Operations Research: Grundzüge der Operationsforschung [Reprint 2021 ed.]
 9783112478462, 9783112478455

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RUSSELL L. ACKOFF . MAURICE W. SASIENI

OPERATIONS RESEARCH Grundzüge der Operationsforschung

RUSSELL L. ACKOFF • MAURICE W. SASIENI

OPERATIONS RESEARCH Grundzüge der Operationsforschung

Übersetzt und bearbeitet von

DR. MANFRED BLIEFERNICH

Mit 69 Abbildungen und 129 Tabellen

K U N S T UND W I S S E N 1970

• STUTTGART

Fundamentals of OPERATIONS RESEARCH John Wiley & Sons, Inc., New York • London • Sydney 1968 Copyright © 1968 by John Wiley & Sons, Inc.

Deutsche Übersetzung : Dr. Manfred Bliefernich, Berlin

Copyright 1970 by Akademie-Verlag GmbH Alle Rechte an der deutschen Ausgabe vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Herstellung: IV/2/14 VEB Werkdruck, 445 Gräfenhainichen . 3125

VORWORT

Die Operations Research hat sich während des zweiten Weltkrieges entwickelt, aber ihre Wurzeln können sehr viel weiter zurückverfolgt werden. Während des ganzen Krieges waren ihre Verfechter stark mit laufenden Problemen beschäftigt. Sie konnten sich daher nicht einer gründlichen Analyse der Methodologie widmen, noch konnten sie Bücher verfassen, die den Weg für ihre Nachfolger geebnet hätten. Bis zu den 50iger Jahren, als die OR auch an den Universitäten als würdiges Studienobjekt Anerkennung fand, erschienen keine Bücher. Seitdem bieten eine große Anzahl von Schulen Kurse aller Art an, die bis zu akademischen Graden für OR führen. Es wurde auch erkannt, daß die OR für Studenten der Wirtschaftswissenschaften, des Management, der öffentlichen Verwaltung, der Verhaltensforschung, der Sozialwissenschaften, der Mathematik und der Statistik und der vielen Zweige der Ingenieurwissenschaften mehr und mehr Bedeutung erlangt. Das ist nicht überraschend, versucht doch die OR eine systematische und rationale Behandlung von grundsätzlichen Problemen bei der Kontrolle von Systemen zu erreichen, indem Entscheidungen getroffen werden, die in einem gewissen Sinne die besten Ergebnisse unter Benutzung aller dafür wertvollen Informationen darstellen. Seit der Mitte der SOiger Jahre sind eine große Anzahl von Lehrbüchern der OR erschienen. Sie reichen von Übersichten für die Hand des Geschäftsmannes (der wissen sollte, welche Hilfen er von der OR erwarten kann) bis zur gründlichen mathematischen Analyse von speziellen Problemen, die sowohl für den Spezialisten als auch für den Leser mit Hochschulbildung geeignet sind. In der Folge gab es auch Bücher, die sich mit der Analyse für einen großen Bereich von Problemen beschäftigen. In den meisten Fällen haben die Autoren das Schwergewicht mehr auf die Analyse der mathematischen Modelle als auf die Analyse des Problems gelegt. Das hatte zwei Konsequenzen. Erstens wird vom Leser im allgemeinen gefordert, daß er die vereinfachten Modelle, die in den Büchern dargestellt sind, auf die Wirklichkeit überträgt, in der nur wenige Probleme einfach sind und in der sich eine große Anzahl von praktischen Schwierigkeiten ergibt. Die Betonung des analytischen Aspektes erfordert zweitens ein mathematisches Fundament, das viele Studenten nicht besitzen. In diesem Buch versuchen wir, eine saubere mathematische Behandlung des Themas mit einer begrifflich orientierten qualitativen Darstellung in Einklang zu bringen. Denjenigen, die die OR in der Praxis anwenden wollen, hoffen wir

Vorwort

VI

mit diesem Buch ein besseres Verständnis für die Realitäten zu vermitteln, als es die meisten Bücher tun. Für diejenigen, die die OR verstehen wollen, ohne sie anzuwenden, wird das Buch hoffentlich einen besseren Begriff von den Methoden, Verfahren und Werkzeugen vermitteln, als es die meisten Bücher tun. I n den ersten vier Kapiteln diskutieren wir allgemeine Aspekte bei der Formulierung von Problemen und Verfahren, mit denen man geeignete Kriterien für die Auswahl aus verschiedenen Möglichkeiten finden kann. Die Kapitel 5 bis 14 beschäftigen sich mit besonderen Problemgruppen. Wir haben versucht, in diesen Kapiteln mathematische Ableitungen zu vermeiden und uns daher hauptsächlich auf die mathematische Intuition gestützt. Trotzdem erfordert ein Verständnis dieser Kapitel eine gewisse Vertrautheit mit der Differential- und Integralrechnung sowie einige Kenntnisse aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Eine einsemestrige Vorlesung über jedes erwähnte Thema wird aber wahrscheinlich ausreichend sein. Mit weniger mathematischen Vorkenntnissen hätten wir nur ein „Rezeptbuch" schreiben können, in dem die Regeln für die Berechnung nicht zu erklären gewesen wären. I n vielen Fällen haben wir die Rechenregeln mehr betont als die algebraischen Abstraktionen. Obwohl nur wenige Beweise enthalten sind, haben wir versucht, die mathematischen Hintergründe der Verfahren genügend tief zu erläutern, um die Verfahren plausibel zu machen. In den Kapiteln 15 und 16 kommen wir zu den allgemeinen methodologischen Problemen zurück und erläutern, wie man die mit den Methoden aus den Kapiteln 5 bis 14 erhaltenen Resultate auswerten, verwirklichen und kontrollieren kann. I m letzten Kapitel diskutieren wir das Problem der Planung und berühren einige komplexe und schwierige Dinge an den Grenzen der OR. Wir glauben, daß es nur wenige Grenzen für mögliche Anwendungen der OR gibt und hoffen, daß dieses Kapitel die zukünftigen Produzenten und Konsumenten der OR anregen wird, gegenwärtige Grenzen zu überschreiben. Diskussionen mit Dr. J U L I U S A R O N O W S K Y , den Professoren P A T E I C K R I V E T T , S A M U E L L I T W I N , S A N K A R S E N G U P T A und R O G E R S I S S O N waren uns bei der Vorbereitung dieses Buches eine große Hilfe. Wir danken unseren Sekretärinnen P A T T A Y L O R und H E R M I N E O T R U B A für ihre Arbeit an dem Manuskript und unseren Frauen A L E X A N D R A A C K O F F und A M E L I A S A S I E N I für ihr großes Verständnis während der Zeit, in der dieses Buch geschrieben wurde. RUSELL L . ACKOPP

Philadelphia und London, März 1967

MAURICE W .

SASIENI

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung: Das Wesen der Operations Research

1

1. 1. Überblick i . 2. Die E n t w i c k l u n g der Operations Research

1 1

1. 3. B e d e u t u n g u n d Wesen der O R 1.3.1. Die Systemorientiertheit der O R 1.3.2. Die interdisziplinäre Gruppe 1.3.3. Die Methode der O R 1. 4. Typische Aufgabenstellungen 1. 5. Gesichtspunkte f ü r Leitung u n d Kontrolle 1.5.1. I n h a l t 1.5.2. S t r u k t u r 1.5.3. K o m m u n i k a t i o n 1.5.4. Kontrolle 1. 6. Diskussionspunkte 1. 7. W e i t e r f ü h r e n d e Literatur 1. 8. L i t e r a t u r

7 7 8 9 13 17 18 20 20 20 21 22 22

2. Problemformulierung

^ . . .

25

2. 1. Das Wesen eines Problems

25

2. 2. Diagnose 2.2.1. F o r m u l i e r u n g der Zielstellungen 2.2.2. Systemanalyse

26 27 28

2. 3. Aufgab e n t y p e n 2.3.1. Problemsituationen m i t Risiko 2.3.2. Problemsituationen m i t Sicherheit 2.3.3. Problemsituationen m i t Unsicherheit 2. 4. Messung der W i r k s a m k e i t

33 34 40 41 46

2. 5. Äquivalenzfunktionen 2.5.1. O b j e k t i v e Äquivalenzen 2.5.2. Subjektive Äquivalenzen 2. 6. Messung des N u t z e n s 2. 7. Z u s a m m e n f a s s u n g 2. 8. Diskussionspunkte u n d Aufgaben 2. 9. W e i t e r f ü h r e n d e Literatur 2.10. L i t e r a t u r

48 48 51 52 59 60 61 61

VIII

Inhaltsverzeichnis

3. Aufstellung des Modells 3. 1. Einleitung 3. 2. Modelltypen 3.2.1. Beschreibende und erklärende Modelle 3. 3. Gruppierungen bei der Aufstellung von Modellen . . . . 3.3.1. Gruppierung 1 3.3.2. Gruppierung 2 3.3.3. Gruppierung 3 3.3.4. Gruppierung 4 3.3.5. Gruppierung 5 3. 4. Verfügbarkeit von Daten und Aufbau eines Modells . . 3. 5. Modelle als Näherungen 3.5.1. Weglassen von wesentlichen Variablen 3.5.2. Veränderungen bei den Variablen 3.5.3. Veränderungen der Beziehungen zwischen den Variablen 3.5.4. Modifizierung der Einschränkungen 3. 6. Modellsysteme 3. 7. Sequentielle Entscheidungsmodelle 3. 8. Modelle als heuristische Instrumente 3.8.1. Fall 1 3.8.2. Fall 2 3.8.3. Fall 3 3.8.4. Fall 4 3. 9. Zusammenfassung 3.10. Diskussionspunkte und Aufgaben 3.11. Weiterführende Literatur 3.12. Literatur 4. Ableitung von Lösungen aus Modellen 4. 1. Typen von Lösungen 4.1.1. Iterative Lösungen 4.1.2. Die Las Vegas-Technik 4. 2. Simulation 4.2.1. Zufallszahlen 4.2.2. Zufallsvariable mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsverteilung 4.2.3. Verfahren zur Stichprobenschätzung 4.2.4. Varianz und Computer bei der Simulation . . . . 4.2.5. Andere Nutzungen der Simulation 4. 3. Planspiele 4.3.1. Planspiele: Analogie oder Analogon ? 4.3.2. Benutzung von Planspielen zu Folgerungen . . . 4. 4. Experimentelle Optimierung 4. 5. Zusammenfassung 4. 6. Diskussionspunkte und Aufgaben

63 63 63 64 66 66 68 70 71 76 78 84 84 86 87 88 89 90 93 94 95 95 96 97 98 98 98 100 100 101 102 103 105 106 107 114 115 116 118 120 121 125 126

Inhaltsverzeichnis

IX

4. 7. Weiterführende Literatur 4. 8. Literatur

126 127

5. Zuordnungsprobleme: Die Zuordnung und Verteilung von Einsatzgrößen 5. 1. Einleitung 5. 2. Das Transportproblem 5.2.1. Bestimmung einer ersten zulässigen Lösung 5.2.2. Bestimmung einer optimalen Lösung 5. 3. Degeneration 5. 4. Offene Transportprobleme 5. 5. D a s Ernennungsproblem 5. 6. Zusammenfassung 5. 7. Übungsaufgaben

. . .

6. D a s allgemeine lineare Zuordnungsproblem 6. 6. 6. 6.

1. 2. 3. 4.

6. 6. 6. 6. 6.

5. 6. 7. 8. 9.

Einleitung E i n Zahlenbeispiel Rechnerisches Verfahren: Die Simplexmethode Dualität 6.4.1. Beispiel: E i n Warenhausproblem Parametrische Optimierung Ausblick Übungsaufgaben Weiterführende Literatur Literatur

129 129 131 133 136 142 146 147 153 154 157

. . . .

7. Lagerhaltungsprobleme 7. 1. D a s Wesen des Lagerhaltungsproblems 7. 2. Zusammenhänge für das Auftreten von Lagerhaltungsproblemen 7. 3. Die Bedeutung der Zeit bei Lagerhaltungsproblemen . . 7. 4. Die Struktur von Lagerhaltungssystemen 7. 5. Allgemeines deterministisches Problem für ein Produkt und ein Produktionsniveau 7.5.1. Einige spezielle deterministische Fälle 7.5.2. Variable Einkaufs- oder Produktionskosten . . . 7. 6. Deterministisches Modell m i t mehreren Produkten und einem Produktionsniveau 7. 7. Wahrscheinlichkeitsprobleme 7.7.1. Grundsätze für periodische Überprüfung . . . . 7. 8. Einige praktische Lagerhaltungsprobleme — ein Beispiel 7.8.1. Mindestbestand 7.8.2. Bestellung für jedes Produkt zu festgesetzten Zeitpunkten 7.8.3. Gleiche Bestellintervalle für alle Produkte . . . .

157 157 161 164 169 172 175 178 182 182 184 184 188 189 190 192 196 197 200 204 205 206 209 209 210

X

Inhaltsverzeichnis 7. 9. 7.10. 7.11. 7.12.

Zusammenfassung Übungsaufgaben Weiterführende Literatur Literatur

8. Ersatz-, Instandhaltungs- und Zuverlässigkeitsprobleme 8. i . 8. 2. 8. 3. 8. 4. 8. 5. 8. 6. 8. 7. 8. 8. 8. 9. 8.10. 8.11. 8.12.

212 212 214 215 . . .

Einleitung Größere Ausrüstungen Diskontierte Kosten Ersatz plötzlich versagender Einheiten Gruppenersetzung Vorbeugende Kontrolle Der allgemeine Erneuerungsprozeß Zuverlässigkeit Zusammenfassung Übungsaufgaben Weiterführende Literatur Literatur

9. Dynamische Optimierung 9. 1. Einleitung 9. 2. Die Benutzung von Entscheidungsbäumen 9.2.1. Erweiterung der Entscheidungsbäume auf eine unendliche Anzahl von Entscheidungen 9. 3. E i n Instandhaltungsproblem 9. 4. Deterministische Probleme 9. 5. Zusammenfassung: Die allgemeine Struktur der dynamischen Optimierung 9. 6. Übungsaufgaben 9. 7. Weiterführende Literatur 9. 8. Literatur 10. Warteschlangenprobleme 10. 1. Einleitung 10. 2. Der Zustand xies Systems 10. 3. Zufällige oder PoissoN-Ankünfte und exponentielle Bedienungszeiten 10.3.1. E i n K a n a l mit konstanter Ankunfts- und Bedienungsrate 10.3.2. Mehrere Bedienungsstationen (Kanäle) 10. 4. Wartezeiten im stationären Zustand 10. 5. E i n e Bedienungsstation m i t beliebigen Bedienungszeiten 10. 6. Andere Warteschlangenmodelle 10. 7. Simulation von Warteschlangen 10.7.1. Simulation eines Friseurgeschäfts 10. 8. Übungsaufgaben

216 216 216 218 221 224 227 229 231 237 238 242 243 244 244 244 249 249 254 258 259 263 263 264 264 267 269 272 274 275 276 278 280 280 288

Inhaltsverzeichnis

XI

10. 9. W e i t e r f ü h r e n d e Literatur 10.10. L i t e r a t u r

290 291

11. A b l a u f p l a n u n g u n d Koordinierungsprobleme

293

11. 1. E i n l e i t u n g 11. 2. P r o b l e m e der A b l a u f p l a n u n g 11. 3. Koordinierungsprobleme 11.3.1. P E R T 11.3.2. Methode des kritischen Weges (CPM) 11. 4. Zusammenfassung 11. 5. Ü b u n g s a u f g a b e n 11. 6. W e i t e r f ü h r e n d e Literatur 11. 7. L i t e r a t u r 12. R u n d f a h r t p r o b l e m e und kürzeste Wege in Netzwerken

293 293 302 306 309 316 317 318 319 . . . .

12. 1. Einleitung 12. 2. Das.Problem des Handelsreisenden ( R u n d f a h r t p r o b l e m ) . 12.2.1. D a s Verfahren von L I T T L E u. a 12.2.2. Der Algorithmus 12. 3. K ü r z e s t e Wege in Netzwerken 12.3.1. Graphisches Verfahren 12.3.2. E i n M a t r i x v e r f a h r e n 12. 4. Z u s a m m e n f a s s u n g 12. 5. Ü b u n g s a u f g a b e n 12. 6. W e i t e r f ü h r e n d e L i t e r a t u r 12. 7. L i t e r a t u r 13. Konkurrenzprobleme

321 321 322 323 325 333 334 335 337 338 339 339 341

13. 1. E i n l e i t u n g 341 13. 2. Formale S t r u k t u r von Konkurrenzsituationen 342 13. 3. Spieltheorie 345 13.3.1. Das Zweipersonen-Nullsummenspiel 347 13. 4. Nichtnullsummenspiele 355 13. 5. Angebotsprobleme 359 13.5.1. Geheimes Anbieten bei Vergabe eines Auftrages . 359 13.5.2. Öffentliche Versteigerung ' 361 13. 6. Eine Verkaufsaufgabe 363 13. 7. Z u s a m m e n f a s s u n g 365 13. 8. Ü b u n g s a u f g a b e n 366 13. 9. W e i t e r f ü h r e n d e Literatur 368 13.10. L i t e r a t u r 369 14. Suchprobleme 14. 1. Einleitung 14. 2. T y p e n v o n Suehsituationen 14. 3. K o s t e n des Fehlers

370 370 371 372

XII

Inhaltsverzeichnis 14. 4. Quellen der Beobachtungsfehler 14.4.1. Fehler, die auf den Beobachter zurückzuführen sind 14.4.2. Fehler, die auf Instrumente zurückzuführen sind 14.4.3. Fehler, die auf die Umgebung zurückzuführen sind 14.4.4. Fehler, die , auf den Untersuchungsgegenstand zurückzuführen sind 14. 5. Entwurf von Stichproben 14.5.1. Die optimale Verteilung der Anstrengungen für die Suche 14.5.2. Vielstufige Suche 14. 6. Mathematische Formulierung der Suchaufgaben . . . . 14.6.1. Distributiver Fall 14.6.2. Kollektiver Fall 14. 7. Strategien und Suche 14.7.1. Das Prüfen von Hypothesen mit Hilfe der statistischen Entscheidungstheorie 14. 8. Invertierte Suche 14. 9. Zusammenfassung 14.10. Übungsaufgaben 14.11. Weiterführende Literatur 14.12. Literatur

15. Prüfung des Modells und der Lösung 15. 1. Einleitung 15. 2. Wesentliche und unwesentliche Variable 15. 3. Auswertung der Variablen 15.3.1. Definition 15.3.2. Messung 15.3.3. Stichproben 15.3.4. Schätzung . . 15. 4. Modelle und Funktionsformen 15. 5. Prüfung der Lösung 15. 6. Folgerungen 15. 7. Diskussionspunkte 15. 8. Weiterführende Literatur • 15. 9. Literatur 16. Verwirklichung und Kontrolle der Lösung 16. 16. 16. 16.

1. 2. 3. 4.

Einleitung Planung der Annehmbarkeit und Annahme der Lösung Verwirklichung Kontrolle 16.4.1. Kontrolle der Lösung als Ganzes 16.4.2. Kontrolle von Werten der Parameter 16. 5. Zusammenfassung

374 374 377 377 378 378 37» 379 380 380 387 390 *ä90 398 399 400 402 402 404 404 404 410 411 412 415 417 422 424 427 428 429 429 431 431 431 436 440 442 443 448

Inhaltsverzeichnis 16. 6. Diskussionspunkte 16. 7. Literatur 17. Epilog: Grenzen der Operationsforschung 17. 1. Einleitung 17. 2. Das Wesen der Planung 17. 3. Der Inhalt des Plans 17.3.1. Zielstellungen und Ziele 17.3.2! Durchführbare Politiken 17.3.3. Einsatzgrößen: Erfordernisse und Bereitstellung. 17.3.4. Struktur der Organisation 17.3.5. Kontrollen 17. 4. Tatsächliche Gruppierungen in der Planung 17.4.1. Erfüllung bestimmter Forderungen 17.4.2. Optimierung 17.4.3. Elemente selbsttätiger Regelung 17. 5. Schlußfolgerungen 17. 6. Literatur

XIII 449 450 462 452 452 463 454 457 459 461 467 468 468 469 471 473 473

Namenregister

475

Sachregister

479

1.

1. 1.

EINLEITUNG: DAS WESEN DER OPERATIONS

RESEARCH

Überblick

In diesem Kapitel stellen wir uns vier Aufgaben: (1) einen Abriß der Entwicklung der Operations Research, (abgekürzt OR) zu geben; (2) sie zu definieren und ihre wesentlichen Züge zu identifizieren und zu illustrieren; (3) ihre Verbindungen zu anderen Gebieten zu diskutieren und (4) die Anlage dieses Buches zu erläutern. Die Beispiele sind in diesem und den folgenden Kapiteln hauptsächlich den Anwendungen der OR in der Industrie entnommen. Es sollte jedoch beachtet werden, daß die OR in großem Ausmaß auch bei Behörden, militärischen und gemeinnützigen Organisationen (z. B. Krankenhäusern, Schulen, Gewerkschaften und Bibliotheken) verwendet wird. Sie wird in wachsendem Maße auf verschiedenen Gebieten verwendet, wie Bekämpfung von Waldbränden, Wasseraufbereitung, landwirtschaftliche und bergbautechnische Aufgaben, Aufgaben für Dienste der Zahnmedizin und der Medizin und nationale, staatliche, regionale und städtische Planung.

1. 2.

Die Entwicklung der Operations Research

Die Bezeichnung Operations Research scheint 1939 das erste Mal verwendet worden zu sein. Nachdem aber die OR einmal entstanden und benannt war, konnte man ihre Wurzeln bis weit hinein in die Geschichte der Wissenschaften und der Gesellschaft zurückverfolgen. Selbst die ältesten wissenschaftlichen Disziplinen — die Naturwissenschaften — wurden erst vor hundert Jahren abgegrenzt und benannt. Sowie das aber geschehen war, durchforschten die Gelehrten die Geschichte und verwendeten den neuen Namen auch für viele frühere Arbeiten. So galt z. B. NEWTON ZU seiner Zeit als Naturphilosoph, nicht als Physiker. Obwohl die Wurzeln der OR bis vor die erste industrielle Revolution zurückverfolgt werden können, begann sich das Bedürfnis, das später die OR erfüllte, während dieser Epoche zu entwickeln. Bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts beschäftigten die meisten industriellen Unternehmen nur eine kleine Anzahl von Arbeitskräften. Das Aufkommen der Maschinen, die Ersetzung von Menschen durch Maschinen als Energiequellen, und die Entwicklung eines nationalen Transport- und Kommunikationssystems befruchtete die In-

2

1. Einleitung: Das Wesen der Operations Research

dustrie. Sie begann bis zu der jetzigen reifen Form zu wachsen. Mit der Ausdehnung der Unternehmen wurde es für eine Person immer weniger möglich sie zu leiten. Daher zerlegte der Eigentümer 1 ) seine Aufgabe irx einzelne Funktionen, die er an andere Personen übertrug. So traten allmählich die Abteilungsleiter für Produktion, Finanzen, Personal, Verkauf und Forschung und Entwicklung auf. Mit dem weiteren Wachstum der Industrie wurden diese Funktionen weiter unterteilt, z. B. Produktion in Beschaffung oder Einkauf, Instandhaltung, Transport, Qualitätskontrolle und Produktionsplanung. Mit dem Wachstum und der Verbreitung der Bevölkerung entstanden neue Märkte, und es wurden neue Rohmaterialquellen entdeckt. Also wurden auch die industriellen Aufgaben entsprechend den geographischen Bedingungen aufgeteilt. Produktionsstätten und Verkaufsbüros an verschiedenen Stellen wurden allgemein üblich und erforderten ihre eigene Geschäftsleitung. Die heute übliche funktionelle und geographische Teilung des Managements war also eine natürliche Folge des industriellen Wachstums und wurde durch die erste industrielle Revolution hervorgebracht. Es entwickelten sich rieue Formen von angewandten Wissenschaften, begünstigt durch das Auftreten der neuen Leitungsformen. So entstanden bei der Anwendung der Physik und der Chemie in der industriellen Produktion die mechanische und die chemische Technologie. Etwas später entwickelte sich mit der Einführung von Verfahren und wesentlichen Begriffsbildungen aus der Statistik und der Psychologie auch die Betriebswirtschaft. Marktforschung, industrielle Betriebswirtschaft, industrielle Psychologie und Soziologie sind unter den weiteren angewandten wissenschaftlichen Disziplinen zu nennen, die mit der Teilung der Leitungsfunktionen auftauchten. Je mehr sich spezialisierte Formen der Leitungsfunktionen entwickelten, desto mehr traten spezialisierte Anwendungen der Wissenschaften auf, so im Materialtransport, der statistischen Qualitätskontrolle, der Instandhaltung und Zuverlässigkeit und der Werbung. Ein wichtiger Aspekt dieser Entwicklung liegt in einem negativen Faktum: wissenschaftliche Methoden wurden nicht auf die nun auftretende Koordinierungsfunktion in der Leitungstätigkeit angewandt. Um die Tragweite und Bedeutung dieser Tatsache zu verstehen, wollen wir uns zuerst mit dem Wesen dieser Koordinierungsfunktion beschäftigen. Jedesmal, wenn eine Leitungsfunktion in eine Anzahl von verschiedenen Unterfunktionen zerlegt wird, ergibt sich eine neue Aufgabe, die Koordinierung der verschiedenen Unterfunktionen, so daß sie in wirksamer Weise den Interessen des Ganzen dienen. Bei der Ausübung dieser Koordinierungsfunktion muß man Zielstellungen und Maße für die Leistung der zugehörigen Untereinheiten aufstellen. So wird die Geschäftsleitung normalerweise folgende Zielstellungen für die Hauptaufgaben im Geschäft aufstellen. 4)

Auch

die A r t des Eigentums

veränderte

sich.

D a s A u f k o m m e n der A k t i e n -

gesellschaften war für die E n t w i c k l u n g des Managerberufs von großer Bedeutung.

1.2. Die Entwicklung der OR

3

Produktion. Es ist die Menge der produzierten Güter (oder Dienstleistungen) zu maximieren und es sind die Einheitskosten der Produktion zu minimieren. Verkauf. Es sind die Verkaufsmenge zu maximieren und die Kosten pro verkaufte Einheit zu minimieren. Finanzen. Es ist das zur Aufrechterhaltung eines bestimmten Niveaus im Geschäft erforderliche Kapital zu minimieren. Personal. Unter den Beschäftigten muß eine gute Arbeitsmoral und eine hohe Produktivität erreicht werden. Es ist kaum möglich, mit solchen Zielstellungen nicht einverstanden zu sein. Da sie aber inkonsistent sind, ist eine Verwirklichung in der Praxis recht schwierig. Die Verfolgung dieser Ziele ergibt also Konflikte zwischen den verschiedenen zu koordinierenden Einheiten. Um das zu erläutern, wollen wir uns ansehen, wie vom Standpunkt der oben genannten vier Hauptfunktionen eine Lagerhaltungspolitik zu entwickeln wäre. Die Produktionsabteilung will soviel wie möglich mit möglichst geringen Kosten produzieren. Das kann gut erreicht werden, wenn man ein Produkt kontinuierlich produziert. Wenn mehr als ein Produkt erforderlich ist, besteht das billigste Verfahren darin, daß vom einzelnen produzierten Los soviel wie möglich hergestellt wird. Eine solche Politik minimiert die Verlustzeiten, die sich bei der Umstellung auf eine andere Produktion ergeben (Rüstzeiten) und macht sich die Vorteile von großen produzierten Losen zunutze. Wenn die Produktionsabteilung relativ wenige Produkte in möglichst großen und kontinuierlichen Produktionslosen herstellt, ergibt sich unbedingt ein großer Lagerbestand für diese relativ wenigen Produkte. Die Produktionsabteilung wünscht im allgemeinen eine Politik, die große Lagerbestände gestattet und nur ein kleines Produktionssortiment enthält. Die Verkaufsabteilung möchte ebenfalls große Lagerbestände haben, damit ein Kunde sofort mit allem versorgt werden kann, was er verlangt. Da die Verkaufsabteilung ihre Kosten möglichst niedrig halten will, möchte sie ein möglichst großes Sortiment zur Verfügung haben. Daher ergibt sich normalerweise ein Konflikt zwischen Produktionsabteilung und Verkaufsabteilung über den Umfang des Sortiments. Der Verkauf möchte auch viele kleinere und eventuell sogar nicht gewinnbringende Positionen zur Verfügung haben, während die Produktionsabteilung die Herstellung solcher Produkte nicht wünscht. Die Finanzabteilung verfolgt das Ziel, das für den Geschäftsgang erforderliche Kapital zu minimieren. Daher möchte sie den Betrag, der in Beständen festgelegt ist, reduzieren. Eines der einfachsten Verfahren zur Reduzierung der festgelegten finanziellen Mittel ist die Reduzierung der Bestände. Die Finanzabteilung meint, daß die Bestände sich proportional zu den Bewegungen im Verkauf des Unternehmens verhalten müssen. Wenn die Verkäufe niedrig sind, wollen die Personalabteilung (und die Produktionsabteilung) nicht die Produktion reduzieren und Beschäftigte entlassen, denn ein solches Verhalten untergräbt die Arbeitsmoral, setzt die v o r . handenen Fertigkeiten herab, und es entstehen Kosten für die Entlassungen 2 Ackoff/Sasieni

4

1. Einleitung: Das Wesen der Operations Research

sowie für spätere Neueinstellungen und das Anlernen der neuen Arbeiter. Die Personalabteilung ist also daran interessiert, das Produktionsniveau möglichst konstant zu halten. Das erfordert eine Produktion von hohen Lagerbeständen, wenn die Verkäufe gering sind und andererseits eine Entblößung des Lagers, wenn die Verkäufe groß sind. Daher haben Personalabteilung und Finanzabteilung recht verschiedene Vorstellungen von einer günstigen Lagerhaltungspolitik für das Unternehmen. In der Verantwortung der Geschäftsleitung liegt es, eine Lagerhaltungspolitik zu finden, die den Interessen des gesamten Unternehmens möglichst gut dient. Dabei kommt es auf die Einzelinteressen der Bereiche nicht an. Diese Koordinierungsaufgabe erfordert, daß man das gesamte System in Betracht zieht. Das ist das Wesen dieser Leitungsfunktion. Diese Leitungsfunktion entwickelte sich in der Industrie langsam, wie die Organisationen selbst. Der Leiter war nicht so starken Stimuli unterworfen, wie sie für den Leiter der Produktionsabteilung in Form neuer Technologien auftraten. Er wuchs in seine Problematik hinein, und deren Lösung erschien nichts weiter zu erfordern, als gutes Urteilsvermögen auf der Basis großer praktischer Erfahrungen. Daher ergab sich für den Leiter nicht die Notwendigkeit, seine Aufgaben unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden zu betrachten. Allerdings wurde er mehr und mehr zeitlich überfordert. E r suchte nach der Unterstützung derer, die mehr Zeit und auch mehr Erfahrung mit den jeweils zu lösenden Problemen hatten. Aus dieser Notwendigkeit ergab sich die Tätigkeit der Industrieberater, die am Anfang allerdings noch nicht in starkem Maße wissenschaftliche Methoden benutzten. Die OR, die ja tatsächlich als Hilfsmittel für die Geschäftsleitung wissenschaftliche Methoden benutzt, entstand relativ spät in der Entwicklung des industriellen Managements. Der Mangel an Wachstum auf dem Gebiet der OR hätte vielleicht noch weiter angehalten, wenn nicht am Anfang des zweiten Weltkriegs bestimmte Entwicklungen in militärischen Organisationen stattgefunden hätten. Militärische Organisationen hatten aus den gleichen Gründen eine ähnliche organisatorische Entwicklung erlebt wie die Industrie. Die Entwicklung neuer Technologien und das allgemeine Wachstum erforderten in steigendem Maße die Teilung und Spezialisierung der Leitungsaufgaben. Für militärische Einheiten ergaben sich vier größere Funktionen: Verwaltung (öl), Information (G2), Taktik und Ausbildung (6'3), Versorgung (G4). Diese Funktionen waren wieder in verschiedene Unterfunktionen aufgegliedert (z. B. G4 in militärische Geräte, Nachrichtenwesen, Transport, Instandhaltung usw.). Die Funktionen wurden also weiter untergliedert und dehnten sich, wie auch in der Industrie, geographisch mehr und mehr aus. Der hauptsächliche Unterschied zwischen der evolutionären Entwicklung der militärischen Leitungsfunktionen und dem industriellen Gegenstück ergab sich in den zwanzig Jahren zwischen dem Ende des ersten Weltkriegs und dem Anfang des zweiten Weltkriegs. Während dieser Zeit wurde die militärische Technologie schneller entwickelt, als sie wirksam in die militärische Taktik

1.2. D i e E n t w i c k l u n g der OR

5

und Strategie ü b e r n o m m e n werden konnte. E s n i m m t also wenig wunder, d a ß sich die leitenden britischen Militärs bei Beginn der deutschen Luftangriffe auf Großbritannien u m die Hilfe der Wissenschaftler b e m ü h t e n . Insbesondere suchten sie Hilfe bei der Einbeziehung des neu entwickelten R a d a r s in die T a k t i k u n d Strategie der Luftverteidigung. I n den J a h r e n 1939 u n d 1940 wurden diese Aufgaben mit beträchtlichem Erfolg von kleinen Gruppen von Wissenschaftlern bearbeitet, die aus vielen verschiedenen Disziplinen k a m e n . I h r Erfolg ließ das Interesse wachsen, u n d es t r a t e n bei den anderen westlichen Alliierten ebenfalls solche Gruppen von Wissenschaftlern auf, so in den Vereinigten Staaten, in K a n a d a u n d in Frankreich. Diese Gruppen von Wissenschaftlern wurden meist dem Verantwortlichen f ü r eine bestimmte Operation zugeordnet. I h r e Arbeit wurde in Großbritannien unter dem N a m e n Operations Research b e k a n n t . I n den Vereinigten Staaten gab es d a f ü r eine ganze Anzahl von Bezeichnungen: Operationsanalyse (operational analysis), Operationsauswertung (Operations evaluation), Operationsforschung (operations research), Systemanalyse (systems analysis), Systemauswertung (systems evaluation), Systemerforschung (systems research) u n d Leitungswissenschaft (management science). Der N a m e Operations Research war u n d ist am weitesten verbreitet. E r wird daher von uns benutzt. Am E n d e des Krieges ergaben sich in der Operations Research in Großbritannien u n d in den Vereinigten S t a a t e n verschiedene Entwicklungen. I n Großbritannien wurden die, Ausgaben für die militärische Forschung reduziert. Das f ü h r t e zur E n t l a s s u n g vieler OR-Spezialisten aus der Armee u n d zwar zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Industriemanager der Notwendigkeit gegenübersahen, einen großen Teil der englischen Industrie, die durch die B o m b e n angriffe zerstört worden war, zu rekonstruieren 1 ). Außerdem wurde mit der Verstaatlichung einiger größerer Zweige der Grundstoffindustrie begonnen, nachdem die L a b o u r P a r t y die Regierung ü b e r n o m m e n h a t t e . Besonders die Geschäftsleitungen in den verstaatlichten Grundstoffindustrien suchten u n d f a n d e n die U n t e r s t ü t z u n g der OR-Spezialisten, die aus der Armee k a m e n . Kohle, Eisen u n d Stahl, Transport, Versorgungsbetriebe u n d viele a n d e r e Industriezweige begannen die industrielle OR aufzubauen. I m Gegensatz zur Situation in Großbritannien wurden in den Vereinigten S t a a t e n die Ausgaben f ü r die militärische Forschung erhöht. Daher wurde am E n d e des Krieges auch die OR ausgedehnt. Die überwiegende Mehrzahl der OR-Spezialisten blieb am E n d e des Krieges im Dienste der Streitkräfte. Andererseits lag von Seiten der Industrie kein Bedarf vor. Man wandte sich der gewohnten Friedensproduktion zu. Es ergab sich weder eine größere Rekonstruktion der Betriebe noch eine Verstaatlichung. J

) E s g a b viele Gründe für eine Rekonstruktion. Einer der Gründe war die Zerstörung. A u c h die B e n u t z u n g veralteter Produktionsanlagen, solange sie überh a u p t p r o d u k t i o n s f ä h i g waren, war ein Grund für die N o t w e n d i g k e i t der R e k o n struktion.

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i. Einleitung: Das Wesen der Operations Research

Die Einführung wissenschaftlicher Methoden für industrielle Leitungsaufgaben in den Vereinigten Staaten ist auf die zweite industrielle Revolution zurückzuführen. Der zweite Weltkrieg hatte große wissenschaftliche Fortschritte beim Studium des Nachrichtenwesens, der Kontrolle und der Rechentechnik gebracht. Daraus ergab sich die technologische Basis für die Automation: die Ersetzung des Menschen durch die Maschine als ein Kontrollinstrument. Die neue Entwicklung begann am Ende der vierziger Jahre, als die elektronischen Rechenmaschinen im Handel verfügbar wurden. Die Möglichkeiten des Einsatzes dieser Elektronengehirne als ein Hilfsmittel für das Management wurden in weiten Kreisen bekannt. Die technisch nicht ausgebildeten Manager brauchten für die Auswahl und die Nutzbarmachung der Computer die Hilfe entsprechender Spezialisten. Dieser Prozeß wurde durch den Ausbruch des Koreakonfliktes beschleunigt, denn es ergab sich für große Teile der amerikanischen Industrie ein verstärktes Bsstreben nach höherer Produktivität. Daher begann am Anfang der fünfziger Jahre die Industrie alle 0R-Spezialisten aufzusaugen, die aus dem militärischen Dienst ausschieden. Auch Unternehmen der Industrieberatung, Universitäten, Forschungsinstitute und staatliche Stellen waren an der Aufnahme von OR-Spezialisten interessiert. So begann sich die OR über die gesamten Vereinigten Staaten auszudehnen und zu verbreiten. Innerhalb eines Jahrzehnts gab es in akademischen, staatlichen und industriellen Organisationen mindestens ebensoviele OR-Spezialisten wie beim Militär. (Es gibt etwa 4000 in den Vereinigten Staaten.) Heute haben mehr als die Hälfte der großen Unternehmen OR-Gruppen oder nutzen die OR. Eine nationale wissenschaftliche Vereinigung wurde 1953 gebildet, die Operations Research Society of America. Andere Länder folgten diesem Trend, und 1957 wurde eine internationale Gesellschaft gegründet, die International Federation of Operational Research Societies. Zeitschriften begannen zu erscheinen, drei in den Vereinigten Staaten, eine in Großbritannien. Ihnen folgten Zeitschriften in einer großen Anzahl von Sprachen. Kurse und Kongresse über OR begannen sich in den Vereinigten Staaten zu verbreiten. I n den anderen Ländern ging diese Entwicklung langsamer vor sich. Zusammenfassend kann man sagen: Nach einem Jahrzehnt kräftigen Wachstums in militärischen Organisationen setzte die OR ihr Wachstum im militärischen Bereich fort und entwickelte sich äußerst schnell auch bei industriellen, akademischen und staatlichen Organisationen. Wir haben nun kurz geschildert, warum und wie die OR entstand und wuchs. Wir haben das jedoch nur in allgemeiner Art getan und vor allem nichts über die Definition und die Verfahrensweise gesagt. Diesen Fragen wenden wir uns nun zu.

1.3. Bedeutung und Wesen der OR

1.3.

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Die Bedeutung und das Wesen der OR

Es sind viele Definitionen der OR. vorgeschlagen worden, wie auch auf der anderen Seite viele Argumente, daß man sie nicht definieren könne. Bei der Prüfung der vorgeschlagenen Definitionen sollten wir bedenken, daß auch die alten und gut etablierten Wissenschaften sowie die Wissenschaft selbst kaum je so definiert wurden, daß es für die meisten Praktiker annehmbar ist. Trotz dieser Bedenken gibt die folgende Definition eine nützliche Grundlage für ein erstes Verstehen des Wesens der OR, insbesondere wenn man den gerade geschilderten historischen Hintergrund beachtet. Die OR kann betrachtet werden als 1. Anwendung der wissenschaftlichen Methode 2. durch interdisziplinäre Gruppen 3. auf Probleme der Kontrolle von organisierten (Mensch-Maschine) Systemen, um Lösungen zu erhalten, die den Absichten der Organisation als einem Ganzen bestmöglich dienen. Die wesentlichen Charakteristika der OR, die in dieser Definition auftreten, sind a) Systemorientiertheit, b) Verwendung interdisziplinärer Gruppen und c) die Anwendung der wissenschaftlichen Methode auf Probleme der Kontrolle. Wir betrachten nun diese Punkte etwas genauer. 1.3.1.

Die Systemorientiertheit

der OR

Diese Orientierung basiert auf der Beobachtung, daß in organisierten Systemen das Verhalten eines behebigen Teiles letztlich gewisse Auswirkungen auf jeden anderen Teil hat. Natürlich sind nicht alle diese Auswirkungen wesentlich oder auch nur erkennbar. Daher liegt das Hauptanliegen dieser Orientierung in der systematischen Suche nach wesentlichen Abhängigkeiten bei der Auswertung von Maßnahmen für alle Teile der Organisation. Die Betrachtungsweise von Organisationsproblemen steht natürlich in krassem Gegensatz zur Tendenz, den Umfang eines Problems zu reduzieren. OR-Spezialisten erweitern fast immer die ursprüngliche Konzeption einer ihnen gestellten Aufgabe, um Wechselwirkungen einzuschließen, die bei der Formulierung durch die Geschäftsleitung nicht enthalten waren. Um diese erweiterten und daher komplizierteren Aufgaben zu behandeln, mußten neue wissenschaftliche Methoden entwickelt werden. Wir wollen einen Augenblick zu dem Lagerhaltungsproblem zurückkehren, das weiter vorn diskutiert wurde. Wenn wir die Produktionsüberwachung und Lagerhaltung nur vom Standpunkt der Produktionsabteilung betrachten, werden wir nicht die Auswirkungen einer bestimmten Politik auf Verkaufsmenge und Verkaufskosten, sowie auf die finanziellen und personellen Erfordernisse erkennen. Die OR versucht, alle bedeutsamen Auswirkungen in Betracht zu ziehen, sie vergleichbar zu machen und sie als ein Ganzes auszuwerten.

8 1.3.2.

1. E i n l e i t u n g : D a s W e s e n d e r O p e r a t i o n s R e s e a r c h

Die interdisziplinäre

Gruppe

Die Teilung des Bereichs der Kenntnisse in spezifische Disziplinen ist ein relativ neues Phänomen. Sie ist ein Produkt des neunzehnten Jahrhunderts. Bis etwa zum Ende des siebzehnten Jahrhunderts war es für einen Menschen möglich, alles oder fast alles zu lernen und zu behalten, was die Menschheit an „wissenschaftlichen" Kenntnissen gesammelt hatte. Daher ergab sich für eine Spezialisierung keine Notwendigkeit, und alle Bsmühungen um Kenntnisse wurden Philosophie genannt. Sobald jedoch der Bestand an Kenntnissen die Speicherfähigkeit des menschlichen Gehirns zu übersteigen begann, fand eine Spezialisierung statt. Man trennte von der traditionellen, nicht empirisch orientierten Philosophie nun die Naturphilosophie ab. Etwas später wurde sie Naturwissenschaft genannt. Etwa in der Mitte des letzten Jahrhunderts wurde die Naturwissenschaft in Physik und Chemie geteilt. Nur kurze Zeit später begann die Biologie zu entstehen und vor dem Ende des Jahrhunderts auch die Psychologie. Die Sozialwissenschaften trennten sich am Anfang dieses Jahrhunderts ab. Alle diese Wissenschaften sind seitdem weiter geteilt und unterteilt worden. Es gibt jetzt mehr als hundert wissenschaftliche Disziplinen. Wir haben uns daran gewöhnt, die wissenschaftlichen Kenntnisse so zu klassifizieren, wie es der Struktur der Universitäten in Institute und Abteilungen entspricht. Wir t u n also so, als ob die Natur auch dieser Struktur unterläge. Damit ist man natürlich weit von der Wahrheit entfernt. Es gibt eigentlich nichts, was man physikalische Probleme, biologische Probleme, psychologische Probleme, ökonomische Probleme usw. nennen könnte. Es gibt nur Probleme oder Aufgaben. Die Wissenschaftsdisziplinen stellen verschiedene Arten der Betrachtung für sie dar. Jede Aufgabe kann man vom Standpunkt einer bestimmten Wissenschaft aus betrachten. Es ist aber nicht in jedem Fall sinnvoll, das zu tun. Wir haben hier eine Peststellung wiederholt, die wir vorher bereits in etwas anderer Art dargestellt hatten. Es gibt eben nicht die Produktion, den Verkauf, das Finanzproblem in einer Organisation, es handelt sich dabei nur um verschiedene Bstrachtungs weisen für Organisationsprobleme. Nehmen wir den Zusammenstoß eines Autos mit einer Lokomotive auf einem Bahnübergang. Man kann diesen Tatbestand durch die Bewegungsgesetze erklären, oder durch das technische Versagen der Warneinrichtungen, durch den Gesundheitszustand des Fahrers, durch seinen Geisteszustand oder soziologisch als Benutzung von Autos als Instrumente zum Selbstmord. Welche Betrachtungsweise wir anwenden, hängt davon ab, aus welchen Gründen wir uns damit beschäftigen. Wenn wir z. B. die Wiederholung solcher Ereignisse verhindern wollen, müßten wir das Problem so betrachten, daß wir eine wirksame Lösung in kürzester Zeit oder zu geringsten Kosten erhalten. Aus der Erfahrung wissen wir um die fruchtbarste Art der Untersuchung der meisten vertrauten und wiederkehrenden Probleme. I n ungewohnten und komplizierten Situationen tendieren wir zur Bsnutzung der Methode, die uns am besten bekannt ist. Betrachten wir etwa die Aufgabe, die Produktivität einer

1.3. B e d e u t u n g u n d W e s e n d e r OB.

9

Produktionsstätte zu erhöhen. Es ist nicht überraschend, daß der Psychologe in der Personalabteilung versuchen wird, geeignetere Arbeiter auszuwählen oder die Ausbildung der vorhandenen Arbeitskräfte zu verbessern. Der Maschinenbauingenieur wird versuchen, die Maschinen zu vervollkommnen. Der Wirtschaftsingenieur wird versuchen, den gesamten Fertigungsprozeß zu verbessern, die durch die Arbeiter auszuführenden Operationen zu vereinfachen oder ihnen einen entsprechenden Anreiz zu bieten. Der System- und Prozeßanalytiker wird versuchen, die Informationsströme, die in den Betrieb gehen oder aus ihm kommen, zu verbessern usw. Durch alle diese Verfahren werden sich Verbesserungen ergeben. Welches Verfahren oder die Kombination welcher Verfahren ergibt aber die beste Lösung? Für kompliziertere Probleme weiß man das selten vorher. Daher ist es wünschenswert, ein möglichst breites Spektrum von Lösungsmethoden für das Problem zu betrachten und auch auszuwerten. Dies ist der Grund für interdisziplinäre Forschungsgruppen. Da man mehr als hundert reine und angewandte wissenschaftliche Disziplinen unterscheiden kann, ist es nicht möglich, daß jede Disziplin in jedem Forschungsprojekt vertreten ist. Man muß aber versuchen, daß möglichst viele Disziplinen in der Gruppe vertreten sind und daß die Arbeit des Teams der kritischen Betrachtung von Seiten einer möglichst großen Anzahl von Disziplinen unterworfen wird, die nicht in der Gruppe vertreten waren. 1.3.3.

Die Methode der OR

I n den meisten Diskussionen über die wissenschaftliche Methode wird das Experiment als wesentlicher Bestandteil erwähnt. Leider ist das Experimentieren im engeren Sinne — d. h. physikalische Veränderung der Variablen — oftmals nicht möglich oder zumindestens nicht praktikabel, wenn staatliche, militärische oder industrielle Organisationen betroffen sind. So kann z. B. in der Industrie ein Unternehmen nicht einen Fehlschlag riskieren, nur um ein erfolgreiches Experiment ausführen zu können. 'Natürlich ist ein Experiment manchmal möglich, und es spielt auch, insbesondere bei Untersystemen, eine wichtige Rolle. Meist kann man aber mit dem in der Betrachtung befindlichen Gesamtsystem nicht experimentieren. Daher bedeutet wissenschaftliche Methode nicht, daß das Experiment (im engeren Sinne, also physikalische Veränderung des betrachteten Objektes) mit dem Gesamtsystem in der Mehrzahl der Fälle benutzt werden muß. Eine Anregung kann man in der Methode finden, die die Astronomen benutzen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie die OR-Spezialisten (obwohl sich das in naher Zukunft ändern kann). Der Astronom kann das System, das er studiert, beobachten, aber er kann es nicht verändern. Daher stellt er ein Abbild des Systems und seiner Operationen auf (Modell) und leitet daraus seine Ergebnisse ab. Der OR-Spezialist muß sich entsprechend verhalten.

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1. Einleitung: D a s Wesen der Operations Research

Die Modelle in der OR nehmen die Form von Gleichungen an, denen — obgleich sie vom mathematischen Standpunkt aus sehr kompliziert sein können — eine einfache Struktur zugrunde liegt: U=f(X{,

Y¡).

Dabei ist U der Nutzen oder Wert für die Leistung des Systems, Xi sind die kontrollierbaren (kontrollierten) Variablen, Y¡ sind die Variablen (und Konstanten), die nicht kontrolliert werden, aber U beeinflussen. / gibt die Funktionsbeziehung zwischen U und Xi und Y j an. Außerdem sind häufig eine oder einige Gleichungen oder „Ungleichungen" erforderlich. Sie drücken die Tatsache aus, daß einige oder alle der kontrollierbaren Variablen nur innerhalb gewisser Grenzen veränderlich sind. Zum Beispiel kann die Größe der Maschinenzeit, die einem Produkt zugeordnet wird, nicht kleiner als Null sein, aber auch nicht größer, als die gesamte verfügbare Zeit. Die Summe der finanziellen Mittel, die den verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens zur Verfügung steht, kann die insgesamt verfügbare Menge nicht überschreiten. Die Leistungsgleichung (Zielfunktion) und die Einschränkungen ergeben zusammen ein Modell des Systems und der Aufgabe, die wir lösen wollen. Es ist also sowohl ein Modell für die Darstellung eines Systems als auch für eine Entscheidung. Wenn man erst einmal ein Modell aufgestellt hat, kann man es dazu benutzen, genaue oder angenäherte Werte für die kontrollierbaren Variablen zu bestimmen. Diese Werte ergeben die beste Lösung des Systems für spezielle Werte der unkontrollierten Variablen. Wir können also eine Lösung der Aufgabe aus dem Modell ableiten. Wie das gemacht werden kann, hängt von der Art des Modells ab. Eine Lösung kann aus einem Modell dadurch abgeleitet werden, daß man Experimente macht (Simulation) oder durch mathematische Überlegungen. In einigen Fällen können die mathematischen Überlegungen ohne Kenntnis der Werte vorgenommen werden (abstrakt oder symbolisch), in anderen Fällen müssen die Werte numerisch bekannt sein. Für bestimmte Funktionstypen / (z. B. elementare algebraische Beziehungen) und wenn die Anzahl der Einschränkungen nicht zu groß ist, ist die klassische Mathematik ein wirksames Instrument für das Auffinden der besten Werte der kontrollierbaren Variablen. In den letzten Jahren sind viele mathematische Verfahren entwickelt worden, um Probleme in die Hand zu bekommen, bei denen die Anzahl der Nebenbedingungen zu groß ist, als daß man die klassischen Berechnungsmethoden verwenden könnte. Einige dieser Verfahren werden in diesem Buch diskutiert. Auf der anderen Seite kann die Funktion aus einer Anzahl von Rechenregeln (einem Algorithmus) bestehen, die es uns gestatten, den Nutzen der Leistung für jede spezielle Wertemenge der kontrollierbaren und nicht kontrollierten Variablen zu bestimmen, die es aber nicht gestatten, die optimalen Werte der

1.3. B e d e u t u n g u n d W e s e n d e r O R

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kontrollierbaren Variablen direkt zu ermitteln. I m allgemeinen können wir auch Verfahren für die schrittweise Auswahl der kontrollierbaren Variablen angeben' Als Startpunkt nimmt man angenommene Werte. I m Laufe des Verfahrens konvergieren sie gegen die optimalen Werte. Für einige Verfahren sind die Kosten für das Auffinden der optimalen Lösung sehr groß, wenn man sie mit den Verbesserungen vergleicht, die man gegenüber einer guten Lösung hat, die man manchmal relativ leicht finden kann. Bei jeder neuen Berechnung von U aus einem neuen System von Xi und festgesetzten Werten von Y • erhalten wir neue Einsichten in die Arbeitsweise des Systems. Aus dieser Information können wir gegebenenfalls schließen, daß ein anderes System von XrWerten eine Verbesserung ergeben wird. Wenn wir das Ausmaß der Verbesserung ohne genaue Ausführung der Berechnungen abschätzen können, läßt sich ein Vergleich mit den Berechnungskosten anstellen. Wir können dann entscheiden, ob weitere Schritte gerechtfertigt sind. Die Struktur des Systems kann auch so sein, daß man die Yj nichtkennen kann, bevor nicht Entscheidungen über die Xi getroffen worden sind. Wenn z. B. ein Yj die Verkäufe des folgenden Monats und ein Xi die Höhe der Produktion des laufenden Monats bezeichnet, werden wir unsere Entscheidung nur auf die Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Verkäufe gründen können. In solchen Fällen — und wenn / verhältnismäßig einfach ist — können wir manchmal über die unbekannten Variablen mittein und die Entscheidungen auswählen, die den besten Erwartungswert ergeben. Der Prozeß der Mittelung ist häufig so kompliziert, daß er für die Ausführung nicht in Frage kommt. Wir sind dann gezwungen, mit dem Modell zu experimentieren (Simulationen vorzunehmen). Wir wählen mit den relativen Häufigkeiten, die sich aus den Wahrscheinlichkeitsverteilungen ergeben, Werte für die unkontrollierbaren Variablen aus. Das erlaubt uns, die entsprechenden Werte von U zu berechnen und schließlich seine Verteilung. Solche Experimente werden manchmal vollkommen innerhalb einer Rechenanlage ausgeführt. I m System spielt der Mensch als Träger der Entscheidung eine große Rolle. Manchmal kann man über diesen Prozeß nicht so genaue Aussagen machen, daß man sie im Modell darstellen könnte. Dann muß die Simulation auch den Menschen als Träger der Entscheidung einbeziehen. Bei einer solchen Simulation spricht man von Planspielen. Welches Verfahren man auch benutzt, man sucht eine optimale oder nahezu optimale Lösung. Eine optimale Lösung zeichnet sich dadurch aus, daß sie das Leistungsmaß im, Modell minimiert oder maximiert, wobei sie den Bedingungen und Einschränkungen genügt, die in diesem Modell enthalten sind. Die Optimierung ergibt also die beste Lösung für das Modell der Aufgabe. Da aber ein Modell niemals eine vollkommen einwandfreie Darstellung der Aufgabe ist, handelt es sich bei der optimalen Lösung niemals um die beste Lösung der Aufgabe. Es wird im allgemeinen anzunehmen sein, daß das Modell eine „gute" Darstellung der Aufgabe ist. Dann wird eine aus ihm abgeleitete optimale oder nahezu optimale Lösung auch eine „gute" Annäherung an die optimale Lösung

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1. E i n l e i t u n g : D a s W e s e n d e r O p e r a t i o n s R e s e a r c h

der eigentlichen Aufgabe darstellen u n d auf jeden Fall erheblich besser sein als die Lösung, die sie ersetzen soll. Da die Optimalwerte der Lösung die Leistung des Systems nur d a n n verbessern, wenn das Modell eine gute Darstellung des Systems ist, m u ß der Z u s a m m e n h a n g zwischen Modell u n d realer Situation getestet werden. D a n n m u ß die Lösung ausgewertet werden. Die Leistung m u ß also mit der beim bisherigen Verfahren verglichen werden. Schließlich müssen die Resultate der Untersuchungen in die Praxis eingeführt werden (wenn sie von den Verantwortlichen akzeptiert werden), d e n n es ist das Ziel der OR, die Leistung von Systemen zu verbessern, u n d nicht n u r Berichte zu schreiben. Dabei sind die wesentlichen Teste u n d die Auswertung der Untersuchung vorzunehmen. Daher h a t der OR-Spezialist gerade in dieser Phase des Verfahrens besonders große Möglichkeiten, seine Einsichten zu vertiefen. Wenn die betrachtete Entscheidung mehr als einmal getroffen werden muß, ist es sehr wahrscheinlich, daß — u n t e r Beachtung der Besonderheiten der von der OR untersuchten Systeme — die Werte der nicht kontrollierten Variablen u n d selbst die S t r u k t u r des Systems sich zwischen den verschiedenen E n t scheidungen verändern werden. Daher müssen wesentliche Veränderungen im System u n d in seiner N a c h b a r s c h a f t aufgespürt werden, u n d die Lösung m u ß entsprechend den Erfordernissen korrigiert werden, Lösungen, die Regeln f ü r wiederholte Entscheidungen darstellen oder sich auf einen Zeitraum beziehen, müssen korrigiert u n d kontrolliert werden. Zusammenfassend können wir sagen, daß m a n fünf E t a p p e n bei einer Untersuchung mit der OR unterscheiden k a n n : 1. Formulierung der Aufgabe, 2. A u f b a u eines Modells, 3. Ableitung einer Lösung. 4. P r ü f u n g des Modells u n d Auswertung der Lösung. 5. E i n f ü h r u n g in die Praxis. Die Kapitel 2, 3, 4, 15 und 16 sind diesen methodologischen E t a p p e n einer Untersuchung mit der OR gewidmet. Obwohl diese Phasen in einem OR-Projekt anfangs in der angegebenen Reihenfolge a u f t r e t e n , k a n n m a n sie meist nicht in dieser Reihenfolge beenden. Eigentlich d a u e r t jede Phase solange an, bis die Untersuchung abgeschlossen ist, u n d es bestehen immer wechselseitige Beziehungen-jnit allen anderen Phasen. Natürlich h ä n g t eine gute Formulierung der Aufgabe davon ab, d a ß m a n alle weiteren Schritte genau durchdacht h a t . Insbesondere ist zu bedenken, wie m a n die Ergebnisse in die Praxis einführen will. W e n n wir auch diese P h a s e n der OR getrennt diskutieren, sollte m a n doch immer d a r a n denken, d a ß sie sich meist zeitlich überlappen u n d gegenseitige Abhängigkeiten aufweisen.

1.4. Typische Aufgabenstellungen 1.4.

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Typische Aufgabenstellungen

Seit i h r e m E n t s t e h e n ist die O R f ü r eine breite P a l e t t e von A u f g a b e n ang e w e n d e t worden. Die meisten dieser A u f g a b e n sind ihrer A r t n a c h j e d o c h m e h r taktisch als strategisch. Die U n t e r s c h e i d u n g zwischen t a k t i s c h e n u n d s t r a t e g i s c h e n A u f g a b e n ist nicht einfach, d e n n sie basiert auf m i n d e s t e n s drei Wesenszügen der A u f g a b e n , d e n e n jeweils ein gewisses Gewicht beizulegen ist. E i n e A u f g a b e ist g e g e n ü b e r einer a n d e r e n m e h r als t a k t i s c h anzusehen, w e n n d i e A u s w i r k u n g e n der L ö s u n g von kurzer D a u e r sind, oder (was im wesentlichen gleich einzuschätzen ist), w e n n die Lösung ohne Schwierigkeiten modifiziert oder r ü c k g ä n g i g g e m a c h t werden k a n n . W e n n die A u s w i r k u n g e n einer L ö s u n g auf eine A u f g a b e von längerer D a u e r sind, ist sie m e h r strategischer A r t . Die A u f g a b e , zu entscheiden was m a n morgen p r o d u z i e r t , ist t a k t i s c h gegenüber d e r E n t s c h e i d u n g ü b e r d e n A u f b a u einer n e u e n F a b r i k . Die O R ist bis j e t z t m e h r auf kurzfristige als auf langfristige A u f g a b e n a n g e w e n d e t worden. W i r wollen diesen W e s e n s z u g der A u f g a b e ihren Spielraum nennen. Zweitens ist eine A u f g a b e m e h r strategisch, je größer der Teil der O r g a n i s a t i o n ist, der d i r e k t d u r c h die L ö s u n g betroffen ist. Die A u s w a h l eines Z u r e c h n u n g s m o d u s ist eine A u f g a b e v o n m e h r t a k t i s c h e r A r t im Vergleich zum H a u s h a l t s plan einer K ö r p e r s c h a f t . Dieser Wesenszug der A u f g a b e k a n n als ihr Umfang bezeichnet werden. E n d l i c h ist eine A u f g a b e u m so mehr strategisch, je m e h r sie die B e s t i m m u n g v o n Zielen oder Zielstellungen e n t h ä l t . Alle A u f g a b e n befassen sich m i t d e r A u s w a h l v o n Mitteln, u m g e w ü n s c h t e Ergebnisse zu erreichen, aber bei vielen b e t r a c h t e t m a n die g e w ü n s c h t e n Ergebnisse als gegeben, als Voraussetzung. So ist die P l a n u n g f ü r ein U n t e r n e h m e n , in der die Zielstellungen der Organisation erst e r m i t t e l t werden müssen, mehr ein strategisches P r o b l e m als die Minim i e r u n g der T r a n s p o r t k o s t e n , d e n n d o r t s t e h t m i t der Minimierung der T r a n s p o r t k o s t e n das g e w ü n s c h t e Ziel bereits fest. Dieser Wesenszug einer A u f g a b e k a n n als Endorientiertheit bezeichnet werden. E s gibt bei der D a r s t e l l u n g dieser drei Wesenszüge keine E n t s c h e i d u n g s p u n k t e , die t a k t i s c h e A u f g a b e n von strategischen A u f g a b e n t r e n n e n . Man k a n n also h ö c h s t e n s sagen, eine A u f g a b e sei m e h r oder weniger t a k t i s c h oder strategisch als eine andere, u n d zwar im Hinblick auf jeden dieser drei Wesenszüge. Wie schon oben e r w ä h n t h a t sich die O R meist, aber auf keinen Fall ausschließlich, m i t A u f g a b e n b e s c h ä f t i g t , die ihrem W e s e n n a c h m e h r t a k t i s c h als s t r a t e g i s c h sind. D a h e r b e f a ß t sich dieses B u c h h a u p t s ä c h l i c h m i t der Anw e n d u n g der O R auf t a k t i s c h e A u f g a b e n . I m letzten K a p i t e l w e r d e n wir u n s e t w a s g e n a u e r m i t s t r a t e g i s c h e n A u f g a b e n b e s c h ä f t i g e n u n d diskutieren, welche Rolle die O R bei ihrer L ö s u n g spielen k a n n . I n einem gewissen Sinne sind zwei t a k t i s c h e A u f g a b e n niemals genau gleich. I n einem a n d e r e n Sinne k a n n m a n die T e n d e n z der E i n o r d n u n g in b e s t i m m t e , wohldefinierte T y p e n e r k e n n e n . Die erste T e n d e n z , n a c h der zwei t a k t i s c h e Aufg a b e n n i e m a l s g e n a u gleich sind, werden wir als ihren Inhalt bezeichnen. Die

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1. Einleitung: Das Wesen der Operations Research

zweite Tendenz, nach der sie sich in gewisse Gruppen einordnen lassen, bezieht sich auf ihre Form. Jedes Problem hat eine Form und einen Inhalt. Das ist wie Zahl und Wappen bei einer Münze. Wir können das getrennt betrachten und diskutieren, aber nicht dem Wesen nach trennen. Die Form bezeichnet die Art der Beziehungen zwischen den einzelnen Eigenschaften (Variable und Konstanten) der Aufgabe. Der Inhalt bezeichnet das Wesen dieser Eigenschaften. Z. B. kann die Beziehung vieler Punkte (Paare von zwei Variablen) darin bestehen, daß sie geometrisch durch eine Gerade dargestellt werden können. Also haben diese Punkte, die eine lineare Beziehung aufweisen, die gleiche Form, aber nicht den gleichen Inhalt. In einem Prozeß der Abstraktion trennen wir die Form einer Aufgabe von ihrem Inhalt. Die Sprache, in der wir die vom Inhalt abstrahierende Form darstellen, ist die der Mathematik. Daher ist ein mathematisches Entscheidungsmodell eine Darstellung für die Form einer Aufgabe. Wenn man bei einer Aufgabe vom Inhalt abstrahieren will, um nur die Form zu betrachten, sind trotzdem Kenntnisse über den Inhalt erforderlich. Die Verantwortlichen für den entsprechenden Bereich wissen über den Inhalt meist viel besser Bescheid als der OR-Spezialist. Im allgemeinen kann sich der ORSpezialist nicht die Zeit und Mühe nehmen, um mit dem Inhalt der zu bearbeitenden Aufgabe so gut vertraut zu werden, wie die mit dieser Aufgabe betrauten Personen. Daher muß der OR- Spezialist sämtliche Kenntnisse über die Aufgabe verwerten, die der entsprechende Verantwortliche und andere Personen haben. Aus diesem Grunde werden Untersuchungen mit der OR am besten so durchgeführt, daß eine aktive Zusammenarbeit zwischen den entsprechenden Verantwortlichen und dem OR-Personal stattfindet. Wie schon erwähnt, ergab sich als eine wichtige Schlußfolgerung aus der Anwendung der OR auf eine große Palette von taktischen Aufgaben, daß man eine kleine Anzahl von Typen unterscheiden kann, in die man die meisten dieser Probleme einordnen kann. Wegen des häufigen Auftretens dieser Probleme sind Verfahren für ihre Modellierung entwickelt worden und auch für die Ableitung von Lösungen aus diesen Modellen. Diese typischen Aufgabenstellungen sind folgende: 1. Zuordnung, 2. Lagerhaltung, 3. Ersatz und Erneuerung, 4. Bedienung, 5. Ablaufplanung und Netzwerke, 6. Rundfahrten, 7. Konkurrenz, 8. Suche. In den Kapiteln 5 bis 14 werden diese typischen Aufgabenstellungen genauer behandelt. Die Reihenfolge, in der sie betrachtet werden, läßt sich aus grundsätzlichen Erwägungen ableiten. In praktischen Situationen ergeben sie sich oft auseinander, wenn die Konzeption des betrachteten Systems erweitert wird,

1.4. Typische Aufgabenstellungen

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allerdings nicht unbedingt in der angegebenen Reihenfolge. Z. B . beginnt man in der OR oft mit den Lagerhaltungsproblemen, denn sie sind (1) begrifflich im allgemeinen sehr einfach, (2) die Lösungsverfahren für sie sind weit entwickelt, (3) die für diese Verfahren erforderlichen Angaben glaubt man meist als verfügbar ansehen zu können (sie sind es aber selten) und (4) die für die Lagerhaltung verantwortlichen Manager sind häufig auf die Quantifizierung orientiert. Daher fühlen sie sich im allgemeinen weniger durch die OR bedroht, als die weniger technisch orientierten Manager. Wie wir sehen werden, beschäftigt sich die Lagerhaltung mit einer offensichtlich einfachen und leicht zu verstehenden Operation, mit der Lagerung von Einsatzgrößen. Die allgemein gewünschten Entscheidungen sind, wieviel von einer Einsatzgröße zu erwerben ist und wann der Erwerb stattfinden soll. E s kann sich dabei um eine große Zahl von Einsatzgrößen handeln, z. B . wenn man bestimmen muß, wieviel von jedem einer großen Anzahl von Teilen gekauft oder produziert werden muß und wann das zu erfolgen hat. Wenn man ein solches Lagerhaltungsproblem für viele Produkte gelöst hat, kann sich folgendes ergeben: Die Produktionskapazitäten reichen nicht aus, um so zu produzieren, wie es in der ermittelten Lösung steht. E s wird dann notwendig, die verfügbaren Produktionskapazitäten den durchzuführenden Aufgaben so zuzuordnen, daß die Verluste minimiert werden, die sich aus der Abweichung von der Lösung des isoliert betrachteten Lagerhaltungsproblems ergeben. Die Lösung des Zuordnungsproblems gründet sich im allgemeinen auf ein Modell, in dem angenommen wird, daß die Produktionskapazitäten ohne Unterbrechung verfügbar sind. In der Wirklichkeit ergeben sich natürlich Unterbrechungen. Produktionskapazitäten fallen aus und erfordern eine Reparatur, Energieausfälle treten auf, Arbeitskräfte oder benötigtes Material sind nicht dort und dann vorhanden, wenn sie benötigt werden. Folglich wird es offensichtlich, daß man bei der Zuordnung der Kapazitäten diese möglichen Verzögerungen in Betracht ziehen sollte. U m das zu tun, muß man Aufgaben der Bedienungstheorie lösen. Modelle der Bsdienungstheorie geben im allgemeinen Regeln für die Auswahl von Dingen (Aufgaben) an, die auf Bsdienung (Reparatur) warten. I n einigen Fällen hat die Reihenfolge, in der diese Arbeiten ausgeführt werden, wesentliche Auswirkungen auf die Zeit, die für alle erforderlich ist oder auf die Verteilung der Gesamtzeiten. Wenn das so ist, dann kann eine getrennte Untersuchung über die Reihenfolge erforderlich sein, in der die einzelnen Arbeiten ausgeführt werden sollten, damit ein bestimmtes Ziel, ausgedrückt als Gesamtzeit oder Endzeit, erreicht wird. Wenn Ausrüstungen oder Personal auf den Beginn einer jeden aus einer Reihe von zu erfüllenden Aufgaben vorbereitet werden müssen und wenn die Vorbereitungszeiten von der Reihenfolge der Arbeiten abhängen, muß man sowohl Vorbereitungskosten, als auch zeitliche Erwägungen in Betracht ziehen. Dann hat man es mit der Lösung eines Rundfahrtproblems zu tun. Das ist nicht ohne weiteres einzusehen, wird aber klar werden, wenn wir diese Probleme genauer betrachten.

J6

1. E i n l e i t u n g : D a s W e s e n d e r O p e r a t i o n s R e s e a r c h

W e n n das b e t r a c h t e t e P r o b l e m ü b e r eine gewisse Zeit verfolgt wird, ist e s n o t w e n d i g , die E r n e u e r u n g der sich a b n ü t z e n d e n A u s r ü s t u n g in die B e t r a c h t u n g e n einzubeziehen. Bis zu diesem P u n k t der P r o b l e m e n t w i c k l u n g h a b e n wir u n s n u r m i t d e m V e r h a l t e n des u n t e r s u c h t e n Systems b e s c h ä f t i g t , n i c h t jedoch m i t d e m Verh a l t e n der sich a u ß e r h a l b des S y s t e m s befindenden W i r t s c h a f t s s u b j e k t e , die die L e i s t u n g des U n t e r n e h m e n s beeinflussen, wie die L i e f e r a n t e n , die K u n d e n oder die K o n k u r r e n t e n . W e n n deren V e r h a l t e n in die B e t r a c h t u n g e n einbezogen wird, i n d e m m a n v e r s u c h t , das Material zu einem möglichst geringen Preis zu k a u f e n oder die P r o d u k t e zu einem besseren Preis zu v e r k a u f e n , e r h ä l t m a n strategische (Konkurrenz-) Probleme. Solche A u f g a b e n sind allgemein v o n sehr komplexer N a t u r u n d schwierig zu lösen. O R - G r u p p e n sollten sie erst d a n n in Angriff n e h m e n , w e n n die G e s c h ä f t s l e i t u n g g e n ü g e n d V e r t r a u e n zu ihr gewonnen h a t u n d ihr a u c h U n t e r s u c h u n g e n m i t g r ö ß e r e m Risiko g e s t a t t e t . Man sollte jedoch a n m e r k e n , d a ß schwierige u n d risikoreiche U n t e r s u c h u n g e n a u c h größere E i n s p a r u n g e n ergeben. Schließlich wird m i t dem größeren U m f a n g der von der O R u n t e r s u c h t e n A u f gaben u n d dem größeren Bereich der e i n g e f ü h r t e n L ö s u n g e n a u c h das V e r l a n g e n n a c h S c h a f f u n g , S a m m l u n g u n d V e r a r b e i t u n g der I n f o r m a t i o n e n größer, die f ü r die E i n f ü h r u n g u n d A u f r e c h t e r h a l t u n g dieser B e m ü h u n g e n erforderlich sind. Vielfach f ü h r t das zu einer Studie ü b e r d a s I n f o r m a t i o n s - u n d K o m m u n i k a t i o n s s y s t e m . A u f g a b e n , in denen m a n sich d a m i t b e f a ß t , wie viele u n d welche I n f o r m a t i o n e n zu beschaffen sind, wie sie zu beschaffen sind u n d wie sie d a n n zu v e r a r b e i t e n sind, n e n n t m a n Suchaufgaben. E s sollte aus dieser Diskussion klar geworden sein, d a ß m a n A u f g a b e n der L e i t u n g selten isoliert v o n e i n a n d e r b e t r a c h t e n k a n n . W e n n m a n die O R a u c h a u f g a b e n - oder p r o j e k t o r i e n t i e r t organisieren k a n n , so wird sie d o c h a m w i r k s a m s t e n g e n u t z t , w e n n bei der LTntersuchung g e s t a t t e t wird, den U m f a n g i m m e r m e h r zu erweitern u n d gleichzeitig oder n a c h e i n a n d e r einen möglichst breiten Bereich v o n sich gegenseitig beeinflussenden A u f g a b e n einzubeziehen. Die meisten der p r a k t i s c h e n A u f g a b e n sind in einem der a n g e f ü h r t e n Modelle nicht g e n a u genug a b z u b i l d e n . Wir k ö n n e n zwar Modelle k o n s t r u i e r e n , die m e h r e r e dieser t y p i s c h e n A u f g a b e n s t e l l u n g e n e n t h a l t e n , a b e r wir k ö n n e n im allgemeinen keine L ö s u n g e n aus i h n e n ableiten. Diese t y p i s c h e n Modelle sind die g r ö ß t e n , die wir in einem S c h r i t t lösen k ö n n e n . D a a b e r die p r a k t i s c h e n A u f g a b e n meist m e h r e r e solche T y p e n e n t h a l t e n , müssen wir o f t eine D e k o m position der A u f g a b e in lösbare Teile v o r n e h m e n u n d die in e i n e m Teil e r h a l t e n e Lösung als I n p u t f ü r den n ä c h s t e n Teil b e t r a c h t e n usw. E v e n t u e l l m ü s s e n wir den O u t p u t der letzten T e i l a u f g a b e b e n u t z e n , u m eine oder alle der v o r h e r erh a l t e n e n Teillösungen u m z u b e w e r t e n . W e n n m a n es m i t e i n e m Modellsystem zu t u n h a t , s u c h t m a n eine L ö s u n g o f t so, d a ß m a n n a c h e i n a n d e r v o n einem Modell z u m n ä c h s t e n f o r t s c h r e i t e t u n d diesen Zyklus' solange wiederholt, bis m a n eine befriedigende Lösung f ü r d a s g e s a m t e P r o b l e m e r h ä l t .

1.5. G e s i c h t s p u n k t e f ü r L e i t u n g u n d K o n t r o l l e

17

Die Klassifikation in acht Aufgabentypen ist natürlich keinesfalls als feststehend u n d unumstößlich zu betrachten. Mit der Zeit werden neue Probleme a u f t r e t e n u n d die alten werden sich kombinieren lassen, wenn wir die Fähigkeit entwickeln, sie zusammen zu lösen. Die Grenzen zwischen diesen typischen Aufgabenstellungen sind verschwommen, besonders, wenn m a n weiter verallgemeinert u n d Überschneidungen enthüllt. Einige der mathematischen Verfahren, die bei der Ableitung von Lösungen aus den Modellen b e n u t z t werden — z. B. die lineare u n d die dynamische Optimierung — lassen sich auf Modelle verschiedener Typen anwenden. Aus diesem Grunde werden die Modelle manchmal n a c h d e m m a t h e m a t i s c h e n Rüstzeug klassifiziert, das f ü r ihre Lösung erforderlich ist. Wir haben eine Klassifikation gewählt, die nicht von den mathematischen, sondern von leitungsmäßigen Aspekten ausgeht, u m die Problemorientiertheit der OR zu betonen. E s ist nur zu leicht, sich die OR nicht als eine interdisziplinäre Wissenschaft, sondern als angewandte M a t h e m a t i k vorzustellen u n d sich in so starkem Maße mit den verwendeten Verfahren zu beschäftigen, d a ß m a n das Ziel vollkommen aus den Augen verliert. Außerdem m u ß m a n bemerken, daß eine Anzahl von Aufgaben, die vom S t a n d p u n k t der Forschung am meisten interessieren, nicht in diese Modelltypen eingeordnet werden können. Solche Aufgaben e n t h a l t e n eine besonders erregende H e r a u s f o r d e r u n g u n d ebnen den Weg f ü r eine eventuelle Herausbildung neuer A u f g a b e n t y p e n . Die nachfolgende Diskussion der typischen Aufgabenstellungen, ihrer Modelle u n d der dazugehörigen Lösungen, soll nicht erreichen, d a ß die dargestellten Modelle als Werkzeuge betrachtet werden, die m a n in einen Werkzeugschrank einordnet u n d bei Bedarf herausnimmt. Vorgefertigte Modelle genügen selten den Anforderungen bei praktischen Aufgabenstellungen. Modelle müssen im allgemeinen nach Maß gemacht werden. Wenn aber die Darstellung der Theorien als eine Ü b u n g in der Aufstellung von Modellen u n d der Ableitung der Lösung b e t r a c h t e t wird, h a t m a n eine Grundlage, auf der geeignete Modelle f ü r spezielle Aufgaben aufgestellt werden können.

1.5.

Gesichtspunkte für Leitung und Kontrolle

Man m u ß sich immer wieder klar machen, was m a n mit der OR nicht oder nicht gut erreichen kann, u n d was sie auf der anderen Seite wirklich leisten kann. Ein empfehlenswerter Weg zur Gewinnung einer solchen Perspektive ist eine Klassifizierung u n d Analyse der Möglichkeiten des Managers. W a s k a n n der Manager t u n , u m die Leistung der Organisation zu verbessern u n d welche Quellen einer Hilfe durch wissenschaftliche Untersuchungen sind f ü r ihn v e r f ü g b a r . Manager leiten Organisationen. Organisationen sind spezielle Arten von Systemen. Ein System ist eine Menge von Elementen, die zueinander in Beziehung stehen. Die E l e m e n t e können a b s t r a k t sein, wie etwa in einem Zahlensystem oder konkret, wie etwa im Sonnensystem. Organisationen sind auf jeden

1. Einleitung: Das Wesen der Operations Research

18

Fall konkrete Systeme, aber nicht alle konkreten Systeme sind Organisationen. Organisationen sind durch vier wesentliche Charakteristika ausgezeichnet, die alle Leitungsentscheidungen unterworfen sind. Daher definieren diese Charakteristika das, was wir „Gesichtspunkte der Leitung" nennen werden. Diese Charakteristika sind folgende: 1. Inhalt. Eine Organisation muß aus mindestens zwei zielbewußten Elementen bestehen, die in der Lage sind, Zielstellungen und die Mittel zu ihrer Verwirklichung auszuwählen. Das sind die minimalen Anforderungen an den Inhalt. Bei den Typen von Organisationen, mit denen wir uns in diesem Buch befassen, sind die zielbewußten Elemente Menschen. I n solchen Organisationen sind im allgemeinen noch drei andere Arten von Einsatzgrößen vorhanden: Maschinen (in die wir Anlagen, Ausrüstungen und Einrichtungen einschließen), Materialien und Geld. 2. Struktur. Die zielbewußten Elemente, aus denen sich das System zusammensetzt, lassen sich in mindestens zwei Untergruppen aufteilen, die für verschiedene Arten von Aktivität verantwortlich sind. Es gibt also eine funktionale Arbeitsteilung innerhalb des Systems. D. h., nicht alle Teile des Systems haben gleiche Aufgaben, aber der weitaus größte Teil (oder ein bedeutender Teil) ihrer Tätigkeit dient der Erfüllung eines Gesamtzieles für das System. In einer industriellen Organisation ist die Aufteilung in Produktion, Verkauf, Finanzen, Personal und Forschung oder Technik charakteristisch. I n militärischen Organisationen sind die Funktionen ähnlich aufgeteilt, in Verwaltung, Information, Taktik und Ausbildung sowie Versorgung. 3. Kommunikation. Die zielbewußten Elemente des Systems müssen in der Lage sein, miteinander und mit der Umgebung des Systems in Verbindung zu treten. Das erfordert die Fähigkeit, Informationen zu erhalten, entweder direkt durch Beobachtung oder indirekt durch Verbindung. Diese Verbindungen sind der Zement, der die Elemente der Organisation zusammenhält. 4. Kontrolle. Ein System muß in der Lage sein, sich mindestens teilweise selbst zu kontrollieren. Es muß also seine eigenen Zielstellungen festsetzen, die Leistung im Hinblick auf diese Zielstellungen auswerten und sein Verhalten auf eine Leistungsverbesserung einrichten oder verändern. Es muß auch in der Lage sein, seinen eigenen Inhalt, seine Struktur, seine Kommunikationen und sogar sein Kontrollsystem selbst zu modifizieren. Eine Organisation muß also adaptiv und selbstorganisierend sein. Wir wollen nun diese P u n k t e von folgendem Standpunkt betrachten: Was kann der Manager hier t u n und wie kann die Wissenschaft helfen, daß das Management bessere Entscheidungen trifft? 1.5.1.

Inhalt

1. Personal 1.1. Auswahl und Ausbildung muß so eingerichtet werden, daß man die Fähigkeiten der Mitglieder der Organisation vergrößert. Man hofft, daß sich

1.5. Gesichtspunkte für Leitung und Kontrolle

19

damit auch ihre Leistungen in der Organisation verbessern. Psychologen können die Geschäftsleitung beim Entwurf und der Durchführung solcher Verfahren unterstützen. 1.2. Arbeitsstudien verfolgen den Zweck, das Verhalten des Personals dadurch zu verbessern, daß man sie unterrichtet, was sie zu t u n haben und wie sie es zu t u n haben, ohne daß man unbedingt ihre Fähigkeiten verändert. Hier kann man Hilfe durch die Betriebsingenieure erhalten, die Zeitund Bewegungsstudien durchführen. 1.3. Motivation zielt ebenfalls auf eine Verbesserung der Leistung des Personals, durch Veränderung der (physischen und sozialen) Umgebung oder indem man einen geeigneten Anreiz schafft. Industrie- und Sozial Psychologen, Soziologen und Betriebsingenieure sind die geeigneten Partner für die Geschäftsleitung. 2. Maschinen (und Anlagen): Entwurf, Konstruktion und Instandhaltung von Ausrüstung und Einrichtungen sind auf folgendes gerichtet: 2.1. Verbesserung der Leistung der einzelnen Maschinen. Das ist die Aufgabe, die man traditionell „Technik" nennt, Maschinenbau, Chemie, Bau usw. 2.2. Verbesserung der Leistung des Menschen, der die Maschine bedient. Die Nutzung von Physiologie, Psychologie und Technologie beim Entwurf von Ausrüstung und Einrichtungen, mit denen der Mensch möglichst gut umgehen kann, nennt man Ingenieurpsychologie (human engineering) (CHAPANIS, 1 9 6 1 ) .

2.3. Verbesserung des gesamten Mensch-Maschine-Systems. Es handelt sich um das Zusammenspiel der Maschinen untereinander und um das Zusammenspiel von Menschen und Maschinen. Ein solches Herangehen ist für die Entwicklung von Arbeitsplänen (systems engineering) charakteristisch. ( G O O D E und MACHOL, 1 9 5 7 ; C H E S T N Ü T , 1 9 6 5 . ) 3. Material 3.1. Verbesserung der Qualität von 3.1.1. Grund- oder Rohmaterial. Auf diesem Gebiet können Physiker, Chemiker, Metallurgen und andere Materialspezialisten helfen. 3.1.2. Halbfertig- und Fertigprodukte. Beim Entwurf von Fertigprodukten oder Teilprodukten kann man von vielen spezialisierten Ingenieuren Hilfe erhalten. Wertanalyse (value analysis) ist ein Verfahren, das von den Ingenieuren jüngst entwickelt wurde und für nützlich gehalten wird. 3.2. Aufrechterhaltung der Qualität beim Grund- oder Rohmaterial und bei Halbfertig- oder Fertigprodukten. Hier steht dem Manager die Hilfe der Praktiker der statistischen Qualitätskontrolle zur Verfügung. 4. Geld. Verbesserungen beim Erwerb, der Verwaltung und der Nutzung finanzieller Mittel betreffen die Personen in den Abteilungen Buchhaltung, Finanzen und Kalkulation. (Diese Gebiete verflechten sich immer stärker miteinander, so daß eine Trennung dieser Funktionen, insbesondere bei industriellen Organisationen, nicht länger möglich ist.) 3 Ackoff/Sasieni

20 1.5.2.

1. E i n l e i t u n g : D a s W e s e n d e r O p e r a t i o n s R e s e a r c h

Struktur

Die Veränderung der Struktur einer Organisation ist in großem Maße eine Sache des Einfühlungsvermögens. Erst vor kurzem haben sich auf diesem Gebiet einige wissenschaftliche Ansätze gezeigt. Der Begriff der Organisationstheorie (z. B. HAIBE, 1959) ist aufgetaucht. Die Entwicklung ist aber noch nicht genügend fortgeschritten, um systematisch auf die meisten Organisationsprobleme angewendet werden zu können. Unser Verständnis der Organisationsstruktur, insbesondere wenn es sich auf die Wirksamkeit bezieht, mit der sich eine Organisation selbst kontrollieren kann, wächst als Resultat zweier neuer Entwicklungen: (1) der Anwendung kybernetischer Begriffe auf den Entwurf von Organisationsstrukturen (BEEK, 1959) und (2) der Nutzung der Sozialpsychologie. Sie soll die Mitglieder von Organisationen veranlassen, die Struktur der Organisation zu verändern oder die sich durch sie ergebenden Grenzen zu überwinden (BENNIS, 1966). Wir werden später auf diesen P u n k t kurz zurückkommen. 1.5.3.

Kommunikation

Die Fähigkeit, die Verbindungen innerhalb einer Organisation durch Benutzung wissenschaftlicher Methoden und wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verbessern, beginnt sich erst zu entwickeln. Die mit dem Namen SHANNON verb u n d e n e m a t h e m a t i s c h e I n f o r m a t i o n s t h e o r i e (SHANNON u n d W E A V E R , 1 9 4 9 ) i s t

hier kaum anwendbar, sondern nur zum Entwurf physikalischer Systeme der Nachrichtenübermittlung. Das wachsende Arsenal von möglicherweise wichtigen Erkenntnissen und wissenschaftlichen Verfahren ist in den Werken von MILLER ( 1 9 5 1 ) , CHEKRY ( 1 9 5 8 ) , P I E R C E ( 1 9 6 1 ) u n d SMITH ( 1 9 6 6 ) e n t h a l t e n .

Praktische Studien über Kommunikationssysteme in einer Organisation sind daher in großem Umfang Sache der Beurteilung und des Experiments. Sie werden hauptsächlich von System- und Verfahrensanalytikern (systems and procedures analysts) ausgeführt. (In Großbritannien werden sie Organisationsund Methodenanalytiker — Organization and methods analysts — genannt.) Wegen der wachsenden Bedeutung elektronischer Datenverarbeitungsanlagen in den Kommunikationssystemen nutzt man beim Entwurf der physikalischen Aspekte von Kommunikationssystemen mehr und mehr Wissenschaft und Technologie. Das sollte man nicht mit den organisatorischen Aspekten solcher Systeme verwechseln, bei denen in großem Umfang eine moderne Technologie noch vermieden wird. Wir wenden uns in Kapitel 17 diesem P u n k t noch einmal zu. 1.5.4.

Kontrolle

Man wird sich daran erinnern, daß die Kontrolle folgendes enthält: Festsetzung^ von Zielen, Auswertung der Leistung und Einführung oder Modifizierung des Verhaltens und/oder des Inhalts, der Struktur und der Kommunikationen einer Organisation. Das — oder zumindest ein Teil davon — ist die Haupttätigkeit der

1.6. D i s k u s s i o n s p u n k t e

21

OR. Die OR hat sich anfangs mit der Einführung oder Modifizierung des Verhaltens von Organisationen befaßt. Sie ist also mehr daran interessiert, wie eine Organisation mit gegebenem Inhalt, Struktur und Kommunikation arbeitet, als an diesen Aspekten der Organisation selbst. Das h a t folgenden Grund. Die OR ist nicht in der Lage gewesen, diese Aspekte einer Organisation getrennt betrachtet genau genug zu modellieren und sie zueinander und zum Verhalten der Organisation in Beziehung zu setzen. Jüngste Forschungen einiger Experten auf diesem Gebiet und einiger OR-Spezialisten haben zur Schließung mancher Lücken bei diesen Gesichtspunkten geführt. I m Resultat dieser Entwicklung wird es in zunehmendem Maße schwieriger, Arbeiten die von Verhaltensforschern, Industrieingenieuren, Ingenieurpsychologen, Informationsund Arbeits Wissenschaftlern, Ökonomen und OR-Spezialisten geleistet wurden, nach diesen Gesichtspunkten zu klassifizieren. Hier zeigt sieh bereits das Auftauchen der Fähigkeit, Organisationsprobleme in multimodaler Art zu behandeln. I n Kapitel 17 werden wir diese Entwicklung untersuchen. Diese multimodale wissenschaftliche Betrachtung von organisatorischen Problemen m u ß in noch stärkerem Maße systemorientiert u n d interdisziplinär sein als die OR. Weil die OR diese Eigenschaften mehr verkörpert als irgendeine andere Wissenschaft und weil ein Großteil des Anstoßes f ü r diese Erweiterung des Umfangs von der OR gekommen ist, sind diese neuen Entwicklungen von der OR absorbiert worden. Als Ergebnis dieser Entwicklung wächst die OR begrifflich, methodologisch und technisch. Damit wächst ohne Zweifel ihre Fähigkeit, denen zu dienen, die f ü r organisierte menschliche Aktivität verantwortlich sind. F ü r diejenigen, die in die Praxis der OR gehen, ist es wichtig, nicht nur die jetzige Praxis zu kennen, sondern auch die Entwicklungstendenzen, die sie durch ihre Arbeit unterstützen und beeinflussen können.

1.6.

Diskussionspunkte

1. Man nehme ein bekanntes Problem, wie etwa Autounfälle oder Überbevölkerung und untersuche, welche wissenschaftlichen Disziplinen zur Lösung eines derartigen Problems beitragen können und wie das geschehen kann. 2. (a) Man untersuche, wie die Entscheidung der Verkaufsabteilung, im Produktionssortiment ein P r o d u k t hinzuzufügen oder herauszulassen, die Leistung in den übrigen Geschäftsbereichen beeinflußt. Man stelle ähnliche Untersuchungen über die Entscheidung an, eine neue Produktionsstätte zu errichten. (b) Wie k a n n sich die Entscheidung, den Transitverkehr in einer Stadt auszudehnen, auf die Leistungen im Gesundheitswesen, die Erziehung, die Fürsorge und andere öffentliche Dienste auswirken? 3. (a) Welche Aufgaben, die im allgemeinen mit verschiedenen Disziplinen identifiziert werden, haben die gleiche Form ? (b) Wie steht der Begriff des Analogons mit den Begriffen Form einer Aufgabe und Inhalt einer Aufgabe in Beziehung ? 3*

22

1. Einleitung: Das Wesen der Operations Research

4. Man vergleiche die Entscheidungen eines Unternehmens über die Preispolitik und über die Errichtung einer neuen Produktionsstätte in bezug auf die drei Gesichtspunkte, die die taktischen von den strategischen Aufgaben unterscheiden. 5. Ist die OR eine Disziplin, ein Beruf, ein Studiengebiet, eine Methodologie, eine Anzahl von Verfahren, eine Philosophie oder ein neuer Name für eine bekannte Sache? 1.7. Weiterführende Literatur In der nachfolgenden Bibliographie wird eine Auswahl von allgemeinen Artikeln und Büchern angeführt, die Einsicht und Verständnis für Wesen und Nutzen der OR gewähren. Das gemeinsame Prinzip, das die Bedeutung dieses Gebietes charakterisiert, läßt sich am besten erkennen, wenn man eine Anzahl offensichtlich unterschiedlicher Wege zur Beschreibung der OR und eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten studiert. Den Berichten der drei internationalen Konferenzen über OR (1957, 1960, 1963), die bei English University Press (London) erschienen sind, sollte Beachtung geschenkt werden. Einen Begriff von der OR erhält man auch bei der Durchsicht der hauptsächlichen englischsprachigen Zeitschriften: Management Science (Series A and B), Naval Research Logistics Quarterly, Operations Research Quarterly und Operations Research. Die beiden letzten sind für diesen Zweck besonders gut geeignet. * Es gibt eine Anzahl von allgemeinen und speziellen Bibliographien. Von den allgemeinen nennen wir: Operations Research: An Annotated Bibliography, von J A M E S H . B A T C H E L O R , Bd. I (1959), Bd. I I (1962), Bd. I I I (1963), and Bd. IV (1964), St. Louis University Press, St. Louis, (Missouri). A Gomprehensive Bibliography on Operations Research (zwei Bände), von der Arbeitsgruppe für Operationsforschung, Case Institute of Technology, John Wiley and Sons, New York, 1958 and 1963. Die kürzlich ins Leben gerufenen International Abstracts in Operations Research sind ebenfalls eine nützliche Informationsquelle und eine Zusammenfassung der gegenwärtigen Veröffentlichungen. 1.8.

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MCCLOSKEY, J .

2.

2.1.

PROBLEMFORMULIERUNG

Das Wesen eines Problems

Zur Lösung eines Problems müssen wir zuvor in der Lage sein, das Problem zu erkennen und so zu formulieren, daß es einer wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich ist. Der OR-Spezialist steht wie der Arzt meist den Symptomen gegenüber und nicht der Diagnose. I m allgemeinen muß er nach weiteren Symptomen suchen, ehe er eine richtige Diagnose stellen kann. Um eine Aufgabe zu finden und sie richtig zu formulieren, muß er wissen, was als Aufgabe anzusehen ist. Wir wollen zuerst die Bedingungen betrachten, die für das Bestehen der einfachsten denkbaren Problemsituation notwendig sind. 1. Es muß eine Person (I) geben, der man die Aufgabe zuordnen kann. Sie hat eine Umgebung (N). 2. Sie hat zumindest zwei Handlungsalternativen (CL und C2), d. h., es muß eine Wahl für ihr Verhalten geben 1 ). 3. Es muß mindestens zwei mögliche Ergebnisse (Oi und 02) ihrer Handlungsalternativen geben. Dabei wird von ihr das eine Ergebnis dem anderen vorgezogen. D. h., es muß mindestens ein Ergebnis geben, das sie anstrebt — eine Zielstellung. 4. Die Handlungsalternativen müssen ihr eine gewisse Chance für die Erreichung ihres Zieles (z. B. 0, ) geben, aber nicht die gleiche Chance. Sonst würde die Auswahl nicht von Belang sein. Wenn P(Oj/I, Ci, N) die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis 0,j ist, wenn I in der Umgebung N2) die Alternative Ci auswählt, muß gelten P(OJI, C±, N) =4= P{0L/I, C2, N). Die Auswahl muß also eine unterschiedliche Wirksamkeit für das gewünschte Ergebnis haben. Wenn diese vier Bedingungen erfüllt sind, kann man von einer Aufgabe sprechen. Für eine Person (I) besteht eine solche Aufgabe nur, wenn sie nicht weiß, welche Handlungsalternative für sie die beste ist und diese Kenntnis erwerben will. D. h., sie muß sich im Zweifel über die Lösung befinden. Kurz gesagt kann man von einer Aufgabe für eine Person sprechen, wenn sie gewisse Zielvorstellungen hat, verschiedene Möglichkeiten, sie zu erreichen, wobei *) Eine Handlungsalternative ist durch einen, oder mehrere (qualitative oder quantitative) Werte von kontrollierbaren Variablen definiert, z. B. die Anzahl der in einem gewissen Zeitraum verkauften Produkte oder die jeweils auf einmal verkaufte Menge und die Häufigkeit des Verkaufs. 2 ) Die Umgebung N ist durch die Werte der unkontrollierten Variablen definiert

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2. Problemformulierung

die Wirksamkeit unterschiedlich ist und sie im Zweifel darüber ist, welche Handlungsalternative auszuwählen ist. Die Aufgabenstellungen können erheblich komplizierter als dieser „Minimaltyp" sein. Für die Situationen, mit denen sich die OR beschäftigt, trifft das auch im allgemeinen zu. Die Kompliziertheit kann sich aus einer der nachfolgenden Bedingungen oder aus einer Kombination dieser Bedingungen ergeben: 1. Die Aufgabe ist nicht von einer Person, sondern von einer Gruppe zu lösen. 2. Die Umgebung (N) verändert sich so, daß sie die Wirksamkeit der Handlungsaltemativen auf die Ergebniswerte beeinflußt. 3. Die Anzahl der Handlungsalternativen kann sehr groß sein. 4. Die Anzahl der Zielstellungen kann ebenfalls sehr groß sein, und sie müssen nicht völlig miteinander vereinbar sein. 5. Die Handlungsalternativen, die von den Verantwortlichen ausgewählt wurden, können von anderen Personen ausgeführt werden. Deren Bereitschaft und Fähigkeit zu handeln ist dann von Belang. 6. Personen, die weder mit der Fällung noch mit der Durchführung der Entscheidung etwas zu tun haben, werden von der Entscheidung betroffen und reagiereil darauf freundlich oder unfreundlich. So wird z. B. im Geschäftsleben eine Entscheidung von den Kunden, den Konkurrenten, der Öffentlichkeit und der Regierung beeinflußt. Um eine Aufgabe zu formulieren, müssen wir folgende Informationen haben. 1. Wer muß die Entscheidung fällen? 2. Welches werden seine (oder ihre) Ziele sein? (Aus diesen und anderen Angaben leiten wir das Maß für die Leistung U ab, um die verschiedenen Handlungsalternativen bewerten zu können.) 3. Welche Aspekte der Situation sind der Kontrolle des Verantwortlichen unterworfen (die kontrollierbaren Variablen Xi), und in welchem Bereich können sie kontrolliert werden (Einschränkungen oder Nebenbedingungen). 4. Welche anderen Aspekte der Umgebung — mit oder ohne Einbeziehung von Menschen — können die Ergebnisse für die verfügbaren Wahlmöglichkeiten beeinflussen (die unkontrollierten Variablen Tj). Man sieht, daß wir die Komponenten des Entscheidungsmodells aus Kapitel 1 erkennen müssen. Daher besteht die Formulierung einer Aufgabe für die wissenschaftliche Untersuchung in der Erkennung, Definition und Spezifizierung der Maßzahlen für die Komponenten des Entscheidungsmodells. Die Bestimmung der Verbindung zwischen diesen Komponenten (d. h. die Funktion /) ist das Ziel der Untersuchungsphase der Modellaufstellung.

2.2.

Diagnose

Die Aufgaben werden an den OR-Spezialisten im allgemeinen von Personen herangetragen, die einen Teil oder das gesamte organisierte Mensch-MaschineSystem kontrollieren. In den anfänglichen Besprechungen beschäftigt man sich

2.2. Diagnose

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hauptsächlich mit der Aufdeckung der Symptome, ihrer Feststellung und ihrer möglichst genauen Beschreibung. Diese einleitenden Besprechungen sollten nicht nur*mit den verantwortlichen Managern geführt werden, sondern auch auf die Mitarbeiter und das Personal ausgedehnt werden, die mit der Durchführung der entsprechenden Aufgaben betraut sind. Während dieses Prozesses der Aufdeckung der Symptome kann man auch bei der Formulierung der Zielstellungen der Organisation Fortschritte machen. 2.2.1.

Formulierung

der

Zielstellungen

Die Ziele einer Organisation — welchen Charakter sie auch immer tragen — kann man in zwei Typen einteilen, passive oder beharrende und aktive oder erwerbende. Passive Zielstellungen sind solche, die sich auf eine Erhaltung und Bewahrung wertvoller Einsatzgrößen (z. B . Geld, Zeit, Energie, Ausrüstung und Fähigkeiten) oder Zustände (z. B . Arbeitsklima, Sicherheit und Stabilität der Beschäftigung) beziehen. Diese Zielstellungen beschäftigen sich mit Dingen, die durch die einzelnen Handlungsalternativen verbraucht werden. Man kann sie auch als Inputs bezeichnen. Aktive Zielstellungen beziehen sich auf die Erwerbung von Einsatzgrößen oder die Erreichung von Zuständen, die die Organisation oder ihre Manager nicht besitzen. Es handelt sich hier um die Outputs der Entscheidung. Die Zielstellungen einer Organisation kann man also immer so transformieren, daß es sich um die Maximierung der Outputs und die Minimierung der Inputs oder um die Maximierung der Differenz zwischen dem Output und dem Input handelt (d. h. um Profit im verallgemeinerten, nicht notwendig monetären Sinn). Die passiven Zielstellungen kann man im allgemeinen so aufdecken: Man legt dem Verantwortlichen, seinen Mitarbeitern und dem ausführenden Personal die möglichen Lösungen der Aufgabe vor und stellt fest, ob sie die einzelnen Lösungen akzeptieren würden oder nicht, wenn sie die letzte Empfehlung aus der wissenschaftlichen Untersuchung wären. Wenn die Antwort „Nein" ist deckt die Analyse der Gründe Begrenzungen und Inputs auf, die für die Aufgabe relevant sind. Die Manager eines Unternehmens weisen z. B . einen aus einer Anzahl von möglichen Standorten für eine neue Fabrik zurück, weil die Aufnahme der Produktion an diesem Ort Verhandlungen mit einem Gewerkschaftsangestellten bedeuten würden, mit dem sie einige unliebsame Erfahrungen gemacht haben. In einem anderen Falle deckte eine Sondierung über die Möglichkeit der Direktbelieferung mit einem Konsumgut Gesetze auf, die eine solche Lieferung in einigen Staaten verbieten. Wenn man verschiedene mögliche Lösungen angibt, Präferenzen findet und die Gründe sondiert, enthüllt man Zielstellungen sowohl über den Output als auch über den Input. So zog z. B . der Manager eines Unternehmens die Erweiterung in einer bestimmten Richtung anderen Maßnahmen vor, weil er dadurch zum Studium einer neuen Technologie gezwungen wurde und er einen solchen intellektuellen Anreiz ebenso wollte, wie eine gewinnbringende Erweiterung.

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2. Problemformulierung

Die Untersuchung der Maße, die von der Geschäftsleitung zur Bewertung der Gesamtleistung der Organisation und ihrer Teile benutzt werden, enthüllt ebenfalls wesentliche Zielstellungen. Schließlich kann man die Gründe für die vorangegangenen Entscheidungen auf diesem Gebiet unter die Lupe nehmen. Man kann versuchen herauszufinden, aus welchen Gründen die Organisation meint, zu den vergangenen Entscheidungen gekommen zu sein. Die dabei aufgedeckten Gründe gewähren eine Einsicht in die Zielstellungen der Organisation. Zielstellungen müssen im allgemeinen im Laufe der Untersuchungen immer wieder neu formuliert werden, aber ihre frühe vorläufige Formulierung ergibt ein wertvolles Kriterium, das man benutzen kann, um sachdienliche Informationen aus der großen Menge der Informationen auszuwählen, die in den meisten Organisationen existiert. 2.2.2.

Systemanalyse

Um zu bestimmen, (1) wer wirklich die Entscheidungen fällt, nicht wer dazu autorisiert ist oder wer die Verantwortung dafür trägt und (2) welches die kontrollierbaren und die unkontrollierbaren Variablen sind, muß man genaue Kenntnisse über das betreffende System und seine Umgebung haben. Die Erfahrung hat gezeigt, daß man solche Kenntnisse selten lediglich dadurch erwerben kann, daß man diejenigen fragt, die mit Tätigkeiten im System oder der Leitung des Systems beschäftigt sind. Das Untersuchungsteam muß vielfach vollkommen neu anfangen und eine vollständige und genaue Beschreibung der Tätigkeiten im System anfertigen. Eine solche Beschreibung braucht man für zwei Zwecke. Einmal, um das Problem genau zu formulieren und zweitens, um einen Plan für die Durchsetzung und Kontrolle einer Lösung zu entwerfen. Außerdem muß das Untersuchungsteam eine genaue Kenntnis über die Arbeitsweise des Systems auch deshalb haben, damit sie wirksam (weil gut unterrichtet) mit der Geschäftsleitung über die Probleme sprechen kann. Der wirksamste Weg, die tatsächliche Arbeitsweise des Systems zu ergründen, ist die Aufstellung einer Systemanalyse. Das ist ein Prozeß, der der Untersuchung analog ist, die der Arzt an seinem Patienten nach vorangegangenem Gespräch über die Symptome vornimmt. Natürlich hängen Schwerpunkte und Verfahrensweise einer solchen Analyse in starkem Maße davon ab, welche Informationen man aus den einführenden Diskussionen erhielt, in denen Symptome und Zielstellungen sondiert wurden. Eine Analyse des Systems kann in folgender Weise vorgenommen werden: 1. Bestimmung der Bedürfnisse und Wünsche außerhalb der Organisation, die man versuchen muß zu befriedigen. Für ein Unternehmen bedeutet das im allgemeinen die Absteckung des Kundenkreises und der Produkte oder Dienstleistungen, die dort benötigt werden, und die von dem Unternehmen bereitgestellt werden können. Für eine Regierungsbehörde kann es das Bedürfnis

2.2. Diagnose

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eines Teils der Bevölkerung (z. B. der Erwachsenen oder der Landwirte) nach einer Dienstleistung sein. F ü r eine militärische Einheit kann es das Bedürfnis einer anderen Einheit nach Instandhaltung ihrer Ausrüstung oder nach Versorgung sein. 2. Bestimmung, wie diese Bedürfnisse oder Wünsche in der Organisation bekannt gemacht werden. I n einem Unternehmen werden diese Bedürfnisse in F o r m eines Auftrages an den Verkauf bekannt gemacht. D a n n k a n n man, je nachdem, was m a n f ü r wichtig hält, bestimmen, wieviele Verkäufer und wieviele Rechnungen vorhanden sind, wie groß die Anzahl der Bestellungen in der Zeiteinheit ist, die Verteilung der Größe der Bestellungen, die Verteilung der Aufträge über das Produktionssortiment usw. Wie weit m a n hier u n d bei den nachfolgenden P u n k t e n ins Detail gehen muß, hängt davon ab, f ü r wie wichtig man die entsprechenden Einzelheiten bei der Formulierung des Problems hält. Da sich im Laufe der Untersuchungen auch die Konzeption der Aufgabe ändern kann, ist es möglich, d a ß m a n zu Informationen zurückkehrt, die m a n das erste Mal nicht f ü r wesentlich hielt. 3. Bestimmung, wie die notwendigen Informationen aufgezeichnet und anderen Teilen der Organisation übermittelt werden. Zum Beispiel werden von einem Auftrag im allgemeinen mehrere Kopien angefertigt. J e d e dieser Kopien sollte bis zu ihrem letzten Bestimmungsort verfolgt werden, der Vernichtung oder der Ablage. F ü r jeden P u n k t , durch den die I n f o r m a t i o n läuft, sollte m a n bestimmen, was dort geschieht. I m allgemeinen können dabei zwei Dinge geschehen. Erstens: Die Information k a n n in irgendeiner Weise transformiert werden. Sie k a n n codiert, zusammengefaßt, erweitert, kontrolliert werden usw. Das Ergebnis ist im allgemeinen die Ausfertigung eines neuen Formulars, was ebenfalls in mehreren Kopien geschieht. Diese Kopien sollten ebenfalls wieder bis zu ihren letzten Bestimmungsorten verfolgt werden usw. Zweitens: An einigen P u n k t e n des Systems k a n n die Information benutzt werden, u m eine Entscheidung zu fällen und Anordnungen zu erteilen. An solchen P u n k t e n sollten die Anordnungen bis zu ihrer Durchsetzung verfolgt werden. I n den meisten Systemen ist eine Form der Anordnungen die Bestellung oder der E m p f a n g von Einsatzgrößen im System (z. B. Rohmaterial oder Geld). Der Fluß der Einsatzgrößen sollte d a n n durch sämtliche Stationen verfolgt werden. Wie im Falle der Informationen sollte man f ü r jeden P u n k t den Anteil des Prozesses, die Kapazität an diesem P u n k t und andere wichtige Informationen feststellen. E s gibt Schlüsselpunkte, die man notieren sollte, an denen die Anordnungen, die sich aus den Informationsströmen ergeben, und der F l u ß der Einsatzgrößen aufeinandertreffen. Zuletzt wird das fertige P r o d u k t oder die Dienstleistung an den K u n d e n ausgeliefert. Die Information über das System, die man in den beschriebenen Schritten erhält, wird am besten in einer Reihe von Flußdiagrammen dargestellt, die reichlich mit Text versehen" und denen Kopien der Formulare beigegeben

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2. Problemformulierung

werden, die bei der Transformation der Information und bei Anordnungen benutzt werden. Nachdem diese Informationen gesammelt worden sind, kann man sie einer weiteren Analyse unterziehen. Als erstes können alle Transformationen von Informationen, aus denen sich keine Aktion ergibt, — die sogenannten „Informationskopien" —, aus dem Diagramm eliminiert werden. Operationen mit Einsatzgrößen, die sich zwischen Kontrollpunkten abspielen, können zu einer zusammengesetzten Operation vereinigt werden. Durch geometrische Veränderung des resultierenden Flußdiagramms kann man die Zahl der sich kreuzenden Linien verkleinern oder vollkommen vermeiden. J e kleiner die Anzahl der Kreuzungen ist, desto leichter ist das Wesen des Flusses zu verstehen. Solche Flußdiagramme sind leichter zu verstehen, wenn man verschiedene Symbole benutzt, z. B. für Punkte, an denen Informationen transformiert werden, für Entscheidungspunkte und für Formulare. Um die Flüsse der Informationen, Anordnungen und Einsatzgrößen, ja sogar die verschiedenen Belege oder Produkte zu unterscheiden, kann man Farben benutzen. Abb. 2.1

A b b . 2.1. Beispiel f ü r das A n f a n g s s t a d i u m einer Systemanalyse

2.2. Diagnose

zeigt ein typisches Anfangsstadium eines Informationsflusses, Abb. 2.2 das endgültige Diagramm eines Produktionsprozesses. Das endgültige Diagramm ist ein beschreibendes Modell über die Operationen der Organisation. Die Vorbereitung eines solchen Flußdiagramms enthüllt im allgemeinen viele Symptome, die man durch Gespräche nicht erfährt. Den-

Abb. 2.2. Plan der Steuerung und. des Materialflusses

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2. Problemformulierung

jenigen, die Entscheidungen zu fällen haben, hilft das Flußdiagramm bei der Erkennung der kontrollierbaren und der unkontrollierbaren, aber wichtigen Variablen. Es gibt an, welche Informationen für sie verfügbar sind, wenn sie die Entscheidungen treffen. " Bei der Systemanalyse eines Produktionsprozesses ergab sich, daß an vielen Stellen, die ursprünglich nicht in die Produktionsplanung einbezogen wurden, nun die maximalen Möglichkeiten genutzt werden mußten, weil sonst Mängel aufgetreten wären, die die Komplettierung der Fertigprodukte verzögert hätten. Die Analyse enthüllt auch die Gründe für diese Mängel: die Abteilungen Produktionskontrolle und Instandhaltung (Ersatzteile) zogen bei unabhängiger Kontrolle diese Teile vom Lager ab. Eine Organisationsänderung beseitigte den Grund für diese Knappheit und bereitete den Weg für ein Produktion und Lagerhaltung umfassendes Kontrollsystem. Auch in einem anderen Fall trat Knappheit von Teilen auf, die die Komplettierung der Fertigprodukte verzögerte. Es ergab sich, daß der größte Teil der Zeit zwischen Eingang der Bestellung und Auslieferung des Fertigprodukts im Verwaltungsapparat verbraucht wurde. Elf von dreißig normalerweise zur Verfügung stehenden Tagen wurden durch Verzögerungen bei einer Belegkontrolle verbraucht, die die Auftragskontrolle betraf. Durch die Systemanalyse zeigte sich, daß diese Operation überflüssig war. Es war dann möglich, den Zeitraum für die Produktion der Teile zu verlängern und dadurch Anzahl und Dauer der Verzögerungen beim Komplettierungsprozeß zu reduzieren. Dieses Beispiel zeigt, wie man durch eine Systemanalyse Handlungsalternativen enthüllen kann, die eine Aufgabe erleichtern oder sogar lösen. Das beschreibende Modell des Systems kann außerdem einen Hinweis auf Punkte geben, an denen eine Kontrolle stattfinden könnte und sollte, aber zur Zeit nicht stattfindet. So zeigte sich bei der Systemanalyse eines anderen Produktionsprozesses folgendes: Die Teile wurden in zwei Gruppen eingeteilt, solche, die im Betrieb selbst hergestellt werden, und solche, die von außerhalb gekauft werden. Diese Klassifizierung wurde auf Grund einer Studie vorgenommen, die vor einer Anzahl von Jahren angefertigt worden war. Seit dieser Zeit hatten sich sowohl das Produktionssortiment als auch die Kapazitäten bedeutend verändert. Es war möglich, einen Prozeß zu entwickeln, durch den diese Entscheidung im Lichte der veränderlichen Kapazitätsauslastung und Verkaufskosten dauernd überprüft wurde. Das ergab eine beträchtliche Kostensenkung. Kurz gesagt vermittelt eine Systemanalyse die allgemeinen Informationen, die man bei der Formulierung der Aufgabe und des zu ihrer Lösung erforderlichen Modells benötigt. Bei der Entwicklung des Modells stellen sich weitere Fragen über die Zielstellungen, die Handlungsalternativen und die unkontrollierbaren Variablen. So ergibt sich vielfach eine Wechselwirkung zwischen Systemanalyse und Modellaufbau, aus der ein besseres Verständnis des Systems und der zu lösenden Probleme entsteht, als man durch andere Mittel erreichen kann.

2.3. A u f g a b e n t y p e n

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Die S y s t e m a n a l y s e u n d das r e s u l t i e r e n d e F l u ß d i a g r a m m ergeben a u c h a n a n d e r e n Stellen wesentlichen N u t z e n . Sie bilden eine G r u n d l a g e f ü r die Schätz u n g v o n Zeit, K o s t e n u n d erforderlichem U n t e r s u c h u n g s a u f w a n d , der zur L ö s u n g einer schließlich f o r m u l i e r t e n A u f g a b e erforderlich ist, u n d zeigen die potentiellen Vorteile eines solchen Vorgehens. Schließlich ist d a s F l u ß d i a g r a m m i m m e r ein nützliches I n s t r u m e n t f ü r die Geschäftsleitung, d e n n es zeigt a n , wie die Organisation t a t s ä c h l i c h a r b e i t e t u n d n i c h t , wie sie a r b e i t e n sollte.

2.3.

Aufgabentypen

N a c h d e m die die E n t s c h e i d u n g fällenden P e r s o n e n , ihre Zielstellungen, ihre H a n d l u n g s a l t e r n a t i v e n u n d die u n k o n t r o l l i e r t e n Variablen e r k a n n t u n d definiert w o r d e n sind, m u ß m a n eine M a ß z a h l f ü r die L e i s t u n g finden, m i t der m a n bes t i m m e n k a n n , welche A l t e r n a t i v e die b e s t e ist u n d welche F u n k t i o n dieses Maßes (die „ Z i e l f u n k t i o n " ) als K r i t e r i u m f ü r die „ b e s t e " L ö s u n g b e n u t z t werden soll. Die Aufstellung eines K r i t e r i u m s f ü r die „ b e s t e " Lösung ist eine A u f g a b e , die d a s V e r s t ä n d n i s einer großen A n z a h l v o n I n f o r m a t i o n e n e r f o r d e r t u n d die u n t e r d e m N a m e n Entscheidungstheorie b e k a n n t geworden ist. D e r T y p eines E n t s c h e i d u n g s k r i t e r i u m s , der einem P r o b l e m a n g e m e s s e n ist, h ä n g t v o m S t a n d der K e n n t n i s s e ü b e r die Ergebnisse a b , die wir als v e r f ü g b a r a n n e h m e n . Drei T y p e n solcher A n n a h m e n — u n d d a h e r drei A u f g a b e n t y p e n — sind m ö g l i c h : 1. Sicherheit: S i t u a t i o n e n , in d e n e n die e n t s c h e i d u n g s f ä l l e n d e P e r s o n g l a u b t , d a ß f ü r jede H a n d l u n g s a l t e r n a t i v e n u r ein E r g e b n i s möglich ist. 2. Risiko: S i t u a t i o n e n , in d e n e n die entscheidungsfällende P e r s o n g l a u b t , d a ß f ü r jede H a n d l u n g s a l t e r n a t i v e verschiedene Ergebnisse möglich sind, d e r e n Wahrscheinlichkeiten b e k a n n t sind oder g e s c h ä t z t w e r d e n k ö n n e n . 3. Unsicherheit: S i t u a t i o n e n , in d e n e n die e n t s c h e i d u n g s f ä l l e n d e P e r s o n n i c h t weiß, welche E r g e b n i s s e sich f ü r die einzelnen H a n d l u n g s a l t e r n a t i v e n ergeben k ö n n e n oder ergeben w e r d e n . D a h e r k a n n m a n den möglichen E r g e b n i s s e n a u c h keine Wahrscheinlichkeiten z u o r d n e n . A u f g a b e n m i t Sicherheit oder Unsicherheit k ö n n e n als Grenzfälle (d. h. vollständige K e n n t n i s oder vollständige U n k e n n t n i s der Ergebnisse) der A u f g a b e m i t Risiko b e t r a c h t e t w e r d e n . Aus diesem G r u n d e w e r d e n wir zuerst die A u f g a b e m i t Risiko b e t r a c h t e n u n d die Diskussion der A u f g a b e n m i t Sicherheit u n d Unsicherheit anschließen. F ü r diese Diskussion ist es b e q u e m , die A u f g a b e n s i t u a t i o n d u r c h M a t r i z e n darzustellen, in d e n e n jede Spalte ein E r g e b n i s u n d jede Zeile eine mögliche H a n d l u n g s a l t e r n a t i v e b e d e u t e t (Tab. 2.1). E s ist m a n c h m a l b e q u e m , die H a n d l u n g s a l t e r n a t i v e n u n d die Ergebnisse so zu f o r m u l i e r e n , d a ß sie sich gegenseitig ausschließende u n d e r s c h ö p f e n d e Mengen bilden (d. h., es k a n n n u r ein E l e m e n t a u s g e w ä h l t werden oder e i n t r e t e n , u n d es m u ß ein E l e m e n t ausgew ä h l t werden oder eintreten). Das k a n n i m m e r so g e m a c h t w e r d e n , d a ß m a n einen B o o l e s c h e n A u s d r u c k " f ü r j e d e Menge von E l e m e n t e n ( H a n d l u n g s a l t e r n a t i v e n

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2. Problemformulierung Tabelle

2.1.

Problemdarstellung

Ergebnisse

0,

O,

O,

o„

Ol