Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Europa: Von der Kaufmannssiedlung zur Stadt 9783050059525, 9783050059518

The development of European urban life is one of the major themes of history. Historian Karlheinz Blaschke and cartograp

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Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Europa: Von der Kaufmannssiedlung zur Stadt
 9783050059525, 9783050059518

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Karlheinz Blaschke, Uwe Ulrich Jäschke Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Europa

Karlheinz Blaschke, Uwe Ulrich Jäschke

Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Europa Von der Kaufmannssiedlung zur Stadt

Akademie Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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978-3-05-005951-8 978-3-05-005952-5

Inhalt

Praeludium Vorwort I.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

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Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Nikolausbewegung des 11./12. Jahrhunderts in Europa . . . . . 2. Nikolaus – ein mächtiges Patrozinium . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenwärtiger Forschungsstand zur Stadtentstehung . . . . . . . . 4. Die Entdeckung der Topographie für die Stadtgeschichtsforschung . 5. Die Kaufmannssiedlung als Typus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Quellenlage der Stadtgeschichtsforschung . . . . . . . . . . . . . . 7. Kritik aus Fachkreisen über die vorgelegten Erkenntnisse zur Stadtentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Der Beitrag der Siedlungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Kirche und Geldwirtschaft bei der Stadtentstehung . . . . . . . . . 11. Zwangsläufiger Ausklang des Nikolaus-Patroziniums. Die Bedeutung der Nikolaikirchen seit dem späten Mittelalter . . . . . . . . . . . . 12. Exkurs: Die Nikolaus-Verehrung beim deutschen Adel . . . . . . .

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5 5 12 15 23 34 43

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51 76 80

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84 88

II. Analytische Ortsbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ortsartikel (Vorwiegend Orte in Mitteleuropa mit Ausblicken auf Skandinavien, Osteuropa, die Niederlande, Frankreich und England)

90 90

III. Nikolaikirchen im europäischen Straßennetz des 12. Jahrhunderts (Geographische Verbreitung der dargebotenen Nikolaikirchen mit beispielhaften Straßenzügen; bearbeitet von Karlheinz Blaschke und Uwe Jäschke)

. . . . . . .

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96

. 225

VI

Inhalt

IV. Anhang Henri Pirenne: Städte und Stadtverfassungen (Deutsche Übersetzung des Aufsatzes LES VILLES ET LES INSTITUTIONS URBAINS aus den Jahren 1893–1895) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Einleitung (Karlheinz Blaschke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Übersetzung: Der Ursprung der Städtebildung im Mittelalter . . . . . . 231 V.

Verzeichnis der Quellen (Bearbeitet von Manfred Kobuch) . . . . . . . . . . 277

VI.

Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

VII. Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 VIII. Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

Praeludium

Die Nikolaikirche zu Colditz in ihrer ursprünglichen Gestalt

Die ehemalige Pfarrkirche der Kaufmannssiedlung in Colditz (Sachsen) stammt aus dem 12. Jahrhundert. In Folge der günstigen archäologischen und archivalischen Überlieferung gab sie seit der siebenhundertjährigen Ersterwähnung der Stadt im Jahre 1965 den Anlass zur weiteren Erforschung der Kirchen mit dem Nikolaus-Patrozinium in Europa. Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Aufbruch des 11. Jahrhunderts und der Überführung der Gebeine des Heiligen nach Bari im Jahre 1087 lässt sich eine breite Welle der Nikolaus-Verehrung feststellen. Sie hat sich im Bau von Tausenden von Nikolaikirchen ausgedrückt. In volkskirchlicher Sicht leitete sie das hohe Mittelalter ein.

Vorwort

Die Entstehung des europäischen Städtewesens ist unter Einschluss der Geographie, der Soziologie und der Wirtschaftsgeschichte eines der großen Themen der Geschichtswissenschaft. In den folgenden Darlegungen geht es um Fragen, die sich über die Anfänge des Städtewesens stellen. Von der europäischen Stadt sind im Laufe des zweiten nachchristlichen Jahrtausends religiöse, geistige, gesellschaftliche und technische Entwicklungen ausgegangen, die tiefgreifende Veränderungen auf der ganzen Welt verursacht haben. Die Wissenschaft, das politische Gefüge und die Gesamtheit der Lebensverhältnisse sind von Anstößen gestaltet worden, die von der europäischen Stadt ausgingen. Die hier entstandene Kultur hat ihre Segnungen, aber auch ihr Unheil über die Welt ausgebreitet, wie es heute im Zeitalter der Globalisierung deutlich wird. Die Geschichtswissenschaft muss den tieferen Ursachen dieser Dinge auf den Grund gehen. Eine Arbeit über die Entstehung des Städtewesens bietet hierzu reichlich Gelegenheit.1 Im Anschluss an Henri Pirenne wird die Entstehung der europäischen Stadt aus dem Fernhändlertum der Umbruchzeit im späten 11. Jahrhundert zum Anlass genommen, die damals entstandenen Kaufmannssiedlungen als eigenständigen Siedlungs- und Verfassungstyp und als Frühform der europäischen Stadt im Zusammenhang mit der Kanonisierung des hl. Nikolaus von Myra, des Schutzpatrons der Kaufleute, im Jahre 1087 zu würdigen. Dabei wird zwischen dem Aufbruch im westlichen Europa und dem Nikolauskult eine Wirkungseinheit festgestellt. Als Ausdruck dieser weit über Europa verbreiteten Erscheinung werden die Nikolaikirchen quellenmäßig als bleibende Zeugnisse der Stadtentstehung in ihrer geographischen und topographischen Lage beschrieben, wobei die Erkenntnisse von Paul Johansen beachtet werden. 20 Fallbeispiele von Kaufmannssiedlungen mit Nikolaikirchen, die zwar noch keine Städte darstellten, sich aber in der Regel zu echten Städten im Rechtssinne entwickelten, werden unter Einbeziehung topographischer Gesichtspunkte aus verschiedenen Gebieten Europas vorgestellt. Als neuer Begriff wird die geographische Bezeichnung „Nikolai-Europa“ verwendet, das aus Mittel-, Ost-, Nord- und Westeuropa mit benachbarten Teilen besteht. Mit der Weiterentwicklung der Kaufmannssiedlung zur Stadt erledigte sich nach der Mitte des 12. Jahr-

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Hagen Keller, Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont. Propyläen Geschichte Deutschlands, Zweiter Bd., Berlin (1986).

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Vorwort

hunderts die geschichtliche Bedeutung der Nikolausbewegung von selbst. Ihr baulicher Nachlass in Gestalt von Tausenden von Nikolaikirchen blieb bestehen. Es entstand eine städtische Kultur, mit der die Christianisierung verbunden war. Sie hatte eine gegliederte Kirchenorganisation zur Folge. In den dargebotenen Betrachtungen werden die Ergebnisse der Siedlungsgeschichte der Leipziger Schule von Rudolf Kötzschke für die aufgeworfenen Probleme bedacht und das Aufblühen der Geldwirtschaft, wie auch der Übergang vom Tauschhandel zum Warenhandel in diesem Zusammenhang erörtert. Für die vorliegende Arbeit ergibt sich dadurch eine besondere Eigenart, dass sich in ihr zwei Fachgebiete eng berühren und sogar durchdringen. Es geht einerseits um die Landes- und Ortsgeschichte über weite Räume, zum anderen um die Verbindung mit der Kartographie, ohne die der ganze Gegenstand nicht zu verstehen und nicht zu bewältigen gewesen wäre. Auf der einen Seite mussten 500 Standorte von Nikolaikirchen in weiten Teilen Europas erkundet und in ihrer Erscheinung beschrieben werden, während es andererseits auf die allgemeine geographische Einordnung und die ins Einzelne gehende topographische Darstellung ankam. Das machte die Zusammenarbeit des Historikers mit dem Kartographen notwendig, die erst die Verbindung zwischen dem Text und der Karte als dem unentbehrlichen zweidimensionalen Medium ergibt. Landkarten, Kartenskizzen und Stadtpläne sind allein in der Lage, die Wirklichkeit der Verhältnisse und der Veränderungen auf der Erde wiederzugeben. Deswegen ist schon bei der Aufbereitung des Inhalts und seiner gedanklichen Ausformung der ständige Zugriff zur Karte als Arbeitshilfsmittel unentbehrlich. Bei der endgültigen Darstellung war sie unverzichtbar. Daraus ergab sich die Zusammenarbeit des Historikers mit dem Kartographen. Karlheinz Blaschke

Uwe Ulrich Jäschke

I. Grundlagen

1. Die Nikolausbewegung des 11./12. Jahrhunderts in Europa Im unaufhaltsamen Ablauf der Geschichte wechseln Stillstand und Fortschritt einander ab. Dazwischen sorgen Revolutionen für gewaltsame Veränderungen, während Bewegungen in milder Form Neuartiges hervorzubringen suchen. In der Geschichte machen sie sich bemerkbar, wenn neue Kräfte und neue Gedanken auftreten und vorwärts streben. Dabei geht es um den Aufbau neuer Verhältnisse, neuer Ordnungen und neuer Strukturen. Das Vordringen der Geldwirtschaft mit dem Kapitalismus und das Aufkommen der Arbeiterbewegung seit dem 19. Jahrhundert waren gesamtgesellschaftliche Bewegungen, die das Gefüge der Welt von Grund aus veränderten. Neben diesen tiefgreifenden Bewegungen der neuesten Zeit lassen sich seit dem Mittelalter Veränderungen im gesellschaftlichen Gefüge feststellen, die sich in spürbaren Neuerungen ausgewirkt haben. Das betrifft etwa die Armutsbewegung des hohen Mittelalters, die in der christlichen Kirche mit ihrer die ganze Denkweise der Menschen beherrschenden Macht neue Formen der kirchlichen Organisation hervorbrachte und Tausende von Männern und Frauen in den Dienst der Bettelorden führte. Dort stellten sie allein mit ihrer hohen Zahl eine gesellschaftliche Macht dar. Die städtische Bewegung des 12. Jahrhunderts ließ Hunderte von Städten in Gebieten Mitteleuropas aus dem Boden wachsen, in denen es zuvor keine Städte gegeben hatte. Nach Henri Pirenne gab es im landwirtschaftlichen Zeitalter des Mittelalters keine Städte (Anm. 21). Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Entstehung der Städte auf einer hohen Zunahme der europäischen Bevölkerung beruhte, die als ein kraftvoller Antrieb angesehen werden muss. Darüber besteht in der Mittelalterforschung eine einhellige Meinung. Die deutsche Ostkolonisation von 1100 bis in das 13. Jahrhundert hinein war ein Ergebnis dieser Bewegung. Da die Quellen zur Bevölkerungsgeschichte Europas für überzeugende Auskünfte über die Einwohnerzahlen nicht ausreichen, muss sich die Darstellung dieses wichtigen Zweiges der Geschichtsforschung mit punktartigen Auskünften begnügen.1 Sie beschränken sich auf einzelne Städte und Landschaften, für die in Folge

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Karlheinz Blaschke, Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution. Habilitationsschrift Leipzig (1962).

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I. Grundlagen

günstiger Quellenverhältnisse befriedigende Aussagen möglich sind. Sie reichen für die Feststellung aus, die einen so stark in der hochmittelalterlichen Geschichte beschlagenen Historiker wie Karl Bosl zu der geprägten Aussage über „den europäischen Aufbruch im 11./12. Jahrhundert“ veranlasst haben.2 Damit ist das maßgebliche Stichwort für den vorliegenden Beitrag gegeben. Der Begriff des Aufbruchs sagt mehr als eine bloße Bewegung, die sich noch im Stillen ereignen kann. Die seit dem 12. Jahrhundert in Mitteleuropa zu verzeichnenden Vorgänge passen besser zur Anwendung von Gewalt mit körperlicher Kraft, wie sie mit der Rodung von weiten Waldflächen und der Trockenlegung von Sümpfen verbunden waren. Wer nicht selbst einmal einen fünfzig Jahre alten Wurzelstock gerodet hat, weiß nicht, was Aufbruch in der vervielfachten Form von Kolonisation bedeutet! Dazu kamen Menschenmassen in Bewegung, die an Völkerwanderungen denken lassen, wenn man etwa die Züge der sog. Siebenbürger Sachsen aus dem Rheinland nach Ungarn im 12. Jahrhundert bedenkt. Die Christianisierung Mitteleuropas war ein elementarer Vorgang, der sich im Wesentlichen im 11./12. Jahrhundert vollzogen hat. Er stand mit der Besiedlung des Landes in engstem Zusammenhang. Erst mit der flächendeckenden Anlage neuer Dörfer konnte sich eine geschlossene christliche Bevölkerung über das Land ausbreiten und eine gegliederte Kirchenorganisation entstehen. Sie führte zu einer kirchlichen Raumordnung mit Diözesen, Archidiakonaten und Erzpriestersitzen (sedes), in denen die Ortspfarreien zusammengefasst waren. Erst mit dieser lückenlosen Erfassung der Bevölkerung durch ein geschlossenes System von Ortskirchen wurden alle Landesbewohner, dem biblischen Taufbefehl entsprechend, in eine kirchliche Verwaltung einbezogen, wie sie „modernen“ Grundsätzen entspricht. Für die sächsische Landesgeschichte sind die Ereignisse im engeren Lande von Bedeutung. Sie betreffen die Verdichtung des kirchlichen Lebens, wie sie sich in der Gründung neuer Ortskirchen ausdrückte. Die frühen Anfänge des Kirchenwesens gingen von Missionskirchen und von Burgkirchen aus, die als einsame Punkte im weiten Lande verstreut waren und im Ortsnamen „Taufkirchen“ heute noch erscheinen. Eine geschlossene Decke kirchlicher Versorgung war damit nicht entstanden. Dazu kam es erst in Folge der Verdichtung, die das gesellschaftliche Leben und damit auch das kirchliche Wesen erfuhr. So konnte im Zusammenhang mit der lückenlosen Besiedlung des Landes im 12./13. Jahrhundert eine Kirchenverwaltung als einheitliches System entstehen.3 Dieser Vorgang ist untrennbar mit der Gestalt des heiligen Nikolaus von Myra verbunden, unter dessen Namen im 11./12. Jahrhundert Aberhunderte von Kirchen in Eu-

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Karl Bosl, Regularkanoniker (Augustinerchorherren) und Seelsorge in Kirche und Gesellschaft des europäischen 12. Jahrhunderts. Bayerische Akademie der Wissenschaften, Abhandlungen Phil.-Hist. Klasse N.F. Heft 86, München (1979). Karlheinz Blaschke, Walther Haupt, Heinz Wießner, Die Kirchenorganisation in den Bistümern Meißen, Merseburg und Naumburg um 1500. Weimar (1969).

1. Die Nikolausbewegung des 11./12. Jahrhunderts in Europa

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ropa erbaut und das Volkskirchenwesen neu aufgebaut wurde.4 In „Nikolai-Europa“, d.h. in Mittel-, Ost-, Nord- und Teilen Westeuropas (Anm. 14), ist damals unter dem Titel des hl. Nikolaus die Volkskirche als eine flächendeckende Ordnung des sakralen Lebens mit ihren gegliederten Verwaltungsebenen entstanden, obwohl es eine lebendige Gestalt dieses Heiligen zumindest damals nicht mehr gab. So erscheint der Name fast als ein Phantom, von dem jedoch eine außergewöhnliche Kraft und Ausstrahlung im geistlichen Sinne ausgegangen ist. Es hat niemals eine unter dem hl. Nikolaus bestehende Kongregation wie etwa die Franziskaner oder die Dominikaner gegeben. Ein Nikolaitaner-Orden ist nie aufgetreten und von einem weiblichen Zweig ist ebenso wenig die Rede wie von Ordensoberen. Es gibt keine Ordensverfassung und keine abgestufte Gliederung eines Nikolaus-Ordens, der nirgends greifbar wird, der aber doch in Gestalt von ungezählten Nikolaikirchen in weiten Teilen Europas im Sinne eines Gefühls der Gemeinsamkeit nachzuweisen ist. Über diese merkwürdige Tatsache der Kirchengeschichte des späten Mittelalters ist offenbar niemals nachgedacht worden. Gegenüber der reich ausgestalteten Verfassung der römischen Kirche ist die Rolle des hl. Nikolaus bisher nicht beachtet und gewürdigt worden. Seit der Kanonisierung des Heiligen im Jahre 1087 wird er zwar im Volksleben und vor allem immer noch von den Kindern verehrt und geliebt, aber eine kirchenamtliche Wahrnehmung ist nicht erfolgt. Mit Rücksicht auf die überaus starke Wirkungsgeschichte des hl. Nikolaus in der europäischen Kirche und im Leben der Menschen ist es angemessen, von einer Nikolausbewegung im hohen Mittelalter zu sprechen. Unter dieser Bezeichnung lässt sich alles zusammenfassen, was an Neuerungen und Veränderungen in der römischen Kirche damals aufkam. Es ist gut, wenn eine wichtige Neuerung in der Kirche nicht mit einem abstrakten, vielleicht sogar mit einem fremdsprachlichen Wort gekennzeichnet wird, sondern mit dem Namen einer Person, hinter der in der allgemeinen Vorstellung ein lebendiger Mensch steht. So sollte der hier angebotene Begriff der Nikolausbewegung als eine Hilfe zum Begreifen eines geschichtlichen Vorganges verstanden werden. Ebenso wie die hl. Maria im Mittelalter eine für jeden Menschen vorstellbare Person war, wie sie es in der römisch-katholischen Kirche heute noch immer ist, so stand vor tausend Jahren der hl. Nikolaus den Gläubigen als unangefochtener Vermittler des Heils vor Augen. Der tausendfache Neubau von Nikolaikirchen ist die bleibende Hinterlassenschaft dieser Bewegung, für die der hl. Nikolaus mit gutem Grund in Anspruch genommen werden kann. Da bei jeder Nikolaikirche in der Regel eine neue Stadt entstand, liegen hier auch die Anfänge des europäischen Städtewesens. Der Bau von Gemeindekirchen und der damit verbundene Aufbau einer volkskirchlichen Struktur hat als Zeugnisse dieser Vorgänge seine Spuren bis zum heutigen Tage hinterlassen. Überall im Lande stehen die beeindruckenden Nikolaikirchen, man mag an Berlin, Leipzig oder Rostock denken. Der hl. Nikolaus ist in unserem Lande anwesend

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LexThK, 2. Aufl., 7. Bd. (1962), Sp. 994.

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I. Grundlagen

wie kein zweiter. Er hat mit der Wirkung seines Namens den Ländern Europas ein Gesicht gegeben, das sich in den steinernen Kirchenbauten der Städte widerspiegelt. In welchem Maße in den Dorfkirchen, die im Zuge der ostdeutschen Kolonisation erbaut wurden, der hl. Nikolaus als Namenspatron zum Tragen kam, lässt sich nicht mehr feststellen. Es kann angenommen werden, dass die meisten von ihnen ebenso wie die 500 nachfolgend behandelten Stadtkirchen dem Lieblingsheiligen jener Zeit gewidmet waren. Bevor das Universalpatrozinium der hl. Maria zum Zuge kam, stand der hl. Nikolaus an vorderster Stelle.5 Über den mitteldeutschen Raum hinaus weisen Beobachtungen aus Frankreich. Der auch für die Siedlungsgeschichte Ostdeutschlands tätig gewesene Charles Higounet in Bordeaux hat für die Zeit vor 1197 im Becken der Garonne 23 Nikolaikirchen festgestellt, die im Zusammenhang mit einer Neubesiedlung dieses Raumes erbaut worden sein müssen.6 Das Symposium International in Saint-Nicolas-de-Port von 1985 verzeichnet 71 Hauptorte des Nikolaus-Kultes und 122 Pfarrkirchen mit der Widmung an Nikolaus in den Diözesen der Champagne.7 Eine Liste der Nikolaus-Patrozinien in England enthält 426 Ortsnamen.8 Einer persönlichen Mitteilung von Dr. Joop L. A. Weijts (Antwerpen) zufolge standen in Belgien im Mittelalter 58 Nikolaikirchen. Er erarbeitete außerdem eine aus dem St. Nicolascenter stammende Liste mit folgenden Angaben über Nikolaikirchen in Europa (Tabelle).9 Tabelle Nikolaikirchen in Europa (Anzahl) England Irland Schottland Wales Belgien Niederlande Luxemburg

567 52 23 23 132 129 19

Deutschland Österreich Frankreich Italien Skandinavien Spanien Schweiz

348 78 612 264 63 58 41

Die bloße Nennung absoluter Zahlen vermittelt noch keinen Eindruck von der Bedeutung der Nikolaikirchen im größeren Zusammenhang. Dazu müssen weitere Angaben für andere Patrozinien herangezogen werden. So bietet sich eine Aufstellung über die

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Vergl. hierzu: Erich Hoffmann, Versuche zur Erklärung der Entstehung der Nikolaigemeinden. In: Beiträge zur Geschichte der Stadt Schleswig und des westlichen Ostseeraums im 12. und 13. Jahrhundert. Zs. der Ges. für Schleswig-Holsteinische Geschichte, 105 (1980), S. 27–76. Charles Higounet, Saint-Nicolas et la Garonne. Annales du Midi, Tome 88, Nr. 129, S. 375–382. Saint Nicolas, Symposium International, Saint-Nicolas-de-Port, Juin (1985). F. Arnold-Forster, Vol. III, S. 429–432. Internetadresse: „St Nicolascenter.org“, persönliche Mitteilung von J. L. A. Weijts, Antwerpen (2012).

1. Die Nikolausbewegung des 11./12. Jahrhunderts in Europa

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mittelalterlichen Kirchen in Thüringen an, um das Verhältnis der Nikolaikirchen zu anderen Kirchen mit stark verbreiteten Patrozinien anzuzeigen. Im Archidiakonat Beatae Mariae Virginis gab es 545 Kirchen, von denen 55 der hl. Maria, 49 dem hl. Nikolaus, 30 dem hl. Martin, 28 dem hl. Petrus, 22 dem hl. Georg und 19 dem hl. Michael gewidmet waren. Das Übergewicht der hl. Maria stammt aus einer Zeit, in der die Nikolausbewegung wieder im Abklingen begriffen war.10 Die vorliegende Arbeit erstreckt sich über ein geographisches Feld, das in der Fußnote 14 als „Nikolai-Europa“ gekennzeichnet wurde. Dieser eingeschränkte Raum erfordert eine Ausdehnung durch weitere Arbeitsgänge, die sich auf West- und Südwesteuropa beziehen müssen. Es fällt nicht schwer, Nikolaikirchen in vierstelliger Anzahl festzustellen, die in den Jahren um die Konsekration des Heiligen in Europa erbaut worden sind. Hinter jeder Nikolaikirche stand eine Gemeinde, in den meisten Fällen eine Stadt, zu der ein dörfliches Umfeld wahrscheinlich mit weiteren Kirchen dieser Widmung gehörte. Die Zeit vor dem Nikolauskult musste weitgehend ohne schriftliche Verwaltung auskommen. Herrschaft wurde persönlich ausgeübt und schlug sich nur selten in schriftlichen Urkunden nieder. Die Wirkung herrschaftlicher und kirchlicher Handlungen wird zumeist nur in ihren bleibenden Leistungen deutlich, so dass die Erforschung jener Zeit vorwiegend auf die Deutung der übrig gebliebenen Befunde angewiesen ist. Hier tritt die Mittelaltergeschichte in die Nähe der Archäologie. Einen ebenso wichtigen Zugang zu Erkenntnissen bietet der Rückschluss aus späteren Verhältnissen, die aber ihren Ursprung in früher Zeit hatten. Dabei bietet sich das Feld der Patrozinien für die Untersuchung an, denn damit wurden weit zurückreichende Sachverhalte in die Zukunft hinein bewahrt. In gleicher Weise liefern Dienst- und Abgabeverhältnisse wertvolle Aufschlüsse über ältere Einrichtungen. Unbedingt beweisbare Tatsachen werden damit nicht gewonnen, aber es ergeben sich weiterführende Indizien, die in das Dunkel des Mittelalters mehr Licht bringen, als es mit Hilfe der schriftlichen Überlieferung möglich ist. An einzelnen Ereignissen lässt sich diese Situation deutlich machen. Das Elsass gehört fest zum deutschen Geschichtsraum, wo im Mittelalter eine geschlossene deutsche Besiedlung bestand und die herrschaftliche Ordnung eng dem Reiche verbunden war. Hier errichteten die Staufer im frühen 11. Jahrhundert die Burg Hagenau mit einer Georgskirche, während um 1100 in unmittelbarer Nähe am Landweg, also einer Fernverkehrsverbindung, Fernhändler eine Nikolaikirche erbauten. Die herrschaftliche Georgskirche mit ihrem kennzeichnenden Patrozinium gehörte noch der älteren Richtung an, während die Nikolaikirche die volkskirchliche Entwicklung verkörperte. Beide Kirchen gingen in der späteren Stadt auf. Im westsächsischen Vorlande des Erzgebirges erhob sich die um 1170 genannte Burg Glauchau der Herren von Schönburg mit einer Georgs-

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Herbert Koch, Die Entstehung der Stadt Jena. Wiss. Zs. der Universität Jena, Jg. 3 (1953/54), Heft 1.

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I. Grundlagen

kirche, an deren Füßen sich eine nach dem Jahre 1087 anzusetzende Fernhändlersiedlung mit einer Nikolaikirche niederließ. Die Gleichheit der Entwicklung an diesen Standorten fällt trotz der dazwischen liegenden Entfernung von 400 km auf. Zwischen beiden liegt in der Oberpfalz die Stadt Nabburg mit einer dem hl. Georg gewidmeten Stadtkirche. In ihrer Vorstadt erbauten Fernhändler eine Kaufmannssiedlung mit einer Nikolaikirche. So standen an vielen Stellen einzelne Zeugnisse kirchlicher Aufbauleistungen in Gestalt von Missions- und Herrschaftskirchen mit einer punktartigen Bedeutung neben den Nikolaikirchen, die in Städten und Dörfern für die Verdichtung des kirchlichen Lebens in die Fläche hinaus und dabei wohl vor allem für regelmäßige Formen des Gottesdienstes sorgten. Über die Zuweisung von Patrozinien an die während der Ostkolonisation erbauten Dorf- und Stadtkirchen liegen keine Nachrichten vor. Bei einer Gesamtschau auf die Siedlungs- und Kirchengeschichte jener Ereignisse ergibt sich jedoch die begründete Vermutung, dass der hl. Nikolaus hierbei eine vorrangige Rolle gespielt hat. Karl Bosl hat in seiner bereits genannten großen Akademieschrift den Finger auf die Herausbildung neuer Formen der Frömmigkeit im 12. Jahrhundert gelegt und damit auf die qualitative Seite jener tiefgreifenden Neugestaltung hingewiesen. Die vorliegende Arbeit beleuchtet darüber hinausgehend wohl zum ersten Male die quantitative Seite. Entsprechende Zahlen über die Bevölkerungsdichte in dieser Zeit konnten bisher nicht nachgewiesen werden. Die stärkere Ausrichtung der Geschichtswissenschaft auf das Wirtschaftsleben und damit auch auf die Mengen und die Beachtung der historischen Statistik bringen diesen unverzichtbaren Sachverhalt geschichtlicher Betrachtung zum Tragen. Bei einer eingehenden Beschäftigung mit dem Bau von Nikolaikirchen um das Jahr 1100 stellt sich die Frage, ob nicht erst damals in Mitteleuropa ein flächendeckendes System der Volkskirche aufgebaut worden ist. Seit wann gibt es die gewohnte, regelmäßige Ordnung des Gottesdienstes in den Gemeindekirchen, wie sie sich seit der Reformation in beiden Konfessionen eingespielt hat? Darf man die fest gewordenen Gewohnheiten der wohl administrierten Kirche der Neuzeit in das Mittelalter zurückverlegen? Siedlung, Kirchenbau und Urbanisierung müssen in einem zeitlichen Zusammenhang gesehen werden, der seit der fester gewordenen Wohnkultur im hohen Mittelalter zu beobachten ist. Die Geschichte des Kirchenbaues darf nicht bei Klosterkirchen, Domen, Burgkirchen und Wegkapellen stehen bleiben, sie muss auch auf das breite Volksleben in Stadt und Land ausgedehnt werden. Die Arbeiten von Paul Johansen über die Kaufmannskirche im Ostseegebiet haben gezeigt, in welcher Weise die Kirche auch als Bauwerk mit dem Leben und der Arbeit der Menschen verbunden war (Anm. 25). Die Christianisierung Europas war ein grundlegender, elementarer Vorgang, der sich in mehreren Wellen ereignet hat. Er erstreckte sich von der Einbeziehung der Germania Romana westlich des Rheins und südlich der Donau über die frühen Bistumsgründungen bis zum Jahre 700, denen bis 850 der Ausgriff bis zur Elbe-Saale-Linie folgte, die schließlich bis zum Ende des 1. Jahrtausends mit den Bistümern Breslau, Prag und Olmütz überschritten wurde. Die Taufe des polnischen Herzogs Mieszko im Jahre 966 und die Gründung des Erzbistums Gnesen im Jahre 1000 kennzeichneten die weitere Aus-

1. Die Nikolausbewegung des 11./12. Jahrhunderts in Europa

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dehnung nach Osten, die auch deutsches Gebiet einschloss. Der Versuch Kaiser Ottos I. von 959, von Magdeburg aus auch in Russland die Kirche aufzubauen, war misslungen. So kann die Nikolausbewegung des 11./12. Jahrhunderts als die große erfolgreich gewordene Bemühung angesehen werden, in Mitteleuropa und angrenzenden Gebieten ein einheitliches Kirchenwesen errichtet und dabei das Volksleben mit geistlichem Verhalten durchdrungen zu haben. Sie ging Hand in Hand mit der Entwicklung des Städtewesens, das sich aus dem agrarischen Zustand der „heidnischen“ Zeit auf eine höhere Ebene der Kultur erhob. Die in der vorliegenden Arbeit dargebotene Karte mit 500 städtischen Nikolaikirchen zwischen der Bretagne und der Ukraine und bis zu einer nördlichen Linie von Bergen über Stockholm nach Riga zeigt die Erstreckung von Nikolai-Europa im 12. Jahrhundert (Anm. 14). Die oben genannten Stufen in der zeitlich unterschiedlichen Christianisierung spielen hier keine Rolle mehr, der Heilige aus Myra hat Völker, Sprachen und Herrschaftsgebiete zusammengebunden. Das darf als die bleibende Hinterlassenschaft der Nikolausbewegung bezeichnet werden, die sich tief in das europäische Bewusstsein eingeprägt hat. Die mitten durch Europa gehende Trennungslinie zwischen der Germania Romana und dem freien Germanien mit den slawischen Ländern der Frühzeit wurde gegenstandslos. Es würde sich anbieten, den hl. Nikolaus mit seiner geschichtlichen Wirkung zum Schutzpatron Europas zu erheben. – Über die naheliegende Frage nach dem Ende der Nikolausbewegung gibt der 11. Abschnitt (S. 84) Auskunft. Dort geht es allerdings nur um das Ende der Bewidmung von Nikolaikirchen, ohne das kräftige Weiterwirken der Nikolausbräuche in Frage zu stellen. Karl Meisen, der Verfasser der besten Darstellung der Wirkungsgeschichte des hl. Nikolaus mit einem außerordentlich reichen Inhalt und einer tiefgründigen Beweisführung, nennt den Heiligen „den gern gewählten Schutzherrn bürgerlich-genossenschaftlicher Vereinigungen“.11 Er stellt seit dem 13. Jahrhundert einen Aufschwung paralleler geistlicher und weltlicher Entwicklungen unter kirchlichem Schutz fest, die als „um sich greifende Bewegungen“ die Ursache für das Schutz- und Treueverhältnis zwischen dem beliebten Volksheiligen und den Bruderschaften waren.12 Für das 14. Jahrhundert führt er die Nikolausbruderschaften mit ihrer Verbreitung zwischen Frankreich und Riga an.13 Es habe keinen beliebteren und vielseitigeren Heiligen des Abendlandes gegeben, „vielleicht mit Ausnahme der Gottesmutter Maria“. Damit wird zwischen der geistlichen und weltlichen Wirksamkeit des Mannes aus Myra eine Brücke geschlagen, die auf das Rätsel nach seiner die Länder übergreifenden Bedeutung eine Antwort gibt und den Begriff der Nikolausbewegung rechtfertigt. Gerade darauf muss es einer von der Wirtschafts- und Sozialgeschichte geschehenden Betrachtung ankommen, um die unlösbare Verflechtung zwischen Religion und Lebenswirklichkeit, zwischen dem Jenseitigen und der täglichen Arbeit zu erfassen.

11 12 13

Karl Meisen, Nikolauskult und Nikolausbrauch im Abendland. Düsseldorf (1931). Ebenda S. 366. Ebenda S. 385.

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I. Grundlagen

Die weithin erschöpfende Darstellung von Karl Meisen gibt über die Wirksamkeit des hl. Nikolaus nicht nur auf dem Gebiet der Frömmigkeit und der religiösen Volkskunde Auskunft, sie erstreckt sich daneben auch auf das weltliche Leben und Treiben einer Zeit des Aufbruchs und des Umbruchs. Sie zeigt, dass sich die Nikolausbewegung nicht mit der Bewidmung von Pfarrkirchen erschöpft hat, denn sie ging mit unverminderter Kraft in den folgenden Jahren weiter, in denen beim Neubau von Kirchen das Marien-Patrozinium allein herrschte. Die nunmehr auf stadträtlichen Grundlagen verfassten Städte des späteren 12. und der folgenden Jahrhunderte unterstellten sich dem Patrozinium der hl. Maria, aber im Volksleben blieb der hl. Nikolaus unangefochten. Wer die Wirkungsgeschichte des Heiligen aus Myra umfassend kennen lernen will, kommt an dem Buch von Karl Meisen nicht vorbei. Es ist sein Verdienst, diesen Sachverhalt deutlich gemacht zu haben. Um die Volksgeschichte unter den Bedingungen jener frühen Agrargesellschaft im Hochmittelalter zu verstehen, muss man sich im Berührungsraum zwischen den Niederungen des Alltagslebens und den geistlich geprägten Formen der gesellschaftlichen Ordnungen auskennen. In den Arbeiten von Paul Johansen über die Kaufmannskirche im Ostseegebiet sind diese Zusammenhänge für den skandinavisch-baltischen Raum dargelegt worden (Anm. 25). Sie lassen sich auch auf die Verhältnisse im binnenländischen Europa anwenden, wie die ausführliche Beschäftigung mit dem Fall Colditz gezeigt hat (siehe dazu vorliegende Ausführungen S. 18 ff). Man sollte von der Frage ausgehen, ob sich nicht in der Zeit der Nikolausbewegung in weiten Teilen Europas eine Agrarverfassung ausgebildet hat, in der abseits von herrschaftlichen Bindungen eine genossenschaftliche Ordnung geherrscht hat, die zum archaischen Grundbestand gehörte. Die Einrichtung der Grundherrschaft wäre dann auf die nächste Stufe der Entwicklung zu stellen.

2. Nikolaus – ein mächtiges Patrozinium Für das tiefere Verständnis des Mittelalters ist eine Beschäftigung mit den religiösen Grundlagen des gesellschaftlichen Lebens unerlässlich. Es schlägt sich in der Verehrung der Heiligen nieder, die in reichem Maße für die Anbetung zur Verfügung standen. Dabei bildete sich die Gewohnheit aus, einer neu erbauten Kirche einen Titelheiligen zuzusprechen, dem sich die Mitglieder der Kirchgemeinde in besonderer Weise in ihren Nöten und Gebeten zuwandten. So entstand das Patrozinium, durch das ein enges Verhältnis zu dem Heiligen hergestellt wurde. Die Patrozinienkunde hat sich über ihre Bedeutung für die praktische Theologie hinaus zu einem Teilgebiet der Kirchengeschichte entwickelt, die es gestattet, das vielschichtige Feld mit einer Gliederung nach Räumen, Epochen, gesellschaftlichen Schichten, Berufen und religiösen Zeitströmungen zu versehen. Kilianskirchen finden sich in Gebieten mit fränkischer Kolonisation. Hedwigskirchen gehören nach Schlesien, Ansgarikirchen und Knutkirchen in den nordisch-skandinavischen Raum. Der hl. Georg wurde als Ritter von adligen Kirchengründern bevor-

2. Nikolaus – ein mächtiges Patrozinium

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zugt, so dass sich Georgskirchen vielfach bei Burgen befinden. In diesen Zusammenhang gehören auch die Nikolaikirchen. Für den hl. Nikolaus fehlt ein solcher unmittelbarer Bezug. Er war kein Kaufmann, kein Fernhändler, aber seine Gestalt zog viele Legendenteile von anderen Heiligen an sich, so dass er letztlich zum Träger einer ganzen Fülle von Heilsgewissheit aufstieg und damit in die kirchliche Überlieferung eintrat. Dabei legte sich seine persönliche Legende mit besonderem Nachdruck auf den Kaufmannsstand fest, der sich in den Jahrzehnten um 1100 in einem mächtigen Aufstieg befand. Die Darlegungen von Henri Pirenne machen das deutlich (vgl. hierzu Kapitel IV). Diese allgemeine religiöse Stimmung fiel am Ende des 11. Jahrhunderts mit dem gesellschaftlichen Aufbruch zusammen, der sich in der starken Entwicklung der wirtschaftlichen Kräfte, dem Aufblühen eines neuen Standes der Fernhändler und einer überdurchschnittlichen Zunahme der Bevölkerung äußerte. Der wirtschaftliche Aufschwung und die religiöse Ausrichtung einer beweglich gewordenen Bevölkerung (Karl Bosl) flossen zusammen und bildeten in der Gestalt des hl. Nikolaus eine Wirkungseinheit von seltener Kraft. Die Übertragung der Gebeine des schon lange verehrten hl. Nikolaus von Myra in Kleinasien nach Bari in Unteritalien im Jahre 1087, verbunden mit einer noch würdigeren Art der Bestattung in einem aufwändigeren Grabmal spielt im liturgischen Geschehen der römischen Kirche eine große Rolle. Sie wird als Translation in den Festkalender der folgenden Jahre und Jahrhunderte einbezogen und als ein in der Öffentlichkeit wirksames Ereignis im Jahresablauf begangen. Auf diese Weise erhielt die Umbettung des Jahres 1087 ihre höhere Weihe und wurde durch den damit bewirkten „Segen“ weithin aufgewogen. Der geistliche Wert des „Erhobenen“ steigerte sich, sein Ruhm und seine Wirkkraft verbreiteten sich. Nach dem Vorbilde der nun emporwachsenden Nikolausbasilika in Bari wurden neue Nikolaikirchen erbaut. Dabei wuchsen zwei Tatsachen zusammen: Die weit verbreitete Kunde von der Translation als dem Beginn eines neu auflebenden Heilsglaubens und der wirtschaftliche Erfolg des kräftig aufblühenden Fernhändlertums. Die überall in „Nikolai-Europa“14 aufsprießenden Kaufmannssiedlungen sind dafür ein Beweis. Eine geistliche und eine wirtschaftliche „Innovation“ vereinigten sich hier zu einer Wirkungseinheit. Bei der Abwägung aller Umstände kann kein Zweifel daran bestehen, dass mit dem zeitlichen Zusammenfallen des religiösen Ereignisses von Bari und des allgemeinen Aufschwungs im Wirtschaftsleben der starke und offenbar überzeugende Mythos vom hl. Nikolaus zustande kam. Das ist ein lehrreiches Beispiel für das gemeinsame Wirken von Wirtschaft und Religion, worüber sich schon Max Weber geäußert hat. Es kann hier nicht darum gehen, die religiöse Wirkungsgeschichte des hl. Nikolaus zu untersuchen, die im Rahmen der praktischen Theologie, der Kirchengeschichte und der religiösen Volkskunde in ausreichendem Maße dargestellt worden ist. Die vorliegende 14

Die Redewendung „Nikolai-Europa“ wird in Anlehnung an Howard B. Clarke und Anngret Simms angewendet: The Comparative History of Urban Origins in Non-Roman-Europe, Oxford (1985).

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Arbeit hat sich vielmehr die Aufgabe gestellt, das greifbare und sichtbare Geschehen um den hl. Nikolaus aufzudecken. Es wurde aus der Mentalität des hohen Mittelalters geboren und muss von dieser psycho-sozialen Ebene aus verstanden werden. Man wird davon ausgehen dürfen, dass sich damals im Berufsstand der Fernhändler die feste Überzeugung von der Heilskraft „ihres“ Schutzpatrons ausbreitete. Das schlug sich im Zusammenschluss von Berufsgenossen zu Kirchgemeinden nieder, die sich notwendigerweise im Bau von Kirchgebäuden darstellten. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Fernhändler im Gegensatz zur allgemeinen Ordnung des römischen Kirchenwesens nicht in der üblichen Form des Territorialprinzips zu Gemeinden zusammenschlossen, in denen Menschen verschiedener sozialer und beruflicher Ausrichtung vereint waren. Sie folgten vielmehr zumindest anfangs dem Personalprinzip, als sie in ihren berufsständischen Bindungen zusammentraten. Bari war seit 1087 der Ausgangspunkt des neuen Nikolauskultes. Seine Träger waren die Fernhändler, die durch ihre Geschäfte weit im Lande herumkamen und die Kunde von dem neuen Heilsbringer schnell verbreiteten. Fünf Jahre später lässt sich die erste mitteldeutsche Nikolaikirche in Pegau südlich von Leipzig nachweisen, wo Graf Wiprecht von Groitzsch als enger Vertrauter des deutschen Königs Heinrichs IV. seine in Italien gewonnenen Kenntnisse anwenden konnte. Dass die Fernhändler bei ihren Begegnungen in fremden Landen nicht nur über ihre Geschäfte, sondern auch über die bewegenden Fragen des ewigen Heils zu sprechen kamen, dürfte feststehen. Um 1095 erbaute der dänische König Erik Ejegod an der Hauptverkehrsader von Roskilde nach Helsingør im Norden von Seeland die Nikolaikirche in Slangerup. Zum Jahre 1115 ist der Bau der Nikolaikirche in Sarpsborg südöstlich von Oslo durch den norwegischen König Østein überliefert, womit der europäische Horizont erreicht wird. Im Jahre 1116 wurde die bereits bestehende Nikolaikirche in Halle/S. einem Augustiner-Chorherrenstift inkorporiert. Sie stand neben anderen, schon vorhandenen Kirchen am Ort der Salzgewinnung und am Saale-Übergang einer Fernstraße. Ihre Gemeinde scheint die Brücke gebaut zu haben, die bis heute den Namen Klausbrücke führt. Von dieser Zeit an häufen sich die Nachweise über Nikolaikirchen in Europa. Aus den in den Analytischen Ortsbeschreibungen (Kapitel II) niedergelegten Tatsachen kann der Schluss gezogen werden, dass seit dem frühen 12. Jahrhundert eine Welle der Gründungen von Nikolaikirchen über die europäischen Länder ging, die mit der Ostkolonisation zusammenfiel. Die bäuerliche Siedlung, die im frühen 12. Jahrhundert an der Saale einsetzte, in der Mitte des Jahrhunderts den mitteldeutschen Raum erreichte und dann nach Osten voranschritt, vollzog sich in enger Gemeinschaft mit der Entstehung von Städten oder deren Vorgängern. Das war die Zeit der Kaufmannssiedlungen, deren Nikolaikirchen beim weiteren Wachstum der Städte zu Stadtkirchen wurden. Wo das nicht geschah, blieben sie im städtischen Raum stehen und wurden als Hospital- oder Friedhofskirchen am Rande der Stadt genutzt. Für den Ausbau der Städte ergab sich dabei eine gute Möglichkeit der weiteren Verwendung. Die vorherrschende Auffassung von der zeitlichen Trennung der bäuerlichen Kolonisation von der in größerem Abstand folgenden „Stadtgründung“ lässt sich nicht mehr halten. Die Anlage von

3. Gegenwärtiger Forschungsstand zur Stadtentstehung

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Kaufmannssiedlungen gehört in die gleiche Zeit wie die ländliche Siedlung. Das zeigt sich dort, wo neue Kolonistendörfer in benachbarte Stadtkirchen eingepfarrt wurden, was unbedingt einen gleichzeitigen Ablauf erfordert. Die Dörfer Naundorf (!), Adelsdorf, Folbern und Raschütz wären ein halbes Jahrhundert lang ohne geistliche Betreuung geblieben, wenn die Stadt Großenhain mit ihrer Marienkirche erst 1205 entstanden wäre, wie es die herkömmliche Auffassung meinte. Nicht nur an dieser Stelle wird es deutlich, dass die Entstehungszeit der Städte in einem erheblichen Maße zurückverlegt werden muss, um die Übereinstimmung zwischen der Stadt und den sie umgebenden Dörfern herzustellen. Man kann davon ausgehen, dass einer Kirche bei der Erbauung ein Weihetitel für „ewige“ Zeiten übertragen wurde, der nur unter sehr triftigen Gründen gewechselt werden konnte. So muss angenommen werden, dass die Nikolaikirchen des 12. Jahrhunderts mit dem Titel des hl. Nikolaus bei der Erbauung ihre erste Weihe erhielten, dass folglich Kirchenbau und Besiedlung Hand in Hand gingen. Dieser Sachverhalt lässt sich auf die Nikolaikirchen in Schlesien anwenden, die in großer Zahl auftreten und dabei auffällig an den Straßenzügen zu finden sind. Hier entsteht der Eindruck, dass im Zuge der deutschen Kolonisation des Landes die früheste Kirchenorganisation aufgebaut wurde und dies gleichzeitig mit der Ausbreitung des Nikolaus-Kultes geschah.

3. Gegenwärtiger Forschungsstand zur Stadtentstehung Wie auch immer man das Weiterleben römischer Zivilisation in das Mittelalter hinein beurteilen mag, so kann kein Blick an der Tatsache vorbeigehen, dass vom städtischen Wesen im Römischen Reich bestimmte Anstöße auf die Stadtentwicklung in der Germania libera, also östlich des Rheins und nördlich der Donau, ausgegangen sind. Die Frage nach der Kontinuität römischer Lebensformen in der neu sich bildenden mittelalterlichen Welt auf germanischem und slawischem Volksboden stellt sich allemal. Sie bleibt nicht auf die linksrheinische Germania Romana und den pannonischen Raum beschränkt, sondern reicht zumindest in Formen der Wirtschaftsbeziehungen in die Weiten Mitteleuropas hinein. Allein die topographischen Grundlagen von Xanten, Trier, Regensburg und Wien reichen aus, um die städtebaulichen Beziehungen zwischen den Römerstädten und dem neu sich entfaltenden deutschen Städtewesen zu erkennen. Damit sind freilich nicht die grundlegenden Erscheinungen der mittelalterlichen Stadt um Verfassung, Markt, Wirtschaft und Wehrhaftigkeit erfasst, ohne die eine mittelalterliche Stadtgeschichte unvollständig bliebe. Die Forschungen um die Entstehung des Städtewesens erstrecken sich auf die politisch-administrativen Verhältnisse, auf die wirtschaftlichen Grundlagen und auf die Siedlungsformen. Sie haben sich zu einem Geflecht historisch-sozialwissenschaftlicher Anliegen ausgeweitet und in starkem Maße die archäologische Erkundung einbezogen. Mit der Aufsplitterung der Geschichtswissenschaft in mehrere Teilgebiete während des 19. und 20. Jahrhunderts ist die Stadtgeschichtsforschung auch in deren Wettlauf

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I. Grundlagen

einbezogen worden, was zu unterschiedlichen, einander widersprechenden Theorien über die für die Stadtentstehung maßgeblichen Kräfte geführt hat.15 Namhafte Forscherpersönlichkeiten wurden zu Vertretern der einen oder der anderen Theorie. Der Meinungsstreit belebte zumindest die Forschung. In diese Bewegung scheint mit dem Werk von Hans Planitz über „Die deutsche Stadt im Mittelalter“16 eine gewisse Abklärung gekommen zu sein, so dass im Jahre 1954 eine große Überschau über das Thema geboten wurde. Das geschah von einem Standpunkt aus, der bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts aufgewachsen war und der die umstürzenden Veränderungen noch nicht aufnehmen konnte, die seit 1945 über das deutsche Städtewesen hereingebrochen waren. Das betrifft sowohl die Behandlung der ostdeutschen Städte östlich von Oder und Neiße, als auch die Quellengrundlage, bei der die Arbeiten zur städtischen Archäologie fehlen, die nach den Zerstörungen von Krieg und Nachkriegszeit neue Ergebnisse zur Stadtgeschichte geliefert haben. Mit dem Werk von Hans Planitz kann die deutsche Stadtgeschichtsforschung des frühen 20. Jahrhunderts als abgeschlossen gelten. Die zweite Jahrhunderthälfte wurde in starkem Maße von der Stadtarchäologie und neuen Forschungsanliegen geprägt, in denen Edith Ennen17, Walter Schlesinger18 und Heinz Stoob19 tonangebend waren. Das 1956 gegründete Institut für Vergleichende Städtegeschichte in Münster entwickelte sich zur führenden Stelle für die topographischkartographische Arbeit an der Stadtgeschichtsforschung, in der das monumentale Werk des Deutschen Städteatlas und des damit verbundenen Westfälischen Städteatlas bearbeitet wurden.20 Damit wurden die Forschungen zur Stadtentstehung auf eine methodisch neue Grundlage gestellt, die einseitige Anlehnung an die diplomatischen Quellen aufgegeben und der forschende Blick auf die topographischen Voraussetzungen der Stadtentstehung gelenkt. Die Stadtplanforschung erhielt neben der Stadtarchäologie eine stärkere Bedeutung. Wesentlich war vor allem die Besinnung auf die Erkenntnis, die der namhafte belgische Historiker Henri Pirenne kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert veröffentlicht hatte, die aber im Streit um die richtige Theorie der Stadtentstehung

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Karlheinz Blaschke, Von der Kaufmannssiedlung zur Stadt. Beobachtungen über den Aufbruch im frühen 12. Jahrhundert Historische Zeitschrift Bd. 294 (2012), S. 653–685. Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter von der Römerzeit bis zu den Zunftkämpfen. Graz, Köln (1954). Edith Ennen, Frühgeschichte der europäischen Stadt. Bonn (1953). Walter Schlesinger, Burg und Stadt. In: Aus Verfassungs- und Landesgeschichte. Fs. zum 70. Geburtstag von Theodor Mayer dargebracht, Bd. 1, Lindau, Konstanz (1954), S. 97–150. Heinz Stoob, Über den Aufbruch zur Städtebildung in Mitteleuropa. In: Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11. Jahrhundert, hg. von Jörg Jarnut und Peter Johanek, Städteforschung A 43, Köln (1998). Verzeichnis der Quellen, siehe Kapitel V; Karlheinz Blaschke, Stadtplanforschung. Neue Methoden und Erkenntnisse zur Entstehung des hochmittelalterlichen Städtewesens in Mittel-, Ost- und Nordeuropa. Sb. der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Phil.-Hist. Klasse Bd. 138, H. 4, Stuttgart und Leipzig (2003); Peter Johanek, Stadtgeschichtsforschung – ein halbes Jahrhundert nach Ennen und Planitz. In: Ferdinand Opll und Christoph Sonnlechner (Hg.), Europäische Städte im Mittelalter, Innsbruck (2010), S. 58.

3. Gegenwärtiger Forschungsstand zur Stadtentstehung

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in den Hintergrund getreten war.21 Sie ist in Aufsätzen niedergelegt, in welchen den Fernhändlern die entscheidende Bedeutung für die Entstehung der mittelalterlichen Städte zugesprochen wird (siehe Kapitel IV). Die vorliegende Arbeit schließt sich den Darlegungen von Henri Pirenne an. Er hat auf der Grundlage einer außergewöhnlichen Kenntnis der frankophonen und deutschen Geschichtsschreibung die Herausbildung der mittelalterlichen Stadt im französischdeutschen Grenzbereich erforscht und auf neue Grundlagen gestellt. Nach meiner mehr als vierzigjährigen Beschäftigung mit der Entstehung des europäischen Städtewesens, nach der Vertiefung in die reichlich zur Verfügung stehenden archivalischen Quellen, nach meinen zahlreichen Veröffentlichungen über die Stadtentwicklung in unterschiedlichen geographischen Räumen und nach mehreren, in der Kritik anerkannten Darlegungen zur Forschungsmethode halte ich die grundsätzlichen Erkenntnisse für gültig, wie sie Pirenne vor 120 Jahren dargeboten hat. Es ist verwunderlich, dass die Ergebnisse von Pirenne nicht unwidersprochen angenommen worden sind und sich erst im Laufe eines Jahrhunderts mehrere Theorien anbieten mussten, von denen jede mit dem Anspruch auf die alleinige Wahrheit auftrat. Wer das europäische Städtewesen von den Quellen her erforscht, muss zu der Erkenntnis kommen, dass es eine solche Wahrheit nicht gibt und es sinnvoll und auch notwendig ist, eine Grundlinie zu suchen, auf der sich diese bedeutsame Grundlage der europäischen Geschichte ausgebildet hat. Dass dafür die klare Aussage von Pirenne in Frage kommt, kann beim jetzigen Stand unseres Wissens behauptet werden. Sie kann heute als die anerkannte Meinung gelten, wenn es um die Frage nach der Entstehung der europäischen Stadt im hohen Mittelalter geht. Dass diese Aussage mit der Masse der kleinen Landstädtchen bis hinunter zu den Marktflecken nichts zu tun hat, liegt auf der Hand. Das Städtewesen ist in seiner Vielschichtigkeit eine so umfassende Erscheinung, dass die Suche nach einer allgemein gültigen Deutung nicht zum Ziele führen kann. Auch dem großen Geist eines Max Weber ist dieser Versuch nicht gelungen, da er bei seinem weiten Horizont doch zu wenig mit den Niederungen der Quellenforschung vertraut war.22 An dieser Stelle ist auf die Grundlagen einzugehen, die zu vorliegender Arbeit geführt haben. Sie stellen sich nicht auf die theoretischen Streitfragen und konzeptionellen Richtungen ein, die in der stadtgeschichtlichen Forschung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts den Ton angaben, sondern gehen von den neu aufgekommenen Anliegen aus. Die Grabungsergebnisse im niederländischen Küstengebiet waren dabei von besonderer Bedeutung. Sie hatten auf Wiksiedlungen hingewiesen, die sich als Vorstufen für die später voll ausgebildeten Städte darstellten. So ergab sich die Frage, ob nicht auch im Bin-

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Henri Pirenne, L’origine des constitutions urbains au Moyen Age. Revue Historique 53 (1893) und 55 (1895). Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlass, Teilband 5, Die Stadt. Hg. von Wilfried Nippel, Tübingen (1999), Max Weber Gesamtausgabe I, 22–5, 100–145.

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I. Grundlagen

nenlande solche städtischen Vor- und Frühformen zu finden seien. Auf diesem Wege kam mir ein Zufall zu Hilfe. Im Jahre 1965 feierte die sächsische Kleinstadt Colditz südöstlich von Leipzig das 700. Jubiläum ihrer urkundlichen Ersterwähnung. Für die Herausgabe der Festschrift übernahm ich die Bearbeitung des mittelalterlichen Teils der Stadtgeschichte, für dessen Erforschung außer der Urkunde von 1265 fast keine archivalischen Quellen vorhanden waren.23 Einen hilfreichen Ersatz fand ich jedoch in der verfassungstopographischen Methode, wie sie in einem Aufsatz von Hans Goetting über die Entstehung der Stadt Gandersheim dargelegt ist.24 Das Buch war unter fast illegalen Bedingungen in die Bibliothek des Staatsarchivs Dresden gelangt. Das Gleiche gilt für die 1958 erschienenen „Studien zu den Anfängen des europäischen Städtewesens“ mit dem für meine weitere Arbeit grundlegend wichtigen Aufsatz von Paul Johansen, ohne den mir die Entdeckung der Kaufmannssiedlung in Colditz nicht möglich gewesen wäre.25 Diese persönlichen Beziehungen müssen hier angeführt werden, um die ungewöhnlichen Verhältnisse verständlich zu machen, unter denen in der DDR landesgeschichtliche Forschung betrieben werden musste. Als Voraussetzung für die verfassungstopographische Untersuchung des Colditzer Stadtgrundrisses bot sich im Stadtarchiv ein Grundbuch aus dem Jahre 1833 an.26 Es stellt die Belastung aller Grundstücke mit Diensten und Abgaben dar, die seit dem Mittelalter aufgewachsen waren und Aufschlüsse über die grundherrliche Zuordnung jedes Grundstücks gewährten. Die Eintragung der Abgaben in den Stadtplan ergab ein Bild vom herrschaftlichen Gefüge der Stadt, wie es sich in ihrem Wachstum herausgebildet hatte (Abb. 6a und 6b). Der Stadtplan selbst zeigt ohne die Eintragung der Abgaben keine auffallenden Merkmale. Die Stadt stellte sich in ihrer historischen Anlage mit

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Karlheinz Blaschke, Die Frühgeschichte der Stadt Colditz. Sächs. Heimatbl. 11 (1965), S. 290–307; wieder abgedruckt in: Stadtgrundriss und Stadtentwicklung. Forschungen zur Entstehung mitteleuropäischer Städte. Ausgewählte Aufsätze von Karlheinz Blaschke, hg. von Uwe John und Peter Johanek, Städteforschung A 44, Köln (1997), S. 207–224. Der dort auf S. 211 enthaltene Plan von 1833 wird in meinen Veröffentlichungen mehrfach wiedergegeben. Diese Darstellung ist wichtig, weil sie in die Tiefe der Verfassungswirklichkeit eindringt. Der Vergleich mit einem Röntgenbild scheint angebracht zu sein, weil sich der Bildinhalt auf die nicht sichtbaren Merkmale der Verfassung beschränkt und damit das Wesenhafte ausdrückt. – Ders., Nikolaipatrozinium und städtische Frühgeschichte. ZRG 84. Bd., Kanon. Abt. 53 (1967); vergl. auch: Blatt Colditz im Deutschen Städteatlas, Lieferung III, Nr. 1, bearb. von Karlheinz Blaschke, Altenbeken (1984); Ders., Neue Wege und Erkenntnisse zur Frühgeschichte der Städte in Mitteleuropa. In: Zur Entstehung und Frühgeschichte der Stadt Chemnitz. Aus dem Stadtarchiv Chemnitz, Heft 6, (2002), S. 12–25. Hans Goetting, Die Anfänge der Stadt Gandersheim. In: Bll. für deutsche Landesgeschichte 89 (1952), S. 39. Paul Johansen, Die Kaufmannskirche im Ostseegebiet. In: Studien zu den Anfängen des europäischen Städtewesens. Reichenau-Vorträge (1955–56), S. 499–525, Vorträge und Forschungen Bd. IV, Sigmaringen (1958). Stadtarchiv Colditz, Abteilung VII, Sectio 1, Nr. 7, Grundbuch von 1833.

3. Gegenwärtiger Forschungsstand zur Stadtentstehung

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einem Schloss und einer davor erbauten Kirche neben der Pfarre und der Schule dar. Eine Amtsmühle unterhalb des Schlosses am Mühlgraben erwies sich als üblicher Bestandteil einer Reichsburg. Die Vorstädte konnten als die Ausbauteile im Umfeld einer Reichsburgstadt angesehen werden, die im Schutze einer Stadtmauer mit etwa 25 bürgerlichen Hausgrundstücken entstanden war. Die von der Stadt und ihren Vorstädten deutlich entfernte Nikolaikirche ließ sich als Friedhofskirche mühelos in das beschauliche Bild einer aus mittelalterlicher Zeit stammenden Kleinstadt einfügen. Mit der Eintragung der Abgaben für die einzelnen Grundstücke in den Stadtplan änderte sich dieser Eindruck, denn es bot sich in dem so einheitlich scheinenden Stadtgrundriss eine Vielgestaltigkeit, die eine Erklärung erforderte. Die geringste Mühe machte der Raum innerhalb der Stadtmauer, wo die Häuser nur an den Stadtrat abgabepflichtig waren. Das ist eine einleuchtende Regelung, denn die dort ansässigen Bürger sind die Mitglieder der Stadtgemeinde, die zu deren Unterhalt ihren Beitrag leisten. Da die Vorstädte ebenfalls zur Stadt gehören, sind auch die dort gelegenen Grundstücke zu Abgaben an den Rat verpflichtet, aber zusätzlich mit weiteren Leistungen belastet. Das sind die Frondienste der Häuser an den Ausfallstraßen, die im Laufe der Jahrhunderte durch eine Bargeldleistung abgelöst worden waren, aber weiterhin ihre grundherrliche Abhängigkeit vom landesherrlichen Amt und damit von der Schlossherrschaft anzeigten. An zwei Stellen zeigt der Stadtplan eine besondere Verdichtung der Abgaben in Form von Naturalien, die nicht durch eine Geldzahlung abgelöst worden waren und im Gegensatz zu Bargeldabgaben auf ein hohes Alter hindeuten. Es handelt sich neben Mohn, Senf und Leinöl um den besonders auffallenden Pfeffer, der in Indien beheimatet und im Speisezettel der damaligen Oberschicht besonders beliebt war. Im Gegensatz zu den drei einheimischen Früchten konnte der Pfeffer nur im Fernhandel beschafft werden. Die vier in Naturalien zu leistenden Abgaben treten gedrängt in der Badergasse auf, die als Zubringer zur Muldenbrücke im Wegenetz um die Burg sowohl in wirtschaftlicher als auch in militärischer Hinsicht eine besondere Bedeutung hatte. Sie kann erst nach der Entstehung der Stadt angelegt worden sein. Mit der hohen Belastung ihrer Grundstücke beweist sie ihre starke Abhängigkeit von der Schlossherrschaft. Für das anstehende Thema sind in erster Linie die Abgaben aus der Nikolaivorstadt an den Gotteskasten von Belang, weil sie aus dem übrigen System der Stadt herausfallen. Als Gotteskasten wurde im Jahre 1833 die Kirchkasse bezeichnet, in die das Vermögen und die Einkünfte der beiden Colditzer Kirchen St. Egidien und St. Nikolai gehörten. Die Egidienkirche vor der Burg war die Stadtkirche, die ihrer Entstehung nach mit der Bürgerstadt verbunden ist. In die Nikolaikirche waren bis zur Reformation 1529 die vier Dörfer Hausdorf, Koltzschen, Terpitzsch und Zollwitz eingepfarrt. Bei ihrer Profanierung zur bloßen Gottesackerkirche wurde ihr Vermögen in den städtischen Gotteskasten eingebracht, das demzufolge auch von der Nikolaikirche stammen konnte. Diese Vermutung wird durch den Namen der Nikolaivorstadt bestätigt, auf deren Grundstücken die Grundabgaben an den Gotteskasten festliegen und die Nähe zur Nikolaikirche eine offenkundige örtliche Beziehung herstellt.

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Die Colditzer Nikolaikirche ist ihren Bauformen nach eine romanische Saalkirche, dem baugeschichtlichen Befund nach gehört sie in das 12. Jahrhundert.27 Sie weist ein Tonnengewölbe auf, während bereits in dessen 60er Jahren die nahegelegene Wechselburger Stiftskirche ein Kreuzgewölbe erhielt und diese Form seit dem Ende des 12. Jahrhunderts auch an kleineren Bauten der Umgebung vorkommt. Diese Beobachtungen sprechen für eine möglichst frühe Zeitstellung.28 Aus der örtlichen Überlieferung stammt der Nachweis, dass die Nikolaikirche noch im 15. Jahrhundert eine selbständige Pfarrkirche war. Im Jahre 1833 lagen am südlichen Ende der Nikolaivorstadt die Ratsscheune und der Nikolaigarten. Das bei einer Pfarrkirche vorauszusetzende Pfarrhaus lässt sich an dieser Stelle vermuten. Da eine Pfarrkirche logischerweise das Bestehen einer Kirchgemeinde voraussetzt, kann aus den dargelegten Tatsachen auf eine Ortsgemeinde geschlossen werden. Es muss sich um eine Kaufmannssiedlung gehandelt haben, da das NikolausPatrozinium in der Regel auf Kaufleute als Gründer der Kirche hinweist. Gegen diese Verbindung scheint die Entfernung von 160 Metern zwischen der Siedlung und der Kirche zu sprechen, denn in den meisten Fällen lässt sich die Lage der Nikolaikirche unmittelbar im Zuge der straßenförmigen Kaufmannssiedlung feststellen. Es gibt jedoch mehrere Beispiele, bei denen ein größerer Abstand zwischen Siedlung und Kirche besteht, wie in Dresden und Görlitz, wo es einmal um einen hochwasserfreien Bauplatz ging, andererseits auch das Bestreben nach einem erhöhten Standort der Kirche maßgeblich gewesen zu sein scheint. Die Zuordnung der Colditzer Siedlung an Kaufleute wird durch einen Blick auf das Wegenetz gestützt. Der Weg von der Nikolaistraße zur Mulde heißt der Furtweg. Welche Bedeutung die dortige Muldenfurt einst gehabt haben muss, geht aus einer Karte aus dem Jahre 1693 hervor. Aus drei Richtungen liefen damals an dieser Stelle die Straßen zusammen, um nach der Überschreitung des Flusses zur Reichsburg Leisnig weiterzuführen. Für die Aufhellung der Colditzer Verhältnisse ist der Aufsatz von Paul Johansen über „Die Kaufmannskirche im Ostseegebiet“ aufschlussreich (Anm. 25). Die Kirche der deutschen Kaufleute zu St. Peter in Nowgorod befand sich als eine „freie Kaufmannskirche“ ganz im Besitz der Gemeinschaft der Kaufleute und gehörte keinem Landesherrn, der etwa einen Patronat ausgeübt hätte. Sie hatte das Grundzinsrecht über das Hofareal der Kaufleute, die davon an die Kirche Abgaben zu entrichten hatten. In der ehemals deutschen Stadt Wisby auf Gotland lassen sich noch zu Anfang des 14. Jahrhunderts Spuren der ersten Kirchspiel-Stadtgemeinden erkennen: die Kirchspiel-Herren

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C. Gurlitt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 19. Heft: Amtshauptmannschaft Grimma, Dresden (1897), S. 37. Diese Mitteilung verdanke ich Herrn Kollegen Heinrich Magirius vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen; Ders., Der Freiberger Dom. Forschungen und Denkmalpflege. Weimar (1972), S. 163 („um 1150“); Ders., Kathedrale, Stiftskirche, Klosterkirche, Burgkapelle, Stadtkirche und Dorfkirche. Zu Typologie und Stil der romanischen Steinkirchen in Obersachsen. In: Frühe Kirchen in Sachsen. Ergebnisse archäologischer und baugeschichtlicher Untersuchungen. Stuttgart (1994), S. 76 f. („3. V. 12. Jh.“), S. 80.

3. Gegenwärtiger Forschungsstand zur Stadtentstehung

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waren unabhängig von der Ratsverwaltung mit Funktionen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der Polizei und der Steuererhebung betraut. In den großen Handelsstädten des Ostseeraumes wie Schleswig, Falsterbo, Lund, Sigtuna, Wisby und Viborg gab es eine Vielzahl von Kirchen, weil jede auswärtige Kaufmannsgruppe eine eigene Kirche unterhielt, die auch als Lagerraum für die Kaufmannsgüter genutzt wurde. Erst als die Fahrten der Fernhändlergruppen nach 1300 aufhörten, sind diese Kirchen verfallen. So lassen sich in der sozialen Ordnung der frühen Kaufmannschaft kirchliche Grundlagen erkennen, an denen die Gemeinschaften der fahrenden Fernhändler einen starken Rückhalt fanden. Vor allem ist die Feststellung wichtig, dass solche im Ostseegebiet aufgetretenen Verhältnisse auch in Mitteleuropa anzutreffen waren, wobei namentlich auf Magdeburg und Erfurt hingewiesen wird. Besonders aufschlussreich ist die Bemerkung, dass die Anfänge der Stadt Danzig wahrscheinlich dadurch geklärt werden könnten, dass zum Jahre 1227 eine deutsche Kaufmannskirche anzunehmen sei, zu der eine Gemeinde mit einem Schulzen (scultetus) und einem Priester gehörte, und dass die Stadt Frankfurt/Oder im Jahre 1253 sicher neben einer älteren Kirchensiedlung St. Nikolai entstanden ist. Gewiss ist Colditz nach seiner wirtschaftlichen Bedeutung nicht mit solchen Städten wie Nowgorod, Wisby, Danzig und Frankfurt auf eine Stufe zu stellen, dennoch ergeben sich gewisse Vergleichspunkte. Es stimmt mit den von Johansen angeführten Fällen überein, dass auch die Colditzer Kaufmannssiedlung eine von jeder herrschaftlichen Einwirkung freie Ordnung gehabt haben muss und dass die Nikolaikirche die Inhaberin der Grundherrschaft gewesen ist. Wenn auch keine Zeugnisse für eine genossenschaftliche Gemeindeordnung vorliegen, so ist doch die für 1833 bezeugte Lage der Ratsscheune am „Nikolaiplatz“, den man nun vielleicht als den Gemeindeplatz der Siedlung bezeichnen darf, zu beachten. Sollte sie nicht auf eine Art Gemeindehaus der Kaufmannssiedlung hinweisen, das bei der späteren Übersiedlung der Kaufleute in die ummauerte Stadt in Ratsbesitz umgewandelt wurde? Die hier dargelegten Beobachtungen und die daran angeschlossenen Überlegungen geben jedenfalls den Weg frei für weiter reichende Schlussfolgerungen. Sie öffnen sich zu einem Gedankengebäude um die Nikolaikirchen auf dem weiten geographischen Felde europäischer Geschichte, weil nunmehr bei behutsamer, sachkundiger Anwendung von Teilergebnissen auf größere Räume neues Wissen über die Entstehung des europäischen Städtewesens erschlossen werden kann. Paul Johansen hat zur Sache und zur Methode der Forschung einen weiterführenden Beitrag geleistet. Um welche Möglichkeiten es sich dabei handelt, zeigt ein Blick auf zwei Standorte von Nikolaikirchen, die in der Luftlinie etwa 1000 km von einander entfernt sind. In Bozen (Südtirol) und in Friedland (Mecklenburg) stehen die dortigen älteren Nikolaikirchen in engster Verbindung mit jüngeren, größeren Marienkirchen, die zu einer angewachsenen Stadtgemeinde gehören. In beiden Fällen führten die einheitlichen Grundsätze der römischen Kirchenorganisation zu den gleichen praktischen Ergebnissen. Es kann folglich mit Hilfe des Vergleichs kein Zweifel daran bestehen, in der Colditzer Nikolaivorstadt eine ehemalige Kaufmannssiedlung zu erkennen, von der bisher nichts

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I. Grundlagen

bekannt war. Hierzu ist eine Betrachtung der sächsischen Städte Chemnitz, Görlitz, Meißen und Pirna aufschlussreich. Auch dort treten Nikolaikirchen außerhalb der Stadtmauern in bester Verkehrslage auf, womit immerhin ein Typus erfasst war, der sich mit fünf Parallelfällen darstellte. Karl Lamprecht ist zu seiner Zeit des historischen Materialismus bezichtigt worden, weil er im Widerspruch zu der damals auf den Einzelfall ausgerichteten idealistischen Geschichtsauffassung nach Zusammenhängen und Vergleichen suchte. Hier ergab sich nun offensichtlich der Verdacht, dass die oben angedeutete Einschätzung der Nikolaikirche den Ansatz für eine Typenbildung bieten könnte. Aber sollte das Auftreten von fünf Nikolaikirchen stets in der gleichen topographischen Lage, zeitlichen Einordnung und geschichtlichen Funktion reiner Zufall sein? Die beunruhigende Frage drängte auf eine Antwort. Im Staatsarchiv Dresden war das 1939/41 erschienene Deutsche Städtebuch in seinen ersten beiden Bänden vorhanden, die den Osten und die Mitte des damaligen Deutschen Reiches umfassen. Darin stand ein Beobachtungsmaterial in Gestalt von vielen hundert Städten bereit, das sich unter Punkt 5 des geschickt aufbereiteten Inhalts leicht auswerten ließ. Immerhin war in 128 Fällen eine Nikolaikirche in der angedeuteten Lage im Stadtplan nachzuweisen, so dass sich damit aus der ursprünglichen Hypothese eine gefestigte These ableiten ließ. Für die west- und süddeutschen Länder waren die betreffenden Bände damals noch in Arbeit. Auf dieser Grundlage bin ich der bemerkenswerten Erscheinung nachgegangen und habe für Einzelfälle und Landschaften die Tragfähigkeit der These erprobt. Das betraf Pommern (1970/71)29, Torgau (1976)30, Grimma (1977)31, Freiberg (1979)32, Auma (1985)33, Stendal (1988)34, Österreich (1995)35, Görlitz (1997)36, Göttingen (1997)37,

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Karlheinz Blaschke, Nikolaikirchen und Stadtentstehung im pommerschen Raum. In: GreifswaldStralsunder Jahrbuch Bd. 9, (1970/71), Weimar (1970), S. 21–40. Wieder abgedruckt in: Blaschke, Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 225–244. Ders., Die geschichtliche Entwicklung der Stadt Torgau von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Die Denkmale der Stadt Torgau, bearb. von Peter Findeisen und Heinrich Magirius, Leipzig (1976), S. 13–37; wieder abgedruckt in: Blaschke, Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 257–266. Ders., Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 100. Ders., Freiberg. In: Deutscher Städteatlas, Lieferung 2, Nr. 2, Dortmund (1979). Ders., Die Entstehung der Stadt Auma. In: Jb. des Museums Hohenleuben-Reichenfels, 30 (1985), S. 9–17; wieder abgedruckt in: Blaschke, Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 293–301. Ders., Das Augustiner-Chorherrenstift St. Nikolai in Stendal 1188–1551. In: Der Dom St. Nikolaus in Stendal. Geschichte und Gegenwart, hg. von E. Simon, Berlin (1988), S. 7–20; wieder abgedruckt in: Blaschke, Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 302–314. Ders., Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Österreich. In: Stadt und Kirche, hg. von FranzHeinz Hye (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas, Bd. 13, Linz (1995), S. 165–177; wieder abgedruckt in: Blaschke, Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 319–328; Österr. Städteatlas 5. Lieferung, 1. Teil, Blatt Innsbruck, (1996). Ders., Die Anfänge der Stadt Görlitz. In: Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 329–341. Ders., St. Nikolai in Göttingen. Eine Kaufmannskirche des 12. Jahrhunderts. In: Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 352–356.

4. Die Entdeckung der Topographie für die Stadtgeschichtsforschung

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Oberlausitz und Niederschlesien (2001)38, Bautzen (2002)39, Dresden (2005)40 und Kaufmannssiedlungen insgesamt (2007)41. In der alljährlichen Begegnung mit Fachkollegen der Internationalen Kommission für Stadtgeschichte habe ich seit 1976 das Thema im europäischen Rahmen weiter verfolgt. Für die dabei erhaltenen Anregungen und kritischen Hinweise bin ich dankbar. In dem 1979 erschienen „Lexikon Städte und Wappen der Deutschen Demokratischen Republik“ habe ich aus den darin enthaltenen 644 Städten diejenigen vermerkt, in denen eine Nikolaikirche in der hier angedeuteten geschichtlichen Funktion festzustellen ist.

4. Die Entdeckung der Topographie für die Stadtgeschichtsforschung Die hier dargelegten Erkenntnisse sind weniger mit Hilfe urkundlicher Quellen zustande gekommen, sondern beruhen vorwiegend auf topographischen Beobachtungen, die durch die Häufigkeit der Erscheinungen gestützt werden. Dieser Weg der Forschung hat sich als sinnvoll und fruchtbar erwiesen, weil er sich aus dem raschen Zugriff auf geographische Karten und Stadtpläne erzielen lässt und die Eigenart der Forschung gerade auf diese Tatsachen besonderen Wert legen muss. Die Ergebnisse sprechen für die Zweckmäßigkeit des Vorgehens, bei dem es auf die Verbindung eines Kirchentyps mit dem landschaftlichen Raum ankommt. Schon in der Art, wie Paul Johansen (Anm. 25) bei seinen Forschungszielen vorging und seine Ergebnisse vorlegte, nahmen das Land, der Raum und der Boden einen vorrangigen Platz ein. Die Verlagerung der Quellenarbeit von der schriftlichen Urkunde zum Kartenbild und zum Stadtplan ist dieser Entwicklung nachgegangen42, was sich am Aufschwung der Atlasarbeit in der Stadtgeschichtsforschung erweist.43 Es geht dabei nicht um eine Vernachlässigung oder gar eine Missachtung der grundsätzlich unersetzbaren Urkundenforschung, sondern vielmehr

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Ders., Die Bedeutung der Nikolaikirchen für die Entstehung der Städte in der Oberlausitz und in Niederschlesien. In: 750 Jahre der Stadt Boles∏awiec, Hg. Stadtverwaltung Bunzlau, (2001), S. 18 f. Ders., Das Bautzener Kirchenwesen im Mittelalter. In: Von Budissin nach Bautzen. Beiträge zur Geschichte der Stadt Bautzen, (2002), S. 103–105. Ders., Die Entstehung der Stadt. In: Geschichte der Stadt Dresden, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Hg. von Karlheinz Blaschke unter Mitwirkung von Uwe John, Stuttgart (2005), S. 88–98. Ders., Kaufmannssiedlungen als Frühformen städtischer Entwicklung. In: Was machte im Mittelalter zur Stadt? Heilbronn (2007), S. 91–124. Ders., Stadtplanforschung (Anm. 20). Zu den wichtigsten methodischen Fortschritten der Stadtgeschichtsforschung des letzten halben Jahrhunderts gehört die historisch-kartographische Arbeit, mit der die Stadtplanforschung zu einem unverzichtbaren Bestandteil geworden ist. Seit dem Beginn der internationalen Städteatlasarbeit um 1970 sind etwa 460 Städte in 17 europäischen Ländern behandelt worden, wobei Deutschland und Österreich an der Spitze stehen. Vgl. hierzu: Peter Johanek (Anm. 20).

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I. Grundlagen

um deren notwendige Ergänzung durch die neuerdings aufgekommene Beschäftigung mit den kartographischen Hilfsmitteln der Forschung. Auf diese Weise hat sich eine Vielzahl von Beobachtungen ergeben, die zu einer systematischen Ordnung drängen und die Frage nach einer übergreifenden Behandlung des Themas stellen. Immerhin erfasst die vorliegende Studie über 500 Städte mit Nikolaikirchen in einem Raum, der sich über Europa zwischen Newcastle upon Tyne und Lublin, zwischen Bergen (Norwegen) und Laibach/Ljubljana erstreckt. Nach einer fast fünfzigjährigen Beschäftigung mit dem Gegenstand ist eine geographische Einengung auf den mittel-, ost-, west- und nordeuropäischen Raum festzustellen. In diesem Gebiet ist das Nikolaus-Patrozinium stark verbreitet und kann geradezu als die häufigste Kirchenwidmung bezeichnet werden. Für die geographische Verbreitung ist die Tatsache zu beachten, dass es in Italien in den 97 Provinzhauptstädten nur zwei Nikolaikirchen gibt, während die Franziskuskirchen häufig auftreten.44 Für die Nikolaikirchen kommt hier die Zeit nach 1087 nicht mehr in Frage, während die Franziskuskirchen erst nach der Kanonisation des hl. Franziskus im Jahre 1228 einzuordnen sind. Wenn in Italien die Nikolaikirchen in geringerem Maße auftreten, so bedeutet dies, dass der wirtschaftliche Aufschwung durch den Fernhandel in diesem Lande und anderen südeuropäischen Gebieten schon vor dem Aufkommen des Nikolaus-Kultes geschehen war, so dass hier nach 1087 kein Nikolaus -Patrozinium mehr „benötigt“ wurde. Der Zusammenhang von Kirchengeschichte und Wirtschaftsgeschichte im Mittelalter wird an dieser Tatsache deutlich. In der Geschichtswissenschaft geht es um Tatsachen, Entwicklungen und Zusammenhänge, manchmal auch um Verallgemeinerungen, Vergleiche und gelegentlich um Theorien. Die Beschäftigung mit der Entstehung der mittelalterlichen Städte hat in der deutschen Geschichtswissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts einige Theorien hervorgebracht, von denen jede für sich eine Teilwahrheit vertritt. Sie gehen alle von der römisch-rechtlichen Auffassung aus, dass die Stadtgemeinde auf einer Raumeinheit aufgewachsen ist und als ein territorial begrenzter Verband besteht. Die Stadtmauer verkörperte im Mittelalter diese Grundgesinnung. Sie kommt auch in dem Rechtssprichwort zum Ausdruck: „Bürger und Bauer trennt nichts als die Mauer.“ Von den 150 alten sächsischen Städten waren 30 von einer Mauer umgeben, das ist gerade der fünfte Teil. Die Städte Elterlein und Naunhof führen in ihrem Stadtwappen eine trutzige Stadtmauer, haben aber niemals eine besessen. Die erst seit 1500 erbauten Bergstädte Annaberg und Marienberg leisteten sich ihre Stadtmauern zu einer Zeit, als dafür nicht mehr der geringste Bedarf bestand, denn im wohlgeordneten sächsischen Territorialstaat des 16. Jahrhunderts waren sie nutzlos. Die in ihrer Größe beachtliche, seit 1467 herangewachsene Bergstadt Schneeberg besaß niemals eine Stadtmauer.

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Atlante stradale d’ Italia. Novara (1988). Catania und Pisa weisen als einzige Provinzhauptstädte eine Nikolaikirche auf, wobei allerdings Catania mit seiner Lage auf der Insel Sizilien und mit seiner Stellung im städtischen Straßennetz als Nachweis in dem hier geltenden Sinne nicht geeignet ist.

4. Die Entdeckung der Topographie für die Stadtgeschichtsforschung

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Die seit 1100 zahlreich angelegten Kaufmannssiedlungen zeigen an keiner Stelle eine Ummauerung. Sie waren offene Siedlungen wie die Dörfer, obwohl sie die materiellen Mittel für eine Befestigung besessen hätten. Das zeigt sich schon an den Kirchenbauten, wobei nur auf die außerhalb Sachsens gelegene stattliche Martinskirche in der Kaufmannssiedlung Schongau-Altenstadt hinzuweisen ist. Man wird nicht daran zweifeln können, dass die Stadtmauer an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten einer praktischen Notwendigkeit entsprach, aber die in der Mehrzahl auftretenden nicht ummauerten Städte lassen doch die Frage aufkommen, ob die Stadtmauer nicht weniger einem praktischen, als vielmehr einem „ideologischen“ Bedürfnis entsprach. Bei der Beschäftigung mit den Frühformen des europäischen Städtewesens und namentlich mit den Wik-Siedlungen im Küstengebiet standen offene Handelsniederlassungen im Blick, die keine Beziehungen zum römischen Städtewesen anzeigten und dem germanisch-deutschen Bereich angehörten. Dabei zeigte sich im nordosteuropäischen Ostseeraum ein unbestreitbarer slawischer Anteil, der sich bis heute im schwedischen Wort torget für den Markt ausdrückt, das aus slawischer Wurzel stammt. Wenn ein so wesentlicher Terminus technicus für den Handelsverkehr aus dem Slawischen in eine nordgermanische Sprache übernommen wurde, muss es eine starke wirtschaftliche Beziehung zwischen den betreffenden Völkern gegeben haben. Der römische mercatus blieb dabei völlig unbeachtet. Die skandinavisch-slawische Welt zeigt sich in den ausgehenden Jahrhunderten des ersten nachchristlichen Jahrtausends in einer eigenen sozialkulturellen Form, in die erst die regen archäologischen Forschungen der jüngeren Jahrzehnte Licht gebracht haben. In diese Feststellungen fügen sich die Forschungsergebnisse von Paul Johansen (Anm. 25) ein, der von seinem dänisch-lettischen Standort ausgehend die Siedlungs- und Stadtgeschichte des nordosteuropäischen Raumes bereichert hat. Er hat die Eigenart der Entstehung städtischer oder stadtähnlicher Siedlungen im Ostseegebiet erfasst, wobei die jahreszeitlich bedingte Ansammlung größerer Menschenmengen im Zusammenhang mit dem Heringsfang und die nationale Vielfalt der Menschen auffallen. Sie strömten von England bis Russland zusammen und brachten dabei auch ihre konfessionelle Besonderheit zum Ausdruck. Das schlug sich namentlich in den national unterschiedlichen Patrozinien der nahe beieinander erbauten Kirchen nieder. Daraus ergab sich an den Heringsfangplätzen und den Handelsorten eine bunte Mischung von Kirchgemeinden, die nach Sprache und Nationalität, nicht aber nach dem Raum organisiert waren. Während im kontinentalen Europa das römische Vorbild der territorialen Organisation des Kirchenwesens zur Geltung kam, setzte sich am nördlichen Rande Europas das personale Prinzip durch. Die Eigenart und Eigenständigkeit der Gruppen führte hier zu einer Gliederung unter Anerkennung der Verschiedenartigkeit. Da die Gruppen mit Ausnahme der Russen alle der römischen Kirche angehörten, entsteht allerdings die Frage nach den sprachlichen Gewohnheiten im Vollzug des geistlichen Lebens, was hier nur angedeutet werden kann. Für das tätige Leben der Menschen war die Frage nach ihrer Siedlungsart wichtiger. Die Erkundungen in Sigtuna, Birka und Haithabu zeigen das Vorherrschen langge-

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I. Grundlagen

streckter Ortsformen, die sich der Strandlinie und den Wegen anpassen. Einflüsse aus dem römischen Siedlungswesen treten dabei nicht auf. Vielmehr kann von einer durchaus eigengeprägten Entwicklung elementarer Formen ausgegangen werden, die sich aus der Landesnatur und den praktischen Bedürfnissen des Handelsbetriebes ergaben. Für die wenig geordneten Siedlungen ist die Bezeichnung als Handelsplätze besser als die Verwendung des Stadtbegriffs. Im Falle von Sigtuna ist die parallel zur Strandlinie verlaufende Hauptstraße das vorherrschend gestaltende Element. Man stößt auf die Siedlungsform der Kaufmannssiedlung, die sich in vielen Fällen archivalisch oder im Originalbefund noch einwandfrei nachweisen lässt, wenn man von dieser Sachlage ausgehend eine Anknüpfung an die weitere Entwicklung sucht, Neben den hier kartographisch dargebotenen Siedlungen (Kapitel I, Abschnitt 8, S. 51 ff.), lassen sich mühelos weitere Fälle zusammenstellen, die noch heute in den Katasterkarten enthalten sind, sei es als Bauteile der heutigen Stadt, sei es als selbständige Teile in der Vorstadt. In allen Fällen erscheint eine langgestreckte Straße mit eng aneinander gebauten Häusern, zu denen eine an hervorgehobener Stelle im Straßenzug oder abseits auf einer Höhe stehende Nikolaikirche gehört. So lange die Stadtgeschichtsforschung die Analyse des Stadtplans als wesentliches Hilfsmittel nicht erkannt hatte, musste diese Erkenntnis freilich verborgen bleiben. Wenn hier eine städtebauliche Entwicklungslinie von der straßenförmigen Kaufmannssiedlung zur voll entwickelten Stadt angeboten wird, so soll das nicht heißen, dass die Gestalt der mittelalterlichen Stadt allein aus der Kaufmannssiedlung des südlichen Ostseeraumes zu erklären sei. Es ist aber die Tatsache zu betonen, dass die rege Entwicklung im nordeuropäischen Küstenraum in Richtung auf städtisches Wesen um die erste Jahrtausendwende und danach Fortschritte gebracht hat, die für die Entstehung der hochmittelalterlichen Städte zumindest anregend, wenn nicht gar entscheidend waren. Bei der Frage nach der Entstehung der europäischen Stadt genügt nicht mehr die einfache Aussage der Landgemeindetheorie, die Städte hätten sich aus Dörfern entwickelt. Auch der bloße Hinweis auf eine Stadtgründung aus wilder Wurzel, wie sie in der romantischen Vorstellung des Singspiels von Paul Hindemith „Wir bauen eine Stadt“ angeboten wird, ist nicht brauchbar. Keine Erörterung der anstehenden Frage kann heute an der Tatsache vorbeigehen, dass die Forschungen der vergangenen Jahrzehnte einen neuen Siedlungs- und Verfassungstyp hervorgebracht haben, der als Vorstufe zur Rechtsstadt auftritt. Die Kaufmannssiedlung ist nicht Dorf, aber noch nicht Stadt. Der Leipziger Geograph Friedrich Ratzel hat vor hundert Jahren den trefflichen Gedanken ausgesprochen, man könne im Raum die Zeit lesen. Die Kaufmannssiedlungen bieten zum Verständnis dieser Aussage eine gute Gelegenheit, denn sie stehen in ihrer Entwicklung zwischen beiden Typen. Sie haben sich vom agrarischen Betrieb völlig gelöst und leben wirtschaftlich nicht mehr von der Produktion wie der Bauer, aber sie dienen auch nicht nur der handwerklichen Produktion. Sie haben es ausschließlich mit der Verteilung der andernorts erzeugten Waren zu tun, brauchen deshalb nur Räume zur Lagerung der Waren bis zum Verkauf. Das zeigt sich in ihrer baulichen Gestalt, in der Tierställe und Scheunen, aber auch Werkräume wie Schmieden, Backstuben oder Schlachthäuser fehlen.

4. Die Entdeckung der Topographie für die Stadtgeschichtsforschung

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Der Einzelfall einer topographischen Erscheinung, wie die Breite Straße und der Steinweg, kann zum Anlass genommen werden, eine oft wiederkehrende Tatsache in ihrer allgemeinen Gültigkeit hervorzuheben. Bei den 500 hier beobachteten europäischen Städten finden sich 22, bei denen im hohen Mittelalter eine Breite Straße oder ein Breiter Weg genannt wurden.45 Damit wird deutlich, dass der durchgehende Fernweg im Gelände der betreffenden Siedlung zu einer Breitstraße verbreitert worden war und sich in seiner Anlage zur Nutzung in Richtung auf einen Marktplatz entwickelt hatte. Von einem Platz im rechten Sinne konnte noch nicht gesprochen werden. Der Begriff der Breitstraße deutet jedoch den Fortgang zur städtischen Entfaltung an. In der gleichen Weise fällt der Steinweg, auch in der Abwandlung von Steinstraße, Steinbrücke oder Steintor auf, womit in 22 der untersuchten Fälle die Befestigung des durchgehenden Fernweges mit Pflastersteinen angezeigt wird.46 Diese Maßnahme setzte Menschen voraus, die aus der Kraft einer Gemeinschaft in der Lage waren, ein so aufwändiges Werk wie die Pflasterung einer Straße in die Wege zu leiten. Da es sich bei den Steinwegen zumeist um tiefer gelegene Abschnitte handelte, die sich im feuchten Gelände eines Flussüberganges befanden, begünstigte die Pflasterung das Fortkommen der Fahrzeuge, bei denen doch wohl schon an vierrädrige Wagen zu denken ist. In Görlitz befindet sich heute noch eine Kaufmannssiedlung aus dem frühen 12. Jahrhundert auf dem gleichen Grundriss wie bei ihrer Gründung. Sie besteht nur aus Wohnhäusern mit Nebengebäuden, die für den Warenverkehr ausreichen. Der funktionale und qualitative Unterschied zwischen Kaufmannssiedlung und Stadt wird dabei in sehr eindrücklicher Weise offenkundig. Er zeigt sich auch im unterschiedlichen Gefüge der Bewohner. Die Görlitzer Kaufmannssiedlung steht noch heute so an ihrem neunhundert Jahre alten „Steinweg“, wie sie bei ihrer Erbauung angelegt worden ist. Lediglich die zugehörige Nikolaikirche ist vor 500 Jahren als spätgotische Hallenkirche neu erbaut worden. Die beiden Häuserreihen stehen noch in der selben Art dicht gedrängt Wand an Wand, wie der Kupferstich von Matthäus Merian aus dem Jahre 1650 sie darstellt (Abb. 8b). Es herrscht eine völlige Gleichrangigkeit aller Häuser nach Grundriss und Bauart, aus der auf die Gleichheit aller Bewohner zu schließen ist. Eine solche geometrische Ordnung von 29 + 26 Häusern findet man in keiner straßenförmigen Dorfanlage auf dem Lande, geschweige denn in einer Stadtanlage, wie sie sich in den zerbombten Kellergeschossen zerstörter Städte in aller Offenheit darstellt. In den Städten bieten die von der Archäologie sorgfältig untersuchten Kellerkataster auffallende Ungleichheiten der individuell vermessenen Grundmauern. Die Fläche der Grundstücke ist um den Markt herum deutlich größer als an den Rändern, so dass sich

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Breite Straße in: Auma, Ballenstedt, Bernburg, Elbing, Frankenhausen, Hof, Kahla, Laibach, Lublin, Magdeburg, Marktschorgast, Nauen, Pegau, Peine, Pirna, Ratibor, Reval, Stendal, Strausberg, Treuenbrietzen Wernigerode, Zerbst. Steinweg in: Borna, Brüssel, Coburg, Gera, Glauchau, Görlitz, Greifswald, Hannover, Hildburghausen, Jena, Königsberg, Melsungen, Memel, Müncheberg, Münzenberg, Naumburg, Neuruppin, Prenzlau, Quedlinburg, Schwerin, Tann, Witzenhausen.

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I. Grundlagen

daran die Unterschiedlichkeit der Bürger ablesen lässt. In der Kaufmannssiedlung gibt es keine Rangunterschiede, keinen Bürgermeister, keinen Stadtrat und keine herausragenden Schöffen, sondern nur gleichgeordnete Mitglieder der Gemeinschaft, die sich in der Kirchgemeinde unter dem Dach der genossenschaftlichen Eigenkirche versammeln. Es dürfte schwer sein, an irgendeiner anderen Stelle stadtarchäologischer und stadtgeschichtlicher Forschung ein derartiges Vorbild frühbürgerlicher oder vorbürgerlicher Sozialordnung in einer so klaren, beispielhaften Art und Weise ausfindig zu machen. Dass über diesem urdemokratischen Gemeinwesen kein Inhaber feudaler Herrschaft stand, geht freilich aus dem archäologischen Befund nicht hervor. Eine bemerkenswerte Beobachtung beim Blick auf die bauliche Gestalt der Kaufmannssiedlung ist das Fehlen eines Marktplatzes, der ganz allgemein als das unverzichtbare Merkmal einer Stadt und als Mittelpunkt des städtisch-bürgerlichen Gemeinschaftslebens gilt. Die Siedlungen waren durchweg Anlagen in straßenförmiger Gestalt, die in der Regel aus zwei Häuserzeilen bestanden, zwischen denen sich eine „Breite Straße“ befand. Der Warenhandel kann sich demzufolge nur auf dieser Straße oder in den Hausgrundstücken vollzogen haben. Zu den oben dargelegten Unterschieden zwischen der auf römisch-rechtlichen Grundlagen aufgewachsenen und der „nordischen“ Stadt wäre folglich ein weiterer hinzuzufügen, der im Unterschied von Marktplatz und Breitstraße besteht. In Nikolai-Europa begann der Nikolaus-Kult nach 1087, von wo er sich dann in Windeseile verbreitete.47 Da die Fernhändler neben ihrer wirtschaftlichen Leistung auch die besten Übermittler von Nachrichten waren, ist es nicht verwunderlich, dass sich an ihren Einsatzorten die frühesten Nikolaikirchen feststellen lassen. Zugleich trugen sie mit ihren Waren auch die Kunde von dem segensreichen Heiligen weit in die europäischen Länder hinaus und machten ihn für mehr als ein halbes Jahrhundert zum Modeheiligen, so dass er konkurrenzlos in den frühen Kaufmannssiedlungen das geistliche Leben beherrschte. Erst mit dem Aufkommen der städtischen Ratsverfassung wurde er von der hl. Maria abgelöst, die seit der Verfestigung der Ratsherrschaft in den Städten stärker in den Vordergrund trat. Die bereits vorhandenen Nikolaikirchen blieben zum größten Teil bei ihrer Bewidmung, obwohl sich in bestimmten Fällen ein Patrozinienwechsel von Nikolaus zu Maria feststellen lässt. Im späten Mittelalter, in dem die kirchliche Bautätigkeit schon nachließ, sind keine neuen Nikolaikirchen mehr nachzuweisen. Andere Patrozinien wie die Heiligen Drei Könige, der hl. Wolfgang und die hl. Elisabeth traten jetzt in den Vordergrund. Der hl. Nikolaus kam zu voller Wirkung, als die Reihe der Schutzheiligen noch offen und die Gemeindeorganisation noch nicht abgeschlossen war. Nur so ist es zu erklären, dass die neuen Nikolaikirchen sich nicht in ein fest gefügtes System der Kirchgemeinden einordneten, sondern darin ihren eigenen Platz einnahmen. Für die gesamte römische Kirche gilt seit dem Mittelalter eine geschlossene territoriale Ordnung der Gemeinden,

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Vgl. hierzu Karlheinz Blaschke, Stadtplanforschung (Anm. 20).

4. Die Entdeckung der Topographie für die Stadtgeschichtsforschung

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in der für jeden Menschen entsprechend seinem Wohnsitz die Zugehörigkeit festliegt. Der leicht missverständliche Begriff des Kirchenzwanges legt lediglich fest, welcher Kirchgemeinde ein Christenmensch zugeordnet ist, damit er dort den geistlichen Zuspruch empfangen und am gesellschaftlichen Werk der Kirche mit Taufe, Eheschließung und Beerdigung teilnehmen kann. Da im Mittelalter ein Leben außerhalb der Kirche nicht denkbar war, ergab sich für jeden einzelnen die selbstverständliche Zugehörigkeit zu einer Kirchgemeinde, die neben der Familie und der herrschaftlichen Gliederung der Gesellschaft die wichtigste Form sozialer Ordnung darstellte. Als naheliegende Grundlage der Zuordnung diente der Wohnort, so dass die Wohngemeinden in Stadt und Land in der Regel zugleich als Kirchgemeinden in Erscheinung traten. Hier herrschte das Territorialprinzip. Daneben gab es auch Formen des Personalprinzips, das jedoch, abgesehen von den bei Paul Johansen (Anm. 25) beschriebenen Kirchen an der Ostseeküste, in der allgemeinen Ordnung der römischen Kirche keine erkennbare Bedeutung besaß. In dieser Hinsicht brachten die seit 1087 gegründeten Nikolaikirchgemeinden eine Wendung zum Personalprinzip. Die oben beschriebenen Besitzverhältnisse um die Colditzer Nikolaikirche zeigen eine Selbständigkeit gegenüber der später gegründeten Ortsgemeinde mit der Egidienkirche vor der Burg. Die nach 1087 entstandene Nikolaigemeinde in Bautzen am Mittelpunkt eines sehr umfangreichen Ortskirchensprengels um die Pfarrkirche St. Petri war eine reine Personalgemeinde mit einer am Steilhang über dem Flussübergang erbauten selbständigen Pfarrkirche. In Dresden bestand seit dem Ende des 10. Jahrhunderts die Marien-/Frauenkirche mit einem weiten Sprengel für die sorbischen Bewohner des Elbtals, während die Nikolai-/Kreuzkirche 400 Meter neben der Frauenkirche als das Gotteshaus für die deutschen Bewohner der Kaufmannssiedlung errichtet wurde. Die Kaufmannssiedlung Altleisnig stellte inmitten einer alten Urpfarrei eine selbständige Kirchgemeinde dar. Am Übergang einer der großen Fernstraßen über die Saale und in enger Verbindung mit dem wichtigen Salzort Halle war unter der Herrschaft der Erzbischöfe von Magdeburg ein gegliedertes Kirchenwesen aufgebaut worden, für das im Jahre 1116 ein Augustiner-Chorherrenstift gegründet wurde. Die damals bereits bestehende Nikolaikirche lag unmittelbar am Flussübergang, wo die „Klausbrücke“ den Fluss überquerte und heute noch die Große Klausstraße an die Kaufmannssiedlung erinnert (Abb. 9). Der Name deutet offensichtlich darauf hin, dass die Brücke von deren Bewohnern erbaut worden ist, denn gerade sie mussten ein besonders starkes Interesse an einem festen Flussübergang haben. Die Nikolaisiedlung muss sich mit ihrer Kirche in ein schon dicht bebautes Gebiet hineingezwängt und darin ihren Platz gefunden haben. Die gleiche Beobachtung ergibt sich beim Fernstraßenübergang über die Innerste am alten Bischofssitz Hildesheim, der bereits mit bedeutenden Kirchen eng besetzt war, als nach 1087 die Nikolaikirche auch noch einen Bauplatz beanspruchte. Die Nikolaistraße erinnert noch heute daran. Die hier niedergelegten Tatsachen werfen einen Blick auf die Quellenlage, die für die Erkundung der Nikolaisiedlungen zur Verfügung steht. Da die Überlieferung an schriftlichen Urkunden weitgehend ausfällt, müssen die topographischen Verhältnisse und die

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I. Grundlagen

Hinweise aus der Namenkunde zu Hilfe genommen werden. Im Falle von Halle/Saale ist es ein glücklicher Zufall, dass für das Jahr 1116 die Nachricht aus einer Urkunde vorliegt, die in das Geflecht von Vermutungen und Schlussfolgerungen einen festen Zeitpunkt setzt. Dieses Beispiel zeigt jedenfalls, dass mit Zuverlässigkeit eine Klausstraße für die Aufdeckung einer längst vergessenen Nikolaikirche genutzt werden kann. Auf dem Wege der Analogie lassen sich daraus weitere Schlüsse ziehen. Für Wittenberg ist die ganz versteckt gelegene Klausstraße der einzige Hinweis auf die ehemalige Nikolaikirche an diesem unverzichtbaren Übergang über die Elbe. Anhand der Nikolaikirchen ist es gelungen, einen bestimmten Siedlungstyp mit besonderen Merkmalen als Kaufmannssiedlung festzulegen. Diese Erkenntnis lässt sich noch einen Schritt weiter führen und auch dort anwenden, wo das Nikolaus-Patrozinium nicht überliefert wurde, weil es im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten ist. Das Beispiel von Glauchau ist hierfür hilfreich. Die langgestreckte Form der doppelten Häuserreihe an einer gradlinigen Straße mit einer Nikolaikirche vor einem Flussübergang konnte dort mit Hilfe zweier Flurnamen, nämlich Nikolaswiese und Nikolasberg, als Kaufmannssiedlung festgestellt werden. Ohne diese Überlieferung wäre die Kaufmannssiedlung „vergessen“ worden und nicht mehr als solche zu bestimmen. In der von Glauchau sieben Kilometer entfernten Siedlung Altstadt Waldenburg gibt es ebenso einen solchen Fall. Es hat sich am Übergang der Fernstraße von Altenburg nach Lößnitz die als Altstadt Waldenburg bezeichnete Siedlung gebildet, für deren Pfarrkirche aber kein überliefertes Patrozinium mehr nachzuweisen ist. Alle anderen Merkmale stimmen mit denjenigen überein, wie sie bei einer regelrechten Kaufmannssiedlung anzutreffen sind. Dass es sich nicht um ein Dorf handeln kann, ergibt sich aus der baulichen Anlage, die erst nachträglich einen Flurteil mit Waldhufen angesetzt hat. Die Bezeichnung als Altstadt deutet auf die ursprüngliche Eigenschaft als frühstädtische Siedlung hin. Der topographische Befund, der Ortsname und die geographische Lage sind anstelle von schriftlichen Quellen als Nachweise für einen geschichtlichen Sachverhalt ausreichend. Neben der Ortsbestimmung muss die Zeitstellung der Kaufmannssiedlungen beachtet werden. Da sie wesenhaft mit einer Nikolaikirche verbunden sind, ergibt sich als frühester Zeitpunkt ihrer Entstehung das Jahr der Translation des hl. Nikolaus um 1087. Seitdem sind Nikolaikirchen sehr schnell in großer Zahl über Europa weit verbreitet erbaut worden, die mit Kaufmannssiedlungen in Verbindung gebracht werden können. Im mitteldeutschen Raum ist Pegau zum Jahre 1092 der früheste Ansatzpunkt. (Nähere Angaben finden sich in den nachfolgenden Analytischen Ortsbeschreibungen). Bemerkenswert ist die Erbauung der Nikolaikirche in Sarpsborg südöstlich von Oslo im Jahre 1115 am nördlichen Ende des christlichen Europas, aus der die schnelle Verbreitung des Nikolauskultes zu erkennen ist. Das ist nicht verwunderlich, denn die Träger des Kultes waren Fernhändler, die auf ihren weiten Reisen die Kunde von der Heilswirksamkeit des Heiligen aus Myra über den ganzen Kontinent verbreiteten. Daraus ergibt sich beiläufig ein Hinweis auf die Geschwindigkeit in der Übermittlung von Nachrichten im hohen Mittelalter, wie sie auch bei der Ausbreitung des „Berggeschreis“ im Zusammenlaufen von Bergleuten in Freiberg im Jahre 1168 am Werke war.

4. Die Entdeckung der Topographie für die Stadtgeschichtsforschung

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Die große Zeit der Gründung von Nikolaikirchen war die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts, wenn auch die urkundlichen Ersterwähnungen oft erst im 13. Jahrhundert überliefert sind. Das erklärt sich aus der mangelhaften schriftlichen Überlieferung, die erst nach 1200 in stärkerem Maße einsetzt. Die Erforschung der Stadtgeschichte ist lange Zeit dadurch in die Irre gegangen, dass sie immer nur die einzelne Stadt im Blick gehabt hat. Man muss aber das Städtewesen des hohen Mittelalters als ein System mit einem inneren Zusammenhang begreifen, in dem die Einzelteile vielfach miteinander verbunden sind. Die herrschaftliche Ordnung des Mittelalters beruhte auf der Macht einzelner Herren, Könige, Herzöge, Fürsten, geistlicher Würdenträger, von denen jeder für sich stand, um in aristokratischer Vereinzelung seine Herrschaft auszuüben. Die bürgerliche Welt in der neu entstehenden Stadt gründete sich auf den genossenschaftlichen Zusammenhalt, wie er in den nordischen Fahrmännergemeinschaften geübt worden war und sich beim Übergang in den sesshaften Stand der Kaufleute fortgesetzt hatte. Herrschaft und Genossenschaft sind die beiden tragenden Formen gesellschaftlicher Verfassung, die in der Geschichte des Mittelalters einander gegenüberstehen. Das solidarische Prinzip der Fernhändler setzte sich in den Kaufmannssiedlungen fort und ließ gleichgeartete Formen des Lebens und der Verfassung entstehen. Die gemeinsame Verehrung des hl. Nikolaus scheint dabei eine starke verbindende Kraft gewesen zu sein, die überall dort wirksam war, wo Fernhändler sich zu gemeinsamem Erwerb niederließen. Auf diese Weise erklärt sich die große Anzahl der Nikolaikirchen gerade in den mittel-, ost- und norddeutschen Gebieten, die im Zuge der Ostkolonisation in die westlich geprägte Welt Europas einbezogen wurden. Man kann sich die Ausbreitung des Nikolauskultes als ein Lauffeuer vorstellen, das sich von seinem italienischen Ausgangspunkt Bari aus unaufhaltsam fortgesetzt und ganze Fernstraßenzüge in europäischen Ausmaßen erfasst hat. Die wenigen schriftlich überlieferten Zeugnisse bereits bestehender Nikolaikirchen sind Festpunkte auf den Wegen des Vorwärtsschreitens. Dabei lässt es sich aus der Logik des Systems schlecht vorstellen, dass eine zum Jahre 1116 genannte Nikolaikirche auf weiter Flur hätte allein stehen können, während die erst später durch den Zufall der schriftlichen Überlieferung bekannt gewordenen Nikolaikirchen in der Nachbarschaft noch nicht bestanden hätten. Eine Kaufmannssiedlung des frühen 12. Jahrhunderts ist doch wohl in ein gleichzeitig bestehendes Netz von weiteren Siedlungen der gleichen Art einzuordnen, in dem es keine Lücken gab. So ist davon auszugehen, dass die mit Nikolaikirchen besetzten Fernstraßenzüge in einer verhältnismäßig kurzen Zeit entstanden sind, wobei die vielleicht anfangs vorhanden gewesenen Lücken bald ausgefüllt wurden. Der Weg an der südlichen Ostseeküste ist nachweisbar von einer Stadt zur anderen mit Nikolaikirchen besetzt. Es wäre abwegig, hier von einem Zufall sprechen zu wollen. Vielmehr liegt es nahe, diesen bedeutenden Handelsweg auf dem Lande als einen Begleitweg zur Ostseeschifffahrt aufzufassen, der sich folgerichtig vom Westen nach dem Osten aufgebaut hat. Dass dabei die Nikolaisiedlung in Königsberg etwas später angelegt worden sein muss als jene in Stettin, bedarf keiner Erörterung, aber beide gehören in das gleiche System eines nach Osten ausgreifenden Fernhandels.

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I. Grundlagen

Die spärliche schriftliche Überlieferung entspricht dem allgemeinen Stand der gesellschaftlichen Entwicklung und des herrschaftlichen Gefüges, das noch nicht eine so reiche Urkundenüberlieferung wie die Zeit nach 1200 hervorbrachte, obwohl damals vieles in Bewegung war. In der deutschen und europäischen Geschichtsschreibung herrscht Einmütigkeit darüber, dass jene Epoche den Welthorizont öffnete. Große Menschenmengen zogen als Pilger und Teilnehmer an den Kreuzzügen in fremde Länder. Der Fernhandel brachte Münzen in Umlauf, die als archäologische Beweisstücke in großer Zahl die neue Beweglichkeit zu erkennen geben. Die um das Jahr 1100 einsetzende Ostsiedlung überschritt die Elbe-Saale-Linie, womit sie eine erst im 14. Jahrhundert zur Ruhe kommende Kolonisation in den europäischen Osten hinein einleitete. Frühformen des Städtewesens bildeten sich an Rhein und Donau in Anlehnung an römische Siedlungsreste. Der slawische Osten wurde stärker in das gesellschaftliche Leben Europas einbezogen. Die ständische Gliederung der Gesellschaft brachte neue Formen der sozialen Beziehungen und damit auch Spannungen auf, wobei die Ausbildung der Ministerialität als einer zunächst unfreien Führungsschicht besondere Aufmerksamkeit verdient. Mitteleuropa erlebte einen allgemeinen Aufbruch, womit diese Epoche in ihrer vorwärtsdrängenden Unruhe treffend gekennzeichnet wird. Karl Bosl hat diesem bedeutsamen Abschnitt der deutschen Geschichte eine tiefgehende Studie gewidmet, in der er am Beispiel der Regularkanoniker die Stellung von Religion und Seelsorge in einer mobilen Gesellschaft und die daraus sich ergebende Rolle des Klerus darlegte.48 Dadurch ist in einer Verbindung von Gesellschaftsgeschichte und seelsorgerlicher Wirksamkeit das beeindruckende Bild einer Umbruchzeit entstanden, wie es nur in der Einheit von Kirchengeschichte und Weltsicht möglich ist. Diese Beobachtung fügt sich in den gewaltigen Auftrieb ein, den der Nikolauskult seit dem Jahre 1087 erlebte. Damit öffnet sich der Blick erneut auf die Darstellung von Nikolaikirchen und Stadtentstehung. Das Wissen um die Einheit von Kirche und Welt gehört zu jeder sachgemäßen Vorstellung über mittelalterliche Geschichte. Für das anstehende Thema zeigt sich das im Zusammenwirken von geistlichen und weltlichen Funktionen in den Nikolai-Kaufmannssiedlungen des 12. Jahrhunderts. Die genossenschaftliche Verfassung lässt sich an den Besitzverhältnissen ablesen, wie sie Paul Johansen (Anm. 25) für die südskandinavischen Siedlungen dargelegt hat. Sie zeigen, dass die Nikolaigemeinden nicht einer herrschaftlichen Obrigkeit untergeordnet und demzufolge nicht in das Feudalsystem einbezogen waren, sondern in einem herrschaftsfreien Raum lebten, in dem sie sich nach genossenschaftlicher Art selbst verwalteten. Darüber liegen keine schriftlichen Zeugnisse vor, da es eine schriftliche Verwaltung offenbar niemals gegeben hat. Sie war einfach nicht notwendig. Zur Art der Selbstverwaltung in den Kaufmannsgemeinden bietet Johansen ausreichende Beispiele aus dem skandinavischen Gebiet, die ohne Bedenken auch für die Nikolaigemeinden auf dem europäischen Festland übernommen werden können.

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Karl Bosl, Regularkanoniker, (Anm. 2).

4. Die Entdeckung der Topographie für die Stadtgeschichtsforschung

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Die Nachrichten über die Kaufmannssiedlung in Colditz bestätigen den gleichen Sachverhalt, denn die Zuordnung der Grundherrschaft über die Grundstücke zum Gotteskasten weist auf die Rechtsnachfolge der einstigen Kaufmannsgemeinde im Jahre 1833 hin. Weitere Einzelfälle dieser Art werden aus der Beschäftigung mit den Analytischen Ortsbeschreibungen (Kapitel II) offenkundig. Bei dem mächtigen Aufblühen des Nikolauskultes seit 1087 geht es um eine gesamtgesellschaftliche Erscheinung, in der weltliche, wirtschaftliche und religiöse Kräfte sich zu einer Einheit verbunden haben. Es mag schon ein Zufall gewesen sein, dass sich am Ende des 11. Jahrhunderts zwei so grundverschiedene Ereignisketten wie die Translation eines Heiligen aus dem Orient nach Süditalien und das elementare Aufsprießen einer ganz neuen städtisch-bürgerlichen Gesellschaft zusammenwuchsen. Wenn man die weitere Entwicklung der Kaufmannssiedlungen verfolgt, gingen sie zumeist in eine vollgültige Rechtsstadt ein. Nur in wenigen der vielhundert nachgewiesenen Fälle ist die Siedlung auf ihrem Stand des frühen 12. Jahrhunderts stehen geblieben. Sie war zumeist ein Durchgangsstadium. Entweder wurde sie durch Anreicherung von neuen Straßen zur Stadt erweitert (Dresden), oder die neue Stadt wurde neben ihr auf einem völlig neuen Gelände angelegt (Görlitz, Nabburg). Der Zustand der Kaufmannssiedlung als eines selbständigen Verfassungskörpers ist nur in den wenigen Fällen geblieben, wo sie sich scheinbar zum Dorf zurück entwickelt hat (Altleisnig, SchongauAltenstadt mit Martinskirche). Da die Verleihung von Stadtrecht seit der Mitte des 12. Jahrhunderts einsetzte, ist etwa ein halbes Jahrhundert als Lebensdauer des Typus Kaufmannssiedlung anzusetzen. Es war die Zeit der starken Bewegung, in der für viele werdende Städte die Verleihung des Stadtrechts festzustellen oder zu vermuten ist. Gleichzeitig trat auch die Ostkolonisation in ihre Blütezeit ein, wie es sich an der urkundlich nachzuweisenden ländlichen Siedeltätigkeit zeigt. Es ist falsch, die bäuerliche Kolonisation und die „Stadtgründungen“ zeitlich voneinander zu trennen, wie es in der Tradition der Forschung geschieht. Das ist ein Irrtum, der sich aus der immer noch nachwirkenden Landgemeindetheorie ergeben hat, die eine Stadt nur als Ergebnis der Weiterentwicklung aus einer bereits bestehenden Dorfanlage verstehen konnte. Tatsächlich ging die kolonisatorische Erschließung eines Landgebietes durch die Gründung von Dörfern und die Anlage von Städten Hand in Hand. Beides ereignete sich gleichzeitig. Wenn in der Gründungsurkunde für das Dorf Kühren im Jahre 1154 von den aus Flandern angekommenen Kolonisten eine Geldabgabe verlangt wurde, so mussten sie eine Möglichkeit haben, die Früchte ihrer Arbeit zu verkaufen. Das konnte nur in der nächst gelegenen Stadt Wurzen geschehen, die nicht erst Jahrzehnte später „gegründet“ worden sein kann.49 Allein die Geschäftstechnik der Geldwirtschaft erforderte die Gleichzeitigkeit von bäuerlicher Kolonisation und Stadtanlage. Einen zweiten, durchaus sicheren Nachweis bietet die Kirchenorganisation mit den vielen Stadtkirchen, die

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Ostsiedlung und Landesausbau in Sachsen. Die Kührener Urkunde von 1154 und ihr historisches Umfeld. Hg. von Enno Bünz, Leipzig (2008).

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I. Grundlagen

gleichzeitig Pfarrkirchen für Dörfer waren. Die mitten im Kolonisationsgebiet der nordsächsischen Ebene gelegene Stadt Großenhain besitzt eine Stadtkirche, in deren Parochie seit allem Anfang vier benachbarte Dörfer eingepfarrt waren. Wenn die Stadt erst seit ihrem frühesten Auftreten in der schriftlichen Überlieferung im Jahre 1205 bestanden hätte, wären die vier Dörfer von ihrer Gründung in der Mitte des Jahrhunderts an ohne geistliche Versorgung gewesen, was für die mittelalterlichen Verhältnisse undenkbar ist. Allein diese Überlegungen und die Erkundungen über die Kaufmannssiedlungen zeigen die Fragwürdigkeit des Begriffs der Stadtgründung. Er stammt aus der Geschichtsauffassung des 19. Jahrhunderts mit ihren romantischen Grundlagen und ihrem idealistischen Bild der Geschichte, das nur aus Einzelpersonen und Einzelereignissen bestand. Die Arbeit an der Geschichte des Städtewesens in Sachsen hat Entwicklungen zu Tage gefördert, die von der Kaufmannssiedlung über die frühstädtische (Alt-)Stadt zur vollen Rechtsstadt geführt und dabei auch Stadtverlegungen eingeschlossen haben. Borna, Chemnitz und Leisnig sind hier als Beispiele zu nennen. An welchem Punkt der mehrstufigen Entwicklung der städtebauliche „Urknall“ angesetzt werden kann oder die jetzige Stadt aus dem Ei gekrochen sein sollte, bleibt bei diesem Stand der Dinge eine offene Frage.

5. Die Kaufmannssiedlung als Typus Es hat seine Ursachen, dass Kaufmannssiedlungen als Typus der Siedlungsgeschichte bisher wenig beachtet und zumindest in Sachsen niemals als Gegenstand historischer Forschung oder auch nur historischen Interesses aufgetreten sind. Sie standen stets außerhalb der herrschaftlichen Ordnung und damit auch weitgehend außerhalb der Schriftlichkeit, die in den genossenschaftlich geordneten Körperschaften mit Selbstverwaltung nur selten verwendet und wohl auch nicht benötigt wurde. Eine förmliche Verleihung von Stadtrecht an eine Stadt ist in vielen Fällen erfolgt und mit Hilfe einschlägiger Urkunden tatsächlich nachzuweisen. Im mittelalterlichen Urkundenbestand nehmen die Verleihungen von Stadtrecht jedoch nicht eine so vorherrschende Stellung ein, dass man annehmen dürfte, jeder Stadt sei ausdrücklich das Stadtrecht verliehen worden. Es besteht vielmehr der Eindruck, dass dieses Recht ohne eine förmliche Urkunde von einem Inhaber feudaler Herrschaft mündlich an die sich ausbildende Stadtgemeinde übertragen worden sei. Freilich stellt sich bei der Offenheit der werdenden Stadtverfassung auch die Frage, ob nicht in vielen Fällen städtische Rechtsgewohnheiten einfach dort in Anspruch genommen wurden, wo die Formierung der Stadtgemeinde einen angemessenen Reifegrad erlangt hatte und ein Widerspruch von herrschaftlicher Seite nicht erfolgte. Wenn allen mittelalterlichen Städten das Stadtrecht in der idealisierten Form verliehen worden wäre, dann müsste dieser für jede Stadt hochbedeutsame Vorgang einen stärkeren Niederschlag in der Überlieferungsmasse der Stadtarchive gefunden haben. Auf jeden Fall liegt in der Ausübung des Stadtrechts ein

5. Die Kaufmannssiedlung als Typus

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grundlegender Unterschied zwischen der Kaufmannssiedlung und der Rechtsstadt. Das gesellschaftliche Leben in den Siedlungen scheint sich in wenig entwickelten, traditionell archaischen Formen ereignet zu haben, in denen Neuerungen nicht notwendig waren, weil die bewährte herkömmliche Ordnung auch in der Begegnung mit den Auswirkungen der rationalen römischen Rechtsordnung bestehen blieb. Bei der Beschäftigung mit diesen Vorgängen muss bedacht werden, dass sie sich weitgehend außerhalb der Schriftlichkeit ereigneten. Das 11. Jahrhundert hat in einem Maße Urkunden hinterlassen, die immerhin eine gewisse Vorstellung von den damals herrschenden Verhältnissen ermöglichen. Das betrifft vor allem die Vorgänge innerhalb der Kirche und der Herrschaftsträger. Der nunmehr sich bildende Kaufmannsstand kam zunächst noch ohne schriftliche Beziehungen aus, jedenfalls hat er keine Schriftzeugnisse hinterlassen. Die Wirtschaftsgeschichte des 12. Jahrhunderts ist deshalb auf eine sehr dürftige Quellenlage angewiesen. Geschäftskorrespondenz, Rechnungen oder Warenverzeichnisse wurden offenbar nicht angefertigt. Die Raffelstetter Zollordnung aus den Jahren 903/05 steht ganz einsam in der Geschichte des frühen Mittelalters, so dass sich aus ihr keine allgemein gültigen Schlüsse ziehen lassen. Die Erforschung der Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts ist daher auf Rückschlüsse aus späteren Nachrichten, aus archäologischen und topographischen Erkenntnissen angewiesen. In dem folgenden Abschnitt kann es nicht darum gehen, eine umfassende Beschreibung der Kaufmannssiedlungen mit allen ihren topographischen und rechtlichen Merkmalen anzubieten und das in ihr ablaufende Wirtschaftsleben darzustellen. Dazu bedürfte es weitergehender Nachforschungen, für die hier lediglich Hinweise angeboten werden können. Die Darlegungen dürften jedoch zeigen, dass es sich um einen wesentlichen Gegenstand der Geschichtswissenschaft handelt. Im Ablauf der Geschichte besitzen diese Siedlungen einen eigenen Wert und ein besonderes Gewicht, dessen Bedeutung noch zu wenig erkannt ist. Als einer der führenden Erforscher der slawisch-deutschen Kontakte hat sich Wolfgang H. Fritze über den Begriff der Kaufmannssiedlung geäußert und festgestellt, dass eine colonia mercatorum bereits im 12. Jahrhundert überliefert ist.50 Er setzt diesen Begriff mit der Kaufmannssiedlung gleich. Unter ihr versteht er „die ortsfeste, dauerhafte Niederlassung einer Gruppe von Fernhandel treibenden, persönlich freien oder doch freizügigen Berufskaufleuten“, die im westlichen Europa seit der Karolingerzeit auftreten. In den westslawischen Ländern seien sie dagegen zur gleichen Zeit nicht zu beobachten. Die Kaufmannssiedlung sei keine in sich abgeschlossene Siedlungseinheit, sondern lehne sich räumlich wie funktional an andere Elemente der Siedlung und Wirtschaft an, nämlich an einen Burgort mit einem zugeordneten Markt, folglich an eine „Burgstadt“. Während deren Bevölkerung aber in herrschaftlichen Bindungen steht, ist die Kaufmannssiedlung eine autonome Einheit freier Leute, die eine Personalgemeinde 50

Wolfgang H. Fritze, Hildesheim-Brandenburg-Posen. Godehard-Kult und Fernhandelsverkehr im 12. Jahrhundert. In: Beiträge zur Entstehung und Entwicklung der Stadt Brandenburg im Mittelalter, hg. von Winfried Schich, Berlin (1993), S. 121 (mit topographischer Lageskizze für Posen).

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I. Grundlagen

bilden. Die Kaufleute sind gildemäßig verfasst und stellen eine sich selbst verwaltende Körperschaft dar. In ihrem Zentrum steht eine Kaufmannskirche mit dem Rechtsstatus einer Eigenkirche der Kaufmannsgemeinschaft, die dieses Gebäude als Versammlungsort und Warenstapelplatz nutzt. Diese Kennzeichnung deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen, die sich aus der hier dargelegten Beschäftigung mit den Kaufmannssiedlungen unter dem Nikolaus-Patrozinium ableiten lassen. Sie entspricht der Schilderung, wie sie Henri Pirenne für die Lage der Fernhändler im 11. Jahrhundert gegeben hat (Kapitel IV). Ebenso wie Pirenne stellt Fritze seit dem 10. Jahrhundert eine Steigerung des Handelsverkehrs fest, wodurch sich das Netz der Märkte verdichtete und die Anzahl der Berufskaufleute vergrößerte. Daraus ergab sich das Bedürfnis nach gemeinsamer Siedlung und einem „Gesellungsrecht“, aus dem sich später die Entstehung der kommunalen Stadt erklärt. Dort spielten die Fernhandel treibenden Berufskaufleute eine führende Rolle. Bei diesem Gedankengang ergibt sich allerdings eine Lücke bis zur „kommunalen Stadt“, die Fritze mit der Nennung einiger weniger hochrangiger Kaufmannssiedlungen östlich von Elbe und Saale in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts schließt. Die damals bereits vorhandenen zahlreichen Nikolaikirchen werden nicht angesprochen. Diese Gedankenführung geht noch von der alleinigen Gültigkeit der schriftlich überlieferten Urkunde aus. Dass es im Jahre 1250 in Hildesheim, Braunschweig, Hamburg, Stade, Brandenburg, Lübeck, Stettin, Leipzig und Prag Nikolaikirchen gab, die auf den Aufbruch des Jahres 1087 zurückgehen könnten, ist in diesen Überlegungen nicht bedacht worden. Wenn man den Mut hat, sich von den reinen Aussagen der Urkunden zu lösen und sich auf die topographischen Zeugnisse einzulassen, fällt es nicht schwer, für die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts das Bestehen von Nikolaikirchen mit den zugehörigen Kaufmannssiedlungen als gegeben vorauszusetzen. Die bekannte Gründungsurkunde für Leipzig, die mangels eines überlieferten Datums auf die Zeit um 1160 festgelegt wird, setzt das Bestehen einer städtischen Siedlung voraus, deren Nikolaikirche ohne Schwierigkeit in den Anfang des 12. Jahrhunderts gesetzt werden kann. Auf diese Weise ist es möglich, die von Fritze festgestellte Lücke in der Überlieferung zu schließen. Man sollte sich für die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts nicht nur auf die großen, hoch angesehenen Frühstädte beschränken, sondern unter Berufung auf das Nikolaus-Patrozinium auch die vielen kleineren Städte in Betracht ziehen, die seit dem frühen 12. Jahrhundert nach dem Zeugnis ihrer Nikolaikirchen vorhanden oder im Entstehen begriffen waren. Auf diese Weise ergibt sich ein begründeter Anschluss an die bis zum Jahre 1150 nur spärlich überlieferten Städte. Die Darlegungen von Fritze können für Mitteleuropa im Gefolge von Pirenne eine Lage schildern, in der sich das Wirtschaftssystem in diesem Raum in einer Wartestellung befand, die auf einen Durchbruch zu fester Gestaltung und Ordnung hinlebte. In diese offene Stellung kam die Legende vom hl. Nikolaus gerade recht, denn damit fand sich im Bereich der Religion mit ihrer damals starken Bindekraft eine Sinngebung, die den entstehenden Berufsstand der Fernhändler zusammenband und ihm in der Person seines Schutzpatrons die überzeugende Gestalt der Identifikation verschaffte. Damit zeigt sich

5. Die Kaufmannssiedlung als Typus

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auch von der ostmitteldeutschen Landesgeschichte ausgehend ein Zugang zum Verständnis der Verbreitung des Nikolaus-Patroziniums. In dem vorstehenden Text wird mehrfach auf die Tatsache eingegangen, dass dem Typus der Kaufmannssiedlung im Vorgang der Stadtentstehung eine besondere Bedeutung zukommt. Ein Blick auf das von Pirenne hinterlassene Erbe ruft den kritischen Eindruck hervor, dass in den sächsischen Veröffentlichungen und Erörterungen zum Thema der Stadtentstehung kaum Kenntnis von den Kaufmannssiedlungen genommen worden ist. Wenn sie überhaupt auffielen, traten sie in einer wenig beachteten Nebenrolle auf, so dass die Meinung entstehen konnte, sie gehörten einfach als eine etwas abweichende Stufe in den Entwicklungsgang der Stadt. Diese Auffassung ist falsch, weil sich Kaufmannssiedlungen in doppelter Hinsicht von der eigentlichen Stadt unterscheiden. In ihrer topographischen Erscheinung ergeben die durchweg straßenförmigen Nikolaisiedlungen ein völlig anderes Bild als die späteren Städte mit ihrem Straßennetz, wie es in den Fällen von Innsbruck und Krakau zu erkennen ist. Auch in ihrer Verfassung weichen sie von derjenigen einer Rechtsstadt unter der Herrschaft eines Rates ab, wie es sich am Beispiel von Colditz gezeigt hat. Die angeführten Einzelfälle Altenstadt Bayreuth, Nikolaigasse Innsbruck, Altleisnig und Altencham sind nicht zu Städten im Rechtssinne geworden, sondern nach der Festigung der Rechtsstadt auf die Ebene von Landgemeinden abgesunken. Altleisnig war bereits civitas. Von einem Zurückfallen lässt sich hier nicht sprechen, weil sie niemals echte dörfliche Gemeinden gewesen sind. Sie sind auf wilder Wurzel von Fernhändlern für deren Zwecke angelegt worden, haben keinen landwirtschaftlichen Betrieb ausgebildet, sind nicht zum Zweck der Bodennutzung in feudale Abhängigkeit eingetreten und befanden sich nach der Übersiedlung ihrer Bewohner in die neu gegründete Stadt in einem Schwebezustand, von dem aus sie erst ihre neue Bestimmung finden mussten. Um richtige Dörfer zu werden, mussten sie erst eine Dorfflur als wirtschaftliche Grundlage der bäuerlichen Arbeit schaffen. Vielen von ihnen haftete die unentschiedene Lebensart ihrer Bewohner bis in das 19. Jahrhundert an, als die soziale Unterscheidung von Bürger und Bauer, von Stadt und Landgemeinde unter den Bedingungen des bürgerlich-liberalen Staates hinfällig wurde. Um diese Verhältnisse zu klären, sind noch Untersuchungen zur ländlich-dörflichen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte notwendig. Die Definition als Marktgemeinde wird dabei gern als Aushilfe genutzt. Der Leipziger Geograph Friedrich Ratzel hat den treffenden Gedanken geäußert, man müsse im Raum die Zeit lesen. Er hat damit die enge methodische Beziehung zwischen Geographie und Geschichte ausgedrückt, die gerade für eine auf topographischen Grundlagen aufgebaute Stadtgeschichte zutrifft. Im kritischen Abstand zur herkömmlichen Forschung ist vorliegend mehrfach auf die Blindheit gegenüber den augenfälligen Tatsachen hingewiesen worden, die sich in der Entwicklung zur Stadt darbieten. Dabei fällt das Fehlen eines Marktplatzes im Gefüge der Kaufmannssiedlung auf. In der Geschichte des hochmittelalterlichen Städtewesens nehmen der Markt als rechtliche Institution und der Marktplatz als zentraler Ort im städtischen Raum eine hohe Stellung ein. Die Verleihung von Marktrecht war ein unverzichtbarer Schritt auf dem Wege zur

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I. Grundlagen

Stadtverfassung. Bei einem Blick auf den Stadtplan fällt auch in den kleinsten Städten sofort der Marktplatz auf. Das wirtschaftliche Leben einer Stadt war in älterer Zeit ohne den Marktplatz nicht denkbar. In der Regel beherrschte der Marktplatz von seiner Mittellage aus das ganze Geschehen in einer Stadt. Stadtkirche und Rathaus wirkten von hier aus in das städtische Leben hinein. Geistliche Spiele und städtische Lustbarkeiten machten den Marktplatz zum kulturellen Mittelpunkt der Stadt.51 Für diese Ereignisse gab es in der Kaufmannssiedlung keinen Ort, an dem sich die Einwohner hätten begegnen können. Im Gegensatz zum flächenhaften Platz fehlte der langgestreckten Straßensiedlung der Raum, der die Kommunikation ermöglicht und gefördert hätte. Bei der Beschreibung eines Gegenstandes denkt man in der Regel an das, was er zu bieten hat und was ihn auszeichnet. Gelegentlich kann es aber auch aufschlussreich sein, an das zu denken, was ihm fehlt. Das trifft auf die Kaufmannssiedlung zu, die nicht über einen Marktplatz verfügte und mit diesem Mangel ihren entscheidenden Unterschied zur Stadt anzeigte. Auch eine negative Definition kann für die Kennzeichnung eines Siedlungstyps wichtig sein. Damit ist im Sinne von Friedrich Ratzel vom Augenschein her der deutliche Unterschied zwischen Kaufmannssiedlung und Stadt klargestellt. Wenn man an die besondere Bedeutung denkt, die dem Markt in allen Erörterungen über die Entstehung der Stadt zukommt und ihm eine fast unverzichtbare Rolle bei der topographischen Ausbildung der Stadt zuschreibt, dann zeigt die Beschäftigung mit den Kaufmannssiedlungen ein ganz anderes Bild. Die topographische Gestalt der Kaufmannssiedlung, wie sie im Zusammenhang der vorliegenden Untersuchung beobachtet wurde, bietet keine Platzformen. Es handelt sich durchweg um straßenförmige Anlagen, die aus jeweils zwei parallel nebeneinander laufenden Häuserzeilen bestanden. Nicht einmal an der Stelle, wo mit der Errichtung der Nikolaikirche ein funktionaler Mittelpunkt der Siedlung entstand, wurde dieser Grundsatz gestört. Man kann in der völligen Einordnung der Kirche in die Häuserreihe die Absicht sehen, keine Ungleichheit zu schaffen und auch das Haus des Pfarrers trotz seiner unvermeidlichen Führungsrolle nicht über die Gleichheit der Gemeinschaft, der „Dorfgenossen“, hinauszuheben. Im Falle von Görlitz und Bergen ist mit dem abseitigen und erhöhten Bauplatz der Nikolaikirche dieser Grundsatz allerdings aufgegeben worden. In der Kaufmannssiedlung Altstadt Waldenburg ordnet sich die Kirche völlig in die Reihe der Gemeindemitglieder ein. Der Mangel an platzförmigen Märkten in den Kaufmannssiedlungen steht im Widerspruch zu der Rolle, die in der Fachliteratur dem Markt in der Entwicklung zur Stadt zugesprochen wird. Er muss bedacht werden, wenn über die Entstehung der hochmittelalterlichen Stadt in Europa Überlegungen angestellt werden. Wenn die platea im Lateinischen als „breiter Raum zwischen den Häuserreihen“ verstanden wurde, dann deckt sich diese Erklärung nicht unbedingt mit den europäischen Wörtern Platz, place, piazza, so dass an einen Bedeutungswandel zu denken ist, der mit der architektonischen Gestaltung zusammenhängen dürfte. 51

LexMa VI, Sp. 308–311.

5. Die Kaufmannssiedlung als Typus

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Der Übergang von der Kaufmannssiedlung zur Rechtsstadt war mit einer grundlegenden topographischen Neuschöpfung verbunden. Diese lässt sich in allen nachweisbaren Einzelfällen darlegen, wie die Beispiele Innsbruck und Krakau zeigen. Dass sie in der Forschung nicht beachtet wurde, bezeugt die Tatsache, wie oberflächlich die Begriffe der Verfassung und Verwaltung im ländlichen Bereich verwendet worden sind. Neben dem qualitativen Unterschied zwischen beiden Siedlungsformen fällt noch besonders die Anzahl der Einwohner auf. Als tragfähiger Untergrund dieses gewaltigen Aufbruchs muss die starke Zunahme der Bevölkerung beachtet werden, in der mit den Bewohnern der Kaufmannssiedlungen ein neuer sozialer Stand auftrat. Wenn man von einer Normgröße von 50 Hausstellen in jeder dieser Siedlungen und somit von etwa 250 Einwohnern ausgeht, ergeben die in der vorliegenden Abhandlung aufgeführten 500 Siedlungen eine Summe von 125 000 Menschen, die als Bewohner der künftigen Städte bereit standen. Die angenommene Anzahl von 500 Siedlungen lässt sich leicht übertreffen, wenn man allein die Menge der Nikolaikirchen im deutschen Geschichtsraum überschlägt. Man muss deshalb nicht eine plötzliche Umsiedlung von Bauern annehmen, die schließlich von der Mitte des 12. Jahrhunderts an die neu entstandenen und weiterhin entstehenden Städte bevölkerten. Diese neue städtische Bevölkerung lebte bereits in sechsstelliger Zahl in den über Europa verteilten Kaufmannssiedlungen. Als die Bewohner der Kaufmannssiedlungen in die neuen Städte umzogen, wie man es sich wohl vorstellen muss, konnten sie mit ihrer geringen Menge nur einen Teil der neuen Stadtfläche ausfüllen. Wenn die alte Nikolaisiedlung Krakau nach Auskunft des Katasterplans von 1848 etwa 50 Hausgrundstücke und folglich 250 Einwohner umfasst hat, so stehen ihr in der Rechtsstadt des 12. Jahrhunderts etwa 350 Grundstücke gegenüber, in denen eine Bevölkerung von nahezu 2000 Menschen angesetzt werden kann. Allein eine solche Beobachtung lässt den Schluss zu, dass bei der Umstellung der frühstädtischen Lebensverhältnisse von den Kaufmannssiedlungen zu den Rechtsstädten etwa mit einer Verzehnfachung der Anzahl der beteiligten Menschen gerechnet werden kann. Sie mögen aus den umliegenden ländlichen Gebieten oder aus weiterer Ferne zugewandert sein, müssen aber zur Verfügung gestanden haben. Da gleichzeitig in weiten Teilen Europas eine Siedelbewegung im Gange war, die neue Dörfer und Städte entstehen ließ, stellt sich die Frage nach der Herkunft der Bewohner in aller Schärfe. Allein die dabei zu Tage getretenen Überlegungen über die Menge zeigen an, welche bewegenden Kräfte beim Blick auf die Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts zu bedenken sind. Der Begriff des Umbruchs trifft hier im vollen Sinne zu. Bei den angesprochenen Kaufmannssiedlungen handelt es sich nicht um einen in der Geschichtswissenschaft seit langem eingeführten, feststehenden und anerkannten Begriff. Im LMA V, Spalte 1086 (1991) wird beiläufig der Begriff der „Kaufmannskolonien“ erwähnt und auf die „mögliche Bedeutung der Nikolaikirchen im Ostseegebiet als Zentren der Handelsexpansion“ hingewiesen. Der Begriff der Kaufmannssiedlung selbst fehlt im Lexikon. Er ist durch Pirenne mit der Bezeichnung „colonies des marchands“ grundsätzlich angenommen, aber nicht als selbständiger Typus von Siedlung und Verfassung ausgewiesen worden.

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I. Grundlagen

In dem beachtenswerten Vorrat an neuen Begriffsbildungen, die sich im Umfeld der Stadtgeschichtsforschung eingestellt haben, muss die Bezeichnung „Burgstadt“ bedacht werden. Sie darf schon deshalb nicht vernachlässigt werden, weil sie in sprachlicher Hinsicht auf das Engste mit dem „Bürger“ zusammenhängt. Als Bürger sind streng genommen nur die Bewohner einer Siedlung zu nennen, die den Namen „Burg“ trug und inhaltlich den heutigen Stadtbewohner meinten. Die Wortbildung „Burgstadt“ (die Burg als Ansatzpunkt für die Entstehung einer Stadt) unterscheidet sich ihrer Herkunft nach von allen anderen bekannten Zusammensetzungen, in denen es um einen besonderen Zweck der Stadt geht, wie Bergstadt, Festungsstadt, Garnisonstadt, Hafenstadt und Hauptstadt. Eine Gemeinschaft baltischer, böhmischer, deutscher, österreichischer, polnischer, slowakischer und ungarischer Fachleute hat sich dem Gegenstand gewidmet.52 Der Begriff Burgstadt hat sich nicht allgemein durchgesetzt. In diesem umfangreichen Buch gibt es keinen Bezug zum Namen und Werk von Henri Pirenne, zu dessen kategorischer Feststellung der Begriff der Burgstadt nicht passfähig ist: „Die Städte sind das Werk der Kaufleute.“ Die Bildung der Städte habe rein natürliche Ursachen. Sie ließe sich nicht durch die politische Geschichte erklären, sondern nur durch die Geographie. Neben den Begriffen „Dorf“, „Burg“ und „Stadt“ in ihrer klaren sprachlichen Form und etymologischen Eindeutigkeit steht die Bezeichnung „Kaufmannssiedlung“ als ein spröde klingendes Kunstwort der Mediävisten, das sich schlecht in andere Sprachen übersetzen lässt. In der europäischen Kaufmannssiedlung der Umbruchzeit um 1100 lebte eine eigengeprägte Schicht von Menschen, die nicht mehr ausschließlich agrarisch ausgerichtet und nicht feudal gebunden war, sondern von Handwerk und freiem Handel lebte und sich damit auf dem Wege zu einer bürgerlichen Gesellschaft befand. Ihre Angehörigen waren aus herrschaftlichen Verhältnissen herausgetreten, in geldwirtschaftliche Beziehungen eingetreten und hatten in der Anlehnung an ihre Kirchgemeinden eine herrschaftsfreie Sozialordnung aufgebaut. Die Kirchgemeinde erweist sich wiederum im Vergleich zu den von Paul Johansen mitgeteilten Beobachtungen als verfassungsmäßig gültige Form der gesellschaftlichen Ordnung, die ohne Bindung an eine herrschaftliche Organisation ein Eigenleben führte. Besonders wichtig ist dabei die Feststellung, dass diese Siedlungsgemeinschaften keine Dörfer im eigentlichen Sinne mit einer bäuerlichen Wirtschaft gewesen sind. Sie bestanden nicht aus Bauernhöfen mit Ställen, Scheunen und Dunghaufen und besaßen keine Ortsfluren mit Wald, Wiese und Feld. Sie lebten wirtschaftlich nur von ihrer Hände Arbeit oder vom Warenhandel. Diese Eigenart schlägt sich in den Flurkarten und Steuerverzeichnissen nieder, wie sie seit der Mitte des 16. Jahrhunderts überliefert sind. Die topographischen Karten sind die untrüglichen Zeugnisse dieser Flurordnung. Sie liegen seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor und geben gute Auskünfte über die Eigenart einer Siedlung. Aus den ent52

Eva-Maria Engel, Wege zur mittelalterlichen Stadt. In: Burg – Burgstadt – Stadt. Zur Genese mittelalterlicher nichtagrarischer Zentren in Ostmitteleuropa, hg. von Hansjürgen Brachmann. Berlin (1995).

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sprechenden Nachweisen über die Kaufmannssiedlungen Chemnitz-Niklasgasse, Glauchau und Waldenburg-Altstadt, aus den dortigen Flurkarten, Steuerverzeichnissen und topographischen Beschreibungen geht hervor, dass es sich dabei nicht um Dörfer mit einer bäuerlichen Wirtschaft, aber auch nicht um Städte oder Stadtteile handelte. Dabei ist der Mangel an zwei konstitutiven Bestandteilen festzustellen: Ihnen fehlte das bäuerliche Element in seiner ganzen Fülle und die Bindung an eine übergeordnete feudale Grundordnung. Insofern standen die Kaufmannssiedlungen außerhalb des in Mitteleuropa herrschenden Agrarsystems. Die glücklicherweise überlieferten Steuerverzeichnisse entstanden durch die Einbeziehung der Siedlungen in das sich entwickelnde staatliche Abgabensystem. Es bedarf weiterer Nachforschungen über die Frage, in welchem Umfang die Siedlungen von herrschaftlichen Gewalten in Anspruch genommen wurden und unter welchen Umständen die ursprünglich freien Grundbesitzer in festere Ordnungen mit Dienst- und Abgabepflichten einbezogen worden sind. Die im mitteldeutschen Raum auftretenden Kaufmannssiedlungen lassen sich in drei Modellen finden. Das Modell Waldenburg (Kapitel II/Ortsartikel) ist eine auf grünem Rasen angelegte zweckgebundene Straßensiedlung ohne landwirtschaftliche Nebengebäude. Sie kann also nur für das Wohnen und den Warenaustausch gedient haben. Eine solche Siedlungsform gab es bis dahin in Mitteldeutschland nicht. – Das Modell Glauchau (Kapitel II/Ortsartikel) stellt die organische Verbindung der Kaufmannssiedlung mit einer später aufgewachsenen Stadt dar, die sich auch in ihren kommunalen Bedürfnissen der bereits vorhandenen Einrichtungen bediente, wie es für den Friedhof und die Kirche zutrifft. – Das Modell Grimma (Kapitel II/Ortsartikel) führt zu einer völligen Einverleibung der vorhandenen Siedlung in die jetzt entstehende jüngere Stadt, so dass sie zu einem vollgültigen Bestandteil im Funktionsgefüge der neuen Stadt wird, ohne allerdings ihre alte Eigenständigkeit aufzugeben. Die vorliegende Arbeit an 20 Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts (Kapitel I/8) hat Beobachtungen ergeben, die in dieser Eindeutigkeit in der sächsischen Siedlungsgeschichte nicht bekannt waren. Über einen in der Mittelalterforschung bisher nicht definierten Siedlungs- und Verfassungstypus sind Tatsachen dargelegt worden, die von weitreichender Bedeutung sein dürften. Es wäre wünschenswert, aus dieser Beschreibung von Einzelfällen eine allgemein gültige Definition abzuleiten und damit dem Typus der Kaufmannssiedlung die ihm gebührende Anerkennung zu verschaffen. Neben Dorf, Burg und Stadt war die Kaufmannssiedlung ein eigenwertiges Ergebnis der gesellschaftlichen, siedlungskundlichen und wirtschaftlichen Entwicklung. Als aus der dörflichen Welt des Mittelalters die europäische Stadt hervorwuchs und dabei für das lateinische Wort opidum eine deutsche umgangssprachliche Bezeichnung benötigt wurde, bürgerte sich in mittelhochdeutscher Zeit der deutsche Begriff der Stadt ein. Die lateinische civitas ist nur in den romanischen Sprachen als citá, cité und civitá (in Ortsnamen), im Englischen als city aufgenommen worden, wo sich aus einem mit dem deutschen Zaun urverwandten germanischen Wort die Bezeichnung town gebildet hat. Eine Umschau in der deutschen Sprachgeschichte bringt kein Wort zutage, das sich in seiner Bedeutung mit dem Begriff der Kaufmannssiedlung decken würde. Das ist des-

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halb nicht verwunderlich, weil es sich bei der Sache nicht um einen Urbestand der Landeserschließung handelt, sondern um einen Zwischenabschnitt, eine Übergangsform zwischen Dorf und Stadt etwa zwischen dem ausgehenden 11. Jahrhundert (1080) und der Mitte des 12. Jahrhunderts (1150), als der Ausbau der Städte in aller Form begann. Diese Zeitschwellen lassen sich in die späteren Jahre verschieben, wenn man an die ostmitteleuropäischen Länder denkt, z.B. an Böhmen, Schlesien, Polen, das Baltikum und Skandinavien. Die hier vorgetragenen Beobachtungen und Entwicklungen beruhen auf Erkenntnissen aus der mitteldeutschen Forschungsgeschichte und können daher in der zeitlichen Festlegung keine unbedingte Gültigkeit in Anspruch nehmen. In Bezug auf die allgemeine Entwicklung und vor allem auf die weitere Entstehung der Städte von West nach Ost sollte jedoch an den bisher geltenden Ergebnissen festgehalten werden. Für die europäische Stadtgeschichte des Mittelalters ergibt sich daraus die Notwendigkeit, auf den Begriff der Stadtgründung in seiner bisher üblich gewesenen Absolutheit zu verzichten und besser von Stadtentwicklung zu sprechen. Die Arbeit an den noch darzustellenden 500 Nikolaikirchen hat gezeigt, dass die dazugehörigen Städte nur selten im echten Sinne des Wortes „gegründet“ wurden, sondern sich in vielen Fällen aus bestimmten Anfängen „entwickelt“ haben. Auch ist die Tatsache zu beachten, dass sich für den neuen Typus der Siedlung kein neues Wort fand. Die Burg auf einsamer Höhe oder als wehrhafte Anlage in der Niederung hat ebenso wie das Dorf in seiner unverwechselbaren baulichen Gestalt eine eigene Bezeichnung erhalten. Ein Feldkloster ist mit seinem eindeutigen Begriff als Baukörper und geistliche Institution hinreichend ausgewiesen. Bei der „Stadt“ war das nicht der Fall, denn das Wort ist eine ganz undifferenzierte Bezeichnung für irgendeinen Erdenfleck, eben eine „Stätte“, sei es die Heimstatt, die Richtstätte oder die Bettstatt, wobei sich in der unterschiedlichen Rechtschreibung schon die Ungewissheit über die Bedeutung des Wortes ausdrückt. Der Kaufmannssiedlung ist ein solches Missgeschick erspart geblieben, weil sie stets in räumlicher Anlehnung an einen schon bestehenden Punkt in der Landschaft entstand und dadurch ihren Namen erhielt. Ihre Kurzlebigkeit am Anfang einer Stadtentwicklung hat sicher dazu beigetragen, dass sich kein Terminus technicus für diesen neuen Siedlungstyp ausbilden konnte. Erst als die Forschung im 20. Jahrhundert auf den bis dahin weitgehend unbeachtet gebliebenen Typus stieß, wurde das heute übliche Kunstwort eingeführt. Da viele dieser neuen Siedlungen im Anschluss an eine Burg oder in ihrer Nähe entstanden, gewöhnte man sich daran, sie als Burgen zu bezeichnen, wie es heute noch in vielen Städtenamen mit dem Grundwort „-burg“ zum Ausdruck kommt. So kam für den Bewohner der neuen Stadt die an sich unzutreffende Bezeichnung „Bürger“ auf. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die enge Beziehung der Kaufmannssiedlung zur Geographie. Allein die Frage nach dem Standort besitzt allgemeine Bedeutung für die Wirtschafts- und Verkehrsgeschichte. Ebenso wie das Wort „Stadt“ aus einer ursprünglichen Bedeutungslosigkeit durch eine neue Sinngebung zu seiner heutigen anerkannten Bedeutung gelangt ist, ließe sich ein ebenso unbedeutendes Wort wie etwa „die Stelle“ dadurch mit einem besonderen Sinn ausfüllen, wenn es funktional erweitert würde, etwa durch das Tätigkeitswort „kau-

6. Quellenlage der Stadtgeschichtsforschung

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fen“. Es käme auf den Versuch an, das wenig glückliche, umständliche und künstliche Wort „Kaufmannssiedlung“ als „Kaufstelle“ für den Sprachgebrauch anzubieten.

6. Quellenlage der Stadtgeschichtsforschung Ein wesentlicher Beitrag zur Integration vollzieht sich durch die Sprache, ohne die eine Verständigung im internationalen Verkehr nicht möglich ist. Im europäischen Raum treten mehrere Sprachen auf, die beim Handel überbrückt werden müssen. Es ist eine alte Erfahrung, dass die Händler bei der Begegnung mit fremdsprachigen Geschäftspartnern stets Mittel und Wege finden, um sich über die Sprachgrenzen hinweg zu verständigen und ihre Geschäfte zu betreiben. Am einfachsten geschieht das mit Hilfe der Zeichensprache, für höhere Formen des Geschäftsverkehrs sind gute Sprachkenntnisse notwendig. In bestimmten geographischen Räumen haben sich seit jeher Verkehrssprachen ausgebildet, die den übergreifenden Handel erleichtern. Im mittelalterlichen Europa nahm die deutsche Sprache diese Vermittlerrolle ein, zumal sie damals noch unter Einschluss des Niederländischen und des Flämischen am weitesten verbreitet war und in Folge der Mittellage Deutschlands nach allen Seiten hin Beziehungen unterhielt. Die Mehrsprachigkeit war bei der kontinentalen Tätigkeit der Fernhändler unerlässlich. Sie drückt sich in der Übernahme von Fachbegriffen aus fremden Sprachen durch Lehnwörter und Lehnübersetzungen aus, womit die internationale Verständigung gefördert wurde. In der ostpolnischen Stadt Lublin erstreckt sich außerhalb der ummauerten Altstadt die ulica szeroka, eine Lehnübersetzung der „Breiten Straße“. Die Übernahme deutscher Fachbegriffe des Handels, des Verkehrswesens und des Städtebaus in die slawischen und teilweise auch in die skandinavischen Sprachen zeigt die internationale Dimension des entstehenden europäischen Fernhandels und des damit verbundenen Städtewesens an. Vom deutschen „Ring“ für den Marktplatz im Osten ist der polnische rynek abgeleitet. Die slowakische radnica für das Rathaus und der polnische rachunek für die Rechnung gehören in den gleichen Zusammenhang. Neben dem norwegischen Wort bro für die Brücke bürgerte sich das aus dem Deutschen stammende Fremdwort brygge für den Bootssteg ein. Es geht nicht darum, eine grundsätzliche Überlegenheit der deutschen Fernhändler zu behaupten. Diese Menschen konnten jedoch die Errungenschaften des Westens früher annehmen und sie an ihre östlichen und nördlichen Standesgenossen weitergeben. Mit einer neuen Sache wurde ein neues Wort übernommen. Auch in dieser Hinsicht ergeben sich im gegenwärtigen dritten Schritt der europäischen Integration viele Parallelen im Vergleich zum zweiten Schritt während des hohen Mittelalters. Die Anglizismen und Amerikanismen in den heutigen europäischen Umgangssprachen sind nur Wiederholungen der Germanismen in der Fachsprache der mittelalterlichen Fernhändler. Dass damals auch ein Austausch mit anderen Sprachen zustande kam, zeigt das schwedische torg für den Marktplatz, der sich vom polnischen targ ableitet und im Ortsnamen Tor-

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I. Grundlagen

gau bei Leipzig auftritt. Das Hötorget im Zentrum von Stockholm steht mit dem sorbischen H∏owne torho‰ço, dem Hauptmarkt in Bautzen, in einem sachlichen und etymologischen Zusammenhang. Es hat demzufolge einmal eine durch den Fernhandel bedingte Ausstrahlung slawischer Sprachelemente nach Nordeuropa gegeben, die dort ihre Spuren hinterlassen hat. In den romanischen Sprachen ist mit den Wörtern frz. bourg und ital. borgo das frühe deutsche Wort in der Bedeutung von „Marktflecken“ erhalten geblieben. Es hat also seine auch im Althochdeutschen gültig gewesene Bedeutung bewahrt. Diese Beobachtung wirft die Frage auf, ob etwa der länderübergreifende Fernhandel im Europa des 12. Jahrhunderts einen einheitlichen Fachausdruck für die im Entstehen begriffene Stadt gekannt hat, der auf das deutsche Wort „Burg“ zurückging, nach einer Zeit des Übergangs aber auf der unentwickelten Bedeutung als „Markt“ stehen blieb, während sich in der Urkundensprache bald die civitas durchsetzte. Im Jahre 1216 sprach der meißnische Markgraf im Blick auf Dresden von civitas nostra, also nicht mehr wie 30 Jahre vorher sein brandenburgischer Standesgenosse in Stendal von burgus noster. Es liegt nahe, diesen Wechsel im Sprachgebrauch mit einer Entwicklung in Richtung auf die voll ausgebaute Rechtsstadt in Verbindung zu bringen. Die civitas in den Urkunden des frühen 13. Jahrhunderts könnte somit als die schriftsprachliche lateinische Entsprechung für den neuen Begriff der „Stadt“ angesehen werden, nachdem sich die vorher gebrauchten Bezeichnungen burg/burgus wegen ihrer Doppeldeutigkeit als nicht mehr zutreffend erwiesen hatten. Die Zuordnung der Nikolaisiedlungen zu einer Übergangszeit bestätigt sich auch in den mehrfach auftretenden Stadtverlegungen und im Patrozinienwechsel. Die zuerst genannte Erscheinung ist vor einem halben Jahrhundert schon einmal kundig geworden, indem sie unter Leitung von Hans Planitz zu einer ausführlichen Bearbeitung des Themas durch Herbert Fischer geführt hat.53 Nach dem frühen Tode des damaligen Bearbeiters ist es jedoch nicht weiter verfolgt worden. Im Jahre 1984 hat Karl Bosl dem Gegenstand im bayerischen Raum eine Abhandlung gewidmet.54 In Sachsen ist diese fast vergessene Erscheinung im Jahre 1980 von Manfred Kobuch aufgegriffen und in mehreren Beispielen behandelt worden.55 Sie beziehen sich auf die Stadt Chemnitz, für die eine dreistufige Entstehung überzeugend nachgewiesen wurde: Auf eine Kaufmannssiedlung aus dem frühen 12. Jahrhundert mit Nikolaikirche folgte um 1170 eine staufische Stadt mit der Johanniskirche, worauf erst nach 1200 in der mittlerweile entwässer53 54

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Herbert Fischer, Die Siedlungsverlegung im Zeitalter der Stadtverlegung. Wien (1952). Karl Bosl, Alt(en)stadt und Neustadt als Typen in Bayern. In: CIVITATUM COMMUNITAS. Studien zum europäischen Städtewesen. Fs. für Heinz Stoob zum 65. Geburtstag, hg. von Helmut Jäger u.a., Städteforschung A 21, I, Köln (1984), S. 159–180. Manfred Kobuch, Die Anfänge der Stadt Chemnitz. In: Arb.- und Forsch. berr. z. sächs. Bodendenkmalpflege 26 (1983), S. 139–162; Ders., Zur städtischen Siedlungsverlegung im Pleißenland. Der Fall Leisnig. In: AFD 35 (1992), S. 111–119; Ders., Die Anfänge der Stadt Borna. In: Zur Kirchen- und Siedlungsgeschichte des Leipziger Raumes, hg. von Lutz Heydick u.a., Beucha (2001).

6. Quellenlage der Stadtgeschichtsforschung

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ten Flussaue die großzügig geplante Rechtsstadt ins Leben trat. – In Borna südlich von Leipzig wurde an einem Straßenübergang über das Wyhratal bei dem Dorf Wenigborn eine Kaufmannssiedlung mit einer Kirche gegründet, die ihren Bauformen zu Folge aus der Mitte des 12. Jahrhunderts stammen muss. Sie erhielt jedoch erst nach der Heiligsprechung der Kaiserin im Jahre 1200 das jüngere Patrozinium der hl. Kunigunde, so dass eine ursprüngliche Widmung an den hl. Nikolaus als naheliegend angenommen werden kann. Sie würde sich mühelos geographisch zwischen die benachbarten Nikolaikirchen von Leipzig und Chemnitz einfügen. Die unmittelbar daneben gelegene Altstadt Borna weist eine Johanniskirche auf. Erst nach der Trockenlegung der Flussaue um Borna entstand wohl nach 1200 die neue Rechtsstadt mit der Marienkirche. – Unterhalb des Burggrafensitzes Leisnig wurde in 3 km Entfernung das im Jahre 1214 genannte oppidum novum mit einer Nikolaikirche bezeugt, das aber 1286 als vetus civitas erscheint, da inzwischen vor der Burg auf der Höhe eine nova civitas bei der Burgwardkirche St. Matthäi entstanden war. Das jetzige Dorf Altenstadt liegt mit einer ehemaligen Nikolaikirche, die anfangs die Mutterkirche für die Stadt war, 2 km von der Stadt Bayreuth entfernt. Der genetische und funktionale Zusammenhang zwischen der Kaufmannssiedlung Altenstadt und der Rechtsstadt Bayreuth liegt auf der Hand. Ganz ähnlich stellt sich das Dorf Altenstadt bei Schongau am Lech außerhalb des Nikolaithemas mit einem ehemaligen fränkischen Reichshof dar. Die gut erhaltene prächtige Basilika St. Michael ist ein Zeugnis aus staufischer Zeit. Der hiesige Markt wurde um 1240 in die nach dem Jahre 1220 näher am Lech erbaute Neustadt verlegt. Sie übernahm auch den alten Namen, während Altenstadt zum Dorf herabsank. Die Michaelsbasilika lässt erkennen, zu welchen aufwändigen Bauleistungen eine frühe Kaufmannssiedlung in der Lage war, denn dieser Kirchenbau erhebt sich wie in Borna weit über die Ebene üblicher Dorfkirchen und weist auf den Wohlstand der Kirchgemeinde im Rahmen der frühen Geldwirtschaft hin. Es ist sinnvoll, Kaufmannssiedlungen und Stadtverlegungen gemeinsam zu betrachten, weil beide Erscheinungen in einem genetischen Zusammenhang stehen. Diese Möglichkeit trat zwar in den Fällen nicht auf, wo die ursprüngliche Gestalt der Siedlung unverändert erhalten blieb. Wenn sie aber ausgebaut und zur flächenhaften Stadtanlage erweitert wurde, konnte eine vollgültige Stadtverlegung zustande kommen. Es geht demzufolge um die Frage, in welchem Ausbauzustand eine sich entwickelnde Stadt an einen anderen Standort verlegt wurde. In Weimar war die Frühstadt um St. Jakobi schon flächenhaft angewachsen und wurde auch als civitas in verfassungsmäßiger Hinsicht verstanden, als unmittelbar neben ihr die neue Stadt um St. Petri angelegt wurde. Im Falle von Nabburg befand sich die Anlage um die Nikolaikirche noch im Zustand der Kaufmannssiedlung, als am anderen Ufer des Flusses oben auf der Höhe die neue Stadt errichtet wurde. Hier ergab sich auch im Blick auf die bauliche Gestalt die volle Berechtigung zur Bezeichnung als Burg. Dass eine Kirche erst 100 Jahre nach ihrer Erbauung oder noch später in Urkunden erwähnt wird, ist mit Rücksicht auf die zögerliche schriftliche Überlieferung natürlich. Die eindeutig vor dem Jahre 1000 entstandene Dresdener Frauenkirche wurde erst zum

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I. Grundlagen

Jahre 1240 urkundlich genannt, das ist ein Vierteljahrtausend nach ihrer Erbauung. Zum weitaus größeren Teil haben die alten Nikolaikirchen des frühen 12. Jahrhunderts ihren Namen behalten. Da die Kaufmannssiedlung in der klassischen Geschichtsschreibung noch nicht als eigenständiger Typus aufgetreten ist, hat sie auch in der Forschung und der dazugehörigen Quellenkunde keine Beachtung gefunden.56 Greifbare Nachrichten sind nur am Rande der Stadtgeschichtsforschung zu erlangen, wobei es darauf ankommt, die notwendige sachliche Unterscheidung zu beachten. Der Aufsatz von Paul Johansen (Anm. 25) ist hierfür ein treffliches Beispiel. Da das Stichwort „Kaufmannssiedlungen“ in der schriftlichen Überlieferung nicht auftritt, müssen andere Arten von Geschichtsquellen herangezogen werden. Dazu gehören in erster Linie die Stadtpläne.57 Der Grundriss einer Stadt ist ihre älteste Urkunde, die bis in ihre Anfänge zurückreicht und z.T. noch weiter zurückliegende topographische Eigenarten erkennen lässt. Man kann bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass sich das Straßennetz und die Grundstücksgrenzen innerhalb der Stadt von ihrer ersten Anlage an nicht verändert haben, da sie durch die Besitzrechte am Grund und Boden geschützt waren. Selbst nach einem Stadtbrand wurden die Häuser auf den erhalten gebliebenen Grundmauern wieder aufgebaut. Somit ist es möglich, auf Grund einer sachkundigen Deutung des Stadtplans die bauliche Entwicklung einer Stadt bis in ihre Entstehungszeit zurück zu verfolgen. Dabei sind Unregelmäßigkeiten von besonderem Interesse, weil sie den Verdacht auf alte Eingriffe in das topographische Gefüge hervorrufen. Um einem solchen Verdacht nachgehen zu können, bedarf es weiterer Stützen aus der wörtlichen Überlieferung. Straßen-, Platz- und Flurnamen sind unverzichtbare Hilfsmittel, um einem Stadtplan seine Geheimnisse zu entreißen. Mit Bezeichnungen wie Altstadt, Alter Markt, Burggasse und Klostergasse hat man es noch einfach. Aber dass sich hinter einer Hausgasse oder einem Hausberg ein „festes Haus“, d.h. also eine Burg verbirgt, von der ansonsten keine Spuren mehr bestehen, ist nur mit einer gewissen Sachkenntnis zu verstehen. Dass ein „Brühl“ eine sehr frühe Straße aus der Zeit der Stadtentstehung meint und der „Plan“ eine frühe Stätte des Handels kennzeichnet, ist dem heutigen Bürger einer Stadt unbekannt. Erst die Namenkunde hat als eine historische Hilfswissenschaft den Weg zu diesen Quellen der Geschichtsforschung geöffnet.58 Während aber die Straßen- und Ortsbezeichnungen noch leicht zu verstehen sind, reicht die Verfassungstopographie in unsichtbare Tiefen der Überlieferung, die erst auf

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Im Lexikon des Mittelalters V, Sp. 1086 (1991) gibt es lediglich einen Artikel über die Kaufmannskirche mit wenig Verständnis für den Sachverhalt. Karlheinz Blaschke, Stadtplanforschung (Anm. 20). Ders., Sprachliche Hilfsmittel der Stadtkernforschung. Deutsche Fachbegriffe aus der Entstehungszeit der hochmittelalterlichen Städte. In: Sprache in der sozialen und kulturellen Entwicklung. Beiträge eines Kolloquiums zu Ehren von Theodor Frings (1886–1968), hg. von R. Große, Abh. der Sächs. Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse 73/1 (1990).

6. Quellenlage der Stadtgeschichtsforschung

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Grund sachkundiger Forschungen zugänglich sind. Dabei geht es um Rechte, Dienste und Abgaben, die auf Grundstücken festliegen und in ihrer Entstehung weit in das Mittelalter zurückreichen. Am Fall der Stadt Colditz ist bereits diese Methode dargelegt worden, die auf der Auswertung von Dienst- und Abgabeverzeichnissen aufgebaut ist. Unterschiedliche Dienste und Abgaben weisen den Weg zu verschiedenen herrschaftlichen Abhängigkeiten und zu verschiedenen Entstehungszeiten. Dienstleistungen und Naturalabgaben für Grundstücke sind älter als Bargeldleistungen, womit schon eine relative Chronologie im Gefüge einer Stadt herauszulesen ist und ältere oder jüngere Teile bestimmt werden können. Wenn man die Ergebnisse verfassungstopographischer Erkundung in einen Stadtplan einzeichnet und auf diese Weise das geschichtliche Leben der Stadt deutlich macht, erhält man so etwas wie eine Röntgenaufnahme, die unter der Oberfläche in die geschichtliche Tiefe hineinreicht. Alte Herrschafts- und Besitzverhältnisse werden auf diese Weise erkennbar. Zu den Quellen dieser Art gehören die Patrozinien der städtischen Kirchen, die sich aus bestimmten zeit- und ortsbedingten Formen der Frömmigkeit erklären lassen. Die Patrozinienkunde hat sich erst in jüngeren Jahrzehnten zu einem Wissenschaftszweig der Kirchengeschichte entwickelt, der zwar eine gewisse Beachtung findet, sich aber noch nicht zu einem aussagefähigen System entwickelt hat.59 Um diese wünschenswerte Ausreifung zu erreichen, müsste der gesamte Bestand der Patrozinien statistisch aufbereitet und in ein System gebracht werden. Dazu wäre es notwendig, das Aufkommen und die Verwendung der Patrozinien zu erforschen und sie nach Zeit, regionaler Verbreitung und sozialer Verankerung näher zu bestimmen. Die bisher hier dargelegten Beobachtungen zu den Nikolaikirchen haben solche thematische Festlegungen angedeutet. Im Gegensatz zum Universalpatrozinium der hl. Maria war dasjenige des hl. Nikolaus in Zeit und Raum begrenzt. Die ausführliche Beschäftigung mit den Nikolaikirchen im Mittelalter zeigt einen gewaltigen Aufschwung von 1087 bis zum Beginn des späten Mittelalters etwa um 1250. Danach war die Welle der hochmittelalterlichen Stadtentstehung vorüber, neue Patrozinien für Stadtkirchen wurden kaum noch benötigt. Auch die hohe Zeit der Verehrung des hl. Nikolaus war abgeklungen, nicht einmal die alten Widmungen blieben ihm vollständig erhalten. Es ist durchaus unwahrscheinlich, dass die wenigen jetzt noch erbauten Kirchen dem Mann aus Myra gewidmet wurden. Im Auf und Ab der Heiligenverehrung traten neue Namen auf, denen sich der Hilfe suchende Mensch in der Sorge um sein Seelenheil zuwandte. Die frische Kraft, die dem hl. Nikolaus im frühen 12. Jahrhundert innegewohnt hatte, war erloschen. Wenn im 15. Jahrhundert noch Nikolaikirchen neu in der Überlieferung auftreten, kann es sich dabei nur um verspätete Ersterwähnungen oder um Neubauten an alter Stelle handeln, wie in Bautzen und Innsbruck.

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Vgl. hierzu die Stichworte Patron, Patronin, Patrozinium im Lexikon für Theologie und Kirche, Dritte Auflage (1998), Siebenter Band, Sp. 1478–1481.

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I. Grundlagen

Beeindruckend ist jedenfalls die überraschende Gleichartigkeit der Siedlungs- und der Verfassungsformen über den ganzen nikolai-europäischen Raum hinweg, wobei die Forschungsergebnisse zu beachten sind, die Paul Johansen vom nordosteuropäischen Raum vorgelegt hat (Anm. 25). Die von ihm erkundeten Verhältnisse bieten das Bild einer umfassenden europäischen Einheit, in der Tausende von Kirchorten und Kirchgemeinden nach einem gleichartigen Gestaltungsprinzip zusammengefasst waren. Es mag als abwegig erscheinen, Parallelen zu den Legionslagern des römischen Reiches herzustellen, aber jene 163 Standorte mit jeweils tausend Mann, die in der römischen Kaiserzeit über Europa verteilt waren, rufen einen gewissen Vergleich der Raumordnung hervor. Ein anderer Vergleich dürfte dagegen näher liegen: In einer Zeit wie der unseren, in der viel von der europäischen Integration gesprochen wird, bietet es sich an, die rasche Erschließung großer Teile Europas durch die Gründung von Nikolaikirchen seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts mit gegenwärtigen Bestrebungen um die Einigung unseres Erdteils in Beziehung zu setzen. Wenn man den Aufbau der römischen Kirche nördlich des Mittelmeeres als die erste Stufe der europäischen Integration verstehen darf, dann lässt sich die Verbreitung des Nikolaus-Patroziniums nach 1100 als die zweite Stufe verstehen, die eine wirtschaftliche Gleichartigkeit hervorrief und damit die Voraussetzung für die dritte, die politische europäische Integration einleitete, auf die sich Europa heute hinbewegt. Insofern ordnet sich die Ausbreitung der Nikolaikirchen in größere Zusammenhänge der europäischen Geschichte ein. Die Arbeit an der Erforschung des europäischen Städtewesens auf einer die Länder übergreifenden Grundlage ist durch einen schweren politisch-ideologischen Einbruch zerstört worden, der mit dem Ersten Weltkrieg eintrat. Bis dahin hatte der belgische Historiker Henri Pirenne mit seinem 1893/95 erschienenen Aufsatz (Abdruck der Übersetzung Kapitel IV) eine weiterführende Richtung angegeben, in der die Forschung hätte fortgesetzt werden können.

7. Kritik aus Fachkreisen an den vorgelegten Erkenntnissen zur Stadtentstehung Nachdem im Jahre 1967 mein Aufsatz über „Nikolai-Patrozinium und städtische Frühgeschichte“ erschienen und 1970 der Beitrag über „Nikolaikirchen und Stadtentstehung im pommerschen Raum“ gefolgt war, entstanden 1973 meine „Studien zur Frühgeschichte des Städtewesens in Sachsen“ in der Festschrift für Walter Schlesinger. Dieser fügte seinem Dank die zurückhaltende, aber doch auch ermunternde Bemerkung bei: „in manchen Fällen mögen Sie recht haben.“ 1984 konnte ich das Blatt Colditz im Deutschen Städteatlas III vorlegen, in dem der Weg zur „Entdeckung“ der Colditzer Kaufmannssiedlung ausführlich beschrieben wurde. Die Nikolaikirchen-Städte Freiberg, Torgau und Bautzen wurden im Deutschen Städteatlas 1979 und 1989 behandelt. Aus diesen und den weiteren Studien können folgende Thesen abgeleitet werden:

7. Kritik aus Fachkreisen an den vorgelegten Erkenntnissen zur Stadtentstehung

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1. An den Fernwegen des europäischen Straßennetzes bildeten sich im 11./12. Jahrhundert Siedlungen, in denen sich Fernhändler ohne herrschaftlich-obrigkeitliche Bindungen zu Kaufmannssiedlungen zusammenschlossen. 2. Sie verehrten den hl. Nikolaus als ihren Schutzpatron und erbauten europaweit die zahlreichen Nikolaikirchen, in denen die Nikolausbewegung eine geordnete Form und zentrale Orte des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gewann. 3. Aus ihnen entwickelten sich im Mittelalter Städte in großen Teilen Europas. Die erwünschte Kritik aus dem Kreis der Fachkollegen setzte im Jahre 1979 mit einer Äußerung von Jürgen Petersohn ein. Er meinte, mit stadtgeographischen und patrozinien-kundlichen Einwänden meine Thesen in Bezug auf den pommerschen Raum zu Fall bringen zu können, denn es gäbe keine urkundlichen oder chronikalischen Belege für eine städtische Nikolaikirche in Pommern im 12. Jahrhundert.60 Damit wich diese Kritik freilich gerade vor dem entscheidend neuen methodischen Ansatz aus, den ich mit der verfassungs-topographischen Erkundung des Stadtplans beschritten hatte. Petersohn blieb an die Forschungsrichtung gebunden, die seit dem 19. Jahrhundert allein die schriftliche Überlieferung gelten lässt. In der Weltgeschichte ist noch nie eine Revolution dadurch vermieden worden, dass konservative Staatsverfassungen revolutionäre Gedanken verboten hätten. Der frei wirkende Geist des Menschen sucht sich seine Wege auch in der Wissenschaft außerhalb eingefahrener Meinungen. Einen in menschlich-kollegialer Hinsicht bedauerlichen Weg ging der Innsbrucker Stadtarchivar Franz-Heinz Hye, der seine Aufgabe als Herausgeber der Sammelschrift über „Stadt und Kirche“ 1995 dazu gebrauchte, in meinen Text einige „Repliken“ einzubauen, von denen ich vor der Veröffentlichung nichts erfahren hatte. Er brachte dort sein Missfallen darüber zum Ausdruck, dass meine Beobachtungen zur Entstehung der Stadt Innsbruck von seinen eigenen Veröffentlichungen abwichen.61 Eine sachliche Auseinandersetzung verbietet sich in diesem Falle, weil der Wille zur Kenntnisnahme eines neuen Forschungsansatzes fehlt. Der in Schwerin tätige schleswig-holsteinische Historiker Rudolf Conrades weist auf ein „kaum bekanntes Instrument der Geschichtswissenschaft, die Patrozinienforschung“ hin und auf „die Erkenntnisse, die der Dresdner Historiker Karlheinz Blaschke seit 1967 zum Nikolaipatrozinium gewonnen hat [und] auf die Schelfkirche St. Nikolai [in Schwerin] anwendet. Einige Forscher haben seinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit der Ergebnisse zurückgewiesen oder relativiert. Aber vor allem Stadthistoriker haben sich durch seine Forschungen anregen und leiten lassen. In den letzten zwei Jahrzehnten haben Untersuchun-

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Jürgen Petersohn, Der südliche Ostseeraum im kirchlich-politischen Kräftespiel des Reichs, Polens und Dänemarks vom 10. bis 13. Jahrhunderts. Mission – Kirchenorganisation – Kulturpolitik (= Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart Bd. 17), Köln, Wien (1979). Karlheinz Blaschke, Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Österreich. In: Stadt und Kirche. Hg. von Franz-Heinz Hye. (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas Bd. 13), Linz (1995), S. 165–175.

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I. Grundlagen

gen in mehreren Städten die Richtigkeit seiner Theorie belegt und zwar nicht nur in dem von Blaschke ursprünglich bearbeiteten Gebiet zwischen Ostsee und Erzgebirge, sondern jetzt auch im westlichen Norddeutschland. Wenn man Blaschkes Forschungen auf die Schweriner Situation anwendet, dann ist verblüffend, wie passgenau fast alle seine Parameter auf die Schelfe zutreffen.“62 In ähnlicher Weise zeigte der Altmeister der schleswig-holsteinischen Landesgeschichte Erich Hoffmann seine offenkundige Bereitschaft, sich auf den Forschungsansatz der Nikolaikirchen-These einzulassen, wobei ihm seine Vertrautheit mit der Geschichte des südlichen Ostseeraums zustatten kam. Er wies darauf hin, dass um das Jahr 1070 neben dem Dom in Schleswig eine Kirche bestand, die etwa um das Jahr 1100 den hl. Nikolaus als Patron erhielt und unterstrich die Erkenntnis von Paul Johansen, das Nikolai-Patrozinium im Ostseeraum würde die Kirchen als Kaufmannskirchen deutscher Fernhändler ausweisen.63 Trotz zurückhaltender Stimmen einiger Kritiker kam er zu der Feststellung, „dennoch sehen wir im Grundsätzlichen bei Johansen wie bei Blaschke außerordentlich wertvolle Ergebnisse für die Erklärung der Stadtentstehung im deutschen Kolonialgebiet und überhaupt im Ostseeraum.“ Mit meinen Nikolaikirchen-Thesen hat sich der frühverstorbene Göttinger Geograph und Siedlungsforscher Hans-Jürgen Nitz ausführlich beschäftigt.64 Als vortrefflicher Kenner der Göttinger Siedlungsgeschichte trägt er eine „indiziengestützte Hypothese“ vor, wobei meine „Vermutung“ durch die archäologische Datierung der Nikolaikirche „ganz entschieden gestützt“ wird. Seiner Meinung nach „verdient die These Blaschkes von der Bedeutung der Nikolai-Kaufmannssiedlungen des 12. Jahrhunderts in einem überregionalen Netz von Handelswegen, die der Zeit der landesherrlichen Rechtsstädte vorangehen, in verstärktem Maße die Beachtung der Stadtgeschichtsforschung.“ Mein dänischer Kollege Thomas Riis sieht die Stadtkirche in Svendborg unter Berufung auf meine Forschungen als eine ursprüngliche Kaufmannskirche an.65 Für den engeren sächsischen Bereich ist auf die Arbeiten von Manfred Kobuch hinzuweisen, der in seinen Beiträgen zur sächsischen Stadtgeschichte von meiner Nikolaikirchen-These ausgegangen ist.66 Welchen Widerhall die Entdeckung der Nikolaikirchen als Ausgangspunkte der Stadtentstehung im mitteleuropäischen Raum fand, zeigte sich an einem umfangreichen

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Rudolf Conrades, St. Nikolai in Schwerin. Die erste Kirche auf der Schelfe aus der Zeit vor der Stadtgründung ? Schwerin (2005), 47 Seiten. Erich Hoffmann, Beiträge zur Geschichte der Stadt Schleswig und des westlichen Ostseeraumes im 12. und 13. Jahrhundert. In: Zs. der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 105 (1980), S. 66. Hans-Jürgen Nitz, Ging der Gründungsstadt Göttingen eine genossenschaftliche Nikolai-Kaufmannssiedlung voraus? Bemerkungen und Überlegungen zu einer These des Städtehistorikers K. Blaschke (1997). In: Göttinger Jahrbuch, Bd. 46 (1998), S. 9–17. Thomas Riis, St. Nicolai i Svendborg – en Købmandskirke? In: Fynske Minder. Svendborg Amts Museum (1972), S. 66–76, mit deutscher Zusammenfassung. Manfred Kobuch, siehe Anm. 55.

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

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Aufsatz des tschechischen Archäologen und Mediävisten TomበVelímsk˘ aus dem Jahre 1999.67 Er erörtert die Möglichkeiten, das Thema in Böhmen zu untersuchen, geht auf die Zeitfolge im Auftreten des Nikolauskultes ein und führt 43 Städte mit Nikolaikirchen an, deren Lage in einer Kartenskizze dargestellt wird. Damit ist der Gegenstand auch in der tschechischen Forschung angekommen.

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts Besondere Beachtung verdienen die einstigen, heute noch fortbestehenden Kaufmannssiedlungen, die als solche bisher nicht erkannt worden sind. Sie sind als selbständige dörfliche oder städtische Siedlungen in der Landschaft vorhanden und in den Katasterkarten des 19. Jahrhunderts archivalisch nachzuweisen. Zumindest lassen sie sich im Stadtgebiet erkennen und in topographischen Karten und Stadtplänen wiederfinden. Mit Rücksicht auf den Mangel an schriftlichen Quellen zur Geschichte der Kaufmannssiedlungen ergibt sich die Notwendigkeit, solche Überreste zusammenzutragen, die über den Gegenstand der vorliegenden Arbeit hinreichende Auskünfte geben. Dazu gehören in erster Linie die Siedlungen selbst, soweit sie noch vollständig oder in Spuren vorhanden sind. Die nachweisbare Überlieferungsmasse reicht aus, daraus eindrückliche Vorstellungen über die Lage, die Größe und das Siedlungsgefüge abzuleiten, um auf diese Weise Auskünfte über ihre wirtschaftliche Funktion, ihre gesellschaftliche Ordnung und in gewissen Grenzen ihre Einwohnerzahl zu erhalten. Im Gebiet von Nikolai-Europa lassen sich zwischen Norwegen und Südtirol solche Siedlungen feststellen, die von den Umgestaltungen der seit ihrer Gründung vergangenen 900 Jahre nur wenig oder in Einzelfällen gar nicht verändert wurden. So ist es möglich, ihre ursprüngliche Gestalt noch heute zu erkennen. Im besten Falle sind sie in der reinen Form aus ihrer Gründungszeit erhalten geblieben, oder die Veränderungen haben sich nur in geringem Maße an ihnen ausgewirkt, so dass ihr Urzustand noch erkennbar ist, sei es auf dem Erdboden selbst oder mit Hilfe zuverlässiger Katasterkarten. Sie liefern ein verlässliches Bild aus einer Zeit, in der die Urformen des mittelalterlichen Städtewesens ins Leben traten. In den folgenden Abbildungen kommt es darauf an, mit Hilfe einer zweidimensionalen Darstellung die Lage einer Nikolaikirche deutlich zu machen. Dies kann anhand von Kartenskizzen geschehen, in denen die Eigenarten des Geländes zu erkennen sind. Aussagefähige Angaben über den topographischen Befund im Umfeld der Kirche vermitteln genaue Kenntnisse über die Voraussetzung für die Anlage und das nachfolgende Wachs-

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TomበVelímsk˘, Die Nikolaikirchen und Anfänge der Marktsiedlungen und der Städte in Böhmen. Prof. Dr. Karlheinz Blaschke, dem Ordinarius am Lehrstuhl für frühneuzeitliche und sächsische Geschichte der Technischen Universität Dresden, gewidmet. In: Mediaevalia Historica Bohemica 6, Prag (1999), S. 7–64 (tschechisch mit deutscher Zusammenfassung).

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I. Grundlagen

tum einer Stadt. Dabei wird von der Tatsache ausgegangen, dass für die Entstehung einer Stadt im hohen Mittelalter eine Kirche von elementarer Bedeutung war und sie erst die Voraussetzung für deren soziales Leben schuf. Eine topographische Darstellung gibt ein anschauliches Bild von den Lebens- und Entwicklungsbedingungen einer Stadt. Sie ermöglicht darüber hinaus eine vergleichende Betrachtung der Stadtanlagen und ihrer Verschiedenartigkeit.

Auma (Thüringen) In der Entstehungsgeschichte der Stadt Auma zeigen sich alle wesentlichen Stufen, die im mitteldeutschen Raum mit seiner im 11. Jahrhundert geringen Besiedlung zum voll ausgebildeten Städtewesen führten. Auch hier muss der Kernsatz stehen: „Im Anfang war die Straße“, denn die Fernstraße von Leipzig nach Nürnberg war mit ihren Stationen Zeitz, Gera, Schleiz, Hof und Bayreuth und dem dazwischen liegenden Ort Auma die entscheidende Grundlage, ohne die sich an dieser Stelle keine Stadt hätte entwickeln können.68 Das Wendische Dorf im Süden der neu entstehenden Niederlassung von Fernhändlern, die sich im Blick auf ihre ethnologische Zugehörigkeit doch wohl zur deutschen Sprachgemeinschaft von der damaligen sorbischen Landbevölkerung unterschieden, kann als Eigenart für die Zeit am Ende des 11. Jahrhunderts gelten, in der dieser Vorgang anzusetzen ist. Es wurde nicht in die werdende Kaufmannssiedlung einbezogen. Es war die hochaktive Zeit, während der in West- und Mitteleuropa eine starke Zunahme der Bevölkerung eintrat, die zu grundlegenden Veränderungen in der gesellschaftlichen Ordnung und im politischen Gefüge führte.69 Im wirtschaftlichen Leben bildeten sich neue Formen der Organisation, als deren wichtigste Erscheinung die europäische Stadt entstand. Auch die Beschäftigung mit der Entstehung der Stadt Auma kann zu diesem Werk beitragen, wenn sie mit den großen Fragen der Forschung verbunden wird. Die schon genannte Fernstraße von Leipzig nach Nürnberg stellte das Rückgrat der künftigen Entwicklung dar. An ihren beiden Seiten reihten sich die Häuser der Fernhändler auf, die sich im Zuge einer Verdichtung der Siedlung entlang der Straße niederließen. Es kann sich dabei nicht um feudal gebundene Menschen gehandelt haben, denn die Siedlung zeigt eine Gleichartigkeit des Personenstandes, aus der sich keine rechtlichen Unterschiede erschließen lassen. Von einem Ortsvorsteher zeigt sich keine Spur. Das einzige hervorgehobene Bauwerk ist die Nikolaikirche, die als Zeugnis für die Einheit der Kirchgemeinde anzusehen ist. Demzufolge musste der Pfarrer an der Nikolaikirche die Einheit verkörpert haben. Eine politische Leitung in Form eines Rates gab es

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Hansische Handelsstraßen, Atlas, bearb. von Hugo Weczerka, Köln, Graz (1962), Karten 20, 27 und 32. Hagen Keller, wie Vorwort (Anm. 1).

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

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Abb. 1 Entstehung der Stadt Auma. Sie ist für die Zeit nach 1080 anzusetzen. Keine „Gründung“, sondern Entwicklung.

in dieser „urdemokratischen“ Verfassung mit ihrer unbedingten Gleichheit aller Glieder nicht. Das Amt des Pfarrers oder Priesters war kirchlich geprägt und wurde insofern geistlich verstanden, so dass es wohl nicht als eine Form von Herrschaft angesehen werden konnte. Vielmehr ereignete sich hier eine Art von Genossenschaft in ihrer reinen Ausprägung, wie sie sich bis in die Gleichheit der Hausgrundstücke ausdrückt. „Nur ja keine Unterschiede“ – so etwa könnte man sich die Grundeinstellung der Bewohner in den frühen Kaufmannssiedlungen vorstellen. An einer Stelle dieser Siedlung musste jedoch der Gleichheitsgrundsatz durchbrochen werden, was allerdings religiöse Ursachen hatte. Mit dem Übergang vom Tauschhandel zur Geldwirtschaft drang der Umgang mit Bargeld in das Wirtschaftsleben ein, so dass der Gebrauch von Münzen aufkam. Der dabei notwendig gewordene Geldwechsel war den Juden vorbehalten, denen im Gegensatz zu den Christen das Geldgeschäft gestattet war. Darum fanden sich im Zusammenhang mit dem Ausbau der Geldwirtschaft in den neu entstehenden Kaufmannssiedlungen jüdische Kleinsiedlungen, die als „Jüdengasse“ auch topographisch in Erscheinung traten. Auch Auma schloss in seinem mittelalterlichen Stadtplan eine Jüdengasse ein, die der Regel entsprechend am Rande der von den Christen bewohnten Fläche lag.

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I. Grundlagen

Mit der weiteren Zunahme der Bevölkerung im 12. Jahrhundert dehnte sich die Kaufmannssiedlung nach Westen aus, wurde mit der Stadterweiterung zur Altstadt und erreichte den zum Flusstal abfallenden Hang, über dem die Marienkirche als Kirche der nunmehr entstehenden Neustadt erbaut wurde. In ihrem Pfarrhaus sind im Untergeschoss die Reste einer frühen Burganlage festzustellen. Die Marienkirche wurde zur Stadtkirche für die gesamte Stadt, während die am Rande der Stadt gelegene Nikolaikirche als Friedhofskirche zurückblieb. Sie wurde um 1840 aufgelassen und verkam zur Ruine, die heute noch vorhanden ist.70 In der Gesamtstadt entwickelte sich ein Straßennetz einschließlich Breiter Straße und Plan, von dem ausgehend neue Straßen in die Nachbarstädte führen. Eine Stadtmauer umschloss schließlich die „fertige“ Stadt, die eine Ratsverfassung einführte und sich damit in das städtische Ordnungssystem des Mittelalters einpasste.

Bergen (Norwegen) Die von der Natur geschaffene Bucht (vaagen), an der die Stadt Bergen liegt, war im hohen Mittelalter der Anlandeplatz für den europäischen Handel nach Norwegen. An ihrem Nordufer errichteten deutsche Kauffahrer um 1100 eine Siedlung, die als Deutsche Brücke – Tyska Bryggen – Jahrhunderte lang ein Mittelpunkt des Seehandels war. Die Häuser stehen dort entlang der Uferstraße aufgereiht, womit sie den binnenländischen Kaufmannssiedlungen gleichen.71 Die vor der Küstenlinie gelegenen Bryggen sind als ursprünglich im Wasser erbaute Anlegebrücken zu verstehen, die sich im Laufe der Landhebung – ebenso wie in Stockholm – zu festem Boden wandelten Am Ufer wurde eine Anzahl von Kirchen erbaut, die sich je nach nationaler Herkunft der Ankommenden und der Zeit ihrer Erbauung unterschieden. Hinter den stattlichen Kaufhallen entstand auf halber Höhe über der Uferlinie die Nikolaikirche, die noch als Ruine mit ihrem Turm und der hohen östlichen Giebelmauer des Kirchenschiffs auf einer Stadtansicht aus dem Jahre 1580 zu erkennen ist. Die Ruine zerfiel, hinterließ aber an der Straßenecke von Nikolaikirkenalmenninge und Övregaten einige Mauerreste. Im Mittelpunkt der Anlage, die in typischer Bauweise einer Kaufmannssiedlung entspricht, befindet sich noch heute der zum Wasser führende Weg. Mit dem Wachstum der Siedlung zur Bürgerstadt wurde weiter westlich die Marienkirche erbaut, die mit ihren beiden Türmen heute noch als Gemeindekirche genutzt wird. In ihr wurde bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gottesdienst in deutscher Sprache gehalten. Vor ihrem Westwerk deu-

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Karlheinz Blaschke, Die Entstehung der Stadt Auma. In: Jb. des Museums Hohenleuben-Reichenfels 30 (1985), S. 9–17; Wiederabdruck in: Ders., Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 292–301; Registrum Dominorum Missnensium 1378, hg. von Hans Beschorner, Leipzig (1933), S. 121. Norges Kirker, Bergen, von Hans-Emil Lidén und Ellen Maria Mageroy, Bd. I, Oslo (1980), S. 141 und 158–161; Bd. III, Oslo (1990), S. 21 und passim; Anette Friis Pedersen, Bergen. Streets Broad ´ ye, Bergen und die deutsche Hanse. Bergen (1996), S. 46. and Narrow, Bergen (2005); S. Ingvild Ø

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

Abb. 2

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Entstehung der Stadt Bergen.

ten Grabplatten mit ihren Personennamen auf die deutsche Tradition der Kirchgemeinde hin. Mit dem zeitlichen Nacheinander von Nikolai- und Marienkirche im Stadtgrundriss verkörpert die Stadt Bergen einen Urtypus deutscher Handelsstädte des hohen Mittelalters.

Bruneck (Südtirol) Im Südtiroler Pustertal bildete sich an der alten Fernstraße von Augsburg nach Venedig im heutigen Brunecker Talkessel bei einem Steg über die Rienz ein zentraler Ort, wobei die auf dem Steg reisenden Fernhändler eine in gebogener Gestalt dem Gelände angepasste, doppelseitig bebaute Siedlung – eine Kaufmannssiedlung – mit etwa 50 eng aneinander bebauten Grundstücken und einer Nikolaikirche anlegten. Schon vor dem Jahre 1000 wurde hier Gericht und Markt abgehalten. Das 1302 nachweisbare Stegener Maß diente als Richtmaß im Warenverkehr der Landschaft. Im Jahre 1027 ist Kaiser Konrad II. in Stegon (ahd. Mehrzahl von „Steg“) bezeugt. Die St. Niklaskirche zu Stegen wird zum Jahre 1348 genannt. Bischof Bruno von Brixen erbaute die nach ihm

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I. Grundlagen

benannte Burg und Stadt, die anfangs nur aus 15 Hofstätten bestand. In ihr ging die Siedlung Stegen auf. Im Jahre 1348 wurde eine Stiftung an die „St. Niclaskirche zu Stegen“ errichtet.72

Abb. 3

Entstehung der Stadt Bruneck (Nach Katasteraufnahme des 19. Jhs.).

Cham – Altenstadt (Bayern) Die seit längerer Zeit bestehende Vermutung auf eine aus dem Mittelalter stammende Kirche an der Einmündung des Regen in den Cham hat sich im Zuge neuerer Forschungen bestätigt. Der dafür angesprochene Ort befindet sich an einer der großen Reichsstraßen des Mittelalters in strategisch bedeutender Lage, wo der Weg über das Gebirge zwischen Böhmen und Bayern die bayerische Ebene erreicht. Unmittelbar am Fluss liegt die Reichsburg Cham mit einer St. Georgskirche, die schon mit ihrem Patrozinium auf

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Paul Tschurtschenthaler, Brunecker Heimatbuch. Bozen (1928); K. Th. Hoeniger, Zur Geschichte des Stegener Markts. In: Der Pustertaler Bote, Jg. 99 (1948) Nr. 17; Franz Huter, Die Anfänge von Bruneck. Schlern-Schriften Nr. 150 (1956) S. 125–131.

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

Abb. 4

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Kaufmannssiedlung Altenstadt-Cham.

einen herrschaftlichen Ursprung hinweist. Die zu jeder Reichsburg gehörende Mühle steht am Zusammenfluss beider Flüsse. Die von der böhmischen Seite über das Gebirge herangeführten Wege treffen sich in der Kaufmannssiedlung Altenstadt, wo die dem hl. Nikolaus geweihte Kirche im Jahre 1963 archäologisch nachgewiesen wurde. Dass hier an eine stadtähnliche Entwicklung gedacht war, zeigt sich in dem Flurnamen Altenstadt, der sich auch in der Abgrenzung zur „Neustadt“ Cham äußert, die in einer Entfernung von 2 km zur Nikolaikirche neu erbaut wurde. Die berufliche Ausrichtung der Bewohner dieser Nikolaisiedlung ergibt sich aus dem Patrozinium, der Lage an der Fernstraße, dem Fehlen agrarischer Siedlungsteile und der Bezeichnung Alten-„Stadt“.

Chemnitz (Sachsen) An einem Straßenübergang über das Erzgebirge aus dem meißnischen Raum nach Böhmen stiftete Kaiser Lothar III. höchstwahrscheinlich im Jahre 1136 das Benediktinerkloster Chemnitz, bei dem König Konrad III. 1143 einen Fernhandelsmarkt (forum publicum) privilegierte. Dieser Platz muss bereits damals eine bevorzugte Handelsstätte gewesen sein, so dass er von den seit 1087 anzusetzenden Fernhändlern für ihre Gründung von Märkten mit Nikolaikirchen genutzt wurde. Hier mündete ein Fernweg aus dem meißnischen Niederlande um Leipzig und Altenburg in Richtung auf Böhmen, der die Nicolaigasse bildete. Es entstand im Flusstal der Chemnitz eine straßenförmige Kaufmannssiedlung ohne irgendwelche Anzeichen einer bäuerlichen Siedlung. An ihrem unteren Ende wurde auf einem Geländesporn die Nikolaikirche erbaut. Sie blieb bis zur Zerstörung im Bombenkrieg 1945 als Gemeindekirche erhalten. Die „Niklasgasse“ war eine lockere gassenförmige Siedlung mit 33 Gärtnerstellen im Jahre 1548. Als Amtsvorstadt stellte sie eine selbständige Gemeinde dar. 1844 wurde sie in die Stadt Chemnitz eingemeindet. Die Anzahl der Gärtnerstellen im 16. Jahrhundert gibt einen Anhaltspunkt für die Größe der Kaufmannssiedlung.73 73

Manfred Kobuch, Noch einmal: Die Anfänge der Stadt Chemnitz. In: Zur Entstehung und Frühgeschichte der Stadt Chemnitz. Aus dem Stadtarchiv Chemnitz, H. 6 (2002), S. 26–35.

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I. Grundlagen

Abb. 5

Chemnitz (Nach Katasteraufnahme um 1840).

Colditz (Sachsen)

Abb. 6a

Stadtplan von Colditz (Bearbeitet von Karlheinz Blaschke).

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

59

Die Nikolaikirche in der sächsischen Kleinstadt Colditz ist zum Urheber der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem System der mittelalterlichen Nikolaikirchen geworden. Ihr 700-jähriges Stadtjubiläum im Jahre 1965 bot den Anlass, die günstige Quellenlage ihrer erhalten gebliebenen schriftlichen Überlieferung im Stadtarchiv zu nutzen (siehe Anm. 23). Die noch vorhandenen Bauteile der Burg, der Stadtmauer und die in vollem Umfang erhaltene romanische Friedhofskirche gestatteten eine weitgehende Wiederherstellung der Kaufmannssiedlung mit Hilfe der mittelalterlichen Abgaben, so dass die Erstreckung der im 12. Jahrhundert angelegten Kaufmannssiedlung außerhalb der neuzeitlichen Bauteile möglich war. Die im Jahre 1833 noch nachweisbaren Grundabgaben von den alten Grundstücken der Kaufmannssiedlung ermöglichten es, ihren Umfang am Wege von der Burg zum Flussübergang und zur Nikolaikirche als der einstigen Kaufmannskirche festzustellen. Ein Flurname wie der Furtweg bestätigte die bauliche Anlage der Siedlung am Übergang über die Mulde. Die städtische St. Egidienkirche vor der Burg mit ihrem jüngeren Patrozinium war an die Stelle der zur Friedhofskirche abgesunkenen Nikolaikirche getreten. Mit diesen Merkmalen erwies sich der Colditzer Muldenübergang als ein beweiskräftiger Typus und ein Beispiel für vergleichbare Fälle, zumal hier die Aufmerksamkeit auf das Alter des Patroziniums der Stadtkirche den Unterschied zur Nikolaikirche hervorhob.

Abb. 6b Steuerliche Belastung der Grundstücke in Colditz 1833 (Bearbeitet von Karlheinz Blaschke).

60

I. Grundlagen

Dresden (Sachsen) Die Entwicklung der Stadt begann an einer Fernstraße von Leipzig nach dem Osten, die hier in einer doppelt engen Beziehung zu Böhmen stand: Sie überschritt die Elbe, um den Anschluss an die uralte Via Regia nach Königsbrück zu gewinnen, und gabelte sich zum Übergang über das Osterzgebirge in Richtung Pirna. Dabei nutzte sie einen flachen Höhenrücken im Elbtal mit einer Lage von 110 m Seehöhe. Um über die Elbe zu kommen, ist nur an eine Fähre zu denken, da jede andere Überquerung des Flusses wegen der Tiefe des Fahrwassers nicht in Frage kam. Am höchsten Punkt des unebenen Geländes wurde bei 113 m Seehöhe die Frauenkirche (= Marienkirche) als die Gemeindekirche für das slawische Siedlungsgebiet erbaut. An der Fernstraße entstand hier eine Kaufmannssiedlung, die später in die entstehende Stadt einbezogen wurde. Dabei blieb ihre Schräglage gegenüber dem rechtwinkligen Straßennetz der Rechtsstadt als auffällige Unregelmäßigkeit erhalten. Die dazu gehörige Nikolaikirche wurde auf einem abseits gelegenen, vor Überschwemmungen geschützten höheren Platz erbaut. Wenn man von einer Bauzeit der Nikolaikirche nach dem Jahre 1087 ausgeht, muss am Ende des

Abb. 7 Entstehung der Stadt Dresden (Topographische Grundlagen nach Reinhard Spehr; Bearbeitet von Karlheinz Blaschke).

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

61

11. Jahrhunderts ein reges Leben mit dem Ausbau der Lebensbedürfnisse der damaligen Einwohner des Elbtals geherrscht haben. Dazu gehörte die Errichtung einer Kirche für die Fernhändler der neu entstehenden Siedlung am südlichen Ufer des Flusses. Diese übernahm den Namen Dresden von der slawischen Siedlung am Nordufer, die nunmehr als Altendresden bezeichnet wurde. Die neue Siedlung am Südufer trug für die nächsten Jahrhunderte den Namen Neuendresden (Nauendresden). Die Nikolaikirche der Kaufmannssiedlung wurde als Stadtkirche für die neue Stadt übernommen und war bis zur Reformation als Filialkirche der älteren Frauenkirche untergeordnet. Sie erhielt in Folge der Schenkung eines im Glaubensleben des Hochmittelalters wirkungskräftigeren Heilszeichens, eines Spans des Kreuzes Christi, den Namen Kreuzkirche. Mit der Nikolaikirche war die Elbbrücke eng verbunden. Sie wird um das Jahr 1230 erstmals und 1287 als steinerne Brücke erwähnt, doch liegen Beobachtungen vor, die ihr ein höheres Alter zusprechen, das um 1175/80 anzusetzen wäre. Kirche und Brücke verfügten über ein gemeinsames Vermögen, das von einem Brückenmeister verwaltet und mit dem vom Rat betreuten Vermögen nicht vermengt wurde. Das geistliche Brückenamt blieb bis zum späten 19. Jahrhundert in Funktion.

Görlitz (Oberlausitz) Die Görlitzer Kaufmannssiedlung ist die am besten erhaltene ihrer Art wohl in ganz Europa. Sie entstand an der Via Regia (Hohe Straße), die hier die Lausitzer Neiße überquerte. Wegen der vorrangigen Bedeutung der Straße ist eine frühzeitige Anlage der Siedlung bald nach der Translation des hl. Nikolaus sehr wahrscheinlich, sicher aber noch im frühen 12. Jahrhundert. Die Siedlung zeigt keine topographische Beziehung zur später gegründeten Stadt über dem Neißetal. Von dem berühmten Kupferstecher des 17. Jahrhunderts Matthäus Merian stammt die Abbildung der Kaufmannsiedlung aus dem Jahre 1650, die sich außerhalb der Rechtsstadt, aber im unmittelbaren Anschluss an deren Straßennetz gebildet hatte. Die von der Neißebrücke ausgehende Nikolaistraße setzt sich außerhalb der Stadtmauer als Steinweg fort. Die früheste Abbildung vermittelt ein vortreffliches Bild vom Typus der Kaufmannssiedlung mit dem Steinweg, der heute noch den alten Namen trägt. Die beiden daran gelegenen Zeilen von 50 dicht aneinander gebauten Häusern geben einen Eindruck von der Bauweise. Die einheitliche Bauart zeigt keinerlei Unregelmäßigkeiten oder Abweichungen von der Bauflucht, so dass mit einer in sich völlig gleichartigen Bewohnerschaft zu rechnen ist, in der es keine Rangunterschiede gegeben haben kann. Das lässt auf eine in sich geschlossene Gemeinde mit genossenschaftlicher Ordnung schließen. Ihre Bewohner können ausschließlich einer nicht bäuerlichen Arbeit nachgegangen sein. Die Siedlung hat sich in ihrer städtebaulichen Anlage bis zum heutigen Tage erhalten und wird noch auf dem gleichen Grundriss wie einst bewohnt. Die Bezeichnung des durchgehenden Steinweges setzt die mittelalterliche Gewohnheit fort und verlängert sich als Hohe Straße außerhalb des städtischen Siedlungsraumes.

62

I. Grundlagen

Abb. 8a

Stadtplan – entworfen nach einem Kupferstich von Matthäus Merian, 1650.

Die dazugehörige Nikolaikirche steht an erhöhter Stelle in einer gewissen Entfernung von der Siedlung. Sie ist während des späten Mittelalters als eindrucksvolle spätgotische Hallenkirche auf dem Platz des Vorgängerbaus seit 1452 ohne Turm erbaut und 1520 geweiht worden. Sie scheint einen Rückschluss auf den Wohlstand der Bewohner der Kaufmannssiedlung zu gestatten. Möglicher Weise sind auch Mittel aus der Rechtsstadt in den Bau der Nikolaikirche geflossen. Bis zur Reformation war sie neben der in der Bürgerstadt gelegenen Peterskirche die Hauptkirche der Stadt mit dem Sitz des Pfarrers. Sie war im Mittelalter nicht in die territoriale Kirchenorganisation einbezogen und muss daher als Kirche einer Personalgemeinde gelten.74 An die Nikolaikirche schließt sich der Pfarrhof an.

74

Karlheinz Blaschke, Die Anfänge der Stadt Görlitz. In: Stadtgrundriss (Anm. 24) (1997), S. 329– 341; Matthaeus Merian, Topographia Superioris Saxoniae, Thüringiae, Misniae, Lusatiae etc., Frankfurt (1650), S. 89.

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

63

Abb. 8b Kaufmannssiedlung am Steinweg mit Nikolaikirche von Görlitz (Ausschnitt aus einem Kupferstich von Matthäus Merian, 1650).

Halle/S. (Sachsen-Anhalt) Halle hatte wegen seiner Salzquellen im Mittelalter eine hervorragende Bedeutung im mitteldeutschen Straßennetz, denn von hier aus wurde das lebenswichtige Salz auf den „Salzstraßen“ ins Land hinaus gebracht. Für die Verbreitung des Nikolaus-Patroziniums ist die urkundliche Nennung der Nikolaikirche am Saale-Übergang bei ihrer Übertragung an das Augustiner-Chorherrenstift Neuwerk in Halle von hohem Wert, weil damit eine sehr frühe Zeitbestimmung nach der Translation des Heiligen nach Bari gegeben ist. Halle ist somit einer der frühesten Orte in Deutschland, an denen sich die Ausbreitung der Nikolausverehrung nachweisen lässt. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts gab es in Halle lediglich eine Pfarrkirche. In kurzer Folge entstanden drei weitere Pfarrkirchen mit den Titeln Moritz, Marien und Ulrich. Über die Nikolaikirche gibt es aus dieser Zeit keine Nachricht. Dessen ungeachtet muss sie seit dem Anfang des 12. Jahrhunderts bestanden haben, denn im Jahre 1116 wurde sie dem Chorherrenstift inkorporiert. 1182 befand sich die Nikolaikirche noch als capella

64

I. Grundlagen

im Besitz des Stiftes. In der Reformationszeit verödete sie. 1564 wurde sie vom Erzbischof an den Rat geschenkt und 1569 abgebrochen. Sie lag zwischen der Großen und Kleinen Klausstraße auf einem Hügel. Die Große Klausstraße stellt ein Stück der WestOst-Fernstraße dar, die durch das „Klaustor“ zur Klausbrücke über die Saale führt und sich in der Leipziger Straße fortsetzt. Die Nikolaikirche beherrschte somit einen wesentlichen Teil des durch Halle gehenden Fernverkehrs. – In der 1990 erschienenen Stadtgeschichte von Halle wird die Nikolaikirche nicht genannt.75

Abb. 9

75

Stadtplan von Halle/Saale.

Geschichte der Stadt Halle. Bd. 1: Halle im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Hg. von Werner Freitag und Andreas Ranft, Halle/S. (2006).

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

65

Jena (Thüringen) Die Stadt entstand an der Saale-Linie von Hof nach Halle/Saale mit vielen dazwischen gelegenen Nikolaikirchen, die in ihrer Gesamtheit den Eindruck eines Systems machen. Der Stadtgrundriss weist eine in typischer Art angelegte Kaufmannssiedlung entlang des Steinweges zwischen dem Saaltor und der Camsdorfer Brücke über die Saale auf. Er gleicht damit zahlreichen ähnlich angelegten Kaufmannssiedlungen vom Ende des 11. Jahrhunderts, für die eine Entstehung in der Zeit der Kanonisation des Heiligen im Jahre 1087 angenommen werden kann. Östlich vor der mittelalterlichen Stadtanlage liegt zwischen der Mühllache und der Saale am Steinweg eine aus mehr als 50 Hausgrundstücken bestehende Siedlung mit der Nikolaikirche, die sich als eine stattliche Kaufmannssiedlung jener Zeit darstellt. Sie ordnet sich in die Reihe der gleichgearteten, benachbarten Siedlungen von Weißenfels und Kahla ein. Bald danach muss es von einem anderen Ansatz ausgehend zur Anlage der Stadt gekommen sein, die nicht als bloße Erweiterung der Kaufmannssiedlung angesehen werden kann. Die Straßenführung zeigt keinen unmittelbaren Anschluss der innerstädtischen

Abb. 10 Stadt Jena 1858. (Ausschnitt nach einem Plan, „aufgenommen von den Studierenden Jenas 1858 zur 300-jährigen Jubelfeier“).

66

I. Grundlagen

Saalgasse an den Steinweg und keine organische Anbindung, so dass die neue städtische Bebauung nach einem vollkommen selbständigen Plan vor sich gegangen sein muss. Die neue Stadt Jena hob sich ganz deutlich auch in ihrer städtischen Planung von der Kaufmannssiedlung ab. Das zeigt sich im Neubau der Stadtkirche St. Michael und in der Annahme eines neuen Kirchenpatroziniums, worin sich eine neue Identität ausdrückte. Lediglich der alte Name der Stadt wurde beibehalten. Das Fortbestehen der Nikolaikirche spricht für deren starke Stellung als Trägerin einer verfassungsmäßigen Eigenständigkeit und einer weiter wirkenden örtlichen Tradition.

Laibach/Ljubljana (Slowenien) Wo der Laibachfluss den von der Burg gekrönten Reber-Berg in einer mächtigen Schlinge umfließt, ließen sich an seinen Ufern mehrere händlerische und kirchliche Siedlungen nieder, aus denen sich die künftige slowenische Hauptstadt Ljubljana zusammensetzte. In einer Ansammlung herrschaftlicher, geistlicher und gemeindlicher Gebäude siedelte sich auch eine Gruppe von Fernhändlern an, die hier eine Kaufmannssiedlung mit etwa 40 Häusern und einer Nikolaikirche erbauten. Sie schlossen sich an die älteste Siedlung Altenmarkt (Stari Trg) mit der Jakobskirche an. Die Grundstücke stehen ohne Zwischenräume Wand an Wand eng neben einander. Sie lassen zwischen den beiden Häuserreihen in der üblichen Weise von Kaufmannssiedlungen einen als Breite Straße bezeichneten Weg frei. Die Nikolaikirche fügt sich in eine der beiden Häuserzeilen ein, wodurch die Gleichstellung der Gemeindemitglieder betont wird. Der in Anpassung an den Berghang gebogene Weg zwischen den beiden Zeilen wird als Städtischer Markt (Mestni Trg) bezeichnet. Auf dem anderen Flussufer entstand vor 1267 der Stadtteil Neumarkt mit der Kreuzkirche (KriÏánke), dem Neumarkt (Novi Trg) und dem Judenviertel.76

76

Miha Kosi, Stadtgründung und Stadtwerdung. Probleme und Beispiele aus dem slowenischen Raum. In: Pro Civitate Austriae. Information zur stadtgeschichtlichen Forschung in Österreich. NF Heft 14, (2009), S.14.

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

67

Abb. 11 Stadtplan von Laibach/Ljubljana (Nach: Milko Kos, Srednjeveska Ljubljana. Topografiski opis mesta i okolice. Ljubljana 1955).

Meißen (Sachsen) Im Gegensatz zum burggräflichen [Alt-]Markt unterhalb der Burg liegt jenseits des Tales der Triebisch der Neumarkt, der als die örtliche Kaufmannssiedlung zu deuten ist. An ihrem oberen Ende steht bis heute die Nikolaikirche als romanischer Saalbau. Sie war bis zum Jahre 1539 die Pfarrkirche für drei benachbarte Dörfer. Die Stadtanlage um die Frauenkirche schloss die städtebauliche Entwicklung ab.77

77

Cornelius Gurlitt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 39. Heft, Dresden (1917), S. 85–109.

68

I. Grundlagen

Abb. 12 Meißen um 1830 (Nach Plan im Stadtarchiv Meißen, Inventarnummer: KP 219 b).

Merseburg (Sachsen-Anhalt) Die Vorstadt Neumarkt jenseits der Saale unterhalb von Dom und Schloss erweist sich als ein Fremdkörper in der Gesamtanlage der Stadt. Ihr fehlt ein organisch gewachsener Zusammenhang mit dem Ganzen, so dass sie wie „angeklebt“ erscheint. Zudem ist das Thomas-Patrozinium der Kirche in Sachsen ganz ungewöhnlich. Es fällt völlig aus dem Rahmen und kann nur als ein Unikum an der Straße zwischen Leipzig und Merseburg verstanden werden. Im Vergleich mit Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts deckt sich jedoch der Grundriss genau mit jenen Anlagen, so dass es nahe liegt, im Merseburger Neumarkt eine Kaufmannssiedlung aus diesem zeitlichen Zusammenhang zu sehen. Eine Beziehung zur Leipziger Thomaskirche ist naheliegend. Der städtebauliche Vergleich wird hier bewusst als Argument zugunsten einer aus der kirchengeschichtlichen Vermutung abgeleiteten Annahme verwendet. Ein Blick auf die Altstadt Waldenburg zeigt die Gleichartigkeit mit dem Typus der Kaufmannssiedlungen. Da die Thomaskirche ihr Patrozinium erst nach der Kanonisation des hl. Thomas 1173 erhalten

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

Abb. 13

69

Stadtplan von Merseburg.

haben kann, ihre Erbauung aber in die Zeit der Kolonisation des Leipziger Raumes um 1100 gehören muss, kann eine ursprüngliche Widmung an Nikolaus als sehr wahrscheinlich angenommen werden.

Nabburg (Bayern) An der Straße von Hof nach Regensburg bildete sich im feuchten Gelände an der Naab eine Kaufmannssiedlung. Die romanische dreischiffige Nikolaikirche erweist sich mit ihren bis 1796 noch nachweisbaren zwei Türmen als ein aufwändiger Bau. Er ist nach einem Teilabbruch in neuester Zeit wieder hergestellt und gottesdienstlicher Nutzung zugeführt worden. Unter dem Fußboden wurden die Grundmauern eines älteren, etwas kleineren Kirchenbaus gefunden.78 Entlang der Nicolai-Gasse stehen die Häuser der Kaufmannssiedlung in typischer Anordnung. In ihrer Nähe führt eine Brücke über die Naab.

78

Walter Haas, Das Nikolauskirchlein in Nabburg-Venedig. In: Oberpfälzer Heimat 13 (1969) S. 63– 77; Heribert Sturm, Zur Nikolauskirche in Nabburg. In: Ebenda 15 (1971) S. 67–72; Ulrike Staudinger, Katholische Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer in Nabburg. München (1983). Darin: Katholische Kirche St. Nikolaus in Nabburg, Stadtteil Venedig, S. 12–15.

70

I. Grundlagen

Abb. 14 Vorort Venedig, Kaufmannssiedlung der Stadt Nabburg (Nach Katasteraufnahme um 1840 im Bayerischen Landesvermessungsamt München).

Pegau (Sachsen) Die Stadt ist an einer von Merseburg zur Reichsburg Colditz führenden West-Ost-Straße entstanden, die hier die Elster überschreitet. Der als treuer Bundesgenosse König Heinrichs IV. und Herzog Wratislaws von Böhmen hervorgetretene Graf Wiprecht von Groitzsch baute sich von seinem Stammsitz ausgehend eine beherrschende Stellung aus, in der er das 1096 geweihte Benediktinerkloster Pegau zu einer über Jahrhunderte hinweg führenden Bedeutung brachte. Entlang der Fernstraße entstand um 1090 eine gradlinige, in zwei Reihen angelegte Kaufmannssiedlung mit einer für diese Art von Anlage kennzeichnenden Breitstraße (publica platea), die etwa 40 Grundstücke umfasste. Sie weist die früheste nachweisbare Nikolaikirche in Mitteldeutschland auf. Der Abt Windolf baute daran anschließend in auffallend abweichender Grundrissgestaltung eine planmäßig angelegte Stadt mit Marktplatz, Rathaus und Laurentiuskirche. Der Abt Siegfried erweiterte um 1200 diese Doppelanlage durch eine unmittelbar nach Osten anschließende Neustadt mit der Ottomarskirche bis zum Groitzscher Tor und zur Elster.

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

Abb. 15

71

Entstehung der Stadt Pegau, 1090 –1200.

Damit war von der Anlage der Kaufmannssiedlung bis zur abschließenden Erweiterung nach Osten eine geschlossene, dreiteilige Stadt zustande gekommen. Die sehr frühe Datierung der Nikolaikirche zum Jahre 1092 ist für die zeitliche Einordnung der Nikolaikirchen in Deutschland wichtig. Sie lässt den Schluss zu, dass fünf Jahre nach der Translation des hl. Nikolaus sein Patrozinium bereits in Mitteldeutschland beim Bau einer neuen Kirche verwendet wurde.79

Pirna (Sachsen) Im Raum der späteren Stadt Pirna ergab sich bei der Ausbildung des Straßennetzes die Notwendigkeit, einen Übergang über die Elbe einzurichten. Zu diesem Zweck wurde am freien Elbufer beim späteren Elbtor eine Anlegestelle für den Schiffsverkehr und die Überschreitung des Flusses angelegt. Die Elbe war am Ende des 11. Jahrhunderts bereits ein mit Zöllen belegter Handelsweg, der an seinem südlichen Ufer von Landwegen begleitet wurde. So legten die Fernhändler am Verbindungsweg zwischen der neuen Breiten Gasse und der von Dresden kommenden Dresdnischen Gasse ihre Kaufmannssiedlung an, die sich in das Straßensystem der Hohen Straße (Via Regia) nach Böhmen einfügte. An ihrem Nordende erbauten sie eine Nikolaikirche. Erst danach wurde die sehr regelmäßig angelegte Stadt mit der Marienkirche unterhalb der Burg erbaut. Das Schifftor am Ostausgang der Stadt und der daran sich anschließende Plan mit der Schiffergasse

79

Hans Patze, Die Pegauer Annalen, die Königserhebung Wratislaws von Böhmen und die Anfänge der Stadt Pegau. In: Jb. für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands Bd. 12, Berlin (1963), S. 35 ff., mit Stadtplan.

72

I. Grundlagen

Abb. 16

Entstehung der Stadt Pirna.

unterstreichen die Bedeutung der Stadt im Mittelalter. Sie nahm damals im Wirtschaftsleben einen höheren Rang ein als Dresden. Im Jahre 1447 wird die Nikolaikirche als Pfarrkirche genannt. Von 1628 bis 1639 diente sie den tschechischen Exulanten zum Gottesdienst in ihrer Muttersprache. 1875 wurde die Kirche abgebrochen. Die Breite Straße weist noch heute auf die ehemalige Kaufmannssiedlung hin.80

Sarpsborg (Norwegen) Die Stadt verfügt in ihrem Bürger-Freizeitgelände über eine Ansammlung geschichtlich bedeutsamer Baulichkeiten, wobei die Grundmauern der einstigen Nikolaikirche besonders auffallen. Sie lassen die Fundamente des Chores und eines Teiles des Kirchenschif-

80

Alfred Meiche, Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna. Dresden (1927); Karlheinz Blaschke, Studien zur Frühgeschichte des Städtewesens in Sachsen. In: Fs. für Walter Schlesinger, hg. von Helmut Beumann, Bd. 1, Köln, Wien (1973), S. 333–381. Wieder abgedruckt in: Stadtgrundriss (Anm. 24), S. 109.

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

73

Abb. 17 Fundamente der Nikolaikirche Sarpsborg im Borgarsyssel Museum (Nach Skizze von Erling Bakken).

fes erkennen, die etwa bis zu einem Meter über den Erdboden herausragen. Die Gründung der Siedlung wird auf den hl. Olav im Jahre 1116 zurückgeführt. Ruinen der St. Nicolaskirche aus dem Jahre 1115 sind auf dem Museumsgelände zu sehen.

Strausberg (Brandenburg) Die Markgrafen von Wettin legten bei ihrem Versuch, den Berliner Raum im Osten zu umfassen, eine Burg an, bei der sich am Seeufer eine Siedlung von Dienstleuten (Kietz) niederließ. Adlige Burgmannen erweiterten den Siedlungsstreifen am See. Davon abseits legten Kaufleute die Kaufmannssiedlung mit einer Nikolaikirche an. Diese kleine Siedlung blieb als Kern der später deutlich erweiterten Stadt in deren Gesamtgefüge stecken, das als städtischen Mittelpunkt eine Marienkirche enthielt.81

81

Rolf Barthel, Geschichte der Stadt Strausberg. Berlin (1987), mit Stadtplan.

74

I. Grundlagen

Abb. 18

Entwicklung der Stadt Strausberg.

Waldenburg, Altstadt (Sachsen) Wo die Fernstraße von Leipzig über Altenburg in das Erzgebirge die Mulde überschritt, wurde die Burg Waldenburg erbaut. Unmittelbar gegenüber entstand auf der anderen Seite des Flusses die gradlinig nach Süden gerichtete Straßensiedlung mit einer am unteren Ende stehenden Pfarrkirche, von der kein Weihetitel bekannt ist. Die Siedlung wird zum Jahre 1825 trotz ihres Namens „Altstadt“ als Amtsdorf und eine „sehr lange, städtisch gebaute Gasse“ bezeichnet, die damals „meist Handwerker, auch einige Handlungen“ enthielt und „ganz einer Vorstadt“ glich. Der Name „Altstadt“ kann einen Hinweis auf die am anderen Flussufer neben dem Schloss erbaute „Mittelstadt“ enthalten, die sich zur Rechtsstadt entwickelte. Alle Anzeichen innerhalb der Siedlungsgruppe von Burg/Schloss, Mittelstadt/Rechtsstadt und dem nahe gelegenen Waldhufendorf Altwaldenburg sprechen dafür, in der Altstadt eine Kaufmannssiedlung mit Nikolaikirche zu sehen, wie sie ebenso in 7 km Entfernung im benachbarten Glauchau festzustellen ist. Zum Jahre 1317 wird der Ort als antiqua civitas genannt. Dörfliche Merkmale sind in keiner Weise vorhanden.82

8. Fallstudien nachweisbarer Kaufmannssiedlungen des frühen 12. Jahrhunderts

Abb. 19

75

Kaufmannssiedlung Altstadt Waldenburg (Katasteraufnahme um 1840).

Weißenfels (Sachsen-Anhalt) Die Fernstraße von Halle und Merseburg überschreitet die Saale und führt von dort nach Zeitz und Gera weiter. Anstelle der späteren festen Straßenbrücke ist ein Flussübergang vorauszusetzen, der gradlinig in südlicher Richtung fortführte und am westlichen Rande der späteren Altstadt außerhalb der Stadtmauer eine Reihe von geordneten Grundstücken anzeigt, die als Kaufmannssiedlung mit dem Namen Tauchlitz erkannt werden können. Sie wurde als Niklas-Vorstadt und noch um das Jahr 1800 als Altstadt bezeichnet. Die dort gelegene Nikolaikirche gilt als Mutterkirche von Weißenfels.83 Sie wurde 1285 dem neu gegründeten Klarissenkloster überlassen, das 16 Jahre

82

83

Karlheinz Blaschke, Die Kaufmannssiedlung im 12. Jahrhundert als Typus. Glauchau, Grimma und Waldenburg als Einzellfälle. NASG 83. Bd. (2012). G. E. Otto, Geschichte und Topographie der Stadt und des Amtes Weißenfels. Weißenfels (1796), S. 117 f.; C. A. G. Sturm, Chronik der Stadt Weißenfels. Weißenfels (1846), S. 75. F. Gerhardt, Geschichte der Stadt Weißenfels an der Saale. Weißenfels (1907), S. 140.

76

I. Grundlagen

Abb. 20 Stadt Weißenfels/Saale (Nach einem Plan von Faesch im Landeshauptarchiv Dresden, Nikolaikirche vermutlich nach Verlegung in die Innenstadt).

später in die Stadt verlegt wurde. Tauchlitz blieb eine selbständige Gemeinde, die 1833 in die Stadt einbezogen wurde. Als die Kaufmannssiedlung zur Rechtsstadt ausgebaut wurde, erhielt sie eine Marienkirche am Marktplatz. Nach der Reformation diente die Nikolaikirche als Hospital für ältere Frauen mit einem Gottesacker für dessen Insassen, Ertrunkene und Hingerichtete.

9. Der Beitrag der Siedlungsgeschichte Um das nunmehr vorliegende Ergebnis zu erzielen, wurde das Instrumentarium der archivalischen Forschungen, der hoch entwickelten Namenkunde, der Siedlungskunde, der Sprachforschung und der geographisch ausgerichteten Landeskunde eingesetzt. Die bearbeiteten Fallstudien zu 20 Kaufmannssiedlungen haben das Feld der Siedlungsgeschichte angesprochen, die in der sächsischen Landesgeschichte seit den Tagen Rudolf Kötzschkes eine maßgebliche Rolle spielt. In diesem Zusammenhang ergab sich der Anlass zur genauen Untersuchung des Einzelfalles Colditz in Folge einer sehr günstigen

9. Der Beitrag der Siedlungsgeschichte

77

Quellenlage. Die Forschungstradition am Wissenschaftsstandort Leipzig wirkt seitdem bis in die Gegenwart fort. Paul Johansen gehört zu ihr, der dort 1921–1924 studierte und promovierte. Er entstammte als „Forscher aus Mitternacht“ diesem fruchtbaren Boden, bevor er Stadtarchivdirektor in Riga wurde, von wo er 1940 an die Universität Hamburg kam. Henri Pirenne hat vor 120 Jahren in einer führenden frankophonen Fachzeitschrift seinen bahnbrechenden Aufsatz über die Bedeutung der Fernhändler für die Entstehung des Städtewesens veröffentlicht. Es ist mir eine Genugtuung, im Gedenken an meinen Lehrmeister Rudolf Kötzschke diesen Beitrag in deutscher Sprache anbieten zu können (Kapitel IV), der die gemeinsamen Anstrengungen im karolingischen Berührungsraum westlichen und östlichen Europäertums aufnimmt. Es geht darum, seine Gedanken weiterzuführen und die unterdessen aufgekommenen neuen Erkenntnisse in das noch wachsende Gebäude einzugliedern. Seine Entdeckung des Standes der Fernhändler musste notwendiger Weise den Blick auf die Standorte und Siedlungen dieser Menschen lenken, aus denen die europäische Stadt des Mittelalters hervorging. Henri Pirenne (1862–1935) und Rudolf Kötzschke (1867–1949) waren Altersgenossen. Sie kamen aber aus unterschiedlichen Forschungstraditionen. Pirenne war auf die Urkundenarbeit festgelegt, wie sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in der internationalen Historikerzunft betrieben wurde. Ihm stand als einem Bewohner des niederländischen Raumes die ganze Fachliteratur zur Verfügung, die sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts angesammelt hatte. Seine Arbeitsweise ging von der Aufnahme und Verarbeitung des überaus reichen Tatsachenmaterials in Form von schriftlichen Quellen aus. Die Begegnung mit den geographischen und topographischen Voraussetzungen der Entstehung des Städtewesens hat ihn beeinflusst. In Leipzig gehörte er zu den Hörern von Karl Lamprecht. Der geographische Bezug zog mit Friedrich Ratzel (1844–1904) und Karl Lamprecht (1856–1915) in die Geschichtswissenschaft ein, die beide in Leipzig die siedlungskundliche Forschung von Rudolf Kötzschke anregten. Dabei sollte bedacht werden, dass Marc Bloch als der große Erneuerer der französischen Wissenschaft und Begründer der Annales-Schule im Jahre 1908/09 bei Kötzschke Vorlesungen gehört hat, was immerhin eine Öffnung der Leipziger Szene nach Westen beweist.84 Marc Bloch wurde 1944 als Angehöriger der französischen Résistance von der deutschen Gestapo ermordet. Insgesamt brachte der Leipziger Beitrag unter Einschluss der Werke von Walter Schlesinger eine Bereicherung des Wissens um die Stadtentstehung, denn gerade die Erforschung der Stadtgeschichte kann ohne topographische Grundlagen nicht auskommen. Die Erkundung der Kaufmannssiedlungen als Zwischenstufe auf dem Wege zur Rechtsstadt hat daraus allerdings nicht ihren Nutzen gezogen, denn die Forschungsrichtung unter Walter Schlesinger war auf die Auswertung der schriftlichen Urkunden ausgerichtet, ohne die Bedeutung der siedlungskundlichen Quellenlage zu bedenken.

84

Karlheinz Blaschke, Sachsens geschichtlicher Auftrag. NASG 68. Bd. (1997), S. 281.

78

I. Grundlagen

Die Kaufmannssiedlungen lassen sich in ihrer Lage einwandfrei erkennen. Ob und wie sich daraus eine vollgültige Stadt entwickelte, blieb in vielen Fällen eine offene Frage. Das jetzt vorliegende Quellenmaterial würde es gestatten, einen kleinen Atlas der Kaufmannssiedlungen herzustellen, in dem mühelos mehrere Dutzend Fallbeispiele zusammengefasst werden könnten.85 Von hier aus wäre dann ein Vergleich mit den heute gültigen Stadtplänen aufschlussreich. Dabei würden sich verschiedene Möglichkeiten ergeben. Am einfachsten ist der Fall, in dem eine Siedlung durch Anbau von Straßen zu einem Straßennetz erweitert wurde. Diese Situation liegt in Dresden vor, wo die im Zuge der Fernstraße leicht gebogene, auf die zentral gelegene Frauenkirche ausgerichtete alte Kaufmannssiedlung in die neu entstehende Stadt eingebaut wurde.86 Sie fällt lediglich noch mit ihrer leichten Unregelmäßigkeit innerhalb der neuen Stadt auf. Nur das Wissen um die allgemeine Stadtentwicklung und die Verkehrsgeschichte hat hier die Lage der Kaufmannssiedlung aufgedeckt. In Pegau wurde die gradlinig angelegte Kaufmannssiedlung entlang der vorhandenen Fernstraße verlängert und dort die Stadt erbaut.87 Dabei zeigt die Schnittstelle zwischen der Breiten Straße des älteren Bauteils und der schmäleren Straße in der neuen Stadt die Abgrenzung zwischen alt und neu an. In der Kaufmannssiedlung diente die durchgehende Fernstraße als Straßenmarkt, in der neuen Stadt übernahm diese Aufgabe der neu geschaffene Marktplatz. Die sehr frühe Datierung der hiesigen Nikolaikirche ist von besonderer Bedeutung. Es geht daraus hervor, dass fünf Jahre nach der Translation des hl. Nikolaus im fernen Kleinasien und Unteritalien sein Patrozinium in Mitteldeutschland bereits beim Bau einer neuen Kirche angewandt wurde. In Pirna wurde völlig losgelöst von der Kaufmannssiedlung mit der Breiten Straße und ihrer Nikolaikirche und deutlich abgesetzt von ihr, die regelmäßige neue Stadt mit der Marienkirche erbaut.88 Die Nikolaikirche erhielt im Jahre 1628 eine neue Bestimmung, als sie für den Gottesdienst der böhmischen Exulanten eingerichtet wurde. 1875 wurde sie wegen Baufälligkeit abgerissen. Auf dem Gelände des sie einst umgebenden Friedhofs befindet sich heute ein Park. In diesen drei Fällen blieb eine topographische Verbindung zwischen der alten Siedlung und der neuen Stadt erhalten. Dem stehen die zahlreichen Fälle entgegen, in denen die neue Stadt ohne städtebaulichen Zusammenhang mit der alten Siedlung an einer

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Entsprechende Abbildungen liegen vor für Auma, Chemnitz, Colditz, Görlitz, Halle/Saale, Hof, Krakau, Laibach, Nabburg, Pegau, Pirna, Meißen, Strausberg, Waldenburg, Weißenfels und Zwickau. Geschichte der Stadt Dresden, Bd. 1, (Anm. 41) (2005),darin: Karlheinz Blaschke, Die Entstehung der Stadt. S. 88–98; Siehe auch Abb. 7. Hans Patze, Die Pegauer Annalen (Anm. 80). Karlheinz Blaschke, Pirna. In: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, 8. Bd., hg. von Walter Schlesinger, Stuttgart (1965), S. 276 ff.; Ders., Studien zur Frühgeschichte des Städtewesens in Sachsen. In: Festschrift zum 65. Geburtstag von Walter Schlesinger. Bd. 1. Hg. von Helmut Beumann, Köln, Wien (1973), S. 333–381.

9. Der Beitrag der Siedlungsgeschichte

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neuen Baustelle errichtet wurde, wie es in Bayreuth geschah.89 Dort blieb die alte Siedlung nach der Gründung der neuen Stadt liegen, während der alte Name auf die neue Stadt überging. Die Kaufmannssiedlung fiel unter der Bezeichnung „Altenstadt“ in dörfliche Verhältnisse zurück. Die Entfernung der alten Siedlung zur neuen Stadt konnte mehrere hundert Meter bis wenige Kilometer ausmachen, wie es sich im Falle von Altleisnig neben der Stadt Leisnig90 und Altencham neben Cham91 zeigt. Im äußersten Falle ergab sich eine Verlegung der Stadt an einen völlig neuen Platz, wie es sich in der böhmischen Stadt Pilsen ereignet hat.92 An der Fernstraße von Regensburg nach Prag entstand hier seit dem 10. Jahrhundert neben einer Burg die Stadt Altpilsen/Pilsenetz mit fünf Pfarrkirchen, darunter außerhalb der Stadt mit einer Nikolaikirche. Um 1295 wurde im Zuge einer Stadtverlegung die neue Stadt in einer Entfernung von 9 Kilometern an der heutigen Stelle erbaut, wobei die Begräbniskirche St. Nikolaus am Rande der alten Stadt verblieb. – In Weimar sind zwei Städte aus verschiedenen Anfängen miteinander vereinigt worden: die Frühstadt mit der Jakobskirche und unmittelbar daneben die Neustadt mit der Peters-/Herderkirche, wobei eine Nikolaikapelle an die alte Kaufmannssiedlung erinnert.93 Alle diese Beobachtungen machen es deutlich, dass die weit verbreitete, geradezu kanonische Vorstellung von der Stadtgründung in vielen Fällen nicht der geschichtlichen Wahrheit entspricht und nicht selten einen Mythos darstellt, der nach volkstümlicher Meinung auch noch möglichst genau nach Jahr und Tag festliegen sollte. Die gern gefeierten Jahrestage von Stadtgründungen lassen sich von der ernsthaften Forschung nur in den seltensten Fällen bestätigen, weil das mittelalterliche Städtewesen zumeist nicht auf Gründung, sondern auf Entstehung und Entwicklung beruht. Im Normalfall ist eine Stadt im Mittelalter in einem längeren Vorgang entstanden, wie es sich gerade an der Einschaltung der Kaufmannssiedlungen in den Weg zur Stadt zeigt. Paul Johansen hat seine Bedenken gegen die Verwendung des Ausdrucks „Kaufmannskirche“ geäußert, der nur in wenigen überlieferten Belegen, z.B. in Erfurt, auftritt, 89

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92 93

Dort stand außerhalb der ummauerten Stadt in der Nikolaistraße des Dorfes Altenstadt eine Nikolaikirche an der Furt, die hier den Mistelbach überquerte. Sie war die Mutterkirche für die etwa 2 km entfernte Stadt Bayreuth. Nach 1557 wurde sie abgebrochen. W. Müller, Sankt Nikolaus im Land. In: Heimatbote, Monatsbeilage der Fränkischen Presse, 15. Jg., Nr. 12 (1964). Manfred Kobuch, ( Anm. 56). Ders., Zur städtischen Siedlungsverlegung im Pleißenland. Der Fall Borna. In: Im Dienste der historischen Landeskunde, Festgabe für Gerhard Billig zum 75. Geburtstag. Hg. von Rainer Aurig u.a., Beucha (2002), S. 195–208; In größeren Zusammenhängen: Herbert Fischer, Die Siedlungsverlegung im Zeitalter der Stadtbildung. Wiener Rechtsgeschichtliche Arbeiten 1, Wien (1952). Karlheinz Blaschke, Nikolaipatrozinium und städtische Frühgeschichte. ZRG 84. Bd., Kanon. Abt. 53 (1967), S. 293. Historische Stätten, Böhmen und Mähren, hg. von Joachim Bahlcke u.a., Stuttgart (1998), S. 446. Im Blatt Weimar des Deutschen Städteatlas ist der wirkliche Sachverhalt nicht verstanden worden, so dass die Nennung der civitas vetus als Irrtum bezeichnet wurde. Weimar, in: Deutscher Städteatlas, Lieferung IV – 1, hg. von W. Ehbrecht u.a., bearb. von Jürgen Lafrenz, Altenbeken (2000).

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I. Grundlagen

aber nicht in den üblichen Gebrauch der Umgangssprache gehört.94 Das trifft erst recht für den Begriff der Kaufmannssiedlung zu, der nirgendwo in den Quellen auftritt, sich aber im Zusammenhang mit der Erforschung der Stadtgeschichte als notwendig eingestellt hat. Es bietet sich kein Wort an, das kurz und bündig den hier bestehenden Sachverhalt kennzeichnen würde. Man kommt um das Kunstwort nicht herum. Es drückt die Tatsache aus, dass es in einer bestimmten Zeit fest geformte Siedlungen gab, in denen Fernhändler ihrem Gewerbe nachgingen. Damit ist ganz allgemein alles gesagt, worauf es ankommt. Es handelt sich um eine Zwischenform auf dem Wege zur endgültigen Gestaltung, eine Entwicklungsstufe von kurzer Dauer, die dazu bestimmt war, eine bleibende Form hervorzubringen. Das war die europäische Stadt. In der bisherigen sächsischen Forschung ist die Eigenständigkeit der Kaufmannssiedlung als einer besonderen topographischen Gestalt und einer selbständigen Form der Gemeindeverfassung nicht erkannt, zumindest nicht beachtet worden. Wenn die von Paul Johansen (Anm. 25) angelegten Merkmale weitergeführt worden wären, hätten sich undeutliche und wenig aussagefähige Begriffe vermeiden lassen. Anstelle von „Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter“ (Göttingen 1973) und der „Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11. Jahrhundert“ (Köln 1998) wäre besser von den in klaren Formen nachzuweisenden Kaufmannssiedlungen zu sprechen gewesen. Sie unterschieden sich von landwirtschaftlich-bäuerlich geprägten Dörfern durch ihre Bauweise und ihre Freiheit von feudaler Abhängigkeit. In ihnen gab es keine Bauernhöfe mit Viehställen und Scheunen. Ihre Bewohner waren Mitglieder einer Genossenschaft ohne Bindung an eine herrschaftliche Gewalt. Sie verfügten über eine eigene Kirche mit einem eigenen Pfarrer und waren auch dann exemt von der allgemeinen Kirchenordnung, wenn ihre Kirche ringsum von einer umfangreichen Parochie umschlossen war, wie es im Falle von Bautzen, Dresden und Leisnig erwiesen ist.

10. Kirche und Geldwirtschaft bei der Stadtentstehung Der wiederholte Blick auf die Kirchenpatrozinien in der vorliegenden Arbeit ist notwendig, um in aller Eindringlichkeit die Bedeutung der Kirche für das frühe Städtewesen des Mittelalters bewusst zu machen. Die Menschen jener Zeit lebten auf zwei Ebenen gesellschaftlicher Ordnung: Herrschaft und Kirche. Die Zugehörigkeit zu einer Herrschaft gab ihnen ihren Platz im weltlichen Leben, legte ihre Leistungen für die Obrigkeit fest, der sie zu Diensten verpflichtet waren. Ihr Platz in der Kirche stellte sie in einen Lebenszusammenhang, der von der Familie bis in die unerkannten Weiten zwischen Himmel und Erde reichte und im Glauben an das ewige Leben ihrem Dasein einen Sinn und ihrem Verhalten eine Ordnung gab. Jeder Mensch gehörte einer christlichen Gemeinde an, in der er geistlichen Zuspruch und in den Ängsten und Nöten des irdischen Lebens

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Paul Johansen, Kaufmannskirche im Ostseegebiet. (Anm. 25), S. 499.

10. Kirche und Geldwirtschaft bei der Stadtentstehung

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Trost und Hilfe fand. Ein Leben ohne diese Bindung an das Heilige und das Jenseitige lässt sich für den Menschen jener Zeit nicht denken. Das gilt auch für die Fernhändler, die noch in der Zeit der Fahrmänner als mercatores frequentantes durch die Lande zogen und sich gegen die Fährnisse ihres unruhevollen Berufslebens zu Gemeinschaften zusammenschlossen. Dort fanden sie Hilfe, Sicherheit und geistlichen Beistand durch den Priester, den eine solche Gruppe mit sich führte. Diese Männer waren aus der Geborgenheit ihrer Dorfgemeinschaft herausgetreten, hatten sich mit ihrem unternehmerischen Geist den Abenteuern der Ferne ausgesetzt und waren im Laufe des 11. Jahrhunderts als mercatores manentes, als „bleibende“, dauerhaft an einen Ort gebundene, neu entstehende Berufsgruppe zusammengewachsen. Die von der Legende um den hl. Nikolaus verbreiteten Nachrichten über die Menschenfreundlichkeit des Bischofs aus Myra mögen ihnen sehr willkommen erschienen sein, so dass sie sich ihm als ihrem Schutzpatron anvertrauten. Bei Ausgrabungen der durch den Bombenkrieg zerstörten Berliner Nikolaikirche wurde unter den Grundmauern einer Feldsteinbasilika ein Friedhof nachgewiesen, der auch Bestattungen von Frauen und Kindern enthielt. Der Nikolaus-Legende kam es zugute, dass sie gerade zu der Zeit in der Öffentlichkeit wirksam wurde, als eine wirtschaftlich bedeutende Berufsgruppe sich ihrer annahm, sich mit ihrem Träger identifizierte und ihn geradezu zu ihrem Symbol machte. In dieser sich verfestigenden Siedlungsweise konnte sich der Umgang mit Bargeld weiter ausdehnen, woraus sich im Gefüge von Wirtschaft und Gesellschaft die tiefgreifende, umgestaltende Rolle des Geldes ergab. Aus römischer Zeit hatten sich Restbestände der Geldwirtschaft erhalten, wie sie in den Urkunden des 10. Jahrhunderts noch auftreten. In den Quellen zur Geschichte der Kaufmannssiedlungen werden geldwirtschaftliche Beziehungen wieder stärker greifbar, so dass unter diesen neuen Bedingungen das Geld im Wirtschaftsleben einen neuen Wert gewann. Wirtschaftliche Leistungen wurden nicht mehr wie in der Zeit der reinen Agrarwirtschaft durch Frondienste und festliegende Abgaben, sondern durch freien Handel und Kauf abgegolten. Das zeigte sich bei der Errichtung der Nikolaikirchen und im Umfeld der Kaufmannssiedlungen. Dazu gehörte bemerkenswerter Weise auch die Anlage von Brücken über Flussläufe. In Kahla wurde die Nikolaikirche unmittelbar neben der Saalebrücke außerhalb der ummauerten Stadt an der zur Burg führenden Straße erbaut.95 Sie gehörte zur Brückenstiftung, die von zwei Brückenherren in genossenschaftlicher Selbstverwaltung geleitet wurde. Die Verbindung von Kaufleuten und Kirche geht hier auf eine durchaus praktische Einstellung zurück. In der Nähe der Burg Kahla entstand am Übergang einer Straße über den Fluss eine Kaufmannssiedlung, die noch vor der späteren Stadtentstehung den Brückenbau in die Hand nahm; die Brücke blieb im Besitz der Kaufmannsgemeinde. Auch in Grimma ist die Muldenbrücke aus dem Vermögen der Nikolaikirche unterhalten worden, die nicht die eigentliche Stadtkirche war.96 Die Verbindung von 95 96

Karlheinz Blaschke, Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 20. Ebenda S. 17; Vgl. auch Fußnote 82: Karlheinz Blaschke, Die Kaufmannssiedlung im 12. Jahrhundert.

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I. Grundlagen

Brücke und Nikolaus-Patrozinium findet sich auch in Rochlitz, Glauchau und Waldheim.97 Was in einer Binnenstadt die Brücke ist, bedeutet an der Küste der Hafen. Die Nikolaikirche in der Ostseestadt Kolberg gehörte noch im 17. Jahrhundert in die Zuständigkeit der Hafenherren, die für ihr bauliches Wesen zu sorgen hatten. Der Pastor erhielt sein Gehalt aus der Hafenkasse.98 In Oschersleben ist für die Unterhaltung des Dammes und der Brücke im Jahre 1287 ein Ablass zu Gunsten der Nikolaikirche gewährt worden.99 In Neustadt/Orla führte die Orlabrücke den Namen „Nikolasbrücke“, obwohl die Existenz einer Nikolaikirche in der schriftlichen Überlieferung nicht nachzuweisen ist.100 Die Unterhaltung von Brücken ist folglich nicht nur als ein frommes Werk geistlich zu begründen, sondern als eine verfassungsrechtlich festliegende Leistung nachzuweisen. Die zur Brückenstiftung in Kahla bemerkten Tatsachen geben Anlass zu weiteren Überlegungen über die Rolle des Geldes im Zusammenhang mit der Nikolausbewegung. Wenn man alles zusammenträgt, was hier über die Verwendung von Bargeld im Geschäftsleben der Kirche oder auch nur an ihrem Rande zu sagen war, dann ergibt sich im Blick auf die Geldwirtschaft in jener Zeit ein weites Feld. Der kirchliche Betrieb ließ sich jetzt mit den rein naturalwirtschaftlichen Mitteln des frühen Mittelalters nicht mehr bewältigen. Schon für den Bau der nunmehr in großer Anzahl entstehenden Kirchen wurden entlohnte Handarbeiter notwendig, für die erfahrene Fachleute gebraucht wurden. Allein für die hier verzeichneten 500 Nikolaikirchen arbeitete ein Heer von des Handwerks kundigen Männern. Für zahlreiche Flussbrücken flossen die Geldmittel aus Brückenstiftungen, die mit den Nikolaikirchen eng verbunden waren. Als größtes dieser Vorhaben ist die Dresdener Elbbrücke zu nennen. In dieser Hinsicht bietet die Dresdener Elbbrücke101 den stärksten Beweis. Sie wird urkundlich erstmals um das Jahr 1230 erwähnt102, doch sind archäologische Forschungen auf eine Erbauungszeit um 1175/80 gekommen. Mit ihren 24 Bögen, einer Länge von 501 Metern und einer Breite von 8,50 Metern gehört sie zu den stattlichsten Brückenbauten im damaligen Europa. Die Bauweise und die fachmännische Bearbeitung der Werksteine weisen auf die Arbeit von Fachleuten einer Bauhütte hin. Als ihre Bauherren kommen nur die Fernhändler in Frage, die sich in der Nikolaisiedlung zusammengeschlossen hatten. Nur sie konnten als Träger der aufblühenden Geldwirtschaft

97 98 99 100 101

102

Karlheinz Blaschke, Stadtgrundriss (Anm. 23), S. 15, S. 28 und S. 32. Ebenda S. 234. Ebenda S. 25. Ebenda S. 25. Geschichte der Stadt Dresden, Bd. 1 (Anm. 40). Darin: Karlheinz Blaschke, Die Elbbrücke, S. 98 ff. Stuttgart (2005). Thomas Ludwig, Bischof Heinrich von Meißen ( 1228/30–1240) und die „Summa prosarum dictaminis“. NASG Bd. 70 (1999), S. 40. Die Urkunde von 1229/30 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits für das geistliche Brückenamt ausgestellt gewesen, vgl. Ders., Die Urkunden der Bischöfe von Meißen. Archiv für Diplomatik, Beiheft 10, Köln, Weimar, Wien (2008), S. 14, 138, 156 und 299.

10. Kirche und Geldwirtschaft bei der Stadtentstehung

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die erheblichen Mittel aufbringen. Nach der Fertigstellung der Brücke waren sie ihre Eigentümer, für ihre Benutzung nahmen sie auch den Brückenzoll ein. Die Brücke und die Kaufmannskirche flossen in einen einheitlichen Vermögensstock zusammen, der bis weit in die frühe Neuzeit hinein durch das geistliche Brückenamt verwaltet wurde. Dem Brückenamt unterstand ein Sondervermögen, das nicht dem Stadtrat zugehörte. Seine Selbständigkeit reichte bis in die Zeit vor der Formierung des Rates und vor der Gründung der Stadtgemeinde zurück. Es führte die Tradition der Kaufmannssiedlung weiter. So muss der Brückenbau ausschließlich von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der um die Nikolaikirche versammelten Fernhändlergemeinde getragen worden sein, von einer Beteiligung herrschaftlicher Kräfte sind keine Spuren zu bemerken. Darüber gibt es keine schriftlichen Nachweise, aber die dargelegten Tatsachen führen zwingend zu der Feststellung, den Bau der Dresdener Elbbrücke, der ein hölzernes Bauwerk vorausgegangen sein könnte, als eine Leistung der Kaufmannssiedlung vor der Mitte des 12. Jahrhunderts anzusetzen. Das wäre noch vor dem großen Aufschwung des Freiberger Silberbergbaus im Jahre 1168 geschehen. Aus alledem zeigt sich, welche wirtschaftlichen Kräfte die Kaufmannssiedlungen in der Aufbruchsituation des frühen 12. Jahrhunderts entfalteten. Nur wenige dieser Großbrückenbauten werden in den Quellen ausdrücklich als Werke der Kirche genannt, aber auf dem Wege des Vergleichs dürften sich zahlreiche Bauten ähnlicher Größenordnung ergeben. Der Bau der Muldenbrücke in Grimma war an die dortige Nikolaikirche angebunden. Es liegt nahe, eine gleiche Beziehung für die Saalebrücke in Weißenfels zu vermuten. Für den Bau und die Unterhaltung der Saalebrücke in Camsdorf bei Jena dürfte sich kaum eine andere Zuständigkeit ermitteln lassen, als diejenige der Bewohner des Steinweges vor der Stadt Jena, die mit ihrer aus 50 Fernhändlern bestehenden Bevölkerung bei der Nikolaikirche am ehesten eine solche Brücke brauchten und mit ihrer finanziellen Kraft in der Lage waren, den Aufwand zu bestreiten. Der Blick auf die erstaunlichen Brückenbauten jener Zeit macht auch auf die damals erbauten Großkirchen aufmerksam, die in den Städten emporwuchsen. Zu ihnen gehörte die doppeltürmige Nikolaikirche in Geithain, die aus der wirtschaftlichen Kraft von 33 kleinen Grundbesitzern in Altdorf nahe Geithain geschaffen worden war. Hinter ihnen stand der Handelsgewinn von der 30 km langen Straße von Altenburg nach Rochlitz. Wenn vom Geld und vom Silberbergbau die Rede ist, muss auch an die Waren gedacht werden, die mit Hilfe der umlaufenden Münzen bewegt wurden. Die Wirtschaftsgeschichte geht der Frage nach, wo welche Waren erzeugt wurden, die dann dem Fernhandel dienten. Im frühen 12. Jahrhundert fiel die Menge der Waren hinsichtlich Umfang und Vielfalt nur bescheiden aus. Als Transportmittel standen lediglich Tragtiere und zweirädrige Karren zur Verfügung, bis seit dem 11. Jahrhundert vierrädrige Wagen aufkamen. Der bequemere Wasserweg bot Vorteile gegenüber den ungepflegten Landwegen. Als Handelswaren kamen Salz, Metall, Teer für den Schiffbau, Fisch als Fastenspeise, hochwertige Stoffe, Seide, Schmuck, Wein und Gewürz in Frage. Der Warenwert

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I. Grundlagen

schien die Arbeitslöhne weit überschritten zu haben, was die Finanzierung der aufwändigen Brückenbauten möglich machte. Für die Herkunft der Waren kamen weite europäische Gebiete an Rhein und Mosel für den Wein, in Skandinavien für den Fisch, in Osteuropa für die Pelze, in den deutschen Salinenorten wie Halle/Saale das Salz in Betracht. Aus dem Ausland oder von Übersee stammten Gewürz und Seide. Einige Grundstücke in der Colditzer Badergasse mussten im 12. Jahrhundert Pfeffer und Ingwer als Zinse entrichten, wofür offensichtlich ein Bedarf bestand, der nur über den Fernhandel beschafft werden konnte.

11. Zwangsläufiger Ausklang des Nikolaus-Patroziniums. Die Bedeutung der Nikolaikirchen seit dem späten Mittelalter Als sich etwa nach der Mitte des 12. Jahrhunderts aus der Fernhändlergemeinde die Stadtgemeinde und aus der Kaufmannssiedlung die Stadt mit ihrer Ratsverfassung entwickelte, konnte die standesmäßige Monokultur nicht mehr aufrecht erhalten werden. In den neu entstehenden Städten wurden Kirchen mit anderer Widmung erbaut, vor allem Marienkirchen. Das Beispiel der Stadt Bergen in Norwegen kann hierfür erhellend wirken, zumal es sich dabei um einen Platz von hoher Bedeutung für das Wirtschafts- und Verkehrswesen der städtischen Frühzeit handelt. In enger Nähe zur Nikolaikirche ist hier die Marienkirche erbaut worden. Im Gegensatz zur nur noch archäologisch erkennbaren Nikolaikirche ist sie als lebendiges Gotteshaus noch heute im Gebrauch. Zum Beispiel Bergen lassen sich viele Parallelfälle anführen, wobei namentlich an Berlin, Rostock und Stralsund zu denken ist. In allen derartigen Fällen muss es zum Baubeginn der Marienkirchen gekommen sein, während der Bau der Nikolaikirchen noch im Gange war. In Bozen steht die kleine Nikolaikirche wenige Schritte entfernt längs neben der Marienkirche mit einer etwa zehnfach größeren Grundfläche. Dieses Beispiel zeigt sehr sinnfällig den Wandel im Kirchenbau anhand der unterschiedlichen Patrozinien, was wohl kaum anders als mit dem Ausbau der Kaufmannssiedlung zur Rechtsstadt zu erklären ist. Das spricht für eine starke soziale Beweglichkeit des Kirchenvolkes, das sich von der ursprünglichen Einheitlichkeit in der Kaufmannssiedlung zur Vielgestaltigkeit der Stadtbevölkerung wandelte. Die Ausrichtung auf den Schutzpatron der Fernhändler entsprach nicht mehr der Wirklichkeit, so dass die erweiterte Kirchgemeinde einen neuen, mit umfassender Wirkungskraft ausgestatteten Schutzpatron suchte, von dem sich alle Stadtbewohner angesprochen fühlen konnten. So etwa ist die religiöse Mentalität der Stadtbevölkerung zu verstehen. Die Folge war die Hinwendung zu einem neuen, einem umfassenderen und „höheren“ Patrozinium, eben dem Marien-Patrozinium, das nun vorrangig für die neu entstehenden Stadtkirchen gültig wurde. Damit verlor der hl. Nikolaus seine führende Stellung. Aus der Baugeschichte der Marienkirche in Bergen

11. Zwangsläufiger Ausklang des Nikolaus-Patroziniums

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ergibt sich eine Bauzeit zwischen 1130 und 1170. Entscheidet man sich für 1150 als den Mittelwert, dann wäre seit der Mitte des 12. Jahrhunderts mit dem allgemeinen Patrozinienwechsel von Nikolaus zu Maria zu rechnen. Seitdem dürften Nikolaikirchen nicht mehr erbaut worden sein. Hierfür gibt die Entwicklung in der Stadt Grimma eine Erklärung. Neben der Fernstraße vom Mulden-Übergang nach Leipzig steht hier die ältere Nikolaikirche als Zeugnis einer Kaufmannssiedlung vom Ende des 11. Jahrhunderts, während die im 12. Jahrhundert entstandene Rechtsstadt ihre Stadtkirche der hl. Maria widmete.103 Daraus ergeben sich Schlussfolgerungen für die Zeitstellung in der frühen Stadtgeschichte. Die zum Jahre 1387 erstmals bezeugte Nikolaikirche in Vilnius/Wilna am Sitz des Großfürsten von Litauen muss nunmehr vor 1150 erbaut worden sein, was als Richtwert für die litauische Geschichte von Bedeutung sein dürfte. Ganz allgemein lässt sich aus diesen Beobachtungen die Tatsache ableiten, dass sich die Fernhändlergemeinde mit ihrem Wachstum zur Stadtgemeinde selbst überlebt hatte. Der oben getroffenen Feststellung, dass die Nikolaikirchen im Zuge der späteren Entwicklung in eine zweitrangige Stellung geraten sind, muss noch weiter nachgegangen werden. Viele von ihnen verloren ihre alte Funktion und standen dann für eine anderweitige Verwendung zur Verfügung. Dafür müssen tiefere Ursachen vorgelegen haben, die wohl nur darin gesehen werden können, dass diese Kirchen ihre Gemeinden eingebüßt hatten. Das konnte entweder dadurch geschehen, dass die Mitglieder der bisherigen Kirchgemeinden in die neu gegründeten Städte zogen, wie es für Colditz erschlossen wurde. Zum anderen aber kann die Auflösung der Nikolaikirchgemeinden zustande gekommen sein, weil die Bewohner der Kaufmannssiedlung unter Beibehaltung ihrer alten Wohnsitze bei der Stadtgründung ihren genossenschaftlichen Verband aufgaben und in die größere Stadtgemeinde eintraten, die nun ihre eigene Kirche, vielfach eine Marienkirche errichtete. Das späte Mittelalter brachte mit dem Aufkommen der Pest und anderer Seuchen, mit der schärferen sozialen Differenzierung der Stadtbevölkerung die Anfänge der Kranken-, Alters- und Armenfürsorge durch städtische Organe, die jedoch noch in enger Anlehnung an die Kirchenordnung standen. Die vor den Stadttoren ungenutzt stehenden und schon verfallenden Nikolaikirchen boten sich für den Ausbau zu Hospitälern geradezu an, so dass es seitdem neben den „klassischen“ Hospitalpatrozinien St. Jakob und Hl. Geist viele Nikolaihospitäler gibt. Manche Nikolaikirche erhielt auf diese Weise eine neue Funktion, die sie vor dem Verfall bewahrte. Andere Nikolaikirchen konnten deshalb noch ein bescheidenes Dasein fristen, weil sie im Laufe des religiös bewegten Spätmittelalters immer wieder mit frommen Stiftungen bedacht worden sind, aus deren Mitteln Messen gelesen und sogar Kapläne unterhalten wurden, wie es für Schleiz/Thür. bezeugt ist. Überhaupt scheint die auf Erhaltung des Bestehenden bedachte Kirchenordnung der vorreformatorischen Zeit viel dazu beigetragen zu haben, die mit dem

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Karlheinz Blaschke, Die Kaufmannssiedlung im 12. Jahrhundert. (Anm. 82).

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I. Grundlagen

Verlust ihrer Gemeinden funktionslos gewordenen Kirchen zu erhalten. Jede einzelne Kirche galt ja als Besitz ihres Titelheiligen, mit jedem Kirchengebäude war für den Menschen jener Zeit ein bestimmtes Maß an Heilsgewissheit verbunden. Die Reformation hat mit der Beseitigung des Heiligenkultes diese schützende Hand von den Heiligen weggenommen. Gegenüber den in ihrem Rang eher verminderten ehemaligen Nikolaikirchen haben einige wenige eine Rangerhöhung erlebt. In Aken, Greifswald, Stendal und Tyrnau wurden sie zu Augustinerchorherrenstiftern erhoben, die in der kirchlichen Hierarchie auf einer Ebene unterhalb der Bischofskirchen standen. Zum bischöflichen Rang stieg allein die Nikolaikirche in Lübeck auf, die in dieser führenden Ostseestadt neben Aegidius, Blasius, Maria und Petrus als Kirchenpatrozinien der Frühzeit auftrat. Im Jahre 1160 wurde der Sitz des Bistums Oldenburg nach Lübeck verlegt, wo 1163 in Gegenwart des Herzogs Heinrichs des Löwen der Dom zur Ehre der Jungfrau Maria und Johannes des Täufers geweiht worden ist. Dabei wurde der bisherige Patronat des hl. Nikolaus von der in den Dom einbezogenen Pfarrkirche übernommen. Um der Absicht einer quantifizierenden Arbeit an der Geschichte zu entsprechen, sollen einige Zahlen in die Betrachtung einbezogen werden, die auf der Kenntnis von 500 Nikolaikirchen beruhen. Von ihnen bieten 95 eine Auskunft, die sich auf ihre weitere Verwendung in Mittelalter und Neuzeit bezieht. Die übrigen 335 blieben in ihrer alten Stellung als Pfarrkirchen unangetastet. Von den 95 anderweitig verwendeten Kirchen wurden 33 im Laufe der Geschichte abgerissen, 32 dienten als Hospitalkirchen, 29 als Friedhofskirchen und 14 als Kirchen für ein neu errichtetes Kloster. Daran zeigt es sich, dass für einen gewissen Teil der Nikolaikirchen nach dem Ende der Kaufmannssiedlungen die Möglichkeit einer angemessenen, sinnverwandten Nachnutzung bestand. Die spätmittelalterliche Kirche war lebendig und beweglich genug, um für einen Teil ihres alten Gebäudebestandes eine neue Aufgabe zu finden. Die angegebenen Zahlen betreffen vermutlich nur ein Zehntel aller in Nikolai-Europa vorhanden gewesenen Nikolaikirchen, aber sie können einen Eindruck von dem Ausmaß vermitteln, in dem sich der Nikolauskult im mittelalterlichen Europa bemerkbar gemacht und eingeprägt hat. Wenn er auch nur etwa ein reichliches halbes Jahrhundert in voller Blüte gestanden hat, so sind doch seine Wirkungen und Folgen in einem beachtlichen Umfang bestehen geblieben. Dabei kann der Nutzen dieser Umstellung für die gesellschaftlichen Bedürfnisse durchaus hoch eingeschätzt werden. In der europäischen Stadt des Mittelalters war die Einrichtung von Hospitälern eine Notwendigkeit, um in einer von familiären Bindungen gelockerten, beweglich gewordenen städtischen Gesellschaft Hilfen für Fremde und Kranke bieten zu können. Das weitschichtige Hospitalleben nahm im Mittelalter einen beachtlichen Umfang an und kam zu einer segensreichen Wirkung, für die sich die Kirche dem Gebot der Nächstenliebe entsprechend verantwortlich zeigte. Da diese Kirche auch für den Umgang mit dem Tode belastet war, gehörte das Bestattungswesen zu ihren Aufgaben. Die Beerdigungen fielen in die Zuständigkeit der Pfarrkirchen, bei denen innerhalb der Stadt die Friedhöfe lagen. Als aber im Laufe des späten Mittelalters die Stadtbevölkerung zunahm und der Raum in der Stadt für die steigende Anzahl der

11. Zwangsläufiger Ausklang des Nikolaus-Patroziniums

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Toten nicht mehr ausreichte, wurden zumeist im 16. Jahrhundert die Friedhöfe außerhalb der Stadt angelegt. Dabei erwies es sich als zweckmäßig, eine vor der Stadt bestehende Nikolaikirche, die keine Gemeinde mehr hatte, zur Begräbniskirche zu machen und bei ihr einen Friedhof einzurichten. So wurde das Nikolaus-Patrozinium neben anderen aus ganz praktischen Gründen für die Hospitäler und die Friedhöfe in Anspruch genommen. Der Blick auf die Nikolaikirchen muss den Patrozinienwechsel einschließen. So trat bei der Nikolaikirche in Dresden ein Wechsel ein, als im Jahre 1234 die Gemahlin Constanze des meißnischen Markgrafen Heinrich bei ihrer Hochzeit einen Splitter vom Kreuz Christi mitbrachte, der als hochrangige Reliquie in einer besonderen Kapelle untergebracht und vom Volk so sehr verehrt wurde, dass im Jahre 1388 der Hochaltar auf den Namen des hl. Kreuzes geweiht und die Nikolaikirche zur Kreuzkirche umgewidmet wurde. In anderen Fällen mögen es örtliche Beweggründe gewesen sein, die einen Wechsel verursachten. So wurde in der schlesischen Stadt Grünberg der hl. Nikolaus im Jahre 1419 durch die 1267 heilig gesprochene schlesische Herzogin Hedwig ersetzt. Am häufigsten tritt der Wechsel von Nikolaus zu Maria auf, was mit der oben beschriebenen Umstellung der Fernhändlergemeinde zur Stadtgemeinde erklärt werden kann. Er ist für Herzberg in Sachsen, Kyritz, Melsungen, Pritzwalk und Sternberg nachzuweisen. Beelitz, Luckau und Neubukow führen Nikolaus und Maria im Doppelpatrozinium auf, wobei Maria wegen des höheren Ranges als spätere Hinzufügung zu verstehen ist. Nikolaus wurde geändert zu Aegidius in Nimburg, zu Jakobus in Memel, zu Katharina in Lenzen. Umgekehrt wurde der Nikolaustitel verliehen an eine Pauluskirche in Peiskretscham, an eine Johanniskirche in Ottmachau und an eine Andreaskirche in Creuzburg. In Priebus galt die doppelte Widmung an Aegidius und Nikolaus. An manchen Orten stand den Nikolaikirchen eine grundherrliche Befugnis zu, wie sie bereits für Colditz festgestellt wurde. In Breslau hatte der Pfarrer der Nikolaikirche die Gerichtsbarkeit über die Fischergasse inne. In Glauchau bildete die Nikolaigemeinde einen eigenen Rechtsbezirk innerhalb der Stadt. Die Chemnitzer Niklasgasse stellte bis 1844 eine exemte Gemeinde dar, bevor sie in die Stadt eingemeindet wurde. Solche Sonderrechtsbereiche hatten stets eine schwache Stellung, weil sie dem Streben der Stadträte nach einem einheitlichen Stadtrechtsbezirk im Wege standen. Es kann daher damit gerechnet werden, dass solche Verhältnisse auch an anderen Orten nicht in die schriftliche Überlieferung eingegangen und daher unerkannt geblieben sind. Im Zuge der Ausdehnung einer Stadt durch den Anbau einer Neustadt sind in zwei Fällen Nikolaikirchen in der Neustadt festzustellen, was ihnen gegenüber den Marienkirchen in den Altstädten ein geringeres Alter zuschreibt und damit der Regel entgegenzustehen scheint. Trotzdem muss man sich hier vor übereilten Vergleichen zurückhalten. In Bernburg und Quedlinburg stehen eine Altstadt mit Marienkirche und eine Neustadt mit Nikolaikirche unmittelbar nebeneinander, was der hier vertretenen Deutung der zeitlichen Abfolge von Nikolai und Marien widerspricht. Eine Lösung des Widerspruchs ergibt sich aber, wenn in beiden Fällen die Entwicklung des Stadtplans beachtet wird.

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I. Grundlagen

Die Nikolaikirche in der Neustadt Quedlinburg liegt an dem als Steinweg bezeichneten Teil der Fernstraße von Halle und Magdeburg nach Halberstadt und kann als Kirche einer ehemaligen Kaufmannssiedlung betrachtet werden, die vor die Altstadt mit der Marienkirche zurückreichen muss. Eine besonders auffällige, neuartige Verwendung von Nikolaikirchen zeigt sich im vorliegenden Material in zehn Fällen, für die es allerdings keine Erklärung gibt. In den Städten Århus, Bamberg, Budapest, Chur, Coswig, Danzig, Helsingør, Schemnitz, Thorn und Wisby gerieten die einstigen Nikolaikirchen in den Dominikanerorden, während die Franziskaner in diesem Zusammenhang nur ein einziges Mal auftreten. Ob die Dominikaner einen höheren Rang innehatten? Wenn von einem Nachleben der Nikolaikirchen gesprochen wird, so ist ihre weitere Verwendung nach dem Abklingen der Nikolausverehrung seit der Mitte des 12. Jahrhunderts zu verstehen. Damit ist nur die Tatsache gemeint, dass seitdem keine neu erbauten Kirchen mehr mit dem Nikolaus-Patrozinium versehen worden sind. Der übergroße Teil der Nikolaikirchen behielt den Weihetitel und trägt ihn bis zum heutigen Tag. An den hl. Nikolaus schließt sich eine große Tradition an, wie sie wohl kaum für eine andere Gestalt aus der großen Schar christlicher Heiliger nachzuweisen ist.

12. Exkurs: Die Nikolaus-Verehrung beim deutschen Adel Während der Nikolaus-Kult auf der Gemeindeebene seit der Mitte des 12. Jahrhunderts keine Kirchen mehr mit diesem Patrozinium bewidmete, entwickelte der Heilige aus Myra in dieser Zeit auf einer anderen gesellschaftlichen Ebene eine erstaunliche Ausstrahlung.104 Das zeigte sich in Bari selbst, wo die seit 1089 im Bau befindliche Nikolaus-Basilika infolge umfangreicher Schenkungen eine wirtschaftliche Macht erlangte. Bei ihrer Weihe im Jahre 1197 wurde sie als „Zierde der römischen Kirche“ gepriesen. Unter Kaiser Friedrich II. stieg sie zur staufischen Hofkirche auf. Zeitgleich führte die Nikolaus-Verehrung auch in Deutschland zur Bewidmung staufischer Pfalzkapellen mit dem Nikolaus-Patrozinium. Das betrifft namentlich die Pfalzen Kaiserslautern, Regensburg, Frankfurt und Nimwegen. Neben seiner Hauptverbreitung in dem neu sich bildenden Berufsstand der Fernhändler drang der Nikolaus-Kult in die führenden Kreise der weltlichen und kirchlichen Herrschaftsträger ein, die sich in ihrer geistlichen Orientierung der neuen „Mode“ anschlossen. Für die geradezu stürmische Entfaltung des Fernhändlertums mit den überall in Europa aufsprießenden Nikolaikirchen ergeben sich da-

104

Diesen Hinweis mit einer Reihe von Schlussfolgerungen verdanke ich meinem Dresdener Archivkollegen Manfred Kobuch. Vgl. auch Hans Martin Schaller, Die staufische Hofkapelle im Königreich Sizilien. Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, 11 (1954/55), S. 462–505, bes. S. 473–480; Gerhard Streich, Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters. Untersuchungen zur Sozialtopographie von Pfalzen, Burgen und Herrensitzen. Vorträge und Forschungen, Sonderband 29, Sigmaringen (1984).

12. Exkurs: Die Nikolaus-Verehrung beim deutschen Adel

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raus keine Folgerungen. Im Blick auf die Nikolaus-Verehrung als eine gesamtgesellschaftliche Erscheinung muss jedoch dieser Nebenschauplatz beachtet werden. Es spricht für die Ausstrahlung des Nikolaus-Kultes, dass er im genossenschaftlich geordneten Wirtschaftsleben auf europäischer Ebene seine großartige Kraft erweisen konnte, während er gleichzeitig in der politischen Führungsschicht auf dem sozial eingeschränkten Felde des deutschen Reichsadels spürbar in Erscheinung trat.

II. Analytische Ortsbeschreibungen

1. Einführung Die Arbeit an den Nikolaikirchen des hohen Mittelalters zieht eine Reihe allgemeiner Tatsachen und Erkenntnisse nach sich. Das betrifft zunächst den weitgehenden Mangel an Quellenzeugnissen im herkömmlichen Sinne aus ihrer Anfangszeit. Es gibt nur wenige schriftlich überlieferte Nachrichten über Nikolaikirchen in Deutschland bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts. Nikolaikirchen vor dem Jahre 1150 lassen sich bis auf geringe Ausnahmen nur aus allgemeinen kirchen- und siedlungsgeschichtlichen Rückschlüssen nachweisen oder wahrscheinlich machen. Nikolaikirchen sind als freie Gemeindekirchen aus dem Bedürfnis nach geistlicher Betreuung hervorgegangen. Das ereignete sich gerade auch in Gebieten und an Orten mit Neusiedlungen, an denen es im 12. Jahrhundert in Europa nicht fehlte. Auch der weitgehende Mangel an schriftlichen Zeugnissen über die Entwicklung des frühen Fernhandels erklärt sich aus der Ferne der Fahrmännergemeinschaften zur durchorganisierten Lebensart der herrschaftlichen und der kirchlichen Ordnung, wie Paul Johansen sie in eindrücklicher Weise vorgestellt hat. Die in der vorliegenden Arbeit dargebotenen Erkenntnisse über Nikolaikirchen in Europa beruhen auf vielen Einzelheiten, die aus der Fachliteratur, aus Ortsverzeichnissen und Städtebüchern zusammengetragen wurden. Dabei kam es darauf an, anhand möglichst vieler Beispiele ein Gesamtbild zu erhalten, aus dem sich allgemein gültige Aussagen ableiten lassen. Es hat sich gezeigt, dass sich die Nikolaikirchen in Europa im 12. Jahrhundert in einem System darstellen, das eine einheitliche Grundlage besitzt, in dem Bau- und Siedlungsformen einheitliche Merkmale aufweisen und das in seiner gesellschaftlichen Organisation einheitlichen Grundsätzen folgt. Es steht außerhalb herrschaftlicher Ordnungen und beruht auf genossenschaftlicher Selbstverwaltung. Damit zeigt es wesentliche Grundzüge der aus der städtischen Welt Europas aufsteigenden neuen Sozialordnung. Die Nikolaikirchen des frühen 12. Jahrhunderts traten als Eigenkirchen von Genossenschaften der Fernhändler auf. Die Quellenlage erfordert für die Erforschung der Kaufmannssiedlungen und Stadtentstehung eine neue Arbeitsweise. Im Vordergrund steht nicht mehr die Suche nach der großen Urkunde der „Stadtgründung“, sondern die Frage nach den wirtschaftlichen und den geographisch-topographischen Voraussetzungen der Stadtentwicklung. Nicht mehr schriftliche, vom Zufall der Überlieferung abhängige Quellen bilden die Grundlagen der

1. Einführung

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Forschung, sondern systematisch zusammengetragene Bausteine für ein umfassendes Gesamtbild. In dieser Hinsicht ergibt sich eine methodische Nähe zur Archäologie, wo der Befund an die Stelle der schriftlichen Quelle tritt und aus der Vielzahl der Befunde das erstrebte Forschungsergebnis hervorgeht. Gewiss ist es etwa für die Städte Köslin in Pommern und Libau in Lettland von Bedeutung, sie mit ihren Nikolaikirchen in einen zeitlichen Rahmen einordnen zu können. Aber wichtiger ist ihre Zugehörigkeit zum System der südlichen Ostsee-Küstenstraße mit ihrer durchgehenden Abfolge von Nikolaikirchen zwischen dem dänischen Svendborg und Tallinn/Reval in Estland. Damit erhalten die beiden genannten, wenig bekannten Städte ihre besondere Identität. An diesem Fall lässt sich die Einordnung der Nikolaikirchen in größere Zusammenhänge deutlich machen. Für die Zeitstellung der Kirchengründung ergeben sich daraus Hinweise. Wenn in einer solchen linienartigen Abfolge von Nikolaikirchen auch nur eine einzige zeitlich genau festgelegt werden kann, ist das für alle anderen auf dieser Linie von Bedeutung. Damit wird die Frage nach der Entstehungszeit der Nikolaikirchen nochmals angesprochen, die sich aus dem Datum der Translation des heiligen Nikolaus im Jahre 1087 ergibt. Abgesehen von einigen frühen Vorläufern ist die Masse der Nikolaikirchen erst danach erbaut worden. So ist mit einer ständigen Bauzeit bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts zu rechnen, die mit der Gründung von Kaufmannssiedlungen einhergeht. Die Erbauung der Marienkirche in Bergen ganz in der Nähe der Nikolaikirche deutet das Ende der Nikolaikirchen-Blütezeit an. Genaue Zeitangaben über den Wechsel lassen sich nicht machen. Es kann nur vermutet werden, dass die Ablösung des Nikolai- durch das Marien-Patrozinium beim Bau neuer Stadtkirchen mit der Ausdehnung der Stadtbevölkerung von einer reinen Händlergemeinde zu einer gemischten Stadtgemeinde zusammenhing, wobei auch die stärkere herrschaftliche Ordnung in den unter Ratsverfassung stehenden Städten bedacht werden muss. Ein städtischer Rat war stets einem Stadtherrn zugewiesen, den es in der Kaufmannssiedlung nicht gab. Insofern war mit dem Patrozinienwechsel der Ortskirche eine bemerkenswerte Veränderung der gesellschaftlichen Struktur und der rechtlichen Verfassung verbunden. Als in Bergen in den Jahren 1130–70 nahe an der Nikolaikirch-Gemeinde eine Marienkirche erbaut wurde, vollzog sich der Wechsel von der Kaufmannssiedlung zur Stadt und damit von der Kaufmannskirche zur Stadtkirche. Für den Vollzug des Gottesdienstes wäre dieser Aufwand nicht notwendig gewesen, er ergab sich lediglich aus dem neuen Selbstbewusstsein einer erweiterten Bürgerschaft. Sie war über die Abgeschlossenheit der Fernhändler zur Offenheit der Stadtgemeinde hinausgewachsen und strebte im Selbstverständnis der Bürger- und Kirchgemeinde einen materiellen Ausdruck im Neubau der Marienkirche an. Die Erweiterung der alten Nikolaikirche in Freienwalde an der Oder hat den gleichen Übergang sehr anschaulich auf eine „elegantere“ Art und Weise bewältigt. In der Regel schritt man zum Bau einer neuen Kirche mit einem neuen Patrozinium. Damit erledigte sich aber auch die geistliche Kraft des Nikolaus-Patroziniums. Für die angebliche Bauzeit der Nikolaikirchen in Bautzen, Innsbruck und Lüneburg im 15. Jahrhundert ergeben sich daraus Schlussfolgerungen, denn auch für sie müssen die Anfänge noch in das frühe 12. Jahrhundert gesetzt werden.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

An dieser Stelle erhebt sich ein Widerspruch zur bisher geltenden Auffassung über die Anfänge des europäischen Städtewesens. Dieser Neubeginn wird in die Zeit gesetzt, aus der früheste schriftliche Nachrichten über städtische Verfassungen vorliegen. Das trifft auf die Mitte des 12. Jahrhunderts zu. Die Frühzeit der Kaufmannssiedlungen von 1100 bis 1150 wird dabei kaum beachtet. Auch der Zeitabschnitt bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts fällt bei einer solchen unvollkommenen Betrachtung aus. Das wirkt sich namentlich auf die Zeitstellung der Stadtentstehung in Ost- und Nordeuropa einschränkend aus. Wenn man die hier niedergelegten Erkenntnisse über den Wechsel vom Nikolaus- zum Marien-Patrozinium ernst nimmt, können nach der Mitte des 12. Jahrhunderts in Europa keine Nikolaikirchen mehr erbaut worden sein. Das hat zur Folge, dass alle später genannten Nikolaikirchen in ihrem Ursprung auf die Jahre vor 1150 zurückgehen müssen. Ob es sich dabei um Kirchen noch in Kaufmannssiedlungen oder schon um regelrechte Stadtkirchen gehandelt haben kann, muss der örtlichen Forschung überlassen bleiben. Um es an zwei Beispielen deutlich zu machen: Die Stadtkirchen in Bromberg und Graudenz mit der Nikolai-Widmung müssten entsprechend derjenigen in Bergen vor der Mitte des 12. Jahrhunderts erbaut worden sein. Diese Schlussfolgerung ergibt sich zwingend aus der Patrozinienforschung, die für die zeitliche Einordnung der Stadtkirchen im hohen Mittelalter einen unverzichtbaren Wert besitzt. Welche Schlussfolgerungen sich aus diesen Erkenntnissen zur zeitlichen Einordnung des Nikolaipatroziniums ergeben, lässt sich auch am Beispiel der Nikolaikirche in Vilnius/Wilna darlegen. Sie ist im Jahre 1387 in der Überlieferung nachgewiesen und kennzeichnet den Beginn der Christianisierung in der litauischen Geschichte. Sie gehört folglich zu denjenigen Kirchen ihres Typs, die über den Patrozinienwechsel hinaus ihre alte Widmung bewahren konnten. Wenn sie vor dem Jahre 1150 erbaut wurde, weist das auf ein sehr frühes städtisches Wesen am Hauptort des litauischen Großfürstentums hin. Die hier angewandte Arbeitsweise schließt an Henri Pirenne an. Er verfügte über ein umfangreiches Tatsachenwissen aus der schriftlichen Überlieferung, begnügte sich aber damit, besonders auffallende und eindrückliche Fälle von Stadtentstehungen darzulegen. Sie mussten ausreichen, um das Wesentliche der gewonnenen Erkenntnisse aus dem Quellenstudium zu vermitteln. Städte wie St. Omer, Saint-Quentin, Maastricht, Arras und Lille dienten auf diese Weise beispielhaft für ein ganzes geographisches Feld. In der gleichen Art werden in der vorliegenden Arbeit bestimmte herausragende Einzelfälle als Nachweise für grundlegende Erscheinungen der Übergangszeit von der Kaufmannssiedlung zur Stadt verwendet, wie z.B. Berlin, Bergen, Colditz, Innsbruck, Krakau, Pegau und Wien. Die übrigen Ortsartikel dienen dazu, die gewonnenen Erkenntnisse in der Breite auszudehnen und ihren Wert zu erhöhen. Die Stadtrechtsverleihung mit Hilfe der „aristokratischen“ Pergamenturkunde wird durch die Vielzahl der dem „demokratischen“ Grundsatz angemessenen Ergebnisse topographischer Erkundung ersetzt. Die im Folgenden aufgeführten 500 Nikolaikirchen stellen nur einen Bruchteil der in Europa nachweisbaren Kirchen dieser Widmung dar. Tatsächlich ist mit einigen tausend Fällen zu rechnen. Es kann sich hier nicht darum handeln, sie alle aufzuführen. Viel-

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mehr ist es das Anliegen, einen Eindruck von ihrer großen Anzahl und ihrer geographischen Verbreitung zu vermitteln. Für einige von ihnen können Bedeutung und Funktion dargestellt werden, um die besondere geschichtliche Stellung dieses Kirchentyps anzuzeigen. Sie äußert sich in einer dreifachen Art und Weise: 1.) Von wenigen älteren Einzelfällen abgesehen, lassen sich die Nikolaikirchen auf eine in ihren Anfängen eindeutig bestimmte Epoche festlegen, die mit der Translation des hl. Nikolaus im Jahre 1087 begann. 2.) Im Gegensatz zu einigen Patrozinien, die sich bestimmten geographischen, landsmannschaftlichen oder standesbedingten Trägergruppen zuordnen lassen, wie Ansgar, Hedwig und Georg, die für Skandinavien, Schlesien und den Adel zuständig sind, gehören die Nikolaikirchen dem Stand der Fernhändler an. Mit Nikolaus als Schutzpatron erhielt dieser Stand einen überzeugenden Träger der Identität und eine auffallende Macht auf der Grundlage seiner hohen wirtschaftlichen Bedeutung. Im Unterschied zur allgemein gültigen Organisationsform der römischen Kirche konnten sich die Fernhändler in Personalgemeinden zusammenschließen und sich dadurch vom übrigen Kirchenvolk abgrenzen. Stifter kann es für eine Nikolaikirche nicht gegeben haben, weil es sich bei diesen Bauten größtenteils doch wohl um Leistungen einer Kirchgemeinde handelte, die Eigentümer des Bauwerks blieb. 3.) Diese Sonderstellung war die Ursache für das Ende der Nikolaikirchen-Epoche. Denn als die Kaufmannssiedlungen sich mit ihrer sozialen Monostruktur zur vielgestaltigen Stadtgemeinde hin öffneten, war eine Kirchenorganisation nicht mehr zu halten, die sich nur auf eine einzige soziale Trägerschicht stützt. In den Analytischen Ortsbeschreibungen kommt es darauf an, die materiellen und topographischen Grundlagen darzulegen, auf denen die vorliegende Arbeit aufgebaut ist. Dabei handelt es sich weniger um Zitate aus Urkunden, Akten und anderen Quellen, sondern in erster Linie um Befunde, aus denen die Bedeutung der Nikolaikirchen erkennbar ist. Es geht um die einzelne Nikolaikirche, ihren Standort im Gefüge einer Siedlung und vor allem im Straßensystem. Wichtig sind Bezeichnungen wie Steinweg, Breite Straße, Landweg und Nikolaibrücke sowie Flussübergänge. Zu beachten sind ferner bedeutende Ereignisse ihrer Geschichte. Dazu gehören bauliche Maßnahmen, Rangerhöhungen und -verluste, der Wechsel des Patroziniums und stärkere Zerstörungen bis zum völligen Abriss. Im folgenden Text werden die Städte mit Nikolaikirchen über ganz Europa ohne politische Gliederung in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Marktorte sind einbezogen, da sie in manchen Landschaften den Städten ähnlich sind oder gleichen. Dörfer (Landgemeinden) werden nicht berücksichtigt, da sie außerhalb der mittelalterlichen Stadtentwicklung stehen und keine Aufschlüsse für das anstehende Thema bieten. Die erfassten Städte liegen zum größeren Teil im heutigen oder im ehemals von der deutschen Geschichte eingenommenen Raum, für den es leicht zugängliche Hilfsmittel der Information gibt. Für die böhmischen und polnischen Gebiete konnten brauchbare Unterlagen beschafft werden. Für Frankreich leistete ein in reichem Maße mit Stadtplä-

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

nen ausgestatteter Reiseführer von Fischer-Hachette gute Dienste, weil er die topographischen Grundlagen der Forschung aufdeckt. Für Dänemark liegt ein Handbuch der Historischen Stätten nach deutschem Muster vor. Für Schweden stand eine Ausarbeitung von Dan Johansson eigens über die Städte mit Nikolaikirchen zur Verfügung. Bei der analytischen Aufarbeitung des Quellenmaterials wurde auf die Beweiskraft einer großen Menge von Einzelbeispielen Wert gelegt. Dieses quantitativ betonte Verfahren fügt sich nicht in die Arbeitsweise des Urkundenforschers im 19. und 20. Jahrhundert ein. Es bringt aber zuverlässige Ergebnisse hervor, die vom Gewicht der Anzahl mit ihrer Überzeugungskraft gestützt werden. Hier ist erneut auf die Ähnlichkeit zur Archäologie hinzuweisen. Gegenüber dem Quellenwert der Pergamenturkunde erlangt die Menge vieler im Einklang miteinander stehender Befunde eine beachtenswerte Bedeutung. Die Angaben zu den Ortsartikeln sind in ihrem Umfang unterschiedlich. An sich hat schon die bloße Mitteilung über eine am Ort vorhandene Nikolaikirche ihren Quellenwert, weil damit ein Festpunkt angezeigt und die betreffende Stadt als Bestandteil des Systems ausgezeichnet wird. Viele solcher Punkte vermitteln einen Eindruck von der flächenhaften oder der linienartigen Verbreitung des Patroziniums und zeigen „NikolaiLandschaften“ an, die sich in der Dichte der auftretenden Nikolaikirchen von leeren Gebieten unterscheiden. Jede Ortsnennung wird mit den notwendigsten Literaturangaben versehen, um weitere Nachforschungen zu erleichtern. In besonderen Fällen werden umfangreichere Ausführungen zur Bau- und Wirkungsgeschichte der Kirche gemacht, wo sich ein solches Verfahren wegen der Forschungslage und der Bedeutung der Kirche anbietet. Die Länge der Ortsartikel schwankt. In schwierigen Fällen, bei denen es sich um Grundsatzfragen vorbildhafter Beispiele oder um methodische Überlegungen handelt, kann sich ein Artikel weiter ausdehnen. Daher wurde eine Reihe von Ortsartikeln mit umfangreichen Beschreibungen versehen, in denen die besondere Bedeutung der Kirche und des zu ihr gehörenden Ortes ausgedrückt wird. In diesen Texten schlägt sich die Forschung nieder, die für die Ausarbeitung des Nikolaikirchen-Themas geleistet worden ist. Das kann sich darin äußern, dass erst einmal das Bestehen einer bisher unbekannten Nikolaikirche nachgewiesen werden musste (Wittenberg). An anderer Stelle kam es darauf an, eine in der Forschung unbeachtete Nikolaikirche wieder in den Zusammenhang der Stadtgeschichte zu stellen und diesen Sachverhalt mit stichhaltigen Nachweisen zu stützen (Jena). Ein für die Forschung wichtiger Hinweis wurde in die Ortsartikel eingearbeitet (Freienwalde). Als die Nikolaikirchen im Laufe des späteren 12. Jahrhunderts in die allgemeine Ordnung der römischen Kirche einbezogen wurden, erlebten manche von ihnen eine bedeutende Rangerhöhung, die in den Ortsartikeln vermerkt worden ist (Lübeck, Stendal). Dadurch wurden die Texte mit kirchengeschichtlichen Angaben angereichert. Wo sich die Vermutung ergab, dass ein ursprüngliches Nikolaus-Patrozinium abhanden gekommen war, das aber aus sachlichen Gründen bestanden haben muss, kam es darauf an, diesen „Verdacht“ zu beweisen (Borna). Die Auseinandersetzung mit Ortsforschern war notwendig, um mit Hilfe stichhaltiger Begründungen das Nikolaus-Patrozi-

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nium glaubhaft zu machen (Innsbruck). Durch diese Kleinarbeit wurden die analytischen Ortsbeschreibungen mit wissenschaftlichem Inhalt angefüllt, der ihren eigentlichen Wert ausmacht. Es darf angenommen werden, dass auf diese Weise manche Schwächen und Fehler in stadt- und kirchengeschichtlichen Einzeldarstellungen behoben werden konnten und sich aus dem Studium der Ortsartikel weiterführende Anregungen für die Arbeit an der Stadtgeschichte in Einzelfällen ergeben (Lüneburg). Während der Bearbeitung der Ortsartikel zeigte es sich, dass bei der Abfassung von Städtebüchern und Städteatlanten nicht immer die erstrebenswerte Sachkunde gewaltet hat. Die in vielen Fällen auftretenden Angaben über eine „Pfarrkirche“ oder eine „Stadtkirche“ nützen nichts, denn eine solche undifferenzierte Kennzeichnung ergibt sich schon aus dem allgemeinen Zusammenhang. Dass eine Stadtkirche mit einem Patrozinium versehen ist, aus dem sich wesentliche Tatsachen zur Geschichte, Entstehungszeit und gesellschaftlichen Stellung ablesen lassen, muss unter den Fachleuten der Stadtgeschichte noch stärker beachtet werden. Bei der Aufzählung der Nikolai-Orte wird nachfolgend nicht zwischen Pfarrkirchen und Kirchen minderen Ranges wie Kapellen, Hospital- und Friedhofskirchen unterschieden, weil sich die Einstufung einer Kirche im Laufe der Zeit ändern konnte. Eine ursprünglich als Pfarrkirche einer Kaufmannssiedlung dienende Kirche wurde später nicht selten in ihrem Range herabgesetzt. Es kommt darauf an, ein Kirchengebäude unabhängig von seiner zeitbedingten Nutzung zu erfassen. Sogar die Nikolai-Brücke in Neustadt an der Orla ist wegen ihrer topographischen Lage ein unverzichtbarer Hinweis auf eine ehemals vorhanden gewesene Nikolaikirche. Die Aufstellung der Liste von Ortsartikeln über Nikolaikirchen in Europa verfolgt den Zweck, die weite Verbreitung des Nikolaus-Patroziniums seit dem 12. Jahrhundert darzulegen. Qualitative Unterschiede der Nikolaikirchen spielen dabei keine Rolle. Die Arbeit an den Ortsartikeln lässt für alle Fälle die Möglichkeit offen, hinter der Nennung des Nikolaus-Patroziniums eine Nikolaikirche zu vermuten, die wiederum einer Kaufmannssiedlung zugehörte. Dieser Zusammenhang ist in jedem Falle sicher. Das Patrozinium, die Kirche und die Siedlung bilden eine geschichtlich wirksam gewesene, topographische und funktionale Einheit, die sich über die ganze West-Kirche mit Ausnahme der Mittelmeerländer erstreckte.

Die folgenden Ortsartikel haben nicht das Ziel, Einzelbeiträge zur Stadtgeschichte in einem auf Vollständigkeit ausgerichteten Sinne darzubieten. Es geht vielmehr darum, die betreffende Nikolaikirche nach Entstehungszeit, örtlicher Lage, Veränderungen ihrer Verfassung und möglicherweise ihr Ende vorzustellen. Die Kennzeichnung ihrer Lage innerhalb des Stadtplans und des näheren Verkehrsnetzes ist dabei wesentlich. Ein Patrozinienwechsel spielt eine besondere Rolle, weil dadurch die Funktion der Kirche innerhalb der Stadt verändert werden konnte. Da viele Nikolaikirchen ihre Aufgabe als Gemeindekirchen verloren und mit diesem Verlust auch in einigen Fällen ihren Namen aufgegeben haben, war es angebracht, die Methoden der Erforschung offen zu legen, mit

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

deren Hilfe die Geschichte der Kirche und ihrer zugehörigen Kaufmannssiedlung aufgedeckt werden konnte. Die Angaben zur Zeitstellung der Kirchen folgen der Fachliteratur. Sie können in erheblichem Maße von den Vorstellungen abweichen, wie sie im vorliegenden Text dargelegt werden. Für die geographische Zuordnung der angeführten Städte wurde nicht immer die amtliche Bezeichnung gewählt, sondern ein Hinweis auf die geschichtlich-geographische Identität. So bietet die Kennzeichnung der Lage von Lübbenau mit Zugehörigkeit zur Niederlausitz eine bessere Information als jene zum Lande Brandenburg, von dessen annähernder Erstreckung zwischen Hamburg und Dresden mancher Benutzer des Buches kaum eine Vorstellung haben dürfte. Die geographischen Zuordnungen sind aus einer vierzigjährigen Beschäftigung mit dem Gegenstand hervorgegangen. Sie beruhen auf einer ausgiebigen historisch-geographischen Sachkenntnis des Verfassers.

2. Ortsartikel (Vorwiegend Orte in Mitteleuropa mit Ausblicken auf Skandinavien, Osteuropa, die Niederlande, Frankreich und England) Aachen (Nordrhein-Westfalen) DSB Nordwest, S. 29. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 3–4.

Die Kirche steht an der die Altstadt durchziehenden Fernstraße in bester Verkehrslage, was auf eine ursprüngliche Personalgemeinde schließen lässt. Sie wurde zusätzlich zu den am Ort bereits bestehenden Kirchen erbaut. Ihrer Entstehungszeit nach kann sie in die Frühzeit des Nikolaikirchenbaus seit 1100 gesetzt werden. Nach der Auflösung der Kaufmannssiedlung entstand an ihrer Stelle 1237–1247 der älteste Klosterbau der Franziskaner. Er führte das bei den Franziskanern nicht gebräuchliche Nikolaus-Patrozinium fort.

Aberdeen (Großbritannien, Schottland) Die Kirche St. Nicholas befindet sich in der Altstadt auf einem freien Platz, der von der Marktstraße durchzogen wird. Unmittelbar daneben liegen die Docks am Fluss Dee kurz vor dessen Mündung in die Nordsee. Baedeker Großbritannien, S. 139.

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Agram/Zagreb (Kroatien) Die Nikolaikirche steht an der längs durch die Stadt führenden Hauptstraße an einem Dreiecksplatz beim vicus Latinorum. Bei ihrer ersten urkundlichen Erwähnung war sie die Kirche des Dominikanerklosters, das sich bei der Kirche der Kaufmannssiedlung nach deren Auflösung eingerichtet hatte. Neven Budak, „Buduçi da smo htjeli u Zagrebu na brdu Gradecu sagraditi slobodni grad …“. Radanje Gradeca – okolnosti, poticaji , slijed, (Da wir in Zagreb, auf dem Hügel Gradec, eine freie Stadt errichten wollten …“. Die Entstehung von Gradec – Umstände, Anregungen, Folgen). In: Zlatna bula 1242–1992. Hg.von Z. Stubliç, Zagreb (1992), S. 21–32. Ders., „Buduçi da smo na brdu gradecu odluãici sagraditi slobodni grad …“. In: Zlatna bula 1242. (1992). Katalog (Zagreb 1992). (Karte der Nikolaikirchen an den Fernstraßen).

Åhus (Schweden) Die Nikolaikirche wurde um 1250 unmittelbar am Fluss bei der alten Schiffbrücke innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer erbaut. Die Marienkirche stammt aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Johansson, S. 20.

Aken/Elbe (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 409. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 2.

Pfarrkirche der Stadt ist die bei der Stadtgründung um 1188 entstandene Marienkirche. Die innerhalb der Stadt gelegene Nikolaikirche ist älter und kleiner, sie wird auf 1117–1130 datiert. Sie wurde 1270 zum Sitz eines Kollegiatstiftes ausersehen. Seit der Reformation wurde sie nur noch als Begräbniskirche genutzt. Später diente sie als Salzniederlage. 1712 wurde sie den Reformierten zum Gottesdienst überlassen. W. Dittmar, Pfeffers Chronik der Stadt Aken/Elbe, Aken (1929) mit Stadtplan im Anhang.

Alfeld (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 18. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 3.

Die Nikolaikirche entstand als Mutterkirche für die Marktsiedlung auf dem rechten Leineufer.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Alsleben/Saale (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 411. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 7.

Die Stadtkirche ist der hl. Cecilie geweiht. Bei einer Burg wurde vor 979 das Benediktinerkloster gestiftet, bei dem sich das 1142 genannte forum an einem Saaleübergang entwickelte. Unmittelbar an der Saale lag vor dem Saaletor das Hospital St. Nikolai.

Altenburg (Thüringen) DSB Mitte, S. 264. Hist. Stätten Thüringen, S. 6. Atlas Saale, Blatt 38, Teilkarte X und S. 205.

Neben der Stadtkirche St. Bartholomäi bestand eine 1206 zuerst genannte Nikolaikirche als Sitz für den Archidiakon für das Pleißenland, der 1140 bezeugt ist. Innerhalb der unter Friedrich Barbarossa erweiterten Stadt nahm das Nikolaiviertel eine Sonderstellung als ein unter dem Rat stehendes Gemeinwesen ein. Nach der Reformation wurde die Nikolaikirche dem Verfall überlassen, lediglich der Turm blieb als Glockenturm für die benachbarte Brüderkirche erhalten. Die Nikolaikirche liegt ganz am Rande der ummauerten Stadt, wo die Fernstraße von Chemnitz und Zwickau nach Gera das alte Stadtgebiet schneidet. Altenburger Urkundenbuch, bearb. von Hans Patze, Jena (1955), Nr. 62. Hans Patze, Recht und Verfassung thüringischer Städte, Weimar (1955), S. 23–25 und 63. Deutscher Städteatlas, Lieferung V, Heft 1, hg. von Heinz Stoob, bearb. von Hans K. Schulze, Altenbeken 1993.

Altsohl/Zvolen (Slowakei) Hudák, S. 324. Mezö, S. 337.

Die ecclesia sancti Nicolai ist zum Jahre 1264 bezeugt. Mon. Vat. Slovaciae, I, 84, Nr. 468.

Alzey (Rheinland-Pfalz) DSB Rheinland, S. 47. Hist. Stätten Rheinland-Pfalz, S. 11.

Als Bauzeit für die Nikolaikirche werden die Jahre 1420–53 angegeben.

2. Ortsartikel

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Amsterdam (Niederlande) Die Nikolaaskerk liegt am Hafen in der Altstadt im Mittelpunkt des städtischen Lebens.

Angers (Frankreich) Hachette, S. 825.

An dem der Altstadt gegenüber liegenden Ufer erstreckt sich parallel zum Flusslauf des Maine die Rue St. Nicolas.

Anklam (Pommern) DSB Nordost, S. 133. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 153. Pommern, S. 230.

Neben der Stadtkirche St. Marien steht seit alters die Nikolaikirche.

Apenrade (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 12.

Anstelle einer abgebrannten ältesten Knuds-Kirche wurde die 1247 genannte Nikolaikirche erbaut.

Arboga (Schweden) Johansson, S. 1.

An der den Fluss überschreitenden Straße wurde um 1300 die Nikolaikirche erbaut, von der sich nur Mauerreste erhalten haben.

Arensburg/Kuressaare (Estland) Baedeker Baltikum, S. 186.

Die Nikolaikirche liegt am Wege zur Bischofsburg.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Århus (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 4.

Die Nikolaikirche gilt als die älteste Kirche am Ort. Sie ist wohl um das Jahr 1080 dort erbaut worden, wo später der dem hl. Nikolaus geweihte Dom und jetzt die Frauenkirche steht. Sie wurde später an die Dominikaner übergeben.

Arnstein (Bayern) DSB Bayern 1, S. 51. Hist. Stätten Bayern, S. 27.

Die 1292 erstmals genannte Stadt erhielt 1333 das Marktrecht. Die Stadtpfarrkirche St. Nikolaus reicht vor das Jahr 1400 zurück.

Arras (Frankreich) Hachette, S. 886.

Die im Mittelalter durch ihre Tuchherstellung berühmte Stadt weist an der durchgehenden Fernstraße in bester Verkehrslage eine Nikolaikirche auf.

Asch/A‰ (Tschech. Republik, Böhmen) Rokyta 1, S. 16. Hist. Stätten Böhmen-Mähren, S. 9. Kuãa 1, S. 40.

An einem Übergang über die Eger wurde die Stadt mit einer 1270 genannten Nikolauskirche angelegt, 1281 erscheint sie als forum.

Aschersleben (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 419. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 23. Atlas Saale, Blatt 35, Teilkarte I und S. 148.

Bei einer Grafenburg vor der Altstadt bildete sich um die später abgebrochene Nikolaikirche eine erste Siedlung.

2. Ortsartikel

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Ash (Großbritannien, Kent) Die Kirche von St. Nicholas – at – Wade („Waten!“) war Jahrhunderte lang eine hervorragende Landmarke für die Schifffahrt auf der nahe gelegenen Ostsee. Der Ort lag nahe an der Furt durch den Wantsum-Fluss, der die Insel Thanet vom Festland trennt. Die ältesten Bauteile der Kirche stammen aus dem 12. Jahrhundert. Church Guide (am Ort). Reginald Thomas Tower, The Church of St. Nicholas at Ash. (1952) und (1972).

Aue (Sachsen) DSB Mitte, S. 17. Hist. Stätten Sachsen, S. 10.

Neben dem 1173 gegründeten Augustiner-Chorherrenstift Klösterlein entwickelte sich das Waldhufendorf Aue zu einem Marktflecken mit einer Nikolaikirche ohne ersichtliche Beziehung zu einer Fernstraße.

Auerbach/Vogtland (Sachsen) DSB Mitte, S. 18. Hist. Stätten Sachsen, S. 12.

Vor der Reformation wird die vor dem Zwickauer Tor außerhalb der Stadtmauer gelegene Nikolaikapelle in der Nähe einer alten Brücke über die Göltzsch genannt. Dort ergab sich ein Anknüpfungspunkt für die Fernhandelsstraßen aus Zwickau und Plauen. Sie wurde 1791 auf alter Grundlage als Friedhofskirche neu erbaut. Helmut Schubert, Göltzschtalgalerie Nikolaikirche Auerbach. In: Sächs. Heimatblätter 39. Jg. (1993), H. 1, S. 56.

Auma (Thüringen) (Abbildung 1, S. 53) DSB Mitte, S. 272. Hist. Stätten Thüringen, S. 26.

An der Fernstraße von Nürnberg nach Leipzig erstreckte sich in der Nähe einer Burg die Kaufmannssiedlung mit der Nikolaikirche, neben der später die westlich anschließende Bürgerstadt mit der jüngeren Marienkirche angelegt wurde. Der spätgotische Bau der Gottesackerkirche St. Nikolai aus der Zeit vor 1500 ist um 1840 eingegangen, so dass nur noch der Chor in Resten stehen geblieben ist. Karlheinz Blaschke, Die Entstehung der Stadt Auma. In: Jb. des Museums Hohenleuben-Reichenfels 30 (1985), S. 9–17.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Autun (Frankreich) Hachette, S. 458.

Die Chapelle St. Nicolas liegt in der Altstadt an einer Kreuzung durchgehender Fernstraßen.

Baden (Schweiz) In der Mitte der Stadt steht die Nikolaikirche. Baedeker Schweiz, 14. Aufl. (2010), S. 164.

Ballenstedt (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 422. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 29. Atlas Saale, Blatt 35, Teilkarte IV und S. 149.

An der Nikolaikirche führt die Breite Straße als Teilstück der Fernstraße nach Quedlinburg vorbei. Sie setzt sich in der Langen Straße zum Alten Markt fort.

Bamberg (Bayern) DSB Bayern 1, S. 98. Hist. Stätten Bayern, S. 60.

Auf der Inselstadt Bambergs lag früher ein Friedhof mit der St. Nikolauskapelle. Die an der Brücke gelegene Dominikanergasse kann auf ein Kloster hinweisen, das nach dem Beispiel mehrerer Parallelfälle an einer Nikolaikirche erbaut wurde.

Banowitz/Bánovce/Bán (Slowakei) Hudák, S. 185. Mezö, S. 310 a.

Die Nikolaikirche ist heute von einem Friedhof umgeben. Sie war ehemals die Pfarrkirche des Ortes.

Bardowick (Niedersachsen) Hist. Stätten Niedersachsen, S. 22.

Der Nikolaihof enthielt ehemals eine Leproserie.

2. Ortsartikel

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Bautzen/Budissin (Oberlausitz) DSB Mitte, S. 21. Hist. Stätten Sachsen, S. 20. Atlas Saale, Blatt 38, Teilkarte XII und S. 212 (mit Stadtplan).

Am Spreeübergang der Fernstraße bildete sich in slawischer Zeit die Furtsiedlung Broditz (slaw. brod = Furt). Dort wurde nach 1100 eine deutsche Kaufmannssiedlung angelegt, deren Bewohner am steilen Berghang eine Nikolaikirche errichteten. Sie gehörte in eine lückenlos mit Nikolaikirchen besetzte Linie von Görlitz bis Krakau. Ihre urkundliche Ersterwähnung im Jahre 1407 nennt den Stifter eines Grundstücks zum Bau einer Kirche. Dabei kann es sich nur um den Wiederaufbau oder Neubau an alter Stelle handeln, denn zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurden in Deutschland keine Nikolaikirchen mehr erbaut. Das Patrozinium hatte seine werbende Kraft verloren. So entstand eine spätgotische Hallenirche, deren aus dem Dreißigjährigen Krieg stammende, bemerkenswerte Ruine außerhalb der Stadtmauer noch vorhanden ist. Die Kirchgemeinde muss damals noch lebendig gewesen sein, sonst wäre es nicht zu dem Neubau gekommen. Von der Kaufmannssiedlung sind keine Spuren zu bemerken. Sie sind von der Spree aufwärts im Tal des hier mündenden Baches in Gestalt der sorbisch genannten Straßensiedlung Broditz entlang der Gerbergasse zu suchen. Die an der Hohen Straße (via regia) gelegene Stadt mit der Stadtpfarrkirche St. Petri ist das alte Zentrum der Oberlausitz mit einer seit dem 10. Jahrhundert nachweisbaren Burg. Die Stadtentstehung wird vor 1158 oder nach 1200 angenommen. Die Nikolaikirche gehörte einer Personalgemeinde innerhalb des sehr umfangreichen Sprengels der Bautzener Petrikirche. Die topographische Lage der Nikolaikirche am steilen Hange des Burgberges über dem Flussübergang stimmt genau mit derjenigen von Bruneck in Südtirol überein. H. Sachsse, Der Stadtgrundriss von Bautzen. Bautzen (1926). Deutscher Städteatlas, Lieferung IV, Nr. 3, bearbeitet von Karlheinz Blaschke, hg. von Heinz Stoob, Altenbeken (1989). Von Budissin nach Bautzen – Beiträge zur Geschichte der Stadt Bautzen, hg. vom Stadtarchiv Bautzen, 2002. Karlheinz Blaschke, Das Bautzener Kirchenwesen im Mittelalter. In: Von Budissin nach Bautzen. Beiträge zur Geschichte der Stadt Bautzen (2002), S. 103–105.

Bayreuth (Bayern) BSB Bayern, Teil 1, S. 117. Hist. Stätten Bayern, S. 70.

Außerhalb der ummauerten Stadt stand in der Nikolaistraße des etwa 2 km entfernten Dorfes Altenstadt eine bis zur Reformationszeit erhalten gebliebene Nikolaikirche auf erhöhter Stelle und nicht weit von der Furt entfernt, wo die von Creußen kommende und nach Kulmbach und Kronach führende Straße den Mistelbach überquerte. Sie war

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

die Mutterkirche für die Stadt Bayreuth. Seit 1557 wurde sie abgebrochen. Hier ist folglich eine Stadtverlegung festzustellen. W. Müller, St. Nikolaus im Land. In: Heimatbote, Monatsbeilage der Fränkischen Presse, 15. Jg., Nr. 12 (1964).

Beaume (Frankreich) Hachette, S. 461.

Die Porte St. Nicolas führt aus der Altstadt in die nordwärts gehende Fernstraße nach Dijon. Die Stadtkirche ist der hl. Maria gewidmet.

Beelitz (Brandenburg) DSB Nordost, S. 478; DSB Brandenburg, S. 26. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 14.

Die Stadtpfarrkirche steht unter dem Doppelpatrozinium St. Nikolai und St. Marien, wobei Nikolaus die ältere Widmung sein muss.

Beeskow (Brandenburg) DSB Nordost, S. 480; DSB Brandenburg, S. 30. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 16.

Das Nikolaus-Hospital wird zum Jahre 1272 genannt.

Beneschau/Bene‰ov (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 28. Rokyta 2, S. 20. Kuãa 1, S. 84.

Die Pfarrkirche St. Nikolaus der im Jahre 1220 genannten Stadt stammt aus dem 13. Jahrhundert. Sie liegt an der Straße von Prag nach Österreich.

Bergen (Norwegen) (Abbildung 2, S. 55)

Im Mittelpunkt der Stadt, ihrer Wirtschaft und ihrer reichen Geschichte steht die Bucht vaagen. An ihrer Ostseite ließen sich seit dem 11. Jahrhundert deutsche Fernhändler nieder, die hier an den bryggen (Anlegebrücken) ansässig wurden und von hier aus den an-

2. Ortsartikel

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schließenden Hang mit einem Wegenetz erschlossen. Es kamen weitere Norwegenfahrer hinzu, die das Wachstum der Stadt beförderten. Seit dem Mittelalter gab es hier etwa zwei Dutzend Kirchen. Eine davon war die Nikolaikirche, an die noch heute das Straßenschild Nikolaikirke almenning erinnert. Die Kirche selbst ist auf einer Abbildung aus dem Jahre 1580 als Ruine mit dem Turm und dem Ostgiebel zu erkennen. Die Grundmauern sind zwischen dieser Straße, dem Lennebergsmuget und der Øvregaten nachzuweisen. Die jüngere Marienkirche ist bis heute erhalten geblieben, wodurch sich die gleiche Paarung der Patrozinien und die zeitliche Abfolge der Patrozinien wie in vielen deutschen Städten ergibt. Norges Kirker [5.] Bergen, von Hans-Emil Lidén und Ellen Marie Mageroy, Bd. I, Oslo (1980), S. 158–161; Bd. IV, Oslo (1990), S. 21 und passim (ISBN: 82-997012-3-6). Anette Friis Pedersen, Bergen. Streets Broad and Narrow. Bergen (2005). S. Ingvild Øye, Bergen und die deutsche Hanse. Bergen (1996), S. 46 (ISDN: 82-90289-05-0). Die Marien-Kirche Bergen. Hg. von der Vereinigung für die Erhaltung der norwegischen Geschichtsdenkmäler, Abt. Bergen, in Zusammenarbeit mit dem Kirchenwerk Bergen o. J.

Bergreichenstein/Ka‰perské Hory (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 32. Kuãa 2, S. 843.

Die am Handelsweg von Prag nach Passau gelegene Stadt ist 1330 belegt. Die Friedhofskirche St. Nikolaus wurde um diese Zeit erbaut. Die Pfarrkirche ist St. Margareten gewidmet.

Berlin (Brandenburg) DSB Nordost, S. 583; DSB Brandenburg, S. 579. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 21.

Berlin entstand am Straßenübergang über die Spree an der engsten Stelle zwischen dem Barnim und dem Teltow ohne eine vordeutsche Besiedlung. Die am Alten Markt oder Molkenmarkt gelegene Nikolaikirche war die älteste Kirche der Stadt, neben der die jüngere Marienkirche am Neumarkt zur eigentlichen Stadtkirche wurde. Eine als Marktsiedlung gedachte Nikolaisiedlung wird als ältester Teil Berlins betrachtet. Die um 1230 anzusetzende Stadterhebung kann im Zusammenhang mit der Errichtung einer Neustadt um die Marienkirche gesehen werden. Ausgrabungen in der durch den Zweiten Weltkrieg zerstörten Nikolaikirche haben die Grundmauern einer aus einem dreischiffigen Langhaus mit Querschiff bestehenden, 56 m langen Feldstein-Basilika erkennen lassen, die in der ersten Hälfte des 13. Jahrhundert entstanden sein muss. Unter dieser Basilika wurde ein Friedhof gefunden, von dem allein in seinem von der Kirche überdeckten Teil 72 Gräber christlich bestatteter Leichen nachgewiesen wurden. Der großflächig angelegte Friedhof muss eine weit größere Ausdehnung als die jetzt ergrabene gehabt

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

haben und vor allem eine Kirche, von der jedoch noch keine Spuren entdeckt wurden. Die ergrabene Basilika zeigt hochromanische Formen, die stilistisch älter als die angenommene Bauzeit nach 1230 sind und sich von den spätromanischen Kirchen der Mittelmark aus jener Zeit unterscheiden. Ihre Bauformen lassen erkennen, dass ihr Bauherr nicht eine städtische Körperschaft, sondern eine „Interessengruppe in Abhängigkeit vom Landesherrn“ war. Auch von anderer Seite wird auf eine „auffällige Anomalie“, „große Kargheit“ und den „archaischen Charakter“ des Baues im Vergleich zu anderen Kirchen der Zeit hingewiesen und eine Errichtung bereits für 1220 als möglich angesehen. Als erstaunlich wird die Tatsache bemerkt, dass der kirchliche Vorrang der Marienkirche nie bestritten war und dass es in Alt-Berlin zwei Pfarrkirchen gab, ohne dass es zur Anlage einer Doppelstadt gekommen wäre. Die Nikolaikirche lag an der Stelle, wo die Straße von Frankfurt/O. über die Spree nach Magdeburg und Leipzig führt. E. Müller-Mertens, Die Entstehung Berlins. Die mittelalterliche Stadt. In: Laurenz Demps, Geschichte Berlins von den Anfängen bis 1945. Berlin (1987). E. Reinbacher, Die älteste Baugeschichte der Nikolaikirche in Alt-Berlin (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte, Bd. 15), Berlin (1963), S. 49 und 55 ff. W. Nitschke, Die beiden Vorgängerbauten der spätgotischen Nikolaikirche zu Berlin. In: Reinbacher, wie oben, S. 73 ff. Winfried Schich, Die Entstehung Berlins im Urbanisierungsprozess innerhalb der Germania Slavica. In: Jb. für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 34 (1985), S. 10–20. Charles Higounet, Die deutsche Ostsiedlung im Mittelalter. Berlin, (1986) ( mit Stadtplan), S. 133. Albrecht Henkys, Die Berliner Nikolaikirche. Gotteshaus – Denkmal – Museum. Berlin (2010).

Bernburg (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 430. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 37. Atlas Saale, Blatt 35, Teilkarte X und S. 151.

Gegenüber der um 1100 vorhandenen Burg entstand am anderen Ufer der Saale die 1219 genannte Altstadt mit der Marienkirche, an die sich um die Mitte des 13. Jahrhundert die Neustadt mit der Nikolaikirche anschloss. Die 1341 genannte Nikolaikirche liegt mit ihren romanischen Bauteilen unmittelbar an der von Magdeburg nach Halle/Saale führenden Fernstraße. Sie ist als Kirche einer Kaufmannssiedlung aus vorstädtischer Zeit anzusehen, die erst nach dem Ausbau der Marienstadt angelegt wurde und dabei die ältere Nikolaikirche als Stadtkirche übernahm. Der Vergleich mit der Neustadt Quedlinburg ist bemerkenswert. Die auffallend Breite Straße zog sich längs durch die Neustadt. H. Peper, Geschichte der Stadt Bernburg, Bernburg (1938), S. 90. 1000 Jahre Bernburg. Festschrift (1961), S. 17. Stadtgeschichte im Spannungsfeld. Tagungsband zum wissenschaftlichen Kolloquium 23. 10. 2010, 2 Bände, Bernburg 2011.

2. Ortsartikel

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Berneck (Bayern) DSB Bayern 1, S. 76. Hist. Stätten Bayern, S. 52.

An der Handelsstraße von Nürnberg über Bayreuth nach Hof und Leipzig entstand um 1200 eine Marktsiedlung am Fuße der Burg Hohenberneck, die nach 1300 in den Talkessel verlegt wurde, wo sich ein Marktplatz ausbildete. Die Siedlung erstreckte sich zwischen dem Hofer Tor im Norden und dem Bayreuther Tor im Süden. Das Stadtrecht wurde um 1350 verliehen, 1357 wird der Ort als Stadt genannt. Um 1200 erscheint auf dem Kirchbühl eine Kapelle, 1365 wurde sie als Nikolaikirche zur selbständigen Pfarrkirche erhoben. Berneck, die Perle des Fichtelgebirges. Altes und Neues aus der Geschichte (1938).

Beuthen/Bytom (Polen, Oberschlesien) DSB Nordost; S. 705, SB Schlesien, S. 7. Hist. Stätten Schlesien, S. 20.

Außer der Stadtkirche St. Marien, die 1231 genannt wird, gab es eine westlich vor der Altstadt an der Straße nach Westen gelegene Nikolaikirche, die dem um 1257 gegründeten Minoritenkloster gehörte und nach dessen Auflösung 1810 dem evangelischen Gottesdienst diente. Die Stadt erhielt 1254 Stadtrecht. A. Perlick, Geschichte der Stadt Beuthen in Oberschlesien. (1927).

Bia∏ystok/Bie∏ystok (Polen) Baedeker Polen, S. 137.

Außer der Stadtpfarrkirche steht eine Nikolaus-Kirche an der Ausfallstraße nach Westen.

Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) DSB Nordrhein-Westfalen, S. 49. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 102. Dehio Nordrhein-Westf. 2, S. 106–107.

Die Altstadt entstand um den Marktplatz mit dem Rathaus und der St. NicolausKirche.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Bielitz/Bielsko-Bia∏a (Polen, Schlesien) Hist. Stätten Schlesien, S. 27.

Die alte Stadtkirche war dem hl. Nikolaus geweiht. Das angrenzende Nickelsdorf weist mit seinem Namen ebenfalls auf Nikolaus hin.

Billerbeck (Rheinland) DSB Nordrhein-Westfalen, S. 56. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 72.

Neben dem Marktplatz steht die Nikolauskapelle als erste im Jahre 798 (?) erbaute Kirche.

Bischofswerda (Sachsen) DSB Mitte, S. 27. Hist. Stätten Sachsen, S. 31.

Die Stadtkirche ist vor der Reformation erbaut und der Überlieferung entsprechend vom Bischof Benno (gest. 1106) in die Ehre des hl. Nikolaus geweiht worden. Karl Gottlob Dietmann, Die gesamte der unveränderten Augsp. Konfession zugethanen Priesterschaft in dem Churfürtenthum Sachsen und denen einverleibten, auch einigen angrenzenden Landen, bis auf das ietzt laufende 1752 te Jahr. Dresden/Leipzig 1752–1763, Bd. 1, (1752), S. 170. K. W. Mittag, Chronik der Stadt Bischofswerda (1861).

Bistritz/Bistrit¸ a (Rumänien) Am Markt steht die Nikolaikirche, die nach einer wahrscheinlich „slawischen“ Erstbesiedlung am Ende des 12. Jahrhundert erbaut wurde. Die Stadt wurde am Ende des 12. Jahrhundert von „Hospites“ aus dem Westen in der Nähe von Klausenburg angelegt. Charles Higounet, Die deutsche Ostsiedlung im Mittelalter. Berlin (1986), S. 192 (mit Stadtplan).

Blasenstein/Plaveck˘ Mikulበ(Slowakei) (Burgort „Plosenstein“ = Podhradie) Hudak, S. 188. Mezö, S. 313.

Die Nikolaikirche wurde am Ende des 13. oder in der ersten Hälfte des 14. Jahrhundert erbaut. Gusztáv Wenzel, Stibor vajda, Budapest (1874), S. 76, Nr. 37.

2. Ortsartikel

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Blois (Frankreich) Hachette, S. 1180.

Die Kirche St. Nikolas steht dicht am Ufer der Loire außerhalb der Stadtmitte mit der Kathedrale.

Bodenwerder (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 35. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 41.

Die gotische Stadtkirche St. Nikolaus wurde vor 1245 erbaut. Die Weserbrücke ist 1289 nachzuweisen.

Böhmisch-Budweis/âeské Budûjovice (Tschech. Republik, Böhmen) Rokyta 1, S. 62. Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 46 f. Kuãa 1, S. 527.

Die Stadt wurde 1265 in Anlehnung an eine Vorgängersiedlung angelegt. Die Stadtkirche St. Nikolaus reicht in die Zeit der Stadtentstehung zurück. Sie wurde bei der Einrichtung des Bischofsitzes 1785 zur Kathedrale erhoben.

Böhmisch Leipa/âeská Lípa (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 57. Kuãa 1, S. 512.

An der Straße von Prag nach Zittau lag am nordwestlichen Ausgang aus der Stadt die Nikolaikapelle an der Nikolaistraße.

Bordeaux (Frankreich) Hachette, S. 352.

Kirche, Hospital und Rue St. Nicolas bilden eine städtebauliche Einheit an der Ausfallstraße nach Süden außerhalb des alten Stadtzentrums.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Borna (Sachsen) DSB Mitte, S. 29. Hist. Stätten Sachsen, S. 34.

Am Schnittpunkt von Fernwegen entstand im frühen 12. Jahrhundert eine Kaufmannssiedlung, die möglicherweise mit dem nicht einwandfrei festzulegenden Burgward Titibutzieni im Besitz Wiprechts von Groitzsch in Verbindung zu bringen ist. Die Kaufleute widmeten ihre Kirche an der Via imperii vermutlich dem hl. Nikolaus als ihrem Schutzpatron und hielten sich als Personalgemeinde fern von der bereits bestehenden Johanniskirche. Wohl um 1172 wurde durch Kaiser Friedrich Barbarossa das Marktrecht verliehen. Um 1200 wurde die weitere Stadtentwicklung in die Flussaue verlegt, wo sich die Rechtsstadt mit der Marienkirche aufbauen konnte. Die Kunigundenkirche in Borna ist baugeschichtlich eng mit der Pfarrkirche St. Nikolai in Brandenburg verwandt. Ihr Standort an einem Steinweg und an der Via imperii entspricht demjenigen zahlreicher Nikolaikirchen. Die Widmung an Kunigunde kann nicht ursprünglich sein, da die Kaiserin erst im Jahre 1200 kanonisiert wurde, als die Kirche nach Auskunft ihrer Bauformen schon seit mehreren Jahrzehnten bestand. Ein NikolausPatrozinium ist zunächst als wahrscheinlich anzunehmen, weil es die Lücke zwischen den Nikolaikirchen an der Fernstraße von Leipzig nach Chemnitz ausfüllt. Hans-Joachim Mrusek, Deutsche Baukunst: Romanik, Seemann Leipzig, 2. Aufl., (1986), S. 28. Manfred Kobuch, Zur städtischen Siedlungsverlegung im Pleißenland. Der Fall Borna. In: Im Dienste der historischen Landeskunde. Festgabe für Gerhard Billig zum 75. Geburtstag. Beucha (2002), S. 195–208.

Boulogne – sur – mer (Frankreich) Hachette, S. 892.

Die Kirche St. Nicolas steht an der Grande Rue, die von der Altstadt mit der Kirche Notre-Dame zur Brücke über den Fluss Liane führt.

Bozen/Bolzano (Italien, Südtirol) Hist. Stätten Österreich 2, Alpenländer, S. 498.

Die Nikolaikirche liegt unmittelbar südlich neben der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt am alten Brennerübergang nach Italien. Die zeitliche Abfolge von Nikolai und Marien ist wie in vielen anderen Fällen auch hier nachzuweisen: Die Grundfläche der Nikolaikirche macht etwa nur den zehnten Teil der Marienkirche aus, worin sich der Unterschied in der Einwohnerzahl der Kaufmannssiedlung zur Rechtsstadt ausdrückt. Franz-Heinz Hye, Tiroler Städte an Etsch und Eisack. Ein stadtgeschichtlicher Exkursionsführer. Linz (1982), S. 21–27, mit Stadtgrundriss.

2. Ortsartikel

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Brandenburg (Brandenburg) DSB Nordost, S. 510; DSB Brandenburg, S. 50. Hist. Stätten Berlin-Brandenburg, S. 137.

Bei der topographischen Einheit von Burg, Bischofssitz und Stammeszentrum der slawischen Heveller bildete sich das Suburbium Parduin bei der nach 1131 erbauten St. Godehardskirche; aus ihm ging um 1170 die Altstadt hervor. Nach 1170 entstand die bedeutendere Neustadt mit der Katharinenkirche. Westlich vor der Altstadt lag an der Straße nach Plaue die als deutsches Dorf angesehene Siedlung Luckenberg. Sie besaß eine Nikolaikirche. 1249 wurde sie in die Altstadt eingemeindet. Die Nikolaikirche stellt als dreischiffige Basilika aus Backsteinen eine für eine Dorfkirche ansehnliche Plananlage dar. Ihren Bauformen nach gehört sie in die Zeit vor 1200. Die Kirche diente im 18.Jahrhundert den Reformierten, im 19. Jahrhundert einer Christkatholischen Gemeinde. G. Mangelsdorf, Die Brandenburger Nikolai-Kirche. In: Brandenburger Kulturspiegel (1974/9), S. 10 ff. Deutscher Städteatlas, Lieferung V, Nr. 2 (1993), bearb. von Winfried Schich. E. Müller-Mertens, Untersuchungen zur Geschichte der brandenburgischen Städte im Mittelalter I. In: Wiss. Zs. Humboldt-Universität Berlin, Ges. und sprachwiss. Reihe 5 (1955/56), S. 199 ff. O. Tschirch, Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg, Brandenburg (1928), Bd. I, S. 65; Bd. II, S. 161 und 303, mit Stadtplan. H.-D. Kahl, Slawen und Deutsche in der Geschichte des 12. Jahrhundert, Köln und Graz (1964), S. 780; ebenda S. 429 wird die Errichtung der Nikolaikirche „des neuen Kolonistendorfes Luckenberg (jetzt wüst im Altstädter Gebiet)“ auf vor 1174/76 datiert. Winfried Schich, Zur Genese der Stadtanlage der Altstadt und Neustadt Brandenburg. In: Beiträge zur Entstehung und Entwicklung der Stadt Brandenburg im Mittelalter. Berlin (1993).

Braunschweig (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 42. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 48.

In dem mit vielen Kirchen versehenen Stadtgrundriss steht die Nikolaikirche an einem Brennpunkt des Straßenverkehrs „Uppe dem Damme“ neben der Dammbrücke über die kleine Oker in Nachbarschaft zur Marienkirche. Sie war 1178 als Pfarrkirche vorhanden, seitdem ist von einer Parochie nicht mehr die Rede. Seit 1300 scheint sie der Magnuskirche inkorporiert worden zu sein, der sie 1301 als capella zugeordnet wurde. In den „Historischen Stätten“ fehlt sie offenbar wegen ihrer Bedeutungslosigkeit. Hermann Dürre, Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter. Wolfenbüttel (1875), S. 540. Wolfgang Meibeyer, Siedlungsgeographische Beiträge zur vor- und frühstädtischen Entwicklung von Braunschweig. In: Braunschweigisches Jahrbuch, Bd. 67 (1986), S. 740 (mit Stadtplänen).

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Bredstedt (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 568. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 19.

Der 1510 als Marktflecken bezeichnete Ort erhielt 1462 eine eigene Kapelle und 1510 eine Kirche. Die am Markt gelegene Nikolaikirche war ursprünglich ein Filial von Breklum. 1535 wurde sie selbständig. Thomas Steensen, (Hg.) Stadt in der Mitte Nordfrieslands. Bredstedt (2000).

Breslau/Wroc∏aw (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 719; SB Schlesien, S. 23. Hist. Stätten Schlesien, S. 46.

Durch den Mongoleneinfall von 1241 wurde auch eine am linken Oderufer errichtete deutsche Siedlung verwüstet. In der danach entstehenden deutschen Stadt führte die Nikolaistraße vom Ring (= Marktplatz) durch das Nikolaitor zur Nikolaivorstadt, wo auch das St. Niklasfeld lag. Die dort gelegene Nikolaikirche war ursprünglich die Kirche des Dorfes Tscheppine, das 1203 als Stapin ante ecclesiam b. Nicolai genannt wird. Es war somit älter als die Stadt und wurde im Laufe der Zeit zur Vorstadt. Diese schon 1175 bezeugte Kapelle zeigte mit ihrer geringen Größe von 50 × 16 Ellen den Aufbau schlesischer Dorfkirchen. Die Bewohner des Dorfes Tscheppine waren vermutlich Thüringer, die sich als die ersten Deutschen in Schlesien niederließen und nach der Mongolenschlacht wahrscheinlich in die neu gegründete Stadt Breslau zogen. In der Nikolaivorstadt hatte der Pfarrer von St. Nikolai bis zur Einführung der Städteordnung 1810 die Jurisdiktion über die Fischergasse, an der die Kirche stand. Bedenkt man, dass die Fischergasse (1558) von der Nikolaikirche zur Oder führt und von der Langen Gasse (1556) in westlicher Richtung fortgesetzt wird, dann liegt es nahe, sich die von Westen herankommende Hohe Straße nicht in der späteren etwas südlicher liegenden, sondern in einer Führung Pöpelwitz – Lange Gasse – Fischergasse – Wachtplatz – Nikolaigasse – Ring vorzustellen. Da gegenüber der Fischergasse am anderen Oderufer die Fährgasse liegt, ist auch an die Möglichkeit eines an dieser Stelle eingerichteten Oderüberganges zu denken. H. Markgraf, Die Straßen Breslaus nach ihrer Geschichte und ihrem Namen (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek Breslau, 2. Heft (1896). A. Schultz, Topographie Breslaus im 14. und 15. Jahrhundert. In: Zs. des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens, 10. Bd. (1871), S. 251.

2. Ortsartikel

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Brest (Weißrussland) Die Stadt liegt mit ihrer Nikolaikirche an einem Kreuzungspunkt weitreichender Fernwege im Osten Europas zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee, Schlesien und Russland. Evelyn Scheer, Weißrussland entdecken. 4. Aufl., Berlin (2004), S. 86.

Brieg/Brzeg (Polen, Schlesien) DSB Nordost; S. 724; SB Schlesien, S. 52. Hist. Stätten Schlesien, S. 54.

Die Stadt entstand am Oderübergang der Hohen Straße von Sandomir nach der Mark Meißen, die sich hier mit der Straße von Gnesen nach Neiße kreuzte. Neben ihr lag die Siedlung antiqua Brega. Die Stadtkirche ist dem hl. Nikolaus gewidmet. Ihr Bau begann bald nach 1280.

Brighton (Großbritannien) Baedeker Großbritannien, S. 172.

Die St. Nicholaskirche steht an der zum Strand führenden Dyke Road.

Brilon (Westfalen) DSB Nordrhein-Westfalen, S. 84. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 109. Dehio Nordrhein Westf. 2, S. 194.

Neben der Stadtkirche St. Peter stand die aus dem Ende des 13. Jahrhundert stammende Nikolaikapelle als Filialkirche. Sie wurde 1782 abgetragen.

Bristol (Großbritannien) Baedeker Großbritannien, S. 176.

Die ehemalige Kirche St. Nicholas steht unmittelbar neben der Brücke, die mit der Broad Street den Floating Harbour überquert. Sie dient heute als Museum.

Bromberg/Bydgoszcz (Polen) An der Handelsstraße von Kujawien nach Pommern wurde eine Burg mit Burgsiedlung und Pfarrkirche angelegt. Die dem hl. Nikolaus geweihte Kirche geht offenbar auf eine Kaufmannssiedlung zurück.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Bruneck/Brunico (Italien, Südtirol) (Abbildung 3, S. 56) Hist. Stätten Österreich 2, S. 504 und 563.

Im westlichen Pustertal entstand an der Handelsstraße von Augsburg nach Venedig innerhalb der Urpfarrei St. Lorenzen ein zentraler Ort – der Stegener Markt am Steg über die Rienz- mit einer Kaufmannssiedlung und Nikolaikirche , bei dem schon vor dem Jahre 1000 Gericht und Markt abgehalten wurden. Das Stegener Maß diente dem Warenverkehr. Im Jahre 1027 ist Kaiser Konrad II. in Stegon bezeugt. Die St. Niklaskirche zu Stegen ist zum Jahre 1348 überliefert. Bischof Bruno von Brixen errichtete die nach ihm benannte Burg und Stadt, in der die Siedlung Stegen aufging. 1260 wird ein Bürger in Bruneck genannt, 1268 erscheint der Ort als oppidum. K. Th. Hoeniger, Zur Geschichte des Stegener Markts. In: Der Pustertaler Bote, Jg. 99 (1948) Nr. 17. Brunecker Buch, Fs. zur 700-Jahr-Feier der Stadterhebung, Schlern-Schriften Nr. 152 (1956).

Brünn/Brno (Tschech. Republik, Mähren) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 69. Kuãa 1, S. 523.

Im Stadtgebiet von Brünn befinden sich mehrere Kirchen als Mittelpunkte selbständiger Siedlungen, darunter die nach 1231 überlieferte Nikolaikirche am Untermarkt in der Mitte der Stadt. Sie wurde von deutschen Einwanderern neben dem slawischen Ort AltBrünn erbaut.

Brüssel/Bruxelles (Belgien) Die Nikolaikirche liegt an der die ganze Altstadt von Südost nach Nordwest durchziehenden Fernstraße. Sie wird in beiden Richtungen außerhalb der Stadt als Langen Steewech bezeichnet, während sie zwischen der nach Nordwesten führenden Vlaemsche Porte und der südöstlich gerichteten Coudenberchsche Porte zur Hälfte auch nach innerstädtischen Bauten benannt ist. An ihr liegt die Nikolaikirche in enger Nähe zum Neern marct (= Niedern Markt, heute la Grande Place) mit dem Rathaus. Sie nimmt demzufolge eine bevorzugte Stelle im Stadtplan ein. Die Nikolaikirche ist an ihrem alten Platz noch vorhanden. Bruessel, Plan de la ville de Bruxelles au XVe Siècle, Historischer Stadtplan aus dem Jahre (1960).

Budapest (Ungarn) Das Dominikanerkloster des hl. Nikolaus in Ofen (= Buda) hat spätestens im Jahre 1254 bestanden. Das für den Dominikanerorden nicht kennzeichnende Patrozinium ist nur

2. Ortsartikel

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dadurch zu erklären, dass es von der Nikolaikirche einer ehemaligen Kaufmannssiedlung übernommen wurde. András Kubinyi, Die Anfänge Ofens. Giessener Abhandlungen zur Agrar- und Wirtschaftsforschung des europäischen Ostens, Bd. 60, Berlin (1972), S. 42.

Bunzlau/Boles∏awiec (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 726; SB Schlesien, S. 59. Hist. Stätten Schlesien, S. 65. Dehio Polen: Schlesien, S. 151.

Hauptkirche der an einem Strang der Hohen Straße gelegenen Stadt ist die Marienkirche. Quer dazu führt die Nikolaistraße zum Nikolaitor und setzt sich in der Löwenberger Straße zur Niklasvorstadt fort. Vor dem Nikolaitor lag der städtische Begräbnisplatz. Die Nikolaikirche wurde 1529 fast ganz abgebrochen, vorher hatte sie immer einen eigenen Priester gehabt. E. Wernicke, Chronik der Stadt Bunzlau. Bunzlau (1884), S. 20 und 37. Karlheinz Blaschke, Die Bedeutung der Nikolaikirchen für die Entstehung der Städte in der Oberlausitz und in Niederschlesien. In: 750 lat Boles∏awca, dzieje miasta i jego historyczne zwiazki se slàskiem, ∏u˝ycami i czechami, Hg. Stadtverwaltung Boles∏awiec/Bunzlau (2001), S. 18 ff.

Büren (Nordrhein-Westfalen) DSB Westfalen, S. 87. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 199. Dehio Nordrhein-Westf. 2, S. 207–208.

Die aus dem Anfang des 13. Jahrhundert stammende Nikolaikirche wird 1220 als Marktkirche bezeugt.

Burg bei Magdeburg (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 442. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 59.

Die an der Straße von Magdeburg nach Brandenburg am Ihle-Übergang im Schutze einer Burg angelegte Stadt bestand aus der Altstadt mit Marienkirche und Rathaus, sowie aus der Unterstadt mit dem Neuen Markt und der Nikolaikirche. Sie ist als stattliche, im 12. Jahrhundert erbaute romanische Granitpfeiler-Basilika noch erhalten. 1186 wird sie als Filial von St. Marien genannt. Es fällt auf, dass die brauberechtigten Häuser entlang des ganzen Zuges der Fernstraße durch die Stadt zu finden sind, während allein die Grundstücke bei der Nikolaikirche nicht brauberechtigt waren und damit wohl auf eine ältere Bauzeit hinweisen. Die Entwicklung der Stadt Burg im Mittelalter (Veröffentlichungen zur Burger Geschichte, Heft 1), Burg (1953). Zur städtischen Entwicklung Burgs im Mittelalter. (Ebenda Heft 8), Burg (1965).

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Burg auf Fehmarn (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 368. Hist. Stätten Schleswig-Holstein S. 44.

Die Hauptkirche der Insel zu St. Nikolaus ist am Anfang des 13. Jahrhundert auf erhöhtem Platz in der Stadtmitte entstanden.

Buttelstädt (Thüringen) DSB Mitte, S. 279. Hist. Stätten Thüringen, S. 65.

Die Stadtkirche zu St. Nikolaus erhielt 1486 einen Neubau.

Caen (Frankreich, Normandie) Hachette, S. 926.

Die Kirche St. Nicolas liegt am Rande der Altstadt an einer nach Westen führenden Ausfallstraße.

Calw (Baden-Württemberg) DSB Baden-Württemberg, S. 336. Hist. Stätten Baden-Württemberg, S. 110.

Die um 1400 entstandene St. Nikolauskapelle steht auf einem Pfeiler der Nagoldbrücke.

Cham – Altenstadt (Bayern) (Abbildung 4, S. 57) DSB Bayern 2, S. 125 Hist. Stätten Bayern, S. 114.

Im Dorfe Altenstadt unter der Reichsburg Cham beim Übergang der Straße über den Fluss Chamb von Regensburg nach Prag ist eine Nikolaikirche urkundlich nachgewiesen. Bei Baggerarbeiten wurden 1963 Mauerteile und sechs Gräber christlich bestatteter Leichen bloßgelegt. Es muss sich um eine sehr kleine Kirche gehandelt haben. 1468 lag hier das Spital zu St. Niklas. Die Reichsburg Cham stand an der alten Böhmenstraße mit einer Georgskirche. Die Neustadt (novum forum) wurde in einer Entfernung von 2 km von der Nikolaikirche in einer Flussschlinge des Chamb um die Jakobskirche neu angelegt. H. Wolf, Die ehemalige St. Nikolauskirche in Altenstadt bei Cham. In: „Waldheimat“, Monatsbeilage des „Bayernwald-Echo“ 4. Jg., Nr. 7, Juli (1963). Ludwig Hauser, Die St. Nikolauskirche und das Spital zu St. Niclas in Altenstadt bei Cham. In: Die Oberpfalz (1975), Heft 12, S. 377–378 und (1976) Heft 1, S. 28–32.

2. Ortsartikel

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Karl Bosl, Alt(en)stadt und Neustadt als Typen in Bayern. In: Civitatum Communitas. Studien zum europäischen Städtewesen, Fs. für Heinz Stoob zum 65. Geburtstag, hg. von Helmut Jäger u.a., Köln (1984), S. 158–180.

Chemnitz (Sachsen) (Abbildung 5, S. 58) DSB Mitte, S. 35. Hist. Stätten Sachsen, S. 43. Atlas Saale, Blatt 33, Teil II und III, S. 133–142 (mit Stadtplänen).

Die im Jahre 1945 zerstörte Nikolaikirche aus dem 12. Jahrhundert lag an der Fernstraße von Altenburg nach Prag in der Nähe der Brücke über die Chemnitz. Hier stiftete 1143 König Konrad III. ein Kloster, das er mit einem forum publicum ausstattete, was einen bereits vorhandenen Fernhandel voraussetzte. Zu Beginn der Siebziger Jahre entstand unter fördernder Einwirkung von Kaiser Friedrich Barbarossa eine Frühstadt bei der Johanniskirche um den Sitzeplan. Am Ende des 12. Jahrhundert wurde die in der Flussaue gelegene Rechtsstadt mit der Kirche St. Jakobi gegründet und damit die Stadtentstehung abgeschlossen. Die Kaufmannssiedlung um St. Nikolai blieb als Niklasgasse außerhalb der ummauerten Stadt bis ins 20. Jahrhundert als selbständiger Siedlungsteil bestehen. Walter Schlesinger, Die Anfänge der Stadt Chemnitz und anderer mitteldeutscher Städte. Untersuchungen über Königtum und Städte während des 12. Jahrhunderts. Weimar (1952). Manfred Kobuch, Die Anfänge der Stadt Chemnitz. In: AFD 26 (1983), S. 139–162. Derselbe, Noch einmal: Die Anfänge der Stadt Chemnitz. In: Zur Entstehung und Frühgeschichte der Stadt Chemnitz. Kolloqium des Stadtarchivs Chemnitz, 24. April (2002). (Aus dem Stadtarchiv Chemnitz, Heft 6), Chemnitz (2002), S. 26–35.

Chur (Schweiz) Baedeker Schweiz, S. 216.

In der alten Bischofsstadt wurde unter der Herrschaft der Grafen von Bregenz und der Herzöge von Schwaben eine Kaufmannssiedlung mit Nikolaikirche angelegt, an der um 1280 ein Kloster der Dominikaner eingerichtet wurde, das bis 1529 bestand. Im Jahre 1527 wurde die reformierte Konfession eingeführt.

Coburg (Bayern) DSB Bayern 1, S. 140. Hist. Stätten Bayern, S. 118.

Der Steinweg, das Steintor und das Steinweglein im Stadtplan weisen auf die ehemalige Nikolaikirche hin, die 1473 als Siechenkapelle St. Nikolaus bezeugt ist. Sie wurde später den Katholiken zum Gottesdienst zugewiesen. Katasterkarte 19. Jh. im Landesvermessungsamt München.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Colditz (Sachsen) (Abbildungen 6a und 6b, S. 59) DSB Mitte, S. 39. Hist. Stätten Sachsen, S. 49.

Die Beschäftigung mit der mittelalterlichen Geschichte der Stadt führte zur Entdeckung der bis dahin unbekannten Kaufmannssiedlung bei der Nikolaikirche und gab über den Einzelfall hinaus den Anlass, die Bedeutung der Nikolaikirchen für das Städtewesen des Mittelalters in Europa zu erforschen. Wo die Straße zwischen den Reichsburgen Altenburg und Leisnig die Zwickauer Mulde überschreitet, entstand zu Füßen der Burg Colditz im frühen 12. Jahrhundert eine Kaufmannssiedlung mit Nikolaikirche. Daran anschließend wurde die ummauerte Stadt mit der Egidienkirche angelegt. Dabei ist die Übersiedlung der Fernhändler aus der an der Muldenfurt gelegenen Kaufmannssiedlung in die neue Stadt anzunehmen. Der Burgward Colditz gelangte 1083 durch Schenkung Kaiser Heinrichs IV. an Wiprecht von Groitzsch und 1147 in staufischen Hausbesitz. Seit 1158 war Colditz Reichsgut unter der Botmäßigkeit eines Reichsministerialen. Die um 1200 anzusetzende Stadtgründung umfasste etwa 25 Häuser innerhalb der Mauer. Die außerhalb verbleibenden Gebäude wurden als Scheunen genutzt. An der Nikolaikirche entstand der städtische Friedhof mit der Nikolaikirche als Friedhofskirche. Die Grundstücke gelangten nicht unter die Zuständigkeit des Rates oder der Landesherrschaft, sondern verblieben unter der Zinsbarkeit der Nikolaikirche, woraus sich ihre Zugehörigkeit zur genossenschaftlich geordneten Fernhändlergemeinde ergibt. Noch im Jahre 1833 unterstand sie dem Kirchenvermögen. Die grundherrschaftliche Botmäßigkeit entspricht den von Paul Johansen erforschten Verhältnissen in den frühen nordischen Kaufmannssiedlungen. Karlheinz Blaschke, Die Frühgeschichte der Stadt Colditz. In: Sächs. Heimatblätter 11. Jg. (1965), H. 4, S. 290–307; auch in: Ders., Stadtgrundriss und Stadtentwicklung, gesammelte Aufsätze (Städteforschung A 44), Köln (1997), S. 207–224; Ders., Nikolaipatrozinium und städtische Frühgeschichte. ZRG 84. Bd., Kanon. Abt. 5 (1967), S. 293. Ders., (Bearbeiter) Deutscher Städteatlas, hg. von Heinz Stoob, Lieferung 3, Altenbeken (1984), Nr. 1.

Coswig (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 45. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 70.

Die Marienkirche der Stadt war ursprünglich ein Filial der romanischen Nikolaikirche, die als älteste Kirche der Stadt gilt und später dem hiesigen Nonnenkloster der Dominikanerinnen als Kirche diente. Hier richteten die Fürsten von Anhalt ihre Grablege ein. Die Nikolaikirche liegt am Breiten Weg. J. R. Marcus, Historische Nachricht von der Stiftskirche zu St. Nikolai in Coswig. Wittenberg, (1741).

2. Ortsartikel

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Cottbus (Brandenburg) DSB Nordost, S. 517; DSB Brandenburg, S. 86. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 154.

Am Übergang einer West-Ost-Straße über die Spree wurde bei dem im Jahre 1156 genannten Sitz eines Reichsburggrafen eine Stadt mit Nikolaikirche angelegt. Im Nienburger Fragment von etwa 1150 werden Kirche und Markt genannt. Codex diplomaticus Anhaltinus V, 1380–1400, Anhang. Dessau (1881). Urkunden-Inventar zur Geschichte der Niederlausitz bis 1400, hg. von Rudolf Lehmann, Köln, Graz, (1968), S. 575–578.

Coventry (Großbritannien) Baedeker Großbritannien, S. 236.

Der Ringway um die Altstadt trägt im Norden auf einem Abschnitt den Namen St. Nicholas.

Creuzburg (Werra) (Thüringen) DSB Mitte, S. 283. Hist. Stätten Thüringen, S. 70.

Die Stadtkirche St. Nikolai wurde 1215 an Stelle einer Andreaskirche erbaut.

Czernowitz/âhernovcy (Ukraine) Die Nikolaikirche steht am Pruth.

Dahme (Brandenburg) DSB Nordost, S. 521; DSB Brandenburg, S. 95. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 158.

Die als kreuzförmiger Granitquaderbau errichtete Nikolaikirche brannte 1563 aus, wurde wieder aufgebaut und bis 1892 als Rathaus genutzt. An der Nikolaikirche gab es einstmals eine Bruderschaft, die alljährlich das Fronleichnamsfest feierlich beging. Daneben besteht die Pfarrkirche St. Marien. J. M. Rinne, Merkwürdigkeiten der Stadt Dahme, Dahme (1805), S. 142.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Danzig/Gdaƒsk (Polen, Pommern) DSB Nordost, S. 34. Hist. Stätten Ost- und Westpreußen, S. 29. Pommern, S. 236.

Bei dem 1178 genannten castrum der Fürsten von Pommerellen entstand am Ende des 12. Jahrhunderts eine deutsche Kaufmannssiedlung. Der hier gelegene Lange Markt gilt als Keimzelle der späteren Stadt. Bei der Gründung des Dominikanerklosters im Jahre 1227 wurde ihm die schon bestehende Nikolaikirche zugeeignet. Die Nikolaikirche war damals eine deutsche Kaufmannskirche, zu der eine Gemeinde mit einem scultetus und einem Priester gehörte. Die Nikolaikirche war ursprünglich ein kleines Bauwerk von der Ausdehnung des heutigen Chores. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurde an die ältere Anlage eine weiträumige, dreischiffige Hallenkirche angebaut. Die eigentliche Stadt mit der Marienkirche ist nach 1200 abseits vom Nikolai-Bereich entstanden. Erich Keyser, Die Entstehung von Danzig. Danzig (1924), S. 25. Ders., Danzig. Berlin (1928). Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Köln und Graz, (1954), S. 157. Paul Johansen, Die Kaufmannskirche im Ostseegebiet, in: Vorträge und Forschungen Bd. IV, Lindau und Konstanz (1958), S. 499. Jerzy Stankiewicz, Ergebnisse der Stadtkernforschung in Danzig. In: Stadtbaukunst im Mittelalter, hg. von Dieter Dolgner, Berlin 1987, S. 147–156.

Demmin (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 153. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 175. Pommern, S. 238.

Neben der Pfarrkirche St. Bartholomäus stand vor dem Jahre 1388 am Holstentor eine Nikolaikirche.

Dinkelsbühl (Bayern) DSB Bayern 1, S. 150. Hist. Stätten Bayern, S. 132.

Die Friedhofskapelle St. Leonhard war ursprünglich eine Nikolauskapelle. Sie diente möglicherweise als Straßenkapelle am Fuße des vermuteten Königshofes. Sie ist etwa bis ins 12./13. Jahrhundert zurückzuführen.

Dippoldiswalde (Sachsen) DSB Mitte, S. 43. Hist. Stätten Sachsen, S. 59.

Die noch gut erhaltene Nikolaikirche steht als romanische Basilika auf dem städtischen Friedhof im Tale unterhalb der auf der Höhe angelegten Stadt in unmittelbarer Nähe

2. Ortsartikel

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der in das Gebirge und nach Böhmen führenden Straße. Sie war die Pfarrkirche für das benachbarte Dorf Ulberndorf und diente später als Begräbniskirche.

Döbeln (Sachsen) DSB Mitte, S. 45. Hist. Stätten Sachsen, S. 61.

In einer zum Jahre 981 bezeugten Burg wurde der 1221 genannte markgräfliche advocatus eingesetzt. Die Nikolaikirche wird 1230 durch Nennung eines plebanus fassbar. Die Gleichsetzung dieser in das 10. Jahrhundert zurückreichenden Burgkirche mit einer späteren Kaufmannskirche ist fragwürdig. Eine in der Neustadt erbaute Jakobikirche ging nach der Reformation wieder ein. Die Stadt erscheint 1350 erstmals als civitas.

Dobfian/Dobfiany (Tschech. Republik, Böhmen) Kuãa 1, S. 664.

An der Handelsstraße von Prag und Pilsen nach Nürnberg und Regensburg wurde die 1259 bezeugte Nikolaikirche erbaut.

Dortmund (Westfalen) DSB Nordrhein-Westfalen, S. 148. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 232. Dehio Nordrhein-Westf. 2, S. 256–257.

Die Nikolaikirche entstand um 1200 an der Nord-Süd-Fernstraße außerhalb der im 11. Jahrhundert entstandenen zweiten Stadterweiterung hart an der Innenseite der Mauer der dritten Stadterweiterung aus der Zeit um 1200. Sie stand auf dem noch vorhandenen Nikolaikirchhof an der Wissstrasse. Auf der Stadtansicht von Dethmar Mulher von 1611 ist sie noch zu erkennen. Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter. Graz und Köln, (1954), S. 77, mit Stadtplan. DSA, Lieferung I, Nr. 3, hg. und bearb. von Heinz Stoob, Münster (1973).

Dresden (Sachsen) (Abbildung 7, S. 60) DSB Mitte, S. 47. Hist. Stätten Sachsen, S. 66. Atlas Saale, Blatt 34, Teil III und S. 142–148.

Wo die Straße von Meißen und Wilsdruff nach Pirna auf die seit dem Ende des 10. Jahrhunderts bestehende Frauenkirche trifft, zweigte eine über die Elbe nach Königsbrück führende Straße ab, die den Anschluss an die dort entlang gehende Via Regia als die

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

große transkontinentale West-Ost-Straße herstellte. An dieser „Frauenstraße“ entstand eine Kaufmannssiedlung, die später in die entstehende Stadt einbezogen wurde. Dabei blieb allerdings ihre Schräglage gegenüber dem rechtwinkligen Straßennetz der Rechtsstadt als auffällige Unregelmäßigkeit erhalten. Diese Tatsache weist auf die Lage der Kaufmannssiedlung hin. Die zugehörige Nikolaikirche wurde wegen der Gefährdung durch Überschwemmungen im flachen Elbtal auf einem abseits und höher gelegenen Platz erbaut. Sie blieb bis zur Reformation als Filialkirche der älteren Frauenkirche untergeordnet. Den neuen Namen zum Heiligen Kreuz erhielt sie im Zuge eines Patrozinienwechsels. Er geht auf einen Splitter vom Kreuz Christi zurück, den die künftige Gemahlin des Markgrafen Heinrichs des Erlauchten Constantia von Österreich im Jahre 1234 als Mitgift nach Dresden brachte. 1319 erscheint die Kirche zum ersten Male als Kreuzkirche, 1388 wurde sie auf den neuen Namen geweiht. Otto Richter, Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden, Dresden (1885), S. 116 ff. Ders., Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden, 2. Abt. Dresden (1891), S. 267. G. Wendelin, 750 Jahre Kreuzkirche zu Dresden, Berlin (1965), S. 13. Geschichte der Stadt Dresden, Bd. 1, hg. von Karlheinz Blaschke unter Mitwirkung von Uwe John, Stuttgart (2005); darin: Die Entstehung der Stadt, S. 88–98, Die Elbbrücke, S. 98–101. Die Nikolai-/Kreuzkirche, S. 204–206.

Düben (Sachsen) DSB Mitte, S. 463. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 93.

Die hiesige Burg lag mit der Nikolaikirche an einer der bedeutendsten Fernstraßen des Alten Reiches von Leipzig nach Wittenberg.

Ebermannstadt (Bayern) DSB Bayern 1, S. 160. Hist. Stätten Bayern, S. 140.

Die im Jahre 1308 erwähnte befestigte Kirche zu St. Nikolaus wurde 1853 wegen Baufälligkeit abgebrochen.

Eckernförde (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 371. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 32.

Die Nikolaikirche ist seit etwa dem Jahre 1200 bezeugt. Sie fügt sich in die Reihe der Nikolaikirchen an der Südküste der Ostsee ein.

2. Ortsartikel

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Eger/Cheb (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 119. Rokyta 1, S. 39. Kuãa 2, S. 381.

An der Kreuzung alter Handelswege von Regensburg nach Leipzig und von Bamberg nach Prag wurde im staufischen Reichsgut des Egerlandes die zum Jahre 1203 erstmals genannte Stadt mit der Stadtkirche St. Nikolaus angelegt.

Eggenfelden (Bayern) DSB Bayern 2, S. 167. Hist. Stätten Bayern, S. 147.

Die Pfarrkirche St. Nikolaus und St. Stephan wurde 1444 konsekriert.

Eibelstadt (Bayern) DSB Bayern 1, S. 167. Hist. Stätten Bayern, (nicht angegeben).

An der gradlinig durchgehenden Straße von Würzburg nach Ochsenfurth wurde um die Nikolaikirche eine planmäßig angelegte Stadt erbaut. 1434 wurde ihr das Marktrecht verliehen. Zum Jahre 1348 ist die Pfarrkirche genannt, deren Turm aus dem 13. Jahrhundert stammt.

Eichstätt (Bayern) DSB Bayern 1, S. 171. Hist. Stätten Bayern, S. 149.

Die Grundmauern der vor dem Hauptportal des Domes gelegene Nikolauskapelle waren bis zur Teerung des Domplatzes im 20. Jahrhunderts noch sichtbar.

Eilenburg (Sachsen) DSB Mitte, S. 468. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 100.

Die Stadt entstand am Übergang der Fernstraße von Leipzig nach Torgau und weiter über die Mulde bis an die Oder bei einer dem hl. Nikolaus geweihten Kirche, dessen Patrozinium sich in allen Städten bis Frankfurt/Oder wiederfindet. Die Marienkirche am Berg vor Eilenburg stammt aus der Zeit der deutschen Eroberung des Muldentales um das Jahr 1000. Sie steht in keinem Zusammenhang mit der Stadtentstehung.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Eisenach (Thüringen) DSB Mitte, S. 286. Hist. Stätten Thüringen, 2. Aufl. (1989), S. 88. Atlas Saale, S. 195 (mit Stadtplan).

Der Sonnabendmarkt vor der Nikolaikirche gilt als Ansatzpunkt der mittelalterlichen Stadtentwicklung. Am Ende des 12. Jahrhunderts wurde das Schwergewicht des städtischen Lebens von der Nikolaikirche zur Georgenkirche verlegt. J. W. Storch, Topographisch-historische Beschreibung der Stadt Eisenach. Eisenach (1837), S. 28 und 50. Wolfgang Hess, Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen. Marburg (1966), S. 165.

Eisenberg (Thüringen) DSB Mitte, S. 288. Hist. Stätten Thüringen, 2. Aufl., S. 96.

Bei dem 1171 genannten Ort errichteten die Wettiner eine Burg an der aus dem Saaletal nach Zeitz und Altenburg führenden Straße. Eine in der Nähe gelegene stadtähnliche Siedlung wurde, einer chronikalischen Nachricht zu Folge, im Jahre 1189 zerstört. Danach muss es bald zur Gründung der Stadt mit der Peterskirche in civitate 1219 als der Marktkirche der Neustadt gekommen sein, neben der die Altstadt weiterhin erwähnt wird. Die Nikolaikirche ist bis zur Reformation nachzuweisen, dann wurde sie abgebrochen. Sie lag in der Altstadt, wo die Grundstücke zu St. Nikolaus westlich des Kesselteiches auf sie hinweisen. Die Altstadt lag innerhalb der Vorstadt vor dem Leipziger Tore an der nach Norden führenden Straße, wo 1274 ein wigbild antique civitatis bezeugt ist. A. L. Back, Chronik der Stadt und des Amtes Eisenberg. Eisenberg (1843), S. 206. J. Löbe und E. Löbe, Geschichte der Kirchen und Schulen des Herzogtums Sachsen-Altenburg. 1. Bd., Altenburg (1886), S. 40. Walter Schlesinger, Die Entstehung der Stadt Chemnitz und anderer mitteldeutscher Städte. Weimar (1952). Hans Patze, Recht und Verfassung thüringischer Städte. Weimar (1955), S. 23 und S. 63.

Eisfeld (Thüringen) DSB Mitte, S. 291. Hist. Stätten Thüringen, S. 98.

Die auf einem Hügel am Markt gelegene Nikolauskirche wurde 1488 im spätgotischen Stil erbaut. Der Nordturm stammt von einem Vorgängerbau.

2. Ortsartikel

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Eisleben (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 472. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 103. Atlas Saale, S. 154–157.

Die älteste Stadtanlage mit der Andreaskirche wurde nach Norden hin durch das Nikolaiviertel mit der Nikolaikirche erweitert, die an Stelle einer 1191 bezeugten St. Godehardkirche steht. Diese frühe Vorstadt vor dem „Friesentor“ wurde ursprünglich als das Friesenstraßenviertel bezeichnet. Die Nikolaikirche lag noch 1348 extra muros. Ihr Standort ist schwerlich mit dem Verlauf von Fernstraßen in Beziehung zu setzen, so dass wohl der örtlichen Überlieferung der Vorzug zu geben ist, die eine Verbindung mit niederländischfriesischen Einwanderern in der zweiten Hälfte des 12.Jahrhunderts betont.

Elbing/Elblàg (Polen, Ostpreußen) DSB Nordost, S. 42. Hist. Stätten Ost- und Westpreußen, S. 47.

Die ältere Meinung, die Geschichte der Stadt beginne mit der „Stadtgründung“ im Jahre 1237, lässt sich auf Grund der Deutung des Stadtplans insofern nach rückwärts erweitern, als die Nikolaikirche als Kirche einer frühen Kaufmannssiedlung an der Straße von Marienburg nach Königsberg festzulegen ist. Der an der Nikolaikirche entlang führende Alte Markt kann als die Breite Straße angesehen werden, die sich in vielen Kaufmannssiedlungen findet. Die Nikolaikirche wurde bei der Entwicklung der Stadt als Stadtkirche der Altstadt übernommen. M. Toeppen, Geschichte der räumlichen Ausbreitung der Stadt Elbing. In: Zs. für westpreußische Geschichte Bd. 21 (1887). H. Stobbe, Versuch einer Baugeschichte der Nikolai-Kirche in Elbing im Mittelalter. In: Zs. des westpreußischen Geschichtsvereins Bd. 74 (1938), S. 183–214. B. Jähnig, Das Entstehen der mittelalterlichen Sakraltopographie von Elbing. In: Beitr. zur Geschichte Westpreußens Nr. 10, Münster (1987). Atlas Historyczny Miast Polskich, Tom. I. Prusy Królewskie i Warmia. Red. Antoni Czacharowski, Zeszyt 1: Elblàg, bearb. von Roman Czaja und Zenon Kozie∏, Toruƒ (1993).

Ellrich (Thüringen) DSB Mitte, S. 476. Hist. Stätten Thüringen, S. 100.

Außer der Hauptkirche St. Johannes in der Altstadt gab es in der Walkenrieder Vorstadt beim Autor eine Nikolaikirche, die 1506 als Kapelle genannt wird und seit der Reformation ohne Verwendung war, so dass sie 1788 abgebrochen wurde. K. Heine, Chronik der Stadt Ellrich. Ellrich (1899), S. 84.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Elmshorn (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 372. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 40.

Die Nikolaikirche wurde um 1347 erbaut.

Elzach (Baden-Württemberg) DSB Baden-Württemberg, S. 209. Hist. Stätten Baden-Württemberg, S. 147.

An einem entlang der Elzach verlaufenden Wege entstand eine Kaufmannssiedlung, die sich mit ihren etwa 20 Grundstücken im heutigen Stadtplan mit der Nikolaikirche gut erkennen lässt. Die Rechtsstadt ist in diesem Falle anscheinend unmittelbar aus der Kaufmannssiedlung hervorgegangen. Eine herrschaftliche Stadtgründung ist nicht erfolgt.

Erfurt (Thüringen) DSB Mitte, S. 478. Hist. Stätten Thüringen, S. 100. Atlas Saale, Blatt 31 und S. 119–127.

Die Nikolaikirche ist für 1212 bezeugt. Ihre Lage im städtischen Straßennetz bietet einen Anhaltspunkt für ihre Zuordnung zum System der Fernstraßen. Ihr heute noch vorhandener „Nikolaiturm“ steht an einem Übergang der Augustinerstraße über den das Stadtgebiet durchziehenden Breitstrom, wo eine von Leipzig ankommende Fernstraße in die nach Westen übergehende Landstraße nach Bindersleben in Richtung Gotha und Eisenach mündet. Die Kaufmännerkirche St. Gregor (ecclesia mercatorum) stammt aus der Zeit vor 1200. Sie lässt sich nicht mit dem Nikolaus-Patrozinium in Verbindung bringen. In der einstigen Nikolaikirche wurde 1525 der Gottesdienst eingestellt. 1526 wurde sie den Katholiken übergeben und 1744 abgebrochen. Ulman Weiss, Die frommen Bürger von Erfurt. Die Stadt und ihre Kirchen im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Weimar (1988), mit Stadtplan. Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart. Heiliges Römisches Reich – deutschsprachige Länder, hg. von Erwin Gatz, Regensburg (2009), S. 162 und S. 233.

Eschwege (Hessen) DSB Hessen, S. 109. Hist. Stätten Hessen, S. 106.

Bei einem im Jahre 974 genannten Königshof wurde im 11. Jahrhundert auf dem Cyriaksberg ein Kanonissenstift gegründet. Westlich davon entstand in unregelmäßiger

2. Ortsartikel

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Anlage unterhalb des Berges eine Siedlung um die Kirche zu St. Nikolai und Gothardi. Im Jahre 1340 wurde die Kapelle zur Pfarrkirche erhoben. Nach der Reformation geriet sie in Verfall, nur noch der Nikolai-/Klausturm blieb erhalten.

Feldkirch (Vorarlberg) ÖSB Vorarlberg, S. 123. Hist. Stätten Österreich 2, Alpenländer, S. 413.

Die 1287/97 genannte Stadtpfarrkirche ist dem hl. Nikolaus geweiht. Ihre umstrittene Zeitstellung kann im Vergleich zur allgemeinen Stadtgeschichte zu Gunsten ihres Vorranges vor der Frauenkirche entschieden werden.

Felsberg (Hessen) DSB Hessen, S. 113. Hist. Stätten Hessen, S. 112.

Beim Übergang der sehr bedeutenden Sülzer Straße über die Eder wurde im 11. Jahrhundert eine Burg angelegt, bei der sich eine die Fernstraße einschließende Stadt bildete. 1286 werden consules genannt, 1293 wird die Stadt als civitas bezeichnet, 1247 erscheint die ecclesia. Im Spätmittelalter fand ein Patrozinienwechsel von Nikolaus zu Jakobus statt.

Flensburg (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 375. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 47.

An der in Nord-Süd-Richtung sich erstreckenden Straße von Apenrade nach Schleswig liegt am Markt die Nikolaikirche, die neben der nach Osten gelegenen Marienkirche die größere Stadtkirche war.

Forst (Brandenburg) DSB Nordost; S. 531; DSB Brandenburg, S. 156. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 176.

Die Stadtkirche St. Nikolai liegt als Hauptkirche der Stadt an der West-Ost-Fernstraße von Cottbus nach Pförten kurz vor dem Neißeübergang und an der Kreuzung mit der am Neißeufer laufenden Straße von Guben nach der Oberlausitz. Abseits von den Fernstraßen befindet sich die „Landkirche“ St. Marien zwischen dem Schloss und dem Fluss auf dem im Jahre 1750 hierher verlegten Friedhof.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Frankenhausen (Thüringen) DSB Mitte, S. 292. Hist. Stätten Thüringen, S. 29.

Im Gelände um die Saline siedelten sich mehrere Ansatzpunkte für eine Stadtentwicklung an: Die Petri-, die Georgs-, die Jakobi-, die Marien- und die aus dem Namen des Friedhofs zu erschließende Nikolaikirche. Der Bereich um die Petrikirche blieb in seiner Siedlungsform trotz der Breiten Straße rein ländlich-dörflich. Die Georgskirche wurde 1691 zur Stadtkirche ausgebaut, St. Jakobi am Markt 1537/46 abgetragen. Die Nikolaikirche lag am Übergang der von Erfurt kommenden und nach Nordhausen führenden Straße vor dem Anger- oder Nordhäuser Tor unmittelbar beim Übergang über die Wipper und entspricht damit dem vielfach festzustellenden Standort am Flussübergang einer Fernstraße. Bauliche Spuren hat sie nicht hinterlassen. Der Friedhof St. Nikolai lag 1282 ante civitatem beim Anger vor dem Angertor. Der Fall Frankenhausen ist ein treffliches Musterbeispiel für die Möglichkeiten, die eine sachkundige Deutung des Stadtplans für die Erkundung der Stadtgeschichte bietet. DSA, Lief. IV, Nr. 2, (1989), Bad Frankenhausen, hg. und bearb. von Heinz Stoob, Altenbeken, (1989). Thomas Müntzer, Briefwechsel. Bearb. und komm. von Siegfried Bräuer und Manfred Kobuch. Leipzig (2010), S. 184 f. Anmerkung 2.

Frankenstein/Zàbkowice Âlàskie (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 735; SB Schlesien, S. 78. Hist. Stätten Schlesien, S. 95.

Die an der Straße von Breslau nach Prag gelegene Stadt besitzt eine Pfarrkirche der hl. Anna. Vor dem Breslauer Tor befindet sich die kleine Begräbniskirche St. Nikolai auf dem im Jahre 1552 angelegten städtischen Friedhof. G. Schoenaich, Die räumliche Entwicklung der Stadt Frankenstein. In: Schlesische Geschichtsblätter (1930), Nr. 3, S. 53 ff. mit Vogelschau-Stadtplan von 1765.

Frankfurt/Main (Hessen) DSB Hessen, S. 122. Hist. Stätten Hessen, S. 117.

Die Kirche wurde im 12. Jahrhundert als Kapelle mit fast quadratischem Grundriss erbaut, um die in der Mitte des 13. Jahrhunderts ein Turm angefügt wurde. Diese „Alte Nikolaikirche“ wird als königliche Hofkirche gedeutet, auf deren personelle Besetzung der König einen gewissen Einfluss hatte. In der Folge der Reformation wurde sie als Kirche geschlossen und als Lagerhaus genutzt. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts diente sie wieder für den Gottesdienst, danach als Garnisonkirche, 1813 wurde sie erneut geschlos-

2. Ortsartikel

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sen. Seit 1949 steht sie nach umfassender Erneuerung im geistlichen Dienst der evangelischen Paulusgemeinde. – Die Lage der Kirche am Ufer des Mains und in der nächsten Nähe der Stadtmitte kennzeichnet ihre hohe Bedeutung für das kaufmännische Leben in einer der Hauptstädte des Deutschen Reiches. „Türen öffnen sich“. Die Alte Nikolaikirche, Römerberg, Frankfurt am Main (Kirchenführer), um (2000).

Frankfurt/Oder (Brandenburg) DSB Nordost; S. 534; DSB Brandenburg, S. 165. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 177.

Gegenüber der Hauptkirche St. Marien war die im nördlichen Teil der Altstadt gelegene Nikolaikirche die älteste Kirche der Stadt. Bei ihr ist um die Unterstadt zum Jahre 1226 eine Ursiedlung und das im Jahre 1253 genannte forum zu suchen. Die Kirche weist als gotischer Backsteinbau romanische Bauteile auf, ihre Entstehung wird auf die Zeit nach 1226 gelegt. Nach der Reformation wurde sie nicht mehr als Kirche genutzt, baulich vernachlässigt, seit 1656 erneuert und für den reformierten Gottesdienst zugerichtet. Frankfurt war am Ende des 12. Jahrhunderts ein wichtiger Oderübergang. Die von Westen kommende Fernstraße führt geradeswegs auf die Nikolaikirche zu und setzt sich jenseits der Oder fort. Der Kietz war nicht mit der bei der Nikolaikirche entstandenen Kaufmannssiedlung identisch. M. M. Lienau, Vor- und Frühgeschichte der Stadt Frankfurt an der Oder (Mannus-Bibliothek, Nr. 25), Leipzig (1921). Eckard Müller-Mertens, Untersuchungen zur Geschichte der brandenburgischen Städte im Mittelalter, I. In: Wiss. Zs. Humboldt-Universität Berlin, Ges. und sprachwiss. Reihe 5, (1955/56), S. 209 ff. Charles Higounet, Die deutsche Ostsiedlung, Berlin (1986), S. 131.

Frauenburg/Frombork (Polen, Ostpreußen) DSB Nordost, S. 50. Hist. Stätten Ost- und Westpreußen, S. 56.

Die am Markt gelegene Pfarrkirche St. Nikolaus stammt aus dem 14. Jahrhundert.

Fraustadt/Wschowa (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 737. Hist. Stätten Schlesien, S. 99.

Die an der Straße von Glogau nach Posen gelegene Stadt wurde als Folge der deutschrechtlichen Umsetzung des schon 1210 belegten Dorfes Pritschen zwischen 1248 und 1273 gegründet. Das Hospital der Tuchknappen zu St. Nikolaus wird vor dem Jahre 1580 genannt.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Freiberg (Sachsen) DSB Mitte, S. 76. Hist. Stätten Sachsen, S. 99. Atlas Saale, Blatt 38, Teilkarte XI und S. 209.

In der Markgrafschaft Meißen war die deutsche Kolonisation im Vorlande des Erzgebirges im Gange, als das Kloster Altzella 1162 gestiftet wurde. Auf dessen Grund und Boden wurde 1168 Silbererz fündig. In dem Dorfe Christiansdorf mit der Jakobskirche siedelten sich Bergleute an, denen Händler und Handwerker folgten, die um 1180 bei der Nikolaikirche eine Gemeinde bildeten. Die bergmännische „Sächsstadt“ (civitas Saxonum) und die Nikolaistadt dürften bis 1190 zu einer Einheit zusammengefasst worden sein, neben die der Markgraf eine Burg mit dem Burglehn und der Marienkirche anlegte. Zwischen 1210 und 1218 trat die planvoll gestaltete Oberstadt mit der Peterskirche hinzu, wobei die neue Stadt mit dem Namen Friberch erscheint. Der Stadtteil um die Nikolaikirche kann im Unterschied zum Normalfall nicht als ursprüngliche Kaufmannssiedlung angesehen werden, sondern muss als Folgesiedlung im Anschluss an den aufblühenden Bergbau verstanden werden. DSA, Lieferung II, Nr. 2, hg. von Heinz Stoob, berarb. von Karlheinz Blaschke, (1979). Heinrich Douffet, Arndt Gühne, Die Entwicklung des Freiberger Stadtgrundrisses im 12. und 13. Jahrhundert. Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg, Schriftenreihe 4, (1982), S. 15–40.

Freiburg/Fribourg (Schweiz) ADAC-Reiseführer Schweiz, S. 123.

Die Kathedrale St. Nicolas steht auf Fundamenten einer romanischen Vorgängerkirche, ihr Bau wurde 1283 begonnen. Daneben gibt es die Marienkirche.

Freienohl (Westfalen) DSB Westfalen, S. 135. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 205.

Die katholische Pfarrkirche St. Nikolaus wurde angeblich 1236/37 gestiftet. Seit 1289 ist sie nachzuweisen.

Freienwalde (Brandenburg) DSB Nordost, S. 538; DSB Brandenburg, S. 10. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 9.

Die an einem Oderübergang gelegene Stadt besitzt eine Stadtkirche St. Nikolai, die ursprünglich als Kirche einer Kaufmannssiedlung einen kleinen romanischen Granitsteinbau mit quadratischem Wehrturm darstellte. Daran wurde nach Norden eine gotische

2. Ortsartikel

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Kirche angebaut, die den alten Turm benutzte, der nunmehr unsymmetrisch in der ganzen Anlage steht. Der Kirche wird ein höheres Alter als der Stadt zugeschrieben, was mit ihrer Zugehörigkeit zu einer frühen Kaufmannssiedlung übereinstimmt. E. Heller, Geschichte der Stadt Freienwalde an der Oder. Freienwalde (1896), S. 43 ff.

Friedland (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 285. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 28.

Außer der Pfarrkirche St. Marien gibt es eine bei weitem kleinere Nikolaikirche im Osten der Stadt auf dem „Pferdemarkt“, einem dreieckigen Platz, der als Anger eines alten Dorfes angesehen wird. Dieser straßenmarktartige Anger liegt innerhalb der Stadt im Zuge der Fernstraße von Anklam nach Neubrandenburg in bester Verkehrslage. Er kann als die alte Kaufmannssiedlung angesehen werden. Die Nikolaikirche ist ein frühgotischer Bau mit einigen aus Granitquadern errichteten Teilen. A. Mayer, Geschichte des Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz nebst Chronik der Stadt Friedland. Neustrelitz (1896), S. 61.

Fritzlar (Hessen) DSB Hessen, S. 169. Hist. Stätten Hessen, S. 139.

Im Umfeld der fränkischen Landesfestung Büraburg gründete Bonifatius ein Kloster in Fritzlar. Eine karolingische Pfalz und ein Königshof um die Jahrtausendwende unterstreichen die Bedeutung des Ortes. Nördlich um Stift und Pfalz entwickelte sich im 12. Jahrhundert eine Kaufmannssiedlung, deren Markt durch Verbreiterung der Fernstraße von Paderborn und Kassel nach Frankfurt gebildet wurde. 1180 erscheint der Ort als civitas. Südwestlich des Marktes wird im Jahre 1209 an der Fernstraße die Nikolaikirche genannt. 1493 ging sie in den Besitz der Stadt über, wurde später von den Jesuiten genutzt und geriet nach deren Vertreibung 1631 in baulichen Verfall. Fritzlar im Mittelalter. Fs. zur 1250-Jahrfeier. Hg. vom Magistrat, Fritzlar (1974). DSA, Lieferung II, Nr. 4, hg. und bearb. von Heinz Stoob, Münster (1979).

Fürstenberg (Niederlausitz) DSB Nordost, S. 542 ; DSB Brandenburg, S. 123 (= Eisenhüttenstadt) Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 192.

Die an einem Oderübergang gelegene Stadt besitzt eine Nikolaikirche.

132

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Gardelegen (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 489. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 130.

Außer der Stadtkirche St. Marien gibt es eine Nikolaikirche im Norden der Stadt unmittelbar an der Stadtmauer. Sie war ursprünglich eine einschiffige romanische Basilika, die auf das 12. Jahrhundert zu datieren und älter als die Marienkirche ist. Im Jahre 1541 waren beide Kirchen Pfarrkirchen, es gab aber nur ein bei St. Nikolai gelegenes Pfarrhaus. Seit der Reformation wurde die Marienkirche bevorzugt.

Gartz (Pommern) DSB Nordost; DSB Brandenburg, S. 207. Hist. Stätten Mecklenburg, S. 185.

Neben der Stadtkirche St. Stephan bestand eine 1298 bezeugte Nikolaikirche, die später nicht mehr genannt und 1624 zerstört wurde. Sie ist wahrscheinlich mit der Marienkapelle gleichgesetzt worden.

Geithain (Sachsen) DSB Mitte, S. 84. Hist. Stätten Sachsen, S. 112.

Zum Jahre 1186 wird die Marienkirche in superiori villa Chiten genannt. Die Nikolaikirche dürfte mit dem 1209 bezeugten Parochianus (Gemeindepfarrer) gesichert sein. Ihr topographischer Zusammenhang mit dem 1350 genannten castrum ist unübersehbar. Dabei bleibt es allerdings unerklärlich, eine aus genossenschaftlichem Ursprung hervorgegangene Nikolaikirche außerhalb der Genossenschaftssiedlung an einem herrschaftlich bestimmten Standort vorzufinden. Das kann nicht der ursprüngliche Platz der Nikolaikirche sein. Am Markt wurde 1257 die Katharinenkirche geweiht, bei der bis 1562 alle Beerdigungen stattfanden. Als Hauptpfarrkirche erscheint jedoch seit den Visitationen des 16. Jahrhunderts die Nikolaikirche, zu der die im östlich an die Stadt anschließenden Dorf Wickershain gelegene Marienkirche als Filial gehörte. Die Nikolaikirche zeigt in ihrem Westteil mit den beiden Türmen noch heute romanische Formen, deren Ausmaße auf einen größeren Bau hinweisen. Unmittelbar westlich schließt sich das Dorf Altdorf entlang der Fernstraße an, das im 18. Jahrhundert nur aus Gärtnern bestand. Seine Häuser sind rings von der Geithainer Stadtflur umgeben, so dass seine eigene kleine Dorfflur abseits liegt. Altdorf war der Grundherrschaft und Gerichtsbarkeit der Nikolaikirche unterworfen. Zur Verwaltung der beträchtlichen Besitzungen der Kirche auch in anderen Dörfern bestand eine „geistliche Vorsteherei“. Die im Jahre 1818 abgetragene Katharinenkirche soll ein romanischer Bau gewesen sein. Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 15. Heft, S. 26 ff., mit Stadtplan.

2. Ortsartikel

133

Genf (Schweiz) Baedeker Schweiz, S. 269.

Die Kirche St. Nicolas-de-Flüe steht in der Innenstadt an der durchgehenden Straße.

Gent (Belgien) Neben der Hauptkirche St. Bavo aus dem Jahre 941 wurde um 1200 eine Nikolaikirche am Kornmarkt an der Schelde in der Nähe des alten Hafens erbaut. Ihre ältesten Bauteile stammen aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts.

Gera (Thüringen) DSB Mitte, S. 297. Hist. Stätten Thüringen, S. 138.

Bis zum Stadtbrand 1780 diente die Johanniskirche als Stadtkirche. Am Ostrande der Stadt lag an der Innenseite der Stadtmauer die einer chronikalischen Nachricht zu Folge 1193 erbaute Nikolauskapelle, die 1606 als „alte Kirche“ erscheint und bis 1717 auf dem „Niklasberge“ stand. An Stelle der alten Nikolauskirche wurde 1717–20 die Salvatorkirche als heutige Stadtkirche erbaut. Die Nikolaikirche lag am „Steinweg“, der zwischen dem Leumnitzer Tor und dem Weidaer Tor die Nord-Süd-Straße durch die Stadt führte, ohne den Marktplatz zu berühren. E. P. Kretschmer, Geschichte der Stadt Gera. Gera (1926), S. 141. Deutschlands Städtebau: Gera. Bearb. von Luthardt, Berlin (1930), S. 22, mit Stadtplan.

Gifhorn (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 142. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 167.

Die im Jahre 1213 genannte Stadt verfügte über eine Nikolaikirche aus dem 13. Jahrhundert. Um 1540 wurde die neue Pfarrkirche erbaut. Auf dem Marktplatz entstand die im Jahre 1734 als Barockbau errichtete St. Nikolaus-Kirche. Die an der „Salzstraße“ von Lüneburg nach Braunschweig gelegene Stadt entwickelte sich günstig an der hier kreuzenden Straße von Magdeburg nach Celle.

Glauchau (Sachsen) DSB Mitte, S. 89. Hist. Stätten Sachsen, S. 117.

Die bei der Burg gelegene Stadtkirche ist dem hl. Georg geweiht. Vor dem Niklasberg stand bei den Niklasstufen die Nikolaus-Kapelle, die nach der Reformation als Kirche

134

II. Analytische Ortsbeschreibungen

einging. Bei ihr war der städtische Friedhof angelegt worden, auf dem 1582 eine neue Gottesackerkirche erbaut wurde. Sie wurde 1911 abgerissen. Die bei der ehemaligen Nikolaikirche gelegene Lange Vorstadt mit dem Langen Steinweg an der nach Norden führenden Leipziger Straße bildete mit ihren 44 Häusern im Jahre 1616 eine selbständige, unter Amtsjurisdiktion stehende Gemeinde. Mit der Nikolaikirche war die Muldenbrücke verbunden. Einer chronikalischen Nachricht zufolge wird als Baujahr der Nikolaikirche 1105 genannt. Das erscheint zwar im Vergleich zu anderen Nikolaikirchen in Mitteldeutschland als ungewöhnlich früh, ist aber im Blick auf die Geschichte des Nikolaus-Patroziniums nicht ausgeschlossen, wenn man Pegau zum Vergleich nimmt. Die Nikolaikapelle ist seit 1498 nachweisbar. Zu ihr gehören der Niklasberg und die Niklaswiese. Alle diese Feststellungen stützen den Hinweis auf eine frühe Kaufmannssiedlung, für die an das Fernstraßennetz eine Anbindung besteht. Der in Glauchau geborene führende Erforscher der europäischen Stadtgeschichte Walter Schlesinger hat die Bedeutung der zu seiner Zeit noch unbeachteten Kaufmannssiedlung nicht gekannt. E. Eckardt, Chronik von Glauchau. Glauchau (1882). Walter Schlesinger, Bemerkungen zu zwei Plänen der Stadt Glauchau von 1799 und 1882. In: Fs. für Friedrich von Zahn 1. Bd., Zur Geschichte und Volkskunde Mitteldeutschlands, hg. von Walter Schlesinger (Mitteldeutsche Forschungen 50/1), Köln, Graz (1968), S. 505–525. Wiederabdruck in: Walter Schlesinger, Beiträge zur Geschichte der Stadt Glauchau, hg. von Enno Bünz (Bausteine aus dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde, Bd. 18, S. 109–125 (2010). Karlheinz Blaschke, Die Kaufmannssiedlung im 12. Jahrhundert als Typus. Glauchau, Grimma und Waldenburg als Einzelfälle. In: NASG, Bd. 83 (2012).

Glogau/G∏ogów, (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 750; SB Schlesien, S. 111. Hist. Stätten Schlesien, S. 127. Dehio Polen: Schlesien, S. 300 f.

Die Altstadt entstand an einer Furt durch die Oder bei einer Kastellaneiburg, wo die Straße aus der Lausitz nach Polen den Fluss überschreitet. Auf der linken Seite der Oder, die hier durch eine Insel geteilt wird, wurde 1230 in der Neustadt die Nikolaikirche als künftige Pfarrkirche erbaut.

Gnoien (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 288. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 33.

Das hier gelegene Nikolaus-Hospital wurde vor dem Jahre 1350 errichtet.

2. Ortsartikel

135

Goldberg/Z∏otoryja (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 755; SB Schlesien, S. 126. Hist. Stätten Schlesien, S. 139. Dehio Polen: Schlesien, S. 1181.

Die im Jahre 1217 erwähnte Nikolaikirche wurde bis ins 20. Jahrhundert als Friedhofskirche genutzt. Sie ist älter als die Stadtpfarrkirche Unserer Lieben Frauen. Der Nikolaiberg mit der Kirche liegt vor der Stadt an der Straße nach Liegnitz. Die ältere Meinung, dass die Nikolaikirche von den Bergleuten vor Errichtung der Stadt erbaut worden sei, ist mit dem Hinweis auf die Kurzlebigkeit des Bergbaus verworfen worden. L. Sturm, Geschichte der Stadt Goldberg in Schlesien. Goldberg (1888). G. Schoenaich, Goldberg. Eine städtebauliche Studie. In: Schlesische Geschichtsblätter (1936), Nr. 3.

Görlitz (Oberlausitz) (Abbildungen 8a und 8b, S. 62 u. 63) DSB Nordost, S. 753. Hist. Stätten Sachsen, S. 119.

Am Übergang der Hohen Straße (Via Regia) über die Neiße wurde die Nikolaisiedlung mit der Nikolaikirche an dem zum Fluss führenden Lunitzbach kurz vor seiner Mündung errichtet. Die Nikolaikirche blieb auch nach der Gründung der Stadt die Hauptpfarrkirche neben der Stadtkirche St. Peter. 1298 wird die ecclesia parochialis St. Nicolai extra muros genannt. Die Peterskirche war bis zur Reformation eine Filialkirche, doch unterscheidet die Meißner Bistumsmatrikel von 1495 der Größe nach die ecclesia sancti Petri von der capella sancti Nicolai. Nach der Reformation diente die dreischiffige Hallenkirche St. Nikolai als städtische Begräbniskirche. – Die Nikolaisiedlung entlang des Steinweges befindet sich noch heute unverändert bewohnt in der städtebaulichen Gestalt wie zur Zeit ihrer Gründung im frühen 12. Jahrhundert. W. Jecht, Neue Untersuchungen zur Gründungsgeschichte der Stadt Görlitz und zur Entstehung des Städtewesens in der Oberlausitz. In: Neues Lausitzisches Magazin 95 (1919), S. 1 ff. Richard Jecht, Geschichte der Stadt Görlitz. Görlitz (1922–26), S. 8 und S. 746 ff. Karlheinz Blaschke, Die Anfänge der Stadt Görlitz. In: Ders., Stadtgrundriss und Stadtentwicklung (Städteforschung A 44), Köln (1997), S. 329–341.

Goslar (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 153 und S. 159. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 144.

Der bescheidene Bau der 1186 bezeugten Nikolaikirche an der Klausbrücke und der Klausmühle war von innen eng an die Stadtmauer angelehnt. Die Fernstraße nach Clausthal und Braunschweig überschritt hier die für die Stadt namengebende Gose. DSA, Lieferung II, Nr. 5, hg. und bearb. von Heinz Stoob.

136

II. Analytische Ortsbeschreibungen

[Gotha]-Sundhausen (Thüringen) DSB Mitte, S. 301. Hist. Stätten Thüringen, S. 151.

In der Stadt fehlen jegliche Hinweise auf eine Nikolaitradition. Unmittelbar im Süden an die Stadt angrenzend steht eine stattliche Nikolaikirche im Dorf Sundhausen, die mit ihren hochmittelalterlichen Bauformen die herkömmlichen Dorfkirchen übertrifft. Der Ortsname ist als „Südhausen“ zu verstehen, was auf eine enge Beziehung zur Stadt im Zeitalter der Nikolaikirchen hindeuten kann. Diese hier angebotene Lösung ist nicht belegbar, sollte aber als Indiz in Betracht gezogen werden, weil damit die Lücke in der Ost-West-Straße zwischen den Nikolaistandorten Erfurt und Eisenach ausgefüllt würde.

Göttingen (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 144. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 148.

Im Süden der regelmäßigen Stadtanlage schließt eine weite Ausbuchtung der Stadtmauer das Gebiet um die Nikolaikirche ein. Der Überlieferung nach sollen sich dort Flamen niedergelassen haben. Die Nikolaikirche liegt nahe der Groner Straße, in deren Zuge die von Osten kommende Fernstraße außerhalb der ursprünglichen Stadtanlage durch das Dorf Göttingen zum Leineübergang führte. Wolfgang Hess, Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen. Marburg (1966), S. 149 ff., mit Stadtplan. Karlheinz Blaschke, St. Nikolai in Göttingen. Eine Kaufmannskirche des 12. Jahrhunderts. In: Ders., Stadtgrundriss, Anmerkung wie bei Görlitz, S. 352 ff. Hans-Jürgen Nitz, Ging der Gründungsstadt Göttingen eine genossenschaftliche Nikolai-Kaufmannssiedlung voraus ? Bemerkungen und Überlegungen zu einer These des Städtehistorikers K. Blaschke (1997). In: Göttinger Jahrbuch Bd. 46 (1998), S. 9–17.

Grabow (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 290. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 145; Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 35.

Außer der Stadtpfarrkirche St. Georg gab es eine im 17. Jahrhundert abgerissene Nikolaikapelle mit einem als Kranken- und Armenhaus dienenden Nikolausstift beim Mühlentor, wo der St. Klaus-Acker noch an die Kirche erinnert. Vor dem Mühlentor gabelt sich beim Übergang über die Elbe die von Hamburg kommende Straße nach Berlin und zum Elbübergang bei Lenzen. Hier lag der alte Friedhof, ansonsten war der Platz nur mit Scheunen bebaut. O. Kurz, Grabows Stadtbild im Wandel der Zeit. In: Mecklenburgische Monatshefte, Juli (1935), S. 385.

2. Ortsartikel

137

Gran/Esztergom (Ungarn) Seit dem 10. Jahrhundert war hier der Hauptsitz der ungarischen Herrscher mit der Königsburg und dem späteren Sitz des Erzbischofs. Seit dem 12. Jahrhundert ist eine Kaufmannssiedlung mit Nikolaikirche nachzuweisen. Die Kaufleute im vicus Latinorum waren gildemäßig zusammengefasst, besaßen eigene Gerichtsbarkeit und Selbstverwaltung. Als der vicus um 1200 befestigt wurde, begann die Entwicklung zur Stadt. Die Nikolaikirche steht an der zur Burg durchgehenden Hauptstraße. K. Schönemann, Die Entstehung des Städtewesens in Südosteuropa. Breslau und Oppeln, (1929). Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Graz (1954), S. 158. Erik Fügedi, Die Entstehung des Städtewesens in Ungarn. In: Alba Regia, Annales Musei Stephani Regis, X, (1969), S. 111 mit Stadtplanskizze.

Graudenz/Grudziàdz (Polen) Hist. Stätten Ost- und Westpreußen, S. 71.

Die an der Weichsel gelegene Stadt weist eine mit ihren ältesten Teilen aus dem 13. Jahrhundert stammende Nikolaikirche auf. Historischer Atlas polnischer Städte, Tom I, Heft 4, Red. Antoni Czacharowski. Königliches Preußen und Ermland, Thorn (1997).

GreatYarmouth (Großbritannien) Baedeker Großbritannien, S. 260.

Die Kirche St. Nicholas gilt als die zweitgrößte Pfarrkirche Englands.

Greifenhagen (Polen, Ostpommern) DSB Nordost, S. 172. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 193. Pommern, S. 237.

Die Nikolaikirche wurde nach 1278 erbaut.

Greifswald (Pommern) DSB Nordost, S. 174. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 195. Pommern, S. 227.

Die Nikolaikirche war der Ansatzpunkt der Stadtentstehung. Sie wurde auf dem höchsten Punkt des Greifswalder Rückens südlich der Küstenlinie angelegt, wo die Fernstraße von Norden auf das Stadtgebiet stößt. Hier war der Ort für die Anlage einer Kauf-

138

II. Analytische Ortsbeschreibungen

mannssiedlung bezeichnender Weise an der Steinbecker Straße. Das 1199 gestiftete, 1207 erst ausgestattete Kloster Eldenes war jünger als die seit 1087 anzusetzende Kaufmannssiedlung. Die weitere Stadtentwicklung schloss sich davon östlich an die Marienkirche an, eine jüngere Erweiterung folgte um die Jakobikirche. Damit reiht sich die Stadt in die mehrfach festzustellende zeitliche Abfolge von Nikolai, Marien und Jakobi in den Ostseestädten ein. An der Nikolaikirche, der wichtigsten der drei Stadtkirchen, wurde ein Kollegiatstift errichtet, was ihr im Jahre 1457 die Erhebung zum „Dom“ eintrug. Karlheinz Blaschke, Nikolaikirchen und Stadtentstehung im pommerschen Raum. In: GreifswaldStralsunder Jahrbuch 9 (1970/71), S. 21–40. Joachim Wächter, Die Anfänge Greifswalds im Rahmen der Siedlungsgeschichte. In: Land am Meer. Pommern im Spiegel seiner Geschichte. Roderich Schmidt zum 70. Geburtstag, hg. von Werner Buchholz. Köln (1995), S. 132–144.

Grevesmühlen (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 292. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 37.

Die Stadt erscheint 1242 als Sitz eines Vogtes der Herrschaft Mecklenburg, 1262 als oppidum und 1267 als civitas bei einer günstigen Lage an der wichtigen Straße von Lübeck nach Wismar. Die frühgotische Kirche wurde dem hl. Nikolaus geweiht, die dreischiffige Halle stammt aus dem 3. Viertel des 13. Jahrhunderts. Das Franziskanerkloster ist 1326 nachzuweisen.

Grimma (Sachsen) DSB Mitte, S. 91. Hist. Stätten Sachsen, S. 128.

Außer der Stadtpfarrkirche Unserer Lieben Frauen in der Oberstadt stand bis zu ihrem Abbruch 1888 die Nikolaikirche in der Unterstadt. Ihre Lage an der Muldenbrücke lässt sich mit einer Kaufmannssiedlung in Verbindung bringen. Die Kosten für die Unterhaltung der Brücke wurden aus dem Vermögen der Nikolaikirche bestritten, das von zwei 1432 und 1505 bezeugten Brückenmeistern verwaltet wurde. Die zum Jahre 1309 erstmals genannte Nikolaikirche besaß einen eigenen Sprengel für die Kasualien, doch fanden Beerdigungen aus der ganzen Stadt nur bei der Frauenkirche statt. Der Gottesdienst wurde in wöchentlichem Wechsel in beiden Kirchen abgehalten, es gab nur ein Pfarramt und eine Kirchgemeinde. Auch topographisch bilden Ober- und Unterstadt eine Einheit. Die in der älteren Orts- und Landesgeschichte geltende Auffassung über die zeitliche Abfolge von Frauen- und Nikolaikirche muss zu Gunsten der Nikolaikirche umgekehrt werden. Chr. G. Lorenz, Die Stadt Grimma im Königreich Sachsen. Leipzig (1856). Leo Bönhoff, Das Bistum Merseburg, seine Diözesangrenzen und seine Archidiakonate. In: Neues Archiv für sächsische Geschichte, Bd. 32, (1911), S. 255. G. Henning, Die Entstehung der Stadt Grimma. In: Fs. zum 10jährigen Bestehen des Geschichts- und Altertumsverein zu Grimma, (1911), S. 49 f.

2. Ortsartikel

139

Karlheinz Blaschke, Studien zur Frühgeschichte des Städtewesens in Sachsen. In: Fs. für Walter Schlesinger, hg. von Helmut Beumann, Bd. 1, Köln, Wien (1973), S. 333–381 (mit Stadtplanskizze). Ders., Die Kaufmannsiedlung im 12. Jahrhundert als Typus. Glauchau, Grimma und Waldenburg als Einzelfälle. In: NASG Bd. 83 (2012).

Groningen (Niederlande) Die Nikolaikirche wurde im 15. Jahrhundert im Handelszentrum der Stadt am Fischmarkt erbaut. Sie trägt heute den Namen A-Kerk nach einem an ihr vorbeifließenden Bach namens A. Auskunft von Prof. Pim Kooij in Groningen.

Großmeseritsch/Velké Mezifiíãí (Tschech. Republik, Mähren) Rokyta 3, S. 108. Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 175.

Die gotische St. Nikolauskirche aus dem 13. Jahrhundert steht an der Straße von Brünn nach Iglau.

Groß-Wartenberg/Syców (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 761; SB Schlesien, S. 142. Hist. Stätten Schlesien, S. 161.

In der Stadt liegt die Pfarrkirche St. Peter und Paul über die der Patronat dem Landesherrn zustand. Die Hospitalkirche St. Nikolai in der polnischen Vorstadt unterstand dem Patronat des Rates. Sie lag an der Handelsstraße Breslau – Kalisch – Horn. Das Nikolaihospital war im 15. Jahrhundert vorhanden. Es stand im 18. Jahrhundert unter kirchlicher Verwaltung. Die Nikolaikirche ist 1634 durch Kriegsereignisse zu Grunde gegangen. Die Stadtgründung wird für die Zeit zwischen 1248 und 1266 angesetzt. Sie lehnte sich an die herzogliche Burg aus dem 12. Jahrhundert an. J. Franzkowski, Geschichte der freien Standesherrschaft, der Stadt und des landrätlichen Kreises Groß-Wartenberg. Groß-Wartenberg (1912).

Grünberg/Zielona Góra (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 764; SB Schlesien, S. 147. Hist. Stätten Schlesien, S. 164.

Die Stadt liegt an der Heerstraße von Berlin nach Breslau mit dem Oderübergang in Crossen.Ihre Pfarrkirche St. Nikolaus wurde durch einen Patrozinienwechsel 1419 zu einer Hedwigskirche umgewidmet.

140

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Grünhain (Sachsen) DSB Mitte, S. 98. Hist. Stätten Sachsen, S. 140.

An der westerzgebirgischen Passstraße von Altenburg über Zwickau nach Preßnitz und weiter nach Prag bildete sich eine zum Straßenmarkt erweiterte Gasse. Die Kirche wurde dem hl. Nikolaus und der hl. Maria geweiht. Um 1231/33 erwarb der Zisterzienserorden von einem Ministerialen das hier vorhandene Vorwerk, auf dem Mönche aus Sittichenbach angesiedelt wurden. Daraus entstand das Kloster mit seinem durch Ankäufe stark vergrößerten Landbesitz. L. Enderlein, Kloster Grünhain im Westerzgebirge. Dis. Leipzig (1934).

Guhrau/Góra (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 767; SB Schlesien, S. 155. Hist. Stätten Schlesien, S. 169.

Außer der Stadtkirche St. Katharinen und der Dorfkirche St. Jakobi in Alt-Guhrau ist zum Jahre 1256 die St. Nikolauskirche mit einem Hospital vor dem Glogauer Tor bezeugt.

Guttstadt/DobreMiasto (Polen, Ostpreußen) DSB Nordost, S. 58. Hist. Stätten Ost- und Westpreußen, S. 78.

Die Nikolaikirche steht an der Straße nach Wartenburg.

Gützkow (Pommern) DSB Nordost, S. 179. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 204. Pommern, S. 233.

Die aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammende Pfarrkirche St. Nikolai gilt als Ausgangspunkt der Stadtentwicklung.

Hagenau/Haguenau (Frankreich, Elsaß) Am Landweg, der das Elsaß von Nord nach Süd von Weißenburg bis Basel durchzieht, wurde an einer Flussinsel im Laufe der Moder eine Burg erbaut, an der Herzog Friedrich II. von Schwaben die Pfalz schuf. Unter seinen staufischen Nachfahren spielte sich hier deutsche Kaisergeschichte ab. In der „herrlichen Burg“ von Hagenau wurden langezeit die Heiltümer des Reiches aufbewahrt. Die bei der Burg als staufische Eigenkirche

2. Ortsartikel

141

erbaute Georgskirche wurde 1143 in den Rang einer Mutterkirche erhoben. Entlang des Landwegs entstand die Kaufmannssiedlung mit der Nikolaikirche, die noch im frühen 20. Jahrhundert als „Ußerstadtkirche“ neben der Altstadt bestand. An der Nikolaikirche wurden eine von Prämonstratensern besetzte Propstei und ein Spital eingerichtet. H. Witte, Der heilige Forst und seine ältesten Besitzer. In: Zs. f. Geschichte des Oberrheins. (1897 u. 1898). H. Lempfrid, Sankt Nikolaus als Patron der Hagenauer Außerstadtkirche. In: Jahresberichte des Hagenauer Altertums-Vereins. (1909), S. 51–59. Walter Gunzert, Das Hagenauer Kirchgenleben im ausgehenden Mittelalter. Frankfurt (1936).

Haid/Bor (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 183. Kuãa 1, S. 184.

Am Handelsweg von Prag nach Nürnberg wurde die Siedlung angelegt, die im Jahre 1654 Stadtrecht erhielt. Ihre Stadtkirche ist dem hl. Nikolaus geweiht.

Halberstadt (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 517. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 169.

Über eine in der Überlieferung auftretende, abgebrochene Nikolaikapelle liegen keine näheren Angaben vor. Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen XXIII, Halle/Saale (1902), S. 265.

Hall (Österreich, Tirol) ÖSB Tirol, 1. Teil, S. 31–51. Hist. Stätten Österreich 2, S. 451.

In Hall begann die Schifffahrt auf dem Inn. Eine Bruderschaft der Schiffleute wird 1393 genannt. Die Stadtkirche ist dem hl. Nikolaus geweiht.

Halle/Saale (Sachsen-Anhalt) (Abbildung 9, S. 64) DSB Mitte, S. 529. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 177. Atlas Saale, Blatt 30, Teil III und S. 118 f.

Die hiesige Nikolaikirche ist dadurch bedeutsam, dass sie mit ihrer urkundlichen Nennung zum Jahre 1116 einen frühen Ansatz für das Auftreten des Nikolaus-Patroziniums

142

II. Analytische Ortsbeschreibungen

in Mitteldeutschland ermöglicht. Sie stand an der Fernstraße von Leipzig nach Eisleben unmittelbar am Saaleübergang, wo die Große und Kleine Klausstraße vor der Klausbrücke bis heute an sie erinnern. Schon diese Bezeichnungen zeigen die Bedeutung des hl. Nikolaus für das örtliche Wegenetz an einer empfindlichen Stelle an. Die Nikolaikirche hat keine baulichen Spuren hinterlassen. Urkundenbuch der Stadt Halle I, 19 und 20. S. Schultze-Galléra, Geschichte der Stadt Halle. 1. Bd., Halle (1925), S. 165. R. Hünicken, Geschichte der Stadt Halle, 1. Teil, Halle (1941), S. 55. Geschichte der Stadt Halle, Bd. 1: Halle im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Hg. von Werner Freitag und Andreas Ranft, Halle (2006).

Hallenberg (Westfalen) DSB Westfalen, S. 160. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 415. Dehio Nordrhein-Westf. 2, S. 380–381.

Die Pfarrkirche war ursprünglich den hl. Nikolaus und Katharina gewidmet, seit Mitte des 14. Jahrhunderts dem hl. Heribert.

Halmstad (Schweden) Johansson, S. 2.

Die im Jahre 1346 genannte Nikolaikirche lag an der den Fluss überschreitenden KyrkaGatan (= Kirchstraße).

Hamburg (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 388. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 70.

Eine um 1120–40 beim erzbischöflichen Dom entstandene Ansiedlung von Fernhändlern stellte die Altstadt dar. Westlich davon wurde die 1195 genannte Nikolaikirche am späteren Hopfenmarkt erbaut. Sie gehörte zu der 1188 auf einem Geesthorst als Hafenstadt angelegten Neustadt. Die hier vorbeifließende Unteralster erhielt den Namen „Nikolaifleet“. Die Kapelle St. Nikolai wird 1195 erwähnt. Die Errichtung dieser Neustadt gilt als Gründungsakt der Kaufmannsstadt Hamburg, doch erhielt die spätere großartige Entwicklung der Stadt ihr Zentrum außerhalb des Nikolaistadtteils. Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter. Graz, Köln (1954), S. 68 (mit Stadtplan).

2. Ortsartikel

143

Hameln (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 164. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 161.

Die am Markt gelegene Stadtkirche ist dem hl. Nikolaus gewidmet.

Hannover (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 169. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 166.

Die vor dem Steintor gelegene Nikolaikirche wurde um 1255 erbaut. An der gleichen Stelle lag auch das 1325 genannte Hospital mit einer um 1250 erbauten Kapelle. Die Bruderschaft zu St. Nikolai ist 1389 bezeugt. Das Nikolaistift wurde noch im 18. Jahrhundert in Anspruch genommen. Die Steintor-Gartengemeinde blieb bis 1843 selbständig, wurde dann zu einer „Vorstadt Hannover“ zusammengelegt, die 1859 mit der Stadt vereinigt wurde. Geschichte der Stadt Hannover, hg. von Klaus Mlynek und Waldemar R. Rohrbein, Hannover (1992).

Haynau/Chojnów (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 770; SB Schlesien, S. 163. Hist. Stätten Schlesien, S. 178.

Außer der Stadtpfarrkirche Unserer Lieben Frauen gab es vor dem Liegnitzer Tor eine Hospitalkirche St. Nikolai, die 1373 errichtet und 1862 abgebrochen wurde. Die Stadt lag an der Hohen Straße (Via Regia).

Heidenheim (Baden-Württemberg) DSB Baden-Württemberg, S. 109. Hist. Stätten Baden-Württemberg, S. 265.

Die Grafen von Helfenstein stifteten im Jahre 1400 eine Frühmesse in die St. NikolausKapelle in der Stadt, die heutige Michaelskirche.

Heiligenstadt (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 539. Hist. Stätten Thüringen, S. 187. Atlas Saale, S. 160 f (mit Stadtplan).

Das Martinsstift steht an der Stelle eines fränkischen Königshofes. In seiner Nähe überschreitet die von Osten kommende Fernstraße die Leine in Richtung Göttingen. Ihr im

144

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Osten durch die Stadtmauer abgeschnittener Zug lässt sich innerhalb der Stadtmauer durch das „Dorf“ Heimenstein, die Niederste Bauerschaft und die Altstadt mit der Liebfrauenkirche erkennen. Südlich dieser Siedlungen wurde später an der gradlinigen Straße die Neustadt mit dem Rathaus und der Egidienkirche angelegt. Der Heimenstein stellt eine Gasse dar, in deren Bereich dicht an der Stadtmauer eine Nikolaikirche stand. Von ihrem kleinen Bau war zu Anfang des 20. Jahrhunderts nur noch der östliche Teil erhalten. J. Wolf, Geschichte und Beschreibung der Stadt Heiligenstadt. Göttingen (1800), S. 120 und 151.

Helsingborg (Schweden) Johansson, S. 3.

In der am Öresund gelegenen Stadt wird außerhalb der ältesten mittelalterlichen Bebauung um 1050 eine St. Clemenskirche vermutet. Die Nikolaikirche wird 1489 als Klosterkirche genannt.

Helsingør (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 71.

Das dem hl. Nikolaus gewidmete Dominikanerkloster wurde 1425 gestiftet.

Hennersdorf/Jindfiichov (Tschech. Republik, Mähren) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 188 f. Rokyta 2, S. 53.

Der Marktort mit der Nikolauskirche wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet.

Herford (Westfalen) DSB Westfalen, S. 179. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 455. Dehio Nordrhein-Westf. 2, S. 424.

Am Alten Markt entstand eine Kaufleutesiedlung mit der Nikolaikirche im 14. Jahrhundert.

Hersfeld (Hessen) DSB Hessen, S. 233. Hist. Stätten Hessen, S. 20.

Die Straßenbezeichnungen Clausstraße und Am Claustor weisen auf eine ehemalige Nikolaikirche hin.

2. Ortsartikel

145

Hessischer Städteatlas, Blatt Hersfeld, hg. von Ursula Braasch-Schwersmann, bearb. von Holger Th. Gräf, Marburg (2007).

Herzberg (Elster) (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 544; DSB Brandenburg, S. 244. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 210. Atlas Saale, S. 186.

Die Stadt wurde an der Fernstraße von Leipzig über Torgau nach Frankfurt/Oder angelegt. Die ursprünglich auf den hl. Nikolaus gewidmete Pfarrkirche wurde durch einen Patrozinienwechsel zur Marienkirche, wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Übergang von der Kaufmannssiedlung zur Rechtsstadt. Die Kreisstadt Herzberg (Elster), Heimatkundliche Materialsammlung Nr. 2, (1974).

Herzberg (Kreis Osterode) (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 189. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 192.

Die Nikolaikirche stammt „wahrscheinlich aus dem Mittelalter“.

Hildburghausen (Thüringen) DSB Mitte, S. 311. Hist. Stätten Thüringen, S. 199.

Die Stadtpfarrkirche ist dem hl. Laurentius geweiht. Die außerhalb der Stadt gelegene St. Niklaskirche wird 1497 erstmals erwähnt. Sie lag beim Siech- oder Seelenhaus unterhalb der Stadt, wo die Straße nach Römhild die Werra überschreitet. Zwischen ihr und der Werrabrücke befand sich ein steinerner Steg, für dessen Unterhaltung die „Heiligen Meister“ zu sorgen hatten (1497 und 1505 bezeugt). Um 1700 ist die Nikolaikirche eingegangen. J. W. Krauss, Beyträge zur Erläuterung der Hochfürstl. Sachsen-Hildburghäusischen Kirchen-, Schulund Landes-Historie. 2. Teil, Hildburghausen (1752), S. 163 f. R. A. Human, Chronik der Stadt Hildburghausen. Hildburghausen (1886), S. 382.

Hildesheim (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 195. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 194.

Als Teil der durchgehenden Ost-West-Straße, die als Dammstraße das Auengelände der Innerste überquert, geht der Bergsteinweg vom Dammtor nach Westen. Die erste Querstraße ist die Nikolaistraße, die allerdings nicht mit der Nikolaikirche in einem baulichen

146

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Zusammenhang stand. Diese lag vielmehr im Süden der ummauerten Stadt unmittelbar neben der Godehardikirche am Mühlengraben, wo der Stadtplan von 1769 die Nikolaikapelle und das Nikolaihospital vermerkt. Die Kirche befand sich in einem mit geistlichen Gebäuden reich angefüllten städtischen Raum, wo sie sich neben den zumeist älteren Einrichtungen noch einen Platz hatte suchen müssen. Dieser Befund lässt für die Nikolaikirche auf eine Personalgemeinde schließen, die abseits von der territorialen Kirchenordnung stand. Diese Annahme wird dadurch unterstrichen, dass es innerhalb der Stadt einen selbständigen Nikolai-Archidiakonat gab. J. Gebauer, Geschichte der Stadt Hildesheim, Hildesheim und Leipzig, (1922), Bd. 1, S. 78, mit Plan der Stadt von 1769 als Anlage zu Bd. 2.

Hof (Bayern) DSB Bayern 1, S. 270. Hist. Stätten Bayern, S. 184.

Südlich der ummauerten Stadt liegt im Zuge der Durchgangsstraße der Stadtteil Altstadt mit einer Lorenzkirche und einer Marienkirche, die anstelle einer ehemaligen Nikolaikirche steht. Die 1257 genannte Nikolaikirche besaß einen eigenen Kirchhof, war folglich eine kirchenrechtlich voll anerkannte Pfarrkirche. Sie wurde 1553 abgerissen, nachdem noch 1537 bei ihr das Hospital für die Franzosenkranken errichtet worden war. Sie lag am Ende der als Breite Gasse bezeichneten Marktstraße. Die 1109 als forum genannte Altstadt bildete bis 1797 eine eigene Gemeinde. In ihrem Bereich kreuzte die West-Ost-Straße von Kulmbach nach Asch die Nord-Süd-Straße und fand auch in ihrer Nähe den Saaleübergang. Julius Erdmann und Christoph Dietsch, Die christlichen Weihestätten in und bei der Stadt Hof. Geschichtliche Darstellung der allda befindlichen Kirchen, Kapellen und Friedhöfe. Hof (1856). Ernst Dietlein, Chronik der Stadt Hof. Darin: Bd. 5, Baugeschichte. Hof (1957), S. 7 ff. mit Stadtplan.

Hohenleuben (Thüringen) DSB Mitte, S. 314. Hist. Stätten Thüringen, S. 203.

Die Nikolaikapelle am Südrande der Stadt gilt als die älteste Kirche, der erst später die heutige Pfarrkirche folgte. Das Städtchen ist aus einem Dorf und dem um Kirche und Schloss gruppierten oberen Teil zusammengewachsen.

Holbaek (Dänemark, Seeland) Hist. Stätten Dänemark, S. 81.

In dieser Stadt wurde im 13. Jahrhundert eine dem hl. Nikolaus geweihte Kirche erbaut. Nach der Reformation wurde sie wegen Baufälligkeit abgerissen.

2. Ortsartikel

147

Homberg a.d. Efze (Hessen) DSB Hessen, S. 257. Hist. Stätten Hessen, S. 222.

Neben der Marienkirche in der Altstadt besteht der Nikolaifriedhof.

Hotzenplotz/Osoblaha (Tschech. Republik, Mähren) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 203. Kuãa 4, S. 757.

Die Nikolaikirche an einer Furt außerhalb der Stadt dient heute als Friedhofskirche am nördlichen Ausgang des Stadtgebietes.

Höxter (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 190. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 302.

Die Stadt entstand an der Kreuzung des Hellweges mit der Bremer Straße. Die älteste Pfarrkirche war St. Kilian im Altstadtkern. Die als Burkerk überlieferte Nikolaikirche wurde bei der Stadtummauerung im 13. Jahrhundert mit ihrer Nordseite in die Stadtmauer einbezogen, ihr Turm diente als Torturm. 1766 wurde sie abgerissen und durch eine neue Nikolaikirche an der durchgehenden Nord-Süd-Straße ersetzt, die als „Nikolaistraße“ mit der einstigen Kaufmannssiedlung gleichzusetzen ist. Historisch-Landeskundliche Exkursionskarte von Niedersachsen. Blatt Höxter, hg. von Gerhard Streich, Bielfeld (1996), S. 105 f.

Humpoletz/Humpolec (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 212. Rokyta 1, S. 99. Kuãa 2, S. 349.

Die als Kommende des Deutschen Ritterordens 1233 erwähnte städtische Siedlung lag an einem alten Fernweg von Prag nach Iglau. Damals wurde die Nikolaikapelle zur Pfarrkirche erhoben.

Innsbruck (Österreich, Tirol) ÖSB Tirol, S. 76, mit Stadtplan im Anhang. Hist. Stätten Österreich 2, Alpenländer, S. 455.

Der Ort war seit jeher ein bedeutender Übergang des deutschen Weges nach Italien über den Brenner. Die Grafen von Andechs verlegten nach der Zerstörung ihrer Burg Amras

148

II. Analytische Ortsbeschreibungen

1133 ihre Macht auf die linke Seite des Inntals und legten hier eine neue Marktsiedlung an. Der neue Name tritt erstmals im Traditionsrezess 1167/83 auf, er setzt die Erbauung der Brücke wenige Jahre zuvor voraus. 1180 erwarb Berchtold V. von Andechs vom Kloster Wilten den Grund zur Anlage der heutigen Altstadt. Nach dem Bau der Brücke wurde die Siedlung links des Flusses in Obere und Untere Innbrucken geteilt. Der Markt sank nach der Gründung der Stadt auf der rechten Seite des Flusses in die Rolle einer Vorstadt ab, die von Tagewerkern und Handwerkern bewohnt wurde. Die Untere Anbruggen und die Obere Anbruggen bildeten die St. Nikolaus-Gasse als Hauptstraße der Siedlung (= Innstraße), deren unterer Teil von der Brücke ab starken Durchgangsverkehr erlebte. Die mit etwa 50 Häusern bebaute Straße muss von Anfang an eine eigene Kirche besessen haben, da eine Siedlung mit etwa 250 Bewohnern ohne beständige geistliche Betreuung zu dieser Zeit nicht denkbar ist. Ein Leprosenhaus wird 1313 genannt, 1505 tritt die Sand Niclas Capellen in der Überlieferung auf. Die Nachricht aus dem Jahre 1502 über den Bau der Kirche im spätgotischen Stil kann sich nur auf einen Neubau anstelle des Vorgängerbaus beziehen. 1881 wurde sie abgerissen und danach durch einen Neubau ersetzt. Michael Forcher, Innsbruck in Geschichte und Gegenwart. Innsbruck (1973), mit Stadtplan, S. 144/ 145. St. Nikolaus und Mariahilf. Innsbrucks ältester Stadtteil. Die Stadtteile Innsbrucks, hg. vom Innsbrucker Stadtarchiv Bd. 2, Innsbruck (1986). Darin: Franz Heinz Hye, Die Geschichte von Innsbrucks ältestem Stadtteil – St. Nikolaus und Mariahilf – S. 14–51; Paul Spielmann, Die Pfarre St. Nikolaus, ebenda S. 52–85. Karlheinz Blaschke, Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Österreich. In: Stadt und Kirche. Hg. von Fr.-H. Hye (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 13), Linz/Donau (1995), S. 165– 175.

Interlaken (Schweiz) Die Kapelle in Unterseen ist zum Jahre 1352 bezeugt, sie gehörte zur Pfarrkirche in Goldswil. Zu ihr gehörte die Nikolaikirche in Interlaken, wo die beiden namengebenden Seen eine Landbrücke für den Fernverkehr offen lassen. Jan C. Remijn, Kirchengeschichte von Unterseen. Interlaken (1977).

Ischl, Bad (Oberösterreich) ÖSB Oberösterreich, S. 80. Hist. Stätten Österreich 1, Donauländer, S. 20.

Die Pfarrkirche zum hl Nikolaus ist seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar. Die Stadt ist in Folge ihrer Salzgewinnung wichtig.

2. Ortsartikel

149

Isny (Baden-Württemberg) DSB Baden-Württemberg, S.28. Hist. Stätten Baden-Württemberg, S. 315.

Die Nikolaikirche steht am Eintritt der durch die Stadt geführten Fernstraße von Lindau nach Leutkirch am Wassertor. DSA, Lieferung I, Nr. 5, hg. und bearb. von Heinz Stoob, Münster (1973).

Itzehoe (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 408. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 103.

Die Nikolaikapelle ist zum Jahre 1454 genannt.

Jaromûfi (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 228. Kuãa 2, S. 381.

Am Zusammenfluss von Elbe, Aupa und Mettau wurde eine 1126 erwähnte Burgstätte am Glatzer Pfad nach Innerböhmen angelegt. Ein im Jahre 1349 gegründetes Augustinerkloster wurde 1404 an die Nikolaikirche verlegt.

Jauer/Jawor (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 779; SB Schlesien, S. 180. Hist. Stätten Schlesien, S. 206.

Außer der Pfarrkirche St. Martin gab es eine 1349 vor dem Goldberger Tor erbaute Kapelle des hl. Nikolaus, die als Hospitalkirche diente, in Verfall geriet und 1788 abgerissen wurde. Die Vorstadt vor dem Goldberger Tor war die ansehnlichste und nach Form und Bauart gewissermaßen selbst eine kleine Stadt. Ch. F. E. Fischer, Geschichte und Beschreibung der schlesischen Fürstentumshauptstadt Jauer: Jauer (1803/4), I S. 99, II S. 341.

Jena (Thüringen) DSB Mitte, S. 316. (Abbildung 10, S. 65) Hist. Stätten Thüringen, S. 215. Atlas Saale, Blatt 37, Teilkarte II und S. 168 (mit Stadtplan).

Der Stadtgrundriss von Jena weist eine um das Jahr 1100 am Flussübergang über die Saale in typischer Bauweise angelegte Kaufmannssiedlung entlang des Steinweges zwi-

150

II. Analytische Ortsbeschreibungen

schen dem Saaltor und der Camsdorfer Brücke auf. Die Nikolaikirche stand auf der westlichen Seite des Steinweges an dessen Beginn an der Mühllache. In ihrer Nähe war 1319 ein städtisches Hospital, der sog. Brüderhof, errichtet worden. Er wurde von einer Stiftung des Brückenhofes versorgt. Die an der Lache gelegene Brückenmühle gehörte zur Brückenstiftung. Die Nikolaikirche (Kapelle) wurde 1423 genannt. Sie wurde 1564 vom Rat an die Universität verkauft und 1592 als Studentenhospital eingerichtet. 1784 wurde die Nikolaikirche nach Hochwasserschäden abgebrochen. Die Kaufmannssiedlung, die sich zwischen der Lache, einem natürlichen Arm der Saale, und der Camsdorfer Saalebrücke erstreckte, trug den Namen Hodelsdorf. Es war ein selbständiges Siedlungsgebiet, von dem aus sich die Rechtsstadt Jena entwickelte. Das führte in einem zweiten Ansatz zur Anlage der regelmäßig gebauten Stadt mit der im Jahre 1300 erstmals genannten Michaelskirche, die wohl aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts stammt. In ihr gab sich die neu zusammenwachsende Bürgergemeinde ihren Halt. Lexikon Städte und Wappen der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig (1979), S. 205; der dort angebotene Hinweis auf die Nikolaikapelle am Steinweg ist von der örtlichen Forschung nicht aufgenommen worden. Herbert Koch, Die Entstehung der Stadt Jena. In: Wiss. Zs. der Friedrich Schiller Universität Jena, Ges- und sprachwiss. Reihe, Jg. 3 (1953/54), H. 1, S. 43–55. Friedrich Möbius, nach Mitteldeutscher Heimatatlas, Erläuterungsheft, S. 168. Karlheinz Blaschke, Nikolaipatrozinium und städtische Frühgeschichte. In: ZRG Kanon. Abt., 84. Bd. (1967), S. 273 ff.; auch in: Ders., Stadtgrundriss und Stadtentwicklung. Ausgewählte Aufsätze hg. von Peter Johanek, Köln (1997), S. 20. Volker Leppin und Matthias Werner (Hg.), Inmitten der Stadt – St. Michael in Jena. Vergangenheit und Gegenwart einer Stadtkirche. Darin: Matthias Werner, Die Anfänge der Stadt Jena und die Stadtkirche St. Michael. Petersberg (2004), S. 9–60; ebenda: Enno Bünz, Klosterkirche – Bürgerkirche, S. 105–137.

Jessen (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 556. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 230.

In dem mit einem castrum versehenen Städtchen steht eine Nikolaikirche.

Jönköping (Schweden) Johansson, S. 4.

Außerhalb der mittelalterlichen Stadt ist an der Storgatan (Große Straße) zum Jahre 1358 eine Nikolaikirche genannt.

2. Ortsartikel

151

Judenburg (Steiermark) ÖSB Steiermark, 3. Teil. Hist. Stätten Österreich 2, Alpenländer, S. 83.

An einem Übergang über die Mur mit Burg und mercatus (1103) entwickelte sich die Stadt mit der 1148 genannten Stadtpfarrkirche St. Nikolaus. Der blühende Italienhandel förderte die weitere Entwicklung.

Jüterbog (Brandenburg) DSB Nordost, S. 556; DSB Brandenburg, S. 251. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 229.

Außer der Pfarrkirche St. Nikolai aus dem 12./13. Jahrhundert gab es in der Vorstadt auf dem Damm eine Marienkirche, die als Pfarrkirche um 1161 gegründet, 1173 vollendet und später in das Nonnenkloster einbezogen wurde. Sie stellt einen romanischen Backsteinbau dar. Die östlich der Stadt entstandene Neumarktsiedlung erhielt eine Jakobikirche.

Kahla (Thüringen) DSB Mitte, S. 320. Hist. Stätten Thüringen, S. 227.

Die seit 1227 nachweisbare Stadtkirche St. Margareta war Eigenkirche der Grafen von Orlamünde. Die planmäßige Stadtgründung ist zwischen 1287 und 1299 durch die Herren von Lobdeburg erfolgt. Außerhalb der Mauer lag unmittelbar neben der Saalebrücke an der Straße zur Stadt und Burg eine Nikolaikirche, die erstmals 1471 als Hospitalkapelle an der Breiten Gasse genannt wird. 1486 wurde sie neu gebaut, seit der Reformation war sie ihrem kirchlichen Zweck entfremdet. Seit 1588 diente sie als Begräbniskirche. Die Nikolaikirche, das Hospital und die 1369 genannte Brücke bildeten ein gemeinsames Stiftungsvermögen, das von zwei Brückenmeistern oder Brückenherren verwaltet wurde. Dieses Brückenamt und das Brückenärar waren von der allgemeinen Rats- und Kämmereiverwaltung unabhängig. 1561 wurde ein Brückenzoll für den Brückenbau und die Unterhaltung des Hospitals erhoben. Erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts strebte der Rat die Auflösung des Brücken-Sondervermögens an, die schließlich im Jahre 1848 zustande kam. Es wurde in einem Kapitalwert von 36 000 Talern zwischen der Stadt und der Kirchgemeinde geteilt. J. Löbe und E. Löbe, Geschichte der Kirchen und Schulen des Herzogtums Sachsen-Altenburg, S. 433, 435 und 453; Staatsarchiv Altenburg Repos. C I. V, Abt. 10, Nr. 1. Hans Patze, Recht und Verfassung thüringischer Städte, Weimar (1955), S. 113 ff. und 132 f., mit Stadtplan.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Kalbe an der Milde (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 449. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 232. Atlas Saale, Blatt 38, Teil I und S. 181 f.

An der Fernstraße von Gardelegen nach Salzwedel liegt die kleine langgestreckte Stadt 500 m von der Burg entfernt. Burg und Stadt sind räumlich deutlich voneinander geschieden. Der Ort wird 1324 als Stadt genannt. Die Kirche ist ein dem hl. Nikolaus geweihter romanischer Findlingsbau.

Kalisch/Kalisz (Polen) Baedeker Polen, S.453.

In der Altstadt steht die Nikolaikirche neben einer Marienkirche.

Kalkar (Nordrhein) DSB Rheinland, S. 227. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 526 (Altkalkar).

Neben der St. Pankratiuskirche in Altkalkar steht die St. Nikolaikirche als romanischer Bau aus der Zeit um 1250. Das südliche Seitenschiff wurde 1489–92 durch den Liebfrauenchor verlängert.

Kalmar (Schweden) Johansson, S. 5.

Die seit 1150 zu vermutende, 1278 genannte Nikolaikirche steht am Zugang zum Schloss.

Kaltennordheim (Thüringen) DSB Mitte, S. 322. Hist. Stätten Thüringen, S. 229.

Neben der Kirche St. Kiliani steht die Hauptkirche St. Nikolai, die 1597 mit einem Turm neu erbaut wurde.

Kampen (Niederlande) Die großartige Stadtkirche zum hl. Nikolaus wurde im 14. Jahrhundert als Neubau errichtet. Die Stadterweiterung um 1335 schuf eine Neustadt mit der Marienkirche. Diese Übereinstimmung in der zeitlichen Abfolge der Patrozinien wird zum Anlass für

2. Ortsartikel

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einen gründlichen, einleuchtenden und lehrreichen Vergleich mit der Entwicklung in Berlin genommen. Eine Karte über die Verbreitung des Nikolaus-Patroziniums im Bistum Utrecht enthält etwa 70 Orte. Leonhard Helten, Kathedralen für Bürger. Die St. Nikolauskirche in Kampen und der Wandel architektonischer Leitbilder städtischer Repräsentation im 14. Jahrhundert.

Kappeln (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 410. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 107.

Die Nikolaikapelle in Capell liegt an der Schlei, die 1357 bei ihrer ersten Erwähnung noch den Hauptverkehrsweg zwischen Nord- und Ostsee darstellte. Als „Dorf und Flecken“ tritt der Ort in der Überlieferung der frühen Neuzeit auf.

Kaschau/Ko‰ice (Slowakei) Die Stadtkirche kann ihr Patrozinium erst seit der Kanonisation der hl. Elisabeth im Jahre 1235 tragen. Zum Jahre 1230 wird sie als Nikolaikirche der alten Gemeinde Kaschau genannt. Sie war 1397 noch Filialkirche der Elisabethkirche. O. R. Halaga, Poãiatky Ko‰íc a zrod metropoly. (Anfänge der Stadt Kaschau.), Ko‰ice (1992).

Kaunas/Kowno (Litauen) Die Nikolaikirche wurde im 15. Jahrhundert zweifellos an Stelle eines älteren Vorgängerbaues im gotischen Stil erbaut. Kauno architectra turistame. Kaunas (2000), S. 6.

Kiel (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 412. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 111.

Die Nikolaikirche ist in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Anschluss an das Schloss gleichzeitig mit der Stadt erbaut worden.

Kiew (Ukraine) Am hohen Westufer des Dnjepr steht die Nikolaikirche. Lexikon der Kunst, Bd. 3 (1996), S. 732.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Køge (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 98.

Die Nikolaikirche ist seit dem 14. Jahrhundert nachzuweisen. Der Ort war am Ende des Mittelalters eine bedeutende Handelsstadt, wofür die Ausschmückung der Nikolaikirche Zeugnis ablegt. Die Marienkirche wurde im Jahre 1509 geweiht.

Kolberg/Ko∏obrzeg (Polen, Hinterpommern) DSB Nordost, S. 190; SB Hinterpommern, S. 118. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 220. Pommern, S. 233–235.

Der Ort war ein bedeutender Seehandelsplatz der westslawischen Pomoranen. Eine erste Niederlassung deutscher Kaufleute lag neben der herrschaftlichen Burg, die zugleich mit der Saline um 1100 als Handelszentrum und Fürstensitz eine ältere Nikolaikirche am Salzberg einschloss. Die 1254 bezeugte Nikolaikapelle wurde wohl in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts als Mittelpunkt der deutschen Kaufmannssiedlung erbaut. Als Kirche der Wendenstadt wurde um 1125 die Marienkirche gegründet. H. Bollnow, Burg und Stadt in Pommern bis zum Beginn der Kolonisationszeit. In: Baltische Studien, NF 38 (1936), S. 48–96. Ders., Die Anfänge des Städtewesens in Pommern. In: Conventus primus historicorum Balticorum, Riga (1938), S. 222–228, mit ausführlicher Bibliographie. Karlheinz Blaschke, Nikolaikirchen und Stadtentstehung im pommerschen Raum. In: GreifswaldStralsunder Jahrbuch, Bd. 9, 1970/71, Weimar (1970), S. 21–40; auch in: Stadtgrundriss und Stadtentwicklung. Ausgewählte Aufsätze von Karlheinz Blaschke (Städteforschung A 44), S. 225–244. Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11. Jahrhundert. Hg. von Jörg Jarmut und Peter Johanek (Städteforschung A 43) Köln (1998). Darin: Winfried Schich, Die pommersche Frühstadt im 11. und frühen 12. Jahrhundert am Beispiel von Kolberg, S. 273–304 (mit Lageplan).

Königsberg (Neumark)/Chojna (Polen, Brandenburg) DSB Nordost, S. 561. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 439.

Außer der Pfarrkirche St. Marien stand neben dem Vierradentor eine 1312 erwähnte, 1687 abgerissene Nikolaikapelle.

Königsberg/Kaliningrad (Rußland, ehem. Ostpreußen) DSB Nordost, S. 68. Hist. Stätten Ost- und Westpreußen, S. 101.

Nach der Eroberung des Gebietes durch den Deutschen Orden 1255 wurde eine Burg erbaut. Bereits vorher muss eine deutsche Kaufmannssiedlung entstanden sein, die sich außerhalb der späteren Stadtanlage zwischen der Burg und der 1326 als ecclesia parochialis sancti Nicolai genannten Kirche erstreckte. Auf ihre Existenz weist sicher schon

2. Ortsartikel

155

der 1358 bezeugte plebanus hin. Nach dem Preußenaufstand von 1262/63, dem die Siedlung zum Opfer fiel, entstand zwischen der Burg und dem Pregel die neue Stadt („Altstadt“) mit einer neuen Nikolaikirche. Die alte Nikolaikirche wurde nunmehr als Steindammer Kirche bezeichnet. Der Steindamm ist die Ausfallstraße nach Nordwesten. Quer zu ihm führt die Nikolaistraße auf die Steindammer Kirche. W. Franz, Geschichte der Stadt Königsberg. Königsberg (1934), S. 1 ff. und 63, mit VogelschauAnsicht S.161.

Königsee (Thüringen) DSB Mitte, S. 323. Hist. Stätten Thüringen, S. 539.

Die Nikolaikirche wurde während des Bruderkrieges 1455 zerstört.

Kopenhagen/København (Dänemark, Seeland) Hist. Stätten Dänemark, S. 103.

Im Schutze der königlichen Burg entstand im 12. Jahrhundert die Nikolaikirche neben der ältesten Kirche St. Clemens und der um 1200 genannten Frauenkirche.

Korbach (Hessen) DSB Hessen, S. 297. Hist. Stätten Hessen, S. 257.

Außer der Kilianskirche in der Altstadt wurde in der vor 1227 gegründeten Neustadt an der Fernstraße von Frankfurt nach Bremen die Nikolaikirche erbaut.

Körlin/Karlino (Polen, Hinterpommern) DSB Nordost, S. 186; SB Hinterpommern, S. 104. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 215.

Die Stadt mit der Nikolaikirche entstand an der Kreuzung der Heerstraße von Stettin nach Danzig mit der Straße von Neustettin nach Kolberg.

Korneuburg (Niederösterreich) ÖSB Niederösterreich 2, S. 133. Hist. Stätten Österreich 1, Donauländer, S. 360.

Im Jahre 1171 ist ein Pfarrer in der am linken Donauufer gelegenen Stadt bezeugt, 1195 war die Nikolaikirche im Bau, 1786 wurde sie abgerissen. Danach entstand die jetzige Pfarrkirche St. Aegidius. In der Neuzeit diente sie als Salzmagazin.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Köslin/Koszalin (Polen, Hinterpommern) DSB Nordost, S. 188; SB Hinterpommern, S. 107. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 217. Pommern, S. 235.

Die St. Nikolai-Kapelle stand vor dem Mühlentor.

Krakau/Kraków (Polen) Die alte polnische Königsstadt liegt im ostmitteleuropäischen Raum an einem Treffpunkt weitreichender Fernwege. Im Zuge des allgemeinen Aufbruchs der gesellschaftlichen Verhältnisse im frühen 12. Jahrhundert entstand an einer Kreuzung der Straßen von Kiew nach Regensburg mit einer Nord-Süd-Strecke von der Ostsee nach Ungarn ein Mittelpunkt des frühpolnischen Staates. Die etwa um 1100 entstandene Kaufmannssiedlung mit einer Nikolaikirche erstreckte sich entlang eines Straßenübergangs über die Weichsel. Unmittelbar im Anschluss daran wurde im 12. Jahrhundert die Rechtsstadt mit der Marienkirche nach streng regelmäßigem Schachbrettmuster angelegt. Im 14. Jahrhundert wurde Krakau Mitglied der Hanse. Der Schriftverkehr wurde bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts in deutscher Sprache geführt. Lexikon des Mittelalters, Bd. V, Sp. 1467, (1991).

Krappitz/Krapkowice (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 788; SB Schlesien, S. 201. Hist. Stätten Schlesien, S. 247. Dehio Polen: Schlesien, S. 488.

An der Straße von Oppeln nach Ratibor entstand die Stadt mit einer 1330 nachweisbaren Nikolaikirche.

Kremmen (Brandenburg) DSB Nordost, S. 565; DSB Brandenburg, S. 263. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 246.

Die spätgotische Hallenkirche St. Nikolaus stellt einen dreischiffigen Backsteinbau mit Granitquadern dar. Nach einem Brand 1680 wurde sie wieder hergestellt.

Kulmbach (Bayern) DSB Bayern 1, S. 316. Hist. Stätten Bayern, S. 357.

Die Nikolaikirche diente 1398 als Siechenhaus mit Kapelle. 1573/76 wurde sie neu aufgebaut und 1666 verlängert. Sie stand an der Spitalstraße. DSA, Lieferung IV, Nr. 9, hg. Heinz Stoob, bearb. von Friedrich Bernward Fahlbusch, Münster (1989).

2. Ortsartikel

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Kyritz (Brandenburg) DSB Nordost, S. 269; DSB Brandenburg, S. 267. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 248.

Die an der Straße von Berlin nach Hamburg gelegene, ursprünglich dem hl. Nikolaus geweihte Kirche mit einem Feldsteinsockel wurde durch einen Patrozinienwechsel zur Marienkirche. Lorenz Friedrich Beck, Die Prignitzstädte Perleberg, Pritzwalk, Kyritz und Havelberg und die Hanse. In: Jb. für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 52 (2006), S. 90.

Làd/Làdek (Polen) Bei dem an einem Wartheübergang um 1174 gestifteten Kloster entstand ein forum beati Nicolai. In dem dabei angelegten Klosterstädtchen Làdek war zur Zeit der Klostergründung schon eine Kaufmannssiedlung vorhanden. Codex diplomaticus Poloniae, Bd. 1, Nr. 290, zum Jahre 1213 (verfälscht) : ecclesia sancti Nicolai. Dzieje Ziemi S∏upeckiej, Poznaƒ (1960). Walter Kuhn, Die deutschsprachigen Städte in Schlesien und Polen. (1968), S. 110. Winfried Schich, Zur Rolle des Handels in der Wirtschaft der Zisterzienserklöster im nordöstlichen Mitteleuropa während der zweiten Hälfte des 12. und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. In: Zisterzienser-Studien IV, (1975), S. 133–168. Andrzej Marek Wyrwa, Procesy fundacyjne wielkopolskich klastorów cysterskich linii altenberskiej. Lekno. Làd. Obra. Poznaƒ (1995), S. 1–190.

Lähn/Wleƒ (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 791; SB Schlesien, S. 208. Hist. Stätten Schlesien, S. 260.

Die Stadtpfarrkirche St. Nikolai wird 1348 bezeugt.

Laibach/Ljubljana (Slowenien) (Abbildung 11, S. 67)

In einem starken Bogen des zur Drau führenden Ljubljanica-Flusses wurde im Anschluss an die Burg und eine ältere Marktsiedlung Stari Trg (Alter Markt) eine 1262 erstmals genannte straßenförmige Händlersiedlung mit Nikolaikirche angelegt, aus der sich bei der Alten Brücke die Stadt (mesto) zu der im Jahre 1243 überlieferten civitas entwickelte. Die Nikolaisiedlung wird von einer Breiten Straße (Mestni Trg = städtischer Markt) durchzogen. Am gegenüberliegenden Ufer des Flusses entstand vor 1267 die Rechtsstadt mit dem Neumarkt (Novi Trg) und der Kreuzkirche am Rande des ganzen Siedlungsbereiches.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Miha Kosi, Potujoãi Srednij vek. Cesta, popotuik in promet na Slovenskem med antiko in 16 stoletjem. (Straßen, Reisende und Verkehr in den slowenischen Ländern von der Antike bis zum 16. Jahrhundert.). Ljubljana (1998), S. 310–336. Ders., Stadtgründung und Stadtwerdung. Probleme und Beispiele aus dem slowenischen Raum. In: Pro civitate Austriae. Informationen zur Stadtgeschichtsforschung in Österreich, NF, Heft 4, (2009), S. 12–15 (mit farbigem Stadtplan zum 15. Jahrhundert).

Landsberg (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 572. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 263.

Die Stadtkirche der an der Fernstraße von Leipzig nach Magdeburg gelegenen Stadt ist dem hl. Nikolaus gewidmet.

Landshut (Bayern) DSB Bayern 2, S. 317. Hist. Stätten Bayern, S. 365.

Am Kreuzungspunkt einer im Isartal verlaufenden Altstraße mit einer Querverbindung zu den Flussübergängen im heutigen Stadtgebiet entstand eine kleine Siedlung, die in der Mitte des 15. Jahrhunderts als Vorstadt St. Nikola an einer Salzstraße überliefert ist. 1334 wird das Siechenhaus bei St. Nikola genannt. Es stand unter der Verwaltung durch einen vom Stadtrat bestimmten Pfleger. Die dreischiffige Hallenkirche St. Nikolaus wurde nach 1475 eingewölbt. Georg Spitzlberger, Kirchen der Stadtpfarrei „St. Nikola in Landshut“, München (1983) (Schnell, Kunstführer, Nr. 1382).

La Rochelle (Frankreich) Hachette, S. 1224.

An der Einfahrt zum Alten Hafen steht an der verengten Einfahrt der Turm St. Nicolas gegenüber dem Kettenturm. Beide zusammen dienten offenbar für eine Absperrung des Hafens.

Lauban/Lubaƒ (Polen, Oberlausitz) DSB Nordost, S. 797; SB Schlesien, S. 220. Hist. Stätten Schlesien, S. 270.

Älter als die Stadtkirche zur hl. Dreifaltigkeit war die Nikolaikirche außerhalb der Stadtmauer am Übergang der Hohen Straße über den Queis beim späteren Nikolaiplatz. Sie diente als Begräbniskirche, wurde 1606 durch einen Neubau ersetzt und 1715 endgül-

2. Ortsartikel

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tig abgetragen, während der Begräbnisplatz bis 1871 an dieser Stelle verblieb. Nikolaiund Dreifaltigkeitskirche gehörten immer zusammen und wurden von dem gleichen Priester versorgt. J. G. Gründer, Chronik der Stadt Lauban. Lauban (1846), 3. Abt., S. 8 f. P. Berkel, Geschichte der Stadt Lauban. (1896), S. 6 f.

Laufen (Bayern) DSB Bayern 2, S. 325. Hist. Stätten Bayern, S. 372.

Die um 1170 genannte Nikolaikirche bestand neben der ältesten Peterskirche in der Vorstadt Oberndorf. Sie wurde 1910 abgerissen.

Laun/Louny (Böhmen) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 319 f. Rokyta 1, S. 172.

Die von Prag kommende Fernstraße überquert hier die Eger, um sich in drei Stränge nach Chemnitz, Freiberg und Dresden zu teilen. An diesem Flussübergang wurde um 1250 die königliche Stadt wahrscheinlich von Einwanderern aus Sachsen angelegt. Die Widmung der Stadtkirche an den hl. Nikolaus macht die Anfänge der Stadtentwicklung im frühen 12. Jahrhundert wahrscheinlich.

Leba/¸eba (Polen) DSB Nordost, S. 199; SB Hinterpommern, S. 146. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 230.

Am rechten Ufer des ehemaligen Ausflusses der Leba in die Ostsee lag ursprünglich weiter östlich die noch erhaltene Ruine der Nikolaikirche 2 km von der heutigen Stadt entfernt. Die Nikolaikirche wird vor 1357 genannt.

Leipzig (Sachsen) DSB Mitte, S. 122. Hist. Stätten Sachsen, S. 178. Atlas Saale, Blatt 32, Teil II und S. 128–133.

Neben der älteren Peterskirche ist die Nikolaikirche als die Kirche des Rates und Hauptkirche der Stadt dem städtischen Gründungsvorgang des 12. Jahrhunderts zuzurechnen. Anders als die in der Nähe des Marktes gelegene Stadtkirche zu St. Thomas steht die Nikolaikirche außerhalb der ältesten Siedlungsteile 500 Meter von der alten Burg ent-

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

fernt, jedoch noch innerhalb der ummauerten Stadt. An ihr führt die Fernstraße nach Osten und in einiger Entfernung die dazu quer verlaufende alte Reichsstraße vorbei. Der Bereich der Nikolaikirche wird als die um 1160 angelegte Neustadt angesehen. 1213 wurde sie dem neu gegründeten Thomaskloster inkorporiert. Die heutige Nikolaistraße kann als die topographische Grundlage der Kaufmannssiedlung angesehen werden. Im Nienborgschen Atlas sind die Hausbreiten im Umfeld der Nikolaistraße schmäler als in den anderen Straßen, was auf eine ursprüngliche Bebauung in der Zeit der Kaufmannssiedlung zurückzuführen sein dürfte (Baublöcke zwischen Ritter- und Reichsstraße). Urkundenbuch der Stadt Leipzig, II, S. 2. Ernst Müller, Stadtbild, Topographie und Bevölkerung Leipzigs im Mittelalter. In: Leipziger Bautradition. Leipzig (1955), S. 16 f. Description über die Grund-Legung und in richtigen Abriß gebrachte berühmte Handels-Stadt Leipzig (1710), 12 [21] Blätter = Nienborgscher Atlas. Mit: Ernst Müller, Häuserbuch zum Nienborgschen Atlas, 177 Seiten, Leipzig (1996). Herbert Küas, Das alte Leipzig in archäologischer Sicht. Berlin (1976), S. 238–248. Friedemann Winkler, Leipzigs Anfänge. Bekanntes, Neues, offene Fragen. Beucha (1998). Gerhard Graf, Die Anfänge der Stadt Leipzig anhand ihrer Patrozinien. In: Leipziger Kalender (1999), S. 73–86.

Leisnig (Sachsen) DSB Mitte, S. 129. Hist. Stätten Sachsen, S. 198.

Unterhalb der 1046 genannten Reichsburg scheint es schon in salischer Zeit zur Bildung eines Suburbiums gekommen zu sein, dessen Lage um die Pankratiuskirche im Dorfe Tragnitz zu suchen ist. Das 1214 genannte oppidum novum ist der 3 km unterhalb der Burg gelegene Ort Altleisnig an der alten Muldenbrücke mit einer Nikolaikirche. Altleisnig besaß noch im 16. Jahrhundert stadtähnliche Rechte und eine von den normalen Dörfern abweichende Bevölkerungsstruktur. 1286 wird Altleisnig jedoch als vetus civitas bezeichnet, da inzwischen bei der Burgwardkirche St. Matthäi eine nova civitas ante castrum, die heutige Stadt Leisnig, angelegt worden war. Die Gründung der Stadt nach 1214 ist urkundlichem Zeugnis gemäß als eine Verlegung der Stadt angesehen worden (civitatem praedictam reponi .. in aliquem alium locum) und von der Fachliteratur als solche betrachtet worden. Die Pfarre Altleisnig hatte die Pflicht, die dortige Muldenbrücke zu unterhalten. Die Kirche ist im 19. Jahrhundert nach Hochwasserschäden abgerissen und an ihrer Stelle die neue Pfarrkirche Polditz erbaut worden. Walter Schlesinger, Die Anfänge der Stadt Chemnitz und anderer mitteldeutscher Städte. Weimar (1952), S. 176. Manfred Kobuch, Zur städtischen Siedlungsverlegung im Pleißenland. Der Fall Leisnig. In: AFD 35 (1992), S. 111–119.

2. Ortsartikel

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Lemberg/L’viv/Lwów (Ukraine) Die an der Handelsstraße vom Schwarzen Meer nach Krakau gelegene Stadt wird 1256 erstmals in der schriftlichen Überlieferung genannt. Neben der Burg der galizischen Fürsten befindet sich der Alte Markt (Staryj Rynok), an dessen Nordseite die St. Nikolauskirche steht. Sie hat sich unter den zahlreichen Kirchen der Stadt als Beispiel für altukrainische Architektur des 13. Jahrhunderts bis heute erhalten. Ihr in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erlangtes Stapelrecht machte sie zur Handelsmetropole zwischen West und Ost. Am Ende des 16. Jahrhunderts ist eine Bevölkerung von 17 000–20 000 Einwohnern anzunehmen. Die hier ansässigen Deutschen verfügten über eine rechtliche Selbstverwaltung und eigene Vögte nach deutschem Recht. Sie waren nicht der Gerichtsbarkeit des ruthenischen Hofes unterworfen. Die einheimischen Fürsten nannten die Stadt Lemburg. Die Lage der deutschen Siedlung in der Krakauer Vorstadt weist auf ihre Orientierung nach Westen hin. Die anfangs vorherrschende deutsche Sprache in den Stadtakten wurde durch Latein und im 17. Jahrhundert durch die polnische Sprache ersetzt. Predigten wurden auch in deutscher Sprache gehalten. Fernand Braudel, Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II. Frankfurt/ Main (1990), Bd. 1, S. 319. Lemberg – Lwów – Lviv. Eine Stadt im Schnittpunkt europäischer Kulturen. 2. Aufl., hg. von Peter Fässler, Thomas Held und Dirk Sawitzky, Köln, Wien (1995).

Lemgo (Westfalen) DSB Westfalen, S. 215. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 397. WSA 2, Nr. 8, hg. und bearb. von Heinz Stoob, Münster (1981). Dehio Nordrhein-Westf. 2, S. 544–546.

Die Stadt besteht aus einer Altstadt mit Nikolaikirche und einer parallel dazu angelegten Neustadt mit Marienkirche. Als Bauzeit der Nikolaikirche gilt das 12. Jahrhundert. Der Stadtplan der vereinigten Stadt zeigt die zeitliche Abfolge von Nikolai- und Marienkirche. Die Marienstadt als die jüngere ist an die ältere Nikolaistadt „angestrickt“, wie es die nachträgliche Wegeführung aus der älteren in die jüngere Teilstadt erkennen lässt (Weg an der Remke, Freihofstraße).

Lenzen (Brandenburg) DSB Nordost, S. 578; DSB Brandenburg, S. 282. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 259.

Den Kern der Stadtanlage bildet der Bezirk um die Pfarrkirche St. Katharinen, an den sich die Altstadt anschließt. Die Stadtkirche St. Nikolai wurde durch einen Patrozinienwechsel in St. Katharinen umgewidmet.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Libau/LiepÇja (Lettland) Balt. Hist. Ortslexikon 2, Lettland, S. 344.

Die Stadt ordnet sich in die Reihe der mit Nikolaikirchen versehenen Orte an der Südküste der Ostsee ein.

Lidköping (Schweden) Johansson, S. 8.

Die St. Nikolaikirche ist wahrscheinlich am Ende des 14. Jahrhunderts erbaut. Sie stand in einer Parallelstraße zum Fluss in dessen Nähe.

Liebenwerda (Brandenburg) DSB Mitte, S. 583; DSB Brandenburg, S. 13. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 279.

Die Stadtkirche ist dem hl. Nikolaus gewidmet.

Liegnitz/Legnica (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 807; SB Schlesien, S. 237; Schlesisches Städtebuch, S. 245. Hist. Stätten Schlesien, S. 283.

Die Benedicti-Kapelle im späteren Schloss wird 1149 genannt. Seit etwa 1175 war die Burg Sitz schlesischer Herzöge. Im Nienburger Fragment aus der Zeit um 1150 werden mercatus et ecclesia genannt. Die Stadt wurde nach dem Mongolensturm von 1241 gegründet. 1288 stiftete Herzog Heinrich V. ein Hospital in seiner Stadt Liegnitz und übereignete ihm die Nikolaikirche, die einem Zeugnis von 1314 zu Folge vor der Stadt in Richtung Haynau gelegen war, woran noch die Nikolaistraße erinnert. Die Kirche wurde 1634 abgebrochen. A. Zumwinkel, Die Stadt Liegnitz im Mittelalter. In: Mitt. des Geschichts- und Altertumsvereins für die Stadt und das Fürstentum Liegnitz, 2. Heft (1906/08), S. 48.

Lippstadt (Westfalen) DSB Nordrhein-Westfalen, S. 224. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 679–683. Dehio Nordrhein-Westf. 2, S. 582–583.

Am Schnittpunkt von Fernstraßen bildete sich um 1170 eine Kaufmannssiedlung mit dem Alten Markt und einer Nikolaikirche, die am Rande der später um die Marienkirche entstandenen Stadt blieb. Die Jakobikirche liegt im Südosten der Stadterweiterung.

2. Ortsartikel

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Liptau Sankt Nicolaus/Liptovsk˘ Svät˘ Mikulበ(Slowakei) Hudák, S. 187. Mezö, S. 321.

Zum Jahre 1314 wird ein Paulus sacerdos an der ecclesia sancti Nicolay genannt. Mon. Vat. Slovaciae 1, S. 51, Nr. 200.

Liverpool (Großbritannien) Baedeker Großbritannien, S. 362.

Die St. Nicholas-Kirche steht am Hafen an der Strand Street.

Lobenstein/Uvalno (Tschech. Republik, Mähren) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 344. Rokyta 2, S. 105.

Die Pfarrkirche St. Nikolaus stammt aus dem 13. Jahrhundert.

Löwenberg/Lwówek Âlàski (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 812; SB Schlesien, S. 242. Hist. Stätten Schlesien, S. 297.

Neben der Stadtpfarrkirche mit der Widmung Mariae Himmelfahrt und Johannis d.T. besitzt die an der Hohen Straße gelegene Stadt eine ältere Begräbniskirche St. Nikolai in der Goldberger Vorstadt am Bunzlauer Tor. Sie wurde um 1360 erbaut und 1640 zerstört.

Lübben (Niederlausitz) DSB Nordost, S. 587; DSB Brandenburg, S. 314. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 273.

Die Stadtpfarrkirche zu St. Nikolai ordnet sich in die lange Reihe der Kirchen dieses Patroziniums zwischen Leipzig und Frankfurt/Oder ein.

Lübbenau (Niederlausitz) DSB Nordost, S. 289; DSB Brandenburg, S. 319. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 275.

Die Stadtpfarrkirche ist dem hl. Nikolaus gewidmet.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Lübeck (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 418. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 125.

Graf Adolf II. von Schauenburg gründete 1143 die städtische Siedlung. 1153 wurde der Grundstein für den steinernen Dombau gelegt, der von Oldenburg/Holstein hierher übertragen und in Anwesenheit von Heinrich dem Löwen zu Ehren der Jungfrau Maria und Johannes des Täufers an Stelle des bisherigen Patroziniums des hl. Nikolaus geweiht wurde. Hierfür wurde die Nikolaikirche ausgebaut und 1163 als Dom geweiht. 1173 folgte die Grundsteinlegung für einen repräsentativen Neubau. Als Patrozinium diente weiterhin das in Oldenburg gültig gewesene des hl. Johannis des Täufers, zu dem jetzt Maria und später Blasius hinzutraten. Das Nikolaus-Patrozinium ist nur dadurch zu erklären, dass die schon bestehende Gemeindekirche St. Nikolai zum Dom ausgebaut wurde. Nur auf diese Weise ergab sich die Tatsache, dass im Süden der Stadt eine Parochie zum Dom gehörte. Dadurch beantworten sich zwei Fragen aus der Frühzeit der Lübecker Kirchenverfassung: Es ist nicht denkbar, dass im 12. Jahrhundert eine Lübecker Pfarrkirche kein Patrozinium besessen hätte, und bei der starken Verbreitung des Nikolaus-Patroziniums in den Ostseestädten wäre es ungewöhnlich gewesen, wenn dieses gerade in Lübeck gefehlt hätte. Hauptsitz der Nikolaus-Verehrung in Lübeck war der Dom dank der Reliquien und des Pfarrpatronats. Heinz Stoob, Schleswig – Lübeck – Wisby. In: Zs. des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, Bd. 59 (1979), S. 7–27. Max Hasse, Die Verehrung des heiligen Nicolaus in Lübeck. In: Ebenda 60 (1980), S. 198–205. Wolfgang Prange, Bistum Lübeck. In: Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation. Hg. von Erwin Gatz, Freiburg i.B. (2003), S. 363 f.

Lüben/Lubin (Polen) DSB Nordost, S. 814; SB Schlesien, S. 255. Hist. Stätten Schlesien, S. 305.

Neben der Pfarrkirche St. Marien besteht die Niklaskapelle vor dem Liegnitzer Tor.

Lublin/Lublin (Polen) An der Kreuzung der Fernwege von Krakau nach Litauen und von Breslau nach Kiew entstand zu Füßen der Burg an einem Flussübergang die Kaufmannssiedlung mit einer Nikolaikirche, deren Name Czwartek auf den Donnerstagmarkt hinweist. Ihre Hauptstraße Ulica Szeroka entspricht als Lehnübersetzung dem Breiten Weg in zahlreichen deutschen Kaufmannssiedlungen. Neben ihr wurde die Rechtsstadt angelegt, deren Stadtkirche der im Jahre 1235 heilig gesprochenen Elisabeth geweiht war. Henryk Samsonowicz, Handel Lublina na prze∏omie XV–XVI w. In: Przeglàd Historyczny, Tom LIX (1968), S. 614–626.

2. Ortsartikel

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Lublinitz/Lubliniec (Polen, Schlesien) Hist. Stätten Schlesien, S. 303. Dehio Polen: Schlesien, S. 574.

Die Stadt liegt mit ihrer Pfarrkirche St. Nikolai an der Handelsstraße von Breslau über Kreuzburg nach Krakau.

Luckau (Niederlausitz) DSB Nordost, S. 583; DSB Brandenburg, S. 297. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 269.

Die Stadtkirche der alten Hauptstadt der Niederlausitz war in erster Linie dem hl. Nikolaus gewidmet. Bei der jüngeren Widmung an Maria wurde das ursprüngliche Patrozinium beibehalten.

Lund (Schweden) Johansson, S. 9.

Die um 1200 vermutete Erbauung der Nikolaikirche fand sehr nahe am Dom in einer dicht bebauten Sakrallandschaft statt.

Lüneburg (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 230. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 265.

An der Straße von Lübeck nach Braunschweig nahm die Salinenstadt eine hervorragende Stellung ein, was sowohl auf den Fernhandel, als auch vor allem auf die Salzsiederei zurückzuführen ist. Die Deutung der Nikolaikirche als Schifferkirche ist wohl unzureichend, denn ihre Lage an einer der großen Fernhandelsstraßen springt beim Blick auf den Stadtplan ins Auge und erfordert eine inhaltliche Deutung. Die in der Fachliteratur angegebene Bauzeit der Nikolaikirche ab 1409 kann sich nur auf einen Neubau, nicht aber auf die Anfänge beziehen, die aus Gründen der Analogie in das 12. Jahrhundert zu setzen sind. Es ist undenkbar, in einer so stark auf den Fernhandel eingestellten Stadt die Kirche der Fernhändler erst in das 15. Jahrhundert einzuordnen. DSA, Lieferung V, Nr. 3 (1993), hg. von Heinz Stoob, bearb. von Uta Reinhardt.

Lüttich/Líège (Belgien) In einer von mehreren Armen der Maas geprägten Landschaft steht südöstlich vor der ummauerten Stadt unter 12 Pfarrkirchen am anderen Ufer die Nikolaikirche, deren Name Saint- Nicolas – aux – Mouches auf die Feuchtigkeit der Gegend hinweist. Die

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Kirche liegt an der vom Markt über den Ortsteil Outre Meuse nach Aachen führenden Fernstraße. Erich Herzog, Die ottonische Stadt. Berlin (1964), S. 232 (mit Lageskizze der Stadt im 11. Jahrhundert).

Luxemburg (Luxembourg) Die Nikolaikirche stand an der Straße zur Burg auf dem Wege aus dem Tal durch die Altstadt. Sie wurde gegen 1770 wegen Baufälligkeit abgerissen. Auf dem Stadtplan von 1741 ist sie nicht mehr dargestellt. Die frühere Jesuitenkirche wurde unter dem neuen Titel „Pfarrkirche St. Nikolaus und St. Theresia“ im Jahre 1778 zur Stadtpfarrkirche erhoben. Sie trat die Nachfolge der aus dem 12. Jahrhundert stammenden abgebrochenen St. Nikolauskirche am „Neuen Markt“ an. Plan de Luxembourg, par le S. Jaillot, Geographe ord. du Roy, (1741). Michel Schmidt, Die Kathedrale Unserer Lieben Frau von Luxemburg. (1980).

Magdeburg (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 552. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 288. Atlas Saale, Blatt 29 und S. 107–118. Berichtigung: Die Nikolaikirche steht östlich am Breiten Weg.

Am Breiten Weg, der durch die Stadt führende große Nord-Süd-Fernstraße, lag im Bereich der Domburg eine Nikolaikirche, deren verfassungstopographische Stellung innerhalb der sehr großräumigen, mit vielen Kirchen ausgestatteten mittelalterlichen Stadt im Vergleich mit dem Typus klar herausgearbeitet werden kann. Die städtische Entwicklung hat hier besonders früh eingesetzt und bereits in ottonischer Zeit eine Stadt und eine Kaufmannskirche hervorgebracht, als welche die Johanniskirche am Markt angesehen wird. Berent Schwineköper, Die Anfänge Magdeburgs. In: Studien zu den Anfängen des europäischen Städtewesens. Vorträge und Forschungen VI, Lindau und Konstanz (1958), S. 389 ff.

Marktschorgast (Bayern) Hist. Stätten Bayern, S. 406.

Die Nikolaikirche wurde 1109 am Nordostende des Marktes erbaut. Er umfasste als Breite Straße 29 plus 20 Hausstellen und ist auf dem Entwicklungsstand der Kaufmannssiedlung stehen geblieben. Die Katasterkarte aus dem 19. Jahrhundert zeigt noch den urtümlichen Zustand der Kaufmannssiedlung. Katasterkarte im Landesvermessungsamt München.

2. Ortsartikel

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Marsberg (Westfalen) DSB Westfalen, S. 268. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 705–06, „Marsberg“. WSA 2, 10, hg. und bearb. von Heinz Stoob, Münster (1981). Dehio Nordrhein-Westf. 2, S. 631–634.

Die aus dem 12. Jahrhundert stammende Nikolaikapelle wird 1231 erwähnt. Neben Marsberg wurde die neue Stadt um 1220 als Niedermarsberg angelegt.

Marseille (Frankreich) Hachette, S. 1050.

An der Einfahrt zum Alten Hafen befindet sich das Fort St. Nicolas, dessen Widmung an den hl. Nikolaus mit seiner Stellung als Schutzpatron der Fernhändler und Seefahrer in Verbindung gebracht werden kann.

Meaux (Frankreich) Hachette, S. 641.

An der von Paris nach Osten führenden Fernstraße steht nördlich einer starken Flussschlinge der Marne die Kathedrale, zu der im Vorfeld der Altstadt die Rue du Faubourg St. Nicolas führt. Die Nikolaikirche steht am Zugang zur Kathedrale.

Meißen (Sachsen) (Abbildung 12, S. 68) DSB Mitte, S. 150. Hist. Stätten Sachsen, S. 225 Atlas Saale, Blatt 38, Teilkarte IV und S. 188.

Bei der im Jahre 929 gegründeten Reichsburg entstand um das Jahr 1000 eine unter burggräflicher Botmäßigkeit stehende Marktsiedlung. Die zum Jahre 1150 überlieferte Bezeichnung civitas bezieht sich bereits auf die Rechtsstadt, in der die Frauenkirche 1205 bezeugt ist. Am anderen Ufer der Triebisch wird 1270 der straßenförmige Neumarkt genannt, an dessen Ende die Nikolaikirche liegt. Er ist jünger als die Jahrmarktsiedlung, woraus sich seine Name erklärt, und an den Anfang des 12. Jahrhunderts einzuordnen. Die Nikolaikirche war ursprünglich eine romanische Saalkirche, die heute noch ihrer Größe nach einer bescheidenen Dorfkirche entspricht. Sie war bis zur Reformation eine Pfarrkirche mit drei eingepfarrten Dörfern, während die Parochie der Frauenkirche auf die eigentliche Stadt beschränkt war. Die Gleichsetzung der Nikolaikirche mit der 984 genannten ecclesia extra urbem ist abzulehnen, da diese auf St. Afra zu beziehen ist.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Leo Bönhoff, Die Kirche zu St. Nikolai in Meißen. In: Mitt. des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen, VII (1909), S. 487 ff. Fritz Rauda, Meißen. Augsburg (1929), S. 48 ff. Walter Schlesinger, Die Entstehung der Stadt Chemnitz und anderer mitteldeutscher Städte. Weimar (1952), S. 179 ff.

Melsungen (Hessen) DSB Hessen, S. 329. Hist. Stätten Hessen, S. 302.

An der durchgehenden Fernstraße befinden sich in der Nähe der Furt die Untere und Obere Steingasse. In Zusammenhang mit der Entwicklung von der Kaufmannssiedlung zur Stadt erlebte die Nikolaikirche den Patrozinienwechsel zur Marienkirche.

Memel/Klaipòda (Litauen) Hist. Stätten Ost- und Westpreußen, S. 141.

Die am Rande der Altstadt erbaute Jakobskirche ist in Folge eines Patrozinienwechsels aus einer ursprünglichen Nikolaikirche hervorgegangen. Sie stand am Steindamm und ist in die lange Reihe der an der südlichen Ostseeküste erbauten Nikolaikirchen einzuordnen.

Meran/Merano (Italien, Südtirol) Hist. Stätten Österreich 2, Alpenländer, S. 536.

Neben einer älteren Siedlung Steinach wurde die Stadt als jüngere Marktsiedlung angelegt, 1239 als forum, 1278 als civitas bezeichnet. Die Pfarrkirche St. Nikolaus ist 1263/66 urkundlich bezeugt. Franz-Heinz Hye, Tiroler Städte an Etsch und Eisack. Linz (1982), S. 44–49, (mit Stadtplan).

Merseburg (Sachsen-Anhalt) (Abbildung 13, S. 69) DSB Mitte, S. 606. Hist. Stätten Sachsen-Anhalt, S. 323. Atlas Saale, Blatt 37, Teilkarte III und S. 172–176.

In der langen Reihe von Nikolaikirchen entlang der Saale von Halle bis Hof würde sich bei oberflächlicher Betrachtung in Merseburg eine Fehlstelle ergeben. Sie lässt sich schließen, indem mit überzeugenden Nachweisen aus der allgemeinen und der örtlichen Kirchengeschichte der Pfarrkirche St. Thomas der Vorstadt Neumarkt das ursprüng-

2. Ortsartikel

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liche Nikolaus-Patrozinium zugewiesen wird, das erst nach einem Patrozinienwechsel zugunsten von Thomas aufgegeben wurde. Herbert Helbig, Untersuchungen über die Kirchenpatrozinien in Sachsen auf siedlungsgeschichtlicher Grundlage. Berlin (1940), Historische Studien, Heft 361, S. 153. Der Merseburger Neumarkt. Hg. von Peter Ramm, Merseburger Land-Beiträge zur Geschichte und Kultur des Kreises Merseburg, Heft 1/88 (1988).

Meseritz/Mi´dzyrzecz (Polen) DSB Nordost, S. 592. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 484.

Außer der Stadtkirche St. Johannis gab es früher noch eine Nikolai-Hospitalkirche an der von Frankfurt an der Oder heranführenden Straße.

Mewe/Gniew (Polen) Hist. Stätten Ost- und Westpreußen, S. 147.

Neben einer Burg des Deutschen Ordens über dem westlichen Ufer der Weichsel wurde zu Anfang des 14. Jahrhunderts die Nikolaikirche errichtet.

Minsk (Weißrussland) Touristen-Prospekt „The Capital of Bela Rus“, S. 61–68, (2004).

Eine 1599 als Holzbau genannte, in gotischen und Renaissanceformen erbaute Nikolaikirche wurde 1605 durch einen Steinbau ersetzt.

Mir (Weißrussland) Touristen-Prospekt „The Capital of Bela Rus“, S. 69–70, (2004). Cities – Museums – Guide, Tourism & Leisure (2005).

Die zwischen Minsk und Grodno gelegene Stadt weist eine Nikolaikirche auf. Diese als Holzbau errichtete katholische St. Nikolauskirche wurde 1599 durch einen Steinbau ersetzt.

Mitau/Jelgava (Lettland) Balt. Hist. Ortslexikon 2, Lettland, S. 395.

Die Nikolaikirche fügt sich in die lückenlose Reihe der Städte mit Kirchen dieser Widmung an der südlichen Ostseeküste ein. Sie erhielt 1904 einen Neubau.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Möckern (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 612. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 332.

Neben der Stadtkirche St. Laurentius besteht am Westende der Magdeburgischen Vorstadt das Hospital St. Nikolai.

Mohilew/Mogiljow (Weißrussland) Das Nikolaikloster steht in der Nähe des Dnjepr und der Altstadt. Da es nie einen Nikolai-Mönchsorden gegeben hat, ist das Kloster auf eine ehemalige Nikolaikirche zurückzuführen. (Vergleiche hierzu den entsprechenden Fall in Wien.) Evelyn Scheer, Weißrussland entdecken, 4. Aufl., Berlin, (2004), S. 288, mit Abb. des Nikolaiklosters.

Mölln (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 428. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 141.

Die Stadtkirche St. Nikolai ist im zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts fertiggestellt worden.

Moringen (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 239. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 282.

Neben der Liebfrauenkirche bestand vor dem Einbecker Tor das verschwundene mittelalterliche Hospital St. Nikolai.

Mühldorf (Bayern) DSBBayern 2, S. 391. Hist. Stätten Bayern, S. 435.

Neben der im 10. Jahrhundert nachzuweisenden Siedlung Altenmühldorf in einer Innschleife entstand auf dem linken Hochufer über der Altstadt die neue Stadt mit der Nikolaikirche als wichtiger Flussübergang bei reger Schifffahrt.

Mühlhausen (Thüringen) DSB Mitte, S. 614. Hist. Stätten Thüringen, S. 289. Atlas Saale, Blatt 36, Teilkarte II und 157–162.

Wo die als Hessenweg bezeichnete Fernstraße von Erfurt nach Hessen die Unstrut überquert, entstand im 10./11. Jahrhundert bei dem Dorfe Altenmühlhausen eine Reichs-

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burg. Unmittelbar an der Fernstraße entwickelte sich um das Jahr 1000 die Marktsiedlung Altstadt mit der Blasiuskirche. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde von der Kaiserpfalz aus die Neustadt mit der Marienkirche gegründet. Westlich von der mit einer gemeinsamen Mauer umzogenen Alt- und Neustadt lag die Nikolaivorstadt, deren 1297 genannte Nikolaikirche an der durchgehenden Fernstraße errichtet war.

Müncheberg (Brandenburg) DSB Nordost, S. 598; DSB Brandenburg, S. 80. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 285.

Außer der Pfarrkirche St. Marien gab es vor dem Steintor die Nikolaikirche mit einem 1355 erwähnten Nikolaihospital. Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg VI, Teil 1, Berlin (1909), S. 207 (mit Stadtplan).

München (Bayern) DSB Bayern 2, S. 394. Hist. Stätten Bayern, S. 437, Stadtplan S. 451.

Die Stadt geht auf eine Kaufmannssiedlung aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zurück, zu der eine Nikolaikirche gehörte. Sie ist noch auf allen Münchener Stadtplänen des 17./18. Jahrhunderts seit 1613 eingezeichnet. Sie lag zunächst an der Neuhauser Gasse, einem Teilstück der von Salzburg nach Augsburg führenden Salzstraße. Nach 1329 wurde sie als kleine dreischiffige gotische Basilika wenige Dutzend Meter weiter nördlich neu errichtet und blieb damit dem Standort der einstigen Kaufmannssiedlung verbunden, der westlich der Münchener Stadterweiterung von 1260/1300 anzunehmen ist. Die Kaufmannssiedlung lehnte sich an einen monastisch geprägten Siedlungskomplex an, der den Anziehungspunkt für die Entstehung einer ständigen Niederlassung fahrender Kaufleute bildete, von denen die klösterliche Siedlung mit Fernhandelsgütern versorgt und der einträgliche Salzhandel betrieben wurde. Dagegen stellte das in der Barbarossa-Urkunde von 1158 genannte welfische forum apud Munichen bereits die herrschaftliche Marktgründung dar. Heinrich der Löwe gründete also nicht um 1156 nach gewaltsamer Aufhebung der Isarbrücke bei Oberföhring und Verlegung der dortigen Markt-, Münz- und Zolleinrichtungen an einen neuen Standort die nur ihm unterstehende „Stadt“ München. Er knüpfte vielmehr an eine Kaufmannssiedlung an und zog deren kapitalkräftige Händlerschicht, die ihre Nikolaikirche aufgab und sie dem Patronat des künftigen Stadtherrn überließ, zum Aufbau einer in der marktrechtlichen Entwicklungsphase befindlichen Frühstadt heran, aus der München als Rechtsstadt hervorging. – An der Stelle der ursprünglichen Stelle der Nikolaikirche wurde nach 1600 das Kloster der Karmelitinnen eingerichtet. Manfred Kobuch

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Münzenberg (Hessen) DSB Hessen, darin nicht genannt. Hist. Stätten Hessen, S. 308.

Die Reichsministerialenburg lag an einer von Gelnhausen und Frankfurt nach Lich und Arnsburg führenden Straße. An der geradeswegs nach Norden gerichteten, hier als Steinweg bezeichneten Straße entstand eine aus etwa 20 Häusern bestehende Kaufmannssiedlung mit einer Nikolaikirche. Im freien Raum bis zur Burg wurde die 1244 genannte Stadt angelegt. Die Steinweger Vorstädte blieben außerhalb der Stadtmauer, waren aber in den von Haingräben umgebenen städtischen Raum einbezogen.

Mureck (Steiermark) ÖSB Steiermark 4. Teil M–Z. Hist. Stätten Österreich 2, Alpenländer, S. 106.

Am Schnittpunkt zweier Handelswege mit Floß- und Schiffsverkehr auf der Mur wurde die Stadt mit der Bartholomäuskirche erbaut. Die Nikolaikapelle am Nikolaiplatz ist zum Jahre 1419 urkundlich nachgewiesen.

Murnau (Bayern) BSB, Teil 2, S. 445. Hist. Stätten Bayern, S. 789.

Die Pfarrkirche St. Nikolaus liegt an der alten Römerstraße von Garmisch nach München. Die cives von Murnau werden 1240 neben anderen Städten genannt. Der Straßenmarkt ist ein Abschnitt der Fernstraße.

Nabburg (Bayern) (Abbildung 14, S. 70) DSB Bayern 2, S. 448. Hist. Stätten Bayern, S. 462.

Die heute aufgelassene Kirche der Kaufmannssiedlung in der Vorstadt Venedig ist eine Nikolaikirche. Dieser Stadtteil liegt gegenüber der Rechtsstadt am anderen Ufer der Naab. Die Ortsbezeichnung wird entweder von ihrer Lage am Wasser oder von den Beziehungen der hier ansässigen Fernhändler abgeleitet. Der als romanische Hallenkirche erkennbare stattliche Baukörper war mit drei Schiffen und mit zwei noch im Jahre 1796 abgebildeten Türmen versehen. Sie wurde nach vorrübergehendem Abbruch wieder hergestellt und wird für Gottesdienste und als Kriegergedächtnisstätte genutzt. Unter dem Fußboden wurden die Grundmauern eines älteren, etwas kleineren Kirchenbaus gefunden. Mittelpunkt der Kaufmannssiedlung war die Nicolai-Gasse bei der Nikolaikirche. In ihrer Nähe führt eine Brücke über die Naab.

2. Ortsartikel

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Walter Haas, Das Nikolauskirchlein in Nabburg-Venedig. In: Oberpfälzer Heimat 13 (1969), S. 63–77. Heribert Sturm, Zur Nikolauskirche in Nabburg. In: Ebenda 15 (1971), S. 67–72. Ulrike Staudinger, Katholische Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer in Nabburg. München (1983). Darin: Katholische Kirche St. Nikolaus in Nabburg, Stadtteil Venedig, S. 12–15. In: Die Kunstdenkmale von Oberpfalz und Regensburg. XVII. Bezirksamt Nabburg. München, Wien (1983).

Nantes (Frankreich) Hachette, S. 411.

Die Kirche St. Nicolas steht am Rande der Stadtmitte in bester Verkehrslage.

Nauen (Brandenburg) DSB Nordost, S. 600; DSB Brandenburg, S. 357. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 286.

Außer der Pfarrkirche St. Jakobi gab es vor dem nach Norden führenden Dammtor eine 1352 errichtete Nikolaikirche. Von ihr sind keine Spuren mehr vorhanden. Die Durchgangsstraße von der Breiten Straße zur Dammstraße lässt auf eine ehemalige Kaufmannssiedlung schließen. E. G. Bardey, Geschichte von Nauen und Osthavelland. Rathenow (1892), S. 75 (mit Stadtplan im Anhang).

Naumburg (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 617. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 341. Atlas Saale, Blatt 37, Teilkarte IV und S. 177–180.

Die starken geistlichen und herrschaftlichen Bewegungen, die sich seit dem Beginn des zweiten Jahrtausends um Naumburg ereigneten, bezogen auch die eng in den allgemeinen Aufbruch verflochtenen Kräfte ein, die sich unter dem Namen des hl. Nikolaus zusammenfassen lassen. Die von ihm ausgegangenen Wirkungen haben auch den Naumburger Dom beeinflusst. Die im Jahre 1975 noch als ungeklärt angesehene Lage der ehemaligen Kaufmannssiedlung kann nunmehr über eine bloße Vermutung hinaus beantwortet werden, denn mit dem Steinweg innerhalb der ummauerten Domfreiheit ist ein untrügliches „Markenzeichen“ der Kaufmannssiedlung des frühen 12. Jahrhunderts zu erkennen. Er führt aus dem Herrentor der Stadtanlage geradeswegs zum Kreuzgang des Domes, der in seinem südwestlichen Teil eine auffallende Schieflage des sonst ganz regelmäßig gestalteten Bauwerkes zeigt. Sie kann nur dadurch entstanden sein, dass beim Bau auf ein älteres, bereits bestehendes Bauwerk Rücksicht genommen wurde. Dabei kann es sich nur um die Nikolaikirche der Kaufmannssiedlung handeln, die an dieser Stelle auch später noch im gesamten Baukörper des Domes angegeben wird. Am Ostflügel des Kreuzganges eines frühromanischen Vorgängerbaues steht schräg in den Kreuz-

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

gang eingebaut eine Nikolaus- und Dreikönigskapelle als älteste Bischofskapelle, die nicht in den ursprünglichen Bauplan gehören kann, sondern nachträglich in den jüngeren Bau einbezogen worden ist. Die Nikolaikapelle fällt mit ihrer schrägen Lage im Grundriss des Domes als unregelmäßiger Baukörper auf. Gerhard Leopold und Ernst Schubert, Zur Baugeschichte des Naumburger Westchores. In: Kunst des Mittelalters in Sachsen. Weimar (1967), S. 97–106. Gerhard Leopold und Ernst Schubert, Die frühromanischen Vorgängerbauten des Naumburger Domes. Berlin 1972 (Corpus der Romanischen Kunst im sächsisch-thüringischen Gebiet, Reihe A, Bd. IV), S. 20–23. Heinz Wießner, Die Anfänge der Stadt Naumburg an der Saale und ihre Entwicklung im Mittelalter. Bll Dt LdG 127 (1991), S. 115–143. Gerhard Streich, Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters. Teil II, Siegmaringen (1984), S. 239 f.

Neiße/Nysa (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 824; SB Schlesien, S. 277. Hist. Stätten Schlesien, S. 331.

In der Stadt steht die Hauptkirche St. Jakobi. Vor dem Zolltor lag die Nikolaivorstadt, die durch das Nikolaitor nach außen hin abgeschlossen wurde. Sie geht auf einen Rastplatz für Kaufleute am Übergang der Fernstraße über die Biele zurück, der 1226 als locus antiquus erscheint, 1237 einen scultetus Peter hat und 1285 als antiqua civitas genannt wird. 1325 sind eigene Schöffen nachzuweisen, bis 1628 gab es einen eigenen Bürgermeister. Die Häuser dieser Altstadt sind dorfartig an der Straße aufgereiht, durch welche der Hauptverkehr hindurchging. Der topographische Befund lässt eine ehemalige Kaufmannssiedlung vermuten. Die hier erbaute Nikolaikirche war die erste Pfarrkirche der Stadt und lange noch die Parochialkirche der Neustadt, die vor 1223 angelegt wurde. Die 1381 genannte Nikolaikirche wurde 1741 zerstört. G. Schoenaich, Die alte Bischofsstadt Neiße. Oppeln (1935), S. 3 f.

Neubukow (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 310. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 71.

Die 1343 genannte Stadtkirche war vermutlich der hl. Maria und dem hl. Nikolaus geweiht. Sie stammt aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Neufchâteau (Frankreich) Hachette, S. 763.

Die Kirche St. Nicolas aus dem 12./13. Jahrhundert steht auf dem Hügel, auf dem früher das Schloss der Herzöge von Lothringen stand.

2. Ortsartikel

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Neukirchen (Hessen) DSB Hessen, S. 343. Hist. Stätten Hessen, S. 315.

Der Ort wird 1142 genannt. Er gehörte zur Mutterkirche Ottrau, wird 1340 noch als Dorf bezeichnet und wenig später zur Stadt erhoben, obwohl schon 1308 Bürgermeister und Bürger ausgewiesen werden. Auf dem Markt steht die ins 12. Jahrhundert zurückreichende Nikolaikirche. Die im Jahre 1360 genannte Stadt mit der um 1140 erbauten Stadtkirche St. Nikolai erstreckte sich zwischen dem Treysaer Tor im Norden und dem Hersfelder Tor im Süden.

Neumarkt/Âroda Âlaska (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 827; SB Schlesien, S. 283. Hist. Stätten Schlesien, S. 342.

Die Straße von Stettin nach Breslau bildet hier ein Straßenkreuz mit der Hohen Straße (Via Regia). Die Stadtpfarrkirche ist dem hl. Andreas geweiht. In der Liegnitzer Vorstadt lag die 1253 bezeugte Hospitalkirche St. Nikolaus, die 1633 zerstört und 1756 gänzlich abgetragen wurde. Das 1407 zuerst genannte Hospital lag an der Nordseite der Straße vor dem Liegnitzer Tor. Es hat sich bis ins 20. Jahrhundert erhalten. P. Kindler, Geschichte der Stadt Neumarkt, zwei Bände, Breslau (1903–07), I, S. 108 ff.; II, S. 157 und S. 253.

Neumarkt bei Bozen/Egna (Italien, Südtirol) Hist. Stätten Österreich 2, Alpenländer, S. 542.

Bischof Konrad von Trient legte 1189 an der Etsch einen Markt an, wo die Flöße gebunden wurden. Dieser Platz wurde 1222 bergwärts verlegt, an dem ein burgum novum entstand. Seit dem 14. Jahrhundert ist die Brücke über die Etsch bezeugt. Die prächtige gotische Kirche ist dem hl. Nikolaus geweiht.

Neuötting (Bayern) DSB Bayern 2, S. 475. Hist. Stätten Bayern, S. 481.

Während der im Jahre 748 genannte Ort Altötting 3 km vom Inn entfernt lag, wo 1228/31 ein Chorherrenstift gegründet wurde, entstand 1231 die als forum novum erwähnte Stadt Neuötting 2 km vom Innübergang entfernt. Sie war ein Umschlagsplatz für Salz und Getreide mit einer Pfarrkirche St. Nikolaus.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Neurode im Eulengebirge/Nowa Ruda (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 830. Hist. Stätten Schlesien, S. 848. Dehio Polen: Schlesien, S. 658.

Die Stadt ist 1336 nachweisbar und wird 1352 als Städtchen bezeugt. Die Stadtpfarrkirche St. Nikolaus wird 1515 erwähnt.

Neuruppin (Brandenburg) DSB Nordost, S. 603. DSB Brandenburg, S. 364. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 294.

Außer der Pfarrkirche St. Marien gab es eine Nikolaikirche, die einen romanischen Bau des 13. Jahrhunderts mit einem rechteckigen Wehrturm darstellte und am Südwestende des breiten, die Mittelachse der Stadt bildenden Steinweges dicht an der Innenseite der Stadtmauer stand. Sie war zur Reformationszeit schon verwüstet, verfiel danach noch mehr, brannte 1560 ab und wurde 1699 als neue Reformierte Kirche wieder aufgebaut. Diese zweite Kirche verschwand in Folge des Stadtbrandes von 1787 völlig. 1501 wurde die gotische Hallenkirche St. Marien aus dem 13./14. Jahrhundert vollendet.

Neusiedl am See (Österreich, Burgenland) ÖSB Burgenland, S. 122. Hist. Stätten Österreich 1, Donauländer, S. 750.

Die Pfarrkirche ist den Heiligen Nikolaus und Gallus geweiht, ein Pfarrer ist zum Jahre 1313 bezeugt. Die ursprünglich romanische Kirche wurde 1460–64 durch eine spätgotische ersetzt.

Neustadt an der Donau (Bayern) DSB Bayern 2, S. 477. Hist. Stätten Bayern, S. 484.

Die Friedhofskapelle St. Nikolaus an der Uferstraße war mit dem Spital verbunden. Karl Bosl, Alt(en)stadt und Neustadt als Typen in Bayern. In: Civitatum Communitas I, S. 177, Köln, (1984).

2. Ortsartikel

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Neustadt an der Orla (Thüringen) DSB Mitte, S. 340. Hist. Stätten Thüringen, S. 301.

Vor der Stadtmauer führte die Nikolas-Brücke die Straße nach Stadtroda über den Fluss. Eine Nikolaikirche ist nicht ausdrücklich bezeugt. Der Name der Brücke setzt jedoch zwingend eine Nikolaikirche voraus. Hauptstaatsarchiv Dresden, Grundriss der Stadt Neustadt an der Orla (1797). Kriegs-Archiv VII, 23 a.

Neustadt am Rübenberge (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 247. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 293.

Aus der Stadt führt das Nikolaitor nach Norden.

Neustettin/Szczecinek (Polen, Pommern) DSB Nordost, S. 206; SB Hinterpommern, S. 161. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 241.

Die Stadtkirche ist dem hl. Nikolaus gewidmet.

Nevers (Frankreich) Hachette, S. 472.

Am Rande der Altstadt befindet sich die Place St. Nicolas an der nach Paris führenden Fernstraße.

Newcastle upon Tyne (Großbritannien) Baedeker Großbritannien, S. 430.

Die Nikolaikirche steht auf beherrschender Höhe über der Tyne-Brücke, auf der die von Durham herankommende High Street über den Fluss führt. Die Topographie zeigt eine erstklassige Lage des bedeutendsten Flussüberganges auf dem Wege von England nach Schottland. Wo die von Süden nach Norden führende Straße den Tyne überquert, stand eine Burg aus normannischer Zeit, neben der die Nicholas-Street vorbeiführt und sich die Kirche St. Nicholas anschließt. Nördlich davon weisen die Straßennamen Groat Market, Cloth Market und Bigg Market auf den hier zusammengefassten Marktbetrieb hin. T. Oliver, Plan of Newcastle upon Tyne and the Borough of Gateshead. (1830). The Cathedral Church of St. Nicholas, Newcastle upon Tyne. Pilgrims Guide, o. J.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Niemegk (Brandenburg) DSB Nordost, S. 606. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 299.

Die Stadt besitzt eine Johanniskirche. Ein Kloster St. Niklas wird in einem Lehnbrief um 1500 erwähnt. Da es hier niemals ein Kloster gegeben hat, ist wohl an eine geistliche Stiftung, etwa ein Hospital zu denken. Vor dem Wittenberger Tor wurde ein aus Feldsteinen errichtetes Gebäude als das Kloster bezeichnet. Es ist als Hospital oder Speicher zu deuten. In der Bauweise gleicht es benachbarten Feldsteinkirchen. Auf der Stadtansicht von Dilich aus dem 17. Jahrhundert ist es noch enthalten. Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil V, Zauch-Belzig, S. 308: St. Nikolauskirche 1526 wüst, 1554 „Wüste Kirche“ und „wüster Kirchhof“ . Belziger Heimatkalender 91, Hg. Kreisverwaltung Belzig, AG Kultur, S. 30. Darin: Regina Reif, Auf den Spuren einer vergessenen Kirche. Das sog. Kloster, ein zweigeschossiges Giebelhaus aus Feldsteinen mit Holzbalkendecke. Bis vor wenigen Jahren als Wohnhaus genutzt, vermutlich aus dem 13./14. Jahrhundert.

Nikolai/Miko∏ów (Polen, Schlesien) Hist. Stätten Schlesien, S. 359.

Die Nikolaikirche gab dem antiqum oppidum den Namen, in der Neustadt wurde die Adalbertkirche erbaut. Die deutschrechtliche Stadtgründung wird für 1287 angesetzt. Im Jahre 1536 wurden in dem „Städtlein“ 37 Bürgerstellen gezählt.

Nikolaiken/Mikolajki (Polen, Ostpreußen) DSB Nordost, S. 89. Hist. Stätten Ost- und Westpreußen, S. 158.

Der Ort wird 1444 als Nickelsdorf urkundlich erwähnt, 1515 als Kirchdorf genannt, erhielt 1726 Stadtrecht.

Nikolsburg/Mikulov (Tschech. Republik, Mähren) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 411. Rokyta 2, S. 65. Kuãa 3, S. 874.

Die am Handelsweg von Brünn nach Wien gelegene Nikolaikirche wird 1173 genannt. 1249 erscheint das Dorf Niclaspurg. Es wurde 1322 zur Stadt erhoben.

2. Ortsartikel

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Nikolstadt/Miko∏ajowice (Polen, Schlesien) SB Schlesien, S. 303. Hist. Stätten Schlesien, S. 360.

In der zum Jahre 1315 als Nikolai villa bezeugten Stadt wurden um 1340 Goldvorkommen entdeckt und dem Ort Stadtrechte verliehen. Der Ortsname wurde um 1500 durch Nikolstadt ersetzt. Während der frühen Neuzeit versiegte der Goldbergbau. Die Stadt wurde wieder zum Dorf.

Nimburg/Nymburk (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 413. Kuãa 4, S. 524. Rokyta 1, S. 198.

Der Name der Stadt setzt niederdeutsche Einwanderer voraus (Nienburg !). Die bisher auf N. bezogene Urkunde von 1219 (novus mons super albiam) wird jetzt mit Leitmeritz verbunden. Die Entstehung der Stadt mit der Nikolaikirche wird um 1275 angesetzt. Die Stadtkirche wurde durch Patrozinienwechsel zu einer Ägidienkirche. Hedvika Sedláãková und TomበVelímsk˘, Archeologick˘ v˘zkum v historickém jádru Nymburka v roce (1990). In: Archeologické rozhledy XLV, Praha (1993), S. 644; mit Stadtplan und deutscher Zusammenfassung.

Nordhausen (Thüringen) DSB Mitte, S. 624. Hist. Stätten Thüringen, S. 305. Atlas Saale, Blatt 36, Teilkarte III und S. 163–166.

Südlich des Dorfes Altendorf erstreckte sich fränkisches Königsgut, in dem eine von 910 bis 1277 nachzuweisende Burg König Heinrichs I. stand. Neben einer frühen städtischen Anlage um die Blasiuskirche wuchs mit der Nikolaikirche und dem Rathaus am Markt die Altstadt empor, der weitere Stadtteile um die Petri- und die Jakobikirche folgten.

Nováky/Nytranovák (Slowakei) Hudák, S. 188. Mezö, S. 326a.

In den Jahren 1332–37 wird ein Martinus plebanus de Novac genannt. Mon. Vat. Slovaciae 1, S. 22, Nr. 9.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Nowogrodek/Navagrudak (Weißrussland) Cities – Museums – Guide, Tourism & Leisure (2005).

Die zwischen Minsk und Grodno liegende Stadt besitzt eine Nikolaikirche (St. Nicholas Cathedral), deren jetziger Bau 1780 errichtet wurde.

Nyköping (Schweden) Johansson, S. 10.

Die um 1250 erbaute Nikolaikirche wird 1280 genannt. Sie lag innerhalb des bebauten Stadtgebietes an einem Flussübergang.

Oberglogau/G∏ogówek (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 838. Hist. Stätten Schlesien, S. 366. Dehio Polen: Schlesien, S. 309.

Neben der zum Jahre 1284 genannten Pfarrkirche St. Bartholomäus ist aus dem 16./18. Jahrhundert die Spitalkirche St. Nikolaus überliefert.

Oderberg (Brandenburg) DSB Nordost, S. 607. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 300 f.

Die Stadt entstand an einer Straße von Pommern in die Neumark an einer Furt durch die alte Oder. Im Schutz der Burg entwickelte sich die civitas mit einer als Feldsteinbau errichteten Nikolaikirche, in der 1247 ein Pfarrer bezeugt ist.

Oels/OleÊnica (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 838. Hist. Stätten Schlesien, S. 371.

Außerhalb der Stadtmauer stand ein dem hl. Nikolaus geweihtes Hospital vor dem nach Westen gerichteten Stadttor. Es ist seit dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts bezeugt.

Oldenburg (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 275. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 308.

Neben der Pfarrkirche St. Lamberti besteht eine ältere, im 12. Jahrhundert erbaute Nikolaikirche, an welche die Kleine Kirchenstraße am Rande der Altstadt an Markt und Rathaus erinnert.

2. Ortsartikel

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Oelsnitz i.V. (Sachsen) DSB Mitte, S. 173. Hist. Stätten Sachsen, S. 262.

Auf dem St. Niklasberg an der Kreuzung der alten Reichenbacher mit der Plauenschen Straße stand vor Zeiten eine Wallfahrtskapelle St. Nikolaus.

Oppeln/Opole (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 841; SB Schlesien, S. 381. Hist. Stätten Schlesien, S. 379.

Der Name des Nikolaitors für das nach Norden führende Tor in der Stadtmauer setzt eine Nikolaikirche außerhalb der Stadt voraus. Sie lag im Zuge der Fernstraße von Beuthen nach Breslau am östlichen Ufer der Oder gegenüber der altpolnischen Stadt Oppeln, die aufgelöst und durch eine Burg ersetzt wurde. Am Nordrande der neuen Stadt wurde die Stadtkirche zum Hl. Kreuz erbaut. DSA, Lieferung II, Nr. 11, hg. von Heinz Stoob, bearb. von Walter Kuhn (1979).

Oranienburg (Brandenburg) DSB Nordost, S. 608; DSB Brandenburg, S. 381. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 304.

Die Stadtkirche St. Nikolai von Bötzow liegt an einem alten Übergang der Straße von Kremmen nach Osten, woraus sich die Hauptverkehrsrichtung in der Stadt erkennen lässt. Die Stadt wurde 1652 umbenannt.

Örebro (Schweden) Johansson, S. 21.

Die Nikolaikirche wurde zwischen 1275 und 1350 nahe beim Schloss dicht am Marktplatz erbaut.

Oschersleben (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 633. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 355.

Zu der im Dorf O. wohl seit 806 bestehende Stephanskirche trat eine 1219 nachweisbare Nikolaikirche, die zur Marktkirche der späteren Stadt wurde. Das Altendorf mit der Stephanskirche beim Hornhäuser Tor war 1564 desolat. 1219 wurde die Nikolaikirche,

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

offenbar im Zusammenhang mit der Stadtwerdung, selbständige Pfarrkirche. 1287 wurde ein bischöflicher Ablass für Spenden ad reparationem aggeris et pontium ibidem gewährt, womit der Damm gemeint ist, auf dem die Fernstraße von Magdeburg nach Halberstadt das Bruch überquert.

Osterburg (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 635. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 356.

Neben einer älteren slawischen Burg entstand eine im 12. Jahrhundert nachweisbare deutsche Burg, bei der 1287 die als Zollstelle bezeichnete Altstadt mit der Martinskapelle nachzuweisen ist. Das oppidum et castrum von 1208 dürfte auf die Stadtkirche St. Nikolai mit ihren noch nachweisbaren romanischen Resten zu beziehen sein.

Osterwieck (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 638. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 359.

Abseits vom Stadtkern mit der Stephanikirche entstand im Süden und Osten ein neuer Stadtteil mit der Nikolaikirche, die 1262 als nova ecclesia erscheint, 1564 wüst lag und nur aushilfsweise zum Gottesdienst genutzt wurde. Der Patronat stand dem Magistrat zu. 1476 ließen sich bei der Nikolaikirche die Graumönche nieder. Im Mittelalter war die Nikolaikirche die Kalandskirche. Sven Frotscher, Osterwieck. Große Baudenkmäler, Heft 473, 4. Aufl., München, Berlin, (1998).

Ostheim v.d. Rhön (Bayern) DSB Bayern 2, S. 429. Hist. Stätten Bayern, S. 534.

Neben der Stadtkirche St. Michael stand hinter dem Rathaus die Nikolauskapelle, die in der Reformationszeit aufgelassen und bis 1864 für profane Zwecke genutzt wurde.

Ottmachau/Otmuchów (Polen, Schlesien) SB Schlesien, S. 324. Hist. Stätten Schlesien, S. 388. Dehio Polen: Schlesien, S. 720 f.

Die im Jahre 1235 nachweisbare Pfarrkirche St. Johannis wurde später durch einen Patrozinienwechsel zur Nikolaikirche umgewidmet. Von 1386 bis 1435 galt sie als Kollegiatkirche. 1690 erhielt sie einen Neubau.

2. Ortsartikel

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Parchim (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 314. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 77.

Außer der St. Georgskirche und der Marienkirche in der Neustadt gab es eine 1293 genannte Nikolauskapelle, die 1690 abgerissen wurde. Stadtrecht erhielt Parchim kurz vor 1226.

Pasewalk (Pommern) DSB Nordost, S. 209. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 245. Pommern, S. 230.

Neben der Marienkirche in der Oberstadt besteht in der Unterstadt die Nikolaikirche.

Passau (Bayern) DSB Bayern 2, S. 610. Hist. Stätten Bayern, S. 543.

Das Augustiner-Chorherrenstift St. Nikola liegt in der Nähe der Überfuhr am Inn kurz vor dessen Mündung in die Donau. Das Gründungsdatum ist unbekannt, der Stifterbrief zum 30. September 1067 ist eine spätere Fälschung. Zum Jahre 1073 gibt es eine Bestätigung des Stifts durch Papst Alexander II., die mit der Translation des hl. Nikolaus 1087 nicht übereinstimmt. Die Urkundenüberlieferung der Folgezeit ist unsicher. Im Blick auf die Reihe der Nikolaikirchen am Inn von Innsbruck, Hall, Rosenheim, Mühldorf und Neuötting muss diejenige von Passau als sicher gelten. Egon Boshof, Geschichte der Kirche St. Nikola (1970).

Patschkau/Paczków (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 847. Hist. Stätten Schlesien, S. 393.

Als Ursiedlung der Stadt gilt die Nikolaisiedlung bei der Nikolaikirche in der östlich gelegenen Nikolaivorstadt. Sie wird für älter als die Pfarrkirche St. Johannis gehalten.

Pegau (Sachsen) (Abbildung 15, S. 71) DSB Mitte, S. 180. Hist. Stätten Sachsen, S. 272.

In der Nähe eines Straßenüberganges über die Weiße Elster errichtete Wiprecht von Groitzsch im Jahre 1092 sein Hauskloster und eine Kurie mit einer Nikolaikapelle, die bald darauf zur Pfarrkirche erhoben wurde. Bei der Stiftung des Klosters wurde die

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Kaufmannssiedlung als bestehend genannt. Zu ihrem Sprengel gehörte noch lange Zeit der westliche Teil der Stadt und das benachbarte Dorf Carsdorf. In diesem Westteil der Stadt erstreckte sich die Breitstraße (1090: publica platea), die als Durchgangsstraße vermutlich um 1100 bebaut war. An ihrem westlichen Ende wird dicht an der Innenseite der Stadtmauer die Lage der Nikolaikirche angenommen. Östlich an die Breitstraße anschließend wurde wohl noch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts die Oberstadt mit der Pfarrkirche St. Laurentius und dem großen Markt vom Abt als dem Stadtherrn gegründet, der um 1200 die Unterstadt mit der Ottomarkirche folgte. Erst die spätere Ummauerung hat die Bestandteile Kloster, Breitstraße, Ober- und Unterstadt zu einer topographischen Einheit zusammengefasst. Die sehr frühe Datierung der Nikolaikirche in Pegau ist für die zeitliche Einordnung der Nikolaikirchen in Deutschland von besonderer Bedeutung. Sie zeigt, dass fünf Jahre nach der Translation des hl. Nikolaus in Mitteldeutschland sein Patrozinium bereits beim Bau einer neuen Kirche verwendet wurde. Walter Schlesinger, Die Entstehung der Stadt Chemnitz und anderer mitteldeutscher Städte. Weimar (1952), S. 88. Hans Patze, Die Pegauer Annalen, die Königserhebung Wratislaws von Böhmen und die Anfänge der Stadt Pegau. In: Jb. für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 12, S. 35 ff., mit Stadtplan.

Peine (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 229. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 323.

Die Nikolaikirche auf der Forst ist zum Jahre 1350 erwähnt, sie lag am Damm und der Breiten Straße. Später war sie eine evangelische Kapelle mit einem Stift.

Peiskretscham/Pyskowice (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 848. Hist. Stätten Schlesien, S. 397. Dehio Polen: Schlesien, S. 784 f.

Die Pfarrkirche war ursprünglich dem hl. Paulus, seit 1412 dem hl. Nikolaus geweiht.

Perleberg (Brandenburg) DSB Nordost, S. 600; DSB Brandenburg, S. 394. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 308. Pommern, S. 231.

Die Stadt entstand bei einer Burg der Gänse von Putlitz auf einer von zwei Armen der Stepenitz gebildeten Insel. Die Straßen von Havelberg und Berlin erreichen hier die Ste-

2. Ortsartikel

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penitz-Niederung, um nach Grabow-Hamburg und zum Elbübergang bei Wittenberge weiterzuführen. In der Nähe der vom Dobberziner Tor zum Wittenberger Tor durchgehenden Straße lag eine Nikolaikirche inmitten des eng bebauten südöstlichen Stadtteils, während der nordwestliche Teil mit der Jakobikirche und dem Markt weiträumiger bebaut ist. Der älteste Bau der Jakobikirche stammt aus der Zeit um 1240 und dürfte im Zusammenhang mit der vor 1239 anzunehmenden Stadtgründung stehen. Die Nikolaikirche war kleiner und gilt jedenfalls als älter. Sie brannte 1632 ab, wurde nicht wieder aufgebaut und am Ende des 18. Jahrhunderts abgerissen. Aus dem Stadtplan ist eine Mehrstufigkeit der Stadtentwicklung zu entnehmen, wobei sich im Vergleich mit anderen Stadtkirchen das Nikolaus-Patrozinium als das ältere erweist. Diese Tatsache wurde auch in der Kirchenvisitation von 1542 bestätigt. Als Hauptort der Prignitz war die Stadt 1358 Mitglied der Hanse. Von hier gingen Handelsstraßen nach Salzwedel und Lüneburg, Lenzen, Hamburg und Lübeck, nach Wismar und Rostock, nach Berlin und Magdeburg aus. Eckard Müller-Mertens, Untersuchungen zur Geschichte der brandenburgischen Städte im Mittelalter I. In: Wiss. Zs. Humboldt-Universität Berlin, Ges. u. sprachwiss. Reihe 5, (1955/56), S. 209 ff. Lorenz Friedrich Beck, Die Prignitzstädte Perleberg, Pritzwalk, Kyritz und Havelberg und die Hanse. In: Jb. für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands. Bd. 52 (2006), S. 90.

Pernau/Piarnou (Estland) Balt. Hist. Ortslexikon 1, S. 172 (Stadtplan).

Die Nikolaikirche wurde am Anfang des 14. Jahrhunderts erbaut. Alt-Pernau war der Sitz des Bischofs von Oesel-Wiek, 1251 wurde die Kirche zur Bischofskirche erhoben. Ein Neubau der später ev.-luth. Nikolaikirche stammt aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts. Charles Higounet, Die deutsche Ostsiedlung im Mittelalter. Berlin (1986), S. 224 mit Stadtplan.

Pilsen/PlzeÀ (Tschech. Republik, Böhmen) Rokyta 1, S. 216. Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 448. Kuãa 5, S. 186 ff.

An der Kreuzung mehrerer Fernstraßen entstand die Siedlung Altpilsen/Star˘ Plzenec an der Uslava mit fünf Kirchen im 13. Jahrhundert. Um 1295 kam es im Zuge einer Stadtverlegung in einer Entfernung von 9 km zur Gründung von Neupilsen an der heutigen Stelle. Außerhalb der Altstadt steht die gotische Friedhofskapelle St. Nikolaus von 1460. Von Pilsen führt die von Prag kommende Straße über den Böhmerwald und die Reichsburg Cham nach Regensburg. In der Neustadt Pilsen liegt die 1406 bezeugte Nikolaistraße mit der Nikolaikirche in der Prager Vorstadt.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Pirna (Sachsen) (Abbildung 16, S. 72) DSB Mitte, S. 182. Hist. Stätten Sachsen, S. 276.

In Pirna legten Fernhändler an der Breiten Gasse eine Kaufmannssiedlung mit der Nikolaikirche am nördlichen Ende vor dem Dohnaischen Tore, d.h. vor der Stadt an. Die Kirche zu St. Niklas ist die älteste Kirche dieses Gebietes. Sie wird 1335 genannt, unterstand im Jahre 1389 der Stadtpfarrkirche Unserer Lieben Frauen und wird 1447 selbst als Pfarrkirche bezeichnet. In vorreformatorischer Zeit gab es bei ihr eine Begräbnisbruderschaft. 1523 lag der städtische Friedhof bei der Nikolaikirche, 1628–39 diente sie den tschechischen Exulanten zum Gottesdienst in ihrer Muttersprache. Nach der Verlegung des Friedhofs wurde die Nikolaikirche 1875 abgerissen. Die Breite Straße liegt im Zuge der geradeswegs auf die Elbe zulaufende Fernstraße vor deren Eintritt in das ummauerte Stadtgebiet. Sie ist noch heute im Straßennetz von Pirna vorhanden. Alfred Meiche, Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna. Dresden (1927), S. 251. Walter Bachmann und Walter Hentschel, Die Stadt Pirna. Dresden (1929), S. 16 und S. 171, mit Stadtplan. Karlheinz Blaschke, Studien zur Frühgeschichte des Städtewesens in Sachsen. In: Fs. für Walter Schlesinger, hg. von Helmut Beumann, Bd. 1, Köln, Wien (1973), S. 333–381. Wieder abgedruckt in: Stadtgrundriss und Stadtentwicklung. Forschungen zur Entstehung mitteleuropäischer Städte, ausgewählte Aufsätze von Karlheinz Blaschke. Unter Mitarbeit von Uwe John, hg. von Peter Johanek, Köln (1997), S. 109.

Pitschen/Byczyna (Polen, Schlesien) DSB Nordost¸ SB Schlesien, S. 336. Hist. Stätten Schlesien, S. 406. Dehio Polen: Schlesien, S. 195 f.

Die Stadt entstand an einer alten Straßenkreuzung, an der die 1283 bezeugte Pfarrkirche St. Nikolaus erbaut wurde.

Plauen i.V. (Sachsen) DSB Mitte, S. 186. Hist. Stätten Sachsen, S. 279.

Im Mittelpunkt des Dobna-Gaues wurde 1122 die Johanniskirche erbaut. Eine steinerne Brücke führte hier 1244 über die Weiße Elster. Die Nikolaikapelle stand an der alten Handelsstraße nach Zwickau am Flussübergang außerhalb der Stadtanlage. Die hier erwähnte steinerne Brücke wird auf Nürnberger Kaufleute zurückgeführt. Unter dem hier gelegenen Nikolsberg wird eine Kaufmannssiedlung vermutet. Die Brückenvorstadt bil-

2. Ortsartikel

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dete bis zum Jahre 1739 eine Art Gemeinde für sich, jedoch unter Aufsicht und Gerichtsbarkeit des Stadtrates. Die Kirche war in ein Hospital für Aussätzige einbezogen. Roland Best, Die St. Niclaskapelle in Plauen. In: Mitt. des Vereins für vogtländische Geschichte, Volks- und Landeskunde, 13. Jahresschrift, Plauen (2007), S. 63–111.

Plön (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 436. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 164.

Bei einer slawischen Burg entstand um 1156 die Altstadt mit der Nikolaikirche als planmäßig angelegte Marktsiedlung an der Straße von Lübeck nach Schleswig.

Polotsk/Polozk (Weißrussland) Cities – Museums – Guide, Tourism & Leisure (2005).

Die im Norden von Weißrussland gelegene Stadt besitzt eine in der Stadtmitte gelegene Nikolaikirche (St. Nicholas Cathedral).

Posen/Poznaƒ (Polen) Die Pfarrkirche St. Nikolai wird 1146 genannt. Sie lag an der Fernstraße mit dem Dom und der Marienkirche auf der Dominsel neben der St. Godehardkirche als Pfarrkirche einer Siedlung mit Handwerkern. Wolfgang H.Fritze, Hildesheim – Brandenburg – Posen. Godehard-Kult und Fernhandelsverkehr im 12. Jahrhundert. In: Beitr. zur Entstehung und Entwicklung der Stadt Brandenburg im Mittelalter. Hg. von Winfried Schich, Berlin (1993), S. 103–130.

Potsdam (Brandenburg) DSB Nordost, S. 616; DSB Brandenburg, S. 402. DSA, Lief. V, Nr. 4, 1993. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 313 ff.

Zwischen zwei Havelseen bildete der 993 genannte locus Poztupimi eine Landbrücke für den Durchlass der Straße von Berlin nach Brandenburg. Als Städtchen erscheint P. 1304, die Nikolaikirche wird 1314 genannt. Der im 18./19. Jahrhundert in friederizianischer Zeit stark überformte Stadtgrundriss bietet kaum brauchbare Zugänge für eine Erforschung der städtischen Frühgeschichte.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Prag/Praha (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 470. Kuãa 5, S. 431 (mit Straßenplan im Mittelalter).

Der älteste und über Jahrhunderte einzige Straßenübergang über die Moldau in Prag scheint aus der Altstadt vom Altstädter Ring mit der St. Niklaskirche über den Nikolausplatz durch die Kaprová ulica gegangen zu sein, von wo anfangs noch ohne Brücke ein Verkehrsweg mit Hilfe von Furt oder Fähre den Fluss überschritt. Westlich des Flusses kam die Einbindung in das Wegenetz nach Schlan und Magdeburg zur via magna nach Westen zustande. In Prag war der Weg vom Theyn-Platz zur Burg auf der westlichen Flussseite auf einen bischöflichen Hof (biscopsky dvÛr) gerichtet. Erst im 14. Jahrhundert wurde in einer Blütezeit der Stadt Prag unter König Karl IV. mit dem Bau der Karlsbrücke ein fester Flussübergang zur Kleinseite geschaffen, wo eine Kaufmannssiedlung mit einer Nikolaikirche entstand. Von hier aus ergab sich die dauerhafte Verkehrsanbindung an das westlich der Moldau gelegene böhmische Straßennetz bis in den sächsischen Raum nach Magdeburg. Der Übergang des Fernwegs hat an dieser Stelle folglich eine doppelte Lösung geschaffen und zwei Nikolaikirchen entstehen lassen, was auf seine außergewöhnliche Bedeutung hinweist. Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart. Heiliges Römisches Reich Deutschsprachige Länder, hg. von Erwin Gatz, Regensburg (2009), Nr. 89, S. 171: Prag/Praha um 1500.

Prenzlau (Brandenburg) DSB Nordost, S. 620; DSB Brandenburg, S. 417. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 321.

Bei einer pommerschen Burg bildete sich ein Marktort, der 1187 durch die Nennung von sacerdos, forum und taberna bezeugt ist. Seine Lage wird bei der ehemaligen Nikolaikirche angenommen, die als älteste Kirche der Stadt gilt und ebenso wie in Rostock älter als Marien und Jakobi ist. Sie war eine dreischiffige Feldsteinbasilika, stürzte 1568 und 1648 ein und wurde im 18. Jahrhundert bis auf den zweitürmigen Westbau abgerissen. Sie lag im Süden der ummauerten Stadt an der Steinstraße im Zuge der Fernstraße von der mittleren Elbe nach Stettin. Die Steinstraße wird als das forum von 1187 angesehen, sie lässt sich mit ihrem Namen und dem Kirchenpatrozinium mit einer alten Kaufmannssiedlung in Verbindung bringen. Die förmliche Stadterhebung im Jahre 1235 schuf den nördlich anschließenden Stadtteil mit der Jakobikirche. Eckard Müller-Mertens, Untersuchungen zur Geschichte der brandenburgischen Städte, wie Anmerkung zu Perleberg. S. 207 ff. (mit Stadtplan). Gerhard Kegel, Die Gründungsurkunde der Stadt Prenzlau aus dem Jahre 1234. In: Prenzlau. Hauptstadt der Uckermark 1234–1284. Hg. vom Heimatkreis Prenzlau (1984).

2. Ortsartikel

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Preßburg/Bratislava (Slowakei) Horváth, S. 186. Bratislavsk˘ topografick˘ Lexikon. Bratislava (1990).

Am südöstlichen Abhang des Schlossberges befindet sich außerhalb der Bürgerstadt die Nikolaikirche in unmittelbarer Nähe zur Donau. Die Nikolaigasse führt hinunter in die Stadt. Eine Nachricht über die Kirche liegt aus dem Jahre 1359 vor. Grundriß der Königl. freyen Stadt Presburg, so anno 1768 aufgenommen worden ist. Marquartor Plán Bratislavy z roku 1765, Slovenská kartografia, Bratislava (1988). Bratislava, mapa z roku 1820, Slovenská kartografia, Bratislava 1988: Situationsplan der Kön. Freien Krönungs-Stadt Preßburg. Burg, Burgstadt, Stadt. Zur Genese mittelalterlicher nichtagrarischer Zentren in Ostmitteleuropa. Hg. von Hansjürgen Brachmann. Berlin (1995), S. 270.

Priebus/Przewóz (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 851; SB Schlesien, S. 342. Hist. Stätten Schlesien, S. 417. Dehio Polen: Schlesien, S. 776.

Wo sich die an der Neiße entlang gehende Straße von Görlitz nach Guben mit der Niederen Straße von Spremberg nach Sagan kreuzte, entstand die planmäßig angelegte Stadt mit einer den hl. Ägidius und hl. Nikolaus geweihten Pfarrkirche.

Pritzwalk (Brandenburg) DSB Nordost, S. 624; DSB Brandenburg, S. 430. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 328.

Die um die Mitte des 13. Jahrhunderts erbaute Pfarrkirche war den Heiligen Nikolaus und Maria gewidmet. Lorenz Friedrich Beck, Die Prignitzstädte Perleberg, Pritzwalk, Kyritz und Havelberg und die Hanse. In: Jb. für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 52 (2006) S. 115.

Putlitz (Brandenburg) DSB Nordost, S. 625; DSB Brandenburg, S. 435. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 329.

Die Stadtkirche ist dem hl. Nikolaus gewidmet.

Pyritz (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 216. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 254. Pommern, S. 237

Neben der städtischen Marienkirche gab es ein Nikolaihospital, das 1596 abgebrannt ist.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 644. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 374. Atlas Saale, Blatt 36, Teilkarte I und S. 151–157, mit Stadtplan.

Bei der 922 urkundlich bezeugten Burg, dem späteren Reichsstift, entstand nach 944 die Altstadt mit der Blasiuskirche. Ihr folgte nach 1038 die Benedikti-Stadt, später die Ägidii-Stadt und die 1222 erstmals erwähnte Neustadt mit der Nikolaikirche. Sie liegt an dem als Steinweg bezeichneten Teil der Durchgangsstraße, die den Verkehr von Halle/ Saale und Magdeburg über die Bode nach Halberstadt führt. Der Grundriss der Neustadt zeigt, dass er die bereits vorhanden gewesene Nikolaikirche berücksichtigen musste. Sie war ursprünglich ein einschiffiger romanischer Bau nach Art der Dorfkirchen des 12. Jahrhunderts. Um 1260 wurde der große frühgotische Neubau begonnen. Der in der Neustadt gelegene Baublock mit der Nikolaikirche zeigt eine völlig abweichende Aufteilung, in der sich wahrscheinlich die ursprüngliche Kaufmannssiedlung widerspiegelt. Aus ihr stammt auch die Bezeichnung Steinweg. H. Lorenz, Quedlinburgische Geschichte. 1. Bd., (1922), S. 227. DHSA 1, Quedlinburg, hg. von Wilfried Ehbrecht, Peter Johanek und Jürgen Lafrenz, Münster (2006).

Rakonitz/Rakovník (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen-Mähren, S. 508. Rokyta 1, S. 143. Kuãa 6, S. 304.

Der 1252 genannte Ort ist als Stadt mit der Pfarrkirche St. Nikolaus angelegt worden.

Ratibor/Racibórz (Polen, Schlesien) DSB Ost, S. 854; SB Schlesien, S. 346. Hist. Stätten Schlesien, S. 426. Dehio Polen: Schlesien, S. 790.

An der Kreuzung der Fernstraße von Prag nach Polen mit einer an der Oder am westlichen Hochufer laufenden Straße liegt eine Nikolaikirche in Altendorf. Von der Nikolaikirche zur späteren Stadt führte die Breite Gasse, die zur Pfarre Altendorf gehörte. In Ratibor hieß das Coseler Tor auch Nikolaitor. Die 1205 erbaute Stadtpfarrkirche St. Marien ist jünger als die Nikolaikirche, denn die im Halbkreis um die Stadt gelegenen Dörfer sind in die Nikolaikirche gepfarrt. Das Große ( Nikolaus- oder Leobschützer) Tor weist auf eine 1299 bestehende Nikolaikirche außerhalb der Stadtmauer in Altendorf hin. A.Weltzel, Geschichte des Ratiborer Archipresbyterats. Ratibor (1885), S. 51 ff.

2. Ortsartikel

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Regensburg (Bayern) DSB Bayern 2, S. 572 Hist. Stätten Bayern, S. 570.

Die Nikolaikirche wurde in der Zeit des großen Aufbruchs um 1100 an der Ausfallstraße von der Stadtmitte nach Westen außerhalb der damaligen Stadtmauer erbaut. Sie erhielt ihren Standort sehr nahe an der Kirche des Schottenklosters St. Jakob, das an der Wende des 11./12. Jahrhunderts und demzufolge fast gleichzeitig entstand. Die Ausgrabung der Grundmauern zeigen eine Entfernung der Nikolaikirche von etwa 17 Metern parallel zur Jakobskirche, die doppelt so groß war. Die Pfarrkirche St. Nikolaus wurde 1560 abgerissen. Nördlich der Jakobskirche erstreckte sich ein Friedhof, auf dem keine weiteren Bauwerke vermutet wurden. Im Jahre 1908 wurden jedoch Fundamentreste aufgedeckt, wobei die Grundmauern der Nikolaikirche bloßgelegt wurden. Aus der Fachliteratur ergibt sich die merkwürdige Tatsache, dass die Nikolaikirche im Mittelalter als Pfarrkirche für die Jakobsparochie diente. Im Blatt Regensburg des DSA ist davon nicht die Rede, die Kirche war demzufolge im Jahre 1973 der Forschung nicht bekannt. Der dort eingezeichnete Nikolaihof an der Ecke Nikolausgasse und Schäferstraße im Südosten der Altstadt ist für die Nikolaikirche des Mittelalters ohne Belang. DSA, Lieferung I, Nr. 8, hg. von Heinz Stoob, Münster (1973). Karl Wilhelm Höllerer, Die archäologischen Grabungen vor dem Portal der Schottenkirche St. Jakob. In: Denkmalpflege in Regensburg 7 (2000), S. 124–130.

Reichenbach/Dzier˝oniów (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 857; SB Schlesien, S. 355. Hist. Stätten Schlesien, S. 426.

Bei einem deutschen Waldhufendorf entstand die nahezu gitterförmige Stadt an der Straße von Schweidnitz nach Frankenstein und einer von Breslau kommenden Straße mit Georgskirche. Die Nikolaikirche des Leprosenhauses wird 1392 erwähnt. Sie ist wohl mit dem Begräbniskirchlein vor dem Schweidnitzer Tor unmittelbar an der Stadtmauer gleich zu setzen. E. Hasse, Chronik der Stadt Reichenbach im Eulengebirge. (1929), S. 19 und S. 57, mit Stadtplan S. 152.

Reichenhall (Bayern) DSB Bayern 2, S. 86. Hist. Stätten Bayern, S. 55.

Bei einer 1041–1060 erwähnten Brücke ist die Nikolaikirche 1181 inmitten einer Ansammlung von Salinengebäuden erbaut worden. Im Jahre 1803 wurde sie zur Stadtpfarrkirche erhoben.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Rethel (Frankreich) Hachette, S. 511.

Die zweischiffige Pfarrkirche St. Nicolas stammt aus dem 14. Jahrhundert.

Reutlingen (Baden-Württemberg) DSB Baden-Württemberg, S. 408. Hist. Stätten Baden-Württemberg, S. 551.

Die 1358 erbaute Nikolaikirche wurde als Dank- und Sühnezeichen nach der großen Pest von 1348 erbaut. Die Marienkirche wurde 1343 vollendet. Eine alte Pfarrkirche St. Peter und Paul wurde 1538 abgerissen. Seit dem Stadtbrand von 1726 diente die Nikolaikirche bis zum Wiederaufbau als Hauptkirche der Stadt. 1823 wurde sie der wachsenden katholischen Gemeinde überlassen.

Reval/Tallinn (Estland) Balt. Hist. Ortslexikon I, S. 498. Baedeker Baltikum, S. 212. Pommern, S. 240.

Die Stadt lebte vom Handel zwischen Rußland und dem Westen. Außer der St. Olai-Kirche wurde 1233 die Domkirche St. Marien erwähnt. Die Pfarrkirche St. Nikolai ist 1316 bezeugt. Sie stammt aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts und stand unterhalb der Domkirche in der südlichen Unterstadt, einem älteren Stadtteil. Sie diente als Kaufmannskirche mit einem Warenlager. Eine verhältnismäßig breite Straße stellt die Verbindung zwischen Markt und Hafen dar. Wilhelm Neumann, Riga und Reval. Leipzig (1908), mit 121 Abbildungen.

Ribe (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 162.

Wohl gegen Ende des 12. Jahrhunderts wurde ein Nikolaikloster gegründet, dem die Nikolaikirche einer Kaufmannssiedlung vorausgegangen sein muss. Sie besteht nicht mehr, ihre genaue Lage ist unbekannt. Die Nikolaistraße ist heute noch vorhanden.

Riga (Lettland) Baltisches Historisches Ortslexikon 2, S. 498. LMA VII, Sp. 843.

Vor der Mündung der Düna in die Ostsee legte der aus einer Familie bremischer Ministerialen stammende Bischof Albert I. von Riga im Jahre 1201 mit Missionaren, Kreuzfahrern und frühhansischen Kaufleuten den Grund zur Entwicklung der Stadt. Wo die

2. Ortsartikel

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von der See heranführende Straße in das Stadtgebiet eintritt, wurde die Nikolaikirche erbaut. Ihr folgten ähnlich wie in Stralsund die Marienkirche und die Jakobikirche. Die Marienkirche wurde zur Bischofskirche erhoben. W. Neumann, Das mittelalterliche Riga. Berlin 1892. C. Mettig, Geschichte der Stadt Riga. Riga 1897. Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart. Hg. von Erwin Gatz, Regensburg (2009), S. 174.

Rinteln (Westfalen) DSB Westfalen, S. 302. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 342.

Zum Jahre 1238 wird die ecclesia in civitate genannt. Das Nikolai-Patrozinium der Marktkirche ist seit 1286 bezeugt.

Röbel (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 322. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 93.

Neben der zum Bistum Schwerin zugeordneten Pfarrkirche St. Marien in der alten Burgsiedlung wurde seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Neustadt mit der dem Bistum Havelberg zuständigen Nikolaikirche angelegt. Das dazu gehörige NeuRöbel erscheint 1261 als civitas.

Rochlitz (Sachsen) DSB Mitte, S. 198. Hist. Stätten Sachsen, S. 303.

Die Entstehung der Stadtanlage wird für das 12. Jahrhundert angenommen, wobei allem Anschein nach eine in salischer Zeit bei der Petrikirche nahe der Burg und außerhalb der späteren Stadt gelegene Kaufmannssiedlung vorausgegangen ist. Bei der Muldenbrücke, die von Burg und Peterskirche weit entfernt ist, stand eine Nikolaikapelle, die 1273 durch Hochwasser zerstört wurde. Die Brücke gehörte zum Kirchenärar der Kunigundenkirche in der Stadt. Das heutige Patrozinium der Kunigundenkirche ist erst nach der zum Jahre 1200 erfolgten Heiligsprechung möglich, so dass die Stadtkirche am Markt ursprünglich wahrscheinlich eine Nikolaikirche gewesen ist (vgl. auch Borna).

Röschitz (Niederösterreich) Hist. Stätten Österreich 1, Donauländer und Burgenland, S. 504.

Das Breitangerdorf wurde 1446 als Markt bezeichnet. Seine Nikolaikirche war bis 1564 Filial von Eggenburg.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Rosenberg a.d. Moldau/RoÏmberk (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen-Mähren , S. 524 Rokyta 1, S. 240. Kuãa 6, S. 439.

Die frühgotische Pfarrkirche St. Nikolaus stammt aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Sie ist zum Jahre 1271 belegt.

Rosenheim (Bayern) DSB Bayern 2, S. 610. Hist. Stätten Bayern, S. 597.

Die Pfarrkirche St. Nikolaus ist 1315 bezeugt.

Roßlau/Elbe (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 653. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 394.

Außer der Stadtpfarrkirche St. Marien gab es eine Nikolaikirche, die 1534 ziemlich verfallen und im 17. Jahrhundert verschwunden ist. Ihre Lage wird im späteren Schlossgarten angegeben.

Rostock (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 323. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 95.

Im Zuge der Entstehung der Stadt folgte auf die außerhalb der Mauern gebliebene Clemenskirche die Petrikirche in der Altstadt und die Nikolaikirche an der von Südosten herankommenden Fernstraße. Die Mittelstadt mit der Marienkirche und dem Rathaus wurde zum Hauptkörper der Stadt, im Westen kam die Neustadt mit der Jakobikirche hinzu.

Roth bei Nürnberg (Bayern) DSB Bayern 1, S. 455. Hist. Stätten Bayern, S. 600.

Die Nikolauskapelle diente nach der Gründung der Stadt noch als Marktkirche. Sie lag in der Unteren Vorstadt, dem ehemaligen Dorf, und soll im Jahre 1060 (?) geweiht worden sein. 1533 wurde sie abgerissen. Die Stadtkirche St. Marien stammt wohl aus der Zeit um 1340.

2. Ortsartikel

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Rothenburg o.d. Tauber (Bayern) DSB Bayern1, S. 461. Hist. Stätten Bayern, S. 603.

Eine seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts bezeugte Nikolauskapelle wurde um die Mitte des 16. Jahrhunderts profaniert.

Rottenmann (Österreich, Steiermark) ÖSB Steiermark 4, Teil M–Z, S. 122. Hist. Stätten Österreich 2, Alpenländer, S. 134.

Die Stadtpfarrkirche zum hl. Nikolaus wird 1266 genannt.

Rügenwalde/Darlowo (Polen, Hinterpommern) SB Hinterpommern, S. 202. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 262. Pommern, S. 236.

Die Nikolaikirche in der Münder Vorstadt ist im 17. Jahrhundert verschwunden.

Rüthen (Westfalen) DSB Westfalen, S. 306. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 915. Pommern, S. 236.

Die St. Nikolauskirche ist in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Hallenbau entstanden.

Saalfeld (Thüringen) DSB Mitte, S. 357. Hist. Stätten Thüringen , S. 369. Atlas Saale, S. 206, Abb. 114 mit Stadtplan.

Bei einem Königshof des 9. Jahrhunderts ist Marktverkehr bereits vor 1074 bezeugt. 1125 bestand eine stadtähnliche Siedlung unter einem Schultheißen, als deren Kirche die Marienkirche angesehen wird. Die Kaufmannssiedlung der salischen Zeit wird beim Alten Markt vermutet, der bis 1863 eine selbständige Gemeinde bildete. Die Stadtgründung erfolgte vor 1208, zu ihr gehört die Johanniskirche. Am Ostrande der ummauerten Stadt stand in der Nähe der Saalebrücke am Saaleufer an der Straße nach Coburg die Nikolaikirche, die ihren Bauformen nach aus dem 12. Jahrhundert stammt. 1267 wurde sie dem hier gegründeten, 1275 nach Stadtilm verlegten Nonnenkloster zugewiesen. Seit dem 16. Jahrhundert verweltlicht, diente sie seit dem 19. Jahrhundert als Armenhaus.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

1521 ging eine ledige Baustätte bei der Nikolaikirche vom Pfarrer zu Saalfeld zu Lehen. 1402 lud Graf Heinrich von Schwarzburg die Stadt auf den Nikolauskirchhof zu Saalfeld wegen des Fischwassers in der Saale vor. Walter Schlesinger, Die Entstehung der Stadt Chemnitz und anderer mitteldeutscher Städte. Weimar (1952), S. 174. E. Devrient, Saalfeldische Historien von Kaspar Sagittarius, Saalfeld (1904), S. 51, 81 und 194. DSA, Lieferung II, Nr. 12, hg. und bearb. von Heinz Stoob, Münster (1979).

Saarbrücken (Saarland) Hist. Stätten Rheinland-Pfalz, S. 282.

Die Nikolaikirche wird nach 1261 an der Straßenbrücke neben dem Saartor bezeugt. Sie diente später als Schlosskirche. DSA, Lieferung II, Nr. 13, hg. von Heinz Stoob, bearb. von Hanns Klein, Münster (1979).

Saargemünd/Sarreguemines (Frankreich) Die Stadt liegt mit ihrer Nikolaikirche an der flandrisch-lampardischen Straße von Luxemburg über Schengen (Mosel), Saarbrücken, Saargemünd und Ingweiler. Henri Hiegel, Histoire de la ville et de la châtellerie de Sarreguemines. Nancy um (1933/35).

Sachsenhausen (Hessen) DSB Hessen, S. 382. Hist. Stätten Hessen, S. 365.

Die Stadtkirche St. Nikolaus wird auf die Zeit der Stadtgründung um die Mitte des 13. Jahrhunderts zurückgeführt. Die Anlage der Stadt an der Straße von Korbach nach Fritzlar als Teil der Fernstraße von Köln nach Leipzig hat sich in ihrer reinen Angerform erhalten. Eine nahe gelegene, 1226 urkundlich genannte dörfliche Siedlung südöstlich der Stadt ist wüst geworden. 1246 wurde der novella plantacio in Sassenhusen von Graf Adolf I. von Waldeck eine Urkunde über 80 Siedellehen erteilt. 1260 ist das oppidum mit consules überliefert. Die Nikolaikirche ist zum Jahre 1261 bezeugt.

Saint-Nicolas-de-Port (Frankreich) Hachette, S. 763.

Die Stadt besitzt eine für diesen kleinen Ort übergroße zweitürmige Kathedrale im Stile des 16. Jahrhunderts. Sie ist mit ihrem reichen Schatz an Reliquien des hl. Nikolaus ein bevorzugter Wallfahrtsort zum Schutzpatron Lothringens. Gilles Aubert, La basilique de saint Nicolas en Lorraine. Saint-Nicolas-de-Port, (1979).

2. Ortsartikel

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Salzwedel (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 656. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 404.

Die 1112 genannte Burg erscheint im Privileg für Stendal zwischen 1150 und 1170 als urbs, bei der es bereits eine Marktsiedlung gegeben haben muss, wie sich aus der zwischen 1170 und 1190 erwiesenen Münzprägung schließen lässt. Das oppidum von 1196 kann noch nicht als die eigentliche Stadt angesehen werden, die vielmehr erst kurz danach in Gestalt der Altstadt mit der Marienkirche ins Leben getreten sein kann. Ihr folgte um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Neustadt mit der Katharinenkirche. Östlich der Altstadt liegt um den Paradeplatz ein Stadtteil, der als Erweiterung der Altstadt angesehen wird. Auf dem Paradeplatz stand eine Nikolaikirche in der Nähe der von Südosten heranführenden Straße. Sie wird 1364 erstmals genannt. 1488 wurde sie dem nach Salzwedel verlegten Augustiner-Nonnenkloster überwiesen, das 1579 in ein Hospital umgewandelt wurde. Die Fraternität „Nikolaigilde“ hatte hier ihre Zusammenkünfte. Im 18. Jahrhundert war die Nikolaikirche zeitweilig als Garnisonskirche in Verwendung und wurde 1797 wegen Baufälligkeit abgerissen. J. F. Danneil, Kirchengeschichte der Stadt Salzwedel, Halle/Saale (1842), S. 114 und S. 230. Eckard Müller-Mertens, Untersuchungen … wie Anmerkung zu Perleberg, S. 202, mit Stadtplan.

Sandau (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 659. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 407.

Die spätromanische Pfarrkirche St. Nikolaus liegt an einem Elbübergang mit einer 1272 verliehenen Elbfähre.

Sarpsborg (Norwegen) (Abbildung 17, S. 73)

Die Stadt liegt südlich von Oslo an der Fernstraße nach Göteborg, wo der Fluss Glomma mit einem Wasserfall die weitere Schifffahrt in das Landesinnere unterbricht. Für die Zeit von 1016 bis 1028 gilt S. als Hauptstadt Norwegens, in der König Øystein im Jahre 1115 die Nikolaikirche erbauen ließ. Ihre Grundmauern sind auf einem Museumsgelände noch bis zur Höhe von einem Meter über der Erde vorhanden. Neben ihr wurde eine Marienkirche errichtet. Borgarsyssel Museum, Guide (2000) (Besucherinformation). Fylkesmuseum for Østfold, Sarpsborg.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Sarstedt (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 323. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 355.

Die Nikolaikirche stammt aus dem 14./15. Jahrhundert.

Saumur (Frankreich) Hachette, S. 838.

Die Kirche St. Nicolas steht an der Rue St. Nicolas nahe am Ufer der Loire und der Flussbrücke.

Schafstädt (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 664. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 410.

Im Jahre 1347 besaß der Ort als villa zwei Kirchen, von denen die Nikolaikirche während des Dreißigjährigen Krieges einging.

Schemnitz/BaÀská ·tiavnica (Slowakei) Hudák, S. 322. Mezö, S. 329.

Die Nikolaikirche wurde um 1230 als dreischiffige romanische Basilika erbaut. Sie diente als Pfarrkirche der Bergstadt, danach als Klosterkirche der Dominikaner und war später Pfarrkirche zu Mariä Himmelfahrt. Nach der Reformation wurde sie den Protestanten und später den Jesuiten überlassen.

Schleiz (Thüringen) DSB Mitte, S. 361. Hist. Stätten Thüringen, S. 380.

Die erste Nennung einer Pfarrkirche 1232 betrifft die Nikolaikirche als die älteste Kirche im Stadtgebiet. Sie wurde 1284 dem Deutschen Orden übergeben, der nun die Georgenkirche in der damals entstehenden Neustadt gründete. Sie entwickelte sich zur Hauptkirche der Stadt, von der die Nikolaikirche dann als Filial abhing. Doch verrichtete während des ganzen 15. Jahrhunderts ein Kaplan in der Nikolaikirche den Messdienst, der von zahlreichen Stiftungen getragen wurde. 1640 war die Nikolaikirche dem Einsturz nahe, wurde repariert und brannte 1856 ganz ab. Sie stand auf dem Grundstück Niko-

2. Ortsartikel

199

laiplatz Nr. 5 im Zuge der Fernstraße von Gera nach Hof, die an der eigentlichen Stadt (Neustadt) vorbeiführt. Der Stadtteil um den Nikolaiplatz wird als Altstadt bezeichnet. Er lag außerhalb der ummauerten (Neu-)Stadt, war jedoch mit Wall und Palisade umgeben. B. Schmidt, Geschichte der Stadt Schleiz. Bd. 2, Schleiz (1909), S. 83 ff.

Schleswig (Schleswig-Holstein) DSB Nordost, S. 446. Hist. Stätten Schleswig-Holstein, S. 183.

Zu den sieben Pfarrkirchen, die 1196 in der Stadt genannt wurden, gehörte die Nikolaikirche südlich der alten Domschule. Sie wurde in der Reformationszeit abgebrochen. Erich Hoffmann, Beiträge zur Geschichte der Stadt Schleswig und des westlichen Ostseeraumes im 12. und 13. Jahrhundert. In: Zs. der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 105 (1980), S. 27–76. DSA, Lieferung I, Nr. 9, hg. und bearb. von Heinz Stoob, Münster (1973).

Schmölln (Thüringen) DSB Mitte, S. 364. Hist. Stätten Thüringen, S. 392.

Die Stadtkirche St. Nikolai wird zum Jahre 1238 (1269 ?) genannt.

Schnackenburg (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 324. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 360.

Die Stadtkirche St. Nikolai war im Jahre 1284 mit einem Propst besetzt.

Schönebeck (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 675. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 420. Pommern, S. 231.

Gegenüber der Stadtkirche St. Jakobi aus dem 13. Jahrhundert gilt die Nikolaikirche vor dem Elbtor als die älteste der Stadt. Sie soll in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbaut worden sein, war später nur noch Begräbniskirche und wurde 1775 abgebrochen.

200

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Schweidnitz/Âwidnica (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 876; SB Schlesien, S. 397. Hist. Stätten Schlesien, S. 491.

Die Stadtpfarrkirche ist den hl. Stanislaus und Wenzel geweiht. Außerhalb der Mauer stand in der Nähe des Croschwitz-Tores eine Nikolaikirche, die 1360 als Begräbniskirche für den Pestfriedhof errichtet, im 18. Jahrhundert beim Bau der Festungsanlagen aber abgerissen wurde. Der Stadtplan lässt einen durchgehenden Straßenzug Breslauer Straße, Wilhelm-Straße (außen an der Stadtmauer entlang) – Waldenburger-Straße als möglich erscheinen, an dem die Nikolaikirche lag. Die 1241/43 anzusetzende Stadtgründung wäre dann neben dieser Fernstraße erfolgt. W. Schirrmann, Chronik der Stadt Schweidnitz. Schweidnitz (1905), mit Stadtplan. L. Radler, Die Präzentorie zu St. Nikolaus in Schweidnitz. Breslau (1936).

Schwerin (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 329. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 114.

Am Westufer des Schweriner Sees begegneten sich mehrere Straßenzüge zwischen der Ostsee und der unteren Elbe. Nördlich der 1160 entstandenen Stadt mit dem Bischofssitz lag vor dem Schelftor die Schelfe, eine dorfartige Siedlung mit einer Nikolaikirche, die 1217 durch einen sacerdos sancti Nicolai bezeugt ist. Hier weist die Schelfkirche mit ihrem Nikolai-Patrozinium und der Steinstraße auf eine Kaufmannssiedlung hin. Aus der Altstadt führt die nach den Hafenstädten gehende Fernstraße über die Steinstraße zur Nikolaistraße. Bei der Stiftung des in 300 m Entfernung erbauten Domes durch Heinrich den Löwen im Jahre 1171 wurde festgelegt, dass alle Pfarrrechte in Schwerin beim Domkapitel liegen sollten. Die Nikolaikirche musste demzufolge schon bestanden haben. Die Kaufmannssiedlung ist den vergleichbaren Fällen entsprechend an der Steinstraße (= Steinweg) anzunehmen. Die topographische Lage besitzt hier die gleiche Beweiskraft wie eine schriftliche Urkunde. Die Kirche war bis 1753 Filial des Domes, stand von 1533 bis 1589 leer und geriet in Verfall, bis sie 1589 wieder hergestellt wurde. Sie war als reine Personalgemeinde nicht in die örtliche Kirchenorganisation eingegliedert. Als die Schelfe 1705 zu einer eigenen Stadt erhoben wurde, erbaute man an der Stelle der alten Nikolaikirche eine Barockkirche. W. Jesse, Geschichte der Stadt Schwerin. Schwerin (1913), S. 45. Rudolf Conrades, St. Nikolai in Schwerin. Die erste Kirche auf der Schelfe, eine Kaufmannskirche aus der Zeit vor der Stadtgründung. Schwerin (2005). DHSA 2, Schwerin, bearb. von Antje Sander, Bernd Kasten, Daniel Stracke, Münster (2007).

2. Ortsartikel

201

Siegen (Nordrhein-Westfalen) DSB Nordrhein, S. 326. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 960.

Neben der alten Pfarrkirche St. Martin entstand am Markt im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts die Nikolaikirche als sechsseitiger Zentralbau.

Sigtuna (Schweden) Johansson, S. 11.

Die um 1200 erbaute, zum Jahre 1304 bezeugte Nikolaikirche wurde im Mittelalter als Rathaus genutzt. Sie stand in einer dicht besetzten Sakrallandschaft an der Prästgatan (Priestergasse), von der die Nicolai Gränd abzweigt.

Simrishamn (Schweden) Johansson, S. 12.

Der Ort an der Ostküste Schonen geht als Siedlung ins 11. Jahrhundert zurück. Die Nikolaikirche wurde 1161 der Prämonstratenser Abtei Tommerup übertragen. Diplomatarium Danicum I, 2, Nr. 143.

Skaelskør (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 180.

Die Kleinstadt erhielt am Anfang des 13. Jahrhunderts eine Nikolauskirche.

Skara (Schweden) Johansson, S. 13.

Innerhalb der mittelalterlichen Bebauung wird die Nikolaikirche nahe an der zentral gelegenen Marienkirche um 1150–90 genannt.

Slangerup (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 187.

An der Hauptverkehrsader von Helsingør nach Roskilde im Norden von Seeland wurde die Nikolaikirche um 1095 von König Erik Ejegod erbaut.

202

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Smolensk (Rußland) Lexikon der Kunst, Bd. 4, S. 542, Leipzig, (1977).

In der auf dem Wege nach Moskau gelegenen alten Handelsstadt, die bis 1514 zum Großfürstentum Litauen gehörte, besteht eine im Jahre 1748 erbaute Nikolaikirche.

Soest (Nordrhein-Westfalen) DSB Westfalen, S. 330. Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 965–967. Dehio Nordrhein-Westf. 2, S. 106–107.

Die um 1200 erbaute zweischiffige Nikolaikapelle am Kolk ist erhalten geblieben. Sie steht im Zuge des Hellweges am Rande des innersten ottonischen Stadtteils.

Sölvesborg (Schweden) Johansson, S. 15.

Die am Ende des 13. Jahrhunderts erbaute Nikolaikirche wird 1418 genannt. Sie liegt innerhalb des Stadtgebietes an der durchgehenden Straße.

Sommerfeld (Brandenburg) DSB Nordost, S. 642; DSB Brandenburg, S. 115. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 463.

Außer der Stadtpfarrkirche St. Marien besteht die vermutlich ältere Nikolaikirche außerhalb der Mauern. Sie wurde 1754–64 neu errichtet.

Sonderburg/Sønderborg (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 189.

Die Stadt ist mit der Nikolaikirche um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden. Die Kirche ist nach der Reformation wieder verschwunden.

Sooden – Allendorf (Hessen) DSB Hessen, S. 405. Hist. Stätten Hessen, S. 31.

Neben der gotischen Marienkirche bestand die Marktkirche St. Nikolai, die 1637 zerstört wurde.

2. Ortsartikel

203

Sorau/˚ary (Polen, Niederlausitz) DSB Nordost, S. 645. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 465.

Neben der Stadtkirche Unserer Lieben Frauen stand als Nebenkirche die Nikolaikirche an der Straße nach Kunzendorf.

Spalt (Bayern) DSB Bayern 1, S. 533. Hist. Stätten Bayern, S. 665.

Im Jahre 1300 gelangten Landschenkungen an das Nikolausstift, aus denen eine Marktsiedlung entstand. Die durchgehende, senkrecht zum Fluss verlaufende Hauptstraße wurde hier zu einer breiten Marktstraße erweitert. Der Bau der Stiftskirche St. Nikolaus begann 1302. 1313 wurde sie geweiht. Das Nikolausstift hatte von 1294 bis 1804 das Präsentationsrecht auf die Pfarrkirche St. Emmeram in Spalt. Der Stadtpfarrer war stets einer der Kanoniker.

Spandau (Brandenburg) DSB Nordost, S. 497; DSB Brandenburg, S. 628. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 97.

Die Nikolaikirche war im Jahre 1240 vorhanden. Thomas Biller, Die Entstehung der Stadt Spandau im hohen Mittelalter. Berlin (1980).

Stade (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 338. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 374.

Die 1132 bezeugte Nikolauskapelle wurde später als Pfarrkirche bezeichnet.

Stein (Niederösterreich) ÖSB Niederösterreich 3, S. 151. Hist. Stätten Österreich 1, Donauländer, S. 565.

Die Stadt wurde als Gegengewicht zu Mautern am jenseitigen Donauufer angelegt, die Nikolaikirche 1263 zur Pfarrkirche erhoben.

204

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Steinheim (Hessen) DSB Hessen, S. 412. Hist. Stätten Hessen, S. 394.

Bei einer 1223 genannten Burg, deren Anfänge in das 10. Jahrhundert zurückgehen, legten die Herren von Eppstein eine Stadt an, deren Pfarrkirche St. Nikolai bis 1449 im Dorfe Klein-Steinheim stand.

Stendal (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 693. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 447.

Zwischen 1150 und 1170 richtete Albrecht der Bär in seiner villa Stendal einen Markt ein. Damit kann nicht das bäuerliche alte Dorf nördlich der Stadt gemeint sein, da der Markt in villa errichtet wurde. Es muss sich um Kaufleute gehandelt haben, für die eine solche Privilegierung tatsächlich eine praktische Bedeutung hatte. Die villa ist demnach als Kaufmannssiedlung anzusehen, für deren Lage der Nord-Süd-Straßenzug Breite Straße-Schadewachten mit seiner außergewöhnlichen Straßenbreite in Frage kommt. In seiner Nähe liegt der Dom St. Nikolai, der 1188 wohl an der Stelle eines markgräflichen Hofes gegründet wurde. Da der Schadewachten zur Domgemeinde gehört, liegt es nahe, als deren Vorläufer eine Kaufmannskirche St. Nikolai anzunehmen, deren Pfarrrechte 1188 auf den Dom übergingen. Eckard Müller-Mertens, Die Entstehung der Stadt Stendal nach dem Privileg Albrechts des Bären von 1150/1170. In: Vom Mittelalter zur Neuzeit. Fs. für Heinrich Sproemberg, Berlin (1956), S. 51 ff. Karlheinz Blaschke, Das Augustiner-Chorherrenstift St. Nikolai in Stendal 1188–1551. In: Der Dom St. Nikolaus in Stendal. Geschichte und Gegenwart. Hg. von E. Simon, Berlin (1988).

Sternberg (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 334. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 120.

Die 1309 erbaute Stadtkirche ist den Heiligen Nikolaus und Maria geweiht. Der Patrozinienwechsel ist vermutlich beim Ausbau der Kaufmannssiedlung zur Rechtsstadt erfolgt.

Stettin/Szczecin (Polen, Hinterpommern) DSB Nordost, S. 235; SB Hinterpommern, S. 352. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 281. Pommern, S. 231 f.

Die südliche Ostseeküstenstraße wurde im 12./13. Jahrhundert nach Süden und damit über Stettin verlegt. Das Teilstück Ückermünde-Stettin wird 1276 als via regia genannt. Die Nikolaikirche bestand vor 1243 als Kapelle in der Altstadt, sie erhielt 1335 einen

2. Ortsartikel

205

Neubau. Südlich der pommerschen Burg und der dabei gelegenen slawischen Siedlung mit der Petrikirche entstand um 1124 eine Kaufmannssiedlung entlang der Oder, wo in der Nähe des späteren Rathauses die 1811 abgebrannte Nikolaikirche lag. Dieses Gebiet zwischen Heumarkt und Flussufer wird als Handelswik angesehen. Östlich davon entstand um 1184 eine Neustadt mit der Jakobikirche. Es darf angenommen werden, dass auch die Altstadt damals schon ihre Nikolaikirche hatte. 1243 wurde die Stadtgründung mit der Verleihung des Magdeburger Rechts durch den Pommernherzog abgeschlossen. H. Kröcher, Stettin. Ein Beitrag zur modernen Stadtgeographie. In: Baltische Studien, Neue Folge 18 (1914), S. 13 ff mit Stadtplan. Walter Kuhn, Die deutsch-rechtlichen Städte in Schlesien und Polen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. In: Ebenda, 15. Jg. (1966), Heft 2, S. 331. Heinz Stoob, Die Ausbreitung der abendländischen Stadt im östlichen Mitteleuropa. In: ZfO 10. Jg. (1991), Heft 1, mit Stadtplan.

Stockholm (Schweden) Johansson, S. 14.

Die unmittelbar neben dem Schloss gelegene Nikolaikirche wird 1279 als Stor-Kyrkan (Große Kirche) genannt. Sie stand innerhalb der Stadtmauer von 1288.

Stolp/S∏upsk (Polen, Hinterpommern) DSB Nordost, S. 242; SB Hinterpommern, S. 286. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 287. Baedeker Polen, S. 361.

Außer der Pfarrkirche St. Marien gab es eine Klosterkirche der Prämonstratenserinnen, die 1772 in eine Schule umgewandelt wurde. Um die Nikolaikirche an der Stolpe und die Burg entwickelte sich eine deutsche Siedlung, worauf die Nikolaistraße in der Altstadt hinweist.

Stralsund (Pommern) DSB Nordost, S. 244; SB Hinterpommern, S. 244. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 292.

Der älteste Teil der Stadt liegt um den Alten Markt mit dem Rathaus und der Nikolaikirche am Hafen. Nach der Verleihung des Stadtrechts 1234 entstand die 1256 erwähnte Neustadt mit der Marienkirche am Neuen Markt, die früher ein eigenes Rathaus hatte. Als jüngste Kirche kam die Jakobikirche hinzu. Mit der zeitlichen Abfolge von Nikolai, Marien und Jakobi bietet Stralsund ein Musterbeispiel für viele norddeutsche Städte u.a. auch für Riga. Herbert Ewe, Stralsund. Rostock (1962), S. 32.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Straßburg/Strasbourg (Frankreich) Hachette, S. 572.

Die Nikolaikirche steht am Quai St. Nicolas, wo die Fernstraße von Kolmar die Ill überschreitet. Von hier aus zieht sich der Landweg nach Norden längs durch das ganze Elsaß. An ihm entstanden die Stauferburg Hagenau und die Kaufmannssiedlung.

Strausberg (Brandenburg) (Abbildung 18, S. 74) DSB Nordost, S. 652; DSB Brandenburg, S. 495. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 370.

Neben der um 1250 anzusetzenden Marienkirche stand die ältere Nikolaikirche im Südosten der Altstadt, wo sich die Kaufmannssiedlung befand. Sie wurde 1787 abgetragen. Die Breite Straße führte nordsüdlich durch die Stadtanlage. Strausberg lag im Jahre 1247 in der Mitte einer via vetus von Köpenick nach Briezen. K. H. Wels, Strausberg. (1924) mit Stadtplan. Rolf Barthel, Geschichte der Stadt Strausberg, Berlin, (1987). Studien zur Geschichte, Bd. 9, S. 15–17 (mit Stadtplan).

Striegau/Strzegom (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 889; SB Schlesien, S. 424. Hist. Stätten Schlesien, S. 523.

Außer der Pfarrkirche St. Peter und Paul gab es eine Nikolaikirche, die 1341 als Leprosenkapelle, später als Begräbniskirche diente, 1862 erneuert, aber schließlich abgebrochen wurde. Das „Bürgerhospital St. Nikolai“ lag vor dem Schweidnitzer Tore.

Stuhlweißenburg/Székesfehérvár (Ungarn) Die Nikolaikirche steht in der Ofener Vorstadt an der Gabelung der Straßen nach Raab und Gran. Mit einer königlichen Burg war die Stadt eine Hauptstadt des Landes mit einer Krönungskirche und seit 1116 Grablege der Könige. In der Ofener Vorstadt befand sich das in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gegründete Nikolausstift. Hier ließen sich die Latini nieder. Unter den Latini sind hauptsächlich Flamen und Franzosen zu verstehen. Die Nikolaikirche wird erstmals 1215 genannt. Sie wird auch als ecclesia hospitalis genannt, die der Versorgung nach dem Heiligen Lande fahrender Pilger diente. Erik Fügedi, Der Stadtplan von Stuhlweißenburg und die Anfänge des Bürgertums in Ungarn. In: Acta Historica Academiae Scientiarum Hungaricarum 15, (1969), S. 103–136. Ders., Die Entstehung des Städtewesens in Ungarn. In: Alba Regia. Annales Musei Stephani Regis X (1969), S. 110. Ders., Székesfehérvár Korai Történeta a varos alaprajzában (mit deutschem Auszug). Frühgeschichte Stuhlweißenburgs im Spiegel des Grundrisses der Stadt, S. 34.

2. Ortsartikel

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Svendborg (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 200.

Die Nikolaikirche wurde um 1220 erbaut und 1229 erstmals genannt. Im Mittelalter kam die Marienkirche hinzu. Die bisher in der dänischen Forschung geltende Meinung von der Überlegenheit der nordischen Kauffahrer bis 1225, die erst nach 1250 vom Vorrang der Deutschen abgelöst worden sei, wird im Blick auf die Architektur der Svendborger Nikolaikirche in Frage gestellt. Sie wird als „zweifellos norddeutsch“ bezeichnet und „sehr wohl“ als eine deutsche Kaufmannskirche eingeschätzt, der sich vielleicht auch dänische Nikolaikirchen an die Seite stellen ließen. Henrik M. Jansen, På sporet af vikingetidens Svendborg. In: Fynske Minder, Svendborg Amts Museum (1972), S. 43–66, mit deutscher Zusammenfassung. Thomas Riis, Sct. Nicolai i Svendborg – en købmands kirke? Ebenda S. 66–76. Erich Hoffmann, Beiträge zur Geschichte der Stadt Schleswig und des westlichen Ostseeraums des 12. und 13. Jahrhunderts. In: Erich Hoffmann, wie Anm. Schleswig (1980).

Tangermünde (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 701. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 458. Atlas Saale, Blatt 38, Teilkarte II und S. 183.

Bei der seit dem 10. Jahrhundert bestehenden Burg am wichtigen Elbübergang wird die Stiftskirche St. Stephani 1188 genannt. Sie wurde 1370 zur Parochialkirche der Stadt erhoben, deren Gründung um 1200 anzusetzen ist. Im Südwesten der Altstadt steht unmittelbar bei dem nach Westen gehenden Tor noch innerhalb der Mauer die kleine Nikolaikirche, die als erste Pfarrkirche im Feldstein-Ziegelbau um 1200 erbaut worden sein muss. Ihre geringe Größe wird mit den ursprünglich geringen Ausmaßen der Altstadt erklärt. Seit dem 16. Jahrhundert war sie profaniert.

Tann (Hessen) DSB Hessen S. 412. Hist. Stätten Hessen, S. 397.

An der Straße von Frankfurt am Main nach Leipzig durch die Rhön entstand die 1197 genannte civitas. Außer der Stadtpfarrkirche St. Georg steht die Nikolaikirche an der gradlinig durch die Stadt gehenden Fernstraße, die hier den Namen Steinweg führt. 1332 wird der Ort als Stadt bezeichnet. Die außerhalb der engeren Stadtanlage stehende Nikolaikirche diente als Friedhofskirche.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Tennstedt (Thüringen) DSB Mitte, S. 703. Hist. Stätten Thüringen, S. 39.

Außerhalb der Stadt mit der Wipertikirche liegt neben der Mauer an ihrer Südostecke die 1689 erneuerte Gottesackerkirche St. Nikolai, ein einschiffiger Bau in rohen gotischen Formen mit Holzdecke. H. Wohlfahrt, Tennstedt in Gegenwart und Vergangenheit. Tennstedt (1894), S. 8.

Thamsbrück (Thüringen) DSB Mitte, S. 707. Hist. Stätten Thüringen, S. 435.

Außer der Stadtpfarrkirche St. Georg gab es eine Nikolauskapelle vor dem Dammtor. Auch war die steinerne Brücke über die Unstrut dem Schutz des hl. Nikolaus befohlen.

Thorn/Toruƒ (Polen) Hist. Stätten Ost- und Westpreußen, S. 221.

Die mächtige Fernhandelsstadt an einem Weichselübergang besteht aus der Altstadt mit der Johanniskirche und der Neustadt mit der Jakobskirche. 8 km unterhalb dieser ersten Stadtanlage entstand eine Befestigung mit Ansiedlern, die 1233 mit der Kulmer Handfeste versehen wurde. 1236 wurde die Stadt an ihren heutigen Standort verlegt und entwickelte sich zur „Königin der Weichsel“, die als Sammelstelle für die Unternehmungen in das Preußenland diente. Die Ordensburg wurde 1250 erbaut. Die Neustadt war vorwiegend mit Handwerkern besiedelt. Sie erhielt als eine „Große Stadt“ der Hanse im Jahre 1403 das Niederlagsrecht. Außerhalb der Altstadt stand auf dem Boden der Neustadt eine Kaufmannssiedlung, deren Nikolaikirche nach der Stadtgründung als Dominikanerkloster genutzt wurde. Die Alte Thornische Gasse führte durch das Altstädtische Tor zur Frühstadt im Norden. Historischer Atlas polnischer Städte: Toruƒ. Atlas Histor˘czny Miast Polskich, Tom. I, Heft 2, Königliches Preußen und Ermland. Red. Antoni Czacharowski, Bl. 2: Wachstumsphasen, (1995).

Tilleda (Thüringen) Hist. Stätten Thüringen, S. 438.

Im Zuge der von Nordhausen nach Allstedt führenden via regia entstand an einem geräumigen Marktplatz mit einer Nikolaikirche eine Anlage, die dem Muster stauferzeitlicher Reichslandstädte entspricht. Der Marktort T. stand mit einer zentralen Anlage des

2. Ortsartikel

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Reiches im Rahmen einer Kaiserpfalz in engster Verbindung. Obwohl T. ein Dorf blieb, werden noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts Stadt und ganze Gemeinde Tilleda und Ratsherren und Schultheißen samt der ganzen Gemeinde des Flecks Tilleda genannt, auch entrichteten die meisten Häuser ein „Marktgeld“ an das Amt Kelbra. Heinz Stoob, Formen und Wandel staufischen Verhaltens zum Städtewesen. In: Fs. für Hermann Aubin, (1965), S. 423–451. Oskar August, Räumlich-zeitliche Entwicklung des Ortes und der Flur Tilleda. In: Paul Grimm, Tilleda I, Berlin (1968), S. 20–36.

Tondern/Tønder (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 205.

Neben einer alten Laurentiuskirche wird die Nikolaikirche erstmals zum Jahre 1365 genannt, ihr Turm ist bis in die Gegenwart erhalten geblieben. Die städtischen Privilegien sind in niederdeutscher Sprache verfasst. Die Stadt befand sich vorwiegend in deutschen Händen.

Torgau (Sachsen) DSB Mitte, S. 709. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 467. Atlas Saale, S. 207.

Bei der 973 erwähnten Burg entstand eine Siedlung, zu der die 1119 genannte Marienkirche gehörte. Der Ort, dessen slawischer Name nichts weiter als „Markt“ bedeutet, besaß 1119 einen locus mercatus. Im Zuge der am Westufer der Elbe laufenden NordSüd-Straße, die hier von einer den Elbübergang nutzenden West-Ost-Straße gekreuzt wird, befindet sich in gewisser Entfernung von der Burg der Marktplatz, an dessen Westseite an der Leipziger Straße die Nikolaikirche steht. Sie wird 1359 als Filial der Marienkirche genannt. Bei ihr lag seit jeher der städtische Friedhof, der seit 1466 mit Häusern bebaut wurde. Infolge der Reformation fand der Gottesdienst in ihr ein Ende, so dass sie dem Rat zu anderweitiger Verwendung übergeben wurde. An ihrer Ostseite entstand das 1566 fertig gestellte Rathaus auf dem ehemaligen Friedhof. Über die Datierung der Nikolaikirche im Verhältnis zur älteren Marienkirche kann es keine Zweifel geben, wie ein Vergleich mit der Dresdener Frauenkirche zeigt. Sie ist als Ausnahmefall anzusehen. E. Henze, Einiges über Torgaus frühere Kirchen. In: Veröffentlichungen des Altertumsverein zu Torgau, Heft XIII/XIV (1901), S. 39. Ders., Geschichte der ehemaligen Kur- und Residenzstadt Torgau. Torgau (1925), (mit Stadtplänen). C. Knabe, Geschichte der Stadt Torgau. 2. Aufl. (1925). Karlheinz Blaschke, Die geschichtliche Entwicklung der Stadt Torgau von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Die Denkmale der Stadt Torgau, bearb. von Peter Findeisen und Heinrich Magirius, Leipzig (1976), S. 13–37. DSA, Lieferung II, Nr. 14, hg. von Heinz Stoob, bearb. von Karlheinz Blaschke, Münster (1979).

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Toulouse (Frankreich) Hachette, S. 866.

Die Kirche St. Nicolas steht außerhalb der Altstadt am anderen Ufer der Garonne nahe an der Fernstraße nach Westen. Von der Straßenkreuzung im alten Römerlager führt ein Arm (der Decumanus) über den Pont vieux zur Kirche St. Nicolas. Philippe Wolff, Civitas et burgus. L’ exemple de Toulouse. In: Die Stadt in der europäischen Geschichte. Fs. für Edith Ennen, Bonn (1972), S. 202.

Trachenberg/˚imigród (Polen, Schlesien) DSB Nordost, S. 893; SB Schlesien, S. 432. Hist. Stätten Schlesien, S. 541.

Neben der Pfarrkirche St. Marien ist das Hospital zum hl. Nikolaus 1482 überliefert.

Trelleborg (Schweden) Johansson, S. 16.

Die Nikolaikirche wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts im mittelalterlichen Stadtraum erbaut. Daran erinnert der Nicolai-Plan in der Stadtmitte.

Treptow a.d. Tollense (Altentreptow) (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 253. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 149.

Neben der im 14. Jahrhundert erbauten Petrikirche stand die Nikolaikirche, die 1779 abgerissen wurde.

Treptow a.d. Rega (Neuentreptow)/Trzebiatów (Polen, Hinterpommern) DSB Nordost, Bd. 1, S. 250; SB Hinterpommern, S. 305. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 303. Pommern, S. 235.

Neben der Marienkirche gab es die Nikolauskirche des Nonnenklosters. Sie wurde nach der Reformation abgerissen.

Treuenbrietzen (Brandenburg) DSB Nordost, S. 662; DSB Brandenburg, S. 518. Hist. Stätten Berlin Brandenburg, S. 380.

An der Straße von Leipzig nach Berlin steht die Pfarrkirche St. Marien neben einer Nikolaikirche an der Breiten Straße. Der Ortsname hat nichts mit der Legende um den

2. Ortsartikel

211

Treuen Waldemar zu tun. Er erklärt sich vielmehr als das „Treuge“ (ma. für „trocken“) Briezen auf dem Teltow im Gegensatz zum „nassen“ Wriezen an der Oder.

Troyes (Frankreich) Hachette, S. 513.

Die Kirche St. Nicolas steht am westlichen Rande der Altstadt an der durchgehenden Fernstraße.

Turany/Turán (Slowakei) Hudák, S. 325. Mezö, S. 88 b.

In der ostslowakischen Stadt wurde in den Jahren 1332–37 ein Thomas plebanus sancti Nicolai genannt, womit die Funktion als Pfarrkirche erwiesen ist. Mon. Vat. Slovaciae 1, S. 91, Nr. 518.

Tyrnau/Trnava (Slowakei) Hudak, S. 189. Mezö, S. 324.

Die Nikolaikirche, der heutige Dom, steht am Nikolai-Platz am Ostrande der Stadt an der Nord-Süd-Straße (via Bohemica) aus Ungarn nach Mähren und Böhmen. Durch päpstliche Schenkung gelangten die Einkünfte der Kirche an das Domkapitel in Gran, wobei die ecclesia sancti Nicolai erwähnt wurde. Trnava. Orientaãn˘ plán. Kartografické nakladatelstvo, Bratislava (1969). Codex diplomaticus et epistolaris Slovaciae I (1971), S. 131 und 134, Nr. 166 und 170.

Überlingen (Baden-Württemberg) DSB Baden-Württemberg, S. 392. Hist. Stätten Baden-Württemberg, S. 684.

An der Straße von Ulm über Pfullendorf nach Konstanz wurde bei dem spätgotischen Nikolausmünster der Fährbetrieb über den Bodensee durchgeführt.

Uebigau (Brandenburg) DSB Mitte, S. 715; DSB Brandenburg, S. 523. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 473.

In einem wenig bedeutenden Straßennetz stand in dem Ackerbürgerstädtchen die Stadtkirche St. Nikolai.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Urfahr – Linz (Oberösterreich) ÖSB Oberösterreich, S. 200. Hist. Stätten Österreich 1, Donauländer, S.71.

Die den Linzer Stadtraum betreffende Nikolaikirche war auf dem nördlichen Ufer der Donau im Stadtteil Urfahr gegenüber der Stadt Linz erbaut, da die Fernstraße auf dieser Seite des Flusses entlang führte, wo sie die Städte Stein und Korneuburg berührte. 1497 wurde die am Markt Platz ansetzende Donaubrücke gebaut. Die im Jahre 1492 gestiftete Kirche mit dem Doppelpatrozinium Nikolaus und Christophorus wurde 1790 profaniert.

Utrecht (Niederlande) Die Nikolaikirche steht an der Alten Gracht in der Nähe zum Wasserlauf. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert. Utrecht, Touristenprospekt, Provinzialer Verkehrsverein Utrecht, o.J.

Valenciennes (Frankreich) Hachette, S. 903.

Die Kirche St. Nicolas wurde einst als Kapelle des Jesuitenkollegs genutzt.

VaraÏdin/Warasdin (Kroatien) Die Hauptstraße Zagreb road führt zur Burg. An ihr liegt die Pfarrkirche St. Nikolaus. Mirela Slukan Altiç, Povijesni Atlas Gradova V. svezak VaraÏdin (Städteatlas), Beilage mit Stadtplan von 1860 1 : 2 500.

Varde (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 218.

Neben einer älteren Jakobskirche wurde wohl um die Mitte des 12. Jahrhunderts die jüngere Nikolaikirche erbaut. Im Jahre 1806 wurde sie abgebrochen.

Västerås (Schweden) Johansson, S. 18.

Die im Jahre 1311 genannte Nikolaikirche liegt an der Storagatan (Große Straße) außerhalb der mittelalterlichen Stadt am Flussübergang.

2. Ortsartikel

213

Vejle (Dänemark) Hist. Stätten Dänemark, S. 220.

Die im 13. Jahrhundert erbaute Stadtkirche war dem hl. Nikolaus geweiht. Der ursprüngliche Holzbau wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Stein aufgeführt.

Verden (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 362. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 404.

Die Nikolaikirche beim Dom wurde 1263 als Kapelle für ein Hospital erbaut.

Villach (Österreich, Kärnten) Hist. Stätten Österreich 2, Alpenländer und Südtirol, S. 306.

Die zum Jahre 1309 erstmals genannte Nikolaikirche liegt am jenseitigen Ufer der Drau an einer Straße nach Italien als Teil eines in sich geschlossenen Siedlungskörpers. Archiv für Vaterländische Geschichte und Topographie, hg. vom Geschichtsverein für Kärnten, 53. Bd., Klagenfurt (1959), Erläuterungen zum Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer, 8. Teil Kärnten, von Gotbert Moro, S. 44.

Vilnius/Wilna (Litauen) Baedeker Baltikum, S. 440. ADAC-Reiseführer Baltikum, S. 94. Pommern, S. 241.

Bei der Residenzburg der litauischen Großfürsten entstand südwestlich der Nord-SüdFernstraße um die im Jahre 1387 genannte Nikolaikirche einer der Siedlungsmittelpunkte der späteren Stadt an der Landstraße nach Troki und Kauen. Die Nikolaikirche gilt als Beweis für eine deutsche Kaufmannssiedlung, die vor der Stadtentstehung in gehöriger Entfernung von der Burg angelegt worden war. Im 15. Jahrhundert wurde daraus das Deutsche Viertel der Stadt, wo auch die Deutsche Straße im Zuge der NordSüd-Fernstraße verläuft. Da die Entstehung der Nikolaikirchen in die Zeit nach der Translation von 1087 zu setzen ist, kann auch die Nikolaikirche von Vilnius in das frühe 12. Jahrhundert eingeordnet werden. Povilas Reklaitis, Die St. Nikolaikirche in Wilna und ihre stadtgeschichtliche Bedeutung. In: ZfO 8. Jg., (1959), S. 500.

214

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Vitre (Frankreich) Hachette, S. 426.

Außerhalb der Altstadt mit der Kirche Notre Dame steht die Kirche St. Nicolas am Flussübergang.

Wagstadt/Bílovec (Tschech. Republik, Schlesien) Hist. Stätten Böhmen-Mähren, S. 643. Kuãa 1, S. 121.

Die um 1320 gegründete, befestigte Kolonistenstadt wird 1329 bezeugt. Sie gehörte mit ihrer Nikolaikirche zum schlesischen Fürstentum Troppau.

Waldenburg, Altstadt (Sachsen) (Abbildung 19, S. 75) DSB Sachsen, S. 226. Hist. Stätten Sachsen, S. 354.

Der Ort besteht aus einem schnurgerade auf den Muldenübergang zulaufenden Teil der Fernstraße von Altenburg über das Erzgebirge nach Böhmen. An der Straße sind in doppelter Reihe eng aneinander gebaute Häuser ohne die zu einem Bauerndorf gehörenden Abstände angelegt, so dass eine bäuerliche Siedlung auszuschließen ist. Am unteren Ende steht die Pfarrkirche, von der kein Patrozinium überliefert ist und ein solches auch nicht durch Indizien erschlossen werden kann. Ebenso wie bei der 7 km entfernten Anlage in Glauchau kann es sich nur um eine Kaufmannssiedlung mit Nikolaikirche handeln. Der bezeichnende Name Altstadt Waldenburg zeigt im Zusammenhang mit der auf der anderen Seite des Flusses und mit der Rechtsstadt Waldenburg ihre Stellung im Vorgang der Stadtentstehung an. Der Ort kann in seiner städtebaulichen Anlage mit der Neumarkt-Siedlung am Ostufer der Saale vor Merseburg verglichen werden. Schumann-Schiffner, Lexikon von Sachsen, 12. Bd. (1825), S. 378. Karlheinz Blaschke, Die Kaufmannssiedlung im 12. Jahrhundert als Typus. Glauchau, Grimma und Waldenburg als Einzelfälle. In: NASG, Bd. 83 (2012).

Waldheim (Sachsen) DSB Mitte, S. 227. Hist. Stätten Sachsen, S. 355.

Pfarrkirche der im 12. Jahrhundert entstandenen Stadt ist die an der Straße von Leisnig über das Erzgebirge nach Böhmen gelegene Nikolaikirche. Zu ihr gehörte die 1338 genannte Brücke über die Zschopau. Die Kirche stand bis 1832 auf dem Markt, der die Oberstadt von der Unterstadt trennt, wurde aber danach völlig neu an anderer Stelle

2. Ortsartikel

215

erbaut. Die Stadtanlage bestand ursprünglich nur aus einer marktartig erweiterten Straße, so dass es sich um eine im Entwicklungsstand der Kaufmannssiedlung stehengebliebene Anlage handeln kann. Die alte Stadtkirche unter dem Marktplatz in Waldheim. In: Verborgene Schätze. Archäölogie im Landkreis Döbeln 1992–2002 (Denkmale im Landkreis Döbeln, Heft 4) S. 22, Oschatz (2003).

Waltershausen (Thüringen) DSB Mitte, S. 384. Hist. Stätten Thüringen, S. 460.

Der planmäßige Ausbau des Ortes zur Stadt durch die Landgrafen von Thüringen wurde durch Landgraf Hermann 1209 gefördert. Zur Stadtbefestigung gehörte im Norden das Claustor, vor dem sich das Siechenspital und die dabei gelegene Vorstadt befanden.

Wansen/Wiàzów (Polen, Schlesien) Hist. Stätten Schlesien, S. 559.

Im Jahre 1250 wurde es dem Bischof von Breslau gestattet, bei seinem Dorfe Wanzow (= Alt-Wansen) eine Stadt und einen Markt nach deutschem Recht anzulegen. 1252 war die Stadt mit der Nikolaikirche im Bau begriffen. 1310 ist eine Zollstätte an der Straße von Breslau nach Neiße bezeugt.

Wanzleben (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 718. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 481.

Die Stadtkirche war dem hl. Jakobus geweiht. Das Hospital St. Nikolai in der Hospitalstraße besaß eine Nikolaikirche, die im 19. Jahrhundert abgebrochen wurde. Die Stadtpfarrei lag bis 1684 hinter dem Hospital.

Wartberg/Senec (Slowakei) Hudák, S. 189. Mezö, S. 331b.

Die ecclesia sancti Nicolai wird zum Jahre 1323 genannt. Regesta diplomatica nec non epistolaria Slovaciae II, (1987), S. 428, Nr. 987. Ecclesia Sancti Nicolai in Wortberg, Monumenta Vaticana Slovaciae II, (2009), ed. Vladimir Rábik, S. 156, Nr. 244.

216

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Weida (Thüringen) DSB Mitte, S.387. Hist. Stätten Thüringen, S. 471.

Die Altstadt liegt als ehemaliges Dorf in einer Flussschlinge rechts der Weida, sie besaß einst eine Marienkirche. Ihr gegenüber entstand am linken Ufer seit 1163 die Neustadt mit der ehemaligen Peterskirche. Erst später wurde die Altstadt stadtartig ausgebaut. Am Nordeingang stand an der Straße nach Gera bis zur Reformation eine Nikolaikapelle. H. G. Franke, Berichte über die älteste Geschichte der Stadt Weida in Thüringen. Weida (1919).

Weiden (Oberpfalz) DSB Bayern 2, S. 724. Hist. Stätten Bayern, S. 751.

Die Stadtpfarrkirche ist dem hl. Michael gewidmet. Im Norden der Stadt erstreckte sich die Niklasvorstadt entlang der Pressather Straße. Die Nikolaistraße erinnert noch an die ehemalige Niklasvorstadt. Die Straße nach Bayreuth ging durch das Niklastor in der äußeren Stadtmauer. Vor ihm stand die Niklaskapelle. Die Niklasschanze war ein Teil der Stadtverteidigung.

Weimar (Thüringen) DSB Mitte, S. 388. Hist. Stätten Thüringen, S. 473. Atlas Saale, Blatt 38, Teilkarte VII und S. 198–200.

In einiger Entfernung von der Burg wurde 1168 die Jakobskirche erbaut. Der dabei gelegene Stadtteil wird 1278 als vetus civitas bezeichnet, was bei der Bearbeitung des Deutschen Städteatlas fälschlicher Weise als Irrtum bezeichnet wurde. Die neue Stadtgründung ist an der Straße von Erfurt nach Jena zwischen 1240 und 1250 um die Peterskirche erfolgt. Nördlich vor der Stadt lag am Übergang der Straße nach Buttelstädt und Leipzig über den Asbach das Nikolaihospital mit einer 1344 genannten Kapelle St. Nikolai, die am Friedhof urkundlich erwähnt und noch vor der Reformation profaniert wurde. Einem anderen Ansatz folgend hat die capella sancti Nicolai vor dem Peters- und Paulskirchhof gestanden, wo sie sich auch archäologisch nachweisen lässt. Dieser Standort fügt sich allerdings nicht in das gewöhnliche Bild über die Lage der Nikolaikirchen an Flussübergängen ein. Der Wolf’sche Stadtplan von 1574 zeigt südlich der Peterskirche einen frei stehenden Kapellenbau. Auch eine Niederschrift aus dem Jahre 1569 bestätigt diesen Standort der Nikolaikapelle. C. A. H. Burkhardt, Regesten zur Geschichte der Stadt Weimar. Halle/Saale (1885), Nr. 2. Willy Flach, Das mittelalterliche Weimar (975–1547). In: Das Thüringer Fähnlein, Jg. 3, (1934), Heft 2, S. 95; Ders., Grundzüge einer Verfassungsgeschichte der Stadt Weimar. In: Vom Mittelalter zur Neuzeit. Fs. für H. Sproemberg, Berlin (1956), S. 160 mit Stadtplan.

2. Ortsartikel

217

Magister Johannes Wolfs Niederschrift von 1569/70 über die kirchlichen Verhältnisse in Weimar vor der Reformation. In: Michael Gockel, Volker Wahl (Hg.), Thüringische Forschungen, Fs. für Hans Eberhardt, Weimar, (1993), S. 145. DSA, Lieferung VI-1, Blatt Weimar, bearb. von Jürgen Lafrenz, Altenbeken (2000). Ernst Müller, Der Herderplatz. Weimars „Alte Mitte“. Geschichte, bauhistorische Untersuchung. Stadtentwicklungsamt (2009), S. 23–26.

Weißenfels (Sachsen-Anhalt) (Abbildung 20, S. 75) DSB Mitte, S. 723. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 487. Atlas Saale, Blatt 28, S. 202.

Die straßenförmige Kaufmannssiedlung mit einer Nikolaikirche liegt im Zuge der Fernstraße von Halle nach Altenburg, die bei dem alten wettinischen Burgort Weißenfels die Saale überquert. Sie ordnet sich in die über Naumburg, Jena, Saalfeld und Hof nach Nürnberg führende Verbindung ein. Die Kaufmannssiedlung blieb als Niklasvorstadt außerhalb der ummauerten Stadt westlich vor der um 1185 entstandenen Stadt, die als Pfarrkirche eine Marienkirche besaß. Die Siedlung hieß als slawisches Dorf ursprünglich Tauchlitz, wurde noch um 1800 als Altstadt bezeichnet und 1833 als selbständige Gemeinde in die Stadt eingemeindet. Ihre Einwohner hätten sich 1180 weiter hereinwärts unter das Schloss gezogen, heißt es in der Überlieferung. Zur Zeit der Reformation war die Nikolaikirche ein Hospital. G. E. Otto, Geschichte und Topographie der Stadt und des Amtes Weißenfels. Weißenfels (1796), S. 117. C. A. G. Sturm, Chronik der Stadt Weißenfels. Weißenfels (1846), S. 75. F. Gerhardt, Geschichte der Stadt Weißenfels an der Saale. Weißenfels (1907), S. 140.

Weißensee (Thüringen) DSB Mitte, S. 726. Hist. Stätten Thüringen, S. 487. Atlas Saale, Blatt 38, Teilkarte VI und S. 194.

Südlich der 1168/72 errichteten Landgrafenburg entstand am Übergang der Straße von Erfurt nach Frankenhausen über die Helbe eine Marktsiedlung mit der Nikolaikirche am Alten Markt. Wahrscheinlich am Ende des 12. Jahrhunderts entstand die Stadt mit der Peter-Pauls-Kirche. Die ihrer Bauart nach aus der „romanischen Frühzeit“ stammende turmlose Nikolaikirche war seit der Reformation ohne kirchliche Funktion und wird seitdem als Gottesackerkirche genutzt.

218

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Werden (Ruhr) (Nordrhein-Westfalen) DSB Nordrhein-Westfalen, S. 154 (Essen). Hist. Stätten Nordrhein-Westfalen, S. 186.

Die Nikolaikirche wird zum Jahre 1160 in foro Werdinensi genannt. Evamaria Engel, Wege zur mittelalterlichen Stadt. In: Burg – Burgstadt – Stadt. Zur Genese mittelalterlicher nichtagrarischer Zentren in Ostmitteleuropa, hg. von Hansjürgen Brachmann, Berlin (1995), S. 14.

Wernigerode (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 730. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 494. Atlas Saale, Blatt 37, Teilkarte I und S. 166–168.

An der Fernstraße von Goslar nach Halberstadt entwickelte sich die Stadt aus mehreren Teilen. Bei dem Herrenhofe entstand eine Siedlung mit der Silvester-Kirche. Unmittelbar an der Durchgangsstraße, die hier den Namen Breite Straße trägt, stand die 1265 erwähnte Nikolaikirche auf dem heutigen Nikolaiplatz. Die Frauenkirche wurde an der Burgstraße errichtet. Die Nikolaikirche gehörte bis zu ihrem Abbruch 1879 zur Oberkirche St. Silvestri.

Wettin (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 733. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 496.

Die Stadtkirche St. Nikolai wird auf die Einwanderung niederländischer Kolonisten zurückgeführt.

Wien (Österreich) Hist. Stätten Österreich I, Donauländer, Stadt und Land Wien, S. 643–693. (Völlig unergiebig).

Am Ostrande der Altstadt Wien verlässt die Hauptausfallstraße in dieser Richtung das engere Stadtgebiet durch das Stubentor, wo sich außerhalb der Stadt die Kaufmannssiedlung des frühen 12. Jahrhunderts niedergelassen hatte. Mit der Ausbildung der Rechtsstadt wandelte die Siedlung ihre Funktion, so dass ihre Baulichkeiten von einem Zisterzienser-Frauenkloster in Besitz genommen wurden. Da der Zisterzienser-Orden besonders die hl. Maria verehrte, störte der hl. Nikolaus die Sakralordnung im Blick auf das Kloster mit seiner Nikolaikirche, die nicht in das System der Namen der Zisterzienser passt. Der Widerspruch erklärt sich daraus, dass der hl. Nikolaus aus der Frühzeit der Kaufmannssiedlung an dem Gebäude haften blieb und somit der Doppelname ‚St. Maria bei St. Niklas‘ zustande kam.

2. Ortsartikel

219

Mit vielen Beispielen lässt es sich belegen, dass sich eine Kaufmannssiedlung des 12. Jahrhunderts mit einer Nikolaikirche während des Hineinwachsens ihrer Gemeinde in eine sich entwickelnde Stadtgemeinde auflöst, so dass ihre Kirche für andere Aufgaben frei wird, z.B. als Hospital- oder als Friedhofskirche. In zahlreichen Fällen sind auch ursprüngliche Kirchen von Kaufmannssiedlungen später für geistliche Stiftungen verwendet worden. Das trifft auch in diesem Falle zu. Aus dem Jahre 1530 ist eine Ansicht des Niklasklosters S. Nicolae unser frauen closter mit dem merkwürdigen Doppelnamen erhalten. Daraus geht hervor, dass die Nikolaikirche der alten Kaufmannssiedlung als Klosterkirche für Zisterzienserinnen verwendet wurde. Ferdinand Opll, St. Maria bei St. Niklaus vor dem Stubentor. In: Studien zur Wiener Geschichte. Jb. des Vereins für Geschichte der Stadt Wien, Bd. 50 (1994), hg. von Ferdinand Opll und Karl Fischer.

Wiener Neustadt (Österreich) ÖSB, Niederösterreich 3, S. 267. Hist. Stätten Österreich 1, Donauländer, S. 614.

Die Gründung der 1194 als civitas genanten Stadt wird auf Herzog Leopold VI. zurückgeführt. Eine in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nachzuweisende St. Niklaskapelle bestand inmitten der Stadt außer der Stadtpfarrkirche St. Marien. Sie war vom Friedhof umgeben, 1770 wurde sie abgerissen. Josef Mayer, Geschichte von Wiener Neustadt. Wiener Neustadt (1924). Friedrich Kozak, Beiträge zur Baugeschichte Wiener Neustadt. In: Unsere Heimat. Monatsblatt des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich und Wien, Jg. 38 (1967), Nr. 1/3, S. 34.

Wil (Schweiz) Die Stadtkirche ist dem hl. Nikolaus gewidmet.

Wildungen (Hessen) DSB Hessen, S. 460. Hist. Stätten Hessen, S. 33.

Westlich des zu Anfang des 9. Jahrhunderts als Besitz von Hersfeld genannten Dorfes W. entwickelte sich eine Burgsiedlung, die 1258 als oppidum, 1259 als civitas und 1362 als Stadt genannt wird. Als Markt diente eine Erweiterung der Fernstraße. Die 1258 bezeugte Stadtkirche St. Nikolai stand am Kirchhof.

220

II. Analytische Ortsbeschreibungen

Wilsdruff (Sachsen) DSB Mitte, S. 233. Hist. Stätten Sachsen, S. 362.

Neben dem Waldhufendorf mit der Jakobikirche aus der Ostkolonisation des 12. Jahrhunderts wurde etwa gleichzeitig an der Straße von Meißen nach Dresden eine Kaufmannssiedlung mit der Nikolaikirche angelegt. Sie wurde 1281 als oppidum, 1294 als civitas genannt. Michael Blümel, Geschichte der Stadt Wilsdruff. Bd. I, Von den Anfängen bis zu den Reformen des 19. Jahrhunderts. Wilsdruff (2010).

Wilsnack (Brandenburg) DSB Nordost, S. 672; DSB Brandenburg, S. 18. Hist. Stätten Berlin-Brandenburg, S. 392.

Die Stadtkirche St. Nikolai diente als domartig hochragender Hallenbau für Wallfahrten.

Windau/Ventspils (Lettland) Balt. Hist. Ortslexikon 2, S. 704.

Die Nikolaikirche steht am Rathausplatz in der Nähe des Hafens. Sie fügt sich in die lückenlose Reihe der Städte mit Nikolaikirchen an der südlichen Ostseeküste ein.

Wisby/Visby (Schweden) Johansson, S. 17.

Die etwa seit 1160 durch westfälisch-niedersächsische Zuwanderer entstandene Stadt war auf Lübeck orientiert, sie stieg zum gotländischen Hauptort auf. An der Nikolaikirche richtete sich die ursprüngliche Personalpfarrei der sächsischen Handelsgäste ein. Um 1250 erscheint die Kirche als ein Teil des Dominikanerklosters. Die St. NiclausKirche liegt an der Nicolai-Gata. Heinz Stoob, Schleswig – Lübeck – Wisby. In: Zs. des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde Bd. 59, (1979), S. 26.

Wismar (Mecklenburg) DSB Nordost, S. 344. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 135.

Bevor die Altstadt mit der Marienkirche um 1226 entstand, gab es bereits nördlich davon eine deutsche Kaufmannssiedlung bei der Nikolaikirche, die erst um 1400 in den

2. Ortsartikel

221

Mauerring einbezogen wurde. Die jetzige sehr große Nikolaikirche aus dem späten Mittelalter besitzt in ihrem Unterbau noch Reste des Vorgängerbaus. Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter. Graz, Köln (1954), S. 162 (mit Stadtplan). F. Techen, Geschichte der Seestadt Wismar. Wismar (1929).

Wittenberg (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 736. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 505.

An der Fernstraße von Berlin nach Leipzig entstand am Elbübergang eine Kaufmannssiedlung mit Nikolaikirche. Der Stadtplan von 1742 zeigt die Nikolaistraße als eime gradlinige Siedlung mit den damals noch erhaltenen 20 Grundstücken. Allerdings fehlt bereits die Kirche. Die Stadt ist unmittelbar neben der Kaufmannssiedlung angelegt worden. Die Klausstraße liegt in der Schlossvorstadt zusammen mit dem Poststall, einigen Herbergen für Fuhrleute und drei Gasthöfen, womit ihr enges Verhältnis zum Straßenverkehr angezeigt wird. Hinter dem Stadttor bog sie nach Norden ab. 1332 wird sie als Klausstraße genannt. 1563 wurde an ihr das Universitätskrankenhaus erbaut. Die Vorstadt wurde 1813 wegen des Festungsbaues abgebrochen, so dass weitere Nachforschungen nicht möglich sind. Karlheinz Blaschke, Wittenberg vor 1547. Vom Landstädtchen zur Weltgeltung. In: 700 Jahre Wittenberg, hg. von Stephan Oehmig, Weimar (1995), S. 29–38. Stadtplan 1742 im Ratsarchiv mit Nikolaistraße.

Wittmund (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 386. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 434.

Die Stadt liegt mit ihrer Nikolaikirche an der „zweiten friesischen Heerstraße“ von Oldenburg nach Esens.

Witzenhausen (Hessen) DSB Hessen, S. 466. Hist. Stätten Hessen, S. 443.

Der an einer Straßenkreuzung gelegene Ort erhielt 1225 das Marktrecht. Er lag im Bereich dreier später wüst gewordener Dörfer. 1232 wird er als oppidum, 1247 als civitas genannt. Die Stadtkirche ist Unserer Lieben Frauen gewidmet. Jenseits der Werra wurde beim Steintor das Kloster der Zisterzienserinnen gegründet, dessen Kirche St. Nikolaus 1291 den Wilhelmiten überlassen wurde, deren Kloster 1358 in die ummauerte Stadt verlegt wurde.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Wolfenbüttel (Niedersachsen) DSB Niedersachsen, S. 389. Hist. Stätten Niedersachsen, S. 436.

Die Nikolauskapelle liegt auf einer Flussinsel der Oker.

Wollin/Wolin (Polen, Hinterpommern) DSB Nordost, S. 263; SB Hinterpommern, S. 321. Hist. Stätten Mecklenburg Pommern, S. 321.

Die St. Nikolauskirche wird zum Jahre 1288 genannt.

Wriezen (Brandenburg) DSB Nordost, S. 676; DSB Brandenburg, S. 557. Hist. Stätten Berlin-Brandenburg, S. 397.

Die ursprüngliche Stadtpfarrkirche St. Nikolai wurde durch einen Patrozinienwechsel im Jahre 1415 zu einer Marienkirche. Zum Grundriss der Kirche vergl. den Ortsartikel Freienwalde.

Ystad (Schweden) Johansson, S. 19.

Die im 13. Jahrhundert erbaute Nikolaikirche wird 1452 genannt. Sie lag an der nach Osten führenden Fernstraße Östergatan. Ihr folgte die Marienkirche. Auf den Grundmauern der abgerissenen Nikolaikirche steht heute das Stadtarchiv.

ZamoÊç (Polen) Baedeker Polen, S. 453.

Am Rande der Altstadt steht die Nikolauskirche an der Straße nach Lemberg und Lublin.

Zbirow/Zbiroh (Tschech. Republik, Böhmen) Hist. Stätten Böhmen-Mähren, S. 679. Rokyta 1, S. 233.

Am Handelsweg von Prag über Pilsen nach Regensburg wurde vor 1230 die Burg erbaut. Die Nikolaikirche wird 1330 als Pfarrkirche genannt.

2. Ortsartikel

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Zeitz (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 747. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 519. Atlas Saale, Beiheft S. 189 (mit Stadtplan).

Bei einer im 10. Jahrhundert nachweisbaren Burg stand eine Jakobskirche, die 1079 von Wiprecht von Groitzsch zerstört und möglicher Weise mit einem Patrozinienwechsel als Nikolaikirche wieder aufgebaut wurde. Sie ist an Stelle der 1822 abgebrochenen jüngeren Nikolaikirche auf dem Nikolaiplatz zu suchen. Die 1140 genannte, 1147 zum Domkapitel gehörende Nikolaikirche war die Pfarrkirche der damals als civitas genannten Unterstadt (= Brühl), deren Straßenmarkt im Zuge der durchgehenden Fernstraße von Altenburg nach Naumburg und Halle/Saale lag. Die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstandene Oberstadt mit der Michaelskirche liegt neben dieser Fernstraße. Die Nikolaikirche wurde in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts wegen Baufälligkeit abgetragen. Urkundenbuch des Hochstifts Naumburg, Teil 1 (967–1207), bearb. von F. Rosenfeld, Magdeburg (1925), Nr. 180 und 188. Hans-Joachim Mrusek, Drei sächsische Kathedralen. Merseburg – Naumburg – Meißen (mit Stadtgrundriss), Dresden, (1976), S. 393.

Zerbst (Sachsen-Anhalt) DSB Mitte, S. 753. Hist. Stätten Provinz Sachsen-Anhalt, S. 524. Atlas Saale, Blatt 35, Teilkarte VII und S. 149 (mit Stadtplan).

Bei der 1196 genannten Burg entstand am Ende des 12. Jahrhunderts ein Suburbium mit der Bartholomäuskirche. Um 1200 bildete sich eine Marktsiedlung mit der Nikolaikirche an der Straße von Brandenburg und Aken nach Dessau. Sie wurde zur Pfarrkirche der Stadt. Zum Markt führt die Breite Straße.

Zittau (Oberlausitz) DSB Mitte, S. 238. Hist. Stätten Sachsen, S. 371.

Bevor Zittau zur Stadt wurde, befand sich auf der Stelle der Petri – Pauli – (Kloster-) Kirche im Jahre 1109 zufolge einer von Christ. von Hartig überlieferten Nachricht eine dem hl. Nikolaus geweihte Kapelle. Sie war weniger als einen Kilometer von der Herberge der Fuhrleute entfernt, „welche aus Polen, Brandenburg und Schlesien übers Gebirge nach Böhmen gewollt“. C. A. Pescheck, Handbuch der Geschichte von Zittau. Erster Teil, Zittau (1834), S. 90.

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II. Analytische Ortsbeschreibungen

Znaim/Znojmo (Tschech. Republik, Mähren) Hist. Stätten Böhmen Mähren, S. 692.

Bei der pfiemyslidischen, aus großmährischer Zeit stammenden Burg wurden bei einer Furt durch die Thaya die beiden Kirchen St. Nikolaus und St. Michael erbaut, die 1226 urkundlich als Pfarrkirchen genannt werden. Danach folgte die planmäßige Stadtanlage, die sich an dem aus Böhmen in den Donauraum führenden Handelsweg entwickelte. Die Nikolauskirche wurde nach einem Brand 1335 neu erbaut.

Zwickau (Sachsen) DSB Mitte, S. 244. Hist. Stätten Sachsen, S. 380.

An einer Straße von Altenburg nach Böhmen stand im Jahre 1118 bei einer Zollstätte die Marienkirche als Mittelpunkt eines ausgedehnten Kirchspiels. In der Nähe der Muldenfurt bildete sich wahrscheinlich schon vor 1145 eine Kaufmannssiedlung um die einstige Nikolaikirche, die auf dem heutigen Nikolaiplatz stand und 1160 als ecclesia oppidi genannt wird. Zur eigentlichen Stadtgründung ist es nach 1160 gekommen. Die Stadterweiterung am Anfang des 13. Jahrhunderts hat die Marienkirche und die jüngere Katharinenkirche einbezogen, worauf die Nikolaikirche ihre ursprüngliche Stellung als Stadtkirche einbüßte. 1353 wird sie als capella bezeichnet, während im Zuge einer beträchtlichen Stadterweiterung die ursprüngliche Nikolaistadt in der größer gewordenen Rechtsstadt aufging und die Marienkirche zur Hauptkirche der Stadt wurde. In der Reformationszeit ist die Nikolaikirche ganz eingegangen und abgetragen worden. Walter Schlesinger, Die Entstehung der Stadt Chemnitz und anderer mitteldeutscher Städte. Weimar (1952). Manfred Kobuch, Zur Frühgeschichte Zwickaus. Bemerkungen zu Stadt und Vorstadt im 12. und 13. Jahrhundert. In: Regionalgeschichtliche Beiträge aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt, Heft 2 (1980), S. 49–64. Silva Teichert, Die Entstehung der Stadt Zwickau im Spiegel jüngster Ausgrabungsergebnisse. Zur Entstehung und Frühgeschichte der Stadt Chemnitz. In: Aus dem Stadtarchiv Chemnitz, Heft 6 (2002).

III. Nikolaikirchen im europäischen Straßennetz des 12. Jahrhunderts (Geographische Verbreitung der dargebotenen Nikolaikirchen mit beispielhaften Straßenzügen)

Um in die Vielzahl der im 12. Jahrhundert entstandenen Nikolaikirchen eine Ordnung zu bringen, tut man gut daran, sich an die Straßenzüge zu halten, an denen sich die Städte befinden. Der Blick auf diesen Gegenstand muss die Frage nach dem Zustand der Straßen einschließen. Der Begriff „Straße“ hat sich als deutsches Lehnwort in der mittelalterlichen Verkehrsgeschichte eingebürgert, obwohl von Straßen in strengem Sinne in jener Zeit nicht gesprochen werden kann. Die römische via strata, der mit Steinen bestreute, d.h. der gepflasterte Weg, hat sich im Deutschen als allgemeiner Ausdruck für den gebahnten Weg auch dort durchgesetzt, wo er nicht mit Steinen befestigt ist. So ist das Wort sowohl für die englische street („Straße in der Stadt“) als auch für road („Landstraße“) üblich geworden. In diesem Sinne ist es auch hier zu verstehen und mit englisch way und dänisch vej für Weg und Landstraße gleichzusetzen. Für die Verbreitung des Nikolaus-Patroziniums lassen sich bestimmte Fernstraßenzüge feststellen, woraus sich die Schlussfolgerung ergibt, die Nikolaikirchen im Zusammenhang eines Systems zu verstehen, als dessen Grundlage das Straßennetz gedient hat. Dazu wird hier eine Übersichtskarte der Orte mit Nikolaikirchen beigefügt. Sie beschränkt sich auf die Darstellung weniger Fernstraßenzüge, um die Möglichkeiten der Deutung anzuzeigen: Die Ostseeküstenstraße, die durch Mitteleuropa führende Fernverbindung von Paris nach Lemberg und Kiew, die Süd-Nord-Strecke vom Brenner nach Hamburg und wenige zusätzliche Verbindungen im Binnenlande. Es wäre verlockend, aus den in der vorliegenden Studie aufgeführten 500 Nikolaistädten einige Verkehrszüge herauszulesen, die als Leitlinien des europäischen Fernverkehrs im 11./12. Jahrhundert ein anschauliches Bild ergeben würden. Besonders eindrucksvoll wirkt die Anordnung der Nikolaikirchen im Zusammenhang mit drei großen Straßenzügen. Dabei geht es um den 1500 km langen Weg entlang der südlichen Ostseeküste, der sich vom dänischen Århus über Flensburg, Schleswig, Eckernförde, Kiel, Lübeck, Grevesmühlen, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anklam, Pasewalk, Stettin, Treptow, Köslin, Stolp, Leba, Danzig, Elbing, Königsberg, Memel, Libau, Riga und Pernau bis nach Reval/Tallinn erstreckt. In gleicher Weise fällt darüber hinaus die mittlere West-Ost-Straße durch Mitteleuropa auf, die aus dem Pariser Becken über die zentrale Landschaft um Frankfurt/Main durch Mitteldeutschland nach der Ukraine führt und dabei eine Reihe herausragender Städte einschließt. Darunter finden sich die Nikolaistädte Meaux, Rethel, Luxemburg,

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III. Nikolaikirchen im europäischen Straßennetz des 12. Jahrhunderts

Frankfurt, Eisenach, Erfurt, Weißenfels, Leipzig, Grimma, Bautzen, Görlitz, Bunzlau, Liegnitz, Neumarkt, Breslau, Brieg, Oppeln, Beuthen und Krakau bis Lemberg. Diese Straße trug in ihrem durch Deutschland führenden Abschnitt die Bezeichnung Hohe Straße oder via regia, weil sie unter dem Recht des deutschen Königs stand und damit über die landesfürstliche Botmäßigkeit erhoben war. An dritter Stelle der großen mitteleuropäischen Fernstraßenzüge ist die von Süden nach Norden und damit von den Alpen abwärts verlaufende Fernstraße zu nennen. Sie lässt sich von Bozen aus über die Nikolaistädte Innsbruck, Hall, Rosenheim, Mühldorf und Neuötting im Inntal bis Passau verfolgen. Dort schwenkt sie an der Donau flussaufwärts bis Regensburg, um dann über Nabburg, Weiden und Berneck das Fichtelgebirge zu überschreiten und an der Sächsischen Saale über Hof, Saalfeld, Kahla, Jena, Naumburg, Weißenfels, Merseburg, Halle/S., Wettin und Bernburg die Elbe zu erreichen. Schönebeck, Magdeburg, Tangermünde, Sandau, Schnackenburg und Lenzen säumen den Weg bis nach Hamburg. Zusätzlich zu der schon genannten Straße an der südlichen Ostseeküste ergibt sich im Binnenlande eine Linie von Halle/S. über Leipzig, Grimma, Leisnig, Döbeln, Meißen, Wilsdruff, Dresden und Pirna über das Osterzgebirge nach Böhmen. Von ihr zweigt in Dresden der Weg über Bischofswerda nach Bautzen ab, wo sich der Anschluss an die transkontinentale Fernstraße, die Via Regia, ergibt, an der die schon beschriebenen Nikolaikirchen mit einer Nebenstrecke von Görlitz über Bunzlau und Haynau zu finden sind. Leipzig erweist sich dabei als Straßenkreuzung über Altenburg, Zwickau, Plauen, Hof und Bayreuth nach Nürnberg. Die Frankenstraße ist mit Nikolaikirchen von Zwickau über Chemnitz, Freiberg, Dresden und Bischofswerda bis zum Anschluss an die Via Regia in Bautzen versehen. Von hoher Bedeutung war die Straße von Leipzig über Eilenburg, Torgau, Herzberg, Luckau, Lübben, Beeskow, Frankfurt/O., Hohensalza, Thorn und Elbing nach Königsberg. Sie lässt sich über Memel im Zuge der südlichen Ostseeküstenstraße fortsetzen. Von dieser Linie zweigt in Zeitz ein Weg über Altenburg, Zwickau und Grünhain ab und daran anschließend in Böhmen die Straße von Saaz nach Prag. Ausgehend von diesem böhmischen Mittelpunkt führt eine mit Nikolaikirchen besetzte Straße nach Norden über Böhmisch Leipa nach Zittau, Görlitz und Forst in der Niederlausitz. In Schlesien ergibt sich neben dem an der Oder verlaufenden Hauptstraßenzug Breslau-BriegOppeln eine am Riesengebirge verlaufende Straße von Liegnitz über Jauer, Striegau, Schweidnitz und Reichenbach nach Frankenstein. Der mitteldeutsche Raum zeigt eine besonders dichte Fülle von Nikolai-Straßenzügen mit den herausragenden Orten Halle und Leipzig. Die Leipziger Nikolaikirche steht hier in der Mitte zwischen Düben, Wittenberg, Treuenbrietzen und Berlin. Südwärts geht es über Pegau, Zeitz, Gera nach Auma und Schleiz, wo der Weg in Hof in die Saale-Linie mündet. Altenburg, Colditz, Grimma, Leisnig, Meißen, Wilsdruff, Dresden, Pirna und Bischofswerda schließen sich an. Die nur schwach mit Nikolaikirchen besetzten Straßenzüge in Osteuropa müssen ebenfalls beachtet werden, weil auf diese Weise eine, wenn auch lockere Einbeziehung

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des Ostens in das europäische Straßennetz greifbar wird. Dabei fällt es auf, dass die großen Flusstäler bevorzugt für die Fernwege zu Lande genutzt wurden. An einen Schiffsverkehr ist dabei bestenfalls flussabwärts zu denken. Eine Inn-Donau-Linie ist mit Nikolaikirchen von Innsbruck bis Budapest nachzuweisen. Dass der Frachtverkehr zu Wasser im Mittelalter gegenüber den sehr beschwerlichen Verkehrsbedingungen auf den schlechten Straßen Vortreile bot, ist eine bekannte Tatsache. Die bereits angesprochene Rolle der Schifffahrt erweist sich für die deutsche Geschichte besonders an der Ostseeküste als auffallend. Die Ostsee hat sich im Mittelalter nahezu als ein deutsches Binnenmeer mit vielen Verbindungen zwischen den einzelnen Häfen erwiesen. In der südschwedischen Stadt Ystad gegenüber der pommerschen Küste lebt heute noch die Erinnerung an die alten Beziehungen zur gegenüberliegenden Stadt Stralsund. Im Baltikum konnten sich deutsche Herrengeschlechter und Großbürger entfalten und dem Lande eine deutsch geprägte Kultur verschaffen. In den großen Städten regierten deutsche Patrizierfamilien, deren vornehme Bauwerke noch nach Jahrhunderten ein Zeugnis von ihrer Baukultur ablegen. Wenn man die Nikolai-Städte in einen Zusammenhang mit den Fernstraßen bringt, dann zeigt sich die Abhängigkeit. Es gibt kein anderes Patrozinium, das so deutlich an das System der Fernstraßen angeschlossen wäre. Das bringt die beigefügte Karte deutlich zum Ausdruck. Allerdings ergeben sich hierbei Schwierigkeiten und Hindernisse. Die von Leipzig bis Pirna vollständige Nikolai-Linie wird auf der böhmischen Seite nicht fortgesetzt, obwohl die Fernstraße über das Osterzgebirge in den nordböhmischen Raum weiterführt. Die in Mitteldeutschland sehr verkehrsreiche Hohe Straße von Leipzig zum Pulsnitz-Übergang Königsbrück wird nicht von Nikolaikirchen begleitet, wie es eigentlich zu erwarten wäre. Damit wird es deutlich, dass es im mitteldeutschen Straßennetz auch Überraschungen für die Forschung gibt. Wer jedoch mögliche Zweifel an der Beweiskraft der These von der Bedeutung der Nikolaikirchen im hochmittelalterlichen Straßensystem hegen sollte, müsste sich durch die dargebotenen, quellenmäßig belegten Tatsachen überzeugen lassen. Mit seiner Sachkenntnis im Einzelnen hat Pirenne auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die der Handel zu überwinden hatte (Kapitel IV): Den bedenklichen Zustand der Verkehrswege, die technisch mangelhaften Transportmittel, die allgemeine Unsicherheit und das unzulängliche Geldwesen, so dass allein die Energie, der Unternehmungsgeist und die erfinderische Beweglichkeit des Kaufmannsstandes die Kraft besaß, die bewundernswerten Ergebnisse und den enormen Fortschritt im internationalen Handel zu erzielen. Wo eine Verdichtung der Nikolaikirchen zu verzeichnen ist, kann auch auf ein stärker entwickeltes Wirtschaftsleben geschlossen werden. Die Fernstraßen erscheinen als dessen Lebensadern. Dazwischen erstrecken sich Räume, in denen der hl. Nikolaus keine lebenspendende Wirkung ausübte. Erst mit Hilfe der Karte gewinnen die Erkenntnisse der historisch-geographischen Statistik eine überzeugende Aussagekraft. Die Aufzählung der Nikolai-Orte darf nicht die Vorstellung erwecken, als seien die dargestellten Strecken ständig von Fernhändlern begangen oder befahren worden und

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als haben sie die Entfernung von Innsbruck nach Hamburg in einem Ritt hinter sich gebracht. Es handelt sich vielmehr um Verkehrslinien, die stückweise zur Benutzung bereitstanden und auch ständig in Anspruch genommen wurden. Sie waren durch die an ihnen erbauten Nikolaikirchen markiert. In einigen Fällen lagen diese zwar an der Fernstraße, aber außerhalb einer Stadt, was auf ein hohes Alter und eine Erbauung vor der Anlage der Stadt hindeutet. So war es in Breslau, wo die Nikolaikirche auf freiem Felde vor der Stadt lag, und in Wien, wo die Nikolaikirche ein weites Stück vor dem Stubentor von der Innenstadt entfernt war. Man kommt beim Betrachten der Landkarte leicht zu Vorstellungen, als ob es im hohen Mittelalter Straßenfahrpläne mit Umsteige- und Anschlussmöglichkeiten gegeben hätte. Derartige Überlegungen sind frei erfunden, aber sie deuten die Möglichkeiten an, die sich im damaligen Verkehrsnetz ergaben. Auch im hohen Mittelalter führten alle Wege nach Rom, wohin man auf geraden und auf Umwegen gelangen konnte. Die Plätze mit Nikolaikirchen boten hierfür in reichem Maße eine Gelegenheit. Die Darbietung von Straßenkarten kann allerdings auch eine verführerische Wirkung ausüben, weil virtuelle Angebote als Wirklichkeit aufgefasst werden können. Eine Straße auf der Landkarte kann immer nur als eine Möglichkeit für den Verkehr verstanden werden. Wie weit von ihr Gebrauch gemacht wurde, muss sich erst im Vollzug der Wirtschaftsgeschichte erweisen. Die auf der Karte angegebenen Straßen sind auf jeden Fall genutzt worden, denn ihre Besetzung mit Nikolaikirchen garantiert diese Feststellung. Daneben gab es auch andere bedeutende Fernstraßen ohne begleitende Nikolaikirchen. Insofern sind die hier niedergelegten Tatsachen nicht erschöpfend, wohl aber als Beiträge zur mittelalterlichen Verkehrsgeschichte zu verstehen.

IV. Anhang Henri Pirenne: Städte und Stadtverfassungen1

1. Einleitung Von Karlheinz Blaschke Für die von Henri Pirenne ausgegangene Erforschung der europäischen Stadtgeschichte besitzt seine in den Jahren 1893/95 verfasste Arbeit über die Entstehung der Städte und der städtischen Verfassungen noch heute unveränderten Wert. Es ist zu bedauern, dass sie in der deutschen Forschung nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit verfolgt worden ist. Man kann dafür das Nachlassen der Kenntnis der französischen Sprache seit der Mitte des 20. Jahrhunderts als Erklärung anführen, was mit dem Vordringen der englischen Sprache zusammenhängt. Für die Mittelalterforschung war das ein großer Nachteil. Im Text von Pirenne spürt man auf Schritt und Tritt das Bemühen, die französische und die deutsche Forschung gleichgewichtig zur Geltung zu bringen. Er muss ein hervorragender Kenner der deutschen Sprache gewesen sein, so dass er auch volkstümliche Redewendungen aus der Rechtssprache in seinen Text einbeziehen konnte. Er zog die Fachliteratur des 19. Jahrhunderts in beiden Sprachen heran. In dieser Hinsicht war er ein echter Europäer, der seine kulturelle Stellung im karolingischen Zwischen-Europa der historischen Niederlande zu nutzen verstand. Damit hat er ein Vermächtnis hinterlassen, das für die heutige Arbeit an der europäischen Geschichte eingesetzt werden sollte. Während seiner Studienjahre in Leipzig, Berlin und Paris hat er ein umfassendes Wissen und methodische Erfahrungen erwerben können, die ihn zu einer Führungsrolle auf dem Gebiet der Stadtgeschichte befähigten. Das geflügelte Wort, am 1. August 1914 seien in Europa die Lichter ausgegangen, trifft auch auf das Werk von Pirenne zu. Seine freundschaftlich-kollegialen Verbindungen nach Deutschland besonders zu Karl Lamprecht, zu dem er sich nach seinen eigenen Worten „engstens verbunden fand bis zu seinem Tod“, brach mit dem deutschen Überfall auf das neutrale Belgien ab, das unter der deutschen Besatzung und Kriegführung schwer zu leiden hatte. Das musste auf einen Mann, für den der Aufbau einer nationalbelgischen Identität eine Lebensaufgabe und Herzensangelegenheit war, erschreckend 1

Deutsche Übersetzung des Aufsatzes LES VILLES ET LES INSTITUTIONS URBAINS aus den Jahren 1893–1895, in: Revue Historique, Paris, Band 53 (1893) und Band 55 (1895).

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IV. Anhang

gewirkt haben. Im Jahre 1916 wurde er von der deutschen Besatzungsmacht verhaftet und als politisch gefährlicher Gefangener nach Deutschland verbracht. Auf der anderen Seite standen die deutschen Historiker mehr oder weniger in der national-deutschen Linie, die gerade mit dem Kriegsausbruch mächtig aufblühte. Obwohl Henri Pirenne im Jahre 1928 auf dem Internationalen Historikerkongress in Oslo wieder mit deutschen Historikern zusammenkam, hat sich ein wirklicher Kontakt mit der offiziellen deutschen Geschichtswissenschaft nicht mehr ergeben. Es ist darum nicht verwunderlich, dass die stadtgeschichtliche Forschung seit dem Neubeginn nach dem Ende des 2. Weltkrieges nicht an Pirenne anknüpfte, sondern nach dem großen Werk von Hans Planitz aus dem Jahre 1954 mit neuen Kräften, neuen Methoden und neuen theoretischen Ansätzen begann. Immerhin würdigte Walter Schlesinger den großen belgischen Historiker Henri Pirenne in seinem damals ungedruckten Manuskript von 1941 über „Die geschichtlichen Voraussetzungen der Glauchauer Stadtgründung“. Es blieb Heinrich Sproemberg, dem Außenseiter in der deutschen Historikerzunft, vorbehalten, mit seinen brieflichen und persönlichen Kontakten die Verbindung in einem anregenden Gedankenaustausch bis kurz vor Pirennes Tod aufrecht erhalten zu haben.2 Eine erneute Beschäftigung mit dem Urtext von Pirennes Aufsatz hat gezeigt, dass die deutschen Arbeiten aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht alle Einzelheiten aus dem reichhaltigen Werk des Altmeisters bedacht haben. Wenn man sich mit den Quellen zur Stadtgeschichte befasst, entdeckt man in den Arbeiten der Fachleute aus dem letzten halben Jahrhundert manche Hinweise, die an Pirenne anknüpfen, in der Zwischenzeit aber unerledigt geblieben sind. Der Aufsatz von 1893/95 ist mit Forschungsfragen angefüllt, so dass sich eine erneute Annäherung daran lohnt. Es geht dabei etwa um die Uranfänge einer original-europäischen Entwicklung jenseits der antik-römischen Stadt im Zuge der gesellschaftlichen Differenzierung, um die Herausbildung eines Bauernstandes und die berufliche Gliederung, um die Identitätsstiftung innerhalb der Bevölkerungsgruppen durch eine kirchliche Organisation, um die Bedeutung der Kirchenpatrozinien und um die topographische Dimension der Stadtentwicklung. Die von Pirenne herausgearbeitete Rolle der Kaufmannssiedlungen (colonies des marchands) ist in der deutschen Forschung nicht beachtet worden. In dem von 1980 bis 1999 in München und Zürich bearbeiteten Lexikon des Mittelalters tritt das Lemma „Kaufmannssiedlung“ nicht auf. Die starre Festlegung auf die Idee der Stadtgründung blieb bestehen, so dass der bewegliche Übergang über die Zwischenstufe nicht zum Tragen kam. Die siedlungsgeschichtlichen Elemente der Forschung wurden vernachlässigt. Eine weitere Vertiefung in den Text von 1893/95 zeigt die Aufgaben an, die in der deutschen Verfassungsgeschichte mit ihrer einseitig von Urkundentexten abhängigen Arbeit immer noch ausstehen und daher zur Weiterarbeit anregen. Ein jüngst erschienener Auf-

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Heinrich Sproemberg, Mittelalter und demokratische Geschichtsschreibung. Ausgewählte Abhandlungen. Darin: Pirenne und die deutsche Geschichtswissenschaft, Berlin (1971), S. 377–440.

2. Der Ursprung der Städtebildung im Mittelalter

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satz zur sächsischen Ortsgeschichte deutet an, welche Lücken in der siedlungskundlichen Forschung stehen geblieben sind.3 Bei den Überlegungen zur Anlage des vorliegenden Buchprojekts erschien es förderlich, den ins Deutsche übersetzten Text des Aufsatzes einzubeziehen. Er bildet die Grundlage für das Verstehen der Stadtentwicklung, die sich auf den von Pirenne beschriebenen Verhältnissen des Niedergangs im spätrömisch-karolingischen Westeuropa entfaltete. Die neuen Städte seien nicht aus Klöstern, Märkten oder Burgen entstanden, sondern haben sich als neue Schöpfungen aus den geographischen Gegebenheiten entwickelt. Der „Wirtschaftsstrom“ ging an Flüsse, Flussmündungen, Furten, Brücken und Straßenkreuzungen, wo die neuen Kaufmannssiedlungen, die colonies des marchands, aufgebaut wurden. Die Bildung der Städte hatte demzufolge natürliche Ursachen, die nur im Blick auf die geographischen Grundlagen und nicht von der politischen Geschichte her zu erklären sind. Mein Beitrag „Studien zur Frühgeschichte des Städtewesens in Sachsen“ in der Festschrift für Walter Schlesinger aus dem Jahre 1973 schließt mit dem programmatischen Satz „Im Anfang war die Straße“. Die heutige Begegnung mit dem Werk von Henri Pirenne zeigt im Abstand von 40 Jahren eine sachliche Übereinstimmung, aus der die Zeitlosigkeit jener Erkenntnisse hervorgehen dürfte.

2. Der Ursprung der Städtebildung im Mittelalter Aus dem Französischen übersetzt von Danielle Wilhelmy und Karlheinz Blaschke4 I. Dass die römischen Städte das weströmische Reich überlebt haben, ist uns wohl bekannt. Wenn auch in dessen nördlichstem Teil, an den germanischen Grenzen, einige Städte gänzlich zerstört wurden, so stellt man doch fest, dass nach den Invasionen die meisten Siedlungen erhalten blieben. Aus den Texten des 6. Jahrhunderts lässt sich ableiten, dass Gallien noch hauptsächlich aus Städten bestand. Dem anwachsenden Chaos und der bedrohlichen Anarchie zum Trotz blieb das Stadtleben erhalten. Die alten Festungsmauern sowie die öffentlichen Gebäude wurden weiterhin unterhalten. Man trug wie bisher die Handlungen in die gesta municipalia ein. Mancherorts sprach man noch vom defensor civitatis oder von den curiales. Auch bestanden einige Handels- und Wirtschaftsaktivitäten fort. Die Grenzsteuern erbrachten dem Staat immer noch ein statt-

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Karlheinz Blaschke, Die Kaufmannssiedlung des 12. Jahrhunderts als Typus. Glauchau, Grimma und Waldenburg als Einzelfälle. NASG, 83. Bd. (2012). Auf die Fußnoten wurde verzichtet. Sie stehen im Originaltext zur Verfügung.

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IV. Anhang

liches Einkommen. Gregor von Tours rühmt den Reichtum der Bewohner Verduns; er zitiert die Pariser negutiantium domus und spricht häufig von jüdischen und syrischen Kaufleuten. Dies zeugt von weiterbestehenden Beziehungen mit dem Orient und davon, dass die Häfen des Mittelmeerraumes keinesfalls zur Zeit Gregors an jeglicher Bedeutung verloren hatten. Allerdings konnte dieser Zustand nicht andauern. Aus Mangel an Lebensmitteln schwand das wirtschaftliche Leben Galliens ebenso wie sein literarisches. Immer seltener wurde Gold, bis es schließlich ganz verschwand. Der Tauschhandel ersetzte immer mehr den Geldverkehr. Als sich das Mittelmeer schließlich zum muslimischen See wandelte, war es so weit und die Stunde des landwirtschaftlichen Zeitalters des Mittelalters brach an. In der karolingischen Zeit erreichte das Geld seinen höchsten Wert und gleichzeitig seinen niedrigsten Nutzungsstand. Land war nun der einzig anerkannte Reichtum. Dies ermöglichte die siegreiche Ausbreitung der Grundherrschaft und des Feudalwesens. Aufgrund einer unumgänglichen Notwendigkeit stieg die Bedeutung der großen Landgüter unaufhörlich an. Schnell gliederten diese die umliegenden Kleinanwesen ein, so dass die durch letztere garantierte persönliche Freiheit sich nicht weiter erhalten ließ. Der Staat versuchte vergeblich, sich gegen dieses verzehrende Vorgehen zu wehren. Ein wirtschaftliches Gesetz, das viel mächtiger war als solche, die er verabschiedete, machte all seine Bemühungen zunichte. Mit der Zeit wurden die ingenui immer weniger, während die Zahl der servi stetig anstieg. Ein Phänomen, das man sowohl im germanischen, wie auch im romanischen Raum beobachten konnte, war die Eingliederung der Grenzmarken in die benachbarten Lehnsherrschaften. Selten waren die vilains, die Mündigen, die ihre Unabhängigkeit damals erhalten konnten. Leibeigenschaft war überall die Regel. Dies ging so weit, dass die Quellen die Begriffe servi und rustici im gleichen Sinn benutzen. Die Zeiten, in denen Gregor von Tours den Unterschied zwischen Freiheit und Unfreiheit so klar und sicher unterscheiden konnte wie schwarz und weiß, waren vorbei. Vom dagescalcus, dem Leibeigenen, über den prebendarius hin zum censualis oder zum fiscalinus gab es eine Unzahl an Schattierungen. Die einen gehörten einem Herrn, ihre Person war ein privates Eigentum, während andere durch eine Art capitis deminutio weiterhin ehemaligen Staatsbeamten unterstanden, die nun Lehnsherren geworden waren. Hier beherrschte der Anspruch auf Land die Kleinanwesen, und die kleinen Landbesitzer hatten sich der Führungskraft der großen Landgüter gefügt. Dort waren die Menschen der Gerichtsbarkeit eines Grafen oder eines Vogtes unterworfen. Welche Vorkehrungen auch immer die offizielle Sprache traf, um die Wirklichkeit zu vertuschen, Tatsache war, dass die Regalien zu Privatrecht geworden waren, und die Steuer erschien in all ihren Formen den damaligen Menschen nur noch wie eine Erbrente für denjenigen, der sie erhielt und wie eine unrechtmäßige Eintreibung von Geldern für denjenigen, der sie zahlte. Kurz, seit dem 9. Jahrhundert wurde der Schwund der Freiheit der ländlichen Bevölkerung durch die Vielfalt in den Einzelheiten um den Stand der Personen sowie durch die unterschiedliche Herkunft der Mächte, denen sie unterstanden, immer deutlicher.

2. Der Ursprung der Städtebildung im Mittelalter

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Europa schien sich in Kasten organisiert zu haben: Kleriker, Adlige und Bauern, die beiden ersten frei, die dritte unfrei gebunden. Es gab weder Handel noch Industrie. Verkehr sowohl von Menschen als auch von Waren existierte nicht mehr: alles war herrschaftlich, alles ortsgebunden. Die Straßen wurden nicht mehr unterhalten, die Brücken zerfielen. Im 10. Jahrhundert waren sie im Pariser Umland derart verfallen, dass man sich zu Pferd kaum darüber traute. Die alte römische Verwaltung, die zu Beginn der fränkischen Epoche noch sehr lebendig war, erfüllte nun ihre Aufgabe nicht mehr: sie umfasste lediglich noch eine Reihe von Einkünften, die den Feudalherren und den Teilhabern an einer Immunität unmittelbar vorbehalten waren. Unter diesen Umständen verschwand jegliches städtisches Leben. Zwischen den Ringmauern der Städte breitete sich Leere aus. Schritt für Schritt näherten sich die Felder den Baulichkeiten, die alten verlassenen Gebäude verfielen oder wurden irgendwie an die dringendsten Bedürfnisse der Verteidigung angepasst. Im Circus von Nîmes entstand ein ganzes Stadtviertel. Das Kapitol von Narbonne sowie die porta Martis von Reims dienten als Burg. Nach kurzer Zeit war nur noch ein geringer Teil der alten Umwallung bevölkert. Oft hat die Stadt sich zurückgezogen und sich in einem Punkt ihres Territoriums gewissermaßen konzentriert. Sie bestand aus einem viereckigen castrum, das mit Türen sozusagen durchlöchert und grob mit Schutt errichtet war. Vom alten städtischen Leben blieb nichts mehr. In Anbetracht der großen Vielzahl der Bezeichnungen, die man dem zuschrieb, was noch von den Städten übrig blieb, scheint es, als ob man jegliche Vorstellung von dem verloren hatte, was sie früher darstellten. Wenn aber auch das städtische Leben erloschen war, so herrschte dennoch Betriebsamkeit in einigen alten römischen Städten. In der Tat war die Diözese, deren Zentrum ehemals in den Hauptort jeder civitas gestellt wurde, nicht verschwunden und die Anwesenheit des Bischofs reichte, um die Städte zu beleben. Rund um die Kathedrale stieß man auf Klöster und Schulen. Gegenüber dem palatium ragte der Turm des Vogtes oder des Burggrafen empor. Andernorts befanden sich die Wohnungen der milites castrenses, die für die Verteidigung der Stadt zuständig waren, dahinter lagen die einfacheren Bleiben der familia. Neben den Klerikern, den Mönchen und den Klosterschülern lebte eine Vielzahl von Laien, die verschiedene Dienste verrichteten. Anders als die Lehnsherren, die mit ihren Leuten von Schloss zu Schloss reisten und auf diese Weise die Ernten ihres Landgutes abwechselnd an Ort und Stelle verbrauchten, war der Herr der Domstadt sesshaft. Der Bischof war fest mit dem Sitz seines Bistums verbunden. Seine Reisen waren selten und von kurzer Dauer. Infolgedessen brauchte er für sich und sein Gefolge eine ausgiebige und beständige Versorgung. Er benötigte für seinen Unterhalt sowie für den aller Kleriker und aller Laien, die er führte oder beschäftigte, großflächige Speisekammern, tiefe und stets volle Keller, ständig gefüllte Scheunen. Der Sitz des Bistums bildete das Betriebszentrum der kirchlichen Landgüter. Unter Aufsicht der villici wurden Korn und Wein aus dem Umland dorthin geliefert.

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IV. Anhang

Andererseits benötigte der Unterhalt des bischöflichen Hofes in der Stadt selbst und im Kloster eine große Anzahl an Dienstleuten. Servientes waren hier für das Brotbacken, die Bierherstellung, die Ledergerberei und die Pergamentzubereitung verantwortlich. Man traf hier auf Zimmerleute, Stellmacher, Maurer, Schlosser, Waffenschmiede, kurz auf alle Berufe, die zu dieser Zeit der kommerziellen Stagnation für alle Güter vor allem hier unabdingbar waren. Hinzu kamen all jene, die im Dienst der Kirchen beschäftigt waren: Pförtner, Totengräber, Glöckner usw. Man sieht also, dass die bischöfliche Residenz ein sehr aktives und interessantes Leben bot. Sie spiegelte wahrhaftig in geraffter Form die damalige Zivilisation wieder. Es war dort, wo man deutlich in ihren harmonischen Beziehungen, die drei Klassen der Bevölkerung wahrnahm: der betende und studierende Klerus, der Adel, der den Klerus mit dem Schwert beschützte, und das Volk, das durch seine Arbeit das Überleben der beiden ersten Klassen sicherte. Doch wie sehr unterschieden sich diese Merkmale der civitas des frühen Mittelalters von denen der antiken civitas oder der gut entwickelten Stadt des 13. Jahrhunderts! Um ehrlich zu sein, dieses Leben der bischöflichen Städte war das Gegenteil des urbanen Lebens. Es existierte nicht für sich selbst: es diente nur kirchlichen Zwecken. Anstatt dass die Stadt damals, wie zu Zeiten der Römer, als Zentrum und gewissermaßen als Zusammenfassung eines ganzen politischen Bezirks, oder, wie im Mittelalter, als eigenständiges und mächtiges Glied der feudalen Hierarchie, als eine kollektive Herrschaft, wirkte, war sie nicht mehr als eine Gruppierung von Kirchenleuten, herrschaftlichen Beamten, Dienern und Leibeigenen jeder Art. Ihre Einwohnerschaft teilte sich je nach Recht und Eigenbedarf eines jeden Einzelnen in sehr unterschiedliche Gruppen. Der Begriff burgensis existierte noch nicht, und was die damaligen Texte als civis bezeichnen, war nicht der Mann, dem das Recht einen besonderen Status zusprach, sondern ganz einfach der laizistische Bewohner der civitas. Und noch mehr: die Stadt war nicht einfach nur das Zentrum eines großen Gutes; sie lag oft im näheren Umfeld mehrerer Zentren großer Güter. Es war äußerst selten, dass neben dem befestigten castrum in den bischöflichen Städten, nicht irgendein befreiter Bezirk oder irgendeine feudale Grundherrschaft bestand. Manchmal war es ein Laie, der sein eigenes Territorium besaß; in Worms, zum Beispiel, der Herzog von Franken, oder in Tournai der Schlossherr. Am häufigsten handelte es sich jedoch um ein Kloster: Sankt-Remi in Reims, Sankt-Léger in Cognac, Sankt-Martin in Tours. Andererseits waren nicht alle Städte Sitz eines Bischofs. Es kam vor, dass ihr erster Okkupant eine Abtei war, so wie zum Beispiel in Sankt-Omer oder in Arras. Andernorts war das ursprüngliche castrum eine laizistische Festung. Dieses Phänomen kann man besonders gut in Flandern, in Brügge, in Gent und in Ypern sowie in den von Heinrich dem Vogler gegründeten urbes entlang der Elbe und der Saale beobachten. Im Übrigen entkamen diese Städte nicht mehr als die anderen dem „Gesetz der Streuung“. Fast immer wurden sie unter verschiedenen spezialisierten Gerichtsbarkeiten aufgeteilt. In Flandern existierte neben dem Land des Grafen in Brügge diejenige von Sankt-Donatus, in Ypern diejenige von Sankt-Martin, in Gent jene von Sankt-Peter und

2. Der Ursprung der Städtebildung im Mittelalter

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Sankt-Bavo. Es ist jedoch unnötig, lange auf diesem Punkt zu bestehen. In einer Darstellung, die so klar wie überzeugend und vollständig war, hat Jacques Flach erst kürzlich aufgezeigt, dass die mittelalterlichen Städte vor dem 11. Jahrhundert nichts anderes waren als eine Aneinanderreihung von Beziehungsgeflechten. Und diese Wahrheit, die so gut für Frankreich belegt ist, bestätigt sich nicht minder für Deutschland. Es wäre ein Fehler zu glauben, dass das gesamte Territorium einer Stadt dem Lehnsrecht unterstand. Außerhalb der Immunitäten und der privilegierten Landgüter wurden Gerichtsbarkeiten ausgeübt, die, trotz tiefer Veränderungen und ihres erblichen Charakters, unmittelbar mit den ehemals den justizunabhängigen Amtsträgern anvertrauten Funktionen zusammenhingen: es waren dies die Grafen, die gräflichen Stellvertreter, die Vögte, die Stiftsamtmänner usw. Einige uns noch erhaltene interessante Texte erlauben uns in diesem Punkt keine Zweifel. In Toul und Dinant kann man feststellen, dass der Graf einige wichtige Aufgabenbereiche behielt und dass ein ganzer Teil der Stadt in seinem Namen regiert wurde. An diesen Orten wie auch an vielen anderen berührten und durchdrangen sich also öffentliche und private Macht, und der Verflechtung der Territorien entsprach auf diese Weise die Vielzahl und die Vielfältigkeit der Gerichtsbarkeiten. Man muss außerdem hervorheben, dass, ob nun privat oder öffentlich, die Macht, die in den Städten ausgeübt wurde, nicht städtischer Natur war. Es gab zu dieser Zeit nichts, was einer Gemeindeverwaltung glich, und noch weniger fand man Spuren eines Gemeinderechts. Aus welchem Blickwinkel man es auch betrachtet, die Stadt bildete damals keine Einheit. Sie war teils in eine Hundertschaft, teils in ein oder mehrere Güter eingegliedert. Es kam auch vor, dass sie gemeinsam mit einigen benachbarten Dörfern eine Mark bildete. Wenn die Stadt sich damals von den villae aus dem Flachland unterschied, so geschah dies nicht aufgrund von juristischen Charakteristiken, sondern durch ihre Mauern, ihre Tore, ihre Kirchen, ihre dichtere und vielschichtigere Bevölkerung. Hinzu kam, dass sie eine ausgeprägte Eigenständigkeit erworben hatte.

II. Auf diese Weise kann man sagen, dass im landwirtschaftlichen Zeitalter des Mittelalters Städte im juristischen Sinn des Wortes nicht existierten. Damit diese entstehen konnten, bedurfte es einer großen sozialen Veränderung. Seit dem Tag, an dem sich der Neubeginn des Handels und der Industrie andeutete, an dem nicht mehr Land als einziges Kapital anerkannt wurde, an dem, infolge des Wertverlustes des Geldes, der Tauschhandel aufgegeben wurde, veränderten sich tatsächlich die alten Formen, in denen die Bevölkerung gefangen war, und zerbrachen schließlich. Die Kasten verschwanden, das große Gut verlor immer mehr an Bedeutung. Die Erbuntertänigkeit erlosch langsam, eine Geldsteuer ersetzte die Frondienste, die freie Pacht setzte sich neben der Erbpacht durch. Unter einem unwiderstehlichen Aufschwung rissen die Stricke, einer nach dem anderen, die während so vieler Jahrhunderte

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IV. Anhang

den Menschen an Grund und Boden fesselten: der Leibeigene verwandelte sich in einen freien Mann. Allerdings ging die Freiheit einher mit einer rapiden Wachstumssteigerung der Bevölkerung. Mit dem 11. Jahrhundert öffnete sich Europa dem Zeitalter der großen Rodungen. Überall wurden in den Rodelandschaften neue Dörfer gegründet; in Deutschland kolonisierten niederländische Bauern die slawischen Grenzgebiete. Doch der neue Stand der Dinge kam vor allem den Städten zugute. Die Bildung von Vororten durch Kaufleute und Handwerker an verschiedenen geografischen Punkten, die für die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens besonders vorteilhaft waren, war das erste Anzeichen der heilsamen Krise, die die damalige Zivilisation Europas erlebte. Oft geht man davon aus, dass im Mittelalter die vorherige Existenz eines Klosters oder eines Schlosses Grundvoraussetzung für die Bildung einer Stadt war. Erst kürzlich hat man den Märkten die gleiche Bedeutung zugeschrieben. Man kann sich nun fragen, ob diese Sichtweise gerechtfertigt ist und ob ihre Vertreter nicht etwas als grundlegend betrachten, was doch eigentlich nur nebensächlich ist. Ohne Zweifel stellt man in vielen Städten, wie in Saint-Omer, Saint-Quentin, Maastricht, Arras oder Lille, die auf eine sehr alte Epoche zurückzuführende Anwesenheit einer Abtei fest. Aber diese kann nicht als Ursprung der dort entstandenen Stadt betrachtet werden. Wenn das der Fall gewesen wäre, müsste man davon ausgehen, dass, je nach Reichtum, Bekanntheitsgrad und Größe eines Klosters, die Stadtentwicklung innerhalb seiner Mauern schneller und frühzeitiger vonstatten gegangen sein müsste. Man stellt jedoch das genaue Gegenteil fest: weder in Cluny oder in Clairvaux, noch in Corvey oder Fulda haben sich Städte im eigentlichen Sinne gebildet. Dies versteht sich leicht von selbst. Als Siedlungen von Klostermönchen suchten die Klöster die Einsamkeit auf. Stablo und Malmedy, Prüm und Sankt-Hubert wurden in den Einöden der Ardennen errichtet: Luxeuil, Bobbio und Sankt-Gallen inmitten von Wäldern. Etwas später suchten die Zisterzienserklöster die kühlen Schatten und die Ruhe der ländlichen Umgebung auf. Folglich richteten sich die Klosteranlagen in der Regel abseits der großen Handelsrouten ein. Sie zogen die Bürger nicht an, sondern im Gegenteil, grenzten sich von diesen ab, mieden sie. Und, zusammenfassend, ist die Anzahl derer sehr gering, die neben sich die Entstehung einer Stadt, die diesem Namen gerecht wurde, erlebten. Was für die Klöster galt, galt nicht weniger für die Burgen. Wenn die Mönche für ihre Klöster die Einsamkeit und die Einöde suchten, so kümmerten sich die Lehnsherren ihrerseits darum, ihre Bergfriede an den unerreichbarsten und somit für die Verteidigung am geeignetsten Stellen zu errichten. Es waren ausschließlich militärische Überlegungen, die sie in ihrer Wahl eines Standortes leiteten. Als Heinrich der Vogler Burgen an der Elbe und der Saale errichten ließ, hatte er ganz sicher nicht daran gedacht, dadurch die Bildung von Städten entlang der Flussufer auszulösen. Außerdem bildeten sich nur städtische Großräume neben den Burgen, die den Bedürfnissen des Handels gerecht wurden. Gleichermaßen in Flandern, wo auch Brügge und Gent ihren Ursprung nicht den Burgen zu verdanken haben, die von den Grafen dort im 10. Jahrhundert errichtet wor-

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den waren. Beide entfalteten sich auf natürliche Art und Weise dank ihrer bewundernswerten Lage: Erstere am hinteren Ende des Zwin; die Zweite an der Mündung der Leie in die Schelde. Außerdem kann man hier ein seltsames Beispiel dafür geben, dass die Burgen nicht immer diese schöpferische Kraft hatten, die man ihnen so oft und gerne zuschreibt. 1138 wollt der Abt von Stablo, Wibald, eine neue Stadt am Fuße seines Schlosses in Logne im Ourthe-Tal gründen. Er erließ zu diesem Zweck sogar eine Freiheitsurkunde, deren Text bis heute erhalten blieb. Es war vergeblich. Sein Versuch scheiterte kläglich und Logne ist bis heute ein armes Dörfchen mit kleinen Häuschen am Fuße des alten Zwingers. Wenn die Entstehung der Städte weder den Klöstern, noch den Burgen zugeschrieben werden kann, kann man sie dann zumindest mit den Märkten in Zusammenhang bringen? Man hat dies in letzter Zeit immer wieder behauptet, aber wurde diese Schlussfolgerung nicht augenscheinlich zu schnell gezogen? Es ist wohl richtig, dass jede Stadt im Mittelalter ein Handels- und Industriezentrum war, und dass es dadurch sehr verführerisch ist, sie als entwickelten Markt zu betrachten. Unglücklicherweise stimmen hier Theorie und Praxis nicht überein. Genauso wie wir keine Stadtentwicklung in nächster Nähe der berühmtesten Klöster ausmachen können, so können wir dieses Phänomen auch nicht in der Nähe der großen Messen und Jahrmärkte des Mittelalters feststellen. Ebenso ist es in Frankreich in Bar-sur-Aube und in Lagny; in Flandern in Mesen und in Torhout. Die Messe war tatsächlich nur ein Zusammentreffen der Kaufleute. Sie wurden mit Freiheiten und Privilegien jeder Art dorthin angezogen. Diese Messen waren wie berühmte Wallfahrtsorte, zu denen die Gläubigen zu gewissen Anlässen, an gewissen Feiertagen, pilgerten. Aber, nach erworbenem Ablass oder erledigtem Geschäft, verschwanden Pilger wie Kaufleute; weder die einen, noch die anderen blieben ortsansässig. Gehen wir nun von den großen Jahrmärkten des Mittelalters über zu den Märkten, die in großer Anzahl im Laufe des 10. und des 11. Jahrhunderts gegründet wurden, so werden wir feststellen, dass auch diese, wenn auch aufgrund anderer Umstände, keine Städte hervorbrachten. Lassen sie uns eine Liste der zahlreichen Orte aufführen, an denen die deutschen Kaiser Märkte etabliert hatten: Rorschach, Kessel, Vuitumbruca, Bernsheim, Chur, Wisloch, und viele weitere: betrachtet man nun diese Ortschaften, so stellt man fest, dass der größte Teil davon immer einfache Dörfer geblieben sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Herrscher bei der Gründung dieser Märkte nicht unter Berücksichtigung der örtlichen Interessen handelten. Die Genehmigung eines Marktes war ein zugestandener Gefallen an einen gewissen Ergebenen, Grafen, Bischof oder Abt, der, durch den Einnahme des Tributs und anderen nützlichen Rechten, die mit diesem Gefallen einhergingen, zusätzlich ein mehr oder minder stattliches Einkommen bezog. Willkür herrschte hier vor. Es kam vor, dass in einem einzigen Dorf tief in den Wäldern bis zu drei Messen eingeführt wurden, während große Städte keine privilegierten Märkte besaßen oder nur sehr spät erhielten. Nennen wir hierzu unter anderem Worms, Speyer und Mainz. Erinnern wir daran, dass Tournai erst 1284 eine eigene Messe erhielt, Leyden 1304, Gent erst im 15. Jahrhundert. Es ist allerdings auch nicht so, wie einige behaupten,

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dass die Messen gar keinen Einfluss auf die Stadtentwicklung hatten, aber letzterer soll vor allem für die Wochenmärkte beansprucht werden. Jährlich oder wöchentlich, der Markt war nur eine Summe an nützlichen Einkommen, und sein Austragungsort war nach Belieben desjenigen festgelegt, dem diese Einkommen zugute kamen. Ursprünglich kam der mercatus hebdomanalis sowie der mercatus annalis in unbedeutenden Dörfern zusammen, und fehlte andererseits in vielen Städten. Zweifellos gab es keine Stadt mehr ohne Wochenmarkt, nachdem sich das städtische Leben vollends entfaltet hatte. Ein solcher Markt war für die Versorgung der städtischen Großräume unabdingbar. Dorthin brachten die Bauern der Umgebung die nötigen Lebensmittel, die der Versorgung der Bürger dienten. Aber in den meisten Fällen gingen diese Märkte nicht auf ein früheres Zeitalter zurück. Man traf nur erforderliche Maßnahmen zur Versorgung der Stadt, wenn diese bereits bestand, und nicht wenn sie noch nicht existierte. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass viele Städte zu der Zeit, als sie bereits einige Bedeutung erlangt hatten und von vielen Kaufleuten bewohnt wurden, oft noch keine Märkte besaßen. Dies war zum Beispiel der Fall für flämische Städte, wo die Freitagsmärkte erst im Laufe des 12. Jahrhunderts eingeführt wurden. Es stimmt, dass mancherorts die Herren an den ihnen gehörenden Märkten versuchten, eine feste Händlerschar festzumachen; aber diese Versuche führten nirgends zur Entstehung von Städten, und man darf darin nichts anderes sehen, als interessante, aber äußerst künstliche Versuche einer Besiedlung. Die Ehre der Stadtentwicklung im Mittelalter wird also weder den Klöstern, noch den Burgen oder den Märkten zuteil. Die Städte entstanden spontan unter der Einwirkung wirtschaftlicher Ursachen, die in Europa die Neubelebung des Handels und der Industrie ausgelöst hatten. Um verstehen zu können, wie Städte gebildet wurden, reicht es auch heutzutage noch zu beobachten wie sie in Amerika gegründet werden. Sie werden vorerst an sehr gut situierten Orten, wie an Flussmündungen, in einer Bucht oder entlang der großen Flüsse, errichtet. Der Wirtschaftsstrom gelangt von sich aus in diese Gegenden. Er fließt ganz natürlich dorthin, wie das Wasser in die Täler. Sehen Sie sich die Lage der ersten mittelalterlichen Städte an: Brügge, Rouen, Bordeaux, Hamburg am unteren Rand einer Mündung; Paris, Köln, Worms, Amiens, Avignon an einem Fluss; Gent, Leuken, Lyon, Mainz am Zusammenfluss zweier Ströme. An Furten, Brücken, Straßenkreuzungen, die die verschiedenen Flussbecken miteinander verbanden, entstanden weitere Städte. Die Namen von Maastricht und Utrecht erinnern noch heute daran, dass diese Städte ihre Gründung den Brücken der Maas verdanken, so wie Avignon seinen Namen der Brücke der Rhône verdankt. Frankfurt am Main war die Furt der Franken (Vadum Francorum); Straßburg die Stadt der Straßen. Andernorts, wie zum Beispiel in Verdun, Basel oder Mecheln, bildete sich die Stadt an dem Ort, wo der Fluss anfing befahrbar zu sein, da die Notwendigkeit, die Waren hier ein- und abladen zu können, automatisch zu großen Handelsaktivitäten führte. Kurz, man kann sagen, dass die Bildung der mittelalterlichen Städte rein natürliche Ursachen hatte und sich nicht durch die politische Geschichte, sondern nur durch die Geografie erklären lässt. Der Staat war zu jener Zeit weder genug zentralisiert, noch genug perfektioniert, um eine städtische

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Bevölkerung an einem Ort künstlich aufrecht zu erhalten, an dem sie, sich selbst überlassen, sich nicht niedergelassen hätte. Wenn dies also stimmt, so ist es sehr einfach zu verstehen, dass der Großteil der ersten mittelalterlichen Städte sich an den Standorten früherer römischer Städte ansiedeln musste. Die römischen Städte waren tatsächlich keine künstlichen Schöpfungen. Ihr Standort verband fast immer die meisten geografischen Voraussetzungen, ohne die ein städtischer Großraum von einiger Bedeutung weder bestehen, noch aufblühen konnte. Es ist also nicht erstaunlich zu sehen, wie fast alle civitates wieder erwachten und wieder eine während langer Jahrhunderte erstarrte Aktivität aufnahmen, als in Europa eine neues wirtschaftliches Leben das landwirtschaftliche Zeitalter ablöste. Durch ihre Lage an der Kreuzung dieser römischen Straßen, dieser unzerstörbaren Wege des Cäsars, die während Hunderten von Jahren die einzigen den Menschen des Mittelalters bekannten großen Straßen waren, waren sie dazu bestimmt, die ersten Heimstätten des urbanen Lebens zu werden. Der Handel hatte sich in früheren Zeiten auf natürliche Weise dorthin bewegt und nahm nun wieder seine alte Richtung auf. Die Städte, die vom 9. bis zum 11. Jahrhundert selten mehr waren, als das Zentrum großer kirchlicher Güter, erlangten nun nach einer schnellen und unabdingbaren Umgestaltung ihren eigentümlichen Charakter wieder, den sie während so langer Zeit verloren hatten. Im Übrigen umfassten die civitates und die oppida aus der Zeit vor der Zerstörung des Reiches nicht alle frühen Städte des Mittelalters, wenn auch den größten Teil. Im nur spärlich durch die Römer kolonisierten Norden Galliens, an den Mündungen der Maas und der Schelde, auf dem rechten Ufer des Rheins, hatten einige günstig gelegene Ortschaften auch schon sehr früh den rettenden Einfluss des Handels gespürt. Valenciennes, Ypern, Gent, Brügge, Hamburg und Magdeburg wurden zu Städten als zur gleichen Zeit Köln, Worms, Speyer, Laon, Soisson und Beauvais wieder erneut dazu wurden. Auf diese Weise tauchte überall und aus demselben Grund das städtische Leben wieder in Europa auf. Und um dieses beeindruckende Phänomen zu erklären, braucht es nicht den römischen oder nicht-römischen Ursprung der Städte, sondern einzig und allein ihrer geografischen Lage. Durch die bereits angeführten Überlegungen wird der Leser bereits die Schlussfolgerung gezogen haben. Die Städte sind das Werk der Kaufleute; sie existieren nur dank ihrer. Ob nun römischen oder nicht-römischen Ursprungs, Sitz eines Bistums, eines Klosters oder einer Burg, frei oder dem Lehnsgesetz unterworfen, sie fingen erst an dem Tag an, eine städtische Verfassung zu erlangen, an dem sich, neben der ursprünglichen Bevölkerung, eine andere Bevölkerung, eine, die hauptsächlich von Handel und Industrie lebte, niederließ. Es ist also grundlegend, bevor eine Analyse der städtischen Bevölkerung unternommen wird, zuerst einen kurzen Blick auf die Lebensbedingungen und -art der Kaufleute in der Zeit vor der Städtebildung zu werfen. In der karolingischen Zeit begegnet uns zum ersten Mal der Typus des mittelalterlichen Kaufmanns. Die Translatio SS. Marcelli et Petri und die Miracula S. Goaris verweisen auf die mercatores, die mit ihren Barken den Rhein und den Main auf und ab

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fuhren. Neben ihren Korn- oder Weinladungen, die zweifelsohne aus dem Überschuss der großen Landgüter stammten, transportierten sie Passagiere, Pilger, Kranke, die sie an berühmten Wallfahrtsorten an Land setzten. Neben diesen Seefahrer-Kaufleuten erscheinen uns andere, bescheidenere, wie einfache Hausierer, deren ganzer Besitz aus einem Esel und einigen Habseligkeiten bestand. Diese karolingischen Kaufleute waren vor allem umherziehende Menschen. Ihre Lebensart bestand darin zu reisen, zu kaufen und zu verkaufen, und dies von Messe zu Messe, von portus zu portus. Inmitten einer Gesellschaft, in der fast alle Menschen mehr oder weniger an Grund und Boden gebunden waren, führten sie ein VagabundenDasein. Wie Pilger zogen sie dahin, ohne irgendwo anzuhalten. In den Gegenden, die sie durchliefen, betrachtete man sie als Fremde, und tatsächlich hatten viele von ihnen, jüdischer oder lombardischer Herkunft, nichts mit den Völkern Westeuropas gemeinsam. Auf diese Weise lebten sie außerhalb der üblichen Bedingungen. Sie waren nicht Teil einer familia; sie entkamen der Macht der seniores und im Weiterziehen genossen sie auch nicht deren dauerhaften und wirksamen Schutz, obwohl doch niemand sonst diesen Schutz derart brauchte wie diese ewigen Reisenden. Es war die Obrigkeit, die sich um ihren Schutz kümmerte, da diese gut daran tat, sie nicht verschwinden zu lassen. In seinem landwirtschaftlichen Staat war der Kaiser darum bemüht, einen gewissen Warenverkehr aufrecht zu erhalten, dessen Akteure ihm unmittelbar untergeben waren. Die Politik Karls des Großen den Kaufleuten gegenüber erinnert sehr stark daran, wie die Fürsten später mit den Juden umgingen: er schützte sie und beutete sie aus. Jedes Jahr im Mai mussten sich die Kaufleute zum Palast begeben und Steuern in die kaiserliche Kasse einzahlen, die im Verhältnis zum Betrag ihres Gewinns stand. Im Ausgleich dazu wachte der Staat über sie und ihren Besitz. Er bewilligte ihnen Sonderrechte und empfahl sie besonders der Wachsamkeit seiner Beamten. Zu ihren Gunsten traf er Maßnahmen zum guten Unterhalt der Brücken, der Anlegeplätze und der Märkte. Er regelte die Marktabgaben und schaffte die illegalen Wegegelder ab. Diese im Interesse der Kaufleute erlassene Gesetzgebung hielt jedoch nur so lange, wie die Autorität des Kaisers aufrechterhalten blieb. Man stellt fest, dass sie schon unter der Herrschaft Karls des Kahlen nur noch sporadisch eingehalten wurde. Schließlich verschwand sie gänzlich, als die öffentlichen Rechte in herrschaftliche Gerichtsbarkeit umgewandelt wurden. Die Marktabgabe war alsdann nur noch ein Instrument der Unterdrückung. Gesetzlose machten die Straßen unsicher. Eine absolute Unsicherheit ersetzte die gute Ordnung früherer Zeiten. Rechnet man nun die unaufhörlichen Bürgerkriege, die durch die Normannen verschlossenen Mündungen der großen Flüsse, den Einfall der Ungarn hinzu, so wird man sehr einfach verstehen können, in welchem Zustand sich der Handel Ende des 9. Jahrhunderts befand. Doch die Wiederherstellung der Ordnung ließ nicht lange auf sich warten. In Deutschland nahmen die Kaiser aus dem Hause Sachsen die karolingische Tradition wieder auf und unterstellten die Kaufleute ihrem Schutz. In Frankreich ging der König gleichermaßen vor. Die Kirche ihrerseits exkommunizierte Straßenräuber, die die großen Verkehrsach-

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sen belagerten. Die Landesfürsten folgten diesen Beispielen. Man stellt fest, dass diese schon sehr früh drastische Maßnahmen gegen die Plünderer trafen und auf den guten Verlauf der Messen und die Sicherheit der Kaufleute achteten. Im 11. Jahrhundert verzeichnete man große Fortschritte und die Chronisten berichten von Regionen, durch die man mit einem Sack voll Gold ziehen konnte, ohne Gefahr zu laufen, überfallen zu werden. Seitdem tauchten die Kaufleute wieder auf den Straßen auf und verbreiteten sie sich mit Hilfe der Erneuerung des Handels immer weiter über ganz Westeuropa. Auch wenn die Kaufleute der ersten Jahrhunderte des Mittelalters vor allem Reisende waren, so ist es doch ersichtlich, dass diese in der Zeit zwischen ihren Fahrten oder bei schlechter Jahreszeit einen andauernden Aufenthalt an gewissen Orten einlegten. Natürlich gruppierten sie sich zahlreich besonders an den Orten, die durch ihre Verbindungsmöglichkeiten am besten den Bedürfnissen des Handels entsprachen. Im 9. Jahrhundert gab es entlang des Rheins in Worms und vor allem in Mainz entlang der Maas, in Verdun und in Maastricht mehr oder weniger bedeutende Kaufmannssiedlungen. Trotz des im 10. Jahrhundert vorherrschenden Elends verschwanden diese Siedlungen nicht. Verschiedene Städte werden in den Quellen als emporium bezeichnet. Man kann davon ausgehen, dass in vielen dieser Städte, wie in Verdun, ein negotiatorum claustrum bestand. Hierbei handelte es sich um eine befestigte Anlage, hinter der die Kaufleute Schutz vor außenstehenden Plünderern fanden. Sowie die Ordnung wieder hergestellt wurde und die Anzahl der Kaufleute stieg, wurden diese Vororte immer zahlreicher und wichtiger. Überall dort, wo die Bedingungen günstig waren, entstand eine urbs nova, ein suburbium, eine kommerzielle Vorstadt neben der Burg und den freien Rechtsbezirken, deren Gesamtheit die Stadt des landwirtschaftlichen Zeitalters bildete. Und zum Beweis dafür, dass diese Vorstadt, dieser Ausgangspunkt einer neuen Stadt, von Händlern bewohnt war, dient die Gleichbedeutung der Begriffe mercator und burgensis. Folglich bestand das ursprüngliche Bürgertum aus Kaufleuten. Sie entstand nicht durch diese servientes, diese milites, diese ministeriales, die seit Jahrhunderten mit den Kathedralen und Klöstern fest verbunden waren; man braucht ihren Ursprung auch nicht in diesen censuales zu suchen, die in einer Vielzahl alter Städte der Macht der Staatsbeamten und der Vögte unterstanden. Sie bildete hauptsächlich und vor allem Anderen eine soziale Schicht. Sie bestand aus freien oder nicht-freien advenae, Männern, die die Feldarbeit aufgaben und in immer größerer Zahl kamen, um im Handel und in der Industrie neue Existenzgrundlagen zu finden. Der rechtliche Status, der ihnen zuerkannt wurde, war die notwendige Konsequenz ihrer Lebensart. So wie das militärische Handwerk aus einem Panzerreiter einen Adligen machte und fast überall die Bearbeitung des Bodens aus einem Bauern einen Leibeigenen, so machte die Ausübung des Handels aus einem Kaufmann einen Bürger. Es hätte viel gebraucht, damit sich die Kaufmannssiedlungen in den Städten nach einem vorgefassten Plan niedergelassen hätten. Das 11. Jahrhundert war noch nicht das Zeitalter der neuen Städte. Erst hundert Jahre später sah man Herrscher Städte aus dem Nichts erschaffen und die Bevölkerung mit Vorteilen und Privilegien jeder Art dorthin locken.

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Anfänglich existierte nichts dergleichen. Man kann nicht oft genug wiederholen, dass die Kaufleute sich auf natürliche Weise ohne irgendwelche äußerlichen Zwänge an den Orten niederließen, die durch ihre privilegierte Lage die Gesamtheit der für ein Handelszentrum benötigten Voraussetzungen vereinten. Nirgendwo kann man dieses interessante Phänomen besser beobachten als in Flandern. Alle alten Städte bildeten sich dort entlang der Gewässer und trugen den kennzeichnenden Namen portus, was so viel bedeutet wie Anlegebrücke oder Ausladestelle. Auf diese Weise tauchte das städtische Leben ursprünglich nicht überall gleichzeitig auf. Seine ersten Wohnstätten waren nur in begrenzter Anzahl vorhanden, waren darum aber um so geschäftiger. Trotz der Knappheit der Hinweise stellt man fest, dass einige Städte ein rasantes Wachstum von Bevölkerung und Reichtum erlebten. Im 11. Jahrhundert erwähnt Lambert von Hersfeld in Köln 600 sehr reiche Kaufleute und die Gesta episcoporum Camerencium rühmen zur gleichen Zeit den Wohlstand Cambrais. Es scheint, als ob man bestätigen könnte, dass noch vor dem ersten Kreuzzug das händlerische Leben an einigen Orten das landwirtschaftliche Leben bereits eingeholt hatte. Unglücklicherweise verfügen wir kaum über Details über die Art und Weise, wie die Kaufleute sich in den Städten niedergelassen haben. Trotzdem ist es möglich, einige Besonderheiten ihrer Siedlungsweise zu rekonstruieren. Als erstes bemerkt man, dass das suburbium, die urbs nova überall unter den Mauern des ursprünglichen castrum errichtet wurde. Dort trifft man auf den Markt, das forum, um das die Häuser und Lagerschuppen der Einwanderer sich gruppierten. Wir haben bereits weiter oben gesehen, dass in manchen Fällen die Handelsvorstadt von einer Mauer umgeben war. Schon sehr früh war diese Vorstadt so umfangreich, dass sie eine selbständige Pfarrkirche bekam. Im 11. Jahrhundert gab es in mehreren Ortschaften eine ecclesia mercatorum. Natürlich unterlag der Boden, auf dem das suburbium entstand, verschiedensten Bedingungen. Er konnte Teil eines freien Rechtsbezirks oder eines großen Gutes sein oder auch noch in die Zuständigkeit eines Grafen oder seines Stellvertreters fallen. Es kam sogar vor, dass er Boden umfasste, der anderen Rechten unterstand und einer anderen Gerichtsbarkeit unterlag. In dieser Beziehung war noch nichts geregelt. Während das herrschaftliche Recht sehr schwer auf verschiedenen Pachten lastete, unterlagen andere, besser gelegene, nur einer Erbschaftssteuer. Die Vielfalt der Herrschaften und der Amtsbezirke, die wir bereits weiter oben bei der Untersuchung der Städte des landwirtschaftlichen Zeitalters festgehalten haben, übt hier ihren Einfluss aus. Der Begriff der freien städtischen Pacht entwickelte sich nur sehr langsam. Anfänglich fehlte dieser gänzlich. Die erste Besitzergreifung des Bodens durch die Kaufleute vollzog sich in den alten Städten noch nach den Regeln des alten Rechts. Wenn am Anfang noch eine sehr große Vielfalt in den Auflagen der Böden der Händlersiedlung herrschte, so war dies auch der Fall für die Bedingungen für seine Bewohner. Unter dem Gattungsnamen Kaufmann, mercator, verstand man tatsächlich in der Sprache jener Zeit Menschen, die in sehr verschiedenen Umständen lebten. Man verwendete diese Bezeichnung für jeden, der einen Verkaufs- und Kaufberuf ausübte, so dass Handwerker und Verkäufer in gleicher Weise als Kaufmann galten wie der Großhändler. Die

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damalige Sprache macht keinen Unterschied zwischen dem Schiffsbesitzer, der mit schweren Korn- und Weinladungen über die Gewässer des Rheins, der Seine oder der Schelde navigierte, und dem einfachen Hausierer, der mit Hilfe eines mit seinen Habseligkeiten beladenen Esels, seine Waren von villa zu villa lieferte. Seit dem 11. Jahrhundert wies die kaufmännische Einwohnerschaft der Orte zweifellos starke Kontraste auf. Große Reichtümer hatten sich dort gebildet. Man fand dort reiche Emporkömmlinge, die ihre Töchter mit einem Ritter trauen ließen. Es bildete sich sofort eine Klasse von meliores, von divites, Vorfahren des städtischen Patriziats. Neben diesen Bevorzugten des Schicksals bestand die Masse der Zuwanderer aus Handwerkern oder aus Kleinhändlern, die einen Verkaufsstand am Markt unterhielten oder ihre Waren vom Rand ihrer Fenster aus anboten. Die Kaufleute unterschieden sich nicht weniger vom rechtlichen als vom sozialen Standpunkt aus. Die Stadt war tatsächlich eine Ansiedlung und es ist eine gemeinsame Eigenart aller Ansiedlungen, dass sich ihre Bevölkerung aus einer Ansammlung verschiedenartiger Bestandteile zusammensetzte. Die Menschen, die dort eine neue Lebensweise suchten, stammten von Geburt her aus verschiedensten Verhältnissen. Es handelte sich um Leibeigene, Einnehmer, censuales. Man findet sogar Geistliche unter ihnen. Doch die Gleichheit der Lebensweise, die beständige Ausübung des gleichen Berufs, hat alle diese Nuancen schließlich verwischt. Die soziale Funktion ließ notwendigerweise alle Abstammungsunterschiede verschwinden und es gab bald nur noch ein einziges Recht für alle Kaufleute. Eine Sache hat den Abschluss dieser Entwicklung besonders vorangetrieben. Erinnern wir uns daran, dass seit dem karolingischen Zeitalter die Kaufleute unter dem Schutz der Obrigkeit standen. Wo sie auch hingingen, wurde ihre Sicherheit vom König oder den Inhabern der Hoheitsrechte gewährt. An den Märkten, die sie besuchten, mussten sie sich nicht vor dem judex privatus, sondern nur vor dem judex publicus verantworten. Würde es anders in den Städten sein und würden diese Menschen die Vorzüge, die sie außerhalb genossen, dort verlieren? Die Antwort auf diese Frage lautet Nein. Innerhalb sowie außerhalb der Stadt fiel der Kaufmann, als Kaufmann, in die direkte Zuständigkeit der Obrigkeit. Ohne Zweifel entkam er nicht gänzlich den privaten Gerichtsbarkeiten. Ein Teil seiner Person und seiner Güter unterstand noch immer dem Lehnsrecht. Das Stück Land, auf dem er sein Haus errichtet hatte, war oft noch vom Hof dieses Klosters oder jenes Herrn abhängig. Er selbst konnte von Haus aus Leibeigener sein, irgendeiner benachbarten familia angehören, deren Gerichtsbarkeit er unterworfen war. Doch dies waren nur die Überreste einer früheren Sachlage, die schließlich verschwanden. Die Hauptsache ist, dass der Kaufmann aufgrund seiner Eigenschaft und der Ausübung selbst seines Berufs in der Stadt, wie auch außerhalb der Stadt, der öffentlichen Gerichtsbarkeit unterstand. In der Tat war die Stadt, so wie wir es weiter oben schon erläutert haben, nicht unbedingt ein Markt, sie war aber zumindest überall und immer ein Handelsplatz. Die Waren

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strömten von überall ein; sie war ein Hafen, eine Anlegestelle, ein Rastplatz, eine Lagerstätte (emporium). Natürlich wurden hier Grenzsteuern eingezogen; die Marktabgabe war ein Hoheitsrecht; sie war Teil des comitatus und gehörte überall dem obersten Gerichtsherrn, dem Grafen oder dem Stellvertreter des Grafen. Das Gleiche galt für die hierfür unumgängliche Konsequenz: die Rechtsprechung über Gewicht und Maß. Ursprünglich handelte es sich hierbei auch um ein gräfliches Recht. Hieraus geht hervor, dass jegliches Geschäft, gleich welcher Natur und wo es abgewickelt wurde, der Obrigkeit unterstand. Im Fall einer Abreise fand sich der Kaufmann, der Händler, dauernder Käufer und Verkäufer, in der alltäglichen Ausübung seiner wirtschaftlichen Aktivität, frei von jedem privaten Gericht. Man traf sogar genaue Vorkehrungen, um jegliches Eingreifen des Letzteren in die kommerziellen Unternehmen zu verhindern. In den Klöstern und Freibezirken war der Kauf und Verkauf verboten. Man achtete vor allem darauf, dass die im 11. Jahrhundert bereits zahlreichen kaufmännischen Geistlichen dem öffentlichen Recht nicht entkommen konnten, indem sie sich ihre Sonderrechte und die Gerichtsbarkeit der Kirche zunutze machten. Schon sehr früh unterstellte man sie der forensis potestas, wenn sie Handel betreiben wollten. Es gab noch eine weitere Sache, die sehr stark dazu beigetragen hat, die Kaufleute unter öffentliche Gerichtshoheit zu stellen. Die meisten unter ihnen waren Fremde, advenae, coloni, Herrenlose. Viele waren flüchtige Leibeigene, die in der Stadt eine neue Lebensweise suchten. Wem würden diese Menschen, deren Heimat und deren ursprünglicher Stand oft niemandem bekannt waren, unterstehen? Die auf dem Besitzrecht basierende, vermögensrechtliche Justizgewalt wäre offensichtlich nicht zuständig, über sie zu richten, da sie in der Tat niemandem mehr gehörten. Eine einzige Gewalt könnte also diese herrenlosen Menschen für sich beanspruchen, und dies würde die Obrigkeit sein. Nur im Fall, wo die Identität des Zuwanderers bekannt war, wie wir bereits gesehen haben, würde dieser teilweise der forensis potestas entkommen können. Wir sehen also, dass das kaufmännische Bürgertum, ungeachtet der gewichtigen und zahlreichen sozialen und juristischen Unterschiede, die wir feststellen konnten, ein gemeinsames Merkmal aufwies. All ihre Mitglieder erscheinen uns mehr oder weniger befreit von der privaten Gerichtsbarkeit und mehr oder weniger ganz der öffentlichen Gerichtshoheit unterstellt. Glauben wir jedoch nicht, dass dieser Umstand sich durch hohe politische Überlegungen erklären ließe! Nichts erlaubt es uns, davon auszugehen, dass die obersten Gerichtsherren sich anfänglich darum kümmerten, den rechtlichen Status der Kaufleute in den Städten zu regeln. Die Marktabgaben, die sie von ihnen forderten, waren schikanös und repressiv. Sie waren im 11. Jahrhundert die gleichen wie hundert Jahre zuvor und waren noch nicht an die neuen Bedürfnisse eines Zeitalters von Handel und Industrie angepasst. So wie es nur all zu oft geschieht, hatten die wirtschaftlichen Fortschritte die Entwicklung der Institutionen überholt und letztere erschienen den Menschen nur noch als ungerecht und unausstehlich. Dies musste wohl vor allem der Fall für die Marktabgabe gewesen sein. Diese hatte in der Tat die einzige Eigenschaft verloren, die diese Steuer

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erträglich machte: sie hatte aufgehört zweckdienlich zu sein. Der Gerichtsherr gab nichts von den Abgaben zurück, die er bezog. Er war nicht dazu angehalten, die Straßen, Brücken oder Stege in gutem Zustand zu erhalten. Die Steuer, die er auf den Wert der Ware bezog, war also absolut unproduktiv und überdies war die Vorgehensweise dabei häufig ungeschickt und brutal. Fügen wir hinzu, dass diese entartete Steuer nicht jedermann traf. In manchen Städten waren aufgrund besonderer Vorrechte ganze Personengruppen davon ausgeschlossen. In Arras zum Beispiel traf sie die Mitglieder der familia nicht, und so versuchte so mancher Kaufmann, sich als Höriger Sankt-Vaasts auszugeben, um ihr zu entkommen. Die Gerichtsbarkeiten, denen die Kaufleute unterstanden, waren also nichts weiter als ein Instrument steuerlicher Ausbeutung. Sie hatten keine Möglichkeit, sich gegen diese herrschaftliche Erpressung zu wehren. Da die meisten unter ihnen Ausländer, Fremde waren, besaßen sie im Gegenteil zu den Bewohnern keine Steuerfreiheiten, keinen Herrn, der ihr natürlicher Beschützer gewesen wäre. Andererseits blieben ihnen auch in ihrer Eigenschaft als Einwanderer die Sicherheiten vorenthalten, die die zu dieser Zeit noch sehr mächtige Familie jedem ihrer Mitglieder zusichern musste. Infolgedessen wurde der Zusammenschluss für sie zu einer Notwendigkeit von größter Bedeutung. Er gewährte ihnen die Unterstützung, die andere in ihrem Herrn oder ihren Verwandten fanden. Die Gilde war die interessanteste Form der kaufmännischen Vereinigung, aber sie war nicht die einzige. Man fand sie weder in Süddeutschland noch in den französischen Städten vor. Sie wurde jedoch dort, wo sie fehlte, durch entsprechende Gruppierungen ersetzt. In der Tat ist es unmöglich, dass in dieser mittelalterlichen Gesellschaft, in der Zünfte und Bruderschaften überhand nahmen, nur Kaufleute dieser allgemeinen Regel entkommen wären. Der Zusammenschluss diente ihnen in ihrer Eigenschaft als Fremde und Einwanderer nicht nur dazu, aus ihrer Vereinzelung auszubrechen, sondern drängte sich ihnen sozusagen durch die Art und Weise des damaligen Handels förmlich auf. Dieser Handel war ein Karawanenhandel. Die Kaufleute des frühen Mittelalters reisten nur in Fahrmännergemeinschaften. Eine Vielzahl an Texten überliefert uns, dass diese Vorgehensweise vom 8. bis zum 12. Jahrhundert zu beobachten war. Eine Karawane kam jedoch nicht ohne ein gewisses Maß an Disziplin und Regeln aus. An ihrer Spitze brauchte sie einen Anführer. Ihre Mitglieder nahmen gegenseitig formgebundene Verpflichtungen an. Sich gegenseitig bei Gefahr zu schützen oder gemeinsam gegen die Plünderer, die sich entlang der großen Straßen in den Hinterhalt legten, vorzugehen, war nicht alles. Der Gefährte musste in jedem Fall auf die materielle und moralische Unterstützung seiner Begleiter vertrauen können. Ob nun sein Karren bei der Durchquerung eines Schlammlochs brach, seine Barke vom Strom mitgerissen in einer Niederung stecken blieb, er vor Gericht zitiert wurde und Eideshelfer brauchte, er in einer fremden Stadt krank wurde, kurz bei allen möglichen Zwischenfällen, die in einem Wanderleben vorkommen konnten, bat der Kaufmann seine Gefährten nicht vergebens um Hilfe. Selbstverständlich verbündeten diese sich auf einer Messe beim Ab-

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schluss eines Geschäftes auch nicht gegen ihn, um ihm seine Kunden strittig zu machen oder um ihn um ein gutes Geschäft zu bringen. War die Vereinigung nach draußen rettend, so war sie es nicht weniger nach innen. Zu Hause angekommen, vernachlässigten die Kaufleute nicht ihre Pflichten, die sie auf ihren weiten Reisen freiwillig angenommen hatten. Die Gleichheit der Lebensweise und der Interessen ließ ihren Zusammenhalt und ihre Solidarität fortbestehen. Spätestens seit dem 11. Jahrhundert bestanden dauerhafte Vereinigungen von mercatores. Die offizielle Anerkennung der Gilde von Sankt-Omer durch den Burgherrn Wulfric Rabel (1072–1083) war sicher kein Einzelfall. Die Gruppierung der Kaufleute war in einer Gesellschaft, wie sie im Mittelalter organisiert war, eine solch natürliche Erscheinung, dass man nicht vor der Behauptung zurückschrecken muss, dass sie überall und sehr früh vonstatten ging. Die kaufmännische Vereinigung war von Natur aus eine freiwillige Gruppierung. Niemand konnte zum Beitritt gezwungen werden und genau dadurch unterschied sie sich grundsätzlich von den späteren Handwerkszünften. Es ist offensichtlich, dass diese Vereinigung, Gilde, Hanse oder Bruderschaft anfänglich die meisten der mercatores der Stadt erfassen musste, das heißt all jene Bewohner, die von Kauf und Verkauf lebten. Den Beitritt abzulehnen hätte bedeutet, sich in eine offensichtlich unterlegene Lage zu bringen und mutwillig auf wertvolle Vorteile zu verzichten. Die Satzung der Gilde von SanktOmer besagte, dass ein Kaufmann, der es ablehnte, Teil der Vereinigung zu sein, keinen Anspruch auf Hilfe ihrerseits im Fall von Diebstahl oder Verlust von Ware oder auch bei einer Herausforderung zum gerichtlichen Zweikampf erheben konnte. Derselbe Text führte weiter an, dass es den Mitgliedern der Gilde gestattet war, ein Produkt zu kaufen, nachdem der Verkäufer dessen Preis bereits mit einer Drittperson festgelegt hatte, vorausgesetzt, diese Drittperson war der Gilde unbekannt. Übrigens, wenn die Gilde von Anfang an einen aristokratischen und exklusiven Charakter gehabt hätte, würden wir davon Hinweise in den Texten finden. Man kann jedoch nichts dergleichen feststellen. In der Satzung von Sankt-Omer hatten die Ausschließungen es auf die Geistlichen, die Ritter und die auswärtigen Kaufleute angelegt. Bezüglich des einheimischen Kaufmanns versuchte man mit allen Mitteln, diesen zum Eintritt in die Gilde zu bringen. Auf diese Weise bildeten alle mercatores, Großhändler, Hausierer oder einfache Handwerker am Anfang eine umfangreiche Vereinigung. Diese hatte ihr Eigenleben und erschien sehr früh als eine reale juristische Person. Sie hatte ihre Dekane, ihren Notar, ihre custodes. Sie besaß eine gemeinsame Räumlichkeit, die Gildehalle, in der sich ihre Mitglieder jeden Abend versammelten, um in Gesellschaft zu trinken und um über ihre Interessen zu diskutieren. Während dieser Versammlungen, die den charakteristischen Namen potationes trugen, waren die Anführer der Vereinigung mit Ordnungsbefugnissen versehen. Sie verhängten Geldbußen, deren Summe, zusammen mit den Mitgliedsbeiträgen ihrer Brüder, die Kasse speiste. Es ist hochinteressant festzustellen, dass diese Kasse nicht mehr nur zur Kostendeckung der Vereinigung diente. Die Gelder, die eingezahlt wurden, sind teilweise zu Arbeiten für die Öffentlichkeit, zum Bau der Wälle der Stadt und zum guten Erhalt der

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Straßen und Plätze verwendet worden. Zu dieser Epoche, die wirklich das Heldenzeitalter des Bürgertums darstellte, ersetzten die Kaufleute aus freiem Willen die Tatenlosigkeit der Obrigkeiten und der alten Feudalverwaltung, die in ihrer Routine erstarrt war und nicht im Stande war, sich nach den neuen Bedürfnissen eines neuen Lebens zu richten. Doch wie hoch auch immer die Wichtigkeit der Kaufmannsgesellschaften in den Städten war, darf man sie nicht überbewerten. Die Gilde trug viel zur Entwicklung der Gemeindeverfassung bei. Sie war es jedoch nicht, die diese schuf. Die Dekane, gewählte Anführer einer autonomen Vereinigung, verwandelten sich nicht in städtische Magistrate und das städtische Recht war nicht ein Keim der Verordnungen, die man in der Versammlungen in der Gildehalle festlegte. Die Gilde war einfach eine freiwillige Vereinigung. Sie hatte keinen öffentlichen Zuständigkeitsbereich. Sie bestand nur durch die freie Zustimmung ihrer Mitglieder. Des weiteren zögerte ihr ursprünglicher Charakter nicht, sich zu ändern. Wenn sie am Anfang alle mercatores einschloss, so sah man sie sich allmählich dem niederen Volk zu verschließen, bis sie schließlich nichts anderes mehr war als eine Gesellschaft der Großhändler. In Sankt-Omer war sie im 13. Jahrhundert zu einer Art Verband von Kapitalisten geworden. Mehr noch, sie umschloss nicht einmal mehr alle Großhändler der Stadt, sondern nur noch einen Teil, den Teil der mit England verkehrte. Das Gleiche galt für die anderen flämischen Städte, deren Gilden, unter dem Namen Hanse von London zusammengeschlossen, sich das Handelsmonopol mit Großbritannien sorgfältig freihielten. Die Ursachen dieser Aristokratisierung der Gilden scheinen auf der Hand zu liegen. Zunächst hatte die Arbeitsteilung schließlich den eigentlichen Handwerker von der Gruppe der mercatores getrennt. Nachdem dieser ganz in die Industrie eingegliedert war und aufhörte, die Produkte seiner Arbeit selbst zu verkaufen, hatte er kein Interesse mehr, der Gilde anzugehören. Er schied selbst daraus aus; man musste ihn nicht ausstoßen. Andererseits erhielten die Gilden ab dem 12. Jahrhundert in großer Anzahl Handelssonderrechte. Das Sonderrecht führte nun aber unvermeidlich zur Exklusivität. In Frankreich wie in Deutschland führte die gleiche Ursache zum gleichen Ergebnis. Aufgrund einer identischen Evolution in beiden Ländern ersetzten Protektionismus und Monopol die anfängliche Gleichheit. Der gleiche Geist beseelte die marchands de l’eau von Paris und Rouen und die Gewandschneider aus Magdeburg und Braunschweig. In Bayonne und in Köln war das Recht des Weinverkaufs nur den Patriziern vorbehalten. Seitdem erhielten die Gilden und Hansen häufig eine mehr oder weniger vollständige wirtschaftliche Gerichtsbarkeit. Sie beherrschten in vielen Städten den lokalen Markt. Sie übten eine immerwährende Kontrolle über gewisse Wirtschaftszweige aus. Besonders die Großindustrie, im Mittelalter die Textilindustrie, stand unter ihrer Aufsicht. Weber und Walker bearbeiteten die Wolle, die die Großhändler an sie verteilten. Als einfache Angestellte im Dienst der Kapitalisten wurde ihre Arbeit notwendigerweise von letzteren geregelt.

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Nirgends zeigte sich dieser neue Stand der Dinge so offensichtlich und logischerweise wie in den großen industriellen Städten Brabants, in Brüssel, Mecheln und Löwen. Dort waren alle Wollhandwerke der Gilde streng untergeordnet. Der Rat trat das Recht, alle den Verkauf und die Herstellung von Tuch betreffenden Vorschriften festzulegen, an die Gilde ab. Diese Regelung galt jedoch nicht von Anfang an. Sie war nur die Konsequenz des Sonderrechts und der Arbeitsteilung, die schließlich die Trennung zwischen Herstellung und Handel herbeigeführt hatte. Sie bestand zu Anfang nicht. Man findet dazu nicht eine einzige Spur in den ältesten uns noch erhaltenen Gildesatzungen: in diesen Texten geht es nur um gegenseitigen Schutz und Verteidigung. Noch einmal: das wichtigste Merkmal der ursprünglichen Gilde war, dass es sich um eine freiwillige Gruppierung von mercatores handelte. Rechtlich hatte sie keinen Einfluss auf die Entwicklung der städtischen Verfassung. Tatsächlich, im Gegenteil, war dieser Einfluss beträchtlich. Die Vereinigung hatte den Kaufleuten die Macht verliehen, die sie brauchten, um die damalige Zivilisation zu ihren Gunsten zu verändern und um Städte zu bilden. Sie hatte ihnen als Instrument der Befreiung und des Fortschritts gedient. Aber es wäre ein Fehler, sie als die Gussform der städtischen Verfassungen zu betrachten. Wir bemerken dies sehr schnell, wenn wir eine Tatsache von erheblicher Bedeutung untersuchen, von der es nun höchste Zeit wird zu sprechen: die Ausarbeitung eines jus mercatorum, eines gemeinsamen Kaufmannsrechts. Dieses Recht, das man als eine der Quellen des städtischen Rechts betrachten muss, wie wir es auch später zu beweisen versuchen werden, entsprang nicht der Gilde. Diese hatte dazu beigetragen, es zu verbreiten und zu erhalten, hatte es jedoch nicht geschaffen. Die ersten Dokumente, die ein den Kaufleuten eigenes Recht erwähnen, datieren vom 11. Jahrhundert. Sie erwähnen diese, als ob sie schon seit langer Zeit bestünden (ab antiquis temporibus). Unglücklicherweise beschreiben sie nicht die Natur dieses Rechts. Sie beschränken sich darauf, die judicia mercatoribus concessa zu erwähnen, ohne uns jedoch mitzuteilen, was man darunter zu verstehen hat. Erfreulicherweise ist es jedoch nicht sehr schwer, es sich vorzustellen. Es ist offensichtlich, dass seit dem Zeitpunkt, an dem die wirtschaftliche Aktivität in Europa erwacht war, sich natürlicherweise eine Art coutume des marchands, eine kaufmännische Sitte, bilden musste. Da es seit dem Ende des karolingischen Zeitalters keine schriftlichen Gesetze mehr gab, hatten die Gerichte, frei von den Bremsen, die ein kodifiziertes Gesetz ihnen auferlegen konnte, zweifelsohne eine neue Rechtsprechung im kaufmännischen Bereich ausgearbeitet. Das alte Recht, das für die Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Zivilisation geeignet war, hatte sich der Entscheidung in bis dahin unbekannten Fragen entsprechend geändert. Die altbewährte Art und Weise des Darlehens, der Bürgschaft und der Pfändung reichte nicht mehr aus. Wenn es darum ging, Anfechtungen ein Ende zu setzen, in die Kaufleute, fahrende und mobile Wesen verwickelt waren, musste die formalistische und komplizierte Prozedur mit ihrem Verzug und ihrer Langsamkeit einem einfacheren Schnellverfahren weichen. Urkunden berichten uns von der den Händlern von Konstanz, Worms, Basel usw. eigenen Rechtsprechung. Freiburg im Breisgau wurde nach dem Kölner Kaufmannsrecht gegründet. Beaumanoir erwähnt alte Rechtspraxen im Bereich der Bürgschaft und der

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Kaution. Wenn man städtische Verfassungsurkunden aus dem 12. Jahrhundert liest, nimmt man dort eindeutig Überbleibsel dieses ursprünglichen jus mercatorum wahr. Tatsächlich ist die Einführung in die Urkundentexte von Artikeln, die gerechtere und einfachere Rechtsregelungen zugunsten der Kaufleute einführten, nur erklärlich, wenn man Entlehnungen aus der kaufmännischen Sitte annimmt. Aus dieser letzten Beobachtung ergibt sich überdies, dass das jus mercatorum grundsätzlich ein absolut allgemeines, oder wenn man so will, internationales Recht darstellt. Es hatte sich überall dort entwickelt, wo es mercatores gab. Es hatte seinen Ursprung nicht in einer nationalen Gesetzgebung; es gehörte nicht unmittelbar diesem oder jenem Land: seine Wurzeln waren rein wirtschaftlich. Auf diese Weise hatte sich schon sehr früh neben und über dem nationalen und traditionellen Recht ein neues zusätzliches Recht gebildet. Zugunsten der Kaufleute hatte sich eine ureigene Sitte entwickelt. Langsam aber sicher festigte, präzisierte und bereicherte sich diese Sitte. Sie gewann unentwegt an Boden, bis sie schließlich Teil der städtischen Freiheiten wurde.

III. Wenn die um die castra angesiedelten Kaufleute im Laufe des 11. Jahrhunderts eine gewisse Anzahl an eigenständigen Merkmalen erlangt hatten, die sie mehr und mehr von der restlichen Bevölkerung absonderten, waren sie dennoch weit davon entfernt, eine Gemeinde zu bilden. In Wirklichkeit gab es zu jener Zeit nicht mehr Städte, im eigentlichen juristischen Sinne, als im karolingischen Zeitalter. Territorial gesehen war der städtische Boden immer noch in verschiedene Bezirke aufgeteilt, die teilweise dem Lehnsrecht, teilweise dem öffentlichen Recht unterstanden. Die Bevölkerung bildete immer noch von einander unabhängige Gruppen: kirchliche servientes, milites, ministeriales, censuales, dagescalci usw. Neben diesen ältesten Gruppen bildete sich eine neue Gruppe, die der mercatores, mit neuen Tendenzen und neuen Bedürfnissen, die schließlich die Lage der Menschen und Böden änderten und anstelle der ursprünglichen Zersplitterung die starke und feste Einheit der Gemeinde und des Gemeinderechts bildeten. Es ist nun wichtig herauszufinden, wie dieses Gemeinderecht entstand. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass es nicht von Grund auf neu durch die den Städten bewilligten Verfassungsurkunden begründet wurde, dass es älter als diese ist, und dass man in ihm das Ergebnis einer langwierigen Entwicklung sehen muss. Von daher so scheint es, ist es möglich, die wichtigsten Schritte zu markieren und aufzuzeigen, wie unter der Einwirkung von überall gleichen Ursachen, sich allseits eine gleichartige Entwicklung vollzog. Das jus mercatorum war, wie wir es gesehen haben, das Recht einer Gruppe von Menschen. Es war eine persönliche Sitte, anwendbar für alle Kaufleute, wo auch immer sie sich aufhielten oder wohnten, innerhalb oder außerhalb der Städte. Von diesem Punkt aus gesehen hatte dieses Recht also nichts städtisches. Es war nicht mit dem Boden der Stadt verbunden. Allerdings, und schon sehr früh, fing es an sich ihm einzugliedern. Die

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gleiche Bedeutung, die sich zwischen den Begriffen mercator und burgensis eingerichtet hatte, ist ein eindeutiger Beweis für diese bedeutende Tatsache. Da die ältesten Hinweise von Beispielen dieser Synonymie auf das 11. Jahrhundert zurückgehen, kann man daraus schließen, dass seit dieser Epoche das jus mercatorum ein lokales Merkmal aufwies, und dass es, über die Person des Kaufmanns, sich auf das von ihm bewohnte Land zu übertragen versuchte. Wie ging diese Verwandlung vonstatten? Wie wurde das Kaufmannsrecht nach und nach zum Bürgerrecht? Erinnern wir uns zu erst an das, was wir über die Lage der Kaufleute in der Stadt gesagt haben. Als Kaufleute unterstanden sie der öffentlichen Gerichtsbarkeit, aber eine hohe Anzahl unter ihnen unterstand in ihrer ursprünglichen Qualität als Nicht-Freie weiterhin gleichzeitig der Lehnsgerichtsbarkeit. Die Leibeigenen, die das flache Land verlassen hatten, um sich in der Stadt niederzulassen und dort Handel auszuüben, waren immer der Gefahr ausgesetzt, dass ihr Herr jederzeit wieder Anspruch auf sie erheben konnte und dass sie dann zu ihrer familia, die sie verlassen hatten, zurückkehren mussten. Auch wenn der Zuwanderer von Geburt aus frei war oder zumindest als solcher galt, so konnte doch seine Frau, die er in der Stadt geheiratet hatte, aus der Leibeigenschaft stammen, eine ancilla sein. Infolgedessen unterstanden ihre gemeinsamen Kinder dem Herrn, dem die Mutter gehörte. Eine außenstehende und somit unausstehliche Macht hatte also Einfluss auf die Familie. Der Hauptfall, die Tote Hand, das Buteil, all diese Verlängerungen des Besitzrechts des Menschen über den Menschen, Resultate einer rein landwirtschaftlichen Kultur, waren unvereinbar mit der neuen Lebensart. Ob nun freiwillig oder mit Gewalt, sie mussten verschwinden. Die Person des Kaufmannes musste frei sein und so auch seine Familie. Der Widerstand der Lehnsherren, wie nachdrücklich er auch war, wurde gebrochen. Seit dem 12. Jahrhundert war es Regel, dass ein Wohnsitz über Jahr und Tag in der Stadt die Freiheit gab. Zweifellos war diese Freiheit anfänglich noch durch Einschränkungen jeglicher Art umschlossen. Der Herr erlaubte sie den Menschen seines Guts nicht, denen er es verbot, sich in der Stadt niederzulassen. Außerdem bestanden immer noch in ihr Enklaven und Immunitäten, in denen das alte Recht in Kraft blieb. Grundsätzlich war die Rechtssache jedoch gewonnen. Das normale Lebensverhältnis des Bürgers war nun mehr das eines freien Mannes. Die Verfassungsurkunde von Lüttich hielt fest, dass sein Eid vor Gericht so viel galt wie der eines liber homo. Unter dem Druck neuer Bedürfnisse gab das alte Recht nach und die Stadt, inmitten des flachen Landes, erschien nun wie ein Freiraum. Es sei hier darauf hingewiesen, dass die Bürger die Freiheit an sich nicht anstrebten. Hüten wir uns jedoch davor, moderne Ideen an dieser Stellen anzuführen. Sie wurde nicht im Namen der Menschenwürde gefordert. Wir haben bereits festgehalten, dass Kaufleute in Arras sich als Leibeigene Sankt-Vaasts ausgaben, um von den Marktabgaben befreit werden zu können. Die Freiheit war für die Stadtbewohner nicht ein Ziel, sondern eine Folge. Und eben weil das Kaufmannsleben nur durch die Knechtschaft existieren und sich weiterentwickeln konnte, wollten sie frei sein. In der Stadt ging die

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persönliche Freiheit mit der Freiheit des Bodens einher. Das Land war in der Tat Grundlage des Ansehens, des Kapitals schlechthin; in ihm bestand noch der Großteil des Reichtums. In einer Kaufmannssiedlung konnte es also nicht unbeweglich bleiben, gewissermaßen erstarrt durch die Überbelastung durch diese schwerfälligen und zahlreichen feudalen Rechte: Erbschaftssteuer, Verkaufsgebühren, Zehnte, gaule, Herdsteuer usw., verhinderten es, dass es in den Handel eingespeist werden und einen Marktwert erhalten konnte, in dem es in enger Abhängigkeit mit dem völligen Eigentumsrecht gehalten wurde. Das Gleiche galt für die Einschränkungen, die das Gewohnheitsrecht zu Gunsten der Familie, zur Eigenbestimmung der Grundstücke und besonders zum Vorkaufsrecht beigetragen hatten. Fügen Sie nun diesen impedimenta noch jene hinzu, die aus der außerordentlichen Vielgestaltigkeit der Rechtsordnungen hervorgingen, denen die städtischen Fonds, die lokalen Bräuche, die verschiedenen Gerichte, die Dienstleistungen jeglicher Art unterstanden, die mehr oder minder schwer auf ihnen lasteten, je nachdem welcher Herrschaft, Immunität oder welchem Herrschaftsgericht sie angehörten. All dies musste einem neuen Regime weichen, und auch hier passte sich das Recht schließlich den Bedingungen des städtischen Umfelds an. So wie im merowingischen Zeitalter die große Domäne notwendigerweise das Kleinanwesen, trotz der Anstrengungen des Staates, übernahm, so riss der Boden in der Stadt sich notwendigerweise von den Fesseln des Lehnsrecht oder vom Reich des alten Gewohnheitsrecht los. Er riss sich nicht nur davon los, weil er nun ein Kauf- und Verkaufsobjekt war, sondern auch, weil er seine Natur geändert hatte. Der Boden der Stadt war in der Tat kein Ackerland wie im Flachland, sondern Bauland. Es war unumgänglich, dass ein Hausbesitzer früher oder später das Eigentumsrecht für das Grundstück erhielt, auf dem sein Haus gebaut worden war. Überall verwandelte sich der alte herrschaftliche Boden in zinsbares Eigentum, in Leih-Allodie. Auf diese Weise wurde die städtische Leihe zur freien Leihe. In Frankreich und in Deutschland wies sie die gleichen Merkmale auf. Sie zog keine persönliche Unterwerfung des Pächters gegenüber dem Verpächter mit sich. Sie war frei übertragbar, frei veräußerlich. Natürlich musste die freie Leihe zu erst auf den Teilen des Bodens auftauchen, die anfänglich von der Obrigkeit abhängig waren. Aber von da aus verbreitete sie sich immer weiter. In Étampes wurde sie auf die Oktaven angewandt, das heißt auf ursprünglich unfreie Landgüter. In Arras teilte das Kloster von Sankt-Vaast seine Plantage in Parzellen, die es an Bürger verpachtete. In Reims teilten die Erzbischöfe große Teile ihrer Domäne auf. Infolge der fortwährenden Einwanderung, des andauernden Bevölkerungswachstums, waren Baugrundstücke immer mehr gefragt. Seit Beginn des 12. Jahrhunderts hörte die mansionaria terra nicht auf, zu Lasten der Immunitäten zuzunehmen. Selten überließen die Herren das vollständige Grundeigentumsrecht den Zuwanderern. Gewöhnlich behielten sie sich auf jeder Leihe einen anerkennenden Pachtzins ihres dominium. Dieser Pachtzins war jedoch überall sehr bescheiden. In Freiburg im Breisgau

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brachten die areae, die an die Kaufleute verteilt wurden, dem Herzog von Zähringen jeweils jährlich einen Groschen ein. In der Champagne warfen die Häuser nicht mehr als sechs Pfennig ab. Über diesen ursprünglichen Pachtzins hinaus konnte der Pächter nach Belieben neue Pachtzinsen (Überzins, Erhöhung des Pachtzins, Holzins usw.) oder Mieten schaffen. Der herrschaftliche Pachtzins war unabänderlich und unverjährbar; er entsprach keineswegs dem Wert des Bodens, er war nur ein Zeichen, an dem man die direkte Domäne, den außerordentlichen und theoretischen Besitz erkennen konnte. Der spätere Pachtzins war wirtschaftlicher Natur. Er ging aus freien Übereinkommen zwischen zwei Parteien hervor. Er ging von Hand zu Hand weiter, war zu kaufen, zu verkaufen, ließ sich auf jede erdenkliche Art übertragen. Er war das damalige Kreditinstrument schlechthin. Indem der Kaufmann einen Pachtzins auf sein Haus verkaufte, beschaffte er sich das flüssige Kapital, das er für seine Geschäfte brauchte. In dem er von seinen Verdiensten einen Pachtzins eines Grundstücks eines Dritten kaufte, sicherte er sich ein im Verhältnis zu der ausgegebenen Summe stehendes Einkommen; er machte, wie man heute sagen würde, eine sichere Geldanlage mit Zinseinkommen. Im Vergleich zu der alten Feudalpacht wies die Leihe entsprechend der consuetudo fori, die Leihe nach Weichbild, nach Burgrecht, wie man in Deutschland sagt, nach bourgage, wie man in Frankreich sagt, also eine sehr ausgeprägte Originalität auf. In neue wirtschaftliche Verhältnisse eingebettet, erlangte der städtische Grund und Boden schließlich neues, seiner Natur entsprechendes Recht. Das freie Eigentum unterstand notwendigerweise, wie der freie Mann, der öffentlichen Gerichtsbarkeit. Im 13. Jahrhundert war es üblich, dass die auf die Grundstücke sich beziehende Gesetzschöpfungen, vor dem Schöffenamt erfolgten. Zweifellos verschwanden die Landgerichte der Lehnsherren nicht, aber, um den vor diesen Gerichten abgewickelten Akten vollen Wert zu verleihen, um sie rechtskräftig zu machen, mussten sie vom Schöffenamt oder vom Rat registriert werden. Außerdem kann man feststellen, dass im weiteren Verlauf des Mittelalters die Städte die Landgerichte, alle alten Sondergerichtsbarkeiten zurückkauften. Alle Grundstücke, unabhängig von ihrem Ursprung, unabhängig von ihrem damaligen Besitzer, unterstanden also mehr und mehr vollständig dem städtischen Gericht. Nur unveräußerliche Güter, Klostergebäude, Begräbnisplätze neben Kirchen, klösterliche Häuser entkamen ihm. Aber überall versuchten Bürger die Ausbreitung dieser unveräußerlichen Güter zu verhindern. Schon sehr früh vereinbarte man, dass im Falle eines Grundstückserwerbs durch eine kirchliche Einrichtung, dieses Grundstück weiterhin dem gemeinen Recht unterstand. Man verpflichtete die Kirche dazu, jegliche Immobilien, die ihr überschrieben worden waren, zu verkaufen. Manchmal ging man sogar soweit, ihr den Erwerb weiterer Immobilien formell zu verbieten. Aber das war nicht alles. Das Stadtrecht hat nicht nur die persönliche, sowie die Grundknechtschaft abgeschafft, sondern es ließ auch den Lehnsanspruch, die fiskalischen Gerichtsbarkeiten, die die Ausübung von Handel und Industrie direkt trafen, verschwinden. Weiter oben haben wir gesehen, dass, auch wenn die Marktabgabe theoretisch eine öffentliche Steuer war, sie tatsächlich die Form einer unrechtmäßigen Geldeintreibung annahm. Ohne nützliche Auswirkung konnte sie von den Steuerzahlern nur

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noch als Mittel zur grundherrschaftlichen Umsatzsteigerung durch die Ausbeutung des Handels betrachtet werden. Wenn sie zusätzlich nicht unmittelbar im Namen des Gerichtsherrn eingezogen wurde, sondern auf irgendeinen Ritter oder irgendein Kloster übertragen wurde, wurde sie um so unerträglicher. Hinzu kam, dass sie im allgemeinen im Fall einer Zuwiderhandlung, eine Geldstrafe von sechzig Groschen nach sich zog und, dass das Recht auf diese Weise seine strengsten Bestrafungen in den Dienst einer repressiven und schikanösen Steuer stellte. Unter diesen Umständen war es nicht außergewöhnlich, dass die Bürger versuchten, sich davon zu befreien. Der Chronist Galbert zeigt uns, dass dies eine der Hauptsorgen der Bürger Flanderns war. Da der Bewerber des Grafenthrons Wilhelm I. Clito sein Versprechen, ihnen die Marktabgabe zu überlassen, nicht einhielt, erhoben sie sich gegen ihn und riefen Dietrich von Elsass an. Im Laufe des 12. Jahrhunderts wandelte sich die Marktabgabe überall, ob nun freiwillig oder mit Gewalt. Manchenorts wurde sie mittels einer Jahresrente abgelöst; andernorts wurde die Art ihrer Einnahme geändert. Fast immer, mehr oder weniger ganzheitlich, wurde sie unter die Aufsicht der Gerichtsbarkeit der Stadt gestellt. Letztere erbte also vom Gerichtsherrn das Aufsichtsrecht über den lokalen Handel und die lokale Industrie sowie die Zuständigkeit für Gewichte und Maße, das heißt die Rechte, die mit der Marktabgabe einhergingen. Von nun an ernannte die Stadt die thelonearii, die Rewards, die Geschworenen, die Vinders, das Heer der Beamten und die Kontrolleure der Wirtschaftsaktivität. Die Ministerialen, denen ehemals die Aufgabe der Eintreibung der Marktabgabe, sowie die Ausführung ihrer Gerichtsbarkeit übertragen worden war, verschwanden aus den Städten. Gleichzeitig wurden die herrschaftlichen Bußgelder gesenkt: gewöhnlich von sechzig auf fünf bis sieben Groschen. Wenn die Marktabgabe nicht verschwand, sondern abgewandelt wurde, indem sie in die Hände des Rates übertragen wurde, so verhielt es sich mit weiteren Rechten anders, die wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der Verbreitung des städtischen Lebens endgültig verschwinden mussten. Ich spreche hier von den Spuren, die das landwirtschaftliche Zeitalter auf der Physiognomie der Stadt hinterlassen hatte: die Zwangsbacköfen und -mühlen, in denen die Bürger durch den Gutsherrn verpflichtet wurden, ihr Getreide zu mahlen und ihr Brot zu backen; Monopole jeglicher Art, aufgrund derer er das ausschließliche Recht hatte, zu gewissen Zeiten den Wein seiner Weinberge oder das Fleisch seines Viehs zu verkaufen; das Lagerrecht, das dem Bürger die Pflicht auferlegte, ihm Kost und Logis zu gewähren, wenn er sich in der Stadt aufhielt; das Abrufrecht, durch das er die Schiffe und Pferde der Bewohner zu seinen Zwecken verwenden durfte; Gewohnheitsrechte jeder Art und jeden Ursprungs, die repressiv und schikanös geworden waren, wie zum Beispiel jenes, das den Bau von Brücken über Flussläufe verbot oder jenes, das die Häuserfassaden mit Steuern belegte. Im 13. Jahrhundert verblieben hiervon fast nur noch verblasste Erinnerungen. Nachdem sie versucht hatten, sich zu wehren, gaben die Grundherren schließlich nach. Sie hatten verstanden, dass es in ihrem Interesse war, die Entwicklung der Städte zu unterstützen, indem sie die diese störenden

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Hindernisse beseitigten, anstatt sie selbst zu hindern, um sich einige winzige Einkommen zu gewähren. Früher oder später wurden sie sich der Unvereinbarkeit dieser veralteten Leistungen mit der neuen Sachlage bewusst, und manchmal bezeichneten sie diese selbst als Diebstahl und Erpressung. So wie die Lebensbedingungen, die Grundstücksordnung und das Steuersystem, so änderte sich auch der Kern des Rechts in den Städten. Der komplizierte und förmliche Verfahrensweg, die Eideshelfer, die Gottesurteile, die gerichtlichen Zweikämpfe, all diese barbarischen Beschaffungen von Beweismitteln, die nur all zu oft den Zufall oder die Böswilligkeit über den Ausgang eines Prozesses bestimmen ließen, brauchten ihrerseits nicht lange, um sich den neuen Bedingungen des städtischen Umfelds anzupassen. Es bestand nun ein dringendes Bedürfnis nach grundlegenden Reformen. Die alten förmlichen Verträge des germanischen Rechts mussten alsdann verschwinden, als das wirtschaftliche Leben komplizierter und aktiver wurde. Der gerichtliche Zweikampf, von dem Ludwig der Fromme die Händler der Spanischen Mark bereits im 11. Jahrhundert freigestellt hatte, konnte sich inmitten einer Kaufmanns- und Handwerkergesellschaft nicht halten. Seit Beginn des 12. Jahrhunderts wurde er im Großteil der Ortschaften abgeschafft: 1108 in Stavoren, 1116 in Ypern, 1130 in Freiburg, 1127 in Sankt-Omer. Gleichermaßen übertrafen die Zeugenaussagen schon sehr früh die Aussagen der Eideshelfer. Im Laufe des Prozesses minderte sich die persönliche Rolle der Parteien zu Gunsten jener des Gerichts. Das Wergeld wich einem System von Geldbußen und körperlichen Züchtigungen. Zu guter Letzt wurden die gerichtlichen Verzögerungen, die anfänglich so langwierig gewesen waren, erheblich gekürzt. Und es war nicht nur die Prozedur, die geändert wurde. Der rechtliche Inhalt wurde nicht weniger abgewandelt. Aus den verstreuten Hinweisen der Gemeindeurkunden kann man herauslesen, dass in Sachen Heirat, Erbschaft, Bürgschaft, Schulden, Hypothek, in den Städten eine ganz neue Gesetzgebung gebildet wurde. Kurz, man sprach nun nicht mehr vom jus mercatorum, sondern vom jus civile. Man kann jedoch nicht davon ausgehen, dass das städtische Recht etwas ganz und gar Neues war, das sich an nichts Früheres anlehnte. In Wirklichkeit handelte es sich um eine Abwandlung des territorialen Gewohnheitsrechts, die sich durch die Einwirkung der wirtschaftlichen und sozialen Kräfte vollzog. Auch wenn es durch den Geist, der es beseelte, international war, baute sich das jus mercatorum wie sein Vorläufer überall auf der soliden Basis der nationalen Sitte auf. Hierin unterschied es sich grundsätzlich von den Feinden, gegen die es einen Jahrhunderte langen Kampf führen musste: das Feudalrecht und den Lehnsanspruch. Das städtische Gewohnheitsrecht hatte sich jedoch nicht ex nihilo im 11. Jahrhundert entwickelt. In den vorangehenden Seiten waren wir immer wieder gezwungen, den Verlauf der Ereignisse vorwegzunehmen und von Erscheinungen zu sprechen, die erst viel später als die ersten Bekundungen des städtischen Lebens auftauchten. Erst als die Stadt ein eigenes rechtliches Gebiet, eine franchise, ein Weichbild, darstellte, als die Menschen nicht mehr durch ihre soziale Stellung, sondern durch ihren Wohnsitz dem Recht der Stadt unterstanden, erzielte dieses Recht seine größten Fortschritte. Aber der Keim, die

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Kraft all dieser Fortschritte befand sich schon im jus mercatorum, in diesem persönlichen Recht der Kaufleute, das während des Frühmittelalters ausgearbeitet worden war, und dessen Geist und Tendenzen wir, natürlich auf unvollkommene Weise, versucht haben zu charakterisieren. Der Erwerb dieses Rechts durch die Kaufleute musste unmissverständlich einen ausschlaggebenden Einfluss auf die spätere Entwicklung des Bürgertums gehabt haben. Wir vermuten im Halbdunkel der Ursprünge eine Übergangsperiode, deren Einzelheiten entschwinden, aber deren allgemeine Tendenzen sich deutlich genug ableiten lassen. Das 11. und 12. Jahrhundert bildeten eine Epoche der Kämpfe, Konflikte, Unsicherheiten und des Chaos. Das alte Recht versuchte, sich gegenüber dem neuen Recht zu behaupten, aber es verlor überall an Boden. Nicht zufrieden damit, ein Recht zu genießen, das ihnen eigen war, versuchten die Kaufleute Organe zu schaffen, die sich um die Anwendung dieses Rechts kümmern sollten. Sie versuchten, sich der alten Gerichtsbarkeiten zu bemächtigen und diese zu ihrem Vorteil abzuändern. Die Verwandlung des Gewohnheitsrechts und des Verfahrens musste unwillkürlich zu einer grundlegenden Veränderung in der gerichtlichen und administrativen Verfassung der Stadt führen. Offensichtlich waren die Zeiten der ministeriales und der herrschaftlichen Schöffenämter vorbei. Das Bürgertum wollte nun unmittelbar an der Verwaltung seiner Angelegenheiten teilhaben. In Arras behaupteten die cives, sich die Gerichtsbarkeit der Marktabgabe mit den Beamten von Sankt-Vaas zu teilen. In Dinant wurden die monetarii, die zu Anfang das Schöffenamt darstellten, von den Bürgern langsam vertrieben. In den Rheinlanden und in Frankreich konnte man ähnliche Ereignisse beobachten. Überhaupt waren es nicht nur die Kaufleute, die sich auflehnten. Die verschiedenen sozialen und rechtlichen Gruppen, die neben ihnen in den Städten lebten, wollten auch an diesen Privilegien des neuen Rechts teilhaben. Tatsächlich verloren alle nach und nach ihren ursprünglichen, landwirtschaftlichen oder zu den Domänen gehörigen Charakter. Die sich verallgemeinernde Ausübung von Handel und Industrie brachten sie den Kaufleuten immer näher, und die Bevölkerung musste jetzt versuchen, das für sie nun geltende Recht mit ihrer Lebensführung in Übereinstimmung zu bringen. Zweifelsohne sind wir sehr schlecht über die nun folgenden Ereignisse informiert, aber dies ist nicht erstaunlich. Da die Verfassung sich noch im Aufbau befand, beschrieb sie niemand. Man erkennt nur verschiedene unübersichtliche Bewegungen. Aber es dauerte nicht lange, bis das Chaos geordnet wurde. Das 12. und 13. Jahrhundert zeigen uns Städte, die an ihrem Ziel angekommen sind, die juristische Personen hervorbringen, die mit einer eigenen Existenz versehen sind. Es bleibt uns also nur noch festzustellen, welche die Faktoren sind, die die Hauptrolle im letzten Akt der Entwicklung gespielt haben.

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IV. Wir stimmen darin überein, dass die mittelalterliche Stadt einen besonderen Frieden genoss. Wie verschieden die geäußerten Theorien zum Ursprung der Städtebildung auch immer sein mögen, dies ist eine derart unverkennbare Wahrheit, dass sie allgemein anerkannt wird. Nach Arnold, Heusler, Gierke und von Maurer bewies es M. Sohm noch letztlich mit dieser ihm in all seinen Werken eigenen Klarheit und Präzision. Es wäre also nicht von Interesse, hier wieder lange auf diesen derart gut ermittelten Punkt, dessen Nachweise reichlich vorhanden sind, zurückzukommen. Es wird reichen, dem Leser folgende kennzeichnenden Zeilen des ältesten Straßburger Rechts ins Gedächtnis zu rufen: Ad formam aliarum civitatum, in eo honore condita est Argentina ut omnis homo, tam extraneus quam indigena, pacem in ea omni tempore et ad omnibus habeat. Diese kategorische Versicherung war nicht weniger wahr für die deutschen wie für die französischen Städte. Auch Letztere erscheinen uns wie Orte des Friedens. Ihre Vorstädte nannten sich pax, ihre Rathäuser trugen den Namen domus pacis, ihre Geschworenen als jurati pacis, als Wardoure des Friedens bezeichnet usw. Halten wir also fest, dass in ganz Nordeuropa der Friede einen grundlegenden Charakterzug der mittelalterlichen Stadt darstellte, er war Teil ihrer Natur. Aber woher stammte dieser besondere Friede der Stadt? Die Frage ist, wie wir wissen, besonders umstritten. Man hat heutzutage und mit Recht die Idee aufgegeben, die den städtischen Frieden auf den Gottesfrieden des 11. Jahrhunderts zurückführen wollte. Es ist einfach festzustellen, dass der städtische Friede nur örtlich war, während der Gottesfriede sich über ein ganzes Land erstreckte. Die Texte unterscheiden sehr deutlich zwischen beiden. In Stavoren unterschied man die communis pax civitatis von der pax quam omnis possidet Frisia. In Lüttich übertrug sich der von Henri von Verdun im Bistum festgelegte allgemeine Friede nicht auf die Stadt. Es stimmt, dass der Stadtfriede uns oft mit einer sehr scharfen kirchlichen Färbung erscheint. Es stimmt auch, dass er in manchen Fällen dem Territorialfrieden mehrere oder wenige Vereinbarungen entlehnte. Schließlich stimmt es auch, dass die Bürger der Einrichtung des Gottesfriedens zustimmten, weil sie, mehr als andere, ein Interesse an der Herrschaft von Ordnung und Sicherheit im flachen Land hatten. Aber wie interessant diese Sachverhalte auch sind, sie reichen nicht, um es uns zu erlauben, ein Kindschaftsverhältnis zwischen der pax Dei und der pax civitatis herzustellen. Erstere ist das Werk der Kirche, Letztere ist rein weltlich. Die eine hat als Strafe die Exkommunikation, die andere körperliche Züchtigungen. Mehr als jemand zuvor hat M. Sohm auf diesen ausschließlich weltlichen Charakter des Stadtfriedens bestanden, in dem er, wie man weiß, einen Marktfrieden sah, der selbst gleichbedeutend mit dem Frieden des königlichen Palastes übereinstimmte. Wir werden nicht auf die Einwände eingehen, die man dieser Theorie entgegenbringen könnte. Wir werden nur kurz über die Meinung derer sprechen, die weniger kühn als M. Sohm, den Stadtfrieden als eine Verwandlung, eine lokale Anwendung des persönlichen Friedens, den die Kaufleute genossen, ansehen. Diese Meinung überschätzt, so scheint es, den

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Umfang eines übrigens sehr exakten Sachverhalts. Der Friede, den die Obrigkeit den Kaufleuten einräumte, war ein vorübergehender, zeitweiliger Friede. Er schützte sie nur auf ihren Reisen, wenn sie sich auf Messen und Märkte begaben. Wir sehen nicht, dass er sie in der Stadt begleitete, dass er sie weiterhin im suburbium, wo sie ihren Wohnsitz hatten, beschützte. Übrigens, sobald uns der Stadtfriede erscheint, präsentiert er sich uns als ein über die ganze Stadt verbreiteter Friede, und die Theorie erklärt nicht, wie die pax mercatorum, so sehr sie ursprünglich auf die Person bezogen war, dann auch für den ganzen Ort gültig wurde. In Wirklichkeit scheint es mir unnötig, um über die Einrichtung des Stadtfriedens zu berichten und auf vorangegangene Formen oder auf juristische Abstraktionen zurückzugreifen. Wegen des politischen und gesellschaftlichen Zustands des Mittelalters, wurde er für die Städte eine unumgängliche Notwendigkeit, ein wichtiges Bedürfnis. Beobachten wir die immer weiter aufkommenden Siedlungen der Zuwanderer, die sich im 11. und 12. Jahrhundert bildeten. Sie setzten sich aus Menschen zusammen, die von überall her kamen, aus Menschen verschiedenster sozialer Schichten, aus Fremden, aus advenae. Zwischen ihnen gab es keinen natürlichen Familienzusammenhalt. Es kam hinzu, dass sie, außerhalb der alten, mit den Domänen verbundenen Gruppen lebend, nicht mehr den Schutz und die Sicherheit genossen, die die Leibeigenen im noch soliden Umfeld der großen Domänen fanden. Um sich gegenseitig zu schützen, um nicht eine ungleichartige Sammlung von Individuen ohne Zusammenhalt und somit ohne Macht zu bilden, schlossen sich die Zuwanderer in Vereinigungen, in Gilden, in Korporationen jeglicher Art zusammen. Diese persönlichen Gruppierungen reichten jedoch nicht aus. Niemand war gezwungen, darin Mitglied zu werden; die Kleriker und Ritter wurden davon ausgeschlossen. Und, auch wenn die Korporationen eine gewisse ordnende Macht über ihre Mitglieder ausübten, so waren sie doch ohnmächtig in Bezug auf die Bestrafung von Verbrechen und Straftaten. In dieser mittelalterlichen Gesellschaft, infolge der Brutalität der Instinkte und der veranlagten Gewaltbereitschaft, standen Verbrechen und Straftaten an der Tagesordnung: in den Städten noch häufiger als im flachen Land. Die Stadt war in der Tat ein dauerhaftes Lager, ein emporium. Sie enthielt Geld, wertvolle Waren, Handelsgüter jeder Art, ein gefundenes Fressen für die Plünderer der Umgebung. Wie wir bereits gesehen haben, hatten die Kaufleute eine Palisade um ihr suburbium errichtet, um sich gegen solche Angriffe zu schützen. Dieser materielle Schutz musste jedoch von einem rechtlichen Schutz ergänzt werden. Dieses Recht, dieser Friede, der sich in den Städten ausbreitete, war eine Art Recht auf unbefristete Belagerung. Es war viel unnachsichtiger, viel strenger als jenes im flachen Land. Es geizte nicht mit körperlichen Züchtigungen: Erhängen, Enthaupten, Kastration, Amputation von Gliedmaßen. Es wandte das Vergeltungsrecht in seiner ganzen Härte an: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Secundum quantitatem facti punietur, sagt die Verfassung von Sankt-Omer, scilicet oculum pro oculo, dentem pro dente, caput pro capite reddat. Si reus inventus fuerit, liest man in jener von Laon, caput pro capite, membrum pro membro reddat. Pro capite capud, pro manu manus, schreibt jene von Schwerin mit einer nachdrücklichen Prägnanz vor. Es ist nicht nötig, weitere analoge

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Texte anzuhäufen. Seit dem 12. Jahrhundert sind sie zahlreich vorhanden und es reicht völlig, in einem Sammelband städtischer Sonderrechte zu blättern, um einen solchen zu finden. Der Stadtfriede war in der Hauptsache lokal angesiedelt. Von dem Tag an, an dem er eingeführt wurde, musste jeder Stadtbewohner, ob nun Fremder oder Bürger, Leibeigener oder Freier, Adeliger oder Nichtadeliger, sich daran halten. Man könnte fast sagen, dass er mit dem Boden verwurzelt war. Der Friede von Stavoren wurde pax civitatis und nicht pax civium genannt. Auf diese Weise schaffte der Friede seit dem Tag, an dem er in der Stadt eingeführt wurde, einen festen und langanhaltenden Bund zwischen den verschiedenen, auch noch so verschiedenartigen, die Stadt bewohnenden Menschengruppen. Von Natur aus ist er ein mächtiges Instrument der Vereinigung und der Einebnung. Die Entstehungsgeschichte der Staaten liefert uns in dieser Hinsicht eine hervorragende Vergleichsmöglichkeit. Man kann feststellen, dass gegen Ende der feudalen Anarchie, als eine neue Aktivität der Gesetzgebung entstand, die ersten Gesetze die Gesetze des Friedens waren. Dies ist auch der Fall bei der ältesten, von den Königen Frankreichs bekannten Verordnung, und wir wissen auch andererseits, welchen Einfluss die Landfriedensordnungen in Deutschland hatten. Es war auch nicht anders in den territorialen Fürstentümern. In ihrer Eigenschaft als Schützer des Regionalfriedens bekämpften die Landesherren schon sehr früh die privaten Gerichtsbarkeiten und unterwarfen diese schließlich ihrer hohen Autorität. Was für die Staaten und Lehnsgüter galt, traf ebenso in den Städten zu. Im Besitz eines Sonderfriedens befreiten sie sich von den verschiedenen Gerichtsbarkeiten, denen sie anfänglich unterstanden. Die Zeit der Zersplitterung war vorbei. Dort, wo der Friede triumphierte, wurde die Stadt zu einem eigenständigen Rechtsgebiet. Das Prinzip des Territorialitätsrechts siegte über das Persönlichkeitsrecht. Da sie alle auf gleiche Weise dem gleichen Strafrecht unterstanden, hatten die Bürger früher oder später alle zwangsläufig teil am gleichen Zivilrecht. Das städtische Gewohnheitsrecht, abgeleitet vom jus mercatorum, breitete sich bis zu den Grenzen des Friedens aus und die Stadt bildete, im wahrsten Sinne des Wortes, eine Rechtsgemeinschaft. Um diese Wahrheit zu bestätigen, kann man an dieser Stelle einen besonders lehrreichen Text von Giselbert aus Mons anführen. Dieser Chronist, der die Einführung des Friedens von Valenciennes durch den Grafen vom Hennegau Balduin IV. erzählte, drückte sich folgendermaßen aus: Qui videns Valencenas, villam bonam multisque hominibus populatam, quasi nulli legi subjacere, unde ipsa villa minima pace gaudebat, habito hominum suorum consilio et consensu, legem instituit, que pax nominatur. In qua legis institutione milites patrie illius, servos suos et ancillas suas in eadem villa manentes eidem legi supposuerunt, ut eadem pace gauderent, et ab illis et aliis omnibus ejusdem ville hominibus, exceptis clericis et militibus, dominus comes in eorum morte mortuas manus posset accipere. Diese Worte Giselberts zeugen ganz klar von der Bedeutung und dem Charakter des Friedens. Sie zeigen mit einer perfekten Unzweideutigkeit seine vereinigende Wirkung. Der Friede ließ die verschiedenen Rechtsstellungen verschwin-

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den. Er erstreckte sich ebenso über die servi und ancillae wie über die restlichen Einwohner. Er wurde zum gemeinen Gesetz (lex) der Stadt. Die Stadt besaß nun ihre eigene Satzung, verbindlich für jeden durch die einfache Tatsache des Wohnsitzes. Die persönlichen Unterschiede verschwanden. Mercatores, servi, ancillae, all diese Gruppen, die vorher besondere Rechte genossen, die verschiedenen Gerichtsbarkeiten unterstanden, ihre eigenen Sonderrechte, ihre eigenen, oft den der anderen gegensätzlichen Interessen hatten, hatten nun einen Berührungspunkt. Sie wurden alle zu homines pacis, sie unterstanden alle der gleichen lex. Und nicht nur in Valenciennes können wir diese Verknüpfung von pax und lex ville wahrnehmen. In Poperinge, zum Beispiel, bezeichnete der Graf von Flandern das Gesetz, das er der Stadt gab, als pacis securitatem. Wie bereits erwähnt, war der Stadtfriede in der Hauptsache ortsansässig. Er war mit Grund und Boden verankert, sozusagen ihnen einverleibt. Er war in einem gewissen klar bemessenen Gebiet enthalten; dieses war kein anderes als der von der Stadtmauer umschlossene Raum. Sich dadurch von den modernen Städten unterscheidend, waren die mittelalterlichen Städte alle geschlossene Städte. Die Bezeichnungen bonne ville und ville fermée bildeten Synonyme, und die Heraldiker hatten gute Gründe, den städtischen Wappen eine Mauerkrone aufzusetzen. Wir haben bereits gesehen, dass in der fränkischen Epoche die Städte nur Burgen waren. Später hatte sich dort, wo die Umstände günstig waren, ein Vorort, ein suburbium, am Fuße dieser Burgen, dieser castra, die man mehr oder weniger mit den Acropolen der antiken Städte vergleichen kann, gebildet. Zu Anfang musste dieser Vorort gänzlich offen sein. Aber schon früh hatte man das Bedürfnis, ihn mit einer Wehrmauer zu umringen. Diese ursprünglichen Mauern ähnelten sicherlich sehr den Umzäunungen der hanseatischen Kaufleute, die diese später um ihre Handelskontore und ihre Fischgründe errichteten. Es handelte sich hierbei oft um einfache, von Gräben flankierte Palisaden. Unfähig einem Angriff standzuhalten, dienten sie vor allem dazu, die Plünderer aus dem flachen Land davon abzuhalten, in die Stadt einzufallen. Im Regelfall erlangten die städtischen Festungsanlagen erst im 13. Jahrhundert militärischen Charakter und konnten somit langen Belagerungen standhalten. Die Umwallung des Vororts war das Werk der Einwohner und nicht des Herrn. Letzterem genügte sein castrum und er kümmerte sich wenig um die groben, von den Bürgern errichteten Palisaden. Er überließ es ihnen selbst, sich auf eigene Kosten zu verteidigen. Wir haben gesehen, dass in Sankt-Omer die Gilde Gelder zur Befestigung der Stadt von ihrer Kasse einzog. Ausschließlich zum Schutz der Kaufleute und der Waren vor Straßenräubern dienend, wurde die Umwallung der Stadt jenseits jedes strategischen Anliegens erbaut. Von der herrschaftlichen Burg ausgehend, umschloss sie kreisförmig die Kaufmannssiedlung so eng wie möglich. Für gewöhnlich verband eine Tür sie mit der Burg. Andere Pforten öffneten sich zu den Hauptstraßen hin, die in die Stadt führten und die dadurch, dass sie sich hinzogen, um am Markt anzukommen, die Hauptstraßen der Stadt bildeten. Die Stadtmauer passte sich der städtischen Siedlung genauestens an. Sie vergrößerte sich im

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Verhältnis zur Stadt. Sie folgte treu deren Vergrößerungen. Je umfangreicher diese wurden, um so länger wurde die Stadtmauer, um sie umschließen zu können. Auf diese Weise ist es verständlich, dass der umschlossene Raum keiner bestehenden Gebietseinteilung entsprach. Er überlagerte die Gerichtsbarkeiten und die Lehnsherrschaften, die sich den Grund und Boden der Stadt teilten, ohne die Bodenbeschaffenheit, die Unterschiedlichkeit der Grundbesitzer und der Gerichtsherren zu beachten. Dieser umschlossene Raum bildete den Rahmen des Friedens: „Si quis, infra murium hominem occiderit“, verkündete die Verfassung von Soest, „capite truncabitur.“ Und ebenso wie die Stadtmauer die Grenzen des Friedens kennzeichnete, so bildete sie ebenso die Grenze des Stadtrechtes. Innerhalb der Umwallung, innerhalb dessen also, was die flämischen Texte als cuve der Stadt bezeichneten, unterstanden Menschen und Böden seit dem 12. Jahrhundert dem gleichen jus civile. Der Stand der Personen, sowie der Grundbesitzer glichen sich aus und beide verbanden sich dort. Die beiden folgenden Texte sind in diesem Punkt bewundernswert genau: Omnes qui infra murium sancti audomari habitant et deinceps sunt habitaturi, liberos a cavagio, hoc est a capitali censu et de advocationibus constituo. – Omnes possessiones que teutonice Wuorth vocantur, que infra fossam vestram continentur, unius juris sunt. Dank des Friedens bildete die Stadt auf diese Weise nun in allen Gesichtspunkten ein juristisches Gebiet. Wer eintrat, unterstand ihrem Recht. Jeder der dort seinen Wohnsitz innerhalb Jahr und Tag errichtete, gehörte ihm an. Es handelte sich nicht mehr um ein jus mercatoris, sondern um ein jus oppidi. Es war nicht mehr die Gewerbsmäßigkeit, sondern der Wohnsitz, der den Stand sine qua non des Bürgertums bestimmte. Die Stadtluft macht frei, besagte ein deutsches Sprichwort. Die Eigenschaft als Bürger ließ sich nicht mehr, wie jene des civis in der Antike, durch die Geburt erwerben. Sie war nicht ureigen und unauslöschlich. Derjenige, der sie erhalten hatte, konnte sie aufgeben, aber dann „convient [-il] qu’il voist manoir hors du lieu de le commune et en ceste maniere se pot il metre hors de le compaignie et des fres de le commune.“ Im Übrigen blieben weder der Friede noch das Stadtrecht innerhalb der Gemäuer eingeschlossen. In aller Regel übertraten sie diese und breiteten sich über ein weitaus größeres Gebiet, die banlieue, die Umgebung aus. So wie die Ausdehnung Letzterer sich änderte, so unterschiedlich waren auch ihre Ursprünge. Manchenorts stimmte sie mit einem rechtlichen, andernorts mit einem ländlichen Gebiet überein. An weiteren Orten schien sie rein künstlich zu sein. Wie dem nun auch mit diesen schwierigen Fragen sei, mit denen wir uns hier nun nicht zu beschäftigen haben, darf man, scheint es, diese Umgebung nicht als eine auf das Gebiet des Stadtfriedens folgende Entwicklung betrachten. Das Recht, das hier regierte, war in der Tat nur eine Abschwächung desjenigen der Stadt. Von diesem speziellen Standpunkt aus gab es eine entsprechende Verbindung zwischen Stadt und Umgebung, ähnlich der zwischen Kirche und Friedhof. Und wenn man diesen Vergleich noch weiter ausführen möchte, könnte man anmerken, dass der Friede der Umgebung, so wie jener des Friedhofs, mit einem Kreuz symbolisiert wurde, während die Stadt, so wie die Kirche, einen Turm in die Lüfte errichtete: den Glockenturm, den Turm des Friedens.

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Der Glockenturm war nicht nur Friedenssymbol, sondern auch das Symbol der Gemeinde. Dies kam daher, dass die Stadt, indem sie ein rechtliches Gebiet wurde, gleichzeitig eine politische Einheit bildete. Durch die Teilhabe am gleichen Recht vereint, waren es ihre Bewohner noch mehr durch die berufsständische Verbindung, die sich zwischen ihnen bildete. Sie formten eine Körperschaft, eine universitas, eine communitas, eine communio. Untereinander solidarisch, bildeten sie die untrennbaren Teile eines gleichen Ganzen. Die Stadt bestand nicht nur aus einer einfachen Sammlung von Individuen: sie war selbst ein Individuum. Die Bürger bewohnten sie nicht ut singuli. Sie waren auf eine gewisse Art und Weise die Stadt selbst. Die Persönlichkeit jedes einzelnen verschwand gänzlich in der Gesamtheit. Die Menschen der mittelalterlichen Stadt erscheinen uns wie unteilbare Bestandteile eines mächtigen Organismus. Viele Ursachen hatten zur Bildung der Gemeinde beigetragen. Vorerst musste der Friede einen außergewöhnlichen Einfluss auf ihre Bildung ausgeübt haben. Die Einführung des Friedens verordnete in der Tat den Eid. Sie setzte eine conjuratio der gesamten städtischen Bevölkerung voraus. Der Eid galt überall als Voraussetzung für die Eigenschaft als Bürger. Und dieser Eid beschränkte sich nicht auf ein einfaches Gehorsamsversprechen gegenüber der Stadtverwaltung. Er brachte enge Verpflichtungen mit sich. Für den juratus begründete er die strenge Pflicht, den Stadtfrieden zu erhalten und durchzusetzen. Auf den Schrei Gemeinde! Gemeinde! hin musste jeder seine Beschäftigungen aufgeben und dem Rufenden zu Hilfe eilen. Durch die Tatsache, dass der Friede sich über die Gesamtbevölkerung der Stadt ausdehnte, bildete diese automatisch eine communio. In Laon waren die Begriffe Friede und Gemeinschaft Synonyme. In Verdun treffen wir auf wardours de la paix, in Lille auf einen reward de l’amitié, in Valenciennes, in Cambrai, auf jurati pacis. Die Bezeichnungen, selbst der Führer der Stadtgemeinschaft, erlauben es uns also zu sehen, in welch enger Beziehung letztere sich mit der Einrichtung des Friedens befand. Doch wie vorwiegend auch seine Bedeutung war, wäre es doch übertrieben zu behaupten, dass der Friede die einzige Bedingung einer Gemeinschaft war. Erinnern wir uns an das, was wir weiter oben über die Entwicklung des städtischen Gewohnheitsrechts besprochen haben. Wir haben gesehen, dass letzteres die alten Gerichtsbarkeiten, die Lehnsansprüche, die Belastungen für den Handel, die Grundstücke, die Personen nach und nach beseitigte und durch ein neues Recht, das sich im Einklang mit der neuen sozialen Lage befand, ablöste. Aber selbstverständlich konnte dieses Ergebnis weder ohne Kampf, noch ohne Bemühung erreicht werden. Um zu gewinnen, hatten die Bürger nur eine Möglichkeit: die Gemeinschaft. Alle, sowohl Freie als auch Leibeigene, versammelten sich also in Gemeinden. Die so oft zitierten Worte Guiberts von Nogent weisen klar darauf hin, dass die Gemeinde das von ihnen genutzte Instrument zur Befreiung von Gewohnheitsrechten und unrechtmäßigen feudalen Geldeintreibungen war. In SanktOmer kann man zweifelsfrei davon ausgehen, dass die Abschaffung des Lehnsanspruchs durch die Urkunde von 1127 auf Druck der verschworenen Gemeinde, die älter war als dieses Sonderrecht, ausgeführt wurde.

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Und was für das französische Königreich galt, galt ebenso für Deutschland. In den Rheingegenden, wie in der Champagne, in Flandern und in der Picardie, erwähnen die Texte oft die Gründung verschworener Gemeinschaften der Bürger gegen den Herrn. Am Anfang des 12. Jahrhunderts erscheint uns 1112 in Köln eine conjuratio pro libertate. In Trier schlossen sich die Bürger etwas später zu einer revolutionären Gemeinde zusammen. In Mainz und Speyer findet man entsprechende Beispiele. Es besteht schließlich noch ein dritter Grund, der die Bildung der Gemeindebindung bestätigt: ich möchte sagen die Notwendigkeit, die schon sehr früh in den Städten verspürt wurde, über ein Steuersystem zu verfügen. In der Tat musste man sich die benötigten Geldsummen zur Einrichtung der Verteidigungsarbeiten der Gemeinde anschaffen. Die Errichtung der Stadtmauer war überall der Ausgangspunkt der städtischen Finanzen. Aber die städtische Steuer war nicht und konnte auch nicht anfänglich eine öffentliche Steuer sein. Es fehlte ihr die Sicherheit des Staates. Man musste diese also ersetzen und man konnte dies nur durch die Gemeinschaft. Man tauschte die gesetzliche Verpflichtung gegen die Verpflichtung aus, die auf der einstimmigen Zustimmung der Steuerzahler beruhte. Die Gemeinde verpflichtete ihre Mitglieder dazu, sie mit Geld zu unterstützen. Wer es ablehnte, ihre Kosten mit zu tragen, wurde von ihr ausgeschlossen. Sie öffnete sich nur denjenigen, die die städtische Steuer zahlten, und die Anteilnahme an den Vorteilen, die sie bot, war strikt abhängig von der Anteilnahme an den Kosten, die sie verursachte. Auf diese Weise hatte sich die Gemeinde also unter einer dreifachen Notwendigkeit gebildet. Sie ist wie die Schlussfolgerung des Stadtfriedens, der Befreiung der Stadt und der Befestigung der Stadt. Einmal eingerichtet und durch die Obrigkeit anerkannt, machte sie aus der Stadtbevölkerung ein rechtsgültiges Wesen, eine juristische unabhängige Person, die sich von den körperlichen Einheiten, aus denen sie bestand, unterschied. Laut der Redewendung von Beaumanoir war die Stadt eine «compaignie, lequele ne pot partir ne desseurer, ançois convient qu‘ele tiegne, voillent les parties ou non qui en le compaignie sont». An diesem Punkt angelangt, war die mittelalterliche Stadt vollendet. Sie war eine kollektive Herrschaft, sie war Teil der feudalen Hierarchie. Sie besaß ihren Tresor, ihren Glockenturm, ihr Siegel und ihre eigenen Magistraturen, ihren corps de ville, ihren Stadtkörper, der sie personifizierte, der es ihr erlaubte, für die Gemeinschaft zu «perdre et gaigner». In der Regel bildeten sich die ersten Gemeinden nicht wirklich auf friedliche Weise. Die gesellschaftliche Wandlung, aus der sie hervorgingen, war derart grundlegend, sie stand zu sehr im Gegensatz zur althergebrachten Lage der Dinge, zu den angestammten Rechten, den Gewohnheiten, den konservativen Interessen, um nicht einen energischen Widerstand auszulösen. Das 11. und 12. Jahrhundert waren durch innerliche Auseinandersetzungen geprägt. Trotz der Seltenheit der aufbewahrten Dokumente erscheinen diese Jahrhunderte uns sonderbar turbulent und ereignisreich. In Lüttich, Köln, Worms, Speyer, Mainz, Beauvais, Laon, Tournai, Cambrai vollendete sich die Städtebildung durch Gewalt.

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Es war für diese Aufstände charakteristisch, dass die kaufmännische Bevölkerung sie überall anführten. 1074 wurde der Aufstand in Köln durch die Erteilung eines Auftrags an die bischöfliche Dienststelle für das Boot eines praedives mercator ausgelöst. In Cambrai sind es die reichsten Bürger, die den Aufstand anführten. Während des Investiturstreits traten die Kaufleute, die sich gegen ihre Bischöfe auflehnten, in die kaiserliche Armee ein. Schließlich waren es in Flandern wiederum sie, die nach dem Mord an Karl dem Guten 1127 sich als erste gegen den neuen Grafen Wilhelm I. Clito auflehnten. Dieses Beispiel zeigt, dass das Stadtrecht nicht nur in bischöflichen Städten durch Gewalt triumphiert hatte. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die laizistischen Städte eine friedvollere Entwicklung durchlebten als die bischöflichen Städte. Dies ist unschwer zu verstehen. Zu allererst lebten die weltlichen Fürsten nicht in den Städten. Sie verbrachten den größten Teil des Jahres damit, ihre Ländereien zu durchreisen. Sie lebten weit entfernt vom Bürgertum und auf diese Weise erwiesen sich Konfliktursachen als äußerst gering. Ganz anders stand es um die kirchlichen Fürsten. Da diese fest in der Stadt ansässig waren und somit mitten unter den Bürgern lebten, waren sie unentwegt einem möglichen offenen Kampf mit diesen ausgesetzt. Des weiteren schienen die feudalen Fürsten keine festen Grundsätze in Sachen Politik zu verfolgen, während die kirchlichen, durch die Lektüre von heiligen Büchern gebildet, sich ein gewisses Ideal von Herrschaft und sozialer Ordnung schufen. Burchard von Worms zum Beispiel lehnte sich in seiner Gesetzgebung für seine Untertanen natürlich an religiöse Gebote an. Man weiß im Übrigen, dass die Verwaltung der kirchlichen Fürsten lange Zeit hervorragend war. Sanftmütiger, menschlicher, kultivierter als die Laien behandelten sie ihre familiae mit mehr Güte und mehr Verständnis. Im 10. und 11. Jahrhundert zeichneten sich die meisten Mitglieder des hohen Klerus nicht weniger durch ihre politischen Fähigkeiten, als durch ihr Wissen und ihre Tugendhaftigkeit aus. Aber dadurch, dass sie sich von ihrem Auftrag höhere Erwartungen machten und dass sie ihre Aufgabe ernsthafter und hingebungsvoller erfüllten, mussten die Bischöfe noch mehr an ihrem Verwaltungssystem, das sie geschaffen hatten, festhalten und es noch energischer an dem Tag verteidigen, an dem die Bürger versuchen würden, sich davon zu befreien. Zweifelsohne schien ihr Benehmen weder hochmütig, noch kompromisslos gewesen zu sein. Reformen wurden eingeführt, Milderungen wurden gegenüber der Härte des herrschaftlichen Rechts veranlasst. Aber, wenn es gestattet ist, hier diese moderne Bezeichnung zu benutzen, dieses neue politische Programm war nicht vereinbar mit verschiedenen Prinzipien, die die Kirche nicht aufgeben durfte. Konnte sie tatsächlich auf ihre Gerichte, ihre Immunitäten, ihr Asylrecht, auf ihre gesetzlichen und finanziellen Sonderrechte verzichten? Darüber hinaus muss man anerkennen, dass sie nur wenig ansprechend für das Handelsleben war und dass sie bereitwillig die Kreditgeschäfte, auf die die Kaufleute normalerweise in der Handelspraxis zurückgriffen, als Wucher bezeichnete. Auf diese Weise waren Konflikte in den bischöflichen Städten nicht zu vermeiden. Man kennt nur zu gut die tragische Geschichte der Gemeinde von Cambrai, um sie hier noch einmal erzählen zu müssen.

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Sie zeigt, dass es sogar unter den besten Bischöfen nicht anders möglich war, die große Frage, die sich damals stellte, als durch Gewalt zu lösen. Und das, was sich in Cambrai abspielte, war kein Einzelfall. Man beobachtet ähnliche Ereignisse in den meisten cités Nordfrankreichs und im rheinischen Deutschland. Außerdem, wenn wir die damalige Literatur durchstöbern, finden wir dort mehr als einmal den Gefühlsausdruck, den der Klerus für das Bürgertum hegte. Man darf in den wüsten Beschimpfungen, die Guibert von Nogent gegen sie äußert, keine einmalige heftige Bekundung einer einzelnen Meinung sehen. Eine Vielzahl seiner Zeitgenossen teilte seine Meinung. Lampert von Hersfeld zeigte sich voller Verachtung gegen diese Kaufleute, die, in den Freuden der Stadt erzogen, ihren Verdienst für Feste und Bankette verprassten. Ivo von Chartres wurde durch ähnliche Gefühle geleitet. Am Anfang des 13. Jahrhunderts schließlich predigte Jakob von Vitry noch gegen die violente et pestifere communitates. Wie dem auch sei, triumphierten die Städte im Laufe des 12. Jahrhunderts überall. Mit dem städtischen Recht war es wie mit dem feudalen Recht. Die unternommenen Bemühungen, um ihre Entwicklung aufzuhalten, scheiterten, da beide sozialen und wirtschaftlichen Wandlungen entsprachen, die stärker waren, als die herrschaftlichen Traditionen. Die Machthaber billigten gezwungenermaßen einen Tatbestand. Hier unter dem Druck des Aufruhrs, dort mit Geld, andernorts weil sie sich der neuen Umstände bewusst wurden, ließen sie sich das wertvolle Pergament, das die Rechte und Privilegien der Bürger enthielt, abpressen, verkauften es oder bewilligten es und gaben somit einem bis dahin angezweifelten und prekären Zustand gesetzliche Weihe. Und bald waren die städtischen Verfassungen nicht mehr nur der Preis des Sieges der Gemeinden. Die Herrscher verstanden, dass es in ihrem Interesse war, das städtische Leben zu unterstützen. Mehrere von ihnen gründeten neue Städte, richtige Kolonien, denen sie vom ersten Tag an dieses städtische Recht verliehen, das sich derartig langsam in den alten Städten entwickelt hatte. Und da dieses Recht hier weder von historischer Tradition, noch von Jahrhunderte langen Interessen, noch durch Überbleibsel eines vergangenen Zustands gehindert wurde, erscheint es uns von seiner Entstehung an klar, vollständig und logisch. So wie sich uns das feudale Recht im Königreich von Jerusalem in einer vollkommeneren Form darstellt als in den Staaten des Okzidents, weil es dort auf einmal und in einem Stück eingeführt wurde, so sind die Verfassungen der neuen Städte des 12. Jahrhunderts die reinsten und vollkommensten Dokumente des städtischen Rechts in Europa.

V. Die Stadt, die innerhalb ihrer Mauern ein unabhängiges juristisches Gebiet bildete, musste unweigerlich über eine eigene Gerichtsbarkeit verfügen. Da das städtische Recht dem regionalen Recht entgegenstand, musste unbedingt ein besonderes Gericht damit beauftragt werden, es anzuwenden und es durch Anwendung weiter zu entwickeln. Die

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Klausel, die vorsah, dass die Bürger nur in der Stadt verurteilt werden konnten, fehlte in fast keiner städtischen Verfassung. Aus dieser Sicht stand es um die Gemeinde wie um die Steuerfreiheit. Aufgrund der besonderen Lage, die ihnen zugesprochen wurde, erhielten beide, Letztere durch die Befreiung vom introitus judicum publicorum, Erstere durch die offizielle Anerkennung ihrer Autonomie, ihren eigenen Gerichtshof. Aber während die Gerichtsbarkeit der Steuerfreiheit ein privates Gericht war, das sich durch seine weitläufigen Ursprünge an das mithio und an das Seniorat anschloss, war das städtische Gericht im Gegenteil ein öffentliches Gericht. Nicht ohne Grund verglich man eine Stadt mit einer centana. Die städtische Gerichtsbarkeit stammte nicht von der Lehnsgerichtsbarkeit ab, sondern hatte sich außerhalb und im Gegensatz zu ihr gebildet. Dies zeigt sich vor allem darin, dass man zu Anfang in den meisten Städten das gleichzeitige Bestehen der alten Lehnsgerichte und der forensis potestas feststellte. Natürlich konnte eine freie Bevölkerung, wie es die der Städte war, nicht einem privaten Gericht unterstehen und somit konnte nur die öffentliche Hand für die Verurteilung jener Menschen zuständig sein, deren Persönlichkeit keinem Herrn gehörte. Man gelangt zum gleichen Ergebnis, wenn man etwas über die Charakteristika, die Natur des städtischen Rechts nachdenkt. Aus dem, was wir schon oben gesagt haben, ergibt sich, dass Letzteres aus zwei verschiedenen Quellen herstammte. Man muss in ihm einerseits eine Wandlung der nationalen Gewohnheit unter verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Einflüssen und andererseits eine außergewöhnliche Demonstration des Friedensrechts erkennen. Aus der einen wie aus der anderen Sicht jedoch erscheint uns das städtische Recht als ein öffentliches, von jeglicher herrschaftlicher Einmischung freies Recht. Außerdem, wenn wir uns die Texte anschauen, erscheint uns diese Wahrheit um so klarer. In Frankreich so wie in Deutschland erkennen wir, dass die Amtsperson der Stadt, der Strafprediger der städtischen Richter, ein Beauftragter des Staates war. Im Gegensatz zur steuerfreien Zone besaß die Stadt einen ortsansässigen Staatsbeamten, ohne jedoch dem judex publicus verschlossen zu sein. Das Sonderrecht, das es ihr erlaubt, einen juristischen Bezirk zu bilden, erhielt die Verknüpfung, die sie mit dem Souverän verband. Als Bürgermeister, Schultheiß, Sachwalter, war der städtische Richter der fraglose Nachfolger des früheren fränkischen Zenturio. Wenn auch unter verschiedenen Bezeichnungen, so findet man doch überall ein gleichbedeutendes Wesen. In Straßburg erhielt der Schultheiß (causidicus) seine Macht vom Sachwalter, der wiederum sein bannum vom Kaiser erhielt. In Amiens wurde der Bürgermeister vom König major noster genannt. Die Städte, die den Stiften Rouens unterstanden, in Flandern, in den Ländereien von Lüttich waren alle Schultheiße und Bürgermeister Amtsträger des Lehnsherrn. Überall ging ein Teil der Bußgelder, die sie einforderten, an den Herrn. Schließlich weiß man, dass der Schwur, den sie zu ihrem Amtseintritt leisteten, immer mit einem Treue- und Gehorsamsversprechen an ihren Fürsten begann. Allerdings, wenn das städtische Gericht ein öffentliches Gericht darstellte, wenn der Amtsträger, der seinen Vorsitz führte, vor ihm den Lehnsherrn ersetzte, so wies es durch seine Zusammensetzung, durch die Art, seine Mitglieder anzuwerben, einen klaren städtischen Charakter auf. Erstens war es regelmäßig von Bürgern besetzt. Um ein Teil

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davon sein zu können, musste man nicht nur der Gemeinde angehören, sondern man musste auch Grundeigentümer in der Stadt sein. Außerdem griff die Gemeinde mehr oder minder in die Ernennung ihrer Richter ein. Überall entwickelte sie Schutzmaßnahmen gegen die mögliche Willkür des Herrn. Manchenorts hatte sie ein Präsentationsrecht; andernorts wandte man ein liberaleres Wahlsystem an; wieder andernorts griff man auf komplizierte Formalitäten zurück: Wahl auf mehreren Ebenen, Zufallsziehung usw., die eindeutig das Ziel hatten, Bewerbung und Korruption zu verhindern. In manchen Fällen kam es sogar vor, dass die Stadt nicht nur an der schöpferischen Tätigkeit der Richter teilnahm, sondern auch an jener der Amtsperson. Der Schwur, den dieser leistete, enthielt nicht nur den Treueschwur gegenüber dem Fürsten, sondern auch die feierliche Versicherung, die städtischen Sonderrechte zu respektieren und zu erhalten. Seit Beginn des 12. Jahrhunderts erscheinen bereits mehrere Städte, die über ein eigenes Gericht und ein eigenes Schöffenamt verfügten. Man würde gerne wissen, woher dieses kam. War es mit einem früheren Gericht verbunden, von dem es nur eine Abwandlung war? Muss man seinen Ursprung in der juristischen Versammlung der Centana oder in einer Marktjustiz suchen? Der Leser, der uns in dieser langen Untersuchung gefolgt ist, wird nicht erstaunt sein, wenn wir glauben, beide Sichtweisen abwehren zu müssen. Was Letztere betrifft, so haben wir bereits festgestallt, dass die Stadt und der Markt zwei grundverschiedene, unabhängige Dinge sind, zwischen denen kein Kindschaftsverhältnis hergestellt werden kann. Was nun die Auffassung der Gelehrten angeht, die das städtische Schöffenamt als ein Überbleibsel der Schöffenämter des fränkischen Zeitalters betrachtet, so berücksichtigt diese, so scheint es, zu wenig die eigentümlichen Charakteristika, die die Stadt als juristischer Bezirk aufweist. Als juristisches Gebiet entspricht die Stadt nicht unbedingt der Centana. Sie hatte sich unabhängig von vorbestehenden Bezirken gebildet. Der Rahmen, in dem sich das städtische Recht einschloss, wurde von den Stadtmauern gezeichnet und diese umfassten wahllos Distrikte jeder Art. Auf diese Weise gab es nur ausnahmsweise eine Übereinstimmung zwischen der Ausdehnung der Centana und jener der Stadt. Man versteht nicht, in welcher Beziehung das städtische Schöffenamt zum Schöffenamt der Centana stehen könnte. Man muss also davon ausgehen, dass es sich hierbei um eine Neuschöpfung handelte. Das Prinzip, nach dem der Bürger in der Stadt verurteilt werden musste, genügt zur Erklärung. Weil dieses grundsätzliche Prinzip, ohne das die mittelalterliche Stadt unvollständig gewesen wäre, als Konsequenz unweigerlich die Errichtung eines städtischen Gerichts voraussetzte. Indem der Herr dieses Privileg bewilligte, nahm er aus diesem Grund auch die daraus sich ergebenden Folgen an. An dem Tag, an dem er offiziell die Stadt als juristisches Gebiet anerkannte, war er dadurch auch damit einverstanden, dass sie ihre eigenen Richter besaß. Spectat ad libertatem oppidi, sagte Keure von Gent, ut in eo tredecim habeantur scabini, quorum judicio omnes causae rei publicae tractabuntur. Es ist verständlich, dass unsere Auskünfte über die städtischen Gerichte nicht in ein sehr altes Zeitalter zurückzuführen sind. Wir wissen fast nichts über sie für die Zeit vor

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der Gewährung der Kommunalverfassungen. Das kommt daher, dass ihre rechtliche Existenz erst an dem Tag entstand, an dem die Stadt ihre lex erhielt. Wenn die Gemeinde vorher überhaupt über eine Gerichtsbarkeit verfügte, dann nur widerruflich und nur Dank der Toleranz oder des guten Willens des Herrn. Es musste dann eine Übergangsphase gegeben haben, deren Einzelheiten uns jedoch unbekannt sind. Das städtische Recht entwickelte sich inmitten der tastenden Versuche und der Erprobungen, die unternommen wurden, um einen endgültigen Zustand herzustellen. Vielleicht übten die Kaufleute manchmal unter sich eine gewisse Gerichtsbarkeit aus. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass die Gerichtshöfe, ob nun öffentlich oder zu den Domänen gehörig, sich mehr oder weniger ganz an die Prinzipien des neuen Rechts anlehnten. Man muss jedoch gestehen, dass es, bevor die Stadt durch die Anerkennung ihres Friedens und ihres jus civile ein Rechtsgebiet geworden war, keine gerichtliche städtische Organisation gab, die diesem Namen gerecht wurde. Man muss sich nun beeilen anzuerkennen, dass es in vielen Städten kein alleiniges Gericht gab. Sehr oft wurde die Gerichtsbarkeit durch verschiedene konkurrierende Magistraturen ausgeübt. Wir werden später noch auf die wahre Kommunalgerichtsbarkeit eingehen, aber wir müssen hier nun, um vollständig zu sein, feststellen, dass die öffentliche Gerichtsbarkeit selbst in vielen Fällen unter verschiedenen Gruppen von Magistraten aufgeteilt war, bei denen es oft sehr schwierig ist festzustellen, welche Zuständigkeitsbereiche welcher zufielen und in welcher Beziehung sie zueinander standen. Manchmal ist diese Vielzahl der Gerichtsbarkeiten auf historische Gründe zurückzuführen, deren Ergründung den örtlichen Nachforschungen zufällt. Anderweitig, besonders in verschiedenen französischen Städten und in der Gruppe der lütticher und lothringischer Städte, schien sie mehr oder weniger genau mit der doppelten Natur des städtischen Rechts, das heißt gleichzeitig das Zivilrecht (jus civile) als auch das Friedensrecht, übereinzustimmen. In den Städten, auf die ich hier anspiele, in Noyon, Sankt-Quentin, Laon, Beauvais, Amiens, Metz, Verdun, Lüttich, Huy, Dinant usw., findet man neben dem Schöffenamt auch das Palladinen- oder Geschworenenkollegium. Während uns das erste ganz klar als eine öffentliche Gerichtsbarkeit erscheint, so könnte man auf den ersten Anhieb versucht sein, letzteres als ein Organ der Kommunalgerichtsbarkeit und somit als tiefgründig unterschiedlich zu der öffentlichen Gerichtsbarkeit anzusehen. Das wäre jedoch ein großer Fehler. Zweifelsfrei beteiligte sich die Stadt viel direkter an der Ernennung der Geschworenen als an jener der Schöffen, zweifelsfrei sind die Ämter der einen im Regelfall lebenslang, während diejenigen der anderen fast immer nur jährlich waren. Trotzdem war es so, dass trotz dieser außerordentlichen Unterschiede die Gerichtsbarkeit der Geschworenen als jurati pacis eine öffentliche Gerichtshoheit darstellte. Das Friedensrecht, das die Stadt genoss, hatte wahrhaftig nichts von einem Kommunalrecht. Es war für jede Stadt unerlässlich. Alle hatten sie es vom Herrn erhalten, das heißt vom Staat. Nur, während in mehreren von ihnen dieses Recht ein zuständiges Gericht (Schöffenamt) als Organ hatte, unterstand es in vielen anderen, und vor allem in französischen

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Städten, dem Schutz der Gemeinde und wurde folglich den von ihr Beauftragten, das heißt den Geschworenen, anvertraut. Anfänglich unter mehreren verschiedenen Kollegien aufgeteilt, brauchte die städtische Gerichtsbarkeit jedoch nicht lange, um eine Einheit zu erreichen. Es kam sehr oft vor, dass ein Gericht die Zuständigkeit eines benachbarten Gerichts ganz oder teilweise für sich beanspruchte. In Frankreich, dort wo es Schöffen und Geschworene gab, verschwanden erstere sehr oft seit dem 13. Jahrhundert zu Gunsten letzterer. In vielen Städten Deutschlands gelang es den consules sogar, die richterlichen Kollegien, die anfänglich neben ihnen funktionierten, abzuschaffen oder sie sich unterzuordnen. Es ist uns hier jedoch nicht möglich, auf Einzelheiten der eingetretenen Wandlungen einzugehen. Es muss uns reichen einzusehen, dass in den Gemeinden eine öffentliche Gerichtsbarkeit vorhanden war. Und diese Gerichtsbarkeit war, um abzuschließen, von der mittelalterlichen Stadt untrennbar. Wenn sie im juristischen Sinne des Wortes fehlte, dann gab es keine Stadt. Dies bewahrheitete sich um so mehr, als während der Unterdrückung der Gemeinden in Frankreich, das richterliche Ressort der Stadt intakt blieb. Man konnte die autonome Regierung der Bewohner abschaffen, ihnen den Besitz eines Siegels, eines Glockenturms, einer gemeinsamen Kasse verbieten, die Schöffen und Geschworenen ihrer Ämter entheben, das Rechtsgebiet und das städtische Gewohnheitsrecht blieben trotz alledem erhalten. Sie waren das Wesentlichste und Urtümlichste in der Stadt. Der ganze Rest war nur zusätzlich, nur eine Schlussfolgerung. Wir haben uns bisher nur mit der Stadt als einem rechtlichen Bezirk öffentlichen Rechts auseinandergesetzt. Aber es wird nun Zeit festzustellen, dass die Stadt neben der öffentlichen Gerichtsbarkeit auch über eine Kommunalgerichtsbarkeit verfügte. Diese war vom Staat unabhängig. Sie funktionierte außerhalb seines rechtlichen Systems, sie entzog sich seiner Kontrolle. Die Bezeichnungen selbst, die sie trug, juridiction des statuts, judicium sine banno, beweisen dies nachdrücklich. Während sich das städtische Recht als öffentliches Recht dem Territorial- und Friedensrecht anschloss, ging es im Gegensatz dazu als Kommunalrecht auf die bürgerliche Korporation selbst zurück. Es stellte auf gewisse Art und Weise ein gesetzwidriges Recht dar. Es umging die Ratifizierung des Lehnsherrn. Es erscheint uns wie ein Ergebnis des self-government der Stadt. Im Mittelalter übte jedes rechtliche Kollegium verwaltungstechnische Kompetenzbereiche aus und gleichzeitig setzte jede Verwaltung eine gewisse Gerichtsbarkeit voraus. Von dem Moment an, an dem die Stadt sich selbst verwaltete, über ihre eigenen besonderen Verordnungen verfügte, ihre eigenen Einrichtungen in Sachen Bürgerwehr, Finanzen, Polizei hatte, musste sie in diesen Dingen über eine eigene Gerichtshoheit verfügen. Diese Kommunalgerichtsbarkeit war diejenige des Rates, und es ist wichtig, bevor wir ihre Merkmale untersuchen, herauszufinden, woher diese neue, für die mittelalterlichen Städte derartig charakteristische Magistratur herstammte. Wir werden hier nicht auf das bereits erwähnte Problem zurückkommen, einen Zusammenhang zwischen den städtischen Räten und den Gilden oder den Einrichtungen der ländlichen Gemeinden herzustellen. Der Rat war, in Frankreich so gut wie in

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Deutschland, ein neues und eindeutig städtisches Organ. Man findet es nicht außerhalb von Städten vor, oder zumindest erst sehr spät. Die Bezeichnungen seiner Mitglieder: jurati, pares, consules, choremanni, consiliarii, denominati, findet man nicht im flachen Land. So wie das städtische Gericht eine Folge der Anerkennung der Stadt als rechtliches, unabhängiges Gebiet war, so erklärt sich der Rat durch die Gruppierung der städtischen Bevölkerung in einer Gemeinde. Vor der Zeit, als sich das Bürgertum in eine verschworene Gemeinschaft wandelte, kann man verstehen, dass es kein Beamtenkollegium besaß, das in seinem Namen handeln, es vertreten und es verwalten sollte. Sicher hatte es schon sehr früh für die verschiedenen Gruppen, in die es sich aufgeteilt hatte, kommunale oder korporative Einrichtungen gegeben, so wie es anfänglich auch verschiedene Gerichtshöfe gab. Die Kaufleute des suburbiums, die in Gilden oder Verbünden zusammengeschlossen waren, hatten an ihrer Spitze ihre Dekane. Die censuales, die aus den verschiedenen Stadtgebieten stammten, ernannten entweder frei oder mit der Zustimmung und unter der Aufsicht des Lehnsherrn Personen, die mit einer gewissen polizeilichen Macht ausgestattet wurden. In den Städten, so wie auf dem Land, existierten Burrichter, Heimbürgen usw. Aber all diese nebeneinander gestellten kleinen Räte von Gruppen bildeten nicht den städtischen Rat. Dieser überlagerte jene, und es war ein vorzüglicher Beweis dafür, dass er nicht von ihnen abstammte, dass er, anstatt sie einfach zu übernehmen, sie weiter bestehen ließ. Man findet tatsächlich in vielen Ortschaften Verwaltungsbeamte der Stadtviertel, die nichts anderes waren als die Nachfahren der Verwalter der alten örtlichen Gruppierungen. Sie hatten, ebenso wie die Gilde, nach der Bildung des Rates nicht aufgehört zu existieren. Aber was für die eine stimmte, bewahrheitete sich ebenso für die andere, und der Rat war ebenso fremd für die eine wie für die anderen. Durch die Gemeinde in eine korporative Gemeinschaft verwandelt, hatten die solidarischen Bürger gegenseitige Rechte und Pflichten. Außerdem besaßen sie als Gesamtheit (universitas civium) viele Sonderrechte und mussten auf der anderen Seite die Kosten tragen, die die Verwaltung einer jeder menschlichen Siedlung unweigerlich mit sich brachte. Um ihre Recht im Auge zu behalten, ihre Privilegien zu bewahren, ihre Verwaltung auszuüben, musste die Gemeinde eine ständige Magistratur schaffen, die aus ihr stammte und in ihrem Namen handelte. Es war die Wache der Gemeinde (communis custodia), die Verwaltung der Republik, die auf diese Weise die Erschaffung des städtischen Rates herbeiführte. Der Rat war nichts weiter als eine Vertretung des Bürgertums. Das Volk war die Quelle seiner Macht. Geschworene, Palladine oder Räte waren nur die Rechtsvertreter der Gemeinde. Sie verlieh ihnen eine Macht, die sie selbst nicht ausführen konnte, aber sie legte diese Macht nicht in ihre Hände nieder. Nur für eine sehr kurze Zeit ernannt, erscheinen uns die Räte wie die Dienstboten der Stadt: es war eine Pflicht und eine sehr schwere Pflicht, der niemand sich entziehen konnte. Als einfache Stadtwächter bildeten die Rechtsvertreter anfänglich noch kein Magistratenkollegium. Erst später, als die Verfassung sich entwickelte, die Verwaltung komplizierter wurde und die Regierung aristokratische Merkmale annahm, bildete sich ein richtiges Kolle-

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gium, ein geschlossener Rat, bei dem man den Einfluss des Volkes nur noch sehr schwach erkennen konnte. Am Anfang war alles ganz anders. Die Verwaltungsbeamten waren einfach nur eine Gruppe von Personen, die von der Stadt ernannt worden waren, ähnlich wie die select-men in den amerikanischen Städten, einfach Ausführer des Volkswillens. Dies wird dadurch belegt, dass ihnen anfänglich ein wichtiges Merkmal einer jeden Körperschaft fehlte, ich meine damit eine zentrale Macht, einen Präsidenten. Die Bürgermeister waren in der Tat eine sehr junge Schöpfung. Die Geschworenen, die Stadtvertreter gab es schon lange vorher. Sie gehörten einer Zeit an, in der der Geist der Einrichtungen sich wandelte, in der man das Bedürfnis einer größeren Zentralisation und einer unabhängigeren Macht verspürte. Mit den Geschworenen bildete der Bürgermeister oder der Gemeindevorsteher den Körper der Stadt, Verkörperung der Gemeinde, die souverän im Namen dieses Stadtkörpers handelten, die dessen Macht symbolisierten, so wie der König die Macht des Staates symbolisierte. Wir verfügen nicht über viele oder genaue Einzelheiten über die anfänglichen Aufgaben der Rechtsvertreter der Stadt, und dies ist leicht zu erklären. Da es sich hierbei nicht um öffentliche Magistraturen handelte, erwähnen die Kommunalverfassungen sie nur sehr spärlich. Aber durch Kombination der wenigen uns verfügbaren Fakten können wir uns eine Vorstellung von ihren ursprünglichen Aufgabenbereichen schaffen. Weiter oben haben wir gesehen, dass die Notwendigkeit, die Stadt zu befestigen, als Ausgangspunkt für die städtische Verwaltung gelten muss. Dadurch sah sich das Bürgertum gezwungen, ein Steuersystem einzuführen. Es hatte zumindest eine gemeinsame Kasse, einen öffentlichen Tresor. Die Ausgaben wurden mit der Zeit immer erheblicher. Neue öffentliche Arbeiten wurden verrichtet: man baute Glockentürme, Hallen, Pforten, Schleusen, Brücken; man pflasterte die Straßen; man organisierte die Wasserversorgung usw. Bald waren die Geschworenen ihrer Aufgabe nicht mehr gewachsen. Neben ihnen tauchten neue Delegierte auf: Steuereintreiber, Aufseher, rewards, vinders, Kontrollbeauftragte jeglicher Art. Am Anfang handelte es sich hierbei wie bei den Geschworenen um Bürger, denen man diese oder jene Verwaltungsaufgabe unentgeltlich anvertraute. Aber seit dem 13. Jahrhundert sah man sich wegen der immer größeren Erschwerung der Geschäfte gezwungen, auf richtige bezahlte, städtische Beamte zurückzugreifen, die vom Rat ernannt und normalerweise auf Lebenszeit eingestellt wurden. Unter ihnen war der wichtigste der Gemeindesekretär oder -schreiber, der damit beauftragt wurde, die Abrechnungen der Stadt schriftlich festzuhalten, ihre Korrespondenz zu verfassen usw. Die Stadtverwaltung beruhte auf Vorschriften, Bekanntmachungen, Satzungen, Verkündigungen, Voorboden usw., deren Gesamtheit eine richtige städtische Gesetzgebung bildete. Wir verfügen über keine Vorschriften, die vor dem 13. Jahrhundert bestanden haben sollen. Wir können jedoch davon ausgehen, dass man sie schon sehr früh gemacht hatte. Diese städtischen Bekanntmachungen waren nicht das Werk des Rates. Als einfacher Volksvertreter übte dieser nicht die Legislative aus. Diese lag gänzlich in den Händen des

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Volkes. Anfänglich wurden diese Bekanntmachungen höchstwahrscheinlich durch die Gesamtheit des Volkes, die Hauptversammlung der Gemeinde, abgestimmt. Es war jedoch Aufgabe des Rates, über Verstöße gegen die Stadtvorschriften zu richten. In der Wahrnehmung der Rechtsprechung in Bezug auf die Satzungen wendete er souverän die Geldstrafen, die er verkündete, gegen die Straftäter an. Pro quacumque commonitione quam fecerint, sagt die Verfassung von Noyon, sive pro banno, sive pro fossato vel firmatione ville, neque episcopus neque castellanus habent ibi aliquid justicie vel implacitationis. Der Rat bildete nicht nur die Gerichtshoheit über die Satzungen. Er besaß auch eine gewisse Gerichtsbarkeit in Sachen Polizei. In allen Städten übte er eine gewisse Disziplinarmacht über das Benehmen und die Sitten des Bürgertums aus. Schlägereien, Beleidigungen, Körperverletzung, Unzucht unterstanden seiner Gerichtshoheit. Aus dieser Sicht ist er mit dem Ausschuss einer Gesellschaft zu vergleichen, der, aufgrund einer Satzung, die von deren Mitgliedern bewilligt wurde, auf diese die Geldstrafen anwendet, die durch jene Satzung festgelegt wurden. Auch hier übte die Stadt in der Tat wieder eine korporative und keine öffentliche Gerichtsbarkeit aus. Sein Polizeirecht erstreckte sich über das gesamte Bürgertum, da alle Bürger der Gemeinde angehörten und niemand sich der inneren Disziplin entziehen konnte. Außerdem drängte sich diese Disziplin auch den Fremden auf. Aber in diesem Fall war die Strafe für die Missachtung das Verbot, je wieder in der Stadt aufzutauchen. Des weiteren besaß der Rat die Polizeiaufsicht für Handel und Industrie. Hierin lag eine seiner Hauptaufgabenbereiche, da die Stadt hauptsächlich, wie wir es bereits gesehen haben, ein Handelszentrum war. Er setzte den Zeitpunkt und den Standort der verschiedenen Märkte fest, er legte den Preis der Waren fest, er traf Dispositionen, um deren Qualität zu sichern. Er kontrollierte die industriellen Arbeitsvorgänge, er teilte den Berufen Vorschriften zu, führte Arbeitsinspektoren ein. Aus diesem Blickwinkel schlossen sich die Zuständigkeitsbereiche des Rates denen an, die zu früheren Zeiten der Stadtherr ausgeübt hatte. Am Anfang war die Kontrolle der Wirtschaftsaktivität fester Bestandteil der Marktabgabe. In Dinant regelte im 11. Jahrhundert der Graf als Inhaber der Marktabgabe den Geschäftsverkehr. Man weiß jedoch, dass die Marktabgabe dem Bürgertum überlassen worden war. Der Rat befand sich nun also im Besitz einer Macht, die früher dem Staat gehörte. In seinen Händen verlor die geschäftliche Gerichtsbarkeit ihren früheren steuerlichen Charakter. Man erkennt dies sofort an dem neuen Bußgeldersystem, das nun hier als Strafe diente. Die Gesetzgebung in Sachen Gewichte und Maße, die der Rat in vielen Städten inne hatte, war nur eine vereinzelte Bekundung dieser geschäftlichen Gerichtsbarkeit. Da sie Teil der justicia thelonei war, gehörte sie ursprünglich dem Herrn: jetzt unterstand sie der Stadt. Die Zuständigkeitsbereiche des Rates lassen sich in den wenigen Punkten, die wir bis hierin untersucht haben, zusammenfassen. Als Wächter der städtischen Gesetzgebung, Besitzer einer eigenständigen Gerichtshoheit in Sachen Polizei, Regulator des geschäftlichen und industriellen Verkehrs, unterschied sich der Rat aus diesen verschiedenen Sichtweisen grundsätzlich von dem Gericht, das in der Stadt die öffentliche Gerichtsbarkeit ver-

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trat. Aber man muss sich davor hüten zu glauben, dass dieser theoretische Unterschied sich leicht in der Praxis ausmachen ließe. Auch wenn der Rat durch seine wesentlichen Charakteristika eine Kommunalmagistratur darstellte, so war es doch selten, dass die Machtbefugnisse, die er hatte, rein von jeder Verbindung waren. Nachdem die städtische Unabhängigkeit immer größer geworden war, erhielt er einen mehr oder weniger großen Anteil der Machtbefugnisse der Obrigkeit. In jeder Stadt stellte er sich also als eine komplexe Magistratur dar; über seine anfänglichen und wesentlichen Aufgabengebiete hinaus stellten sich weitere Zuständigkeitsbereiche ein, die erweitert und vergrößert wurden und mehr oder weniger grundsätzlich die ursprüngliche Grundform der Einrichtung abänderten. Zuallererst erhielt der Rat in vielen Fällen eine zivile Gerichtshoheit, die auf gewisse Art und Weise mit der des städtischen Gerichts konkurrierte. Wegen Verträgen, Schulden, Vermietungen usw. konnte man eben so gut vor dem einen, wie vor dem anderen gerichtlich vorgehen. Die Erklärung hierfür muss man wohl in der offiziösen Macht der Schiedsgerichtsbarkeit in Sachen minder wichtiger Anfechtungen suchen, über die der Rat schon sehr früh verfügte. Des weiteren kam es sehr oft vor, dass der Rat vom Staat eine richtige Vertretung der öffentlichen Justiz erhielt. Dies ist vor allem der Fall in französischen Städten, in denen die Geschworenen die Friedensgerichtsbarkeit ausübten, die in vielen anderen Städten dem Herrschaftsgericht vorenthalten war. Man muss außerdem bemerken, dass es Städte gab, wo es das herrschaftliche Gericht war, das zum Rat geworden war und wo die Unterscheidung zwischen öffentlicher und kommunaler Macht fast gänzlich verschwunden war. Nachdem wir die Bildung des städtischen Gerichts und des Rates untersucht haben, bleibt uns nur noch ein Wort über die Bevölkerung zu sagen, auf die sich die Macht dieser beiden Magistraturen bezog. Während sie ursprünglich nur die Gruppe der mercatores umfasste, setzte sie sich nun im Prinzip aus all jenen zusammen, die innerhalb der Stadtmauern wohnten. Ich sage im Prinzip, da verschiedene Personengruppen sich dieser generellen Regel aufgrund ihrer besonderen Situation entzogen. Es war der Klerus mit Ausnahme der Händlermönche kein Teil des Bürgertums. So wie die Klöster, gehörten auch ihre Einwohner nicht zum Grund und Boden der Stadt. Lediglich die Gerichtsbarkeit der Kirche war für die Geistlichen zuständig. Die klösterliche Profession enthob den Menschen von der weltlichen Bevölkerung und vom weltlichen Gesetz. Neben dem Klerus befand sich auch der Adel oft außerhalb der Gemeinde. Hier befinden wir uns in Gegenwart eines etwas komplizierteren Zustands. In einigen Städten gehörten die Ritter zur Gemeinde; in anderen waren sie davon ausgeschlossen. Das Gleiche galt für die ministeriales. Man weiß, dass sie in den deutschen bischöflichen Städten oft eine wichtige Rolle gespielt hatten. In manchen Städten verfügten sie sogar über einige Sitze im Rat. In den neuen Städten, im Gegenteil, blieb es ihnen untersagt, der Gemeinde beizutreten. Diese Maßnahme wurde natürlich zu Gunsten der Bürger vorgenommen. Man wollte dadurch verhindern, dass die ministeriales, in dem sie auf ihr besonderes Recht, das sie inne hatten, pochten und indem sie sich auf ihren Herrn beriefen, die Ausübung der Kommunalmacht zu ihren Gunsten beeinträchtigten und die Stadt in unaufhörliche Konflikte steuerten.

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Klerus und Adel lebten also außerhalb des Bürgertums, ersterer regelmäßig, letzterer sehr oft. Selbstverständlich galt das Gleiche anfänglich für gewisse Menschengruppen, die Adeligen oder religiösen Einrichtungen unterstanden, während die Bildung der Gemeinde sich davon abseits vollzog. Aber dieser Umstand hielt nicht lange an. Sehr früh schon kauften die Städte die Gerichtsbarkeit über diese Personen und unterstellten sie ihrem Gesetz. Als das Bürgertum an seiner höchsten Entwicklungsstufe angelangt war, bildete es nicht mehr wie am Anfang eine Klasse von Menschen, die alle dem gleichen sozialen Status angehörten. Auch wenn sie größten Teils noch aus Kaufleuten und Handwerkern bestand, so umfasste die städtische Bevölkerung nun auch Privatiers, Bauern usw. Auf diese Weise bestand seit dem 12. Jahrhundert keine gleiche Bedeutung mehr zwischen den Begriffen mercator und burgensis. Zu Anfang personengebunden, wurde das städtische Recht nun, wie wir es gesehen haben, territorialgebunden. Die Eigenschaft als Bürger erlangte man nun über den Wohnsitz. Niemand gehörte zur Stadt, der nicht in ihr wohnte, sich in ihr schlafen legte und aufwachte. Kurzum, der Bürger existierte durch die Stadt, und nicht, wie in der Antike, die Stadt durch den Bürger. Und wie wir überzeugend dargestellt haben, ergab sich das lateinische Wort civitas aus civis, während sich in den modernen Sprachen die Bezeichnungen bourgeois, Bürger, citizen und cittadino von den Wörtern bourg, Burg, city und città ableiten. Ein Dauerwohnsitz in der Stadt genügte jedoch nicht, um die Bürgerschaft zu erhalten. Eine zweite Voraussetzung war nötig: der Eintritt in die Gemeinde. Niemand war Bürger, der nicht den Bürgereid geleistet hatte, der sich nicht solidarisch gegenüber den anderen Bürgern zeigte, der sich nicht in gewisser Art und Weise in der korporativen Einheit der Stadt verlor. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass diese zweite Voraussetzung unweigerlich mit der ersten zusammenhängt. Der Schwur begründete in der Tat die Rechte und Pflichten des Bürgers. Er war die unabdingbare Gewährleistung der Treue und des Gehorsams eines jeden gegenüber der städtischen Regierung. Außerdem hing es nicht vom Willen eines jeden einzelnen ab, ihn zu leisten oder sich ihm zu entziehen. Jeder neue Einwohner war gezwungen, Teil der Gemeinde zu werden und es gab nur eine Möglichkeit des Austritts: Emigration. Neben diesen beiden erforderlichen Voraussetzungen des Bürgertums findet man am Anfang noch eine weitere: der Bürger musste Eigentümer sein. Diese Klausel wird ausdrücklich in vielen Urkunden erwähnt und in vielen Städten trugen die Mitglieder des frühen Bürgertums den charakteristischen Namen der homines hereditarii, der erbbaren Bürger. Erst nach der demokratischen Revolution nahmen alle Einwohner durch Wohnsitz und Leistung des Gemeindeschwurs gleichermaßen am Bürgertum teil. Mehrere Autoren weisen dieser Auflage, die den Bürgern vorschrieb, Eigentümer sein zu müssen, eine wichtige Bedeutung zu. Sie sehen hierin den Beweis dafür, dass die städtische Gemeinde Tochter der ländlichen Gemeinde war. Ihnen zufolge musste man genauso in Besitz eines landwirtschaftlichen Betriebs sein, um vollwertiges Mitglied des Dorfes sein zu können, wie man Inhaber von Grundbesitz sein musste, um Mitglied der Stadt sein zu können. Dies wäre möglich, die Theorie

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basiert jedoch auf einer unzureichenden Basis und räumt äußerlichen Ähnlichkeiten zu viel Bedeutung ein. Es musste sich bei dem von den Bürgern erforderten Besitz nicht unbedingt um Landbesitz handeln. In Freiburg im Breisgau musste er nur aus eigenen Besitztümern im Wert von mindestens einer Mark bestehen, ohne dass die Art dieses Besitzes festgelegt war. In Laon sah die Verfassung den Fall von Personen vor, die keine hereditas, also keinen Landbesitz hatten, die aber über ein gewisses Mobiliarvermögen verfügten, das sie im Handel erworben hatten. Die gleiche Urkunde schrieb vor, dass jener, der sich in Frieden niederließ, noch vor Ende des Jahres ein Grundstück erwerben musste, oder aber einen Teil seiner beweglichen Güter in die Stadt verlegen musste. In anderen Texten wurde dem Bürger nicht Grundbesitz, sondern der Besitz eines Hauses abverlangt, und man weiß, dass Häuser lange Zeit nicht als unbewegliches, sondern als bewegliches Gut galten. Es waren zuerst verwaltungstechnische und rechtliche Motive, die die Eigenschaft des Bürgers von der des Eigentümers abhängig machten. Weiter oben haben wir bereits festgestellt, dass der Bürger unweigerlich der Steuer unterzogen wurde und dass die Liste der Steuerzahler gleichzeitig die Einwohnerliste darstellte. In diesen Städten, deren Mitglieder alle solidarisch untereinander waren, konnte niemand sich den gemeinsamen Ausgaben entziehen. Tatsächlich konnte jedoch nur der Eigentümer daran teilhaben, da er allein im Stande war, die Steuern zu zahlen. Auf diese Weise kann man verstehen, dass am Anfang die Eigenschaft des Bürgers unzertrennlich von der des Steuerzahlers und also auch von der des Eigentümers war. Zu diesem ersten Grund, der sich aus der Eigenart der Gemeinde selbst ableitete, kommt noch ein weiterer von gänzlich rechtlicher Natur hinzu. Damit der Bürger das Gesetz erfüllen konnte, musste sein Vermögen in gewisser Hinsicht als Garant der Zahlung einer möglichen Geldstrafe dienen. Er musste verlieren können, seine Güter mussten beschlagnahmt werden können. Die Verfassung von Laon bietet uns hier einen weiteren aufschlussreichen Text: Quicumque in pace ista recipietur, kann man dort lesen, infra anni spacium aut domum sibi edificat … aut tantum sue mobilis substantie in civitatem afferat, per que justiciari possit, si quid forte in eum querele evenerit. Es sei uns gestattet nun auch in Analogie hierzu verschiedene Berufsvorschriften zu erwähnen, in denen festgelegt wurde, dass der Handwerker Kleidung mindestens im Wert einer möglichen Geldstrafe tragen musste. In diesem Fall diente die Kleidung tatsächlich als mögliche Kaution für die Entrichtung dieser Geldstrafe. Halten wir nun fest, dass der städtische Besitz schon sehr früh, wenn nicht gesetzlich, so doch im Grunde genommen Grundbesitz war. Die mercatores, die sich durch den Handel bereichert hatten, konnten keine bessere Kapitalanlagen zu ihren Gunsten als Grundbesitz finden. Die Gesta episcoporum Cameracensium erzählen uns detailgetreu die Geschichte eines großen Kaufmanns, der, durch sukzessiven Ankauf von Grundstücken und Pachten in nur wenigen Jahren zu einer der Hauptfiguren der Stadt wurde. Etwas später können wir überall ähnliche Ereignisse feststellen. Diese opulenten Privatiers, deren Familien sich im 13. Jahrhundert fast den gesamten Grund und Boden der

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Stadt teilten, stammten von Kaufleuten ab, die sich mit Hilfe ihrer Vermögensanlagen in Großgrundbesitzer verwandelt hatten. Auf diese Weise hatte sich schon sehr früh ein städtisches Patriziat, eine Klasse von cives optimo jure, von majores gebildet. Diese majores hatten gleichzeitig wirtschaftliche und politische Macht. Durch die Gilde, in die nur sie eintreten durften, beherrschten sie den örtlichen Handel. Sie genossen teilweise herausragende Privilegien. Alle Rats- oder Schöffenamtssitze gehörten ihnen und wurden innerhalb ihrer Familien vererbt. In Geschlechter eingeteilt, befestigte Häuser bewohnend, durch Ehrenprädikate gekennzeichnet und mit dem Landadel verwandt, nannten sie sich selbst aus gutem Grund «Herren der Stadt». Unterhalb des Patriziats befand sich die plebs, die minores, die Kleinen. Es handelte sich hierbei um Handwerker, um «hommes à ongles bleus», also um «Männer mit blauen Fingernägeln». Für die damaligen gesellschaftlichen Zustände in der Stadt war es üblich, dass die Bezeichnungen major und dives einerseits und die Wörter minor und pauper andererseits als Synonyme galten. Allerdings ist es notwendig, zwischen den Handwerkern eine wichtige Unterscheidung vorzunehmen, die nicht immer ausreichend in Acht genommen wurde. Sie teilten sich sehr klar in zwei Gruppen auf. Die erste Gruppe umfasste Unternehmer, Schmiede, Metzger, Bäcker usw., also Handwerker, die selbst die Ware verkauften, die sie auch herstellten und die eine Zwischenposition zwischen den Großunternehmern und den einfachen Arbeitern einnahmen. Letztere, bei weitem die zahlreichsten, zumindest in den großen Städten, wurden unter den Arbeitern der Industrie angeworben: Weber, Walker, Färber, Metallschläger, die für die großen Kaufleute arbeiteten und die sich auf diese Weise der Kondition der modernen Arbeiter annäherten. Sie wurden von den öffentlichen Ämtern ferngehalten, nahmen nicht an der Stadtregierung teil. Ihr Lohn, der sorgfältig durch die Berufsvorschriften festgelegt wurde, erlaubte es ihnen nicht, sich zu bereichern und somit ins Patriziat einzutreten. Man muss nicht glauben, wie es so oft gesagt wurde, dass der Unterschied der politischen Bedingungen im Bürgertum auf den ursprünglichen Unterschied der rechtlichen Bedingungen zurückzuführen war. Es ist falsch davon auszugehen, dass die Handwerker, neben den Kaufleuten, die persönliche Freiheit genossen, dem Domänenrecht unterstanden. Um der Nichtigkeit dieser Theorie gewahr zu werden, reicht es zu beachten, dass die Handwerker, die keine Steuerfreiheit genossen, sich jahrhundertelang neben den freien Handwerkern hielten und dass also folglich keine Abstammung der einen von den anderen vorliegen kann. Das Argument, das aus den Leistungen hervorgezogen wurde, mit denen verschiedene Berufsstände dem Herrn unterworfen waren, und in denen man den Beweis für die Unfreiheit ihrer Mitglieder zu Zeiten der Stadtbildung sehen wollte, hat keine Bedeutung. Diese Leistungen waren in der Tat nur alte öffentliche Abgaben, die an den Lehnsherrn in seiner Eigenschaft als Fürst und nicht in seiner Eigenschaft als Herr ausgezahlt wurden. Der Vergleich der ältesten Urkunde Straßburgs mit dem Verzeichnis der an den Bischof von Amiens von den Handwerkern zu zahlenden Gebühren ist in

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diesem Sinn sehr charakteristisch. Es steht also außer Frage, dem Bürgertum einen doppelten Ursprung zuzuweisen. Handwerker und Kaufleute, Patrizier und Handwerker, unterschieden sich ausdrücklich durch wirtschaftliche und nicht durch rechtliche Merkmale. Am Anfang wurden sie alle unter dem Gattungsnamen mercatores zusammengenommen. Aber schon sehr früh wurden die ersten Plätze weggenommen, die Teilnahme am Großhandel wurde eingeschränkt, die Patrizier bildeten Gilden, besaßen den Boden, füllten den Rat mit den Ihren, und immer klarer bildete sich eine Plutokratie neben der Masse der Kleinunternehmer und Arbeiter heraus. Man weiß außerdem, dass die durch das Patriziat eingeführte aristokratische Regierung sehr schnell eine heftige Revolution seitens des kleinen Volkes hervorrief. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts forderten die Handwerker in Frankreich, dann in Flandern und in Deutschland, Kontrolleinrichtungen und einen Teil an Mitbestimmung in den öffentlichen Angelegenheiten. Wie sich die mercatores früher gegen die Lehnsherren aufgelehnt hatten, so lehnten sie sich nun gegen die Großbürger auf und es gelang ihnen fast überall, eine demokratische Regierung an die Stelle der Regierung der Geschlechter zu setzen. Es ist jedoch nicht unsere Aufgabe, uns hier mit den Wandlungen der städtischen Verfassungen in der zweiten Hälfte des Mittelalters auseinander zu setzen. Ganz gleich wie wichtig sie waren, änderten sie den grundsätzlichen Charakter der Stadt nicht. Es reicht uns aufgezeigt zu haben, wie diese Merkmale sich nach und nach freigelegt haben, versucht zu haben, die Bildung der städtischen Institutionen in den Ländern zwischen Elbe und Seine auf wesensgleiche Ursachen zurückzuführen. Ohne Zweifel erkennt man in diesem großflächigen Gebiet ohne großen Aufwand die Existenz verschiedener Verfassungstypen, verschiedener städtischer Familien. Aber zwischen diesen Familien kann man eine ursprüngliche Verwandtschaft herstellen und beweisen, dass diese Verwandtschaft unabhängig von Rasse und sprachlichen Grenzen war. Arras, Sankt-Omer und Lille gehören der gleichen Stadtgruppe an wie Gent, Brügge und Ypern. Metz, Toul, Verdun, Lüttich, Trier, Maastricht und Utrecht weisen verblüffende Ähnlichkeiten trotz ihrer einerseits germanischen, andererseits romanischen Bevölkerung auf. In Wirklichkeit wurden die deutschen und französischen Städte erst seit dem 13. Jahrhundert durch die Einwirkung des Staates in verschiedene Bahnen geleitet. In Frankreich stellte sich das Königtum, das zu Anfang dem Bürgertum zugetan war, bald gegen letzteres und unterwarf es sich schließlich, so wie es sich selbst dem Adel unterwarf. Die Macht der Monarchie, und nicht die mehr oder weniger vorhandene Fähigkeit der Einwohner, sich selbst zu regieren, war hier die Ursache des Verschwindens der Gemeinden. In Deutschland andererseits hatte die immer größer werdende Schwäche der Zentralmacht gegensätzliche Auswirkungen. Während die französischen Städte unter die Vormundschaft der Burgvögte und der königlichen Vögte fielen, verwandelten sich die deutschen Städte in kleine unabhängige Republiken, in freie Reichsstädte. Trotz gleichem Ausgangspunkt orientierte sich die Stadtentwicklung in den beiden großen Staaten des Westens in völlig unterschiedliche Richtungen. Aber die Ursachen hierfür sind äußerlich und in gewisser Art und Weise künstlicher Natur. Sie dürfen nicht in den Rassenmerkmalen, sondern müssen in der Geschichte der Staaten gesucht werden.

V. Verzeichnis der Quellen Bearbeitet von Manfred Kobuch

Kurzform

Titel

ADAC Reiseführer Baltikum ADAC Reiseführer Schweiz

ADAC Reiseführer. München: Christine Hamel, Baltikum. (2008). Rolf Goetz, Schweiz. (2009).

Atlas Saale

Atlas des Saale- und mittleren Elbegebietes. 2., völlig neubearbeitete Aufl. des Werkes „Mitteldeutscher Heimatatlas“. Hg. von Otto Schlüter u. Oskar August. T. 1–3 [nebst Erläuterungen]. Leipzig (1958–1961).

Baedeker Polen Baedeker Schweiz

Baedeker Allianz Reiseführer. Ostfildern: Rainer Eisenschmid, Silwen Randebrock, Baltikum. 6., völlig überarb. Aufl. (2005). Madeleine Reincke [u.a.], Großbritannien und Irland. 6. Aufl. (1996). Henryka Ca∏kowa, Vera Beck [u.a.], Polen. 5. Aufl. (2001). Madeleine Reincke [u.a.], Schweiz. 6. Aufl. (1995).

Balt. Hist. Ortslexikon 1 Balt. Hist. Ortslexikon 2

Baltisches historisches Ortslexikon. Begonnen von Hans Feldmann. Hg. von Heinz von Zur Mühlen. Köln/Wien: T. 1. Estland (einschließlich Nordlivland). (1985). T. 2. Lettland (Südlivland und Kurland). (1990).

Baedeker Baltikum Baedeker Großbritannien

Dehio Baden-Württ 1 Dehio Baden-Württ 2 Dehio Bayern 1

Dehio Bayern 2 Dehio Bayern 3 Dehio Bayern 4

Dehio, Georg, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler [Neubearbeitung.] München/Berlin: Baden-Württemberg I. Die Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe. Bearb. von Dagmar Zimdars u.a. (1993). Baden-Württemberg II. Die Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen. Berab. von Dagmar Zimdars u.a. (1997). Bayern I. Franken. Die Regierungsbezirke Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken. Bearb. von Tilmann Breuer u.a. 2., durchges. u. erg. Aufl. (1999). Bayern II. Niederbayern. Bearb. von Michael Brix u.a. 2., durchges. u. erg. Aufl. (2008). Bayern III. Schwaben. Bearb. von Bruno Bushart u. Georg Paula. 2., überarb. Aufl. (2008). Bayern IV. München und Oberbayern. Bearb. von Ernst Götz u.a. 3., aktualisierte Aufl. (2006).

278 Dehio Bayern 5 Dehio Berlin Dehio Brandenbg. Dehio Bremen, Niedersachs. Dehio Dresden Dehio Hamburg, Schlesw. Dehio Hessen 1 Dehio Hessen 2 Dehio Mecklenbg. Dehio Nordrhein-Westf. 1 Dehio Nordrhein-Westf. 2

Dehio Rheinland-Pfalz Dehio Sachsen 1 Dehio Sachsen 2 Dehio Sachsen-Anhalt 1 Dehio Sachsen-Anhalt 2 Dehio Thüringen

Dehio Polen: Schlesien Dehio West- u. Ostpreußen

Dehio Burgenland Dehio Kärnten Dehio Niederöst. nördl. Donau Dehio Niederöst. südl. Donau 1

V. Verzeichnis der Quellen Bayern V. Regensburg und die Oberpfalz. Bearb. von Jolanda Drexler u.a. 2., durchges. u. erg. Aufl. (2008). Berlin. Bearb. von Michael Bollé u.a. 2., durchges. u. erg. Aufl. (2006). Brandenburg. Bearb. von Gerhard Vinken u.a. (2000). Bremen, Niedersachsen. Neubearb. von Gerd Weiß u.a. 2., stark veränd. u. erw. Aufl. (1992). Dresden. Bearb. von Barbara Bechter u.a. (2005). Hamburg, Schleswig-Holstein. Bearb. von Johannes Habich u.a. (1994). Hessen I. Regierungsbezirk Gießen und Kassel. Bearb. von Folkhard Cremer u.a. (2008). Hessen II. Regierungsbezirk Darmstadt. Bearb. von Folkhard Cremer u.a. (2008). Mecklenburg-Vorpommern. Bearb. von Hans-Christian Feldmann u.a. (2000). Nordrhein-Westfalen I. Rheinland. Bearb. von Claudia Euskirchen u.a. (2005). Nordrhein-Westfalen II. Westfalen. Hg. in Zus.-Arb. mit der LML – Denkmalpflege, Landschafts- u. Baukultur in Westfalen u. dem Inst. für vergleichende Städtegesch. unter wiss. Ltg. von Ursula Quednau (2011). Rheinland-Pfalz. Saarland. Bearb. von Hans Caspary u.a. 2., bearb. u. erw. Aufl. (1984). Sachsen I. Regierungsbezirk Dresden. Bearb. von Barbara Bechter u.a. (1996). Sachsen II. Regierungsbezirke Leipzig und Chemnitz. Bearb. von Barbara Bechter u.a. (1998). Sachsen-Anhalt I. Regierungsbezirk Magdeburg. Bearb. von Ute Bednarz u.a. (2002). Sachsen-Anhalt II. Regierungsbezirk Dessau und Halle. Bearb. von Ute Bednarz u.a. (1999). Thüringen. Bearb. von Stephanie Eißing u.a. 2., durchges. u. erg. Aufl. (2003). Dehio, Georg, Handbuch der Kunstdenkmäler. München/Berlin: Polen: Schlesien. Bearb. von S∏awomir Brzezicki u.a. (2005). West- und Ostpreußen. Die ehemaligen Provinzen West- und Ostpreußen (Deutschordensland Preußen) mit Bütower und Lauenburger Land. Bearb. von Michael Antoni. (1993). Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreich. Hg. vom Bundesdenkmalamt. Wien: Burgenland. Bearb. von Adelheid Schmeller-Kitt u.a. 2., verb. Aufl. (1980). Kärnten. Basierend auf den Vorarbeiten von Karl Ginhardt. Neubearb. von Ernst Bacher u.a. 2., verb. Aufl. (1981). Niederösterreich nördlich der Donau. Bearb. von Evelin Benesch u.a. (1990). Niederösterreich südlich der Donau. T. 1: A–L. Bearb. von Peter Aichinger-Rosenberger u.a. (2003).

V. Verzeichnis der Quellen Dehio Niederöst. südl. Donau 2 Dehio Oberöst.

Dehio Oberöst. 1 Dehio Oberöst. 2 Dehio Steiermark Dehio Tirol Dehio Vorarlberg Dehio Wien I

DHSA 1, Quedlinburg

DHSA 2, Schwerin

DSA 1 DSA 2 DSA 3 DSA 4 DSA 5 DSA 6 DSB DSB Nordost DSB Mitte DSB Nordwest DSB Niedersachs. DSB Westfalen DSB Rheinland

DSB Hessen DSB Baden DSB Württemberg DSB Rheinland-Pfalz

DSB Bayern 1 DSB Bayern 2

279 Niederösterreich südlich der Donau. T. 2: M–Z. Bearb. von Peter Aichinger-Rosenberger u.a. (2003). Oberösterreich. Von Erwin Hainisch. Neubearb. von Kurt Woisetschläger u.a. 4., neubearb. Aufl. (1960). Neubearbeitung: 1. Mühlviertel. Bearb. von Peter Adam u.a. (2003). 2. Linz. Bearb. von Beate Auer u.a. (2009). Steiermark (ohne Graz). Bearb. von Kurt Woisetschläger u.a. (2006). Tirol. Bearb. von Gert Ammann u.a. (1980). Vorarlberg. Bearb. von Gert Ammann u.a. (1983). Wien. I. Bezirk – Innere Stadt. Bearb. von Günther Buchinger u.a. (2003). Deutscher historischer Städteatlas. Hg. von Wilfried Ehbrecht, Peter Johanek u. Jürgen Lafrenz. Münster: 1. Quedlinburg. Autoren: Ulrich Reuling u. Daniel Stracke. Kartographie: Thomas Kaling u. Dieter Overhageböck. Red.: Daniel Stracke. (2006). 2. Schwerin. Autoren: Antje Sander, Bernd Kasten, Daniel Stracke. Kartographie: Dieter Overhageböck. Red.: Daniel Stracke. (2007). Deutscher Städteatlas. Hg. von Heinz Stoob. Münster; Altenbeken (Lfg. III ff.) Lfg. I (1973). Lfg. II (1979). Lfg. III (1984). Lfg. IV (1989). Lfg. V (1993). Lfg. VI (2000). Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte. Hg. von Erich Keyser. Stuttgart/Berlin: 1. Nordostdeutschland. (1939). 2. Mitteldeutschland. (1941). 3. Nordwestdeutschland. (1952). 1. Niedersachsen und Bremen. Niedersächsisches Städtebuch. (1952). 2. Westfalen. Westfälisches Städtebuch. (1954). 3. Landschaftsverband Rheinland. Rheinisches Städtebuch. (1956). 4. Südwestdeutschland 1. Land Hessen. Hessisches Städtebuch. (1957). 2. Land Baden-Württemberg Teilband Baden. Badisches Städtebuch. (1959). Teilband Württemberg. Württembergisches Städtebuch. (1962). 3. Rheinland-Pfalz und Saarland. Städtebuch Rheinland-Pfalz und Saarland. (1964). 5. Bayern. Hg. von Erich Keyser u. Heinz Stoob. Stuttgart/Berlin/ Köln/Mainz: Bayerisches Städtebuch. T. 1. (1971). Bayerisches Städtebuch. T. 2. (1974). Neubearbeitung. Hg. von Heinz Stoob u. Peter Johanek. Stuttgart/Berlin/Köln.

280 SB Schlesien

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SB Hinterpomm.

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Hist. Stätten Böhmen-Mähren Hist. Stätten Dänemark Hist. Stätten Ost- u. Westpreuß. Hist. Stätten Schlesien

Hist. Stätten Schweiz

Handbuch der historischen Stätten. Stuttgart: Böhmen und Mähren. Hg. von Joachim Bahlcke, Winfried Eberhardt u. Miloslav Polívka. (1998). Dänemark. Hg. von Olaf Klose. (1982). Ost- und Westpreußen. Hg. von Erich Weise. (1966). Unveränd. Ndr. (1981). Schlesien. Hg. von Hugo Weczerka. (1977). 2., verb. u. erw. Aufl. (2003) [Text unveränd., Lit.-Verz. erg.]. Schweiz und Liechtenstein. Hg. von Volker Reinhard (1996).

281

V. Verzeichnis der Quellen

Hist. Stätten Österreich 1 Hist. Stätten Österreich 2

Handbuch der historischen Stätten. Österreich. Stuttgart: 1. Donauländer und Burgenland. Hg. von Karl Lechner. (1970). Ndr. (1985). 2. Alpenländer mit Südtirol. Hg. von Franz Huter. 2., überarb. Aufl. (1978).

Horváth

Zoltán György Horváth es Béla Gondos, Erdély legszebb középkori templomai. [Die schönsten mittelalterlichen Kirchen von Siebenbürgen.] Budapest (2009).

Hudák

Jan Hudák, Patrociniá na Slovensku. Bratislava (1984). [86 existierende und 47 untergegangene Nikolaikirchen in der Slowakei.]

Johansson

Dan Johansson, St. Nikolai churches in Swedish medieval Towns. Auf Grund eines Berichts vom schwedischen Projekt „Medeltids staden“, begonnen 1976 durch „Statens historiska muséer“ und „Riks antivare ämbetet“.

Kuãa

Karel Kucˇa, Mûsta a mûsteãka v âechách, na Moravé a ve Slezsku. [Städte und Städtchen in Böhmen, Mähren und in Schlesien.] Díl 1–7. Praha (1996–2008). 1. A–G. (1996). 2. H– Kole. (1997). 3. Kolín–Miro. (1998). 4. Ml–Pan. (2000). 5. Par–Pra. (2002). 6. Pro–Sto. (2004). 7. Str–U. (2008).

Kuãa 1 Kuãa 2 Kuãa 3 Kuãa 4 Kuãa 5 Kuãa 6 Kuãa 7 Lexikon der Kunst LMA

Lexikon der Kunst. Bd. 1–7. Leipzig (1987–1994). 2., unveränd. Aufl. (2004). Lexikon des Mittelalters. Bd. I–IX. München, Zürich (1980– 1998).

Mezö

András Mezö, Patrociniumok a középkori Magyarországon. [Die Kirchenpatrozinien in Ungarn.] Budapest (2003).

Mon. Vat. Slovaciae 2,1

Monumenta Vaticana Slovaciae. Tom. 2. Registra supplicationum ex actis pontificum Romanorum res gestas Slovacas illustrantia. Vol. 1: 1342–1415. Ad edendum praeparavit Vladimír Rábik. Trnava, Roma (2009).

ÖSB Oberöst. ÖSB Burgenland ÖSB Vorarlberg

ÖSB Niederöst. 1 ÖSB Niederöst. 2 ÖSB Niederöst. 3

Österreichisches Städtebuch. Hg. von Othmar Pickl. Wien: 1. Die Städte Oberösterreichs. Red. von Herbert Knittler. (1968). 2. Die Städte des Burgenlandes. 2., überarb. u. erw. Aufl. Red. Ernö Deák. (1996). 3. Die Städte Vorarlbergs. Red. von Franz Baltzarek u. Johanne Pradel. (1973). 4. Die Städte Niederösterreichs. T. 1: A–G. Red. von Friederike Goldmann. (1988). T. 2: H–P. Red. von Friederike Goldmann [u.a.]. (1976). T. 3: R–Z. Red. von Friederike Goldmann [u.a.]. (1982) .

282 ÖSB Tirol ÖSB Steierm. 3

ÖSB Steierm. 4 ÖSB Wien

Pommern

V. Verzeichnis der Quellen Die Städte Tirols. T. 1: Bundesland Tirol. Von Franz-Heinz Hye [u.a.]. (1980). Die Städte der Steiermark. T. 3: J–L. Red. von Friederike Goldmann u. Robert F. Hausmann. (1990). T. 4: M – Z. Red. von Friederike Goldmann u. Nikolaus Reisinger. (1995). Die Stadt Wien. Hg. von Peter Csendes u. Ferdinand Opll. Red. von Friederike Goldmann. (1999). Karlheinz Blaschke, Nikolaikirchen und Stadtentstehung im pommerschen Raum. In: Stadtgrundriß und Stadtentwicklung. Forschungen zur Entstehung mitteleuropäischer Städte. Aufsätze von Karlheinz Blaschke, hg. von Uwe John und Peter Johanek. Städteforschung A 44, Köln (1997), S. 225–244.

Rokyta 1 Rokyta 2 Rokyta 3

Hugo Rokyta. Die Böhmischen Länder. Handbuch der Denkmäler und Gedenkstätten europäischer Kulturbeziehungen in den Böhmischen Ländern. 1–3. 3. überarb. u. erw. Aufl. Prag (1997). 1. Prag. 2. Böhmen. 3. Mähren und Schlesien.

WSA 1 WSA 2 WSA 5 WSA 8 WSA 10

Westfälischer Städteatlas. Hg. u. bearb. von Heinz Stoob u. Cornelia Kneppe (Lfg. 10 ff.). Lfg. 1–11. Dortmund; Altenbeken (Lfg. 3 ff.) (1975–2010). Lfg. 1. (1975). Lfg. 2. (1981). Lfg. 5. (1997). Lfg. 8. (2004). Lfg. 10. (2008).

VI. Verzeichnis der Abbildungen

Abb. 1 Entstehung der Stadt Auma. Sie ist für die Zeit nach 1080 anzusetzen. Keine „Gründung“, sondern Entwicklung. 53 Abb. 2 Entstehung der Stadt Bergen.

55

Abb. 3 Entstehung der Stadt Bruneck (Nach Katasteraufnahme des 19. Jhs.).

56

Abb. 4 Kaufmannssiedlung Altenstadt-Cham (Nach Herbert Wolf, Die ehemalige St. Nikolauskirche in Altenstadt bei Cham. Waldheimat, 4. Jahrgang [1963]). 57 Abb. 5 Chemnitz (Nach Katasteraufnahme um 1840).

58

Abb. 6a Stadtplan von Colditz (Bearbeitet von Karlheinz Blaschke).

58

Abb. 6b Steuerliche Belastung der Grundstücke in Colditz 1833 (Bearbeitet von Karlheinz Blaschke). 59 Abb. 7 Entstehung der Stadt Dresden (Topographische Grundlagen nach Reinhard Spehr; Bearbeitet von Karlheinz Blaschke). 60 Abb. 8a Stadtplan von Görlitz (Entworfen nach einem Kupferstich von Matthäus Merian, 1650). 62 Abb. 8b Kaufmannssiedlung am Steinweg mit Nikolaikirche von Görlitz (Ausschnitt aus einem Kupferstich von Matthäus Merian, 1650).

63

Abb. 9 Stadtplan von Halle/Saale. (Mitteldeutscher Heimatatlas, 2. Aufl., Blatt 30 [1960]). 64 Abb. 10 Stadt Jena 1858. (Ausschnitt nach einem Plan, „aufgenommen von den Studierenden Jenas 1858 zur 300-jährigen Jubelfeier“). 65 Abb. 11 Stadtplan von Laibach/Ljubljana. (Nach Milko Kos, Srednjeveska Ljubljana. Topografiski opis mesta i okolice. Ljubljana 1955). 67 Abb. 12 Meißen um 1830. (Nach Plan im Stadtarchiv Meißen, Inventarnummer: KP 219 b). 68 Abb. 13 Stadtplan von Merseburg. (Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands, elfter Band [1975]). 69

284

VI. Verzeichnis der Abbildungen

Abb. 14 Vorort Venedig, Kaufmannssiedlung der Stadt Nabburg (Nach Katasteraufnahme um 1840 im Bayerischen Landesvermessungsamt München). 70 Abb. 15 Entstehung der Stadt Pegau, 1090–1200. (Nach Hans Patze, Die Pegauer Annalen, 1963). 71 Abb. 16 Entstehung der Stadt Pirna.

72

Abb. 17 Fundamente der Nikolaikirche Sarpsborg im Borgarsyssel Museum. (Nach Skizze von Erling Bakken). 73 Abb. 18 Entwicklung der Stadt Strausberg. (Nach Rolf Barthel, 1987).

74

Abb. 19 Kaufmannssiedlung Altstadt Waldenburg. (Katasteraufnahme um 1840 im Kreisarchiv Zwickau, Rat der Stadt Waldenburg, Inventarnummer 474). 75 Abb. 20 Stadt Weißenfels/Saale. (Nach einem Plan von Faesch im Landeshauptarchiv Dresden, Nikolaikirche vermutlich nach Verlegung in die Innenstadt). 76 Abb.

Die Nikolaikirche zu Colditz in ihrer ursprünglichen Gestalt. Graphik von Tobias Trauzettel VII

VII. Ortsregister

Aachen D 96 Aberdeen GB 96 Agram (Zagreb) HR 97 Åhus S 97 Aken D 97 Alfeld D 97 Alsleben/S. D 98 Altenburg D 98 Altenstadt-Cham D 116 Altsohl (Zvolen) SK 98 Alzey D 98 Amsterdam NL 99 Angers F 99 Anklam D 99 Apenrade DK 99 Arboga S 99 Arensburg (Kuressaare) EST Århus DK 100 Arnstein D 100 Arras F 100 A‰ (Asch) CZ 100 Asch (A‰) CZ 100 Aschersleben D 100 Ash GB 101 Aue D 101 Auerbach D 101 Auma D 52, 101 Autun F 102

99

Baden CH 102 Ballenstedt D 102 Bamberg D 102 Bánovce nad Bebravou (Banowitz) SK 102 Banowitz (Bánovce) SK 102 BaÀská ·tiavnica (Schemnitz) SK 198 Bardowick D 102 Bautzen D 103 Bayreuth D 103 Beaume F 104

Beelitz D 104 Beeskow D 104 Beneschau (Bene‰ov) CZ 104 Bene‰ov (Beneschau) CZ 104 Bergen N 54, 104 Bergreichenstein (Ka‰perské Hory) CZ 105 Berlin D 105 Bernburg D 106 Berneck D 107 Beuthen (Bytom) PL 107 Bia∏ystok (Bie∏ystok) PL 107 Bielefeld D 107 Bielitz (Bielsko-Bia∏a) PL 108 Bie∏ystok (Bia∏ystok) PL 107 Bielsko-Bia∏a (Bielitz) PL 108 Billerbeck D 108 Bílovec (Wagstadt) SK 214 Bischofswerda D 108 Bistrit¸ a (Bistritz) RO 108 Bistritz (Bistrit¸ a) RO 108 Blasenstein (Plaveck˘ Mikulá‰) SK 108 Blois F 109 Bodenwerder D 109 Böhmisch Budweis (âeské Budûjovice) CZ 109 Böhmisch Leipa (âeská Lípa) CZ 109 Boles∏awiec (Bunzlau) PL 115 Bolzano (Bozen) I 110 Bor (Haid) CZ 141 Bordeaux F 109 Borna D 110 Boulogne-sur-mer F 110 Bozen (Bolzano) I 110 Brandenburg D 111 Bratislava (Preßburg) SK 189 Braunschweig D 111 Bredstedt D 112 Breslau (Wroc∏aw) PL 112 Brest BY 113 Brieg (Brzeg) PL 113

286

VII. Ortsregister

Brigthon GB 113 Brilon D 113 Bristol GB 113 Brno (Brünn) CZ 114 Bromberg (Bydgoszcz) PL 113 Bruneck (Brunico) I 55, 114 Brunico (Bruneck) I 55, 114 Brünn (Brno) CZ 114 Brüssel (Brussel, Bruxelles) B 114 Brussel (Brüssel) B 114 Bruxelles (Brüssel) B 114 Brzeg (Brieg) PL 113 Budapest H 114 Bunzlau (Boles∏awiec) PL 115 Büren D 115 Burg bei Magdeburg D 115 Burg auf Fehmarn D 116 Buttelstädt D 116 Byczyna (Pitschen) PL 186 Bydgoszcz (Bromberg) PL 113 Bytom (Beuthen) PL 107 Caen F 116 Calw D 116 Cham-Altenstadt D 56, 116 Chemnitz D 57, 117 âernovcy (Czernowitz) UA 119 âeské Budûjovice (Böhmisch Budweis) CZ âeská Lípa (Böhmisch Leipa) CZ 109 Cheb (Eger) CZ 123 Chojna (Königsberg/Neumark) PL 154 Chojnów (Haynau) PL 143 Chur CH 117 Coburg D 117 Colditz D 58, 59, 118 Coswig D 118 Cottbus D 119 Coventry GB 119 Creuzburg D 119 Czernowitz (âernovcy) UA 119 Dahme D 119 Danzig (Gdaƒsk) PL 120 Darlowo (Rügenwalde) PL 195 Demmin D 120 Dinkelsbühl D 120 Dippoldiswalde D 120 Döbeln D 121 Dobfian (Dobfiany) CZ 121 Dobfiany (Dobfian) CZ 121 Dobre Miasto (Guttstadt) PL 140

Dortmund D 121 Dresden D 60, 121 Düben D 122 Dzier˝oniów (Reichenbach) PL Ebermannstadt D 122 Eckernförde D 122 Eger (Cheb) CZ 123 Eggenfelden D 123 Egna b. Bozen (Neumarkt) I Eibelstadt D 123 Eichstädt D 123 Eilenburg D 123 Eisenach D 124 Eisenberg D 124 Eisfeld D 124 Eisleben D 125 Elbing (Elblà g) PL 125 Elblà g (Elbing) PL 125 Ellrich D 125 Elmshorn D 126 Elzach D 126 Erfurt D 126 Eschwege D 126 Esztergom (Gran) H 137

109

191

175

Feldkirch A 127 Flensburg D 127 Felsberg D 127 Forst D 127 Frankenhausen D 128 Frankenstein (Zàbkowice Âlàskie) PL Frankfurt/Main D 128 Frankfurt/Oder D 129 Frauenburg (Frombork) PL 129 Fraustadt (Wschowa) PL 129 Freiberg D 130 Freiburg (Fribourg) CH 130 Freienohl D 130 Freienwalde D 130 Fribourg (Freiburg) CH 130 Friedland D 131 Fritzlar D 131 Frombork (Frauenburg) PL 129 Fürstenberg D 131 Gardelegen D 132 Gartz D 132 Gdaƒsk (Danzig) PL Geithain D 132 Genf CH 133

120

128

287

VII. Ortsregister Gent B 133 Gera D 133 Gifhorn D 133 Glauchau D 133 Glogau (G∏ogów) PL 134 G∏ogów (Glogau) PL 134 G∏ogówek (Oberglogau) PL 180 Gniew (Meve) PL 169 Goldberg (Z∏atoryja) PL 135 Góra (Guhrau) PL 140 Gnoien D 134 Görlitz D 61, 135 Goslar D 135 Gotha-Sundhausen D 136 Göttingen D 136 Grabow D 136 Gran (Esztergom) H 137 Graudenz (Grudziàdz) PL 137 Great Yarmouth GB 137 Greifenhagen D 137 Greifswald D 137 Grevesmühlen D 138 Grimma D 138 Groningen NL 139 Großmeseritsch (Velké Mezifiiãi) CZ Groß-Wartenberg (Syców) PL 139 Grudziàdz (Graudenz) PL 137 Grünberg (Zielona Góra) PL 139 Grünhain D 140 Guhrau (Góra) PL 140 Guttstadt (Dobre Miasto) PL 140 Gützkow D 140 Hagenau (Haguenau) F 140 Haguenau (Hagenau) F 140 Haid (Bor) CZ 141 Halberstadt D 141 Hall A 141 Halle/Saale D 63, 141 Hallenberg D 142 Halmstad S 142 Hamburg D 142 Hameln D 143 Hannover D 143 Haynau (Chojnów) PL 143 Heidenheim D 143 Heiligenstadt D 143 Helsingborg S 144 Helsingør DK 144 Hennersdorf (Jindfiichov) CZ 144 Herford D 144

Hersfeld D 144 Herzberg (Elster) D 145 Herzberg (Kreis Osterode) D 145 Hildburghausen D 145 Hildesheim D 145 Hof D 146 Hohenleuben D 146 Holbaek DK 146 Homberg a.d. Efze D 147 Hotzenplotz (Osoblaha) CZ 147 Höxter D 147 Humpolec (Humpoletz) CZ 147 Humpoletz (Humpolec) CZ 147 Innsbruck A 147 Interlaken CH 148 Ischl, Bad A 148 Isny D 149 Itzehoe D 149

139

Jaromûfi CZ 149 Jauer (Jawor) PL 149 Jawor (Jauer) PL 149 Jena D 65, 149 Jelgava (Mitau) LV 169 Jessen D 150 Jindfiichov (Hennersdorf) CZ Jönköping S 150 Judenburg A 151 Jüterbog D 151

144

Kahla D 151 Kalbe D 152 Kaliningrad (Königsberg) RUS 154 Kalisch (Kalisz) PL 152 Kalisz (Kalisch) PL 152 Kalkar D 152 Kalmar S 152 Kaltennordheim D 152 Kampen NL 152 Kappeln D 153 Karlino (Körlin) PL 155 Kaschau (Ko‰ice) SK 153 Ka‰perské Hory (Bergreichenstein) CZ Kaunas (Kovno) LT 153 Kiel D 153 Kiew (Kyjiv) UA 153 Klaipòda (Memel) LT 168 København (Kopenhagen) DK 155 Køge DK 154 Kolberg (Ko∏obrzeg) PL 154

105

288 Ko∏obrzeg (Kolberg) PL 154 Königsberg/Neumark (Chojna) PL 154 Königsberg (Kaliningrad) RUS 154 Königssee D 155 Kopenhagen (København) DK 155 Korbach D 155 Körlin (Karlino) PL 155 Korneuburg A 155 Kosiãe (Kaschau) SK 153 Köslin (Koszalin) PL 156 Koszalin (Köslin) PL 156 Kovno (Kaunas) LT 153 Krakau (Kraków) PL 156 Kraków (Krakau) PL 156 Krapkowice (Krappitz) PL 156 Krappitz (Krapkowice) PL 156 Kremmen D 156 Kulmbach D 156 Kuressaare (Arensburg) EST 99 Kyjiv (Kiew) UA 153 Kyritz D 157 Làd/Làdek (Land/Landek) PL 157 Làdek/Làd PL 157 Lähn (Wleƒ) PL 157 Laibach (Ljubljana) SL 66, 157 Landsberg D 158 Landshut D 158 La Rochelle F 158 Lauban (Lubaƒ) PL 158 Laufen D 159 Laun (Louny) CZ 159 Leba (¸´ba) PL 159 ¸´ba (Leba) PL 159 Legnica (Liegnitz) PL 162 Leipzig D 159 Leisnig D 160 Lemberg (L’viv und Lwów) UA 161 Lemgo D 161 Lenzen D 161 Libau (LiepÇja) LV 162 Lidköping S 162 Liebenwerda D 162 Liège (Lüttich) B 165 Liegnitz (Legnica) PL 162 LiepÇja (Libau) LV 162 Lippstadt D 162 Liptau St. Nikolaus (Liptovsk˘ Svät˘ Mikulá‰) SK 163 Liptovsk˘ Svät˘ Mikulበ(Liptau St. Nikolaus) SK 163

VII. Ortsregister Liverpool GB 163 Ljubljana (Laibach) SL 157 Lobenstein (Uvalno) CZ 163 Löwenberg (Lwówek Âlàski) PL 163 Louny (Laun) CZ 159 Lubaƒ (Lauban) PL 158 Lübben D 163 Lübbenau D 163 Lübeck D 164 Lüben (Lubin) PL 164 Lubin (Lüben) PL 164 Lublin (Lublin) PL 164 Lubliniec (Lublinitz) PL 165 Lublinitz (Lubliniec) PL 165 Luckau D 165 Lund S 165 Lüneburg D 165 Lüttich (Liège) B 165 Luxembourg (Luxemburg) L 166 Luxemburg (Luxembourg) L 166 L’viv (Lemberg, Lwów) UA 161 Lwów (L’viv, Lemberg) UA 161 Lwówek (Löwenberg) PL 163 Magdeburg D 166 Marktschorgast D 166 Marsberg D 167 Marseille F 167 Meaux F 167 Meißen D 67, 167 Melsungen D 168 Memel (Klaipòda) LT 168 Meran (Merano) I 168 Merano (Meran) I 168 Merseburg D 68, 168 Meseritz (Mi´dzyrzecz) PL 169 Mewe (Gniew) PL 169 Mi´dzyrzecz (Meseritz) PL 169 Miko∏ajki (Nikolaiken) PL 178 Miko∏ajowice (Nikolstadt) PL 179 Miko∏ów (Nikolai) PL 178 Mikulov (Nikolsburg) CZ 178 Minsk BY 169 Mir BY 169 Mitau (Jelgava) LV 169 Möckern D 170 Mogiljow (Mohilew) BY 170 Mohilew (Mogiljow) BY 170 Mölln D 170 Moringen D 170 Mühldorf D 170

289

VII. Ortsregister Mühlhausen D 170 Müncheberg D 171 München D 171 Münzenberg D 172 Mureck A 172 Murnau D 172 Nabburg D 69, 172 Nantes F 173 Nauen D 173 Naumburg D 173 Navagrudak (Nowogrodek) BY 180 Neiße (Nysa) PL 174 Neubukow D 174 Neufchâteau F 174 Neukirchen D 175 Neumarkt (Âroda Âlàska) PL 175 Neumarkt bei Bozen (Egna) I 175 Neuötting D 175 Neurode (Nowa Ruda) PL 176 Neuruppin D 176 Neusiedl am See A 176 Neustadt an der Donau D 176 Neustadt an der Orla D 177 Neustadt am Rübenberg D 177 Neustettin (Szczecinek) PL 177 Nevers F 177 Newcastle upon Tyne GB 177 Niemegk D 178 Nikolai (Miko∏ów) PL 178 Nikolaiken (Miko∏ajki) PL 178 Nikolsburg (Mikulow) CZ 178 Nikolstadt (Miko∏ajowice) PL 178 Nimburg (Nymburk) CZ 179 Nordhausen D 179 Nováky (Nytranovák) SK 179 Nowa Ruda (Neurode) PL 177 Nowogrodek (Navagrudak) BY 180 Nytranovák (Nováky) SK 179 Nyköping S 180 Nymburk (Nimburg) CZ 179 Nysa (Neiße) PL 174 Oberglogau (G∏ogówek) PL Oderberg D 180 Oels (OleÊnica) PL 180 Oelsnitz i.V. D 181 Oldenburg D 180 OleÊnica (Oels) PL 180 Opole (Oppeln) PL 181 Oppeln (Opole) PL 181

180

Oranienburg D 181 Örebro S 181 Oschersleben D 181 Osoblaha (Hotzenplotz) CZ 147 Osterburg D 182 Osterwieck D 182 Ostheim v.d. Rhön D 182 Otmuchów (Ottmachau) PL 182 Ottmachau (Otmuchów) PL 182 Paczków (Patschkau) PL 183 Parchim D 183 Pasewalk D 183 Passau D 183 Patschkau (Paczków) PL 183 Pegau D 70, 183 Peine D 184 Peiskretscham (Pyskowice) PL 184 Perleberg D 184 Pernau (Piarnou) EST 185 Piarnou (Pernau) EST 185 Pilsen (PlzeÀ) CZ 185 Pirna D 71, 186 Pitschen (Byczyna) PL 186 Plauen D 186 Plaveck˘ (Mikulá‰) SK 108 Plön D 187 PlzeÀ (Pilsen) CZ 185 Polozk (Polotsk) BY 187 Posen (Poznaƒ) PL 187 Potsdam D 187 Poznaƒ (Posen) PL 187 Prag (Praha) CZ 188 Praha (Prag) CZ 188 Prenzlau D 188 Preßburg (Bratislava) SK 189 Priebus (Przewóz) PL 189 Pritzwalk D 189 Przewóz (Priebus) PL 189 Putlitz D 189 Pyritz D 189 Pyskowice (Peiskretscham) PL 184 Quedlinburg D

190

Racibórz (Ratibor) PL 190 Rakonitz (Rakovnik CZ 190 Rakovnik (Rakonitz) CZ 190 Ratibor (Racibórz) PL 190 Regensburg D 191 Reichenbach (Dzier˝oniów) PL

191

290 Reichenhall D 191 Rethel F 192 Reutlingen D 192 Reval (Tallinn) EST 192 Ribe DK 192 Riga LV 192 Rinteln D 193 Röbel D 193 Rochlitz D 193 Röschitz A 193 Rosenberg a.d. Moldau (RoÏmberk) CZ Rosenheim D 194 Roßlau D 194 Rostock D 194 Roth bei Nürnberg D 194 Rothenburg o. d. Tauber D 195 Rottenmann A 195 RoÏmberk (Rosenberg a.d. Moldau) CZ Rügenwalde (Darlowo) PL 195 Rüthen D 195 Saalfeld D 195 Saarbrücken D 196 Saargemünd (Sarreguemines) F 196 Sachsenhausen D 196 Saint-Nicolas-de-Port F 196 Salzwedel D 197 Sandau D 197 Sarpsborg N 72, 197 Sarreguermines (Saargemünd) F 196 Sarstedt D 198 Saumur F 198 Schafstädt D 198 Schemnitz (BaÀská ·tiavnica) SK 198 Schleiz D 198 Schleswig D 199 Schmölln D 199 Schnackenburg D 199 Schönebeck D 199 Schweidnitz (Âwidnica) PL 200 Schwerin D 200 Senec (Wartberg) SK 215 Siegen D 201 Sigtuna S 201 Simrishhamn S 201 Skaelskor DK 201 Skara S 201 Slangerup DK 201 S∏upsk (Stolp) PL 205 Smolensk RUS 202 Soest D 202

VII. Ortsregister

194

194

Sölvesborg S 202 Sommerfeld D 202 Sønderborg (Sonderburg) DK 202 Sonderburg (Sønderborg) DK 202 Sooden-Allendorf D 202 Sorau (˚ary) PL 203 Spalt D 203 Spandau D 203 Stade D 203 Âroda Âlàska (Neumarkt) PL 175 Stein A 203 Steinhein D 204 Stendal D 204 Sternberg D 204 Stettin (Szczecin) PL 204 Stockholm S 205 Stolp (S∏upsk) PL 205 Stralsund D 205 Strasbourg (Straßburg) F 206 Straßburg (Strasbourg) F 206 Strausberg D 73, 206 Striegau (Strzegom) PL 206 Strzegom (Striegau) PL 206 Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) H Sundhausen-Gotha D 136 Svendborg DK 207 Âwidnica (Schweidnitz) PL 200 Syców (Groß-Wartenberg) PL 139 Szczecin (Stettin) PL 204 Szczecinek (Neustettin) PL 177 Székesfehérvár (Stuhlweißenburg) H Tallinn (Reval) EST 192 Tangermünde D 207 Tann D 207 Tennstedt D 208 Thamsbrück D 208 Thorn (Toruƒ) PL 208 Tilleda D 208 Tønder (Tondern) DK 209 Tondern (Tønder) DK 209 Torgau D 209 Toruƒ (Thorn) PL 208 Toulouse F 210 Trachenberg (˚imigród) PL 210 Trelleborg S 210 Treptow a.d. Tollense D 210 Treptow a.d. Rega (Trzebiatów) PL Treuenbrietzen D 210 Trnava (Tyrnau) SK 211 Troyes F 211

206

206

210

291

VII. Ortsregister Trzebiatów) Treptow a.d. Rega) PL Turán (Turany) SK 211 Turany (Turán) SK 211 Tyrnau (Trnava) SK 211

210

Überlingen D 211 Uebigau D 211 Urfahr (eingem. nach Linz) A 212 Uvalno (Lobenstein) CZ 163 Utrecht NL 212 Valenciennes F 212 VaraÏdin (Warasdin) HR 212 Varde DK 212 Västerås S 212 Vejle DK 213 Velké Mezifiiãi (Großmeseritsch) CZ Ventspils (Windau) LV 220 Verden D 213 Villach A 213 Vilnius (Wilna) LT 213 Visby (Wisby) S 220 Vitre F 214 Wagstadt (Bílovec) CZ 214 Waldenburg-Altstadt D 74, 214 Waldheim D 214 Waltershausen D 215 Wansen (Wiàzów) PL 215 Wanzleben D 215 Warasdin (WaraÏdin) HR 212 Wartberg (Senec) SK 215 Weida D 216 Weiden D 216 Weimar D 216 Weißenfels D 75, 217 Weißensee D 217 Werden D 218 Wernigerode D 218 Wettin D 218

139

Wiàzów (Wansen) PL 215 Wien A 218 Wiener Neustadt A 219 Wil CH 219 Wildungen D 219 Wilna (Vilnius) LT 213 Wilsdruff D 220 Wilsnack D 220 Windau (Ventspils) LV 220 Wisby (Visby) S 220 Wismar D 220 Wittenberg D 221 Wittmund D 221 Witzenhausen D 221 Wleƒ (Lähn) PL 157 Wolfenbüttel D 222 Wolin (Wollin) PL 222 Wollin (Wolin) PL 222 Wriezen D 222 Wroc∏aw (Breslau) PL 112 Wschowa (Fraustadt) PL 129 Ystad S

222

Zàbkowice Âlàski (Frankenstein) PL Zagreb (Agram) HR 97 ZamoÊç PL 222 ˚ary (Sorau) PL 203 Zbiroh (Zbirow) CZ 222 Zbirow (Zbiroh) CZ 222 Zeitz D 223 Zerbst D 223 Zielona Góra (Grünberg) PL 139 ˚imigród (Trachenberg) PL 210 Zittau D 223 Z∏atoryja (Goldberg) PL 135 Znaim (Znojmo) CZ 224 Znojmo (Znaim) CZ 224 Zvolen (Altsohl) SK 98 Zwickau D 224

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VIII. Danksagung

Viele Menschen begleiteten mit Interesse und Anregungen das Entstehen des Nikolaikirchenbuches. Ihnen wird vielmals gedankt. Mit der Anfertigung der beiliegenden Übersichtskarte und der zahlreichen Stadtpläne haben die Mitarbeiter und Studierenden der Fachrichtung Kartographie an der HTW Dresden, Dipl. Ing. Harald Köhler, Anne Lehmann (B. Eng.), Tobias Große und Rico Illen wesentlich zum Gelingen des Werkes beigetragen. Dr. Manfred Kobuch unterstützte die gesamte Arbeit mit seiner besonderen Sachkenntnis und eigener Forschung zur Stadtentstehung im Mittelalter und machte sich um die Ordnung der umfangreichen Fachliteratur verdient. Für die Gestaltung und Erstellung des vorliegenden Werkes hat sich Frau Prof. Dr. Renate Blaschke-Hellmessen nach dem Ende ihrer beruflichen Dienstzeit in der medizinischen Mikrobiologie unermüdlich eingesetzt. Ihre umsichtige Mitarbeit war eine unentbehrliche Hilfe. Wir danken ihr herzlich.