Termine und Deadlines, räumlich durch Anwesenheit bei Kund_innen und geistig durch gesteigerte Selbstverantwortung, Sichtbarkeit und Individualisierung diszipliniert (vgl. ebd.: 118 ff.). Projektarbeit aus einer Genderperspektive: Abschließend werden Untersuchungen zu Projektarbeit aus gendersensiblen Blickwinkeln analysiert. Eine Verknüpfung von Arbeitssoziologie mit gendersoziologischen Fragestellungen ist dabei nicht unüblich, denn die grundlegenden gesellschaftlichen Arbeitszusammenhänge sind auch Spiegelbild gesellschaftlicher Rollenbilder, in denen Arbeiter_innen und Angestellte verortet sind. So eröffnet sich die Frage, »in what way projectification of work life is related to life as a whole for human beings, and how it contributes to changes in the gender order« (Lindgren und Packendorff 2006b: 843). Veränderungen im strukturellen Gefüge der (Normal-)Erwerbsarbeit induzieren Veränderungen in den Geschlechterbildern, die wiederum die gesellschaftliche Konstitution von Erwerbs-

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arbeit beeinflussen. Industriearbeit war durch den Typus des männlichen Industriearbeiters geprägt, der durch Hierarchie, Disziplin und Körperlichkeit beherrscht wurde. Trotz der fortschreitenden »Tertialisierung« der Erwerbsgesellschaft und des vermehrten Einströmens weiblicher Beschäftigter bleibt die männliche Dominanz vorhanden. Argumentativ bewegen sich die hier im Folgenden rezipierten Studien zwischen zwei Polen: Zum einen wird von einigen Autor_innen kritisch dargelegt, inwieweit Projektmanagement und Projektarbeit weiterhin einer inhärenten maskulinen Logik folgen. Zum anderen argumentieren Autor_innen, das gerade feminin-konnotierte Mechanismen in Projekten relevant werden. Erster Pol: Verschiedene Arbeiten argumentieren, dass Projektarbeit und insbesondere ihre Steuerung in einem diskursiv konstituierten, männlich geprägten Feld verortet werde und jene maskulinen Züge positiv verstärkt würden. Management scheine per se ein männlich dominiertes Feld zu sein, dessen maskuline Eigenlogik nicht nur im Alltagsleben gegenwärtig sei, sondern auch im Streben der Arbeit: »This form of masculinity is aggressively competitive, goal driven and instrumental in its pursuit of success« (Kerfoot und Knights 1998: 8). Das instrumentell rationale Gebaren stehe repräsentativ für Männlichkeit. Es verstärke und reproduziere sie durch das Projektmanagement (vgl. Lindgren und Packendorff 2006b: 855 f.). Die interne Konkurrenz der Angestellten erhöhe den Wettbewerb, denn Planung und Durchführung eines Projektes würden die eigenen Erfolgsmöglichkeiten definieren und somit auch den Zugang zu interessanteren Projekten ebnen. Allerdings ist dieser Wettbewerb rationaler und mit größerem Druck gegenüber den Kolleg_innen zu führen (vgl. ebd.: 856). Dies treibe eine Spirale sukzessiver Intensivierung männlicher Logiken an. Zweiter Pol: Soft Skills spielen in Projekten eine wichtige Rolle. Sie werden oft feminin gelesen. Hierzu gehören unter anderem Teamkoordination, Kommunikation, Konfliktlösung und Kreativität. Verhängnisvoll sei dabei gerade, dass Frauen soziale und technische Kompetenzen abverlangt würden. In beiden müssten sie sich entsprechend bewähren. Männern hingegen werde tendenziell nur Technikkompetenz abverlangt. Da Projekte allerdings immer noch tayloristisch geprägt seien und wenig Abstimmung benötigen würden, seien maskulin geprägte hard skills weiterhin dominant (vgl. ebd.: 857 f.). ›Weiche Arbeit‹ habe mit einem gravierenden Anerkennungsproblem zu kämpfen, denn »important feminine work activity such as team building and conflict resolution are rendered ›non-work‹« (Buckle und Thomas 2003: 434). Ein zentrales Anliegen feministischer Arbeitskritik ist es, die Dequalifizierung, Delegitimierung und Entwertung geschlechterspezifischer Arbeitsteilung zu demaskieren und zu revidieren. Für Projekte bedeutet dies im Besonderen, ein Auge auf die ›Care-Arbeit‹ in Vorhaben zu werfen, welche reproduktiv wirkt. Diese Argumentation lässt sich auch in der semantischen Relation von Projektmanagementschlagwörtern

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verdeutlichen. Sie werden implizit mit kognitiven Geschlechtervorstellungen und Rollenerwartungen aufgeladen. Exemplarisch rekonstruieren Buckle und Thomas diese aus dem PMBOK (P ROJECT M ANAGEMENT B ODY O F K NOWLEDGE) des Project Management Institute (PMI 2013).11 Projektkarrieren werden im Kontext individualisierter Risiken, wie ich sie weiter oben bereits mit Rosalind Gill (2002) beschrieben habe, untersucht. Hier konstatiert die Autorin einen verhängnisvollen Verblendungszusammenhang, der strukturelle Ungleichheiten des Zugangs zum und im Bestehens am Arbeitsmarkt verschleiere.12 Individualisierte Risiken seien vordergründige Argumente, die die informellen Beziehungen bei der Stellenvergabe verdecken: »The increasing prevalence of this kind of practice [of hiring by informal connections or recommendation; Y. K.] for hiring staff or issuing contracts raises grave concerns for equal opportunities – concerns that are extremely difficult to contest or even discuss, because of the lack of transparency in the process. It challenges new media’s view of itself as both meritocratic and egalitarian because contracts are bestowed on the basis of informal connections or personal recommendations rather than on the result of open competition« (ebd.: 83).

Mangelnde Vernetzung mit potenziellen Arbeitgeber_innen ist den Akteuren als individualisiertes Risiko selbst zuzuschreiben; auch wenn hierdurch strukturelle Zugangsbarrieren verschleiert werden. Eine nähere Erläuterung, inwieweit diese These mit den Befunden zu geschlechtsspezifischen Ungleichheiten zusammenhängt, bleibt die Autorin allerdings schuldig. Sie eröffnet lediglich ein weiteres Problem, welches durch die individualisierte Risikozuschreibung persistiert: Eben durch Überblendung dieser strukturellen Probleme liefere Informalität eine vordergründige Entschuldigung für die Reproduktion von Ungleichheit, die aber als solche nicht wahrgenommenen werde. Insbesondere gelte dies für Erlebnisse des Scheiterns und auch für 11 | Beispielsweise werden für maskuline Konstrukte Begriffe wie »[. . .] Conflict, [. . .] Control, Correct, Efficiency, Efficient, Execute, Expectation, Formalize, [. . .] Logic [. . .]« usw. benannt; für feminine unter anderem »Affect, Care, Connect, Consider, Coordinate, Devote, Discover, [. . .] Informal, Lead, Link, [. . .] Relationship, Respond, [. . .]« (Tabelle 1 in Buckle und Thomas 2003: 435). 12 | Carina Altreiter arbeitet beispielsweise sehr prägnant heraus, welche impliziten und expliziten Erwartungen an Frauen in Karriereratgebern herangetragen werden. Ihr Fazit lässt sich auch auf Projektmanagement übertragen. »Die implizite Botschaft der Autorinnen, Karriere sei unter dem Einsatz weiblicher Stärken mach- und steuerbar, reduziert die Frage von Verteilung und Zugang zu Macht auf persönliche Dispositionen und negiert dabei die anhaltende Wirkung von patriarchalen Machtstrukturen und struktureller Diskriminierung in der Gesellschaft, insbesondere am Arbeitsplatz« (Altreiter 2011: 66).

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Diskriminierungserfahrungen, die als Zufälligkeiten oder eigenes Versagen gedeutet werden (vgl. ebd.: 85). Gill bezeichnet dies als »›post-feminist problem‹« (ebd.: 84), welches nicht nur die Forschung vor Herausforderungen stelle, sondern auch die Akteure im Feld. 3.2.3 Kritische Würdigung Neue Formen der Erwerbsarbeit sind mit den Schlagwörtern Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung beschrieben worden. Die instrumentellen oder emanzipativen Zugriffe auf Erwerbsarbeit erstrecken sich auf den Menschen in seiner Subjektivität. Das heißt, individuelle Kreativität und Eigeninitiative fließen – als Rationalisierungspotenzial oder als Freiraum – in den Arbeitsprozess, ein, aus dem sie zuvor konsequent ausgeschlossen wurden. Für die Steuerung und Kontrolle von Projekten bedeutet dies, dass die Angestellten einen Großteil der strukturierenden Arbeit verrichten und dadurch das vielfach beschworene Paradigma der Selbstorganisation aktiv einfordern. So deutlich die vielfachen Implikationen hieraus formuliert worden sind, so oberflächlich bleiben die Untersuchungen oftmals in der Ausdeutung transformierter Arbeitsverhältnisse und fallen hinter die konzeptionellen Formulierungen zurück. Was de facto in der konkreten Arbeitssituation passiert, bleibt zu weiten Teilen ungeklärt und wird durch den Befund zunehmender Selbstorganisation maskiert. Die Studien zu Projektarbeit verdeutlichen zwei Punkte. Erstens: Die Themen sind heterogen. Projekte werden häufig als exemplarisches Muster einer ›neuen Arbeitswelt‹ herangezogen, um ihre inhärenten Ambivalenzen zu beleuchten. Zweitens: Das Forschungsfeld ist eher begrenzt und konzentriert sich auf die gängigen Themen der Arbeitssoziologie. Die Untersuchungen stammen aus einem heterogenen akademischen Feld, das durch Arbeitswissenschaften geprägt ist, auch Managementsoziologie beinhaltet und Critical Management Studies mit abdeckt, welche zum Teil an Business Schools angesiedelt sind. Es fällt auf, dass einige Studien von Organisationssoziolog_innen stammen (vgl. Sydow und Staber 2002; Windeler, Lutz und Wirth 2000; Windeler, Wirth und Sydow 2001). Dies kann unter anderem damit erklärt werden, dass der Fokus dieser Untersuchungen auf zwischenbetrieblichen Netzwerken liegt, die Projekte sowie Arbeitsmärkte strukturieren. Thematisch decken die vorhandenen Studien ein umfassendes Feld ab und machen das Unbehagen gegenüber dieser neuen Arbeitsform sichtbar. Vor allem die ›Entzauberung‹ der Autonomiegewinne der Akteure bestätigt die Vermutung, dass mit neuen Arbeitsverhältnissen auch neue Macht- und Zwangsmechanismen einhergehen. Diese bestehen in einem Antagonismus zwischen alten, bürokratischen und neuen, autonomen und selbstverantwortlichen Prinzipien. Sie reproduzieren Struktu-

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ren des Zwangs, der Disziplin und der Kontrolle (vgl. Kalkowski und Mickler 2002; Lindgren und Packendorff 2006a). Damit zeigt sich zweierlei: erstens die institutionalisierte Vermachtung der Personenführung und -kontrolle in Projekten, die mit bürokratischen Mitteln objektiviert und diszipliniert; zweitens die Beeinflussung des Handelns, welche durch verschiedene ›ideologisierte‹ Steuerungsapparate einerseits die Professionalität der Akteure anruft, andererseits ihre Verhaltensweisen durch einen Code of Conduct des Projektmanagements genauestens festlegt. Die Angestellten sehen diesen als Diskurswahrheit an und unterwerfen sich hegemonialen Strategien, die Sagbarkeiten, Sichtbarkeiten und Denkweisen erzeugen und somit Arbeit mit einem Idealbild versehen. Gendertheoretische Studien befassen sich meines Erachtens zu sehr mit einer Analyse geschlechtsspezifischer Arbeit und laufen dem eigentlichen Anliegen der Gender Studies zuwider. Dieses besteht eben nicht (nur) darin, geschlechtsspezifische Konnotationen von Arbeits- und Führungsstilen zu rekonstruieren. Vielmehr sollen die Hintergründe für die soziale Festschreibung solcher ›Rollenklischees‹ dekonstruiert werden. Damit werden die innewohnenden Logiken geschlechterspezifischer Codierungen freigelegt und ein klarerer Blick auf die Reproduktion dieser Ungleichheiten möglich. Die Anerkennungsfrage ›weicher Arbeit‹ bleibt allerdings ein bedeutsames Thema, denn in koordinierender und kommunikativer Aushandlung kommt ihr eine bedeutende Stellung in der Praxis zu. Diese spezifischen Erkenntnisse über Projektarbeit zeigen einige Leerstellen auf. Kommen zudem noch die Untersuchungen zur Transformation von Erwerbsarbeit hinzu, ist eine spannungsgeladene Dynamik veränderter Grundlagen von Arbeit erkennbar. Die zunehmenden individuellen Freiheitsgrade – aufgrund der Verantwortungsverlagerung zu den Angestellten – werden durch neue Steuerungsmechanismen sichergestellt. Klaus Dörres Entschlüsselung der Vermarktlichung von Arbeitsbeziehungen als »Anonymisierung von Herrschaft« (Dörre 2003: 18) ist ein struktureller Befund, welcher nicht nur auf Vermarktlichung anzuwenden wäre, sondern auch auf andere Eigenschaften der Projektarbeit und -organisation. Es besteht allerdings kein explizit antagonistisches Verhältnis der Arbeitsbeziehungen mehr. Neue Freiheiten werden durch subtilere Zwangsmechanismen abgesichert. Diese strukturelle Relation der Arbeit ist kaum mehr dialektisch geprägt: Die Zielsteuerung internalisiert das Transformationsproblem von Arbeit, die Subjektivierung erzeugt Identifikation mit der eigenen Tätigkeit, die Entgrenzung dehnt den Bezug der Arbeit über den alten Maßstab der Fabrik über den Betrieb und die bis er sich schließlich auf das gesamte Leben erstreckt. Durch die revidierte dialektische Beziehung wird die Herrschaftsbeziehung im Projekt verschleiert und anonymisiert. Um dieses Argument ernst zu nehmen, muss allerdings – und das ist ein weiterer Kritikpunkt – ein erweiterter Be-

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zug zur Strukturgenese der Organisation hergestellt werden. Diese muss meines Erachtens (und in Teilen der macht- und herrschaftstheoretischen Untersuchungen ist dies erkennbar) insbesondere auch organisationssoziologisch als Tätigkeit interpretiert werden.

3.3 O RGANISATIONSSOZIOLOGISCHE U NTERSUCHUNGEN Organisationstheoretische Auseinandersetzungen mit Projekten finden in einem heterogenen Rahmen statt und behandeln homogene thematische Bezüge. Dies liegt insbesondere an der großen Schnittmenge, die verschiedene akademische Gebiete mit Organisationstheorien haben. Sie sind Gegenstand der Soziologie, der Betriebswirtschaftslehre, der Wirtschaftswissenschaften und der Curricula von Business Schools. Publikationsorgane sind fächerübergreifend aufgestellt, sodass die folgende Literatursichtung alle Richtungen einschließt. Die thematische Auseinandersetzung mit Projektorganisationen vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen und befasst sich kritisch mit Zweck-Mittel-Relationen, die Projekt als ›Werkzeug‹ begreifen. Organisationstheoretische Betrachtungen arbeiten sich an den Rationalitätsprämissen ab, welche die zweckmäßige, rationale Beschaffenheit von Organisationen suggerieren. Der Organisationsbegriff selbst stellt umkämpftes Terrain dar. In einschlägigen Lehrbüchern werden Organisationen definiert als »soziale Gebilde, die [. . .] dauerhaft ein Ziel verfolgen und [. . .] eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe die Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel gerichtet werden sollen« (Kieser und Walgenbach 2007: 6). Neben dieser statischen Vorstellung von Organisation hat sich ein Diskurs entwickelt, welcher die performative Entstehung von Organisation betont. In diesem Spannungsfeld beginnt die Annäherung an Projekte. 3.3.1 Statische und prozessuale Organisationstheorien Der eingangs skizzierte Wandel von Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft transformiert auch organisationale Kontexte. Unter dem Eindruck tief greifender Veränderungen versuchen Organisationstheorien, diese strukturellen Dynamiken zu erfassen und die postmoderne Organisation (vgl. Clegg 1990; Parker 1992) neu zu erforschen. Darüber hinaus verschiebt sich durch pragmatistische oder poststrukturalistische Theorieangebote der epistemische Rahmen. Der Übergang vom statischen zum prozessorientierten Organisationsdenken verändert die ontologische Sichtweise auf Organisation vom ›Sein‹ (ontology of being) zum ›Werden‹ (ontology of becoming) der Organisation (vgl. Hernes 2008: xviii ff.; Chia 1996: 32 f.). Letzteres wird durch eine »ontology

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of movement, emergence and becoming« eingeholt, welche »emergent relational interactions and patternings« (Chia 1996: 117, ohne Hervorhebungen) betrachtet. Traditionelle Organisationstheorien beginnen bei Max Weber. Weiter oben wurde bereits kurz seine Bürokratietheorie im Zusammenhang mit Projekten erwähnt. Weber spricht im Kontext der Moderne von einem Übergang der Formen legitimer Herrschaft zu jenen rationalen Formen, die sich nicht auf Charisma oder auf Tradition berufen, sondern durch Verfahren legitimiert werden. »Die Bürokratie ist ›rationalen‹ Charakters: Regel, Zweck, Mittel, ›sachliche‹ Unpersönlichkeit beherrschen ihr Gebaren« (Weber 1922/1980: 578). Sachliche Unpersönlichkeit soll hier bedeuten: »ohne Ansehen der Person« (Weber 1922/1980: 562; auch Weber 1922/1988b: 476) nach dem Ideal »›sine ira et studio‹«13 (Weber 1922/1988b: 476). Bürokratie verinnerlicht eine Rationalität, die durch formelle Hierarchie und formelle Kommunikationswege gekennzeichnet ist, klare Zuständigkeiten festlegt und Verwaltungsakte verschriftlicht. Ihre Funktionsweisen sind Zurechenbarkeit, Sichtbarkeit und Vorhersagbarkeit. Sie sind die Grundpfeiler rationaler Verwaltung, deren lebensweltliche Durchdringung Weber als »geronnene[n] Geist« einer »lebende[n] Maschine« kritisiert, durch welche sich ein »Gehäuse jener Hörigkeit« über die Menschen legt, wenn »eine rationale Beamtenverwaltung und -versorgung der letzte und einzige Wert« ist (Weber 1918/1988a: 332, ohne Hervorhebungen).14 Prägend für dieses Organisationsverständnis ist die Beschreibung fester, formeller Strukturen. Abseits davon bleibt der Blick für informelle Schattenstrukturen verstellt. Die Entwicklung der Organisationstheorien arbeitet sich an dieser Funktionsweise von Bürokratien ab. Rationalitätskritische Positionen, die beispielsweise von Horkheimers und Adornos Dialektik der Aufklärung (1969/1988) inspiriert sind, und Kritiken rein struktureller Perspektiven, welche das Eigenleben und den Eigensinn der involvierten Akteure ignorieren würden, problematisieren eine strikte Funktionalitätsorientierung. Nicht erst im Zuge der eingangs beschriebenen Restrukturierungsmaßnahmen verlagert sich das Interesse auf informelle Strukturen. Insbesondere informelle Machtbeziehungen, die parallel zu formellen Hierarchiestrukturen existieren, gelangen in den Fokus. Es existieren viele Ausgangspunkte, von denen ausgehend die auf eine Analyse dieser Herrschafts- und Machtstrukturen in Organisationen hingearbeitet werden kann.

13 | »Ohne Zorn und Eifer«. 14 | Webers vielleicht bekannteste Äußerung über das ›stahlharte Gehäuse der Hörigkeit‹ findet sich so in seinem Werk nicht. In seinen Abhandlungen zu Askese und kapitalistischem Geist formuliert er die Wandlung der Welt durch diese Askese in ein »stahlhartes Gehäuse« (Weber 1905/1947: 203), welches sich auch im entstehenden Berufsethos moderner Gesellschaft zeige.

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Die Kritik an der vorherrschenden Rationalitätsfixierung der Organisationstheorie wird durch Luhmann (2000) umgangen, indem er Organisationen als autopoietische Systeme begreift. Hierdurch bricht er die Strukturfixierung der Organisationstheorie auf und widmet sich den Prozessen und Praktiken innerhalb von Organisationen. Die selbsterhaltende Operation sei die Herstellung von Anschlussfähigkeit an Entscheidungen. In Entscheidungsprozessen wird Unsicherheit behandelt, die in jeder konkreten Situation ein Eingreifen verlangt (vgl. Neumer 2012). Der Clou liegt im Abschied von der Rationalitätsprämisse: Die Operation, Entscheidungen zu treffen, ist keine notwendige Voraussetzung für Organisationen, da Entscheidungen per se paradox sind. Sie verweisen stets auf ein Dilemma: Entschieden werden kann nur, wenn alle Informationen vorliegen – damit wäre eine Entscheidung allerdings keine Entscheidung mehr, denn die optimale Wahl stünde bereits fest. Organisationen müssen daher Verfahren finden, um dieses Paradox aufzulösen. Poststrukturalistische Interpretationen destabilisieren das Bild von Organisationen zusätzlich, indem sie die Unmöglichkeit und Unabschließbarkeit stabil bleibender Ordnungsaushandlungen betonen. In den Vordergrund rückt somit die Organisation als fragiles soziales Konstrukt, dessen Bestehen per se prekär sei und immer wieder performativ hergestellt werden müsse (vgl. Cooper 1990). Um diesen Zustand der andauernden (De-)Stabilisierung zu untersuchen, sei ein Paradigmenwechsel zu vollziehen: »It becomes a question of analyzing, let us say, the production of organization rather than the organization of production« (Cooper und Burrell 1988: 106). Die Kritik richtet sich gegen die Grundannahmen klassischer Organisationstheorien wie Rationalität, Eindeutigkeit, Zielorientierung sowie Vorhersehbarkeit und Planbarkeit. »Anstelle einer einfachen Umkehrung der Terme geht es um die Erkundung der durch die genannten Begriffe und Gegenbegriffe bezeichneten Spannungsverhältnisse. Aus poststrukturalistischer Sicht handelt es sich bei Institutionen und Organisationen um paradoxe Ordnungen, deren Bemühen um die Herstellung von Eindeutigkeit, Stabilität und Berechenbarkeit prekär bleibt, stets neue Mehrdeutigkeiten und Unentscheidbarkeiten hervorbringt« (Kneer 2008: 125, eigene Hervorhebungen).

Der Werdensprozess sozialer Ordnung ist nicht vollends plan- und gestaltbar und nicht zwingend zielgerichtet. Nicht das Ergebnis der Strukturierung ist relevant – denn es ist kontingent und unsicher –, sondern der Prozess der Strukturierung. »Das Wort Organisation ist ein Substantiv, und es ist außerdem ein Mythos« (Weick 1995a: 129). Für Weick und viele durch ihn inspirierte Arbeiten bedeutet dies, auf die Tätigkeiten zu achten, welche sie hervorbringen. Als Verb bedeutet Organisieren die Tätigkeit, welche Organisationen konstituiert. Organisation ist in diesem Sinne ein Tun-Wort:

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»For us ›organization‹ refers not to a fixed entity – a corporation, a university, a hospital – but rather to the process through which human beings pattern or institutionalize their activities in order to achieve a fairly stable state of affairs. Thus we understand organization as a verb, the act of structuring, ordering, dividing things and people to produce order, rather than a noun – the state of being organized« (Parker, Fournier und Reedy 2007: ix).

Aus der skizzierten Diskussion lässt sich ein veränderter Blick auf Organisationen und auch auf Projekte gewinnen. Aktive Herstellung und Veränderung der Strukturen erfolgen in einem sozialen Kontext, welcher diskursiv und praktisch geprägt ist. Organisation wird somit zum Begriff einer (kollektiv) ausgehandelten vorläufigen Verfestigung. Dies geschieht nicht zwingend widerspruchsfrei oder konfliktlos. 3.3.2 Projektarbeit aus organisationssoziologischer Sicht Ebenso wie arbeitssoziologische Untersuchungen sind organisationstheoretische Arbeiten zu Projekten thematisch breit gefächert und beziehen sich auf heterogene Fragestellungen und Themengebiete. Beinahe allen ist allerdings gemein, dass sie sich vorrangig an dem Ziel abarbeiten, instrumentelle Sichtweisen auf Projekte zu hinterfragen. Die Argumentationen basieren darauf, dass Projektmanagement und Projekte nicht rein technizistisch-rational ›funktionieren‹, sondern von einer Vielzahl von Faktoren, angefangen bei politischen, sozialen, menschlichen Einflüssen, beeinflusst werden. Organisation muss daher – in Anlehnung an das poststrukturalistische Postulat – aktiv hervorgebracht und stabilisiert werden. Darüber hinaus wird stellenweise eine gesellschaftstheoretische Verbindung hergestellt, welche die weitreichende Ausbreitung der Projekte als gesellschaftliche Organisationsform thematisiert. Projektifizierung der Organisation: Projektförmig organisierte Aufgaben nehmen zu und der Bedarf an befristeten, ergebnisorientierten Strukturen steigt. SahlinAndersson und Söderholm (2002: 17) konstatieren ein »mushrooming of projects«. Ähnlich der Arbeit werden Organisationen ›projektifiziert‹. Dieser Prozess, welcher Organisationen sowie Gesellschaften betrifft, kann folgendermaßen definiert werden: »›a change in organisational and governance structure to increase the primacy of the processes of projects within a central organization and its supply networks‹. Societal projectification is where this change extends beyond the boundaries of the workplace« (Maylor et al. 2006: 666).

Die Projektrhetorik, die sich in der Gesellschaft etabliert hat, bringt Projekte im Überfluss hervor; »Projects abound« (Sahlin-Andersson und Söderholm 2002: 14). In dieser Untersuchung habe ich die Projektlogik daher einleitend als Transforma-

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tionsdiagnose herangezogen (vgl. Kalff 2016). Die projektifizierte Gesellschaft und die projektifizierte Organisation bleiben Fluchtpunkte einer Entwicklung und sind eher heuristischer Natur (vgl. Lundin und Söderholm 1998: 16 f.). Für den gesellschaftlichen und organisationalen Wandel sind die besonderen Wechselwirkungen zwischen Projekten und Organisationen wichtig. Ein Vorhaben ist zwar durch die eigenständige Planung und Durchführung vom Rest des Konzerns gelöst, allerdings ist es kontextuell eingelassen in Diskurse zeitgenössischer Organisationsformen, die ein Ordnungsdenken des »neo industrial organising« (Ekstedt et al. 1999) generieren. Hier verdeutlicht sich, dass die Projektifizierung eine Spannung zwischen permanenten und befristeten Organisationsstrukturen erzeugt, welche weiter unten noch einmal systematisch diskutiert wird (vgl. ebd.: 5). Neo-institutionalistische Ansätze erklären die Ausbreitung projektförmiger Organisationen durch die Diffusion und Verbreitung von Wissensbeständen. Unternehmenserfolge, die sich auf Projektmanagement und die Organisation durch Projekte zurückführen lassen, werden zu Musterbeispielen, an denen sich andere Unternehmen orientieren. Zusätzlich zur Professionalisierung der Projektmanagementausbildung werden Standards gesetzt und Anforderungen gestellt, die von den Beteiligten eingehalten werden müssen (vgl. Thomas 2006). Projekte sind anschlussfähige Narrative, die als Rationalitätsmythen in die organisationale Praxis eingehen. Projektifizierung ist ein Wandel, welcher die Vorstellung von rationaler und erfolgversprechender Organisation verändert. In Unternehmen beschreibt er im Kontext organisationstheoretischer Überlegungen allerdings nicht die Umgestaltung der Arbeitsorganisation. Der Begriff Projektifizierung versucht vielmehr, die organisationalen Veränderungen zu erfassen, die mit diesem Wandel einhergehen (vgl. Maylor et al. 2006: 663). Die Transformation von bürokratisch-funktionalen zu Matrixorganisationen kombiniert stabile vertikale mit flexiblen projekt- beziehungsweise produktorientierten horizontalen Strukturen (vgl. Galbraith 1971; Hobday 2000: 874 ff.; Minssen 2006: 132 ff.). Der Wandel erfasst eine Vielzahl organisationaler Zusammenhänge: Neben der erweiterten Nutzung von Projektstrukturen wird die Hierarchielinie ›entmachtet‹, indem die Balance zu den Projektleiter_innen verschoben wird. Vertikale Kommunikation wird zu horizontaler, Projektmethodologien werden zum Standard (siehe Kapitel 3.3.2). Kompetenzen sind spezifischer auf Projekte zugeschnitten und erfordern Kenntnisse in Planung, Ressourcenzuteilung sowie Ausführung von Vorhaben (vgl. Maylor et al. 2006: 666, Tabelle 1). In einer Fallstudie beschreibt Christophe Midler (1995) die »Projektifizierung« des Unternehmens Renault seit den 1960er Jahren. Vier Phasen kennzeichnen die Transformation einer derart auf starren Strukturen und Arbeitsteilung basierenden bürokratischen Organisation: In der ersten Phase existieren noch jene Strukturen für eine

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wenig diversifizierte und stark standardisierte Produktpalette. Als in den 1970er Jahren die Qualität und Quantität der angebotenen Produkte zu steigen begann, habe sie sich jedoch als ungenügend erwiesen (vgl. Midler 1995: 364 f.). In der zweiten Phase sei eine zentralisierte Projektkoordination eingeführt worden, die horizontal in die bestehenden vertikalen Strukturen ›einschnitt‹. Der Projektleitung sei allerdings kaum Entscheidungsbefugnis zugestanden worden. Die Veränderungen hätten ausschließlich die oberen Führungsebenen betroffen, um die Projekte auf die Organisationsziele hin auszurichten. »[T]his phase was oriented towards implementation of the standard project management tools: planning, budgeting and the ROI [Return On Investment; Y. K.] criterion« (ebd.: 365). Ein differenzierteres Koordinationssystem für Renaults Projekte entstand in den 1980er Jahren und erfasste die klassischen Kerngrößen eines Projektes: Zeit, Qualität und Kosten. In der dritten Phase Ende der 1980er Jahre sei es zu einer Autonomisierung der Projekte gekommen, die durch akute Krisen auf dem Automobilmarkt ausgelöst wurde. Hintergrund der ›Bemächtigung‹ durch Projekte war die Stabilisierung der finanziellen Situation. Dazu wurden Kurzfristigkeit und Kreativität gefördert. Diese ›Bemächtigung‹ stamme allerdings nicht aus der formellen Organisation der Projekte oder aus Methodologien, sondern allein aus der unabhängigen Position und den Befugnissen des Projektmanagements. Im Gegensatz zu früheren Organigrammen stellt Midler diese dritte Phase als Erweiterung der Einflusssphäre des Projektleiters, über die Grenzen des Unternehmens hinaus, dar (vgl. ebd.: 365 f.). Neben der Formalisierung vormals informeller Organisationsstrukturen wird die Zeitlichkeit15 der Unternehmensorganisation verändert: Das Zusammenspiel der einzelnen Einheiten bezieht sich auf einen eigenen zeitlichen Rahmen des Projektes (vgl. ebd.: 367 ff.). Die vierte Phase folgt auf die Implementierung der Projektsteuerung und sei weniger auf deren weitere Verfeinerung ausgelegt als auf die Einrichtung von Lernmechanismen und das Übertragen auf Zulieferbetriebe (vgl. ebd.: 371). In der Arbeit Midlers wird ersichtlich, dass Projektifizierung Zeitkontexte der Organisationen umgestaltet. Projektorganisation ist zeitlich befristet. Eingangs wurde erwähnt, dass gerade die aufgabenzentrierte und befristete Art der Projekte ihre wachsende Bedeutung erkläre. Wichtig ist allerdings ebenfalls der Hintergrund für eine individuelle Perspektive auf Projekte: »[I]f you scrutinise the more recent driving forces behind projectification, you might find that the project form of work fits the

15 | Zeitlichkeit meint das Dasein in der Zeit. Für Organisation bedeutet dies vor allem, dass Zeit Einfluss auf ihre Konstitution nimmt. Organisation ist somit nicht atemporal oder ahistorisch, sondern in den Fluss der Zeit eingebunden. Dies zeigt sich auch in der angesprochenen Unterscheidung zwischen der Ontologie des being und becoming, welche eine prozessuale Organisationssoziologie auszeichnet.

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way that modern people tend to think about themselves and about their life views« (Lundin und Söderholm 1998: 22). Flexibilität durch Befristung stellt einen der wesentlichen Triebkräfte der Projektifizierung dar. Projekte als befristete Organisation: Ein zentraler Bestandteil der Projektdefinition ist die Befristung. Im Gegensatz zu klassischen Organisationen ist das Vorhaben limitiert. Zusammenhänge zwischen permanenten und temporären Organisationen erzeugen konzeptionelle Spannungen. An diesem Problem setzen Studien von Lundin und Söderholm (1995) und Packendorff (1995) an. Kerngedanke ist, dass die Betrachtung befristeter Strukturen eines anderen theoretischen Fundaments bedürfe, als es von etablierten Organisationstheorien angeboten werde. Deswegen verabschieden sich Lundin und Söderholm von entscheidungstheoretischen Ansätzen und betrachten Handlungen (vgl. Lundin und Söderholm 1995: 438). Sie erscheinen den Autoren besser geeignet, um temporäre Organisationen rationalitätskritisch zu analysieren. Die Abkehr von Entscheidungsmodellen erlaube einen pragmatischeren Zugang, durch welchen Entscheidungen den Handlungen nachgeordnet werden können. Beide müssen sich daher nicht allein aus rationalen Begründungen speisen. Es ist ersichtlich, dass die temporäre Organisation als theoretische Figur nicht allein auf eine zeitliche Ebene reduziert werden kann. Vielmehr, so argumentieren, sind vier Abgrenzungen zwischen befristeter Organisation und ihrer Umwelt notwendig: »time, task, team and transition« (ebd.: 439). Organisationen, deren Bestehen als unbefristet angenommen wird, haben einen anderen zeitlichen Verfahrensmechanismus. »For a temporary organization the handling of time is more complicated, since their time is literally limited: it ends. [. . .] For firms whose future is perceived as eternal, the future will naturally continue to be seen as eternity: the result of subtracting any finite number from infinity always leaves infinity. For the temporary organization, on the other hand, time is always running out« (ebd.: 439).

In der Regel komme es zu einer engen Verschränkung permanenter und temporärer Organisationen (vgl. Anell und Wilson 2002). Befristete Strukturen seien durch Handlungen geprägt, deren Kern Aufgaben darstellen, die den Daseinsgrund des Projekts liefern. Anders als Ziele, die Gegenstände von Entscheidungen sind und die Organisation definieren, würden Aufgaben der befristeten Organisation Sinn geben (vgl. Lundin und Söderholm 1995: 440 f.). Das Team konstituiere sich zeitlich gebunden um diese Aufgabe. Transition (Übergang) folgt einerseits einer sachlichen Bearbeitung der Aufgabe, die sich von einem Zustand des »vorher« zu einem des »nachher« (ebd.: 443) bewegt: »Setting up a project implies starting anew, virtually without restrictions imposed by the past or the future« (Lundin 1995: 315). Andererseits umschreibt

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Transition kausale Beziehungen und Vorgänge, die nötig sind, um Ergebnisse zu erzeugen. Sie sind perspektivisch und kontingent (vgl. Lundin und Söderholm 1995: 443 f.). Parallel zum Lebenszyklus eines Projekts (Konzeptualisierung, Entwicklung, Implementierung und Terminierung) könne eine sequenzielle Abwicklung des Projektes beobachtet werden. Jede Stufe des Lebenszyklus bringt eine eigene, auf die vier Variablen rekurrierende Handlungskette hervor. Durch die Analyse dieser Ketten lassen sich die Handlungsbedingungen sowie die faktischen Handlungen der Akteure losgelöst von der restlichen Organisation deuten. Anell und Wilson (2002) kritisieren die scharfe Trennung zwischen permanenter und befristeter Organisation. Wie sie gerade bei Lundin und Söderholm als systemische Abgrenzung begriffen wurde, ließe sie sich nicht artikulieren, denn beide Sphären seien dichter und verwobener als es scheine. Daher fragen Anell und Wilson: »So when did the permanent organization and the project organization develop into separate categories, making it worthwhile to study projects in their own right« (ebd.: 172)? Verwunderung macht sich breit, dass stabile und standardisierte Unternehmen zunehmend einzigartige Vorhaben durchführen, Projekte hingegen immer mehr Routineaufgaben übernehmen würden. Angesichts der kontextuellen Beziehung von Organisation und Projekt lässt sich dieser Sachverhalt besser verstehen: »The functional organization is set up to maintain a flow of similar and repetitive activities for the foreseeable future. Based on this perspective, projects are believed to be more appropriate for change, flexibility, and action orientation than are functional organizations. Functional organizations, on the other hand, are supposed to guarantee stability, maintenance of core values, and long-term development« (Sahlin-Andersson und Söderholm 2002: 20).

Langfristige Organisationen erzeugen erst die notwendige Stabilität für kurze Projekte und garantieren personalpolitisch, exekutiv und auch in Bezug auf Ressourcen ein Mindestmaß an Sicherheit. Die Verbindung von Organisation und Projekt, die hier weit über die zeitliche Dimension hinausgeht, wird auch als Einbettung aufgegriffen. Insofern zielt die Kritik von Anell und Wilson (2002) auf die erneute Vereinseitigung der Projekttheorie ab. Ähnlich formuliert Midler: »The relationship between temporary and permanent organizations is classically analyzed in a ›zero sum game‹ frame. The question is to find a good compromise between the autonomy of the temporary organization and control via the permanent logics of the firm« (Midler 1995: 374).

Was hier durchschimmert, ist wiederum das klassische Problem der Projektifizierung der Organisation, die durch das Kreuzen von Linienhierarchien Konfliktpotenzial

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schafft. Diese Faktoren und Handlungsketten seien im Wesentlichen eine praktische, an standardisierte Programme wie das PMBOK geknüpfte Theoretisierung. Ihr Geltungsanspruch ergebe sich aus praktischen Erfahrungen und baue auf einem rationalen Organisationskonzept auf, analysiere jedoch nicht die dynamischen Effekte der Einbettung (vgl. Lundin und Söderholm 1995). Eine weitere kritische Position beleuchtet das Problem aus einer anderen Perspektive, knüpft allerdings dennoch an Anell und Wilson an. Johann Packendorff (1995) kritisiert an der vorherrschenden Betrachtungsweise zentrale Grundlagen: Projektmanagement werde als Einheitstheorie begriffen, deren Anwendung vom Gegenstand unabhängig sei (beispielsweise der Bau eines Kraftwerks, die Entwicklung eines Telekommunikationsstandards etc.). »[P]roject management has become a generic concept [. . .], an umbrella for all sorts of different disciplines and theories applicable to project work« (ebd.: 324). Die akute Dominanz funktionalistischer Projektmanagementliteratur bringe ein Erkenntnisinteresse hervor, das normative Verfahrensregeln aufstelle. Das Erfahrungswissen der Praktiker_innen, wie Projekte zu handhaben seien, weicht technizistischen und normativen Idealen von Projekten. Dieses Unbehagen wird von Anell und Wilson treffend formuliert: »If one studies projects, it would appear prudent to utilize the definitions that have been developed for this topic« (Anell und Wilson 2002: 186). Projekte als kontingente und plurale Institutionen seien nur unzureichend in der Literatur behandelt worden und würden eine große Lücke offenlassen, die durch die Sichtweise auf Projekte als »Werkzeuge« noch vergrößert werde. Packendorff kritisiert hier eine systemtheoretische, funktionalistische Perspektive auf Projekte, die individuelle Akteure und ihre Motivationen ausblende (vgl. Packendorff 1995: 325 f.). Außerdem werde durch den normativen Blick und die Werkzeugmetapher ein essenzieller Faktor ausgeblendet: Das Projekt selbst sei eine Organisation – und somit ebenfalls im Feld von Rationalitäten und Irrationalitäten verortet. »Projects should be researched in terms of culture, conceptions, relations to the environment, longitudinal processes, etc., rather than simply as goal-fulfilling subsystems whose raison d’être is provided by a decisive and strategically aware super-system. In short: the project is a temporary system« (ebd.: 326, Hervorhebungen im Original).

Eine solche Perspektivenveränderung sei nicht allein das Ergebnis der Analyse von Projektmanagement (Werkzeug), sondern gehe auf die Ausweitung des wissenschaftlichen Blicks der Anwender_innen auf die Kontexte und Relationen zurück. Eine zweite Möglichkeit bestehe darin, das Vorhaben nicht mehr als streng lineare Reihenfolge von Planung, Kontrolle und Evaluation zu betrachten, sondern als reflexiven Prozess, der in einer kontinuierlichen Verknüpfung aus Erwartung, Handlung und Lernen bestehe (vgl. ebd.: 328). Das zentrale Argument ist die Absage an ein linea-

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res Zeitverständnis in Projekten, das sich am Lebenszyklus orientiert. Diesem stellt Packendorff die reflexive Emergenz der Organisation und ihrer Akteure entgegen. Projekte, Organisationen, Interdependenzen: Im vorherigen Abschnitt wurde die Spannung zwischen befristeten Projekten und permanenten Organisationen deutlich. Letztere verfolgen eigene Zielen, haben einen eigenen Wertekosmos und sind funktional beständig. Erst durch sie werden Projekte ermöglicht. Verschiedene Positionen und Interpretationen deuten die Relation zwischen Organisation und den eingebetteten Projekten unterschiedlich, richten ihr Interesse jedoch auf die wechselseitigen Einflüsse, die beide Einheiten aufeinander nehmen. Anell und Wilson betrachten Organisationen als »flows of activities«, die sich in verschiedenen »settings and foci« (Anell und Wilson 2002: 173) bewegen. Diese bewegen sich zwischen Routinen und Einmaligkeit (Projekte) und spannen mit dem Organisationskontext eine Matrix auf, die dauerhafte, flexible bis einmalige Organisationen darstellt. Projekte verorten sich in einem dynamischen, mehrdeutigen Kontext, welcher das Temporäre mit dem Permanenten verknüpft und durch diese Settings ebenfalls geprägt wird. Black Boxes machen diesen Verknüpfungsprozess, welcher Projekte in die Organisation einbettet, unsichtbar, indem sie ihn operativ verschließen und als Schnittstelle fungieren (vgl. Linderoth 2002: 236 ff.). Sahlin-Andersson begreift sie gar als »boundary work« (2002: 244 ff.), die Grenzen zieht: »[P]roject boundary work is an ongoing interpretative and rhetorical activity« (ebd.: 245). In konstruktivistischer Lesart ist die Tätigkeit als Schließungsprozess zu verstehen, welcher die Black Box konstituiert. Gernot Grabher (2002a,b,c, 2004) hat mehrere Studien über das räumliche Zusammenwirken von Projekten der Werbebranche einerseits und Firma, Unternehmensverbünden und persönlichen Netzen andererseits, durchgeführt. Diese Interaktion vollzieht sich in einem Raum, den er empirisch anhand der Londoner Werbebranche untersucht und als ›Projektökologie‹ (»project ecology«) bezeichnet. Die kontextuelle Perspektive auf Projekte wird durch eine Analyse der involvierten Akteure zu einer Typologie verbreitert, die einen systematischen Vergleich in den Dimensionen Team, Unternehmen, epistemische Community und persönliche Netzwerke zulässt (vgl. Grabher 2004: 1506 ff.). Entgegen der These der organisationalen Entgrenzung argumentiert Grabher, dass die operativen Akte an den Grenzen der Unternehmen abgewickelt werden. Auflösungserscheinungen seien daher vielmehr Konfiguration auf einer anderen Ebene, die empirisch nicht erfasst werde. Dies hat Folgen für den Untersuchungsgegenstand: »[P]roject organizing decisively undercuts the integrity of the firm as the basic analytical building block« (Grabher 2002c: 246). Sichtbar wird dieser Vorgang, wenn Grabher darlegt, dass Projekte Netzwerke gestalten und

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sich auf diese beziehen, nicht nur in Personalfragen:16 »Project business, essentially is reputation business« (Grabher 2002b: 208). Die Pluralität, die sich aus den Netzwerken und Verbindungen verschiedener Akteure ergebe, sei ausschlaggebend dafür, dass große Unternehmen nicht mehr als Einzelakteure zu analysieren seien. Die wirtschaftliche Leistung werde von Projekten getragen, welche somit zur grundlegenden Untersuchungseinheit werden müssten (vgl. Grabher 2002c: 256 f.). Dennoch seien Projekte nicht vollkommen unabhängig von ihren Stammorganisationen, denn insbesondere bei Themen wie organisationales Lernen stelle sich deren Befristung als großes Hindernis für die Wissenssicherung heraus. Strukturelle Funktionen der Organisation, beispielsweise Personalentwicklung und Evaluationsprogramme, greifen an diesem Punkt, um Wissen festzuhalten, das in temporären Kontexten nach deren Ende ebenfalls in Vergessenheit geraten würde (vgl. ebd.: 257). Unternehmen bedienen sich semantischer Formen der Wiederholung oder der Rekombination, welche das Unternehmen verorten und eine Prozessphilosophie an die Hand geben (vgl. Grabher 2004: 1496 ff.). Trotzdem sei für die permanente Stammorganisation Lernen strukturell schwerer geworden, denn die Wissensproduktion vollziehe sich nicht mehr innerhalb der eigenen Grenzen (vgl. ebd.: 1493). »[O]rganizational and technical learning increasingly offers opportunities to reap ›economies of recombination‹. These economies accrue from not offering one-off solutions in the strict sense of the word. Rather, they flow from bricolage, the creation of novel combinations of familiar elements and by-products from previous projects« (Grabher 2002a: 1922, Hervorhebungen im Original).

Diese Projekte seien abhängig von permanenten Organisationen und Institutionen (vgl. Grabher 2002b: 211 f.), die ein Interdependenzgeflecht eröffnen: »›Cool‹ projects, indeed, rely on ›boring‹ institutions« (ebd.: 212). Hier sieht der Autor eine Möglichkeit wie Wirtschaftsgeografie zu einer Analyse von Projekten beitragen kann. Sie gehe nämlich über das Kartografieren hinaus und könne relativ ortsungebundene Projekte aus einer institutionellen Perspektive erfassen, um die stützende und fördernde »homebase« (ebd.: 212) zugänglich zu machen. Technische Kommunikationsmechanismen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle und sind Teil der institutionellen Einbettung. »Eine geringe vertragliche Sicherheit, ein potentiell häufiger Partnerwechsel, die Koordination geographisch verteilter Einheiten muss a) durch eine interpersonale Beziehungsorientierung

16 | Dies wurde oben bereits für Contentproduktionsprojekte diskutiert (vgl. Sydow und Staber 2002; Windeler, Lutz und Wirth 2000; Windeler, Wirth und Sydow 2001).

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gewährleistet werden. Die ›richtigen‹ Beziehungen mit den ›richtigen‹ Partnern müssen entwickelt werden. Verfahren der Partnermotivation, der Vertrauensbildung, der Entwicklung einer kollektiven Identität und von Kohäsion sind notwendig. Zum zweiten muss dies b) durch eine flexible Kommunikationsstruktur abgesichert werden. Neue Formen des Ideenaustausches, der Ermöglichung eines aussagekräftigen Feedbacks müssen entwickelt, der Zugang zu gemeinschaftlichen Datenbeständen geregelt und auch die Möglichkeit zu face-to-face Kontakten ermöglicht werden. Die Technik besitzt hierbei eine wichtige, allerdings eher dienende als konstitutive Funktion« (Fuchs 2008: 552).

So fasst Gerhard Fuchs seine Analyse der Konstitution virtueller Unternehmen zusammen, die er als Projektnetzwerke begreift. Trotz der in Wirtschaft und Unternehmen positiv wahrgenommenen neuen Freiheiten, beispielsweise durch moderne Kommunikationsmittel, scheinen die Firmen räumliche Nähe zu schätzen und sich nicht ausschließlich auf die produktivsten, sondern auf die vertrautesten Akteure zu verlassen. Wo »Entbettung« gefordert werde, finde tatsächlich mehr »Einbettung« (ebd.: 546, ohne Hervorhebungen) statt. Mats Engwall (2003) sieht die Umweltbeziehungen der Vorhaben vernachlässigt. Projekte seien analytisch ›Inseln‹: Ihre Kontextualität werde ausgeklammert. So kann Engwalls Kritik ebenfalls als vernachlässigte Einbettung gelesen werden (vgl. Blomquist und Packendorff 1998: 37; Sydow, Lindkvist und DeFillippi 2004). »The dominant unit of analysis is one project at a time, the timeframe is, at maximum, the lifecycle of one individual project, and the dominant level of analysis is the individual project and sometimes the individual PM [Project Manager; Y. K.]. In this perspective, the players and actions of the environment do not appear in their own right, rather through their relationship with the project in question. The historical and organizational contexts of the project are taken for granted, or simply not included in the analysis« (Engwall 2003: 793).

Da in Projekten die Interessen vieler Parteien vereint werden müssen, sei eine Perspektive wichtig, die diese umfassend einfange. Im Sinne der Erfüllung aller Erwartungen in einem Vorhaben gelte es, den Kontext selbst zu managen (vgl. Blomquist und Packendorff 1998: 46). Als historisch abhängige, in organisationale Prozesse eingelassene Entitäten seien Projekte jedoch keine losgelösten, geschlossenen Systeme: »projects have to be conceptualized as contextually-embedded open systems, open in time as well as in ›space‹« (Engwall 2003: 790). Erfahrungswissen überdauere das Projekt, präge die Organisation und zukünftige Projekte (vgl. ebd.: 805). In der bisherigen Forschung habe sich diese Tendenz nicht gezeigt; vielmehr würden Studien die normative Projektmanagementtheorie als Grundlage für deskriptive Beschreibungen unterschiedlicher Projekte heranziehen, die analytisch-konzeptionell als gleich

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betrachtet werden (vgl. ebd.: 791 f.). Daraus resultiere eine »lonely project perspective« (ebd.: 793). In Matrixorganisationen ist eine solche Sichtweise kontraproduktiv, denn die Verknüpfung von Fach- und Linienabteilungen schafft exogene Einflüsse. »If you do not come to the environment, the environment will come to you. And it is most likely to disturb you« (Blomquist und Packendorff 1998: 46). Ordnungserzeugung in Projekten: Temporäre Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine interne Ordnungsstruktur erzeugen. Projektmanagementstrategien stellen Routinen bereit, die – organisationssoziologisch betrachtet – eine normative Ausrichtung haben und präskriptiv als Werkzeuge gegen Unordnung, Chaos und Misslingen angewendet werden sollen (vgl. Engwall 2003; Packendorff 1995). Demgegenüber wird eine multiperspektivische Sichtweise theoretisch und empirisch unterfüttert; ohne dabei auf einer reinen Anwendungsebene zu verharren (vgl. Packendorff 1995: 328). Prozesse der Ordnungserzeugung werden nicht funktional, instrumentell-rational gedeutet, sondern als politische, reflexive und unplanbare Mechanismen interpretiert. Ein theoretischer Ansatz prozesshafter Ordnungsgenese ist die Akteur-NetzwerkTheorie (vgl. Callon 1986; Latour 2005). Sie geht von einer relationalen Verknüpfung menschlicher und nicht-menschlicher Akteure (beispielsweise technische Artefakte) aus. In wechselseitigen Verschränkungen stellen sie das Soziale her. Im Kern sind ›klassisch‹ soziologische Erklärungen paradox, da sie gesellschaftliche Konstruktionen des Sozialen tautologisch auf das Soziale als Erklärung zurückführen. Das Soziale sei jedoch nicht per se vorhanden, sondern werde stetig konstruiert; auch unter Rückgriff auf Natur und Technik, Subjekte und Objekte. »The problem of the social order is replaced by a concern with the plural processes of socio-technical ordering« (Law 1994b: 2). Diese Ordnung gelte es, so Law weiter, als »relational materialism« (ebd.: 23 ff.) zu denken, in dem alle Entitäten reziprok und relational ihre Eigenschaften gewinnen. Molloy und Whittington (2006) untersuchen Reorganisationsprojekte in Unternehmen unter der Prämisse, eine stabile Identität einer sei Organisation unmöglich geworden: Permanenter Wandel habe nicht zuletzt in organisationstheoretischen Konzepten und in der Praxis das stabile einheitliche Bild der Organisation verzerrt. Stattdessen seien die Möglichkeiten zur Bezeichnung der Organisation oder einiger ihrer Teile uneindeutig, unmöglich und prekär geworden: »[R]eorganisation practitioners are involved in simultaneously constructing, stabilising and problematising multiple definitions of what counts as the organisation« (ebd.: 172). Die Aufgabe der Changemanager_innen bestehe darin, Menschen, Dinge, Strukturen oder Prozesse zu selektieren, zu thematisieren und zum Gegenstand ihrer Umstrukturierungsvorgänge zu

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machen. »[C]hange is recognised, identified, known, realised and experienced as and in relation to reorganisation projects« (Molloy und Whittington 2006: 187). Die Relation zu Changevorhaben findet sich im Mechanismus, mit welchem Projekte fünf Unsicherheiten des Sozialen bearbeiten (vgl. Molloy und Whittington 2006: 179 ff.; Latour 2005). Diese Unsicherheiten – Gruppenbildung, Agency, Objekte, Fakten versus Zustände, Zurechenbarkeit und Verantwortung – erzeugen kontingente, mehrdeutige und prekäre Situationen in Umstrukturierungsmaßnahmen. Sie werden in Projekten verhandelt, aufeinander bezogen und generieren kontinuierlich das soziale Netz, in welchem die Restrukturierung stattfindet. Ähnlich lassen sich die Arbeiten von Sahlin-Andersson (2002) und Linderoth (2002) verorten, die an die Akteur-Netzwerk-Theorie anschließen. Kerstin Sahlin-Anderssons Konzept interpretativer Grenzarbeit betont die Grenzziehung als verwobene Ordnungsgenese, die auf Artefakte und soziale Beziehungen gleichermaßen zurückgreift. »Boundary objects may provide informational support but denote no intrinsic meaning. They are, in this sense, empty vessels to be filled with whatever is the preferred local beverage« (Sapsed und Salter 2004: 1519). In Objekten, wie Molloy und Whittington argumentieren, liege ebenso ein Beitrag zur Distinktion von Projekt und Organisation für ihre Grenzerhaltung. Nach Sahlin-Andersson (2002: 259) beziehen sich Objekte auf zeitliche, aufgabenspezifische und institutionelle Faktoren. Gerade artifizielle Objekte, in welche Grenzziehungen eingeschrieben werden, beeinflussen Distinktionsfunktionen. Für Zeiterfassungstechniken und die Grenzziehung durch Fristen hat dies Yakura (2002) gezeigt. Dass sich Projekte allein um Projektpläne herum konstituieren und ordnen würden – ein Projektteam also nur eine ausgeklügelte Struktur präsentieren müsse –, widerlegen Lanzara und Morner (2005) sowie Lindahl (2005). Erstere untersuchen die Konstitution von Open-Source-Software-Projekten, die eine spezielle Form von Organisation darstellen, da sie meistens für sich alleine existieren und nicht über klare und strenge Definitionskriterien, beispielsweise Mitgliedschaftsregeln, verfügen. Dennoch ordnet und organisiert sich das Softwareprojekt anhand der strategischen Nutzung von Artefakten, wie Quellcodes, E-Mail-Verteilerlisten oder Lizenzrechten der Open-Source-Community. Interessant sind die Relationen zwischen Programmierer_innen und dem Quellcode. Sie gliedern ihn und er wirkt selbst ordnend. Versionsnummern geben Hinweise darauf, in welchem Stadium sich das Produkt befindet, wer wann woran gearbeitet hat und was geändert wurde. Historie und Änderungskatalog erzählen die Geschichte des Programms: Sie sind, angelehnt an Anselm Strauss, »narrative histories« einer »negotiated order« (Strauss 1988: 163 f.) und werden durch eine sozio-materielle Dimension erweitert:

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»[T]he code in turn ›talks back‹ through its multiple beta versions, bugs and ever evolving features, thus orienting the programmers’ future contributions through the functionalities and, perhaps more critically, the dysfunctions being inscribed« (Lanzara und Morner 2005: 82).

Archivierte E-Mails halten Entscheidungen und Entwicklungen der Akteure fest und machen sie abrufbar. Das Projekt schreibt sich in mediale Artefakte ein und wird durch sie repräsentiert und strukturiert. »Artifacts and tools connected with agents in complex webs become critical elements in the understanding of collective task accomplishment, coordination and agency processes« (ebd.: 67). In ähnlicher Weise beschreibt Lindahl (2005) den ›Eigensinn‹ einer 250 Tonnen schweren Maschine, die sich aufgrund ihrer materiellen Eigenschaften allen Projektplänen widersetzt. Sie entwickelt ein Eigenleben, um welches herum sich Planung und Steuerung des Projektes konstituieren: »Decisions were seldom based on what could be termed a project rhetoric, but on down-toearth ›needs‹ of particular installations, especially the needs of the 250-ton machines. When pre-established plans and schedules broke down, the machines and their needs pointed out a course of action that ought to be taken, excluding all others« (ebd.: 51).

So sehr die Durchführung dem Projektplan folgen soll, sie ist von den Eigenschaften und ›Interessen‹ der leblosen Materie abhängig. Die Maschine ist im Latour’schen Sinne ein eigenständiger Akteur, denn sie führt eine Änderung herbei; eine Änderung der Pläne. »An ›actor‹ [. . .] is not the source of an action but the moving target of a vast array of entities swarming toward it« (Latour 2005: 46). Alle Handlungsmuster der Projektbeteiligten richten sich auf eine überdimensionierte Maschine: »[I]n speech and in action« (Lindahl 2005: 56) schaffen sie die Strukturen, Fundamente, Träger, Hallen und so weiter. »[T]hese concrete engines constitute an organizing principle alongside the principle of the project; moreover, it seems in many instances to be a more powerful principle than the project one« (ebd.: 65). Linde und Linderoth (2006) interpretieren die Implementierung von IT-Systemen als Übersetzungsvorgang in vier Schritten: Problematisierung, intéressement, enrolment und Mobilisierung (vgl. Callon 1986; Linderoth 2002: 231 ff.). Zunächst ist es für die Projektbeteiligten wichtig, ein Problembewusstsein zu erzeugen, um betroffene Personen für die Veränderungen zu gewinnen. Im zweiten Schritt müssen die Wünsche, Ziele, Eigenschaften und Eigenarten der beteiligten Akteure geklärt und aufeinander abgestimmt werden. »In a project process analysed from a traditional project management perspective identities and roles are rather clearly defined. But the role of technology and especially how it imposes and shapes the roles of other actors is neglected« (Linde und Linderoth 2006: 157).

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Den einzelnen Akteuren müssen entsprechende Rollen zugewiesen werden, die auf die Durchführung des Vorhabens zielen. Bestrebungen und Ziele der Akteure sind dann auf jene des Projekts hin auszurichten; in diesem Falle die Implementierung einer neuen Informationstechnologie. Der letzte Schritt, die Mobilisierung, systematisiert das Beziehungsgeflecht, indem eine Sprecher_in für das Vorhaben auftritt und die ›Vision‹ des organisationalen Wandels repräsentiert und verteidigt. Hier liegt oftmals das Problem, denn die Projektleitung kann nicht immer alle Bedürfnisse der Außenstehenden einfangen und vertreten (vgl. Linde und Linderoth 2006: 166). Als analytisches Werkzeug kann die Akteur-Netzwerk-Theorie Einblicke in die Erzeugung und Erhaltung von Rollenmodellen anbieten und die relationalen, konstituierenden Verstrickungen sichtbar machen. Projekte akteurszentriert zu erfassen, ist eine zentrale Forderung für elaborierte kontingenzanalytische Interpretationen: »The actor ought to be the natural starting point for research on projects (and other temporary) organisations. With ›the project‹, determined by a project assignment, the unit of analysis becomes well defined and distinct. The subjective elements of a project’s demarcation are made explicit. Different actor’s interests in the project become obvious and understandable. Additionally, the actor definition shows us that the label ›project‹ is primarily a description of form, not content« (Engwall 1998: 35, Hervorhebung im Original).

In organisationssoziologischen Arbeiten wird oft das fehlende Kontingenzmodell bemängelt. Praxisansätze der Ratgeberliteratur und zertifizierende Programme sind eindimensional, da es nur darum geht, allgemeingültige Kriterien für ›gutes‹ Projektmanagement anzuwenden. Die Grundannahme des one size fits all ist zu hinterfragen, denn Projekte sind komplex, unterschiedlich und kontextabhängig (vgl. Andersen 2006: 17 ff., 2008). Diese Kritik wird beispielsweise von Shenhar und Dvir (1996) geteilt. Sie konstatieren, dass die stetige Ausbreitung von Projektformen in Organisationen nicht dazu geführt habe, theoretische Reflexionen über dieses Phänomen anzustellen. »[A]s an organizational concept, project management is quite new and probably not well understood« (Shenhar und Dvir 1996: 607; vgl. Shenhar und Dvir 2004). Vor allem einer Kritik funktionaler Autonomie von Projekteinheiten folgend, wird argumentiert, Teilprojekte und systemische Einheiten könnten nie vollständig voneinander getrennt werden. Gerade die Wissensintensität von Produktentwicklungsprojekten bedinge, dass sich Projekte überschneiden, Wissen diffundiere und »Kupplungslogiken« Brücken schlagen würden: »The coupling logic stresses the need for a high degree of ›inter-functional responsiveness‹ and downplays functional autonomy and separation of activities. Organizing in order to achieve responsiveness and error detection stresses the need for frequent or continuous communication

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between the various sub-projects and the need for setting up arenas where such formal and informal interaction may take place. It also stresses a different role of project management in facilitating these processes. As it seems, organizing according to a coupling logic is very different from the logic typically advocated in much project management writing« (Söderlund 2002b: 421).

In ihrer Fallstudie beschreiben Lindkvist, Söderlund und Tell (1998) einen Wandel der Produktentwicklungsprojekte in der Telekommunikationsbranche, der eine neue Arbeitsorganisation impliziere. Vorangegangene Strukturen folgen dem »waterfall modell« (ebd.: 937), in dem jeder Schritt mit klarem Anfang und Ende versehen ist und konsekutive Aufgaben erst nach Beendigung der vorangegangenen Stufen beginnen. Es handelt sich um eine streng funktionale Arbeitsteilung, die dem klassischen Rationalismus des Projektmanagements entspricht. Ein neuer Organisationsmodus tritt auf den Plan: das »fountain modell« (ebd.: 937). Nach diesem Modell sind nachgelagerte Arbeitsschritte nicht von ihrer Position im Plan abhängig. Arbeitsgruppen können sie früher bearbeiten, sofern vorausgesetzte Arbeitspakete bereits erledigt sind. Durch die stärkere Verflechtung der beteiligten Organisationsebenen wird der Lernprozess dieser Einheiten problematischer, aber der Vorteil sei, dass die Projektorganisation komplexe Aufgaben in einem komplexen System nicht auf einzelne Akteure verteilt. Der Gedanke hinter dieser strikt arbeitsteiligen Organisation im Projektmanagement sei die Ausschaltung von Unsicherheitsquellen gewesen, so die Autoren. In diesem Modell werde die Unsicherheit nicht von vornherein negiert, sondern stufenweise (mit der Erfahrung aus vorangegangenen Entscheidungen) reflexiv bearbeitet (vgl. ebd.: 941 f.). Projektmanagement in der Organisation: Eine gesonderte Betrachtung erfährt in organisationssoziologisch orientierten Arbeiten das Projektmanagement. Einerseits wird es als Steuerungswesen der Projektorganisation begriffen, andererseits wird es als zentrales Element der Projekte überhaupt interpretiert. Die Definition von Arbeits- und Organisationsprozessen, standardisierte Nomenklaturen, Praktiken und Managementansätze werden durch das diskursive Feld in Form von Wissen hervorgebracht (vgl. Thomas 2006). Projekte sind unsicher. Daher ist Projektmanagement, wie in Kapitel 2.3 beschrieben, ein Mittel, um Fehlschläge durch strenge Planung auszuklammern. Lalonde, Bourgault und Findeli (2010: 22) attestieren eine Krise des professionellen Projektmanagementwissens. Damit gehe ein Vertrauensverlust der Gesellschaft gegenüber professionellem Management einher. Dem Anspruch, Fehlschläge auszuklammern, kann Projektmanagement nicht gerecht werden. »[P]roject management as a disciplinary area is unaware of, or unconcerned by, the limitati-

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ons and continued failings of project management models and methods« (Cicmil und Hodgson 2006b: 115). Der Kern der Debatte dreht sich um die Aufgabe, das Projekt möglichst genau abzubilden und zu planen. Scheitern kann nur bedeuten, dass zu schlecht, zu kurzsichtig oder zu wenig geplant wurde. Projektmanagement wird somit als Werkzeug betrachtet, Projektergebnisse zu sichern (vgl. Packendorff 1995). In der Diskussion wird dieses Unbehagen thematisiert und reduktionistische Sichtweisen kritisiert. Einige Untersuchungen beschreiben die historische Entstehung verschiedener Projektsteuerungsansätze (vgl. Lalonde, Bourgault und Findeli 2010; Peters 2012). Söderlund rekonstruiert eine umfassende Darstellung verschiedener Projektmanagementschulen, ihrer Ansätze und Vorgehensweisen (vgl. Tabelle 5 sowie Söderlund 2002a: 23 ff.). Die Ziele dieser Schulen beziehen sich auf konkrete Problemlagen, die im Projektmanagement antizipiert und bearbeitet werden. Tabelle 6 stellt außerdem die Entwicklung unter Berücksichtigung verschiedener Praxisbilder und Theoriebeziehungen dar, deren Ursprünge in einer relativ unhinterfragten und wissenschaftlich nicht ergründeten Praxis liegen und gegenüber der vorherigen Tabelle einen eher verwissenschaftlichten Zugang anbieten. Lalonde, Bourgault und Findeli (2010: 24 f.) deuten sie als implizites Wissen: »Project management is what project managers do, period« (ebd.: 23). Projekte sind »auf eine neue Weise eine Erweiterung von Handlungsoptionen außerhalb gegebener Organisationsroutinen« (Peters 2012: 139). Jedoch werde die Besonderheit dadurch aufgeweicht, dass »[s]elbst die Systematik des Managements mit ihren fünf grundlegenden Funktionen [Planung, Organisation, Führung, Steuerung, Kontrolle; Y. K.] [. . .] auf die Projektorganisation übertragen worden« (ebd.: 140) sei. Das Ziel von Lalonde, Bourgault und Findeli ist es, eine an den amerikanischen Pragmatismus angelehnte Theorie des Projektmanagements zu entwickeln, die keine hermetisch-wissenschaftliche Distanz zum Gegenstand einnimmt. Ein verfremdeter Blick ließe sich durch präskriptive Theorie und durch den »actor’s turn« der Sozialwissenschaften vermeiden (vgl. Lalonde, Bourgault und Findeli 2010: 24). Differenzen zwischen Theorie und Praxis wären in einer direkten forschenden Anwendung aufgelöst: »[T]hese theories will not be limited to a form of discourse. Practitionerresearchers and researcher-practitioners will bring these theories with them into their practice to test them out« (ebd.: 31, ohne Anmerkungen). Um die Wirklichkeit in Projekten zu erheben (»actuality of projects«, Cicmil, Williams et al. 2006), gilt es zu erfassen, »how practitioners think in action, in the local situation of a living present« (ebd.: 676, Hervorhebung im Original). Ziel ist es, diese praktischen Wissensformen zu erheben und deren Wechselwirkung zu eruieren. Das heißt, die Verfasser_innen vollziehen eine performative Wende gegenüber funktionalistischen Theo-

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Tabelle 5: Übersicht über sieben Projektmanagementschulen Forschungsrichtung Charakteristika Analysefokus

Fragestellung

Vorgehen

Optimierungsschule

Planung, Aufgabendifferenzierung

Wie managen/ planen?

Optimierung durch Planung

Critical Success Factor Schule

Erfolgsfaktoren und Ergebnisse

Was macht Erfolg aus?

Ausrichtung an Faktoren

Kontingenzschule

Design der Projektorganisation

Warum unterscheiden sich Projekte?

An Kontingenzen anpassen

Verhaltensschule

Prozesse der Projektorgansiation

Wie verhalten sich Projekte?

Prozessgestaltung

Transaktionskostenschule

Steuerung von Projektorganisation und Transaktionen

Wie werden Transaktionen gesteuert?

Steuerung und Verwaltung

Marketingschule

Gründungsphase von Projekten

Wie werden FrühGestalten und phasen gemanaged? verbessern

Entscheidungsschule

Akteure in der Startphase

Wie verhalten sich multiorganisationale Projekte?

Politik und Positionen im Projekt

Quelle: nach Söderlund 2002a: 27, Tabelle 1, eigene Übersetzungen. rien und rücken wechselwirksame Aushandlungen der Akteure mit ihrer Umwelt in das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit (vgl. Cicmil 2006). Trotz elaborierter Alternativen besteht durch den institutionalisierten Korpus weiterhin ein hoher normativer Druck, vertreten vor allem durch funktionalistische Schulen: »PM [Project Management; Y. K.] is now more of a management ideology than a tool« (Blomquist und Söderholm 2002). Es generiert Kontexte, die definieren, was ein Projekt ist und wie es auszusehen hat. Hodgson und Cicmil (2006a, 2007) bezeichnen dieses standardisierte Wissen als Mainstream, der einem rationalistischpositivistischen Wissenschaftsverständnis folgt. »[I]ts study is analogous to natural science, that is, discovering universal laws and fundamental properties of objects which (pre)exist ›out there‹, in the ›real world‹. From this realist perspective, many writers on project management feel able to present their field as gradually converging on a generic model of the project management process, complete with common ontology and a standardised terminology globally recognised by professional project managers« (Hodgson und Cicmil 2006a: 33).

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Tabelle 6: Theorie-Praxis-Beziehungen des Projektmanagements Praxis als Heuristik

Praxis als angewendete Theorie

Praxis unterstützt durch deskriptive Modelle

Reflexive Praxis und situative Theorie

Nichttheoretisierte Praxis

Theorie ist auf die Praxis anwendbar und eine Methodologie

Praxis als Akteursstrategie

Pragmatische Projektmanagementtheorie der Praxis

Implizites Wissen

Präskritive Theorien und best practice

Menschliche Interaktionen

Epistemologie der Praxis

Erfahrung

Systematisierung/ Evaluation

Erweiterung des mechanistischen Blicks auf das Soziale

Auflösung der Grenze zwischen Praktiker_in und Forscher_in

Quelle: nach Lalonde, Bourgault und Findeli 2010: 23 ff.

Ein solches Wissenschaftsverständnis »naturalisiere« das Projektmanagementwissen des PMBOKs durch seine Stellung als zentrales Wissensorgan (vgl. Hodgson und Cicmil 2006a: 35 f., 46 f.). Naturalisierung bedeutet, die soziale Beschaffenheit des Gegenstands zu verschleiern, seine potenzielle Andersartigkeit infrage zu stellen und seine Wirkungen an explizite Ursachen zu koppeln. Das zeigt sich bereits in der ahistorischen Darstellung von Projekten und Projektmanagement, mit der eine Vielzahl von Ratgebern, Ausbildungs- oder Zertifizierungsliteratur beginnen. Die Menschheitsgeschichte sei durch Fortschritt und dieser wiederum durch Projekte gekennzeichnet (vgl. Kalff 2014 sowie Kapitel 2). Fehlerhaft sei, so Hodgson und Cicmil (2006a: 31 f.), die Annahme, dass sich die Literatur nur eines Faktums annehme und die ›Projektemacherei‹ der Jahrhunderte systematisiere. Michel Foucaults Archäologie des Wissens (1981) folgend, argumentieren sie, dass nicht der Diskurs auf dieses Wissen stoße, sondern er selbst es hervorbringe. »[R]ather than a discourse emerging because of the existence of an object of interest, it is argued instead that the discourse brings the object into existence« (Hodgson und Cicmil 2006a: 32, Hervorhebungen im Original). Die Naturalisierung verschärft das Problem, denn es klammert politische und ethische Reflexionsmöglichkeiten aus. Neo-tayloristische, bürokratische Herrschaftsformen, welche aus der Projektorganisation hervorgehen, betreffen ebenso das Private. Außerdem forciert das strikt standardisierte Prinzip des Projektmanagements ein Klima blinden Gehorsams, der die Eigenständigkeit der Akteure ausschaltet (vgl. Hodgson und Cicmil 2007: 445 f.). Als thematische Problemstellung für einen Sam-

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melband (Hodgson und Cicmil 2006b) und eine Vielzahl von weiteren Publikationen soll das Ziel verfolgt werden, »[to] open new trajectories within the research agenda in the field of studies relevant to projects, project performance and project management in order to address the persisting and prevailing concerns articulated in literature and practice« (Cicmil und Hodgson 2006b: 119).

Einige dieser Kritiken wollen Projektmanagement um weitere Perspektiven ergänzen. Diese Bemühungen werden zum einen durch den diagnostizierten Mangel getragen, zum anderen durch die Feststellung, dass Projektmanagement nicht mehr nur ein Teil der Ingenieur_innenwissenschaften, sondern allgemein gesellschaftsfähig geworden sei. Zusammengefasst in einem Forschungsnetzwerk (»Rethinking Project Management«) wurden diverse Themen zwischen Theoretiker_innen und Praktiker_innen verhandelt. In einem Sonderheft des International Journal of Project Management fassen Winter et al. (2006) die Hauptergebnisse zusammen. Drei thematische Zonen wurden bearbeitet: Theorie über die, für die und in der Praxis (vgl. ebd.: 642). Theorie über die Praxis benötigt eine veränderte Ontologie des Projekts, die das Projekt als Werdungsprozess (becoming) beschreibt (vgl. Kapitel 3.3.1). »[O]ur point is not that a being ontology is wrong or unhelpful; rather that it is partial and that it may blind us to other, perhaps more useful and more human, ways of thinking about and seeing the world. In contrast to a being ontology, a becoming ontology emphasises process, verbs, activity, and the construction of entities. . . . a becoming ontology demands that we continually question categories and divisions that are routinely seen as fixed« (Linehan und Kavanagh 2004, zitiert in Winter et al. 2006: 643, ohne Hervorhebungen; vgl. auch Linehan und Kavanagh 2006: 54).

Beide Herangehensweisen sollen als verschiedene Landkarten begriffen werden, bei denen es nicht eine beste Version gibt, sondern nur eine, die der Anwendung am angemessensten ist. Der Übergang in theoretische Terminologien soll die Komplexität der Projekte in den Vordergrund stellen, die sich insbesondere in der Emergenz herausstellen lässt, worauf die prozessuale Organisationstheorie verweist. Theorie für die Praxis beschreibt den Wechsel von einer instrumentellen Perspektive zu einer, die Projekte als soziale Prozesse begreift, welche durch Macht- und Herrschaftsbeziehungen, politische Geflechte oder divergierende Interessen gekennzeichnet sind. Hierdurch setzt sie sich von der linearen Lebenszyklustheorie des funktionalistischen Projektwesens ab. Außerdem geht es darum, Vorhaben von einer engen Betrachtung zu lösen und sie stattdessen breiter zu konzeptualisieren. Bei enger Konzeptualisierung wird dem Projekt unterstellt, ein klares und eindeutiges Ziel zu

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verfolgen. Dagegen steht die Annahme, dass Ziele nicht immer von vornherein fest definiert werden können, ihre Zwecke können durch aus mehrdeutig sein. Außerdem ist es mitunter nicht möglich, die Projekte klaren Organisationseinheiten zuzurechnen (wie auch bei Molloy und Whittington 2006). Theorie in der Praxis betrachtet die in Projekten tätigen Praktiker_innen. Deren Rollen gilt es umzudefinieren und so auch deren Verständnis von – und Herangehensweise an – Projektmanagement zu verändern. Während in der alten Sichtweise Praktiker_innen ausgebildete Techniker_innen sind, deren Aufgabe, Methoden und Techniken der Steuerung anzuwenden ist, werden sie aus dieser neuen Perspektive heraus als reflexive Praktiker_innen neu definiert. Erfahrungswissen sowie situative, adaptive Projektsteuerung und -organisation sind ihre Handlungsorientierung (vgl. Winter et al. 2006: 645 f.). »[I]t is people who deliver successful projects, not methods and tools, and it is people’s ability to engage intelligently with the complexity of projects, that is central to the successful management of projects« (ebd.: 646, Hervorhebungen im Original). Projektmanagement soll von seiner instrumentellen Natur sukzessive befreit und somit das Tätigkeitsfeld der Angestellten geöffnet werden. Hierfür wird am Wissensfeld des Projektmanagements angesetzt. Herrschaft, Macht, Disziplin und Kontrolle in der Projektorganisation: Macht- und Herrschaftsaspekte sind in der Mainstreamforschung vernachlässigt worden. Einige Studien, welche sich entgegen der oberflächlichen Behandlung von politisch-sozialen Themen dennoch mit Macht und Herrschaft befassen, beziehen sich allerdings auf ein Begriffsinstrumentarium, das Macht als Verfügungsmacht über Ressourcen begreift. Dadurch sind sie heuristisch blind für differenzierte Machtspiele in Organisationen (vgl. Marshall 2006: 217). Alternative Herangehensweisen ziehen andere Machtkonzepte heran, um vermachtete Sphären der Arbeit und Organisation auszuweisen. Projektorganisation stellt eine indirekte und materielle Zugriffsform auf die beteiligten Akteure bereit, die sich als undurchsichtig erweist. Diese Einschätzung speist sich nicht zuletzt aus der Annahme, dass es sich um hochgradig standardisierte und reglementierte Arbeitsprozesse handelt, deren Organisation einem bürokratischen Verständnis folgt (siehe oben; vgl. Hodgson 2002, 2004). In einer eigenen Interpretation (vgl. Kalff 2014) habe ich Projektmanagement als Steuerungswesen mit dem Instrumentarium der Foucault’schen Gouvernementalitätsstudien (vgl. Foucault 2006a,b) analysiert und als Kontrollmechanismus interpretiert. Meine Einschätzung wird von einer technizistischen und rationalistischen Prozessgestaltung und -überwachung getragen, die darauf ausgelegt ist, Mechanismen der Fremd- und Selbstregierung bereitzustellen. Diese Regierungsmechanismen entspringen einer streng modernistischen Vorstellung von Plan- und Gestaltbarkeit organisa-

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tionaler Routinen sowie sozialer Prozesse. Ihre Dekonstruktion ist daher erkenntnistheoretisch verwandt mit Arbeiten der Critical Management Studies: »In the organizational context, we use the term ›modernist‹ to draw attention to the instrumentalization of people and nature through the use of scientific-technical knowledge (modeled after positivism and other ›rational‹ ways of developing safe, robust knowledge) to accomplish predictable results measured by productivity and technical problem-solving leading to the ›good‹ economic and social life, primarily defined by accumulation of wealth by production investors and consumption by consumers« (Alvesson und Deetz 2005: 65 f.).

Paradoxerweise ist diese Standardisierung geradezu produktiv, um außergewöhnliche Ziele zu erreichen. In Kapitel 2.2 habe ich Janice Thomas (2006: 104) zitiert, die Projektmanagement als Instrument deutet, das Nicht-Normale zu rationalisieren. Projektmanagement ist eine Sammlung von Techniken, die mehr Rahmen schaffen als spezifische Anweisungen zur Projektdurchführung geben kann. Hierdurch wird festgelegt, wie unterschiedliche Ziele und Aufgaben mit ein und demselben Verfahren zu bearbeiten sind. Die Techniken sind somit Instrumente einer Regierungsform, ein Mittel der Machtausübung (vgl. Bröckling 2005: 376). Projekte sind zwischen klassischen Disziplinarformen, die mit Foucaults Untersuchung des Gefängnisses verglichen werden können (vgl. Lindgren und Packendorff 2006a), und einem neueren Kontrollmodus, der auf das menschliche Verhalten einwirkt.17 Stewart Clegg und David Courpasson untersuchen ethnografisch, wie das Spannungsverhältnis zwischen bürokratischer und autonomer Arbeitsorganisation Ambiguitäten erzeugt. Dies beginnt bereits bei der Nominierung der Projektleitung durch die Hierarchie, welche im Projektteam andere Legitimationskriterien benötigt: »Ultimately, the fundamental reasons for nomination [. . .] are less important than the fact that the team members will consider the project leader as part of the central governing system of the organization« (Clegg und Courpasson 2004: 528). Dabei ist die wechselseitige Abhängigkeit wichtig: Ein Misserfolg des Projektteams bedeutet auch ein Versagen der Leitung. »In the project, nobody has the right to fail and this pressure to succeed shapes the legitimacy of the project leader, qualifying the status-hierarchy into a ›quasi-hierarchical‹ role where the personal – rather than the task – status is enhanced« (ebd.: 528).

Während im Projekt der persönliche Status Legitimation verschafft, ist in der übergreifenden Organisation diese Frage unklar. Die Autoren erarbeiten verschiedene 17 | Diese gouvernementale Regierungsmacht wird in Kapitel 7.2 ausgearbeitet.

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Kontrollmodi. Sie unterscheiden »reputational control«, »calculative control« und »professional control« (Clegg und Courpasson 2004: 536 ff.). Die erste Form bezieht sich einerseits auf hierarchische Verhältnisse, da Projekte als Bewährungsproben der Leitung verstanden werden können. Andererseits erfasst reputational control auch Prozesse der Gruppenkommunikation. Inhärente Spannungen und deren Lösung baut Reputation auf, die in Netzwerken zentral ist. Das Spannungsfeld beinhaltet also die Stellung zwischen den Mitarbeiter_innen und der Unternehmensleitung und beeinflusst den eigenen Ruf von beiden Gruppen. Die zweite Form dient dazu, durch Standardisierung sowohl Prozesse also auch das Verhalten der Beteiligten, beispielsweise die Entscheidungsfindung, berechenbar zu machen. Professional Control verlangt von den Projektmanager_innen, sich gegenseitig zu überwachen (vgl. Hodgson 2002). Im Zusammenspiel dieser drei Formen positioniert sich die Projektleitung idealerweise als Vermittlungsinstanz bei Spannungen und erzeugt einen politischen Hybrid aus Autonomie und Kontrolle. Die hier diskutierten Themen haben Schnittmengen mit anderen Aspekten der Projektorganisation und verweisen auf ein zentrales Moment projektspezifischer Herrschafts- und Machtbeziehungen: ihre Uneindeutigkeit und Ambivalenz zwischen Autonomie und Kontrolle. In einer an Foucault orientierten Machtanalytik kann von gleichermaßen disziplinierenden und kontrollierenden Eingriffen gesprochen werden. 3.3.3 Kritische Würdigung Die organisationssoziologischen Studien weisen homogenere Herangehensweisen an den Gegenstand Projekt auf als die arbeitssoziologischen Studien. Insbesondere die Herangehensweisen sind thematisch ähnlicher, als bei der Arbeitssoziologie. Interessant ist, dass mit konzeptionellen Untersuchungen die Analyse von Projekten erweitert werden soll. Dies wird mit dem Scheitern institutionalisierter (organisations-) soziologischer Konzepte begründet (vgl. Hassard 1993). Mit dieser Perspektivenveränderung der Organisationssoziologie, welche zunehmend Prozesse anstelle statischer Strukturen analysiert. Insgesamt steht die breitere theoretische Fundierung organisationssoziologischer Arbeiten im Vordergrund, da das Feld für grundlagentheoretische Auseinandersetzungen affiner scheint. Im Kontrast dazu wird seit geraumer Zeit eine Diskussion in der Arbeitssoziologie geführt, die die selbst auferlegte (oder hingenommene) Theorieleere zu füllen beabsichtigt (siehe Abschnitt 1.1). Thematisch werden Fragen der Transformation von projektifizierten Gesellschaften behandelt, der Organisationen ebenfalls ausgesetzt sind. Dabei besteht ein Interesse daran, das Steuerungswissen herauszufordern, welches aus den Ingenieur_innenwissenschaften kommt und sich durch Beherrschbarkeit und Berechenbarkeit aus-

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zeichnet. Gegen ein rationalistisches Verständnis habe ich Kritiken zusammengetragen, deren Pointe verallgemeinert gesprochen darauf hinausläuft, Projektmanagement als neutrales, instrumentelles Werkzeug zu entzaubern. Es ist eben nicht eindeutig oder gar unpolitisch, sondern im Gegenteil mehr- und uneindeutig, hochgradig politisch und vermachtet: ein Herrschaftsmodus mit impliziten und doch rigiden Kontroll- und Disziplinarmechanismen, welche eine eigene Wirklichkeit oktroyieren. Die kritische Auseinandersetzung mit diesem Managementverständnis ist das grundlegende Erkenntnisinteresse dieser Arbeiten und kann insgesamt als Artikulation gegen ein zunehmend »abstraktes Management« (Townley 2002) verstanden werden. Dessen epistemische Grundlagen – Rationalität, Kausalität, Agency, Gewissheit und souveräne Macht – sind tief in der Moderne verwurzelt und verkörpern diese selbst. Ein Großteil der hier diskutierten Arbeiten bezieht sich kritisch auf dieses ›Erbe‹ und zielt mithilfe unterschiedlicher Explikation auf die Denaturalisierung bestehender Kategorien ab, die im Management eng an die Organisation geknüpft sind. Die hier dargestellten Perspektiven stehen in Kontrast zu einseitigen, funktionalen Praxisratgebern und Zertifizierungsangeboten. Indem sie ein multidimensionales Analysepotenzial eröffnen, bereiten sie den Weg für eine breitere und fundiertere (kritische) Heuristik, Projekte als Arbeits- und Organisationszusammenhang erfasst. Erklärtes Ziel ist eine intensive Auseinandersetzung mit neuen Strukturierungsmustern, die gesellschaftliche Dynamiken widerspiegeln und auch Erwerbsarbeit transformieren. Es kann auf gar keinen Fall in fatalistisch abwartender Haltung dieser Wandel ignoriert werden; vielmehr müssen die vermeintlichen Freiheiten und neuen Zwänge genauestens analysiert werden (vgl. Cicmil und Hodgson 2006a). Zuweilen wird Projektmanagement ideologisch überformt, um auf dieser Grundlage einen Herrschaftsmodus im Zeichen der Rationalität zu etablieren. So interessant eine solche Thematisierung auch ist, sie lässt doch außen vor, wie die Praxis individuelle Handlungen prägt und Widerständigkeiten zeitigt. Die Dominanz einer omnipräsenten Macht erschwert es, einen Ausweg zu finden. Ein solche Denkweise erlaubt es nicht, Alternativen zu formulieren. Kritisch zu analysieren bleibt auch die größtenteils einseitige Fokussierung auf Projekte als Organisationsformen. Dadurch wird die Arbeitssituation ausgeblendet und der Blick auf die dynamische, prozessorientierte Ordnungsgenese beschränkt. Eine becoming ontology, die das Werden eines Projektes ins Auge fasst, blickt immer noch auf die Strukturen und nicht darauf, wie Akteure strukturieren. Was in/mit einem Projekt ›passiert‹, wenn Manager_innen darin oder daran arbeiten, bleibt unklar. Den Übergang von statischer zu prozessualer Theorie habe ich als einen Wechsel der Grammatik beschrieben: Organisation wird nicht als Nomen, sondern als Verb neu gedacht. Hier schwingt deutlich mit, dass etwas getan werden muss. In den Studi-

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en wird diese Metapher jedoch falsch übernommen. Projektorganisation wird dort lediglich verbalisiert und als diskursives Konstrukt, das in poststruktureller Manier durch Sprache nicht repräsentiert, sondern hervorgebracht wird, verkürzt. Insbesondere machtanalytische Zuschnitte interpretieren Ratgeber- und Zertifizierungsliteratur als die grundlegend bestimmende Instanz von Denken und Handeln in Projekten. Sie verweilen damit auf einer programmatischen Ebene, die Evidenzen idealtypischer Funktionslogiken sammelt und dabei ignoriert, dass es zwischen Programm und Praxis Unterschiede gibt. Die Funktionslogik wird zugespitzt und eins zu eins in die Realität übersetzt, ohne die Reibungspunkte, Ecken und Kanten einzubeziehen. Dadurch wird das Potenzial einer praxisanalytischen Untersuchung ausgeblendet. Organisieren als Verb steht daher immer noch im Schatten der institutionalisierten Strukturdeterminanz, welche die Organisationssoziologie seit Max Weber prägt. Es aus dem »langen Schatten des Kolosses« (Clegg 1990: 3) hervorzuholen, den Weber noch immer auf die Organisationstheorie wirft, muss Priorität eingeräumt werden.

3.4 Z WISCHENFAZIT: L EERSTELLEN FINDEN Zentrale Aufgabe dieses Kapitels ist, sich kritisch mit zwei getrennten Forschungsständen über Projekte auseinanderzusetzen. Die Untersuchung hat bisher ergeben, dass die genaue Beschaffenheit der Projekte nicht nur von einem der beiden Felder erklärt werden kann. Das Spezifikum des Projekts als Arbeits- und Organisationsform bleibt verborgen, wenn nur einer von beiden Forschungssträngen in den Blick genommen wird. Die kritische Bestandsaufnahme konnte die strukturellen blinden Flecken rekonstruieren und was in einer analytischen Perspektive auslassen. Diese Leerstellen werden in den folgenden drei Kapiteln durch eine empirische Annäherung ausgeleuchtet. Die These, dass sich Projekte durch wechselseitig aufeinander bezogenes Arbeiten und Organisieren auszeichnen, wird erst durch die Darstellung der strukturellen Schließung beider Forschungsperspektiven im ersten Schritt und durch die Konfrontation mit dem empirischen Gegenstand im zweiten Schritt möglich. Ziel dieses Kapitels war die Darstellung bestehender Forschungsarbeiten zu Projektarbeit und zu Projektorganisation. Sie wurde systematisch zusammengetragen. Als Forschungsstand, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, leistet diese Zusammenschau auch eine Rekonstruktion des problematischen Selbstverständnisses der Arbeits- sowie der Organisationssoziologie und schafft damit eine Grundlage für eine theoretisch inspirierte Argumentation. So lässt sich meines Erachtens die problematische Trennung beider Disziplinen angehen und diskutieren. Dies wird durch die Arbeit mit Projektmanagementliteratur und Interviews auf theoreti-

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scher Ebene vollzogen. Zunächst muss geklärt werden, wo die Leerstellen liegen, um dann zu bestimmen, welche der produzierten Erkenntnisse beider ›BindestrichSoziologien‹ verworfen beziehungsweise beibehalten werden sollen. Das Anliegen ist gerade, die bestehenden Ansätze wieder aufeinander zuzubewegen. Auch deswegen hat das aktuelle Kapitel den Gegenstand in der Forschung extensiv diskutiert und – wie es mit Deleuze und Guattari beschrieben – vermessen. Im Folgenden werden die zu bearbeitenden Leerstellen als Thesen formuliert, sodass sie im empirischen Teil als Leitlinie dienen können, um den Blick auf das Material zu schärfen. Zunächst: Die Arbeitssoziologie hat den Gegenstand der Arbeit nicht im Blick, sondern nur die Form und Formveränderung der Arbeit. Dies ist zunächst erstaunlich, da das Interesse der Arbeitssoziologie lange den konkreten berufsspezifischen Aspekten von Arbeit folgte – und dadurch unweigerlich den ›Objekten‹ der Arbeit verhaftet blieb. In der Entstehung und Ausweitung von Dienstleistungsarbeit– parallel zur Untersuchung von requalifizierter Arbeit – hat dieser Formwandel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das heißt, die eigentlich gegenständlichen Inhalte von Projekten gerieten aus dem Blick: die Arbeit am Projektziel, die Projektplanung und die notwendigen Schritte zur Erreichung dieser Aufgaben. Dadurch wurden bestimmte Bezüge von Arbeit nur unzureichend beleuchtet. Der Formwandel der Arbeit ist ein empirisches wie konzeptionelles Brennglas, das einen Bruch im kapitalistischen Produktionsregime seit den 1970er Jahren sichtbar macht. Gleichzeitig sind die strukturellen Transformationen Auslöser einer »neue[n] Unübersichtlichkeit« (Habermas 1985) – auch in der Erwerbsarbeit. Damit bleibt die sozialtheoretische Deutung auf Theorien mittlerer Reichweite beschränkt. Eine umfassende Analyse mit weiterreichenden Konzepten ist seitens der Arbeitssoziologie seit dem Ende großtheoretischer Programme, insbesondere marxistischer Provenienz, nicht mehr denkbar. Die Sichtung des Forschungsstandes – und auch die Betrachtung anderer arbeitssoziologischer Studien der letzten Jahre – hat gezeigt, dass die gestiegene Bedeutung von Kommunikation, Aushandlung und Informatisierung der Arbeit zum Allgemeinplatz geworden ist. Allerdings ist diese Erkenntnis nicht auf eine inhaltliche Ebene der Arbeit bezogen. Was die Menschen ›machen‹, wenn sie kommunizieren und wie dabei Kontext erzeugt wird, bleibt offen. Eine Ausnahme bildet eine politisch orientierte Strömung, die unter dem Begriff der immateriellen Arbeit eben diesen Bedeutungszugewinn kommunikativer Akte deutlich macht. Sie schafft es, meiner Meinung nach, adäquat auf den Formwandel der Arbeit einzugehen (und damit auch anschlussfähig für die hiesige Debatte zu sein) sowie das Augenmerk auf die inhaltliche Qualität und Dynamik von Arbeit zu legen. These 1: Bestehende arbeitssoziologische Studien versäumen über den Formwandel der Arbeit hinaus, sich verändernde Inhalte der Projektarbeit in den Blick zu

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nehmen. Erst wenn diese betrachtet werden, kann sich die spezifische Gestalt von Projektarbeit offenbaren. Die Arbeitssoziologie diagnostiziert zwar die gestiegene Selbstorganisation der Arbeit, deutet diesen Befund jedoch inhaltlich nicht weiter aus. Wie Selbstorganisation inhaltlich in die Arbeit überführt wird, bestimmt sie nicht weiter. Dazu gehört auch die Frage nach dem Verhältnis von Selbstorganisation zu Autonomie. Harald Wolf stellt fest: »Nicht Autonomie im Sinne von Selbstgesetzgebung [. . .] und Selbstverwaltung thematisiert der Managementdiskurs, sondern ›Selbstorganisation‹« (Wolf 2004: 230). Die Frage ist also, was das Organisieren an der Selbstorganisation für die Arbeit ausmacht. Wie verändert sich dadurch ihr Inhalt? Gerade die projektspezifische Arbeitssituation weist eine besondere Problematik auf. Arbeitssoziologisch gedeutete Freiheiten der Subjektivierung und Entgrenzung korrelieren mit standardisierten, genormten, starren Vorgängen und sind weit davon entfernt, den Subjekten Arbeit in Selbstorganisation zu überlassen. Es ist »[e]ine Arbeitsform zwischen Direktive und Freiraum« (Kalkowski und Mickler 2009), die eine immanente Spannung in sich trägt. Bisher ist dieser Widerspruch nicht befriedigend sozialwissenschaftlich im Kontext von Arbeit und Organisation sozialwissenschaftlich analysiert worden. Umgekehrt ist Arbeit immer auch durch den Organisationsrahmen eingeengt. In einem Möglichkeitsraum ist sie zu einem gewissen Grad sich selbst überlassen und Teil selbstständiger Tätigkeit der Akteure. These 2: Die zentrale Diagnose gestiegener Selbstorganisation bleibt oberflächlich, denn die strukturellen Implikationen für die Arbeit der Selbstorganisation werden nicht aufgedeckt oder behandelt. Es fehlt die organisationssoziologische Interpretation der Selbstorganisation. Die veränderte Qualität der Arbeit wird nur unzureichend in gesamtgesellschaftliche Prozesse und Entwicklungstendenzen einbezogen. Dieser Punkt klang bereits im vorausgegangenen Absatz an und er gilt gleichermaßen auch für die organisationssoziologische Leerstelle. Für Arbeit bedeutet dies zunächst Folgendes: Projektarbeit wird analytisch wie argumentativ nicht an eine gesamtgesellschaftliche Veränderungsdynamik rückgebunden. Die Bezugnahme wird höchstens umgekehrt vollzogen, wenn Gesellschaftstheorien und Zeitdiagnosen auf ein abstraktes Bild der Projekte zurückgreifen, um die soziale Dynamik greifbar zu machen. ›Projekt‹ bleibt eine wirkungsvolle Metapher, jedoch ohne empirischen Gehalt. Diesen gesellschafts- und sozialtheoretischen Diskurs habe ich in der Einleitung angeschnitten (vgl. Kalff 2016, 2017). Die arbeitssoziologische und auch die organisationssoziologische Perspektive haben keinen konkreten Bezug zu eben diesen zeit- wie gesellschaftsdiagnostischen Ebenen. Wenn Projektarbeit als zeitgenössische Arbeits- oder Organisationsform in-

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terpretiert werden soll, dann darf der Blick auf diesen ›Zeitgeist‹ nicht außen vor bleiben. These 3: Zwischen Arbeitssoziologie und sozialtheoretischer Zeitdiagnose besteht eine Deutungslücke. Was als zeitgenössische Metapher bemüht wird, hat ebenso eine Rückwirkung auf die Tätigkeit in Projekten und umgekehrt. Als Deutungsmuster wirken beide semantischen Sphären aufeinander zurück. Beibehalten werden sollen die Offenheit und Spannung, welche Projekten als Arbeitsform zugerechnet werden. In einer Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen haben Autor_innen darauf verwiesen, dass inhärente Ambivalenzen die begriffliche Deutung von Projekten herausfordern. Projekte bieten einerseits individuelle Freiheiten entgrenzter und subjektivierter Arbeitsverhältnisse, andererseits hegen sie die Arbeitsverhältnisse strukturell ein und nivellieren durch rigide, objektivierte Sachzwänge. Was sich in der konkreten Situation in einem Projekt ereignet, ist konfliktbeladen. Der Umgang mit Widersprüchlichkeiten, Ambivalenzen und Ambiguität ist eine zentrale, universelle Eigenschaft von Projekten. These 4: Projektarbeit befindet sich in einem Spannungszustand und ist keine widerspruchsfreie Tätigkeit. Projektarbeit bedeutet (auch), dieses Spannungsverhältnis zu bearbeiten und zu vermitteln. In der Organisationssoziologie haben sich einige produktive Ansätze herauskristallisiert, Projekte analytisch zu erfassen. Einer von ihnen betrifft die Abkehr von rein funktionalen und instrumentellen Sichtweisen auf Projektorganisation. Die Erkenntnisse, welche durch eine kritische Analyse von Rationalitätsmythen gewonnen werden, sind hilfreich, um den Blick auf die Konstruktion und die Naturalisierung von Wissensbeständen in und um Organisationen zu klären. Insbesondere die Strömung der Critical Management Studies hat wichtige Impulse gegeben, sie finden sich in einer Vielzahl der hier zitierten Arbeiten zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Projekten wieder. Gerade die Tatsache, dass Projektmanagementwissen, Methoden und Techniken oder Zertifizierungsprogramme, von einer besonders starken instrumentellen Anwendbarkeit geprägt sind und die ursprüngliche Bedeutung des Projektbegriffs strikt funktional ist, erfordert eine kritische Perspektive. Soziale, politisierte, vermachtete und diskursive Techniken der Hervorbringung des Gegenstands werden so aufgedeckt; die naturalisierte und mystifizierte Komponente des Wissens kann freigelegt werden, wodurch tieferliegende Kontingenzen deutlich werden. These 5: Eine fruchtbare Analyse von Projekten muss sich von den rein auf Funktionslogiken und instrumentelle Rationalitäten reduzierten Perspektiven lösen und auf die soziale Konstruktion von Projekten als Arbeits- und Organisationsform blicken und wie diese arrangiert wird.

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Ein erster großer thematischer Block, der durch die Offenlegung der strukturellen Mechanismen hinter die Fassade eines instrumentellen Management- und Organisationswissens blickt, behandelt Themen von Macht und Herrschaft in der Projektorganisation. Beide Themen werden von Arbeits- sowie Organisationssoziologie mit je eigenem Erkenntnisinteresse und auf Grundlage unterschiedlicher konzeptioneller Zugänge seziert. Während die Arbeitssoziologie perspektivisch die Unterordnung der Arbeiter_innen und Angestellten unter strukturelle Gefüge beleuchtet, ist die Organisationssoziologie auf strukturelle Hierarchie und funktionale Ordnung ausgerichtet. Macht und Herrschaft wirken strukturdeterminierend. Ihr Auftreten und Wirken leitet sich aus den ordnenden Ansprüchen rationaler Organisation ab. Sie sind Spiegelungen gesellschaftlicher Verhältnisse in der Organisation und umgekehrt sind organisationale Macht- und Herrschaftsrelationen Strukturelemente moderner Gesellschaft. Für die Arbeit sind sie das Ordnungsprinzip, welches den Arbeitsplatz in einem politischen Spannungsfeld verortet. Dennoch bleiben Fragen offen: Wie konstituieren sich in Projekten Macht und Herrschaft strukturell? Wie werden Machtbeziehungen erzeugt, eingegangen, genutzt und transformiert? Wie werden diese Macht-/Herrschaftsbeziehungen verschleiert, anonymisiert und objektivier? Gerade der Formwandel der Erwerbsarbeit der letzten zwei Dekaden lässt offen, wie sich die neuen Möglichkeiten der Selbstorganisation requalifizierter Arbeit in Bezug auf Herrschaft und (neue) Machtbeziehungen verändern. Die Momente der Fremdbestimmung von Arbeit werden diffuser. Ein Problem der Forschung besteht darin, dass Fremdbestimmungsmechanismen kaum erörtert werden. These 6: Projektorganisationen bringen eine besondere Form von Machtbeziehungen und sozialen Herrschaftsbeziehungen hervor, die wechselseitig mit zeitgenössischen gesellschaftlichen Formen verschränkt sind. Außerdem sind sie in besonders hohem Maße von den Individuen internalisiert und wirken subversiv und anonym. Ein weiterer fehlender organisationstheoretischer Aspekt ist der Zeitbezug von Projektorganisation. Zwar wird im Zusammenhang mit Projekten von ›befristeten Organisationen‹ gesprochen, allerdings tritt Zeit nur in Bezug auf das Ende der Organisation auf den Plan. Endlichkeit von Organisation spielt eine wichtige Rolle, Zeit wird zu einem knappen Gut. Projekte haben einen Punkt, an welchem sie aufhören, zu existieren. Dabei ist aber gerade die Knappheit der Zeit ein wesentlicher Mechanismus, der zur Strukturierung der Projektorganisation beiträgt. Die Organisationstheorie hat dies bisher in Studien nicht konsequent berücksichtigt. Dass ein Projekt zu einem festgelegten Zeitpunkt beendet werden muss, eröffnet einen Planungshorizont. Aufgaben müssen so arrangiert werden, dass das Ziel in vorgegebener Zeit erreicht werden kann. Zeit ist mehr als nur ein funktionales Moment der Organisationsgeschichte, sondern darüber hinaus strukturierendes Element. Knappheit oder Überfluss von Zeit liefert

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die Orientierungspunkte, anhand derer die Planungsheuristik Aufgaben oder Handlungen anordnet. These 7: Zeit und Zeitlichkeit stellen das wesentliche Ordnungsprinzip der Projektorganisation dar. Die ›befristete Organisation‹ muss weitergedacht und Zeit als das strukturierende Element anerkannt und analytisch herausgearbeitet werden. Hinzu kommt ein weiterer Punkt, welchen ich als das Zusammenfallen von Arbeiten und Organisieren als konstitutives Moment eines Projekts erfasse. Die Tätigkeit der Projektplanung bringt die Organisation hervor und verändert sie kontinuierlich. Durch die Arbeit werden – in Form von Plänen, Fristen, Ergebnissen oder Fehlschlägen – die weiteren Organisationsschritte eines Projekts erzeugt. Ein zu starrer Begriff der Organisation verschließt einen konkreten Zugang zur Projektstruktur in Abhängigkeit von der Zeit. Zusammen mit dem vorherigen Punkt wird deutlich, dass diese Struktur immer zu konkreten Zeitpunkten besteht und die vorangeschrittene Zeit des Vorhabens mitdenken muss. Organisieren ist somit konstitutiv für Projekte, denn es handelt sich um Prozesse, die notwendigerweise als »zeitabhängige Ereignisketten« (Miebach 2009: 16) auftreten. Daran wird deutlich, dass eine organisationssoziologische Perspektive auf befristete Organisationen, welche die Prozesshaftigkeit des Organisierens untersuchen will, ohne eine konkrete Einbeziehung der Zeit nicht zu haben ist. Wichtig ist, dass gerade auf Foucault rekurrierende Arbeiten ein Auge offen halten, um die Disziplinar- und Kontrolltechniken zu analysieren, welche einen spezifischen Subjekttypus erzeugen. Relevant ist die Hervorbringung des projektspezifischen ›Verhaltens‹, also wie die Angestellten dazu angehalten werden, entsprechend normativer Grundprinzipien in Projekten zu agieren. Diese Grundprinzipien allein können jedoch nicht die Letzterklärung für die empirische Realität bleiben. Als Handlungsprogramme kommt ihnen nur eine bedingte Wirkmächtigkeit zu, die sich mit eigensinnigem und widerständigem Verhalten arrangieren muss. These 8: In Projekten können Arbeit und Organisation nicht getrennt werden, ohne ihre Performativität zu verkennen. Werden die beiden Sphären untrennbar in einem Prozessschema verknüpft, eröffnet sich eine Möglichkeit, jene Praxis zu untersuchen, die als Gegenpol der Disziplinar- und Kontrollprogramme der Projektideale fungiert. Bis zu diesem Punkt habe ich einige Linien herausgearbeitet, die der Arbeits- und Organisationssoziologie verborgen geblieben sind, von ihr übersehen beziehungsweise nicht benannt wurden oder strukturell unsichtbar gemacht wurden. Die im folgenden Teil der Arbeit angelegte empirische Untersuchung versucht, diese Leerstellen weiter auszuloten, aber auch, einen gesonderten Blick auf die Praxis zu richten, auf das, was in Projekten geschieht. Die Leerstellen sind, wie sie hier freigelegt wurden, als Fehlen der Organisation in der Arbeit und als Fehlen der Arbeit in der Organisation beschrieben worden. Das heißt, dass Momente der aktiven und performativen Her-

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stellung von Organisation durch Arbeit interessante Einsichten preisgeben können. Die Herstellungspraktiken bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen strukturdeterministischen Programmen und einer Eigenlogik oder einem Eigensinn der Akteure. Die Spuren dieser Konfliktlinien in einem Kräfteverhältnis gilt es freizulegen.

Teil II Arbeiten und Organisieren

4 Projektarbeit »Klassifizieren bedeutet trennen, absondern. . . . klassifizieren heißt, der Welt eine Struktur zu geben: ihre Wahrscheinlichkeiten zu beeinflussen; einige Ereignisse wahrscheinlicher zu machen als andere; sich so zu verhalten, als wären Ereignisse nicht zufällig, oder die Zufälligkeit von Ereignissen einzuschränken oder zu eliminieren.« Z YGMUNT BAUMAN /M ODERNE UND A MBIVALENZ

Im zweiten Teil dieser Arbeit werden die Leerstellen der Arbeits- und Organisationssoziologie auf empirischer Basis ausgearbeitet. Hierfür sind die in der Problematisierung dargelegten blinden Flecken noch einmal genauer zu rekonstruieren, indem sie an Projektmanagementliteratur und Experteninterviews diskutiert und verdeutlicht werden. Das Ziel ist, vom Blickwinkel der einen Disziplin die Leerstelle der anderen zu betrachten. Dazu wird in den nächsten Kapiteln zunächst das organisierende Element der Projektarbeit und anschließend die Arbeit der Projektorganisation im empirischen Material untersucht.1 Das dritte Kapitel dieses zweiten Teils bringt die Ergebnisse zusammen und verdichtet sie. Die nächsten Kapitel können in beliebiger Reihenfolge gelesen werden und ergeben in Summe die Analyse. Ich bediene mich einer systemtheoretischen Beobachterkonstruktion, welche die wechselseitigen Erkenntnisinteressen beider Fachgebiete beschreibt. Dahinter verbirgt sich die Erkenntnis, dass die Fachgebiete im soziologischen Diskurs stark funktional differenziert sind. Sollen beide Teile gleichermaßen relevant gemacht werden, muss diese Trennung ernst genommen und ihre Auswirkung auf Gegenstand und Blickwinkel reflektiert werden. Im Folgenden werden arbeitssoziologisch bedeutsame Schilderungen von Projektarbeit auf ihren organisationalen Anteil überprüft und dieser herausgearbeitet. Das 1 | Eine Darstellung der Erhebungs- und Auswertungsmethode sowie methodologische Überlegungen werden in Kapitel 1.3 diskutiert.

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erste analytische Kapitel beginnt daher mit Abschnitt 4.1. Dort werden Beschreibungen kognitiver Imperative der Projektarbeit gesammelt, welche die Angestellten in ihren Tätigkeiten anleiten, Handlungsvorgaben machen, gewisses Verhalten einschränken und anderes begünstigen. Beleuchtet werden die spezifischen Eigenheiten und Ansprüche sowie die Eigenperspektive der Projektmanager_innen auf ihre Arbeit. Die Fragen, warum Projektmanager_innen auf eine spezielle Art arbeiten und welche Ansprüche und Begründungen dieser Arbeit zugrunde gelegt werden, sind bedeutsam. Abschnitt 4.2 beschreibt Routinen und den Alltag der Projektarbeit, welche den Arbeitsprozess kennzeichnen. Sie haben einen starken Einfluss auf Weisungszusammenhänge und hierarchische Beziehungen in Projekten. Die Frage kann folgendermaßen formuliert werden: Was machen Projektmanager_innen? Abschnitt 4.3 stellt dann die Frage, in welchem Kontext in Projekten gearbeitet wird. Er beleuchtet einerseits die Strukturen der Macht- und Herrschaftsverhältnisse sowie andererseits die Verbindungen zum Unternehmen. Darüber hinaus wird das Politische der Gruppenkonstitution betrachtet. Abschließend werden im Abschnitt 4.4 die Erkenntnisse zusammengetragen und auf die Problemstellung der organisationssoziologischen Leerstelle der Arbeitssoziologie verdichtet.

4.1 KOGNITIVE I MPERATIVE Projektmanagement ist Steuerungswissen, das Arbeit und Organisation beeinflusst. In einem doppelten Sinne ist es Herrschaftswissen, denn es ist herrschendes Wissen und zugleich auch beherrschendes Wissen, das Denken, Handeln, Deuten und Sinnzuschreibungen in Projekten beeinflusst. Im Folgenden geht es daher um Wesensmerkmale, die regelmäßig auftauchen und als normative Folien an die Projektleiter_innen angelegt werden. Sie formen ein Rollenverständnis, welches sich die Manager_in aneignen muss, um einem normierten Bild von Management zu entsprechen. Diese Schablone ist einerseits mit empirischen Erfahrungen beladen, andererseits in Form präskriptiver Sätze formuliert. Ihre Zuschreibungen sind schillernd und facettenreich. Während sich die Erfahrung aus dem Alltag selbst ergibt und Praxiswissen darstellt, sind normative, präskriptive Folien aus der Logik der Sache abgeleitet. Projekte sind rational gegliedert, affirmativ folgen sie einem Rationalitätsverständnis und sind damit unerschöpflicher Quell weiterer Rationalisierungsmomente. Kognitive Imperative verdeutlichen die zugrundeliegenden Orientierungsmuster, welche die Arbeit anleiten. Der Begriff bezeichnet dabei den einfachen Umstand, dass Anforderungen, Leitsätze oder Präskriptionen nicht primär als strikte, disziplinierende Regeln aufgefasst werden. Stattdessen nisten sie sich in den Köpfen der Beteiligten als legitime Wahrheit

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ein, werden ideologisch überhöht und schaffen aus sich heraus einen Wahrheitsanspruch, der die Faktizität der Situation überlagert. Sie sind ein Interpretationsschema der Akteure für die Deutung und Wertung der vorgefundenen Situation. 4.1.1 Normativität ›guter‹ Projektmanager_innen Das Rollendenken in projektförmiger Arbeit ist sehr stark ausgeprägt. Indizien dafür finden sich in der Literatur und den Interviews. Ansprüche werden insbesondere an Manager_innen herangetragen.2 In den Interviews wurde direkt nach Kriterien und Eigenschaften einer ›guten‹ Projektmanager_in gefragt. Die Antworten gewähren einen interessanten Einblick in die Anforderungen, welche an Führungspersonen gerichtet werden. Sie zeigen auch Deutungen und Erwartungshaltungen der Personen an ihre eigene Arbeit. Hieran wird ersichtlich, dass die verschiedenen normativen Muster als kognitive Imperative funktionieren. Sehr häufig wird über die Anforderungen an ›gutes Projektmanagement‹ in präskriptiven Sätzen gesprochen. Solche normativen Festschreibungen werden von den Interviewten nicht hinterfragt, sondern vorausgesetzt. Sie sind wie selbstverständlich mit der Fähigkeit verbunden, rational denken und handeln zu können, so zum Beispiel mit dem ›gesunden Menschenverstand‹ (vgl. Abschnitt 4.1.3). Diese Rationalität speist sich aus der Verbindung des Arbeitshandelns mit Alltagssituationen. Scheinbar, so zeigt sich aus dem folgenden Zitat, lässt sich keine konkrete Anforderung finden, die nicht ebenso im »normalen Leben« greift: »Wenn man sich mal anschaut, was ist ein Projekt oder was ist Projektmanagement, die Gesamtheit der Führungsinstrumente, etc. Wenn man anschaut woraus das besteht und hieraus die Anforderungen für den Projektmanager zieht, da stellt man fest, im Grunde braucht ein Projektmanager all das, was man im normalen Leben braucht, um erfolgreich zu sein. Es gibt im Projektmanagement keine Situation aus dem normalen Leben, die sich da nicht wiederfindet. Sie stehen immer wieder vor Situationen, mit denen sie nicht gerechnet haben, völlig überraschend und das ist sogar die Regel. Jedes Projekt geht irgendwo ein bisschen schief. Und da ist der Projektmanager gefordert als Krisenmanager. Das ist auch wieder so ein Begriff: ›Krisenmanager‹. Vor 30, 40 Jahren hätte niemand Krisenmanager gesagt, da hätte man einfach erwartet, dass die gewisse Fähigkeiten haben, um etwas, dass schief gelaufen ist, wieder auf die Schiene zu setzen« (IP6, Absatz 14).

2 | Rollenerwartungen und -beschreibungen sowie allgemein das Thema Rollen und Rollendifferenzierung in Projekten finden sich bei Schelle (2010: 68), Jenny (2010: 478) und PMI (2013: 259). Siehe außerdem Tabelle 7.

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Projektmanager_in zu sein, erfordert folglich nichts weiter, als für den gemeinen Alltag gewappnet zu sein. Wer also die Unbestimmtheit der eigenen Biografie, die prinzipielle Offenheit des eigenen Werdegangs sinnvoll zu steuern und auf ein Ziel hin auszurichten weiß, erfüllt die Grundvoraussetzung, erfolgreich Projekte zu steuern. Als zentrale Faktoren sind die Beherrschung von Uneindeutigkeit und situativer Kontingenz zu nennen. Nichts läuft je nach Plan, aber es ist ›gut‹, einen Plan zu haben, um auf ihn zurückzukommen. Dabei zeigt sich ein Problem: Wie soll mit Krisen umgegangen werden? Erwerbsarbeit ist für gewöhnlich in sehr enge Regeln eingelassen, die präzise vorgeben, was wann wie getan werden soll. Wie verhält es sich aber mit Arbeit unter Bedingungen stetiger Unsicherheit und ›Krise‹? Die Frage richtet sich darauf, wie projektförmige Arbeit immanente Unwägbarkeiten handhabt.3 Es greift ein Mechanismus, der die Notwendigkeit, Dinge auf eine spezifische Art und Weise zu steuern, dadurch hervorbringt, dass er sich selbst einen Namen gibt. Erst durch die konkrete Benennung der Tätigkeit als ›Projektmanagement‹ wird sie als solche mit normativem Gehalt befüllt.4 Was früher lediglich analog zum restlichen Leben stattfand, erfährt jetzt eine Rationalisierung, indem es mit Namen, Programmen und Festlegungen versehen wird (ebenso wie das im Zitat erwähnte Krisenmanagement). Auch die damit verbundene wechselseitige Professionalisierung ließe sich auf diese Weise deuten. Sind die Kompetenzen ›guter‹ Projektmanager_innen zunächst noch sehr breit und allgemein formuliert, werden sie an anderer Stelle spezifiziert und differenziert. Einige sind erlernbar, andere wiederum nicht. In einer längeren Ausführung beschreibt IP3 (Absatz 18 f.) als Kernkompetenz der Projektleitung technisches Fachwissen, welches für kleinere Projekte noch wichtiger sei als für größere. Des Weiteren sind »Vertrauen« und »ein menschlicher Umgang« im Kontext von Personalführung wichtig, klare Zielvorgaben für das Team sollten offengelegt und der Austausch hierüber möglich gemacht werden, ohne dass die Leitung die Arbeit anderer ständig überwacht. »Teamführung und Motivieren« ergeben sich hieraus als Aufgaben. Im Lichte der Komplexität müssen Projektmanager_innen »den Überblick behalten«, stressresistent und multitaskingfähig sein sowie Risiken einschätzen können und betriebswirtschaftliches Gespür beweisen. Außerdem sollen sie im Firmennetzwerk verankert sein, um Rückhalt zu haben und auf die Erfahrung anderer zurückgreifen zu können. »Fairness« im Führungsstil ist ebenso wichtig. Schließlich

3 | Vergleiche hierzu Publikationen, die Unsicherheit und Ungewissheit handlungstheoretisch als Probleme des Entscheidens diskutieren, um dadurch eine spezifische »Ohnmacht« zu überwinden (Böhle und Busch 2012; Böhle und Weihrich 2009). 4 | Siehe auch Janice Thomas’ (2006) Argumentation in Abschnitt 2.2.

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Tabelle 7: Eigenschaftsprofil von Projektmanager_innen Kernaufgabe Kompetenz Projekt managen

Planen und Organisieren

Kunden managen

Zielkundenorientierung

Fähigkeit, für sich selbst und andere die geeigneten Maßnahmen zur Zielerreichung festzulegen und die Maßnahmen [. . .] zu koordinieren. Fähigkeit, Prozesse und Aktivitäten ergebnisbezogen Controlling zu steuern (statt eng zu kontrollieren) und den Projektfortschritt sicherzustellen. Stresstoleranz Fähigkeit unter Druck, Rückschlägen und Enttäuschungen effektiv zu bleiben.

persönliche »Chemie« Analysevermögen Team managen

Operationalisierung

Führen

Leistung managen Sensitivität

Erfahrung und Gespür für Branche, für das jeweilige Ressort und die Hierarchie; Projektergebnisse müssen in der Organisation »verkauft« werden. Fähigkeit, vom ersten Kontakt an einen guten Eindruck zu vermitteln. Abstraktionsvermögen, Konzentration auf das Wesentliche, Urteilssicherheit, Erfahrung. Fähigkeit, ein Team ohne die klassischen Managementtechniken für ein Ziel und für Kooperation zu motivieren; bei Fachproblemen unterstützen; sich zurückhalten, alles selbst zu erledigen. Leidenschaft für Höchstleistungen und kundenorientierte Qualität; verschiedene Disziplinen zur besten Lösung vereinen. Erkennen der Stärken, Interessen und Probleme der Einzelnen [. . .]; Konflikte offen bearbeiten.

Quelle: Schelle 2010: 68

repräsentieren die Leiter_innen das Team, stehen für es ein und müssen es gegenüber externen Parteien vertreten. Die klassischen Hard- und Softskills sind für Projektmanager_innen wichtige Fähig- und Fertigkeiten. Zu den Hardskills gehört das technische Know-how, auf das ich etwas später zurückkommen werden. An diesem Punkt sind zunächst die diffuseren Softskills von Interesse, da sie durch die Interviewperson als präskriptive Sätze formuliert und mit normativ-imperativem Gehalt aufgeladen werden (Manager_innen sollen/müssen/dürfen nicht). Neben konkreten manageriellen Anforderungen, wie Personalführung, betriebswirtschaftliche Steuerung oder Kommunikation werden Eigenschaften genannt, die auf Selbstbeherrschung, -planung und -steuerung rekurrieren und einen nachhaltigen Arbeitsmodus anstoßen sollen. Nachhaltig sind sie einerseits in Bezug auf die eigene Person und das eigene Arbeitsvermögen, andererseits auf den Projektfortgang und dessen Erfolg. Beide Felder ergänzen sich in

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einem pessimistischen Realismus: »Man kann nicht sagen: ›Ich hab ein gutes Gefühl‹, das läuft garantiert schief« (IP3, Absatz 19). Projektmanager_innen dürfen sich nicht auf Gefühle verlassen, sie müssen dem Optimismus entsagen. Anstelle dessen müssen sie die Möglichkeit und die Wahrscheinlichkeit von Risiken realistisch bewerten.5 Realismus wird mit Besonnenheit gepaart, um ruhig und überdacht vorzugehen. Es gilt, selbst Ruhe zu bewahren, nicht stressanfällig zu sein, den Überblick zu behalten und Panik zu vermeiden. Außerdem muss die professionelle Kommunikation gewahrt werden. Das Feld, in dem sich Projektmanager_innen bewegen, ist politisch aufgeladen. Sie befinden sich in einer hochgradig komplexen Situation; einem Feld, das sich ohnehin gegen zu großen Optimismus wehrt, denn: »Jeden Tag kommen Hiobsbotschaften, jeden Tag« (IP3, Absatz 19). Unter dieser Prämisse würden es Realist_innen deutlich besser haben als Optimist_innen.6 Spannend ist diese Einschätzung, da sie eine weitere Unterscheidung zwischen Projektenmacher und Projektmanagermanger_innen sichtbar macht: Während die erste Gruppe im Glauben an die Realisierbarkeit mit ihren Erfindungen optimistisch verbunden sein musste, gehören Vertreter_innen der zweiten Gruppe zu den Skeptiker_innen und schätzen das Projekt realistisch ein. »Man hat immer Personen, die etwas von einem wollen. Das ist entweder der Kunde oder dein Chef oder der Auftraggeber des Projekts; man muss immer das machen, was die von einem wollen. Selbst wenn man sein eigener Chef ist, musst du dir ein Ziel setzen und dem Ziel gerecht werden. Man ist nie komplett frei. Druck ist immer da: Aufgabe des Projektleiters ist, das für sich in Maßen zu halten, die Leute nicht zu verbrennen, denn wenn die eher intrinsisch motiviert sind, muss man sie eher bremsen. Man muss erstens gucken, dass sie nicht zu viel machen aber auch zweitens, dass sie das Richtige machen, dass sie sich nicht verzetteln. Das sehe ich auch als eine der wichtigsten Aufgaben des Projektleiters: Er muss wissen, was machen seine Leute, was ist wichtig und wo sollte er sich drum kümmern« (IP8, Absatz 36).

5 | Dieser ›Realismus‹ wird in der Praxis nicht immer gerne gesehen: »Wenn Sie in einer Organisation arbeiten, die kein umfassendes Risikomanagement betreibt, können Sie zwar einige Risikomanagementwerkzeuge und -techniken für ihr Projekt nutzen, aber Sie dürfen Ihre Erkenntnisse nicht öffentlich kundtun. Wer in einem Umfeld die Wahrheit sagt, wo Optimismus (Lüge) regiert, bringt sich selbst in eine missliche Lage« (zitiert nach Schelle 2010: 117) 6 | Sinnlogisch ist der Verweis auf die theologische Metapher interessant. Hiob wurde, in einer Wette zwischen Gott und Teufel, durch Schicksalsschläge geprüft und ist in seinem Glauben standhaft geblieben. Für Projekte kann dies analog gedeutet werden. Der Realismus muss beibehalten werden, um das Vorhaben am Ende – allen Widrigkeiten zum Trotz – erfolgreich abschließen zu können. Doch auch der ›Glaube‹ an das Projekt muss unverrückbar sein.

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Die vorrangige Aufgabe besteht also darin, den Druck »in Maßen zu halten«. Ruhe, Besonnenheit und Stressvermeidung verweisen auf eine spezifische Sorge um sich, die sowohl in einem performativen Sinne auf das eigene Handeln angewendet wird als auch den Charakterzug von Manager_innen charakterisiert. Zu der Selbstsorge wird zusätzlich noch die Sorge um andere Menschen addiert, die gesteuert und vor intrinsisch induzierter Überarbeitung geschützet werden müssen. Michel Foucaults Diktum wird in besonderer Weise der Situation gerecht: »Die Rationalität der Regierung über andere ist dieselbe wie die Rationalität der Regierung über sich selbst« (Foucault 1986: 121). Oder mit den Worten eines Interviewten: »Jemand der sich Projektmanager nennt, der muss in der Lage sein, sich selbst zu managen« (IP5, Absatz 18). Intrinsische Motivation ist der Grundantrieb in einer Arbeitssituation, in der die Angestellten nicht unter Generalverdacht stehen, nicht arbeiten zu wollen. Damit gehen jedoch die Probleme maßlosen Arbeitens einher, auf welche die Projektleitung reagieren muss. Neben Personalsteuerung gehören auch unternehmerische Tätigkeiten und Qualifikationen zu den expliziten Imperativen: »Das Gebilde ›Projekt‹, da muss man schon eine Einstellung haben, dass das wie ein Unternehmen ist. Ich muss effizient sein, ich muss lieferfähig sein, ich muss Außenwirkung haben etc.; aber das Andere gehört auch dazu: Vorgaben von außen gehören dazu« (IP5, Absatz 33).

Die besonderen Ansprüche an Projektmanager_innen liegen auch in einer repräsentativen Rolle, werden also durch äußere Faktoren beeinflusst. Daneben nennt IP5 zentrale normativ beladene Schlagwörter, die das Projekt als eigenständiges Unternehmen verdeutlichen. Entsprechend leitet der Befragte Charakterzüge und Handlungsorientierungen für Projektleiter_innen ab: Sie sollen beispielsweise »effizient« und »lieferfähig sein«. Als Quasi-Selbstständige befinden sich Projektmanager_innen in einer Rolle, die ein bestimmtes Regelset erlaubt. Verbunden ist es mit einem unternehmerischen Ethos, das Effizienz als vages Konstrukt aufbaut und sich in die Erwartungshaltung einschreibt, die an Projekte gerichtet werden: Schwierige Aufgaben und komplexe Ziele auf eine einfache Ebene herunterzubrechen und somit durch die Mechanismen und Prinzipien modernen Managements realisierbar zu machen. »Sagen wir mal so: Die Grundzüge der Unternehmensführung, die muss ein Projektmanager schon mit sich tragen. Er muss einerseits wissen, dass er nicht mehr Geld ausgeben kann und sollte, als er verdient am Ende, da gibt es meistens einen Kaufmann, der ihn da unterstützt, um das auch ordentlich zu kalkulieren und nachzuvollziehen. Das ist so das Erste und das Wichtigste. Gleichzeitig muss der Projektleiter, der das Projekt abwickelt, natürlich auch ein Risikobewusstsein haben. Wir reden nicht nur über Projekte irgendwo in der fränkischen Schweiz, sondern irgendwo JWD [›janz weit draußen‹; Y. K.] in einem Land, das politisch instabil ist.

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Der Projektleiter hat zu arbeiten, wo weder seine Sprache gesprochen wird, noch seine Kultur ist, als Beispiel. Natürlich muss er Risikobewusstsein haben. Er braucht schon die Grundeinstellungen eines Unternehmers. Er muss dann natürlich auch in der Lage sein, für das Projekt Entscheidungen zu treffen, die für das Projekt richtungsweisend sind und da auch risikobereit sein; oder zu sagen, ne hier ist das Risiko zu stark, da muss ich hier vielleicht noch einmal einen Rat einholen, ob ich das jetzt wirklich machen soll. Klar, der braucht da schon einen gewissen Grundunternehmensgedanken, das muss der schon im Blut haben« (IP9, Absatz 24).

So banal die Weisheit klingen mag, dass Projektmanager_innen nicht mehr ausgeben sollten, als sie am Ende auch einnehmen, so sehr ist dies zentraler Grundgedanke betriebswirtschaftlicher Unternehmensführung. Gewinne zu erwirtschaften, wird in dem Moment problematisch, in dem Unsicherheiten auftauchen, die den Erfolg gefährden. Die Umwelt der Vorhaben ist von Unsicherheiten durchsetzt und erfordert ein unternehmerisch orientiertes Risikobewusstsein. Wichtig ist die semantische Bedeutung, die hier mitschwingt: Ziel ist es, Uneindeutigkeit und Unsicherheiten zu erkennen, zu interpretieren und das Projekt auf diese zu prüfen, einzustellen und zu steuern.7 Angestellte sind nicht Unternehmer_innen im klassischen Sinne. Sie sind keine Selbstständigen, die mit Eigenkapital einen Betrieb gründen und aufrechterhalten. Sie bekommen die Leitung eines Projekts übertragen und Zugriff auf vorgegebene Ressourcen und Infrastruktur. Hierin handeln sie eigenverantwortlich in der Risikoabschätzung, während Ziel und Umfang des Projekts von außen vorgegeben werden. Entscheidungsfreudigkeit ist eine fundamentalere Fähigkeit des Managements. Entscheidungen vorzubereiten und zu fällen ist nicht operatives Geschäft, es ist vielmehr dessen Grundlage. Als solche ist Entscheiden aber zweierlei: Es ist Organisieren und es ist praktisches Arbeiten.8 Risiken werden mit Entscheidungen zusammengebracht. Grundbedingung jeder Entscheidung ist die Unsicherheit der Situation. Im Folgenden wird das ›gute‹ Projektmanagement um einen politischen Faktor erweitert, der im vorletzten Zitat bereits erwähnt wurde. Projektarbeit wird mit quasistaatsbürgerlichen Rechten und Pflichten verknüpft. Genauer benannt werden diese 7 | Das unternehmerische Selbst wird seit einiger Zeit als Subjektform diskutiert. Dabei wird der risikobehafteten individuellen Lebensführung, welche unter einen ökonomischen Imperativ gestellt wird, Rechnung getragen. Menschen sind im Leben ›Unternehmer_innen ihrer Selbst‹ und verknüpfen dadurch das eigene Leben mit dem Sinnbild eines Projekts; also die Aneinanderreihung befristeter, eigenverantworteter Vorhaben, die das eigene Humankapital steigern (vgl. Bröckling 2003, 2007; Pongratz 2008, 2009). 8 | Wie noch gezeigt wird, ist der Entscheidungsbegriff in beiden Disziplinen zu verorten und zieht seine Bedeutung ebenso aus beiden. Bisher ist der Entscheidungsbegriff insbesondere durch die systemtheoretische Organisationssoziologie besetzt (vgl. Luhmann 2000). Siehe hierzu auch Abschnitt 3.3.1.

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nicht. Die folgende Aussage suggeriert jedoch, dass die Stellung von Projektmanager_innen im Sinne eines autonomen juristischen Subjekts interpretiert werden kann. »Ein guter Projektmanager, der muss erst mal seine Rechte aber auch seine Pflichten kennen, er muss menschlich sein, er muss in der Lage sein komplexes Chaos so zu strukturieren, dass es übersichtlich und händelbar wird. Die menschliche und Teamkomponente ganz nach oben stellen, ganz stark im Fokus haben. Meines Erachtens darf der Projektleiter nicht dieser hierarchische Chef sein, sondern er muss sich als Teil eines gut funktionierenden Teams verstehen, welcher eine gewisse Aufgabe hat im Team. Er muss sich vor sein Team hinstellen, wenn es Ärger gibt, muss aber auch in der Lage sein, wenn es ein Problem im Team gibt oder einen Fehler, dies offen anzusprechen. Vertrauen ist noch ganz wichtig, beidseitig natürlich, das ist so das Wichtigste. Soziale Kompetenz als Generalbegriff natürlich, kommunikationsfähig muss er sein, in alle Richtungen, also zum Kunden, intern, Intern-Management und so weiter und von der Technik eine gewisse Grundahnung haben« (IP2, Absatz 29).

In der Aussage »Chaos strukturieren und händelbar machen« wird eine Fähigkeit beschrieben, die organisatorische Qualifikationen umfasst. Alltagssprachlich bedeutet der Begriff Chaos Durcheinander, ungeordnete Dinge und Zusammenhänge, die nur schwer greifbar sind. Ursprünglich bezeichnet das Wort Chaos allerdings etwas Gegenteiliges: In der griechischen Mythologie steht das Chaos als Antagonismus zum Kosmos der Weltordnung. Chaos ist der Urzustand der Welt, »ein leeres ›Gähnen‹« (Kerényi 1966/1994: 21). Für beide Auslegungen des Wortes lassen sich in den Interviews Interpretationen für das Projektmanagement finden, die zudem eng verbunden sind. Zunächst ist die Beschreibung des Strukturierens zentral, denn sie zeigt einen starken Bezug zur Fähigkeit und Tätigkeit von Manager_innen, Dinge zu ordnen und zu organisieren. Das Durcheinander und das Nichts sind in dieser Beschreibung eingeschlossen. Auf der einen Seite müssen Beziehungen erkannt und geordnet werden. Auf der anderen Seite sind sie herzustellen. Es müssen Bedingungen und Fixpunkte erzeugt werden, auf denen das Projekt fußt. Es ist keine creatio ex nihilo. Im Transkript wird die Rolle des Projektleiters analog zu Fußballtrainer_innen beschrieben: Sie bauen das Team auf und nehmen es nach außen vor Kritik in Schutz (falls diese unberechtigt ist), ermahnen aber gleichermaßen die Gruppe und sprechen offen Probleme und Fehlleistungen an. An der Projektleitung bleibt der Großteil kritisierender Einwände hängen, denn sie muss sie bearbeiten, entkräften, weitergeben und produktiv wenden. Sie benötigt daher kommunikative Fähigkeiten, da sie das Bindeglied nach außen und nach innen darstellt. Projektmanager_innen werden dennoch nach erbrachter Leistungen bemessen: »Der andere Weg ist natürlich, dass Leute geschasst werden, dass die eigentlich abgesägt werden. Das ist wie beim Fußballtrainer, das passiert auch relativ schnell« (IP3, Absatz 12).

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4.1.2 Technik als Kompetenz Die Verbindung von komplexer Technik und Projekten ist eine zentrale Dimension, die seit Einführung moderner Planungs- und Durchführungsmechanismen im Vordergrund steht (vgl. Kapitel 2.2). Voraussetzung für ein näheres Verständnis der Rolle, die Technik im Projektalltag spielt, ist deren Stellung im Anforderungskatalog an die Projektleitung. Für den Projektemacher war das technische Verständnis noch wesentlicher Ankerpunkt seines Strebens und Planens als Bastler. Mit der Institutionalisierung des Projektwesens treten ab den 1940er Jahren neue Rollenverständnisse auf den Plan, die unabdingbar mit einem grundlegenden Verständnis der Sache an sich verknüpft sind. Projekte haben noch immer eine technische Seite, diese das Produkt, die Technologie oder die zu erbringende Dienstleistung. Außerdem besitzen Projekte nun eine Ebene, die sich von dieser sachlichen Ebene abgrenzt: die Organisation, die Planung, die Kalkulation. Kurz: das Betriebswirtschaftliche. Explizit findet sich diese Unterscheidung bereits bei Paul O. (Gaddis 1959), der manageriale Kompetenz und technisch-wissenschaftliche Expertise im »Projektmanager« vereint. Gaddis’ doppelte Orientierung zwischen technischen und betriebswirtschaftlichen Arbeitsaspekten wird weiter ausdifferenziert. Planerische und technische Kompetenzen fallen im weiteren Verlauf immer mehr auseinander. Dennoch, so wird immer wieder betont, ist ein gänzlich fehlendes technisches Verständnis undenkbar. Auch aus der praktischen Perspektive der Befragten wird die Bedeutung technischer Kompetenz für die Arbeit in und die Durchführung von Projekten deutlich. Für die eigentliche Arbeit der Projektmanager_in ist kein tiefgreifendes technisches Verständnis notwendig, allerdings ist eine Technikaffinität sinnvoll, die ein Reden über die Gegenstände zulässt. Technische Kompetenz gewährleistet dann, die ›Sprache des Feldes‹ zu sprechen. »[W]enn ich zum Beispiel einen Project Director brauche, für ein großes Projekt, dann kann mir egal sein, woher der kommt, aus welchem Bereich, was der bisher gemacht hat, ich kann den 100 prozentig einsetzen. Weil Projektmanagement ist ja Projektmanagement. Das geht nur bis zu einem gewissen Grad. Im Prinzip ja, wenn sie Projektmanagement beherrschen, bei einer Chipherstellung, dann werden sie im Prinzip auch das Instrumentarium verfügbar haben, für einen Kraftwerkbau in der Wüste. Nur sie müssen die Sprache der Kraftwerkbauer verstehen, wenn sie von der Chipseite her kommen. Und das macht schon einen großen Unterschied. Das heißt, sie sollten tunlichst in dem Bereich einige Zeit gearbeitet haben. Das ist also nicht so, einmal Projektmanagement irgendwo gemacht, in der Lage sein irgendwo anders überall das sofort zu machen. Es sei denn sie akzeptieren die harte Tour, dass sie es lernen. Dann besteht die Gefahr, dass man sie verbrennt. Wenn er kommt – und das vorhandene Personal wird ihn genau angucken; [. . .] er wird gleich danach beurteilt werden was er kann und wenn er nicht mal die Sprache versteht, hat er keine Chance« (IP6, Absatz 34).

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Technikwissen drückt sich in Sprache aus. Zwar sei das Methodische hinter dem Projektmanagement nahezu eins zu eins übertragbar, dennoch gibt es Unterschiede in Verständnis und Beschaffenheit der Ziele. Was durch die Standardisierung und Zertifizierung für das Projektmanagement erzeugt wird – eine einheitliche und übertragbare Sprache –, ist für Technik unmöglich. Technik bestimmt auf eine sehr viel subtilere Art und Weise den Kurs der Unternehmung, indem sie im Ganzen, aber auch im Detail Eigenarten mit ins Spiel bringt, die von der Projektleitung berücksichtigt werden müssen. Ein Teil dieser Eigenarten bildet sich in der Sprache und ihrem Verständnis ab: »Theoretisch sagt man, eigentlich ist die [technische Kompetenz; Y. K.] gar nicht so wichtig. Theoretisch sagt man, ein Projekt sollte so standardisiert sein, dass man jeden auf jedes Projekt setzen könnte. Aber das glaube ich nicht. Also meiner Meinung nach ist es schon wichtig, dass man von der Technik etwas versteht und dass man eine gewisse Ahnung hat. Man muss nicht studiert darin sein oder Profi darin sein. Aber ich sage mal, wenn ich Züge baue, zum Beispiel, sollte ich mir eine Vorstellung machen können, was ungefähr Aufwendungen bedeuten, wenn ich irgendwo Entscheidungen treffe und was hinten bei rumkommt, beispielsweise durch Genehmigungen von Behörden oder so. Wenn ich jetzt ein Kraftwerk baue, dann sollte ich schon wissen, dass wir da mit dem Kesselbau immer Probleme haben usw. das es bestimmte Themen gibt, die einfach schwierig sind zu händeln. Man muss meines Erachtens nicht immer zu 100 Prozent tief in der Technik sein aber es bedarf schon eines Grundwissens. Das andere ist meines Erachtens zu theoretisch weil die Projektmanagementsystematik, die gibt es, die ist auch super hilfreich und das ist ein theoretisches Konzept, wo das möglich ist, dass man den einen hier und da hin tauschen kann aber in der Praxis ist das meines Erachtens nicht so möglich« (IP9, Absatz 42).

Technik hat eine inhärente Eigendynamik, die sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt, aus den Gegenständen. Der Technik wohnt ein Eigensinn inne. Das bedeutet, wie später noch zu klären sein wird, dass sie auf die Handlungen derjenigen zurückwirkt, sie verändert oder vorgibt, wie auf sie eingewirkt werden kann. Insofern muss die Projektleitung antizipieren können, wie sich Technik ›verhalten‹ wird und welches ihre störenden oder förderlichen Eigenheiten sind, die sich erst im Projektverlauf zeigen. Die Bedeutung von Fachwissen wird im vorangegangenen Zitat relativiert. Notwendig sei Grundwissen. Eigenarten und Eigenschaften der Technik, ihre Materialität, sind zu steuern und das macht es schwierig. Grundlegende Kenntnisse erlauben einen Einblick in Ursache-Wirkungs-Prinzipien, die durch das Beeinflussen der Projektgegenstände auftreten, in diesem Falle beispielsweise der Zugbau, der durch staatliche Abnahmestellen gelotst werden muss und entsprechenden Spezifikationen genügen muss.

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»Vielleicht muss man unterscheiden, zwischen komplexen und großen Projekten und kleinen Projekten. Bei den kleinen Projekten bedarf es zum Teil eines hohen technischen Know-hows. Das ist äußerst wichtig, weil man immer mal tiefer einsteigt in die Sache. Das kann da nicht schaden; das schadet auch bei Großprojekten nicht. Ich habe auch von Beginn an angefangen, die Technik zu erlernen, ich war ja auch nicht immer Projektleiter, ich habe auch mal rumgeschraubt, Inbetriebsetzung gemacht, Montage und so weiter. Wenn ich durch das Werk laufe, dann kann ich mit den Werkern auch reden und weiß, wie eine Schweißnaht aussehen muss oder nicht. Aber ich werde diese Fälle nicht mehr diskutieren. Aber ein technisches Know-how und Verständnis ist auf jeden Fall eine gute Voraussetzung, weil Projektleiter, die frisch von der Uni kommen, die haben keine Chance, auch wenn sie eine gute Systematik haben. Die werden einfach geschnitten von den alten Hasen, weil sie merken, dass sie das Vokabular gar nicht haben« (IP3, Absatz 18).

»Vokabular« beschreibt ebenso das Sprechen in Projekten, ist jedoch stärker an Erfahrung gekoppelt als Sprache. Damit geht die Kompetenz einher, auch mit den Arbeiter_innen in der Fertigung reden zu können. Insbesondere Sachkenntnis und Erfahrung tragen im Lichte der technischen Kompetenz zur Ergänzung der Methodenkenntnis bei. Eine »gute Systematik« ersetzt nicht das Einfühlungsvermögen in technische Belange und deren Besonderheiten. Technikkenntnisse sind bedeutsam, um sich in Projekten als Führungskraft zu legitimieren. Bei komplexeren Vorhaben sind jedoch detailliertere Auseinandersetzungen mit der Technik kaum mehr möglich. Daher werden Kommunikationskanäle für die Leitung bei steigender Komplexität relevanter. Technikexpertise wird dann delegiert: »Er darf dieser Materie nicht total fremd sein. Also er muss wissen, was er da macht. Ein Projektleiter muss nicht ganz tief in die Technik rein aber er muss im Großen und Ganzen verstehen, was ihm seine Leute erklären« (IP2, Absatz 29). Fehlendes Wissen wird durch die Angestellten im Projekt substituiert, indem sie ad hoc Sachverhalte erklären und somit den wenigerfachkundigen, aber doch versierten Führungskräften einen Überblick verschaffen und für die Planung und Durchführung Anschlüsse eröffnen. Je komplexer und umfassender ein Projekt ist, desto oberflächlicher kann sich die Projektleitung mit den technischen Details auskennen. Relevanter sind in solchen Fällen koordinative Fähigkeiten, denn aus den einzelnen technischen Problemen und Zielsetzungen eines Projektes ergeben sich komplexe Anforderungen. »Wenn meine Leute on site sind, dann sitze ich nicht hinter ihrem Stuhl und schaue was die machen. Zum einen verstehe ich es sowieso nicht, weil die wirklich wahnsinnig gut sind und wahnsinnig viel wissen und ein breites technisches Wissen haben, das ich als Projektleiter gar nicht habe. Ich bin kein IT-Ingenieur, ich bin Maschinenbauingenieur und ich bin eigentlich kein echter Telekommunikationsausgebildeter. Von daher würde das gar keinen Sinn machen, wenn ich dahinter hocke und schaue was die machen, weil ich es ja eh nicht weiß. Ich weiß

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aber, wenn die Leute on site gehen und auch wenn ich nicht dabei bin, dass die ihre Aufgaben erledigen und alles tun, damit alles erfolgreich abgewickelt wird. Das ist für die eben auch wichtig, dass die dieses Vertrauen vom Projektleiter erfahren« (IP2, Absatz 9).

Projektleiter_innen sollten delegieren können, ohne zu überwachen; dies zeichnet ebenso die besondere Stellung von Projektarbeit als höher qualifizierte Arbeit aus. Es ist nicht notwendig, die Projektmitarbeiter_innen permanent zu beaufsichtigen und zu allen technischen Details zu befragen. Die Projektleitung sorgt lediglich dafür, dass die Zielsetzung des Projekts sichergestellt wird. Gegenüber dem vorangegangenen Zitat von IP3 verweist der Interviewte an dieser Stelle auf ein Vertrauensverhältnis, an dem von beiden Seiten (Projektleitung und Mitarbeiter_in) gearbeitet werden muss. Hierzu gehört das unbestrittene Wissen um Arbeitsprozess und -gegenstand, die eigenständige Arbeitsweise, welche eo ipso zu Vertrauensräumen führt. »Vorher habe ich kleinere Nahverkehrsprojekte gemacht, wo man nicht so ein riesiges Team hatte, da saß man in einem Büro zusammen. Da hat man vielmehr operativ gearbeitet. Also da hat man sich wirklich mit Lieferanten hingesetzt und hat einzelnen Themen intensiver durchgesprochen auch inhaltlich. Ein Großprojekt ist anders. Man steigt hier nicht mehr tief in die Technik ein, daher ist die komplette Arbeit heute mehr die Koordination der einzelnen Gewerke« (IP3, Absatz 4).

Was als »operativ gearbeitet« beschrieben wird, steht im Kontrast zum Aufgabenbereich der Planung und Kalkulation, der »Koordination« beinhaltet. In der Betriebswirtschaft bezeichnet das operative Geschäft jene Tätigkeiten, die direkt zur Gewinnerwirtschaftung beitragen – was die Koordination von Projekten weder ein- noch ausschließt. Es gibt also zwei Sorten projektrelevanter Tätigkeiten, die durch den Interviewten sachlich getrennt werden. In die eine Sphäre fällt Informierung über technische Aspekte: Hierzu muss zunächst die lokale Sprache beherrscht werden, in der technische Inhalte kommuniziert werden. Des Weiteren wird darüber informiert, was im Detail passiert, und wie sich dies als Ganzes zusammenfügt. Die andere Sphäre setzt sich mit der Materialität und den Eigenheiten auseinander. Sie wird gerade bei Problemen wichtig, um sich mit den Projektbeteiligten abzusprechen. Beide Sphären sind grundlegend für administrative Aufgaben, die gegenüber reiner gegenständlicher Arbeit immer mehr in den Vordergrund rücken. 4.1.3 Gesunder Menschenverstand Die eigene Arbeit in Projektkontexten folgt, so lässt sich an einer Vielzahl von Äußerungen ablesen, einer spezifischen Vorstellung von Rationalität. Der Begriff des

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gesunden Menschenverstandes taucht in mehreren Interviews explizit auf. Er steht für ein instrumentelles Verhältnis, wie es beispielsweise in der Organisation oder der Arbeit zum Tragen kommt. Andererseits fasst er sehr unspezifisch eine diffuse Konstellation von Leitsätzen, die dem eigenen Handeln und Planen vorangestellt werden. Diese Grundsätze erschließen sich der Person von alleine, aus der Situation heraus, sind also nicht erlernbar, sondern implizites Wissen, das zur Anwendung kommt und sich so bewährt. Projektarbeit setze sich, so Olfert (2012), aus einer Zahl von Tätigkeiten zusammen, zum Beispiel Problemlösungsmechanismen, Kommunikation und Präsentation von Strategien zur Erzeugung einer Projektlösung. Der Daseinsgrund eines Projektes liegt darin, für ein spezifisches Problem eine Lösung zu finden. Explizit nennt Olfert: Recherchieren, Lösen, Kommunizieren, Verhandeln, Präsentieren, Visualisieren, Protokollieren, Berichten, Dokumentieren (vgl. ebd.: 175 ff.). »Das Hauptziel einer jeden Projektarbeit ist die Erarbeitung einer optimalen Projektlösung. Sie sollte mit möglichst geringem Einsatz von Ressourcen verbunden sein« (ebd.: 179, Hervorhebungen im Original). Die möglichst effiziente und rationale Planung zur Zielerreichung ist im Kern die bedeutendste Aufgabe. Der Planungsakt ist daher einer der wichtigsten Schritte, an dem eine Kosten-Nutzen-Rationalität zum Tragen kommt. Weiter wird in Interviews beschrieben, dass es sich um eine implizite Form von Rationalität handelt. »Wie wurde man damals Projektmanager? Ich hatte damals technische Abnahmen gemacht und hatte eine kleine Teilverantwortung. Ich hatte die Gelegenheit mit einem Accountleiter in Meetings reinzugehen und hatte damals eine Meinung wie man vorgehen sollte und hab die auch kommuniziert. Jemand, das gilt nicht nur für mich, der da ein vernünftiges Auftreten hatte, fundiertes technisches Wissen hatte, der wurde damals auch mit der Abwicklung betraut. Das war weniger Methodenwissen, das war mehr gesunder Menschenverstand, den man zum Einsatz gebracht hat. Wenn man mich damals gefragt hätte: ›Was braucht ein guter Projektmanager‹, hätte ich gesagt: ›80 Prozent gesunden Menschenverstand und 20 Prozent Fachkenntnis‹. Heute würde ich die Frage anders beantworten: ›Mindestens 60 Prozent Methodenkompetenz, 20-30 Prozent Fachkompetenz und gesunder Menschenverstand sollte immer da sein, den sollte man nicht vergessen‹« (IP5, Absatz 10).

Der Wandel setzt zu einem unbestimmten Zeitpunkt ein, sodass heute Methodenwissen die Kernkompetenz der Projektleitung ausmacht. Der gesunde Menschenverstand wird nicht durch die intensivere Methodenausbildung und -anwendung ersetzt, er spielt immer noch eine grundlegende Rolle in der Projektarbeit. Methoden sind zu erlernende Arbeitsweisen, während sich die Arbeit über den gesunden Menschenverstand von selbst erschließt. Auf die Frage, was nach Einschätzung des Interviewten

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›gute‹ Projektmanager_innen ausmacht, fasst IP1 die benötigten Qualitäten folgendermaßen zusammen: »Das sind triviale Dinge: letztlich gesunder Menschenverstand. Überblick. Inhaltlich grob wissen, worum es geht, er muss die Finanzen verstehen, er muss das Thema Qualität und Termine begreifen, wie das zusammen passt, mit Kunden reden können, kreative Gestaltungsfähigkeit haben. Kritisch Dinge hinterfragen können, etc« (IP1, Absatz 32).

Einerseits scheinen die Punkte geradezu »trivial« zu sein; andererseits werden wiederum die zentralen Pfeiler eines Projekts beschrieben, die auch in der Literatur immer wieder hervorgehoben werden: die drei Punkte des ›Magischen Dreiecks‹ des Projektmanagements: Kosten, Termine und Qualität (vgl. Gaddis 1959: 89; sowie Abbildung 1). Dazu gehören zudem Überblick, technisches Wissen, Kreativität in Organisation und Ordnungserzeugung sowie die Kompetenz Kritik zu äußern und Dinge zu hinterfragen. Alles dies ist »letztlich gesunder Menschenverstand«, der grundlegendes Prinzip dabei hilft, Prioritäten zu setzen. Projektmanager_in zu sein, bedeutet, die Kerndaten und -themen eines Vorhabens deuten und interpretieren zu können sowie ihnen die nötige Relevanz beizumessen. Dennoch bleibt der Begriff relativ abstrakt, da er individuell gefüllt wird. Wie im folgenden Interviewabschnitt deutlich wird, sind Unbestimmtheit und Risiko Ausgangspunkte für einzelne Reaktionen. »Wenn ich so was [ein Projekt planen; Y. K.] zum ersten Mal mache, werde ich sehr viel umplanen. Unrealistisch geplant, Sachen unterschätzt, Faktor Kunde. Abweichungen gibt es immer. Unwägbarkeiten gehören immer dazu und da meine ich dann auch, das ist dieser Faktor gesunder Menschenverstand: Wie gehe ich damit um. Da muss man ein Gespür haben. Das kriegt man aber auch nur mit Erfahrung, Bauchgefühl und gesundem Menschenverstand hin« (IP5, Absatz 51).

Unsicherheit in Projekten führt zu fehlerhaften Plänen, deren Neuaufsetzung regelmäßig auf Grundlage von Erfahrungswissen, Bauchgefühl und Menschenverstand erfolgen muss. Diese Faktoren sind jedoch schwer zu operationalisieren und zu messen. Werden die in Plänen dargestellten Zahlen und Fakten auf ihre Essenz hin befragt, zeigt sich, dass sie unstetig sind und intuitiv eingesetzt werden. Faktoren der Projektarbeit lassen sich nicht durch die Arbeit eineindeutig festschreiben. Das Umplanen gehört dazu. Die Drift der unsicheren Details muss einbezogen und wenn nötig aufs Neue prekär festgeschrieben werden. Pläne fixieren den Kontext, halten also fest, was auf welche Weise für Arbeit relevant wird. Geplant wird, was der »gesunde Menschenverstand« erlaubt. Es sei Bauchgefühl und logisch erschließbar. Wie im ersten Interviewabschnitt dieses Unterkapitels ersichtlich, sind Verstand und Bauchgefühl

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durch Hilfsmittel formalisiert worden. Sie seien immer noch wichtig, aber Werkzeuge substituierten sie. Es gelte, vorsichtig zu sein, denn die fortschreitende Methodisierung entbinde nicht von reiflicher Überlegung und kritischem Hinterfragen. »Wir führen Prozesse ein und alle Projektmanager sind immer gehalten, sie müssen unbedingt nach diesen Prozessen vorgehen aber wenn ich Schulungen gemacht habe oder Mannschaften noch geführt habe, da war immer ein anderer Satz oben drüber: Ich möchte nie erleben, dass ein Projektmanager kommt, und sagt: ›Ja ich konnte da leider nichts tun, weil ich musste mich nach dem Prozess ja so und so verhalten‹. Man muss tun, was erforderlich ist« (IP6, Absatz 18).

Dieser letzte Satz lässt wieder eine Macher-Mentalität durchblicken, die sich konkret von den Managementprinzipien und -leitlinien absetzt. Es wird betont, dass sich manchmal über die klare und strikte Anwendungsweise der Werkzeuge hinweggesetzt werden müsse. Implizit findet sich hier auch der gesunde Menschenverstand wieder, welcher die vernünftigen Umgangsweisen mit den an die Hand gegebenen Werkzeugen und Methoden der Projektabwicklung bewirkt. Eine zusätzliche Deutung wird von einem Berater aufgeworfen, dessen Erfahrung mit der Implementierung von Projektmanagementstandards eine längere Erklärung anstößt. Vorausgehend erläutert er, dass zu Beratungs- und Implementierungsaufträgen ein Handbuch für die Firmenleitung der Auftraggeber_innen erstellt werde, dessen Anwendung und Inhalte jedoch allen bekannt seien. Im Beratungsgespräch einfach die verbreiteten Tools und Methoden zu dozieren, dafür »ist die Zeit inzwischen vorbei, dass man Leute mit Standardprojektmanagementmethoden begeistern kann. Das kennen die alles schon« (IP8, Absatz 4). Doch auch wenn die Methoden und Techniken bekannt seien, bestehe immer noch die Notwendigkeit der Beratung, wenn die Implementierung nicht zufriedenstellend erfolge oder Resistenzen gegen die neuen Formen vorhanden seien. Das wirft die Frage auf, wie denn die Arbeit überhaupt gelenkt wird, wenn nicht nach Projektmanagementleitlinien. »Die meisten machen es nach gesundem Menschenverstand. Insgesamt ist ja Projektmanagement auch nichts wirklich hoch Komplexes oder etwas Schwieriges. Das sind ja meistens Sachen, die man im täglichen Leben schon immer macht, im Kleineren. [. . .] Ich hab meine Ressourcen und ordne die in einer Zeitschiene an und guck, was ich brauche, rechne Dauern und Schnittstellen aus. Das machen die Leute schon immer. Wenn man auf den Fahrplan guckt und schaut wie früh muss ich da sein, um pünktlich anzukommen. Deswegen ist Projektmanagement eigentlich nichts Neues. Die Sache ist nur, dass es in größeren Projekten komplexer wird, sodass man mit dem normalen ›ich durchdenke mir das mal im Kopf‹ nicht weiter kommt. Deswegen braucht man bestimmte Tools und Methoden, die einem dabei helfen. Aber meistens fangen die Leute so an, wie sie es immer machen. Die kennen E XCEL und malen da Abläufe rein, ohne Verknüpfungen, Vor- und Nachfolgeprozesse zu kennen; die malen einfach mal die

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Balken über die Monate hin; das reicht ihnen dann meistens. Wenn man ihnen dann zum Beispiel MS P ROJECT zeigt, damit kann man die Balken noch geschickter malen, dann freuen sie sich vielleicht. Manche nehmen es dann auch her, wenn sie es wirklich brauchen, oft planen die Leute aber gar nicht so detailliert, dass sie das unbedingt brauchen würden. Somit kommen die Leute auch mit ihrem eigenen gesunden Menschenverstand und Tools und Methoden einigermaßen über die Runden« (IP8, Absatz 6).

Projektmanagementaufgaben sind vergleichbar mit der Bewältigung der großen und kleinen Aufgaben des alltäglichen Lebens. Aus dem größeren Bezugsrahmen ergibt sich, dass nicht mehr allein im Kopf geplant werden kann, sondern das richtige Werkzeug gebraucht wird, beispielsweise spezielle Projektmanagementsoftware. Der Verweis auf das Tabellenkalkulationsprogramm E XCEL von Microsoft ist ironisch zu lesen (»E XCEL-Pappe« IP7, Absatz 38), denn gerade diese Anwendung bekomme, so wird anderenorts erklärt,9 die Komplexität von Projekten nicht in den Griff. Erfolgreiches Projektmanagement, so lässt sich hier ablesen, gelingt im Wesentlichen durch die Wahl des richtigen Werkzeugs, das den »gesunden Menschenverstand« erweitern sollte. Dies betrifft insbesondere die Art der grundlegenden Planung, die mehr umfasst, als nur die Durchführung konkreter Arbeiten. Hinzu kommen die Selbstorganisation und die Strukturierung des Vorhabens. Dessen Komplexität, im Licht des Verstandes betrachtet, gibt vor, dass strukturierende Stützen des Projektmanagements in Anspruch genommen werden sollten. Dennoch: »[A] fool with a tool is still a fool« (IP7, Absatz 44). Grundlage projektspezifischer Arbeit ist die Notwendigkeit, Ordnung und Struktur zu schaffen. Zwar besteht in den Aussagen eine gewisse Divergenz zwischen dem Standpunkt, dass Methodenwissen die Ratio des Verstandes abgelöst hat, und der Position, dass der Verstand sich gerade dadurch auszeichnet, die richtigen Werkzeuge für die Organisation heranzuziehen, dennoch lässt sich für beide Bewegungslinien dasselbe Fundament ausmachen. In beiden Fällen bezieht sich der gesunde Menschenverstand auf Prinzipien der Organisation von Tätigkeit. Es kommt dadurch zum Tragen, indem es dem Strukturieren der Manager_innen ein Grundgerüst gibt.

9 | Beispielsweise ersichtlich in folgendem Zitat: »Das war eine riesen Pappe, ziemlich schwer zu überblicken und wie es in E XCEL nun mal so ist, man kann keine Abhängigkeiten darstellen. Man kann einzelne Kästchen machen und pro Kästchen ist es dann entweder ein Tag oder eine Woche Dauer, man kann aber keine Ressourcen zuordnen. Man hat überhaupt keinen Überblick, wenn sich Vorgang A verschiebt, hat das irgendwelche Auswirkungen auf Vorgang B? Das ist nicht automatisch verknüpft, das hat man wenn dann im Kopf, man kann das nur sehr schwer abbilden« (IP7, Absatz 36).

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4.2 A RBEITEN IN PROJEKTFÖRMIGEN S TRUKTUREN In Kapitel 3.2.1 habe ich argumentiert, dass sich in der Projektarbeit die Transformationsdiagnosen von Erwerbsarbeit zeigen. Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung treten in diesen Beschäftigungsverhältnissen deutlich verzahnt zutage. Aus den Expert_inneninterviews werden Details dieser Arbeitssituationen sichtbar, die über die alleinige arbeitssoziologische Deutung veränderter Arbeitsbedingungen hinausgehen und in Teilen die Strukturlogik dieser drei Dynamiken sichtbar machen. Für ein Verständnis von Projektarbeit sind die Einblicke in die Tätigkeiten zentral, um zu verstehen, wie Projekte strukturiert werden. 4.2.1 Tagesgeschäft: Kommunikation und Repräsentation Einen tieferen Einblick in Projektarbeit, ihre Inhalte und Zusammenhänge gewähren Antworten auf die Frage, wie individuelle Tagesabläufe gestaltet werden. Gerade in klassischen Projekten sind Arbeitsinhalte und -ziele zu vermuten, die wenig Routine beinhalten. Gegenüber fordistischer Produktionsarbeit ist diese Arbeit stark zergliedert und auf einer Metaebene angesiedelt. Sie befasst sich indirekt mit dem Projektziel, dem Gegenstand oder der Dienstleistung, indem sie sich auf Rahmen, Qualifikationen oder Wissen bezieht. Obwohl dadurch Ungewissheit und Varianz im Arbeitstag entstehen, wird sie durchweg positiv betrachtet: »Im Projektmanagement ist das Schöne, was mich persönlich auch begeistert, dass jeder Arbeitstag völlig anders aussieht, dass ich natürlich auch absehen kann, was ungefähr nächsten Monat sein wird, aber im Gegensatz zu einem Fließbandarbeiter, weiß ich nicht ganz genau was der heutige Tag wieder bringen wird. Ich hab mir für heute fünf Punkte vorgenommen, die ich bearbeiten möchte. Das ist zum einen Regeln für ein Projekt aufstellen, dass gerade in der Startphase ist, um die dann diskutieren zu können mit dem gesamten Projektteam, dem Kunden und Intern. Dann will ich noch an einem kaufmännischen Reporting arbeiten. Für eins der Projekte braucht der Projektplan eine Überarbeitung. Den hatten wir grob für den nächsten Monat geplant und jetzt ist der Moment erreicht, wo es in die Feinplanung geht« (IP1, Absatz 8).

Neben der offenkundigen Wertschätzung für eine solche abwechslungsreiche Beschäftigung ist die tagesaktuelle Planung der Tätigkeiten interessant, da der Interviewte frei über seine Zeit verfügt. Die Arbeitsinhalte, die er nennt, sind allesamt organisatorische. Sie dienen dazu, dem Projekt einen Rahmen für die eigene Arbeit zu geben (darüber hinaus auch anderen projektbeteiligten Parteien wie dem angesprochenen Kunden). Neben den sogenannten »Spielregeln« ist der Arbeitsinhalt kommunikativer Kitt des Berichtswesens sowie der Fortschreibung und Vertiefung des

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Projektplans über den aktuellen Monat hinaus. Etwas detaillierter und auch strukturierter sieht der Tagesplan eines Interviewten aus einem Schienenverkehrsprojekt aus. »Wenn man sich so einen Tagesablauf hier anguckt, dann wäre das morgens immer eine Stunde Kernteam, Jour fixe, [. . .] in dem die tagesaktuellen Themen auf den Tisch kommen, die Wochenplanung durchgesprochen wird, die nächsten Aktionspläne für die Gruppe festgelegt werden. Also was ist als Nächstes zu tun; welche Dienstreisen stehen an; wie müssen wir den Kunden anbinden; wo müssen wir eskalieren; wo müssen wir an die Leitung reporten? Also das reine Managementgeschäft. Wir sprechen da keine Technik durch, also nicht im Detail, wir erfahren zwar, wenn irgendwas schief geht aber wir werden uns nicht auf Details einlassen. Das kann nicht Aufgabe dieses Teams sein. Dazu sind wir viel zu weit oben. [. . .] Dann gibt es nach diesem Jour fixe, meist weitere Besprechungen in den einzelnen Gruppen, in die man dann als Eskalation mit rein gerufen wird. Da geht es hin zu Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Es gibt technische Machbarkeiten, da liegen mir dann Entscheidungsvorlagen vor: Was kostet es; was hat es für Auswirkungen; welche Risiken? Das ist soweit alles aufbereitet und von uns als Projektleitung wird erwartet, dass wir ganz klar festlegen, wir gehen den Weg A oder Weg B oder wir wollen noch mal eine Detaillierung der Entscheidungsgrundlage, weil wir die noch nicht optimal finden. Wir sind eigentlich wirklich nur noch die Eskalationsebene. Von uns werden Entscheidungen erwartet, die uns aber aufbereitet vorliegen und das geht meist, wenn wir hier sind, den Tag lang durch, dass man wirklich in Einzelgespräche reingeht, die auch sehr kurz gehalten werden, weil es wirklich viele Themen sind, also ich sag mal maximal eine Stunde mit den entsprechenden Leuten. Die meiste Zeit sind wir allerdings auch unterwegs, das muss auch koordiniert werden [. . .]. Also ich sage mal so: Zwei Tage die Woche am Standort wäre im Schnitt gut und drei Tage die Woche sind wir dann unterwegs [. . .]. Eigentlich besteht mein Geschäft darin, die Aufgaben immer zu verteilen, mit den entsprechenden Zielvorgaben [. . .]. Der Mannschaft die Strategie mitteilen, die Mannschaft auch zu informieren, kommunizieren, motivieren und dann diese entsprechenden Strategien und Ansätze beim Kunden durchzusetzen. Ich sag mal, 80 Prozent sind Durchsatz beim Kunden und 20 Prozent sind Durchsatz intern [. . .]. Was dann noch zusätzlich zum Tagesgeschäft kommt, ist das ganze Berichtswesen firmenintern. Das heißt, Reporting an meine Leitung, bis hin zur BU-Leitung [Businessunit-Leitung; Y. K.], und alle zwei Monate in die Divisionsleitung, wo man auch einfach Folien vorbereitet [. . .]. Da ist auch eine gewisse Strategie gefordert, wie man reportet und was man von der Leitung einfordert. Beziehungsweise welche Informationen auch wirklich rechtzeitig vorliegen müssen« (IP3, Absatz 4).

Der Befragte benennt ebenso wie IP1 als Inhalte eines typischen Arbeitstages vorrangig organisatorische Aufgaben, die die Zuweisung von und die Entscheidung über Arbeitsinhalte umfassen: »reines Managementgeschäft«. Als Kopf der Projektleitung sieht er seine Aufgabe darin, Entscheidungen zu fällen. Er hat eine vermittelnde Position. Er Probleme niedrigerer Stufen auf höherer Ebene, indem er sie ›eskaliert‹. Wie an anderer Stelle angedeutet, geht es tatsächlich um die konkrete Abwägung von Alternativen bei unvollständiger Informationslage. Daneben hat er eine Art po-

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litisches Mandat gegenüber externen Parteien wie Kund_innen oder dem eigenen Unternehmen inne. Das heißt, er muss kommunizieren, delegieren, repräsentieren oder berichten. Gegenüber der Auflistung der eigenen Tagesaufgaben, bietet der folgende Interviewausschnitt einen Einblick in den Terminkalender von IP1 (Absatz 24). Seine Verpflichtungen decken planerische Aktivitäten ab und beinhalten informelle Besprechungen, die Erfahrungsaustausch und der Informationsbeschaffung dienen. Arbeit findet hier informell statt und gestaltet die eigene Arbeitssituation mit. Ein Detail am Rande stellt die Anzahl ungelesener E-Mails dar, welche sich neben dem Terminplan im Softwareprogramm einsehen lassen: 134. Gerne werden solche Zahlen als Indikator für Arbeitsstress herangezogen. An dieser Stelle deuten sie jedoch nur an, wie zentral kommunikative Aufgaben im Projektarbeitsalltag sein können.10 Die Projektleitung fungiert als Schnittstelle, an welcher die Informationsflüsse aus dem Projekt und aus der Umwelt zusammenlaufen. Die Aufgabe der Projektmanager_in besteht daher darin, diese Korrespondenz weiterzuleiten, zu filtern, zu selektieren, aufzubereiten und zu sammeln. »[W]enn wir jetzt mal in den Terminkalender reinschauen, das ist jetzt natürlich mein eigener Terminkalender. Das ist ein kommerzielles Thema; hier müssen wir eine Prognose abgeben, welchen Personal- und Materialbedarf wir so in den nächsten Monaten sehen. Die Genauigkeit dieser Prognosen war bisher ziemlich mangelhaft, daher diese Runde, um diese zu verbessern. Dann will ich von Kollegen noch lernen, die ein Projekt gemacht haben, wie deren Lessons Learnt waren. Das Ganze ist Terminplanung hier; Abteilungsmeeting. Morgen mache ich mich dann auf den Weg nach Bonn. Da haben wir ein Meeting zum Testen [der Technik; Y. K.]. Hier muss ich gucken, ob unsere Stunden richtig verrechnet werden. Eine Aufforderung an die Kollegen, ihr Reporting zu erstellen an mich. Hier gibt es neue Vorgaben, wie wir das kaufmännische Controlling unserer Projekte zu erledigen haben. Dann gehen wir hier durch Vertragsthemen durch. Das ist mein Meeting mit dem Kunden zum Upgrade-Projekt, das ist ein Meeting mit einem Kunden zu anderen Projekten. Hier muss ich eine Personalrunde mit meinem Chef vorbereiten. Das ist das eine. Und du siehst hier: ungelesene Mails, noch 134. Da steckt auch noch einiges an Arbeit drin. Ich weiß, was da ungefähr kommt – da ist noch einiges zu tun« (IP1, Absatz 24).

Ähnliches wird auch in einem anderen Gespräch deutlich: »Also als Projektleiter, der ganz oben steht, ist es [der Arbeitsinhalt; Y. K.] heutzutage eigentlich hauptsächlich E-Mails, weil da alles zusammenläuft. Da laufen von unten aus dem Team

10 | E-Mails sind Sinnbild einer neuen Stressbelastung von Arbeit geworden, in welcher die Sisyphus-gleiche Bearbeitung elektronischer Post niemals aufhört (vgl. Rosa 2005: 119 f.).

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und auch von oben natürlich, von extern, Lieferanten und Kunde, alle Mails beim Projektleiter zusammen. Das heißt: E-Mail ist eigentlich so ein zentraler Informationsfluss, der beim Projektleiter zusammenläuft und das ist eigentlich fast seine Hauptaufgabe, jeden Tag seine E-Mails zu checken und teilweise weiter zu verteilen. Es ist auch immer so, dass bei den meisten Projekten, bei den größeren, ist es eigentlich so, dass es beim Kunden auch einen Projektleiter gibt und die gesamte Kommunikation zwischen Kunden, der auch einen Betrieb hinter sich hat auch mit Unterlieferanten, über die Leitungen geht. Die Unterlieferanten werden teilweise von den Teilprojektleitern ausgesteuert; alles was zum Kunden geht, geht über den Projektleiter. Das heißt, diese einzelnen Teammitglieder dürfen eigentlich bei fast allen Projekten nie direkt mit dem Kunden kommunizieren. Das heißt: Der ganze E-Mailverkehr geht hier über den Projektleiter. Das ist sehr anstrengend. Allerdings weiß der Projektleiter auch immer Bescheid. Genauso der Kunde eigentlich in seinem Betrieb und in seinen Fachabteilungen, die er teilweise hat, verteilt – der macht das genauso. Da gibt es auch ein Pendant, einen Projektleiter beim Kunden. Und so laufen eigentlich immer die Kommunikationswege ab. Das heißt: Die Hauptaufgabe ist die ganze Kommunikation über E-Mail hauptsächlich, über Briefe geht fast gar nichts mehr, oder natürlich über Telefon und Meetings. E-Mail, Telefon, Meetings: Das ist eigentlich so die Hauptsache. Was er dann noch macht, sind die ganzen Planungsphasen: Pläne kontrollieren und so weiter, Ergebniskontrolle und dann die Reviews beziehungsweise die Statussachen, die er überprüft und monatlich aktualisiert. Das sind so die Hauptaufgaben: Einmal die Kommunikation, die Planung, alles was hier kosten- oder terminmäßig ist, zu überprüfen und dann in den Reviews und den Statussitzungen aufbereitet zu kommunizieren« (IP4, Absatz 37).

IP4 beschreibt einen sehr allgemeinen Arbeitstag und zählt idealisierte Tätigkeiten auf. Dadurch wird dennoch ersichtlich, wie stark die kommunikativen Aufgaben der Projektleitung bewertet werden. Sie sind Knotenpunkt jeder Schnittstelle nach außen. Organisationstheoretisch gedeutet, unterbindet die Leitung informellen Austausch zur Projektumwelt, beispielsweise zu den Kund_innen. Die Aufgaben der Repräsentation an den Außenschnittstellen obliegt der Leitung und hiermit wird eine Sprecher_innenposition generiert, die auf die Projektplanung zurückwirkt. In den Erläuterungen ihrer Tagesabläufe haben die Interviewten besonders die Aspekte der Kommunikation und Informationsflüsse beschrieben, die als eine der zentralen Tätigkeiten angesehen werden kann. In Kapitel 5.2.1 wird dieser Punkt unter einem organisationssoziologischen Gesichtspunkt aufgegriffen. 4.2.2 Entscheidung und Verantwortung Projekte existieren in der Regel im Kontext einer sie umschließenden Organisation. Neben der Projektleitung, hat auch das Unternehmen ein spezifisches Interesse am Projekterfolg, entledigt sich jedoch eines Großteils der Verantwortung. Sie überträgt sie auf die Projektleitung, die sich somit in einer ausführenden und verantwortenden

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Position befindet. In der Literatur wird regelmäßig auf diesen Punkt als problematische Fehlerquelle eingegangen, beispielsweise wenn das Unternehmen zwar einerseits Verantwortung delegiert, andererseits aber nicht Befehls- und Entscheidungsbefugnisse zugesteht. Als ›zahnlose‹ Führungskräfte, die zwar mit Verantwortung beladen und zur Rechenschaft gezogen werden, aber nur begrenzt eigenverantwortliche Entscheidungen treffen können, sind Projektmanager_innen dazu verurteilt, auf nicht beeinflussbare Situationen zu reagieren (vgl. Schelle 2010: 39). Die Sicht auf die eigene Rolle verbindet ein gesondertes Verantwortungsbewusstsein mit leitenden und repräsentativen Aufgaben gegenüber der Geschäftsführung. Dies ist eine Schnittstelle, die selbstverantwortliche und eigenorganisierte Arbeit mit Konzepten unternehmerischen Handelns verbindet. Projektleitung vereint beides in sich und fordert dies auch vom Führungspersonal ein. »Im Prinzip ist der Projektleiter eigentlich der Chef. Wenn ich ein 50 Millionen-Projekt habe, eigentlich schon von einem mittelständischen Unternehmen. Wenn man mal zusammenzählt, mit allen Unterlieferanten, mit allen Monteuren auf den Baustellen, dann kommen da schnell 100 Leute zusammen, die man unter sich hat. Das entspricht eigentlich schon einer Firma. Man ist Geschäftsführer von diesem Projekt; so muss man sich auch sehen, als Projektleiter. Man darf da auch relativ eigenständig agieren. Man bekommt eine Projektleiterernennung am Anfang des Projektes, man bekommt auch eine Unterschriftsberechtigung, die bis zu einem gewissen Grad berechtigt Einkaufsvorgänge zu tätigen. Da gibt es natürlich Abstufungen: Als Projektleiter darf man, glaube ich, bis 20 000 e unterschreiben und danach muss man noch vom oberen Management jemanden dazu holen. Aber so in einem gewissen Rahmen hat man komplette Entscheidungsbefugnisse und man ist komplett verantwortlich für alle Entscheidungen, die im Projekt geführt werden. Wenn es Eskalationen gibt, dann gibt es das obere Management, das da dann auch mit entscheidet. Was man natürlich auch machen muss, ist immer das Berichtswesen. Das heißt, man muss monatlich seinen Status aktualisieren und bei Bedarf dann auch dem Management berichten. Vor allen Dingen wollen die immer wissen, wie das Projekt finanziell dasteht, ob sich das verbessert oder verschlechtert hat, wie die EBIT-Raten [Earnings Before Interests and Taxes (Gewinn vor Zinsen und Steuern); Y. K.] sind, das heißt, der Gewinn, der in dem Projekt gemacht wird. Das wird eigentlich monatlich immer gepflegt und ab und zu in Projectreviews an das Management nach oben berichtet. Wenn es in die Miesen geht, dann ist man natürlich noch öfter da und muss Rede und Antwort stehen. So ganze ohne ist das als Projektleiter nicht. Man ist immer der Verantwortliche – auch gegenüber dem Kunden. Man ist immer der direkte Ansprechpartner für den Kunden; kein anderer. Das heißt, man muss auch alles was geschieht als Projektleiter verantworten« (IP4, Absatz 22 f.).

Konkrete Entscheidungstätigkeit ist Teil der Leitungsrolle. Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits auf die gesonderte Bedeutung von Entscheidungsvorbereitung und -fällung hingewiesen. Hier wird sie nun im Lichte der Managementkompetenz be-

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tont: Individuelle Verantwortung wird an der Bedeutung der Entscheidung gemessen und ist dadurch mit der Fähigkeit gekoppelt, Verantwortung zu übernehmen, indem sie delegiert wird. »[W]ir sind in einer Projektorganisation, dann muss er [der Projektmanager; Y. K.] Entscheidungen treffen können. Wenn er keine Entscheidungen treffen kann, dann ist er der falsche Mann auf der Position. Ich sag immer im Zweifel muss er sie treffen. Er kann ja durchaus andere Meinungen nachfragen und kann die auch berücksichtigen. Aber es muss einen geben, der im Zweifel sagt, wir gehen jetzt links rum oder rechts rum« (IP7, Absatz 56).

Die Manager_in orchestriert die Bewegung des Projekts und ist richtungsweisendes Organ. Der bestimmte Kurs ist immer als Ausschluss zu werten, denn er klammert andere Richtungen aus – es ist ein zu verantwortender Kurs. Die Entscheidung fällen Projektmanager_innen nicht, Mitarbeiter_innen legen Entscheidungsgrundlagen und Alternativen zur Diskussion vor – im Zweifel müssen Entscheidungen dennoch alleine getroffen werden. Zeitdruck ist ein wesentlicher Faktor, der die Entscheidungen forciert.11 Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass die Angestellten der Entscheidung auch folgen – gerade, wenn das Projektteam zur Entscheidungsfindung beigetragen hat. Denn die prinzipielle Offenheit des Arbeitsprozesses ermutigt die Angestellten, eigene Lösungen und Ideen zu verfolgen, die dem Projektfortschritt hinderlich sein können. »Und dann wird meist in dem gleichen Rahmen die Entscheidung getroffen. Ganz oft sind das Bauchentscheidungen. Man hat die Fakten aber ganz oft nicht, wenn man zwischen zwei Sachen zu entscheiden hat und das ist wie Pech oder Schwefel, dann trifft man Entscheidungen. Was das schlimmste für so Großprojekte ist, ist keine Entscheidung zu treffen. [. . .] [G]anz blöd ist, wenn man rumeiert und die Mitarbeiter nicht wissen, wo es langgeht. Also wenn Mitarbeiter dann ihre Lösungsmöglichkeiten immer noch im Hinterkopf mitverfolgen – und das passiert in so einem großen Unternehmen; [. . .] hier muss man wirklich klar drauf achten, dass in der Kaffeeküche nur die Entscheidung, die man getroffen hat, diskutiert wird und nicht die Leute auf ihre Plätze zurückgehen und sagen: ›Ja, jetzt hat er die Entscheidung getroffen aber das andere hätte ich auch gerne.‹ und diskutiert mit seinem Kollegen weiter. Da macht man etwas verkehrt. Man muss denen ganz klaren Ansatz geben: ›Die Entscheidung ist jetzt getroffen, ob du die jetzt mitträgst oder nicht, ich hätte gerne, dass du sie mitträgst. Aber selbst, wenn du dagegen bist, akzeptiere es und alles andere wird jetzt nicht weiter betrachtet.‹ Weil das ist der Tod. In so einem Unternehmen bilden sich so schnell Grüppchen und Meinungen. Wenn man da nicht hart ist, dann machen so Leute aus einem Thema so’n ›Jugend forscht‹. Das ist tödlich.

11 | Hierfür immer wieder spannend zu lesen: Niklas Luhmann (1971), Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten.

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Die investieren Zeit ohne Ende in eine angebliche Idee, die sie noch haben. Das sollte man nicht immer unterbinden; das ist ja auch gut, dass sich Leute kreativ beteiligen und weiter entwickeln aber man muss auch ganz klar sagen: ›Jetzt gehen wir den Weg A‹ und alle gehen den Weg A und stehen dahinter. Da muss das auch jeder mittragen. Das ist eine gewisse Disziplin, die man da einfordern muss« (IP3, Absatz 6).

Zentral ist es also auch, Entscheidungen gegenüber dem Team zu rechtfertigen und einzufordern. Einerseits gehe es nicht darum, Kreativität zu beschneiden, aber andererseits eben doch darum, diese in die ›richtigen‹ Bahnen zu lenken. Die Leitung einer Projektgruppe ist ein Gratwanderung. Eigenkreativität und Ideen sind zwar förderlich, die Projektleiter_in muss die Gruppe aber auch steuern und unter Kontrolle halten. Hierfür muss der eigene Kurs klar sein, dem die Gruppe dann folgen kann. Dass dies nicht immer der Fall sein kann, ist eine Grundeinsicht der Projektarbeit. IP6 beschreibt aus seiner Erfahrung als Coach in mittelständischen Unternehmen die Tätigkeit der Projektleitung als Krisenlösung. Bei Abweichungen sei Intervention gefragt. Auch müssten Korrekturen am Projektplan vorgenommen werden. Die Verantwortung des Managements liegt hier in der Überwachung und dem Eingreifen; es muss von Anfangs- und Endpunkt des Projektplans durch die Arbeit verbinden. »Ich gehe jedes Mal mit den Projektmanagern, die ich mir aussuche, diese Liste durch; was hat er eigentlich gemacht? Da sehen sie auch deutlich, der PM [Projektmanager; Y. K.] greift immer nur dann wirklich ein, wenn etwas schief geht und nicht ganz genauso läuft, wie es laufen soll. Das ist die Regel. Also im Grunde genommen ist es, wenn man es auf den Punkt bringen soll, was macht der PM? Der PM ist im Grunde immer, während des ganzen Projektes durch der Krisenmanager im Kleinen, der immer wieder das Projekt steuert. Das ist wie so eine, stellen sie sich eine Linie vor, etwas entwickelt sich aber es entwickelt sich nicht so – im Rückblick ist es immer eine gerade Linie – aber mit Blick nach vorne geht es immer so [IP6 deutet eine Zickzackbewegung an]. [. . .] Er hat im Grunde immer auf Grundlage des Plans zu regeln und das macht er durch ständige Überwachung und Eingreifen« (IP6, Absatz 32).

Ständiges Maßregeln und das Abarbeiten an bestehenden Plänen sind Zuständigkeiten der Projektleitung. In Krisensituationen zu entscheiden, ist verantwortliches Handeln mit doppelter Bedeutung: Zum einen muss die Krise gelöst werden, zum anderen wird die Verantwortung für die Entscheidung übernommen – auch im Falle des Scheiterns. Das Team muss auf Projektkurs gebracht werden, soll den Entscheidungen folgen und nicht eigene Abweichungen produzieren. In kritischen Situationen muss anhand der Ausgangssituation und bestehender Pläne entschieden werden. Die Projektleiter_in hat eine repräsentative Funktion, in der sie die getroffenen Entscheidungen vertritt und für sie eintritt. Der Arbeitssoziologie mangelt es an einem spezifischen begrifflichen Instrumentarium, mit dem solche Aufgaben als Arbeit erfasst und inter-

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pretiert werden können. Gerade der Entscheidungs- und Verantwortungsbegriff muss an dieser Stelle Eingang in die arbeitssoziologische Betrachtung des Themas finden. 4.2.3 Hierarchie und Weisung Projekte sind nicht frei von Hierarchie, auch wenn sie als spezielle Organisationsform ein flaches Weisungsgefälle aufweisen. Historisch-klassische Industriebetriebe zeichnen sich weitestgehend durch eine klare Trennung zwischen Arbeiter_innen und Manager_innen aus, meist orientiert entlang der Trennung von Hand- und Kopfarbeit im Sinne des scientific managements (vgl. Richter 2013). In Projekten sind Angestellte nicht nach dem Prinzip Befehl/Gehorsam organisiert, sondern durch selbstverantwortliche Leistungserbringung mit individueller Leistungsbewertung nach qualitativen Maßstäben strukturiert (vgl. Pongratz 2003: 191 ff.).12 Höherqualifizierte Arbeitsverhältnisse zeichnen sich eine durch weniger disziplinarisch orientierte Personalführung aus, die insbesondere aus der sozialpsychologischen und betriebswirtschaftlichen Forschung kommt (vgl. sozialpsychologisch Brodbeck, Maier und Frey 2002; soziologisch Pongratz 2003: 29 ff.). Ein zentraler Punkt der Weisungsbefugnis in Projekten ist ihre latente Durchlässigkeit, die sie gegenüber anderen Formen sehr flexibel macht. Einleitend lässt sich dies anhand eines Interviews zeigen. Geschildert wird ein unorthodoxer Ablöseprozess, in dem der letzte Leiter seine Position zugunsten von IP3 geräumt und dafür die stellvertretende Leitung übernommen hatte. Projektleiter und Stellvertreter haben die Plätze getauscht. »Der Fall ist absolut unüblich und eigentlich auch so einzigartig, dass viele gesagt haben, dass er nicht funktionieren wird. Man muss sich vorstellen, es hat jemand freiwillig gesagt, er schafft es nicht oder er möchte es sich nicht mehr zumuten, aus persönlichen Gründen. Es ist auch eine große Belastung gewesen. Mein Vorgänger hat da eineinhalb Jahre gehabt, die sehr hart waren in der Diskussion mit dem Kunden. Er hat da einen super Job gemacht aber er hat für sich gesagt, er möchte nicht mehr. Der normale Weg ist dann normalerweise der, dass die Leute aus dem Projekt rausgehen. Weil innerhalb der der Gruppe ist es natürlich blöd, wenn ich einen Schritt zurückgehe und nach wie vor im Team bin. Das hat zwei Seiten: Zum einen ist es natürlich ein bisschen der Stolz, diesen Weg gehen zu können. Der andere Schritt ist der Nachfolger, der dann oben drüber sitzt, muss dann damit leben, dass da drunter einer sitzt, der alles mal vorher gelebt hat, und man möchte jetzt viele Sachen anders machen. Also die Gefahr, dass man als Gesamtprojektleiter immer einen hat, der einen beobachtet, der vielleicht auch reinredet und sagt: ›So haben wir es nie gemacht‹. Oder ›Ich habe es vor eineinhalb Jahren noch so gemacht‹. Die ist natürlich da. Das setzt eine gewisse Disziplin voraus und eine gewisse Stärke, zu sagen: 12 | Vertrauen und Freiräume in der Arbeit wurden weiter oben bereits erwähnt (vgl. Kapitel 4.1.2 sowie IP3, Absatz 18 f.).

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›Ich habe den Schritt zurückgemacht, da kommt jetzt jemand neues, der macht sein eigenes Ding und ich werde voll vertrauen, was der entscheidet‹. Das kann man gar nicht hoch genug anrechnen, dass er zurückgeht und dem Projekt trotzdem noch zur Verfügung steht. Der normale Schritt ist, dass die Leute dann einfach gehen und dann weg sind. [. . .] Das funktioniert in der Konstellation aber nur, weil wir schon mal ein Projekt zusammen abgewickelt haben. Menschlich kennen wir uns in- und auswendig, wir wissen, wie wir ticken und wir haben Vertrauen zueinander. Nur auf dieser Grundlage hat das funktioniert« (IP3, Absatz 11).

Dieser längere Ausschnitt ist aufgrund mehrerer Aspekte interessant: Erstens ist die Tatsache, dass der Projektleiter in der Hierarchie zurücktritt und mit der Stellvertretung die Rolle tauscht, sehr ungewöhnlich (wie von IP3 auch selbst beschrieben); sie ist sogar so undenkbar, dass sie in der Projektmanagementliteratur gar nicht erst verhandelt wird.13 All dies unterstreicht die Position der Projektleiter_innen als Verantwortungsträger_innen, die in Problemsituationen vorrangig die Aufgabe haben, ›zu gehen‹.14 Zweitens ist es innerhalb der individuellen Karriere schwer zu vermitteln, einfach einen ›Schritt zurück‹ zu machen. Karriere impliziert einen stetigen Aufstieg, aber nicht einen Rücktritt innerhalb des eigenen Projekts. Der angesprochene Projektleiter wurde eben nicht geschasst, sondern hat sich aus freien Stücken untergeordnet. Drittens stellt der Vorgang klassische Hierarchien und Weisungsbefugnisse infrage: IP3 erläutert, das Verweilen des alten Projektleiters berge die Gefahr, dass er in den Führungsstil der neuen Leitung eingreifen oder ihn unterlaufen könnte. Entgegen der strikten Wahrung hierarchischer Strukturen eröffnet der Interviewte einen alternativen Modus, Weisungen durchzusetzen: Vertrauen. Vertrauen ist, so banal dies erscheinen mag, Grundelement sich verändernder Arbeitsformen geworden, da diese auf ein Mindestmaß an Freiheit und Selbstständigkeit der Angestellten angewiesen sind. Hiermit gewinnt das Transformationsproblem von Arbeitskraft eine neue Qualität. Da es nicht mehr Gegenstand einer hierarchischen Beziehung und damit Teil einer sozialen Schichtung in der Organisation ist, sondern die Beziehung in die Individuen hineinverlagert wird, wird es zu einer Selbstbeziehung, die intrinsisch ausgehandelt

13 | Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zum einen ist es fraglich, ob Beratungsliteratur überhaupt mit einem solchen Fall persönlicher Resignation umgehen kann, da er ihrer Eigenlogik zuwiderläuft. Zum anderen ist ihre Zielgruppe gerade die Projektleitung, die automatisch als Adressatin verschwindet, wenn sie zurücktritt. Letztendlich stellt sich die Frage, ob dieser Fall überhaupt im Möglichkeitsraum der Beratungsliteratur existiert. Dies ist gekoppelt an die Bedeutung, welche die Literatur dem Scheitern ihrer Anwender_innen zugesteht. 14 | Dies passt zu der Aussage von IP3, die auf Seite 117 zitiert wird: Als Verantwortungsträger_in eines Projektes ist die Projektleiter_in auch damit konfrontiert, im Zweifel abgesetzt zu werden (oder abzudanken).

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werden muss. Das Transformationsproblem kann nur mittels Motivation bearbeitet werden, und basiert auf dem Vertrauen in die Angestellten. Projekte weisen organisational zwei verschiedene Hierarchieformen auf, fachliche und disziplinarische, die in der Form einer Matrix aufeinandertreffen.15 Die Projektleitung gehört zur fachlichen Struktur und ist mit der disziplinarischen Struktur verflochten. In Personalfragen kann sie sich über die fachliche Steuerung hinwegsetzen und beispielsweise dem Projekt die benötigten Ressourcen (Personal oder ›Spezialist_innen‹) verwehren. Im Sonderfall der reinen Projektorganisation gibt es keine disziplinarischen Linienstrukturen, sodass es hier nur auf fachlicher Ebene eine hierarchische Beziehung gibt. Auf die Frage, ob denn dann Hierarchie überhaupt eine Rolle spiele, schildert der Befragte das Ineinanderfallen beider Vorgesetztenfunktionen. »Das ist auch wieder eine Frage der Projektorganisation. In der reinen Projektorganisation ist der Projektleiter ja auch der disziplinarische Vorgesetzte. Das heißt, er ist derjenige der Ziele vereinbart, Urlaube genehmigt etc. In der Matrix ist nach wie vor der Linienchef derjenige, der diese Entscheidungen treffen kann. Dennoch gibt es natürlich noch in einer Projektorganisation Hierarchien. Auch wenn der Projektleiter kein disziplinarisches Weisungsrecht hat, ist er natürlich derjenige, der seine Teilprojektleiter und die wiederum ihre Projektmitarbeiter steuern müssen. Ein komplett gestelltes Projektteam habe ich noch nicht gesehen, dass es das gibt und dass das funktioniert« (IP7, Absatz 50).

Ein häufig geschildertes Problem der Matrixorganisation liegt in der Verfügbarkeit des Personals. Da die Angestellten zum einen in der Grundorganisation des Unternehmens verweilen, aber auch Aufgaben in Projekten erledigen müssen, werden immer wieder Interessenkonflikte zwischen den beiden Steuerungsebenen und belastende Arbeitszusammenhänge geschildert. Fragen der direkten Personalsteuerung begleiten diese Aufgaben ebenso, denn de facto sind die Angestellten »Diener zweier Herren« (IP5, Absatz 28). Hieraus resultiert eine hochgradig widersprüchliche Arbeitsform, die Hierarchie und Weisungsbefugnisse uneindeutig und prinzipiell unabschließbar machen. Sofern es sich bei einem Unternehmen nicht um eine reine Projektorganisation handelt, die über keine Linien verfügt, ist die Beziehung zwischen Angestellten und zwei Führungspersonen tendenziell konfliktanfällig.

15 | Für Erläuterungen und Anmerkungen zur Matrixorganisation, siehe Kapitel 3.3.2 und die dort zitierten Autoren (Galbraith 1971; Hobday 2000: 874 ff.; Minssen 2006: 132 ff.).

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4.3 P OLITISCHE AUSHANDLUNGEN Gruppenarbeitssituationen sind sozial und durch kooperative wie konflikthafte Momente geprägt. Projekte sind darüber hinaus eine sehr kommunikations- und aushandlungsintensive Arbeitsform, die per se anfällig für Konflikte ist und grundlegend auf die Kooperation der einzelnen Mitglieder angewiesen ist. Der Umgang mit ›Störungen‹ stellt einen wesentlichen Teil des Arbeitsprozesses in Projekten dar und wird durch die Projektmanager_in als vermittelnde Instanz angestoßen. Teilweise finden sich hierzu konkrete Hinweise in der Projektmanagementliteratur. Das Thema wird allerdings dem Gebiet der Mitarbeiter_innenführung zugeordnet (vgl. Abschnitt 4.2.3). Jene Führungsstrategien weisen bereits auf ein in der sozialpsychologischen sowie betriebswirtschaftlichen Führungsforschung vernachlässigtes Thema hin: Welche Macht- und Herrschaftsverhältnisse werden durch Führungsstrategien und Arbeitsprozesse etabliert? Wurde im letzten Abschnitt auf die Implikationen für Hierarchie und Weisungsbefugnisse eingegangen, stehen nun latente Macht- und Herrschaftsmechanismen im Fokus, welche das Projekt als sozialen Raum strukturieren. Darüber hinaus kann im Anschluss gezeigt werden, inwieweit zwischenmenschliche Konfliktlösungen ein politisches Handeln (im weitesten Sinne) erfordern, welches durch Hierarchie und Weisungsbefugnisse befördert und überhaupt erst ermöglicht wird. Zudem lässt sich darstellen, wie solche Konflikte von innen oder außen gehandhabt und auf welche Ebenen die Projektziele in der Unternehmenshierarchie verteilt werden, um »gewichtige Entscheidungen zu treffen« (IP9, Absatz 18). 4.3.1 Kontrolle, Macht und Herrschaft Zu den wichtigsten Schnittpunkten zwischen Arbeits- und Organisationssoziologie gehören die Themen Macht, Herrschaft und Kontrolle. Von zentraler Bedeutung sind sie daher auch für die Arbeitssituation und die Organisationszusammenhänge in Projekten. In der Arbeitssituation wirken sie auf die Tätigkeiten und auf das Verhalten der Individuen. Im Organisationszusammenhang sind sie Schaubild für Strukturen, die sich in Organisationen zeitigen. Die im vorangegangenen Kapitel durchgesehenen Forschungsarbeiten zeigen ein sehr zwiespältiges Bild von Herrschaft, Macht und Kontrolle, das zum einen auf Selbstkontrolle aufbaut und dadurch die Kriterien, die Rahmenbedingungen und die Kontrolle der selbstorganisierten Arbeit in die Individuen selbst verlagert. Zum anderen ist der Arbeitsprozess hochgradig standardisiert, diszipliniert und professionalisiert. Das bedeutet, es werden externe Maßstäbe an ›gutes‹ und ›richtiges‹ Arbeiten angelegt, welche aktiv befolgt werden müssen (code of conduct). Sie erstrecken sich auf das gesamte Feld der Arbeit, werden jedoch

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vornehmlich sichtbar, wenn Krisen und Probleme zu bewältigen sind. Dann schalten sich Routinen ein, die die Angestellten sukzessive vereinnahmen und anleiten – also fremdsteuern.16 Der folgende Interviewauszug beschreibt einen solchen Mechanismus, der an die Qualifizierung von Projektmanager_innen gekoppelt ist: Die Ausbildung findet nach den Kriterien der GPM / IPMA statt (vgl. Abschnitt 2.2). Beide benannten Dimensionen von Standardisierung und Selbstorganisation verbinden sich: Der Projektmanagementkenntnisstand leitet sich aus dem erreichten Zertifizierungsgrad ab und erzeugt somit einen erwartbaren Rahmen, in welchem die Manager_in agieren wird – ihr Verhalten in Krisensituationen ist angeleitet und vorhersagbar. Es folgt Regeln und Prozessen. Zusätzlich ist das Berichtswesen ein Mechanismus, der Kennzahlen liefert. Der Abgleich dieser Werte mit einem verankerten Standard erzeugt den Erwartungsraum, in dem sich das Projekt als Ganzes bewegen sollte. Die Selbstbestimmung wird hierdurch eingegrenzt – und zusätzlich durch projektexterne Gutachter_innen (»Audits«; englisch für ›Betriebsprüfung‹ – sowie »Reviewmannschaften«) überwacht. »Allein die Zertifizierung stellt natürlich sicher, dass diese Standards jedem von denen theoretisch bekannt sind. Dass er eine Prüfung bestehen musste, um diesen Standard auch anzuwenden. Klassisch in einem konkreten Projekt, das geht also nicht nur theoretisch, insbesondere natürlich, je höher die Klassifizierung, wird da inzwischen einiges gemacht an Prüfungen und an Assessments. Das ist erst mal so der Entrypoint und dann natürlich auch entsprechend der Standards, entsprechend der Guidance, die wir leben, gibt es gewisse Berichte. Die Berichte werden wiederum vom Management gesehen und wenn Implausibilitäten da sind, ist das wiederum über den Standard eine Möglichkeit, dem nachzugehen und zu gucken, wie sieht es denn in deinem Projekt aus: ›Du meldest hier entsprechend der Meilenstein-Trendanalyse, dass ihr da und da steht, jetzt zeig’ mir mal bitte genau, wo ihr da steht – im Projektterminplan, zum Beispiel‹. Das andere wäre, jetzt mal worst case, das Projekt läuft schlecht. Wir sehen das an den Zahlen; wir sehen, dass wir da in ein Minus laufen, dann würde zum Beispiel ein Audit ins Projekt geschickt. Wir haben da so verschiedene Auditmannschaften in der Firma oder Reviewmannschaften, je nachdem was es ist und die gehen dann neutral ins Projekt und gehen dann natürlich auch entsprechend der PM-Systematik [Projektmanagement-Systematik; Y. K.] vor.

16 | Die oft beschriebene Selbststeuerung ist in Punkten kontra-intuitiv: Pongratz und Voß (1997) weisen zu Recht darauf hin, dass diese auch fremdgesteuert ist und beispielsweise durch Kennzahlen, ökonomische oder inhaltliche Zielsetzungen festgelegt wird. Ihre Erfüllung wird von Projektteams und Individuen als individuelle Aufgabe gedeutet. Vor allem betrifft diese Diskussion die Organisation und fragt nach dem Verhältnis von Autonomie als reine Selbstbestimmung gegenüber einer von außen aufgezwungenen Selbstorganisation mit begrenzter Reichweite, welche beispielsweise nicht die selbstständige Definition und Veränderung von Zielsetzungen oder ökonomischen Kennzahlen umfasst

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Wenn die sagen, wir sind bei Projektmeilenstein A oder Projektmeilenstein F, dann sagen die: ›Ok, dann zeig mir mal alles, was du hast, um diesen Meilenstein zu erfüllen‹« (IP9, Absatz 12).

Das immanente Berichtswesen ist Kernelement der Projektsteuerung und produziert Sichtbarkeit. Als verankerter Standard ist es der zentrale Mechanismus, Einsicht in ein Projekt zu gewähren und es für die Unternehmensleitung greifbar zu machen. Idealtypisch sind Projekte einzigartig, was ihre Vergleichbarkeit nahezu unmöglich macht, es sei denn, sie wird durch ‚künstliche‘ Kennzahlen hergestellt. Diese Informationen müssen dann noch auf die eigentliche Faktizität des Projektes übertragen werden. Im Plan wird sichtbar, wo es zu Problemen kommt. Externe »Reviews« und »Audits« sorgen für eine unabhängige Prüfung des Projekts. Als kontrollierende Instanz entsendet, binden sie das Projekt wieder an die Unternehmenshierarchie.17 Das Sichtbarkeitsprinzip, auf dem Bürokratie fußt, dient einem schnellen und abstrakten Zugriff auf Grundlage der Rahmendaten des Projektplans, aus ihnen lassen sich dann Maßnahmen ableiten. Der Zweck dieser Rückbindung in die Hierarchie ist die Kontrolle des Arbeitsprozesses, aber selbst ist sie ebenfalls Teil einer spezifischen Arbeit im und für das Projekt. Sichtbarkeit wird aktiv hergestellt. Sie erzeugt Zurechenbarkeit und Vorhersagbarkeit, die als zentrale Mechanismen der (post-)bürokratischen Organisation Strukturierungsleistung erbringen. Sichtbarkeit wird mit Planung und Plänen verknüpft. Gewährleistet wird sie über grafisch aufbereitete Daten, die das Arrangement und die Zusammenhänge des Projekts verdeutlichen. Erläutert wurde bereits, dass Spielregeln für das Projekt aufgestellt werden, um Aufgaben und Zuständigkeiten für die Angestellten festzuschreiben (vgl. IP1, Absatz 8). Diese sind ebenso Aspekt klassischer bürokratischer Organisation und substituieren formelle Strukturen. Da Projekte adaptiv und flexibel sein sollen, ist die Neuregelung von Abläufen, in diesem Fall als Spielregeln beschrieben, äußerst wichtig. Im Gegensatz zur klassisch strukturierten Organisation ist aber diese Struktur aus dem Projekt selbst heraus generiert und legt eine Machtbeziehung im weitesten Sinne fest.18 Das bedeutet, dass dieses Machtverhältnis zu einem wesentlichen Teil in der Arbeit erzeugt wird. Es entspringt dem Ersinnen und Diskutieren der Regeln mit allen Parteien, dem Verschieben und neu Anordnen von Beziehungen, in einer organisatorischen Komponente. Ein Projektmanager erörtert, wie er in einer performativen 17 | Ein ähnliches Thema wird in Abschnitt 4.3.3 unter dem Schlagwort Eskalation diskutiert. 18 | Die hier angesprochenen Machtbeziehung und die Herkunft und Anwendung eines solchen relationalen Machtbegriffs werden im Verlauf der Arbeit noch genauer ausbuchstabiert (vgl. Kapitel 7.3). Vorab sei erwähnt, dass ein produktiver Machtbegriff hiermit impliziert werden soll, der nicht allein ›Zwang‹ oder ›Unfreiwilligkeit‹ suggeriert. Vielmehr ist diese Macht ermächtigend, indem sie Handlungsweisen einerseits ermöglicht und andererseits ausklammert.

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Verknüpfung von Arbeiten und Organisieren diese Regeln aufstellt, sie nachbessert und mit seinem Team bespricht. Aufgrund der Unvorhersehbarkeit und Einzigartigkeit des Vorhabens müssen auch die Orientierungen und Strukturen des Projekts stets verhandelt und nachgebessert werden. Auf die Nachfrage, was mit diesen Spielregeln gemeint sei, konkretisiert er: »Je nachdem was Inhalt der Projekte ist, braucht man ja immer ein paar Spielregeln, die festzuhalten sind. Zu Spielregeln zählen natürlich die klassischen Dinge, wie Zeitplan des Projektes, Arbeitspaketstruktur, roles and responsibilities. Aber hier braucht man in dem Fall noch den scope of work. [. . .] Je mehr Leute beteiligt sind, desto mehr musst du Absprachen treffen, wer macht eigentlich was? Insbesondere wenn die Projekte einen sehr einmaligen Charakter haben; es gibt Projekte die immer wieder sehr ähnlich laufen aber Projekte, die nur genau einmal durchgeführt werden, die sind den ganzen Beteiligten auch noch nicht bekannt; wer macht was? Und das gilt es festzulegen, insbesondere zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber. Da gibt es dann so eine E XCEL-Tabelle wo die Dinge aufgeschrieben sind, die gemacht werden und da hat man typischerweise verschiedene Spalten, wo drinsteht, die Firma A ist verantwortlich, Firma B arbeitet mit oder nur Firma A ist verantwortlich. Und diese Spielregeln für das nächste Projekt muss ich mal vordenken und dann mit den Kollegen intern diskutieren« (IP1, Absatz 10).

Arbeitsteilung im Projekt wird durch »Spielregeln« gegliedert und strukturiert. Die Verantwortung wird geklärt und verteilt, sodass Adressierbarkeit hergestellt werden kann. Im Falle eines Problems lassen sich die Lösungen aus den betroffenen Projektebenen forcieren.19 Die scheinbar ursprünglich ungeplante und diffuse Situation wird durch das Setzen von Regeln erst strukturiert und geordnet. Dabei ist der Begriff selbst Projektionsfläche für eine normative Ordnung, deren Bestehen nur durch die Regelhaftigkeit des Sozialen gesichert wird.20 Diese Spielregeln werden im Fol-

19 | Lösungsprozesse werden oftmals als kommunikative Prozesse dargestellt, die sich innerhalb des Projekts entfalten. Aktiv wird beispielsweise in Meetings nach entsprechenden Verfahrensweisen gesucht: »[W]enn das aus dem Ruder läuft, dann läuft das an einer gewissen Ecke des Projektes aus dem Ruder. Dann brauchen wir ja auch Input, wie wir damit umgehen. Da gibt es dann sicherlich ad hoc entsprechende Meetings, die entsprechend besetzt sind, mit den Leuten, die da betroffen sind, die da mitarbeiten und entscheiden können und da muss gemeinsam an einer Lösung gearbeitet werden. Es kommt nicht von oben, das muss aus dem Fachbereich kommen, der mit dem Problem konfrontiert ist, der Verursacher ist oder was auch immer« (IP5, Absatz 43). 20 | IP1 argumentiert ebenso, dass das Projekt erst durch diese Regeln und durch das Projektmanagement hervorgebracht werde (vgl. Abschnitt 5.1.1).

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genden (und in anderen Interviews auch) in Verträge gefasst und bekommen ebenso einen verbindlichen Charakter (zum Bild der Verträge siehe auch Abschnitt 5.2.3). Die Arbeitssoziologie hat das soziale der Regeln kaum beachtet oder diese als gegebene Rahmungen hingenommen. Stellen sich die Regeln aber als Teil des Arbeitsprozesses dar, die aktiv artikuliert werden müssen,21 sind sie mehr als nur eine Grenze zwischen der Arbeit und der Organisation (substantiviertes Verb!) und gleichermaßen in beidem relevant. Und auch hier resultiert ein Problem, das sich mit ›Regeln‹ einstellt: In sprachlicher Betrachtung regeln sie das, was sie erst hervorbringt: das Sprechen (Ortmann 2003a,b). Eine Regel ist allerdings unnachgiebig ungenau. Sie beschreibt Allgemeines, das auf den speziellen Fall anzuwenden ist und bedarf daher, so argumentiert Ortmann (2003b: 35) in Anlehnung an Wittgenstein, »Interpretationen und Entscheidungen [. . .], die sie selbst nicht (restlos) steuern kann«. Soweit so (sprach)theoretisch ist dies aber ein Bild, welches sich in der Praxis bewähren müsste. Die Interviewperson löst dies durch die »möglichst präzise« Fassung einer Regel: »Die Kunst ist natürlich es möglichst, präzise festzulegen, bis nachher zum Vertrag. Ich weiß ja ungefähr wohin der Hase läuft bei so einem Projekt. Ich weiß, wohin wir als Lieferant gerne kommen wollen, ich weiß wie die Kunden uns gerne greifen wollen und wo typische Felder liegen in denen Missverständnisse entstehen können. Die formuliere ich dann entsprechend präziser aus und Dinge, die sowieso klar sind, das ist allen Beteiligten klar, das ist auch schon x-mal gemacht worden und wird genauso wieder passieren. Das ist ein eingespielter Prozess, den brauche ich nicht lange beschreiben, da reichen mir vielleicht zwei Zeilen. Ich verweise darauf, wie es in der Vergangenheit auch gewesen ist. Aber es gibt schon Felder, wo es sehr viel präziserer Absprachen bedarf« (IP1, Absatz 14).

Verfestigen sich die »Spielregeln« und werden in Verträge überführt, kommt es zu einem Lock-in der Strukturen. Dennoch bleiben auch hier die festgeschriebenen Verantwortlichkeiten, Rollenbilder und Inhalte beweglich. Verschiedene Interviewte schreiben den Verträgen beispielsweise Lebendigkeit zu; auch das sogenannte Claimmanagement (dt. Nachforderungsmanagement) ist Teil des Projektmanagements und dient der Aufgabe, aufkommende Forderungen, die (noch) nicht vertraglich erfasst sind, zu verhandeln sowie Verträge auszulegen. Die Bearbeitung des Vertragswerkes – des Regelwerkes – wird mit exegetischer Genauigkeit betrieben und unterstreicht, dass gerade im Recht Ambiguität an vorderster Stelle steht. Dass Konturen von Herrschaftsverhältnissen und Machtbeziehungen immer sowohl organisatorischer als auch arbeits-

21 | Günther Ortmann spricht im Sinne eines Linguistic Turn in der Organisationstheorie von performativen Sprechakten (Ortmann 2004: 55 f.).

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inhaltlicher Natur sind, verweist darauf, dass sie als Gegenstand in beiden Bereichen vorkommen, in beiden wirken und in beiden auch erst reziprok konstituiert werden. 4.3.2 Aushandlung, Identitätsstiftung, Identifikation Konflikte sowie Kooperation erfordern ein hohes Maß an Aushandlungsprozessen, die sich im Arbeitsalltag manifestieren. Der große Abstimmungs- und Aushandlungsbedarf in Projekten wird nur unzureichend durch Rollendefinitionen, die klare Zuständigkeiten vorgeben, abgedeckt.22 Für externe Verhandlungen können diese Definitionen gar nicht herangezogen werden, da hier in den seltensten Fällen unklare oder uneindeutige Rollenzuweisungen Thema sind, sondern vielmehr sachliche Probleme zu klären sind. Für den ersten Fall ist festzuhalten, dass zwar in Organigrammen vorweg Zuständigkeiten verankert werden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um fixe Setzungen, stattdessen können sie durch soziale Dynamiken beeinflusst werden. Sie sind kontingent und können an dieser Kontingenz scheitern. Das Feld kann deswegen als politisches gedeutet werden, in dem Lösungsstrategien und -kompetenzen darauf abzielen, Positionen, Zuständigkeiten oder Kooperationen in Bezug zu setzen und Konflikte ad hoc zu verhandeln. Das Politische ist einerseits Kalkül und andererseits Vermittlung und Schlichtung. Es geht einerseits mit einer spezifischen Finesse einher. Andererseits ist es als ein diplomatisches Element der Handlungsmotivation richtungsweisend. In der Literatur wird es anhand von Strategien thematisiert, welche ›Einheit‹ erzeugen sollen, um ein »entsprechende[s] Klima des Vertrauens und des Zusammenhalts in der Gruppe« (Schelle 2010: 76) zu schaffen. Dafür muss die Projektleitung die Projektziele klar machen und für deren Akzeptanz sorgen, »›Wir-Gefühl‹« und »Identifikation« der Gruppe mit dem Projekt herstellen, »Spielregeln der Zusammenarbeit mit dem Team« erarbeiten, Einstimmigkeit bei wichtigen Entscheidungen anstreben, »offene und umfassende Kommunikation« und transparente gleichberechtigte Informationslagen herstellen, konstruktives Feedback zur Verbesserung des Personals geben, frühe und konstruktive Konfliktlösung zu erreichen suchen, Ermöglichung der Leistungserbringung für jede_n sicherstellen sowie Evaluation und Honorierung von guten Leistungen garantieren (alle Zitate aus ebd.: 76). Zum einen werden hier klassische Führungsaufgaben des Projektmanagements genannt, zum anderen sind diese Bestandteil der »[f]ür

22 | Auch wenn das Projektmanagement feste Rollenbilder an die Hand gibt, sind diese starren Definitionen alles andere als eindeutig. An anderer Stelle wird gezeigt, inwiefern Rollendefinitionen notwendigerweise scheitern müssen, um als solche immer wieder performativ hervorgebracht zu werden (siehe Abschnitt 5.2.3).

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Projekte übliche[n] arbeitsteilige[n] Prozesse«, die der Organisation bedürfen. Aus der Gruppe soll ein Team werden: »Ich brauch eine Mannschaft, ich brauch Spirit, ich brauch ein Team, klare Ziele, eine Vision, ein Mandat. Aus diesem Projektsetup, aus diesem Haufen muss ich was Formen, und das muss sich Mannschaft nennen« (IP5, Absatz 24). Das bedeutet heruntergebrochen, dass die vielschichtigen sozialen Beziehungen auf ein gemeinsames Ziel, für alle Projektbeteiligten verpflichtend, ausgerichtet werden müssen. Hat sich ein Team unter Einsatz der Führungskompetenzen der Projektleitung erfolgreich situiert, ist ein Teil der politischen Aktivierung abgeschlossen. Nun können die unterschiedlichen Dynamiken gleichgeschaltet werden. Die einfache Gruppe als Ansammlung von Individuen soll »die Wandlung von einer Gruppe zu einem Team vollziehen« (Hofmann 2011: 61). Die Arbeitssituation erfordert die Identifikation mit dem Projekt und insbesondere mit der erwarteten Projektleistung. Dort, wo Projektarbeit auf mangelnde Akzeptanz der Beteiligten stößt, beispielsweise bei Reorganisationsprojekten, muss die Projektleitung dafür sorgen, »das Vertrauen derjenigen Menschen zu gewinnen, die von den Projektergebnissen betroffen sind« (ebd.: 80). Das heißt, »Betroffene zu Beteiligten« (ebd.: 80) machen, notfalls auch durch das Einfordern von »Projektloyalität« (Olfert 2012: 163; vgl. IP3, Absatz 6). Ob dies nun für Entscheidungen oder für die Projektarbeit im Allgemeinen gilt, zentrale Aufgabe ist die Herstellung von Identifikation mit ›dem Projekt‹. Sie ist dann als Chiffre für die Ziele und Pläne des Projekts zu lesen. Aushandlungsprozesse, sofern sie erfolgreich sind, wirken daher motivierend auf die Gruppenkohäsion vereinen die Projektbeteiligten vor dem Hintergrund der ausgehandelten Kompromisse (vgl. Drews und Hillebrand 2010: 12). Dabei gilt jedoch der Grundsatz: Die Projektleiter_in ist »Erster unter Gleichen« (Olfert 2012: 157). Aushandlungsbedarf besteht außerdem für Beziehungen, die mit Kund_innen eingegangen und ausgestaltet werden. Im folgenden Interviewaussschnitt wird im Kontext gefährdeter Projektziele das Problemlösungskalkül als politischer Mechanismus benannt. Das Vorgehen zur erfolgreichen Lösung des Konflikts wird als Abtasten, Sondieren und Prüfen beschrieben: »Mal angenommen ich wollte etwas liefern, das jetzt noch nicht fertig ist, dann habe ich verschiedene Möglichkeiten damit umzugehen. Da muss ich im Kernteam überlegen, was zu tun ist. Der eine kennt den Kunden vielleicht besser: Kann ich dem Kunden zumuten, dass das Produkt später kommt, oder ob das Produkt in anderer Form kommt? – das kann der beantworten. Ob das Produkt überhaupt in anderer Form kommen kann, das kann der beantworten, der aus der technischen Ecke kommt. Ich kann jetzt nicht sagen: ›Ich liefere das Produkt mit der halben Funktionalität‹. Da muss ich vorher wissen, wie der Kunde darauf reagiert. Da muss ich auch kommunizieren: Was kommuniziere ich wohin? Da muss man schon aufpassen, dass wenn man solche Informationen hat, dass man die vernünftig händelt. Das man so eine Störung vernünftig

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managt. Aber auch da über Transparenz, zumindest im Kernteam, muss man an einer Problemlösung arbeiten. Kann dann auch sein, dass die dann zurückgehen in ihre Organisation, in ihr Team, und dann mit einem Vorschlag zurückkommen – das man da dann auch ein Problem und eine Problemlösung runter bricht« (IP5, Absatz 45).

Es werden eine ganze Reihe verschiedener Aspekte angesprochen, die sich allesamt auf eine kommunikative Dimension der Problemverhandlung beziehen. Essenziell ist dabei immer die diskursive Bearbeitung der Probleme. Der Umgang mit Informationen und das Krisenmanagement werden als zentrales Element ›sauberer‹ Projektarbeit begriffen. Die Pointe, die sich hieraus ergibt, liegt im transparenten Verteilen von Informationen und nachvollziehbaren Vorgehen bei der Problembehebung. In diesem Aushandlungsprozess nimmt die Projektleiter_in eine koordinierende, aber auch vermittelnde Position ein: Die Aufgabe besteht darin, zu kommunizieren, zu ordnen, zu verhandeln und bei Krisen zu intervenieren und in Konfliktfällen zu schlichten. Dies sind Vermittlungsaufgaben, die sich nicht auf die eigentliche Tätigkeit der Projektarbeit herunterbrechen lassen: »Wo Menschen arbeiten, wird kommuniziert; wo kommuniziert wird, entstehen Missverständnisse und daraus entstehen Konflikte. Dem muss sich der Projektleiter stellen. Gute Projektleiter lassen die in Projekten fast unvermeidlichen Konflikte nicht so weit eskalieren, bis die Positionen verhärtet sind, sondern bemühen sich vorher um konstruktive Konfliktlösungen. In manchen Fällen ist es möglich, Konflikte weitgehend dadurch zu vermeiden, dass man die Betroffenen rechtzeitig informiert. In keinem Fall ignorieren sie Konflikte und kehren sie unter den Teppich« (Ottmann und Schelle 2011: 103 f., Absatzumbruch entfernt).

Die Konfliktvermeidung durch aktives Eingreifen oder passive Präventionsstrategien schließen ebenso Aushandlungen ein, welche das Klima im Projekt verändern. Aus dem Textausschnitt ließe sich eine normative Setzung ›guter Projektleiter‹ extrahieren (vgl. Kapitel 4.1.1); an dieser Stelle ist jedoch das Aushandeln von besonderer Bedeutung. Wie politisches Gespür eingesetzt wird und in welche Richtung Aushandlungen tendieren können, verdeutlicht folgendes Zitat: »Auf der einen Seite erwartet man vom Projektleiter, er soll berichten, wie es tatsächlich ist. Volle Transparenz. ›Aber bitte überbringen sie mir keine schlechten Botschaften‹. [. . .] Der Projektleiter agiert in einem politischen Spannungsfeld. Und je wichtiger das Projekt und je höher der Rang ist, an den er berichtet, desto mehr muss er das beachten. Sind wir wieder bei den Softskills. Da gehört ja auch dazu, nicht nur die Geschicklichkeit im Umgang mit den Mitarbeitern, das ist das eine. Und dann die Geschicklichkeit mit den Kollegen – sie brauchen ein Netzwerk, weil wenn sie Probleme haben mit ihrem Projekt und sie brauchen eine andere Peerto-Peer Beziehung, die auf der gleichen Augenhöhe ist, dann müssen sie das auch entsprechend

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einstilen. Und dann müssen sie noch in der Lage sein, mit ihren Vorgesetzten geschickt umzugehen. Also was sage ich ihnen? Da gibt es einen Grundsatz: möglichst wenig. Es gibt einen feinen Unterschied zur Lüge. Lügen sollte gar nicht der Fall sein. Aber manche Sachen sagt man gar nicht, weil das zu Konfliktsituationen führt oder Fragen auslöst. Oder: Kennen sie den Unterschied zwischen Betrug und List? Betrug ist, ich lüge sie einfach an und sage ihnen etwas Falsches. List ist, ich formuliere etwas so, dass der Betrug in ihrem Kopf stattfindet. Das mag jetzt akademisch klingen aber da ist doch etwas dran. Was sagen sie, welche Informationen geben sie weiter. Halbe Wahrheit? Ob das immer schön ist? Aber sie können natürlich auch in der Situation sein als Projektmanager, dass sie wirklich nichts dafür können. Sie sind in einer dummen Situation. Sie wissen genau, wenn sie jetzt voll transparent berichten, kriegen sie Prügel. Wenn sie aber ziemlich sicher sind, in ein, zwei Wochen ist das Thema beseitigt; was spricht dann dagegen, dass sie gar nichts sagen? Sie ersparen sich Unannehmlichkeiten, sie ersparen einen riesigen Bohei, eine riesige Aufregung« (IP6, Absatz 54).

Der Ratschlag von IP6 ist eine sehr pragmatische Herangehensweise an die Informationspolitik des Projekts: In Abwägung dessen, was unnötig Probleme erzeuge, solle nur das Wesentliche kommuniziert werden, also nur das, was im Vorhaben nicht zu lösen sei und gerade gravierende Probleme bereite. Manager_innen bewegen sich zwischen Betrug und List (tatsächlich wieder in der Nähe des Projektemachers) und machen möglichst gute Miene zum aus den Fugen geratenen Spiel, um den ›politischen Frieden‹ zu sichern. Die Selektivität des Informationsflusses obliegt der Leitung. Welche Kommunikationsstrategie die Projektmanager_innen wählen, bleibt ihnen selbst überlassen. In einer politischen Arena zu agieren, bedeutet, die Parteien kennen und einschätzen zu können. IP2 erörtert, welche kreativen Problemlösungen gefunden werden, um Kooperation herzustellen und aufrechtzuerhalten. Kreativität paart sich mit politischem Kalkül, um die politische Brisanz, die aus konflikthaften Situationen entsteht, zu meistern. Das heißt, politisches Agieren ist auch die Suche nach kreativen Lösungen und verborgenen Hebelpunkten. »Das ist auch etwas, wo man erkennen muss, dass man tatsächlich eine Aktion starten muss, die vielleicht eher nicht standard ist. So etwas gehört auch dazu, das ist die menschliche Komponente darin. Genauso hatte ich in einem Projekt mal, das war in Ungarn, da waren alle Ingenieure vergeben und man hat mich auf einen anderen ausgewichen, von dem ich wusste, dass der gut ist aber sehr schwierig vom Charakter her ist. Der war fast ein bisschen Persona non grata beim Kunden. Aber ich hatte keinen anderen. Dann war Kickoff-Meeting und der Director Engineering vom Kunden hat mich zur Seite genommen und gefragt: ›Bist du dir sicher, dass du den nehmen willst? Du weißt doch, der und unser Direktor, die hassen sich!‹ ›Ich hab keinen anderen. Es geht nicht‹. ›Lass dir was einfallen, weil das knallt sonst‹. Ich habe das so gemacht, dass ich dieser Persona non grata, die sich um alle technischen Belange gekümmert hat, [. . .] einen Lokalen aus dem Land, auch ein Ingenieur, dazwischen geschaltet habe und gesagt habe: ›Pass

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auf, der ist die Kommunikationsschnittstelle zum Kunden, wenn etwas ist, dann geht das diesen Weg und nicht diesen Weg‹. Technisch arbeiten sie zusammen, er ist im technischen Lead, der andere supportet, ist aber der Kommunikationslead zum Kunden. Das hat dann auch wunderbar geklappt« (IP2, Absatz 9).

Der bestehende Konflikt, in diesem Fall zwischen einem Mitarbeiter und dem Kunden, wird nicht vom Interviewten selbst gelöst. Stattdessen entsendet er einen Vermittler, dessen Aufgabe es ist, die Informationskette zu verlängern und dadurch zu filtern. Das ist ein außergewöhnlicher Vorgang: Die Problemlösungen, die in Projekten ersonnen werden, sind oftmals nicht durch Standardprozeduren abgebildet. Das heißt, die Bedeutung kreativer Interventionen steigt – und mit ihr informelle ›Arbeitsinhalte‹, welche sich nicht standardisieren lassen. Zwar stehen der Projektleitung auch in kritischen Situationen Methoden und Techniken zur Verfügung, diese sind allerdings nur in begrenztem Rahmen anwendbar.23 Problemlösungen vollziehen sich auf verschiedenen Ebenen, von verschiedenen Anknüpfungspunkten aus, und sind Teil der individuellen, kreativen Aufgaben der Projektleitung. Um Input für Problemlösungen zu bekommen oder aktiv Hilfe anzufordern, erweist sich auch informeller Austausch als besonders wirkungsvoll. »Ich glaube persönlich, ohne Netzwerk rennt man hier gegen die Wand. Es mag auch Projektleiter geben, die das ohne großes Netzwerk versuchen zu schaffen, aber dazu ist die Organisation zu groß. Man kann auch hier wunderbar geschnitten werden, in so einem riesigen Laden. Selbst wenn ich mich da vorne beim Chef beschwere und sage: ›Das Werk liefert mir keine Daten‹. Oder ›Ich weiß nicht wo die gerade stehen, die lassen mich nicht einen Finger krumm machen‹. Auch zurecht nicht, weil das muss man auf Arbeitsebene lösen und dazu braucht man aber vertraute Personen, die einem auch vertrauen, die mit anderen Projekten schon mal die Erfahrung gemacht haben. Denen kann ich auch mal sagen, wo es bei uns gerade hakt; auch firmenintern wird nicht immer wirklich offen kommuniziert. Das ist auch verständlich: ›cover my ass‹, wer will schon gerne in allen Runden beitragen, dass er gerade im Verzug ist oder Montageprobleme hat. Aber wenn man die Leute kennt und die wissen, dass man damit nicht gleich hausieren geht, dann sagen die auch mal: ›Pass auf, bei mir kneift’s, kannst du mir irgendwie helfen?‹ Auf der Basis arbeitet es sich besser, aus meiner Sicht« (IP3, Absatz 34).

Netzwerke aufzubauen und zu pflegen, ist für die Lösung der Krise des eigenen Projekts eine wesentliche Quelle. Es wird informelle Beratung von Kolleg_innen gesucht, um den Erfolg des eigenen Vorhabens sicherzustellen und – eine Hand wäscht die an23 | Aus Sicht der Personalführung wird darauf verwiesen, Angestellte aus dem Projekt herauszunehmen und zu ersetzen. Faktisch ist dies aber nicht immer möglich, denn die Organisation verfügt nur über begrenzte Personalressourcen mit unterschiedlicher Qualifikation.

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dere – auch auf die Probleme anderer Projekte einzugehen. Dass dies als bessere Situation empfunden wird, als ein Umfeld ohne Netzwerk, ist nicht sehr verwunderlich, denn die eigentümlich konkurrierende Koexistenz in ökonomisch durchdrungenen Arbeits- und Organisationskontexten wird somit abgefedert. Kooperation erfordert in einem hohen Maße Kalkül und die Fertigkeit, politisch zu handeln sowie verlässliche Bindungen und belastbare Strukturen aufzubauen. Es geht um die Möglichkeit und die Fertigkeit, empathisch kollegiale Beziehungen aufzubauen und in einem Konkurrenzfeld einen Modus außerhalb des Wettbewerbs zu finden: Kooperation. 4.3.3 Eskalationen Unter Eskalation wird im alltäglichen Sprachgebrauch der Prozess einer sich ausweitenden Krise verstanden. Eskalieren bedeutet im eigentlichen Sinne, dass etwas eine (qualitativ) höhere Stufe einnimmt – und sich hierdurch neue Zuständigkeiten zur Lösung der Problemlage ergeben. In Projekten bezeichnet Eskalation durchgängig einen wertneutralen Prozess, der Schieflagen im Projekt lösen soll. Als solcher ist Eskalation ein Tool (wie beispielsweise im Folgenden von IP2 angedeutet). Die Realität divergiert je nach Erklärung verschiedener Interviewpartner und offenbart verschiedene politische Dimensionen. Als Prozess betrachtet, ist die Eskalation eine Vorgabe, wie in Krisen gearbeitet werden soll. Sie hat direkte Auswirkungen auf die Organisation. Eskalation erweitert die Bezüge und Verantwortlichkeiten sowie die Entscheidungskompetenzen, Problemlösungen und Verantwortung über die Projektgrenzen hinaus – zurück in die Linienorganisation. Sie stellt einen Rückfall in die (Linien-)Hierarchie dar. »Wenn ich in dem Augenblick eine Grundlage habe, um Entscheidungen zu treffen, ist natürlich auch die Frage gestellt, je nach Kritik oder kritischer Situation eines Projektes: Muss ich es eskalieren? Eskalieren, dann in die nächste Entscheidungsstufe geben oder in die nächste Hierarchiestufe, um andere Entscheidungen oder gewichtigere Entscheidungen zu treffen« (IP9, Absatz 18).

Nüchterner betrachtet handelt es sich um einen Wechsel der Entscheidungsebenen. Zwar wird hier zwischen Hierarchie- und Entscheidungsebene differenziert, de facto fallen diese aber zusammen. Spannend ist, dass die Abgeschlossenheit des Projektes aufgebrochen wird. Zwar sind Projekte nie zur Gänze autonom und autark. Sie beziehen Ressourcen wie Kapital und Angestellte aus dem Konzern, in welchem sie eingepflegt sind, oder aus den vernetzten Unternehmensgesellschaften, die sie hervorbringen. Gegenüber der zugestandenen Eigenständigkeit in Planung und Kalkulation wird diese Autonomie jedoch (teilweise) zurückgezogen, wenn es zu Problemen kommt. Krisen erfordern folglich korrigierende Eingriffe. Für diese Korrektive muss ein Kom-

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petenzraum zur Verfügung stehen, um über Lösungen zu entscheiden. Die Hierarchie übergeht dann die Autonomie des Projekts, indem sie sich dieser Anforderungen annimmt und an entsprechenden organisationalen Schnittstellen Hebel ansetzt. So funktional diese Sicht auf das Tool ist, IP2 reflektiert es auf einer anderen Ebene. Er unterstreicht die normative Dimension. Eskalation werde missbräuchlich eingesetzt und diene hauptsächlich als Drohung, um die eigene Position durchzusetzen. Er formuliert eigene Credos – Glaubensbekenntnisse – des Projektmanagements für sich, die nicht minder normativ beladen sind, aber aus seiner Sicht eine nachhaltigere und moralischere Anwendung verschiedener Projektmanagementprozesse bedeuten. »Das erste Credo ist für mich – und das ist eher unüblich hier – ›don’t escalate but motivate‹. Das ist für mich das Allerwichtigste und ich hab gemerkt wir haben hier in der Firma eine ausgeprägte Eskalationskultur, jeder eskaliert sofort. [. . .] Das ist Standard und eine Eskalation, gehört auch zum Projektmanagement: Es sollte eigentlich ein Tool sein, um normalerweise etwas das nicht funktioniert auf einer, vielleicht höheren Ebene, über einen unüblichen Weg zu erreichen, was auf normalem Prozessweg nicht geht. Das heißt, die Eskalation ist ein nützliches Tool, wenn sie richtig angewendet wird. Hier meines Erachtens, wird sie missbraucht, weil jeder nur noch eskaliert« (IP2, Absatz 9).

Eskalation werde als Druckmittel missbraucht, um den eigenen Anspruch durchzusetzen. Im Gespräch schildert der Befragte ausführlich, dass die Eskalation beispielsweise dazu diene, die Forderungen an einen Zulieferer zu forcieren, der seinerseits Lieferschwierigkeiten habe. Hier sehe der Vorgang dann vor, dass nach einem erfolglosen Gespräch mit dem_der zuständigen Angestellten, Vorgesetzte hinzugezogen werde. Der Charakter dieser Kommunikation sei dabei entscheidend. Es sei möglich, die Eskalation als Drohung anzuwenden (sich an die Vorgesetzten zu wenden und so zu seinem Recht zu kommen) oder sie in Absprache mit der Zulieferstelle einzusetzen, falls deren Kompetenzen nicht ausreichen, die benötigten Ressourcen freizugeben. Gegenüber einer Eskalation wird dies von IP2 durch einfache, nette Gesten bewerkstelligt, mit denen er die vorgegebenen Wege umgeht. Dies ist durchdachtes, taktisches Vorgehen. Eskalation, so wird hier allerdings deutlich, bedeutet nicht nur ein Rückfallen in die Hierarchie des eigenen Unternehmens, sondern auch in die Hierarchie externer Unternehmen. Sie ist auch ein Mechanismus, der innerhalb der Projekte wirkmächtig wird, um interne Probleme zu lösen. »Per Definition kann man sagen, Eskalation ist dann, wenn man seine Arbeit nicht auf dem normalen Wege schafft. Wenn man dauernd eskaliert, heißt das im Umkehrschluss, dass man seine Arbeit dauernd nicht schafft. Ja und nein natürlich; es kommt auf das Projekt und auf die Umstände an. Die Eskalation soll helfen, dass für Ereignisse, vielleicht unvorhergesehene Ereignisse, ein Mittel da ist, um den Projektmeilenstein doch noch zu erreichen. [. . .] Dann kann

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man versuchen, ob man priorisiert wird. Wenn das nicht geht, dann schaut man, dass man es über das Management macht. Dann geht man den offiziellen Eskalationsweg aber ich mach das immer in Abstimmung mit meinen Ansprechpartnern, damit die wissen, dass was kommt. Dann geht man quasi zu einer offiziellen Eskalationsstelle und schildert seinen Fall mit Lieferdaten und die Gründe für die Eskalation. Dann wird eine offizielle Eskalation eingeleitet. Da hat man fast keine Handhabe dagegen. Man kann es aber noch über die Motivationsschiene schaffen, wenn man die Leute gut kennt. Vielleicht wird man dann inoffiziell priorisiert. Manchmal klappt es, manchmal nicht« (IP2, Absatz 15).

Eskalation wird hier, im Kontrast zur Lesart als wertneutrales Tool, als Intervention in die Hierarchie beschrieben: Eskalieren wird hier sinnlogisch ausschließlich damit verbunden, die eigene Arbeit nicht bewältigen zu können. Die Anrufung einer »höhere[n] Instanz« ist ein Hilferuf, mit dem Ressourcen zur Sicherstellung des aktuellen Meilensteins mobilisiert werden können. Der Umstand, dass das eigene Soll nicht erfüllt werden kann, ist allerdings nicht zwingend an das eigene Versagen geknüpft. Für das Projekt ist die Ursächlichkeit irrelevant. Die eigene Arbeit nicht zu schaffen, muss nicht heißen, dass die Angestellten aus Eigenverschulden scheitern; sie scheitern dennoch trotzdem an den gesteckten Zielen. In diesen Fällen wird allerdings auf grundsätzliche Probleme hingewiesen, denen die Projektleitung ausgesetzt sein könnte: »Man muss aufpassen bei der Größe des Projekts, dass man sich nicht zu tief rein kniet. Also, dass man den Leuten immer noch das Gefühl gibt: ›Ihr seid verantwortlich, ihr müsst das alleine schaffen, im äußersten Notfall, kommt zu mir dann helfe ich euch‹. Ich werde das Problem nicht für sie lösen aber ich werde eine Entscheidung treffen. Ich werde gucken, ob wir Personal reinschieben können, ob wir Geld locker machen können, ob wir Hilfe bei höherer Leitungsebene anfordern. Das kann meine Hilfe sein. Ich werde nicht technisch mitdiskutieren. Das sind diese Eskalationsgespräche: Jetzt muss man da nur sehr gut abwägen. Wenn man den Leuten das Gefühl gibt, also den Mitarbeitern: ›Wenn ihr irgendwo Bauchscherzen habt, dann kommt zu mir‹; dann stehen die Schlange und dann mache ich den ganzen Tag nichts weiter als mir die ganzen Themen anzuhören. Eine Mentalität in einer so großen Organisation, das gilt nicht nur hier, ist dass man die Probleme gerne über den Zaun schmeißt und sagt: ›Der andere kümmert sich ja jetzt darum‹. Das ist die Gefahr, dass sich der Projektleiter die ganzen Probleme heranzieht und sie für die anderen löst. Davon muss man wegkommen. Man muss es auch schaffen diese Eskalationen sehr dosiert einzusetzen, damit man die Leute nicht verwöhnt. Aber man muss den Blick dafür haben, wo es denn wirklich notwendig ist, wo reißt er da unten sich gerade ein Bein aus und wo kommt er denn wirklich nicht weiter? Und wenn er nicht weiterkommt, dann hat das echt schlechte Folgen für das Projekt – da muss ich was tun. Dieses Gefühl muss man erreichen. Dazu ist es natürlich wichtig, dass man die Performance seiner Mitarbeiter unten kennt. [. . .] Dafür muss man ein Gespür kriegen, wie die einzelnen Leute ticken. Da muss man, wenn man der Meinung ist, die brauchen Hilfe, eskalieren. Das kann aussehen, dass man mit zum Lieferanten fährt, dass man mit auf die Leitungsebene geht,

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dass man Themen einfach auch übernimmt und sie löst. Das kann im Einzelfall passieren« (IP3, Absatz 6 f.).

Die Rolle der Projektleitung besteht (unter anderem) darin, interne Probleme zu lösen und Verzögerungen zu verhindern, um sicherzustellen, dass das Vorhaben den Planvorgaben folgt. Das Problem für die Angestellten im Projekt liege in der Außenwirkung der Leitung, so der Interviewte, wenn sie sich als Lösungsinstanz zur Verfügung stelle. Das Selbstverständnis von IP3 ist die ›Hilfe zur Selbsthilfe‹. Die Leitung greife nur ein, wenn der Projektverlauf gefährdet sei. Die Problemlösung geschieht in einem zeitlichen Horizont, der sich auf andere Aufgaben auswirkt. Daher ist es auch sehr bedeutsam, wie es sich mit der Metapher verhält, »Probleme über den Zaun« zu werfen, denn sie bedeutet die Verantwortungsverlagerung auf andere Hierarchieebenen (des eigenen Projekts, des eigenen Unternehmens oder externer Firmen). Der Eskalationsbegriff wird implizit als behutsam zu dosierende Maßnahme dargestellt, deren Überstrapazieren auf einer Konfliktebene keine problematische Unternehmenskultur anzeigt (vgl. IP2, Absatz 9); sondern vielmehr die problematische Planungsdimension hervorhebt, welcher sich die Projektleitung stellen müsse, wenn sie jede Problemlösung an sich reißt. Im umgekehrten Fall beschreibt IP9 den Vorgang, wenn von außen gesendete Untersuchungsgruppen krisenhafte Vorhaben begleiten und beraten sollen. Bei einem solchen Eindringen der Hierarchie in das Projekt verschiebt sich die Perspektive auf das Vorhaben aus dem Blickwinkel des Unternehmens. In Form von Audits werden Teams in Projekte entsandt, um deren Leistung zu analysieren und zu optimieren. »Audit ist wie so eine Untersuchungskommission, eine minimale Untersuchungskommission, eine Prüfung. Es gibt da Verschiedene. Es gibt bei uns eine Institution, die wird vom Hauptsitz aus gesendet und da gibt es auf den Sektoren jeweils noch operational Reviews, das sind sozusagen für den Sektor Einheiten die ein Projekt reviewen. Daraus entsteht dann ein Bericht, also wie so ein Prüfer, nicht wie ein Wirtschaftsprüfer, sondern ein Projektprüfer oder ein Prüfer eines Unternehmens, der untersucht verschiedene Themen, der untersucht Bücher, der untersucht vielleicht auch die Technik und dann stellt er was fest, was neutral festgestellt werden kann in einer gewissen Zeit, das sind findings. Und mit diesen findings und dem Projektleiter zusammen, werden dann sogenannte Maßnahmenlisten erstellt, woraus dann gesagt wird: [. . .] ›Unsere Einschätzung ist, damit wir wieder on-track kommen, müssen wir das und das noch machen‹« (IP9, Absatz 14).

Eigentlich ist dies keine Eskalation in dem Sinne, dass Verantwortung innerhalb des Projektes übergangen wird. Dennoch wird hier eine übergeordnete Instanz dazu herangezogen, das Projekt zu prüfen, zu evaluieren und mit der Projektleitung Lösungs-

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ansätze herzustellen. Nach der Eruierung der aktuellen Position des Vorhabens werden mit der Kontrastfolie der Pläne diese Steuerungsinterventionen erarbeitet, welche dann das Projekt wieder auf das richtige Gleis führen sollen – oder zumindest in einen Bereich tolerierter Abweichung. Für Projekte sind diese Eskalationsmechanismen eine interessante Facette, denn sie stehen in einem Widerspruch zu ihrem definitorischen Selbstverständnis. Gegenüber der Autonomie und Abgeschlossenheit eines Projektes bedeutet Eskalation eine Einbeziehung externer Organisationshierarchien: im eigenen sowie fremden Unternehmen. Als Sonderfall gilt das eigene Projekt und ist daher anders zu betrachten. Die Mischung aus strikter Arbeitsteilung und Autonomie der Angestellten wird teilweise außer Kraft gesetzt, indem Verantwortung ›nach oben‹ abgegeben wird. Gegenüber der idealtypischen Projektdefinition wird Autonomie aufgeweicht, indem sie ›umgangen‹ werden kann.

4.4 FAZIT In diesem ersten Kapitel habe ich verschiedene Aspekte der Praxis von Projektarbeit herausgearbeitet. Bereits hier ist deutlich geworden, dass sich durch eine dezidierte Analyse empirischen Materials ein Mehrwert ergeben kann, der die rekonstruierten Leerstellen in Kapitel 3.4 ergänzen kann. Ein Kernthema sind die im Arbeitsprozess verwurzelten vielschichtigen Tätigkeiten. Es ist diffus, was den konkreten Gegenstand der Arbeit darstellt. Diese Uneindeutigkeit ist in zwei Sphären geteilt: Die erste Arbeitssphäre beinhaltet die Arbeit an Projektzielen, Gegenständen und Leistung, die zweite wirkt direkt auf Pläne, Rahmen und Organisation ein. Der Unterschied zwischen ›klassischer‹ und projektförmiger Arbeit wird unklar, wenn er über Inhalte definiert werden soll. Wenn die Tätigkeit des Projektmanagements als Projektarbeit bezeichnet würde – (im Sinne einer Arbeit am Projekt) – droht jedoch die Gefahr, die technische Seite, das Produkt oder die Dienstleistung – und somit das Projektziel – unter den Tisch fallen zu lassen. Was zeichnet Projektarbeit also neben ihrer Diffusität aus? Die Befragten heben das eigenverantwortliche Arbeiten und die Verantwortung gegenüber anderen Parteien hervor. Ersteres bedeutet, dass Tätigkeiten selbstgesteuert ablaufen. Die Projektarbeiter_innen gestalten beispielsweise ihre Tagesplanung selbstständig, müssen jedoch für das Projekt verfügbar sein. Zweiteres bedeutet, dass Tätigkeiten Personen zugeschrieben sind. Sie befinden sich somit in einem Spannungsfeld, welches das Projekt als soziale Gruppe konstituiert. Die Projektleitung stellt einen Verbindungspunkt zum Unternehmensmanagement dar, für das sie die Erfolgsverantwortung übernimmt.

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Durch die Verzahnung von Projektarbeit mit einem abstrakten Verantwortungsbegriff leiten sich normative Erwartungen an ›gute‹ Projektmanager_innen ab. Auf der Ebene des Selbstmanagements und der Steuerung des Projekts sowie auf der Ebene der Steuerungskompetenzen äußert sich dies als nüchternes Beherrschen des ›Handwerkszeugs‹ (Projektmanagement-Zertifikate) und – etwas subtiler – in einer Anrufung des »gesunden Menschenverstands« als Ratio der Projektarbeit. Organisation und Arbeit unterliegen einem – an modernistischem Denken orientierten – Bild von Rationalität, dessen Wirkmächtigkeit in der Praxis kaum hinterfragt wird. Es ist der Verdienst einiger Arbeiten der Critical Management Studies, darauf hinzuweisen und aufzuzeigen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit instrumenteller Rationalität die Perspektive erweitern kann. Diese Rationalität ist eine Leerstelle, die der Arbeitssoziologie verborgen bleibt: Einige Betrachtungen von Arbeit versuchen, alternative Impulse im Arbeitsprozess zu identifizieren, welche den Bezug zwischen Arbeit und Mensch(en) fassen. Insbesondere als erfahrungsgeleitetes, subjektivierendes Handeln (Böhle 2010: 160 ff.) wird eine Zusammensetzung aus komplex-sinnlichen, »dialogisch-interaktiv und entdeckend-explorativ« (ebd.: 161) orientierten Handlungen sichtbar, die nicht objektivierend wirken, da sie nicht planmäßig und rational ablaufen. Implizit erzeugen die normativen Ansprüche an ›gute‹ Projektmanager_innen den Erwartungsdruck, einem idealisierten Bild zu entsprechen, schematisch Programmwissen abzuspulen und so der komplexen Zielstellung des Projekts in einem instrumentellen Verhältnis entgegenzutreten. »[I]n komplexen technischen und organisatorischen Systemen [. . .] [besteht; Y. K.] eine wichtige Funktion menschlicher Arbeit darin [. . .], nicht vorhersehbare und in immer wieder neuer Weise auftretende Grenzen der Planbarkeit und der wissenschaftlich technischen Beherrschung zu bewältigen« (ebd.: 160).

Trotzdem verbergen sich Rationalitätsbilder des Arbeitens und Organisierens, wie sie beispielsweise durch Zertifizierungen festgeschrieben und aktualisiert werden, in sinnlicher und erfahrungsgeleiteter Arbeit, im Wesentlichen, da Arbeit einer strikten Dichotomie von Subjekt und Objekt nachhängt. Aus der vorangegangenen Erörterung wird ersichtlich, dass Grenzen der Planbarkeit existieren, Subjekte auf Objekte einwirken, Objekte aber ebenso die Subjekte verändern. Das Rationale ist das der Organisation immanente Prinzip, nach dem sie überhaupt erst als solche erscheint. Insofern befindet ist sie sich in einem wechselseitigen Verhältnis zur Gesellschaft.24 Die Rationalität des Projektmanagements erhellt auf or24 | Eine Vielzahl von Arbeiten versucht, diese Beziehung zwischen Gesellschaft und Organi-

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ganisationaler Ebene den Mechanismus der Arbeit, und wie sie mobilisiert wird. Sie ist ein normatives, wirkmächtiges Ideal. Indem sie ›Wirklichkeit‹ suggeriert, kann die Rationalität als idealisiertes Bild wirken als Wirklichkeit Sinn zuschreiben. Wie bereits in Kapitel 3.2.3 beschrieben, liegt eine einseitige Verengung der Arbeitssoziologie in der Forschung zu Projekten darin, die Themen Macht und Herrschaft zu stark zu vereinfachen und sie als beschränkende und disziplinierende Mittel zu betrachten, welche die Arbeit steuern. Zwar bedienen sich Projekte nachweislich konkreter Steuerungsmechanismen, um Tätigkeiten zu organisieren, diese werden allerdings durch vielfältige, zusätzliche offene Mechanismen ergänzt. Es geht nicht mehr nur vorrangig um die Lösung des Transformationsproblems der Arbeitskraft, also um die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die bezahlte Arbeitskraft geleistet wird. Darüber hinaus ist die Ermächtigung zum eigenverantwortlichen Handeln eine zentrale Logik. Einerseits wird das Transformationsproblem aus dem dialektischen Verhältnis zwischen Angestellten und Führungsebene ausgeklammert und in die Angestellten hineinverlagert. Andererseits erzeugt eine intrinsische Lösung, wie sie in entgrenzten, subjektivierten und indirekt gesteuerten Arbeitskontexten üblich ist, einen Bedarf, auf diese Motivationslagen einzuwirken und sie zu mobilisieren. Dies geschieht beispielsweise durch Personalführungsansätze, die neben individueller Motivation auch kollektive Vergemeinschaftung anstreben sollen – beides mit dem Ziel, prinzipiell offene Arbeitsverträge zusätzlich in ihrer Kontingenz einzuschränken (vgl. Krell 1993). So verändern sich in klassisch hierarchisch organisierter Arbeit die Wirkung und Bedeutung von Macht und Herrschaft gegenüber projektförmiger Arbeit. Macht und Herrschaft können in ihrer Beschaffenheit nicht ausschließlich als repressive Begriffe gedeutet werden, denn durch sie konstituiert sich erst die Möglichkeit zu Handeln. Machtbeziehungen sind Anknüpfungspunkte, durch die sich Herrschaft im Arbeitsprozess konstituiert. Diese Beziehungen entstehen performativ. Im Arbeitsprozess, während des Arbeitens werden sie durch die Tätigkeit erst hervorgebracht, aktualisiert und ratifiziert. Sie werden gemacht. Dies führt den Arbeitsbegriff, mit dem Projekte sinnvoll erschlossen werden können, weg von einer reinen Dichotomie von Struktur und Handlung. Arbeiten in Projekten muss als relationaler Begriff verstanden werden, welcher kontextuell funktioniert und über die kontinuierliche Anwendung zu seinen Inhalten findet. Projektarbeit und Projektorganisation lassen sich nicht trennen. Arbeiten ist praktischer, performativer Vollzug von Organisation.

sation zu thematisieren und beide (wieder) aufeinander zurückzuführen (vgl. Bruch und Türk 2005; Gertenbach 2014; Nassehi 2002).

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Diffusität und Reichweite der Tätigkeiten im Projektmanagement sind, wie eingangs benannt, zentrale Faktoren von Projektarbeit. Arbeitssoziologische Untersuchungen können in ihren Analyse nur feststellen, dass es sich um Tätigkeiten im Sinne einer sich wandelnden Erwerbsarbeit handelt, ohne dabei auf die bestimmten Eigenheiten der sich wandelnden Arbeit einzugehen. Hierfür sind die Tätigkeiten inhaltlich zu komplex und im Anforderungsprofil der Projektleitung nur undeutlich gekennzeichnet. Es besteht neben konkreten formellen Anforderungen an Arbeit eine viel breitere, unkonkrete und vielschichtige informelle und immaterielle Arbeit, die notwendig ist, deren Qualifikationsschema und Leistungsprofil jedoch uneindeutig bleibt. Projektmanagement stellt in der Praxis den Tätigkeitsbereich derjenigen projektbasierten Arbeit dar, welche das Vorhaben organisatorisch zum Ziel führen soll. Dahinter verbergen sich immaterielle Tätigkeiten, die Arbeit sind. Ihr Beitrag zur Realisierung des Projektergebnisses ist jedoch nicht direkt spürbar. Die interviewten Personen beschreiben diese Arbeit als Kommunikation, Planung und Steuerung, Organisation und abstraktes ›Problemlösen‹ oder ›Händeln‹, das mit Entscheiden verbunden ist. All dies ist zwar auf das Projekt, aber nur indirekt auf das Produkt bezogen. Die zu beantwortende Frage ist, wie sich diese Tätigkeiten arbeitssoziologisch erfassen lassen und welche Bezugspunkte sie haben. Allgemein gesprochen dienen diese Bezüge der Schaffung organisationaler Zusammenhänge sowie der Aktualisierung und Fortschreibung der Organsiation. Die Frage, wie solche Arbeit eine Beziehung zwischen Menschen, Arbeit und Organisation herstellt, ist in der Arbeitssoziologie noch nicht verhandelt worden. Dies wird deutlich, wenn versucht wird, diese Beziehung in eine klassische SubjektObjekt-Relation zu überführen. Projekte funktionieren als strikter Planungsmechanismus, um Lösungswege für technische Aufgaben bereitzustellen. Zwischen Planung und Technik ist allerdings eine wechselseitige Beeinflussung vorhanden, die sich durch bisherige arbeitssoziologische Konzepte nicht klar umreißen lässt. So fehlt der sachlichen Arbeit am Projektziel, für sich alleine betrachtet, die klare strategische Komponente der Planung, während der Projektplanung die ›Materialität‹ fehlt, die sie plant. Arbeit und Organisation vereinigen sich in einem »relationalen Materialismus« (Law 1994a,b). Das Arbeiten in Projekten ist in Unsicherheit eingelassen. Zwar ist der Umgang mit Unsicherheit die Grundlage jedes Arbeitsschrittes, allerdings funktioniert dieser nur im kontinuierlichen Aushandlungsprozess von Organisation und Technik – und ist hierdurch wiederum Arbeit. Die Leerstelle der Arbeitssoziologie kann also benannt werden: Zum einen besteht sie aus dem Umgang mit Unsicherheit und zum anderen aus dem Umgang mit technischen Aspekten der Arbeit. Aus dieser Erkenntnis wird ersichtlich, weshalb die Arbeitssoziologie bei Projekten an ihre Grenzen stößt: Extern in Unterscheidung zu anderen Disziplinen und

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intern in der Logik ihrer eigenen Begriffe. Projektarbeit, so habe ich in diesem Kapitel durch empirisches Material aufgezeigt, ist aus Sicht von Expert_innen und Ratgeberliteratur mehr als Arbeit innerhalb fester, organisationaler Kontexte; sie verschiebt diese Kontexte und lagert sich in sie ein. Gerade die durchgängigen Planungs- und Überarbeitungszyklen sind Gegenstände von Arbeit und auch von Organisation. Die Auseinandersetzung mit ihnen transformiert die organisationale Realität des Projekts (detaillierter beschrieben als Prozess und Iteration in Kalff 2014). Ähnliches ließe sich auch für die Funktion von Personalmanagement rekonstruieren, dessen bewegliche (Projekt-)Basis den Möglichkeitsraum der Arbeitsbezugspunkte vorgibt. Analytisch lassen sich aus dieser Einsicht zwei Konzepte benennen, deren Einführung in die Arbeitssoziologie lohnend sein kann. Sie beschreiben die von mir als Leerstelle konstatierten Momente und können die Heuristik hinter einem projektspezifischen Arbeitsbegriff besser greifbar machen. Das erste analytische Konzept siedelt sich eng an den bereits benannten relationalen Arbeitsbegriff an: In der Performativität wird die Perspektive auf den Zusammenhang von Arbeit und Organisation gerichtet. Urs Stäheli bezeichnet diese Betrachtungsweise als »spektrale Soziologie«, die dem Wortsinn nach, in den Nischen und Rändern, in den Schnittmengen ›spukt‹, ohne die dialektische Unterscheidung von Arbeit und Organisation mitzutragen (Stäheli 2000: 68 ff.). Das zweite analytische Konzept lässt sich in der Debatte der Organisationstheorie zu Grenzen und Grenzerhaltung (boundaries und boundary maintenance) in Projekten finden. Wichtiger Punkt dieser Diskussion ist die Annahme, dass Grenzarbeit einen Großteil des Projektmanagements ausmacht und analytischinterpretative und rhetorische Aktivität ist (vgl. Sahlin-Andersson 2002: 245; vgl. Abschnitt 3.3.2). Im eigentlichen Verständnis stellen boundary objects Wissensbestände in den Grenzregionen verschiedener (wissenschaftlicher) Felder dar, die im Kern unveränderlich, aber von außen unterschiedlich interpretiert werden können. Was primär als wissenschaftssoziologisches Konzept entwickelt wurde (vgl. Star und Griesemer 1989), wird seit geraumer Zeit für die Organisationstheorie und Managementliteratur interessant (vgl. Sapsed und Salter 2004). Der Grenze kommt im Projekt eine spezifische Bedeutung zu: Sie ist Aushandlungsgegenstand und wird praktisch kontinuierlich neu gezogen. Die sogenannten Grenzobjekte fungieren dabei nicht als Objekte per se, sie strukturieren und werden gleichermaßen strukturiert. Sie sind Quasi-Objekte – Quasi-Subjekte (vgl. Serres 1981: 344 ff.), die durch die Arbeit gestaltet werden und selbst die Arbeit gestalten.

5 Projektorganisation »Was ist Arbeit? Ohne Zweifel ist sie Kampf gegen das Rauschen.« M ICHEL S ERRES /D ER PARASIT

Analog zum vorangegangenen Kapitel wird im Folgenden die arbeitssoziologische Leerstelle in Projektorganisation anhand empirischen Materials verdeutlicht und rekonstruiert. Eine Übersicht über die Literatur sowie Auswahlkriterien befinden sich in Abschnitt 1.3 (vgl. Tabelle 1). Projektmanagementliteratur beantwortet insbesondere organisatorische Fragen. Arbeitszusammenhänge werden oftmals lediglich in Themen der Personalführung und Teamzusammenstellung thematisiert. Dieses Kapitel ist wie folgt gegliedert: Abschnitt 5.1 befasst sich mit normativen Bildern von Projektorganisation sowie normativierenden Ansprüchen, welche an sie herangetragen werden. Es wird die Frage geklärt, wie Projektorganisation zu organisieren ist. Abschnitt 5.2 befasst sich anschließend mit strukturellen Macht- und Herrschaftsbeziehungen und deren Implikationen für die Arbeitssituation. Dabei steht die Fragestellung im Fokus, wie in Projekten Einfluss genommen wird und wie uneindeutige Strukturen objektiviert und festgeschrieben werden. Der letzte Abschnitt (5.3) behandelt die Akte der Strukturbildung in Projekten; die Performanz, das tätige Hervorbringen der Rahmen eines Vorhabens. Es wird erörtert, wie Projekte geordnet werden und welche Praktik der Bezeichnung die Sinnverschiebung anstößt.

5.1 N ORMATIVITÄT DER O RGANISATION Zu Beginn dieses Kapitels wird in Analogie zu Kapitel 4 eine Sondierung der normativen Prinzipien und Ansprüche an die Projektorganisation vorgenommen. Hierdurch werden zum einen die inhärenten Prinzipien aufgezeigt, welche eine Pragmatik der Organisation von Projekten anleiten. Zum anderen werden Zuschreibungen und Werte ›guter‹ Projekte herausgefiltert und einer Analyse unterzogen. Beide Aspekte be-

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wirken ein Spannungsverhältnis, in welchem die Projektdefinitionen ihre Wirkmächtigkeit entfalten: Wie bereits angemerkt, bedeutet dies, dass Projekte die Dringlichkeit ihrer eigenen Existenz beeinflussen. 5.1.1 Vorstellungen von ›idealen‹ Projekten Ein ›ideales‹ Vorhaben ist eines, in welchem alles ›nach Plan‹ verläuft. IP6 äußert in einer längeren Passage, dass das Ideal insbesondere den Ausschluss von Unsicherheit betreffen würde. Jedoch betont er die prinzipielle Unmöglichkeit von Letztgewissheit. Gerade Projektdefinitionen bauen grundlegend auf einer nicht-idealen Situation auf. Ohne diese bräuchte es schließlich kein Projekt.1 In der kritischen Ausgangssituation, die voller Komplexität und Unsicherheit ist, sei die Organisation Mittel zur Perfektion. Sie diene einer Rationalisierung der Schritte zur Zielerfüllung. Zusätzlich sei jedoch nicht nur die Komplexität einer Aufgabe problematisch, sondern auch der wirtschaftliche Wettbewerb. Dieser führe dazu, dass Projekte an diejenigen vergeben würden, die das ›beste‹ (aber nicht unbedingt das realistischste) Angebot machen. »Also ideal wäre, wenn der Kunde genau wüsste, was er will. Das würde dazu führen, dass ein wirklich sauberes Lastenheft, Spezifikationen, Pflichtenheft vorliegt, das keine Fragen offenlässt. Es müsste im Grunde soweit geklärt sein, dass der Passus, ›wo ist der Gerichtsstand im Streitfall‹ gar nicht nötig wäre. Der Haken ist, dann ist das Ding so dick, 10cm. Das geht gar nicht. Dann wäre ideal, wenn die Zeit, die dem PM [Projektmanager; Y. K.] zur Verfügung steht durch einen Vertrag deckungsgleich wäre mit der Zeit, die er auch wirklich braucht, damit das Projekt sauber abgewickelt werden kann. Sprich, dass kein Zeitdruck aufkommt. Der erste Punkt, Pflichtenheft, ist meistens schon nicht so gegeben. Die Zeit meistens auch nicht. In der Regel ist es so, dass die Kunden dann einen Termin festlegen, der so nicht zu halten ist. Man unterschreibt das dann aber auch. Warum unterschreibt der Vertriebsmann? Weil er genau weiß, der Konkurrent, der würde es auch unterschreiben. Sie können es ja so machen, sie sagen, das halte ich nie aber ich unterschreibe mal und dann werden wir sehen. Denn dann kommt die Macht des Faktischen. Dann ist das Projekt schon weit fortgeschritten, der Kunde ist ja auch drin und jetzt kommen sie: ›Sorry ich brauch noch viel länger‹. Da kann der Kunde schreien. Aber er kann nicht mehr aussteigen. Ideal wäre es, wenn die Dinge so kämen, wie sie es geplant haben. Und selbst wenn ich annehme, dass ich nichts reinschreibe – nach dem Motto: Im Himmel ist Jahrmarkt, ich wünsch’ mir mal was; – sondern dass ich realistische Dinge in den Plan reinschreibe; wenn nur die kämen – unwahrscheinlich, es kommen nicht alle. Ideal wäre weiterhin, wenn sie in ihrer Projektmannschaft genau die Leute hätten, die sie brauchen. Die Realität ist eine andere. Sie bekommen die zugeteilt und auch für die Zuteilung, für

1 | Hier greift die Funktion der Manager_in, welche Dirk Baecker (2010) als das stetige Streben nach optimierten Zuständen interpretiert (vgl. Abschnitt 2.3).

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die Kompetenzen, die sie haben, gilt die Gaußsche Verteilungskurve. Sie haben nicht nur die Cracks drin. Sie können froh sein, wenn sie einen guten Mittelbau haben aber es kann ihnen passieren, dass sie einen mitschleppen müssen. [. . .] Ideal wäre, wenn sie noch den ein oder anderen Wunschkandidaten bekommen. Dann wäre ideal, wenn die natürlich alle bei der Stange bleiben; Krankheit, Urlaub, und so weiter. Ideal wäre, wenn der Kunde zu all seinen Zusagen stünde. Meistens nicht. Ideal wäre natürlich wenn überhaupt nichts unvorhergesehen passiert. Ideal wäre, wenn die Risikoanalyse, die sie zu Beginn machen sollten, die sie mit dem Team machen müssen und nicht allein im stillen Kämmerchen, wenn tatsächlich keins der Risiken einträte. Ideal wäre, wenn sie alle Risiken bedacht hätten, die eintreten können. Die Erfahrung zeigt, dass auf einmal eins kommt, wie ein Teufel aus dem Schächtelchen: plopp – das hätte keiner gedacht« (IP6, Absatz 48).

Die prinzipielle Unmöglichkeit reibungsfreier Projekte zeichnet sich in verschiedenen Punkten ab. Um der immanenten Unsicherheit entgegenzuwirken, sind diese Risiken einzuplanen. Die »Macht des Faktischen« deutet eine Relation zwischen Projektplan und der Wirklichkeit an. Der Plan ist Abbild der Realität und die Organisation bezieht als Rahmen diese ideelle Vorstellung auf die Wirklichkeit. In der Realität kommt es jedoch zu Abweichungen von verschiedenen geplanten Größen. Um in Gewissheit der unmöglichen idealen Projektablauforganisation trotzdem größtmögliche Sicherheit zu erzeugen, beruft sich das Projektmanagement auf eine sehr genaue Planung des Projekts. Es schreibt den Ablaufweg fest. Dazu gehören neben der detaillierten Zielfestsetzung zwischen Auftraggeber_innen und Projektleitung auch die genaue Planung des Ablaufs sowie die sorgfältige Analyse bestehender und eventueller Risiken. Alles findet in der Gewissheit statt, dass Pläne nicht endgültig sind, zwischen Kund_in und Auftragnehmer_in immer Interpretationsräume bleiben und Risiken immer auftreten: »Jeden Tag kommen Hiobsbotschaften, jeden Tag« (IP3, Absatz 19). Die Aufzählung von IP6 zeigt, dass es zum einen Ideale von Vorhaben gibt. Zum anderen zeigt sie, dass die Praxis mitunter erheblich von diesen abweicht. Daher bedürfe es der Werkzeuge des Projektmanagements, um sie wieder dem Idealbild entsprechen zu lassen. Projektmanagement ist also das Werkzeug, um Abweichungen von der normativen Vorstellung einzufangen und die Praxis an die Theorie anzunähern. Dabei ist das unmögliche Ideal konstitutiv für die Unternehmung, da es das Projekt beschreibt. Projektmanagement reproduziert das Ideal, indem es die Wirklichkeit mit den Projektplänen wechselseitig verbindet. Die Zustände sind in der Praxis optimierungsfähig. Für das Projektmanagement ist das Ideal als unerreichbarer Zielpunkt konstitutiv. Dieses poststrukturalistische Argument verdeutlicht, dass die Organisation des Projekts nach entsprechenden Regeln ablaufen muss. Literatur und normative Leitbilder definieren den Status als Projekt, beispielsweise durch performative Akte:

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»Bei Gründung eines [. . .] Projekts sollte der Entwicklungsauftrag stets schriftlich fixiert werden. Erst durch ein ›Dokument‹, das die wichtigsten Eckdaten der geplanten Entwicklung als Zielvereinbarung zum Gegenstand hat, wird ein Entwicklungsvorhaben zu einem Projekt. Dieses Dokument, auch als Projektcharta bezeichnet, hat Vertragscharakter für Auftraggeber und Auftragnehmer; es enthält eine klare Definition der durchzuführenden Entwicklungsaufgabe, der geplanten Entwicklungskosten sowie die voraussichtliche Entwicklungsdauer« (Burghardt 2012: 51).

Erst der niedergeschriebene Auftrag macht aus einem Vorhaben ein Projekt. Das Argument ist – entsprechend des Vertragsthemas – ein juristisches, das sich auch im positivistischen Rechtsprinzip wiederfindet. Erst wenn die Niederschrift interpretiert werden kann, ist das Projekt ›real‹ und positiv bestimmbar. Entgegen der Vorstellung eineindeutiger Rechtsauslegung eröffnen sich Interpretationsräume.2 Als Kontrast zu idealen Leitbildern zeigt Projektmanagement auch Negativbeschreibungen, die als abschreckende Beispiele schlechter Praxis dienen sollen. Gegen Ordnung und planvolles Vorgehen werden Szenarien der Unordnung, der Unübersichtlichkeit und des Undefinierten entworfen: »Viele Unternehmen und andere Organisationen betreiben ›Projektmanagement by Durchwursteln‹. Das bedeutet: Der Ablauf eines Projekts bleibt weitgehend unorganisiert. Die Arbeitsteilung der Projektmitarbeiter wird nicht im Voraus durch einen Plan koordiniert, sondern der Selbstorganisation durch die Beteiligten überlassen. Das Motto für solche Projekte könnte lauten: ›Es wird schon gut gehen‹. Das tut es dann leider aber nicht. Gewinner verlassen sich nicht ausschließlich auf die Selbstabstimmung, sondern verfahren nach dem schon erwähnten Paradigma der Ablauforganisation, das da lautet: Ein organisierter, d. h. geplanter Projektablauf ist für den Projekterfolg wichtiger als ein über weite Strecken unorganisierter Prozess. Sie nutzen Instrumente wie den Projektstrukturplan, die Ablauf- und Zeitplanung oder die Werkzeuge des Konfigurationsmanagements, etwas vereinfacht auch Änderungsmanagement genannt, um eine gute Projektarbeit zu gewährleisten« (Ottmann und Schelle 2011: 111 f.).

Das ›ideale‹ Vorgehen wird in diesem Zitat als »Gewinner«-Strategie beschrieben. Diese würde sich in einer geplanten und standardisierten Projektabwicklung zeigen, die ihre Eckdaten aus Projektvereinbarungen ziehe. Das sei eine der zentralen Einsichten des Projektmanagements und dadurch auch die schlagende Begründung, Projekte 2 | Im vorherigen Kapitel habe ich aus dem Material heraus gezeigt, wie problematisch strikte organisationale Regeln sind, die, mit Ortmann (2003b, 2004) gesprochen, immer unzureichend regeln. Die einzigartige Situation, in der sie zur Anwendung kommen sollen, können sie nicht selbst vorwegnehmen.

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nach allgemeinen Standards abzuwickeln. Wenig überraschend ist daher die Tatsache, dass Planung und Strukturierung der Projekte unentwegt gefordert werden. Ein Interviewter nennt sie eine fundamentale Bedingung für die Entstehung eines Projekts: »Das Projekt findet ja nur statt, wenn ich einen Zeitplan habe, der mit dem Kunden besprochen ist. Letztlich muss ich ja überlegen, dass diese Tätigkeiten tatsächlich stattfinden« (IP1, Absatz 28). Projektplanung, hier genauer die Zeitplanung, ist das zentrale Element. Der Projektplan fungiert gewissermaßen als Abbild des realen Vorhabens und erst durch ihn wird es möglich, das Projekt durch Methoden und Techniken des Projektmanagements zu bearbeiten. Als Handlungsanleitung sind Pläne daher konstitutiv für Projektarbeit. »Ein detaillierter Projektstrukturplan (Work Breakdown Structure ›WBS‹) ist die Basis für das gute Gelingen eines Projekts. Spätestens bei seiner Erstellung werden die Fähigkeiten des Projektleiters auf die Probe gestellt. Beherrscht er die Erstellung, so dürfte den Projektleiter, aufgrund seines modularen und transparenten Projektstrukturplans, nichts so schnell ›aus der Bahn werfen‹. Er kann den Plan nicht nur für die restlichen Planungselemente einsetzen, sondern auch zum Steuern und Kontrollieren der Termine, der Kosten und zur Beschreibung des Projektfortschritts« (Jenny 2010: 317).

Nicht nur zeigen sich darin die expliziten Anforderungen an die Projektleitung (vgl. Kapitel 4.1.1), sondern es werden auch die strukturellen Notwendigkeiten genauer Planung unterstrichen. Diese liegen darin, einen Plan zu erstellen sowie anhand eines solchen Entwurfs das Projekt zu steuern und zu kontrollieren. Der Überblick werde besser behalten und das Ziel effizienter erreicht, wenn durch die Planung Transparenz, Eindeutigkeit, Zurechenbarkeit und Vorhersagbarkeit geschaffen würde. Jene benannten Aspekte ergeben sich direkt aus der Projektsteuerung, die sich auf zwei Teile eines Projekts auswirkt: Leitungs- und Organisationskonzept. Sie zeigen an, dass Projektmanagement für die Führungsinstanzen relevant ist und die eigenen Positionen zwischen Vorhaben und Unternehmen reflektiert werden. »Was genau ist Projektmanagement? Es ist sowohl Leitungskonzept als auch Organisationskonzept. Während der erste Begriff beschreibt, dass die Projektleitung Methoden des Projektmanagements anwendet, kennzeichnet der zweite Begriff, dass Projektmanagement als eigener Aufgabenbereich eines Projekts organisiert werden kann. In beiden Fällen steht die Aufgabe im Vordergrund, durch den Einsatz adäquater Instrumente die vielen, sich teilweise gegenseitig beeinflussenden Projektelemente auf ein gemeinsames Ziel auszurichten. Für eine reibungslose Zielerreichung spielt die Projektorganisation eine zentrale Rolle: Durch sie wird frühzeitig festgelegt, welche Entscheidungssachverhalte von der Projektleitung entschieden werden (dürfen) und inwieweit die Projektleitung Weisungen ›von oben‹ bzw. aus der Linie unterworfen ist« (Hofmann 2011: 23).

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Dieses Zitat thematisiert einen wichtigen Punkt idealer Projektbilder: Ein Projekt solle ein professionell durchgeführtes Vorhaben sein. Das heißt, es soll durch ein professionalisiertes Steuerungswesen geführt und strukturiert werden. Projektmanagement bildet genau jene disziplinierende Profession ab.3 Die Zielorientierung erfasst die Planung und Steuerung des Projekts in allen Details ist die tragende Säule der Organisation. Sie steht in direkter Verbindung zum Lasten-/Pflichtenheft sowie zum Projektvertrag und habe dazu geführt, dass die Führungs- und Organisationsstruktur einer festen Plan- und Ablauforganisation folge. »Ein seit Langem anerkanntes Paradigma des Projektmanagements [. . .] sagt aus, dass •

ein organisierter Arbeitsablauf (Prozess) im Projekt der Erreichung von Projektzielen dienlicher ist als ein über weite Strecken unorganisierter Ablauf (Management by muddling through, d. h. Durchwursteln) und dass



ein höherer Grad der Ablauforganisation zu einer verbesserten Zeit- und Kosteneffizienz sowie zu mehr Erfolg bei der Erfüllung der Leistungsziele führt.

Viele Innovationen im Projektmanagement, bspw. die Netzplantechnik oder das Konfigurationsmanagement, können als gelungene Versuche zur Steigerung des Organisationsgrads betrachtet werden« (Ottmann und Schelle 2011: 65).

Das hier angesprochene Paradigma des Projektmanagements ist in doppelter Hinsicht interessant: Zum einen haben die Transformationen von Erwerbsarbeit und Arbeitsorganisation der letzten Dekaden dazu beigetragen, auf allzu rigide Abläufe und Vorgaben zu verzichten. Dies geschah zugunsten einer weitgehend freien und selbstverantwortlichen Arbeitsdurchführung mit dem ambivalenten Ziel, Effizienz und Leistungserfüllung zu optimieren. Zum anderen ist es trivial im Kontext bestehender (klassi-

3 | Ähnliches findet sich in den Äußerungen eines befragten Unternehmensberaters für Projektmanagement. Die Nachfrage nach Expert_innenwissen aus der Beratung ziele auf die Standardisierung und Sichtbarmachung von Vergleichsmöglichkeiten. Das heißt, im Wesentlichen diene es dazu, prinzipiell Ungleiches (die Erzeugung einzigartiger Dienstleistungen oder Produkte) in der Durchführung vergleichbar zu machen. »Oftmals ist es so, dass Kunden einfach merken, dass eine Vielzahl ihrer Projekte schief laufen. Egal was das für Projekte sind, entweder wird der Kostenrahmen überzogen, die Termine werden nicht eingehalten die Qualität der Ergebnisse passt nicht. Das ist so das magische Dreieck im Projektmanagement – irgendwas davon passt nicht. ›Wir machen das immer so mit Hand am Raum aber eigentlich machen wir jedes Projekt immer anders und wir wollen das mal vereinheitlichen, wir wollen die Projekte vergleichen können. Wir wollen später auch mal lessons learnt durchführen und sagen, was hat denn gut und was nicht funktioniert‹. Wenn man jedes Projekt neu macht, auf eine andere Art und Weise, ist es ziemlich schwer, das Ganze zu vergleichen« (IP7, Absatz 20).

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scher) Organisationstheorie, welche per se eine Effizienzsteigerung sucht, indem sie Prozesse rational anordnet. In diesem Zusammenhang böte sich eine Interpretation des Projektmanagements als kontraintuitiver und kontraproduktiver Strukturierungsmechanismus an. Dies lässt die Frage offen, warum an ihm festgehalten wird und an welcher Stelle seine positiven und produktiven Züge liegen. ›Freie‹ und kreative subjektivierte und entgrenzte Arbeitsverhältnisse sowie streng deterministische Organisation und Planung erzeugen ein antagonistisches Spannungsverhältnis. Dieses bleibt spürbar und muss in der Praxis aufgelöst werden. Gegenüber der Darstellung des Projekts als Arbeits- und Ablauforganisation ist ein hiervon zu unterscheidender Planungsvorgang auf die zeitliche Ordnung des Projektablaufs gerichtet. Anders als bei der konkreten Ablaufstruktur ist die Phaseneinteilung gröber und ordnet Projekte in Abschnitte ein. In diesen stark standardisierten Phasen wird die Projektarbeit in einen Erwartungshorizont eingebettet und anschlussfähig gemacht. In der entsprechenden Literatur wird dies das Lebenszyklusmodell des Projekts (project life cycle) genannt. »A project life cycle is the series of phases that a project passes through from its initiation to its closure. The phases are generally sequential, and their names and numbers are determined by the management and control needs of the organization or organizations involved in the project, the nature of the project itself, and its area of application. The phases can be broken down by functional or partial objectives, intermediate results or deliverables, specific milestones within the overall scope of work, or financial availability. Phases are generally time bounded, with a start and ending or control point. A life cycle can be documented within a methodology. The project life cycle can be determined or shaped by the unique aspects of the organization, industry, or technology employed. While every project has a definite start and a definite end, the specific deliverables and activities that take place in between will vary widely with the project. The life cycle provides the basic framework for managing the project, regardless of the specific work involved« (PMI 2013: 38).

Die Gliederung in Phasen ermöglicht es dem Projekt, seine ›Geschichte zu schreiben‹ und damit zu ›altern‹; es kann sich (weiter-)entwickeln. Auch Anfang und Ende der Projektphasen sind nun eindeutig markiert. Der Zyklus, nach welchem das Projekt abläuft, ist das Fundament strukturierender Zugriffe. Nachdem die zeitliche Ordnung des Vorhabens festgeschrieben ist, bezieht sich die Planung und Organisation auf die Zielausrichtung der restlichen Projektelemente. Diese zwischen Start- und Endpunkt eingelassenen Schritte sind je nach Branche und Anforderung an das Projektergebnis unterschiedlich. Beispielsweise benötigen Softwareprojekte eine Vielzahl iterativer Prozesse, zum Test und zur Verbesserung einzelner Programmversionen oder zur Anpassung der Hardware; Bauprojekte haben beispielsweise verschiedene Bauphasen

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eine Abnahme- und Nachbesserungsphase. Jede Phase produziert dabei unterschiedliche Anforderungen und Erwartungen an die Projektorganisation und die Arbeit. 5.1.2 Phase I und II: Einführung und Initialisierung Projektphasen sind normative Setzungen. Sie werden durch die Literatur präskriptiv vorgegeben. Ein Projekt wird hierdurch zeitlich strukturiert, seine Teilziele werden im Zeitverlauf des Projekts arrangiert.4 Die Notwendigkeit zur zeitlichen Einteilung wird aus der Befristung des Vorhabens abgeleitet. Sie ist der Anlass für diese Gliederung, die sich sowohl auf einer sachlichen Ebene als auch einer zeitlichen Ebene stattfindet. An dieser Stelle soll keine direkte Rekonstruktion der einzelnen Phasen erfolgen; wichtig sind vielmehr die inhärenten Strukturierungslogiken dieser Abschnitte, die sich performativ auf das Projekt auswirken. Zur ersten Phase des Projekts gehört seine Gründung. Da Projekte nicht ›von alleine‹ entstehen, sondern aus einem konkreten Anlass, ist diese erste Phase durch Verhandlungen und Zieldefinitionen gekennzeichnet, die einen Rahmen herstellen. Die Hervorbringung der Projektorganisation als ist ein (erster) performativer Akt (vgl. Abschnitt 5.1.1 Burghardt 2012: 51). »Am Anfang eines Projekts steht seine Gründung, die durch das Erstellen und Genehmigen eines offiziellen Projektantrags vollzogen wird. Der Projektantrag bildet die Vertragsgrundlage zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer und legt – verbindlich für beide Seiten – das Leistungsvolumen sowie den Kosten- und Terminrahmen des Projekts fest. Voraussetzung für das Formulieren des Projektantrags ist eine klare Aufgabenstellung; hierfür müssen einerseits die Projektparameter bestimmt und andererseits mögliche Projektrisiken festgestellt werden. Zum Abstecken der Chancen und Gefahren eines Projekts dient die Problemfeldanalyse, bei der man das gesamte Projektumfeld systematisch untersucht mit dem Ziel, optimale Planungsgrundlagen für die nachfolgenden Projektabschnitte zu schaffen« (ebd.: 34, Hervorhebungen im Original).

Als organisationale Struktur besteht das Projekt bereits vor der Gründung, also bevor es überhaupt juristisch fixiert wurde. Es muss ein Antrag erarbeitet werden, der als grundlegendes vertragliches Dokument die Zielrichtung vorgibt und Leistungsund Ergebnisdimensionen festhält. Hierfür wird in heuristischer Art die Projektumwelt mit ihren Stakeholdern – involvierten und betroffenen Akteure – erfasst, um

4 | Für ein Verständnis von Projekten und ihrer Situiertheit in einem Horizont von Zeit ist eine konkretere Bestimmung dieser Zeit als operativer Mechanismus der Projektplanung noch genauer vorzunehmen (vgl. Abschnitt 6.3).

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konkrete Anforderungen und Bedürfnisse zu eruieren (vgl. Jenny 2010: 135). Der US-amerikanische Standard des Project Management Institute fasst diese Prozesse in einer eigenen Gruppe zusammen, bestehend aus Methoden und Techniken, um die Reichweite des Vorhabens abzustecken.5 Neben dem Ergebnisrahmen werden die organisatorischen Aspekte hergeleitet und die Projektführung bestimmt. Als Letztinstanz behält sich die Unternehmensleitung die Autorisierung des Projektes vor, indem es die festgehaltenen Daten und Fakten bewilligt. »The Initiating Process Group consists of those processes performed to define a new project or a new phase of an existing project by obtaining authorization to start the project or phase. Within the Initiating processes, the initial scope is defined and initial financial resources are committed. Internal and external stakeholders who will interact and influence the overall outcome of the project are identified. If not already assigned, the project manager will be selected. This information is captured in the project charter and stakeholder register. When the project charter is approved, the project becomes officially authorized« (PMI 2013: 54).

Im Vergleich zum US-amerikanischen Standard hat das europäische Pendant der International Project Management Association einen ähnlichen Ausgangspunkt: »Start-up provides the basis for a successful programme or project. It is frequently characterised by uncertainty, with information that is sketchy or not yet available. Interested party requirements may be ill-defined, their expectations unrealistic and time-frame undeliverable, whilst early optimism and enthusiasm needs to be tempered with reality. A well-prepared and effectively managed start-up workshop and the recruitment of the right programme/project team personnel can improve the chances of a successful programme/project. The start-up workshop should focus on developing the programme/project charter and preparing the programme/project management plan, setting out the team roles and critical path for the programme/project« (Caupin et al. 2006: 78, Hervorhebungen im Original).

Neben der Teamzusammenstellung und einer (ersten) Planung des Projektablaufs, welche einen kritischen Pfad der Projektdurchführung erstellt, ist besonders die unsichere Ausgangslage zu Beginn des Projekts Thema. Risiken sind nicht komplett absehbar und Informationen sind unvollständig, wie die Organisationstheorie mit dem Konzept bounded rationality ausdrückt (vgl. Simon 1957). In dieser Phase wird ent-

5 | An dieser Stelle ließe sich die semantische Unterscheidung zwischen den Begriffen ›Vorhaben‹ und ›Projekt‹ verdeutlichen, welche ich bisher synonym verwendet habe. Durch die Vorlaufzeit der Planung und Eruierung wird eine Idee, ein Vorhaben, abgesteckt. Erst durch die genaue Festlegung und Umschreibung der Ziele und Ergebnisse wird aus diesem Vorhaben dann ein Projekt.

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schieden, ob das Projekt überhaupt ausgerichtet werden soll. Folgender Ausschnitt aus einem Praxisratgeber konstatiert, dass in der Einführungsphase, also noch vor Projektbeginn, »[d]ie ›richtigen‹ Projekte« ausgewählt werden müssten. Offensichtlich sollen die ›falschen‹ abgelehnt werden, um ein Scheitern von Projekten zu vermeiden und Risiken zu minimieren. »Die beste Projektabwicklung (›Die Projekte ‚richtig‘ machen‹) nützt nichts, wenn die falschen Projekte ausgewählt wurden. Deshalb gilt zunächst die Forderung: ›Die ‚richtigen‘ Projekte machen‹. Eine Auswahl ist auch deshalb notwendig, weil zumeist das vorhandene Personal und die verfügbaren finanziellen Mittel nicht ausreichen, um alle vorgeschlagenen Vorhaben zu realisieren. Projektauswahl heißt nicht nur neue erfolgversprechende Projekte zu starten, sondern eventuell auch laufende Projekte bewusst abzubrechen« (Schelle 2010: 49).

Aufgrund der überlegten »Projektauswahl« soll das Unternehmen gewinnbringende Projekte beginnen oder weiterführen und kritische von vorneherein meiden beziehungsweise abbrechen, bevor der Schaden zu groß wird. Die Wirtschaftlichkeit eines Projekts (oder andere Kriterien, die als Erfolgsfaktoren gewertet werden), zieht sich weiter durch bereits gestartete Projekte durch, dennoch behält die von IP6 angebrachte »Macht des Faktischen« der Praxis ihre Gültigkeit: Ein begonnenes Projekt, in welches von allen Seiten investiert wurde, ist manchmal schwer vorzeitig zu beenden. Zu Beginn ist der von Schelle beschriebene Projektstart nicht nur symbolisch, sondern auch rhetorisch und semantisch eine ernste Sache: »Die Entscheidung, eine Aufgabe zum Projekt zu erklären, muss selbstverständlich Konsequenzen haben. Es genügt nicht, wie einige Unternehmen glauben, der Aufgabe nur das Etikett ›Projekt‹ aufzukleben. Es muss ein Projektauftrag erteilt, ein Projektleiter eingesetzt und ein Projektteam zusammengestellt werden. Zumindest einfache Instrumente der Zeit-, Kapazitäts-, Kosten- und Leistungsplanung und -überwachung sind anzuwenden, eine Projektdokumentation muss angelegt werden. Auch auf eine klärende Startsitzung sollte nicht verzichtet werden« (ebd.: 45).

›Den Worten Taten folgen lassen‹, so werden die Erfordernisse einer Initiierungsphase summiert: Nach der Entscheidung, ein Projekt zu starten, muss zunächst die entsprechende organisationale Strukturierung erfolgen, welche sich mit und durch Pläne vollzieht; der Bedeutung ›Projekt‹ muss dann auch eine inhaltliche Strukturierung folgen. Der sprachphilosophischen These folgend, »[d]er Name, den man einer Sache gibt, lässt diese nicht unberührt« (Bröckling 2005: 366), bedeutet dies, dass das Vorhaben durch die Benennung als Projekt sich verändert und anders auf es eingewirkt wird. Der Projektstart ist die normative Aufforderung, der sprachphilosophischen Einsicht normatives Gewicht zu verleihen und somit die »Kriterien der Projektförmigkeit« her-

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zustellen und anzuerkennen. Dies ist die zentrale Pointe der Initiierungs- und Einführungsphase: Das Vorhaben wird zum Projekt gemacht, indem die Konsequenzen der semantischen Zuschreibung an das Projekt als Projekt ernst genommen werden. Das heißt, Methoden und Techniken zu mobilisieren, um auf das organisatorische Ensemble, die Arbeitstätigkeiten, die Ziele und die involvierten Akteure einzuwirken, sie zu formieren und in Stellung zu bringen. »Aber die Ausrichtung und auch die – und da bin ich auch wieder ein bisschen dabei, die Prozesse abzuklopfen, die dafür notwendig sind, dass man überhaupt ein Projekt bekommt – weil viel Arbeit, so generell 80 Prozent der Probleme, die in einem Projekt auftauchen, letztlich in den ersten paar Wochen des Projektes hätten verhindert werden können. Also das klassische ›wehret den Anfängen‹. [. . .] Da wird dann schon die Entscheidung getroffen ›Ja machen wir‹ oder ›Nein machen wir nicht‹ [das Projekt; Y. K.]« (IP9, Absatz 26).

In der Vorbereitungsphase sollen Eventualitäten durchdacht und Probleme im Vorlauf antizipiert werden. Ein Projekt beginnt mit dem konsequenten Planen des gesamten Verlaufs. Daher ist die wesentliche Bedeutung dieser Phasen die vollumfängliche Simulation der Gesamtsituation, in welcher die Erwartungshaltungen von verschiedenen Parteien an das Projekt gerichtet werden. Darüber hinaus werden die individuellen Eigenschaften und Eigenarten, die mit der Technik, dem Produkt oder der Dienstleistung einhergehen ›vermessen‹ und in einem Plan fixiert. Jede Untiefe muss ausgelotet und jede potenziell gefährliche Stelle erfasst werden, um dem Projekt den richtigen Kurs zu weisen. Diese Route wird als der (vorerst) einzig gangbare Weg normativ vorgegeben und dominiert so die Konzeptionen von Projektorganisation. Die Befristung des Projekts macht es notwendig, dass das angestrebte Vorhaben bereits ›auf dem Papier‹ einmal erfolgreich durchgespielt wurde, bevor die Gruppe sich ›auf den Weg‹ macht. 5.1.3 Phase III und IV: Konzeption und Realisierung Zwei weitere Phasen finden innerhalb der Projektdurchführung statt und sind eng mit der eigentlichen Projektarbeit verbunden. Sie verbinden Arbeit und Organisation, denn sie dienen sie Herstellung von Organisationsstrukturen von Arbeit. Auch gliedern und strukturieren sie die zeitliche und sachliche Situation der Unternehmung. Verbreitet ist eine Top-down-Vorgehensweise, wonach zuerst grobe Eckpunkte des Vorhabens festgelegt werden und dann immer detaillierter geplant wird. »Bei jedem Projekt interessiert den Projektleiter zunächst einmal der grobe Überblick. Diesen liefert die Meilenstein-Planung: Mein Projekt hat beispielsweise vier Etappen. Schon mit die-

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ser Erkenntnis erhöht sich die Übersichtlichkeit eines Projektes wesentlich. Danach möchte ein Projektleiter meist wissen: Sind diese Meilensteine überhaupt realistisch erreichbar? Das hängt davon ab, wie viel ich für jeden einzelnen Meilenstein tun muss. Diese Frage klärt die Aktivitäten-Planung: Sie listet ganz einfach sämtliche nötigen Tätigkeiten pro Projekt-Etappe auf. Bei wenigen Tätigkeiten pro Etappe ist meist schon auf den ersten Blick klar: Das schaffen wir! Ab sieben Aktivitäten pro Meilenstein wird es aber unübersichtlich und das nächste Planungsinstrument wird nötig: die W-Planung. Sie klärt, ob die Meilensteine realistisch erreicht werden können, indem sie die Frage klärt: Wer muss was bis wann fertig stellen, damit wir zum gewünschten Endtermin fertig werden? In vielen Projekten ist damit der Überblick hergestellt: Wir schaffen das. In einigen Projekten kommen dem Projektleiter jedoch Zweifel: Zwar hat jedes Teammitglied gesagt, bis wann es mit seiner Tätigkeit fertig ist – doch wie verlässlich sind diese Zusagen? Wir wissen alle, dass gerade die Verlässlichkeit dieser Zusagen über den Projekterfolg entscheidet. Wie oft müssen wir hören, ›Tut mir leid, ich schaffe es nicht bis zum Termin‹? Viele Projektleiter glauben, da sei eben etwas Unvorhergesehenes dazwischen gekommen. Das ist meist falsch. Wie verlässlich eine Zusage ist, kann man relativ gut einschätzen – wenn man als Projektleiter die Zuverlässigkeits-Prüfung beherrscht, die folgende Frage beantwortet: Wie realistisch sind die Terminzusagen? Die letzten beiden Planungsinstrumente ergeben sich beinahe von selbst: Planung muss sichtbar sein. Das Gantt-Diagramm ist das Universaldiagramm für kleinere und mittlere Projekte. Außerdem wünscht sich jeder Projektleiter eine einfache und schnelle PC-Unterstützung« (Schmid 2012: 92, Hervorhebungen im Original).

Eine Vielzahl von Fragen wird von der Projektleitung in der Planungsphase beantwortet. Es handelt sich um Initialfragen, um Details, die zu Beginn geklärt werden müssen. Der andere Teil umfasst Fragen, die sich mit der wiederholten Planungssequenz auseinandersetzen. Der Autor betont die Wahrhaftigkeit der Projektplanung, indem er vorrangig danach fragt, wie reliabel und belastbar getroffene Zusagen und Pläne seien. Der Plan habe informativen Charakter und stellt als organisationsstrukturelles Gerüst involvierte Personen und deren Rollen dar. Diese Wahrhaftigkeit des Plans lasse sich allerdings nur durch die Vollständigkeit des Plans einlösen. Der Anspruch auf die Einheit des Projekts im Plan ist somit verpflichtend. Hieran wird die Verbindung zu der vorangegangenen, umfassenden Einbeziehung der Projekteröffnung sichtbar. Außerdem stellt Schmid beinahe nebenbei fest, dass Planung »sichtbar« sein müsse, um Geltung zu erfahren, gerade wenn es um Abhängigkeiten und Anordnungen in Gantt-Diagrammen gehe (siehe beispielsweise Abbildung 6). Planung erzeugt im zweiten Schritt der Realisierung die Grundlagen für die eigentliche Abwicklung des Vorhabens, unter Einbeziehung aller relevanten Faktoren,

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die im ersten Schritt Teil der Konzeption geworden sind. Sie legt einen Kurs fest, der sich in den Tätigkeiten der Angestellten wiederfindet, die die Projektleistung faktisch erbringen. In diesem Prozess muss die Route auch (re)aktualisiert werden. »Der Prozess kennzeichnet das eigentliche Vorgehen im Projekt zur Herstellung des Produkts; er beschreibt also den Planungs- und Realisierungsablauf. Im Prozess werden die für die Zielerreichung notwendigen Aktivitäten – gemeinhin als Arbeitspakete bezeichnet – in definierte Abläufe eingeordnet, wobei die jeweils notwendigen Vorgaben sowie die zu erreichenden Ergebnisse bindend festgelegt sind. Weiterhin sind innerhalb dieser Prozessstruktur die Entscheidungspunkte an den Phasenenden bzw. Meilensteinen allgemein gültig definiert. An diesen Zäsurpunkten wird der Entwicklungsprozess beeinflusst, d. h. anhand einer Soll/Ist-Abfrage gesteuert« (Burghardt 2012: 24, Hervorhebungen im Original).

Prozess meint an dieser Stelle für Burghardt einen »(geordneten) Projektablauf, [. . .] [um] eine Fülle von Projektaufgaben zu bewältigen« (ebd.: 23). Der Ablauf zielt auf die Erzeugung des bestmöglichen Arrangements der Arbeitspakete ab.6 Dabei sind die Konzeption und die Durchführung des Projekts ineinander verschränkt: Unter Durchführung wird nahezu konsensuell verstanden, das Vorhaben sachlich voranzutreiben, also das vereinbarte Ergebnis zu erarbeiten. Konzeption als Phase verläuft zeitgleich zur Durchführung. Sie beschreibt die planerische Auseinandersetzung mit dem Projektzustand, welcher sich an »Zäsurpunkten« und Meilensteinen orientiert, und vergleicht Planungsgrößen mit Realwerten. Diese Gegenüberstellungen sind die Grundlage einer Steuerungslogik, die iterativ-kontrollierend die Projektwirklichkeit mit dem Projektplan abgleicht.7 Das schrittweise Einwirken auf die realen ›Zahlen‹ zur Erreichung der geplanten Größen ist die Funktion des Planungsprozesses. Planung meint an dieser Stelle zum einen das Festlegen eines konkreten Rahmens sowie

6 | Arbeitspakete sind die kleinsten Elemente des Projektstrukturplans. In ihm werden die zu erreichenden Ziele und die hierfür notwendigen Arbeitsschritte zusammengetragen und in eine sinnvolle Reihung gebracht. »Um die gesetzten Ziele zu erreichen, muss das Projekt im Projektstrukturplan (PSP) in einzelne Arbeitspakete zerlegt werden. Der Projektstrukturplan, auch der ›Plan der Pläne‹ genannt, beantwortet die Frage: ›Was ist in einem Projekt zu tun?‹ Die einzelnen Arbeitspakete – nichts anderes als Aufgabenbündel, die in einem Projekt zu erledigen sind – werden von den Projektmitarbeitern, die für die Ausführung verantwortlich sind, nach einem einheitlichen Schema beschrieben. Der Projektleiter, der für den Erfolg des Projekts zuständig ist, wird dabei eingebunden. Er vergibt die Arbeitspakete als interne Aufträge an die Verantwortlichen« (Ottmann und Schelle 2011: 113 f.; vgl. Corsten, Corsten und Gössinger 2008: 108). 7 | Dieses iterative Verfahren beinhaltet eine sukzessive Planung-Neuplanung, die im Verlauf immer genauere Neuplanungen liefert und feinere Abweichungen verarbeiten kann. An anderer

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zum anderen auch eine dynamisch-adaptive Auseinandersetzung mit der bestehenden Wirklichkeit, den realisierten und/oder verfehlten Fortschritten. Diese Planungen sind per se nicht vollends verlässlich, allein schon weil sich kognitive Effekte in die eigenen Planungswirklichkeiten einschleichen: »Wenn Sie in der Praxis eine Meilenstein-Planung erstellen, werden Sie sich wundern: Der Plan geht meist voll auf! [. . .] Nein, das ist keine Fügung, das ist der Suggestiv-Effekt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben Sie nämlich selbst an Heiligabend noch keinen Wintergarten – das suggeriert Ihnen lediglich Ihr Plan. Dieser sieht so plausibel aus, dass man ihm glauben muss« (Schmid 2012: 96 f.).

Selbst bei der Nutzung von statistischen Methoden, die zur Schätzung der Aufgabendauer herangezogen werden,8 bleibt die Planung notwendigerweise immer inkonsistent. Der Plan entspricht also weder der Realität noch kann er sie auch nur ansatzweise einfangen. Pläne und der Prozess der Planung beziehen sich auf einen zukünftigen Zustand und skizzieren abstrakte Möglichkeiten. Es ist der gegenwärtige Zugriff auf eine zukünftige Gegenwart, die durch eine Vielzahl von vorgeschalteten Aufgaben erst realisiert werden muss. Pläne projizieren eben nicht die Zukunft, sondern nur die Gegenwart (vgl. Abschnitt 6.3). Als Skizze lebt die Projektplanung allerdings gewissermaßen davon, das »Optimale« mit Geltung zu versehen und verbindlich zu machen. »The Planning Process Group consists of those processes performed to establish the total scope of the effort, define and refine the objectives, and develop the course of action required to attain those objectives. The Planning processes develop the project management plan and the project documents that will be used to carry out the project. The complex nature of project management may require the use of repeated feedback loops for additional analysis. As more project information or characteristics are gathered and understood, additional planning will likely be required. Significant changes occurring throughout the project life cycle trigger a need to revisit one or more of the planning processes and possibly some of the initiating processes. This progressive detailing of the project management plan is called progressive elaboration,

Stelle habe ich diesen Mechanismus als einen Kontrollmechanismus interpretiert, welcher die Arbeitsorganisation und hierdurch die Angestellten gleichermaßen kontrolliert und diszipliniert (siehe Kalff 2014). 8 | So beispielsweise in »deterministischer Netzplantechnik mit stochastischem Parameter« (Corsten, Corsten und Gössinger 2008: 161, ohne Hervorhebungen). Diese Methode legt der Ermittlung der Durchführungsdauer eine Dichtefunktion zugrunde, um so mit Schätzwerten eine belastbare, das heißt sinnige und realistische, Zeitschätzung zu erhalten. Gegen dieses Verfahren lassen sich (berechtigte) (stochastische) Einwände anbringen (vgl. ebd.: 168 f.).

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indicating that planning and documentation are iterative and ongoing activities. The key benefit of this Process Group is to delineate the strategy and tactics as well as the course of action or path to successfully complete the project or phase. When the Planning Process Group is well managed, it is much easier to get stakeholder buy-in and engagement. These processes express how this will be done, setting the route to the desired objective« (PMI 2013: 55).

Sehr umfangreich werden in diesem Ausschnitt die Bedeutung von Projektplanung und die mit ihr assoziierten Prozesse aufgezählt. Die Resultate dieser Planungsprozesse produzieren und entwickeln die Dokumente, die zur Abwicklung herangezogen werden. Mit fortschreitender Projektdauer entstehen neue Informationen, die in die bestehenden Darstellungen eingearbeitet werden müssen. Projektplanung wirkt auf sich selbst zurück und ›erlaubt‹ Abweichungen und Fehleinschätzungen – aber nur, um zu einer noch effizienteren und ›besseren‹ Anordnung der Aufgaben zu kommen. Dies ist ihre iterativ-kontrollierende Annäherung, wie sie weiter oben erwähnt wurde. Die Tätigkeiten erlangen mithin strategische und taktische Komponenten, die sich in der Vielzahl von Spannungsbeziehungen des Projekts finden. Gesucht wird nach adäquaten Lösungen zur erfolgreichen Absolvierung des Vorhabens. Etwas eindringlicher formuliert dies Klaus Olfert, wenn er von »Verpflichtungen zur Erreichung von Lösungen« (Olfert 2012: 86) spricht. Diese seien Ziel der Aufgabenplanung. Wiederum ist der Zukunftsbezug der Planung sowie die spezielle semantische Deutung von Planung als Lösungsprozess erkennbar. Ein Projekt erlangt Problemcharakter, auf dessen zufriedenstellende Bearbeitung sich die Projektleitung verpflichtet. Um die weiter oben bereits benannte Parallelität der Phasen Konzeption und Realisation wieder aufzugreifen, soll im Folgenden auf die Durchführung von Projekten eingegangen werden. Hierfür sieht beispielsweise das Project Management Institute eine Prozessgruppe vor, die sie wie folgt festschreibt: »The Executing Process Group consists of those processes performed to complete the work defined in the project management plan to satisfy the project specifications. This Process Group involves coordinating people and resources, managing stakeholder expectations, as well as integrating and performing the activities of the project in accordance with the project management plan. During project execution, results may require planning updates and rebaselining. This may include changes to expected activity durations, changes in resource productivity and availability, and unanticipated risks. Such variances may affect the project management plan or project documents and may require detailed analysis and development of appropriate project management responses. The results of the analysis can trigger change requests that, if approved, may modify the project management plan or other project documents and possibly require establishing new baselines. A large portion of the project’s budget will be expended in performing the Executing Process Group processes« (PMI 2013: 56).

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Die benannten Tätigkeiten umfassen insgesamt drei verschiedene Anknüpfungspunkte: das Managen der Umwelt, die (Neu-)Planung der Projektpläne sowie die Durchführung der Projektarbeiten zur Erzeugung der angestrebten Leistung. Besonderes Augenmerk wird allerdings auf die Planungsinstanz geworfen, deren Kontinuität sich durch den Ablauf hindurch fortsetzt. Durch die andauernde Risikoanalyse und -planung wird die Durchführung auf dem aktuellsten Stand gehalten. Risiken als unvorhergesehene und zum Teil unvorhersehbare Ereignisse, die den Projektfortschritt behindern, sind in die Planung einbezogen. Für zeitliche und monetäre Faktoren ist die Antizipation verschiedener Risiken relevant – auch wenn deren Einflüsse weder genau noch vollumfänglich einplanbar sind. In der Konzeption der Projektabwicklung ist, laut einiger Autor_innen, besonders auf die Genauigkeit der Aufgabenformulierung zu achten, um die spezifischen Tätigkeiten in ihrer Gänze darzustellen. In To-do-Listen, aus denen sich wechselseitig auch die Projektstrukturpläne ableiten lassen, werden diese Tätigkeiten gesammelt. Die Literatur fordert interessanterweise dazu auf, nicht Nomen sondern Verben als Aufgabenbeschreibungen beim Planungsprozess zu nutzen.9 Einerseits sei die Benennung der konkreten Tätigkeit genauer als das spezifische Endergebnis dieses Tuns. Andererseits nimmt die Verbform bereits vorweg, dass es sich um einen Prozess in der Zeit handelt, dessen Planung auf einer zeitlichen Ebene und im Horizont von Anfang und Ende veranschlagt wird. Freilich ist die Darstellung dieses Umstands in praxisorientierter Projektmanagementliteratur nicht konkret auf dieses Detail bezogen; dennoch ist die Eineindeutigkeit, mit welcher die Planung Aufgaben benennt, zuordnet und deren Ansatzpunkte festhält, für die Planungsphase von besonderer Bedeutung. »Eine Aktivitäten-Liste aus reinen Hauptwörtern ist irreführend. Eine solche Liste ist sehr missverständlich. Wenn da zum Beispiel ›Motor‹ steht, gehen garantiert einige Teammitglieder davon aus, dass man den Standard-Baureihen-Motor einfach an das neue Gartengerät anpasst. Dabei ist das Gegenteil gemeint: Gedacht war, einen neuen Motor extern einzukaufen. Wenn das ein Projektziel ist, dann muss es auch in der Aktivitäten-Liste auftauchen. Es muss drinstehen, was gemacht werden muss. Und das können Sie nur ausdrücken, indem Sie Verben verwenden« (Schmid 2012: 100, Hervorhebungen im Original).

In der Forderung, nur Verbformen zu verwenden, verdeutlicht sich bei Schmid und auch bei Andler (2012: 348) die Notwendigkeit, Klarheit und Eindeutigkeit In Bezug auf die Aufgabenformulierung und den gewünschten Zielzustand zu erreichen. 9 | Dies ähnelt der einleitend beschriebenen Verlagerung organisationstheoretischer Perspektiven von fixen, starren, unbeweglichen Organisationen (als Nomen), auf Prozesse, Tätigkeiten und Praktiken des Organisierens (vgl. Weick 1995a: und Abschnitt 3.3.1).

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Die gelisteten Aktivitäten sowie der Projektplan erfordern eine genaue Definition der Sachdimension und ihrer Inhalte. Diese detaillierte Konturierung der Zielerreichung ist Teil der Planungstätigkeiten.

5.2 M ACHT UND H ERRSCHAFT Im Folgenden fokussiert eine macht- und herrschaftsanalytische Perspektive formelle und informelle Organisationsstrukturen. Sie richtet Fragen an Zusammenhänge und Mechanismen, welche die Arbeit offen oder verdeckt beeinflussen. Weiterführend richtet sich der Blick auf Rückkopplungseffekte dieser angeleiteten Arbeit und die strukturellen (und strukturell eingebetteten) Macht- und Herrschaftslinien. Zentrale Elemente der Arbeitsorganisation werden durch Machtbeziehungen determiniert und sind aufgrund ihrer Faktizität als heteronome Einflussnahme auf Handlungsoptionen der Angestellten zu sehen. Gegenüber der normativen Gestalt von Projektorganisation, wie sie im vorangegangenen Unterkapitel dargelegt wurde, zeigen sich deutliche Verschiebungen an Punkten, an denen verschleierte und anonymisierte Zwänge auftauchen und auf Arbeit und die Organisation wirken. Macht und Herrschaft sind anonym und objektiviert, sodass ihr Geltungsanspruch aus eben dieser Unsichtbarkeit subtil und diffus wirkt. Dies bedeutet nicht, dass es keine direkten, zurechenbaren Machtbeziehungen gibt, sie werden jedoch ergänzt. Projektmanagementliteratur blendet die Themen Macht und Herrschaft in soziologischer Interpretation aus. Die Gründe hierfür liegen in der spezifischen Art des Managementwissens, welches Hierarchie und Subordination per se voraussetzt. Hierarchie und Schichtung wird als wesentliches Strukturmerkmal moderner Organisation naturalisiert und nicht hinterfragt. Abschnitt 4.2.3 beschreibt eine Abkehr direkter, repressiver Hierarchie von höher qualifizierten Arbeitszusammenhängen. Vielmehr werden motivationale Führung und Erfolgsbeteiligung Teil managerialer Strategien. Trotzdem werden Machtbeziehungen in Projekten nicht einfach durch eine Ideologie verschleiert, sondern sind auch konstitutives Moment formeller Organisation, welche sich auf eine Regelung von Abläufen und Routinen sowie festgelegte, ›offizielle‹ Kommunikationswege und Rollenbilder bezieht. Andererseits sind sie fester Bestandteil informeller Organisation, ein für Organisationstheorien schwer zu durchdringendes Dickicht. In seiner Essenz ist das Informelle der Organisation geradewegs nicht für die strukturtheoretisch orientierte Soziologie greifbar, da es eben als ›Schattenseite‹ der Organisationen im subjektiven Eigensinn der Mitglieder auftaucht (vgl. Böhle und Bolte 2002; Meyer und Rowan 1977).

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5.2.1 Informationen und Informationsflüsse Der Begriff ›Information‹ ist unspezifisch. Als immer bedeutsamer werdendes ›Produktionsmittel‹ der Wissensarbeit ist sie Dreh- und Angelpunkt der sich verändernden Arbeitsverhältnisse und Produktionsprozesse (vgl. Castells 1996). In der Praxis ist sie vor allem Gegenstand der Planung: Das Arbeiten richtet sich an Informationen aus und erzeugt somit gleichermaßen neue und aktualisierte Informationen. Der Informationsbegriff ist in der projektinternen Kommunikation verankert, durch welche die Details zur Planung und Durchführung des Vorhabens ausgetauscht werden. Verfügbarkeit ist daher essenziell für die Abwicklung. Als ein zentraler Teil der Projektorganisation gilt das Berichtswesen. Dieses ist in Projekten wichtiges Element der Durchführung und an bürokratische Strukturen angelehnt. Es gewährleistet Sichtbarkeit, Zurechenbarkeit und Vorhersagbarkeit (vgl. Weber 1922/1980: 125 f.). »Informationen, wie sie bspw. in Verträgen, Manuals, Arbeitsanweisungen und Arbeitspaketen enthalten sind, müssen während des gesamten Projektverlaufs verfügbar sein. Aber auch das Berichtssystem ist ein wichtiges Element des Projektmanagements, gibt es doch Aufschluss über den letzten Arbeitsstatus, Entscheidungen und den laufenden Schriftverkehr. Es gilt, ein System so zu organisieren, dass alle Beteiligten einen schnellen, einfachen Zugang zu den für ihre Projektaufgaben erforderlichen Informationen haben« (Ottmann und Schelle 2011: 61).

Die Informationen stellen die Grundlage für Arbeitspakete. Das Projekt gibt sich in der Verschriftlichung eine eigene Geschichte, in deren Rahmen Informationen – und übergeordnet Arbeitsschritte – einen interpretierbaren Sinn erhalten. Die Transparenz hinter den Entscheidungen und strukturellen Ankerpunkten ist auch von zentraler Bedeutung für die Abwicklung. Gerade die Sachlichkeit der Methoden bedürfe einer übersichtlichen Darstellung und Abrufbarkeit, um den Arbeitsprozess immer mit Sinn füllen zu können. Der Stand, die Richtung, der Kurs und der umfassende Zustand eines Vorhabens müssen, so die Konsequenz des zitierten Auszuges, abrufbar werden. »Der Einsatz von Projektmanagement-Methoden hat gegenüber gefühlsbetonten, eher ›bauchorientierten‹ Entscheidungen den Vorteil, dass der Prozess verständlich und transparent dokumentiert ist. Damit entsteht eine höhere Glaubwürdigkeit. Fehlentscheidungen werden reduziert. Bei späteren Änderungen des Umfeldes ist alles nachvollziehbar und anpassbar« (Drews und Hillebrand 2010: 12).

Transparenten Methoden wird im Gegenzug zu »›bauchorientierten‹« Entscheidungen ›Glaubwürdigkeit‹ zugerechnet. Die Fakten sind weiterhin offen, jedoch ist ihre

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Auslegung auf objektiver Grundlage und nach wissenschaftlich-methodischen Prinzipien möglich. Hierin unterscheidet sich dieser Auszug von anderer Literatur, welche eher die Authentizität der Fakten betont. Letztendlich ist die Abwertung des ›Bauchgefühls‹ als Planungs- und Strukturierungsform als Gegenpol zu idealisierten Vorstellungen der Projektarbeit interessant (vgl. Kapitel 4.1.3). Die inhaltliche und semantische Parallele zum ›gesunden Menschenverstand‹ ist offensichtlich: Die Reduktion auf Transparenz wird hier zur wichtigsten Anforderung und beinahe als alleiniges Prinzip eingefordert. Nur hierdurch könne ›glaubwürdig‹ auf die Geschichte des Vorhabens Bezug genommen werden. Diese leitet sich aus der Nachvollziehbarkeit ab und verschleiert die für Entscheidungen paradoxe Unentscheidbarkeit – in dem Sinne, dass sie die Prämissen und die Grundlagen der Entscheidung in Form von Informationen sichtbar macht. Zusätzlich ist die dokumentierte Information erst als Gegenstand für den projektinternen (eventuell auch -externen) Controllingprozess verwertbar. Auf was Bezug genommen werden soll, muss formell zugänglich sein. Entsprechend sind Informationen als Gegenstand von Arbeits- und Organisationsprozessen eng gekoppelt an die Kriterien formeller Organisation. »Zum Zwecke des Projektcontrolling ist es notwendig, über die Ergebnisse der Projektdurchführung informiert zu sein. Die Information kann erfolgen als: •

Projektinterne Berichterstattung, bei der die Projektmitarbeiter über ihre Arbeitsergebnisse und damit über den Projektfortschritt berichten. Sie wird nicht geplant, sondern vom Projektleiter geregelt.



Projektexterne Berichterstattung, die an das Management sowie an Stellen und Gremien erfolgt, die für das Projektcontrolling zuständig sind. Sie wird i. d. R. vorgegeben bzw. geplant.

Die externe Berichterstattung sollte nicht nur lästige Pflicht sein, sondern als eine Möglichkeit gesehen werden, für das Projekt zu werben sowie die Mitarbeiter und das Management zu motivieren« (Olfert 2012: 125, Hervorhebungen im Original).

Die Informationssammlung und -verarbeitung wird hier als geregelt und verpflichtend beschrieben. Ihre Relevanz zeigt sich im Informationsfluss: Daten werden von unten nach oben aggregiert und kommuniziert. Außerdem wird der repräsentative Aspekt dieser Informationen benannt, der durch Kennzahlen oder Ähnliches, eine abstrakte Darstellung des Projekts ermöglicht. Die wird in der Praxis besonders deutlich: »Der ideale Fall wäre natürlich, es gäbe eine Übergabe, die dargestellt und dokumentiert wird und je nach Projektleuten die dabei sind auch entsprechend gemacht wird. Sprich: Der Altprojektleiter hat im Regelfall kein großes Interesse daran, einfach alles hinzuschmeißen und nichts zu erklären. Wenn er eben sagt: ›Pass auf, das steht an, das sieht dieses vor und das kommt auf uns zu‹, dann ist das schon sehr wichtig. Jetzt kann das so passieren, der eine kündigt, der ande-

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re geht oder im schlimmsten Fall passiert irgendetwas und er ist nicht mehr da und kann keine Übergabe machen; klar, dann ist er [der neue Projektleiter; Y. K.] darauf angewiesen, dass er die Informationen von anderen Projektbeteiligten bekommt. Es ist ja nicht nur der Projektleiter im Projekt, der Commercial [Kaufmann/Kauffrau; Y. K.] ist meistens sehr dicht bei ihm dran. Sprich: Die Informationen muss sich der Neue natürlich einholen. Idealerweise, wenn wir von einer bestimmten Technik sprechen, hat er Ahnung von der Technik und auch Erfahrung, dann weiß er da auch Bescheid. Es kann auch sein, dass er im Prinzip technikfremd ist und dann letztendlich die Systematik des Projektmanagements leben muss. Dafür wiederum braucht er Leute im Engineering, in der Execution, im Sitemanagement die ihn dann unterstützen mit Informationen« (IP9, Absatz 40).

Der Interviewte beschreibt im Kontext eines Führungswechsels die Notwendigkeit sauber geordneter und einholbarer Informationen, um den Ablaufprozess aufrechtzuerhalten. Vor allem sei dies für die Projektplanung relevant. Die Beschreibungen von IP9 sind mit einer Geschichtlichkeit des Projekts vergleichbar, einem konkreten Gedächtnis der Entwicklungslinien des Vorhabens. Dieser müsse sich eine neue Projektleitung bedienen, wenn sie das Projekt übernehme. Geschichte meint hier eine Darstellung der erfolgten Entscheidungen, Arbeitspakete, Meilensteine etc. sowie den Ausblick auf eine im Plan angestrebte Zukunft. Einen anderen Bezug zur Informationslage in Projekten, der sich nicht durch die Verstetigung in der Zeit auszeichnet, findet sich in den Projektplänen, die Informationen zusammenfassen und darstellen, indem sie den Ablaufprozess sichtbar machen. In der Planungsphase des Vorhabens ist die Verdichtung der Arbeitsschritte zu Meilensteinen eine Form der Informationsaggregation, in der – neben zeitlicher – auch sachliche Information enthalten sind.10 »Die Wahl der Meilensteine (check points) hängt vom jeweiligen Projekt und von der Einschätzung des Projektmanagement ab, welche Projektzustände von besonderer Bedeutung sind. Meilensteine sollen lediglich markante Projektzustände wiedergeben. Sie entstehen folglich durch eine hierarchische Informationsverdichtung detaillierter Netzpläne, d. h., von der untersten Ebene erfolgt eine mehrstufige Informationsaggregation (Informationspyramide) hin zu Projektmeilensteinen [. . .]. Meilensteine sind immer dann realisiert, wenn die definierten Ergebnisse vorliegen und nutzbar sind. Im Rahmen einer Meilensteinentscheidung ist damit eine sachlich-

10 | Die sehr strenge Formulierung des folgenden Zitats, dass sich die Informationen bottom-up von den Arbeitspaketen zu Meilensteinen verdichten, erweckt – im Kontext des Lehrbuchcharakters der Publikation – den Anschein der Unabdingbarkeit. Allerdings lässt sich in praxisnaher Literatur abweichend feststellen, dass ebenso top-down geplant werden kann (vgl. Schmid 2012: 92).

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inhaltliche Überprüfung notwendig, die dann die Basis für die Freigabe der weiteren Projektarbeit bietet« (Corsten, Corsten und Gössinger 2008: 152 f., Hervorhebungen im Original).

Im Plan ist dadurch der Meilenstein als Ankerpunkt für den Fortschritt eingeführt worden. Das Vorhaben könne erst realisiert werden, wenn die Voraussetzungen vorhanden und erfüllt seien, was im Konkreten bedeutet, dass ein Soll mit einem Ist-Zustand abgeglichen wird und dieser ihn erfüllt. Erst dann könne mit nachgeschalteten Aufgaben fortgefahren werden. Gerade der Soll-Ist-Abgleich stellt einen wirkmächtigen Mechanismus der Projektsteuerung dar, der über Meilensteine hinausgeht. Folgender Ausschnitt verdeutlicht, dass es bei der Aufgabe des Controllings darauf ankomme, kontinuierlich und zeitnah über den Projektfortschritt informiert zu werden. »Das Grundprinzip des Projektcontrolling lautet ›Zeitnähe hat Vorrang vor Genauigkeit‹. Projektmanager benötigen aktuelle Informationen, um angemessen handeln zu können (regelmäßige Berichterstattung). Dies erfordert, dass alle Stakeholder des Projekts, insbesondere Projektmanager und Projektcontroller, verantwortungsvoll und diszipliniert mit ihren Projektdaten umgehen (Verwendung von Scorecards) und die aktuellen Werte laufend gemeldet und protokolliert werden. Die schnelle Rückmeldung von Projektdaten muss zur Bringschuld werden. Nur so können die notwendigen Entscheidungen auf der Grundlage des aktuellsten Projektstatus getroffen werden« (Ottmann und Schelle 2011: 72).

Für bestmögliche Entscheidungen divergieren die Anforderung an Informationen. Genaueste versus aktuellste Informationen verhalten sich zueinander in einem Trade-off, der nicht für beide zufriedenstellend gedeckt werden kann. Ein verantwortungsvoller, disziplinierter Umgang mit den relevanten Informationen ist eine zentrale Anforderung, die durch das Erheben und Sammeln aktueller Werte des Projekts eingelöst werden soll, beispielsweise durch Scorecards, eine Methode, die darauf beruht, »Messbarkeit von ›weichen Faktoren‹« (Drews und Hillebrand 2010: 225) herzustellen. Dies beinhaltet auf Grundlage der vorhandenen Informationen »nicht nur rechtzeitiges Aufdecken von Risiken und frühes Erkennen von drohenden Fehlschlägen, sondern auch schnelles Gegensteuern. Dazu müssen vor allem Informationen rasch verfügbar sein« (Schelle 2010: 39). Einerseits ist also die Zeitdimension wichtig, die weiter unten genauer interpretiert wird. Andererseits ist die formale Anforderung an Prozesse der Projektorganisation darauf angelegt, Tätigkeiten zu ermöglichen und für Anknüpfungspunkte offenzuhalten. Das heißt, die Methoden und Techniken des Projektmanagements dienen Handlungen der Herstellung, Reproduktion und Veränderung von Projektstrukturen. Darüber hinaus – und hier schließt der erste Teil dieses Unterkapitels an – wird die Forderung nach Verschriftlichung und Transparenz von

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Informationen begründet: Sie soll eine omnipräsente ›Geschichte‹ des Projekts in Form von Plänen und Ablaufskizzen erzeugen. »[W]enn man sich nicht mit seinen Kollegen, die mit den Ergebnissen arbeiten müssen, austauscht, dann ist ein Projekt im vornherein schon zum Scheitern verurteilt. Also ein regelmäßiger Informationsaustausch, und zwar nicht nur wenn irgendwas wirklich schon fast in die Hose gegangen ist, sondern kontinuierlich und regelmäßig, ist absolut sinnvoll« (IP7, Absatz 44).

Information ist in der Kommunikation grundlegend für Abstimmung und Aushandlung. Das deterministische Mantra, ohne Kommunikation würden Projekte unausweichlich scheitern, betont die Notwendigkeit von Informationsflüssen. Als Gegenstand sozialpsychologischer und soziologischer Gruppenforschung ist dies an das Thema Kooperation gekoppelt. Kommunikationswege sind auch Informationswege, wobei in der Literatur nur auf formelle Kommunikation Bezug genommen wird. Informelle Strukturen werden dabei oftmals außen vor gelassen. Der Grund hierfür ist nicht ersichtlich. Unplanbarkeit und die Unmöglichkeit, aktive informelle Kommunikationswegen durchzusetzen, spielen jedoch eine Rolle. »Zur Organisationsplanung gehört auch die Planung der Kommunikation. Eine dedizierte [sic!] Planung der Kommunikation in einem Projekt stellt sich insbesondere bei mittleren und größeren Projekten, aber auch bei kleineren Projekten, die sich in einem schwierigen Umfeld befinden. [sic!] Erfolgsfaktorenforschungen belegen, dass die Kommunikation im Projekt zu einem der wichtigen Erfolgsfaktoren gehören [sic!] und gute kommunikative Fähigkeiten ein sehr hilfreiches Persönlichkeitsmerkmal eines Projektmanager ist [sic!]« (Drews und Hillebrand 2010: 27).

Die Autoren diese Ratgebers fordern, dass Kommunikationsplanung als fester Bestandteil der generellen Organisationsstruktur anerkannt wird. Zwar bleiben Sinn und Zweck dieser institutionalisierten Routine ungenannt, die Autoren führen jedoch objektivierte Gründe in Form von Forschungsergebnissen an. Strukturierte Kommunikation sorge auf der einen Seite dafür, dass Informationen formelle Wege beschreiten und dass Zuständigkeiten vorhanden seien. Andererseits ist anzunehmen, dass starr definierte Kommunikationswege dafür sorgen, dass sich in einigen Fällen niemand verantwortlich fühlt und die Informationen im Sande verlaufen. Neben der Struktur ist auch das Medium von Bedeutung: in Zeiten der Digitalisierung wird Kommunikation zunehmend in einem globalen Zeithorizont abgewickelt. Eine »Gewinnerstrategie« nutz, laut entsprechender Literatur, »moderne Kommunikationsmittel« (Ottmann und Schelle 2011: 69).

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»Project management success in an organization is highly dependent on an effective organizational communication style, especially in the face of globalization of the project management profession. Organizational communications capabilities have great influence on how projects are conducted. As a consequence, project managers in distant locations are able to more effectively [sic!] communicate with all relevant stakeholders within the organizational structure to facilitate decision making. Stakeholders and project team members can also use electronic communications (including e-mail, texting, instant messaging, social media, video and web conferencing, and other forms of electronic media) to communicate with the project manager formally or informally« (PMI 2013: 21).

Formelle und informelle Kommunikation finden über verschiedene Medien statt. Letztere lässt sich nicht planen und auch nicht verhindern. Sie taucht einfach auf. Kommunikation ist nach den Leitsätzen des Project Management Institute insbesondere für die Entscheidungsvorbereitung und die beschleunigte Entscheidungsfindung notwendig und daher sei es von großer Wichtigkeit, vorab entsprechende Informationen einzuholen. »Die Praxis und Zeitstudien zeigen, dass Manager im Allgemeinen und Projektmanager im Besonderen einen sehr großen Anteil ihrer Zeit mit mündlicher Kommunikation verbringen und sich weit weniger mit den Berichten befassen, die vom Informationssystem geliefert werden. Ein solches Verhalten ist durchaus vernünftig, wenn man bedenkt, dass die Daten des formalen Berichtsystems häufig mit einiger Verspätung vorliegen, dass sie keine ›weichen‹ Informationen enthalten und dass sie schließlich auch manipuliert werden können. Über die Stimmung bei den Mitarbeitern zuarbeitender Abteilungen, über Konflikte zwischen Teammitgliedern und Vorgesetzten in Fachabteilungen und über die Verärgerung von Vertretern des firmeninternen oder externen Auftraggebers, um nur einige Beispiele zu nennen, erfährt ein Projektleiter zumeist nur etwas, wenn er den persönlichen Kontakt sucht« (Schelle 2010: 245 f.).

Dieses letzte Zitat zeigt noch eine andere Verbindung zwischen Informationen, Projekten und der Arbeit der Projektleitung: Im Sinne der Personalführung und des bereits erwähnten Stakeholder-Managements dient sie der Aushandlung und Betreuung der involvierten Personen, Parteien und Akteure. Auch die Bedeutung eines systematisierten Berichtswesens wird zugunsten informeller »weiche[r] Informationen« relativiert, da deren Wahrheitsgehalt weniger anzuzweifeln ist als jener des Berichtswesens. Dies widerspricht in Teilen anderen Positionen der Literatur: »Nach den Erfahrungen des Verfassers schlagen sich auch Projektkrisen so gut wie niemals in offiziellen Berichten nieder. Typisch dafür ist die Aussage eines Projektmanagers zu sogenannten Ampelberichten [. . .]: ›Obwohl es in unserem Projekt erhebliche Termin- und Kostenprobleme gab und auch immer wieder Schwierigkeiten bei der Einhaltung der geforderten Produktqualität auftraten, sah ich nie die rote Ampel und nur selten die gelbe.‹ Um einen realis-

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tischen Eindruck vom jeweiligen Projektstand zu erhalten, ist es deshalb erforderlich, dass sich der Projektleiter vor Ort einen Eindruck verschafft. Das Verteidigungsministerium der USA hat diese Forderung einmal auf den kurzen Nenner gebracht: ›Less paperwork, more visibility!‹ Frei übersetzt: Weniger Papier und mehr persönlichen Kontakt mit den Projektbeteiligten ›an der Front‹« (Schelle 2010: 246).

Im Auszug wird die direkte Face-to-Face-Kommunikation gefordert: Erstens sei die Verschriftlichung bürokratischer Projektstrukturen bei Weitem nicht deckungsgleich mit der tatsächlichen Projektrealität. Das heißt, Berichte würden nicht die Krisen und Probleme wiedergeben, sondern seien geglättet, um sie problemfrei höheren Stellen, der Leitung oder Kund_innen vorlegen zu können. Zweitens gehe der Ruf nach direkter Kommunikation mit der Forderung einher, Strukturen und Prozesse zu entschlacken, um Komplexität zu reduzieren.11 Letztendlich zeigt sich, dass ein Teil des organisationalen Aufbaus darin besteht, kontinuierlich zu kommunizieren und zu informieren, um Anschlüsse zu bedienen, Pläne zu aktualisieren und um den Erwartungshaltungen außenstehender Akteure gerecht zu werden. Im Fokus stehen konkrete Akte der Entscheidungsvorbereitung und -fällung nach kommunikativem Austausch. Dabei bleibt der Informationsbegriff abstrakt. Obwohl er Elementarteilchen für Planung und Durchführung ist, sind Informationen im Spannungsfeld zwischen formeller und informeller Organisation verortet. 5.2.2 Steuerung und Kontrolle des Projekts Für die Steuerung und Kontrolle von Projekten bedeuten Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung, dass die Angestellten einen Großteil der strukturierenden Arbeit verrichten. Das vielfach diagnostizierte und beschworene Paradigma der Selbstorganisation ist omnipräsent, aber begrifflich nicht ausgearbeitet. Die Arbeitsform zeitigt eine spezifisch andere Ausgestaltung betrieblicher Beziehungen und dadurch auch eine anders vermittelte soziale Situation im Horizont von Kooperation und Weisung. »Für die meisten von uns ist das eine schwer zu akzeptierende Erkenntnis. Wir sind es von der ›normalen‹ Arbeit her gewohnt, dass gemacht wird, was der Chef sagt, dass er Bescheid weiß, dass man ihn nicht in Frage stellt. Die Arbeitspsychologen sprechen von erlernter Folgsamkeit.

11 | Die Papiermengen des Projektberichtewesens können beachtlich sein. Einleitend erzählen Carol Linehan und Donncha Kavanagh die ›Geschichte eines Papierbergs‹: »In one month, the project management organisation produced 40,000 sheets of A4 paper as part of their work on the project« (Linehan und Kavanagh 2006: 51).

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Eine löbliche Tugend – im Projekt ist sie eine schlimme Untugend. Überspitzt formuliert: Wer im Projekt tut, was der Chef sagt, macht einen Fehler« (Schmid 2012: 22 f., Hervorhebungen im Original).

Die Literatur grenzt sich von »›normale[r]‹ Arbeit« ab. Diese stehe für autoritäre Weisungsbefugnisse in einem Herrschaftsverhältnis.12 Dagegen sei »erlernte[] Folgsamkeit« hinderlich für Eigeninitiative und Selbstorganisation in Projekten. Beinhaltet Arbeit darüber hinaus einen verdeckten Anteil Selbsttätigkeit, welcher gegenüber der Industriearbeit noch einmal offener und deutlicher zutage tritt sowie aktiver eingefordert wird, werde Gehorsam zur »Untugend«.13 Die Frage bleibt, wie zwischen ›Gehorsam‹, wie sie IP3 einfordert, und »erlernter Folgsamkeit« zu unterscheiden ist. Notwendig seien aus Sicht der befragten Projektmanager unterschiedliche Führungsstile, die situativ auf verschiedene Rahmenbedingungen wirken. »Immer dann, wenn es in einem Projekt einen großen Zeitdruck gibt, bis zu einem bestimmten Termin etwas fertig zu bekommen, sind Entscheidungen notwendig. Dann ist es zielführender, einen autoritäreren Führungsstil zu fahren, als wenn man versucht, dann noch alle Leute mit einzubinden. Dann hat man vielleicht am Ende ein besseres Ergebnis aber das dauert so lange, dass man definitiv den gesetzten Termin nicht erreicht. Insofern glaube ich nicht mal, dass das von der Projektart abhängig ist, sondern von der jeweiligen Projektsituation. Jetzt kommen wir wieder zurück auf das Thema, was ein guter Projektleiter können muss. Ich glaube ein guter Projektleiter, genauso wie eine gute Linienführungskraft, sollte die Möglichkeit haben, seinen Führungsstil der jeweiligen Situation anzupassen. Jeder hat seine bestimmten Präferenzen aber nicht in jeder Situation. Wenn er nur den einen Führungsstil hat, wird das auf Dauer nicht funktionieren« (IP7, Absatz 54).

Einerseits wird hier eine Kompetenz formuliert: Die Leiter_innen sollen authentisch mehrere Führungsstile situativ anwenden können. Andererseits ist die Forderung, in einer prinzipiell selbstorganisierten und ›freien‹ Organisationsform autoritativ zu steuern, ein kritisches Detail. Besondere Notfallsituationen bedingen die Rückkehr

12 | Max Webers Definition von Herrschaft ist klassisches Sinnbild dieses Legitimitätsanspruches von »›Herrschaft‹ [. . .] [als] [. . .] Chance [. . .], für spezifische (oder: für alle) Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden« (Weber 1922/1980: 122). 13 | Das Zitat konfligiert mit Äußerungen aus der Praxis, welche die Rolle der Projektleitung als Entscheidungsgremium betonen. Weiter oben wurde bereits auf dieses Grundproblem hingewiesen: IP3 erörtert beispielsweise, dass projektbetreffende Entscheidungen für alle Angestellten verbindlich zu machen seien (siehe das Zitat von IP3 auf Seite 131). Einen Platz für Kreativität räumt er ein, aber keinen für die in diesem Ausmaß geforderte ›Devianz‹.

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zur strikten (Entscheidungs-)Hierarchie.14 Kontrolle und Steuerung eines Vorhabens seien von der eigentlichen Situation des Vorhabens abhängig; vom Ist-Zustand in Relation zum Planungs-Soll. Projekthierarchien prinzipiell zu verwerfen, so wie es im ersten Zitat gefordert wurde, greift zu kurz.15 Olfert differenziert die Kontrollfunktion des Projektmanagements weiter: Neben der Plankontrolle oder Ergebniskontrolle ist auch die der Überwachung der Mitarbeiter_innen Teil arbeitsorganisatorischer Kontrolle. »Die Überwachung ist ein Teil der Kontrolle und dient dazu, Ist-Werte zu erfassen und die Differenzen zu den Soll-Werten zu ermitteln. Dabei wird geprüft, ob die Ergebnisse des Handels [sic!] mit Zielen bzw. Vorgaben übereinstimmen. Der Projektleiter hat die Pflicht zur Überwachung der Mitarbeiter. Dies gilt hinsichtlich: •

Ihrer Arbeit, Arbeitseffizienz und Arbeitsfortschritte als: [e]ingesetzte Arbeitsverfahren; [e]rreichte Arbeitsqualität; Zeitbedarf zur Ergebniserzielung; Einhaltung vorgegebener Termine; Darstellung der Arbeitsergebnisse



Der Informationserfordernisse der Projektmitarbeiter, z. B.: Lösungsauslegung; Ergebnisfortschritte; Ergebnisqualität; Vorgabeeinhaltung

Während die Arbeitsüberwachung eine Verhaltensprüfung darstellt, ist die Ergebnisüberwachung für jeden Mitarbeiter eine Leistungsbeurteilung« (Olfert 2012: 164 f., Hervorhebungen im Original, Aufzählungen in 2. Ebene entfernt).

Die ausgeführte Differenz zwischen »Leistungsbeurteilung« und »Arbeitsüberwachung« spannt zwei Arten der Machtbeziehung auf, welche als Disziplinar- und Kontrollmacht interpretiert werden können.16 In Untersuchungen der Arbeits- und Industriesoziologie sowie der Organisationssoziologie ist diese Unterscheidung insbesondere bezüglich der Produktionsregime diskutiert worden, welche von einer Prozesszu einer Ergebniskontrolle transformiert wurden. Trotz der in der Praxis vielfach wahrgenommenen individuellen Freiheit der Arbeitsverrichtung, ist das Programm14 | Die Ähnlichkeit zum Eskalationsverfahren ist augenfällig. Auch hier wird in einer Krisensituation das Prozedere von einer diskursiven Verständigung über Alternativen zu einer autoritativen Entscheidungsgewalt verändert. 15 | Es besteht jedoch ein Unterschied zwischen der Befehlshierarchie des ersten Zitats und der Personalführung des zweiten Zitats, denn bei letzterem handelt es sich im Selbstverständnis um die ›Anleitung‹ und ›Motivation‹ der Angestellten, während ersteres eine strikte, auf Gehorsam aufbauende Disziplin darstellt. Trotzdem sind beide Zitat Ausdruck der Subordinationsverhältnisse im Übergang von versachlichter zu psychologischer Führung (vgl. Pongratz 2002: 14). 16 | Zu diesen zwei Formen der Machtbeziehung, welche der Foucault’schen Machtanalytik entlehnt sind, folgt eine ausführliche Behandlung in Abschnitt 7.3.

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wissen der Literatur stark auf eine ausformulierte Herrschaftsbeziehung bezogen. Das Projekt als ›flache‹ Organisationsform wird wieder durchsetzt von neuen Machtbeziehungen, die als Ordnungsstrukturen Teile der Hierarchie ersetzen. Unter dem Schlagwort der Vermarktlichung der Projektsteuerung wird die Beziehung zwischen Teilprojektleitung und Gesamtprojektleitung festgelegt. »[D]ie Teil-Projektleiter [sind] dem Gesamt-Projektleiter nicht in einem üblichen VorgesetztenUntergebenen-Verhältnis zugeordnet, sondern es bestehen [sic!]zwischen ihnen – bezogen auf die auszuführenden Aufgaben – ein klar definiertes Auftraggeber/Auftragnehmer-Verhältnis, welches damit auch die Verantwortungen und Befugnisse klar abgrenzt. Insofern steht der TeilProjektleiter auf ähnlicher Stufe wie der Gesamt-Projektleiter« (Burghardt 2012: 121 f.).

Die Beziehung verschiedener Stufen eines (großen) Projekts ist keine hierarchische. Vielmehr sind Beziehungen auf Grundlage betriebswirtschaftlicher Kennzahlen und einer Marktlogik organisiert. Für einen konkreten Begriff der Hierarchie deutet sich eine Fokussierung auf Machtbeziehungen an, welche punktuell latent wirken. Abermals scheint die verschleierte und anonymisierte Form der Kontrolle in Projekten durch. Explizit findet sich in der Zertifizierungsliteratur eine Prozessgruppe, die sich mit der Kontrolle und Überwachung von Prozessen auseinandersetzt. »This continuous monitoring provides the project team insight into the health of the project and identifies any areas requiring additional attention. The Monitoring and Controlling Process Group not only monitors and controls the work being done within a Process Group, but also monitors and controls the entire project effort. In multiphase projects, the Monitoring and Controlling Process Group coordinates project phases in order to implement corrective or preventive actions to bring the project into compliance with the project management plan. This review can result in recommended and approved updates to the project management plan. For example, a missed activity finish date may require adjustments and trade-offs between budget and schedule objectives. In order to reduce or control overhead, management-by-exception procedures and other techniques can be appropriately considered« (PMI 2013: 57).

Eine kontinuierliche Überwachung der »Projektgesundheit« erfordert »korrigierenden oder präventiven« Eingriffe.17 Sie sollen Leistungsfähigkeit sicherstellen und die Ablauforganisation stetig für die Zielerreichung optimierten. Die Projektrealität wird in Einklang mit dem Projektmanagementplan gebracht, um das Projekt zu einem frist-, qualitäts- und kostengerechten Abschluss zu bringen. Zwischen den drei Kerngrößen des Projektmanagements, dem ›Magischen Dreieck‹, besteht ein Trade-off. 17 | Die Formulierung »health of the project« ist ein spannender Indikator für die spezifische Sprache in der Projektmanagementliteratur. Deren Duktus wird mit medizinischem Vokabular

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Wird eine Größe überzogen, leiden die anderen ebenfalls. Trotzdem ist diese Planaktualisierung (das Aufwiegen einer verfehlten Frist oder einer überstiegenen Kostenstelle) nicht das Allheilmittel, die Projektgesundheit wiederherzustellen. Der Plan bleibt in erster Linie Fiktion: eine Projektion. Und dieser Fiktion verfällt leicht, wer Probleme ›umschifften‹ muss und eine ›ideale‹ Route finden soll. »Widerstände aus den eigenen Reihen werden in ihren gravierenden Folgen für das Projekt meist unterschätzt. Am anfälligsten sind übrigens Projektleiter, die gerne und viel planen: Je stärker die Widerstände sind, auf die ihr Projekt trifft, desto stärker flüchten sie sich in ihre Planung. Denn wenigstens in ihrer Planung ist die Welt noch in Ordnung. Vermeiden Sie diese Realitätsflucht. Stellen Sie sich der Realität« (Schmid 2012: 55, Hervorhebungen im Original).

Dieses Zitat ist ein Aufruf, sich der Differenz zwischen (fiktiver) Planungsebene und (realer) Ablaufebene eines Projekts bewusst zu werden. Aus dieser Perspektive bestehe das Problem eines in Schieflage geratenen Vorhabens auch, sich unbewusst und eskapistisch der Vorstellung einer idealen und idealisierten Ablauforganisation auf dem Reißbrett hinzugeben. Wenn generische Probleme auftreten, sei die Flucht in den optimalen, von Reibungsverlusten freien Plan ein Fehler. Ist der Kurs verloren, sind die eigene Position und der Kurs vom aktuellen Punkt aus neu zu bestimmen – ein Kurs, der als Ausgangspunkt einen verlorenen Fixpunkt voraussetzt, bleibt ohne Bezug. Projektorganisation befindet sich, so ist aus der Empirie herausgearbeitet worden, in einem ambivalenten Spannungsverhältnis. Dieses konzentriert widersprüchliche Anforderungen an die Subjekte, die durch unklare Beziehungen von heteronomer und selbsttätiger Arbeit gekennzeichnet sind. Als Organisationsform umfassen Projekte eine Mischung aus verschiedenen situativen Führungsstilen, deren Spanne von motivationaler bis zu disziplinarischer Führung reicht. Arbeitssoziologische Diagnosen der Transformation von Erwerbsarbeit erfassen diese nicht ganz. Sie müssten diesen Modus der ambivalenten Spannung von heteronomer Selbstverantwortung re-

angereichert. Zumindest als Analogie funktioniert dies erstaunlich gut. Projektmanagementliteratur nimmt die Rolle einer Mediziner_in ein, sie pathologisiert und diagnostiziert die Funktionsweisen von Projekten. Sie kuriert Fehlentwicklungen, Abweichungen und Ursachen (oder im Notfall nur die Symptome), die von der Norm eines ›gesunden‹ Projekts abweichen. Als routinierte Vorsorgeuntersuchung (in Form des Controllings) sollen Abweichungen vom Toleranzbereich des ›normierten‹ Projektplans erkannt und beseitigt werden. So begründet sich beispielsweise die Notwendigkeit eines »Frühwarnsystem[s]« (Ottmann und Schelle 2011: 123), denn die Devise »›You can only manage what is left to be done‹« (ebd.: 122) bringt auf den Punkt, dass zu späte Intervention nur noch das behandeln kann, was noch getan werden muss.

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flektieren. Die betrachtete Literatur ist sich in Teilen uneins, wie die konkrete Arbeit in Projekten organisatorisch zu steuern sei, sie verweist aber immer wieder auf den zugrundeliegenden Planungskontext sowie auf die klassische Prozess- und Ergebnissteuerung. 5.2.3 Ambivalenz und Uneindeutigkeit in Rollen und Verträgen Rollenbilder sind in der Organisationssoziologie eng verknüpft mit formellen Strukturen, Zweckbeziehungen und sozialen Positionen. Insbesondere bei Äußerungen zu Stellenbeschreibungen und Stellenausschreibungen ist die Nähe zu soziologischen Rollenkonzepten deutlich zu erkennen. So sind arbeitsteilige Konstellationen notwendigerweise an die Beschaffenheit und Adressierbarkeit von Rollen gebunden. Die Literatur – wie auch die befragten Projektmanager – kennt und erwähnt beinahe durchgängig feste, naturalisierte Rollenbilder. Im Abschnitt 4.1.1 habe ich bereits die Notwendigkeit von Stellenbeschreibungen beschrieben, in denen Kompetenzen, Befugnisse und Anforderungen an die Projektleitung aufgeführt werden. Als Rollenbild sind diese direkten Zuschreibungen eine Option, Zuständigkeiten festzuschreiben und eine Verfahrenslegitimierung zu konstituieren. Abstrakter gesehen, sind sie ein Mechanismus, um Kontingenz auszuklammern. Letztlich gilt dieses Prinzip, welches im Wesentlichen Zurechenbarkeit herzustellen sucht, in vergleichbarer Art und Weise für alle Angestellten. »Auch wenn die Arbeitsplätze oder Stellen eines Projektes keine Dauereinrichtungen sind, sondern nur auf eine begrenzte Zeitdauer eingerichtet werden, sollte nicht darauf verzichtet werden, für sie Stellenbeschreibungen zu erstellen. Mit ihnen werden alle wesentlichen Merkmale von Stellen formularmäßig ausgewiesen« (Olfert 2012: 99).

An diesem Zitat ist zweierlei interessant: einerseits der konkrete Verweis auf die Notwendigkeit einer festen Stellenbeschreibung trotz der Befristung und andererseits die »formularmäßig ausgewiesen[e]« Definition der Stellen. In jenem letzten Punkt lassen sich wiederum die Grundprinzipien bürokratischer Organisation entdecken, die Zurechenbarkeit und Sichtbarkeit evozieren: Welche Funktion eine Stelle hat, soll transparent und für alle Beteiligten deutlich werden. Das wirft die Frage auf, ob nicht das Grundproblem befristeter Organisation verkannt wird. Gerade bei uneindeutigen Rollengrenzen und Zuständigkeiten wird nicht auf Erfahrungslösungen der Grenzbereiche gebaut, sondern diese werden klar getrennt. Aus der konstitutiven Befristung eines Projekts wird von vornherein die genaue Vorstellung der Arbeitsstellenbesetzung vorausgesetzt, um die notwendige Berechenbarkeit und Aufgabenzuspitzung erreichen zu können, die ein Terminplan verlangt. Praktisch ist dies durch die

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Initiierungsphase abgedeckt: »Es gibt immer ein Organigramm, dass direkt am Anfang besetzt wird. Rollen werden zugeteilt und mit Namen besetzt« (IP4, Absatz 12). Aus dem Organigramm des Projekts werden die Positionen sichtbar und die zugeteilten Personen benennbar. Vergleichbares findet sich im bereits zitierten Absatz von IP1 (Absatz 10), der im Duktus der Literatur von Roles and Responsibilities spricht. Das Organisatorische der Projekte, die funktionale Ausgestaltung der Positionen, ist in einem vergleichbaren Kontext zu deuten, wie die praktische Projekttätigkeit: Analysieren und Definieren und im nachgelagerten Schritt Planen und Entscheiden. Die Rolle als Begriff fungiert hier als Vehikel, eine vorzunehmen und zugleich einen Ausschluss zu erzeugen. In dem Maße, in dem sich Rollenbeschreibungen in das Projekt einfügen und dort Erwartungen produzieren, sind auch die Verträge zwischen involvierten Parteien ein Mechanismus, bezugsfähige Fakten zu erzeugen. Verträgen wird Objektivität zugesprochen. Die von ihnen geschaffenen Fakten könn(t)en aus jedem Blickwinkel gleich gedeutet werden. Aus der Praxis ist vielfach darauf verwiesen worden, dass es durch aus zu Nachverhandlungen im Claim-Management kommen kann. »Wenn man ein Kundenprojekt hat, dann gibt es einen Vertrag. In diesem Vertrag sind natürlich die wesentlichen Meilensteine enthalten, das heißt, ich muss eine Art RequirementManagement machen, muss analysieren, was beschreibt der Vertrag und wie bildet sich das über die Zeit ab. Was sind eigentlich die Aussagen, die Verabredungen, die wir im Vertrag getroffen haben, von Projektanfang bis -ende und was liegt dazwischen? Darüber definieren sich Meilensteine und darüber definieren sich auch Projektphasen und das Ganze breche ich immer weiter runter. Fange also oben an [. . .] und gehe dann runter in den kleinsten Abschnitt. Das ist ein Ansatz. Wenn ich ein Entwicklungsprojekt habe, habe ich eine Spezifikation. Auch da steht drin, was ich leiste oder was ich liefere an Funktionalität, also einzelne Funktionalitäten, die zu einem Produkt gehören. Auch da steht drin, zu welchen Kosten, also wie viel Aufwand, wie viele Arbeitsstunden, Arbeitstage oder Mannmonate da hinterlegt sind. [. . .] Das muss ich natürlich dann im Sinne einer Planung aufsetzen und dann fange ich an über den Projektverlauf zu tracken, ob ich das so erlebe, wie ich es geplant habe oder sich auch Dinge verändern. Verändert sich übrigens immer, ist ja immer Theorie« (IP5, Absatz 49).

Das Theoretische der Verträge (und auch der Pläne) ist ein Indiz für die Einsicht, dass Zuständigkeiten nicht immer eindeutig sind. Der Befragte ist hier den mahnenden Worten Schmids (2012: 55) voraus, er solle sich der Realität stellen und nicht in die Fiktion seiner Pläne fliehen. »Die Qualität der Projektergebnisse hängt wesentlich von der Qualität der Projektziele ab! Überprüfen Sie zu Beginn eines Projekts, ob darin eine eindeutige Zieldefinition enthalten ist. Falls nicht, sollte der Projektleiter dafür sorgen, dass die Projektgruppe – in Abstimmung mit dem

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Auftraggeber – die genaue Zielsetzung des Projekts klärt und in schriftlicher Form festhält. Falls der Projektauftrag darin besteht, eine allgemeine Bestandsaufnahme durchzuführen und somit keine genaue Definition von Zielinhalt, Zielausmaß und Zielzeit zulässt, dann sollte dies ebenfalls schriftlich fixiert werden« (Hofmann 2011: 44, 87).

Dem Thema Zieldefinitionen wird in der Literatur und auch in den Interviews immer wieder viel Platz eingeräumt. Es ist nicht verwunderlich, dass eine große Zahl von gescheiterten Projekten auf unklare Ziele zurückgeführt wird (vgl. IP7, Absätze 6 und 64). Erst die konkrete Beschreibung dessen, was zu erreichen ist, ermöglicht es, mit der ganzen Anstrengung innerhalb des Projekts auf dessen Realisierung hinzuarbeiten. Daher ist die genaue und vollumfängliche Beschreibung von Beginn ein Ideal. Das bewirkt aber, dass vor allem die im Änderungsmanagement aufgeworfenen und nachverhandelten Additionen und Subtraktionen vom Projektinhalt immer wieder unklare Momente zulassen, Interpretationsspielraum ermöglichen und somit die vertragliche Absicherung aussetzen. Für die Organisation des Projekts bedeutet dies eine potenzielle Neuausrichtung der Ablauforganisation. Fehlende oder überschüssige Teilleistungen müssen einbezogen werden. In diesem Zusammenhang ist die Unsicherheit (nicht das Risiko) ebenfalls Bestandteil des Projekts und muss performativ eingeplant werden. Gerade in diesem Punkt wird die potenzielle Unsicherheit eines Projekts deutlich. Ihr kann nicht mit einer formellen Organisationsstruktur entgegengewirkt werden. Befristung und Offenheit eines Vorhabens sind der Auslöser für potenzielle Ambivalenz und Ambiguität der Organisation. Im Rahmen der Rollendefinitionen finden sich diese Mehr- und Uneindeutigkeiten auch auf einer strukturellen Ebene. Ihnen muss sich in Form einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem organisationalen Rahmen gewidmet werden.

5.3 S TRUKTURERZEUGUNG Im Folgenden wird das Augenmerk auf Hebelpunkte gerichtet, die strukturell Handlungen beeinflussen. Aber auch auf die Handlungen selbst muss eingegangen werden, um zu klären, wie Strukturen herausgegriffen und transformiert werden. Gegenstand ist die prinzipielle Ambiguität vorhandener Definitionen und Prozesse, der Strukturen, von Handlungserwartungen und -weisen, die auf semantischer, sinnhafter Ebene verschoben werden. Daher werden nun empirische Zugänge zu konkreten Strukturerzeugungen dargestellt. Konkret soll die Handhabung von Informationen zum organisationalen Aufbau untersucht werden, die auf die Entwicklung von Plänen abzielt.

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Gerade für die angeführte Literatur bedeutet dies allerdings, dass sie ihre Gültigkeit durch präskriptive Sätze sichert. Projektorganisation ist Ablauf und Planung, sie entfaltet in der Zeit als Prozess. Daher ist die Strukturerzeugung nicht abgeschlossen, sondern stets in Bewegung. Die Strukturen erlangen ihren Faktizität aus Daten und Fakten, die das Projekt als relevant erachtet, und erzeugen sie so gleichermaßen: Daten und Fakten verleihen ihnen Bedeutung und Materialität. Projekte generieren in besonders hohem Maße Informationen und stiften durch Sinn. 5.3.1 Die Organisation von Arbeit In formellen Organisationsstrukturen verdichten sich Handlungsregelungen, Rollenbilder, Routinen und Prozeduren, die sich beispielsweise aus Anforderungen an das Projektmanagement ableiten, standardisiert gesetzt werden oder Bestandteil einer Unternehmenspolitik oder –philosophie sind. Sie entsprechen der disziplinierenden Profession (vgl. Hodgson 2002). Ein weiterer Punkt sind die konkreten Techniken der Steuerung, die auf die Angestellten in Form von Verfahrensvorgaben wirken. Sie leiten Arbeit strukturell und inhaltlich an, sodass sie einen Erwartungshorizont deutbar machen, in welchem Verhalten oszilliert. Ein dritter Punkt ist die den Subjekten aufgetragene Selbstbestimmung der Arbeit: selbstorganisierendes Handeln. In der Verschleierung der Fremdorganisation ist dieser subjektive Modus kein Teil formeller Organisation mehr und provoziert dadurch einen Ideologieverdacht. Die informelle Seite der Organisation greift jedoch ebenfalls zu kurz, da sie die zentralen Aspekte der inkorporierten Macht- und Herrschaftsbeziehungen nicht sichtbar machen kann. Im Folgenden sollen diese genauer herausgearbeitet werden. »Der Projektarbeitsauftragsplan wird verwendet, um den Projektvertrag mit dem Projektauftrag einfach zusammenzufassen und darzustellen. Der Projektarbeitsauftragsplan ist die tätigkeitsorientierte Umsetzung des Projektauftrags in eine Arbeitsanleitung« (Andler 2012: 350).

Der Planungsmechanismus ist eine Hauptdeterminante der Arbeitsorganisation. Mit den aus der (Re-)Aktualisierung von Plänen entstehenden Strukturen, sind die Arbeitspakete vorgegeben und mit ihnen auch Zuständigkeiten, Arbeitsschritte und die Ablauforganisation. Das angeführte Zitat aus einem Ratgeber für Methoden und Techniken des Projektmanagements erörtert die Vorgehensweise, Vertrag und Auftrag zu einer auf Handlungsanweisungen basierenden Anleitung zusammenzufassen. Hieraus ergibt sich aus den Kerndokumenten des Projektbeginns ein Gefüge von Verpflichtungen. Neben der klaren Übersicht über die notwendigen Tätigkeiten zur Erreichung des Projektziels verfolgt die Strategie auch eine weitere, bürokratische Zuweisung:

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»Durch die Zerlegung des Projekts bzw. des Projektauftrags in einzelne Arbeitspakete mit fest definierten Zuständigkeitsbereichen wird das Projekt besser plan- und steuerbar. Zum einen erhöht sich durch die Projektstrukturierung die Übersichtlichkeit und Transparenz der zu bearbeitenden Aufgabenfelder. Zum anderen vereinfacht es die Abstimmung zwischen den Projektmitgliedern, wenn nicht nur Arbeitspakete fest, sondern auch die Verantwortlichkeiten offen gelegt werden« (Hofmann 2011: 47).

Im bürokratietheoretischen ›Erbe‹ formuliert hier Yvette Hofmann eine organisational zu begrüßende Steigerung der Transparenz und Übersichtlichkeit, welche sich aus der sauberen und genauen Trennung von Zuständigkeiten ergebe. Arbeitsteilung sei Resultat der Projektplanung, die diese Zuständigkeiten ausdifferenziert festhalte. Pläne sind folglich auf zweierlei Ebenen Ankerpunkt der Projektorganisation: Einerseits repräsentieren sie die Ablauforganisation. Andererseits erzeugen sie Fakten, auf die sich bezogen werden kann, um das Projekt zu ordnen. Hier zeigt sich besonders deutlich der doppelte äußere Zwang der Methoden des Projektmanagements: Als normative Richtlinien grenzen sie einen Möglichkeitsraum ab, der per se nur die Anwendung von Projektmanagementmethodik als Handlungsoptionen zulässt. Im situativen Kontext erzeugt das Handlungsdruck, das heißt Verfahrensweisen und Setzungen zu entsprechen, und aus diesen konkrete Anleitungen für Tätigkeiten abzuleiten. Pointiert leitet die Projektmanagementmethodik – und mit ihr die Projektorganisation – das Handeln an. Ein Lehrbuch fasst zusammen: »Netzplantechnik zwingt vor allem in der Planungsphase zum genauen Durchdenken des Projektablaufs. Es ist somit ein hervorragendes Koordinations- und Kommunikationsinstrument« (Schelle 2010: 135). Das situative Ordnen und Kommunizieren der Projektleitung ist mit der Anleitung verbunden, in einer spezifischen Art und Weise zu planen. »Dem Projektstrukturplan (work breakdown structure [. . .]) obliegt die Aufgabe, auf der Grundlage des eindeutig definierten Projektziels die sachlogische Gliederung eines Projektes zu erfassen und wiederzugeben. Er dient letztlich der Komplexitätsbewältigung und wird auch als ›Plan der Pläne‹ bezeichnet, weil er die Grundlage für weitere Pläne bildet [. . .]. Der Projektstrukturplan ist das Ergebnis einer strukturellen Analyse eines Projektes, d. h., das Projekt wird in leistungsbezogener Sicht in eine überschaubare Anzahl von Teilen zerlegt (top down). Er ermöglicht damit bereits eine grobe Ermittlung der benötigten Ressourcen. Die sich hieraus ergebende Projektstruktur stellt den Aufgabenbaum des Projektes dar, da das Vorhaben stufenweise in Teilaufgaben zerlegt wird und hierdurch ein Über-/Unterordnungsverhältnis entsteht« (Corsten, Corsten und Gössinger 2008: 108, Hervorhebungen im Original).

Die Arbeitsorganisation basiert formell auf dem »Plan der Pläne« und bedeutet im Selbstverständnis »Komplexitätsbewältigung«. Das heißt soziologisch gewendet, sie ist eine Form der (An-)Ordnung von Tätigkeit, um die immanente Kontingenz, die

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Vieldeutigkeit und die Offenheit der Projektsituation zu binden und in eine Option zu überführen. Die Zergliederung des Vorhabens entlang der Aufgabenstellung erzeugt eine von oben nach unten durchgeführte Strukturierung, Aufgabenhierarchien werden auf ihr aufbauend erzeugt. Deutlich legen die Autor_innen eine Notwendigkeit des Projektarbeitsablaufs dar, durch den ein bestimmter Pfad vorgegeben wird und Abweichungen ›bestraft‹ werden (beispielsweise Umplanung, Mehraufwand, Zeitengpässe, nicht verfügbare Ressourcen etc.). Als solche erzeugen Aufgabenhierarchien ein disziplinierendes und sanktionierendes Regime objektivierter Sachzwänge, die ihre Legitimität von der Herrschaftsposition aus beziehen. Diese Machtbeziehung ist für das Projekt maßgebend – nicht aber zwingend für die Linienorganisation. Gerade Matrixorganisationen sind für überkreuzende Weisungslinien und Hierarchien anfällig: »Fachabteilungen neigen dazu, ein Vorhaben vor allem aus dem eigenen Blickwinkel zu betrachten. So werden notwendige Arbeiten z. B. nicht in der Reihenfolge erledigt, die für die Weiterbearbeitung in nachfolgenden Abteilungen und den Fortschritt des gesamten Projekts am günstigsten ist, sondern in einer Abfolge, die den abteilungsinternen Termindruck möglichst gering hält. Die Praxis hat auch gezeigt, dass Linienabteilungen sich in Projekten gerne nach dem ›Postkastenprinzip‹ verhalten und ihre Ergebnisse vor der ›Haustür‹ der in der Bearbeitung nachfolgenden Abteilungen abliefern, ohne besondere Rücksichten auf das Projekt als Ganzes zu nehmen. In den USA wird dafür der Ausdruck ›über die Mauer werfen‹ gebraucht. Dem steht das gesamthafte Denken des Projektmanagements gegenüber, das immer das Projekt als Ganzes und die Projektziele (im Gegensatz zu den Zielen der einzelnen Abteilungen) im Auge hat« (Schelle 2010: 24).

Arbeitsorganisation befindet sich in einem intraorganisationalen Spannungsfeld zwischen Linie und Projekten. Dieses entsteht aus der losen Verantwortung der Mitarbeiter_innen, wenn sie nur zu Teilen einem Projekt zugeordnet werden.18 Das Beispiel zeigt eine Besonderheit der Projektorganisation und der mit ihr assoziier18 | Ähnlich findet sich dies auch in anderen Publikationen: »Die Ausstattung der Projektleitung mit weitgreifenden Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen hinsichtlich projektbezogener Sachverhalte ist die beste Voraussetzung für einen effizienten Projektverlauf. Macht- und/oder Zuständigkeitskonflikte zwischen Projektleitung und Linienvorgesetzten gefährden den Erfolg eines Projekts. Streben Sie daher zu Projektbeginn eine Einigung hinsichtlich projekt- und abteilungsbezogener Entscheidungstatbestände an« (Hofmann 2011: 27 f., 85). Konfligierende Felder entstehen insbesondere in Zuständigkeits- und Machtfragen, die einem negativen Alltagsverständnis des Machtbegriffs folgen. Dieses weicht von der hier zugrunde gelegten relationalen, produktiven Machtbeziehung ab.

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ten Arbeit: Die Strukturierung der Ablauforganisation ist wichtiger als die des Unternehmens, da sie durchgeplant ist und aufeinander aufbaut. Während sie in der Linie in einem weiteren zeitlichen Horizont (immer noch mit Fristen) nicht spezifisch hierarchisch aufgebaut ist, steht in Projekten die »gesamthafte« Betrachtung im Vordergrund. Das heißt, in der Durchführung ist immer und zu jeder Zeit das gesamte Projekt mit allen Aufgaben und Zielstellungen zu betrachten. Aus der Praxis berichtet ein Projektleiter über Reibungspunkte zwischen fachlicher Führung und Liniensteuerung. Zielsetzungen divergieren, die Weisungsbefugnisse sind ebenso uneindeutig, wenn beispielsweise eine Mitarbeiter_in von zwei Personen angeleitet wird und für unterschiedliche Belange verschiedene Ansprechpartner_innen hat. Es tritt dann das Problem auf, »Diener zweier Herren« (IP5, Absatz 28) zu sein. »Wenn ich in einer Matrix bin und diese Menschen fachlich aussteuere, wenn ich eine Zielsetzung mit dem Projekt habe und der disziplinarische Vorgesetzte [. . .] hat andere Ziele, dann kann es einen Zielkonflikt geben. Es kann auch sein, dass es eine Überlastung von Aufgaben gibt, wenn ich zum Beispiel Arbeitspakete an den Mitarbeiter im Projektteam gebe, der aber auch noch Arbeitspakete aus einer Linienorganisation heraus hat; das muss man erkennen, darüber muss man reden. [. . .] Das heißt, diese Absprache mit der Linienorganisation muss funktionieren. Dann Urlaubsplanung: Für mich ist klar, wenn ich fachlich führe, dann bin ich im Projekt auch für die Urlaubsplanung verantwortlich. Das sehen einige Linienvorgesetzte nicht so. Aber ich habe auch erlebt, das jemand sagt: ›Ich bin jetzt vier Wochen im Urlaub, was willst du denn machen? Mein Chef hat das genehmigt‹. Das kann natürlich nicht funktionieren. [. . .] Noch ein Punkt ist die Incentivierung. [. . .] Als fachlicher Vorgesetzter habe ich keine Möglichkeit, außer einer guten Empfehlung, das Gehalt nachzusteuern. [. . .] Da muss ich wieder Einfluss nehmen auf die Linie, dass die anerkennt, welche Leistung da erbracht wurde und dann da entsprechend nachgezogen wird. Umgekehrt habe ich Vorteile, wenn ich nur die fachliche Steuerung habe, wenn ich Schwachstellen im Projektsetup habe, die ich nicht abstellen kann. Das heißt, ich habe jemanden im Team, bei dem es einfach nicht passt. Der ist überfordert mit der Aufgabe oder es passt aus irgendwelchen Gründen nicht. In der Matrix kann ich immer sehr leicht austauschen. Ich tu’ ihm nicht weh, ich sage: ›Du es passt nicht, geh mal zurück in deine Linie‹. Und dem Linienvorgesetzten sage ich: ›Du ich brauch da eine andere Person, einen anderen Skill, was auch immer‹. Wenn ich disziplinarisch verantwortlich für einen Menschen bin, dann muss ich anders vorgehen. Den werde ich ja nicht los« (IP5, Absatz 31).

Wie in Abschnitt 4.2.3 beschrieben, spiegelt sich hier ein vergleichbares Problem wieder. Sich überschneidende Weisungsbefugnisse der Matrix sind zunächst widersprüchlich. Die Dringlichkeit klarer Zuständigkeiten und Ansprüche ist ebenso Teil einer Projektorganisation und der initialen Aushandlungen. Darüber hinaus zeigt sich aber das Problem in der leitenden Doppelspitze: Fachliche und Linienführung setzen

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an unterschiedlichen Kompetenzen und Zuständigkeiten an und sind aufgrund ihrer jeweils eigenen Interessen potenziell konfliktanfällig. Verständigung über die Bedarfe der Projekte sind daher arbeitsorganisatorisch wichtig, um die benötigte Arbeitskraft zu den entsprechenden Zeitpunkten zu erhalten. Projekte sind aufgrund ihrer Befristung von der Verfügbarkeit des Personals und dessen Arbeitskrafterbringung in besonderer Weise abhängig. Der beschriebene Austausch von Mitarbeiter_innen geht daher rein funktional ›schmerzfrei‹ vonstatten. Die Rolle der Projektleitung, wie auch die Stellenbeschreibungen des restlichen Vorhabens, sind aus diesem Grund von vorn herein festzuschreiben: »Die genannten Merkmale der Position des Projektmanagers müssen schriftlich festgelegt werden. Nur so hat er die Sicherheit, nicht immer wieder in Streitereien verwickelt zu werden. Die schriftliche Fixierung sollte im Projektauftrag oder in einer Arbeitsplatz- bzw. Stellenbeschreibung erfolgen« (Olfert 2012: 53, Hervorhebungen im Original).

Es wird deutlich, welches Gewicht schriftlichen Daten eingeräumt wird. Sie erzeugen »Sicherheit«. Die Schriftlichkeit fixiert das Projekt. Wenn IP5 von »Projektsetup« spricht, dann ist dies ein weiteres Mosaik in einer streng funktionalistisch und deterministisch gedachten Projektrhetorik. Hinter Setup verbirgt sich eine mechanische Metapher, welche den Menschen auf Grundlage seiner Rolle und seiner Funktion ›einrichtet‹. Trotz der Funktion als Projektleiter_in ist die Position ohne schriftliche Fixierung stets prekär und uneindeutig in ihrem Weisungsanspruch. Eine institutionalisierte hierarchische Position ist umfassender auszuweisen als in der Unternehmensorganisation, damit ihre hierarchische Machtquelle in Anspruch genommen werden kann. Die soziale Rolle wird diskursiv strukturiert, während sie in anderen Organisationsformen naturalisiert wird. Ein Grund hierfür ist in der Befristung eines Projekts zu sehen. Dessen Strukturen müssen immer wieder neu geschaffen werden; dasselbe gilt auch für Gruppen, die immer neu konstituiert werden müssen. 5.3.2 Strukturen schaffen I: Analysieren und Definieren Die Sichtung der Projektmanagementliteratur sowie die Auswertung der Experteninterviews hat Arbeitsweise und Organisationsprinzipien in Projekten verdeutlicht. Im Verhältnis zur Organisation finden sich insbesondere im Bereich der Strukturierung Hinweise, welche durch dynamische Organisationstheorien detaillierter gedeutet werden können. Daher setzt sich dieser Abschnitt nun mit der Strukturerzeugung auseinander. Im Konkreten werden Tätigkeiten aufgeschlüsselt, die zur Schaffung von Struktur beitragen. Diese Erkenntnis stützt sich auf eine, aus dem Material destillier-

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te, Handlungsweise, die sich als Problemlösungsmechanismus begreift. Abfolgen von Analysieren, Definieren, Planen und Entscheiden sind die Akte, mit denen prozesshaft kontinuierlich neue strukturelle Veränderungen eingepflegt werden. Sie erneuern das Fundament von Arbeit und Organisation. Entsprechend ist es möglich, die Methoden und Techniken des Projektmanagements diesen Akten zuzuordnen; beziehungsweise lassen sich aus den Werkzeugen Tätigkeiten und Prinzipien ableiten, welche der Organisation (als Verb) zugrunde liegen. Basale Aufgabenstellungen, die sich aus Methoden und Techniken der Projektsteuerung ergeben, werden beispielsweise mit folgenden Bereichen assoziiert: »Erkennen, Analysieren«, »Suchen«, »Vorhersagen«, »Bewerten«, »Entscheiden«, »Planen« und »Umsetzen« (Drews und Hillebrand 2010: 11 f., Hervorhebungen im Original). Während Olfert (2012: 29 ff.) allein die Initiierungsphase eines Projekts als Problemlösung ansieht, also selbst als Projekt zu verstehen ist, das dieses vorliegende Problem beseitigen soll, ist das kontinuierliche Hin-und-her der Projektplanung der im Prozess angelegte Lösungsvorgang. Die vorangegangen zitierten Bereiche des Methodeneinsatzes sind in besonderem Maße Mechanismen, um Lösungen zu suchen, zu finden und umzusetzen und so das Projekt »on-track« (IP9, Absatz 14) zu halten. Jene Schienenmetapher findet sich systematisch in den Interviews und in der Literatur. Sie bezieht sich sinnbildlich auf die Planeinhaltung. Ziel ist es, bestmöglich auf den Schienen des Plans zu bleiben und nicht aus ihnen herauszuspringen. Hierfür sind mittels Such- und Kreativitätsstrategien die Punkte auszumachen und einzuplanen, welche dies erschweren. »In der Regel wird das Problemfeld systematisch erfasst und damit werden dann alternative Kombinationen, Konfigurationen erzeugt. Mit diesen Methoden erzielt man meist Quantität, also viele Ideen und Lösungsmöglichkeiten. Die Qualität der Vorschläge muss dann durch nachgeschaltete Bewertungsmethoden sichergestellt bzw. verbessert werden. Diese Methoden sind geeignet, Probleme zu präzisieren, die Ideenfindung und den Ideenfluss Einzelner oder von Gruppen zu beschleunigen, die Suchrichtung zu erweitern und gedankliche Blockaden aufzulösen. Ihr Schwerpunkt liegt eher auf dem Generieren neuer Ideen als im Suchen und Finden schon vorhandener Ideen« (Drews und Hillebrand 2010: 14).

Wie diese Methoden auf Probleme angewendet werden – nach ihrem Auftreten oder antizipativ, zur Risikoprävention – spielt keine gesonderte Rolle. Wichtig ist, dass die Möglichkeiten immer auf die betroffenen Akteure, Ziele und Probleme gerichtet sind. Solche Analysen sind relationale Inbezugsetzungen der verschiedenen (als relevant erachteten) Teile eines Problems. Es in seiner Ganzheit betrachten zu wollen, heißt, es in seiner Relationalität abzubilden, um neu auftauchende Aspekte einzubeziehen. Andersherum formuliert, heißt das, die Gesamtheit ist nicht erfassbar, da sie nicht

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abgebildet ist; das Bild des Vorhabens ist immer unvollständig.19 Daher ist dies kein statischer Vorgang mit einem festen Ergebnis, sondern eine ständige Iteration. Einerseits, weil die verschiedenen Informationsflüsse in Bewegung sind und neue Kombinationen ermöglichen, andererseits, weil das Projekt selbst dem Phasenbild folgt und im Ablauf auf neue Probleme stößt. »Identify [sic!] risks is an iterative process, because new risks may evolve or become known as the project progresses through its life cycle. The frequency of iteration and participation in each cycle will vary by situation. The format of the risk statements should be consistent to ensure that each risk is understood clearly and unambiguously in order to support effective analysis and response development. The risk statement should support the ability to compare the relative effect of one risk against others on the project. The process should involve the project team so they can develop and maintain a sense of ownership and responsibility for the risks and associated risk response actions. Stakeholders outside the project team may provide additional objective information« (PMI 2013: 321).

Zielstellung eines organisatorischen Arbeitsschrittes in der Risikoanalyse sei nach PMI-Standard die klare und eindeutige (»clearly and unambigiously«) Erfassung und Bestimmung der Risiken. Hinzu kommt die Vergleichbarkeit mit anderen potenziellen Risiken im Projekt. Neben der Frage, was genau unter Risiken verstanden wird, gilt es zu klären, inwiefern diese Risiken überhaupt vorhersehbar – und somit auch beschreibbar – sind. Im Analyseverfahren wird neben der Festschreibung auch Verantwortlichkeit durch Zuschreibung angestrebt, um das Projektteam auf die Möglichkeiten von Unvorhersehbarkeiten vorzubereiten und im Falle des Falles Reaktionen abzurufen. »Most of the work in the project life-cycle deals with the definition of work tasks and problem resolution. Most of the problems that arise are likely to involve the time-frame, cost, risks or deliverables of the project or an interaction between all four factors. Options to resolve problems may involve reducing the scope of project deliverables, increasing its time-frame, or providing more resources. Various methods of problem solving can be used. These may involve adopting systematic procedures for: identifying the problem and its root cause; developing ideas and options (such as ›brainstorming‹, ›lateral thinking‹, and ›thinking hats‹) for solving the problem; evaluating the ideas and selecting a preferred option; and for taking the appropriate steps to implement the

19 | In der Organisationstheorie ist ein ähnlicher Prozess zur Beschreibung organisationaler Entscheidungsfindung vorhanden, das Garbage Can Model. Entgegen der Annahme einer rationalen Entscheidungsfindung ergeben sich aus einem Pool beweglicher Akteure, Lösungsmuster und Problemlagen vielfältige Lösungsmöglichkeiten (vgl. Cohen, March und Olsen 1972).

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chosen option. However, before deciding on what course of action to take, the interested parties must be consulted and their approval sought« (Caupin et al. 2006: 54, Hervorhebungen im Original).

Der Großteil der Projektarbeit bezieht sich auf die Definition, wobei der Begriff an dieser Stelle in zwei Kontexten verwendet wird. Einerseits wird hierdurch die Festlegung von Arbeitspaketen beschrieben, andererseits die Festlegung von Problemlösungsschritten. Selbst zu Beginn eines Projekts in der Initiierungsphase ist es oberste Priorität, die genaueste Darstellung und Formulierung des Projektziels zu erreichen.20 »Die erste Aufgabe im Rahmen eines Projekts ist das eindeutige und vollständige Definieren des Projektziels« (Burghardt 2012: 17). In englischer Terminologie (die sich zum Teil auch in das Deutsche übertragen hat) bezeichnet Project Scope Management diese definitorischen Aufgaben, durch die das Projekt in seiner Ganzheit erfasst und abgebildet werden soll: »Project Scope Management includes the processes required to ensure that the project includes all the work required, and only the work required, to complete the project successfully. Managing the project scope is primarily concerned with defining and controlling what is and is not included in the project« (PMI 2013: 105).

Das zu Managende wird an dieser Stelle direkt beschrieben als Definition und Kontrolle der Projektgrenze. Die Aufgabe ließe sich mit der einfachen Anweisung zusammenfassen, eine Unterscheidung zu treffen, was innerhalb und was außerhalb des Projekts steht.21 In Bezug auf die zu erbringenden Leistung ist das Scope Management eine definierende Instanz, die das Vorhaben genau vermisst und ihm Grenzen gibt. Daher ist es auch kontrollierend und beleuchtet ungenaue Grenzziehungen, Aufgabenstellungen und Arbeitsabläufe: »The project scope defines the boundaries of a project. If the boundaries of the project, programme, or portfolio are not properly defined and if additions to and deletions from the project, programme or portfolio are not properly documented, then the situation tends to get out of control. From the point of view of the interested parties the scope embraces the totality of all the 20 | Einer der befragten Unternehmensberater führte diesen Punkt für projektförmige Beratungsaufträge aus: »Normalerweise ist erst mal ganz wichtig: Eine Auftragsklärung mit dem Kunden, dass man wirklich auch vom Gleichen spricht, dass man weiß, welche Ziele dahinter stecken, was konkret am Ende gewünscht wird, wie tief und umfassend das Ganze sein muss« (IP7, Absatz 6). 21 | Dadurch vollzieht das Scope Managements Ein- und Ausschlüsse, die eine operative Nähe zum Formenkalkül Spencer-Browns aufweisen (vgl. Abschnitt 6.2).

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deliverables, which are included in a project. The solutions within the scope gradually evolve from the initial concept of the project to the final deliverables, through the documents that define those deliverables in more and more detail as they are developed. From the view of the interested parties the scope and deliverables represents the total content (functional, technical and user interface characteristics) included in the project. The project should deliver all that is described within its scope. In some types of project the scope also includes the geographical and users environment where new systems or changes to existing systems delivered by the project will be operated. In defining the scope of a project it is also important to stipulate what is out of its scope« (Caupin et al. 2006: 58, ohne Hervorhebungen).

Durch die Definitionsarbeit des Projektmanagements wird das Vorhaben gänzlich erfasst. Es umschließt die Gesamtheit eines Vorhabens ›total‹, aus allen relevanten Blickwinkeln der involvierten Akteursgruppen. Der »absolute Inhalt« der Projekte ist als Definition von Bedeutung. Er summiert und reflektiert die Erwartungshaltungen und macht sie in der Aushandlung belastbar und zuschreibbar. In der Eröffnungsphase eines Projekts kommt dem Scope Management daher eine besondere Bedeutung zu. Nach einer ersten Skizzierung wird sich organisierend auf die vollständige Planung und durch das Eröffnen eines Lasten- und eines Pflichtenheftes bezogen. Hieraus ergeben sich in der Planungsphase, auf Grundlage der analysierten und definierten Anforderungen an das Ziel, die Aufgaben und Handlungsschritte des Projektstrukturplans. »Aus der Phase der Projektklärung ist der Liefer- und Leistungsumfang festgelegt und in überschaubare Teilpakete heruntergebrochen, und zwar bis zu der Ebene, die aus pragmatischen Gründen nicht mehr weiter aufgegliedert wird: die Arbeitspakete« (Drews und Hillebrand 2010: 20).

Dieses Zitat versinnbildlicht die Beziehung zwischen analytisch-definitorischen Tätigkeiten und den darauf aufbauenden Planungsschritten. An dieser Stelle ist zunächst Folgendes wichtig: Die Grundlage der organisationalen Strukturierung besteht in einem ersten Zuge darin, die verschiedenen Aufgaben in ihrer Gänze aufzuzählen. Im selben Schritt ist die Ableitung einzelner Tätigkeiten notwendig, um das Projekt aufzusetzen. Nach der Initialdefinition der Tätigkeiten und Verantwortungen sind auch die notwendigen Kommunikations- und Informationswege eingerichtet, um das Projekt durchzuführen: »Mit der Strukturierung in Aufgabenbereiche und Arbeitspakete wird die Grundlage der Koordination und Bearbeitung des Projekts im Team geschaffen. Personal- und Sachressourcen können den Arbeitsbereichen zugewiesen werden und Informationen und Entscheidungen zielgerichtet und zeitnah weitergegeben werden.

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Die Schaffung einer hierarchischen Struktur der Projektorganisation,



die Ernennung von Mentoren und die Einrichtung eines Lenkungsausschusses sowie



der Aufbau eines Kernteams und die Teilung der Verantwortung und Autorisierung,

sind die Grundelemente für die Aufbauorganisation des Projekts« (Ottmann und Schelle 2011: 58).

Alles was Organisation an einem Projekt ist, muss geschaffen werden. Um diese Vorstellung kreist die Argumentation des vorangegangenen Zitats, das darauf hinweist, dass die Verantwortungsbeziehungen und die Hierarchien aktiv herzustellen sind. Das Projekt entsteht nur aus einer Idee heraus, die Herrschafts- und Machtbeziehungen müssen erst geschaffen werden. Praktisch wird hieraus sogar ein eigener Projektmeilenstein, dessen Erfüllung grundlegend für den weiteren Verlauf ist. Ohne diese Grundvoraussetzungen kann das Vorhaben nicht weitergeführt werden, erst nachdem die Strukturen erarbeitet wurden, darf und kann das Projekt fortgeführt werden. »Projektmanagement heißt ja, ›Projekte managen‹. Das klingt vielleicht am Anfang wie: ›Ja was machen die da eigentlich?‹ Wenn man sich aber eine Struktur aufgebaut hat, dann sieht man, dass das sehr durchsichtig ist. Alle Rahmen, Budget, Termine, Organigramm, das muss man sofort definieren und Kommunikationswege schaffen. Dann wird die Aufgabe des Projektmanagers transparenter. Wer ist wofür verantwortlich? Schnittstellen müssen klar sein – mitunter müssen diese Verantwortlichkeiten genauestens definiert werden, um eine saubere Struktur reinzubekommen. Es gibt einen Meilenstein, den man am Anfang erreichen muss: das Qualitätstor. Innerhalb von sechs Wochen muss der Terminplan stehen, das Organigramm mit Hauptressourcen, AEK Auftragseingangskalkulation, Kostenstruktur und Kommunikationswege. Strukturen müssen schnell aufgebaut und definiert werden« (IP4, Absatz 43).

Die transparente Struktur, welche sich die Projektleitung anfangs aufgebaut hat, ist erklärungsbedürftig. Einerseits ist es normatives Ziel der Arbeit von Projektmanager_innen, eine nachvollziehbare und eindeutige strukturelle Grundlage zu schaffen. Andererseits ist die Struktur Ergebnis der akuten Handlung in der Anfangsphase eines Projekts, welches nicht stabil, sondern immer wieder von der Realität bedroht ist. Strukturen bleiben als Momentaufnahmen hinter dem sich vollziehenden Prozess zurück. Sie sind – überspitzt formuliert – schon wieder Vergangenheit, wenn weiter gearbeitet wird. Ähnliche Prinzipien werden in der Anfangsphase, beispielsweise in Kick-off-Meetings, verwendet, um situative Spannungsverhältnisse, greifbar und beschreibbar zu machen. Aufbauend auf einer »Agenda« werden relevante Themen »Punkt für Punkt [. . .] diskutiert« und »[w]as offenbleibt oder was nicht von beiden Seiten beantwortet werden kann, kommt in eine Action-Item-Liste. Das ist eigentlich somit das wichtigste Instrument, [. . .] eine lebendige Action-Item-Liste, die für Kun-

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de und Lieferant gilt« (IP2, Absatz 8). Mehrdeutigkeit und Unsicherheit sind offen einsehbar und dynamisch zu regeln, das heißt »lebendig«, veränderbar und regelmäßig zu aktualisieren, um die offenen Punkte sichtbar herauszustellen. Das Kick-offMeeting ist für das Projekt die Sitzung, in der seine Vermessung, also die Kartierung von Aufgaben, Problemen und Risiken, vorgenommen wird. Abläufe für die Planung werden festgelegt und ein erster Zusammenhang wird herstellt, der sich ebenso in den Phasen des Projekts widerspiegelt. Die Aufgaben, welche hier als Analysieren und Definieren zusammengefasst werden, sind in dieser Konstellation zunächst die Tätigkeiten des Sammelns und Benennens. Wie bereits dargestellt worden ist, müssen der Planungsablauf und die Risikoabwägung iterativ vollzogen werden. Das beinhaltet die Tätigkeit des Strukturierens, die ebenso kontinuierlich analysieren und definieren muss. »Vielmehr sollte Planung als Prozess verstanden werden, der sich schrittweise vollzieht und entwickelt. In dessen Verlauf sind folgende Fragen zu stellen: [in einer Abbildung sind folgende Fragen dargestellt; Y. K.] Was? Projektstrukturplan; Was, bis wann? Projektablaufplan; Wann, durch wen? Projektterminplan; Wer, wie viel? Projektkapazitätsplan; Wann, wie teuer? Projektkostenplan; Was, wie? Projektqualitätsplan« (Hofmann 2011: 40).

›W-Fragen‹ und auch »W-Planung« (Schmid 2012: 92, ohne Hervorhebungen) beschreiben die notwendigen Projektkonstellationen. Durch sie werden Dimensionen der Zuständigkeit, Aufgaben und Zeiträume festgeschrieben. Es drängt sich an dieser Stelle eine Analogie zu sprachphilosophischen Überlegungen eines Bezeichnungsprozesses auf. Verkürzt gesagt, und dies ist eine erste Arbeitsthese aus dem Material, ist die Tätigkeit in Projekten die aktive, praktische Bezeichnung, das heißt das Zuschreiben von Bedeutung, von Sinn und von Relevanz an spezifische Dinge, Menschen, Aufgaben, Umstände oder Risiken. So wie das aktive ›Aussprechen‹, das Bezeichnen, eine (beliebige) Beziehung zum Bezeichneten herstellt,22 die nur aus dieser Relation heraus sinnhaft ist, werden im Projekt erst durch das Definieren relevanter Faktoren diese als sinnhaft erachtet und in Planungsstrukturen eingearbeitet. Die Projektorganisation lebt von diesem kontinuierlichen Prozess der Bedeutungsgenese und -verschiebung. Für eine organisationssoziologische Perspektive auf Projekte ist dieser Umstand von besonderer Bedeutung. Organisationale Strukturen in Projekten sind jederzeit 22 | Diese Relation ist das Grundkonzept Ferdinand de Saussures sprachphilosophischen Zeichenmodells. Er bezieht Bezeichnung (Signifikant) und Vorstellung, das Konzept des Bezeichneten (Signifikat) aufeinander. Diese Relation ist jedoch nicht fest determiniert, denn Sprache stellt diese Beziehung aktiv im Sprechen her (vgl. Stäheli 2000: 17 f.).

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durch die äußeren Umstände der Projekte beeinflusst, welche in einem iterativen und interpretativen Verfahren durch die Beteiligten eingelesen werden und in Plänen Relevanz erfahren. Organisation ist in diesem Zuschnitt keine statische Entität, sondern eine performativ hergestellte, deren Beziehungen immer wieder verändert, umgedeutet und strukturell neu ausgerichtet werden (können). Dieser Prozess ist allerdings zweiseitig: Das heißt, er ist nicht genuin beherrschbar, sondern er ist risikobeladen und allenfalls irritierbar. Zentral bleibt die Einsicht, dass sich die Aufbau- und Ablauforganisation des Projekts weder festgeschrieben ›verewigt‹ (sie ist ja befristet), noch dass sie sich ex nihilo, also aus dem Nichts, erzeugt und ›einfach da ist‹. Sie wird kontinuierlich aktiv hergestellt. Im Sinne einer »paradoxe[n] Ordnung« (Kneer 2008: 125) ist sie stets flüchtig und bedroht. Wegen ihrer immanenten Spannung und Vieldeutigkeit aus Unberechenbarkeit bedarf es stetiger performativer Arbeit an ihr. 5.3.3 Strukturen schaffen II: Planen und Entscheiden Dieses Unterkapitel rekonstruiert Planen und Entscheiden als weitere bedeutende Mechanismen der Strukturgenese. Nach situativer Analyse und Definition sind die grundlegenden Zusammenhänge innerhalb des Projekts benannt, sodass die planende Tätigkeit ein Arrangement aus relevanten Teilen erzeugen und sie in Relation zueinander setzen kann. Hier spielt die Pfadabhängigkeit des Projektverlaufs eine Rolle. Pläne werden als zentrale Grundpfeiler der Projektdurchführung benannt. Im selben Atemzug wird daher auf die Notwendigkeit einer vollständigen und aktuellen Planungsübersicht verwiesen. »Die gesamte Planung eines Projekts schlägt sich letztendlich in Projektplänen nieder; sie dokumentieren die Projektplanung. Da Projektpläne stets den aktuellen und gültigen Planungsstand widerspiegeln müssen, unterliegen sie einem unterschiedlich starken Änderungsgeschehen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass die Pläne bei jeder geringfügigen Abweichung vom Ist-Stand zu ändern sind; eine Anpassung ist nur angebracht, wenn der betreffende Plan in einem größeren Umfang nicht mehr den Realitäten entspricht. Es gibt zahlreiche Projektpläne, die sich in Informationszusammenstellung und -komprimierung sehr unterscheiden. Der Versuch, allgemein gültige Standard-Projektpläne zu schaffen, ist bisher gescheitert. Die Anforderungen aus den unterschiedlichen Entwicklungen an Struktur und Inhalt der Projektpläne variieren zu stark« (Burghardt 2012: 364).

Iterationsprozesse der Soll-Ist-Stände in einem Projekt sollen (und können dabei auch gar nicht) gegen Null gehen, wie es mathematisch ausgedrückt wird. Ein pragmatischer Umgang mit der Neuausrichtung der Pläne sei die sinnvolle Handhabung, um eine aktuelle Übersicht und hieraus eine genauere Ableitung von Arbeitsaufgaben si-

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cherzustellen. Im Zitat findet sich der Hinweis auf die bisher nicht realisierte Standardisierung von Plänen. Dies mag einerseits irritieren, da der Großteil des Projektmanagements durch Standardisierung getragen und vorangetrieben wird. Andererseits sind Projekte aufgrund ihrer kontextuellen Grundlagen und Umweltbeziehungen verschieden. Planung ist jedoch immer Abstraktion von der Projektrealität: Ein Projektplan, der alle Details beinhaltet, wäre ein nicht handhabbares Konstrukt, gleich einer Landkarte, die im Maßstab eins zu eins abbildet, und damit eine wertlose Karte ist.23 »Mit der Definition der Arbeitspakete, der Festlegung des Aufwands, der Bestimmung der Ablaufbeziehungen und der Zuordnung der Ressourcen sind nun alle Parameter bekannt, um eine Terminierung [sic!] durchzuführen. Diese Terminierung erfolgt in einer Vorwärts- und in einer Rückwärtsterminierung. Dies hat zur Folge, dass die frühesten und spätesten Anfangs- und Endtermine bekannt sind und daraus die verfügbaren Pufferzeiten ermittelt werden können. Der Pfad durch diesen Netzplan, der keine Pufferzeiten beinhaltet, ist der kritische Pfad. Arbeitspakete auf diesem Pfad verdienen besondere Aufmerksamkeit, weil jede Zeitverzögerung in ihnen zur Erhöhung der gesamten Projektlaufzeit führt« (Drews und Hillebrand 2010: 21).

Nachdem alle zu erbringenden Leistungen, die damit verbundenen Tätigkeiten der Projektdurchführung und alle notwendigen Beziehungen zur Projektumwelt bekannt sind, richtet die Planung diese Arbeitsschritte am Zeithorizont des Vorhabens aus. Die Befristung impliziert dabei die konkreten Termine für die Arbeitsschritte. Deren Dauer ist nicht beliebig, sondern ergibt sich aus den Arbeitsschritten; sie ist gewissermaßen mit der Sache selbst verbunden. Dennoch ist die Planung innerhalb eines fixierten zeitlichen Rahmens die konkrete Orientierungslinie, wie und in welchem Maße Arbeitsschritte sinnvoll (zeitlich) aufgereiht, parallelisiert, angefangen und beendet werden. Neben den Tätigkeiten der Projektabwicklung sind auch Planungs- und Organisationstätigkeiten zu beachten und einzuplanen: »Wissen Sie, welche Tätigkeiten bei der Aktivitäten-Planung am häufigsten vergessen werden? das sind die organisatorischen Aktivitäten wie periodische Teamsitzungen, Abstimmungen mit dem Auftraggeber, Tests, Abnahmen, Präsentationen, . . . Und wissen Sie auch, warum sie vergessen werden? Weil sie nicht wirklich vergessen, sondern vielmehr verschoben oder gar ignoriert werden, wie eine Projektleiterin erklärt: ›Wozu müssen wir diese Aktivitäten jetzt schon planen? Um sie kümmern wir uns schon, wenn sie anfallen.‹ So kann nur ein PM-Greenhorn [Projektmanagement oder Projektmanager, hier unklar; Y. K.] 23 | Die Abstraktion in Form des Plans beziehungsweise der Landkarte ist auch notwendigerweise etwas anderes als jenes, was durch sie oder ihn abgebildet werden soll: »Die Karte ist nicht das Territorium, und der Name ist nicht die benannte Sache«, wie Bateson (1987: 40, ohne Hervorhebungen) Alfred Korzybski wiedergibt.

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reden, das noch nie einen Telefonanruf bekam, in dem die nächste Teamsitzung angekündigt wurde, und darauf erwidern musste: ›Was? Übermorgen schon? Aber dafür habe ich jetzt keine Zeit!‹ Warum nicht? Weil sie nicht eingeplant wurde. Warum nicht? Weil die entsprechende Aktivität auf der Aktivitäten-Planung fehlte. Eine alte PM-Weisheit sagt: Was man nicht einplant, gibt Überstunden« (Schmid 2012: 103, Hervorhebungen im Original).

Ersichtlich ist in diesem Auszug zweierlei: Zum einen werden die planerischen und organisatorischen Akte in einem Projekt immer wieder und wieder relevant, da sie fester Bestandteil einer zeitlichen Organisationsstruktur sind. Zum anderen ist durch diese organisierenden Tätigkeiten sichergestellt, dass es einen institutionalisierten Rahmen gibt, welcher die strukturgenerierenden Momente aufgreift und fortführt, indem er Aufgaben und Tätigkeiten der Projektleitung verstetigt: Analysieren und Definieren, Planen und Entscheiden. Dieser Bezug ist in einem hohen Maße selbstreferenziell, da die Projektarbeit an diesen Punkten die eigenen organisatorischen Momente herausnimmt, begutachtet, prüft, ändert oder beibehält und dann die Pläne (von sich selbst) aktualisiert, folglich eine neue Form der Ablauforganisation bereitstellt. Abstrakter formuliert der europäische Standard des Projektmanagements die Bedeutung von Zeit und ihre analytischen Aspekte: »Time covers the structuring, sequencing, duration, estimating and scheduling of activities and/or work packages, including the assignment of resources to activities, establishing project deadlines and monitoring and controlling their timely execution« (Caupin et al. 2006: 60, Hervorhebungen im Original).

Zeit als absolute Größe erzeugt Übersichtlichkeit, die als Maßstab der organisationalen Bezüge dient. Die Sequenzierung als das parallele/gleichzeitige oder aufeinander aufbauende In-Bezug-Setzen von Arbeitsschritten, ist der Projektplan, in dem alle Schritte einfließe. Deren jeweilige Dauer ergibt die zeitliche Planungsgrundlage. Sie sind strukturelle Aspekte, derer sich die Projektplanung annimmt und die in Projektplänen visualisiert werden. In dieser zeitlichen Abhängigkeit entwickeln sich die Zuteilungen (beispielsweise von Personalressourcen) erst nachgelagert. Zeit wirkt als Zugriffspunkt von Kontrolle auf Grundlage eines zeitlichen Orientierungsniveaus. Die genauere Messung und Schätzung von Zeit(en) für die Projektaufgaben spezifiziert die Planung. Dadurch macht sie die Durchführung sicherer. Problemvermeidung ist hier in Abhängigkeit zu Planungsintensität gesetzt, die zu Beginn höher sein muss, im Verlauf reduziert werden kann, aber dennoch sukzessive weiterzuführen ist. »Je exakter die Projektdurchführung also geplant wird, desto geringer sind die Probleme in den späteren Abschnitten des Projekts. Allerdings ist die Projektplanung nicht als einmaliger

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Vorgang anzusehen, der nach Ausarbeitung aller Planvorgaben als abgeschlossen zu betrachten wäre. Vielmehr wird der Detaillierungsgrad der Planung – besonders bei langfristigen und großen Entwicklungsvorhaben – nur für die ersten Entwicklungsabschnitte ausreichend genau sein können; bei Projektfortschritt wird für die anschließenden Entwicklungsabschnitte meist eine vertiefende Planung notwendig sein. Auch bei nicht vorhergesehenen Änderungen auf Grund nachträglich gestellter Anforderungen kann ein Anpassen der Planvorgaben oder sogar ein erneutes Durchplanen erforderlich werden« (Burghardt 2012: 175).

Die Ablaufplanung der Projektorganisation wird als Garant einer erfolgreichen Projektdurchführung gesehen. Neben Initialplanung ist, wie vorangegangen angedeutet, die situative und kontinuierliche Weiterführung der Planung wichtig. Auch hier spiegelt sich die Devise »vom Groben ins Feine« (IP8, Absatz 4) wider, mit der prozesshaft Pläne aktualisiert werden, das heißt, die kontinuierliche Reaktion auf sich verändernde Projektrealitäten und Bezüge von ›Außen‹, welche die Planung im Zeitverlauf des Vorhabens immer detaillierter fortschreiben (vgl. IP1, Absatz 8; Hofmann 2011: 41, 86; Ottmann und Schelle 2011: 67). Dieser sich fortschreibende Planungsprozess wird auch im folgenden Ausschnitt verdeutlicht: »Die Projektleitung muss Veränderungen der Projektumwelt in eine dynamische Projektplanung integrieren, und zukunftsorientiert agieren. Dabei sind Informationen über geplante Ereignisse oft nicht exakt, sondern entsprechen Näherungswerten. Der Detaillierungsgrad von Plänen ist umso niedriger, je weiter in die Zukunft geplant wird (Grobplanung). Im Projektverlauf erfolgt dann eine stetige Präzisierung der Grobpläne, indem kontinuierlich Informationen gesammelt, aufbereitet und in die vorhandenen Pläne integriert werden (Feinplanung)« (Hofmann 2011: 39).

Dynamische Planung mit ihrer Zukunftsorientierung findet in einem spezifischen modus operandi statt, dessen Zeitbezug durch Unsicherheit gekennzeichnet ist. Planung ist auf Kommendes ausgerichtet. Vergangenheitsorientierte Planung ist sinnfrei, denn durch das bereits Eingetroffen-Sein der Ereignisse, existiert kein Möglichkeitshorizont. So weit so trivial. Doch operiert der Prozess auch mit einem Vergangenheitsbezug, indem er einerseits den ›vergangenen‹, überholten Plan als Grundlage heranzieht und andererseits explizit die Vergangenheit ›geöffnet‹ wird. Der letzte Punkt ist bedeutsam, denn Vergangenes ist zwar passiert, doch in einer organisationssoziologischen Interpretation kann Planen (und auch Entscheiden) diese Vergangenheit ›lösen‹ und verändern, indem beispielsweise getroffene Entscheidungen erneut auf die Agenda gesetzt werden. Die Zukünftigkeit, auf welche die Planung Bezug nimmt, ist eine gegenwärtig antizipierte Zukunft, niemals die tatsächliche, sondern nur die Fiktion, die Vorstellung einer möglichen Zukunft.

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Eng hiermit verbunden ist das Entscheiden, das sich als Praxisproblem ebenfalls in einem Zeithorizont bewegt. Der Prozess des Entscheidens ist die autopoietische Operation, mit welcher sich die Organisationen hervorbringen und operative Geschlossenheit herstellen. All dies wird an anderer Stelle relevant werden (vgl. Abschnitt 3.3.1 sowie Luhmann 2000). Für den Entscheidungsprozess ist zunächst die von Luhmann beschriebene Bindung von Zeit wichtig: Durch getroffene Entscheidungen wird der zukünftige Möglichkeitshorizont in seiner Kontingenz eingeschränkt und Zukunft gebunden. Im selben Zug wird Vergangenheit geöffnet und gegenwärtig neu verhandelbar. Planung ist das Ergebnis von Entscheidungsprozessen, an deren Ende beispielsweise eine aktualisierte Ablauforganisation steht. Einflüsse, beispielsweise interne oder externe Risiken, Änderungsmanagement (Claimmanagement) oder generell Nachverhandlungen über Art, Umfang, Zeit und Qualität der ergebnisbezogenen Leistungen, stoßen Entscheidungsprozesse an, um diese einzuplanen. Die aufgebaute Beziehung zwischen der Projektorganisation und der in ihr organisierten Arbeit wird in einem Interviewausschnitt von IP3 (Absatz 16; vgl. Abschnitt 4.2.2) deutlich: Situative Notwendigkeiten erfordern Entscheidungen und müssen auch behandelt werden, um den Kurs des Projekts weiterzuführen. Einerseits muss ein Weg zur Zielerreichung gefunden werden; andererseits ist dieser sinnhaft zu vermitteln, sodass die Beschäftigten keine Alleingänge wagen. Durch die Vorbildfunktion des Projektmanagement wird eine Bindung zur gesetzten Richtungswahl aktiv eingefordert und letztendlich auch durchgesetzt. Strukturell erzeugen sich so relative Normen und Realitäten des Projekts. Es formt sich das aus, was als ›richtig‹ – und dadurch gangbar – und was als ›falsch‹ – abseits des Plans und nicht realisierbar – zu betrachten ist. Gegenüber der von IP3 angesprochenen Entscheidungsfindung, die oftmals gar nicht anders getroffen werden könne als aus dem Bauch heraus, bezieht sich die Literatur auf die Vermeidung solcher Empfindungssteuerung. Sie stellt ihr rationalisierbare und begründbare Methoden entgegen. »Bewertungsmethoden sind formale, systematische, standardisierte und objektive Entscheidungshilfen zum transparenten Vergleich von Alternativen. Gegenüber rein gefühlsbetonten, subjektiven Bewertungsmethoden bieten sie den Vorteil der späteren Nachvollziehbarkeit und erreichen damit eine höhere Akzeptanz bei den Beteiligten. [. . .] Die Fragestellung heißt: ›Welche Alternative bringt uns der Gesamtheit der Ziele am nächsten?‹ Es gilt dann die Alternative zu ermitteln, die den maximalen Zielerreichungsgrad bei Einsatz minimaler Mittel erreicht, unter bestmöglicher Ausnutzung der verfügbaren, oft begrenzten Ressourcen« (Drews und Hillebrand 2010: 17).

Effizienz ist das klar umrissene Ziel aufkommender Entscheidungen und ihre Steigerung der ausgewiesene Grund, Bewertungsmethoden zu nutzen. Für die organisationa-

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le Konstitution der Projekte, die arbeitsinhaltlichen und die arbeitsorganisatorischen Aspekte, bedeutet größtmögliche Effizienz das Abwägen verschiedener Möglichkeiten, deren Tragweite nicht offensichtlich sein kann. Hier bedient sich das Projektmanagement kognitiver Kategorien: Formalität, Objektivität, Systematisierung und Standardisierung. Rahmung und transparente Sichtbarmachung der Optionen sind zentrale Argumente. Für die Praxis hingegen ist es laut IP3 insbesondere das Durchsetzen der Entscheidung und die Einforderung der Teamdisziplin: Wenn die Transparenz keine konsensuell tragfähigen Ergebnisse hervorbringe, dann helfe nur disziplinierendes Einfordern von Loyalität, das heißt hinter der Leitung zu stehen. Dennoch bleiben Restrisiken, die das Projekt in Schieflage bringen und es »verhageln« (IP1, Absatz 22). »Projekte werden zu einem Problemfall, wenn beispielsweise wichtige Ziele um Längen verfehlt werden. Die folgenden drei Faktoren können den Projekterfolg gefährden, wenn sie nicht rechtzeitig behoben werden können: •

Die Konsequenzen einer Entscheidung reichen weiter als die Befugnisse des Entscheidungsträgers, beispielsweise des Projektmanagers, des Teilprojektmanagers oder des Teamleiters.



Die Parteien, die an einer Entscheidung beteiligt sind, können sich nicht einigen.



Das Projekt erfordert Änderungen seiner Organisation oder seiner Prozesse.

In solchen Fällen braucht ein Projekt Regeln und Verfahren zur Lösungsfindung und Entscheidungsträger auf der richtigen hierarchischen Ebene. Das heißt, es benötigt die Delegation von Verantwortung und einen Eskalationsprozess, also Vorkehrungen, die sicher stellen, dass bestimmte Entscheidungen nach ›oben‹ delegiert werden, wenn z. B. in einer Konfliktsituation auf der unteren Ebene keine Lösung gefunden werden kann« (Ottmann und Schelle 2011: 76).

Im geschilderten Fall wird die Lösung problematischer Entscheidungssituationen auf die Organisation zurückgeführt (vgl. Abschnitt 4.3.3). Durch sie werden Entscheidungsprämissen bereitgestellt – Handlungsweisen, Muster und Routinen, die Kontingenz bei Entscheidungen einschränken. »Regeln und Verfahren« sind nicht zwingend dem Projekt immanent, aber sie finden sich beispielsweise in Organisationskultur oder Unternehmensphilosophie. Die drei aufgezählten Fälle, in denen die Problemsituation besonders eklatant zutage treten, sind auf Arbeit bezogen: Im ersten Fall gefährden unzureichende Befugnisse das Projekt. Im zweiten Fall wird deutlich, dass Entscheidungen gefällt werden müssen (vgl. IP3 Absatz 16). Im dritten Fall kommt es darauf an, Änderungen der organisationalen Form – hier der Aufbauorganisation – entschieden zu vollziehen. Diese Probleme verweisen indirekt auf formelle Kommunikationswege, welche Informationen aus den vier Tätigkeiten (Analysieren, Definieren, Planen und Entscheiden) verarbeiten.

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In diesem Abschnitt habe ich ein Bild von zwei weiteren Aktivitäten der Strukturschaffung rekonstruiert. Alle vier Strukturierungsmechanismen können nebeneinander bestehen: Planen evoziert Entscheidungen und Entscheiden resultiert in (Neu-) Planung bestehender Ablaufstrukturen. Analyse von Projektumwelt erzeugt Bedarf an definierten Akteuren, wobei die Definition von Akteuren die Analyse von Spannungsverhältnissen anschieben kann. Allen Prozessen ist dabei gemein, dass sie immer wieder auf einer Arbeitsebene stattfinden und es sich bei ihnen um Tätigkeiten handelt, die aktiv und performativ einfließen müssen. Dadurch erst erzielen sie ihre Wirkung auf die organisationale Struktur und wirken damit wieder auf die Arbeit zurück.

5.4 FAZIT Abschließend kann festgehalten werden, dass die Projektmanagementliteratur und auch die Befragten Züge bürokratischer Herrschaftsbeziehungen sowie bürokratischer Organisation beschreiben, die Referenzpunkte für Handlungsimpulse, -intentionen und -ergebnisse darstellen. Verankert sind diese in der Funktion bürokratischer Verwaltung als immanente Logik der Sichtbarkeit, Zurechenbarkeit und Vorhersagbarkeit (vgl. Weber 1922/1980: 124 ff.). Diese strukturellen Merkmale von Projekten werden im Abwicklungsprozess realisiert, durch das Arbeiten im Vorhaben selbst. Einerseits zeigt sich diese strukturelle Ausrichtung der Projekte in Interviews und in Literatur durch die klassischen Beschreibungen der Projektorganisation, andererseits lässt sie aber Leerstellen offen, in denen jene Strukturmerkmale performativ, das heißt in einem konkreten Arbeitshandeln erzeugt werden müssen. Was macht dieses Arbeitshandeln als solches besonders? Es beschreibt keine konkrete inhaltliche Auseinandersetzung mit den Projektzielen, sondern den Aufbau, die Verschiebung und den Abbau von organisationalen Rahmenbedingungen inhaltlicher Arbeit. Es ist somit auf ein anderes Ziel gerichtet: nicht auf das Ergebnis, sondern auf den Prozess selbst. Durch die Empirie lassen sich die auf dieser Einsicht aufbauenden Punkte erhellen, welche im Forschungsstand (vgl. Kapitel 3) zu Projektorganisation nicht deutlich wurden. Neben der organisationalen Bedeutung der Prozesshaftigkeit als Abwicklung des Vorhabens in einem Zeitverlauf sind die organisationale Unbestimmtheit und die prinzipielle Offenheit dieser Prozessstruktur(en) von besonderem Interesse. Im Verlauf des Projekts wird auf diese durch das Projekt, durch die Beteiligten (Angestellte, die Leitung oder externe Akteure), eingewirkt. Sie werden verschoben, umgebaut, abgebaut und transformiert. Hier offenbart sich die Leerstelle als Mangel expliziter Tätigkeitsbetrachtungen: Die stetige Neugestaltung der Projektablauforganisation ist

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ein aktiver Herstellungsprozess einer neuen Organisation – und daher ein performativer Prozess. Er muss sich in der akuten Arbeitssituation bewähren. Die idealisierten Bilder der Projektorganisation, die sich sehr stark auf die Instanzen und die Planung verlassen und Adäquanz zwischen Realität und Plan einfordern, haben eine programmatische Wirkung. Sie findet sich im Gegensatz zum »Management by muddling through« (Ottmann und Schelle 2011: 65) auch in inhärenten Prozessen, ordnend, strukturierend und Vorgaben machend. In einer zeitlich-sachlichen Einteilung wird die grobe Struktur in Abwicklungsphasen dazu herangezogen, die konkreten Inhalte und Leistungsziele festzuschreiben und dann in eine Aufbau- und eine Ablaufplanung zu überführen. Organisationaler Rahmen und Prozesse des Projekts werden so erzeugt und für die Bearbeitung bereitgestellt. Die Durchführung basiert auf einer Iteration, welche durch performative Soll-Ist-Abfragen Plan und Realität austariert. Die Wirklichkeit eines Vorhabens oszilliert, einem Pendel gleich, über dem Plan hin und her. Macht und Herrschaft sind in Projektkontexten eng mit Personalführungsstrategien verwoben und daher auf motivationale, jedoch auch auf autoritäre Strategien gerichtet. In erster Linie ist aber die Bedeutung von Information als zentraler Bestandteil der Arbeit an Projektstrukturen deutlich geworden. So unspezifisch der Informationsbegriff ist – in der Literatur wird er nicht näher definiert –, so facettenreich ist sein Auftauchen und die Bezugnahme auf seinen Inhalt in der Praxis der Projekte. Dies äußert sich in den eingangs erwähnten Ansprüchen an die bürokratische Verwaltung, die ihre Wirkmächtigkeit aus der Sichtbar- und Verfügbarmachung von Vorgängen, Informationen und so weiter erlangt. Das heißt im bürokratischen Prozess des Verwaltungsaktes, dessen Grundlage die Schriftführung von Akten darstellt. Zweierlei ergibt sich aus dieser Anforderung an Projekte: Erstens werden die niedergeschriebenen Daten eines Projekts zum Abgleich von Plan und Realität genutzt; daher sind sie zentraler Bezugspunkt dieser bürokratisch-disziplinierenden Maschine. Steuerung und Kontrolle in der Projektorganisation fokussieren dadurch insbesondere das menschliche Subjekt in den Prinzipien bürokratischer Organisation: Sichtbarkeit, Zurechenbarkeit und Berechenbarkeit. Auch wenn die arbeits- und industriesoziologische Forschung der letzten zwei Dekaden eine Vielzahl von Studien zu Subjektivierung, Entgrenzung und Ökonomisierung vorgelegt hat, sind die prinzipiellen Implikationen des selbstorganisierten Arbeitsprozesses unter den Tisch gefallen. Durch die Projekt-Empirie zeigt sich, dass es eine spannungsgeladene Beziehung zwischen der prinzipiellen Möglichkeit von Selbstorganisation und der omnipräsenten Prozessdisziplin durch Standardisierung und Zertifizierung gibt. Nichtsdestotrotz liegt eine zweite Anforderung in dieser ›schizophrenen‹ »Antinomie« der Projekte als »Arbeitsform zwischen Freiraum und Direktive« (Kalkowski und Mickler 2009), im Austarieren einer prinzipiellen Unsicherheit. Diese Risiken und Unvorhersehbarkeiten, die in

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die Pläne eingehen, das heißt (ein-)geplant werden müssen, verschieben den Rahmen der Projektarbeit. Ich folge an dieser Stelle Harald Wolf, der auf die Verwobenheit von (heteronomer, also fremdbestimmter) Erwerbsarbeit, mit einem unbestimmten, unvermessenen und unentgeltlichen Teil selbsttätiger Arbeit, hinweist. In der insgesamt offenen und prekären Situation eines Projekts ist ein Quäntchen Eigeninitiative, Überlegung, »gesunder Menschenverstand« (wie es in diversen Interviews heißt) nötig, um die Uneindeutigkeit situativ zu schließen. Letztlich sind die strukturellen Rahmen der Projektorganisation, in denen die Arbeit eingebettet liegt, selbst performative Akte, die bei Bedarf umgeformt werden. Planungsarbeit hat einen veränderten Plan zum Resultat und leitet daher auch – notwendigerweise – die inhaltliche Arbeit an. Strukturen zu schaffen, ist eine Tätigkeit und ein Teil der Arbeit in einem Projekt. Hierzu ergeben sich aus den empirischen Materialien spannende Einblicke in die Praxis des Projektmanagements, die der strukturellen Aktualisierung der Projektorganisation dient. In einer losen Analogie zur Sprachphilosophie Ferdinand de Saussures habe ich vier Praktiken beschrieben, die im ersten Schritt einen Bezeichnungsprozess darstellen, ein Signifikat mit einem Signifikanten zusammen bringen und so Bedeutung generieren. Als Synonym für die Bedeutung gilt im Projektkontext der Begriff Relevanz. Etwas muss Relevanz erlangen, um in den Plänen Berücksichtigung zu finden. Im zweiten Schritt sind Planen und Entscheiden zwei Tätigkeiten, die in Projekten aus Analysiertem und Definiertem – kurz Relevantem – ein Planungsobjekt machen. Ohne die philosophischen Implikationen wecken zu wollen, die in diesem Begriff stecken, ist es doch gerade die Objektifizierung, die auf die einfache Sache, den Tatbestand oder Ähnliches einwirkt, um ihn einzuplanen, in die Ablauforganisation hineinzuholen und ihn zum Gegenstand von Entscheidungen zu machen. Es bleibt die Erkenntnis, dass Projekte aus Tätigkeit gemacht sind. Die Betrachtung von Projektorganisation muss die Projektarbeit ernst nehmen, damit in den Blick gerät, was sie konstituiert. Aus der und mit der Empirie habe ich argumentiert, dass die bisherigen Leerstellen nur durch eine genaue Analyse dessen zu füllen sind, was getan wird. Es wird Information generiert, verteilt, herangezogen und bezeichnet. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund von prinzipieller Unsicherheit und prekärer, gefährdeter Ordnung – diese Unsicherheit aber gibt erst den Boden frei, Ordnung, Strukturen und eine nominale Organisation erzeugt werden können.

6 Arbeit und Organisation in der Praxis: Implikationen »In den vorangehenden Kapiteln findet sich Polemik, Forschung, polemische Forschung, forschende Polemik, Verkomplizierung, Dorne-Zählen, Lob der Sierra und Vereinfachung, und all dies dient dazu, zu beweisen, daß Ambivalenz beim Theoretisieren wie beim Organisieren der beste Kompromiß ist.« K ARL E. W EICK /D ER P ROZESS DES O RGANISIERENS

Durch die empirische Betrachtung von Projektarbeit und -organisation habe ich herausgearbeitet, welche Punkte über den bisherigen Forschungsstand hinausgehen. In diesem Kapitel werden die thesenförmigen Leerstellen (vgl. Kapitel 3.4) der arbeitsund organisationssoziologischen Forschung im sozialtheoretischen Kontext der Indizien der Empirie verortet. Im Folgenden wird anhand der zentralen empirischen Befunde eine Verbindung zu diesen Thesen hergestellt und diese in einem konzeptionellen Erklärungszusammenhang aufbereitet. Dieses Kapitel ist daher als Scharnier zwischen Empirie und theoretischer Interpretation der Ergebnisse zu lesen. Dabei doppelt die Empirie aber nicht die Befunde zum Stand der Arbeits- und Organisationssoziologie, sondern geht über sie hinaus. Den Mehrwert der Empirie bildet der Einblick in die ›soziale Situation‹ von Projekten im Spannungsfeld zwischen Programm und Praxis. Ziel dieses Kapitels ist es, beide soziologischen Teilgebiete aus ihrer Isolation herauszuholen und die Befunde der Empirie in eine konzeptionelle Lesart zu überführen, die im weiteren Verlauf die Ausgangslage für eine Begriffsarbeit bietet. Im Folgenden werde ich daher drei Aspekte vertiefen, die sich mit Funktion, Gegenstand und Zeitlichkeit des organisierenden Arbeitens in Projekten auseinandersetzen, und sie kontextualisieren. Sie stellen den funktionalen Rahmen des Begriffs dar. Abschnitt 6.1 konkretisiert die Trias zwischen Ideal, Programm und Praxis, welche für

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die Projektplanung und die Arbeit sowie Arbeitsorganisation relevant wird. Es wird nach dem Wie gefragt: Wie bezieht sich eine ideale Vorstellung von einem Projekt auf die Praxis? Wie beeinflussen Programme die Praxis und wie wirkt – andersherum – die Praxis auf Programm und Ideal zurück? In Abschnitt 6.2 wird die Relation von Arbeit, Organisation und Gegenstand beleuchtet, Arbeiten also konzeptionell in zwei Sphären geteilt: in einen organisierenden Teil und einen Teil der gegenständlichen Arbeit. Es wird gezeigt, welchen sachlichen Kontext Arbeit beinhaltet und wie sie diese Inhalte arrangiert. Abschnitt 6.3 führt aus, wie sich ein zeitlicher Horizont als Orientierung erzeugt, von welchem das Projekt Arbeit und Organisation abhängig macht: In welchem zeitlichen Kontext wird gearbeitet? Abschnitt 6.4 greift den Aspekt der organisierenden Arbeit auf und verdeutlicht, wie Strukturerzeugung in Projekten Machtbeziehungen herstellt und wie diese verhandelt werden. Interpretiert wird, in welchem sozialen Kontext gearbeitet wird. Zuletzt werden in Kapitel 6.5 die vorausgegangenen Erkenntnisse zusammengefasst und der theoretische Rahmen des organisierenden Arbeitens vorgestellt.

6.1 I DEAL , P ROGRAMM , P RAXIS Normative Leitbilder von Projekten verweisen zuerst darauf, dass es konkrete, festgeschriebene Vorstellungen von Projektorganisationen und Projektarbeit – umfassender noch: von Projekten – gibt. Diese sind eindringlicher und breiter als die Repräsentationen anderer Arbeitszusammenhänge. Als Leitbilder kommen ihnen implizite Orientierungsfunktionen zu.1 So sind Projektdefinitionen und das Wissen über die Durchführung von Vorhaben abgeleitete präskriptive Sätze. Die Interviewten referenzieren diese, beispielsweise als Lehrbuchwissen oder als Best Practice, obwohl sie nicht immer deckungsgleich mit Erfahrungswissen eigener Arbeit oder praxisorientierter Literatur sind. Die Spannung zwischen Realität und Ideal zieht sich durch einen Großteil der Interviews und lässt sich ebenfalls anhand der Projektmanagementliteratur rekonstruieren. Dort wirkt sie in der impliziten Funktionsweise der Projektmanagementwerkzeuge sowie in den Mechanismen der Arbeit, die auf Planung und Risikoverarbeitung ausgelegt sind. Der in Standards vorgegebene Lebenszyklus eines Vorhabens suggeriert, dass der Ablauf in der Praxis diesem Bild folgt; entsprechend richtet sich die Tätigkeit darauf ein, diesen Verlauf auch herzustellen.

1 | Die Funktion normativer Professionsansprüche als disziplinierende Mechanismen habe ich in Kapitel 3 mit verschiedenen Arbeiten dargelegt; so unter anderem bei Hodgson 2002; Lindgren und Packendorff 2006a und allgemeiner bei Deetz 1992.

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Projektplanung ist der performative Akt, einem Modell gerecht zu werden, welches der immanenten Unsicherheit in der Verwirklichung zu begegnen sucht. Das an allen Stellen definierte Ideal eines Projekts, dessen Ablauf und dessen Eigenschaften weichen in der Praxis ab. Auf der einen Seite findet sich eine klar definierte Aufgabe, mit festgelegten Anfangs- und Endzeiten, durchgeplanten Arbeitsschritten und abgeschätzten Risiken. Dem gegenüber steht die prinzipielle Offenheit der Zukunft, die Unvorhersehbarkeit von Risiken und die prinzipielle Störungsanfälligkeit. Allein dass »Bauchgefühl« (IP5), »gesunder Menschenverstand« (IP1, IP8) oder die prinzipiell problematische Entscheidungsfindung (IP7) mit ›glatten‹, idealtypischen Projektdefinitionen kollidieren, erzeugt ein Spannungsfeld, in welchem die idealisierte Projektform mit einer praktischen und pragmatischen Form konfrontiert wird. Aus diesen Festlegungen leiten sich Managementmethoden ab, die das zielgerichtete, planvolle Vorgehen verordnen, Methoden und Techniken an die Hand geben, um das einzigartige, komplexe Unbekannte zu beherrschen. Gegenüber dem definitorischen Ideal vermittelt das Projektmanagement die Praxis, sich dieser Vorstellung anzunähern. Projektmanagement ist ein Instrument, dieser Verwerfung zu begegnen, um sie einzuebnen. In den Tätigkeitsbeschreibungen ›guter‹ Projektmanager_innen findet sich kognitive Imperative, die die Praxis mit dem Idealbild vereinen – sie dieser präskriptiven Definition annähern. Wenn Manager_innen Chaos ordnen, sich selbst oder andere führen und organisieren – unter unsicheren Bedingungen, trotz schlechter Nachrichten (»Hiobsbotschaften« IP3) und Risiken –, dann ist ihre Tätigkeit darauf ausgelegt, mit einer bestehenden Situation so zu verfahren, dass sie wieder der Vorgabe entspricht. Um die Vorgaben zu erfassen, bedient sich das Projektmanagement einer Technik der Festschreibung: Erst durch »ein ›Dokument‹« (Burghardt 2012: 51) wird das Vorhaben ein Projekt. Deutlich tritt zutage, wie etwas Unbestimmtes durch den Zugriff des Projektmanagements in den Zustand eines Ideals erhoben wird. ›Ideal‹ ist es dahingehend, dass diesem Dokument die Funktion zukommt, alle Arbeit inhaltlich und formal zu regeln. Hier verweist das Projektmanagement auf einen ›Standard‹, eine Schablone, welche als Programm gedeutet werden kann. »Ein Programm ist [. . .] kein reines Wissen, das schließlich eingesetzt und instrumentalisiert wird, sondern stellt immer schon eine intellektuelle Bearbeitung der Realität dar, an der politische Technologien ansetzen können« (Lemke 1997: 147). Es gibt ein Verfahren vor. Als solches enthält es Programmwissen, das in die Blackbox der Prozedur eingelassen ist und beispielsweise Anwendung oder Vorgehensweise vorgibt, also Wissen darüber, wie die Dinge laut Handbüchern, Ausbildung, professionellen Standards zu erledigen und zu bearbeiten sind. Aber hier zeigt sich ebenso ein spezifisches Erfahrungswissen. Um dem idealisierten Plan gerecht zu werden, müssen Abweichungen verarbeitet und

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der Plan erneuert werden. Dass ein Vorhaben gänzlich ohne Zwischenfälle abläuft, ist in der Definition selbst nicht angelegt. Zum Ideal gehört, Abweichungen einzukalkulieren. Als Materialisierung des Ideals ist der Projektplan die ›Institution‹, welche das Ideal in der Praxis vergegenwärtigt. Dass Arbeits- und Organisationssoziologie die konkrete Praxis, das heißt die Arbeitsinhalte ausblenden, war Ausgangspunkt der empirischen Interpretation. Zwar schafft die Arbeitssoziologie durch die drei zentralen Kerndiagnosen Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung Zugriffe auf die Verschiebung von Arbeitssituationen, jedoch verbleiben diese Diagnosen bei einer Betrachtung der Rahmen und der Arbeitsorganisation. In den Befunden gestiegener Selbstorganisationsanforderungen bildet die konkrete Arbeitspraxis eine Leerstelle. Die Auswirkungen jener drei Kernthemen auf die Arbeit ist kaum betrachtet worden. Der organisationssoziologischen Perspektive ergeht es ähnlich: Sie erfasst ein im Diskurs als politischneutral dargestelltes Steuerungswissen und arbeitet die normativ-programmatischen Zuschreibungen an imaginierten Projektrealitäten heraus. Hierdurch produziert sie ein Bild der Steuerung, Planung und Organisation, welches jene idealisierten Vorstellungen von Projekten, deren Organisation und deren Prozesse wechselseitig verstärken. Was als tatsächliche Praxis im Lichte dieser zuschreibenden Programme geschieht, bleibt außen vor; lediglich die Ambivalenz der als Steuerungswissen installierten Projektmanagementtechniken kann die Organisationssoziologie erfassen und sezieren. An diesem Punkt ist für die organisationssoziologisch gelesene Empirie der Planungsmechanismus relevant. Dieser funktioniert ebenfalls als vermittelnde Instanz zwischen Realität (Praxis) und Ideal, so wie er beispielsweise im Projektstruktur-Plan festgeschrieben ist (vgl. Kalff 2014). Wird das programmatische Wissen in seiner vermittelnden Instanz zu ernst genommen – werden die Programme als unausweichliche Funktionen interpretiert, die ›hörige‹ Subjekte erzeugen –, dann stößt die Untersuchung von Projekten auf ein Hindernis. Entsprechende Studien deuten Projektmanagement über einem an Michel Foucault orientierten machtanalytischen Zugriff und verpassen dabei die vermittelnde Instanz, die aus ihrer Sicht zu einer determinierenden wird. Kritisch bestätigt wird oftmals, was von vornherein als Ausgangspunkt der Kritik angenommen wird: Jenes Herrschaftswissen wird in seiner Rigidität als unhintergehbar, untäuschbar und unausweichlich gedeutet (vgl. Graefe 2010; Reitz und Draheim 2007). Das Zusammenspiel zwischen Ideal und Programmen des Projektmanagements vollzieht sich allerdings in einer Praxis. Diese existiert nicht autark von Programmen, wird durch diese allerdings auch nicht vollständig determiniert. Es bleibt Raum für das Willkürliche. In der Empirie wird zur Verdeutlichung der Leerstellen vor allem auf die verschiedenen praxisrelevanten Mechanismen des Aushandelns rekurriert. Dadurch wird un-

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terstrichen, dass es sich in der realen Situation um eine stetige Verhandlung von Praxis mit den idealisierten Vorstellungen von Projekten handelt. Weiter oben habe ich diesen Punkt als eine produktive Annahme über Projekte herausgestellt: Projekte sind durch ihre immanente Widersprüchlichkeit gekennzeichnet und Projektarbeit bedeutet in diesem Punkt die performative Bearbeitung dieser Differenz. Dies geschieht nicht nur allein entlang des Projektmanagements, sondern auch aus einer situativen Praxis heraus. Des Weiteren zeigt sich der immanente Widerspruch zwischen Programm und Praxis ebenso in Bezug auf deren normativen Gehalt. Während das Programmwissen einen starken amoralischen und wertneutralen Charakter aufweist, die Projektsteuerung gewissermaßen also Sachzweck – und hierdurch Selbstzweck – ist, öffnet sie den Raum für kritische Einwände: Projektarbeit und -organisation sind keine wertfreien Prozesse. Im Aushandeln und Verhandeln ist eine ›politische‹ Bewegung eingefasst, die versucht, Allianzen zu erzeugen, Abweichungen zu reduzieren beziehungsweise gänzlich zu revidieren und immer wieder einen Plan von sich selbst zu erzeugen, der einerseits realistisch ist und andererseits beschreibt, wie das Vorhaben idealerweise zum Ende gelangen kann. Dabei ist die Sichtbarkeit, die der Plan erzeugt (als Materialisierung des Ideals), ein tragfähiger Mechanismus, um Kommunikation zu erzeugen und Anschlussfähigkeit herzustellen. Die Arbeit im Projekt erhält eine Verständigungsebene (vgl. Weick 1995a: 22 f.; siehe auch Fußnote 6). Es lässt sich also unter Zuhilfenahme der Projektmanagementliteratur und der befragten Projektmanager ein Bild zeichnen, das die prozessuale Verhandlung von Ideal und Praxis beschreibt und sich dabei des programmatischen Wissens des Projektmanagements bedient (vgl. Abbildung 3). Was in Projekten vonstattengeht, ist die kontinuierliche Verhandlung zwischen einem idealtypischen Projektplan mit der krisenhaften Praxis. Alles, was das Projektideal gefährdet, muss aufeinander bezogen werden. In der Empirie ist diese Aufgabe der Projektmanager_innen als Krisenmanagement beschrieben worden (IP6): Projektarbeit ist eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, die kontinuierlich zu verschieben ist, um sie dem Geplanten entsprechen zu lassen. Zwischen Deckungsgleichheit und Auseinanderfallen von Praxis und Plan ist Arbeiten eine oszillierende und eine iterative Bewegung. Sie pendelt über dem Prozesspfad hin und her. Iterativ ist diese Dynamik, da der Planungsrahmen sich zum zeitlichen Endpunkt hin verengt. Anfangs- und Endpunkte sind definiert, die Bewegung des Projekts durch die Zeit richtet sich an dieser Befristung aus. Auf den Einfluss der zeitlichen Strukturierung wird weiter unten noch einmal eingegangen; bis hierher ist zunächst jener enger werdende Handlungsspielraum von zentraler Bedeutung. Er verdeutlicht die Wirkung von idealisierter Form und dessen stetiger Bedrohung in der Praxis sowie die Notwendigkeit, diese Bedrohung zu bearbeiten, um sie entlang programmatischen Wissens unter einen spezifischen Schwellenwert

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Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Ideal – Programm – Praxis

Ideal • Vorgaben und Ziele • Projektmanagement-Dreieck • Plan Spannung und Widersprüchlichkeit

Abgleich zur Realität: Korrekturen, (Re)Aktualisierung

Praxis

Programm

• krisenhaft • unsicher • offen

• vermittelnd • kontrollierend • regulierend

Abgleich zum Plan: Iteration, Oszillation

Quelle: eigene Darstellung

zu bringen. Daher ist die Wirkung des Programms ›Projektmanagement‹ insbesondere in der Reproduktion des Ideals zu verorten (siehe Abschnitt 5.1.1). Die hier erörterte Beziehung zwischen Ideal und Praxis, unter Vermittlung von Programmen, wird im Zuge der weiteren theoretischen Auseinandersetzung für den Begriff des organisierenden Arbeitens von Bedeutung sein. Sie gibt den Bezugsrahmen vor, in welchem Ansprüche der Profession in Form von Standardisierung und Zertifizierung auf eine teils diffuse, ordnende und strukturierende Praxis treffen. Außerdem deuten die Ausführungen ein Unbehagen mit einer spezifischen Strömung der Foucault-Rezeption an, die im nächsten Kapitel aufgegriffen wird.

6.2 A RBEIT, O RGANISATION UND P ROJEKTZIELE Einzigartige, komplexe Vorhaben sehen sich mit Problemen konfrontiert, welche ad hoc gelöst werden. Es ist unerheblich, auf welche Art und Weise diese Konflikte entstehen; allein die Verfahrensgrundlagen, um die Risiken zu bearbeiten, sind bedeutend. Ein Teil der Tätigkeiten in Projekten ist auf die Lösung solcher Probleme ausgerichtet: sei es durch das Herbeiführen einer technischen Lösung oder einer organisatorischen Umstellung. Es handelt sich hierbei um situatives Handeln, das sich nur bedingt durch standardisierte Verfahren anleiten lässt. Die Umstellung der Or-

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ganisation und der Arbeit in neuen Situationen verschiebt somit, den Bedürfnissen des Projekts entsprechend, dessen Strukturen. In der Empirie finden sich vielzählige Hinweise hierfür, beispielsweise im politischen Agieren, in der Technikkompetenz der Manager_innen oder in der Anwendung von Problemlösungsstrategien (siehe Abschnitte 4.1.2, 4.2.2 und 4.3.2). Die folgenden Interpretationen basieren auf den empirischen Erkenntnissen aus Kapitel 5.3. Die Trias aus Gegenstand, Arbeit und Organisation verdeutlicht eine Verengung sozialwissenschaftlicher Forschung. Die These, dass Selbstorganisation zwar eine Diagnose der sich wandelnden Erwerbsarbeit darstellt, wurde dennoch nur unzureichend empirisch wie konzeptionell fundiert. Kernargument meiner Darstellung ist die empirische Einsicht, dass Projektarbeit und Projektorganisation ihrem, durch die Literatur suggerierten, Selbstzweck entfliehen. Arbeit und Organisation dienen aufgrund von antizipierten oder geschätzten Zeitintervallen nicht nur ausschließlich dem Aufbau einer Ablaufstruktur. Sie beziehen die Projektziele mit ein. In der organisierenden Arbeit werden Relationen zwischen Arbeit und Organisation mit den Gegenständen erzeugt (vgl. Law 1991). An dieser Stelle grenzt sich die empirische Wirklichkeit stark von der programmatischen Literatur ab. Während das Steuerungswissen als universell einsetzbar gilt, ist in der Praxis Sachkenntnis von großer Bedeutung. Die interviewten Experten weisen darauf hin, gerade Technikkenntnis sei wichtig, um eine Verbindung der Planungsaufgaben mit den Arbeiten am Gegenstand herzustellen. In der Praxis geschieht dies durch gegenseitiges Verstehen: »dieselbe Sprache sprechen« (IP6, Absatz 34). Im Horizont von Arbeit und Organisation muss hier von Relation gesprochen werden, denn die Planung des Projekts ist wesentlich von den speziellen Gegebenheiten des materiellen Gegenstandes abhängig. Soziologische gedeutet ist Technik mit sozialen Aspekten der Organisation und der Arbeit verwoben. Eine solche Perspektive lässt sich beispielsweise mit einer Soziologie der Assoziation (oder auch der AkteurNetzwerk-Theorie2 ) einnehmen, um die Eigeninteressen der Materie zu erfassen und theoretisch an einen Prozessbegriff des organisierenden Arbeitens anschlussfähig zu machen. Allen relevanten Dingen wohne, so der theoretische Grundsatz, eine Möglichkeit inne, Handlungen zu verändern. Diese Relevanz macht es nötig, ihnen oh2 | In den Science and Technology Studies war der Name ›Akteur-Netzwerk-Theorie‹ anfänglich gebräuchlich. Im Zuge intensiver Auseinandersetzungen und Diskussionen über die Zukunft und die Reichweite der Forschungsstrategie, hielt Latour selbst fest: »[T]here are only four things that do not work with actor-network theory; the word actor, the word network, the word theory and the hyphen! Four nails in the coffin« (Latour 1999: 15; siehe auch Latour 2001b, 2014: 113 f.). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werde ich dennoch, den formulierten Einwänden zum Trotz, beide Begriffe synonym verwenden.

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ne Einschränkungen Handlungsmacht zuzugestehen, sie als Aktanten zu fassen und ihnen Handlungssubjektivität zuzusprechen (vgl. Latour 2001a, 2005). Eine solche Theorieperspektive macht die Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt hinfällig. Vielmehr muss von Quasi-Subjekten oder Quasi-Objekten gesprochen werden, die aktiv sind und auf andere Aktanten einwirken oder die passiv sind und auf die durch andere Aktanten eingewirkt wird (vgl. Serres 1981: 344 ff.; Latour 2001a, 2014: 234). Das performative Wirken dieses Prozesses wird in Rekurs auf die Relation der Gegenstände, die er berührt, verändert – und er verändert dabei gleichermaßen die Gegenstände. Die Karte ist nicht das Territorium, heißt es Gregory Bateson (1987: siehe Fußnote 23, Seite 198) von Korzybski entlehnt – und der Plan ist nicht das Projekt, die Organisation, die Arbeit oder der Gegenstand und dennoch verändert er diese bereits. Mit Latour lässt sich konstatieren, dass die »Bindungen« (Latour 1999/2009; auch Latour 2014: 130 f.) je eigener Art sind und auch von der Objektseite mitgestaltet werden. Technologie, Projektziel und Deliverables (Ergebnisse) zeitigen eigene Impulse auf das Projekt und seine Angestellten. Projektarbeit bezieht Organisation und Gegenstand mit ein und bearbeitet sie, indem sie einerseits organisiert und andererseits das Ziel des Projekts ›herstellt‹ und erarbeitet. Andererseits deutet eine an der Soziologie der Assoziation orientierte Interpretation, wie im Zusammenwirken der Aktanten das Soziale der Organisation und in der Arbeit hervorgebracht werden. Der Blick richtet sich auf die aktive Herstellung der akuten Situation und das Vermitteln sozialer, technischer, natürlicher, anderweitiger Akteure zur Genese des Sozialen. Entgegen des von Émile Durkheim vertretenen Anspruchs, die Soziologie solle soziale Tatbestände aus dem Sozialen heraus erklären, wirkt dieser Schluss tautologisch; die Gegenstände, die Natur, die Technik, alles hat Einfluss auf die Hervorbringung sozialer Tatbestände (vgl. Latour 1991, 2014: 113). Die hier dargestellte Perspektive ist in einigen wenigen Forschungsarbeiten zu Projektorganisationen ebenfalls eingenommen worden, allerdings nicht konsequent verfolgt worden. So ist das zeitliche Strukturieren des Projektgegenstandes zwar auf organisationaler, nicht jedoch auf tätiger Ebene eingefangen worden. Die Nähe zwischen Organisation und Arbeit liegt in den an die Soziologie der Assoziation angelehnten Arbeiten auf der Hand. Insbesondere Lanzara und Morner (2005), Lindahl (2005) und Molloy und Whittington (2006) diskutieren diese Aspekte (vgl. Abschnitt 3.3.2). Konsequent wird die zweiteilige Arbeit ausgeblendet, die sich einerseits auf den organisationalen Rahmen bezieht und andererseits auf den Gegenstand. In der Arbeit am Gegenstand vermittelt sich dieser in die Organisation, er wird organisational bearbeitbar und anschlussfähig. Ebenso wird in der Bearbeitung der Organisation diese auch auf den Gegenstand übertragen. Sie gibt dann vor, in welcher Weise auf den Gegenstand eingewirkt wird. In jeder ›Umdrehung‹, welche diese Trias

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absolviert, werden die Positionen als Ist-Zustände aktualisiert und das relationale Verflechten beginnt von Neuem. In der Empirie werden hierfür beispielsweise Jour fixe und regelmäßige Statusmeetings angeführt. Das Projektziel wird zusammen mit der Organisation und der Arbeit besprochen und neu angepasst (vgl. IP1, IP3). Hier wirken Entscheiden und Planen als Teile einer projektspezifischen Tätigkeit, die reziprok die Form des Projekts und hierdurch auch den Gegenstand berühren. Zentral ist, dass in der Arbeit an Organisation und Gegenstand auch die Repräsentation des Projekts sichergestellt wird. Sie bezieht sich auf die im nächsten Unterabschnitt angedeutete verhandelnde und vermittelnde Tätigkeit: Repräsentation heißt, für das Projekt zu sprechen, es zu verkörpern und der erste Angriffspunkt für externe Einflüsse zu sein. Diese Rolle wird aktiv von der Projektleitung übernommen. Mit einem sozialtheoretisch fundierten Argument kann jedoch ebenfalls über den Gegenstand diskutiert werden, welcher von den Angestellten gegenüber der Organisation vertreten wird und im Organisieren vor der Arbeit repräsentiert wird und in ihr widerspiegel (vgl. Callon 1986). Ein zusätzlicher, wichtiger Teil ist die aktive Grenzziehung und Grenzverschiebung, die hier unter Grenzarbeit gefasst wird und mit Relevanz einhergeht (vgl. Abschnitt 5.3.2). Das heißt, organisierendes Arbeiten schafft unter Rückbezug auf Arbeit, Organisation und Ziel Einflussfaktoren, welche aktiv miteinbezogen werden müssen. Ebenso nehmen nicht planbare oder nichtabschätzbare Entwicklungen Einfluss auf das Projekt. Sie fallen in den Bereich der Risiken. Durch Managementwerkzeuge der Risikoevaluation und des Projectscope-Managements wird Grenzarbeit systematisiert. Einerseits werden die Eintrittswahrscheinlichkeiten geschätzt (entgegen der klassischen Risikodefinition der Soziologie). Andererseits wird das, was Teil des Projekts sein soll, Teil der Leistung oder Teil der einbezogenen Tätigkeiten. Es wird im Projectscope in das Projekt eingeschlossen (vgl. Abbildung 4). Die Verwandtschaft zu George Spencer-Browns Formenkalkül oder einem systemtheoretischen Beobachtungsbegriff liegt nahe (vgl. Luhmann 1987; Spencer-Brown 1997). Die Aufforderung »Triff eine Unterscheidung« (Spencer-Brown 1997: 3),3 die mit dem Definieren des Innen eines Projekts einhergeht, ›bezeichnet‹ die zu bearbeitenden Inhalte. Das Außen bleibt unbestimmt. Alles, was außerhalb des Projektauftrags liegt wie Umwelt, Stakeholder, Akteure und so weiter, muss erst relevant werden, indem dem Außenstehenden ein Einfluss zugesprochen wird. So erzeugt sich Relevanz; für das Projekt und für die Zielstellung sowie für die Art und Weise, auf diese einzuwirken.

3 | Im Englischen Original ist dies aktiver formuliert: »[d]raw a distinction«. Dies fügt sich besser in das performative Bild des tätigen ›Einzeichnens‹ ein – also das Ein- oder Ausschließen in den/aus dem Projektplan. Es wird eine Linie, eine Grenze gezogen, was nach dem ScopeManagement Teil der Zieldefinition ist oder wird und was nicht.

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Abbildung 4: Grenzarbeit als Ein- und Ausschluss nach Relevanz

Projektgrenze II

Grenzziehung

Projektgrenze I

Akteur n

technische Spezifikation Risiko x Risiko: Unwetter

neuer Kundenwunsch

Unsicherheit

Quelle: eigene Darstellung

Das Vorhaben wird bearbeitbar und kann zum Abschluss gebracht werden. Der Relevanz kommt daher eine besondere Form der Bedeutungs- und Sinnzuschreibung zu. Was für die Projektarbeit und die -organisation relevant ist, muss mit dem Projekt, also mit Gegenstand, Arbeit und Organisation verbunden werden. Erst aus dem Netz der wechselseitigen Beziehungen ergibt sich ein Relationssystem, welches Bedeutung aus der Verbindung zu anderen Elementen erzeugt. Einwirkungen anderer Teile verschieben diese Bedeutung für das Projekt und erfordern die aktive Erneuerung der Grenzen des Projekts. Im Wesentlichen heißt dies, den neuen Grenzen und den neuen Bedeutungszuschreibungen einen korrekten Plan zuschreiben zu können. Strukturerzeugung verwebt relationale Arbeit, Gegenstand und Organisation. Im Kontext der Grenzarbeit sowie der beschriebenen Bezeichnungspraxis, welche die relevanten Einflüsse in das Vorhaben integriert und einplant, wird Struktur geschaffen – und verschoben. Was Relevanz hat und im Projekt Arbeit, Organisation und Gegenstand beeinflussen könnte, wird in den Strukturen reflektiert – insbesondere in den Projektplänen und den Abläufen – und entfaltet dort seine Wirkung. Organisierendes Arbeiten bearbeitet diese Verschiebungen, indem es sie interpretiert. Der zugeschriebene Sinn, welcher sich im Plan niederschlägt, muss erschlossen werden können. Hier wird deutlich, wieso technische Kompetenz für Projektmanager_innen bedeutsam sind: Gerade im Bezug auf die Projektziele, das Ergebnis, muss ein Zugang bestehen, um die Grenzarbeit leisten zu können. Zwar muss die Projektleitung kaum selbst Hand anlegen, sie muss jedoch den Prozess verstehen. Die Anleitung der

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Arbeit durch die Sinnstiftung ist außerordentlich bedeutsam. Methoden, Techniken oder Pläne verleihen Aufgaben wie der Risikokalkulation oder dem Reflektieren über (un-)mögliche oder (un-)wahrscheinliche Rückkopplungen in das Projekt, Tätigkeitscharakter, indem sie aktiv Informationen für die Organisation bereitstellen. Tätigkeiten organisieren. Sie fließen zurück in die Struktur, welche die Ergebnisse integriert und wiederum weitere Arbeiten vorgibt.

6.3 Z EIT UND Z EITLICHKEIT Projekte als befristete Organisationen zu begreifen, ist in verschiedenen Strömungen der Organisationstheorie nahezu Konsens (vgl. Abschnitt 3.3.2). Werden allerdings die Tätigkeiten in Projekten genauer untersucht, wird deutlich, dass der Zeit als sozialer Kategorie in arbeits- wie organisationssoziologischen Konzepten keine Bedeutung beigemessen wird. In Projekten ist eine besondere Beziehung zur Zeit festzustellen, welche in Plänen, Fristen und Terminen und durch Befristung deutlich wird. Zum organisierenden Arbeiten gehört insbesondere das Organisieren von Zeit und die aktive Herstellung und Bezugnahme auf Zeitstrukturen. Um die Zeit als operationale Kategorie in eine Betrachtung von Projekten einzubeziehen, müssen Arbeit und Organisation anschlussfähig gemacht werden. Eine soziologisch gehaltvolle Theorie der Zeit als soziales Konstrukt bieten systemtheoretische Ausarbeitungen. Zeit setzt die Elemente des Projektkontexts in ein Verhältnis zueinander. Ideal, Programm und Praxis werden in einem Zeithorizont vermittelt; Arbeiten, Organisieren und Gegenstand des Projekts finden im Zeitbezug der Projektplanung und des festgelegten Projektendes ihren Ausrichtungspunkt. Prozesskategorien wie Strukturerzeugung oder Aushandlungen verlaufen in Zeitdimensionen. Sie sind als grundlegende Eigenschaft eines Prozesses. Befristete Organisationen – wie ›klassische‹ Organisationen auch – sind in einem zeitlichen Kontext angelegt (vgl. Noss 1997: 201 ff.); gerade die Befristung eines Vorhabens macht Zeit allerdings zu einer begrenzt verfügbaren Ressource und zu einem Indikator für dessen Verlauf. In der Empirie sind die Hinweise auf die besondere Strukturfunktion der Zeit nur latent vorhanden. Sie wird an Stellen deutlich, an denen Projektplanung und der iterative, oszillierende Korrekturprozess einsetzen. In abstrakter Form berührt dies den Zusammenhang, welchen ich in Kapitel 6.1 als die Beziehung zwischen Praxis und Ideal beschrieben habe. Darüber hinaus wirkt Zeit, indem sie Handlungsoptionen – also Möglichkeitsräume – des organisierenden Arbeitens in Projekten einschränkt. Projektarbeit, die von einer akuten Zeitknappheit geprägt ist, orientiert sich an einer entsprechenden Umstrukturierung (vgl. IP2, IP1, IP6). Zeit als soziologisch operationalisierte Kategorie muss daher in einer Schar-

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nierfunktion eingebunden werden, die Projektstrukturen mit Projektarbeit verbindet. Organisieren ist eine wirkmächtige Praxis der (An-)Ordnung von Zeit. Der systemtheoretisch inspirierte Zeitbegriff, welchen ich an dieser Stelle den Arbeiten Elena Espositos, Niklas Luhmanns und Armin Nassehis entnehme, versteht Zeit als Ergebnis einer Unterscheidung. Sie ist Differenz einer Operation in der Gegenwart, die eine Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft trifft. Das Argument ist abstrakt, denn es erfordert einen operativen Zeitbegriff, »der Zeit nicht als vorgängige Weltform, sondern als Resultat des Operierens in der Welt ansetzt« (Nassehi 2008: 346, ohne Hervorhebungen). Zentral ist also, dass Zeit als Ergebnis einer Tätigkeit entsteht. Im Kontext einer auf Beobachtungsakten fußenden Systemtheorie heißt das eine aktive Unterscheidung durch Beobachter_innen. Diese Beobachtung ist angelegt als eine »Interpretation der Realität im Hinblick auf eine Differenz von Vergangenheit und Zukunft« (Luhmann 1990a: 124). In der gegenwärtigen Unterscheidung werden zwei Zeithorizonte konstruiert, eine gegenwärtige Zukunft sowie eine gegenwärtige Vergangenheit (vgl. Esposito 2007: 50 ff.). Die Adressierung von Zukunft geschieht aus der Gegenwart heraus und ist dadurch gegenwärtige Zukunft – also nicht notwendigerweise auch gleich zukünftige Gegenwart. Letztere ist kontingent und offen. Ebenso verhält es sich mit der Vergangenheit, welche gegenwärtige Vergangenheit ist und von der vergangenen Gegenwart als Differenzpunkt unterschieden werden muss. Für Organisationen – und damit auch für Projekte – ist der Verweis auf eine Zeitdimension vorrangig: »Es fällt auf, daß im vorherrschenden Denken über Organisation die Sachdimension in der Rationalisierung, die Sozialdimension in der Demokratisierung ihre regulative Idee oder, weniger vornehm gesagt, ihr Renommierprinzip gefunden haben, daß die Zeitdimension dagegen leer ausgeht und sich hinterrücks melden muß. Anscheinend fällt, wenn in sachlicher und in sozialer Hinsicht Ideale formuliert werden, der Zeit die Aufgabe zu, Realität zu repräsentieren« (Luhmann 1981: 347).

Diese Sinndimensionen (Sozial-, Sach- und Zeitdimension) beschreiben eigene relevante Differenzen vor dem Hintergrund weiterer Differenzen (vgl. Luhmann 1987: 112). Organisationen lösen Sach- und Sozialdimension je spezifisch, die Zeitdimension hingegen ist durch eine ihr immanente Knappheit versehen (vgl. Luhmann 1971). Ein »Ordnungsprimat der Zeit« (ebd.: 143) bestimmt den Prozess der Organisation und macht die »Vordringlichkeit des Befristeten« sachdienlich. »Die Diskrepanz zwischen zeitlichen und sachlichen Entscheidungsanforderungen ist so evident geworden, daß sie nicht länger in der alten Weise gelöst werden kann: durch die Anweisung, gründlich und schnell zu arbeiten« (ebd.: 145). Zeit und Zeitlichkeit erfordern Begriffe von Gegenwart und Synchronisation (vgl. Luhmann 1990b: 101). Da Zeit eine Dif-

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ferenz zwischen etwas Vergangenem und etwas Zukünftigem darstellt, ergeben sich mehrere Zeithorizonte oder Gegenwarten, die sich je nach Beobachtungsperspektive aufspannen: »Wir gehen von einer ebenso trivialen wie aufregenden These aus: daß alles, was geschieht, gleichzeitig geschieht. Gleichzeitigkeit ist eine aller Zeitlichkeit vorgegebene Elementarsache« (ebd.: 98, Hervorhebungen im Original). Jeder Bezug auf Vergangenheit oder Zukunft erfolgt immer aus dem Jetzt; auch die systemischen Operationen vollziehen sich im Jetzt. Eine Antizipation eines zukünftigen Ereignisses wird in diesem Sinne auch genau jetzt antizipiert. »[N]ichts kann in der Weise schneller geschehen, daß anderes in seiner Vergangenheit zurückbleibt. Nichts kann in die Zukunft anderer Geschehnisse vorauseilen mit der Folge, daß das, was für es Gegenwart ist, für anderes noch Zukunft ist. Nicht zuletzt ist dies eine Bedingung der Möglichkeit und der Wahrnehmbarkeit von Bewegung. Denn wäre es anders, würde das Bewegte in die Zukunft der Beobachter verschwinden und, wie Zukunft schlechthin, nicht wahrnehmbar sein« (ebd.: 98 f.).

Diese Gleichzeitigkeit zwingt nun zur Synchronisation, welche nicht die Herstellung von Gleichzeitigkeit suggerieren soll (vgl. ebd.: 117). Vielmehr besteht die Aufgabe eines Abgleiches darin, Sach- und Sozialdimension zu (re-)aktualisieren. In der Projektpraxis findet sich ein Anschluss im Moment des Abgleichs verschiedener Projektplanungen. Werden beispielsweise durch die Grenzarbeit, wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben, neue Elemente relevant, müssen sie in den Plan eingearbeitet werden. Das heißt, dass mit einer Verschiebung und Neuanordnung der Arbeitsschritte gerechnet werden muss. Für die Planung ergibt sich eine weitere Bedeutung der Zeit, denn die Projektplanung muss mit einer unbekannten und offenen Zukunft umgehen, die sie nicht ›sehen‹ kann. Ereignisse werden erst in der Gegenwart sichtbar und müssen in einer Gegenwart eingeplant werden. Im Ergebnis heißt dies, dass an solchen Punkten die antizipierten Effekte mit den Plänen und allem, was hiermit verbunden ist, synchronisiert werden müssen. Zeit kommt im Projekt eine ordnende Funktion zu. Der Abgleich der Zeithorizonte und der antizipierten Effekte in der Gegenwart betont diesen Zusammenhang. Im Folgenden wird das Argument erweitert: Zeit in Vorhaben soll nunmehr als infrastruktureller Mechanismus verstanden werden. Der Begriff ist strategisch gewählt, denn er spielt auf Michel Foucaults Dispositivbegriff an. Das Dispositiv beschreibt eine grundlegende Struktur für Diskurse und die konstitutiven Konstruktionsleistungen für Relevanzstrukturen. Niklas Luhmanns Aufsatz Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten (1971) verdeutlicht explizit die tätige Ebene, auf der bestimmtes Handeln begünstigt und anderes unterbunden wird. Projekte werden in Zeithorizonten organisiert und geplant. Gleichzeitig wirken Zeithorizonte in einem

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Nexus aus Machtbeziehungen konstituierend, indem sie Dringlichkeit erzeugen. Sie konstituieren ein Dispositiv, welches eine Praxis der (An-)Ordnung von Zeit darstellt. Der Dispositivbegriff ist von Foucault selbst nur kurz umrissen worden. Unter einem Dispositiv versteht Foucault das Zusammenwirken von drei Eigenschaften: 1) Das Netz einer »heterogene[n] Gesamtheit, bestehend aus Diskursen, Institutionen, architektonischen Einrichtungen, reglementierenden Entscheidungen, [. . .]« und so weiter; es versammelt »Gesagtes ebenso wie Ungesagtes«. 2) »[D]ie Natur der Verbindungen, die zwischen diesen heterogenen Elementen bestehen kann«. 3) Das Netz hat »zu einem historisch gegebenen Zeitpunkt vor allem die Funktion [. . .], einer dringenden Anforderung nachzukommen«.4 Das Dispositiv erfüllt eine »dominante strategische Funktion« (Foucault 1977/2003c: 392 f.). Aktuelle Positionen versuchen, mehr theoretischen Gehalt in den Term zu legen. Dabei zeigt sich in der Auseinandersetzung, dass die Problematik des Programwissens, das von einer vernachlässigten Praxis unterschieden werden muss, auch hier wiederzufinden ist. Für die Betrachtung von Organisation als Dispositiv heißt das, »diese als eine ungeordnete Menge von Elementen zu begreifen, deren spezifische Anordnung und Verbindung eine Struktur in kognitiver wie in verhaltenspraktischer Art und Weise bildet« (Bruch 2011: 15). Letztlich ist Zeit auch die Grundlage eines diffusen, latenten und verschleierten Machtmechanismus, welcher sich aus der benannten Dringlichkeit ergibt, sich der zeitlich orientierten Strukturerzeugung der Projektorganisation bedient und sich in ihr einnistet. Als gouvernementale Strategie funktioniert er im Sinne eines Regierungsprinzips, welches kontrollierend Einfluss nimmt. Was in einem Projekt relevant wird und dadurch eine sinnhafte Zuschreibung erfährt, wird ebenso in einem zeitlichen Bezug verhandelt. Gerade im Bild der (An-)Ordnung von Zeit wird die strukturierende Funktion deutlich: Methoden und Techniken des Projektmanagements, welche die Projektpraxis auf das Ideal vermitteln, ziehen ihre Legitimation aus der Planung, welche Objektivität vermitteln soll. Der Prozessablauf und die Bezugnahme auf Ziele im Abgleich mit Ist-Werten werden dadurch sinnhaft. Sie werden im Kontext der zeitlichen Infrastruktur gedeutet. Einem Projekt, so lässt sich sozialtheoretisch argumentieren, liegt ein komplexes Dispositiv zugrunde, welches Sinn generiert, indem es auf einer Metaebene Tätigkeiten, Aufgaben, Ziele, Methoden, Techniken und dergleichen in ein Verhältnis zueinander setzt und sinnhaft aufeinander bezieht.

4 | In einer früheren Veröffentlichung dieses Gesprächs wird der dritte Punkt als das Antworten »auf einen Notstand (urgence)« (Foucault 1978: 120) übersetzt.

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6.4 T EMPORÄRE S TRUKTUREN UND DIE B EARBEITUNG VON W IDERSPRÜCHEN Während in den vorangegangenen Abschnitten die Verbindungen zwischen Arbeit, Organisation und Gegenstand auf einer zeitlichen sowie einer relationalen Ebene interpretiert worden sind, soll nun die Widersprüchlichkeit der Beziehungen betrachtet werden: Wie werden diese in einer prozessualen Sicht aufgelöst? Das Gewebe eines Projekts ist organisatorisch in einen strukturellen Antagonismus zwischen starrer Organisation und dynamischem Organisierungsprozess eingelassen. Einerseits sind Projektstrukturen und Abläufe determiniert, andererseits sind sie variabel und dynamisch. Ein zentraler Mechanismus hierfür ist die Planung, die einen idealen Weg vorgibt, jedoch zyklisch bereinigt und aktualisiert wird, den realen Entwicklungen entsprechend. Gegenüber ›starren‹ Organisationstheorien, die nur eine unbefristet existierende Organisation kennen, sind Projekte befristet und auf einen Zeithorizont festgelegt. Hierdurch ergibt sich die organisationale Notwendigkeit einer kontinuierlichen Neuausrichtung durch eine temporale Neuordnung. Die Aktualisierung der Organisationsstruktur vollzieht sich mit der Arbeit im Projekt. Sie ist Teil von Projektarbeit, die den Rahmen herstellt und verändert. Gerade in der Praxis werden Unterschiede zur Projektmanagementliteratur deutlich. Sie untermauern die These der widersprüchlichen Arbeitsform. Arbeiten – im Sinne des Managements von Projekten – ist instrumentell angelegt. Konkrete Rollen werden mit Erwartungen verknüpft und so Personen für spezifische Probleme adressierbar gemacht, welche wiederum Lösungsroutinen folgen. Arbeit außerhalb dieses Rahmens wird zuweilen in Residualkategorien aufgefangen – in der Empirie sind sie an manchen Stellen ebenfalls unter dem Label des gesunden Menschenverstandes zusammengefasst. Ein zweiter Teil von Tätigkeiten umfasst Führungsaufgaben, welche relativ unbeleuchtet bleiben und ähnlichen instrumentell verstanden werden. Die wissenschaftliche Deutungshoheit über ›Führung‹ liegt bei der betriebswirtschaftlich orientierten Sozialpsychologie und der Organisationspsychologie. Diese operieren mit einem spezifischen Erkenntnisinteresse, das vor allem affirmativ-funktionale Anwendungsnähe sucht. In der Praxis werden gerade in Problemlösungsroutinen komplexere Mechanismen deutlich.5 Aus den Interviews wird ersichtlich, dass vielschichtige

5 | Der Begriff Routine ist an dieser Stelle nicht sehr griffig. Er suggeriert, dass Prozesse trotz ihrer Komplexität einen routinenhaften, das heißt, berechenbaren, vorhersehbaren und handhabbaren Verlauf hätten. Routinen sind prekär, obwohl – und gerade auch weil – sie einem vorgegebenen Ablauf folgen. Das Einhalten dieses Prozesses ist nicht zu jeder Zeit gewährleistet und – in Anbetracht einer offenen Zukunft – kontingent.

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Verhandlungsprozesse die Arbeit gestalten und damit einhergehend auch strukturierende Aufgaben als Aushandlungsprozesse betrachtet werden. Anstelle eines instrumentellen Blicks auf Tätigkeiten, die einem klaren Ursache-Wirkungs-Prinzip folgen, sind Handlungen ungleich taktischer und strategischer, erfordern kontinuierliches Aushandeln und Feingefühl. Dies resultiert aus der Mehrdeutigkeit und Ambivalenz der zu bearbeitenden Beziehungen. Einerseits sind soziale Relationen kontingent, andererseits sind auch die Einwirkungen auf (materielle) Gegenstände und Artefakte nicht eineindeutig. Sie verschließen sich eindimensionalen Ursache-WirkungsBeziehungen. Jenes Aushandeln ist ähnlich der oben beschriebenen Trias zu verstehen: Es erfasst und integriert Ecken und Kanten im Projektverlauf und versucht diese in einem Kontext zu arrangieren, welcher Arbeit, Organisation und Gegenstand in Relation setzt. Programmatisch ist das Eskalationsprinzip zu nennen, welches problematische Themen in die Hierarchie zurückspielt, um diese auf einer höheren Entscheidungsebene zu lösen (vgl. Abschnitt 4.3.3). Gerade weil die sozialen Beziehungen bei der Problemlösung kompliziert sind, wird der Fall einer höheren Instanz überantwortet, die auf diese Komplexität anders einwirken kann. Dass dies nicht immer so einfach vonstattengeht beziehungsweise auch nicht als wertneutrales Werkzeug gesehen werden kann, ist in den Interviews ersichtlich geworden; das Bilden von Koalitionen tritt in der Praxis deutlich hervor. Dem Aushandeln kommt ein politisches Wirken zu. Dies unterstreicht die kontingente Situation, in welcher Strukturgenese und Aushandlung ablaufen; die Gefahr des Scheiterns ist immer präsent. Hier zeigt sich die Unsicherheit der Routine und – im Rekurs auf die idealisierte Projektarbeit – der nüchtern zu institutionalisierende Realismus in der Projektarbeit: Ein ›gutes Gefühl haben‹ ist unsicher (IP3, Absatz 19). Nicht zuletzt ist die Einsicht, dass Handlungsroutinen und -programme nicht reibungslos ablaufen, wie es stellenweise problematisiert wird, durch die subjektive Wahrnehmung von aushandlungsbedürftigen Zuständen geprägt. Notwendige Aushandlungen stellen Machtbeziehungen dar, die strukturgenerierend wirken. Ebenso ist die Nähe zur Grenzarbeit deutlich hervorzuheben: Was und wer, wann und wie etwas für ein Projekt relevant ist, wird einerseits privilegiert, andererseits zur Zielfläche für die Bearbeitung durch Projektmanagementwerkzeuge. Die vordergründige Wertneutralität (beispielsweise der Eskalation) verschleiert nur die eigentlich machtvolle Intervention und konstituiert ein legitimierendes Herrschaftsverhältnis. Konkrete Tätigkeiten in projektförmig organisierten Kontexten zerfallen bisher bei genauer Betrachtung in Residuen der Arbeits- und Organisationssoziologie. Projektarbeit ist die Kulmination des Wandels von Erwerbsarbeit; Projektorganisation die Reduktion komplexer Strukturen, Blackboxing sowie ergebnis- und aufgabenorientierte Strukturbildung. Projekte erfordern allerdings in der Durchführung weitaus mehr als nur

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ergebnisbezogene Arbeit und Struktur. Die Projektarbeit wie auch die Organisation beinhaltet ein unbestimmtes Mehr an Tätigkeit und Arbeitsinhalt. Die ungeklärten Fragen sind: Wie viel formelle und informelle Arbeit treten auf? Wie sehr werden organisationale Hierarchien auf- oder abgebaut, verschoben oder gebeugt? Welche impliziten Tätigkeiten werden aufgebracht, um das Projekt zu verwirklichen? Hierdurch versieht der Bezeichnungsprozess etwas mit Relevanz und macht es für die weitere Bearbeitung anschlussfähig.6 Erst mit Sinngehalt beladen, kann etwas Teil der Projektorganisation und dadurch in Pläne eingepflegt werden. Es kann dann den Gegenstand des Projekts beeinflussen, auf das Projekt selbst wirken oder seine Einflüsse schwächen. Pläne sind nicht die Struktur des Projekts, aber sie erlauben die Thematisierung der Struktur – wenn auch nur den kleinen Ausschnitt der inhaltlichen Arbeitsorganisation. Dies deutet sich in Interviews an, in welchen die Angestellten über die Feinplanung sprechen, Regeln aufstellen und allgemeiner auf die folgende Analogie verweisen: Das Projekt folgt einem vorgeschriebenen Pfad; wenn es von diesem abweicht, muss es wieder ›zurück auf Kurs‹ gebracht werden (vgl. IP1, Absatz 44, IP9, Absatz 14).

6.5 T HEORETISCHE I MPLIKATIONEN ORGANISIERENDEN A RBEITENS Die vorangegangenen Ausführungen liefern Einsichten in Projektarbeit und Projektorganisation, welche aus einem dezidierten Suchprozess nach Leerstellen bestehender Forschung gewonnen und durch empirische Unterfütterung angereichert wurden. Ziel war es, diese Leerstellen im Forschungsdiskurs der Arbeits- und Organisationssoziologie zunächst herauszuarbeiten und schematisch als Fragefolien an die empirische Untersuchung anzulegen. Hieraus habe ich die Leerstellen weiter kontrastiert, wodurch die eigensinnige und nicht nach Programmen verlaufende Praxis in den Blick genommen werden konnte. Die Ausgangsthese, dass in Projekten Arbeiten und Organisieren miteinander verschränkt sind, fordert einen Begriff ein, welcher diese beiden Tätigkeiten als aufeinander bezogen und ineinander verwurzelt aner-

6 | Karl E. Weick resümiert, Cohen und March (1974) folgend, dass Pläne in Organisationen weniger der Festlegung von Handlungen, denn der Ermöglichung von Kommunikation dienen: »Pläne sind wichtig für Organisationen, aber nicht aus Gründen, welche die Leute annehmen. [. . .] Sie sind Symbole in dem Sinn, daß eine Organisation, wenn sie nicht weiß, wie sie dasteht, oder weiß, daß sie scheitern wird, den Beobachtern eine andersartige Botschaft signalisieren kann« (Weick 1995a: 22).

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kennt. Als Grundlage für einen solchen Begriff dient die herangezogene Empirie nur bedingt, denn sie gewährt lediglich Einblicke in formalisierte, normative Literatur sowie in die objektiviert-subjektive Auslegung der Wirklichkeit durch die Akteure. Expert_inneninterviews verschaffen ›nur‹ ein Verständnis eines spezifischen Feldes, indem sie das Fachwissen der Akteure als Beschreibung eines der Forscher_in verborgenen Feldes heranziehen. Mit diesem im Hintergrund ist die zu leistende Begriffsbestimmung eine theoretische, welche die empirischen Befunde in ein soziologischsozialtheoretisches Vokabular zu überführen hat. Die Grundlage hierfür bilden die zusammengetragenen Ergebnisse der empirischen Auseinandersetzung mit Projekten sowie die in Kapitel 3 generierten Thesen. Einige dieser sozialtheoretischen Anknüpfungspunkte, Schnittmengen, Perspektiven und Fundamente habe ich bereits angedeutet. Im folgenden Kapitel gilt es nun, auszuarbeiten und in Bezug zu setzen. Konkret zeigen sich drei Themenblöcke, die ausgearbeitet werden müssen, um einen theoretisch gehaltvollen Begriff des organisierenden Arbeitens ausbuchstabieren zu können: Erstens muss als Infrastruktur dessen, was in Projekten als Prozess ›geschieht‹, ein zeitlicher Bezug hergestellt werden. Zeit ist dabei mehr als die in Projekten konstitutiv auftretende Betonung von Terminen und Fristen; sie ist Strukturierungselement und Ordnungsprinzip. Zweitens muss die Relationalität der Arbeit, der Organisation und der Gegenstände – im buchstäblichen Sinne – eingefangen werden, um das Ineinandergreifen der Sphären sichtbar zu machen und die sinnstiftenden Leistungen aufzuzeigen. Dies wurde weiter oben unter dem Schlagwort Relevanz und Grenzarbeit diskutiert. Es greift dynamisch auch in die Strukturgenese auf Grundlage eines zeitlichen Ordnungsdispositivs ein. Der dritte Punkt stellt einen machtanalytischen Zugriff auf die soziale Situation in Projekten dar. Projekte sind Orte der Aushandlung und Vermittlung von Arbeit und Organisation sowie des aktiven Vollzugs. Sie sind vermachtete Kontexte. In ihnen wirken Mechanismen, die die Bedeutungsgenerierung vorantreiben, normative oder präskriptive Setzungen in bestimmten Handlungen evozieren oder andere verhindern und so einen Möglichkeitsund Erwartungsraum erzeugen. Dieses Herrschaftswissen stellt einen gouvernementalen Mechanismus dar, welcher mit der dispositivistischen (An-)Ordnung von Zeit verknüpft und eng in die Materialität von Arbeit und Organisation eingelassen ist. Aus diesen drei Strängen lässt sich, so möchte ich im folgenden Kapitel zeigen, eine Grundlage konstruieren, um organisierendes Arbeiten konzeptionell auszukleiden. Dazu gehört meines Erachtens nicht nur eine rein deskriptive Analyse der konstituierenden und ermöglichenden Aspekte dieser Form von Arbeit, sondern auch – immer mitgedacht – eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kontext, in welchem die Arbeit eingebettet ist. Organisierendes Arbeiten ist ein vermachtetes Feld, mit einem ausgeprägten, aber verdeckten Regierungsmechanismus. Das eigentümlich

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›Freie‹ an Projektarbeit, wie es von einigen Seiten immer wieder vorgebracht wird, ist lediglich eine vordergründig selbstbestimmte Form. In dieser Suggestion richten sich Sach-, Zeit- und Sozialzwänge ein, welche das ›Gefährliche‹ (vgl. Baecker 2007: 61 f.), das unberechenbare, potenziell abweichende Verhalten einschränken. Die Notwendigkeit einer immanenten Kritik an der Arbeit in Projektkontexten ergibt sich für mich aus zwei Gründen: Erstens ist das Offenlegen der Verhältnisse und Strukturen, selbst wenn sie durch Arbeit erzeugt werden, als Grundbedingung der Arbeit notwendig und in der Arbeit als Praxis als vermachteter Kontext unabdingbar. Arbeiten, in einem Verständnis, welches sich hier explizit auf kapitalistisch organisierte Erwerbsarbeit bezieht, findet immer in einem (mehr oder weniger) offensichtlichen Herrschaftsverhältnis statt. Der Strukturwandel der Erwerbsarbeit seit den 1980er Jahren hat vornehmlich zu einer Verschleierung von Herrschaftsbeziehungen in qualifizierten Beschäftigungsverhältnissen geführt. Zweitens stellen Projekte und Management zwei bedeutende strukturelle Entwicklungen moderner Gesellschaft dar, deren Omnipräsenz sich wechselseitig auf eine gesellschaftliche Ebene und eine individuelle Subjektivierung bezieht. Management und Projekte sind nicht nur eine bestimmte Form des Organisierens und Steuerns, sie sind darüber hinaus bedeutende Strukturierungslogiken zeitgenössischer Gesellschaftsverhältnisse. Projekte, wie in der Einleitung dieser Arbeit herausgestellt, bilden ein Ordnungsverhältnis spätmoderner Gesellschaft ab, as mehr als nur einen Lebensentwurfscharakter beinhaltet und sich zum biografischen Formmuster entwickelt (vgl. Kalff 2016, 2017). Demgegenüber ist Management ein spezifisch modernes und monopolisiertes Steuerungswissen. Der Geltungsanspruch erstreckt sich weit über das hinaus, was klassischem Management mithin zugerechnet wurde – und doch verweilt es in einer stark technokratisch-elitären Position. Das instrumental-rationale Steuerungswissen des Managements blendet die soziale Dimension und die Einbettung in soziale Kontexte aus; die spezifische Objektivierung und Instrumentalisierung beispielsweise von Sozialbeziehungen werden unhinterfragt hingenommen (vgl. Alvesson und Willmott 1996: 10 ff.). Ebenso kann hier für das Projektmanagement – und umfassender – für die Arbeitssituation herausgestellt werden, dass ihre Wissensgrundlage einen deutlichen Geltungsanspruch erhebt und dadurch die soziale Wirklichkeit in Projekten auf einer programmatischen Ebene formt. Im Folgenden wird der Begriff des organisierenden Arbeitens konzeptionalisiert. Die Leerstellen der Arbeits- und Organisationssoziologie werden ausgefüllt. Allerdings können beide Sphären nicht eins zu eins übertragen werden; dennoch sind beide in ihren Entwicklungen eng verwoben und aneinander gekoppelt. Offen bleibt dabei das Verhältnis von Programm und Praxis. Beide Aspekte ähneln sich nicht zwingend. Organisierendes Arbeiten ist, so zeigen es die Ergebnisse der Empirie, eine perfor-

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mative Verbindung von Arbeiten und Organisieren; es ist eine Tätigkeit. In dieser bleibt immer Raum für Abweichung, Eigensinn, widerständiges oder naives Handeln. Gewissermaßen braucht es daher eine »polemische Forschung« und eine »forschende Polemik« (Weick 1995a: 331), um sich von der fantastischen ›Realität‹ der Projektratgeberliteratur abzusetzen. Nicht zuletzt sei dabei, wie Weick weiter argumentiert, die »Ambivalenz« ein guter Ausgangspunkt zur Erfassung der prekären, uneindeutigen, bedrohten Organisation.

Teil III Neue Begriffe

7 Um die Leerstellen zu füllen: organisierendes Arbeiten »Herrschaft bedingt stets irgendeine Form der entweder unmittelbar-gewaltsamen oder aber kulturell legitimierten Auftrennung eines Lebens- und Kommunikationszusammenhanges menschlicher Arbeit und Vergemeinschaftung. Herrschaft konditioniert dabei die Selbstregulation menschlicher Sozialitäten. . . . Daneben wirkt Herrschaft auch über die Ausbildung von beschränkten bzw. beschränkenden Symbolsystemen, die reale Zusammenhänge ausblenden, abkappen, ›desymbolisieren‹. . . . Die realen Zusammenhänge bleiben erhalten, aber ihre desymbolisierte Handhabung führt zu einer faktischen Unterdrückung nicht symbolisierter Arbeiten, Sachverhalte, Naturbedingungen, sozialer Verhältnisse und Lebensbereiche. Diese gesellschaftlich etablierten Darstellungs- und Symbolformen haben also ganz praktische Wirkungen . . . .« K LAUS T ÜRK /»D IE O RGANISATION DER W ELT «

Die ausgewiesenen Leerstellen, welche die Interpretation von Projekten erschweren, haben einen Anker für empirische Betrachtungen bereitgestellt. Wie ich im vorangegangenen Kapitel dargestellt habe, bedeutet die Betrachtung von organisierendem Arbeiten eine Auseinandersetzung mit den strukturlogischen Ausgängen des Arbeitens in Projekten – nicht nur, um eine adäquate kritische Verortung im Kontext spätmoderner Vergesellschaftungs- und Steuerungsmechanismen zu erzeugen, sondern auch, um die verschachtelten und latenten Ordnungsprinzipien sowie deren performatives Zusammenspiel zu beleuchten. Den aus Forschungsstand und Empirie rekonstruierten Leerstellen folgt in diesem Kapitel ein theoriegestützter Vorschlag, Projekte begrifflich zu fassen. Dieser benutzt den Begriff des organisierenden Arbeitens und

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Abbildung 5: Integration der Theorieperspektiven

Arbeiten als doppelte Relation

Organisation als (An-) Ordnung von Zeit

• Immaterielle Arbeit

• Infrastruktur

• Grenzziehung

• Möglichkeitsraum

• Relevanz- und Sinnzuschreibung

• Kontrolldispositiv

Machtbeziehungen als Herrschaftsverhältnisse: • Vermittlung zwischen Ideal und Praxis

Verschleierung der Herrschaft

Domestizierung der Kreativität

Internalisierung der Machtbeziehung

Quelle: eigene Darstellung markiert die immanente Verwobenheit von Handlung und Struktur in einem performativen Zusammenhang: Arbeiten und Organisieren als Tätigkeiten fallen ineinander. Dabei ist das Besondere des organisierenden Arbeitens – und hierdurch der Projekte – die besondere Qualität der Arbeit, der spezielle Typ der Arbeit. In ihm liegt der Schlüssel, die Leerstellen zu füllen und eine wissenschaftliche, das heißt sozialtheoretische Perspektive auf Vorhaben einzunehmen, welche die im Vorfeld beschriebenen blinden Flecken ausfüllt. Die folgenden Abschnitte bearbeiten nacheinander die Implikationen des Begriffs des organisierenden Arbeitens. Diese hängen zusammen wie Abbildung 5 zeigt. Abschnitt 7.1 behandelt die Trias aus Arbeit, Organisation und Gegenstand im Horizont sozio-materieller Geflechte. Den Zeitbezug organisierenden Arbeitens und die Einbettung der Tätigkeiten in ein Dispositiv der (An-)Ordnung von Zeit behandelt Abschnitt 7.2. Macht- und Herrschaftsbeziehungen in der Arbeitssituation sowie deren Anonymisierung, Objektivierung und Verschleierung im Horizont aktiver Grenzziehung und Grenzarbeit erarbeitet Kapitel 7.3. Abschließend wird in Abschnitt 7.4 argumentiert, wie die konzeptionelle Entwicklung des Begriffs die spezifische Praxis von Projekten einfangen kann.

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7.1 R ELATIONALITÄT ORGANISIERENDEN A RBEITENS Im folgenden Kapitel wird die besondere Verwobenheit des organisierenden Arbeitens untersucht, welche sich – namensgebend – zwischen Arbeiten und Organisieren sowie zusätzlich auf den Gegenstand des Projekts bezieht. In dieser Relation liegt eine immanente Bedingung für die Arbeitsinhalte in Projekten. Sie markiert begrifflich, dass ein Denken der Einheit und Abgeschlossenheit von Arbeit oder Organisation das Erkenntnisziel verfehlt. In den Vordergrund eines relationalen Denkens tritt die Differenz, welche als Ausgangspunkt dient und erst in der Beziehung beider Teile zueinander Identität erzeugt. Um diese Besonderheit herausarbeiten zu können, ist es wichtig, auf die Verbindungen zwischen den drei Bereichen Arbeiten, Organisieren und Gegenstand zu blicken, die in Projekten aufeinandertreffen, und die spezifischen Einflüsse und Interessen als potenziell verändernde Interventionen ernst zu nehmen. Arbeit kommt eine besondere Rolle zu, denn sie richtet sich auf zwei Pole: auf ihren eigenen organisationalen und planerischen Rahmen und auf den Zielgegenstand. Hieraus ergibt sich, dass Arbeit nicht mehr nur allein produzierende Arbeit (beispielsweise handwerkliche Tätigkeit) ist, sondern durch organisierende Tätigkeiten ergänzt wird. Diese begreife ich als immaterielle Arbeit wie Kommunikation, Abstimmung, Affektkontrolle und Netzwerken. Der Begriff der immateriellen Arbeit ist durch postoperaistische Konzepte besetzt, welche in immaterieller Arbeit einen neuen ›Ort‹ der Wertgenerierung sehen.1 Die verschiedenen Tätigkeiten sind demnach in Verwertungslogiken eingebunden und in (Erwerbs-)Arbeitsprozessen zu interpretieren (vgl. Hardt und Negri 2002: 291 ff., 2004: 202 ff.). Postoperaistische Untersuchungen haben, im Anschluss an eine spezifisch historische Lesart der Werke von Karl Marx durch Antonio Gramsci, wesentlich die politische und intellektuelle Arbeiterbewegung2 der 1960er bis in die 1970er in Italien Jahre geprägt (vgl. Wright 2005). Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass es eine Relation zwischen Kapitalismus und Konflikt gebe, in welcher die Klassenkämpfe »als der Motor der kapitalistischen Entwicklung« (Foltin 2002: 7) fungieren. Ähnlich der prägnanten Analyse von Boltanski und Chiapello (1999/2006: 215 ff., 2001: 468 ff.) transformiert die Kritik am Kapitalismus diesen, indem er sie internalisiert. Allerdings stehen in der postoperaistischen Deutung nicht neue Legitimationsmuster im Vordergrund, sondern wie verlorene Produktivität an anderer Stelle kompensiert wird. So führen beispielsweise Arbeitszeit-

1 | Marion von Osten zählt Tätigkeiten wie »Kommunikation, persönliche Dienstleistungen, soziale Beziehungen, Lebensstil, Subjektivität« (Osten 2007: 109) als immaterielle Arbeit auf. 2 | Birkner und Foltin (2010: 12) verweisen hier darauf, dass es sich bei dieser Bewegung tatsächlich in ihrer Basis und auch in ihrer Führungsspitze um eine männlich geprägte handelte.

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verkürzungen zu einer notwendigen Produktivitätssteigerung durch technologische Innovation, um verlorene Profite wettzumachen (vgl. Foltin 2002: 7). Die anhaltende Konflikthaftigkeit des Wirtschaftssystems ist gleichzeitig der stärkste Motor seiner Weiterentwicklung. Diese, hier nur kurz umrissene Ausgangssituation, dient im Folgenden dazu, einerseits die relationale Arbeit hinter dem organisierenden Arbeiten hervorzuheben, indem ein besonderes Augenmerk auf die immaterielle Dimension der Arbeit gerichtet wird. Dies betont die teils implizite und teils explizite Bedeutung von Wissen für die Akte immaterieller Arbeit, wie sie sich beispielsweise in Kommunikation oder Strategien finden. Gegenüber den Diagnosen subjektivierter, entgrenzter oder ökonomisierter Erwerbsarbeitsverhältnisse (welche in postoperaistischen Deutungen nicht ausgeschlossen sein müssen) liegt ein Vorzug darin, dass der konkrete Arbeitsprozess in den Blick genommen werden kann. Andererseits teilen sich sich die Ansätze und Arbeiten auch eine Schnittmenge mit zeitdiagnostischen und gesellschaftstheoretischen Untersuchungen, wie ich sie insbesondere bereits mit Hardt und Negri (2002, 2004) zitiert habe. Konzepte des souveränen Empire, der Biopolitik und Biomacht liefern Interpretationsschablonen für eine eigene Subjektform im Horizont gesellschaftlich gegenwärtiger Projekt- und Steuerungssemantiken, die auf eine gestiegene Bedeutung der Selbstverantwortlichkeit und der Selbstorganisation verweisen. Dabei sind sie auf Erwerbsarbeit anzuwenden. »Interaktive und kybernetische Maschinen werden zu neuen künstlichen Gliedern, die in unsere Körper wie in unser Denken und Fühlen integriert sind, und sie werden zu einer Linse, durch die wir die Umgrenzungen unseres Körpers wie unseres Denkens und Fühlens neu wahrnehmen. Die Anthropologie des Cyberspace ist in Wirklichkeit das Erkennen der neuen Menschlichkeit« (Hardt und Negri 2002: 302 f.).

Der Reiz der Perspektive besteht in der Ausweitung der menschlichen Arbeit auf die Form der Arbeit, ihrer Kopplung und Beziehung zu Zeichen, Artefakten und technischen Dingen. Sie öffnet eine Sicht auf das, was mit der Akteur-Netzwerk-Theorie als sozio-technische Relation bezeichnet wird. Relationalität beschreibt eine Vielzahl von Eigenschaften des Arbeitens: Zum einen ist sie immateriell, zum anderen besitzt sie, mit Marx gesprochen, zwei Objekte. Sie bezieht sich auf ihre Gegenstände, aber auch auf ihre Organisation. Sie verändert die Arbeitskraft des Menschen und die Produktivkraft selbst, indem sich das Subjekt-Objekt-Verhältnis verschiebt.3 Im-

3 | Das Zitat erinnert ebenfalls an Donna Haraways Cyborg-Metapher, welche sie nutzt, um mit strengen Differenzierungen von Natur und Kultur, in der Form Mensch versus Maschine zu

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materielle Arbeit eignet sich, so kann thesenhaft formuliert werden, auch die Grenze zwischen Natur und Kultur, zwischen Menschen und Artefakten an. Eine Analyse immaterieller Arbeit in Projektkontexten macht folgendes Angebot: Einerseits fokussiert sie sich auf Kommunikation, Information und soziale Kooperation in Projekten als die vorrangigen Elemente projektspezifischer Tätigkeit – und ist in diesem Sinne der neue Quell der Wertschöpfung. Andererseits begründet sie sich aus einer inhärenten Spannung im Arbeitsprozess zwischen der Arbeit und dem Kapital. In den Termini der marxistisch geprägten Strömung bleibt das Anliegen allerdings äußerst vage. Weniger abstrakt formuliert, bildet die Arbeitssteuerung im Kontrast zur Organisation den Kern formeller wie informeller Hierarchien und Strukturen der Arbeit. Diesem kann sich mit einem postoperaistischen Blick besonders zugewendet werden – und durch ihn kann auch ein analytischer Gewinn erzielt werden. Dabei ist der Begriff immaterieller Arbeit aber noch zu unvollständig und zu abstrakt. Tätigkeiten wie Kommunikation, Informationsmanipulation, Bearbeitung von Sprache und Zeichen sind ebenso Inhalte immaterieller Arbeit wie das Planen und das Organisieren (für den Teil der selbstorganisierten Arbeit) sowie das aktive Begrenzen der Arbeit (in einem mehrdeutigen Sinne). Diesen letzten Punkt führe ich als Grenzarbeit und der Arbeit an der Arbeit (Baecker 2002), als Domestizierung der Kreativität aus (vgl. Abschnitt 7.3.2). Postoperaistische Arbeiten untersuchen die neu entstehende Wirtschafts- und Gesellschaftsformation des Postfordismus. Die Analyse dieser Konstellation nimmt starke Anleihen aus politischer Philosophie, Sprachphilosophie und Linguistik sowie epistemologischen und erkenntnistheoretischen Umbrüchen durch postmoderne oder poststrukturalistische Ansätze. Paolo Virno ist der Überzeugung, »dass der zeitgenössische Produktionsmodus, um hinreichend beschrieben zu werden, dieser Analyseform und dieser Bandbreite an Sichtweisen bedarf« (Virno 2008b: 135). Die Untersuchung des Postfordismus schlägt einen anderen Weg ein als zentrale Studien wie die von Piore und Sabel (1985). Nur durch die Rekonstruktion einer »ethischsprachliche[n] Begriffskonstellation« (Virno 2008b: 135) ist der Postfordismus greifbar, also insbesondere auch in der Verschiebung zur »neuen Menschlichkeit« (Hardt und Negri 2002: 303). Mit dieser geht die epistemische Formation neuer Sprache und Begriffe als eine neue Grammatik einher (vgl. Boltanski und Chiapello 2001: 465 f.).

brechen (vgl. Haraway 1985). Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine konstituiert eine Mensch-Maschine, einen Hybrid als ›etwas‹, das nicht mehr zu trennen ist (vgl. Latour 1998).

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7.1.1 Immaterielle Arbeit und produktive Arbeit Den Übergang von einer industrialisierten, modernen Wirtschaft zu einer informatisierten bezeichnen Hardt und Negri (2002: 290 ff.) als »Postmodernisierung« der Wirtschaft (vgl. auch Hardt 2004: 176 ff.). Diese Phase sei geprägt durch dominierende Dienstleistungsarbeit sowie eine qualitative Veränderung der Arbeit an sich. Diese neue, auf den tertiären Sektor ausgerichtete, informationelle Ökonomie unterstreicht den Stellenwert von »Bildung, Kommunikation, Information und Affekt« (Hardt und Negri 2002: 296). Hieraus leiten die Autoren die Notwendigkeit einer veränderten Sicht auf Arbeit ab, die somit die qualitativen Umstrukturierungen in den Blick nehmen kann. Sie propagieren eine »Soziologie der immateriellen Arbeit« (ebd.: 300). Spezifischer legen sie fest: »Da die Produktion von Dienstleistungen auf nicht-materielle und nicht-haltbare Güter zielt, definieren wir die Arbeit, die in diesem Produktionsprozess verrichtet wird, als immaterielle Arbeit« (ebd.: 302).4 Die Zusammensetzung aus Informationstechnologie, Kommunikation (als Zeichenmanipulation) und Affekt ist nicht neu; so hat beispielsweise Arlie Hochschild (1983/ 2006) bereits auf die spezifische Kommerzialisierung und Ökonomisierung emotionaler und affektiver Teile in der Dienstleistungsarbeit hingewiesen. Die Konnotation geht an dieser Stelle allerdings über das emotionale Gefühlsleben hinaus und erfasst per se zwischenmenschliche Bindungen (beispielsweise die Herstellung von Kontakten, die Vernetzung und die Interaktion mit anderen Menschen) als Ressource der eigenen Produktivität (vgl. Hardt und Negri 2002: 304). Aus einer Krise der Arbeit und der Produktion entstehen neugelagerte Ansprüche an Arbeit und Organisation; so kann »Arbeit [. . .] bestimmt werden als die Fähigkeit, eine produktive Kooperation in Gang zu setzen« (Lazzarato 1998a: 41 f.).5 Arbeit an der Schnittmenge »zwischen Produktion und Konsumtion« (ebd.: 48) bedarf einer Verknüpfung, wel-

4 | Im Vorwort zu Immaterielle Arbeit und imperiale Souveränität wird dies spezifiziert: »Immaterielle Arbeit ist [. . .] eine Form, genauer: als die neue dominierende, die gesellschaftliche Arbeit in ihrer Gesamtheit bestimmende Form aufzufassen. Immaterielle Arbeit als dominierende Form gesellschaftlicher Arbeit ist neben der Computertechnologie und Informationsverarbeitung im gleichen Maß bestimmt durch Kommunikation, allgemeiner durch Manipulation von Zeichen und durch die Verwendung von Sprache; und die Neuzusammensetzung umschließt als dritten Aspekt den gesamten Bereich affektiver Beziehungen. Diese affektive Arbeit ist immateriell, auch wenn sie körperlich ist, da ihre Produkte unkörperlich und nicht greifbar sind, sondern sich auf Emotionen und Leidenschaften beziehen« (Atzert und Müller 2004: 11). 5 | Die von Lazzarato gewählte Formulierung wird nicht explizit in die Nähe von Foucaults Definition von Disziplin als die »Herstellung eines leistungsfähigen Apparates« (Foucault 1994: 212) gerückt, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen.

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che in der Anrufung der Arbeiter_innen als »Subjekte der Kommunikation« (ebd.: 43) zur zentralen Form findet. So vermittelt sich in den 1970er Jahren der Eindruck, »dass sich die Fabrik in die Gesellschaft ausdehnt, aber auch die Gesellschaft in die Fabrik eindringt« (Foltin 2002: 6). Die Verwertungsbedingungen menschlichen Arbeitsvermögens erfassen auf breiter Linie die gesamte Gesellschaft. Entsprechend sind diejenigen, deren Fähig- und Fertigkeiten genutzt werden, Teil eines viel weiter gefassten ›Proletariats‹. Dies bezieht für postoperaistische Autor_innen auch unentlohnte Care-Arbeit, Sorge-Arbeit oder Reproduktionsarbeit mit ein – das ›Außen‹ der Erwerbsarbeit verliert in dieser Definition seinen Stellenwert. Wenn, wie Boltanski und Chiapello (1999/2006) schreiben, die primäre Logik eines ›neuen‹ Kapitalismus die Vernetzung und die Bindungen sei, dann erschöpfe sich der Zugriff auf die Arbeitskraft nicht an der Grenze des Firmengeländes, sondern würde zunehmend auch das Private (Entgrenzung) durchdringen. Dieser Wandel erstreckt sich auf die gesamte Gesellschaft, »den gesellschaftlichen Produktionsprozess und die Phänomene der fabbrica diffusa« (Lazzarato 1998a: 45, Hervorhebung im Original; auch Birkner und Foltin 2010: 49 ff.).6 Arbeit findet nicht mehr nur in Fabriken statt, sie weitet sich auf die gesamte Gesellschaft aus und transformiert diese in eine grenzenlose, eine diffuse Fabrik – mit entsprechenden Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Die Arbeitssoziologie hat diese qualitative Veränderung als Entgrenzung gedeutet. Trotz der nahen Verwandtschaft beider Thesen hat die Arbeitssoziologie es jedoch versäumt, einen konkreten Bezug zwischen diesen Tendenzen und der gesamtgesellschaftlichen Strukturlogik dieser Entwicklung tiefergehend zu beleuchten. So argumentiert Lazzarato weiter: »Immaterielle Arbeit produziert in erster Linie ein gesellschaftliches Verhältnis – ein Verhältnis, das Innovation, Produktion und Konsum einschließt –, und der (ökonomische) Wert, der dieser Tätigkeit zukommt, hängt einzig und alleine davon ab, ob es ihr gelingt, diese Relation zu erzeugen. Hier zeigt sich eine Eigenheit unmittelbar, die auch materielle Produktion in sich barg: Die Arbeit produziert nicht nur Waren, sondern vor allem ein soziales Verhältnis, das Kapital« (Lazzarato 1998a: 48, Hervorhebung im Original).

Dies ist der wesentliche Aspekt immaterieller Arbeit und Produktion: Sie ist auf Kooperation und soziale Interaktion angewiesen. Dabei stellt Kooperation keinen äußerlichen Zwang dar. Da sie der immateriellen Arbeit innewohnt, ergibt sie sich aus der objektiven Notwendigkeit des Sachzwangs; nicht (mehr) aus einer orchestrierten Produktion (vgl. Hardt und Negri 2002: 305). Die beiden Autoren führen die Trans6 | Birkner und Foltin beschreiben die Entwicklungstendenz als das »unmittelbare Produktivwerden der gesamten Gesellschaft« (Birkner und Foltin 2010: 49).

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formationsanalyse von Arbeit und Produktionsprozess weiter fort und beschreiben eine neue Form der Netzwerkproduktion, deren Kern abstrakte Arbeit und abstrakte Kooperation sei (Hardt und Negri 2002: 303, 306 f.). Dabei gehen die Autoren von einer Veränderung der Arbeit an sich aus, die – für Marx als absolute Tätigkeit noch inkommensurabel – sich durch die starke Informatisierung inhaltlich angleiche. Waren bei Marx verschiedene Arbeiten nicht direkt vergleichbar, sondern nur über die »Verausgabung menschlicher Arbeitskraft« als abstrakte Arbeit gegenüberstellbar, bewirkt Informatisierung eine Verschiebung der Arbeit an sich hin zu abstrakter Arbeit. Die Tätigkeit selbst wird verändert. Zusätzlich werden in der abstrakten Kooperation unter den Eindrücken einer dezentralisierten Produktion und einem Bedeutungsverlust von Raum zunehmend kommunikative Austauschprozesse betont (vgl. Hardt und Negri 2002: 307; auch Bologna 2006: 14 ff.). Dieser kurze Abriss immaterieller Arbeit, welcher sich zu Teilen auch mit den Diagnosen und Analysen zur »neuen Selbstständigkeit« (Bologna 2006) deckt, weist darauf hin, dass in einer postfordistischen, postmodernen Wirtschaft die Tätigkeit abstrakt und ihr Gegenstandsbezug auf eine andere Ebene verlagert wird. Eben diese Diagnose ist Ausgangspunkt für eine Verortung von organisierendem Arbeiten in Projekten. Neben Kommunikation, Kooperation und Affektkontrolle bedarf der Gegenstand immaterieller Arbeit einer Ergänzung. Letztendlich zeigt die Argumentation, dass in Projekten verschiedene Tätigkeiten der oben zitierten ›Definition‹ immaterieller Arbeit gerecht werden. Neben den offensichtlichsten, den kommunikativen Aspekten und den fundamentalen Informationsbezügen der Projektarbeit, habe ich in der Empirie ebenfalls Hinweise auf affektuelle Teile rekonstruiert, die sich hier auf die Aushandlung sozialer Interaktion beziehen, beispielsweise auf die Erzeugung und Unterhaltung von Netzwerken. Affektuelle Arbeit macht einen essenziellen Teil der Arbeit aus, der auch Selbstarbeit einschließt: Ziel ist die Erzeugung eigener Netze, für die eigene Vermarktung der Kompetenzen oder für die eigene Absicherung und Akquise von Expert_innenmeinungen und -ratschlägen. Darüber hinaus ist ein starker Bezug zum Gegenstand der Projekte nicht von der Hand zu weisen. Dieser wird in den Interviews auch als Beziehung zur Technik beschrieben und stellt einen direkten Bezug ›zur Sache‹ her. In diesem Sinne muss die ›Technik‹ – der Gegenstand – und auch die Organisation der Projekte in das organisierende Arbeiten einfließen. Diese Tätigkeiten müssen ebenfalls als immaterielle Arbeit begriffen werden, denn ihre Resultate sind nicht nur materiell oder Ergebnisse produktiver Arbeit. Sie sind vorrangig planerischer Natur; sie sind immateriell. Ihnen fällt »eine strategische Rolle zu« (Lazzarato 1998b: 53), die darüber hinaus Produzent_innen und Konsument_innen als Teil »eines kreativen Prozesses« (ebd.: 55) einschließt. Dabei handelt es sich nicht um die Produktion eines Gutes, sondern um Kon-

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sumtion von Informationen um die Zirkulation und Verbreitung, um Kommunikation von Information und deren Modulierung (vgl. ebd.: 54). Wird dies auf den Arbeitsbereich der Projektplanung übertragen, lassen sich einige Punkte der Projektmanagementtheorie rekonstruieren: Zum einen dient die Erzeugung eines Projektplans der Orientierung und der Arbeitsorganisation. Er ist gebündelte Information und Kommunikationsgrundlage, auf die referenziert und rekurriert wird (vgl. Weick 1995a). Produktion und Konsumtion dieser Pläne fallen ineinander, denn diejenigen, welche die Pläne erstellen, aktualisieren und korrigieren sie, nehmen sie ernst, orientieren sich an ihnen und befolgen sie. »Der Produktionsprozeß der Kommunikation hat die Tendenz, unmittelbar zum Verwertungsprozeß zu werden. Für die Vergangenheit galt, daß Kommunikation grundsätzlich auf Mittel der Sprache zurückgriff und in Institutionen der ideologischen, literarischen oder künstlerischen Produktion organisiert war. Heute, eingeschlossen in die industrielle Produktion, wird Kommunikation durch besondere technologische Programme reproduziert: durch die technologische Reproduktion von Wissen, Gedanken, Bildern, Tönen und Sprache und durch Organisationsund ›Management‹-Formen, die auf eine neue Produktionsweise verweisen« (Lazzarato 1998b: 59, ohne Hervorhebungen).

Insbesondere die technische Reproduzierbarkeit von Kommunikation in Form von Projektplanung ist für das organisierende Arbeiten bedeutsam. Sie stellt die Verbindung zwischen den einzelnen Teilen eines Projektes her und diese auf Dauer. Hier kommt ein Aspekt der relationalen Gestalt des organisierenden Arbeitens zum Tragen: In der Planung bildet sich die formelle Organisationsstruktur ab. Sie muss die Beziehung zum faktischen Gegenstand des Projekts miteinbeziehen. Ein Teil des organisierenden Arbeitens richtet sich auf die Gegenstände und versucht, diese einzuholen und auf einer zeit-, sozial- und sachstrukturellen Ebene in den Projektplan zu gießen. Wie ich aus der Empirie rekonstruiert habe, spielen dabei Informationsflüsse, welche sinnstiftend wirken, eine wichtige Rolle. Information als Produkt immaterieller Arbeit wirkt wieder auf die Projektpläne und die Arbeit in Projekten zurück – das Ergebnis ist wiederum eine Kommunikationsgrundlage in Form eines Plans (vgl. Weick 1995a: 22 f.). Dieser Verbindung, wenn ›Technik‹ hinzugezogen wird, kann eine gewisse nichtkontrollierbare Eigendynamik unterstellt werden. Technik ist risikoanfällig, da sie scheitern oder Nebenfolgen hervorbringen kann, deren Auftreten und Wirkungen weder vorhersagbar noch versicherbar sind. Nicht zuletzt deshalb besteht in einer Vielzahl techniksoziologischer Publikationen eine enge Verbindung zu Risikobegriffen (vgl. Beck 1986). Niklas Luhmanns Technikbegriff bezeichnet diese als »funktionierende Simplifikation« (Luhmann 1997: 524, ohne Hervorhebungen), »die zwischen

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kontrollierbaren und unkontrollierbaren Sachverhalten« (Luhmann 1997: 525) unterscheidet, deren Scheitern also immer mitzudenken ist. Gegenstände, auf welche das organisierende Arbeiten verweist, aber auch ›Externalitäten‹ produzieren Abweichungen, Verzögerungen oder Unabwägbarkeiten, die zu bearbeiten sind. Über diese müssen Informationen vorliegen, die mitgeteilt und prozessiert werden müssen. Die Projektpläne geben diese Informationen (verändert) zurück und legen weitere Schritte fest. In der Aushandlung des Projekts werden verschiedene technische Fragen (Risiken, Kosten und Zeit) als Entscheidungen, Mitteilungen und Informationen verhandelt. Sie fließen in die performative Bearbeitung ein: Hier zeigt sich deutlich die Erzeugung oder Verschiebung von Symbolen in der Sinngenese. Organisierendes Arbeiten erzeugt Sinnstrukturen und diese entstehen in einer Relation zwischen Arbeit, Organisation und Gegenstand. 7.1.2 Relevanz und Grenzen Im Anschluss an die vorangegangene Argumentation ist der Mechanismus der Einbeziehung dieser Effekte wichtig, insbesondere für die Bearbeitung von externen Einflüssen, interne Probleme durch die Technik oder den Gegenstand. Organisierendes Arbeiten erzeugt neue Bindungen zu den entsprechenden Elementen. Daher bedeutet organisierendes Arbeiten auch die Zuschreibung von Relevanz und die (aktive) Grenzziehung. Hierfür ist ein weiterer Punkt immaterieller Arbeit zu betonen und auszubauen. Neben der Zeichenmanipulation (vgl. Atzert und Müller 2004: 11) stellt die »Modulation [. . .] mittels sprachlicher Leistungen« (Virno 1994/2010: 41) einen qualitativen Aspekt des organisierenden Arbeitens dar. In einem Arbeitskontext, welcher sukzessive auf die Kommodifizierung intellektueller Wissensarbeit setzt, wird die sprachliche und ethische Verwebung ersichtlich (vgl. Virno 2008c: 35 f., 2008b: 135). Der Einzug der Sprache in den postfordistischen Produktionsprozess bedarf linguistischer Kompetenzen, welche einen Typus von Subjekten mit »ästhetische[r] Komponente« (Virno 2008c: 31) erfordern. Greifbar wird dies in der Relation des organisierenden Arbeitens: Die Arbeit als Tätigkeit hat als Hauptziel nicht (nur) die Fertigstellung eines Gutes; sie eignet sich auch äußere Aufgaben an: »Wenn die Arbeit Aufgaben der Überwachung und Koordination erfüllt, oder wenn sie ›neben den Produktionsprozess [tritt; P. V.], statt sein Hauptagent zu sein‹ [. . .], bestehen ihre Aufgaben nicht mehr in der Erreichung eines einzelnen, besonderen Ziels, sondern in der Modulation (sowie in der Veränderung und Intensivierung) der sozialen Kooperation, d. h. des Gesamten der Beziehungen und systemischen Verbindungen« (Virno 1994/2010: 40 f., Hervorhebungen im Original; Zitat aus Marx 1983: 601).

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Für organisierendes Arbeiten sind Grenzarbeit und Sinnstiftung wichtig. Die aktive Strukturerzeugung ist das Grundgerüst. Auf ihm werden zentrale sinnstiftende Aktivitäten angesiedelt und ausgeführt – als Bezeichnungspraxis. Neben die Zeichenverschiebung tritt also auch der konstituierende Akt des Bezeichnens. Hieran zeigt sich das tätige Organisieren mittels der Herstellung von Relationen. Aus dem System der Differenzierungen wird durch die Grenzziehung die eigentliche Identität erst konstituiert. Praktisch heißt dies, dass im Plan erst durch den Ein- oder Ausschluss von Einheiten der konkrete Prozess, in welchem die Arbeit verläuft, hergestellt wird. Was für ein Projekt relevant ist, muss identifiziert und eingeplant, das heißt integriert werden. Dieser Akt bedeutet eine Zeichenverschiebung. Er offenbart die Schnittstelle, welche Virnos Argument einer sprachlich-ethischen Konzeption des Postfordismus umschreibt: Die Essenz der qualitativen Transformation der Wirtschaft und der Gesellschaft muss auf einer tiefergehenden Ebene analysiert werden, die auch Linguistik und Sprache, Ethik, Werte und Normen erfasst – also im Wesentlichen auf einer sozial-philosophischen Ebene. Eine alleinige Deutung der sozio-strukturellen Veränderungen bleibt auf einer oberflächlichen Interpretationsebene stehen. Transformation durch Sprache verändert die Zusammenhänge von Arbeit und Organisation. Sie ist Voraussetzung für das Organisieren sozialer Kooperation in Projekten, für die Zeitpläne und die Bezüge, welche durch sie eingefangen werden. Wenn die Arbeit neben den Produktionsprozess tritt, und auf die Kooperationskonstellationen einwirkt, dann ist der Kern dieser Arbeit, das (Neu-)Arrangement der Arbeitsorganisation, das Einwirken auf die ›Zusammenarbeit‹ in einem Projekt; Arbeiten ist dann organisierend. In der relationalen Bindung von Arbeit, Organisation und Gegenstand manifestiert sich die Zeichenverschiebung, denn die Planung ist nicht materielle Arbeit; sie ist nicht – wie die Arbeit am Gegenstand – inkommensurabel. Das heißt, die organisierende Arbeit ist strukturell übertragbar. Sie funktioniert auch in einem anderen Kontext, nämlich als organisierende Arbeit. Organisierendes Arbeiten ist somit das Bezeichnen und das Modulieren von Bezeichnungen. Genauer lässt sich dieser Prozess sprachlicher Modulation durch eine Verbindung zur Empirie auskleiden: Ich habe – angelehnt an eine sprachphilosophische Interpretation – vier grundlegende Mechanismen der Strukturerzeugung herausgearbeitet. In den (abstrakten) Tätigkeiten des Definierens, Analysierens, Planens und Entscheidens liegt ein substanzieller Mechanismus der ›Relevanz‹ (oder Irrelevanz) eingesteht und somit Einfluss auf das Projekt nimmt (oder nicht). Wie weiter oben erwähnt, ist diese Zuschreibung für die Einbeziehung in die Planung wichtig. Erst wenn ein Aspekt als relevant erachtet wird, kann er Gegenstand weiterer intervenierender Maßnahmen und insbesondere Gegenstand der Kommunikation werden. So wird ihm Sinn zugeschrieben, nämlich die Eventualität, einen Unterschied im Projektverlauf hervor-

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zurufen. An einer Stelle findet sich der Begriff der »relationalen Tätigkeit«, die »verschiedenste Arten der Kommunikation und Beziehung ein[schließt; Y. K.]« (Bologna 2006: 10, ohne Hervorhebungen). Anders als mein Vorschlag, von einem relationalen Arbeitsbegriff zu sprechen, meint Sergio Bolognas Interpretation konkreter das soziale In-Beziehung-Setzen als Tätigkeit. Das ist mit meiner Vorstellung zwar kompatibel, aber nur ein Teil der Bedeutung. Die verschiedenen Arten der Kommunikation und Beziehungen sind weiterzudenken: Gerade die Beziehungen sind es, welche den eigentlichen Sinn erst hervorbringen – ganz im Sinne einer sozio-materiellen Semiotik (vgl. Akrich und Latour 1992). Der Clou liegt in der Analyseperspektive, die sich auf die Sinngenese bezieht: Semiotik meint in diesem Zusammenhang die Analyse der Erzeugung von Sinn. Hierbei wird Sinn als nicht-linguistisch betrachtet, das heißt, er ist nicht-textlich, sondern ergibt sich semiotisch aus der Beziehung zu anderen Elementen – er ist kontextuell. In der Untersuchung der Ordnungserzeugung liegt die Quintessenz: »how one privileged trajectory is built, out of an indefinite number of possibilities« (ebd.: 259). Dabei geht die Untersuchung jedoch über den klassischen linguistischen Semiotikbegriff hinaus. In ihrem Verständnis ist die Semiotik nicht nur auf Zeichen – und dadurch Soziales – beschränkt; vielmehr wird auch die Relation zwischen Zeichen und Objekten, Dingen, zu ihrem Gegenstand. Bedeutung ist zweierlei zu lesen: Sie ist Einschreibung und Beschreibung, »in-scription« und »de-scription« (Akrich und Latour 1992: 259; siehe auch Akrich 1992). Zusätzlich muss der Aspekt mitbedacht werden, dass es eben auch Teil der Tätigkeit ist, bestehende und sich verändernde Relationen für den Arbeitsprozess greifbar zu machen: Die teilweise komplexen und verstrickten Beziehungen und Wirkungszusammenhänge müssen aufgeschlüsselt werden. Der Wissensaspekt immaterieller und intellektueller Arbeit wird hier sichtbar, denn sie ist im Wesentlichen auch interpretative Arbeit. Der Sinn, der durch die eingestandene Relevanz gewährt wird, muss interpretiert und gedeutet werden. Die Leistung der Angestellten in Projekten ist im Sinne des organisierenden Arbeitens eine zweifache: Neben der Einschreibung müssen sie auch die Beschreibung beherrschen. Mit den Worten Latours und Akrichs gesprochen, sind sie Ingenieur_innen und Wissenschaftler_innen gleichermaßen. Funktion und Sinn werden durch sie zugeschrieben, eingeschrieben und eingearbeitet ebenso wie entschlüsselt, beschrieben und interpretiert. Die Nähe zur immateriellen Arbeit als Symbolverschiebung ist offensichtlich, aber auch zur Sinnerzeugung. Organisierendes Arbeiten siedelt sich in den Relationen aus Arbeit und Organisation an, in welchen Sinn ›gemacht‹7 wird. Dieser Sinn kann

7 | Nach dieser falschen Übersetzung ist Sinn performatives Ergebnis eines Deutungsprozesses – im Englischen ›to make sense‹ (vgl. Weick 1995b; Weick, Sutcliffe und Obstfeld 2005).

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als einfache Anschlussmöglichkeit betrachtet werden (vgl. Luhmann 1987: 96 f.). Sinn entscheidet daher letztlich über die Relevanz bezüglich spezifischer Ereignisse, Aspekte, Objekte oder Subjekte; eben über alles, was einen Unterschied machen könnte. Gleichermaßen ist es die Relevanz, die den Dingen einen spezifischen Sinn zuschreibt. Im Konjunktiv liegt die Verbindung zur Soziologie der Assoziation Latours: Aktanten nehmen Einfluss (vgl. Latour 2005: 46). Zusammengefasst sind Sinn und Relevanz die Identifikation von zu bearbeitender Ungewissheit. Die Begriffe sind notwendigerweise vielschichtig: Sie betreffen Komplexität, Uneindeutigkeit, Mehrdeutigkeit, Ambivalenz, eben das, was organisiert werden muss, um es als Teil der Arbeit (be-)greifbar zu machen. Die Rahmen der Arbeit müssen generiert werden: Grenzarbeit beschäftigt sich mit dem Problem, festzulegen, an welchem Punkt ein Außen konstituiert wird. Jenseits der festen Organisation muss ein Verfahren gefunden werden, mit dem die Arbeit eingegrenzt wird – das, was einen Unterschied machen könnte, auch einmal Unterschied sein zu lassen und Uneindeutigkeit sowie Ambivalenz zuzulassen.8 Im strengen Sinne verstößt dies gegen die Grundsätze des Projektmanagements: Alles muss eingeplant, bedacht, behandelt werden, was Einfluss geltend machen könnte – auch wenn dieser erst spät bis gar nicht sichtbar wird. Es findet sich tatsächlich in der Projektmanagementliteratur kein direkt formulierter Zwang, aber ein normativer Anspruch, diesem Ideal gerecht zu werden. Das eine ist nicht das andere; und doch gilt, was auch für die Beobachtung gilt: Sie schließt immer notwendigerweise aus; sie übersieht, was sie nicht fokussiert. Beobachtung ist die Einheit der Differenz aus Unterscheidung und Bezeichnung. Damit wird angedeutet, dass in der Unterscheidung die unterschiedene Seite die ausgeschlossene Seite bezeichnet (vgl. Spencer-Brown 1997: 1; Luhmann 1987: 100, 1992: 79). Im Prozess dieser Strukturgenerierung lässt die Bezeichnungspraxis (in einem sprachphilosophischen Sinne) oder die Beobachtung (in einem systemtheoretischen Sinne) immer etwas aus und generiert Ambivalenz und Unbestimmbarkeit (vgl. Bauman 1992). Die Grenzarbeit als Teil der organisierenden Arbeit, ist notwendig, um dieser Ambivalenz beizukommen und auch den nicht bezeichneten, nicht beobachteten Teilen Stück für Stück Relevanz einzuräumen, wenn ihre Präsenz nicht mehr von der Hand zu weisen sind. Immateriell ist diese Arbeit auch dahingehend, dass sie sich um den 8 | Zygmunt Baumans These, dass das modernistische Prinzip der stetigen Differenzierung gegen die Unbestimmtheit zu immer neuen Ambivalenzen führt, wird an dieser Stelle verständlich (vgl. Bauman 1992). Für Projekte – und allgemein – führt dieser Vorgang nie zu einem Endergebnis und jeder Versuch, Unbestimmtheit auszuschließen, produziert weitere Unsicherheit. Grenzarbeit findet somit nie ein Ende, nur einen weiteren Punkt, von welchem aus neu abgegrenzt werden muss.

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Sinn ihrer selbst kümmert und als Teil der organisierenden Arbeit den Sinn, den sie zu bearbeiten sucht. Im Kontext der Grenzarbeit legt die Arbeit die Blickrichtung fest; sie lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was von ihr in weiterer Instanz mitgedacht und bearbeitet werden muss. Das organisierende Arbeiten aktualisiert seine Inhalte. Weiter findet sich organisierendes Arbeiten in der Relation aus Arbeit und Organisation. Das eine hängt immanent mit dem anderen zusammen. Das Produktionsmittel ist Wissen, das Ergebnis selbst ist die Grundlage für die Erbringung dieser Arbeit. Die Bezüge bleiben aber ebenso wie die Produkte materiell. In Projekten tritt aber neben der Arbeit an der Leistung auch noch die Arbeit an den Bedingungen dieser Arbeit auf den Plan – eine Arbeit an sich selbst, an der Organisation – wie ich mit Dirk Baecker (2002) bereits eingeführt habe. Hier liefern die Terminologie und der Blick postoperaistischer Untersuchungen auf Arbeit Erkenntnisse über die Arbeitsinhalte und gehen somit über die prägenden Befunde der Arbeitssoziologie hinaus. Dies ist eine zentrale Bedingung, um die konstatierte Begriffsleere selbstorganisierter Arbeit zu vermeiden. Darüber hinaus muss die Betrachtung organisierenden Arbeitens auch den organisationalen Charakter mitdenken. Hier kommt der primäre Organisationsmechanismus ins Spiel, welchen ich im nächsten Unterkapitel als Zeitbezug diskutiere. Dabei ist die Gestalt der Arbeit als immaterielle Arbeit immer noch mitzudenken. Sie ist im strengen Sinne die Form der Arbeit und somit mehr als nur eine neue Qualität. Die Arbeit und das Arbeiten sind einer neuen Logik unterworfen, die den klassischen Beziehungen der Arbeit ebenso zuwiderläuft wie den klassischen Beziehungen zur Organisation, indem die Form und der Inhalt zusammenfallen. 7.1.3 Zwischenfazit I: ›Produkte‹ des organisierendes Arbeitens In diesem ersten Abschnitt habe ich dargestellt, wie organisierendes Arbeiten immaterielle Produkte erzeugt. Die Interpretation macht sichtbar, dass es sich um eine Arbeit an immateriellen, das heißt spezifisch konstituierten Gegenständen handelt. Neben den ›klassischen‹ Inhalten dieser immateriellen Arbeit, – Kommunikation, Affekte und Zeichenmanipulation – ist die zusätzliche Bedeutung der aktiven Begrenzung der (eigenen) Arbeit, des Gegenstands und der Reichweite der Planung und der Organisation deutlich geworden. Organisierendes Arbeiten ist eine spezifische Form mit spezifischem Inhalt. Während der Formwandel in der Arbeitssoziologie breit diskutiert wird, bleibt der Arbeitsinhalt zunehmend auf der Strecke – die Diagnose gestiegener Selbstorganisation bezieht sich nicht nur auf die Form, sondern auch auf die konkrete Tätigkeit der Arbeit, welche nicht ausreichend beachtet wird. Die Erkenntnis aus der Argumentation ist, dass organisierendes Arbeiten sinnstiftend wirkt, indem es Relevanz erzeugt. Das heißt, der Arbeitsprozess erfasst und be-

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wertet stetig neu auftauchende und bereits vorhandene Aktanten und evaluiert deren Möglichkeit, Einfluss auf das Projekt zu nehmen. Hierdurch zieht das organisierende Arbeite aktiv Grenzen und betreibt Abgrenzungsarbeit. Sozialtheoretisch ist dies nahe an einem Moment konstitutiver Identitätsstiftung: Das Projekt wird aktiv und kontinuierlich immer wieder neu erfasst, begrenzt und ausgedehnt. Dabei folgt der Prozess der antizipierten und eingeräumten Potenzialität, einen Unterschied zu machen. Die zu Beginn des Abschnitts als Relationalität eingeführte Gestalt des organisierenden Arbeitens spiegelt sich in diesen Punkten wider: Ein Teil der Relationalität zwischen Arbeiten und Organisieren wurde bereits vorweggenommen, ein anderer in den Bezügen zu den Gegenständen und den Zielen der Projekte eingeführt. Die Wirkungsweise dieser drei Aspekte findet sich in den Mechanismen der Sinnstiftung und Interpretationsarbeit – im Einschreiben und Auslesen von Relevanz, in der aktiven Bezeichnung von Aktanten, um sie in die Projektpläne einzuschreiben und mit Gewicht zu versehen. Als semiotische Assoziation werden Relevanz, Bedeutung und Grenzen miteinander in Bezug gesetzt und mobilisiert. Organisierendes Arbeiten übernimmt dieses Verknüpfen als eine abstrakte Tätigkeit kognitiv in der Projektplanung.

7.2 Z EITBEZUG ORGANISIERENDEN A RBEITENS Projekte sind befristete Vorhaben. Aus der Empirie hat sich gezeigt, dass der Zeitbezug allgegenwärtig und vor allem sehr wirkmächtig ist; zumal er im Begriff der ›befristeten Organisation‹ angelegt ist. Zeit wird in Projekten bearbeitet und ist Grundlage für die Organisation. Praktisch wird dies im Planbezug sichtbar, welcher die Aufgaben ordnet, arrangiert und ihnen in Form von Fristen, Meilensteinen oder in Abhängigkeit zu anderen Aufgaben Dringlichkeit verleiht. Der Zeitbezug in Projekten macht somit eine Erfassung und Bearbeitung von Zeitstrukturen notwendig, die performativ in den Arbeitskontext und die Organisationsplanung einfließen. Zeit und Zeitlichkeit sind nicht nur Anzeichen für die Endlichkeit der Organisation, sie werden gleichermaßen zum strukturellen Kern des organisationalen Aufbaus. Sie sind Ordnungsprinzip, nach welchem Projekte geplant werden. Zeit hat Infrastrukturcharakter, indem sie zum einen – wie Niklas Luhmann (1981: 347) es ausgedrückt hat – Realität bereitstellt und zum anderen eine ›Hierarchie‹ in Form einer Abfolge erzeugt. Ersteres verdeutlicht, dass die akute Realität durch den Ist-Zustand der Zeit dargestellt wird, die zeitlichen Schranken zwischen Aufgaben oder Meilensteinen eine Bezugsgröße erhalten und im Mangel oder Überschuss der Zeit sichtbar und erfahrbar werden. Letzteres macht die Strukturfunktion deutlich, denn in zeitlichen Einheiten lassen sich Aufgaben – insbesondere solche, die aufeinander aufbauen –

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anordnen; sie müssen gerade in einem zeitlichen Horizont erscheinen, denn erst mit dem Ende der einen kann die andere begonnen werden. Zeit kommt, in einem notwendigerweise abstrakten Verständnis, diese ordnende und strukturierende Funktion zu. Als Infrastruktur verbindet sie nicht nur verschiedene Elemente, sie setzt diese auch in ein Verhältnis. Dieses ist konstitutiv für die soziale Wirklichkeit in Projekten: Es generiert Bedeutungen durch die Relationierung. Durch das In-Bezug-Setzen entsteht ein Deutungshorizont, in welchem die Akteure befähigt werden, strukturierend – in diesem Sinne auch organisierend und arbeitend – zu agieren und tätig zu werden. Zeitlichkeit und Zeit folgen dabei dem Prinzip, die heterogenen Elemente in einem Projekt in Bezug zu setzen und Geschlossenheit zu konstituieren. Mit den Worten Foucaults gesprochen, ist der Infrastrukturcharakter der Zeit das Dispositiv. Es ist Element strategischer Beziehungen, das auf einen Notstand reagieren soll, nämlich den Notstand, ein knappes Zeitfenster, einen festen Übergabezeitpunkt zu haben: »Sie ist da, und sie ist knapp« (Rosa 2009: 44, ohne Hervorhebungen). Der Zeitbezug ist nicht nur an diesem Punkt deutlich sichtbar, denn als Prozess vollzieht sich das organisierende Arbeiten ebenso in einem konkreten Zeithorizont. Der Prozesslogik ist der Zeitbezug inhärent – somit ist die enge Verknüpfung an eine strukturierende und ordnende Komponente der Zeit unumgänglich, um den Prozess an sich zu verstehen. Darüber hinaus ist aber der intervenierende, konstitutive Charakter der Zeit nicht von der Hand zu weisen. Zeit produziert nicht nur ein Orientierungsraster, welches eine Kategorisierung entlang eines bestimmten Schemas suggeriert, beispielsweise davor/danach oder dann/dann/dann. Sie ruft auch Reaktionen hervor, sie unterbindet Reaktion, sie ist Ankerpunkt für spezifische Machtrelationen, die durch die Knappheit von Zeit beeinflusst werden. Zeit ist hier keine Ressource der Macht; vielmehr ist sie durch ihre Gestalt als ordnendes und organisierendes Prinzip machtvoll. Hier spielt Foucaults Machtanalytik eine wichtige Rolle, indem sie ihren Blick auf disziplinierende und kontrollierende Zugriffe auf Subjekte sowie die Genese von Subjektivität richtet. 7.2.1 Dispositive, relationale Materialität und Zeit Meine Betrachtungsweise von Zeit ergibt sich zum einen aus einer systemtheoretischen Position, in welcher Zeit das Produkt einer operativen Beobachtung ist, also in Praxis stattfindet. Zum anderen werden unterschiedliche Zeithorizonte in Projekten immer wieder von diversen Akteuren referenziert. Das Materielle generiert und trägt ebenfalls die Zeitlichkeit mit. Hier begründet sich ein Unbehagen, der Systemtheorie den alleinigen Deutungsanspruch über Zeithorizonte in Projekten zu überlassen, weswegen ich mich auf ein breiteres Verständnis ›des Sozialen‹ beziehe (vgl. Latour

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2005). Im Kern lenkt das Argument, Soziales nicht nur aus sich selbst heraus zu erklären, den Blick auf die konstituierenden Kräfte materieller, artifizieller und natürlicher Aspekte, die ebenso Einfluss auf den Prozess von Deutungsgenese, Sinn und Sozialem haben. Soziales ist vergänglich, es erhält sich nicht aus sich heraus am Leben – sein Konstruktionsprozess ist eine praktische und momentane Ordnungsgenese, die sich unter Umständen in Artefakte einschließt, in Objekte eingefasst wird, welche ›dem Sozialen‹ dabei helfen, zu überdauern. Zeit ist in diesem Kontext keine physikalische, sondern eine soziale, eine konstruierte Größe – Sozialität ist Zeitlichkeit. Als soziale Praxis ist der Beobachtungsprozess konstituierend für einen Zeitbegriff als soziales Konstrukt (und von den ausgeschlossenen physikalischen Attributen zu unterscheiden). Zeit bettet sich darüber hinaus in Artefakte ein, entweder aktiv oder passiv, überdauert so beispielsweise kurzlebige soziale Interaktion und wird beispielsweise für Organisationen referenzierbar. Die Bezugsrahmen werden gefestigt und ein Aufbau von organisationalen Strukturen wird möglich. Zeit gestaltet sich in Projekten als ein markanter Ankerpunkt sozialer Ordnung. Für organisierendes Arbeiten bedeutet dies, dass das zentrale Ziel strukturierender Effekte auf die Zeit als Deutungshorizont und als Möglichkeitshorizont verweist. Zeit ist in diesem Sinne eine Infrastruktur des organisierenden Arbeitens, in der Handlung in einen Kontext gerückt wird. In einem Dispositiv der (An-)Ordnung von Zeit sehe ich die Chance, zwei allgemeine Tendenzen der Zeitlichkeit in Projekten zu verknüpfen: erstens die schon angesprochene infrastrukturelle Bedeutung der Zeit und zweitens die spezifische Wirkung als Machtrelation, welche durch das Dispositiv vermittelt wird. Hier beziehe ich mich auf Foucault und die an ihn anschließenden Arbeiten, welche Dispositive als Regierungsmechanismen fassen. Zunächst: Was bedeutet es, Dispositive der (An-)Ordnung von Zeit zu betrachten? In aktuellen sozialwissenschaftlichen Diskussionen besteht ein Unbehagen an Dispositivbegriffen. In der kurzen Beschreibung Foucaults verbergen sich unterschiedliche Anknüpfungspunkte. So kann beispielsweise das Dispositiv als »Infrastruktur der Produktion eines Diskurses« (Keller 2001: 134) gelesen werden, mit einer Betonung der Vermittlung »als ›Instanzen‹ der Diskurse zwischen Diskursen und Praxisfeldern« (Keller 2005: 253). Weniger auf eine methodologische Festigung bedacht, argumentieren Bröckling und Krasmann (2010). Sie rücken die strategische Relation von Macht und Wissen in den Vordergrund. Dieser tragen sie in ihren Arbeiten zur Gouvernementalität Rechnung, denn ebendiese strategische Verschränkung von »Macht-Wissens-Formationen« (ebd.: 24) macht aus den Gouvernementalitätsstudien Dispositivanalysen. An anderer Stelle wird das Verhältnis zwischen diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken sowie Objektivationen (Vergegenständlichungen) stärker

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in den Vordergrund gerückt (vgl. Jäger 2006; Bührmann und Schneider 2007, 2008).9 Die Elemente sind heterogene Teile einer strategischen Intervention auf Subjekte und Dinge und beziehen sich auf ebensolche heterogenen Aspekte. Giorgio Agamben verweist auf die jeweils sprachlichen und nicht-sprachlichen juristischen, technischen und militärischen Bedeutungen des Dispositivbegriffs, deren Zusammenspiel »unmittelbare Effekte« (Agamben 2008: 17) erzeugt. Agamben vertritt eine sehr breit angelegte Interpretation des Dispositivbegriffs, die einigen Platz einräumt, um theoretische wie praktische Bezüge herzustellen. Die Verbindung heterogener Elemente geschieht in Projekten mit dem Ziel, die Zeithorizonte abzugleichen – und in diesem Sinne ist das Dispositiv der Zeit als Repräsentation des Vorhabens zu interpretieren, das die einzelnen Fäden verbindet. Des Weiteren ist unter der »Dringlichkeit« eines Projekts die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten (Luhmann 1971) zu verstehen. Die strategische Form, die das Dispositiv nach Foucault prägt, betrifft die Planbarkeit und die Einteilung von Zeit, wie sie in Planungsprinzipien praktiziert werden. Das Dispositiv der (An)Ordnung der Zeit zu erforschen, knüpft an Gilles Deleuzes Aufforderung an: »Will man die Linien eines Dispositivs entwirren, so muß man in jedem Fall eine Karte anfertigen, man muß kartographieren, unbekannte Länder ausmessen« (Deleuze 1991: 153). Keine geografische Karte, sondern ein Zeitplan wird benötigt, eine Übersicht über die Termine und Vorgänge. Zusätzlich braucht es eine Idee, wie diese Zeithorizonte konstituiert sind: Was fügt sie zusammen? Was trennt sie auf und wie wird auf sie Bezug genommen? Ich habe bereits auf die Idee verwiesen, dass es in Projekten um die Entstehung von Ordnung handelt, die durch menschliche sowie nichtmenschliche10 Akteure angestoßen wird (siehe Kapitel 6.2). Wird dieses Argument ernst genommen,11 so sollte der Dispositivbegriff neben einer diskursiv-sprachlichen Dimension auch die sozio-technische und natürliche Dimension berücksichtigen, wie Silke van Dyk schreibt:

9 | Eine umfassende Diskussion der Beziehung zwischen Diskursanalyse, Gouvernementalitätsstudien sowie zur Nutzbarmachung des Dispositivbegriffs findet sich in Angermüller und Dyk (2010). 10 | Nicht-menschlich ist in diesem Zusammenhang keine wertende Zuschreibung, sondern beschreibt, dass neben den klassischen Handlungssubjekten, den Menschen, auch künstliche Artefakte, Natur oder Objekte im weitesten Sinne, über eine solche Handlungsmacht verfügen. 11 | Die Autoren Molloy und Whittington (2006), Linde und Linderoth (2006), Lanzara und Morner (2005) und Lindahl (2005) weisen darauf hin, dass eine solche durch das Erkenntnisinteresse der Akteur-Netzwerk-Theorie beziehungsweise der Soziologie der Assoziation angereicherte Perspektive gewinnbringend in die Organisationsforschung eingeführt werden kann.

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»Zunächst ist mit Latour zu lernen, dass es nichts Stummes im Diskurs gibt, dass also auch die vermeintlich stummen, da (zunächst) sprachlosen Entitäten einerseits (symbolische) Aussageformen annehmen und andererseits ein in die Materialität eingelassenes Skript aufweisen, das ›Aufforderungscharakter‹ erhalten kann« (Dyk 2010: 190).

Zeit wird in die Methoden und Techniken des Projektmanagements eingeschrieben – mehr noch, sie wird durch diese und durch die Personen, die in den Projekten arbeiten und sich mit dem Projekt befassen, hervorgebracht. Alle Aktanten bringen je eigene Zeithorizonte mit, die es zu synchronisieren gilt, um die gegenwärtigen Horizonte und Erwartungshaltungen aufeinander abzustimmen. Projektplanung und Projektarbeit sind, so habe ich gezeigt, eng aufeinander bezogen und verknüpft: Die Dynamik des Projekts wird durch iterative und oszillierende Bewegungen zwischen Realität und Plan vorangetrieben (vgl. Kalff 2014). Eine Überarbeitung des Plans ist notwendig und spinnt das Geflecht einer fiktiven Organisation ›auf dem Papier‹ neu. Der Plan ist Abbild, Zeitkarte des Vorhabens, nicht aber das Territorium oder gar die Zeitlichkeit. Pläne verändern die (An-)Ordnung der Zeit in den Projekten, indem der idealen Fiktion eine reale Situation gegenübergestellt wird. Die Materialität der organisationalen Infrastruktur eines Projekts muss sich erst in der Realität bewähren; das heißt, der Plan steht immer in einem Spannungsverhältnis zur Realität, die er nie ganz einfangen kann. Das gelegentlich beschriebene Ende der Planbarkeit, verstanden als »Kritik einer Politik der Kybernetik« (vgl. Dell 2012: 99 f.), war gewissermaßen schon immer erreicht, denn der Plan verfehlte immer schon die Realität.12 Die performative (An-)Ordnung der Zeit erzeugt im selben Schritt eine Ablaufskizze, einen Zeitverlauf, in dem sie auf die zeitliche Strukturierung des organisierenden Arbeitens explizit zugreift. Zeit ist kein abstrakter Begriff. In Projektarbeit und -organisation findet sie sich in einem heterogenen Geflecht wieder, das die Zeitlichkeit festhält und vermittelt. Zeit ist in sozio-technische Artefakte eingeschrieben. Sie existiert unter zwei Vorbedingungen: Einerseits treffen Beobachtungen eine Unterscheidung in der Zeitdimension, andererseits wird dieser aufgespannte Horizont antizipierter zukünftiger Gegenwarten und realisierter vergangener Gegenwarten materiell festgehalten und damit abrufbar. Dadurch ist er anschlussfähig. Hier ergibt sich die Bedeutung der Zeitlich12 | Die von Dell (2012) vorgeschlagene Hinwendung zu einem Modell der Improvisation gegenüber langfristiger Planung kann dabei aber die Tragweite des organisierenden Arbeitens nicht vollumfänglich abdecken. Der Improvisation fehlt der normative Einschlag aus der entsprechenden Projektpraxis, die Leitsätze und die Ideen guter Projektorganisation, die auch in der Praxis nach wie vor wirkmächtig sind. Als Prozesskategorie beleuchtet die Improvisation auch nur unzureichend die Einflüsse auf strukturelle Aspekte der Arbeit.

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keit des Projekts als (Da-)Sein in der Zeit: Der zeitliche Horizont des Projekts ist in sozio-technische und sozio-materielle Assemblagen eingeschrieben. Gegenwart ist ein flüchtiger Moment. Die Einschreibung in einen Terminplan, ein Gantt-Diagramm, einen Zeitplan oder einen Projektstrukturplan hält ihn fest. Dahingehend ist ein Projektplan bereits bei Erstellung veraltet und überholt. Er ist nur eine gegenwärtige Zukunft, keine zukünftige Gegenwart. Als solche ist er schon passé, eine vergangene Gegenwart (vgl. Esposito 2007: 50 ff.). Hierin erklärt sich auch das Interesse an einem stark verwissenschaftlichten Projektmanagement, welches beispielsweise statistische Schätzverfahren einsetzt, um Pufferzeiten zu ›errechnen‹ (vgl. Corsten, Corsten und Gössinger 2008: 161). Elena Esposito beschreibt die Entstehung der Statistik im Zusammenhang mit Science-Fiction-Literatur. Beide hätten sich im Bewusstsein einer kontingenten Zukunft zeitgleich entwickelt. Sie stehen für die Sehnsucht nach einer abschätz- und vorhersagbaren Zukunft, die eine »sekundäre Form der Sicherheit« (Esposito 2007: 100) vermittelt. Als Theorie kommt der Wahrscheinlichkeitsrechnung in erster Linie eine »normative Funktion« zu: »Obwohl man die Zukunft nicht kennen kann, verspricht die Berechnung ihre Planbarkeit« (ebd.: 54). Abbildung 6 zeigt einen Gantt-Plan13 in einer Projektplanungssoftware. Was hier ersichtlich wird, ist die enge Verzahnung von Arbeitsaufgaben und deren Arrangement in Plänen. Die einzelnen Arbeitspakete werden arrangiert und geordnet, in der Zeit und in Abhängigkeit zu anderen Vorleistungen oder nachfolgenden Aufgaben. Hier wird der Dispositivcharakter der Zeit deutlich, denn in den Plänen findet sich die zeitliche Infrastruktur für die sachliche Erreichung des Projektziels unter Berücksichtigung sozialer Aspekte. Aus der Einschreibung verschiedener Informationen in einen Plan (also in Materialität) ergeben sich einige Implikationen: Zunächst wird, wie bereits angesprochen, der Zeithorizont für die Aufgaben festgeschrieben, zum anderen entsteht durch den Terminplan eine Verbindlichkeit in der Zeitdimension, eine Frist. Das Überschreiten der Frist zieht ein Entgleisen aus der vorgefertigten ›idealen‹ Bahn nach sich. Die Gleis-Metapher greift an diesem Punkt nicht zuletzt auch, da sie in der Praxis häufig bemüht wird (vgl. IP5, Absatz 14). Etwas Entgleistes lässt sich mit Aufwand wieder auf die Schiene bringen. Im weiteren Schritt werden Routinen und Handlungsprogramme abgerufen, um die Planung zu korrigieren. Was beschrieben werden kann, ist das in einer Krise aus-

13 | Benannt nach Henry L. Gantt, einem US-amerikanischen Ingenieur. Dieser arbeitete mit Frederick W. Taylor zusammen und gilt als ein Mitbegründer des Scientific Management. Das Gantt-Diagramm ist also keine ›Erfindung‹ moderner Projektorganisation, sondern ein Produkt der standardisierten, dequalifizierten Massenproduktion, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die industrielle Produktion prägte.

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Abbildung 6: Projektmanagement-Software P ROJECT L IBRE

Quelle: ProjectLibre, http://www.projectlibre.de

gelöste Programm, welches als Funktion in das Artefakt oder den Prozess eingeschrieben wurde. Beispielsweise produziert die Überschreitung einer Frist eine Krise, welche die beiden Programme Objektivität und Verbindlichkeit in Handlungsanweisungen übersetzt, den Plan umzuschreiben und auf die Störung zu reagieren. Während die Einschreibung durch die Aktanten vorgenommen wird, welche sich der Pläne instrumentell bedienen, ist die Beschreibung der kriseninduzierte Beobachtungskontext der Wissenschaft: »The de-scription is possible only if some extraordinary event – a crisis – modifies the direction of the translation from things back to words and allows the analyst to trace the movement from words to things« (Akrich und Latour 1992: 260). Erst aufgrund einer antizipierten oder erfahrenen Abweichung kann der Zeitplan ›übersetzt‹ und eine Abweichung artikuliert werden, aus der sich eine Kette von Aktionen ergibt, die wiederum Eingang in die Planung findet. In der Projektarbeit wird das Beschreiben der Pläne ebenso wichtig wie das Einschreiben in die Pläne. Organisierendes Arbeiten erbringt in diesem Horizont beide Leistungen: Es interpretiert und es modifiziert die Einschreibungen. Als Funktionen stellen sie Objektivität, Sichtbarkeit und Verbindlichkeit her und generieren damit einen Orientierungsrahmen der Arbeit, nämlich eine vorläufig fixierte, aber doch fragile Organisation. Zeitlichkeit in Projekten ist somit auch ein materieller Faktor, der durch die Einschreibung erzeugt und referenziert wird. Die vorrangige Bedeutung stellt die Abbildung der Zeit dar, welche nach bürokratietheoretischer Logik Sichtbarkeit, Vorhersagbarkeit sowie Zurechenbarkeit herstellt. Projektmanagementwerkzeuge erfüllen

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ebendiese Vorgaben, indem sie sie in der Zeit ordnen und die Anordnung referenzierbar machen. Sie erzeugen die Zeitlichkeit des Projekts, das Sein in der Zeit. Für organisierendes Arbeiten ist diese Bezugsfähigkeit von Bedeutung, da insbesondere die organisationale Strukturierung in der Zeit geschieht und diese Zeitlichkeit bindet. Insofern ist auch der Bezug auf Stochastik und Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht außergewöhnlich, sondern entspricht dem Ziel, die Kontingenz der Zeit auszuhebeln, um– in der Sprache der Sozio-Semiotik Akrichs und Latours – die Genese eines bestimmten Pfads zu forcieren. Auch wenn Projektmanagement die kontingente Zeit schließen will, um nur eine Möglichkeit offenzulassen, ist der Zeitbezug beim organisierenden Arbeiten gerade deshalb von essenzieller Bedeutung. Im Arbeiten wird dieser Bezug wechselseitig re-aktualisiert, indem auf objektivierte, verbindliche Pläne Bezug genommen wird, aber auch, indem diese überarbeitet, neu geschrieben und verworfen werden. Das Dispositiv der (An-)Ordnung von Zeit ist daher nichts transzendent Gegebenes; es ist gleichermaßen Produkt und Voraussetzung des Prozesses des organisierenden Arbeitens. Durch die Einschreibung erfährt es Wirkmächtigkeit und ist somit ebenso durch die relationale Trias zwischen Arbeit, Organisation und Gegenstand geprägt (siehe Abschnitt 7.1). Im folgenden Abschnitt wird ein größeres Augenmerk auf Zeit als Regierungsrationalität gelegt. Das heißt, die Effekte einer Materialisierung von (geplanter) Zeit werden in das Zentrum der Analyse gerückt. 7.2.2 Gouvernementalität, Disziplin und Kontrolle Dispositive der (An-)Ordnung von Zeit sind symptomatisch für organisierendes Arbeiten. Sie erzeugen eine Infrastruktur zwischen heterogenen Gesamtheiten. In Anlehnung an Giorgio Agamben ist ein Dispositiv, »eine Maschine, die Subjektivierung produziert, und nur als solche ist es auch eine Regierungsmaschine« (Agamben 2008: 35). Dispositiv und Gouvernementalität sind verbunden. Diese Setzung ist uneindeutig und provoziert Kritik. Beispielsweise sei dieser weitgefasste Dispositivbegriff für eine soziologische Analyse »bemerkenswert unklar« (Bührmann und Schneider 2010: 263). In der Verbindung zu Foucaults Subjektbegriff bestehe allerdings die Möglichkeit, über Foucaults vagen Dispositivbegriff hinaus zu gehen (vgl. ebd.: 263 f.). Hierin liegt der Kern, in welchem sich das Dispositiv der (An-)Ordnung von Zeit als Regierungsmechanismus auf die Subjekte auswirkt und dabei im Sinne Foucaults zur Gouvernementalität anwächst. Das hier zu entwickelnde Argument verbindet also eine programmatische Ebene der Gouvernementalität mit einer praktischen Ebene, in der die Subjekte durch das Programm beeinflusst werden, aber ebenso auf die Programme einwirken, sie verändern oder schlicht scheitern lassen. Wenn also im Folgenden von Gouvernementalität geschrieben wird, so meint dies nicht unhintergehbare, all-

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mächtige Programme: »Programme [gehen; Y. K.] stets auch fehl, zwischen ihrem Anspruch und ihren Effekten klafft eine Lücke [. . .]. [. . .] [D]as Regierungswissen ist stets auch ein irrendes, unzureichendes oder scheiterndes Wissen« (Bröckling und Krasmann 2010: 25). Deshalb setzen die Gouvernementalitätsstudien auch auf keine zentrale Form der Rationalität, sondern auf verschiedene »Rationalitäten des Regierens« (ebd.: 25, Hervorhebung im Original). Wichtig ist die Begründung, durch die Techniken, Strategien oder Handlungen legitim werden, welche Wissensformen sie rechtfertigen und welche Machteffekte hieraus evoziert werden. Foucaults fasst Gouvernementalität als dreiteiligen Begriff: »Ich verstehe unter ›Gouvernementalität‹ die aus den Institutionen, den Vorgängen, Analysen und Reflexionen, den Berechnungen und den Taktiken gebildete Gesamtheit, welche es erlauben, diese recht spezifische, wenn auch sehr komplexe Form der Macht auszuüben, die als Hauptzielscheibe die Bevölkerung, als wichtigste Wissensform die politische Ökonomie und als wesentliches technisches Instrument die Sicherheitsdispositive hat. Zweitens verstehe ich unter ›Gouvernementalität‹ die Tendenz oder die Kraftlinie, die im gesamten Abendland unablässig und seit sehr langer Zeit zur Vorrangstellung dieses Machttypus geführt hat, den man über alle anderen hinaus die ›Regierung‹ nennen kann: Souveränität, Disziplin, und einerseits die Entwicklung einer ganzen Serie spezifischer Regierungsapparate [und andererseits] die Entwicklung einer ganzen Serie von Wissensarten nach sich gezogen hat. Schließlich denke ich, daß man unter ›Gouvernementalität‹ den Vorgang oder vielmehr das Ergebnis des Vorgangs verstehen sollte, durch den der mittelalterliche Staat der Gerichtsbarkeit, der im 15. und 16. Jahrhundert zum Verwaltungsstaat wurde, sich nach und nach ›gouvernementalisiert‹ hat« (Foucault 2006a: 162 f., Einfügung im Original).

Als ersten Punkt benennt er eine heterogene Gesamtheit (vgl. das Dispositiv bei Foucault 1977/2003c: 392), welche eine Grundlage für die Machtausübung über einen bestimmten Gegenstand darstellt. Das Ziel der Machtbeziehung, welche durch diese erste Facette von Gouvernementalität konstituiert wird, ist ein abstrakter Begriff von Bevölkerung, welchen Foucault in Bezug auf einen Souverän entwickelt. Als zweiten Punkt sieht er den spezifischen Machttypus der Gouvernementalität und wie sie sich durchsetzt: »Machtausübung besteht darin, ›Führung zu lenken‹, also Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit von Verhalten zu nehmen« (Foucault 1982/2005b: 286). Im Prozess der Gouvernementalisierung, Foucaults dritter Punkt, hat sich die Bevölkerung als berechenbare, statistische Größe entwickelt, auf deren Wohlergehen und Wachstum der souveräne Herrschaftsanspruch ruht (vgl. Foucault 2006a: 113 f.): Bevölkerung wird verwaltet. Der Anspruch, qua Territorium zu regieren, erschöpft sich und geht über auf die Bevölkerung als »Öffentlichkeit«, welche nun als Humankapital effizient für nationalökonomische Belange umsorgt werden soll (Foucault 2006a: 115, 1981/2005a: 229). Foucault rekonstruiert den Niedergang souveräner Macht, die

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darin bestand, »sterben [zu] machen« und das regierte Subjekt aufgrund des Verstoßes gegen den Souverän selbst zu richten. Die Korrektur von Abweichung, das »leben [. . .] machen«, wird Ziel einer kontrollierenden Intervention der Regierung (Foucault 2001: 291). Dieser Übergang beschreibt, im Vokabular Foucaults, die Entstehung der Biopolitik. Die Regierung erlaubt, »zugunsten des Lebens zu intervenieren und auf die Art des Lebens und das ›Wie‹ des Lebens einzuwirken« (ebd.: 292). Das Ziel der Regierung ist die ›gesunde‹ Bevölkerung, in einem liberalen Selbstverständnis: »Die neue Regierungskunst stellt sich also als Manager der Freiheit dar, und zwar nicht im Sinne des Imperativs: ›Sei frei‹, was den unmittelbaren Widerspruch zur Folge hätte, die dieser Imperativ in sich trägt. Es ist nicht das ›Sei frei‹, was der Liberalismus formuliert, sondern einfach Folgendes: ›Ich werde dir die Möglichkeit zur Freiheit bereitstellen. Ich werde es so einrichten, daß du frei bist, frei zu sein‹« (Foucault 2006b: 97, eigene Hervorhebungen).

An dieser Schnittstelle lässt sich ein Übergang rekonstruieren, welcher mit der ›Entdeckung‹ der Regierungskünste einhergeht. Während in Überwachen und Strafen Foucault die souveräne Macht als Vergeltung an den Delinquenten aufgrund ihrer Verstöße gegen die Souveränität betrachtet, entwickelt sich in der Moderne eine Form der Disziplinarmacht, die der »Herstellung eines leistungsfähigen Apparates« (Foucault 1994: 212) dient. Dieser Machtmechanismus beschränkt sich nicht auf die Gefängnisse, er geht weit über sie hinaus, in die Schulen, das Militär oder die Fabriken, um die gesellschaftlichen »Mechanismen des Ein- und Ausschlusses« (Hardt und Negri 2002: 38) sicherzustellen. Die Nähe zur vorangegangenen Beschreibung immaterieller Produktion und der Fabricca Diffusa wird hier besonders sichtbar (vgl. Abschnitt 7.1.1). Das Grundproblem Foucaults ist das Zusammenspiel von wachsender individueller ›Freiheit‹ und notwendiger Kontrolle: »Die ›Aufklärung‹, welche die Freiheiten entdeckt hat, hat auch die Disziplinen erfunden« (Foucault 1994: 285). So sollen durch räumliche, zeitliche und seelische ›Erziehung‹ (anstelle von Bestrafung) mündige Subjekte erzeugt werden. Dies nehmen Lindgren und Packendorff (2006a: 126) zum Anlass disziplinierendes Projektmanagement analog zu Disziplinarmacht im Gefängnis zu interpretieren (vgl. Kapitel 3.2.2). Die Entstehung einer (neo-)liberalen Regierungsideologie, welche weniger auf die starre und einschließende Disziplin setzt, sondern den Aspekt der Ermöglichung der Freiheit betont, zeugt von einer anderen Machtform, die Foucault als Kontrollmacht begreift.14 14 | Kontrastierend zu seinem bisherigen Forschungsinteresse spricht Foucault auch von einer »nicht-disziplinären Macht« (Foucault 2001: 286), welche »die Disziplinartechnik nicht ausschließt, sondern sie umfaßt, integriert, teilweise modifiziert und sie vor allem benutzen wird, indem sie sich in gewisser Weise in sie einfügt« (ebd.: 285).

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Der Übergang von Disziplinar- zu Kontrollgesellschaft ist entscheidend in Foucaults Werk (vgl. Deleuze 1990/1993). Dabei ist die Kontrollgesellschaft »die Intensivierung und Verallgemeinerung der normalisierenden Disziplinarmechanismen«, welche sich »über die strukturellen Orte sozialer Institutionen hinaus durch flexible und modulierende Netzwerke aus[breiten; Y. K.]« (Hardt und Negri 2002: 38). Die Formen der Machtausübung wirken weniger körperlich, sondern werden internalisiert.15 Mit ihnen steigt die Bedeutung von Sicherheit als zentrales Produkt eines tätigen Regierungsmechanismus: »Die wesentliche Funktion der Disziplin ist es, alles zu unterbinden, sogar und vor allem die Kleinigkeit. Die Funktion der Sicherheit ist es, sich auf Kleinigkeiten zu stützen, die man nicht als gut oder als schlecht an sich bewertet, die man als notwendige, unvermeidliche Vorgänge nimmt, als Naturvorgänge im weiteren Sinne« (Foucault 2006a: 74).

Im Rahmen der Projekte und des organisierenden Arbeitens sind der Mechanismus und das Resultat dieses Sicherheitsdispositivs zentrale Bestandteile einer auf Zeit fußenden Regierungsrationalität, welche das selbstorganisierte Arbeiten im Vorhaben anleitet. Als solches ist es allerdings auch ein Hybrid verschiedener Machtformen, wie ich mit Verweis auf Lindgren und Packendorff (2006a) angedeutet habe. Andererseits wirkt der Mechanismus der Sicherheit auf bestehende reale Probleme: Er hat die »Funktion, auf eine Realität zu antworten, so daß diese Antwort jene Realität aufhebt« (Foucault 2006a: 76). Neben der Disziplin des Projektmanagements besteht in der Zeitlichkeit eine »Steuerung im Element der Realität« (ebd.: 76). Die Faktizität der Zeit als infrastrukturelles Gerüst macht Eingriffe auf der Ebene des Faktischen notwendig: Wenn die Frist überschritten ist, hilft es nur, die Verzögerung zu minimieren und den weiteren Verlauf neu anzuordnen. Projekte beinhalten ein Regierungsmechanismus, welcher Ordnung generiert. Sie zeichnen sich durch Dynamik und Flexibilität aus, sind jedoch auch stark determiniert und strukturiert. Ersteres ergibt sich durch die anhaltende Korrektur und Überarbeitung der Zeitpläne, in einem kontrollierenden Dispositiv (mit Foucault: Sicherheitsdispositiv). Letzteres ergibt sich durch die Festschreibung der Ablaufstrukturen und der Zeitpläne, die Zeit als Steuerungsmodus etablieren. Zeit konstituiert eine eigene Form der Regierung von Projekten, die sich aus disziplinierendem Projektmanagement und selbstorganisierter Arbeit ergibt, welche in ihrem Bestehen in der Zeit durch diese auch einer Ordnung unterworfen wird. Ordnung wird durch die Arbeit erzeugt und durch sie reifiziert. Organisierendes Arbeiten erlangt in der Strukturerzeugung 15 | Foucault beschreibt dies beispielsweise im Zusammenhang mit den Technologien des Selbst (vgl. Foucault 1982/2005c).

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der eigenen Arbeit, entlang einer zugrundegelegten Logik des (An-)Ordnens von Zeit, einen immanenten Steuerungs- und Kontrollmodus. Diesen richtet das organisierende Arbeiten sowohl auf das Projekt als auch auf sich selbst. Anhand der vorangegangenen Überlegungen zu den Begriffen Dispositiv, Gouvernementalität und Subjektivität kann eine differenzierte und vielschichtige Beziehung dieser drei Elemente in Projekten herausgearbeitet werden. Insbesondere die Rekonstruktion verschieden gelagerter Machtmechanismen mit ihren unterschiedlichen Angriffsflächen ist für die Bestimmung des organisierenden Arbeitens relevant. Foucault geht es nicht um eine gewaltvolle oder einschränkende Macht gegenüber einer Person. Sein Machtbegriff ist weniger restriktiv, er ist produktiv: Macht ermöglicht Handlungen, sie ist Handlungsmacht, »Die Frage lautet nicht, wie Macht sich manifestiert, sondern wie sie ausgeübt wird, also was da geschieht, wenn jemand, wie man sagt, Macht über andere ausübt« (Foucault 1982/2005b: 281). Darüber hinaus ist sein Machtbegriff relational konzipiert, was bedeutet, dass Macht nicht alleine auftaucht, sondern in Prozeduren, Techniken und Wissensformationen eingeflochten ist, welche die Macht stützen und durch sie wiederum selbst gestützt werden. Hierin erklärt sich auch Foucaults Denken in Machtbeziehungen: »Ich gebrauche das Wort Macht kaum, und wenn ich es zuweilen tue, dann um den Ausdruck abzukürzen, den ich stets gebrauche: die Machtbeziehungen« (Foucault 1984/2005d: 889). Vielmehr begreift und analysiert er die Mikrophysik der Macht, die kein Gut sei, welches besessen werden kann. Sie ist eine soziale Beziehung, ein Kräfteverhältnis (vgl. Foucault 1983: 94 f.). Sie zu untersuchen und zu analysieren bedeutet, keinen Ursprung der Macht anzunehmen, der beispielsweise in der Entität eines Staates oder eines Individuums liegt. Gebilde dieser Art sind »Endformen« (ebd.: 93) von Machtbeziehungen. »In Wirklichkeit ist das, was bewirkt, daß Körper, Gesten, Diskurse, Wünsche als Individuen identifiziert und konstituiert werden, eine der ersten Wirkungen der Macht. Das Individuum ist also nicht das Gegenüber der Macht; es ist eine ihrer ersten Wirkungen. Das Individuum ist ein Machteffekt und gleichzeitig, in genau dem Maße, wie es eine ihrer Wirkungen ist, verbindendes Element: Die Macht geht dank des Individuums, welches von ihr konstituiert wurde, durch« (Foucault 2001: 45).

Macht erzeugt sich auch nicht einfach durch Regeln, Gesetze oder dergleichen, also jenen Verboten der monarchischen Souveränität, deren Bruch als Ungehorsam gegen den Souverän geahndet wurde (vgl. Foucault 1994, 1981/2005a: 226 f.). Demgegenüber finden sich in der Betrachtung der Machtbeziehungen ermöglichende Formen, die auf die Subjektivität der Menschen einwirken und sie als handlungsfähige Subjekte erst hervorbringen. In dieser Mikrophysik konstituieren sich Individuen – in diesem Fall sind es Menschen, die in Projekten arbeiten – und zwar nach bestimmten

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Vorstellungen. Sie sind erstes Resultat einer Machtrelation. Die gouvernementalen Rationalitäten formen, subtil durch Disziplin und Kontrolle, ein spezifisches Verhalten der Menschen, das programmatisch gewünscht und praktisch wahrscheinlich, aber dennoch unsicher ist. Die Sicherheitsdispositive dienen der Bearbeitung der Risiken, welche mit der Gewährung der Freiheit einhergehen. Das besondere an Projekten ist, dass keine der subjektivierenden Zugriffe auf die Menschen in Reinform vorkommen, sondern dass eine Vielzahl von Variationen das organisierende Arbeiten prägen. Die gouvernementalen Strukturen helfen dabei, die potenzielle Selbstbestimmtheit qualifizierter Projektarbeit einzugrenzen und in eine gewünschte Richtung zu lenken. Dafür werden in Projekten steuernde Mechanismen in Anschlag gebracht. Sie sind heterogen in ihrer Form und ihrer Funktion – disziplinierend oder kontrollierend. Außerdem sind sie in materielle Artefakte oder Sozialtechniken eingelassen. Eine an Foucault angelehnte Analytik der Macht untersucht folglich nicht die Macht, sondern die Beziehungen, die sie eingeht und prägt, die sozio-technischen Kontexte, die als machtvoll betrachtet werden, die Einfluss ausüben und Handlungen verändern können. In Anlehnung an Bruno Latours Vorschlag einer Soziologie der Assoziation kann dies auch in Bezug auf den Begriff Akteur interpretiert werden: »An actor is what is made to act by many others« (Latour 2005: 46, Hervorhebungen im Original). Die Perspektive des organisierenden Arbeitens muss die in sozio-technische Artefakte eingeschriebenen Kontroll- und Disziplinarmechanismen als Steuerungsfunktionen fokussieren. Hierin liegt ein Schlüssel, die organisationale Bedeutung der Zeit für Projekte und die spezifische Zeitlichkeit von Projekten zu erfassen. Zeit selbst wird zu einem Aktanten, der Akteure beeinflusst, indem sie ›verrinnt‹. 7.2.3 Zwischenfazit II: ›Strukturen‹ des organisierendes Arbeitens Organisierendes Arbeiten siedelt sich in einem einzigartigen strukturellen Zusammenhang an. Neben der diskutierten Gestalt des organisierenden Arbeitens als tätiges Sinnstiften als performatives Grenzziehen ist es auf einer strukturellen Ebene in einem anderen Licht zu betrachten. Wichtig ist als erster Ausgangspunkt, dass die Aktivität der Sinnzuschreibung und -beschreibung nur auf Grundlage des strukturellen Zusammenhangs mit dem organisierenden Arbeiten gedacht werden kann. Ebenso wird andersherum argumentiert auch klar, dass diese strukturelle Grundlage kontinuierlich durch die Tätigkeit erzeugt werden muss. Das Raster, in welchem sich organisierendes Arbeiten bewegt, besteht aus einer vielfältigen Mischung aus strukturellen und strukturierenden Elementen. Zentral ist für mich der Blick auf die Zeitstrukturen eines Projekts. Das organisierende Arbeiten schafft die Infrastruktur eines Vorhabens, indem es die Zeitstrukturen mit dispositi-

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vischem Charakter versieht: Organisierendes Arbeiten heißt, aus der Deutungsmacht des Dispositivs der (An-)Ordnung von Zeit eine optimale Ordnung des Projektablaufs zu generieren. Vielmehr noch ist organisierendes Arbeiten auf seiner strukturellen Ebene in der Organisation von Zeit wirksam. Damit geht der Blick über die vorherrschende Analyse von Projekten als befristete Organisationen hinaus, welche durch die Befristung nur ein Ende erfassen, aber keine dynamische Analyse des Zeitraums zwischen Start- und Zielpunkt zulassen. Die (An-)Ordnung der Zeit ist performativ. Sie wird aktiv in die Projektablaufpläne übernommen und vom Projektmanagement als Infrastruktur genutzt, um auf deren Grundlage Arbeit zu organisieren und zu verteilen oder Dringlichkeiten kenntlich zu machen. Hier findet sich eine Schnittstelle zum ›Produkt‹ des organisierenden Arbeitens: In sozio-technischen Relationen bildet sich das Projekt ab und erzeugt Wirkmächtigkeit durch Zeitpläne oder Berichtswesen. Der Zeitbezug ist dem Arbeitsprozess immanent und die Zeit ist in diesem Zusammenhang in Artefakten gebunden, durch die Planung überhaupt erst funktioniert. An dieser Stelle wird neben dem Einfluss des Materiellen auch ihre immanente Machtbeziehung der Artefakte offenbar. Ein großer Anteil der Strukturen, die durch das organisierende Arbeiten geschaffen und verändert werden, kanalisieren die Handlungsoptionen der menschlichen Akteure in eine bestimmte Richtung. Das Dispositiv strukturiert nicht allein die Zeit, es grenzt im Medium der Zeit auch Handlungskontingenz ein. Indem es die Praxis auf die Idealstruktur rückkoppelt, verändert organisierendes Arbeiten den strukturellen Kontext, durch den es beeinflusst und gesteuert wird. Hauptanliegen ist die Kontrolle von Abweichung: Gerade in der befristeten Organisation, in welcher Zeit endlich ist, verweist die Fokussierung auf zeitliche Ablaufstrukturen auf einen Mechanismus, welcher mit Abweichung umgehen können muss. Daher ist die spezifische Machtbeziehung, die zur Genese und zur Kontrolle der Projektstrukturen (und daher im selben Atemzug auch des Arbeitsprozesses) eingesetzt wird, als ein besonderer Regierungsmechanismus und mit Verweis auf Michel Foucault als Gouvernementalität und Biopolitik zu lesen. Daneben halten sich aber auch disziplinierende Machtformen, beispielsweise normative Ideale. Die Netze der Macht sind diffus und vielschichtig und genau hierin liegt ihre Wirksamkeit. Trotzdem ist ihre programmatische Gestalt nicht eins zu eins in die Praxis übersetzbar. Vielmehr handelt es sich um einen Vermittlungsmechanismus zwischen der Realität des Projektplans und dessen Verschiebung, bis er die Realität erfasst und auf sie antwortet. Mit der Zeit als Orientierungsmechanismus steht dem organisierenden Arbeiten eine Infrastruktur zur Ausrichtung der Arbeitsinhalte und zu sozialer Kontrolle bereit, deren Wirkungsweise im folgenden Kapitel noch genauer zu eruieren ist.

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7.3 M ACHTBEZIEHUNGEN ORGANISIERENDEN A RBEITENS Neben den ›Produkten‹, die durch das organisierende Arbeiten erstellt, und den ›Strukturen‹, in welche die Tätigkeiten eingebettet sind, muss dem Arbeitsbegriff eine zusätzliche Interpretationsperspektive zuteil werden, welche die pluralen Machtbeziehungen sichtbar macht und darüber hinaus die Möglichkeiten subjektiver, individueller Freiräume und Nischen aufzeigt. Daher ist dieses Kapitel zum einen eine Synthese der Bezüge zwischen immaterieller Arbeit, Organisation und Gegenständen der Projekte sowie der Zeitlichkeit als Ordnungsprinzip des organisierenden Arbeitens. Die Aspekte interagieren, gleichzeitig wird durch den Blick auf die Machtrelationen die spezifische Gestalt der Mobilisierung und des Impulses sichtbar. Ein Feld von Machtbeziehungen, die als Spiel, Strategie oder als Krieg begriffen werden, ist im vorangegangenen Unterkapitel bereits skizziert worden. Dabei ging es dort noch vorrangig um die Bedeutung der Zeithorizonte für das Organisieren. Zeit und Zeitlichkeit wirken als »Ordnungsprimat« (Luhmann 1971: 143), wenn sie in Artefakte eingeschrieben werden – und dadurch ablesbar, das heißt interpretierbar gemacht werden. Als objektivierte Zeitstrukturen stellen sie einen Bezugspunkt von Herrschaft dar. Diese besteht »in einer Detailorganisation von Raum- und Zeitteilen« (Negt 1984: 21), welche Negt als Fremdsteuerung in Normalarbeitsverhältnissen benennt. Dennoch behält das Zitat für Projekte seine Gültigkeit – allerdings unter der Bedingung der von mir dargestellten Entpersonalisierung des Verhältnisses. Als Selbststeuerung und objektivierter Sachzwang fehlt die Beziehung zu hierarchischer Herrschaft. Herrschaft taucht im theoretischen Vokabular Michel Foucaults erst sehr spät auf, markiert es doch »eine politische Tatsache und ein[en] Ausgangspunkt der Analyse« (Lemke 1997: 307). Das heißt, dass gegenüber den Machtbeziehungen, welche Foucault als strategische Spiele deutet, Herrschaft als die Verfestigung und Blockierung dieser Relationen gedeutet wird, wodurch eine »dauerhafte Asymmetrie« (ebd.: 308) entsteht (vgl. Foucault 1984/2005d: 877 f.). In der Relationalität organisierenden Arbeitens verbirgt sich eine tätige Dimension von Herrschaft im Arbeitsprozess, welche durch die Subjekte erzeugt wird und auf sie selbst wirkt. Herrschaft wird zum einen psychologisiert, das heißt in der individuellen kognitiven Selbstmotivation verankert. Zum anderen wird sie durch die kontinuierliche Betonung der kooperativen Form der Arbeit, der kognitiven Züge ihrer immateriellen Gestalt, in ein soziales Spannungs- und Aushandlungsverhältnis gesetzt, welches durch die Angestellten selbstständig stabilisiert werden muss. Es wird deutlich, wie die Regierung im Sinne Foucaults die Brücke zwischen Herrschaft und Selbsttechnologien schlägt, indem sie auf die Praxis einwirkt und jene Verkrustung der Machtbeziehung hervorruft, die als Imperative den Subjekten vorgesetzt werden. Von anderer Stelle wird dies als eine neuerliche In-

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tensivierung des ›stahlharten Gehäuses‹ gedeutet, eine neue Form hybrider Kontrolle (vgl. Barker 2005). Für Projekte kann allenfalls ein diffuseres Bild gezeichnet werden, welches sich durch eine starke Fokussierung auf Disziplinarmechanismen auszeichnet, beispielsweise in Form professionellen Wissens (vgl. Fournier 1999; Hodgson 2002; Lindgren und Packendorff 2006a) oder in organisatorischen, bürokratischen Routinen (vgl. Hodgson 2004; Marshall 2006). Hinzu kommen eine Vielzahl kontrollierender Machtmechanismen im Arbeitsprozess, die eine auf das Individuum bezogene Ökonomie der Macht beschreiben. Deren Hauptanker ist eine Regierung zur Selbstführung und eine in das Individuelle verlagerte Rationalisierung der Wirkungsweisen von Macht, die Michel Foucault als eine neue politische Ökonomie interpretiert. Macht reagiert nach wirtschaftlichen Prinzipien der Effizienz, der Allokation und der ›Regierung‹ von Knappheit (vgl. Kalff 2014; Marshall 2006). Wird organisierendes Arbeiten als immaterielle Arbeit untersucht, welche selbstorganisiert (an-)geordnet wird, sind kontrollierende Machtbeziehungen unumgänglich. Problematisch wird deren Analyse allerdings, da sie zum einen kaum beachtet und gedeutet wurden und die sich zum anderen in den Prozess eingeschrieben haben beziehungsweise aktiv eingeschrieben werden. An dieser Stelle ergibt sich die Schwierigkeit, Herrschaftsverhältnisse und spezifische (nicht ausschließliche) Konstitution von Machtbeziehungen zu untersuchen, denn ihre Essenz findet sich nicht mehr in rein sozialen Bindungen, sondern in heterogenen Assemblagen mit widersprüchlichen Implikationen. Was die Arbeitssoziologie beispielsweise als doppelte Qualität der Subjektivierung gedeutet hat und postoperaistische Forschung und Theorie als emanzipativen Charakter immaterieller Arbeit interpretieren, wird explizit einem Ziel außerhalb der eigenen Arbeit unterworfen. Das heißt, die vormals als selbstorganisiert und selbstbestimmt vermuteten Arbeitszusammenhänge ordnen sich einer strukturell anders funktionierenden Logik unter, die sie in ihrer Kontingenz und Devianz eingrenzt. »Arbeiten ist gefährlich«, meint Dirk Baecker (2007), und verweist auf die umgekehrte Funktion der Organisation: Primär ermögliche sie Arbeit nicht, sie verhindere sie und grenze sie ein, auf wenige, nützliche Formen der Arbeit. »Die Kontrolle und Regulation von Arbeit hat einen Namen. Wir sprechen von Organisation« (ebd.: 57). Organisation kommuniziere, so Baecker an anderer Stelle, in einem spezifischen Beobachtungsmodus über Arbeit: »Erst in ihrem Kontext und profiliert durch den zu diesem Zweck getriebenen Aufwand wird die jeweils gewünschte Arbeit ermutigt, wird Arbeit, wenn man so sagen darf, desinhibiert. Harrison C. White spricht in diesem Zusammenhang vom ›getting action by blocking action‹. Die Forrmulierung [sic!] ist angemessen paradoxal, um die Organisation als Arbeit an der Arbeit zu schildern und um deutlich zu machen, daß daran nichts evident, aber alles prekär ist« (Baecker 2002: 234 f.).

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Projekte als Organisation zu deuten, ließe somit den Schluss zu, über ihre inhärente Arbeit als zugelassene Arbeit zu sprechen. Dahinter verbirgt sich wieder die ursprüngliche Leerstelle, durch die ein Blick auf die Organisation nichts über die Arbeit auszusagen vermag. Organisierendes Arbeiten als qualitative Form projektspezifischer Arbeit kann als Prozess der Begrenzung, Eingrenzung und Ermöglichung von Arbeit beschrieben werden. Als aktive Herstellung (prekärer) ›Organisation‹ findet er in einem vermachteten Feld statt. Dies sagt an dieser Stelle noch nichts über die Ziele der Projekte aus; sie bleiben außerhalb der eigenen Arbeit und eben das zeichnet diese Arbeit immer noch (egal welcher Arbeitsbegriff zugeschrieben wird) als »fremdorganisierte Selbstorganisation« (Pongratz und Voß 1997) aus. Was aber deutlich wird, sind die Mechanismen der Selbstorganisation, welche hier auf die Angestellten in Projekten – so meine Argumentation – zurückfallen und sich im organisierenden Arbeiten performativ herstellen. Arbeit und Begrenzung von Arbeit gehen mit dem sozialen Kontext eines Projekts Hand in Hand. Was im Vorlauf dieses Kapitels bereits als ein infrastruktureller Charakter der Zeit beschrieben wurde, ist nur ein Teil eines wirkmächtigen Funktionszusammenhangs einer Kontrolltechnologie. Zunächst gehe ich daher genauer auf den verschleiernden Modus der Herrschaftsposition ein, durch den auch Teile der Machtbeziehungen wirkmächtig werden. Die Argumentation spitzt sich auf die konstituierende Bedeutung von ideellen Projektmetaphern als hintergründiges Funktionsprinzip anonymisierter, verschleierter Herrschaft in Projekten zu. 7.3.1 Macht, Herrschaft und Verschleierung Für Projekte muss die Frage nach Herrschaft anders gestellt werden. Gegenüber ›klassischen‹ Arbeits- und Organisationsformen lassen sich Macht und Herrschaft nicht mehr in ›klassischen‹ Kategorien von Hierarchie, Klasse oder Schicht denken. So zeigt sich, dass dich die Stratifizierung von Organisationen entlang von planender und ausführender Tätigkeit nicht durchhalten lässt. Projekte lösen dieses Verhältnis zwar nicht komplett auf, aber sie halten es ebenso wenig konsequent durch. Vorhaben werden als kommunikative Verhandlungsräume begriffen, in denen die strukturelle Hierarchie diskursiv abgeflacht wird und Rollenvorstellungen nicht fixierbar sind. Aushandlung ersetzt die Befehlsgewalt. Durch ein praktisches Vermitteln muss letzten Endes zwar immer noch eine Entscheidung gefällt werden, oftmals aber nur von einer Person. Die Anrufung konkreter Rollenbilder und die Erwartbarkeit des Verhaltens sind prinzipiell offen. Durch die Möglichkeit, strukturelle Über- oder Unterordnung auszuhandeln, ergeben sich für die Praxis einige Probleme: Zum einen muss der Aushandlung ein Rahmen vorgegeben werden, denn im schlechtesten Falle

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könnte der Verständigungsprozess endlos sein. Zum anderen muss die fundamentale Unsicherheit offener Rollenbeschreibungen – und insbesondere unsicherer Rollenerwartungen – bearbeitet werden können. Die grundlegende Frage ist zunächst, von welcher Qualität eine verschobene Kontrollform ist, welche von direkter Anweisung zu Incentivierung springt und das Ziel der eigenen Arbeit nicht in der Ausführung einer speziellen Aufgabe, sondern im Erreichen eines Ziels definiert. Es handelt sich hierbei um einen mehrfachen Logikwechsel in den Steuerungsmechanismen von Unternehmen – und dadurch in der Unternehmens- und Arbeitsorganisation. Es ist jener, weiter oben benannte, Austausch von »personaler Herrschaft« durch eine »objektivierte Herrschaftsform des Sachzwangs« (Moldaschl und Sauer 2000: 212), welcher sich in vermarktlichten Unternehmen abspielt. Ohne diese (theoretische) Verbindung herzustellen, beschreiben Moldaschl und Sauer auf einer praktischen Ebene die Wirkmächtigkeit ökonomischer Steuerungsmotive, deren imperativer Charakter aber latent bleibt, weil er als ›objektiv Gegebes‹ verschleiert wird. Die hier vertretene Annahme, dass sich Herrschaftsbeziehungen aus sozialen, in organisatorische Strukturen eingelassenen Zusammenhängen lösen, muss zuerst beleuchtet werden. Denn die Aussage, dass Herrschaft ihren Bezug zum Sozialen, ihren sozialen Charakter, verliert, ist falsch. Herrschaft und Kontrolle sind in ein soziales Netz eingebunden und Gegenstand von Ausdeutung und Durchsetzung. Sie sind sozial ›gemacht‹ und wirken als solche auf das Soziale, in diesem Fall die Arbeitssituation und die Angestellten, zurück. Soziale Kontrolle sei ein diffuser Begriff, wie Klaus Türk festhält, »im Kern aber stets auf Konformitätssicherung gerichtet« (Türk 1981: 44). Sie schließt Sozialisation als Garanten für Konformität ein und sie »ist nicht ex definitione, wohl aber der Möglichkeit nach repressiv« (ebd.: 45). Es sind gerade auch soziale Kontexte, die soziale Kontrolle einsetzen;16 ihre Motivation, ihr Wirken und ihre Reichweite werden diffuser und impliziter. Dieses Spektrum lässt sich noch einmal aufgliedern in persönliche und unpersönliche Kontrolle. Daraus kann geschlossen werden, dass eine anonymisierte, verschleierte Form der Kontrolle sich der Mechanismen unpersönlicher Kontrolle bedient. Eine ähnliche These vertritt – zwar nicht explizit – Richard Edwards (1979), der eine Verschiebung der Herrschaft im Produktionsprozess von direkter zu bürokratischer (Verfahrens-)Kontrolle beschreibt. Im Prozess wird die Herrschaftsbeziehung undurchsichtig, da zur Bewertung der individuellen Arbeit Berichtswesen und Vergleichswerte in einem komplexen Evaluationsprozess herangezogen werden. In

16 | In diesem Punkt besteht eine strukturelle Ähnlichkeit zu Michel Foucaults Interpretation von Kontrolle, die eine korrigierende Machtbeziehung darstellt. Klaus Türk spricht allgemeiner von Konformitätssicherung, was Disziplinartechniken einschließt.

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diesem bürokratisierten Ablauf wird ersichtlich, dass »der Vorgesetzte oder allgemein: die Organisationsherrschaft dem einzelnen Unterstellten nicht direkt gegenübertritt, sondern versachlicht, objektiviert, so daß im Bewußtsein des Betroffenen er sich gleichsam ›Sachzwängen‹ und nicht der Herrschaft durch Menschen unterworfen sieht« (Türk 1981: 49). Hans Pongratz (2002: 14) beschreibt die parallele Entwicklung, welche sich auf individueller Ebene vollzieht. Informalisierte psychologische Steuerung löst eine versachlichte, instrumentelle Beziehung ab; die Asymmetrie des Produktionsprozesses wird internalisiert und die Hierarchie wird zu einer Frage des Eigenantriebs. Der beschriebene Übergang ist immer noch eine Herrschaftssituation und diese ist ursächlich sozialer Natur. Sie geht auf organisationale Entscheidungen zurück, ist im Kontext der Organisation getroffen und implementiert worden und wirkt auf die soziale Situation Arbeit. Außerdem bleibt die Funktionsweise der Verfahrenskontrolle greifbar, da sie auf mehr oder weniger willkürliche Prinzipien zurückgeführt werden kann. Im Falle der Ökonomisierung als ›objektive Sachzwang‹ wird die Funktion noch weiter abstrahiert. Die Wirkung liegt dann nicht innerhalb eines Verfahrens oder einer organisationalen Hierarchie; sie liegt außerhalb des organisatorischen Prinzips und ist diesem nicht immanent. Während Organisation in der Vergangenheit oftmals als Konstruktion betrachtet wurden, um die unsichere Umwelt, also den Markt und die Marktmechanismen aus der Organisation herauszuhalten, kommt dieser Unsicherheit nun eine fundamentale Steuerungsfunktion zu. Der Markt löst Allokationsprobleme zwar effizient, aber die damit einhergehende Unsicherheit wird zuungunsten der Angestellten nach innen weitergereicht. Der Mechanismus der Marktlogik ist unter der Bedingung der Effizienz objektiv; allerdings in einem instrumentellen Sinne: Diese Objektivität wird zu einem von nur drei Bewertungskriterien, zu einem von drei Eckpfeilern, die in der Projektmanagementliteratur ein Vorhaben definieren. Das Projektmanagement kennt daneben noch Qualität und Zeit (vgl. Abbildung 1). Als Bewertungskriterium ist die Zeit von ›objektiver‹ Qualität, denn sie lässt sich relativ problemlos intersubjektiv vergleichen. Darüber hinaus ist für den Projektkontext die Einhaltung von Fristen und strikten Terminen obligatorisch. Das Vorhaben steuert sich durch die Zeit – in diesem doppelten Wortsinn: Zeit ist infrastrukturell grundlegend für das Projekt und daneben muss das Projekt durch die endliche Zeit gelotst und optimal ausgenutzt werden. Insbesondere der Faktor Zeit verdeutlicht die soziale Kontrollfunktion des Dispositivs der (An-)Ordnung von Zeit, indem es ständig auf einen gelingenden Zeitplan zurückführt. Die Machtbeziehung umfasst das latente Drängen auf Pünktlichkeit in Form der Materialität des Plans. Bruno Latour spricht analog vom »moralische[n] Gewicht eines Schlüsselanhängers« (Latour 1996), das Hotelgäste aus Bequemlichkeit dazu veranlasst, den Zimmerschlüssel

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an der Rezeption abzugeben. Vordergründig wirkt hier die Bequemlichkeit und setzt das eigentliche Anliegen, die Regeldurchsetzung, um. Ähnlich funktioniert dies für den Zeitplan, der allgemein abrufbar, einsehbar, stellenweise sogar im Großraumbüro aufgehängt, für alle Angestellten sichtbar ist. Die Frist impliziert einen Zwang, einen sozialen Tatbestand, der sich auf die Handlungsoptionen auswirkt und das Nicht-Einhalten mehr oder weniger sanft maßregelt. Die Rückführung in die richtige ›Schiene‹ hat oberste Priorität. Projektsteuerung bedeutet die (An-)Ordnung von Zeit entlang der Zeit in einem praktischen Sinne: Die Planung erzeugt den Ablauf, die Reihenfolge und die als optimal erachtete Bewegung durch den Zeitverlauf bis zum Ende. Organisierendes Arbeiten bearbeitet beide Aspekte – die Grundlage der Zeit und das Steuern durch die Zeit – in einem Spannungsverhältnis. Zum einen ist die Infrastruktur der Zeit der Nexus, in dem das organisierende Arbeiten strukturell geschieht, zum anderen erzeugt und verändert organisierendes Arbeiten diesen Nexus. Organisierendes Arbeiten ist nicht rein selbstbezüglich; es ist ein Mechanismus, der auf die Angestellten wirkt und sie im Rahmen des Dispositivis subjektiviert (vgl. Agamben 2008: 35). Auf die Menschen in Projekten hat dies zwei Auswirkungen: Zum einen werden sie durch die Machtbeziehungen in den Nexus eingehegt und den gegebenen Notwendigkeiten unterworfen (vgl. Deleuze 1992: 144). Zum anderen wird ihnen dadurch erst die notwendige Handlungsmacht zuteil, in Projekten zu agieren und sich die Infrastruktur des Projekts überhaupt erst anzueignen, um sie zur Wirkung zu bringen. 7.3.2 General Intellect und der Arbeitsprozess Bisher habe ich die relationale Dimension des organisierenden Arbeitens als die Beziehung zwischen Arbeiten und Organisieren herausgestellt und den spezifischen Typus des Arbeitens als immaterielle Arbeit bestimmt. Gegenüber den bestehenden Begriffsfassungen muss das Bild immaterieller Arbeit aber noch erweitert werden. Hierzu habe ich darauf verwiesen, dass gerade die Grenzarbeit und die Sinnerzeugung zentrale Punkte darstellen, denen das organisierende Arbeiten als immaterielle Tätigkeit Rechnung tragen muss. Als Grundkategorien für die aktive Auseinandersetzung mit Planung und Plänen sind sie als eine erweiterte und tiefgründigere Form der Zeichenveränderung, -verschiebung und -deutung zu begreifen. Die gestiegene Bedeutung von Wissen im Arbeits- und Organisationsprozess wird spätestens an diesem Punkt deutlich. Verschiedene Autor_innen haben – in Anlehnung an Marx – den Begriff General Intellect geprägt. Sie beschreiben mit ihm, dass die Produktion imma-

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terieller Entitäten auf Wissen und Wissensformen verweist.17 Für die befragten Projektmanager lässt sich neben den offensichtlichen Qualifizierungen, die eine solche wissensintensive Arbeit erfordert, auch eine subversivere nennen, welche das standardisierte und zertifizierte Managementwissen unterläuft – oder zumindest parallel neben diesen besteht. In den Aussagen finden sich zu organisationalen Teilen in der Projektarbeit immer wieder Verweise auf ein abstraktes Bauchgefühl oder den gesunden Menschenverstand, welcher als Teil dieser »Massenintellektualität« (Pieper 2007: 225) oder eines »allgemeinen Verstand[s]« (Virno 2004: 148) gelesen werden kann. Etwas ausführlicher beschreibt Paolo Virno diesen wie folgt: »Mit General Intellect bezeichnet Marx das Stadium, in dem nicht mehr bestimmte faktische Gegenstände (wie etwa die Münze) den Wert und Status eines Gedankens verkörpern, sondern unsere Gedanken als solche unmittelbar den Wert von materiellen Fakten annehmen« (Virno 2008b: 87, Hervorhebungen im Original).

Das immaterielle Wissen ist dominant in einem »kognitiven Kapitalismus«18 (vgl. Boutang 2011; Negri 2007), dessen primäre Verwertung auf immaterieller Arbeit und Wissen beruht. Die Produktionsmittel sind gesellschaftlich organisiert, da sie den Individuen inhärent sind; das Kapital, so Negri, habe keine Verfügungsgewalt mehr über sie, nur noch »das Kommando«, bestimme also den Arbeitsprozess. Dieser aber wandele sich ebenfalls und basiere vorrangig auf der immateriellen Arbeit in Form von Kooperation. Die Produktivkräfte würden gerade aus dieser freien sozialen Kooperation entstehen. Daher seien sie gesellschaftlich. Letztendlich muss das »parasitäre 17 | Der Begriff und das Konzept sind nicht unkritisch in die Rezeption eingeflossen. So hält Wolfgang Fritz Haug fest, im gesamten Werk Marx’ tauche der Begriff »general intellect« nur ein einziges mal auf. Insgesamt konstatiert er, dass eine Vielzahl von postoperaistisch geprägten Termini »ein hermeneutisches Geheimnis zu hüten scheinen« und dadurch »zum Abrakadabra [. . .] werden« (Haug 2000: 183). Letztlich wohnt – einer orthodoxen Lesart zum Trotz – solch vagen Begriffen auch einige Potenzialität inne, da sie es erlauben, ›lokal‹ mit Sinn beladen zu werden, gewissermaßen dadurch, dass das innere »hermeneutische Geheimnis« aus der Metapher am Material erschlossen wird. 18 | Auf die Unterscheidung verschiedener Formen des Kapitalismus, muss an dieser Stelle verzichtet werden. Die Unterschiede in der Terminologie finden sich oftmals in Nuancen. Für das Verständnis dieses Textes sind sie nicht von gesonderter Bedeutung. Eine Annäherung an das Konzept eines kognitiven Kapitalismus findet sich bei Corsani (2004). In Anlehnung an die Bedeutung der »Massenintellektualität« als Produktivkraft spricht Paolo Virno – in enger Verwandtschaft zum ›kognitiven Kapitalismus‹ – von »kognitiven ArbeiterInnen« (Virno 2008a: 185), die unabhängig von der individuellen Qualifizierung »intellektuelle Arbeitskräfte« (Virno 2008b: 153) sind, insofern sich die Arbeit auf Wissen stützt.

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Kapital« die Grenzen der Kooperation, der Kommunikation, der immateriellen Arbeit per se festlegen. Das im Sinne der »umherschweifende[n] Produzenten« (vgl. Negri, Lazzarato und Virno 1998) flottierende ›freie‹ und kreative Potenzial muss domestiziert werden. Der gesunde Menschenverstand ist zwar einerseits partikularer Teil der Auslegung und Planung der Arbeit, aber eben auch per se ›gefährlich‹, wie Dirk Baecker (2007) festhält. In diesem Sinne greift der Mechanismus ›Organisation‹, da er die Arbeit kontrolliert und das »ungewöhnliche« (ebd.: 57) Verhalten evoziert, »die Unruhe in die Ruhe« (ebd.: 60) verwandelt und ›die Arbeit‹ auf ein Ergebnis lenkt. Während immaterielle Arbeit die sich verändernde Produktivkraft mit einem Blick auf die praktische Seite im Arbeitsprozess beschreibt, ist der General Intellect für die gesellschaftliche Deutung der dominierenden Kategorien des Wissens und der Wissenschaft sowie der Kommunikation und der Affekte bedeutsam. Ersteres beschreibt neben einem Formwandel auch die Inhalte der sich ändernden Arbeit; letzteres umreißt die gesellschaftlichen Bedingungen dieser Transformation und die damit einhergehende Ausdehnung der produktiven Sphäre in das Private – das gesamte Leben ist Teil der Produktion sowie dessen Grundlage (vgl. Hardt und Negri 2002: 372 f.). Im organisierenden Arbeiten ist die Kreativität einer hoch qualifizierten Tätigkeit in den Nutzen der Arbeit übergegangen, mit ihr werden Probleme gelöst oder antizipiert, Pläne gestaltet und sozial interagiert. Durch die Verlagerung der Arbeit in die soziale Kooperation ist immaterielle Arbeit gesellschaftlich: Sie ist nicht mehr nur etwas, das in der ›Fabrik‹ geschieht, sondern verlässt und übersteigt diese (vgl. Negri 2007: 21). In einem »›Bassin der immateriellen Arbeit‹« (Müller 2004: 139), so der übersetzte Titel einer französischen Studie, erzeugt sich »ein variables System der Organisation von Raum und Zeit« (ebd.: 139). Nicht mehr die Fabrik ist Ort der Erbringung von Arbeitskraft, stattdessen wird sie potenziell in jedem gesellschaftlichen Zusammenhang geleistet. Hierin ist die immaterielle Arbeit autonom, aber bedroht durch kolonisierende Bewegungen des Kapitals. Antonio Negri regt an, immaterielle Arbeit immer in einem Ausbeutungsverhältnis beziehungsweise in einem Zustand des Ausgebeutet-Werdens zu begreifen und die Dimension der parasitären Funktion des Kapitals in den Vordergrund zu rücken, welche nur noch über »das Kommando« verfüge, nicht mehr aber über das Eigentum an den Produktionsmitteln (vgl. Negri 2007: 20). Hiermit erlischt die »›Dialektik des Arbeitsinstruments‹« (ebd.: 21), dessen Eigentum beim Kapital lag, dessen Besitz für die Arbeiter_innen aber zwingend notwendig war, um ihre Arbeitskraft produktiv werden zu lassen. Sind diese ›Arbeitsinstrumente‹ Wissen oder Fertigkeiten, wird es wieder angeeignet und die Dialektik wird außer Kraft gesetzt, zusammen mit der Machtbeziehung, die sie konstituierte.

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Letztlich bleibt die Analyse auf dieser abstrakten Ebene einer an Marx angelehnten Terminologie stehen. Das wird deutlich, wenn Negri im Kontext der Ausbeutung immaterieller Arbeit feststellt, das Kapital trage dafür Sorge, die Arbeit »in ihrer Potenzialität zu blockieren« (ebd.: 24). Das letzte verbliebene Kontrollorgan bleibt die Einflussnahme auf den Produktionsprozess, das Einhegen der Arbeit, die Organisation, im nominalen oder tätigen Sinne. Dieser Einfluss helfe, die kreative, immaterielle Arbeit in ihrer ›Anfälligkeit‹ für zielloses Diffundieren »zu blockieren«, um »ihren exzessiven Charakter« (ebd.: 21) auszuklammern und zu befrieden. Wie genau dies geschieht, bleibt jedoch offen. An dieser Stelle hilft eine fundierte, an der Organisationssoziologie orientierte Perspektive. In der Relationalität des organisierenden Arbeitens lässt sich ein solcher Mechanismus der ›Domestizierung der Kreativität‹ denken, denn in der Arbeit, die ihren organisationalen Rahmen (re-)produziert, ist ein Moment der Selbstkontrolle ebenso angelegt wie eine äußere Vorgabe an den Prozess der Arbeit. Was in Projekten die Potenzialität des Arbeitens einschränkt, ist die eigene Arbeit – und ein weiterer Aspekt immaterieller Arbeit beziehungsweise ein Teil organisierenden Arbeitens. Planung und der Bezug zu Planungsmechanismen greifen in diesem Moment auf einer programmatischen Ebene: Sie werden für die akute Arbeit faktisch. Die Planbezüge im Sinne einer oszillierenden, iterativen Bewegung wirken als normative Schablonen auf der praktischen Ebene. Auf Basis der von Marx in Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie analysierten Veränderungsdynamik der Produktivkräfte (Marx 1983) wird in postoperaistischen Diskussionen der General Intellect als Verkörperung verschobener Produktionszusammenhänge diskutiert. In diesen als »Maschinenfragment« (vgl. Virno 2004: 148) bekannten Seiten beschreibt Marx die dem Kapitalismus inhärente Tendenz, dem Produktionsmittel Wissen Bedeutung beizumessen. Paolo Virno zieht hieraus die Verbindung zur gesellschaftlichen Formation des Postfordismus, welcher das empirische Pendant dieses »Maschinenfragments« sei, jedoch ohne dessen emanzipatorische Entwicklungsnotwendigkeit in die Praxis umgesetzt zu haben (vgl. Virno 2008b: 140 ff.). Für die Form der Arbeit konstatiert er: »Das abstrakte Wissen – in erster Linie das wissenschaftliche Wissen, aber nicht ausschließlich – tendiert gerade wegen seiner Autonomie der Produktion gegenüber dazu, zur entscheidenden Produktivkraft zu werden, während repetitive und parzellierte Arbeit nur mehr eine Randstellung einnimmt« (Virno 2004: 148).

Das von Marx beschriebene »fixe Kapital« (Marx 1983: 590 ff.) verinnerlicht und objektiviert menschliche Arbeitskraft, welche dadurch nicht mehr zentral für die Produktion ist, sondern nur noch den Maschinen diene, beispielsweise der Wartung oder

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Bedienung. Die Technisierung und Maschinisierung der Produktion entwertet sukzessive menschliche Arbeitskraft – bis zum gänzlichen Bedeutungsverlust: »In demselben Maße, wie die Arbeitszeit [. . .] durch das Kapital als einziges wertbestimmendes Element gesetzt wird, in demselben Maße verschwindet die unmittelbare Arbeit und ihre Quantität als das bestimmende Prinzip der Produktion« (Marx 1983: 596). Maschinen sind Produkte menschlicher Arbeit, sie »sind von der menschlichen Hand geschaffne Organe des menschlichen Hirns; vergegenständlichte Wissenskraft« (ebd.: 602, ohne Hervorhebungen). Wissen wird zu einer »unmittelbaren Produktivkraft« (ebd.: 602), die in immer engeren Bahnen das gesamte Leben vereinnahmt und auf an seiner Vermehrung arbeitet (beispielsweise durch Programme des ›lebenslangen Lernens‹). Für die zeitgenössische Deutung fällt diesem General Intellect über das fixe Kapital hinausgehende Bedeutung zu: »Zum General Intellect gehören artifizielle Sprachen, Informatik und Systemwissenschaften, die ganze Palette kommunikationellen Wissens, lokales Wissen, informelle ›Sprachspiele‹ wie auch gewisse ethische Überlegungen. Innerhalb der zeitgenössischen Arbeitsprozesse existieren Begriffskonstellationen, die selbst als produktive ›Maschinen‹ funktionieren, ohne mechanischen Körper oder eine kleine elektronische Seele nötig zu haben« (Virno 2004: 153 f.).

Paolo Virno beschreibt die veränderte Qualität der Arbeitskraft, wie sie im Postfordismus auftritt, die eine neue Form der Tätigkeit in einem sozialen, öffentlichen Raum hervorbringt (vgl. Virno 1994/2010: 41 f.). Der General Intellect sei so zur absoluten Grundlage, zum »Epizentrum der gesellschaftlichen Produktion« (Virno 2008b: 140) geworden, von welchem das gesamte Leben aus adressiert werde. Zentral wird für ihn die Virtuosität, mit welcher die Arbeit vollbracht werde. Er entleiht diese Metapher der Kunst und lehnt sie an Hannah Arendts Vita Activa (1985) an, einen Begriff des (politischen) Handelns vor einer gesellschaftlichen Öffentlichkeit (vgl. Virno 1994/ 2010: 39 f.). Das Produkt ›virtuoser‹ Arbeit funktioniere nur mit Bezug auf eine andere Person (beispielsweise Kommunikation oder Interaktion der Dienstleistungsarbeit). Virtuosität beziehe sich – sei immaterielle Arbeit – auf andere Menschen, ist in einen sozialen Kontext eingebettet, welcher die ganze Gesellschaft durchdringe.19 Der Begriff des »general intellect muss buchstäblich als Intellekt im Allgemeinen«

19 | An anderer Stelle formuliert Paolo Virno: »In erster Linie verrichten sie [die Virtuos_innen; Y. K.] eine Tätigkeit, die ihre Erfüllung (bzw. ihren Zweck) in sich selbst findet« (Virno 2008b: 66). Sie leisten also immaterielle Arbeit, in dem Sinne, dass am Ende kein Produkt entsteht. Als einfaches Beispiel dient eine Künstlerin, die ein Musikstück vor einem Publikum, also in einer Öffentlichkeit spielt. Ohne dieses Publikum, auf welches sie Bezug nimmt, bliebe die Leistung ›gegenstandslos‹.

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(ebd.: 44, Hervorhebungen im Original), als Fähigkeit und »schlichtes Vermögen« gedeutet werden, »durch das jede Komposition möglich wird« (ebd.: 45). Das Virtuose ist also die Möglichkeit, in Projekten aus einer Vielzahl von Einflüssen, Interessen, Risiken und Problemstellungen – einem komplexen Spannungsverhältnis vieler Entitäten – eine (komplexe) Ablaufstruktur zu erzeugen und diese zu bearbeiten. Dieses ›schlichte Vermögen‹ wird beispielsweise in einigen Interviews sichtbar, in welchen die Projektmanager die Bedeutung des gesunden Menschenverstandes betonen oder auf ein Bauchgefühl verweisen. Der Prozess des organisierenden Arbeitens verweist auf vielzählige solcher Wissensbestände, beispielsweise die Notwendigkeit, Sprache in einem technischen Sinne zu nutzen, das politische Kalkül zur Konfliktlösung und so weiter. Was tiefer im Konstrukt des General Intellect angelegt ist, ist die spezifisch gesellschaftliche Dimension, welche sich nicht allein in der Arbeit erschöpft. Als gesellschaftlicher Charakter der öffentlichen Sphäre übersteigt sie die bloße Arbeit und ist »Wurzel politischer Handlung, als unterschiedliches Prinzip der Verfassung« (ebd.: 45). Für Projektmanagement ist dieses Argument, das politischer Theorie entspringt, nicht unbedingt tragend. Wichtiger ist hingegen, das strukturell ähnliche Argument zur immateriellen Arbeit, deren Potenzialität zu blockieren ist. In der Nutzbarmachung der möglichen Kooperation(en) liegt die Produktivkraft, welche sich in die postfordistische Wirtschaft vermittelt. Das Produzieren, so Virno, habe »viele Eigenschaften des Handelns in sich aufgenommen« (ebd.: 36). Die Produktivkraft sei daher politisches Handeln und wie ich es bereits in der Empirie herausgearbeitet habe, auch strategisches und taktisches Agieren, das Schmieden von Koalitionen, Vermitteln und Aushandeln. Das Eindringen des Wissens, der Wissenschaft und der Kommunikation in den Arbeitsprozess verändert die Arbeitskraft grundlegend, prägt »die gesamte Phänomenologie der Arbeit und den weltweiten Horizont der Produktion« (Hardt und Negri 2002: 372). Der Wissensbezug des organisierenden Arbeitens ist unumgänglich. Damit geht allerdings auch die explizite Unberechenbarkeit einher, welche das Wissen als autonomes Produktionsmittel kennzeichnet. Im Vorfeld der thematischen Auseinandersetzung mit Macht und Herrschaft im Projektprozess kommt der postoperaistischen Kritik am ›Kommando‹ Gewicht. Eine dezidiert formulierte organisationstheoretische Komponente ist hier zentraler Dreh- und Angelpunkt. Durch sie kann das strukturelle und strukturierende Verhältnis erfasst werden. Die Ambiguität der immateriellen Arbeit wird durch die planhafte organisationale Neuausrichtung eingeschränkt und schreibt sich so fort. Hier fließen die disziplinarischen Mechanismen der ›Zurichtung‹ von Subjekten ebenso in das Projektmanagement ein (vgl. Hodgson 2002; Lindgren und Packendorff 2006a) wie die flachen Hierarchisierungen der Projektleitung oder

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immanente, internalisierte Kontrollmechanismen, die zwar das direkte Handeln nicht zu steuern vermögen, aber die Zielstellung zum Fluchtpunkt der eigenen Handlungen erheben. Zentral für die ambivalente Konstitution der immateriellen Arbeit, ihre Anfälligkeit für Devianz, ist die Einhegung in einen produktiven Kontext. Dies habe ich unter dem Sinnbild der Domestizierung gefasst: Es ist der virtuose Akt, Sinn zuzuschreiben, Grenzen zu ziehen. Darin besticht die immaterielle Arbeit als Aushandlung in sozialen Kooperationen und produziert in einem Geflecht die organisationalen Strukturen auf Grundlage eines zeitlichen Horizonts. In der Infrastruktur des Projekts fordert der General Intellect die Fähigkeit, in begrenzten Rahmen zu agieren und Ordnung zu generieren. Die im vorangegangenen Unterkapitel beschriebenen Mechanismen der Verschleierung, des Ein- und Ausschlusses, finden sich hier wieder: Sie sind expliziter Teil der Arbeitssituation und ziehen als Grundlage das gesellschaftliche Wissen heran, um immaterielle Arbeit in Form von Organisations-struktur zu leisten – und zwar nur diese Arbeit, ohne Möglichkeiten zur Devianz, zur Abweichung, zur Ambivalenz. Das organisierende Arbeiten schließt die eigene Ambiguität. 7.3.3 Zeit als Regierungsmechanismus Zeit und Zeitlichkeit als strukturelle Determinanten der Projekte können mit immaterieller Arbeit eine auf die Praxis bezogene theoretische Perspektive beschreiben. Durch die Verknüpfung der verschiedenen Eckpunkte des Modus gesellschaftlicher Produktion als immaterielle Arbeit werden Machtbeziehungen sichtbar: Konstitution des Wissens als General Intellect, Zeit als Infrastruktur der Organisation im Dispositiv ihrer (An-)Ordnung sowie die sozio-technische Einschreibung dieses Dispositivs in das Projektmanagement (seine Artefakte, Methoden, Techniken und Prozeduren) zeichnen Elemente einer Praxis nach. Die aus Foucaults Werk herausgearbeitete Analyseschablone transportiert einzig das Problem, dass mit ihr der Teil der Subjekte ausgeklammert wird, welcher ihre Praxis betrifft. Zwar lassen sich aus Disziplin und Kontrolle Formationen der Zurichtung der Menschen zu handlungsfähigen Akteuren herleiten, sie bleiben aber als Machtbeziehungen eigentümlich programmatisch. In der Analogie der Machtverhältnisse als Kraft- oder auch »Kriegsverhältnisse« (Foucault 1976/2003b: 116; vgl. auch Foucault 1983: 94, 2001: 32, 1976/2003a: 165 f.) interessiert sich Foucault mehr für die Strategien dieser Machtlinien, als für die konkreten »Markierungen auf dem Körper der Individuen« (Foucault 1976/2003b: 116). Machtbeziehungen bedienen sich vielfältiger Mechanismen und siedeln sich auf verschiedenen Ebenen an und setzen an unterschiedlichen Angriffspunkten an (vgl. Tabelle 8). Die Diversität dieser Beziehungen konstituiert »Gesellschaft [. . .] [als] ein Archipel aus verschiedenen Mächten« (Foucault 1981/2005a: 229). Während die Dis-

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ziplin (beispielsweise durch standardisierte und zertifizierte Projektmanagementprogramme) genau vorgibt, was entsprechend der Ausbildung zu unternehmen ist, wirkt sie äußerlich, indem sie ein Spannungsfeld einer Profession mobilisiert (vgl. Fournier 1999; Hodgson 2002). Kontrollmacht wirkt hingegen als verinnerlichtes Machtverhältnis, indem eine suggestive Selbststeuerung angerufen wird. Die Rationalität der Regierung der Vielen ist ebenso eine Rationalität der Regierung des Einzelnen (vgl. Foucault 1986). Der Prozess der Internalisierung ist wesentlich für die Funktionalität der Machtbeziehungen: Verinnerlichung beschreibt dann die Anwendung der latent oder deutlich erfahrenen Machtausübung und die Anwendung ihrer Effekte auf sich selbst. Der Subjektivierung ist also ein antizipierender Mechanismus immanent. »Derjenige, welcher der Sichtbarkeit unterworfen ist und dies weiß, übernimmt die Zwangsmittel der Macht und spielt sie gegen sich selber aus; er internalisiert das Machtverhältnis, in welchem er gleichzeitig beide Rollen spielt; er wird zum Prinzip seiner eigenen Unterwerfung« (Foucault 1994: 260).

Auch wenn im Zuge der Popularität der Gouvernementality Studies die Bedeutung der Arbeiten zur Disziplinarmacht in der allgemeinen Rezeption von Foucault abgenommen hat, lässt sich die Wichtigkeit für die Betrachtung von Projekten nicht von der Hand weisen. Einerseits sind die disziplinierenden Technologien der Fremdsteuerung und auch der Selbststeuerung, wie sie durch das panoptische Prinzip dargestellt werden, nach wie vor auffindbar und rekonstruierbar. Andererseits basieren Teile des Projektmanagementkorpus und die damit verbundenen organisationstheoretischen Grundlagen, welche in der Ausbildungspraxis der Projektmanager_innen und der Organisationspraxis kapitalistisch geprägter Unternehmen vermittelt werden, auf Episteme, welche diese disziplinarische Zurichtungsform forcieren. Nicht umsonst ist im Anschluss an Foucaults Untersuchungen der Psychiatrien und der Gefängnisse versucht worden, einen Bogen zum modernen, kapitalistisch organisierten Produktionsprozess zu schlagen (vgl. Burrell 1988; Gerst 2002; Knights 2004; McKinlay und Wilson 2012; Moldaschl 2002b). Für die soziale Situation in Projekten resultiert dieser Anknüpfungspunkt aus einem (wahrgenommenen) hohen Grad von Antinomie (vgl. Kalkowski und Mickler 2009), der zum einen starre Ablaufstrukturen, Professionshabitus und strikte Zeitpläne mit den Prinzipien der Zurechenbarkeit, Verantwortlichkeit und Vorhersagbarkeit verknüpft – eben klassische bürokratische ›Tugenden‹ bemüht. Zum anderen aber hat die soziale Praxis ein notwendigerweise strukturell offenes Gefüge, um Eingriffe in den Ablauf, die Organisation und dergleichen zulassen zu können. In dem Maße, in dem Zeit diszipliniert, ist sie auch Kontrollmechanismus, eine Intervention in der Realität, um »ausreichend Abstand zu gewinnen, damit man

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Tabelle 8: Macht-Wissen-Regime Gesellschaft

Vormodern

Modern

Postmodern

Macht

Souverän

Disziplinar

Gouvernemental

Ausgeübt durch

Folter

Hierarchie, Normalisierung, Untersuchung

Verantwortung

Wissen

exklusiv

teilweise verteilt

inklusiv

Effekte

Angst vor Bestrafung

spaltend

identifizierend

Selbst

unterjocht

normalisiert

ästhetisiert

Quelle: gekürzt aus Knights 2004: 17, Tabelle 1.2

den Punkt erfassen kann, an dem die Dinge sich ereignen, seien sie nun wünschenswert oder nicht« (Foucault 2006a: 75). Deutlich sichtbar wird der disziplinarische Zugriff in Projektmanagementtechniken in Verbindung mit idealisierten und dadurch normativen Projektdefinitionen. Das Phasenmodell wirkt disziplinierend, denn es gibt der Arbeit der Angestellten den entsprechenden Rahmen und Ablauf vor. Die Projektplanung und die Ablauforganisation passen sich in die vorgefertigten Raster eines normativen Phasenmodells ein, das die Verbindlichkeit festigt, auf entsprechende Werkzeuge für die jeweiligen Zielstellungen zurückzugreifen. In einer weiteren Betrachtungsweise wird der generelle Nutzen beziehungsweise die ökonomische Rentabilität geprüft: Die Entscheidung, ob ein Projekt überhaupt begonnen werden soll, ist eine existenzielle Frage (vgl. IP9, Absatz 26). Hinter der Normativität der Ansprüche verbirgt sich ein unterschwellig disziplinierender Mechanismus, der durch Professionalität und Verhaltenskodex ein spezielles Agieren im Projekt evoziert. Die Möglichkeit, die eigene Kompetenz im Projektwesen sichtbar zu machen, erfolgt durch Zertifizierung mit entsprechend standardisierten Programmen wie dem des Project Management Institute oder der International Project Management Association. Kompetenz bedeutet in diesem Zusammenhang die Aneignung verallgemeinerter Wissensbestände des Projektmanagements, die theoretisches, wie praktisches Wissen (Organisation, Arbeit, Methoden und Techniken der Steuerung) bündeln. Managementwissen ist instrumentelles Wissen, welches sich auf Ursache-Wirkungs-Prinzipien bezieht. Es stellt Rezeptwissen dar, das in verschiedenen Situationen zur Verfügung steht. Hinter dem instrumentellen Charakter verbirgt sich jedoch die reziproke Logik, welche die Anwender_in ebenso zu einem Instrument macht. In der Anwendung wirkt das Projektmanagement disziplinierend.

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Der wirkmächtigste Zusammenhang ergibt sich hier im Zusammenspiel mit der Zeitlichkeit des Projekts. Wie bereits beschrieben, ist die Verankerung des Projekts in einer idealen Ablaufstruktur von großer Bedeutung für die Vorgabe der Arbeitsinhalte und deren zeitliche Abfolge. Darüber hinaus – so hat die Empirie gezeigt – ist der Phasenbezug grundlegend für die zeitliche Orientierung und die ›planbare Evolution‹ des Projekts: Wie es sich entwickelt, soll bestimmbar und den Abschnitten angemessen sein. Dass der professionelle Duktus der Projektarbeit auf diese strukturelle Grundkonstante referiert, zeigt deutlich die prägende Funktion der Zeitlichkeit des Projekts. Das Phasenmodell als grundlegende Struktur beschreibt das (Da-)Sein in der Zeit, indem ein akuter Zustand zugeordnet wird. Das organisierende Arbeiten greift dies in Relation hierzu auf und richtet sich an den entsprechenden Aufgaben und Handlungsschritten aus. Worin besteht nun das Machtverhältnis? Die List des Machtverhältnisses liegt darin, dass es nicht als solches hervortritt. Die Vorgabe, wie ein Projekt aufgezogen und durchgeführt werden soll, ist durch die professionalisierte Wissensform und Zertifizierung starr gebunden. Die Praxis bleibt, – neben der zusätzlichen faktischen Notwendigkeit, sich an einen Ablauf zu halten – auch hier ein Sachzwang. Ihr bleibt meist kaum eine Alternative. 7.3.4 Zwischenfazit III: Regierungsmechanismus des organisierenden Arbeitens Werden die beiden Punkte des organisierenden Arbeitens, seine immanente Relationalität und sein Zeitbezug, zusammengefügt und unter einer machtanalytischen Perspektive beleuchtet, werden die Erzeugung und Verstetigung von Herrschaft verstehbar. Gegenüber der Machtbeziehung, die vielmehr implizit wirkt, nicht immer greifbar ist und als Beziehung funktioniert, selbst Relation ist, ist Herrschaft verstetigt, gewissermaßen eine kristallisierte Form einer Machtbeziehung (vgl. Popitz 1992: 234). Herrschaft ist auf Dauer gestellte Macht, die nicht stets aufs Neue verhandelt werden muss. Beide Kategorien sind an Max Weber angelehnt, der Herrschaft dadurch definiert, dass einem Befehl dauerhaft Gehorsam geleistet wird. Unter der Bedingung der verschleierten Herrschaft, ist die asymmetrische Beziehung, die durch sie institutionalisiert wird, unkenntlich gemacht. Bei Foucault zeigt sich dies, wenn er Machtbeziehungen untersucht. Ihm zufolge soll »auf die Herrschaft (und nicht die Souveränität), auf die materiellen Träger, die Formen der Unterwerfung, die Verbindungen und Verwendungen lokaler Systeme dieser Unterwerfung und schließlich auf die Wissensdispositive« (Foucault 2001: 49) geachtet werden. Kerndimension des Formwandels der Arbeit ist eine neue Wertigkeit: Wertbestimmend werden Gedanken und Ideen. Aus dieser Verschiebung ergibt sich ein veränder-

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ter Bezugsrahmen der Zusammenarbeit, welcher sich nicht allein auf die Organisation beschränkt, sondern diese übersteigt. Negri beschreibt diesen Wandel als den gesellschaftlichen Charakter der Produktivkräfte: Sie würden der Maßregelung und Organisation eines abstrakten Kommandos des Kapitals unterliegen. Ich habe bereits angedeutet, dass an diesem Punkt eine profunde organisationssoziologische Perspektive auf die feinteiligen Kontroll- und Steuerungsmechanismen hinweisen kann, mit welchen die Grenzen der Kooperation, Kommunikation oder Zusammenarbeit gezogen werden, um das frei diffundierende und prekäre Potenzial der Arbeit zu domestizieren. Einen wesentlichen Anteil der Domestizierung der Kreativität übernimmt dabei das Dispositiv der (An-)Ordnung von Zeit: Kreativität generiert einen Möglichkeitsraum, in welchem Tätigkeit innerhalb des Projekts bis zu einem gewissen Grad erlaubt wird, aber die für ihre Ziele notwendigen Rahmenbedingungen einhalten muss (Zeit, Kosten, Qualität). Die Faktoren tauchen aber nur mittelbar als Zwänge auf. Sie sind in ihrer Essenz verschlüsselt, Herrschaft ist anonym, denn die soziale Kontrolle hat kein ›Gesicht‹: Es gibt keine identifizierbare Person, sondern nur einen Tatbestand mit objektivem, sachlichem Charakter. Zeit hat dabei den zentralen Bezugspunkt für sich beansprucht und dominiert Sach- und Sozialdimension, indem sie zur Grundstruktur der Organisation selbst wird. Zeitverhältnisse sind im organisierenden Arbeiten die Orientierungslinien, an denen das eigene Arbeiten ausgerichtet wird. Im planerischen Teil der Tätigkeit treten sie als die ›Arbeit an der Arbeit‹ auf, die immer wieder verschoben und an sich ändernde Randbedingungen angepasst werden muss. In der Selbstorganisation immaterieller Arbeit kommen das Ausloten und Neuziehen der Projektgrenzen sowie die Sinnzuschreibung zusammen. Gemeinsam mit den Kontroll- und Disziplinartechnologien als internalisierte Regierungsmechanismen formen sie ein spezifisches Selbstverhältnis: Die Angestellten verfolgen im Modus der Planung eine Tätigkeit, die selbst den Möglichkeitsraum neu beschreibt und (re-)aktualisiert. Ansagen, pünktlich zu sein, Fristen einzuhalten, eine festgelegte, zeitlich strukturierte Abfolge von Aufgaben zu erledigen, sind internalisiert und Teil des professionellen Habitus, welcher durch das Projektmanagement abgerufen wird. Darüber hinaus sind sie auch mit materiellem Gewicht versehen: Sie sind Teil der Planungen in Projekten, sie werden sichtbar gemacht und als ›kritischer Pfad‹ mit Deutungsmacht ausgestattet. Abweichungen werden toleriert, aber nur unter der Prämisse, einen neuen Möglichkeitsraum zu gestalten, der sicherstellt, dass Fristen gehalten, Kosten nicht überschritten und Qualität geliefert wird. Selbstorganisation, in arbeitssoziologischen Studien wird sie als Facette einer »neuen« Arbeitswelt interpretiert, erzeugt eine Zeitordnung, in welcher das Projekt ›funktioniert‹, mit den Mitteln der Zeichenmanipulation, der Grenzarbeit und der Sinnstiftung im Planungsprozess.

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In selbstverantwortlicher Arbeit scheint geradezu die Betonung der Autonomie im Vordergrund zu stehen. Dies verkennt jedoch, dass gerade eine Selbstsetzung der Regeln nicht ermöglicht wird. Insofern ist die Arbeit immer noch fremdbestimmt. Kennzeichnend für die Herrschaftsbeziehungen sind aber vor allem die dialektisch verschränkten Mechanismen des Ein- und Ausschlusses (vgl. Wolf 2004: 232 ff.): Herrschaft schließt Menschen von Möglichkeiten (der Mitbestimmung, der Eigenregelung und letztendlich von der Organisation durch Kündigung) aus. Sie schließt aber notwendigerweise im selben Atemzug Menschen ein: Die Angestellten unterwerfen sich der herrschenden Steuerungslogik, sei es einer direkten personellen Hierarchie, einem entpersonifizierten Kontrollverfahren oder einer abstrakten Marktlogik. Die kapitalistische Produktion – so könnte salopp gesagt werden – ›lebt vom Mitmachen‹. In Projekten und spezifischer im organisierenden Arbeiten kommt dieser Sachverhalt auf umgekehrte Weise zur Geltung: Während im ›klassischen‹ Produktionsprozess der Ausschluss von Handlungsoptionen dominiert und der Einschluss gering ausfällt, ist der Einschluss nahezu allumfassend und zwar nicht zuletzt aufgrund einer abstrakten Form der Selbstverantwortung gegenüber dem Team, dem Produkt oder der Kund_in. Die Prinzipien des Projektideals greifen hier vollumfänglich: Kosten, Qualität und Zeit prägen den Einschluss und die Aktivierung. Die Steuerung des organisierenden Arbeitens effizient zu lösen, ist eine komplexe Aufgabe, deren Bewältigung nicht außerhalb ihrer selbst stattfinden kann. Das bedeutet, sie muss Teil der individuellen Tätigkeit sein und bleiben, die sich in ihr und durch sie bewegt. Organisierendes Arbeiten bedeutet einen absoluten Einschluss der Angestellten und eine durchgängig internalisierte Herrschaftsbeziehung, welche im eigenen Arbeiten erzeugt wird und dadurch die Arbeit strukturiert und sinnhaft macht. Organisierendes Arbeiten ist somit in ein Herrschaftsverhältnis eingebettet, welches neben der Verschleierung auch auf die Internalisierung angewiesen ist. Für eine als stark selbstbestimmt und selbstorganisiert wahrgenommene Arbeitsform ist dies zu einem gewissen Grad widersprüchlich. Diese paradoxe Situation wirkt allerdings nur auf der strukturellen Ebene. Auf der praktischen Ebene wirkt auch bei der rigidesten Form der Arbeitsprozessgestaltung immer ein letzter Freiraum. In diesem Punkt spiegelt sich der Bezug zwischen Ideal und Praxis im Projektalltag wider. Diese Beziehung besteht aus einer restriktiven Handhabung der Handlungsoptionen der Individuen. Eigensinn und Eigenständigkeit werden durch Programme kanalisiert. Sie machen die Kontingenz der Subjekte kontrollierbar und führen in der Realität auf das Ideal zurück. Durch Iteration und Oszillation, Soll-Ist-Abgleich finden sich in der Praxis Auslöser, die kontinuierlich eine Abfrage starten, wie sich die Praxis zum Ideal verhält. Organisierendes Arbeiten nimmt als Maßstab der Steuerung und damit auch

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als Herrschaftsmodus die zunächst eher abstrakt wirkende Relation zwischen idealer Projektvorstellung (im Sinne des Plans) und faktischer Projektrealität in sich auf. Gerade aber die verschleierte Asymmetrie in Projekten ist das wichtigste Argument für das Entstehen von Freiräumen, die sich den Sachzwängen auf eine kreative Art und Weise entgegensetzen können. Während diese Zwänge zwar einerseits restriktiv wirken, indem sie die Möglichkeiten einschränken, ist gerade die Subversion der nicht bis ins letzte domestizierbaren Kreativität für das organisierende Arbeiten von größter Bedeutung. Einerseits kann Dirk Baeckers ironische Darstellung der Manager_innen, welche immer von suboptimalen Situationen ausgehen, nochmals aufgegriffen werden. Ihre Funktion und ihre Aufgabe ist es, zu jedem Zeitpunkt an die mögliche Optimierung zu glauben und danach zu streben. Dies erscheint nur möglich, wenn sich das organisierende Arbeiten gegenüber den restriktiven Strukturen die Möglichkeit offenhält, der Kontrolle und der strukturellen Herrschaft minimalinvasive Eingriffe einzuräumen, welche dafür Sorge tragen, dass ›gewährt wird‹, was anderenfalls verhindert werden soll. Andererseits muss der Planungsmodus selbst die Möglichkeit enthalten, sich restriktiven Zugriffen zu entziehen. In potenziell unsicheren und offenen Situationen ist ein Plan nur eine Projektion auf die Zukunft, eine antizipierte, erwartete, gegenwärtige Zukunft, und damit kontingent. Das organisierende Arbeiten, welches diesen Planungsmechanismus zur Herstellung der eigenen Handlungsanweisung nutzt, braucht die Gewissheit, dass der Plan etwas anderes ist als die Realität. Es braucht auch die notwendige Freiheit, ihn selbsttätig umzuschreiben, um dem Projekt einen anderen Kurs zu geben oder eine andere Landkarte eines anderen Territoriums zu zeichnen. Das Projekt selbst ist zu einem hohen Grad kontingent. Dies zeigt sich insbesondere in der Funktion des Projektmanagements, die unsichere Zukunft vorhersagbar zu machen, wodurch der Möglichkeitsraum der Entwicklungen eingegrenzt wird. Die Strukturen des organisierenden Arbeitens forcieren auf latenter Ebene dieses spezifische Handlungsprinzip, um daraus die entsprechend notwendige Vorgehensweise abzuleiten. Das organisierende Arbeiten schafft sich die eigenen Existenzbedingungen und Fixpunkte, um das Projekt herzustellen und vorwärtszubringen.

7.4 O RGANISIERENDES A RBEITEN ALS P RAXIS DER P ROJEKTE Organisierendes Arbeiten ist eine Tätigkeit. Es beschreibt eine Praxis in Projekten. Daher bleibt notwendigerweise diffus und latent, was im Spannungsfeld eines Vorhabens und der individuellen Handlungsrationalität der Projektarbeit und -organisation

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tatsächlich geschieht. Gegenüber den professionell-disziplinierenden Handlungsprogrammen des Projektmanagements ist das organisierende Arbeiten weniger explizit: Es liefert keine konkrete Handlungsschablone. Es öffnet und strukturiert im Projekt einen Möglichkeitsraum, in dem das Vorhaben möglichst zufriedenstellend abgeschlossen werden kann. Dies geschieht im Tätig-Werden des organisierenden Arbeitens. Dabei ist der Erfolg des organisierenden Arbeitens aber zunächst selbst nur eine Möglichkeit in einem kontingenten Verlauf. Organisierendes Arbeiten führt nicht automatisch zu einem fristgerechten, kosteneffizienten und qualitativ zufriedenstellenden Projektende. Vielmehr ermöglicht es, den Möglichkeitsraum zu nutzen und zu modifizieren, um ›zum Ende‹ zu kommen. Im idealtypischen Setting, in dem das Projekt auf sich alleine gestellt ist, eröffnet das organisierende Arbeiten diese notwendigen Räume der Autonomie, in welchen die Projektmanager_innen sich bewegen können. Das organisierende Arbeiten beinhaltet – wie jede Arbeit – einen spezifischen Anteil an selbsttätiger Arbeit (vgl. Wolf 1999, 2012). Die Tätigkeit beinhaltet per se Zonen der Unkontrollierbarkeit, die seitens der Angestellten genutzt werden, um mit oder ohne Vorsatz Handlungsimperative zu unterlaufen. Für die Ausübung der Tätigkeit, so argumentiert Wolf (1999: 81 f.), seien diese Akte notwendig, um den organisational gerahmten Arbeitsprozess aufrechtzuhalten. Ebenso lässt sich dies auf das organisierende Arbeiten beziehen, das seine Legitimation aus der eigenständigen Herangehensweise an die Lösung der Zeitstrukturen und Ablaufplanung zieht. In der (An-)Ordnung der Zeit greift das organisationale Arbeiten notwendigerweise auf frei zu gestaltende Räume zu, um diese zu strukturieren. Der als Leerstelle der Arbeitssoziologie gedeutete Begriff der Selbstorganisation erfährt hier eine Konkretisierung: Neben der Sinnstiftung und Relevanzzuschreibung beinhaltet er auch die Produktivität dieser autonomen Räume in der Arbeitstätigkeit. Organisierendes Arbeiten konkretisiert das uneindeutige Sprechen über Selbstorganisation: Es beleuchtet die konkrete Praxis aus dem Blickwinkel akuter Tätigkeit. Die oben beschriebene Beziehung von Ein- und Ausschluss geht ebenfalls damit einher. Sie bearbeitet aktiv die Infrastruktur des Projekts, indem sie Grenzen zieht. Vorrangig ist in dieser bestehenden Dialektik von Aus- und Einschluss die Dimension von Organisation und Arbeit zu sehen (vgl. Wolf 2004: 232 ff.). Im Kontext von Erwerbsarbeit lebt die Organisation geradezu von der freiwilligen Eingliederung in den Produktionsprozess; Projektorganisation fußt auf konkreten Plänen für die Arbeit, welche die eigenen Vorgaben kontinuierlich produktiv-kritisch hinterfragen, zerlegen und neu arrangieren. Nur in der Praxis ist dieses ›Problem‹ lösbar. Organisierendes Arbeiten ist in besonders hohem Maß durch diese Einschlüsse geprägt, welche konstitutive Teile von Arbeit sind. Im Sinnbild selbsttätiger Arbeit stellt die Dialektik eine Quelle von Autonomie dar, denn sie ist kaum steuerbar. In diesem Hohlraum gesteht sie den An-

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gestellten eine eigenständige Definitionsmacht über die Arbeit – als organisierende Arbeit – in Selbstorganisation zu. Organisierendes Arbeiten ist eine Möglichkeit, zu verändern und sich zu widersetzen. Gerade die immaterielle Form der Projektarbeit und die offene Unsicherheit der Projektorganisation sind Quellen der selbsttätigen Arbeit. Jedoch gilt auch: Die fremdbestimmten Projektziele verhindern die eigentliche Selbstsetzung. Selbstbestimmung beschränkt sich daher immer noch auf die Praxis und die Tätigkeit, nicht aber auf die Ergebnisse, die erbracht werden sollen. In der ›Freiheit‹ funktioniert das organisierende Arbeiten im Horizont seiner Möglichkeiten domestizierend, indem es die eingeforderte Kreativität in der Be- und Erarbeitung nach erwünschter und unerwünschter Potenzialität sortiert; die eine gewähren lässt, die andere verhindert. Bis hierhin hat sich dieses Kapitel der relationalen Gestalt des organisierenden Arbeitens angenommen und hat diese als das Aufeinanderbeziehen von Arbeit und Organisation beschrieben. Das besondere an dieser Arbeit ist ihr spezieller Typus. Sie ist immaterielle Arbeit. Sie speist sich aus Mechanismen der Ordnungserzeugung und Strukturerschaffung als Bezeichnungsprozess. Neben den klassischen ›Inhalten‹ immaterieller Arbeit habe ich im Abschnitt Relevanz und Grenzen zwei weitere Tätigkeiten herausgearbeitet: Grenzarbeit und Sinnzuschreibung. Beide Tätigkeiten geben dem Projekt einen dynamischen Planungsmoment und beschreiben die Ad-hocOrganisation eines Vorhabens – nämlich, dass die Projektarbeit Projektorganisation hervorbringt, welche jene wiederum strukturell bedingt. Im zweiten Kapitel war das zugrundegelegte Argument die besondere Bedeutung der Zeit für Organisationskontexte. Indem ich den Infrastruktur-Charakter des Dispositivs der (An-)Ordnung von Zeit als Grundgerüst für eine ›organisationale Realität‹ dargelegt habe, ist die Möglichkeit, auf diese Struktur mit verschiedensten Mitteln einzuwirken, sichtbar geworden. Als Infrastruktur kommt die Zeitdimension implizit zur Geltung, da ihre Funktion in sozio-technischen Artefakten gebunden ist. Das, was in den Worten einer Soziologie der Assoziation oder der Akteur-Netzwerk-Theorie als Einschreibung genannt wird, konstituiert eine semantische Relation, in welcher sozialer Sinn konstituiert wird und Anschlüsse für die tätige Auseinandersetzung mit der ›Welt‹ bereitgestellt werden. Dies ist der Hebelpunkt, an welchem das Arbeiten auf das Organisieren trifft: Der Sinn muss performativ hergestellt werden und er muss sich in der Praxis bewähren – das heißt, es muss an ihn angeschlossen werden können. Diese beiden Pole sind in ein Machtverhältnis eingelassen. Von diesem kann mit Foucault gesagt werden, dass es nicht die organisationalen Mechanismen sind, die hier die Macht ausüben oder diese innehaben; sie sind vielmehr die Endpunkte der Machtbeziehungen. In der Tätigkeit des Organisierens erzeugt sich auf eine heterogene Weise ein Geflecht von Machtrelationen, das auf die Angestellten einwirkt und

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in materiellen und immateriellen Artefakten, in sozialen Beziehungen sowie in ›kalter‹ Materie zu finden ist.20 Seine grundlegende Konstitution ist verschleiert, sein Auftreten nicht offensichtlich. Als Prozess ist organisierendes Arbeiten in diesen beiden Sphären durch einen besonderen, verschleierten Herrschaftsmechanismus gekennzeichnet, der anonymisiert und objektiviert wirkt. Er zieht die Spezifika eines Regierungsmechanismus mit sich, indem er kontrollierend interveniert und das organisierende Arbeiten in diesem Moment der Abweichung gewähren lässt, es jedoch in letzter Instanz auf den Möglichkeitsraum beschränkt. Darüber hinaus ist es nicht geradlinig oder unhinterfragbar. Im konflikthaften Zusammenspiel zwischen Ideal und Praxis offenbaren sich immer wieder von Neuem nicht abschließbare Räume der konstitutiven Unbestimmtheit. Was Zygmunt Bauman als »Ambivalenz« begreift (Bauman 1992), das notwendige Scheitern des ›Ordnung-Machens‹ bricht sich Bahn, wenn Zonen der Autonomie offen bleiben und von den Menschen in Projekten besetzt werden. Sie auszufüllen, geschieht autonom. An dieser Stelle tritt die von Paolo Virno (2008b) beschriebene »Virtuosität« des General Intellect in Gestalt der, von Harald Wolf (2012) beschriebenen, »Selbsttätigkeit« auf den Plan. Sie bleibt der Kontrolle der Organisation verborgen, öffnet jedoch das Vermögen zu organisieren. In der Zusammenfassung dieser rekonstruierten Punkte positioniert sich das organisierende Arbeiten als Antwort auf ein gelebtes Ideal des Projekts und des Projektmanagements. Das Ideal eines Projekts entspringt, wie ich in Kapitel 6 herausgearbeitet habe, der strikten Definition eines Projekts und den hieraus abgeleiteten und vorherrschenden normativen Ansprüchen an Projektarbeit und Projektorganisation. Ein Vorhaben ist ein befristetes, potenziell unsicheres Unternehmen, das eine einzigartige, neuartige und komplexe Dienstleistung, ein Produkt, ein Bauwerk oder Ähnliches hervorbringt. Definitionen haben zunächst keinen Informationsgehalt. Sie sind in erster Linie eine Heuristik, um etwas relativ zum proklamierten Ideal zuzuordnen. Projekte bedienen sich dieser normativen Vorstellung. Sie etablieren im Projektmanagement ein Programmwissen, welches die Sicherstellung dieses Ideals gewährleistet. Das organisierende Arbeiten stellt den Gegenpart zu diesem Ideal dar: Es ist die Praxis der Projektarbeit und der Projektorganisation. Mein Ziel war es, den relationalen Arbeitsbegriff als Tätigkeit auszulegen, welche immer auf das je andere verweist: Arbeit referenziert Organisation und Organisation referenziert Arbeit. Der Blick auf die Praxis, auf die Tätigkeiten des Arbeitens und des Organisierens, richtet sich also nicht

20 | ›Kalte‹ Materie drückt hier aus, dass sie für die Soziologie und genauer für die Sozialtheorie kaum eine eigenständige Rolle gespielt hat. Erst in der Argumentation, dass diese Materie auch eigensinnig Einfluss nehmen kann – und diesen auch geltend macht –, kann die Relevanz, im Sinne meiner Argumentation in Kapitel 7.1 angenommen werden.

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auf eine starre Vorstellung von Organisation und von Arbeit.21 In der Praxis finden die Programme und das Ideal eine Antagonistin, welche die normativen Vorstellungen mit der Realität konfrontiert. Dies geschieht nicht nur für den Organisationsprozess, sondern auch für die Arbeit, die sich an den Idealvorstellungen abarbeitet. Auch wenn das Ideal als Luftschloss (auch im Sinne der Projektemacher) nicht greifbar und nicht materiell ist, bleibt seine Funktion doch mit Deutungsmacht behaftet, denn die suggerierte Professionalität wirkt auch auf die Praxis. In der Praxis kann aber substanziell anders verfahren werden. Das organisierende Arbeiten zieht hieraus seine Stärke, weil es als Analysebegriff sichtbar macht, dass es gerade auch der Eigensinn und die Kontingenzen sind, die sich in Arbeit und Organisation einnisten. Für die Arbeitssoziologie öffnet dies eine Perspektive, die auf das Organisatorische verweist, wenn von Selbstorganisation gesprochen wird. Darüber hinaus kann die inhaltliche Dimension einer qualitativen Veränderung von Erwerbsarbeit betrachtet werden, die über eine Betrachtung des reinen Formwandels der Erwerbsarbeit hinausgeht. Die Organisationssoziologie erhält einen Einblick in die Performativität des Organisierens, mit dem expliziten Hinweis auf die Arbeit, die hinter der Organisation steckt. Die Relation beider Sphären zeigt somit an, wie sie in der Praxis zusammenfallen und zusammenwirken.

21 | Die Performativität ist – um noch einmal daran zu erinnern – der poststrukturalistische Perspektivenwechsel, welcher die Stabilität von Organisationen problematisiert und sich anstelle dessen für die kontinuierliche Aushandlung einer solchen Ordnung interessiert. Ordnung ist damit nicht stabil, sondern fragil und muss immer wieder neu hergestellt werden.

8 Anschlüsse, Ausschlüsse, Abschlüsse »Man hoffte, daß die diabolischen Kräfte in den anderen Disziplinen diszipliniert werden könnten. So kommt es, daß in der Industriesoziologie das Herrschaftskonzept seit Jahrzehnten herrscht bzw. in der Organisationstheorie die Rationalitätsprämisse über Dekaden hinweg für rational gehalten wurde. Wenn nun aber die Organisationswissenschaft . . . bis in erkenntnistheoretische Grundfragen hinein getrieben wird, kann man erkennen: man hat sich geirrt.« T HEODOR M. BARDMANN /W ENN AUS A RBEIT A BFALL WIRD

Die Ausarbeitungen kommen an diesem Punkt zu ihrem Schluss. Der Einstieg in das Thema hat an der These einer von einer Projektmetapher durchdrungenen Gesellschaft angesetzt. Als Semantik bedient dieses idealisierte Bild die Kriterien der Befristung und Komplexität sowie der Eigenverantwortlichkeit. In Erwerbsarbeit und in Wirtschaftsorganisationen wird die »Projektifizierung« (vgl. Kalkowski und Mickler 2002: 122; Maylor et al. 2006: 666) von Arbeit und Organisation entlang dieser Logik allgegenwärtig. Auch wenn Ersteres nur auf einer assoziativen Ebene mit Zweiterem zusammenzubringen ist, bleibt dennoch die zugehörige semantische Bedeutung von großem Interesse. Der Projektbegriff stellt eine Zeitdiagnose dar – ein biografisches sowie gesellschaftliches Selbstverständnis – und ist ein zeitgenössisches Schaubild von Arbeits- und Organisationsverhältnissen. In diesem Komplex wird die immanente Verschränkung von Gesellschaft mit Organisation und der individuellen Vergesellschaftung offenbar: Projekte sind ein Regierungsdispositiv moderner Gesellschaften. Als gesellschaftstheoretische Zeitdiagnose und im Horizont verschiedener ›Bindestrich-Soziologien‹ sind vielzählige Untersuchungen angestellt worden, welche die Eigenart und die Wirkung von Projekten untersuchen. Letztere bleiben allerdings in ihrer Erkenntnis beschränkt: Arbeitssoziologie und Organisationssoziologie vernachlässigen in der eigenen Sicht auf den Gegenstand wichtige Bezugspunkte des je

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anderen Fachs. Dies ist die Krux der soziologisch-fachlichen Aufstellung: In der Auseinandersetzung mit Projektarbeit und Projektorganisation sind beide Fächer jeweils betriebsblind, da sie den Gegenstand nur von einem Blickwinkel erfassen. Daher war das Kernanliegen, die Leerstellen beider Gebiete aus dem Forschungsstand zu rekonstruieren. Das Argument setzt an diesen ›blinden Flecken‹ an, um mit einem Begriff, der Arbeit und Organisation in ein relationales Verhältnis setzt, eine umfassende Tätigkeitsform kenntlich zu machen. Organisierendes Arbeiten ist die performative Sicht auf den projektspezifischen Inhalt dessen, was in Projekten an Aushandlung, Organisieren, Arbeiten – kurz an Sozialem – geschieht. Die Argumentation der Arbeit trifft eine wichtige Annahme, mit welcher die Tätigkeit in Projekten spezifischer zu greifen versucht wird. Die Diskussionen über den Wandel der Erwerbsarbeit, welche in der hiesigen Arbeitssoziologie die Themen Subjektivierung, Entgrenzung und Ökonomisierung von Arbeit erfassen, finden ihre empirische Entsprechung in Projektarbeit; dennoch bleibt der Inhalt der Tätigkeit unbeleuchtet. Er wird unter dem Begriff der Selbstorganisation kodifiziert – als eine Chiffre, welche immer dann bemüht werden kann, wenn vage Bilder abgerufen werden sollen, ganz nach dem Motto: Jede_r weiß, was sie bedeuten aber keine_r kann sie hinreichend erklären. Grenzziehung und Sinnstiftung als Modi der Selbstorganisation verknüpfen Informationen; ihr Bezug ist immaterielle Arbeit, welche sich nicht allein durch ihr Objekt definiert, sondern durch eine Vielzahl kognitiver, verbindender, ideologischer und semiotisch-sprachlicher Prozesse. Wird mit einer Heuristik immaterieller Arbeit auf Selbstorganisation geblickt, zeigt sich ein kontrastreicheres Bild gegenüber arbeits- und industriesoziologischen Deutungsangeboten. Es wird ein Einblick in die bedeutungs- und damit inhaltsgenerierenden Facetten der Projektarbeit und Projektorganisation möglich. Selbstorganisation ist immaterielle Arbeit in einem Prozess, welcher fortlaufend re-artikuliert werden muss. Die Prozessperspektive verdeutlicht, dass dies als ein Ablauf in der Zeit begriffen werden muss. Zeit kommt somit eine doppelte Bedeutung zu: Zum einen ist sie als strukturgebende Größe zentraler Orientierungspunkt der Organisationsstrukturen. Ich habe dies den Infrastrukturcharakter der (An-)Ordnung von Zeit genannt. Zum anderen ist Zeit ein Kontrollmechanismus: Sie ist knapp und befristet, sie gibt den Rahmen vor, in welchem die Inhalte positioniert werden müssen. Eine zentrale Frage ist noch offen: Was bleibt von einem Wissenskorpus des Projektmanagements am »Ende der Planbarkeit« (Dell 2012; Dörre 2009). Es ist kein Zufall, dass Management- und Organisationsdiskurse der letzten 20 Jahre das Ende der Planbarkeit, der Berechenbarkeit und der Eindeutigkeit für sich entdeckt haben. Die Erkenntnis fällt mit einer Reihe von gesellschaftspolitischen wie sozialtheoretischen Grundsatzpositionen zusammen, welche als »die neue Unübersichtlichkeit« (Haber-

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mas 1985), das ›Ende der großen Erzählungen‹ (vgl. Lyotard 1994) oder schlicht als postmodernes Rauschen interpretiert werden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich Projektplanung auf den ersten Blick als ein Anachronismus: Sie hat ihre beste Zeit – die Hochzeit der Kybernetik – überdauert und hält doch am Planungsideal fest (vgl. Bröckling 2008). Die Bezugsdimensionen, welche Praxis mit einem übergeordneten Ideal (Planung) verbinden, sind ein Korrektiv: Dessen Zugriff ist auf einer strukturellen und individuellen Ebene verortet. Es ist dieser Dispositiv-Charakter, welcher mit der Funktion als Infrastruktur einhergeht. Die Praxis kann daher als konsequentes Scheitern gedeutet werden: Sie verfehlt das Ideal im Moment der Unsicherheit; das Korrektiv schlichtet den Widerspruch zwischen Praxis und Ideal, zwischen Ist und Plan-Soll. Letztlich bedeutet das nicht notwendigerweise einen zufriedenstellenden Projektabschluss, der sich an einen gesetzten Rahmen hält. Stattdessen besteht der Kontrollmodus im Wesentlichen darin, mit dem Scheitern performativ umzugehen und einen alternativen, kontingenten Weg zu finden. Organisierendes Arbeiten hat, wie ich bis hier angedeutet habe, in der Entwicklung des Erkenntnisinteresses und der Ausarbeitung der Untersuchung mehrere Bezüge aufgebaut, die im Folgenden abschließend betrachtet werden. Einen ersten Hinweis liefert der Begriff des organisierenden Arbeitens, denn durch ihn wird die Verbindungslinie von Arbeits- mit Organisationssoziologie gezeichnet. Der Begriff funktioniert außerdem als Heuristik, mit welcher Arbeitssituationen eingelesen werden können, um so die Spezifik der Tätigkeit in den Vordergrund zu rücken, welche Projekte ausmacht. Darüber hinaus ist der Terminus auch in ein gesellschaftliches Verhältnis eingewoben. Dies wird durch die Beziehung zur immateriellen Arbeit ebenso deutlich wie durch die Deutung der Organisation als »Fall von Gesellschaft« (Türk, Lemke und Bruch 2002: 14). Diese drei Beziehungen verleihen dem Begriff des organisierenden Arbeitens analytischen Gehalt, mit dem im Grenzgang zwischen den Fächern die Essenz der Projekte geborgen werden kann.

8.1 O RGANISIERENDES A RBEITEN ALS B INDEGLIED Der Begriff organisierendes Arbeiten macht immanente und praktische Verwebungen von Arbeiten und Organisieren sichtbar. Er symbolisiert den Brückenschlag zwischen beiden Blickwinkeln. Die Umdeutung des Organisationsbegriffs in einen performativen Akt des Organisierens ist ein Kunstgriff, welcher es ermöglicht, von ihm als Tätigkeit zu sprechen. Dies erlaubt es, die performative ›Herstellung‹ der Strukturen, in die Arbeit eingebettet ist, zu beschreiben. Dieser Perspektivenwechsel ist aber ungleich mehr: Da zum einen ein dynamischer Prozess betrachtet wird und nicht mehr nur ei-

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ne stabile ›Materialisierung‹ von Organisation, erlaubt die Perspektive, den Blick auf Zeit und Zeitlichkeit eines Projekts zu richten, das heißt das zentrale Ordnungsprinzip zu fokussieren, welches seine ›Bewegung durch die Zeit‹ beeinflusst. Im Sinne prozessualer Organisationstheorie wird das kontinuierliche ›Werden‹ der Organisation deutlich – und wie dieses durch die Akte des organisierenden Arbeitens erzeugt wird. Diese konzeptionelle Prämisse ist von zentralem Stellenwert für die Betrachtung von Projekten, denn mit dem Zugeständnis an die unbedingte Unsicherheit und Instabilität der Organisation bedeutet dies, dass sie immer wieder aktualisiert und neu hergestellt werden muss, um im nächsten Moment wieder existenziell bedroht zu sein. Hieraus ergibt sich die Einsicht, dass auf eine zentrale Grundlage ›moderner‹ Organisationstheorie verzichtet werden muss. Wie Bardmann (1994) andeutet, müsse das Rationalitätsprinzip nicht zwingend rational sein. Dies macht der Blickwechsel von der Position auf die Bewegung von Projekten deutlich. Er öffnet für die wissenschaftliche Perspektive ein Fenster zur Praxis. Ähnlich ergeht es dem klassischen Herrschaftsbegriff arbeitssoziologischer Betrachtungen. In der sich verändernden Erwerbsarbeit ist seine Stellung im Produktionsprozess kaum hinterfragt oder neu ausgedeutet worden. In Projekten tritt diese Schwäche deutlich zutage, wenn Impulse für die Arbeit nicht mehr aus einer rein asymmetrischen Hierarchie erfolgen, sondern selbstorganisiert als Sachzwänge auftauchen. Wo instrumentelle Projektmanagementtheorien dominieren, spielen Macht- und Herrschaftsfaktoren kaum eine Rolle. Sie sind durch das Dogma der Zweckrationalität ersetzt worden. Diese strukturell verkürzte Perspektive macht einen Blick auf die politischen und aushandlungsintensiven Situationen unmöglich. Organisationen sind durch Machtbeziehungen strukturierte Räume. Darüber hinaus sind sie dynamisch: Ihre Strukturierung ist ein kontinuierlicher Vorgang. Für die Arbeitssoziologie bedeutet dies, zusätzlich einen vernachlässigten Gegenstand wieder in die Analyse aufzunehmen. Was als Betriebsperspektive in einigen arbeitssoziologischen Strömungen im Zuge des Strukturwandels der Erwerbsarbeit ausgearbeitet wurde, ist zu großen Teilen vernachlässigt worden. An diesem Punkt kann die Verbindung von Arbeiten und Organisieren ansetzen, indem sie einerseits den Prozess der Organisation als das aktive Herstellen der eigenen Rahmenbedingungen begreift. Die Strukturperspektive setzt hier an den Machtbeziehungen an und gestaltet sich daher als dynamisches Bild des Betriebs beziehungsweise der Organisation. Andererseits zeigt der Begriff des organisierenden Arbeitens als Substitut für den Betrieb, wie diskursiv vermittelte, gesellschaftliche Machtbeziehungen die Organisation und die inhärente Arbeit färben. Daher verweist organisierendes Arbeiten als Analysekategorie immer auch über die konkrete Arbeitssituation hinaus und hinein in gesellschaftliche Verhältnisse.

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Organisierendes Arbeiten eröffnet kritische Zugänge zu einem instrumentell und rationalen Verständnis von Organisation und Erwerbsarbeit, die in Projekten verknüpft vorliegen. Das heißt, ein genuin (spät-)modernes Phänomen wird in seiner Essenz auf den Prüfstand gestellt, indem die normativen Ansprüche mit der Praxis (als einer deskriptiven Kritik) konfrontiert werden.

8.2 O RGANISIERENDES A RBEITEN ALS H EURISTIK Im Begriff des organisierenden Arbeitens ist der Fokus auf die Praxis gerichtet, indem eine Heuristik an die Hand gegeben wird, mit der die Arbeit auf ihre Ziele hin untersucht werden kann – und auf die Erzeugung der ›Wege‹, welche dorthin führen. Neben dem Inhalt der Arbeit rückt so auch das Organisieren in den Blick, an dessen Stelle die hermetische Arbeitssoziologie oftmals nur von Selbstorganisation spricht und eine Externalität der Arbeit außen vor lässt. Gerade in der kontinuierlichen Wiederherstellung verdeutlicht das organisierende Arbeiten, wie diese strukturellen Grundlegungen performativ erzeugt werden, und eröffnet der organisationssoziologischen Perspektive des Begriffs ein Schlaglicht auf die Erzeugung von Ordnung. Seine Konzeptionalisierung verweist auf eine besondere Art der Tätigkeit, welche immaterielle Arbeit um zusätzliche Eigenschaften erweitert. Hierdurch wird nicht auf die starren funktionalen Strukturen geblickt, sondern auf deren Konstruktion und Reifizierung geachtet. Gegenüber einem großen Teil bestehender (kritischer) Forschung zu Projektarbeit ist im Begriff des organisierenden Arbeitens eine Praxisorientierung angelegt. Die alleinige Auseinandersetzung mit dem normativen Projektmanagementkorpus greift zu kurz, denn sie liefert keine adäquate machtanalytische Konzeption von Projekten. Deutlich sichtbar wird dies bei den an Michel Foucault angelehnten Gouvernementalitätsstudien. Diese laufen Gefahr, detailliert die Mechanismen aus idealtypischen Gegenständen zu interpretieren und somit eine pointierte und plausible Kritik zu formulieren, welche die idealisierten Strategien und Mechanismen als Gegebenheit setzt und über die empirische Realität stülpt. So wird am Ende bestätigt, was am Anfang bereits verdächtigt wurde, ein perfider Mechanismus neo-liberaler Subjektivierung zu sein. Dieser Blick ist strukturell kritikfeindlich, denn er entledigt sich allzu einfach einer ambivalenten und kontingenten Praxis. Allerdings ist das organisierende Arbeiten hier von zentraler Bedeutung, um eine Verbindung zwischen den besonders betonten Programmen und einer unspezifischen, uneindeutigen und offenen Praxis herzustellen. An diesem Punkt dient der Begriff als Sortierungsraster, mit dem zum einen die generierten Rollenerwartungen aus strukturellen Wissensvorräten herausgestellt wer-

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den können. Es geht dann um die Frage, wie Erwartungshaltungen konstruiert werden und wie sich aus diesen Regierungsrationalitäten Handlungsprogramme ableiten lassen. Zum anderen zeigt das Sortierungsraster, wie die individuelle Aushandlung zwischen diesen Rationalitäten, der Praxis und den Gegenständen vermittelt und letztlich ein Gemenge erzeugt, das sich in Gang setzt. Im Sinnbild einer »zirkulierenden Referenz« (Latour 2002: 85) zeitigen sich die Bindungen oder Netzwerke, über die Bruno Latour äußerte: »What is important in the word network is the word work. You need work in order to make the connection« (Latour im Gespräch mit Gane 2004: 83, Hervorhebung im Original). Die Praxis muss in doppeltem Sinne ›gemacht‹ werden; sie ist daher das Produkt und auch die Tätigkeit, welche es in der Perspektive zu fassen gilt. Wird organisierendes Arbeiten als heuristischer Zugang zu Projekten gewählt, lässt sich das soziale Gewebe erkennen, welches die Tätigkeit, das Definieren, das Grenzenziehen, das Organisieren produzieren und wie es durch Objekte, Artefakte, Diskurse und Dispositive in der Zeit getragen und gestützt wird. Hier dient das organisierende Arbeiten im Sinne einer praktischen Vorstellung von Projekten als Metapher: Die Tätigkeit, welche die Bindungen herstellt, ist ein praktischer Vorgang, der unterhalten werden will. Konkret heißt dies für die Heuristik, dass das Bedeutsame nirgendwo festgeschrieben ist und durch Exegese herausgelöst werden kann – es findet sich im Tun.

8.3 O RGANISIERENDES A RBEITEN UND V ERGESELLSCHAFTUNG Die Geschichte des Projektbegriffs ist eng mit den beiden Sozialtypen des Projektemachers und der Projektmanager_in verbunden. Es finden sich Hinweise auf einen immanenten Vergesellschaftungsmodus, der in der heute gebräuchlichen Projektsemantik aufschimmert. Die expliziten Charakterzüge des Projektemachers verschieben sich in der Spätmoderne zu einer diffusen gesellschaftlichen Anrufungspraxis. Der Projektemacher war ein Lebensentwurf, Projektmanager_in ist dies nicht. Die semantische Bedeutung des Projektbegriffs ist in viele Facetten des gesellschaftlichen Lebens eingedrungen. Einiges des spezifischen Sozialtypus und der Tätigkeit der ›Projektemacherei‹ verbleibt in diesem Anrufungsmechanismus und nistet sich in zeitgenössischen Lebensentwürfen ein. Wir alle sind Projektmanager_innen unserer Lebensentwürfe: Im Sinn der eigenen Individualbiografie steckt daher auch in jedem von uns eine Projektemacher_in, mit einem Hang zum Scheitern, Neubeginnen und Wiederholen. Die ›Arbeit‹ an der eigenen Biografie ist ein Ausprobieren und Expe-

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rimentieren geworden; ein Handeln, welches Claude Lévi-Strauss (1968: 29 ff.) als »Bastelei« oder »Bricolage« beschreibt. Nicht nur in den Lebensentwürfen wird die Bricolage vergegenwärtigt, sie findet auch Einzug in den vergesellschafteten – so die postoperaistische Argumentation – Produktionsprozess. Arbeit bekommt dadurch einen eigenen Charakter: »Arbeiten heißt sich bearbeiten, sich selbst produzieren« (Gorz 2004: 20, ohne Hervorhebungen). Dies rückt den Menschen im Kontext einer auf Wissen beruhenden Wertschöpfung in die Mitte der Betrachtungen. Wissenschaftlich wie auch politisch werden die Bedingungen der (Erwerbs-)Arbeit an neue Prämissen geknüpft, welche mit der Subjektivität der Angestellten, ihrer Kreativität und Individualität verbunden sind. Das heißt, im organisierenden Arbeiten steckt ein Moment eigentümlicher Autonomie, welcher zur Strukturierung und (Re-)Produktion der Tätigkeit benötigt wird. Die Kreativität der Menschen ist selbst prägende und formende Subjektivierungsschablone geworden (vgl. Reckwitz 2011). Subjektformen wirken allerdings auch reglementierend. Das organisierende Arbeiten zeichnet sich sowohl als praxissensibles Konzept (Heuristik) als auch als Tätigkeitskonzeption (Bindeglied) durch eine Beziehung zu Handlungsprogrammen aus, welche Deutungsmuster bereitstellen. In Handlungsanleitungen und -empfehlungen des modernen Projektmanagements scheint diese Form der Ideenkombination und Bastelei nahezu verschwunden. In den Vordergrund treten die rationalen, instrumentellen Verhältnisse zu Planung, Arbeitsdefinition und Rollenbildern. Diese vermitteln einen deutlichen Werkzeugcharakter des Projektmanagements, dass nämlich für ein spezifisches Problem auch ein festgelegter Lösungsweg besteht, der – in der häufig zitierten Gleismetapher – das Projekt wieder »on track« bringt. Dies beschreibt die ›Programme‹ des Projektmanagements. Die Praxis verläuft – so hat es die Empirie gezeigt – anders: Eine vielschichtig kreative (solange sie produktiv bleibt) Handlungsorientierung wird sichtbar, welche auf diversen Ebenen der immateriellen Arbeit das Bild kreativer Kombinationsprozesse bemüht. Was an Kreativität und Subjektivität in die Projekte einfließt, wird kontrolliert und muss sich spezifisch auf die gestellten Aufgaben beziehen. Organisierendes Arbeiten erfüllt hier einen wesentlichen Aspekt der Prozesskontrolle, indem es die individuelle Kreativität domestiziert. Das organisierende Arbeiten ist die praktische Tätigkeit im Projekt. So erzeugt es Relationen, experimentiert, beruft sich auf Erfahrung – lässt sich zuweilen auch durch starre Handlungsvorgaben beeinflussen – und ›bastelt‹ hieraus einen praktischen Gegenentwurf zum Programm. Organisierendes Arbeiten besitzt die Eigenschaft, das individuelle Verhalten entlang spätmoderner Gesellschaftsentwürfe und -dispositive abzustimmen. In Projekten bearbeitet es das Spannungsfeld zwischen starrem und disziplinierendem Programm-

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wissen auf der einen und der kontingenten und widerständigen Realität auf der anderen Seite. Dadurch eröffnet es einen konzeptionellen Raum für die Betrachtung autonomer Gestaltungsmöglichkeiten, welche sich allerdings eher im unmittelbaren Kontext befinden. Die gesellschaftliche Dimension des organisierenden Arbeitens ist umfassender und subtiler, da soe auf die Eigenentwürfe und Strukturierungsbemühungen der Individualbiografien abhebt. Hier übersetzt organisierendes Arbeiten die gesellschaftlich vermittelten Forderungen nach Kreativität Einzigartigkeit und das Muster Individualität in konkrete Biografien. *

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Organisierendes Arbeiten ist eine Tätigkeit. Durch die Kontextualisierung mit der Projektsemantik ist es unmittelbar mit der Konstitution spätmoderner Gesellschaft verknüpft. Seine inhärente Ambivalenz zwischen freizügiger Kreativität und berechenbarem und verbindlichem Planungsmechanismus zeigt die immanente Widersprüchlichkeit der Projektsemantik in der Gesellschaft an. Diese wird nicht nur durch die historische Bedeutungsgenese verursacht, sondern auch durch die instrumentelle Lesart, welche Projekte explizit an Organisation bindet. Die spätmoderne, kapitalistische Gesellschaft, welche Individualität und Autonomie wechselseitig an die »projektbasierten Polis« (Boltanski und Chiapello 1999/2006: 152) koppelt, wird mit einer Organisationsform konfrontiert, welche diese Muster in domestizierter Form nutzbar macht. Das heißt, Projektorganisation und Projektarbeit sind auf den ersten Blick inhaltlich paradox. Vorschriften, Professionalität und Disziplinarität auf der einen Seite werden von Eigenverantwortung, Freiraum und Autonomie unterwandert, komplementiert oder mit ihnen in spannungsgeladene Koexistenz gebracht. Organisierendes Arbeiten markiert nicht per se ein Herrschaftsverhältnis. Hierzu wird es erst, wenn es in eine Form von kapitalistisch organisierter Erwerbsarbeit einbezogen wird, welche die eigenverantwortliche Hervorbringung der organisationalen Strukturen erfordert. Der wesentliche immaterielle Anteil des organisierenden Arbeitens entspringt – das kritisieren postoperaistische und verwandte Autor_innen – oftmals einer »unbezahlten Aktivität [. . .] [,] der ›Selbstproduktion‹ und ›Produktion von Subjektivität‹« (Gorz 2004: 48). An diesem Punkt lässt sich eine Prekarisierungsdebatte anschließen, welche – als eine weitere Diagnose zum Wandel der Erwerbsarbeit – zu Beginn dieser Untersuchung allerdings außen vor gelassen wurde. Arbeitspolitische und -gestalterische Entwicklungen, die in gesellschaftliche Trends wie Subjektivierung, Entgrenzung und Ökonomisierung münden, sind genuin ambivalent, denn sie betonen auf der Soll-Seite eine stetig steigende Rationalisierungsanforderung, die zwar implizit formuliert, aber doch explizit als Selbstverantwortlichkeit geäußert wird. Auf der anderen Seite beinhalten diese Entwicklungen immer auch

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eine qualitative Steigerung der Arbeitsinhalte und -anforderungen und dadurch eine individuelle Stufe qualifikatorischer Wertschätzung und Anerkennung. Letztlich ist das organisierende Arbeiten ein implizites, konzeptionelles Konstrukt, welches – gerade in Projekten – die hier thematisierte Ambivalenz beleuchten kann. Sie aufzulösen, ist – wie mit Bauman (1992) nachvollzogen werden kann – nicht das Ziel, weder sozialtheoretisch noch politisch. In einem anderen Kontext birgt das organisierende Arbeiten auch die Möglichkeit zu emanzipativem Potenzial, welche von postoperaistischen Autor_innen in die immaterielle Arbeit verlagert wurde. Organisierendes Arbeiten ist mehr als ein Prinzip der immateriellen Arbeit. Es wirkt strukturierend, indem es aushandelt, und ist ein Modus der Inbezugsetzung. Dadurch wird es Tätigkeit und erzeugt Sozialität, beispielsweise in der Selbstorganisation gemeinschaftlicher Commons. Hier lässt sich eine ähnliche Logik wie bei dem Zusammenspiel von Poiesis und Praxis ausmachen – jene Sphären, die für Hannah Arendt (1985) die Vita activa definieren, also das Arbeiten und Herstellen zur Veränderung der Welt sowie das Handeln, die Polis, durch das die Gesellschaft als politischer, ausgehandelter Raum konstituiert wird. Aus den »neue[n] Formen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kommunikativer Unabhängigkeit und Sicherheit« (Hardt und Negri 2013: 14) erzeugen sich auch neue Formen des Politischen und des Gemeinschaftlichen. Letztlich macht das organisierende Arbeiten vor allem einen Punkt stark: die Bedeutsamkeit von Tätigkeit in Arbeit und Organisation sowie ihre gesellschaftliche Vermittlung. Die Betrachtung von Projekten profitiert von einer umfassenderen Perspektive, welche diese Pole in sich aufnimmt; nicht zuletzt, da die Bedingungen und Wirkungen von Machtbeziehungen und der Akte der (politischen) Aushandlung nachvollziehbar gemacht werden. Ebenso profitiert die Betrachtung der gesellschaftlichen Organisation, welche Projekte als Metapher individueller wie kollektiver Entwicklungen aufgenommen hat.

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