National [Reprint 2021 ed.] 9783112457726, 9783112457719

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National [Reprint 2021 ed.]
 9783112457726, 9783112457719

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National.

Mitglied des Reichstags.

„Keimt ein Glaube neu, Wird oft Lieb' und Treu' Wie ein böses Unkraut ausgeraust."

Autorisirter Sonderabdruck aus der „Nation".

Zweite Auflage.

Rerkin W. Rosenbaum & Hart. 1888.

I.

Wer sich bemüht, in das Wesen einer die Welt bewegenden Idee einzudringen, wird meistens in Verlegenheit gerathen, wie er seinen Gegenstand umgrenzen soll. Denn bei näherer Verfolgung

führeir die Spuren einer Idee

historisch

räumlich immer

wie

weiter und weiter seitwärts wie rückwärts; und da wo auf den ersten Blick Anstoß zum Nachdenken über etwas neu Erstandenes

gegeben zu sein schien, meldet sich alsbald von überall her das Alte, mit geschichtlichen Zeugnissen dagegen protcstircnd.

Was man heutigen Tags

das Nationale nennt,

geschaffen, solche Verlegenheit zu bereiten.

ist

wie

Denn während Nie­

mand in Abrede stellen wird, daß der Inbegriff der unter dieser Bezeichnung umlaufenden Vorstellungen

eine ganz

andere Be­

deutung gewonnen hat, als vor etlichen Jahrzehnten, ist dennoch

nicht zu leugnen, daß vieles

an der Sache

so

alt ist wie die

Welt.

Um so mehr reizt es, die Linie zu finden, wo, trotz allem

bereits längst Neue einsetzt.

vielfältig

und

Und

zinirt, eben schon

je

damit

Dageivesenen,

mehr dies Neue

den Beweis seiner

unbestreitbar

das

die

Menschheit fas-

Neuheit

liefernd,

desto mehr fühlt man sich angespornt, dem Unterschied, der es von verwandtem Aelteren trennt,

nachzuspüren,

dem berechligten Zwecke gedient werde,

über

das Wichtigste, nämlich:

Gutes sei?

ob und

damit zugleich

Belehrung

was

an

zu schöpfen dem

Neuen

4 Schon über die Frage, was

Nation

sei,

erheben sich

die Zweifel in Schaaren, sobald man dem Ding auf den Grund gehen will.

Eine unabsehbare Litteratur hat sich

seit lange

damit beschäftigt, die Unterscheidungen zwischen Nation,

Volk,

Rasse, Stamm, Staat festzusetzen und je nach der Eintheilung

die Merkzeichen der Sache zu bestimmen.

Natürlich kann von

Man weiß

einer abschließenden Entscheidung keine Rede sein.

z. B., welche hervorragende spielt.

Rolle die Sprachmfrage hierbei

Aber so Gewichtiges auch beigebracht worden ist, sie für

das Ausschlaggebende zu erklären,

so

fehlt

es doch auch hier

nicht an triftigen Einwendungen und gerade an Einwendungen

solcher Art, die sich aus dem wechselseitigen Ringen der nationalen Kräfte selbst praktisch aufdrängen.

Was uns am meisten an der Sache interessirt, ist gerade das, was sie auch auf solche Höhe erhoben hat,

nämlich das

staatenbildende Recht, der staatenbildende Beruf des Nationalen.

Hier setzt

die Neuheit

der

Weltbewegung

ein,

hier sind

die

Grenzen zu suchen zwischen allen früheren Zeiten und der Gegen­ wart.

Fragt man nur nach Behauptung

oder Vertheidigung

volksthümlicher Eigenart, so öffnen sich bekanntlich die Pforten der Weltgeschichte rückwärts bis in die ältesten Ueberlieferungen. Römer und Germanen,

Griechen und Perser,

Numantia und

Jerusalem mit ihren vielbesungenen Verzweiflungskämpfen treten in unseren Gesichtskreis.

Aber der Gegensatz, um den gekämpft

wird, ist hier immer nur der einfache von Freiheit,

Eroberung

Unterjochung und

und Abwehr, Herrschaft und

Sklaverei.

Die intimeren Ursachen, eigene Religion, Sprache, scharf aus­

geprägtes Wesen, aus denen im Laufe der Zeit die Bewußtheit

des Nationalen und sein Recht auf besonders gestaltete Staats­

individualität sich aufgebaut hat, wirken nur stillschweigend oder doch nur begleitend mit.

Elemente und des aus

Diese Bewußtheit der bestimmenden ihr abgeleiteten Rechtes ist cs,

welche

die letzte EntwicklungSphasc charaktcrisirt und das Nationale zum

5 treibenden Prinzip der Gegenwart gemacht hat.

Anfänge entdecken,

sie historische, schon einigermaßen markirte so wird man am ersten versucht sein, Auflehnung

der

deutschen

Will man für

an die tiefumgestaltendc

gegen das

Reformationsbewegung

zu dem mittelalterlichen

römische Pontifikat zu denken, welche

Gebilde eines römischen Reichs deutscher Nation in würdigen Gegensatz trat.

Aber

auch hier

lausen

so

merk­

die Linien

noch zu mannigfach verschlungen durcheinander, um unvermittelt

an das Neueste anknüpfen zu können.

Das sechszehnte, sieben­

zehnte und die längste Zeit des achtzehnten Jahrhunderts lagen noch zu fest in den Banden der aus dem Feudalwesen hervor­

gegangenen Kabinets-

und Eroberungspolitik, um die mensch­

liche Beschaffenheit der beherrschten Völker zum Worte kommen zu lassen.

Grade diese Zwischenzeit war besonders dazu ange­

than, die vorher aufgegangenen Regungen wieder zu verschütten und zu überwuchern.

Darum sind die wahren Anfänge der Erscheinung in ihrer gewaltigen Bedeutsamkeit erst in das Ende des vorigen Jahr­

hunderts zu verlegen.

Ich

Symptomen und Autoritäten,

will statt der endlosen Reihe von

die sich in einer breiteren Dar­

stellung hierfür aufzählen ließen, mich zweier Sachverständigen berufen,

die

nur

auf

die Aussage

ihrer Einsicht und

nach

Unbefangenheit, man könnte sagen, nach ihrer im besten Sinne naiven Wahrnehmungsfähigkeit als klassische Zeugen angenommen werden dürfen.

Der Eine ist der italienische Historiker Coletta, desien Ge­ schichte von Neapel die folgende denkwürdige Stelle enthält:

„Ein im Geiste der Nationen neues Wesen trat an's Licht im Jahre 1813 in Deutschland;

in schwacher Weise

machte es sich wirksam im Jahre 1820 in Cadix, in Neapel,

in Piemont; heute (1825 bis 1830 nämlich) rückt es vor­ wärts, stumm und nachdenklich. Glück machen,

oder ob es vor

Ob es reifen, der Zeit

eines

und

ob es

natürlichen

6

Todes sterben wird, wie

Kriegen welche

wie

die

die

neuesten

neuesten Republiken,

oder an

die

Zweifel,

Könige,

die Gegenwart ausivirft,

das

sind

die

welche

Zukunft

lösen

wird."*) Die Worte haben,

nach

einem halben Jahr­

als

mehr

In der schlichten

hundert wieder überdacht, etwas Ergreifendes.

und doch feierlichen Sprache des Originals drückt sich der ganze Ernst der Ahnung eines geheimnißvollen und vielleicht zu riesen­

großen Wirkungen berufenen Wesens aus, am Horizont heraufsteigt.

Dazu

der

welches soeben erst

sofort

auf Deutschland

und Piemont gerichtete Blick, welcher die Stellen hcraussindet, von wo aus das neue Wesen mit der mächtigst umgestaltenden

Kraft ins Völkerleben Eingreifen wird. Ich nehme die zweite Autorität aus unserer nächsten Nähe der Zeit

dem Raume

und

nach.

In

seiner

1862 heraus­

gegebenen Politik widmet Robert von Mohl eine besondere im

Jahre

1861

Was

dem

schien,

un

verfaßte

italienischen Beobachter

essere

Lebensfähigkeit und

Abhandlung

nach ungewiß,

seiner Macht

nicht mehr an.

nuovo,

feiner Zeit

zwar

neu er­

noch räthselhaft und seiner

das zweifelt in seinem Bestand

drei Jahrzehnte später der deutsche Denker Aber neu,

erscheint

cs auch noch ihm.

es,

wie es dort heißt,

weil

aber

der „Nationalitätsfrage."

völlig neu in seiner Besonderheit Es ist ausgewachsen,

reif geworden,

aber eben

stellt es sich ihm

in seiner fertigen und jetzt erst voll in Gang kommende Wirksam­ keit, neu und nicht minder räthselhaft gegenüber. Er bezeichnet die Frage über die Bedeutung und Berech-

*) Un essere nuovo nelle nazioni spuntö nel 1813 in Alemagna ; debolmente operö nel 1820 in Cadice, in Napoli, nel Piemonte; oggi avanza muto e pensoso. Se diverra maturo e se avra fortune, o se morrä innanzi tempo di natural morbo come le recenti republiche, o di guerra come i re nuovi, sono le dubbiezze del presente, ehe pli avvenire chiariranno.

7 tigung der Nationalität als einen neuen Vorwurf für die Wissen­

schaft und

bittet

um nachsichtige Aufnahme für den

deßhalb

Verftlch

einer wissenschaftlichen Behandlung des Gegenstandes

„theils

eben

dieser Neuheit wegen,

theils weil

Gegenstand ein ungewöhnlich verwickelter ist."

der

Man

sieht, der vortreffliche und ausgezeichnete Staatsrechtslehrer war fünfundzwanzig Jahren noch weit entfernt von der hohen

vor

Selbstgewißheit, aus welcher unsere nationalen Glaubensgerichte

schöpfen, um

heute

über Leben

und

Tod

zu verfügen

iin

Größten wie im Kleinsten.

Jahrzehnten,

Bis vor wenigen

sagt Mohl,

einer Bevölkerung von

Stammeseigenthümlichkeit

wurde die der Staats­

kunst nur in sehr untergeordneter Weise beachtet und zwar in der Uebung

so

gut wie in der Lehre.

nun mächtig geändert.

Dies hat sich denn

Erwerbungen und Ländereintheilungen,

welche zum Theil seit Jahrhunderten

bestanden,

werden jetzt

angefochten, weil sie nicht übereinstimmen mit den Grenzen der Nationalitäten.

Grund

Die Bildung

eigener Staaten,

lediglich

auf

der Abstammung der Bevölkerung wird verlangt, und

zwar hier im Wege der Ausscheidung und der Zertrümmerung

größeren Ganzen,

eines

dort mittelst Zusammenlegung bisher

getrennter Bruchstücke. Wenn Mohl,

indem

er das

charakteristisch Neue dieses

Phänomens also definirt, hinzufügt, dasselbe sei zuerst wohl in Beziehung auf das Schicksal von Polen in Wirksamkeit getreten, so erscheint mir das vollkommen zutreffend.

spricht

sich in seinem inhaltvollen Werk über „Das Recht der

Nationalitäten und Sprachen aus.

Auch Gumplowicz

Später, fährt Mohl

Abneigungen der Iren

Forderungen

gefolgt und

der Magyaren

Welt in Bewegung gesetzt.

*) Innsbruck 1879.

in Oesterreich-Ungarn"*) dahin fort, seien die Forderungen und

und

nicht weniger hätten die

zuletzt die der Italiener die

8 Wie er da diese Hauptausgangspunkte aufzählt, wird man

unwillkürlich darauf aufmerksam gemacht, daß sich — von Ir­ abgesehen — allerseits die Pfeile auf Oesterreich richten.

land

Magyaren,

Polen,

Italiener und was ist seitdem nicht dazu

gekommen! Auch muß man zugeben, daß in diesem zum Tummel-

und Kampfplatz die

sonst

viel

der Nationalitätenfrage bestimmten Oesterreich

der Neuzeit eigenthümlichen Forderungen schon

erst

bald

früher

da,

bald

zum scharfen Ausdruck ge­

dort

kommen waren.

So, um nur Einiges zu erwähnen,

Gumplowicz

die Beschlüsse

an

erinnert

der ungarischen Landtage,

die

schon 1550 und 1569 dahingehen, daß der ungarische Thron­

gehalten sein solle,

folger

die ungarische Sprache zu erlernen,

und an einen Beschluß aus dem Jahre 1649, wonach zwei in

deutscher Kleidung in der Versammlung erschienenen Edelleuten auferlegt ward, künftig die ungarische Nationaltracht anzulegen.

Und von Böhmen berichtet uns unter anderen Hugo Schuchardt in

reichen

seinen

1615

tag im Jahre

tschechisch

der nicht

werden!

linguistischen Betrachtungen

Slavo-Jtalienisches*),

und

Deutsches

über

sogar zu verlangen beschloß.

dürfe Einwohner

verstünde,

„Slavo-

ein Prager Land­

Niemand,

des Landes

dem Zusammentreffen des hussitischen Glaubens­

In

fanatismus

daß

mit

einer besonderen Nationalität

lag eben auch

ein besonders heftiger Anstoß zur Erregung des Gährungsstoffes. Aber wie merkwürdig ist es doch, daß gerade dieses selbe Oesterreich, welches die Brutstätte der nationalen Lebensregung

schon

so

lange Zeit

geblieben ist, Verneinung

setzen;

daß

wobei

gewesen

andererseits

und

dazu

bis auf den heutigen Tag

ausersehen

derselben zu repräsentiren

scheint,

auch

die

und praktisch durchzu­

es denn die historische Nemesis befriedigen mag,

lange Zeit die Hauptkunst der macchiavellistischen Wiener

Kabinetspolitik selbst darin bestand, der einzelnen Nationalitäts-

*) Graz 1885.

9

Bestrebungen Herr zu werden, indem sie eine Nationalität gegen die andere aufhetzte. Und vielleicht noch merkwürdiger dabei erscheint die Thatsache, daß in unseren Tagen die österreichische Politik letzter Hand zu dieser Verneinung besonders ausgerüstet, gestärkt, ja förmlich berufen wird von jener deutschen Politik, welche bei sich zu Hause das Nationale oder vielmehr das, was national zu nennen ihr gerade paßt, ausschließlich zum Schiboleth der politischen, ja sogar der sittlichen Strenggläubigkeit macht. Diese Ironie wird noch dadurch gesteigert, daß sonderbarerweise in Oesterreich selbst die deutschnationale, sich von Oesterreich hinweg und nach Deutschland hinübersehnende Partei gerade wieder diejenige Politik vergöttert, in deren Rechnung ein­ gestandener- — und man darf hinzusetzen ganz wohlverstandener­ maßen — genau das Gegentheil paßt, nämlich die Zurück­ weisung dieser Sehnsucht. Zur Rettung aus dieser krausen Verwirrung mögen die Betheiligten aber füglich den Erfahrungs­ satz anrufen, daß nirgends weniger mit der Consequenz ge­ rechnet wird als in der Politik. Hier noch mehr als in den „Himmelsfragen" gilt das Credo quia absurdum. Eben in diesem Bündel von Inkonsequenzen birgt uns vielleicht eine wohlthätige Zukunft das Mittel zur Rettung aus den Verlegenheiten des Uebermaßes von Konsequenz, durch welches das Nationalitätsprinzip, in seiner modernsten mechanischen Auffassung bis ans Ende durchbuchstabirt, die Welt erst recht in den Sumpf der Absurdität hinein führen würde. Ward doch der heute so breit und mächtig aufgerichtete deutsch-nationale Staat, welcher für sich und alle anderen Völker die Verkörperung dieser Idee und den schärfsten Ansporn zur Nacheiferung bietet, ins Leben gerufen mit der ausdrücklichen Verneinung des nationalen Prinzips in seinem elementarsten Wesen. Denn er setzte ein mit der Losreißung von den öster­ reichischen Deutschen und mit ihrer Preisgebung. Und diese so krasse als nothwendige Negirung des Nationalitätsprinzips

10 hat sich im Laufe eines Jahrzehnts von einer Grundbedingung

des neuen Deutschen Reichs zu einer organischen Grundlage des neuen europäischen Gleichgewichts emporgearbeitet.

II. vorigen Jahrhunderts

Vom Ende des wegung so Ganz

stark,

daß

an wird die Be­

sie nicht mehr schwer zu verfolgen ist.

eigenthünllich hat die französische Revolution in sie ein­

gegriffen.

Im Prinzip mußte

sie ihr eigentlich abhold sein,

denn ihr Ideal war nach der Ueberlieferung der Zeit das all­ gemein Menschliche, und es fehlt nicht an Verkündigungen und

Staatsaktionen, welche diesem Ideal zu huldigen suchen. den Königen, Freundschaft den Völkern." die Konsequenz

„Krieg

Aber einerseits führte

menschlichen Selbstbestimmungsrechtes zur

des

das Recht der Staaten sich nach eigener

Schlußfolgerung

auf

Art zu bilden,

während andererseits und noch viel wirksamer

der Krieg es nahe legte, den nationalen^Drang zum Verbündeten zu machen, um Diversionen zu schaffen. irischen Rebellion,

Die Unterstützung der

sogar in wohl ausgerüsteten Expeditionen,

wie die Einsetzung der vielnamigen italienischen Republiken sind schlagende Beispiele.

gesteigerte Selbstgefühl

Franzosen

und

Das

mit der Besiegung

der Koalition

entflammte den nationalen Stolz

reizte die andern Völker zur Reaktion.

der Das

Wort von der grande Nation stammt erst aus dieser Zeit.

Doch Kaiserreich.

der

wahrhaft ausschlaggebende Anstoß

kam vom

Der Versuch der absoluten Weltmonarchie war es.

10 hat sich im Laufe eines Jahrzehnts von einer Grundbedingung

des neuen Deutschen Reichs zu einer organischen Grundlage des neuen europäischen Gleichgewichts emporgearbeitet.

II. vorigen Jahrhunderts

Vom Ende des wegung so Ganz

stark,

daß

an wird die Be­

sie nicht mehr schwer zu verfolgen ist.

eigenthünllich hat die französische Revolution in sie ein­

gegriffen.

Im Prinzip mußte

sie ihr eigentlich abhold sein,

denn ihr Ideal war nach der Ueberlieferung der Zeit das all­ gemein Menschliche, und es fehlt nicht an Verkündigungen und

Staatsaktionen, welche diesem Ideal zu huldigen suchen. den Königen, Freundschaft den Völkern." die Konsequenz

„Krieg

Aber einerseits führte

menschlichen Selbstbestimmungsrechtes zur

des

das Recht der Staaten sich nach eigener

Schlußfolgerung

auf

Art zu bilden,

während andererseits und noch viel wirksamer

der Krieg es nahe legte, den nationalen^Drang zum Verbündeten zu machen, um Diversionen zu schaffen. irischen Rebellion,

Die Unterstützung der

sogar in wohl ausgerüsteten Expeditionen,

wie die Einsetzung der vielnamigen italienischen Republiken sind schlagende Beispiele.

gesteigerte Selbstgefühl

Franzosen

und

Das

mit der Besiegung

der Koalition

entflammte den nationalen Stolz

reizte die andern Völker zur Reaktion.

der Das

Wort von der grande Nation stammt erst aus dieser Zeit.

Doch Kaiserreich.

der

wahrhaft ausschlaggebende Anstoß

kam vom

Der Versuch der absoluten Weltmonarchie war es.

11

welcher den Geist der Nationalität in seiner heutigen Bedeutung

gegen

Das

heraufbcschwvr.

sich

ist der Sinn dessen,

was

Coletta ins Jahr 1813 verlegt. Von nun an kommt es nicht mehr zur Ruhe.

Aus der

bloßen Auflehnung und Vertheidigung entivickelt sich der Drang

zur Staatenbildung auf nationaler Grundlage, bald zur Wieder­

herstellung alter, bald zur Aufrichtung neuer Staaten.

land und Polen wurden die Herde,

Griechen­

an denen sich das heilige

Feuer der ^Begeisterung entzündete und über die ganze gebildete

Welt hin die besten der Mitlebenden fortriß.

sich über jene Polenschwärmerei

Deutschland Mode geworden,

lustig zu

machen,

Heute ist es in

und jeder nationale Spießbürger fühlt sich

einen großen Staatsmann, wenn er barin berühmten Mustern nachthut. Man braucht freilich dazu nicht viel, nur ein kurzes

Gedächtniß, nämlich man muß

vergessen,

daß

der nationale

Drang, aus dem das Deutsche Reich erstanden ist, Nahrung

und

Erziehung

aus

seine erste

dieser Begeisterung für Andre

gesogen hat. So lange wirkte dieser ursprüngliche Anstoß weiter, daß, nachdem die am 5. März 1848 in Heidelberg versammelten einundfünfzig „deutschen Männer" (sie waren wohl eben so gut deutsch rote die branntweinsteuerbegeisterten Heidelberger neuesten

Stils)

deutsche Nationalversammlung

eine

durchgesetzt hatten,

das darauf berufene Vorparlament sich gedrungen fühlte, seinen

„Abscheu über die Theilung Polens" auszusprechen.

Erklären

und soweit auch rechtfertigen läßt sich ja der heutige Umschlag, Aber was

ivie Alles.

der

gemeinen

Triebe

wirksamsten Geheimitisse), Gemeinheit aus.

der hohen Staatskunst Benutzung

in

der Andern ist (und das ist eins ihrer

artet

oft in diesen Andern bis zur

Die Deutschen haben in den zwanziger und

dreißiger Jahren unserer Zeitrechnung ihre Polen- und Griechen­ freundlichen Fürsten und Gelehrten gehabt, wie mrdere Länder;

ihre Dichter gesungen;

ersten Raitges

haben Polen-

und Griechenlieder

und wenn die Staatsraison gegen das Polenthum

12 innerhalb ihrer eigenen Grenzen, dem Gesetze der Selbsterhaltung

gehorchend, unerbittlich sein muß, so kann jeder Tag Ereignisse

bringen, welche sie bewegen dürften, die Sympathieen für das

viel weniger legitimirte

wie

Mehr noch

als

Griechenthum

draußen

daß Etwas geschieht,

zu entfalten.

charakterisirt den

jeweiligen Geist eines Regimentes und seines Anhangs.

Die

Hundertmillionenanleihe zur Germanisirung polnischer Güter ist eine theoretisch und moralisch unanfechtbare, wenn auch praktisch

höchst zweifelhafte Maßregel; die Ausweisungen dagegen waren in ihrer harten und grausamen Durchführung weder nothwendig, noch

gerecht,

noch

rohe Uebermuth, sich

Das Schlimmste jedoch war der

nützlich.

mit dem ein scheinbar nationales Hochgefühl

dabei über alle Bedenken des Anstands, des Rechts und

der Humanität professoralen

ehrlichen Prosa wahrlich wenigsten

kein

jenes Robert

schwächlicher

ein radikaler,

Gelehrter war.

schwingen

deklamirte.

hinaus

Es

Brutalitätsbegeisterung

für

von Mohl

und

zu

der

zurückzukehren,

der

Stils

kein unpraktischer,

aber allerdings

von der

thut wohl,

neuesten

noch

am aller­

ein

humaner

Mohl kann sich nicht zur Bewunderung auf­ „den Hohn,

mit welchem

der

seiner eigenen

Ansicht nach praktische Politiker es kindisch findet, aus weiner­

lichem und

in

die Wolken

gehendem Rechtsgefühle das

in

Anderen zu achten," was er für sich selbst in Anspruch nimmt.

Meint man nicht,

der ehrwürdige Staatsrechtlehrer hätte die

Reden aus der Polendebatte des Reichstages und das Gejohle der „nationalen" Prefie vorausgehört?

Ein Hinweis auf die Entstehung des deutschen Reichs hat gezeigt, wie wenig

sich

prinzip berufen sann. diese Ueberzeugung.

dasselbe auf das reine Rationalitäts­

Ein Blick

auf seine Grenzen verstärkt

Richt bloß mußte es die deutsche Nationalität

nach der österreichischen Seite hin entzwei reißen, es mußte auch

polnische, dänische,

französische Elemente nach Osten,

Norden

und Westen hin sich einverleiben und für unwiderruflich einge-

13 schloffen

erklären.

einseitige

Nicht

nationale Naturtriebe (die

beiden Worte entspringen derselben Wurzel), die eigene Nation

dürfniß,

staatlich

sondern das Be­

angemessen

zu

gestalten,

haben hier das letzte Wort gesprochen, und es verdient Aner­ kennung, wenn Fürst Bismarck bei verschiedenen Gelegenheiten sich

dagegen

friedigung

sich

auf

berufen

und

nicht

nämlich

auch

Er

hat

daß er Elsaß-Lothringen zur Be­

verwahrt hat,

romantischer Sehnsucht dem Reiche eingefügt hätte.

die

staatlichen Selbsterhaltungsbedingungen

geleugnet,

respektable

werden mußten.

was

Gefühle

nicht zu leugnen ist, daß der

verletzt

Einverleibten

Es ist die

Dura lex sed lex heißt es da.

alte „Staatsraison" in verjüngter Gestalt.

DI.

Die

Hauptsache

ist

die, daß

mit

der

Nationalität

allein praktische Politik sich überhaupt nicht treiben läßt.

Die

Nationalität im heutigen Sinn ist ein staatenbildendes Prinzip, aber nur eins neben andern, wenn auch ein

Zeit vorzugsweise zum Durchbruch

in

neuesten

der

gekommenes.

Alle,

welche

sich ernstlich mit der Sache beschäftigt haben, sind schließlich zu

dieser

Erkenntniß

gekommen,

ganz

abgesehen

noch

von

der

Schwierigkeit, das Nationale erschöpfend zu definiren, eine Auf­

gabe,

die

bis

jetzt nicht gelöst worden

ist

und

nicht

gelöst

werden wird.

Die zwei mächtigsten Faktoren der Zeit bilden die Elemente, aus deren Mischung die gestaltende Macht der Nationalität her-

13 schloffen

erklären.

einseitige

Nicht

nationale Naturtriebe (die

beiden Worte entspringen derselben Wurzel), die eigene Nation

dürfniß,

staatlich

sondern das Be­

angemessen

zu

gestalten,

haben hier das letzte Wort gesprochen, und es verdient Aner­ kennung, wenn Fürst Bismarck bei verschiedenen Gelegenheiten sich

dagegen

friedigung

sich

auf

berufen

und

nicht

nämlich

auch

Er

hat

daß er Elsaß-Lothringen zur Be­

verwahrt hat,

romantischer Sehnsucht dem Reiche eingefügt hätte.

die

staatlichen Selbsterhaltungsbedingungen

geleugnet,

respektable

werden mußten.

was

Gefühle

nicht zu leugnen ist, daß der

verletzt

Einverleibten

Es ist die

Dura lex sed lex heißt es da.

alte „Staatsraison" in verjüngter Gestalt.

DI.

Die

Hauptsache

ist

die, daß

mit

der

Nationalität

allein praktische Politik sich überhaupt nicht treiben läßt.

Die

Nationalität im heutigen Sinn ist ein staatenbildendes Prinzip, aber nur eins neben andern, wenn auch ein

Zeit vorzugsweise zum Durchbruch

in

neuesten

der

gekommenes.

Alle,

welche

sich ernstlich mit der Sache beschäftigt haben, sind schließlich zu

dieser

Erkenntniß

gekommen,

ganz

abgesehen

noch

von

der

Schwierigkeit, das Nationale erschöpfend zu definiren, eine Auf­

gabe,

die

bis

jetzt nicht gelöst worden

ist

und

nicht

gelöst

werden wird.

Die zwei mächtigsten Faktoren der Zeit bilden die Elemente, aus deren Mischung die gestaltende Macht der Nationalität her-

14

vorgegangen ist; Demokratie und Natur sinn.

Ihnen kam

als Dritte im Bunde die moderne, raumverschlingende Technik zu Hilfe, welche den Staat zur

großen Dimension hindrängt.

In der modernen deutschen Staatsentwicklung ist der Sinn

des Nationalen sehr einfach und gar nicht mißzuverstehen.

Geschichte lehrt es mit unverkennbarer Deutlichkeit. Erhebung gegen Napoleon eingeleitet Wiener Kongreß weiter entwickelt.

hatte, ward

Dieser

Die

Was

die

durch

den

weckte im Innern

dieselbe Gegenströmung, welche die Eroberung von Außen her

wachgcrufen hatte.

Militärstaat

unterworfen

hatte,

ebenso rücksichtslos der andere. an,

das Werk

großen

Was der eine rücksichtslos seinem

zerstückelte und

das

zertrat

National sein bedeutete von da

des Wiener Kongreßes

Im Jahre

zerstören.

1848 erlebte dieser sein Leipzig, im Jahre 1866 sein Waterloo.

Damit war der

dynastische Widerstand

gegen die Herstellung

eines deutschen Gesammtstaates gebrochen.

Schon beim Aus­

bruch der Bewegung hatte Fichte in seinen „Reden" die Viel-

staaterei

für den

wahren Sitz

Werden der Nation erklärt.

gegen das

des Widerstandes

In den Dynastieen

Widerstand gesessen, im Volk nur, so weit cs

hatte

durch

die

dieser

alte

Gewohnheit unpolitischen und knechtischen Daseins sich mit ihnen

verwachsen hatte, ein Zustand, der ja die Bildung des Reichs

theilweise überdauert lind uns verhindert hat,

so

wie Italien

eine wirkliche Monarchie zu werden. Wenn bei uns im Gegen­ satz zu allen andern modernen Großstaaten noch das Gespenst

der Möglichkeit eines Rückfalls in die alte Zersplitterung auf­ tauchen kann, so läßt dies Gespenst sich nur in der Gestalt des alten Wiener Kongresses denken, mit

dem Gefolge

des

alten

deutschen Bundestags und seiner großen und kleinen selbstherr­

lichen Dynastieen.

Nur diese und ihr Anhang von orthodoxen,

feudalen und spießbürgerlichen Hintersassen waren antinational,

wurden deshalb auch überwunden und

zur nationalen Einheit

hingezwungen vom liberalen Geist, der sich gegen sie auflehnte.

15 Wenn wir deshalb sehen, daß heute gerade diese damals überwundenen Elemente im nationalen Mantel drapirt auftreten, so springt in die Augen, daß wir es nur mit einer Maskerade

zu thun

Das

haben.

nationale Ziel,

einzelnen Souveränetäten unter

die Unterwerfung

der

den Bundesstaat, ist erreicht,

und wenn es — ganz unwahrscheinlicher Weise — nicht un­ zerstörbar gesichert sein sollte, so würde

aus

dem

Geiste seiner alten Gegner,

die Gefahr ihm nur der Orthodoxie,

des

Feudalismus und des partikularistischen Phalbürgerthums er­ stehen

können.

Das

der

Banner in

nationale

Hand

der

preußischen Ultra's und der sächsischen Zünftler ist die Karrikatur dessen, was

es

einst bedeutet hat,

und

diese Karrikatur ist

ganz einfach so zu Stande gekommen, daß

die

überwundenen

Gegner sich das abgelegte Gewand des Siegers angeeignet und

ihrer Fa^on

dasselbe nach

gestutzt haben,

um

Bewegung darin

als

die

aufgefärbt und

gewendet,

lachenden Erben

zu

cinherstolziren

können.

zurecht

der nationalen Was

und

wer

ihnen dabei alles geholfen, braucht nicht des Näheren geschildert

zu werden.

Man kann nicht

prodest, denn

einmal

die breite Masse

sagen:

is

fecit

cui

des Bürgerthums, die sich

dazu gebrauchen läßt, wird schließlich am meisten dabei geprellt sein.

Vor allem hilft die Zauberkraft, welche jede zur Herrschaft

gekommene Formel über die Geister besitzt.

Hat aber gar eine

solche Zauberformel erst einmal auf Abwege geführt, so wächst ihre Macht in dem Maß, als sie sich von ihrem

alten Sinn

entfernt und widersinnig wird, weil, was an Inhalt fehlt, durch

Heftigkeit ersetzt wird. fanatischsten.

Die hohlsten Eiferer sind

allemal die

Gerade die alltäglichen Erscheinungen unseres

deutschen Parteilebens liefern einen interessanten Beleg zu dieser

Erfahrung. Der bittereGroll, welcher die Nationalen undbesonders die sogenannten Nationalliberalen gegen die Anhänger freisinniger

Richtung erfüllt, ist das Erzeugniß einer inhaltlosen Parteistellung, welche durch Vehemenz zu ersetzen sucht, was ihr an Gedanken fehlt.

16 An jenem Wendepunkt der Reichspolitik, als man anfing, das in Wahrheit zur Befriedigung gelangte Nationalitätsbedürf­

niß für andere Zwecke auszubeuten, um der natürlichen Fort­ entwicklung in freiheitlicher Richtung entgegenzutrcten, begnügte man sich noch, ihm einen zwar neuen, fremdartigen, aber einen

immerhin

substantiellen Inhalt zu

nationalen Arbeit"

war zwar

geben.

„Der Schutz

der

welcher dem

ein Wechselbalg,

Programm des nationalen Staates untergeschoben ward,

aber

der Wechselbalg war doch wenigstens von Fleisch und Bein; und

der

fanatische

Ingrimm,

mit

welchem

der

schutzzöllnerische

Nationalismus seine Gegner verfolgte, entsprang aus gesundem

Eigennutz, aus jener natürlichen Leidenschaft,

welche

die Hitze

der Jagd nach wahren oder vermeintlichen Vortheilen entfesselt. Die Bewegung kam um so leichter in Fluß, als ihr der ganze

Ideen-, Phrasen- und Wortschatz zu Gebote stand, den das für solche Uebertreibungen so eminent begabte französische Ingenium

ihr fix und fertig zur Verfügung

stellen

vorgeblich urdeutschen Aufschwung

ist von A

original, alles elendes Plagiat.

In diesem

konnte. bis

Z

nichts

Geborgte Kleider und geborgte

Worte von Anfang bis zu Ende. Nachdem

der

ins

Christlich - Germanische

übertragene

Travail-National seine Schuldigkeit gethan, an Stelle eines politischen Kulturinhaltes

gemeinen Jnteresienstreit

gesetzt und

dabei die kulturfeindliche Richtung zur Herrschaft gebracht hatte,

wurde das wunderthätige nationale Stichwort abermals zu neuer Verwendung frei. Und von diesem Erfolg aufgemuntert warf sich Alles darauf, was nur int Trüben der Jdeenverwirrung zu fischen erwarten durfte.

Das nächtlichste Gevögel,

neuen Tag

des Deutschen Reiches in

welches einst vor dem

dunkle Verstecke geflohen war, kam vertraulich heran und

die in der Luft herumfliegenden Ausschmückung zusammen.

nationalen Federn

las

zu seiner

Warum sollte es nicht Jedem ge­

lingen, mit dem nationalen Feldgeschrei gute Geschäfte zu machen

17 nachdem der Mann, welcher dereinst die Losung: „lieber fran­

zösisch als preußisch!" ausgegeben, sich zum Spiritus familiaris

der Reichsregierung und zum Führer des Reichstages im Kampf für den Schutz der nationalen Arbeit aufgeschwungen hatte? Von nun an geht es unaufhaltsam weiter, und Herz, was

begehrst du? Wenn nur das Wort „national" davorgesetzt wird,

ist das Unwiderstehliche geschaffen, heiße es nun Angra Pequena, Branntweinsteuergeschenk oder Septennat.

Auf die Gesammtheit dieser Erscheinungen was

ein

scharfer Beobachter

menschlicher

paßt genau,

Kollektivschwächen,

Benjamin Constant, also ausdrückt: „So oft in der Ordnung ein Mißbrauch einreißt, nimmt

socialen

er den Schein

die Grundlage derselben zu bilden, denn weil

er

an,

absonderlich

und seiner Natur nach vereinzelt ist (heterogene et seul de

sa nature),

so muß, damit er sich erhalte, alles Andere sich

ihm unterordnen und

um ihn gruppiren, so daß Alles auf

ihm ruht." Auch

die

einseitige Uebertreibung

von Hause aus berechtigten Idee

und Ausbeutung

der

der nationalen Existenzform

hat sich zu einem solchen Mißbrauch mit den hier beschriebenen Folgen ausgewachsen, uni) wohlverstanden, nicht blos in Deutsch­

land.

Deüke man nur z. B. an die Abgeschmacktheit der sentimen­

talen Ruffenschwärmerei, welche in Frankreich Mode geworden, mit dem

seitdem die patriotische Liga um ein Liebesbündniß

Zaren wirbt. Liebe

Hundert Jahre lang

für Polen geschwärmt!

orleanistischen Königthums

All

hindurch

hat Frankreich in heißer

die

achtzehn

war es

Jahre

des

heiliger Brauch,

jede Adresse der Deputirtenkammer mit einem Protest gegen die

russische Herrschaft über Polen zu schließen!

Aber die Karrikaturen sind das Schlimmste nicht.

Sie

sind nur Symptome des Uebels, welches das Ueberhandnehmen

einseitiger Richtung in sich birgt — „Paroxismus der Nationali­ tätenbewegung" nennt es der oben zitirtc Gumplowicz, und die

2

18 österreichische Literatur

ist

mit am meisten von der

natürlich

Sache präokkupirt.*)

Der Nationalitätenkampf in

ist

etwas Neues;

seiner

heutigen

Bedeutung

die Grundanlagen,

die Wahrnehinung und

alt.

Wer z. B. das Buch

die Aeußerung des Triebes sind

zur Hand nehmen will, welches vor hundertundzwanzig Jahren

der am «reisten durch sein Werk über die Eiirsamkeit berühmt

gewordene Joh. Georg Zimmcrmairn über deir „Nationalstolz"

geschrieben hat, ivird sich manchinal fragen, ob es nicht gestern verfaßt sei.

Das Bedürfniß,

beschäftigen,

war

sich mit

dieser Erscheinung zu

schon damals so groß,

aber

daß in kurzer

Aufeinanderfolge vier Auflagen erschienen, darunter bezeichnender Weise ein Nachdruck in der Kaiserlichen Hofbuchdruckerei zu Wien.

Heute ruht die Gefahr, einseitiger

welche

mit der Ueberwucherung

Staatstendenzcn verbunden ist, vor

allen

Dingen

darin, daß Dank dem demokratischen Grundzug der modernen Politik

die Verirrungen

hineinsenken miissen.

derselben

sich

in den Volkscharakter

Ich glaube, es ist Friedrich der Große,

der einmal schreibt, daß ehemals die Kriegführung viel weniger

hart

ins Volksleben eingegriffen habe,

weil die Regenten mit

ihren Söldnerheeren sich gewerbsmäßig um Landerwerb herum­ geschlagen hätten, ohne daß die Massen davon zur Leidenschaft aufgeregt wurden.

Las man das vor zwanzig Jahren, so kam

man kaum auf den Gedanken, daß hier etwas Beklagenswerthes

angedeutet werden sollte.

Beobachtet man aber den Gang der

Dinge in den letzten Jahrzehnten, so kann man darüber nach­

denklich werden. Als die allgemeine Dienstpflicht nach preußischem Muster *) Siehe u. A.

auch das soeben erschienene „Die Nationalitätsidee

und der Staat" von Alfred v. Krciner (vormaliger österreichischer Handels­

minister).

Auch die

in diesem Jahr erschienene Studie des Tübinger

Professors Fr. I. Neumann

wcrthen Beitrag.

„Volk und Nation" liefert einen schätzcns-

19 auf dem ganzen europäischen Festland in Zug kam, ward ihr

unter anderen daß

mit der

Sonderheit

unbestreitbaren — Vorzügen nachgerühmt,



eigenen körperlichen Theilnahme

aller und

in

der behäbigen Klassen die allgemeine Kriegsgefahr

nothivendig abnehmen müsse, daß nur noch die nothwendigsten und läßt

sich

daß

wohl heute schon übersehen,

Schlußfolgerung war.

an

geführt werden würden.

in Zukunft

gerechtesten Kriege

dessen

dies

Es

eine falsche

Die Freude am Waffenhandwerk und-

blutiger Ausübung

hat

die

sonst

dem

friedlichen

Beruf Ergebenen ebenso und beinahe noch mehr erfaßt als dio Soldaten von Fach, und der miles gloriosus würde heut nicht

in Gestalt eines Landsknechtes sondern etwa eines Gymnasial­ lehrers auf die Bühne zu bringen sein.

Auch mit diesem neuen Geist hängt es natürlich zusammen,

daß Europa ein von Waffen starrendes Kriegslager geworden ist und auf unabsehbare Zeit zu bleiben bestimmt scheint,

Zustand,

den

selbst Moltke

für

sehr

beklagenswerth

ein

erklärt.

Aber die wachsende Verfeindung der Nachbarn untereinander,

der Geist des Hasses, überall

Uebel.

im Wachsen

die Abschließung und Verhetzung, begriffen sind,

es wirkt entsittlichend und verdummend.

Denn

die

ist das schlimmste dieser Haß

und Bornirtheit erzeugen einander wechselseitig in stetiger Pro­ gression.

öffentliche Geist

Der

in Europa ist in dem letzten

Jahrzehnt moralisch und intellektuell zurückgegangen, und niemals ist

das Wort von

der Allmächtigkeit des Niederträchtigen so

oft zitirt worden wie

in unseren Tagen.

Diesen Rückgang

bezeichnet allerdings ein berühmter Professor der Geschichte als den Gedanken einer aufstrebenden Zeit, für welchen dem Kaiser Friedrich wegen seines Stilllebens das Verständniß abgegangcn

sei;

besonders

deshalb, weil

derselbe sich zornig abgewendet

habe von den Manifestationenfdesjenigen bornirten Hasses, welcher,

nicht zufrieden andere Nationen mit Schmähungen zn verfolgen, auch im Innern

der Nationen

selbst

nach Spaltungen sucht,

2*

20 Die Extreme berühren

um Opfer für sein Wüthen zu finden. sich,

und es ist leicht zu ermesien, wie aus der Uebertreibung

des Nationalgefühls, wirken sollte

und

gewirkt hat,

gerade

welches

in Deutschland zusammenfaffend

bei Gründung des Reichs zusammenfaffend wieder die Zersetzung hervorgehen könnte.

So gut wie den Raffenhaß kann man auch den Stammeshaß wieder heraufrufen.

Nachdem der Schutz der nationalen Arbeit

nur von deutscher Arbeit gesprochen hatte, wurde alsbald wieder

unterschieden zwischen produktiver und

unproduktiver Arbeit,

zwischen der Arbeit von Ackerbau und von Industrie, von Hand­ werk, von Industrie und von Handel, damit auch nach Innen

allerwärts Eines könnte.

Haben

dem Wüthen doch

des Andern geopfert werden

sogar in den Einzelstaaten sich bereits

die Forderungen geregt,"&bie sächsische, die bayerische Arbeit vor

der „fremden" zu bevorzugen.

Gar nicht

mehr soweit sind

wir von der Auffassung entfernt, welche z. B. im Jahre 1834 Lei Gründung der bayerischen Bank in der Münchener Stände­

kammer

zum Ausdruck

verlange,

daß

kein

kam:

„die

Ausländer

bayerische

ins

Nationalehre

Direktorium

kommen

dürfte."*)

Zeitströmungen

übergehend.

Auch

Die Frage ist nur,

sind ihrer Natur nach einseitig und vor­

dieser „Paroxismus" wird wieviel Unheil

vorübergehen.

er vorher anrichten wird,

nicht blos in den äußeren Zuständen, sondern in der Geistes-

verfasiung der Menschheit. Was wir jetzt erleben, ist zum Theil ein Rückschlag gegen

den gewaltigen Impuls, welchen die moderne Technik zum Jneinanderfließen aller irdischen Kräfte gegeben hat. Die Schranken nach Außen und nach Innen, welche ehemals die Völker unter­

einander und in sich selbst trennten,

der neuen Mechanik,

fallen vor der Allgewalt

und was einst natürlicher Zustand war.

*) Walther Lotz: Geschichte der deutschen Notenbanken.

21 wird Barbarei, rote Sklaverei, Lehnswesen und Adelsherrschast

es geworben sind.

immer eine Zeit

Aber das lang

alte besiegte Element wehrt sich

gegen das neue siegreich vordringende,

und wenn es das Glück hat, seine anachronistischen Forderungen in mächtigen Persönlichkeiten zu verkörpern, so gewinnt es eine

kurze Weile den Anschein, die Umkehr sei eine definitive. Figur

des

genialen Kaisers Julian

Die

des öfteren in der

kehrt

Weltgeschichte wieder, wenigstens in einzelnen Zügen. Die Um­

kehr zum Welt-Schutzzollkrieg ist ein Rückschlag gegen die Er­ findung der Eisenbahnen und des Telegraphs; aber Eisenbahn

und Telegraph

roerben den Schutzzoll besiegelt und überleben.

Nationalhaß und Rasienhaß sind ein Rückschlag gegen die Aus­

breitung

von Milde,

des

Philosophie

Gerechtigkeit und

Freiheit, welche die

achtzehnten Jahrhunderts vorbereitet und die

Civilisation des neunzehnten gereift hat. Auch sie werden sieg­

reich den Rückschlag überwinden.

der Anschautingen

Lessiitg und Goethe, huldigten. ihrer Zeit,

Noch brauchen wir uns nicht

zu schämen, denen

größten Deutschen,

Auch sie standen allerdings in

und mit den Aufgaben der Zeit wechseln die An­

schauungen und deren Berechtigung. so

die

Aber in der Anschauung

großer Geister ist ein Dauerndes, welches den Wechsel der

jeweiligen Aufgaben und der aus ihnen erzeugten Impulse und Leidenschaften überlebt, uitd

Erinnerung

das gerade dann am meisten in

gebracht ttnb beherzigt zu werden verdient, wenn

der Dünkel des Augenblicks sich dermaßen steigert, daß er seine Eingebtmgen für das Ewige hält.

Folgendes schrieb Goethe an Carlyle:*) „Offenbar ist das

Bestreben

der

besten Dichter

und

ästhetischen Schriftsteller aller Nationen schon seit geraumer Zeit

auf

das allgemein Menschliche gerichtet.

In

jedem

*) Briefwechsel, herausgegeben von Charles Eliot Norton, Cambrigde,

Amerika 1887.

22 Besonderen, es sei nun historisch, mythologisch, fabelhaft, mehr

oder weniger willkührlich ersonnen, wird man durch Nationalität und Persönlichkeit hindurch jenes Allgemeine immer mehr durch­

leuchten und durchschimmern sehen. Da nun auch im praktischen Lebensgange ein Gleiches obwaltet und durch alles Irdisch-Rohe,

Wilde, Grausame, Falsche, Eigennützige, Lügenhafte sich durch­ schlingt und überall einige Milde zu verbreiten trachtet, so ist zwar nicht zu hoffen, daß eiir allgemeiner Friede dadurch sich

einleite, aber doch daß der unvermeidliche Streit nach und nach läßlicher werde, der Krieg weniger grausam, der Sieg weniger übermüthig.

Eine wahrhaft allgemeine Duldung

wird

am

sichersten erreicht, wenn man das Besondere der Menschen und Völkerschaften auf sich beruhen läßt, bei der Ueberzeugung jedoch

festhält, daß das wahrhaft Verdienstliche sich dadurch auszeichnet,

daß

es der ganzen Menschheit angehört.

Zu einer solchen

Vermittlung und wech selseitigen Anerkennung tragen die Deutschen seit langer Zeit schon bei."

So geschrieben zu Weimar es heute gelegt.

den

Enkeln als

ein

am 20. Juli 1827

Gedenkblatt ins



sei

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